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Peter Baumanns Die Ideengeschichte von Kant b i s Hegel
Königshausen & Neumann
Peter Baumanns — Die Ideengeschichte von Kant bis Hegel
Peter Baumanns
Die Ideengeschichte von Kant bis Hegel
Königshausen & Neumann
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ISBN 978-3-8260-6854-6
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Peter Baumanns
Die Ideengeschichte von Kant bis Hegel Inhaltsangabe Die Abhandlung, konzipiert als Ideengeschichte des von Kant eingeleiteten Philosophie-Zeitalters, beginnt mit einer kritischen Erörterung des Titels „deutscher Idealismus.“ Schelling münzte ihn im Fragment der „Weltalter“ von 1813 in abschätzigem Ton auf die Monadologie Leibnizens, die so wenig wie ihr kritischer Bezugspunkt, Spinozas more geometrico vorgehen wollender Substantialismus, geeignet gewesen sei, den Cartesischen Dualismus der res cogitans und res extensa mit dem System Einer weltschöpferisch konstruktiven, selbsthaften Vernunft zu überwinden. Es war im Urteil Schellings auch Kant und Fichte nicht gelungen. Fichte hatte nach Schellings Aussage in den „Stuttgarter Privatvorlesungen“ von 1810 mit der absoluten Ichheit des Individuums den Todtschlag der Natur betrieben, nachdem Kant (laut Schellings „Weltaltern“) die tiefe Wahrheit des Realismus nicht anerkennen konnte, die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems, die Entwickelung nach erfolgter Einwickelung. Anhand dieser Gedankenmotive der nachkantischen Spekulation zeichnet sich das der Untersuchung sachlich-ideengeschichtlich gebotene Vorgehen deutlich ab. Die Aneignung Schellings und Hegels setzt eine Grundkenntnis Kants voraus. Es musste daher nicht nur der durch Jacobi, Reinhold, Maimon und G. E. Schulze-Aenesidemus gebahnte Weg von Kant bis Fichte einbezogen werden. Es musste zunächst der Versuch eines genaueren und innovativen Eindringens in die transzendentalkritische theoretische und praktische Philosophie Kants erfolgen. Zu diesem Zweck wurde das grob vereinfachende Modell der Erkenntnis als Synthesis von Empfindungen neutralisiert. Es wurde durch den Standpunkt des Gegenstandes überhaupt = X, der Apperzeption „Ich denke“ – „Ich bin“ = X, der Raum-ZeitAnschauungs-Rezeptivität als „Sitzungspunkt“ und den „hohen Punkt“ der „höchsten Idee“ der Vernunft bzw. durch die in diesem Prinzipien-Geviert sich aufstellende Einheit a priori
transzendentallogisch und empirisch-besondergesetzlich konstituierter bzw. organisierter Erfahrungserkenntnis ersetzt. Dies konnte damit gelingen, dass die höchste Idee (der hohe Punkt) nicht einfach mit dem praktischen Freiheitsthema identifiziert, sondern „nur“ als für moralisch-praktisches Denken „erreichbar“ angesehen wurde, ihm also Bedeutung zugestanden wurde sowohl für den Bereich des fehlerfreien Ideals der reinen Vernunft, der theoretisch regulativen Idee, der damit Naturzweckmäßigkeit aufzeigenden Apperzeption, als auch für denjenigen des moraltheologischen „höchsten Guts“, des wohlproportionierte Einheit von moralischer Glückswürdigkeit und Glück herstellenden moralischen Welturhebers. Überdies wurde klar, dass hierzu noch das Grundverständnis des „Transzendentalen“ der „Transzendentalphilosophie der Alten“ einbezogen werden musste, die mathematisch-qualitative Konvertibilität von ens, unum, verum (Vielheit als Wahrheit) und bonum (Allheit als Vollendung) einschließlich ihrer Anwendung auf die Formeln des Kategorischen Imperativs der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Nur so konnte der bis zum einheitsphilosophischen opus postumum ausblickende „Kant-Kursus“ seinen Zweck erfüllen, eine Vergleichsfolie für die Prinzipienbegrifflichkeit Kants und des Deutschen Idealismus abzugeben. Zu den ideengeschichtlichen Befunden gehört als Hauptergebnis des Vergleichs des Kantischen Transzendentalismus und der im unvordenklichen absoluten Sein tiefergegründeten Theokosmogonie die Differenz der auf begehbare „ideelle“ Welt- und Lebenswege ausgerichteten epistemologisch erarbeiteten Systematisierung der kategorialen und empirischen Gesetze einerseits, des Systems der sinnverleihenden totalen Identiät des Absoluten andererseits.
Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................ 11 I Einleitung Zum Aufbau der Untersuchung ............................ 12 II Schellings Strukturierung der Epoche .................................... 14 III Erhebung einer Prozeßdynamik im Ausgang von Kants Revision der traditionellen „Transzendentalien“lehre ............................................. 17 IV Weitere Belege der Transzendentalienlehre aus der Geschichte der Philosophie .................................... 27 V Kants Denkweg in der „Kritik der reinen Vernunft“ ............ 29 V.1 Transzendentale Analytik............................................. 29 V.2 Dialektische Entfremdungen des transzendentalen Selbstbewusstseins und ihre gewinnbringende Selbstkorrektur .................................................. 35 V.3 Zur Terminologie der Transzendentalität ................... 42 VI Das Regulativ der Zweckmäßigkeit ...................................... 45 VII Von Kant zu Fichte, Schelling, Hegel: Reinhold, G. E. Schulze, Maimon, Jacobi ..................................... 54 VII.1 Karl Leonhard Reinhold ............................................ 54 VII.2 G. E. Schulze-Aenesidemus ...................................... 63 VII.3 Salomon Maimon ....................................................... 67 Kant beantwortet fingierte Fragen der Leserschaft ........... 67 VII.4 Friedrich Heinrich Jacobi .......................................... 84 VIII Johann Gottlieb Fichte ....................................................... 91
IX Friedrich Wilhelm Joseph Schelling .................................... 109 IX.1 Leben und Werke ...................................................... 109 IX.2 Schellings frühe Schriften ......................................... 114 IX.3 Schellings Konzeption der Naturphilosophie 1797-1800 ........................................................................... 122 IX.4 Schellings Naturphilosophie. Die Grundlehre ........ 125 IX.5 Das System des transzendentalen Idealismus .......... 128 A Theoretische Philosophie .............................................. 128 IX.6 Das System des transzendentalen Idealismus .......... 136 B Praktische Philosophie ................................................... 136 IX.7 Schelling, System des transzendentalen Idealismus 139 Rückblick ........................................................................... 139 IX.8 Erörterung ................................................................. 140 IX.9 Schellings Identitätssystem von 1801 ...................... 142 IX.10 Schelling über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809) ................................................................... 150 IX.11 Stuttgarter Privatvorlesungen ................................. 160 IX.12 Die Weltalter (1813) ............................................... 167 IX.13 Schellings Spätphilosophie. Negative Philosophie und Positive Philosophie der Offenbarung. Kurzfassung ....................................................................... 177 X G. W. F. Hegel ....................................................................... 185 X.1 Phänomenologie des Geistes (1807). Kurzdarstellung ................................................................. 185 X.1.1 Die Wahrheitsstufen ................................................ 185 X.1.2 Sinnliche Gewissheit. Wahrnehmung und physikalischer Verstand ............................................. 190 X.1.3 Selbstbewusstsein..................................................... 192 X.1.4 Vernunft ................................................................... 195 X.1.5 Geist ......................................................................... 198 X.1.6 Religion .................................................................... 203 X.1.7 Absolutes Wissen ..................................................... 207 X.2 Hegels „Wissenschaft der Logik“. Kurzfassung ....... 209 X.3 Geschichte als Prozess des Geistes ............................ 219 XI Schlussbetrachtung .............................................................. 225
Literaturverzeichnis ................................................................... 230 Namenregister ........................................................................... 234 Sachregister, linear ..................................................................... 236 Theorieelemente, systematisch ................................................. 238
Vorwort Die vorliegende Abhandlung versteht sich als differenzierendidentifizierender Beitrag zu der von Kant nicht ohne doktrinalen Widerstand eingeleiteten vielgestaltigen Philosophie-Epoche. Der Inhalt ist in Publikationen, Vorlesungen und Seminaren erprobt und entwickelt worden. Wie bei den letzteren Gelegenheiten immer wurde eine Auseinandersetzung mit konkurrierenden Methoden und Interpretationen zu Gunsten der überblickbaren Analyse und der durchgehend deutlichen Darstellung reduziert.
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I Einleitung Zum Aufbau der Untersuchung Die Untersuchung beginnt aus naheliegenden Gründen mit einer kritischen Erörterung des Titels „deutscher Idealismus“. Schon Schelling bezog ihn im „Weltalter“ Fragment von 1813 in abschätzigem Ton auf Leibnizens Monadologie.1 Sie sei so wenig wie ihr kritischer Bezugspunkt, Spinozas more geometrico vorgehen wollender Substantialismus, geeignet gewesen, den Cartesischen Dualismus der res cogitans und res extensa mit dem System Einer weltschöpferisch konstruktiven, selbsthaften Vernunft zu überwinden. Es war im Urteil Schellings auch Kant und Fichte nicht gelungen. Fichte hatte nach Schellings Aussage in den „Stuttgarter Privatvorlesungen“ von 1810 mit der absoluten Ichheit des Individuums den „Totschlag der Natur“ betrieben, nachdem Kant die tiefe Wahrheit des Realismus nicht anerkennen konnte, die Entwickelung nach erfolgter Einwickelung, darauf die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems beruhe.2 Es folgt hier der Versuch eines genaueren Eindringens in die transzendentalkritische theoretische und praktische Philosophie. Zu diesem Zwecke neutralisieren wir das vereinfachende Modell der Erkenntnis als Synthesis von Empfindungen. Wir ersetzen es durch den Standpunkt des Gegenstandes überhaupt = X, der Apperzeption „Ich denke“ – „Ich bin“ = X (KdrV A346, B 404), der Raum-Zeit-Anschauungs-Rezeptivität als „Sitzungspunkt“3 und den „hohen Punkt“ (B 846) der „höchsten Idee“ (B 838) der Vernunft bzw. durch die in diesem Prinzipien-Geviert sich aufstellende Einheit a priori materiallogisch und empirisch-besondergesetzlich konstituierter bzw. organisierter Erfahrungserkenntnis. Dies gelingt, sofern man die höchste Idee (den hohen Punkt) nicht einfach mit dem praktischen Freiheitsthema identifiziert, sondern als für moralisch-praktisches Denken „erreichbar“ („erreicht“, B 846), ansieht, ihm also Bedeutung vindiziert sowohl für den Bereich des fehlerfreien Ideals der reinen Vernunft bzw. der theoretisch regulativen Idee der Naturzweckmäßigkeit aufzeigenden Apperzeption als auch für denjenigen des moraltheologischen „höchsten Guts“, des wohlproportionierte Einheit von 1 2 3
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Ausgewählte Werke (AW), WBG 1976, 148. AW, WBG 1983, 389. Metaphysik K2, AA 28. 2,1, 775.
moralischer Glückswürdigkeit und Glück herstellenden moralischen Welturhebers. Wenn dann noch neben der „Transzendentalität“ des Bezugs auf die Möglichkeit der Erkenntnisart a priori (A11/B24) das Grundverständnis des „Transzendentalen“ aus der „Transzendentalphilosophie der Alten“ einbezogen wird, die mathematisch-qualitative Konvertibilität von ens, unum (Einheit), verum (Vielheit) und bonum (Allheit) und Anwendung auch auf die Formeln des Kategorischen Imperativs aus der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ findet, hat der bis zum einheitsphilosophischen opus postumum ausblickende „KantKursus“ seinen Zweck erfüllt, eine Vergleichsfolie für die Prinzipienbegrifflichkeit Schellings und Hegels abzugeben. Aus ihrer Welt der Alleinheit von absoluter Vernunft und Wirklichkeit wird gegenwärtig Lesewilligen Zugang zu charakteristischen Hauptwerken verschafft, wie Schellings „System des transzendentalen Idealismus“, der Freiheitsschrift, den Stuttgarter Privatvorlesungen und den „Weltaltern“ sowie Hegels „Phänomenologie des Geistes“, seiner „Logik“ und den „Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte.“
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II Schellings Strukturierung der Epoche Dieses erste Kapitel beginnt mit Überlegungen zu einer ideengeschichtlichen Entwicklungsreihe. Wenn man die Namen Schelling und Hegel hört, denkt man aus sachgegebenen Gründen sofort Kant und Fichte hinzu. Schelling und Hegel sind von Kant und Fichte in Zustimmung und Widerspruch abhängig. Schelling und Hegel sind von Kant und Fichte ausgegangen, von Kant unmittelbar und durch die Vermittlung Fichtes. Die Aneignung Schellings und Hegels setzt eine Grundkenntnis Kants und Fichtes voraus. Dementsprechend wird diese Abhandlung mit einer Kurzdarstellung des transzendentalkritischen Idealismus Kants anfangen, einen Überblick über Fichtes erste „Wissenschaftslehre“ geben und schließlich zu Schelling und Hegel übergehen. Auch der Weg von Kant bis Fichte muss einbezogen werden, der durch Jacobi, Reinhold, Maimon und G. E. AenesidemusSchulze gebahnt wurde. Wir gehen von der bevorzugten Version dieser Ideengeschichte aus, die wir unter dem Titel „Deutscher Idealismus“ schon bei Schelling kritisch erwähnt gefunden haben. Kant führte den Leibnizschen Subjektivismus und Idealismus, folgt man Schelling, fort mit der Lehre, dass das Selbstbewusstsein erkenntniskonstitutiv ist, das Selbstbewusstsein, wie es sich im „Ich denke“ und „Ich bin“ ausspricht. Nach Schellings Kant sollte allerdings die Erkenntnisgrundlegung an gewisse, dem Selbst-Bewusstsein vorgeschriebene Bedingungen gebunden sein, über die das Subjekt keine freie Verfügungsgewalt habe. Nach seinem Kant sollte das Subjekt in der Dingerkenntnis logische „Spontaneität“ beweisen, aber es sollte auch auf die Rezeptivität der Sinneseindrücke angewiesen sein. Und ihren Ursprung vermutete Schellings Kant im „Ding an sich“. So übte schon das Kantische Subjekt immerhin eine unverzichtbare Funktion in der Ding-Erkenntnis aus, während es das Ding, wie es an sich sein möchte, als Urquell der kognitiven Sinneseindrücke, als Materie der synthetischen Erfahrungserkenntnis neben sich gelten lassen musste. Eine Steigerung des Subjektivismus und Idealismus war noch möglich. Ein Fichte konnte gemäß ideengeschichtlicher Logik und Notwendigkeit nicht ausbleiben. Jemand musste auftreten, der das „absolute Ich“ zum Prinzip erhob, das Subjekt „ohne wenn und aber“, das Ich, das ist, indem es sich setzt. In
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Fichte fand der Subjektivismus als Idealismus seine höchste Ausbildung. Für den jungen Schelling, so erkennt der mittlere und spätere Schelling, blieb allerdings auf der Bahn des deutschen Idealismus genug zu tun. Seine eigene ideengeschichtliche Berufung bestand darin, den Fichteschen Idealismus zum System auszugestalten. Dazu hatte sich Fichte unvermögend gezeigt. Schelling will dies, immer seinem entwicklungslogischen Rückblick zufolge, mit dem Werk „System des transzendentalen Idealismus“ von 1800 und der „Darstellung meiner Philosophie“ von 1801 geleistet haben. Der spätere Schelling erklärte allerdings auch, dass diese Werke und die vorangehenden Schriften unter Fichtescher Hülle schon einen originär Schellingschen Kern enthielten. In Wahrheit nämlich sei der Fichtesche Idealismus nicht der ideale Idealismus gewesen. Denn Fichte wollte zwar den Geist als weltschöpferisch erweisen, reduzierte ihn aber auf die Ichheit des je empirischen, individuellen Ich. Fichte war auf das individuelle Ich fixiert. Und daher kannte er auch die Natur nur als das vom Ich gesetzte Nicht-Ich. Fichte sei die wahrhaft absolute Vernunft fremd gewesen, die Ich und Natur in sich begreift. Der Hegelsche Idealismus war aus Sicht der Schellingschen Entwicklungslogik nur eine „Episode“ in der Entwicklung des „deutschen Idealismus“, eine flüchtiger, von Schellingscher Substanz zehrender Parasit. Hegel verdünnte die Schellingsche Philosophie des Absoluten zu Logik, zu luftig-abstrakten Bestimmungen, wie Sein, Nichts und Werden. (Als „Episode“ bezeichnet Schelling die Philosophie Hegels noch nicht um 1813, in den „Weltaltern“, sondern 15 Jahre später in den Münchener Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie.)4 Wenn der mittlere und spätere Schelling von Kant und dem „deutschen Idealismus“ spricht, so hat demnach diese Kennzeichnung bei ihm eine pejorative Färbung. Schelling sieht auf den „deutschen Idealismus“ einschließlich Kants und seines eigenen Beitrags herab. Für Schelling hat sich der „deutsche Idealismus“ von der noch tieferen Wahrheit des Realismus entfernt: „Wer die Priorität des Realismus nicht anerkennt, der will die Entwickelung ohne vorausgegangene Einwickelung. … Wie das S e y n die Kraft und Stärke des Ewigen selber ist, so ist der Realismus die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems .. Nur jene uralte heilige Kraft des Seyns wollen viele nicht 4
AWWBG 1976, 410.
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anerkennen, und möchten sie gleich von Anfang verbannen, ehe sie in sich selbst überwunden der Liebe nachgiebt.“ (AW1976, 150). Was dem Realismus zusteht, so fügt Schelling hinzu, gebührt auch dem Pantheismus: die zeitliche und sachliche Priorität vor dem Idealismus. Aus diesen wenigen Schelling-Sätzen sind wesentliche Gedankenmotive der nachkantischen Spekulation herauszuhören: die theologische Inspiration, das Generalthema Sein und Selbstsein in der Idee des selbst-seienden Absoluten, das Programm einer methodischen („dialektischen“) Entwicklung des Alls der Realität.
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III Erhebung einer Prozeßdynamik im Ausgang von Kants Revision der traditionellen „Transzendentalien“lehre Jede Ideengeschichte drängt zu einer Logik. Man sucht nach einem Entwicklungsgesetz. Es steht natürlich fest, dass dies nur ein Rahmenbegriff sein kann, ein abstraktes Ordnungsmuster, das bloß im Großen und Ganzen zutrifft. Auch die ideengeschichtliche Entwicklungslogik muss sich in einen GesichtsKreis einschließen, sie muss einen Standpunkt einnehmen und eine Perspektive wählen. Bei dem späteren Schelling haben wir für die Sequenz Kant– Hegel-Schelling einen ideengeschichtlichen Standpunkt angetroffen. Dies war ein offenbar nicht-idealistischer Blickwinkel. Die Schellingsche Entwicklungslogik enthielt ein Bekenntnis zur realistischen Position, und Schelling gab mit der Beschwörung des ur-alten Seyns eine Präferenz der Ontologie zu erkennen. Bei Hegel dagegen ist das Maß aller entwicklungsgeschichtlichen Dinge eine Stufenentwicklung des Idealismus, die Reihenfolge subjektiver, objektiver und absoluter Idealismus. Und von Kant her ist eine noch andere philosophische Entwicklungslogik möglich. Kant selbst hat sie allerdings nicht ausgearbeitet und vorgelegt. Und sie kann auch hier zunächst nur angedeutet werden. Wir stützen diese These zur ideengeschichtlichen Entwicklungslogik auf die KdrV. Bei Gelegenheit der 2.Auflage der KdrV hat Kant einen Paragraphen hinzugefügt (§12), in welchem er auf die „Transzendentalphilosophie“ „der Alten“ zu sprechen kommt. Und genau hier führt er die „Transzendentien“ der aristotelisch-mittelalerlichen Philosophie unum-verum-bonum auf die quantitativen Grundbegriffe Einheit-Vielheit-Allheit zurück. Seit Parmenides geht die Philosophie auf eine Selbstbegründung der „transzendentalen“ Denkform aus, d.h. auf eine Grundlegung der von Grund auf quantitätsbegrifflichen Denkstruktur. Die Philosophie ist transzendentalmathematische Selbstbegründung. Kant, Fichte, Schelling und Hegel sind auf dieser allgemeinen Entwicklungslinie zu sehen. Um im Bilde zu bleiben: Kant, Fichte, Schelling und Hegel haben die bis dahin sprunghafte Linie der transzendentalen Reflexion begradigt. Unstet war der Kurs der transzendentalen Reflexion, weil hier die Einheit (Identität“), dort die Vielheit überbewertet wurde, oder weil man die Identität nur im praktischen
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Bereich für möglich hielt, als Identität der Person, nicht aber im allgemeinen Wissensbereich. Die Ausführungen des § 12 sind der Schlüssel zur KdrV. Und sie sind ein möglicher Anknüpfungspunkt der ideengeschichtlichen Entwicklungslogik, der wir auch Fichte, Schelling und Hegel einordnen werden. Wenn man den Weg von Kant bis Schelling-Hegel verfolgt, den Weg zur Schelling-Hegelschen Identitätsphilosophie, dann ist §12 der KdrV ein aufschlußreicher Ausgangspunkt. Kant schreibt B 113 ff.: „Es findet sich aber in der Transzendentalphilosophie der Alten noch ein Hauptstück vor, welches reine Verstandesbegriffe enthält, die, ob sie gleich nicht unter die Kategorien gezählt werden, dennoch, nach ihnen, als Begriffe a priori von Gegenständen gelten sollten, in welchem Falle sie aber die Zahl der Kategorien vermehren würden, welches nicht sein kann. Diese trägt der unter den Scholastikern so berufene Satz vor: quodlibet ens est unum, verum, bonum.… Diese vermeintlich transzendentalen Prädikate der Dinge sind nichts anderes als logische Erfordernisse und Kriterien aller Erkenntnis der Dinge überhaupt, und legen ihr die Kategorien der Quantität, nämlich der Einheit, Vielheit und Allheit, zum Grunde … In jedem Erkenntnisse eines Objektes ist nämlich Einheit des Begriffes, welche man qualitative Einheit nennen kann, sofern darunter nur die Einheit der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Erkenntnisse gedacht wird, wie etwa die Einheit des Themas in einem Schauspiel, einer Rede, einer Fabel. Zweitens Wahrheit in Ansehung der Folgen. Je mehr wahre Folgen aus einem gegebenen Begriff, desto mehr Kennzeichen seiner objektiven Realität. Dieses könnte man die qualitative Vielheit der Merkmale, die zu einem Begriff als einem gemeinschaftlichen Grunde gehören, (nicht in ihm als Größe gedacht werden, nennen. Endlich drittens Vollkommenheit, die darin besteht, dass umgekehrt diese Vielheit zusammen auf die Einheit des Begriffes zurückführt, und zu diesem und keinem anderen völlig zusammenstimmt, welches man die qualitative Vollständigkeit (Totalität) nennen kann.. – Also wird durch die Begriffe von Einheit, Wahrheit und Vollkommenheit die transzendentale Tafel der Kategorien gar nicht, als wäre sie etwa mangelhaft, ergänzt, sondern nur, indem das Verhältnis dieser Begriffe auf Objekte gänzlich beiseite gesetzt wird, das Verfahren mit ihnen unter allgemeine logische Regeln der Übereinstimmung der Erkenntnis mit sich selbst gebracht.“ Vgl. Refl. 5734, AA 18,
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339f.: „Einheit, Warheit und Vollstandigkeit (transscendentale Vollkommenheit) sind die reqvisita ieder Erkentnis respective auf Verstand, Urtheilskraft und Vernunft ... Alles abgeleitet aus Einem. Alles verbunden in Einem. Das eine abgeleitet aus allem. Einheit des Subiects, des Grundes und des Ganzen. Moglichkeit Wirklichkeit Nothwendigkeit.“ Wir lassen nicht lange unerklärt, wie Einheit, Wahrheit (Folgenreichtum einer Vorstellung) und Vollständigkeit (der Kreisgang des Vorstellens), wie diese Begriffe die logischen Requisiten jeder Art Gegenstandserkenntnis abgeben. Wir formulieren vielmehr unmittelbar die These: In §12 ist der Schlüssel zur KdrV, zu ihrem Selbstverständnis und zu ihrer Selbsttitulierung als „Transzendentalphilosophie“ zu finden. Die KdrV ist die Selbstergründung der transzendentalen Denkstruktur, die in §12 quantitätsbegrifflich erläutert wird. Das heißt: Die KdrV ist Selbstdurchdringung des von Grund auf quantitätsbegrifflich logischen Denkens. Bei Kant, in der KdrV, hat das transzendentale Denken, das Denken des Einen, des produktiv-folgenreichen Wahren und der quantitativ-qualitativen Vollständigkeit, hier hat dieses transzendentale Denken seinen Ursprung reflektiert, seinen Geltungsgrund ermittelt. Die tragende Grundlehre der KdrV besagt: Das Fundament des transzendental-quantitativen Denkens ist das „Bewusstsein überhaupt“, das sich in sich reflektierende Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, mit dem Leibnizschen Kunstausdruck die Identität der „Apperzeption“. Die These, mit der Kant die Philosophie revolutioniert, aber im Rahmen des transzendentalen Denkens und der transzendentalen Reflexion eigentlich nur reformiert hat, die innovative These der KdrV lautet: Die Strukturmerkmale des „transzendentalen“ Denkens, also numerische Einheit, gedankliche Produktivität und kollektive Einheit, diese Strukturmerkmale des quantitativ-qualitativen Denkens werden im „formallogischen“ Bereich nicht mit den Erkenntnisgegenständen verbunden, nicht darauf angewandt, sehr wohl aber „gänzlich beiseite gesetzt“, d. h. als mit dem materiallogischen Nukleus der Gegenstandserkenntnis, der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption eins in formalen Abbreviaturen vorausgesetzt. Von „formaler Logik“ kann in der Tat sinnvoller Weise nur die Rede im Blick auf materiallogische Urregeln und Urgestalten sein. Und dies gilt auch für das auf seinen Anschlußund Auftrittsmoment seitlich wartende Freiheitsdenken mit
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moralisch, rechtlich-politisch und ästhetisch-kulturell komplexem Gefolge. Paragraph 12 sagt zwar, dass die transzendentale Struktur (das quantitätsbegriffliche unum-verum-bonum) den Gegenständen vom Denken her zukommt, weil die transzendentale Struktur den Gegenständen nur im Gedachtwerden eigen ist: dass die quantitätsbegrifflich aufgeschlüsselte Trias unumverum-bonum lauter erkenntnisimmanente logische Kriterien umfasst. Aber Paragraph 16 geht bereits weiter. Hier ist die Hauptaussage zu finden: Die fundamentallogischen Erkenntniskriterien werden ursprünglich vom Subjekt selbst erfüllt. Das Bewusstsein überhaupt, das Selbstbewusstsein als systematisch Denken und Anschauung durchwaltender Prinzipien-Inbegriff, ist das Modell des transzendentalbegrifflich-kategorialen Denkens der Erkenntnisgegenstände. Die Apperzeption ist das quantitätsbegrifflich-transzendental verfasste Erkenntnis-Zentrum, von der die Begriffs-, Urteils- und Schlussregeln der formalen Logik, wie die transzendentalen Lehr-Inhalte der Anschauungsformen Raum und Zeit und der formalen Anschauung derselben ihre gleichsam ausgestrahlte Legimitation beziehen, beide selbst dank ihrer vollen Konzentration auf die gemeinsame Basis des „Gegenstandes überhaupt“ und die Besondergesetzlichkeit der empirischen Naturgesetze, so dass sich über einem Bereich transzendental-kategorialer Konstitution der Erfahrungswelt eine dem Subjekt nächste Zone aufbauen kann, diejenige regulativer Ganzheitsbegriffe (Ideen). Sie haben dem „Deutschen Idealismus“ zur Geburt verholfen. Dieses bonum spezieller „Vernunft“begriffe nämlich hat bei Kant den Rang von Alleinheitsbegriffen erlangt, die dem Subjekt vermittelst schematischer Analoga des eigenen intellektuellen Vermögens-Bestandes erlauben, im Umgang mit der Natur den Maßstab der „Zweckmäßigkeit“ anzulegen und selbst anzustreben (mit der Beobachtung von Gletschern, Pflege von Regenwäldern, Erhaltung der Arten-Vielfalt, Verhinderung von Epidemien..). In der ersten Auflage der KdrV heißt es: „Die Einheit der Apperzeption .. in Ansehung eines Mannigfaltigen von Vorstellungen (es nämlich aus einer einzigen zu bestimmen) ist die Regel und das Vermögen dieser Regeln der Verstand.“ Der Verstand ist das von den quantitätsbegrifflichen Transzendentalien bestimmte Denken. Der Verstand ist die Regelungsinstanz, die Vorstellungsvielheit aus einer einzigen Vorstellung bestimmt. Er
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vermag dies allerdings nur zu leisten, weil er die Einheit des „Bewusstseins überhaupt“ an der Mannigfaltigkeit der Vorstellungen vollzieht und zur Geltung bringt, und neben der a priori logischen Richtigkeit des Vorstellens die gewiss nicht weniger transzendental-elementare Wahrheitsrelevanz des Gegenstandes überhaupt = X und seiner empirisch-besondergesetzlichen Vermittlung in die Prinzipienstruktur mit aufnimmt. Die „Heterogeneitätsthese“ der Transzendentalphilosophie zu den Grundvermögen der Spontaneität und Rezeptivität hat für die Erkenntnis und das Handeln bleibende Geltung, desgleichen schließlich die Kompatibilität des naturwissenschaftlich-regulativen Ideals der reinen Vernunft und der postulatorisch-ethikotheologischen Glückswürdigkeit, wie sie in der transzendentalen Nachlaß-Philosophie des „Übergangs“ von der transzendentalen Natur-Metaphysik zur Naturwissenschaft eigenthematisch vorausgesetzt wird. Wir können also an jeder Gegenstandserkenntnis die transzendentale Struktur nachweisen; wir können sie für jede Gegenstandserkenntnis prognostizieren, weil das Bewusstsein überhaupt transzendentalen Wesens ist. Die transzendentale Denkstruktur stammt nicht aus der Gegenstandswelt. Sie ist keine Abbildung der Gegenstandsgliederung. Aber die transzendentale Denkstruktur ist auch keine im üblichen Sinne bloß „formallogische“ Funktionsstruktur. Die transzendentale Denkstruktur gilt im Alltagsdenken und in der Wissenschaft, weil sie der „Apperzeption überhaupt“ in ihrer kognitiven Grundrelation zum „Gegenstand überhaupt“ angehört. Die transzendentale Denkstruktur, das quantitätsbegriffliche Einheitsstiften, wurzelt in der Einheit oder Identität, die aus diesem Grunde „transzendentale Einheit“ oder „transzendentale Identität der Apperzeption“ heißt. Es gibt quantitativ-qualitativ strukturierte Gegenstandsgedanken, weil das „Bewusstsein überhaupt“ genau diese Struktur aufweist. Das Bewusstsein überhaupt ist ein einfaches Eines; das Bewusstsein als solches zu vervielfachen, ist in sich widersprüchlich. Und dieses Bewusstsein ist die konstitutive Einheit der Gedankenvielheit. Schließlich hat es Systemcharakter, es ist von seiner Höhe der Rationalität herab bis zum profunden Sein ein systematisches Ganzes von Denkformen, Begriffen und Urteilen.
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Dies ist der Zentralgedanke der KdrV. Und seine Verbesserung ist das grundlegende Bestreben von Fichte, Schelling und Hegel. Bei ihnen, wie bei Kant, sucht die transzendentale Denkform, die quantitativ-qualitative Denkstruktur, ihren Geltungsgrund auf, indem sich die Vernunft noch weiter in sich selbst vertieft. Bei den Genannten, wenn auch erst in ihrer weiteren Entwicklung, hat sich die transzendentale Reflexion (die Transzendentalien-Reflexion) genötigt gesehen, im Sich-Versenken in die Vernunft den Seins-Grund der Vernunft anzuerkennen, sich selbst das unvordenkliche Sein vorauszusetzen. Wir werden diese Systemgestalten der transzendentalen Reflexion entwicklungslogisch und kritisch verfolgen. * Bei Kant aber, von dem auszugehen ist, haben wir das identische Subjekt nicht so zu denken, als besitze es seine Vollzugsformen, seine Anschauungs- und Denkformen, gleichsam als pragmatische Erkenntnisorgane oder -werkzeuge. Kant selbst hat in der Schrift „Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie“ (1796) das Missverständnis der Subjektivität als das gegebene Objekt handhabende Formgebungs-“Manufactur“ abgewiesen. (AA VIII, 404) Die Subjektivität konstituiert sich selbst in engster Einheit mit der Integration der Vorstellungen in das eine identische Bewusstsein. Drei theoretische Subjektivitätsmodelle sind unkantisch: das Subjekt als Lockesches white paper oder als tabula rasa, das Subjekt als Leibnizsche Monade, die alles Vorstellbare in sich trägt, wenn sie auch nur jeweils einen Ausschnitt zur Deutlichkeit bringt, und das an sich aufnahmebereite und tatenwillige Subjekt. Man könnte eine Fichtesche Formel zur Erläuterung heranziehen, wenn man nur den Fichteschen Gehalt (das quantitativ teilbare Ich und Nichtich) unterdrückte. Man könnte formulieren: Das Subjekt ist „Sich-Setzen als setzend...“ Das inhaltlich unbestimmte „Sich-Setzen überhaupt = X als sich voraussetzend das genauso inhaltlich unbestimmte Ewas überhaupt=X“, letzteres aber paradoxerweise als das alle Konfusion perhorreszierende „Dawider“, ist die innere unum-Achse der Vernunft (das Zentrum des „Rades der Geburt“, das uns in der Schellingschen Metaphysik des individuell und generell organismisch Seienden der „Weltalter“ in eigener Bedeutung wieder begegnen wird.) *
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Kant hat die für alles Denken wesentliche transzendentale Selbstbezüglichkeit, die quantitäts-begriffliche Funktionsstruktur des Selbstbewusstseins vor Augen, wenn er in mathematischer Ausdrucksweise vom „höchsten Punkt“ spricht, an dem die Erkenntnistheorie allen Verstandesgebrauch zu heften habe. (B 134) Die ursprünglich-synthetische Einheit des Selbstbewusstseins, seine quantitätsbegrifflich-qualitative Identität, dies ist der Verstand selbst. Umgekehrt ist der Verstand das sich unter gewissen begrifflichen Hinsichten reflektierende Bewusstsein. Es empfiehlt sich, die KdrV aus diesem Standpunkt zu überblicken. Denn dieser Standpunkt bestimmt ihren eigenen Gesichtskreis. Die KdrV ist transzendentale Reflexion als bewusstseinstheoretische Transzendentalien-Reflexion. Die KdrV ist im Ganzen ein Sich-in-sich-Vertiefen, ein Sich-Begreifen des Einen erkenntniskonstitutiven Selbstbewusstseins. Am Anfang der KdrV steht eine Anschauungslehre, eine Theorie der sinnlichen Anschauung („Transzendentale Ästhetik“). Den Abschluss („die Vollendung des kritischen Geschäftes der reinen Vernuft“ (A 670/B 698) bildet eine „Ideen“lehre, eine Ermittlung von Forschungsmaximen bzw. von deduktiv-legitimierenden Überlegungen und Ratschlägen für die Naturwissenschaft und die naturbegrifflich orientierte Erfahrungserkenntnis überhaupt. Die Sachverhaltsanalyse der Anschauung, mit der die KdrV eröffnet wird, und die Kollektion der bloß erkenntnisregulativen Ideen, in der die „Transzendentale Elementarlehre“ der KdrV mit dem „Anhang zur transzendentalen Dialektik“ ausklingt: diese beiden Projekte beschreiben die Peripherie des Lichtkreises des ursprünglich-synthetischen, logischen Selbstbewusstseins. Es wird zu klären sein, ob nicht am Ende das als grundlegend fortschrittlich Angesehene der nachkantischen Systeme im Grunde aus einer Fortbildung der tranzendentalienbegrifflichen Apperzeptionslogik zu einem trinitarisch-theokosmogonischen Pantheimus besteht, immer wieder ermöglicht durch neue gedanklich-sprachliche Anpassungen, Umdeutungen, Plausibilisierungen, ein immenses Beiwerk von Kritik und kultureller Traditionsannäherung. Die transzendentale Apperzeption erhellt sich selbst allmählich in der KdrV. Nach und nach verbreitet sich Ein großes Licht über die Subjektivität. Die erkenntnisgründende Apperzeption dämmert an der Peripherie auf, bei den Anschauungsformen Raum und Zeit, die das Wesen der Anschauung
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zugänglich machen und transzendentale Bedeutung als Komplement des logischen Selbstbewusstseins gewinnen. Das Tagwerden setzt sich fort mit der Erfassung des logisch-funktionalen, an sich auf den Gegenstand überhaupt = X und das rezeptive Anschauungsvermögen bezogenen Verstandes. Die Selbsterhellung des Bewusstseins überhaupt gelangt in das Zentrum desselben mit der Erkenntnis, dass die ursprünglich-synthetischen, reinen Verstandesbegriffe in der ursprünglich synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins gründen: dass der kategoriale Verstand die Verfassung des erkenntnisgründenden Selbstbewusstseins abgibt. Eine Entdeckung zieht die andere nach sich: Raum und Zeit verweisen auf die eigenständige Erkenntnisquelle der Anschauung, sie selbst geben sich v. a. mit ihrer in indefinitum unendlichen Einschränkbarkeit als im Bewusstsein angetroffene Anschauungsformen zu erkennen. Die Anschauungsformen kombinieren sich von allein mit den logischen Funktionen (der Quantität usw.), so werden die reinen Verstandesbegriffe zugänglich. Die reinen Verstandesbegriffe, die Kategorien, das sind die an-schauungsbezogenen Denkfunktionen. Der an sich selbst begreifende Verstand indiziert als seinen Gültigkeitsgrund das Selbstbewusstsein, die transzendentale Identität der seinskonformen Apperzeption. So ist die KdrV Apperzeptionslogik, in Kenntnis alles nachfolgenden Aufbaus anamnetisch-teleologisch bestimmte Selbstvermittlung des Selbstbewusstseins. Die Selbstdurchdringung des transzendentalen Selbstbewusstseins ist ein schrittweises Zusichkommen. Es bleibt zu zeigen, dass und wie das selbstbewusstwerdende Selbstbewusstsein Selbstentfremdung und Selbstverlust einschließt. Die entwicklungslogische These macht vielleicht schon von der Terminologie her Schwierigkeiten. Denn versteht man unter „transzendentalem“ Denken mit Kant die Selbstbegründung des Denkens im Subjekt, die Fundierung der Gültigkeit des Denkens im Subjekt selbst, in den Anschauungs- und Denkstrukturen a priori des Subjekts, so scheint es sinnlos, von einer Selbstbegründung des transzendentalen Denkens zu sprechen, mit der Behauptung, genau darauf sei die europäische Philosophie ausgegangen, bis Kant und noch weiter von Kant bis Schelling und Hegel. Wenn das transzendentale Denken schon Selbstbegründung des Denkens ist, wie kann noch eine Selbstbegründung des
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transzendentalen Denkens möglich sein? Nicht etwa nur durch eine Verkehrung des Vor- und Nachgeordneten? Aber „transzendental“ ist nach der KdrV das epistemische Denken, das sich von Grund auf durch die Quantitätskategorien Einheit-Vielheit-Allheit bestimmen lässt. Diese Bedeutung von „transzendental“ haben wir im Sinn, wenn wir behaupten: Die Philosophie vor Kant und nach Kant huldigt einer Vorliebe für das quantitative Denken, für die transzendentale Denkform, für das i.w.S. mathematische Denken. Die europäische Philosophie geht weithin in welcher Sinnrichtung auch immer auf den Zusammenschluss von Vielheit durch Einheit zur Allheitseinheit aus. Und dies kann auch die grundlegende philosophische Denkstruktur sein, wenn die Quantitätsbegriffe nicht ausdrücklich benutzt werden. Quantitatives Denken, i.w.S. mathematisches Denken, dominiert auch, wenn die Leitbegriffe „Identität“, „Differenz“ und „Totalität“ heißen. Die These, dass die europäische Philosophie durch die Leitidee der mathesis universalis bestimmt ist, lässt sich allerdings erst von Kant her in concreto begründen, im Rückgang auf seine quantitätsbegriffliche Deutung der „Transzendentalien“. Die Annahme, die wir unserer Entwicklungslogik zugrundelegen: In der Geschichte der europäischen Philosophie geht es um Selbstbegründung der transzendentalen Denkform, stützt sich auf die KdrV. Kant hat die These zumindest nahegelegt, dass sich alle Denkformen auf die quantitative Denkform zurückführen lassen. Für Kant ist die quantitativ-qualitative Denkform die regressiv letzte Denkform. Und die KdrV ergründet diese Denkform aus der Natur des Bewusstseins überhaupt. Der sogenannte „deutsche Idealismus“ hat dieses transzendentaphilosophische Bemühen Kants bei aller Erinnerung an Spinozas Monismus der Substanz „Deus sive Natura“ auf eigene, aber nicht völlig inkonsequente und bis heute auch nicht allgemeinverbindlich widerlegte Weise weitergeführt: mit der Ermittlung der dem „Ideen“Vermögen der konkret substantiellen absoluten Vernunft vorgelagerten wissenskulturellen Reflexionsschritte, festgehalten v. a. in den programmatischen Sätzen der „Vorrede“ der Hegelschen „Phänomenologie des Geistes“ (1807): „Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen.“, die man traditionssprachlich vielleicht so kreisläufig hin und zurück dolmetschen könnte: Bonum et verum et unum convertuntur. Das zielhafte Ganze macht die
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absolute Reflexion als Deduktion (Schelling: Involution) des dynamisch gehaltvollen und einen Seins möglich.
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IV Weitere Belege der Transzendentalienlehre aus der Geschichte der Philosophie Zunächst sollen noch andere Belege folgen, die zeigen, dass die europäische Philosophie von den Quantitätsbegriffen bzw. von den Transzendentalien ens-unum-verum-bonum geprägt ist. Die mittelalterliche Philosophie hat im Anschluss an Aristoteles unum, verum, bonum und noch einige weitere Begriffe, wie Potenz, Akt, pulchrum als „Transzendentien“ bezeichnet. Und sie hat die Zusammengehörigkeit dieser Begriffe mit dem Satz angezeigt: ens et unum convertuntur. Bei Thomas von Aquin heißt es in der Summa theologiae, in der Quaestio zur Einheit Gottes: „Das Eine bezeichnet nichts anderes als das ungeteilte Seiende. Daraus kann man ersehen, dass das Eine mit dem Seienden konvertibel ist.“ (Th.I,11: unum enim nihil aliud significat quam ens indivisum. Et ex hoc ipso apparet quod unum convertitur cum ente.) Seiendes ist als geteiltes unmöglich, so sind das Seiende und das Eine ein Wechselgedanke. Der Ausdruck „Transzendentien“ oder „Transzendentalien“ deutet an, dass es sich um die fundamentalsten Begriffe handelt, die noch über die Aristotelischen „Kategorien“ hinausgehen (Substanz, Quantität, Relation, Qualität, Wirken und Leiden, Wann, Wo, Habitus). In der scholastischen Literatur wird auch hervorgehoben, man spreche von „Transzendentien“, weil in diesen Begriffen (ens, unum verum, bonum) wenigstens per analogiam das Transzendente angenähert werde, das rein an sich selbst für uns undenkbare und unerkennbare höchste Wesen. Die Zentrierung des philosophischen Erkenntnisinteresses auf „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ lässt sich bei Kant von der „Kritik der reinen Vernunft“ bis ins „opus postumum“ hinein nachweisen, wenn die Ausbildung der transzendental-kritischen Reflexion die daseinswesentlichste Frage-Perspektive des Menschen mit der „Ethikotheologie“ einholt, d.h. mit der Erklärung der Möglichkeit einer proportionalen Verbindung von moralischer Glückswürdigkeit und Glück aus dem Freiheits-Standpunkt, dem sich metaphysisches Wissen und Glauben als vernünftigste Einheit zeigen. In Kants opus postumum heisst „Transscendentalphilosophie“: „Das was die Principien der Logik, Metaphys. Moral Physiologie und des Überschritts zur Physik in Einem System der Erkenntnis a priori vereinigt“.. Die
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Stufenleiter der Philosophie umschreibt: „Logik, Metaphys., u. Transsc. Philos.“ Wenn wir in der Geschichte der europäischen Philosophie noch weiter zurückgehen, so lesen wir im Lehrgedicht des Parmenides „Über die Natur“ (um 550 v. Ch.): Denken, was ist, und Sein ist ein und dasselbe. Das Sein des Nichtseienden lässt nie sich zwingend beweisen.. Niemals ist es geworden..Ganz ist es, einziggeboren, unerschütterlich und ohne Ende..Als das Selbe harrt es im selben Zustand und ruhet in sich selbst..und ohne das Seiende gibt es kein Denken..Aber weil es letztlich begrenzt ist, ist´s abgeschlossen nach allen Seiten, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, Gleich von der Mitte aus überall hin. Die Transzendentien sind leicht herauszuhören: EinheitVielheit-Allheit in der Verwendung für unum-verum-bonum. Nur das Sein ist nach Parmenides, das Nichtseiende ist nicht. Das Sein aber ist eines, ein und dasselbe, also identisch. Ganz ist es, einziggeboren. Das Sein, das Eine, das wohlgerundete Ganze, dies sind die Parmenideischen Grundbegriffe Sein, Identität, Totalität. Die ontologisch metaphysische Lehre des Parmenides schließt allerdings das Differente, Naturmannigfaltigkeit, als eigenursprünglich-heterogen aus. Aber auch damit zeigt sich Parmenides der tranzendentalen Denkstruktur verhaftet.
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V Kants Denkweg in der „Kritik der reinen Vernunft“ V.1 Transzendentale Analytik Aus ideengeschichtlichem Grund heißt das identische Selbstbewusstsein bei Kant „transzendentales Selbstbewusstsein“. Im Bewusstsein der ideengeschichtlichen Entwicklungslogik nennt sich die Kantische Philosophie „Transzendentalphilosophie“. Die ideengeschichtliche Bedeutung der Kantischen Philosophie, und zwar speziell der KdrV, ist darin zu sehen, dass hier das transzendentale Denken seine Selbstbegründung im kognitiven Selbstbewusstsein vorgenommen hat. Ein ideengeschichtlicher Leitfaden soll uns von Kant bis Hegel den Weg weisen. Denn die Philosophie von Kant bis Hegel enthält eine kontinuierliche Fortentwicklung der transzendentalen Reflexion, d.h. der Selbstbegründung des wesentlich transzendentalen, quantitativ-qualitativen Denkens. Bei Kant hat die transzendentale, quantitativ-qualitative Denkstruktur in der transzendentalen, quantitativ-qualitativen Verfassung des Bewusstseins überhaupt stammbuchartig ihre Herkunft ermittelt. In allem quantitativ-qualitativen Denken von Erkenntnisgegenständen bringt sich das transzendental verfaßte Selbstbewusstsein zur Geltung: das reflexive Bewusstsein, das Bewusstsein, das sich selbst in der dreifachen Hinsicht des unum-verum-bonum bestimmt. Kant hat diesen Zusammenhang um 1775 entdeckt. Er notierte: „Ich bin das original aller obiecte.“5 Das Ich ist das Original aller Objekte, das Ich, das sagt: Ich bin, ich denke, angestammte Begriffe sind in mir. Alle Gegenstandserkenntnis gründet im Selbst-Bewusstsein: in seiner qualitativen (vorstellungskonstitutiven) Einzelheit als Einheitsstiftung an Vielheit und in seiner organisatorischen Selbstausgestaltung zum Vorstellungsbestand. Qualitativ sind diese quantitativen Operationen, weil sie die Vorstellungswelt überhaupt konstituieren, und zwar so, dass die Vorstellungswelt mit der Erkenntniswelt ursprünglich identisch ist. Man könnte sagen: Sie ist von Natur aus gut, ganz wie die Handlungswelt, das handelnde Subjekt, von Natur aus gut ist. Irrtum und Falschheit sind als modi deficientes einzustufen. Die transzendentale Grundlehre, die Theorie vom subjektobjektiven Selbstbewusstsein überhaupt, das Erkenntnis in der 5
Refl. 4674, AA 17, 646.
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unnachlässlichen Allgegenwart des kognitiven Gegenstandesüberhaupt urstiftet, ist Kant nach und nach in einer Denkarbeit von 35 Jahren zugewachsen. Sie fällt auch keinem Späteren einfach zu. Kant hat eine restaurative Innenarchitektur des Selbstbewusstseins angestrengt erarbeitet. Letztere wird nach und in der KdrV über zwei Vorstufen eingeholt. Dies ist die doppelte Erkenntnis, dass die alltägliche und wissenschaftliche Gegenstandserkenntnis Anschauung und Denken umfaßt, und dass beide Grundvermögen erfahrungsunabhängige, apriorische Formen aufweisen. Das Anschauen ist subjektsursprünglich an die Vorstellungen von Raum und Zeit gebunden. Und das Denken vollzieht sich subjektsursprünglich gemäß einer Funktionsstruktur, über welche die 12 Urteilsfunktionen Aufschluß geben. Hierzu gehören die Quantitätsurteile (die Aussagen über eines, mehreres, alles), die Qualitätsurteile (die bejahenden, verneinenden und unendlichen), das kategorische Urteil S-ist-P, das hypothetische Wenn-dann-Urteil, das disjunktive Urteil, das ein Entweder-Oder feststellt. Letzteres bekundet, sofern es eine mögliche vollständige Alternative einräumt, besonders deutlich die transzendentale Vollständigkeits-Intention der vierten logischen Urteilsfunktion. Bringt man die erfahrungsvorgängigen Erkenntnisprinzipien zusammen, die subjektsureigenen Anschauungsprinzipien Raum und Zeit und die subjektsureigenen Denkprinzipien, so ergibt sich als Konsequenz die Idee des an sich begreifenden Verstandes. Der an sich begreifende Verstand: das ist der Verstand, das System der logischen Funktionen von Vorstellungen in der Dignität eines Systems logischer Erkenntnisfunktionen. Kant zeichnet von daher die logischen Funktionen als „reine Verstandesbegriffe“ aus. „Reiner Verstandesbegriff“, das meint: die logische Verbindungsfunktion als materiallogische Form des Begreifens raumzeitlicher Sachverhalte der Rezeptivität. Der „reine Verstandesbegriff“ ist ein gegenständlicher Grundzug der Sinnenwelt, entworfen a priori im Denken. Kant benennt die reinen Verstandesbegriffe, die rein an sich selbst schon die Wirklichkeit begreifenden Denkfunktionen, mit dem Aristotelischen Ausdruck „Kategorien“. Quantität und Qualität, die Substantialität, die Ursächlichkeit, das gegenständliche Interaktionsgefüge, Möglichkeit-Wirklichkeit-Notwendigkeit: Dies alles sind Charaktere, die das reine Selbstbewusstsein der Erkenntnisgegenständlichkeit a priori attribuiert.
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Wie aber kommt Kant dazu, die Anschauung als originäre Erkenntnisquelle anzunehmen und Raum und Zeit als Anschauungs-formen auszugeben? Beides begründet Kant mit der Natur von Raum und Zeit: dass die Anschauung nicht auf Denken, etwa als verworrenes Denken, reduziert werden kann, und dass Raum und Zeit die Urformen der An-schauung sind. Versteht man unter „Anschauung“ eine unmittelbare und singuläre Erkenntnis, so beweist die unendliche Einschränkbarkeit als Natur von Raum und Zeit, dass es Anschauung gibt und dass Raum und Zeit den Anschauungsrahmen stellen, alles Angeschaute etwas Raumzeitliches, zumindest etwas Zeitliches ist. Denn es handelt sich trotz der unendlichen Einschränkbarkeit um Einen Raum und Eine Zeit. Das Anschauungsmerkmal der Einzelnheit (Singularität) ist erfüllt. Denn wir finden nach Kant, dass die Räume und Zeiten im Raum und in der Zeit enthalten sind. Sie werden nicht wie ein niederer Begriff unter einen höhereren subsumiert. Die Räume bzw. die Zeiten zeichnen sich mit dem Eingeschränktwerden-Können dem Raum bzw. der Zeit ein. Das Verhältnis der Räume zum Raum, der Zeiten zur Zeit, ist kein logisch-abstraktes, sondern ein intuitives Verhältnis. So verbürgen Raum und Zeit die Eigenständigkeit der Anschauung als Erkenntnisquelle. Von genauso großer Bedeutung aber ist es, dass die unendliche Einschränkbarkeit der Zeit und des Raumes und damit die Rezeptivität Homogeneität in der Erkenntnis, eine nicht versiegende Art Mannigfaltigkeit und damit die Anwendbarkeit der Transzendentalien-Konvertibilität garantiert. Das Konzept der „Kategorie“, d. h. der primordiale Status der logischen Funktion als reiner Verstandesbegriff, hat sich der gesuchten Verständlichkeit schon genähert. Dazu gehört noch: 1.) Dass die Rezeptivität mit ihrem genetischen Irgendwoher gleichwohl einen „Sitzungspunkt“ für die transzendentale Apperzeption beibringt, den Gegenstand überhaupt = X, das eine intentionale Ausrichtung verlangende raumzeitliche Ding, wie es auch immer an sich beschaffen sein mag.6 2.) dass die Denkformen subjektsursprüngliche Formen des empirischen Begreifens sein können, weil Raum und Zeit mit ihrer subjektsursprünglichen unendlichen 6
KdrV, A 109.
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Einschränkbarkeit eine universelle logische Aufbereitung aller nur möglichen Mannigfaltigkeit a priori, vor aller Erfahrung erlauben. Eine subjektsneutrale Anwendung der logischen Einheitsformen auf Anschauungsmannigfaltigkeit ist möglich. Eine logische Bearbeitung der Anschauung ist möglich, ein Zusammenspiel der Anschauungs- und Denkformen als synthetische Verfassungsgebung für alle Erkenntnis ist möglich. Der reine Verstandesbegriff (die Kategorie) ist möglich, der reine Verstandesbegriff als spezielle ursprünglich-synthetische Einheit anschaulicher Vorstellungsvielheit. 3.) dass zwischen dem reinen („transzendentalen“) Selbstbewusstsein, das sich im „Ich denke, ich bin“ ausspricht, und dem Erkenntnissubjekt dahingehend zu unterscheiden ist, dass wenigstens einmal im Leben oder nur hin und wieder ebenfalls gesagt wird: das „Ich oder Er oder Es = X“ (A 346, B 404), oder in einseitig entschiedener Aussage-Absicht: „Es denkt in mir“. (Lichtenberg) *** Nach diesen Erläuterungen dürfte der transzendentalientheoretisch gebahnte Weg der KdrV von der Theorie der Anschauungsformen Raum und Zeit über die anschließende Theorie der reinen Verstandesbegriffe (Kategorien) hin zur Theorie der transzendentalen Identität des Selbstbewusstseins überschaubar sein. Die Entdeckung der Anschauungsformen und der Denkformen und ihres Zusammengehens im reinen Verstandesbegriff, kurz die Entdeckung des kategorialen Verstandes, ist ein wahrhaft systembildender Entdeckungskontext. Ist die Kategorie, der kategoriale Verstand erst einmal entdeckt, so springt das Folgende in die Augen, aber nicht früher: Das kategoriale Denken ist ursprünglich-synthetisches Denken unter den Formen von Quantität, Qualität, Substanz, Kausalität usw. Und dieses ursprünglich-synthetische Denken in den zwölf Kategorien ist Vollzug der ursprünglich-synthetischen Identität des Bewusstseins überhaupt. Der kategoriale Verstand ist die tranzendentaliengemäße Funktionsstruktur der transzendentalen Einheit des Selbstbewusstseins. So geht in der Entwicklung der KdrV nach und nach Ein großes Licht über die Subjektivität auf. Der theoretische Sonnenaufgang fängt bei der Peripherie der Anschauungsformen Raum
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und Zeit an. Er setzt sich fort mit der Einsicht in den kategorialen Verstand. Er gelangt in den Zenit mit der Erkenntnis, dass die kategorialen Erkenntnisformen in der erstursprünglich synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins gründen. Dafür als Bestätigung ein kurzer Auszug aus der KdrV, §17: „Das erste reine Verstandeserkenntnis .. ist der Grundsatz der ursprünglich synthetischen Einheit der Apperzeption. So ist die bloße Form der äußeren sinnlichen Anschauung, der Raum, noch gar keine Erkenntnis; er gibt nur das Mannigfaltige der Anschauung a priori zu einem möglichen Erkenntnis. Um aber irgendetwas im Raume zu erkennen, z.B. eine Linie, muss ich sie ziehen und also eine bestimmte Verbindung des gegebenen Mannigfaltigen synthetisch zustandebringen, so, dass die Einheit dieser Handlung zugleich die Einheit des Bewusstseins (im Begriffe einer Linie) ist, und dadurch allererst ein Objekt (ein bestimmter Raum) erkannt wird. Die synthetische Einheit des Bewusstseins ist … Bedingung aller Erkenntnis..“ (B 137f.). * Wir können den bisherigen Gedankengang der KdrV so weiter auswerten: In der KdrV hat sich das transzendentale Denken im transzendental verfassten Selbstbewusstsein fundiert, aber so, dass die Evidenz des transzendentalen Selbstbewusstseins, des ursprünglichen quantitätsbegrifflichen unum-verum-bonum, vermittelt werden muss. Das transzendentale Selbstbewusstsein hat eine vermittelte Evidenz: Es wird sich selbst deutlich, nachdem die Anschaungsinstanz der Erkenntnis an den Anschauungsformen Raum und Zeit und die Verstandesinstanz an den kategorialen Denkformen entdeckt wurden. Der nächste Schritt kann dann gar nicht ausbleiben: die Erkenntnis, dass der kategoriale Verstand die innere Funktionsstruktur des reflexiven Bewusstseins ist, dass alle erfahrungsvorgängige synthetische Einheit die Einheit des Selbstbewusstseins vollzieht. Wir sagen: die KdrV ist Apperzeptionslogik, Selbstvermittlung der Ur-Evidenz der kategorialen Apperzeption. Die in der Entdeckung der Sachverhalte anamnetische Selbstvermittlung führt über zwei Hauptstationen, die Lehre von den Anschauungsformen als transzendentale Anschauungslehre („transzendentale Ästhetik“) und die Lehre von den kategorialen Denkformen, die „transzendentale Logik“, unter methodischer Vorwegnahme der im Verhältnis zur kategorial-materialen Logik nochmals abstrakt-formalen LogikVersion, einer Verbeugung vor der kulturellen Alltagserkenntnis,
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der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Philosophie. Die regulativ-systematische „Ideenlehre“ wird angesichts eines sich ankündigenden „neuen“, globalen, monumentalen, unbestreitbar faszinierenden Idealismus der konkreten WissensAllgemeinheit, zu dem sie ungewollt beigetragen hat, die Frage „Was kann ich wissen?“, aus Kantischer Position und Sicht beantworten, mit kritischem Bedenken sowohl des Gegenstandes als auch des Subjekts = X. * Kant ist Anfang 1772 dem kategorialen Verstand auf der Spur (im Brief an Marcus Herz vom 21.2.1772). Um 1775 entdeckt er die transzendentallogische Apperzeption. Es erscheint sehr fraglich, ob die Theokosmogonie des sogenannten „Deutschen Idealismus“ soweit sie konsequent ausgeführt wurde, es vielen Lesern zuließ, den inneren Gedankenaufbau der KdrV zu bemerken. Es könnte sein, dass Kants Gründen in der Systematik der unum, verum, bonum-Konvertibiltät als selbstreflexiv selbsterworbener Beschaffenheit der Subjektivität, nicht oder nicht so sehr als hypostasierter Fund der Objektwelt, bis heute nur wenigen Kant-Interpreten verständlich geworden ist.. Auch Leibniz hat sein Prinzip, die Monade, das Verständnis jedes Seienden als in sich geschlossene Vorstellungswelt, mit Hilfe der Logik erläutert. Leibniz aber hält das analytische Urteil für die Grundform des Urteils, also das Urteil, bei dem la notion du predicat est comprise en quelque façon dans celle du sujet. (Brief an Arnauld 1686, GP II,56). Kant wird, so dürfen wir sagen, nachdem wir seiner Philosophie auf der Spur sind, den Mathematizismus und Logismus der Leibnizschen System-Konzeption allzu einseitig und dogmatisch gefunden haben: „C'est aussi par la connaissance des vérités nécessaires et par leurs abstractions que nous sommes élevés aux Actes réflexifs, qui nous font penser à ce qui s'appelle Moy, et à considérer que ceci ou cela est en nous, et c'est ainsi qu'en pensant à nous, nous pensons à l'être, à la substance, au simple ou au composé, à l'immatériel et à Dieu même, en concevant que ce qui est borné en nous, est en lui sans bornes. Et ces actes réflexifs fournissent les objets principaux de nos raisonnements.“ - Durch die Erkenntnis der notwendigen Wahrheiten … werden wir auch zu den reflexiven Akten erhoben, die uns dazu bringen, an das zu denken, was man „Ich“ nennt … Und diese reflexiven Akte liefern die
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hauptsächlichen Gegenstände unserer Überlegungen. („Monadologie“, §30) V.2 Dialektische Entfremdungen des transzendentalen Selbstbewusstseins und ihre gewinnbringende Selbstkorrektur Der Fortgang der KdrV führt auf zwei weitere Gipfel. Der eine Kulminationspunkt ist die Lehre von den transzendentalen Schemata der Kategorien und den transzendentalen Grundsätzen der Naturerkenntnis. Unter „Schema“ versteht Kant die Methode (das Verfahren), einem Begriff ein Anschauungskorrelat zu verschaffen. So verbinden wir mit dem Begriff des Pferdes ein konkretisierbares Bild. Auch die reinen Verstandesbegriffe besitzen als a priori anschauungsbezogene, auf die Anschauungsform der Zeit bezogene Denkfunktionen eine gewisse Konkretisierbarkeit. So ist das Schema der Quantität die Zahl, die gleichartige Einheit des Nacheinander-Hinzutuns und -Abziehens. Das Schema der Substanz, des Subsistenten, ist die Beharrlichkeit der Sache im Wechsel der Bestimmungen. Diese Theorie vom transzendentalen Schematismus der „produktiven Einbildungskraft“, die Lehre vom logischen Vorentwurf der Erfahrungswelt in anschaulichen Charakteren, hat großen Eindruck auf Fichte, Schelling und Hegel gemacht. Was nicht verwundert, da ihr kritisches Augenmerk der Einheit der Vernunftverfassung gegolten hat. Die Lehre von den subjektsursprünglichen Grundsätzen der Naturerkenntnis hat weniger Beachtung gefunden. Warum überhaupt noch diese dritte Aufstellung, nach den Urteilsfunktionen und den reinen Verstandesbegriffen? Antwort: Denkfunktionen und Begriffe machen nur Sinn in Urteilen. Erkenntnisgründende, reine Verstandesbegriffe, fordern ihre Verwendung als ursprüngliche Naturprädikate. Daher ein Grundsatz, wie dieser: Bei allem Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz.. Das gehaltreichste Thema der KdrV ist das „transzendentale Selbstbewusstsein“, die „transzendentale Apperzeption“ mit ihrer Identität und mit der Totalität ihrer Funktionsstruktur. Die transzendentale Apperzeption hellt sich selbst in der KdrV nach und nach auf. Das transzendentale Selbstbewusstsein durchdringt sich selbst im Hinblick auf seine Funktionsstruktur, und diese besitzt es ursprünglich an den reinen Verstandesbegriffen,
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d.h. an den anschauungsbezogenen Urteilsfunktionen. So ist die KdrV Apperzeptions-Logik. Die KdrV ist als Selbstexploration des transzendentalen Selbstbewusstseins ein in sich kreisendes, über drei reziproke Ebenen schrittweises Zusichkommen. Die KdrV hat eine teleologische Struktur, sie ist ein methodologisch organisiertes Ganzes zu einem nicht geringen Teil vorangegangener transzendentaler Entdeckungen. *** In der KdrV folgt die „Transzendentale Dialektik“, die zweite Absprungbasis für Fichte, Schelling und Hegel. Auf mehreren hundert Seiten wird etwas Unwahrscheinliches thematisiert: das Dialektisch-Werden der Vernunft, d.h. der Hang zu leeren, realitätsfremden Spitzfindigkeiten, zu tollkühnen Spekulationen. Nicht, als ob sich die Vernunft in Widervernunft verwandeln könnte. Deduziert wird „nur“ die Rolle der Vernunft als Verführerin: das vernunftbedingte Versuchtsein des Vernuftsubjekts zu Selbstentfremdung und Selbstverlust. In Wahrheit ist auch die seduktive Verfassung der Vernunft ein vernunftförderlicher Entdeckungskontext. Die Dialektik ist der gedankliche Korridor zu einer Verfassungserweiterung der Vernunft. Mit dem antinomischen Denken z. B. begeht die Vernunft bzw. das Vernunftwesen noch keinen Fehltritt, wozu die Vernunft und das sich korrekt verhaltende Vernunftwesen ja auch niemals gelangen. Beide sind nur unbescholten denkbar. Für das Vernunftwesen allerdings gibt es die spekulative Versuchung. Die Vernunft wiederum zeigt, wie der Illusion, dem Blendwerk, zu begegnen ist. Die „transzendentale Dialektik“ zu verstehen, setzt voraus, dass man mit einer Unterscheidung vertraut ist, die wir schon früh ansprechen mussten: mit der Differenz von Konstitution und Organisation, Verfassung und Vollzug der Erkenntnis. Heidegger unterschied (in phänomenologischer Vereinfachung) „Enthüllen“ und „Entdecken“: Man macht Entdeckungen in einem enthüllten Umkreis, in einem Raum grundsätzlicher Unverborgenheit. Die zwölf Stammbegriffe des Verstandes, so wäre mit Heidegger zu sprechen, liegen der Naturerkenntnis als Natur-Enthüllung zugrunde. Wir ziehen die Ausdrucksweise vor: Die Kategorien sind, als Prädikate in Grundsätzen verwendet, zeitlos gültige, konstante Verfassungsartikel der Natur. Die kategorialen Grundsätze konstituieren die Natur. Die Organisation der Naturerkenntnis, den kategorialen Grundsätzen gemäß,
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ist Sache der realen Erkenntnissubjekte, ihrer Entdecker-Gemeinschaft. Mit allen Risiken dieses Geschäfts, und das sind Irrtum, Falschheit und speziell der dialektische, spekulative Irrtum. Die nicht bloß kategorial-allgemeinen, speziellen Naturgesetze müssen auf dem Wege von Hypothesen und Experimenten empirisch erforscht werden, und handle es sich auch um statistische Gesetzmäßigkeiten. Die KdrV wird erst ungültig, sie wird von außen widerlegt, wenn der Begriff des Naturgesetzes überhaupt jede Bedeutung verliert. Innerhalb der Dialektik hat die Antinomik besonders Hegel aufmerken lassen. Nach der Lehre vom transzendentalen Selbstbewusstsein und von der produktiven Einbildungskraft ist die Lehre von der in sich widersprüchlichen Vernunft der dritte Anstoß und Blickfang der Kantischen Philosophie für die „Nachfolger“ gewesen. * Wie schließt sich die transzendentallogische Dialektik an das Vorhergehende an? Im Hinblick auf die Erkenntnisorganisation macht die reine Vernunft eine Grundvoraussetzung. Wir dürfen aber jetzt, bekannt mit Konstitution und Organisation, sagen, die Vernunftsubjekte, die Erkenntnisorganisatoren setzen etwas voraus. Sie sind es, die vorausssetzen, dass die kategorialen Grundsätze vermittelst der transzendentalen Schemata durch empirische Besondergesetze konkretisierbar sind. Das Vernunftsubjekt setzt a priori voraus: das Zusammenstimmen der Kategorialgesetze und der Spezialgesetze, dieser Gesetze, die wir doch nur aus der Erfahrung nach und nach kennenlernen und deren Umfang und Zusammenhang wir, allerdings auch a priori, dem Ding, wie es an sich selbst beschaffen sein mag, dem „transzendentalen Objekt“ zuschreiben. (B 519, 523f.) Genau aber indem das Vernunftsubjekt dieses Zusammenstimmen a priori voraussetzt, die durchgängige Bestimmtheit des Erfahrungsgegenstandes, greift es gedanklich auf die Totalität der Erfahrungsbedingungen aus. Das Subjekt des Vernunftvermögens folgert scheinbar zwingend, dass das Wirkliche an sich ihres Wesens, d. h. vernunftgemäß ist. Es darf nur dafür halten, dass die kategorialen Gesetze und die (alle) empirischen Besondergesetze zur transzendentalen Einheit des Bewusstseins zusammenstimmen. Der Apperzeptionslogiker kann gar nicht anders, als die Erfahrungserkenntnis und Erfahrungswelt vollendet zu denken. Das Selbstbewusstsein aber ist nach der KdrV das
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apperzeptionslogische Selbstbewusstsein, eine apperzeptionslogische Selbstbezüglichkeit, Das Subjekt selbst ist der erste Apperzeptionslogiker, der ihm begegnet. Es besinnt sich auch schon bei Gelegenheit der Raum-Zeit-Anschauung, nicht erst anlässlich des Problems der Zusammenstimmung der allgemeinen und der besonderen Gesetze auf die (seine) transzendentale Apperzeptionsidentität. Genau damit aber erwächst die dialektische Versuchung, insbesondere die Versuchung, im Erfahrungsdenken in sich widersprüchlich zu werden. Für das denkende Subjekt besteht diese Versuchung so, dass es sie im Denken erzeugt. Wir rechnen in der Naturerkenntnis mit der Apperzeptionsstimmigkeit der Gesetzestypen der Erfahrungswelt insgesamt. Dieser gedankliche Ausgriff auf das existente Ganze der Erfahrung in Vernunft-„Ideen“, d.h. in Ganzheitsbegriffen, ist unvermeidbar. Die Ideenbildung ist eine a priori notwendige Ausweitung des Naturdenkens. Wir, die Erkenntnisorganisatoren, müssen die Zusammenstimmung der Gesetzestypen denken. Wie aber kommt es hierbei nach dem psychologischen Paralogismus, der ontologischen Metaphysik der „Seele“ als einfach und unsterblich, zur kosmologischen Antinomie? Man muss sich an den Anfang der KdrV erinnern. Am Anfang stand die Dualisierung von Anschauung und Denken. Und der Charakter der Anschauungsformen Raum und Zeit war unendliche Einschränkbarkeit. Wenn wir a priori die Einheit der Gesetzestypen in totalen Weltbegriffen, in Welt-„Ideen“ denken, dann verlangen die Anschauung und das Denken je ihr Recht. Die Anschauung verlangt, das Erfahrungsganze als unendlich bestimmbar zu denken. Das Denken drängt auf Bestimmtheit, also auf geschlossene und nicht offene Ganzheit. Das Ergebnis ist: Wir denken z.B. die quantitative raumzeitliche Weltausdehnung im Sinne der Begrenzheit und der Unbegrenztheit. Wir denken den Kausalzusammenhang der Natur als eine unabsehbare Reihe der Fremdverursachung, aber auch als in Selbsttätigkeit gründend. Wir denken einerseits pure Folge-Ursächlichkeit und andererseits Erstursächlichkeit, wir denken durchgängige Determination und Freiheit - alles nach Anweisung der rastlosen Anschauung einerseits, des Standfestigkeit suchenden Denkens andererseits. Insoweit scheint die Ideenbildung zu scheitern. Der Versuch scheint fehlzuschlagen, die Apperzeptionseinheit der kategorialen Verstandesgesetze und der empirischen
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Besondergesetze zu denken. Aber die Apperzeptionverträglichkeit der Verstandesgesetze und der empirischen Gesetze muss bestehen. An der Vernunft ist nach den vorangegangenen vernunfttheoretischen Errungenschaften kein Zweifel möglich. Wir müssen „nur“ behutsam, selbstkritisch mit der Idee der Universalapperzeption, der alles umgreifenden Apperzeption umgehen. Wir müssen uns hüten, heißt dies, das in den Ideen gedachte Totale und Unbedingte, das wir durchaus als seiend denken, für seiend zu halten. Was für die hier noch nicht erklärte Gottesidee gilt, trifft auch für die Welt-Idee zu. Wahnbedroht ist nur das Denken der Erfahrungswelt, das Denken der de facto nach und nach sich erweiternden Erfahrungswelt als abgeschlossenes unbedingtes Ganzes. Antinomisch ist das bloße Welt-Denken, das natürlicherweise ein Denken des Vollständig-Seins der Erfahrungswelt ist. Nur dieses kosmologische Denken wird von der Antinomie befallen. Damit aber ist die spekulativ-kosmologische Antinomie im Hinblick auf die Erkenntnis nur eine gefährliche Klippe. Und die Vernunft selbst zeigt, wie mit Gewinn daran vorbeizukommen ist. Uns, die Erkenntnisorganisatoren, warnt unsere eigene Vernunft davor, das apperzeptionsnotwendige, aber antinomische Welt-Denken mit einem Erkennen der Welt zu verwechseln. Wir müssen die Antinomie im Denken festgesperrt halten. Wir dürfen die raumzeitliche Weltausdehnung und die Teilbarkeit der Materie erst gar nicht als Erkenntnisproblem ansehen. Wir müssen uns damit abfinden, dass beide Entscheidungen falsch sind: das Votum für raumzeitliche Begrenztheit und das für Unbegrenztheit, materielle Teilbarkeit und Finitheit. Es erscheint allerdings vernünftig, im Sinne einer Forschungsmaxime mit fortgesetzter Teilbarkeit des Physischen zu rechnen. In summa haben wir vorauszusetzen, dass die empirischen Gesetze ein logisches System untereinander bilden. Wir haben ihre Homogenität, Kontinuität und Spezifikation vorauszusetzen. Zugleich wird der Stand-Punkt der KdrV deutlicher. Wir differenzieren zwischen Standpunkt und Perspektive. Standpunkt ist das reine materiallogische Selbstbewusstsein. Die Perspektive aus diesem Standpunkt aber, das Erkenntnisinteresse der transzendentalen Apperzeptionslogik, geht auf kritische Aufklärung der Erkenntnisorganisation. Und so ist das transzendentale Erkenntnissubjekt, in dessen Namen der transzendental Philosophierende spricht, der sich über den nur eingeschränkt möglichen
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Gebrauch des reinen Verstandes und der reinen Vernunft aufklärende Erkenntnisorganisator. Die Einschränkung des Vernunftgebrauchs durch die KdrV hat mit Erkenntnismoral, mit einer Mahnung zu verantwortlichem Gebrauch des Verstandes und der Vernunft, nichts zu tun. Es geht in der KdrV „nur“ um den apperzeptionstheoretisch richtigen Vernunftgebrauch. Es geht um den vernunfttheoretisch konsequenten Begriff der theoretischen Erkenntnis, über den sich spekulative Gedankengebäude nur bei Strafe des Rufes der Weltfremdheit hinwegsetzen können. ** Kant erreicht schon in der kritischen Erörterung der spekulativen Kosmologie den Freiheitsbegriff. Der bloße Begriff der „Freiheit“ bedeutet einerseits Unabhängigkeit von der Naturnotwendigkeit und andererseits aus dem Ansichsein heraus gesetzmäßige Selbstbestimmung zum Handeln in der Natur. In der Freiheitsfrage, im Problem der Erstursächlichkeit, ist eine spezielle Problemlösung möglich, eine spezielle Entscheidung des seduktiven inneren Widerstreits der Vernunft: Wir erlegen uns die Forschungsmaxime auf, in der Erfahrungswelt durchgehende Fremdverursachung der Erscheinungen zu erwarten und genau danach unaufhörlich zu suchen. Gleichzeitig halten wir die Denkmöglichkeit in der Schwebe, dass Erstursächlichkeit (Freiheitskausalität) aus dem „intelligiblen“ Ansich heraus die Reihe (oder eine Reihe) von Naturbegebenheiten erwirken könnte. Wir bringen die Bereitschaft auf, solche Freiheit anzunehmen, wenn es aus Vernunftgründen geboten erscheint, und sollte die freie Wirksamkeit näherhin auch unbegreiflich sein. In der Tat haben wir, wenn wir von der kosmologischen Idee herkommen, gleichsam faktisch einen zwingenden Grund, Freiheit als gegeben anzuerkennen. Wir haben den Grund am kategorischen, unbedingten Sollen, d.i. die Pflicht, das Sittengesetz. Das sittliche Sollen ernsthaft zu denken, es voll zu erfassen, bedeutet, die Idee des unbedingten Sollens um das unbedingte Können zu ergänzen. Wer den abstrakten Pflichtgedanken zu vollziehen weiß, muss Freiheit gelten lassen, sollte die intelligible (noumenale) Charakterbildung auch ihr Geheimnis haben und behalten. Die Einheit von Freiheitsidee und Sittengesetz (Kategorischem Imperativ der Moral und des Rechts, der äußeren Freiheit) ist das unmittelbare Fundament der praktischen Philosophie bei
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Kant. Auch hier bestimmt die quantitätsbegrifflich interpretierte Trias der Transzendentalien unum-verum-bonum die Gedankenführung. Kant stellt in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (1785) eine Hauptformel und drei Nebenformeln des Kategorischen Imperativs auf. Die Hauptformel fordert als einfache Gesetzesformel geradeheraus: „Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann.“ Die ihre Anwendung mit bedenkenden und durch Analogisieren erleichern sollenden Neben- oder Gelegenheitsformeln sagen unter ihren populär gewordenen Namen 1.) als Naturgesetz-Formel: Handle so, als ob die Maximen wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten; 2.) als Mensch-Zweckformel: Behandle das vernünftige Wesen immer auch als Zweck an sich selbst, bediene Dich seiner niemals nur als einer Sache, achte es als einschränkende Bedingung aller bloß empirisch-pragmatisch relativen Zwecksetzungen; 3.) als Reich der Autonomieformel: Betrachte das Reich der Autonomie als ob es das Reich der Natur wäre. Zu diesen Formeln bemerkt Kant selbst, dass die Reichsformel die zwei anderen von selbst in sich vereinigt. Diese Bemerkung läßt an den zeitlich nahen §11 der 2. Auflage der KdrV denken, den Fichte, Schelling und Hegel mit größter Aufmerksamkeit rezipiert haben. Wir nennen ihn den Triade-Paragraphen. Es wird dort dem Leser zum Nachdenken anheimgestellt, dass die dritte Kategorie aus der Verbindung der zweiten mit der ersten resultiert, z.B. die Allheit aus der Verbindung der Vielheit mit Einheit (Vielheit als Einheit=Allheit). Was Kant weiter zu den drei Formeln des KI bemerkt, erinnert an den §12, den Transzendentalienparagraphen: Die vernunftgerechten Maximen haben 1.) eine Form, welche in der Allgemeinheit besteht. Die Maximen sollen so gewählt werden, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten. Die vernunftgerechten Maximen haben 2.) eine Materie, nämlich einen Zweck. Das vernünftige Wesen soll als Zweck an sich selbst allen relativen und willkürlichen Zwecken übergeordnet werden. Schließlich intendiert die dritte Formel eine vollständige Bestimmung aller Maximen überhaupt. Sie fordert, dass die Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reiche der Zwecke, als ob es ein Reich der Natur wäre,
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zusammenstimmen sollen. Die quantitätsbegrifflich interpretierten Transzendentalien unum-verum-bonum werden nicht ausdrücklich ins Spiel gebracht. Aber immerhin heisst es: „Der Fortgang geschieht hier wie durch die Kategorien der Einheit der Form des Willens (der Allgemeinheit desselben), der Vielheit der Materie (der Objekte d.i. der Zwecke) und der Allheit oder Totalität des Systems derselben.“ Paragraph 12 der KdrV hatte die Transzendentalien unum-verum-bonum so interpretiert: Zu jeder Erkenntnis gehört die Einheit Eines Gedankens (unum), die Verbindung der Einheit mit Vielheit im Sinne des Folgenreichtums (verum), und die qualitative Vollständigkeit durch Rückkehr aus der Vielheit zur Einheit (bonum). Die Erklärung des Zusammhanges der Formeln des KI macht deutlich, dass die transzendentale Denkstruktur, quantitätsbegrifflich interpretiert, auch im praktischen Denken, dem Freiheitsdenken, ursprüngliche Bedeutung besitzt. Der ideengeschichtliche Leitfaden, einen Fortgang der transzendentalen Reflexion als Transzendentalienreflexion zu verfolgen, bewährt sich im Übergang von der KdrV zu Kants praktischer Philosophie. Bei Kant reflektiert sich auch das oberste Prinzip der praktischen Philosophie, die Einheit von KI und Freiheit, in der quantitätsbegrifflichtranszendentalen Denkform. V.3 Zur Terminologie der Transzendentalität Wir fassen die KdrV im ganzen als Apperzeptionslogik auf. Die KdrV beginnt mit dem Aufscheinen der logischen Apperzeptionseinheit bei der Entdeckung der Anschauungsformen bzw. der Anschauung einerseits, der Denkformen andererseits. Bei Kant ist die Transzendentale Ästhetik der sachnotwendige Anfang des transzendentalen Denkens. Die KdrV ist Apperzeptionslogik, teleologische Selbstvermittlung der Ur-Evidenz der kategorialen Apperzeption. Mit der Transzendentalen Ästhetik beginnt die zielbestimmte Selbsterhellung des „Stand“„punktes“ der transzendentalen Apperzeption. Die transzendentale Reflexion vollendet sich mit der Ermittlung der transzendentalen, forschungs- und wissensverwaltungsregulativen „Ideen“ und insbesondere mit der Entwicklung der Freiheitsidee und der Idee des ens necessarium. ***
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An dieser Stelle soll eine terminologische Festlegung nicht verzögert werden. Sie betrifftt die Ausweitung des transzendentalen Selbstbewusstseins in sich selbst, die mit dem „Idee“-Begriff und dem Anbau eines Ideen-Feldes erfolgt. Zwecks Vermeidung einer Verwechslung mit der „Selbstvertiefung des transzendentalen Selbstbewusstseins“, die gemäß unserem Interpretationsansatz für den Gang der nachkantischen Spekulation fortlaufend aufzusuchen ist, unterscheiden wir ab sofort die betont konstitutions- und besondergesetzlich transzendentale Denkweise als epistemologisch-transzendentales (ep.tr.) Denken vom eher selbstgenügsamen generell konvertibilitätsbegrifflichen Gedankengefüge als rationabilitätstranszendentalem Denken (rab.tr.) und erklären: Das Eine transzendentale (ep.tr.) Bewusstsein (unum) bringt sich mit hohem epistemischem Interesse an der Vielheit (multum) der Anschauungs- und Denkformen ins Spiel und erweist sich schon damit als zugleich folgenreicher Gedanke (verum), bevor es die unabsehbare Vielheit der empirischen besonderen Gesetze der epistemologisch-philosophischen Forschung a priori eingliedert.7 Es kehrt aus der Demonstration seiner Vielgültigkeit mit sachlicher Notwendigkeit zu sich selbst zurück: mit der Frage nach der Apperzeptionseinheit der kategorialen Grundsätze unter regelmäßig empirischen Anwendungsbedingungen. Die Anwort auf diese Frage liegt genau im Konzept der „regulativen Idee“. Es muss Forschungsmaxime sein, die Vernunftgemäßheit der Wirklichkeit vorauszusetzen, jener Wirklichkeit, die uns mit der Entdeckung der besonderen Gesetze zugänglich wird.8 Es ist notwendiges Forschungsregulativ, unter den besonderen Gesetzen Homogenität, Kontinuität und Spezifikation vorauszusetzen: dass sie sich wie der Porphyrianische Begriffsbaum verhalten. Es muss um der Einheit der theoretischen Subjektivität willen das logische Zusammenstimmen der besonderen Gesetze untereinander vorausgesetzt werden, als Ermöglichung ihres logischen Zusammenstimmens mit der logisch-verstandesbegrifflich verfaßten Apperzeption. So bedenkt der apperzeptionslogische Standpunkt (unum) die Bedingungen seiner Möglichkeit (verum) als aufschlußreicher teleologischer Kreisgang durch seine verstandes- und vernunftbegriffliche Verfassung (bonum), der mit der Transzendentalen Ästhetik für die ideengeschichtliche Interpretation der nachfolgenden spekulativen Systeme erinnernswert als introspektiv und eruditiv-gelehrter Wissensbesitz die zielbestimmte Selbstbesetzung
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des Stand-„punktes“ der transzendentalen Apperzeption begonnen hat.
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Wir kommen in der „Schlussbetrachtung“ auf die Differenz der gemäßigt erkenntniskriteriellen „Rationabilität“ und der diesbezüglich aufwendigen transzendentalen Methode zurück. Vgl. Kants Logik, AA 9, 51 f. „Besondere Gesetze, weil sie empirisch bestimmte Erscheinungen betreffen, können davon (sc. den kategorialen Grundsätzen als Gesetzen, natura formaliter spectata, P. B.) n i c h t v o l l s t ä n d i g abgeleitet werden, ob sie gleich alle insgesamt unter jenen stehen. Es muss Erfahrung dazu kommen, um die letzteren ü b e r h a u p t kennen zu lernen; von Erfahrung aber überhaupt, und dem, was als ein Gegenstand derselben erkannt werden kann, geben allein jene Gesetze a priori die Belehrung.“ B 165
VI Das Regulativ der Zweckmäßigkeit Es bleiben die weiteren Kantischen Themen aufzurufen, an denen sich Fichte, Schelling und Hegel orientiert haben. Dies sind v.a.: Gott, das Natur- und Kunst-Schöne und der Organismus. In der KdrV wird Gott zum Thema im Ausgang von der Universalapperzeption. Der höchste Verstand kann nicht bloß Grund der logischen Naturverfassung sein, er muss als ihre Ursache gedacht werden. Wir denken die höchste Vernunft, um uns die empirischen Gesetze denkbar zu machen, um ihrer logischen Systematik willen. Die empirischen Gesetze aber sind in der Natur vorhanden, es sind Vorkommen, und wir sehen uns für ihren Ursprung und Zusammenhang auf das Ding an sich verwiesen, ganz wie im Falle der zu den Gesetzen wegweisenden Empfindungsaffektionen. Für diese bestehende, vorkommende, anzutreffende, zu entdeckende Gesetzlichkeit muss es eine genauso bestehende Ursache geben, einen Entstehungsgrund. Daher der Gedanke der seienden Apperzeption, der in persona bestehenden Universalvernunft. Kant spricht vom „schematisch“ personifizierten „Ideal der reinen Vernunft“, und konkreter vom architektonischen Welturheber. Es handelt sich um eine Vernunftfigur. Also verhält sich die Vernunft bzw. das Subjekt dazu in der Art der Vernunft: die Vernunft stattet die Idee des höchsten Vernunftwesens mit Beweisen aus. Erkenntniswert kann den Beweisen allerdings nicht eigen sein. Es sind Scheinbeweise, Blendwerke des spekulativen Denkens. Es sind allerdings auch nur Abwege des Denkens, sie sind bei besonnener Erkenntnis leicht zu widerlegen. Berühmt ist die Widerlegung des ontologischen Arguments. Das ontologische Argument geht vom „ens realissimum“ aus, dem allerrealsten Wesen. Zu seiner Realitätsfülle verhält sich jedes besondere Seiende als Einschränkung. Das Argument besagt: Dem allerrealsten Wesen kann die Existenz nicht fehlen. Die Widerlegung lautet: Die Existenz ist nichts Reales, kein Sachgehalt. Hundert Taler existieren, wenn ich sie aufgrund von Wahrnehmungen als daseiend setze. „Dasein ist kein reales Prädikat“, kein Sachgehalt, sondern Setzung, die Wirklichkeitssetzung gedachter Sachen. Aus dem Begriff des allerrealsten Wesens kann ich seine Existenz nicht ableiten, solange ich seine Allrealität und sein Sein nur denke, ohne einen zusätzlichen Grund zu haben, es zu setzen, d.h. es zu erkennen.
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* In der Naturerkenntnis und ihrer Theorie ist Gott ein fehlerfreies schematisiertes Ideal der reinen Vernunft. Die Existenz Gottes aber wird zur Gewißheit in der praktischen Reflexion, im moralisch praktischen Glauben. Hier hilft uns das erkenntniskritisch geprüfte und als fehlerfrei befundene Ideal der reinen Vernunft, unsere moralische Bestimmung zu verstehen. Zur Natur des endlichen Vernunftwesens gehören reine Vernunft und sinnliches Glücksbegehren. Dies äußert sich so, dass wir Moralität mit Glückswürdigkeit gleichsetzen. Die Einheit von Moralität, Glückswürdigkeit und Glück ist für uns das „höchste abgeleitete Gut“. Das innere Gesinnungshandeln aber und der äußere Naturerfolg fallen in zwei Welten, die für uns unüberbrückbar sind. Von der Gnade Gottes muss daher die proportionale Zusammenstimmung der Gesinnungsreinheit und des Erfolgs im Leben und Nachleben erhofft werden. So ist das Dasein Gottes ein „Postulat“ der praktischen Vernunft. Gott, theoretisch nur fehlerfrei denkbar, wird für die praktische Denkungsart zum Gegenstand eines vernünftigen Glaubens, wenn wir „Glaube“ das Fürwahrhalten nennen, das aus moralischen Gründen vernunftnotwendig ist. Fichte hat in mehreren Ansätzen versucht, die Postulatenlehre weiterzuentwickeln. Hegel hat dafür beinahe nur Spott übrig gehabt. Es ist für Hegel bereits ein Mangel an Wissenschaftlichkeit, dass Gott Glaubensgegenstand sein soll. Aber nicht einmal zum Glaubensgegenstand eignet sich nach Hegel der von Kant postulierte Gott. Der moralische Welturheber sieht in der Schöpfung die Einheit von Freiheitshandeln und Naturerfolg vor, so dass der gute Wille auch glücklich macht. Dieses höchste Wesen, das Freiheit und Natur ausgleicht, entbehrt für Hegel der Glaub-würdigkeit. Der Kantische Gott des Glaubens und der Hoffnung ist, so findet Hegel, eine Art Popanz, „vom Bewusstseyn zum Behufe der Harmonie angenommen, wie die Kinder sich irgend eine Vogelscheuche machen, und miteinander ausmachen, sie wollen sich vor diesem Mannequin fürchten.“9 *
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Werke, hrsg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt/Main 1970 f., Bd. 20, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, III, 371.
Die „Kritik der Urteilskraft“ erweitert das Problem, das die KdrV im „Anhang zur transzendentalen Dialektik“ mit der regulativen Einheit der Naturgesetze und seiner Lösung, dem schematisierten Ideal der reinen Vernunft als höchstem Vernunftwesen vorgegeben hatte. Hier wurde bereits die Gelegenheit wahrgenommen, die Imagination eines „principium vagum“ zu legitimieren: des zweckmäßigen Ineindergreifens aller empirisch-apriorischen Aufbausphären der realen Welt. Die KdU bringt alle Gesetzestypen überhaupt und alle Formen ihrer Zusammenstimmung in einen systematischen Zusammenhang. Sie stellt einen Verweisungszusammenhang fest zwischen den kategorialen Grundsätzen, den empirischen Besondergesetzen, der Naturgesetzlichkeit und dem moralischen Gesetz der Freiheit. Als Verbindungsbegriff fungiert die „Zweckmäßigkeit“, die überall an vernünftige Zwecktätigkeit denken läßt. „Zweckmäßigkeit“ wird z.B. gedacht, wenn das Zusammenstimmen der Naturgesetze untereinander Thema ist. Ihre Zusammenstimmung ist zweckmäßig für die Naturerkenntnis. Nicht als ob wir behaupten könnten, diese Zweckmäßigkeit selbst in der Natur zu erkennen. Wir schreiben sie auch nicht der Natur vor. Wir schreiben sie zwar vor, aber nur unserer Urteilsbildung über die Natur. Die Natur-„Zweckmäßigkeit“ ist nicht Beweis von Autonomie der Erkenntnis, sondern Ausdruck ihrer „Heautonomie“. Die Naturzweckmäßigkeit ist eine Selbstvorschrift für das Urteilen, d.h. für das Subsumieren der besonderen Erkenntnisse unter höhere, allgemeine Erkenntnisse: sie ist ein Fremdling in der Natur. Wir unterstellen im Urteilen, im Subsumieren der Naturvorstellungen, dass die Natur mit allen ihren Gesetzen für unsere Erkenntnis zweckmäßig, d.h. logisch verfasst ist. * Drei Kontexte drängen uns den Gedanken der Naturzweckmäßigkeit auf, der über sich hinaus auf das Intelligible als Möglichkeitsgrund verweist. Der erste wurde schon genannt. Es ist der gesetzliche Zusammenhang der Natur im Ganzen. Der zweite Zweckmäßigkeitskontext ist das Schöne und Erhabene. Einige Gegenstände der Natur erwecken rein mit ihrer Struktur in uns ein interesseloses Wohlgefallen. Diese Gegenstände versetzen unsere Einbildungskraft in ein lebhaftes, aber logisch geordnetes Vorstellungsspiel. Wir bemerken in diesen Fällen eine erkenntniszweckmäßige Harmonie unserer höheren Gemütskräfte. Wir bemerken sie ohne materiales Interesse, ohne
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Haben-Wollen, ohne Begehrlichkeit, mit einem kontemplativen Wohlgefallen. „Schön“ nennen wir die Gegenstände, die den Geist solchermaßen zu geordneter spielerischer Freiheit erregen und damit in eine zweckmäßige Stimmung versetzen. „Erhaben“ nennen wir Gegenstände, die zweckmäßig für die Aktualisierung und Intensivierung unseres Freiheitsbewusstseins sind. Naturkatastrophen bringen die ganze Ohnmacht und Nichtigkeit des Naturmenschen zu Bewusstsein, aber sie erinnern uns auf der anderen Seite an die Würde, die uns als Vernunftmenschen, als Freiheitswesen eigen ist. Das Schöne, das Geschmacksurteil, erhebt zumindest den Anspruch auf allgemeine Anerkennung, und es beruft sich dafür auf das Intelligible. Genauer allerdings beruht der Allgemeinheitsanspruch des ästhetischen Urteils auf der Fähigkeit des Schönen, das Sittlich-Gute zu symbolisieren: wieder eine Einheitsidee der konspektiven KdU. Friedrich Schiller, dem philosophierenden Theoretiker und Praktiker des hohen Geschmacks, kam sie mit der Kantischen Ethikotheologie wie gerufen. Der Geschmack macht den Übergang zur moralischen Einstellung. Am geregelt freien, begeisteten Gedankenspiel wird erfahren, dass die sinnliche Einbildungskraft durch den Verstand gesetzmäßig-zweckmäßig bestimmbar ist. Und das ästhetische Erlebnis der Zusammenstimmung der oberen Gemütskräfte anläßlich äußerer Gegenstände offenbart eine Zusammenstimmung der äußeren und inneren Natur. Es deutet, in der Ode an die Freude thematisch, auf die Einheit des Intelligiblen in uns und des Intelligiblen außer uns, auf eine gemeinschaftliche, aber unbegreifliche Quelle unseres theoretischen und praktischen Wesens. Der dritte Anlass, Naturzweckmäßigkeit zu denken, ist der Organismus. Im Organismus ist alles Zweck und wechselseitig auch Mittel. Die Naturzweckmäßigkeit, die Vernunft in der Natur, scheint hier in Dingen verkörpert zu sein. Die Zweckmäßigkeit ist nicht bloß eine abstrakte Leitidee der Naturforschung. Sie wird nicht bloß im ästhetischen Erleben lustvoll gefühlt. Der Organismus zwingt, „Zweckmäßigkeit“ in die allgemeine Begriffsbildung aufzunehmen. * In der nachkantischen Einheitsphilosophie hat das Kantische „Postulat“ des moralischen Welturhebers, Kants „Ethikotheologie“, nur bei Fichte stärker nachgewirkt, und auch bei ihm nur in der Frühphilosophie.
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Nach Kant dürfen wir glauben und hoffen, dass ein moralischer Welturheber die moralische Glückswürdigkeit und das Glück des Menschen ausgleicht, im menschlichen Leben und Nachleben. Dieser Gott des Ausgleichs, der die Einheit von Natur und Freiheit garantiert, hat Schelling und Hegel nicht beeindruckt. Bei Schelling und Hegel sind das Natur- und KunstSchöne und der Organismus zum Ferment geworden, aus einem verständlichen Grund: Die Zusammenstimmung von Natur und Vernunft im Naturgegenstand Organismus und im ästhetischen Erleben lässt nicht weniger als die ethikotheologische Reflexion an das Intelligible denken. Das Schöne als Symbol des Sittlichen führt auch auf die Idee der intelligiblen Koordination des Intelligiblen im Menschen und des intelligiblen Grundes der Natur. Der Blick weitet sich vom Schönen und vom Organismus ausgehend genauso über die menschliche Vernunft hinaus auf die absolute Vernunft hin. Die KdrV verlangt, die Erfahrungswelt als Erscheinungswelt anzusehen, An-sich-Seiendes aber hinzuzudenken, ein „Intelligibles“, d.h. ein zwar bloß Denkbares, jedoch Denknotwendiges. Schon die KdrV kommt zu bestimmten Gedanken über das Ansichseiende. Das Intelligible wird zuerst unter dem Ding-Aspekt gedacht, als Ding an sich, in der Objektperspektive, dann als architektonischer Welturheber, in der prolongierten Subjektsperspektive. Der architektonische Welturheber sorgt für die Zusammenstimmung der besonderen Gesetze untereinander und ihr Harmonieren mit den kategorialen Gesetzen. Der zweite Standpunkt der reinen Vernunft, der praktische Standpunkt, erschließt das Intelligible noch weiter. Reflexion über die moralische Bestimmung des Menschen führt auf den moralischen Welturheber. Denke ich über meine Gesamtbestimmung als moralisches Vernunftwesen und je und je indviduell glücksbestrebtes Wesen nach, so komme ich zu einer praktischen Gewißheit. Mir wird an der praktischen Selbstzufriedenheit gewiss, dass ein moralischer Welturheber Moralität und Glück des Menschen zum Ausgleich bringt, indem er die Natur auf den Erfolg des Freiheitshandelns abstimmt (das in der Natur Erfolgende auf den Erfolg der Freiheit). Das Schöne, das Erhabene und der Organismus eröffnen nochmals neue Bestimmungen des Intelligiblen. Und zwar verbunden mit einem Erkenntnisvorzug. Das ästhetische und organologische Intelligible hat einen theoretischen Vorzug, es besitzt
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größere Unmittelbarkeit. Es ist nicht Ergebnis eines Raisonnements, wie der „postulierte“ Vermittler von Natur und Freiheit. Er kann leicht als deus ex machina erscheinen. Denn er wird als Auflösungsmittel einer Antinomie postuliert. Er wird ersonnen, um die Antinomie zu überwinden, die den Gedanken des höchsten abgeleiteten Guts umgibt, also die Einheit von moralischer Glückswürdigkeit und Glück. Die Antinomie selbst hat schon für viele Gutachter einen zweifelhaften Ursprung. Der Ursprung der ethischen Antinomie hat sie von Anfang an verdächtig gemacht, eine systemarchitektonische Zwangsvorstellung zu sein. Die Antinomie entspringt einem bei Kant überraschenden Wichtignehmen des Glücks. Sie ergibt sich, weil das Glücksstreben und damit das sinnliche Begehren in die moralische Bestimmung des Menschen aufgenommen werden. Der moralische Natur-Urheber und Herzenskündiger der Menschen scheint nicht nur allzu sehr ersonnen zu sein, wie Hegel sagt, gleichsam als eine Art mannequin, er erscheint auch als Retter aus einem theoretisch zweifelhaften Problem. Das Wirken des Intelligiblen wird in der ästhetischen Belebung des Gemüts unmittelbar erfahren. Und auch im Organismus erscheint die Vernunft der Natur in unmittelbarer Gegebenheit. Dieses unmittelbar am Organischen angetroffene Zweckmäßige, ein mit dem Gegenstand gegebener Deutungszwang, hat zur Folge, dass wir eine Erkenntnis der theoretischen Reflexion noch einmal überdenken. Die dritte Antinomie, die Freiheitsantinomie, wurde mit der Wahl einer Forschungsmaxime überwunden. Dies war der Vorsatz, immer und überall in der Natur kausale Naturnotwendigkeit vorauszusetzen. Der Organismus zwingt, die kausalmechanische Forschungsmaxime zu erweitern, also einzuschränken: durch die Maxime der teleologischen (technischen) Naturbeurteilung. Alle Naturprodukte sind im Sinne des zweckfreien Kausalmechanismus zu beurteilen. Einige aber erfordern über die mechanischen Gesetze hinaus den Begriff des Endzwecks in Betracht zu ziehen. Nur so kann dem Organismus Recht widerfahren. Der „Zweckbegriff“ ist ein „Fremdling in der Naturwissenschaft“, aber auch gleichsam ein „Wink der Natur“, der „Ahnung der Vernunft“ veranlasst. (AA 5, §72, 390) Zunächst führt die Gegebenheit des zweckähnlichen Organismus zu einer neuen Antinomie. Es versteht sich, dass das ethikotheologische Denken am Naturzweck interessiert ist. Es mischt sich in das Naturdenken ein und drängt auf Preisgabe der
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rein mechanistischen Forschungsmaxime. Die teleologische Erweiterung der mechanistischen Maxime, die am kategorialen Kausalitätsbegriff einen konstitutiven Kern hat, ist der Ausweg aus dem antinomischen Denken einer zugleich zweckfrei kausalmechanischen und teleologischen Konstitution zuerst des Organischen und von daher der Natur im ganzen. Schelling und Hegel haben die geschraubt und gesucht wirkende Antinomie auf sich beruhen lassen. Für sie ist auffälliger die Erklärung gewesen, die Kant für die Möglichkeit der Antinomie in der KdU gibt. Damit scheint er nämlich einmal mehr das Gefängnis seines ängstlichen Denkens zu sprengen, sich ein Herz zu fassen, und einen äußersten Ausblick auf die absolute Vernunft zu tun. Fichte, Schelling und Hegel haben die KdU als die Klimax der Kantischen Philosophie angesehen. Kant scheint sich in der KdU dem Absoluten und der absoluten einheitsphilosophischen Wahrheit sogar in grundsätzlichen Überlegungen zu nähern. Kant setzt in der KdU die eigentümliche Begrenzheit des menschlichen Verstandes mit seiner Fixiertheit auf das „Analytisch-Allgemeine“ gleich. Wir kennen das Allgemeine nur als analytische Einheit, als in Komplexen enthaltenes Allgemeines, als die Gemeinsamkeit des durchgehenden Strukturzuges in Vorstellungen, in Sachverhalten. Daher müssen wir zwischen dem Möglichen, dem Wirklichen und dem Notwendigen unterscheiden. Möglich ist der Gegenstand, für den sich überhaupt verträgliche Strukturzüge benennen lassen. Wirklich ist der strukturell gedachte Gegenstand, der einen Wahrnehmungsbezug hat. Notwendig ist der Gegenstand, der in durchgehender Strukturbestimmtheit wahrgenommen wird. Der absolute Verstand muß synthetisch-allgemein sein, ein intuitiver Verstand, der einem unmittelbaren Wissen des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen gleichkommt. Ein solcher Verstand hat es nicht nötig, zwischen Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit und Zufälligkeit seines Wissens zu unterscheiden. Er käme demnach gar nicht in die Verlegenheit, die konkrete Allgemeinheit des Organischen als zweckähnlich zu beurteilen. Zu dieser Deutung müssen wir Zuflucht nehmen, weil ein Newton des Grashalms undenkbar ist, d.h. ein Naturforscher, der auch nur einen Grashalm ohne Zweckvorstellungen erklären
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könnte, rein mit kausalmechanischen Gesetzen. (KdU, §75, AA5, 400) Der unendliche Verstand würde den Organismus nicht als zweckmäßig beurteilen, er würde keine Zweckverursachung in den Organismus hineindeuten. Die teleologische Betrachtungsweise legt mit dem Zweck nur ein Surrogat zugrunde, einen Notbehelf statt des eigentlich einzusetzenden konkreten Begriffs, über den wir nicht verfügen. Der Zweck ist begriffliche Allgemeinheit als Ursprung konkreter Gegebenheit. Der Zweck ist Begriff nicht bloß wie die besonderen Gesetze als naturimmanent vorfindliche Struktur, oder wie die Kategorien als auf sinnlich-empirisch Vorfindliches angewiesener Strukturbegriff. Der Zweck ist inkorporierte Form. Trotzdem läßt der Zweck, wie er uns bekannt ist, die analytische Allgemeinheit unbehelligt (die Allgemeinheit des gemeinsamen Zugs). Denn: Was wir empirisches Zweckhandeln nennen, das Verfolgen sinnlich-empirisch motivierter Zwecke, das ist in Wahrheit gar kein Handeln, sondern ein kausalmechanisch-naturnotwendiges Agieren. Das selbstbestimmte Handeln aber, das freie, wahrhafte Zweck„Handeln“ ist für uns ein Mysterium. * Hegel bemerkt zu Kants Grenzbegriffen des Intelligiblen und zu seinen Grenzbestimmungen der Vernunft: „Kant hat diese Ideen selbst wieder nur in subjektiver Bestimmung genommen; sie sind nur Betrachtungsweisen, keine objektiven Bestimmungen..Dies ist der beständige Widerspruch der kantischen Philosophie: er hat die höchsten Gegensätze aufgestellt, und die Lösung ausgesprochen. Er spricht die Einseitigkeit der Gegensätze aus, und ebenso ihre Einheit. Die Vernunft postuliert sie , wir haben sie in der Urteilskraft .. Der Reichthum des Gedankens entfaltet sich in subjektiver Gestalt; er will aber seine Schranke nicht aufheben, im Momente, dass er sie als Schranke setzt.“ (V.ü.G.d.Ph., Glockner 606). Eine Art, wie Fichte, Schelling und Hegel an Kant anknüpfen, ist das Vorgeben der konsequenten Fortsetzung durch Bearbeitung von Widersprüchen, die Kant nur aus subjektiver empiristischer Voreingenommenheit stehen lässt, aus kleingläubiger Ängstlichkeit, falscher Pietät, das Geheimnis der Welt und des Menschen aufzulösen. ***
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Unsere eigene Schwierigkeit mit der Kantischen Epistemologie betrifft das logische Analogon eines sinnlich-anschaulichen Schemas: das „höchste Wesen“, die „oberste Intelligenz“ in idealer Verklärung der transzendentalen Apperzeption konzipiert mit „weisesten Absichten der Weltordnung“ als „transzendentaler Grund“ der „Welteinheit“ im Sinne der Homogeneität, Spezifikation und Kontinuität der Erscheinungen (der Gattungen und Arten und Varietäten, Begriffe, Grundsätze und Gesetze), kurz: als General-Observator der durchgängigen Einheit des Erfahrungsgebrauchs des Verstandes. Unser Problem betrifft näherhin die Notwendigkeit, jeden Gedanken an Erkenntnismoral in Zusammenhang mit der Idee der höchstmöglichen organisatorischen Erfahrungsharmonie zu unterdrücken: Wie kann Kant, wenn er einerseits dem personalen Repräsentanten des „Ideals der reinen Vernunft“ die proportional angemessene Koordination von moralischer Glückswürdigkeit und Glückseligkeit zuschreibt und daraus die ethikotheologische Motivation für einen vernunftbestimmten menschlichen Lebenswandel ableitet, andererseits für die nach ihm selbst „göttlich“ zu nennende Unterweisung, Anweisung und insgesamt Schulung (B 635) in a priori vernunftgerechter Regulation der erkenntnislogischen Einrichtung der Erfahrungswelt, das zurückhaltende „als ob“, um nicht zu sagen: irreale Vergleichssätze verwenden? Gebührt nicht dem, was die Übernahme des regulativ ideellen Standpunktes des höchsten Wesens, des noumenalen „Weltgrundes“ für eine geringere Behinderung des kategorischen Sollens durch widerstrebendes Wollen, moralische Zweckmäßigkeit des Verstandesgebrauchs, leistet, ebenfalls eine Zuordnung zur „transzendentalen Theologie“? Man brauchte es darum nicht an Beachtung der unsicheren Identifikation des intelligiblen und empirischen Charakters der Ordnungsentwürfe fehlen zu lassen. Sie belastet ja schon den alltäglichen Umgang mit dem ethischen Handlungsbegriff.
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VII Von Kant zu Fichte, Schelling, Hegel: Reinhold, G. E. Schulze, Maimon, Jacobi VII.1 Karl Leonhard Reinhold Aus der nachkantischen Philosophie ragen vier Autoren heraus, denen Fichte, Schelling und Hegel Anregungen verdanken: Jacobi, G. E. Schulze-Aenesidemus, Maimon und Reinhold. Die größte Bedeutung hat Karl Leonhard Reinhold entfaltet, und zwar besonders mit dem Einfluß, den er auf Fichte genommen hat. Vier Werke sind zu nennen: Briefe über die Kantische Philosophie (1786/87 im Teutschen Merkur, 1790 als Buch), Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (1789); Beiträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1.Bd. das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, 1790, 2.Bd. Die Fundamente des philosophischen Wissens, der Metaphysik, Moral, moralischen Religion und Geschmackslehre betreffend, 1794); Über das Fundament des philosophischen Wissens.. (1791) Wie später Hegel, so bestreitet Reinhold die Wissenschaftlichkeit der KdrV. Die KdrV hat zwar die Philosophie auf den Weg zur strengen Wissenschaft gebracht. Kant hat die Fehler von Locke, Hume und Leibniz vermieden, dafür aber ihre fortschrittlichen Ideen aufgenommen und zu einer fruchtbaren Synthese gebracht. Sie hat nur einen Mangel: Ihr fehlt noch das Fundament, das absolut erste und allem Halt gebende Prinzip. Kant hat von Hume die Fragestellung übernommen, die „große Frage“ nach der Möglichkeit der Übereinstimmung von Subjekt und Objekt in der wahren Erkenntnis. Hume konnte diese Frage nur skeptisch beantworten, weil er als Ursprung der Erkenntnis nur den sinnlichen Eindruck für möglich hielt. Man kann aber bloß mit dieser Prämisse nicht die Subjekt-Objekt-Beziehung erklären; man kann nur einen Schein von objektiv gültiger Erkenntnis zugeben, beruhend auf gewohnheitsmäßiger Assoziation der Vorstellungen. Locke führte die Erkenntnis auf Erfahrung zurück, aber er konnte auf diese Weise nicht die erkenntnistypische Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit verstehen. Leibniz ging als Mathematiker genau von der allgemeingültigen und notwendigen Erkenntnis aus. Aber er glaubte sie dadurch erklären zu können, dass er die Seele als ein System
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angeborener Ideen dachte. Dieses Modell wird dem Erfahrungscharakter der Erkenntnis nicht gerecht. Und auch daran scheiterte Leibniz, dass er den Widerspruchssatz als den ersten Grundsatz im menschlichen Wissen ansah. Reinhold verweist auf Crusius und Kant, die beide erfasst haben, dass Widerspruchsfreiheit nur eine logische Qualität von Urteilen, aber kein Beweis ihrer objektiven Realität ist. Kants Verdienst liegt darin: Er hat die apriorischen Formen der Erkenntnis (Anschauungsformen und kategoriale Denkformen) vollständig ermittelt, und er hat ihr Zusammenwirken mit dem aposteriorischen Erkenntniselement (den Sinnesdaten) durchsichtig gemacht. Kants Defizit ist darin zu sehen: Er hat nur eine Propädeutik zur Metaphysik der sinnlich zugänglichen Natur geleistet. Seine transzendentalen Grundsätze des Verstandes haben einen für sie ersten Grundsatz: „Jeder erkennbare Gegenstand steht unter den formalen und materialen Bedingungen der Erfahrung“. Aber dieser Grundsatz, so glaubt Reinhold, schwebt in der Luft. Er enthält viele Voraussetzungen, die ihn als einen nachgeordneten Satz ausweisen (Subjekt, Objekt, Vorstellung, Beziehen und Unterscheiden). Kant vertraut dem Faktum der Erfahrung. Aus Mangel an transzendentaler Letztbegründung hat Kant auch die Einheit der Erkenntnistheorie und der praktischen Philosophie im Dunkeln gelassen. Reinhold entwickelt ein neues Systemkonzept der Philosophie überhaupt, die auch mehr als „kritische“ Philosophie sein muss, wie er sagt, „Philosophie ohne Beinamen.“ (Beiträge, 105). Undeutlich ist Reinhold, wenn er erklärt, die kritische Philosophie sei notwendige Voraussetzung der Philosophie überhaupt. Die kritische Philosophie habe zuerst das Material der Erkenntnisformen zusammentragen müssen, bevor die Frage gestellt werden konnte, wie denn, aus welchen Grunderkenntnissen und in welcher Erkenntnisweise die Anschauungsformen und der kategoriale Verstand zu erfassen seien. Vermutlich denkt Reinhold, dass die Philosophie überhaupt an geschichtliche Voraussetzungen gebunden ist, dass sie aber in ihrer Darstellung das an sich Erste, den ersten absoluten Grundsatz an die Systemspitze zu stellen hat. Die KdrV ist für ihn nur Mittel zur Wissenschaft, nicht Wissenschaft selbst (133). In der streng wissenschaftlichen Philosophie findet sie kein Unterkommen. Die Reinholdsche Systemskizze sieht so aus: Die „Philosophie ohne Beinamen“ muss mit der „Elementarphilosophie“
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eröffnet werden. Sie muss von einem obersten Grundsatz ausgehen, der sich für diese Rolle evidentermaßen qualifiziert. Der absolut erste Grundsatz muss durch sich selbst bestimmt sein. Er darf nach keiner weiteren Begründung verlangen. Er darf nur Erläuterungen zulassen. Im ersten absoluten Grundsatz müssen die allgemeinen Merkmale alles Vorstellbaren enthalten sein. Da es ein allgemeinstes Vorstellbares geben muss, kann nur ein einziger Grundsatz das absolut Erste im Wissen sein. Er muss der Spezifikation der Erkenntnis vorausliegen, dem Anschauen und Denken, dem Natur- und Handlungswissen, dem sinnlichen und übersinnlichen Vorstellen. Nur ein philosophisch ausgewiesener Satz kommt für den absolut ersten Grundsatz in Frage, kein Satz des gemeinen Menschenverstandes, kein Satz aus irgendeiner Wissenschaft. Alle weiteren Grundsätze müssen unmittelbar oder mittelbar durch den absoluten Grundsatz bestimmt werden, so die Grundsätze der formalen Logik, die Grundsätze der sinnlichen und übersinnlichen Naturvorstellung, die praktischen Grundsätze. Besondere Sätze sollen besondere „Grunderklärungen“ geben, aber so, dass sie die allgemeinsten Merkmale benutzen. Die (nicht absoluten) Grunderklärungen sollen (als Definitionen) Gründe zu streng wissenschaftlichen Beweisen abgeben. Die Beweisgründe sollen teils durch den absoluten Grundsatz, teils durch untergeordnete Grundsätze durchgängig bestimmt sein. Reinhold sieht sich mit dem Postulat des absoluten Grundsatzes auf der Linie der Leibniz-Wolffschen Philosophie, bei aller Kritik an diesem System und ungeachtet seiner energischen Ablehnung der Spitzenstellung des Widerspruchssatzes und des Versuchs, aus dem Widerspruchssatz den Satz vom zureichenden Grunde abzuleiten. Aber der „absolut erste Grundsatz“ ist Reinholds Originalbeitrag zur geschichtlichen Entwicklung der Philosophie. Mit dieser einheitsphilosophischen Systemtheorie ist er in die Philosophiegeschichte eingegangen, damit hat er auf Fichte und Schelling eingewirkt. Und mit der inhaltlichen Ausfüllung des absoluten Grundsatzes. Er hat bei Reinhold zum Inhalt: die oberste Tatsache, das Bewusstsein. Der absolut erste Grundsatz ist der „Satz des Bewusstseins“, der den Begriff der Vorstellung, den allgemeinsten Begriff nach Reinhold entfaltet: „Die Vorstellung wird im Bewußtsein vom Vorgestellten und Vorstellenden unterschieden und auf beide bezogen.“ (Beiträge, 147) Der Satz des
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Bewusstseins faßt erschöpfend die Merkmale der Vorstellung zusammen. Aus ihm allein lassen sich nicht die weiteren Grundsätze entnehmen. Die weiteren Grundsätze haben „nur“ an ihm ein Ordnungsmuster. Sie beginnen mit den Sätzen, die besondere Arten des Bewusstseins ausdrücken: das Bewusstsein der Vorstellung, das Bewusstsein des Subjekts, d.h. das Selbstbewusstsein, das Bewusstsein des Objekts. Es folgen die Sätze, die nach den Bewusstseinsarten Vorstellungsarten festhalten: das sinnliche, verständige, vernünftige Vorstellen. *** Unbehagen, Vermutung des Unzureichenden, heftet sich an jeden Reinhold-Satz. Dazu gehören die Hauptpunkte der Reinholdschen Kant-Kritik: Kant ist rhapsodisch vorgegangen, er hat nicht aus einem Prinzip deduziert. Er arbeitet überall mit voraussetzungsvollen, ungeklärten Begriffen. Die KdrV ist erfahrungsgläubig und daher zirkulär angelegt. Es fehlt die Philosophie der Philosophie, eine Reflexion über die Art der Erfassung der transzendentalen Formen. Reinhold aber ist von einem fundamentalen Mißverständnis geblendet, wenn er Kant bloß rhapsodisch vorgehen sieht, nicht aus einem Prinzip seine Theorie der transzendentalen Formen der Anschauung, des Verstandes und der Vernunft organisierend. Kants einziger theoretischer Halt soll die Erfahrungserkenntnis sein, über die er transzendentalanalytisch reflektiert. Wir halten dagegen fest: Die KdrV ist unter der Fragestellung der Möglichkeit von Erkenntnis von der ersten Seite an Apperzeptionslogik, zielbestimmte Selbstvermittlung der Ur-Evidenz der kategorialen und ideenbildenden Apperzeption. Das Sich-Vertiefen des transzendentalen Selbstbewusstseins in sich selbst folgt methodisch der transzendentalen Denkweise „der Alten“. Das Eine transzendental verfaßte Bewusstsein (unum) erweist sich in der transzendentalen Reflexion damit als folgenreicher Gedanke (verum), dass es die unabsehbare Vielheit der empirischen besonderen Gesetze a priori indiziert. Das Selbstbewußsein kehrt mit sachlich-systematischer Notwendigkeit zu sich selbst zurück: mit der Frage nach der Apperzeptionseinheit der kategorialen Apperzeptionseinheitsgründe und der empirisch-besondergesetzlichen Anwendungsfälle. So bedenkt der apperzeptionslogische Standpunkt (unum) die Bedingungen seiner Möglichkeit (verum) als aufschlußreicher, in und um sich kreisender, über drei Ebenen führender teleologischer Kreisgang
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durch seine verstandes- und schließlich vernunftbegriffliche Verfassung (bonum). Kant transformiert die bei Leibniz ontologisch und energetisch gedachte Apperzeption, das vernünftige entelechiale Monaden-Wesen, das über seinen in ihm vorfindlichen, durch prästabilierte Harmonie mit der Monadenwelt wahrheitsgültigen Vorstellungsfundus aufhellend-aneignend reflektiert, zur teleologischen Selbsterhellung des kategorialen Selbstbewusstseins. ** Wir haben Karl Leonhard Reinhold als Kant-Kritiker vorgestellt und Reinholds eigene Systemskizze nachgezeichnet. Sie sieht vor, die „Philosophie ohne Beinamen“ mit der „Elementarphilosophie“ zu eröffnen. Die Elementarphilosophie muss einen obersten Grundsatz an der Spitze führen. Alle weiteren Grundsätze müssen unmittelbar oder mittelbar durch den absoluten Grundsatz bestimmt sein. Dies gilt für die Grundsätze der formalen Logik. Es gilt für die Grundsätze der sinnlichen und übersinnlichen Naturvorstellung, und es gilt auch für die praktischen Grundsätze. Die nachgeordneten Grundsätze sollen streng wissenschaftliche Beweisgründe abgeben. Auf ihnen sollen sich besondere Wissenschaften aufbauen lassen. Die grundlegenden Wissenschaftssätze sollen also teils durch den absoluten Grundsatz, teils durch untergeordnete Grundsätze bestimmt sein. Mit dem kantkritischen, einheitsphilosophischen Systemkonzept hat Reinhold auf Fichte und Schelling nachhaltig eingewirkt. Auch inhaltlich ist Reinholds absoluter Grundsatz fruchtbar geworden, allerdings mehr dadurch, dass er Kritik und kritische Umbildung provoziert hat. Der oberste, hier oben schon zitierte, Grundsatz hat bei Reinhold das Bewusstsein zum Inhalt, das Reinhold für die oberste Tatsache hält. Der „erste Punkt“ (294), von dem die Philosophie auszugehen hat, der „feste Punkt“ (139), muss eine Tatsache sein. Und dafür kommt allein das Bewusstsein überhaupt in Betracht, aus dem unmittelbar die Merkmale Vorstellung, Subjekt und Objekt „quillen“ (168). Der absolut erste Grundsatz, auf den wir zurückkommen, der „Satz des Bewusstseins“, lautet in seiner Standard-Version.: „Im Bewusstsein wird die Vorstellung durch das Subjekt vom Subjekt und Objekt unterschieden und auf beyde bezogen.“ (I 167) Der Satz des Bewusstseins fasst nach Reinhold erschöpfend die Hauptmerkmale der Vorstellung zusammen. Aus ihm allein lassen sich allerdings nur wenige weitere Grundsätze unmittelbar
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entnehmen. Die weiteren Grundsätze haben an ihm mehr ein Paradigma, ihr Vorbild. Die Folge der weiteren Sätze beginnt mit den Sätzen, die besondere Bewusstseinsarten ausdrücken: das Bewusstsein der Vorstellung, das Bewusstsein des Subjekts, d. h. das Selbstbewusstsein, das Bewusstsein des Objekts. Diese Sätze werden einfach durch Umformung des obersten Grundsatzes gebildet. Der oberste Grundsatz impliziert z.B. das Selbstbewusstsein damit, dass das Subjekt die Vorstellung auf das Objekt und auf sich bezieht. Nach den Bewusstseinsarten werden die Vorstellungsarten in besonderen Grundsätzen festhalten: das sinnliche, verständige, vernünftige Vorstellen. Das Systemprogramm sieht detailliert diese Disziplinen vor: 1. die Elementarphilosophie. Sie deduziert aus der Bewusstseinstatsache die Formen des Bewusstseins, 2. die abgeleitete reine Philosophie, als theoretische Philosophie, Theorie vom Erkenntnisvermögen, und als praktische Philosophie, Theorie vom Begehrungsvermögen. Die theoretische Philosophie soll „formelle“ theoretische Philosophie sein: Geometrie, Arithmetik, Logik und „materiale“ theoretische Philosophie: Metaphysik der Natur, allgemeine Ontologie, besondere oder abgeleitete Ontologie. Die Metaphysik der Natur soll die sinnliche und die übersinnliche Natur zum Gegenstand haben. Die Metaphysik der übersinnlichen Natur soll die rationale Psychologie und rationale Aetiologie umfassen: die Theorie von der Substanz des Subjekts und die Theorie der Freiheit. ** Die Deduktionen, die Reinhold für die Vorstellungsformen anbietet, verlangen keine ausführliche Wiedergabe. Die Anschauungsformen, die Kategorien und die Vernunftideen werden als erstes abgeleitet. Dies erfolgt so, dass behauptet wird: Das im Bewusstsein absolut unmittelbar Gegebene ist die Vorstellung noch vor Subjekt und Objekt. An der Vorstellung muss Verschiedenes sein, so dass sie auf Verschiedenes, auf Subjekt und Objekt bezogen werden und davon unterschieden werden kann. Es muss Stoff zur Vorstellung gehören, weil sie auf das Objekt beziehbar ist. Form muss zur Vorstellung gehören, weil sie etwas mit dem Subjekt zu tun hat.
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Mit diesem Raisonnement wird das Begriffspaar Stoff-Form erzwungen. Davon liegt nichts im Gedanken der Vorstellung. Der Vorstellungsbegriff schließt das Vorstellende und das Vorgestellte ein, aber er verweist nicht im geringsten auf Stoff und Form. Alle weiteren Deduktionen arbeiten mit der subreptiven Stoff-Form-Begrifflichkeit. Dazu gehört die Überlegung, dass zwischen dem „bloßen Stoff“ und der dem Stoff entsprechenden Empfänglichkeit (Rezeptivität) des Subjekts unterschieden werden muss, auch zwischen dem Stoff und der Art des Subjekts, ihn zu empfangen. Dem bloßen Stoff diesseits der Rezeptivität und Rezeptivitätsart entspricht dann die bloße Spontaneität, die von der Vorstellungs-„Hervorbringung“ unterschieden wird. Spontanes Erzeugen und reales Hervorbringen werden unterschieden. Ebenso wird vom Vorstellungsvermögen, vom Vermögen der Rezeptivität und Vermögen der Spontaneität, die Kraft zum Vorstellen unterschieden. So wird es möglich, zwischen Subjekt und Substanz zu unterscheiden. Und es kommt nicht unerwartet, dass für die Herkunft des „bloßen Stoffs“ das „Ding an sich“ als denknotwendige, aber unerkennbare Ursache eingeführt wird. ** K. L. Reinhold hat, bis heute kaum beachtet, eine Konstruktion der Urteilstafel allein anhand der „objektiven Einheit“ der Vorstellungen im Bewusstsein und der darauf (zur Verwunderung Schellings in der „Ich“-Schrift) quantitätsbegrifflich bezogenen Subjekt-Prädikat-Struktur versucht. Reinhold ist allerdings über eine schematische Quantifizierung nicht hinausgekommen: Einheit-Vielheit-Allheit der möglichen Subjektsstellen innerhalb der objektiven Einheit, Einheit-Vielheit-Allheit der möglichen Prädikatszugehörigkeit zum Subjekt, Einheit-Zweiheit-Einheit der Vielheit in den Ebenen des zu objektiver Einheit Zusammenzufassenden und des Zusammenfassenden (eine Zusammenfassung, zwei äußerlich und zwei innerlich verknüpfte Zusammenfassungen). Reinholds quantitätsbegrifflicher Versuch aber kann
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als der unter allen vorliegenden am weitesten fortgeschrittene gelten.10 ** Fichte und Schelling haben die einheitsphilosophische Grundkonzeption des obersten Grundsatzes übernommen, einschliesslich der Systemfigur der teils davon abhängigen, teils eigenwesentlichen Folgesätze und schließlich auch das Postulat, dass alle Systemsätze auf den absolut ersten Grundsatz zurückverweisen sollen. Reinholds konkrete Systemausführung aber ist von allen Seiten aufgespießt worden, beispielhaft von G. E. AenesidemusSchulze. Wir wollen nur anmerken, dass und inwiefern Reinhold, der bei Kant anknüpft, von einem Mißverständnis der Kantischen Philosophie bestimmt ist. Reinhold sieht Kant bloß rhapsodisch vorgehen. Er vermißt bei Kant die Ableitung der Bewusstseinsformen aus einem Prinzip. Die Anschauungsformen, die Verstandesformen, die Vernunftideen werden, so Reinhold, von Kant dem Faktum der Erfahrung entnommen. Kants einziger theoretischer Halt ist die Erfahrungserkenntnis, die er auf Aprioritätszüge hin analysiert. Das Thema der KdrV aber ist die Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt. Dass theoretische Erkenntnis auf Erfahrung und auf die subjektiven Konstituentien der Erfahrung begrenzt ist, dies ergibt sich erst aus der Analyse der Anschauung und des Denkens. Andererseits muss man Reinhold konzedieren, dass er den standpunktlichen und daher zirkulären Charakter der KdrV richtig erspürt hat. Die KdrV ist Apperzeptionslogik, ein zielbestimmtes In-sich-Gehen, ein teleologisches Sich-Artikulieren der urevidenten transzendentalen (erkenntnisgründenden) Apperzeption. Der transzendentale Standpunkt des ursprünglichsynthetischen Selbstbewusstseins kommt in der KdrV zu sich. Das Sich-Vertiefen des transzendentalen Selbstbewusstseins in sich selbst folgt methodisch der transzendentalen Denkweise. Das Eine transzendental verfaßte Bewusstsein (unum) erweist sich in der transzendentalen Reflexion damit als folgenreicher Gedanke (verum), dass es die unabsehbare Vielheit der empiri10
Vgl. Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, 1789, 440-450.; Nicolai Hartmann, Die Philosophie des deutschen Idealismus, 21960, 13.
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schen besonderen Gesetze a priori indiziert. Das Selbstbewußsein kehrt aus seiner Vielgültigkeit mit sachlicher Notwendigkeit zu sich selbst zurück: mit der Frage nach der Apperzeptionseinheit der kategorialen Apperzeptionseinheitsgründe und der besondergesetzlichen Apperzeptionseinheitsgründe. Die Anwort auf diese Frage ist das Konzept der regulativen Idee. ** Bei Leibniz ist die Apperzeption, das Zusichkommen der vernünftigen Monade, ontologisch und energetisch konzipiert. Ein Seiendes reflektiert zielstrebig den in ihm hebbaren Vorstellungsschatz, der alle möglichen Vorstellungen umfaßt. Und dieses Seiende, die vernunftbegabte Monade, reflektiert auf wahrheitsgültige Weise. Die Monade erfaßt im Apperzipieren, im reinen Sich-Erkennen, das Ansichseiende. Dank der prästabilierten Harmonie der eigenen Monadizität mit der Monadenwelt ist es möglich, Wahrheit zu erkennen, nicht nur im eigenen Vorstellungskreis solipsistisch zu verweilen. Bei Kant wird aus der wahrheitsgültigen Sich-Aneignung des vernünftigen Monadenwesens die teleologische Selbsterhellung des wahrheitskonstitutiven Selbstbewusstseins. Die KdrV ist systematische Selbstverständigung des Erkenntnis-Standpunktes der möglichen Erfahrung. Sie ist transzendentale Selbstexplikation. Schon der Anfang mit Raum und Zeit als Zugang zur Anschauungsinstanz und zur Aprioritätskomponente der Anschauung erfolgt in der Selbstsicherheit des transzendentalen Standpunktes. Dies hat Reinhold erahnt. Die Standpunktlichkeit der KdrV ist allerdings deutlich von der Basis getrennt, die Reinhold der KdrV zuschreibt: das wäre die gleichsam vollendet vorliegende Erfahrung, das Phänomen Erfahrung, als Gegenstand einer von außen, philosophisch ansetzenden Ergründung. Es wäre die Erfahrung als Feld eines Vordringens vom Prinzipiat zu den Prinzipien. Die KdrV aber entfaltet sich von Anfang an in der Prinzipiendimension. Sie ist eine a priori standpunktgeprägte Entwicklung der Erfahrungsprinzipien.
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VII.2 G. E. Schulze-Aenesidemus Von dem Braunschweiger Gottlob Ernst Schulze erschien 1792 das Werk: „Aenesidemus oder über die Fundamente der von dem Herrn Prof. Reinhold in Jena gelieferten Elementarphilosophie“. Diese umfangreiche Abhandlung besteht aus Auszügen Reinholdscher Werke und einer kritischen Kommentierung. Sie enthält aber auch eine Auseinandersetzung mit Kant im Namen David Humes. Ihre historische Bedeutung liegt darin, dass das „Ding an sich“ mit einprägsamen Argumenten angegriffen wird, und zwar so, dass das transzendentale Subjekt mit betroffen wird. Im Allgemeinen lautet die Kritik, die KdrV sei inkonsistent, inkonsequent, sophistisch und mystifikatorisch. Die KdrV ist für G. E. Schulze-Aenesidemus eine inkonsistente Ursprungstheorie der Erkenntnis. Kant beschränkt, so Schulze, den Kausalitätsbegriff auf die Anwendung in möglicher Erfahrung. Aber Kant findet die Ursache der Empfindungen im Ding an sich. Und er findet den Ursprung der synthetischen Urteile a priori im Gemüt, im Subjekt an sich. Diese doppelte Anwendung des Ursache-Begriffs auf Ansichseiendes ist inkonsequent. Zugleich ist sie nicht einmal inhaltlich zwingend. Sie ist nicht die einzig mögliche Inkonsequenz. Sie ist nicht zwingend, wie jeder Kausalschluß gewagt erscheint, der von bestimmten Gegebenheiten auf bestimmte Ursachen folgert. Schließlich ist Kants Kausalbestimmung des Ansichseins absurd, unsinnig. Denn die KdrV läßt das „Ding an sich“, den Inbegriff des für sich bestehenden Erkenntnisgegenstandes, nur als gedacht gelten. Sie löst das Ding an sich in Denken auf, mit der Folge, dass die Erkenntnis in Schein aufgeht. Und dabei verfährt Kant nicht geradeheraus: Er hätte schon auf der ersten Seite anzeigen sollen, dass er unter den Gegenständen, die unsere Sinne affizieren und Vorstellungen bewirken, eigentlich nichts weiter versteht, als wieder nur Vorstellungen von Dingen außer uns. (262ff.) Überall lebt die KdrV von bittweise angenommenen Sätzen. Sie führt das Ding an sich ohne Begründung ein. Dasselbe gilt für die synthetischen Urteile a priori. Sie werden im Gemüt angesiedelt. Aber sie ließen sich genauso aus einer präformierten Harmonie von Gegenstandswelt und Erkenntnis erklären. Auch könnte das Gemüt der alleinige, erschöpfende Grund unserer
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Erkenntnis sein. (265) In diesem - ideengeschichtlich relevanten - Zusammenhang bezeichnet G. E. Schulze die Kantischen Widerlegungen des materialen Idealismus als „Sophisterei“. Das Beharrliche in der Erkenntnis muss nicht eine äußere Substanz sein. Beharrlich könnte auch das Gemüt selbst oder ein äußerer Urheber unserer Ideen sein, wie dies Berkely angenommen hat, der unsere Ideen aus dem unendlichen Geist herfließen läßt. Schulze-Aenesidemus scheint allerdings beide Alternativen zu Kants formalem Idealismus nicht ernsthaft vorzuschlagen: weder die prästabilierte Harmonie noch den materialen Idealismus des allursächlichen Subjekts. Seine eigentliche Empfehlung klingt „modern“, sie hat die Elimination des Subjekts überhaupt zum Inhalt: „Dem Geiste der kritischen Philosophie wäre es mithin auch weit angemessener, wenn man das Dasein eines nothwendigen synthetischen Satzes in uns aus der Beschaffenheit der iedesmal vor ihm in uns dagewesenen Urtheile und Vorstellungen ableitete, als wenn man die Ursache dieses Daseins in einem transscendentalen Gegenstand, den wir gar nicht kennen, setzte. Wir können freilich nicht recht begreifen, wie auf diese Art nothwendige synthetische Sätze in uns entstehen und daseyn können: Allein eben so unbegreiflich ist es ia auch, wie das Gemüth, von dem wir seiner objektiven Beschaffenheit nach, gar nichts verstehen, die Ursache der nothwendigen synthetischen Urteile soll sein können.“ (156f.) G. E. Schulze-Aenesidemus begnügt sich mit dem Strom des Bewusstseins als Vorstellungs- und Erkenntnisprinzip. Wenn da Dunkelheit bleibt, so will er sie hinnehmen. Schulze hätte eine ganze Reihe Kantischer Äußerungen zitieren können, die von Dunkelheit sprechen. Die KdrV belässt vieles im Dunkeln. Kant hüllt ausdrücklich den Ursprung der Anschauungsformen, den Ursprung der kategorialen Denkformen und den Ursprung ihrer Einheit in Dunkelheit. Er spricht in der KdrV mehrmals von den beiden Stämmen Anschauung und Denken, die vielleicht aus einer gemeinsamen Wurzel hervorgehen. In der Anthropologie heißt es (AA 7, 177): „Verstand und Sinnlichkeit verschwistern sich bei ihrer Ungleichartigkeit doch so von selbst zur Bewirkung unserer Erkenntniß, als wenn eine von der anderen, oder beide von einem gemeinschaftlichen Stamme ihren Ursprung hätten; welches doch nicht sein kann, wenigstens für uns unbegreiflich ist, wie das Ungleichsrtige aus einer und derselben Wurzel entsprossen
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sein könne.“ Wir haben auch die Sätze aus dem Op. postumum zur Einheit von Verstand und Sinnlichkeit im Handeln und Bilden vor Augen: „In wiefern in demselben Wesen zwey so entgegengesetzte Tendenzen zusammen bestehen können ist eine Aufgabe die zwar den Metaphysiker aber nicht den Transszendentalphilosophen in Verlegenheit setzen kann. Dieser giebt sich keinesweges dafür aus die Möglicheit der Dinge zu erklären sondern begnügt sich die Kentnisse festzusetzen aus welchen die Möglichkeit der Möglichkeit der Erfahrung begriffen wird.“11 Diese Sätze zu zitieren, heißt aber nicht, die Kant-Kritik von G. E. Schulze-Aenesidemus Schulze zu widerlegen. Man kann nicht einfach ausstellen, dass Schulze unbillige Forderungen erhebt, weil er Transzendentalphilosophie und Metaphysik nicht zu unterscheiden weiß. Denn er behauptet ja, und genau mit dieser Behauptung hat er auf die nachkantische Entwicklung eingewirkt: Vernunftkritik, Transzendentalphilosophie in Abgrenzung von Metaphysik, erkenntniskritische Ausklammerung der metaphysischen Letztprobleme, führt zu einem erkenntnistheoretischen Stückwerk, zu willkürlichen Annahmen, zu Festsetzungen, die keineswegs konkurrenzlos sind. Kant will sich durch das Krisen- und Kriegsgebiet der Philosophie durchschlängeln: mit einer empirisch-rationalen Mischtheorie. Er will es besonders geschickt anfangen, mit einer Synthese von Lockeschem Empirismus und Leibnizschem Rationalismus, mit einer Zweikomponenten-Theorie der Erkenntnis. Aber es gibt keinen Mittelweg zwischen einer rein deskriptiven Bewusstseinstheorie und der universalsystematischen Erkenntnisspekulation. Auf dem scheinbar goldenen Mittelweg kommt nur Absurdes heraus. Kant bestimmt das Eigenthümliche der objektiven Natur unserer Vorstellungen nach demjenigen, was wir davon zu denken haben, und davon denken müssen, „er erörtert das objektive Seyn aus dem subiektiven Denken.“ (151) Dies ist, so Schulzes Verdikt, abwegig. Es ist unter dem Namen der „Kritik“ ein Rückfall in das dogmatische Philosophieren, gegen welches Hume angegangen ist. Diese Art zu philosophieren, die Erörterung des objektiven Seins aus dem subjektiven Denken, mit dem Paradestück des Gottesbeweises aus dem Gottesbegriff des ens realissimum, ist für Schulze „das Fundament, auf welches sich aller Dogmatismus 11
AA 21, 76 (z.T. Sperrsatz)
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gründet, dessen man sich von ieher in der Philosophie bedient hat, um die objektive Natur des außer unseren Vorstellungen Vorhandenen und das reel Wahre zu bestimmen, und durch dessen Anwendung man alle in ihren Resultaten sich widersprechenden Systeme der theoretischen Weltweisheit begründet hat.“ (141) G. E. Schulze inkriminiert einen ungewollten Dogmatismus der Kantischen Vernunftkritik, der sich zuletzt aus ihrer Mittelmäßigkeit ergibt, aus ihrer Halbherzigkeit, aus ihrem Hang zum Lavieren und Kompromisse-Schließen. Die Kant-Kritik, die G. E. Schulze vorgebracht hat, ist nicht vernichtend, aber sie ist es nur dann nicht, wenn man den zirkulären Charakter der KdrV zugibt. Von vorneherein werden in der KdrV theoretische Alternativen ausgeschlagen, nicht einfach übergangen. Denn der Anfang mit Raum und Zeit und die Art der Analyse, der transzendentalienbegriffliche Konvertibilismus der Urteilstafel, die Art des Verständnisses und der Rechtmäßigkeit der abstrakt-formalen Logik: beides ist vom Standpunkt der transzendentalen Apperzeptionslogik und der schon errungenen Gewissheit geprägt, schließlich an den regulativen Vernunftbegriffen („Ideen“) und der transzendentalen Moraltheologie auch die harmonische Vollendung der Aufgabe zu überblicken. Ihre Perfektion wird sich denn auch die theokosmogonisch-universalsystematische Denkart angelegen sein lassen: mit der konsequent erscheinenden Transposition oder auch Integration des Struktur-Gefüges der Menschenwelt ins unendliche Ganze des Seins. * Die Reinhold-Kritik des G. E. Schulze aber ist vernichtend. So hat auch Fichte geurteilt. Er schreibt Mitte Dezember 1793 an Stephani: „Haben Sie den Aenesidemus gelesen? Er hat mich eine geraume Zeit verwirrt, Reinhold bei mir gestürzt, Kant mir verdächtig gemacht, und mein ganzes System von Grund aus umgestürzt.“ (GA III 2, 28; vgl. GA I 2, 109). (Eine Unwahrheit allerdings, wenn mit dem System die „Eignen Meditationen“ gemeint sind.) Schulze weist Reinhold eine falsche Beschreibung des Zusammenhanges von Vorstellung, Subjekt und Objekt nach. Reinhold vernachlässigt wesentliche Momente des Bewusstseins: Die Vorstellung bezieht sich auf das Subjekt als Eigenschaft desselben, auf das Objekt als Repräsentant desselben (als Zeichen). Und sie bezieht sich als Eigenschaft bzw. Repräsentant
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unmittelbar und als Ganzes auf Subjekt und Objekt. Es gibt keinen Grund, die Vorstellung in Bestandteile aufzuspalten: als beziehe sie sich mit ihrem Stoff auf das Objekt, und als habe sie ihre Form aus dem Subjekt. Die Form-Stoff-Betrachtung ist erschlichen. Außerdem könnte man auch den Stoff auf das Subjekt, die Form auf das Objekt beziehen. In einem Punkte hat allerdings G. E. Schulze-Aenesidemus Reinhold zugestimmt, im Hinblick auf die Notwendigkeit des ersten Grundsatzes. Er hat die Argumente, die Reinhold für diesen Anfang der Philosophie aufgeboten hat, verschont. So konnte sie Fichte wiederholen, ohne Einwände ausräumen zu müssen. G. E. Schulze hat mit seiner Kant-Kritik und Reinhold-Kritik im Jahre 1792 einen Zustand der Philosophie diagnostiziert, den man so kennzeichnen kann: Die Philosophie befindet sich trotz der Erscheinung Kants immer noch auf dem Problem- und Prüfstand, den Hume mit seiner Skepsis heraufgeführt hat. Schulze hat mit seiner radikalen Kant-Kritik eine Stimmung befördert, die man so wiedergeben kann: Die transzendentale Vernunftkritik ist nicht wirklich von übermächtiger Größe. Schon Mendelssohn hatte in den „Morgenstunden“ (1787) die Vernunftkritik als bloß scheinbar „alles zermalmend“ apostrophiert. Aber dem nur in Morgenstunden zum Philosophieren Aufgelegten fehlte die Kraft, die Kant-Kritik im einzelnen auszuführen. Schulze hat mit seiner differenzierten Kant-Kritik ermutigt, sich über Kant hinwegzusetzen. G. E. Schulze hat dazu motiviert, auf eine von Grund auf neue Systembildung auszugehen. Zumindest aber hat G. E. Schulze nahegelegt, die transzendentale Vernunftkritik auf eine Übergangsphase herabzustufen, sie nur als Überleitung zur Stunde der Entscheidung des Schicksals der Philosophie anzusehen. Gottlob Ernst Schulze-Aenesidemus gehört zu den Wegbereitern der nachkantischen Philosophie der Fichte, Schelling und Hegel. VII.3 Salomon Maimon Kant beantwortet fingierte Fragen der Leserschaft Maimon ist ein Philosoph vom Leibnizschen Typ des Logikers, Mathematikers und Metaphysikers. Das Hauptwerk Maimons, mit dem er den größten Einfluß ausgeübt hat, ist der „Versuch über die Transzendentalphilosophie“ von 1790. Weitere Werke
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sind zumindest erwähnungspflichtig: Über die Progressen der Philosophie..1793; Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens. Nebst angehängten Briefen des Philaletes an Aenesidemus, 1794; Streifereien im Gebiet der Philosophie, 1793) In der folgenden Hinsicht kann man Maimon mit G. E. Schulze-Aenesidemus vergleichen. Auch Maimon beweist durch die Tat, so kann es jedenfalls scheinen, dass die Philosophie noch eine Zukunft hat: dass ein Philosophieren neben Kant, nach Kant und gegen Kant möglich ist. Fichte hat in der Vorrede zu ersten Auflage der Schrift „Über den Begriff der Wissenschaftslehre“ (1794) erklärt: Die vortrefflichen Maimonschen Schriften haben mich davon überzeugt, dass die Philosophie selbst durch die neuesten Bemühungen noch nicht zum Range einer evidenten Wissenschaft erhoben worden ist. In einem Brief an Reinhold (März/April 1795) hat Fichte festgestellt, Maimon habe die ganze Kantische Philosophie umgestoßen, jedenfalls wie sie allgemein verstanden worden sei. Dies kann zweierlei heißen. Entweder: Maimon hat gezeigt, dass man Kant noch anders verstehen muss. Oder: Maimon hat dies gezeigt und darüber hinaus, wie man aus der Kantischen Philosophie ein haltbares System machen kann. Dieses Letztere dürfte Fichte meinen. Er selbst hat sich von Maimon Stichwörter für seine KantRevision geben lassen. Fichte hat bei Maimon anders als bei G. E. Schulze-Aenesidemus konkrete Fingerzeige für den Systembau erhalten. Schulze hatte nur einen allgemeinen Hinweis darauf gegeben, dass man die erkenntniskonstitutiven Prinzipien insgesamt dem Gemüt zuschreiben könnte, unter Verzicht auf das Ding an sich. Maimon hat dieser Idee in Grundzügen bereits Gestalt verliehen. Auch beim frühen Schelling deuten Spuren auf Maimon-Lektüre noch vor dem Bekanntwerden mit den ersten Schriften Fichtes. * Maimon zu verstehen und darzustellen, ist nicht einfach. Er ist von Anfang an als kryptisch und sprunghaft inkohärent empfunden worden. Die größte Schwierigkeit aber rührt daraus, dass Kant eine Zusammenfassung auf mehreren Seiten verfaßt hat, der nicht leicht gleichzukommen ist. Kant hat den „Versuch über die Tr.“ im Manuskript durchgelesen und er hat Maimon die Ehre einer ausführlichen Stellungnahme zukommen lassen (in einem Brief an M. Herz vom 26. Mai 1789). Wir können dieser
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kritischen Maimon-Darstellung nicht viel hinzufügen, abgesehen von Hinweisen auf die Maimonschen Gedanken, die Fichte und Schelling inspiriert haben. Als erstes aber muss herausgestellt werden, dass Maimon von einem fundamentalen Mißverständnis der KdrV bestimmt ist. Kant hat dieses Mißverständnis nur indirekt angesprochen. Wir haben es schon bei Reinhold und bei G. E. AenesidemusSchulze gefunden. Es ist die Unterstellung, die KdrV sei erfahrungsgläubig. Kant soll das Faktum der Erfahrung voraussetzen, er soll lediglich an der Erfahrung die Aprioritätssonde ansetzen, das Aposteriorische auf Apriorisches hin ablesen. In diesem Mißverständnis befangen stößt Maimon offene Kantische Türen ein, z.B. mit der Behauptung: Für Kant ist Kausalität ein Begriff, mit dem wir subjektiv gegebene Wahrnehmungsobjekte in ein notwendiges und damit objektiv gültiges Verhältnis bringen, in das Verhältnis der notwendigen Zeitfolge. Dies aber kann nicht gelingen. Denn die einzelnen begrenzten Wahrnehmungsobjekte besitzen und behalten eine allzu große Zufälligkeit, aufgrund ihrer undefinierbaren Stellung im Gesamtzusammenhang der Objekte. Unmöglich kann den Wahrnehmungsobjekten ein notwendiges Verhältnis nachgewiesen werden. Diesem Umstand ist damit Rechnung zu tragen, dass man den Objekten selbst überhaupt keine Notwendigkeit zubilligt, dass man die verstandesbegrifflich-kategorialen Verhältnisse als das einzige Notwendige in der Natur ansieht, und dass man die Erkennbarkeit der Objekte aus ihren notwendigen Verhältnissen hervorgehen läßt. Hierzu muss festgestellt werden: Die KdrV lehrt nichts anderes. Dass man dies bis heute verfehlt, hängt mit grundlegenden Verständnisdefiziten zusammen, v.a mit der näheren Nichtunterscheidung von Konstitution und Organisation der Erkenntnis. Das Umformen subjektiver Wahrnehmungen zu Erfahrungsurteilen durch Kategorien-Einsatz betrifft nur die Erkenntnisgenese. Es gilt nur für die fortschreitende Organisation der Erkenntnis innerhalb der schon konstituierten und schon organisierten Erfahrung. Maimon erkennt nicht, dass Kant zwischen den Gültigkeitsprinzipien und dem Herstellungsverfahren der Erkenntnis unterscheidet. Im Übrigen kann auch Maimon nicht die Kausalbetrachtung völlig von der Objektbetrachtung lösen. Was Ursache, was Wirkung ist, erkennt man an der Beschaffen-
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heit der Dinge. Das Ding, das in der Kausalbeziehung seine Beschaffenheit ändert, ist die Wirkung. ** Salomon Maimon kommt die besondere Bedeutung zu, auf dem Weg von Kant zu Fichte-Schelling-Hegel, mit eigener Kant-Kritik einen eigentümlichen Systementwurf verbunden zu Haben. Maimon hat nicht Epoche gemacht, wie Richard Kroner urteilte.12 Dies kann man von Kant sagen, aber nicht von Maimon. Maimon hat mit seiner Thematik gewirkt, in Richtung des absoluten Idealismus, in Richtung der Philosophie des Vernunft-Absoluten, aber sein Hauptmangel liegt darin, dass er keine eingängige, allgemein überzeugende Methode angeboten hat. Die Hauptanregung ist von der Idee der unendlichen, zur sinnlichen Anschauung eingeschränkten Vernunft ausgegangen. Als Zugang zu dieser Idee bietet sich eine noch andere Idee an. Auch sie hat zukunftsweisende Bedeutung, und sie führt uns unmittelbar in das Zentrum der Maimonschen Philosophie. Es ist Maimons Ausdehnung der Gültigkeit der Antinomie über das Kantische Bedeutungsfeld hinaus auf die Erkenntnis im Ganzen. Die Antinomie tut sich nach Maimon in der Metaphysik, Mathematik und Physik hervor. Denn hier überall fungiert unser Verstand einerseits als sinnlich uneingeschränkter Verstand, der reine Objekte setzt, und andererseits als sinnlich eingeschränkter Verstand: „Er kann und muss daher nach zweierlei entgegengesetzten Gesetzen seine Objekte denken.“ (227) Die These antizipiert die Hegelsche Validierung der Differenz als universelles Denkgesetz. Zur Hegelschen Ableitung der Antinomie und ihrer Allgemeingültigkeit besteht allerdings nur eine gewisse Ähnlichkeit, darin nämlich, dass auch schon Maimon auf die Begriffsverfassung zurückgeht. Hegel wird die Allgemeingültigkeit der Antinomie aus der Natur des Begriffs erklären, aus der Begriffsstruktur, und das ist für Hegel das Negativitätswesen des Begriffs: Der Begriff, die Form des Begreifens, ist determinierende Negation, Selbstsein im Anderssein und in diesem Sinne antinomisch verfaßt. Aus der Physik bringt Maimon dieses Beispiel: Wenn eine bewegte Ursache durch Bewegen eines anderen Körpers ihr 12
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Richard Kroner, Von Kant bis Hegel, Zweite Auflage, Tübingen 1961, 322, 366, 353, 355.
Verhältnis zu diesem Körper ändert, so ändert sich damit auch ihr Verhältnis zu einem noch weiteren Körper: „und so ins Unendliche: und da wir doch dadurch niemals die Bewegung als in a wirklich denken können, und dennoch uns gezwungen sehen, dieselbe (zum Behuf der Erfahrung) zu supponieren; so haben wir hier eine Antinomie, nämlich die Vernunft befiehlt uns eine absolute Bewegung anzunehmen, und doch dürfen wir es nicht, weil der Begriff der Bewegung bloß relativ gedacht werden kann.“ (230) Die Art, wie Maimon die Bewegungs-Antinomie auflöst, die Antinomie der zugleich sinnlich relativen und gedanklich absoluten Bewegung, führt auf seine spekulative Hauptidee, auf den unendlichen Verstand, zu dem sich unser Verstand als Einschränkung verhält: „Wir nehmen an (zum wenigsten als Idee) einen unendlichen Verstand, bei dem die Formen zugleich selbst Objekte des Denkens sind; oder der aus sich alle mögliche Arten von Beziehungen und Verhältnissen der Dinge (der Ideen) hervorbringt. Unser Verstand ist eben derselbe, nur auf eine eingeschränkte Art.“ (64f.) Maimon entwickelt die Idee des bei uns eingeschränkten Universalverstandes auch in der „Ich“-Terminologie. Anknüpfungspunkt ist dabei das Ding an sich-Problem. Das Ding an sich, das von außen im Ich Affektionen bewirken soll, ist für Maimon wie für G. E. Schulze eine Mystifikation, etwas Unbeweisbares. Also müssen wir den transzendentalen Idealismus annehmen, aber in der radikalen Bedeutung, dass er besagt: „dass .. diese Anschauungen bloße Modifikationen unsres I c h s sind, die durch ihn selbst so bewirkt werden, als wären sie durch von uns ganz verschiedene Gegenstände bewirkt.“ Maimon fährt fort: „Man kann sich diese Illusion auf folgende Weise vorstellen. Die Vorstellung der Objekte .. in Raum und Zeit, sind gleichsam die Bilder, die durch das transcendentale Subjekt aller Vorstellungen (das reine Ich, durch seine reine Form a priori gedacht) im Spiegel (das empirische Ich) hervorgebracht werden; sie scheinen aber, als kämen sie von etwas hinter dem Spiegel (von Objekten, die von uns selbst verschieden sind)..dieses außer uns bedeutet nur etwas, in dessen Vorstellung wir uns keine Spontaneität bewusst sind, d.h. ein (in Ansehung unseres Bewusstseyns) bloßes Leiden aber keine Thätigkeit in uns.“ (202f.) Auch Maimon hat schon bei Kant die aus einem Kantischen „als ob“-Kontext deutliche Rede vom
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Gegenstand überhaupt = X und von den Dingen“ vorgefunden, „wie sie an sich selbst sein mögen.“ Die spekulative Hauptidee und hauptwirksame Grundlehre des Salomon Maimon kann in diesen Sätzen zusammengedrängt werden: Alles nach Außervernünftigem Aussehende lässt sich auf ein eine innere Modifikation des Ichs zurückführen. Die Abwandlung der allgegenwärtigen Vernunft oder des erkenntnistotalen Ichs ist mit unbewusster, (ein)bildungskräftiger Produktion gleichzusetzen. Das reine Ich bringt im Spiegel des empirischen Ich Bilder (Selbstbildnisse) hervor. Man kann allerdings für diese Maimonsche Systemidee nicht den Titel „umgekehrter Spinozismus“ gebrauchen, den Fichte und Schelling verwenden werden. Unser Verstand partizipiert nach Maimon am göttlichen Verstand, aber nicht als Attribut oder Akzidenz einer göttlichen Substanz, sondern, wie es in dunkler Sprache heißt: als Wirkung.13 ** Das Maimonsche Vernunft-Absolute ist eine Synthese aus mancherlei Erbgut. Darin gehen ein: Spinozas All-Substanz, Kants transzendentales Selbstbewusstsein und die produktive Einbildungskraft, von Leibniz die Gradbestimmtheit des Fürsich-Seins der Monaden. Die Annahme -die Idee- des unendlichen Verstandes erweitert das erkenntniskonstitutive Kantische Subjekt in die theologische Dimension. Die Begründung aber für die gewagte Spekulation ist ihre Eignung, die Kantischen Restprobleme aufzulösen. Ein fragwürdiger Vorzug, so merken wir nur kurz an, weil das Verhältnis des unendlichen und endlichen Verstandes mit „Wirkung“ selbst ein fundamentales Restproblem aufwirft. Man kann, wenn man Maimon folgt, die Kantischen Probleme beinahe alle auf eine Systemlücke zurückführen: Kant hat, dies macht seine Größe nach Maimon aus, die Frage „quid iuris“ zur Hauptfrage erhoben. Kant hat aber die Frage „quid facti“ zu Unrecht abgewertet. Kant hat die Frage „quid facti?“ zum Nachteil seiner Theorie vernachlässigt. Kant ist der schwierigen Frage „quid facti“ ausgewichen, z. B. mit der Wahl der formalen Logik (der Urteilstafel) als Leitfaden zur Kategorientafel, zur transzendentalen Logik. Kant hat nicht die Frage gestellt: Wie ist denn die formale Logik zu ihren Kenntnissen gelangt, insbesondere zur Anerkennung der hypothetischen Form? (71) Kant 13
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Vgl. Progressen.. 1793, Verra IV, 59 f.
verteidigt gegenüber Hume den Erkenntnisstatus der Kausalität, indem er ihre erkenntniskonstitutive Funktion nachzuweisen versucht, aber Kant nimmt sein Wissen um Kausalität von der hypothetischen Denkform her. Wir müssen also zuerst fragen, „ob auch das Faktum wahr sey, dass wir sie .. bei wirklichen Gegenständen gebrauchen.“ Dies müssen wir außer Zweifel setzen. Genau dies aber ist unmöglich. Denn der Nachweis ist unmöglich, dass Kinder mit beginnender Wahrnehmung den Kausalitätsbegriff anwenden. So kann die Logik die Realität der Wenn-dann-Denkform nicht beweisen. Überhaupt müssen solche Begriffe, die sich im Gegensatz zum Widerspruchssatz z.B. auf besondere Gegenstände beziehen, „von der Logik, die von aller Materie abstrahirt, ganz wegbleiben ..“ (74) Überall bei Maimon liegen der Kant-Kritik Mißverständnisse zugrunde. Dies gilt insbesondere für die Kritik, Kant nehme die Frage „quid facti?“ nicht ernst. Er sei erfahrungsgläubig, aprioritätsgläubig, logikgläubig. In Wahrheit erschließt in der KdrV die anfängliche Raum-Zeit-Analyse die Anschauungsinstanz und auch, mit der unendlichen Einschränkbarkeit, den rezeptiven Charakter der Anschauung, und sie erschließt genau damit die Notwendigkeit a priori des hinzukommenden Denkens. Kant bedient sich der ihm vorliegenden Forschung der Logiker aus der Position der transzendentalen Reflexion. ** Maimon geht davon aus, dass Kant die Frage „quid facti?“ nicht gründlich beantwortet hat. Er selbst versucht dies, also die Klärung des ursprünglich Gegebenen, in drei Schritten zu leisten: Er unterstellt den unendlichen Verstand. Er bestreitet von daher das Ding an sich, das uns von außen Vorstellungen verschaffen soll. Und er löst den Erkenntnisgegenstand des endlichen Verstandes in Ideen auf, in „Verstandesideen“ und Eine „Vernunftidee“, d.i. die theologische Idee, eben der unendliche Verstand. Die Ideen sind bei Maimon logische Verfahren des Erkenntnisaufbaus, und zwar sind sie als Verstandesideen Konstruktionsregeln, die auch eine Konstruktion des Ich einschließen. Erkenntnis ist Gegenstandskonstruktion aus Verstandesideen und der Einen theologischen Grundidee. Erkenntnis ist konstruktive Ideenentwicklung, Gedankenklärung sub specie infinitatis. Maimon erläutert das Verfahren der Ideenentwicklung, soweit es jedenfalls die Verstandesideen angeht, als eine Variante
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der mathematischen Differential- und Integralrechnung. Das Konstruktionsmaterial der Ideenentwicklung sind die „Differentiale des Bewusstseins“, die Maimon so erklärt: Unser Verstand als eingeschränkter Verstand, d.h. als unvollständiger Verstand, braucht als Verstand seine Materien nicht in den Sinnen zu suchen. Er kann seine Wahrnehmungen als unvollkommenes Denken ansehen. Die Verstandeserkenntnis besteht darin, die mathematische Methode der Limes-Bildung auf Begriffe und nicht nur auf Zahlen anzuwenden. Erkenntnis kommt zustande, wenn wir die uns gegebenen Begriffe als eine Einheit von Bestimmtheit und infinitesimaler Bestimmbarkeit ansehen. Die uns gegebenen Vorstellungen sind Ausdruck unseres partiell unbewussten und daher verdunkelten Denkens. Wahres Denken, bewusstes und kontrolliertes Denken, vollzieht sich daher als stetiges Vermindern in infinitum der Dunkelheit des Vorstellens. Erkenntnis produzieren, heißt, nach Regeln immer feiner zu differenzieren, man möchte sagen: mit qualitativen Differentialquotienten immer genauere Begriffsunterschiede herauszufinden, die dann im Integral ein neues Denkobjekt erschließen. Die Erscheinungen sollen in ihre logischen Bestandteile aufgelöst und daraus konstruiert werden: „Das Objekt des angewendeten Denkens ist..keine Anschauung, (die gar kein Verstandesobjekt ist),..sondern das Ens reale, das ich Verstandesidee genannt habe, und welches das Element einer besondern Anschauung ist. Es ist ein Grenzbegriff zwischen dem reinen Denken und der Anschauung, wodurch beide rechtmäßig verbunden werden.“ (Versuch, 192) Maimon traktiert die Frage „quid iuris“ im Rahmen einer neuen Fragestellung. Er gibt den beiden Fragen „quid facti?“ und „quid iuris?“ einen neuen Sinn. Bei Kant, dies behauptet Maimon allerdings irrtümlicher Weise, meinte die Doppelfrage, man habe zunächst den Gebrauch der de facto-Anschauungsformen und Denkformen festzustellen und dann nach seinen Rechtsgründen zu forschen. Dies ist für Maimon ein aussichtsloses Beginnen, wir sagten es schon, wegen der unaufhebbaren Zufälligkeit des Gegebenen. Maimon gibt sich „skeptisch“ gegenüber jeder Philosophie, die vom Faktischen und vom Besonderen aus das Reine, Allgemeine und Prinzipielle erschließen will. Er ist wegen dieser Auffassung in den Ruf des „Skeptikers“ gekommen. Sein „Skeptizismus“ geht aber nicht sehr weit. In einer Schrift, mit welcher
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Maimon auf den „Aenesidemus“ reagiert hat („Briefe des Philaletes an Aenesidemus“), schreibt er, frei wiedergegeben: Wenn dies „Skeptizismus“ heißt, dass man es abwegig findet, Dinge außer uns durch bloß denkmögliche Verhältnisse bestimmen zu wollen, dann liefert meine Philosophie für den Skeptizismus, die Dogmatismus-Kritik, die Begründung (Verra V, 433f.) In der Schrift „Die Kathegorien des Aristoteles“, 1794, erläutert Maimon seinen Skeptizismus so: Meine skeptische Art zu philosophieren ist diese. Da ich den Gebrauch synthetischer Erkenntniß so wenig in der Logik..als in der Erfahrungswissenschaft (deren synthetische Erkenntnis im Zweifel gezogen werden kann) finde, so suche ich denselben anderwärts auf, und zum Glück finde ich ihn in der Mathematik..Hier finde ich.., dass die synthetischen Grundbegriffe und Grundsätze nicht Bedingungen der Möglichkeit eines, durch empirische Merkmale bestimmten, Objekts der Erfahrung, sondern Bedingungen der Möglichkeit eines durch Merkmale a priori bestimmten reellen Objekts überhaupt sind..ich suche daher diese Begriffe und Sätze von den (durch ihre vermeintliche Bestimmung zum Erfahrungsgebrauche) ihnen angehängten überflüssigen Bestimmungen zu reinigen, und in einem vollständigen System darzustellen. Alles hat seine Ursache, heißt bei mir: ein jedes reelle Objekt muss einen Grund haben, oder eine jede gerechte Verbindung eines Naturmannnigfaltigen in einer Einheit des Bewusstseins muss einen Grund haben, wenn sie nicht bloß gedacht, sondern zugleich erkannt werden soll..“ (Verra VI 146) Zur Einheit des Bewusstseins, die nicht sofort die Einheit eines einzigen Bewusstseins ist, vgl. „Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens“, 1794, (Verra V, 107). *** Auf dem Weg des Philosophierens von Kant zu Fichte, Schelling und Hegel scheitert Reinhold mit dem Versuch, die Kantische Prinzipientheorie ausgehend von einem obersten Grundsatz zum System zu gestalten. G. E. Aenesidemus-Schulze übt eine vernichtende Reinhold-Kritik, und er rüttelt an den Fundamenten der Kantischen Philosophie. Eigentlich aber „nur“ mit einer Kritik von außen. Aenesidemus behauptet, es gebe für das „Ding an sich“ und für das „Gemüt“ theoretische Alternativen. Aber es gibt sie nicht im System der KdrV, nachdem mit der Raum-ZeitAnalyse und ihrem latenten theoretischen Rückhalt begonnen wurde.
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Wir müssen feststellen, dass auch Maimons Kant-Kritik auf schwachen Füßen steht. Aber Maimon hat seine Kant-Kritik (in der Abhandlung „Über die Progressen der Philosophie..“, in: Streifereien im Gebiet der Philosophie, 1793) gelegentlich auch so formuliert, dass deutlich wird: Seine Kant-Kritik und sein System sind nicht davon abhängig, dass er Kant für erfahrungsgläubig und logikgläubig hält. Er hätte Kant mit seinem neuen System auch zu übertreffen versucht, wenn er nicht diesem Mißverständnis erlegen wäre. Maimons Kant-Kritik richtet sich im Grunde gegen die Unvermitteltheit des Transzendentalen und des Besonderen bei Kant: „Die Philosophie ..hat noch keine Brücke aufbauen können, wodurch der Übergang vom Transcendentalen zum Besondern möglich gemacht würde. Bleibt man beim Transcendentalen stehen, so hat man freilich einen festen Posten; man kann aber hier bloß verteidigungsweise agieren.. . Verläßt man diesen hohen Posten hingegen, so kann man bloß durch die leichten Truppen, Indukzion, Analogie, Wahrscheinlichkeit u.d.g. einige Streifereien im Gebiete der Wahrheit machen; aber gewiß keine sicheren Eroberungen.“ (Verra IV, 38) Kant selbst hat dem Problem des Übergangs vom Transzendentalen zum Besonderen alle Anstrengungen seiner letzten Lebensjahre gewidmet, gewiß auch durch Maimon veranlaßt, der im op. post. genannt wird. Und zwar ist Kants Hauptfehler für Maimon eine spezielle Unüberbrücktheit, die Dichotomie von Anschauung und Denken. Maimon selbst gleicht die Anschauung, das Empfindungsvermögen, dem Denken an: „ich ..halte dafür, dass auch das, was zur Empfindung gehört, wenn es wahrgenommen werden soll, im Verhältnisse geordnet, (obschon ich dieses Verhältnis nicht unmittelbar wahrnehmen kann) seyn muss, und dass Zeit und Raum, die Formen dieses Verhältnisses, in so fern ich dieselben wahrnehmen kann, ist, und verstehe unter Materie kein Objekt sondern bloß die Ideen, worin zuletzt die Wahrnehmung aufgelöst werden muss.“(Versuch, 205) Darin besteht nach Maimon Erkenntnis, dass Wahrnehmungen auf Verstandesideen zurückgeführt werden: dass man die Wahrnehmungsobjekte bzw. ihre Begriffe in stetiger Differenzierung in Gedankenelemente auflöst und daraus kombinatorisch wiederherstellt. So ist für Maimon auch Metaphysik als Wissenschaft möglich:
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„durch Reduktion der Anschauungen auf ihre Elemente sind wir im Stande, neue Verhältnisse unter ihnen zu bestimmen, um dadurch die Metaphysik als Wissenschaft zu behandeln. So wie wir durch Reduktion der Größen auf ihre Differenziale und diese wieder auf ihre Integrale im Stande sind, neue Verhältnisse unter diesen (den Größen selbst) zu entdecken.“ (196) Die Maimonsche Erkenntnis-Methode besteht darin, das logisch Bestimmbare aus seiner Entstehungsart, aus seiner verborgenen logischen Genesis, zur Bestimmtheit zu bringen. Maimon hat es für möglich gehalten, diese Methode selbst auf die Empfindung anzuwenden. Aber eine Deduktion der Empfindung haben erst Fichte und Schelling versucht. Fichte wird wenige Jahre später in den Spuren Maimons im „Versuch einer neuen Darstellung der WL“ schreiben: „Form und Stoff sind nicht besondere Stücke; die ganze Formheit ist der Stoff, und erst in der Analyse bekommen wir einzelne Formen..Solange man nicht das ganze Ding vor den Augen des Denkers entstehen läßt, ist der Dogmatismus nicht bis in seinen letzten Schlupfwinkel verfolgt.“ (7.A.) Man meint, wenn man nur mit einem Ohr hinhört, Maimon zu hören. Maimons epistemische Methode ist die Methode der logischen Rekonstruktion der uns verfügbaren Begriffe. Maimon hat diese Methode auch auf das Ich angewandt, allerdings mit einer bemerkenswerten Einschränkung. Und dies bedeutet, dass nicht zuletzt durch Maimons Zutun das Ich zum spekulativen Hauptprinzip bei Fichte und Schelling avançiert ist. Für Maimon ist das selbstbewusste, ichhafte Denken Schema des unendlichen Verstandes. Unser Verstand ist ihm eine anschauliche Erscheinung des göttlichen Verstandes. Und zwar erfolgt seine Selbstanschauung a priori. Sie ist a priori, weil das verständige Selbstbewusstsein die Zeit durchdauert, indem es alle Vorstellungen in einer Zeitreihe begleitet. Es stört Maimon überhaupt nicht, dass Kant die Erkennbarkeit des Ich an sich negiert hat. Dies bekümmert Maimon nicht, denn er ist ja an den gegebenen Begriffen orientiert. Der Begriff eines Dinges ist für ihn mit dem Ding einerlei, wenn auch der Begriffs- oder Gedankenkern durch Limesbildung in der Regel freigelegt werden muss. Dies aber, dass man Bestimmbarkeit und Bestimmtheit zu unterscheiden hat: dass man von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit fortschreiten muss, gilt nicht für das reine Ich, denn es enthält nichts Mannigfaltiges. Es ist mit seinem .
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Begriff unmittelbar einerlei. (210) Beim Ich sind Vorstellung und Sein aufgrund der Reinheit von Mannigfaltigkeit identisch: Sätze, die bei Fichte große Wirkung erzielt haben. Maimon geht in seiner Theorie des Ich konsequenter Weise vom Ich überhaupt, vom „reinen Ich“ aus. Da es nicht in sich mannigfaltig ist, kann es auch nicht konstruiert werden. Es bedarf zu seiner Erkennbarkeit keiner logischen Differential- und Integralkonstruktion. Das reine Ich ist über die Methode der logischen Rekonstruktion erhaben, das Gesetz des Zusammennehmens von Bestimmbarkeit und Bestimmung ausgenommen. Die Methode gilt aber für das konkrete Ich. Das wirkliche jemeinige Ich ist bestimmbar. Es muss aus der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit gebracht werden, wie sich allerdings versteht, nach Art des Ich. D.h.: Die dem konkreten Ich angemessene Bestimmung, die seiner ursprünglichen Einfachheit entsprechende Bestimmung, muss darin bestehen, dass man es mehr und mehr zu möglichst allgemeiner Bestimmheit bringt. Die Allgemeinheit kommt der Einfachheit am nächsten. Ich habe gleichsam über mich die Eine Wahrheit herauszufinden, Man möchte sagen, ich habe für mich eine Charakterformel zu finden: „je allgemeiner die Modifikationen unsres I c h s werden, desto mehr werden wir Substanz (Subjekt unserer Vorstellungen), und desto einfacher werden wir dadurch..und je länger die Reihe der auf diese Art verknüpften Vorstellungen wird, um desto mehr werden wir zu verschiedenen Zeiten mit uns selbst einerlei, das heißt: einen desto höheren Grad Persönlichkeit bekommen wir dadurch, und so ist es auch mit allen in der Psychologie abgehandelten Eigenschaften unsres I c h s oder S e e l e.“ (Versuch, 165f.) * Zuletzt sei noch angedeutet, wie Kant über Maimon geurteilt hat (im Brief an Marcus Herz vom 26.Mai 1789; AA11,48-55). Kant gibt einerseits eine philosophiegeschichtliche Positionsbestimmung. In philosophiegeschichtlicher Hinsicht ist der Maimonsche Entwurf für Kant die konsequente Fortführung der Leibnizschen Monadenlehre. Nach Leibniz nämlich ist der vernünftigen Monade als vorstellungskräftigem Wesen ein Körper zugeordnet. Diese Konzeption aber ist, wie Kant mit Mendelssohn annimt, eine Adaptation der Spinozistischen Substanz, die Denken und körperliche Ausdehnung zu Attributen hat. Spinozas Deus sive Natura umfaßt zwei paralle Reihen von Ideen und Körpern. Leibniz hat die Eine Substanz Spinozas vorstellungstheore-
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tisch transformiert. Aber dabei ist er inkonsequent geblieben, indem er eine Monaden-Welt annahm. Maimon, so denkt Kant, verfährt nun konsequent. Er konzipiert die Eine sich zum endlichen Verstand sich einschränkende Vernunft. Maimon ist der Vollender der Leibnizschen Philosophie aus ihrem ursprünglichen Geiste des Spinozismus. Kant hat Maimon für einen idealistisch umgedrehten Spinozisten gehalten. Kant aber ist einer Fehleinschätzung erlegen, aufgrund seiner bloßen Kenntnis des „Versuchs über die Transzendentalphilosophie“. Aus anderen Schriften Maimons ist zu ersehen, dass er kein Spinozist, kein Pantheist ist. Der endliche Verstand ist für ihn dem unendlichen Verstand nicht immanent; er ist, was dies immer heißen mag, „Wirkung“ des unendlichen Verstandes (nach den „Progressen..“). Maimon ist noch kein idealistisch gewendeter Spinoza. Der sachliche Haupteinwand Kants gegen Maimon lautet: Maimon will die Zusammenstimmung der Anschauungen a priori zu den Begriffen a priori, die Übereinstimmung zweier so heterogenen Vorstellungsarten, erklären, indem er die Anschauung dem Denken angleicht, indem er sie im Grunde auf Denken oder auf intellektuelle Anschauung zurückführt. Aber so geht die „Notwendigkeit“ unserer Erkenntnis verloren: „Denn es würde immer nur bloße Wahrnehmung seyn, dass z.B. in einem Triangel zwey Seiten zusammengenommen größer seyn als die dritte, nicht dass diese Eigenschaft ihm notwendig zukommen müsse.“ Der Begriff der Notwendigkeit aber gehört zu unserem Verstand, darüber kann man sich nicht hinwegsetzen. Dann folgt wieder die Beschwörung unserer Endlichkeit: „Wie aber eine solche sinnliche Anschauung (als Raum und Zeit) Form unserer Sinnlichkeit oder solche Functionen des Verstandes, als deren die Logik aus ihm entwickelt, selbst möglich sey, oder wie es zugehe, dass eine Form mit der Andern zu einem möglichen Erkenntnis zusammenstimme, das ist uns schlechterdings unmöglich weiter zu erklären..wir können..allen Verstand nur durch unseren Verstand und so auch alle Anschauung nur durch die unsrige beurtheilen. Aber diese Frage zu beantworten ist auch gar nicht nötig.“ Es ist, als fasse Kant hier eine Ahnung, dass sich die nachkommende Philosophie in die Richtung des absoluten Idealismus bewegen wird; dass Homogeneitätsthesen die Einsicht in die
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Heterogenität der Standpunkte und Prinzipien (AnschauenDenken, Erkennen-Handeln, Natur-Freiheit, Wissen-Glauben) ablösen werden: mit Rekurs auf das Ich, auf den Identitätsbegriff, die intellektuelle Anschauung, das Unbewusste. Es wäre auch verwunderlich, wenn Kant nicht schon beim Niederschreiben der „KrdrV“ die Verführungsmacht des Werkes für eine idealistischontologische (theokosmogonische oder pantheistische) „Hypostase“ (aus seiner Sicht gesprochen) erahnt hätte. Gewiss findet man bei der Erläuterung des transzendentalen Ideals, der regulativen Hauptidee, eines pricipium vagum (B 708) genügend Hinweise auf die drohende Hypostasierung in Gestalt einer bis zur Theoriegrenze vorgewagten Wortwahl („Hpostasierung“, „Illusion“; unvermeidliche „transzendentale Supreption“, das ohne Existenz vorauszusetzen „höchste Wesen“, die „oberste Intelligenz“ mit „weisesten Absichten der Weltordnung“ als „transzendentaler Grund“ der „Welteinheit“, „göttliche“ Anweisung und insgesamt Schulung (B 635) in a priori vernunftgerechter Regulation der erkenntnislogischen Einrichtung der Erfahrungswelt. *** Es dürfte einer vorsichtigen Heranführung hilfreich sein, einen genau dieser Situation nahe kommenden, Dialogizität fingierenden Text (KdrV B 722-730), eine Version der Sokratischen Methode, in entsprechender Weise herzustellen. Daher die erste fingierte Frage an Kant aus der Leserschaft: Deutet unsere Erfahrungwelt mit Grundzügen auf einen solchen Ursprung? Kants Antwort: „ohne Zweifel. Denn die Welt ist eine Summe von Erscheinungen, es muss also irgend ein transzendentaler, d.i. bloß dem reinen Verstande denkbarer Grund derselben sein.“ Zweite Frage aus der Leserschaft: Existiert dieses Wesen als Substanz, mit uneingeschränkter Realität und mit Notwendigkeit? Die Antwort lautet: „dass diese Frage gar keine Bedeutung habe. Denn alle Kategorien, durch welche ich mir einen Begriff von einem solchen Gegenstande zu machen versuche, sind von keinem anderen als empirischen Gebrauche, und haben gar keinen Sinn, wenn sie nicht auf Objekte möglicher Erfahrung, d.i. auf die Sinnenwelt angewandt werden. Außer diesem Felde sind sie bloß Titel zu Begriffen, die man einräumen, dadurch man aber auch nichts verstehen kann.“
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Dritte Frage: Dürfen wir denn wenigstens dieses die Welt erhaltende Wesen analog zu den Erfahrungsobjekten denken? Kant antwortet: „allerdings, aber nur als Gegenstand in der Idee und nicht in der Realität, nämlich nur, so fern er ein uns unbekanntes Substratum der systematischen Einheit, Ordnung und Zweckmäßigkeit der Welteinrichtung ist, welche sich die Vernunft zum regulativen Prinzip ihrer Naturforschung machen muss. Noch mehr, wir können in dieser Idee gewisse Anthropomorphismen, die dem gedachten regulativen Prinzip beförderlich sind, ungescheut und ungetadelt erlauben. Denn es ist immer nur eine Idee, die gar nicht direkt auf ein von der Welt unterschiedenes Wesen, sondern auf das regulative Prinzip der systematischen Einheit der Welt, aber nur vermittelst eines Schema derselben, nämlich einer obersten Intelligenz, die nach weisen Absichten Urheber derselben sei, bezogen wird. Was dieser Ungrund der Welteinheit an sich selbst sei, hat dadurch nicht gedacht werden sollen, sondern wie wir ihn, oder vielmehr seine Idee, relativ auf den systematischen Gebrauch der Vernunft in Ansehung der Dinge der Welt, brauchen sollen.“ Vierte Frage: Wenn es nur um die Idee und ihren regulativen Gebrauch geht, dann könnn wir doch einen einigen weisen und allgewaltigen Welturheber annehmen? Kants Antwort: „O h n e a l l e n Z w e i f e l ; und nicht allein dies, sondern wir m ü s s e n einen solchen voraussetzen.“ Fünfte Frage: Überschreiten wir denn dann nicht mit vermeintlichen Einsichten das einzig fruchtbare „Bathos der Erfahrung“? Kants Antwort: „K e i n e s w e g s. Denn wir haben nur ein Etwas vorausgesetzt, wovon wir gar keinen Begriff haben, was es an sich selbst sei (einen bloß transzendentalen Gegenstand), aber, in Beziehung auf die systematische und zweckmäßige Ordnung des Weltbaues, welche wir, wenn wir die Natur studieren, voraussetzen müssen, haben wir jenes uns unbekannte Wesen nur n a c h d e r A n a l o g i e mit einer Intelligenz (ein empirischer Begriff) gedacht, d.i. es in Ansehung der Zwecke und der Vollkommenheit, die sich auf demselben gründen, gerade mit denen Eigenschaften begabt, die nach den Bedingungen unserer Vernunft den Grund einer solchen systematischen Einheit enthalten können.
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Es ist aber, unter dieser Vorstellung, der zum Grunde gelegten Idee eines höchsten Urhebers, auch klar: dass ich nicht das Dasein und die Kenntnis eines solchen Wesens, sondern nur die Idee desselben zum Grunde lege, und also eigentlich nichts von diesem Wesen, sondern bloß von der Idee desselben, d.i. von der Natur der Dinge der Welt, nach einer solchen Idee, ableite. Diese Idee ist also res p ek t iv au f d en We lt g eb rau c h unserer Vernunft ganz gegründet. Wollten wir ihr aber schlechthin objektive Gültigkeit erteilen, so würden wir vergessen, dass es lediglich ein Wesen in der Idee sei, das wir denken, und, indem wir alsdenn von einem durch die Weltbetrachtung gar nicht bestimmbaren Grunde anfingen, würden wir dadurch außer Stand gesetzt, dieses Prinzip dem empirischen Vernunftgebrauch angemessen anzuwenden.“ Sechste Frage: Aber kommt es nicht vor, dass die Idee des höchsten Vernunftwesens als transzendentaltheologischer Grundbegriff uns in der empirischen Welterkenntnis weiterhilft? Die Antwort: „dazu war auch eigentlich diese Idee von der Vernunft zum Grunde gelegt.“ Siebte Frage: Allein darf ich nun z w e c k ä h n l i c h e Anordnungen als Absichten ansehen, indem ich sie vom göttlichen Willen, obzwar vermittelst besonderer dazu in der Welt darauf gestellten Anlagen, ableite? Die Antwort (bereitwillig): „Ja, das könnt ihr auch tun, aber so, dass es euch gleich viel gelten muss, ob jemand sage, die göttliche Weisheit hat alles so zu seinen obersten Zwecken geordnet, oder die Idee der höchsten Weisheit ist ein Regulativ in der Nachforschung der Natur und ein Prinzip der systematischen und zweckmäßigen Einheit derselben nach allgemeinen Naturgesetzen, auch selbst da, wo wir jene nicht gewahr werden, d.i. es muss euch da, wo ihr sie wahrnehmt, völlig einerlei sein, zu sagen: Gott hat es weislich so gewollt, oder die Natur hat es also weislich geordnet. Denn die größte systematische und zweckmäßige Einheit, welche eure Vernunft aller Naturforschung als regulatives Prinzip zum Grunde zu legen verlangte, war eben das, was euch berechtigte, die Idee einer höchsten Intelligenz als ein Schema des regulativen Prinzips zum Grunde zu legen, und, so viel ihr nun, nach demselben, Zweckmäßigkeit in der Welt antrefft, so viel habt ihr Bestätigung der Rechtmäßigkeit eurer Idee; da aber gedachtes Prinzip nichts andres zur Absicht hatte, als notwendige und
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größtmögliche Natureinheit zu suchen, so werden wir diese zwar, so weit als wir sie erreichen, der Idee eines höchsten Wesens zu danken haben, können aber die allgemeinen Gesetze der Natur, als in Absicht auf welche die Idee nur zum Grunde gelegt wurde, ohne mit uns selbst in Widerspruch zu geraten, nicht vorbei gehen, um diese Zweckmäßigkeit der Natur als zufällig und hyperphysisch ihrem Ursprunge nach anzusehen, weil wir nicht berechtigt waren, ein Wesen über die Natur von den gedachten Eigenschaften anzunehmen, sondern nur die Idee desselben zum Grunde zu legen, um nach der Analogie einer Kausalbestimmung der Erscheinungen als systematisch unter einander verknüpft anzusehen. Eben daher sind wir auch berechtigt, die Weltursache in der Idee nicht allein nach einem subtileren Anthropomorphism (ohne welchen sich gar nichts von ihm denken lassen würde), nämlich als ein Wesen, das Verstand, Wohlgefallen und Mißfallen, imgleichen eine demselben gemäße Begierde und Willen hat usw, zu denken, sondern demselben unendliche Vollkommenheit beizulegen, die also diejenige weit übersteigt, dazu wir durch empirische Kenntnis der Weltordnung berechtigt sein können. Denn das regulative Gesetz der systematischen Einheit will, dass wir die Natur so studieren sollen, als o b allenthalben ins Unendliche systematische und zweckmäßige Einheit, bei der größtmöglichen Mannigfaltigkeit, angetroffen würde. Denn, wiewohl wir nur wenig von dieser Weltvollkommenheit ausspähen, oder erreichen werden, so gehört es doch zur Gesetzgebung unserer Vernunft, sie allerwärts zu suchen und zu vermuten, und es muss uns jederzeit vorteilhaft sein, niemals aber kann es nachteilig werden, nach diesem Prinzip die Naturbetrachtung anzustellen. Es ist aber, unter dieser Vorstellung, der zum Grunde gelegten Idee eines höchsten Urhebers, auch klar: dass ich nicht das Dasein und die Kenntnis eines solchen Wesens, sondern nur die Idee desselben zum Grunde lege, und also eigentlich nichts von diesem Wesen, sondern bloß von der Idee desselben, d.i. von der Natur der Dinge der Welt, nach einer solchen Idee, ableite. Auch scheint ein gewisses, obzwar unentwickeltes Bewusstsein, des echten Gebrauchs dieses unseren Vernunftbegriffs, die bescheidene und billige Sprache der Philosophen aller Zeiten veranlaßt zu haben, da sie von der Weisheit und Vorsorge der Natur, und der göttlichen Weisheit, als gleichbedeutenden Ausdrücken reden, ja den ersteren Ausdruck, so lange es um bloß spekulative
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Vernunft zu tun ist, vorziehen, weil er die Anmaßung einer größeren Behauptung, als die ist, wozu wir befugt sind, zurück hält, und zugleich die Vernunft auf ihr eigentümliches Feld, die Natur, zurück weist. So enthält die reine Vernunft, die uns anfangs nichts Geringeres, als Erweiterung der Kenntnisse über alle Grenzen der Erfahrung, zu versprechen schiene, wenn wir sie recht verstehen, nichts als regulative Prinzipien, die zwar größere Einheit gebieten, als der empirische Verstandesgebrauch erreichen kann, aber eben dadurch, dass sie das Ziel der Annäherung desselben so weit hinaus rücken, die Zusammenstimmung desselben mit sich selbst durch systematische Einheit zum höchsten Grade bringen, wenn man sie aber mißversteht, und sie für konstitutive Prinzipien transzendenter Erkenntnisse hält, durch einen zwar glänzenden, aber trüglichen Schein, Überredung und eingebildetes Wissen, hiemit aber ewige Widersprüche und Streitigkeiten hervorbringen.“ VII.4 Friedrich Heinrich Jacobi Die einflußreichsten Werke sind die Spinoza-Briefe an Mendelssohn („Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn“ (1785, 1789) und „David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus.“ (1787). Der bekannteste Ausspruch Jacobis ist in der kurzen Abhandlung „Über den Transzendentalen Idealismus“ (Beilage zu „David Hume über den Glauben“) zu finden: Er habe verschiedene Jahre hintereinander die KdrV immer wieder von vorne angefangen, weil er ohne die Voraussetzung des Dinges an sich nicht in das System hineinkam und mit dieser Voraussetzung nicht darin bleiben konnte. Denn im System werde ja das Ding in Empfindungen und subjektive Formgebung aufgelöst, so dass von einem äußeren An-sich-Sein nichts bleibe. In die KdrV aber führt nicht die Voraussetzung von Dingen an sich, die in uns Empfindungen erregen. Die Raum-Zeit-Analyse macht den theoretischen Anfang und sie ermittelt an der unendlichen Einschränkbarkeit des immerfort gleichen Nacheinander und Nebeneinander die Rezeptivität, die sinnliche Affizierbarkeit als Erkenntnisquelle. Die eintönige Unendlichkeit des Raumes und der Zeit kann nicht aus der diskursiv bestimmenden Denktätigkeit, wie wir sie vom kategorialen Subjekt her kennen, hervorgehen. Die räumlich-zeitliche Einschränkbarkeit ist
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gleichbedeutend mit dem möglichen Materialisiertwerden der Erkenntnis. Der Gedanke der materialen raumzeitlichen Gegebenheit drängt sich uns vom sinnlichen Objekt her auf, und darum sprechen wir vom Ding an sich. Man benötigt nicht das „Ding an sich“, um theoretisch in die KdrV hineinzukommen, sondern nur die Bekanntschaft mit Raum und Zeit. Die Analyse von Raum und Zeit führt auf den Sachverhalt der unendlichen Einschränkbarkeit, der materialisierten Erkenntnis und damit zugleich mit dem Erscheinungsbegriff auf das Ding an sich. Ganz und gar nicht wird man durch die KdrV gezwungen, ihr Reflexionsergebnis des Dinges an sich zu verabschieden. * Zu den „Briefen über Spinoza“ sind in der Auflage von 1789 mehrere „Beilagen“ gekommen, darunter eine Vergleichung SpinozaLeibniz (Beilage VI) und eine „Natürliche Geschichte der spekulativen Philosophie“ (Beilage VII). Über Jacobi wurde schon einiges mitgeteilt. Er hat dem Zeitalter die Philosophie Spinozas nahegebracht, mit seinen „Briefen über Spinoza an Mendelssohn“. In der Folge haben Fichte, Schelling und Hegel je eigene Versuche unternommen, den Kantischen Idealismus und Spinozas Alleinheits-Metaphysik zu vermitteln. Jacobi hat in den Spinoza-Briefen (1785, 1789) mit Mendelssohn den sog. „Pantheismusstreit“ oder „Atheismusstreit“ ausgetragen. Die Kontroverse wurde ausgelöst durch die Behauptung Jacobis, Lessing habe sich in Gesprächen als Spinozist zu erkennen gegeben, als Pantheist nämlich im Sinne des alleinheitsmetaphysischen „Hen kai Pan“. Mendelssohn hielt diese Eröffnung für unglaubwürdig, und so entspann sich eine Diskussion um Spinoza und Spinozismus, Pantheismus und Atheismus, die Jacobi in den Spinoza-Briefen dokumentiert und mit neuen Abhandlungen ergänzt hat. Der Spinoza-Streit hat Spinoza für die nachkantische Philosophie zur zweiten Hauptquelle neben Kant werden lassen. Bis dahin wurde von Spinoza wie von einem toten Hund geredet, nach dem bis heute viel zitierten Ausspruch von Lessing. Jacobis „philosophische“ Position, seine Stellung zur Philosophie, ist der „salto mortale“, das „Kopf unten“, d.h. die Devise, den Kopf nicht hoch zu tragen. (Hegel wird der Formel „auf dem Kopfe gehen“, „lernen, auf dem Kopfe zu gehen“, genau den
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entgegengesetzten Wertakzent geben. Er wird auffordern, die Idee über alles zu erheben). Für Jacobi hat das theoretische Erklären, das dem Kopfe entspringende Sondieren, zum letzten Zweck nicht sich selbst, sondern die Verteidigung des rational Unauflöslichen, Unmittelbaren, Einfachen. Die Funktion der Reflexion soll darauf gehen, „Dasein zu enthüllen“. Das Wissen soll sich in „Gewissheit“, „Glauben“ und „Offenbarung“ fundieren. Das Wissen soll nur der Selbstverständigung des Glaubens dienen. Dies sind die Leitbegriffe Jacobis, die besonders bei Fichte und Schelling nachgewirkt haben: das Unmittelbare, der Glaube und die Offenbarung. Jacobis Standpunkt der Unmittelbarkeit, des Glaubens und der Offenbarung impliziert eine Absage an die Aufklärung. Mendelssohn, der philosophische Weise der Aufklärung, hat dieser glaubensbetonten Aufklärungskritik seine Maxime entgegengestellt, nicht zu glauben, sondern sich zu überzeugen. Im SpinozaStreit (Pantheismus-Streit, Atheismus-Streit) geht es zuletzt um das Verhältnis von Glauben und Wissen. Jacobische Bekenntnissätze lauten: Wie können wir nach Gewißheit streben, wenn uns Gewißheit nicht zum voraus schon bekannt ist? Die Überzeugung aus Vernunftgründen setzt den Glauben voraus, sie empfängt ihre Kraft aus dem Glauben. Wir haben Offenbarungen der Natur, wir haben sie an „unserem“ Körper, an dem uns unbegreiflicherweise eigenen Leib, und wir haben sie an der Kenntnis des Du. Dieses rational Unfaßliche zwingt uns, zu glauben und im Glauben ewige Wahrheiten anzunehmen. Wir verhalten uns auch gläubig zu den uns gegebenen Vorstellungen: „denn die Vernunft, wenn sie Gegenstände gebärt, so sind es Hirngespinste.“ (Kant hatte in der KdrV A 765 über Hume bemerkt, er habe die „Selbstgebärung unseres Verstandes“ für Einbildung gehalten). Wir sind auf keine Weise a priori existent. Wir finden uns auf diese Erde gesetzt; und wie da unsere Handlungen werden, so wird auch unsere Erkenntnis; wie unsere moralische Beschaffenheit gerät, so auch unsere Einsicht in alle Dinge, welche sich darauf beziehen. Wie die Gegenstände, so die Vorstellungen; wie die Neigungen und Leidenschaften, so die Handlungen; wie die Handlungen, so die Grundsätze und die ganze Erkenntnis. (169, 185f.) Alles sogenannte „Wissen“ erschöpft sich in der Bildung identischer Sätze. Das Wissen ist nichts als ein Zergliedern und Wiederherstellen des gegebenen Zusammenhanges der Vorstel-
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lungen. Daher kann lebendige Philosophie nur Geschichte sein. Reines, eigenursprüngliches, selbststolzes Wissen, wie es Spinoza anstrebte, führt zu Atheismus und Fatalismus. Und es endet in innerer Ungereimtheit. Abstrakte, ungeschichtliche Philosophie nämlich will etwas Widersinniges. Sie will Gedanken, die sich mechanisch und syllogistisch verketten, bloß miteinander vermitteln, im System, als System. Für den Widersinn „systematischer“ „Vermittlung“ ist Spinozas Eine Substanz, Deus sive Natura, ein lehrreiches Beispiel. Die all-eine Substanz soll den Cartesischen Dualismus von res extensa und res cogitans überwinden. Sie soll das Denken und die Ausdehnung zu Attributen haben. Das Denken soll sich in Ideen ausdrücken, auch in Ideen von Ideen. Die Ausdehnung soll sich in Dingen entfalten, die jeweils Ideen zugeordnet sind. Und die Ideen wie auch die Dinge sollen zwei parallele Reihen bilden, welche die Eine Substanz in sich befaßt. Der Widersinn entspringt daraus, dass Spinoza die beiden Reihen der alternierenden Ideen und Dinge als Zeitreihen versteht, die Substanz aber als die Ewigkeit des Deus sive natura. Denn dies besagt: Die Dinge, die Ideen, sollen anfangen, kommen und gehen, und sollen genauso niemals angefangen haben, weil sie ja zur all-einen Substanz gehören. Spinoza musste, um das hen kai pan wirklichkeitsbezogen denken zu können, „Grund“ und „Ursache“ verwirren, logische Betrachtung und Realbetrachtung vermischen. - Man kann nach Jacobi das monströse Unendlich-Endliche Spinozas nicht besser als in dem Bild veranschaulichen, das Lessing gebraucht hat, um den Schöpfungsgedanken bei Leibniz zu bezeichnen: Spinozas Deus sive Natura ist eine Art Einheit von Expansion und Kontraktion, „ein gehaltenes Verbreiten, und gleichsam Athmen der Natur. Es ist der wahrhafte Gott des Spinoza, der aus Unendlichem Unendliches unaufhörlich hervorbringt.“ (71, Anm.=142ff.) Für Jacobi aber kann die reine Spekulation den Widersinn, die innere Antinomik, gar nicht vermeiden. Wer Spekulation versucht, rationale Erkenntnis der letzten Dinge anstrebt, denkt zwangsläufig das Übernatürliche nach Art des Natürlichen. Es ist der Fluch der Spekulation, den Vermittlungsmechanismus zu seiner eigenen Erklärung zu benutzen. Der Vermittlungsmechanismus selbst ist nichts Anstößiges und Verwerfliches. Unsere physische Erhaltung verlangt, die Natur als Vermittlungszusammenhang anzusehen und auszulegen. Wir können nur das beherrschen, war wir zu konstruieren
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wissen. Und was wir nicht konstruieren können, ist für uns unbegreiflich. Die spekulative Philosophie aber geht, dem Vermittlungsmechanismus verfallen, auf den Widersinn aus, Bedingungen des Unbedingten zu entdecken. Sie will für das absolut Notwendige eine Möglichkeit erfinden. Sie will es konstruieren, um es zu begreifen. Wir können Jacobis These an einem Beispiel erläutern. Fichtes mittlere Philosophie, die Wl von 1804, wird das Dilemma der bloß konstruktiven Analyse zu vermeiden versuchen, indem sie das absolute Wissen als „Selbstkonstruktion“ versteht. Aber das Dilemma wird sich als unüberwindlich erweisen. Fichte wird aus der Selbstkonstruktion die Notwendigkeit der spekulativen Nachkonstruktion nicht ableiten können. Er wird das faktische Ich und Wir der „Transzendentalphilosophen“ spekulativ nicht als notwendig ausweisen können. Und daher wird er in der Spätphilosophie für das Ich und Wir neue Deduktionen versuchen. Jacobis Botschaft besagt: Nur ein salto mortale erhebt über die reine Spekulation und über ihre Konsequenzen. Und die Konsequenzen sind: Fatalismus und Atheismus. Der äußerste Widersinn aber ist der Versuch, das Dasein Gottes demonstrieren zu wollen. Zur Wahrheit führt nur das Anknüpfen bei dem, was in uns selbst dem vermittelnden Denken unzugänglich ist, was in uns selbst Analogon des Übersinnlichen ist. Und dies ist die innere Entschließung, die Selbstbestimmung, und auch schon das Nicht-Mechanische der lebendig-lebhaften Vorstellung. Die ganze Frage, ob die Natur angefangen hat oder von Ewigkeit her besteht, ist vom Standpunkt der Gewißheit, des Glaubens und der Offenbarung eine törichte Frage: „Denn dass die Welt nicht angefangen habe, was wir a n f a n g e n heißen, ist klar genug, weil sie sonst zugleich angefangen, und auch nicht angefangen haben müßte. Dasselbe gilt im anderen Falle, wo die Welt von Ewigkeit her a n g e f a n g e n , also N i c h t angefangen und doch angefangen hätte.“ Dies klingt nach Kantischer Dialektik-Kritik. Jacobi scheint sich in der Beurteilung der kosmologischen Spekulation mit Kant zu treffen. Thesis und Antithesis der Spekulation über das WeltGanze haben denselben Widerspruch an sich. Denkt die Spekulation den Anfang der Welt, so muss sie sich selbst ins Wort fallen. Denkt sie die Welt als nicht anfangend, dann ergeht es ihr
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genauso. Denkt man das Anfangen des Weltganzen, so muss man das Nichtanfangen mitdenken. Denkt man das Nichtanfangen der Welt, so muss man sie anfangend denken. Auch nach Jacobi wird der Widerspruch durch die Einsicht in seine Quelle gehoben, d.i. die Anmaßung des vermittelnden Denkens, das Unmittelbare erfassen zu wollen. Aber die Kritik der metaphysischen Spekulation kommt bei Kant und Jacobi aus Denksystemen, die sich, von Kant her gesehen, wie Vernunft und Schwärmerei gegenüberstehen. Nach Kant geht die metaphysische Spekulation „nur“ in die Irre. Nach Jacobi ist sie töricht. Die Spekulation ist nach Jacobi gewißheitsund glaubensfern und daher von der Quelle der übernatürlichen Erkenntnis abgeschnitten. Jacobi bringt in die nachkantische Entwicklung das religiöse Gefühl als Erkenntnisquelle ein. Dies ist eine noch weitere Wegweisung. In Kurzform kann man so die Programme festhalten, die Kants transzendentale Vernunftkritik ablösen wollen: Es ist bei Reinhold ein bewusstseinstheoretischer und grundsatzmethodologischer Positivismus Es ist bei G. E. Aenesidemus-Schulze ein methodischer Skeptizimus. Es ist bei Maimon ein vernunfttheoretischer Infinitismus. Zur Erkenntnisbasis wird bei Jacobi die Gewißheit, die persönliche, existentielle, lebensgeschichtliche Erfahrung. Mit Jacobi melden sich Immediatismus, Realismus und Praktizismus zu Wort. Auch diese Standpunkte wollen bei der Wiederaufnahme des Problems der Philosophie mitreden. * In „David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus“ (1787) hat Jacobi versucht, eine realistische Alternative zum Kantischen Idealismus aufzubauen: mit einer realistischen Kategorien-Deduktion. Wir besitzen z.B. die Kategorien der Quantität, Substantialität und Kausalität, weil wir raumzeitliche Wesen sind, die selbstbewusst agieren und reagieren. Die Kategorien sind uns a posteriori mit unserer natürlichen Existenz angestammt. Die Erkenntnisse, die wir als Erkenntnisse a priori ansehen, sind keine vorzüglichen Erkenntnisse. Es sind verworrene Vorstellungen, und zwar sind sie verworren, weil sie auf das Ganze der Erfahrungswelt gehen. (181) Das ganze A priori, nicht nur ein Teil davon, ist mit der Verworrenheit geschlagen, mit der die Prätention auf Allgemeingültigkeit bestraft wird. Unsere edelste Anlage ist der „Sinn“, und wenn wir unseren Seinsvorzug in unsere Vernunft setzen, dann meinen wir den
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Sinn als das Vermögen, die Offenbarungen der Natur und zuletzt Gottes zu vernehmen. Vernehmen aber schließt Tätigkeit ein, und so wird nicht nur die Erkenntnis a priori, sondern alle Erkenntnis durch das lebendige und tätige Vermögen der Seele bewirkt. Die Vernunft ist das Auge der menschlichen Seele, aber nicht ein sich selbst regierendes Auge: „Wie die Rezeptivität, so die Spontaneität, wie der Sinn, so der Verstand. Der Grad unseres Vermögens, uns von den Dingen ausser uns intensiv und extensiv zu unterscheiden, ist der Grad unserer Personalität, das ist, unserer Geisteshöhe. Mit dieser köstlichsten Eigenschaft der Vernunft erhielten wir Gottesahndung; Ahndung ..eines Wesens, das sein Leben in ihm selbst hat. - Von daher weht Freiheit die Seele an, und die Gefilde der Unsterblichkeit thun sich auf.“ Der frühe Fichte wird von Jacobi die praktische Glaubensfundierung des Wissens übernehmen, das Verständnis von Philosophie als Geschichte des eigenen Herzens. Und die Spätphilosophie von Fichte und Schelling wird Philosophie der Offenbarung sein. Bei Schelling wird das Bild „Expansion und Kontraktion“, das Jacobi als spekulativen Verlegenheitsausdruck denunziert und perhorresziert, zur metaphorischen Bezeichnung des Unendlichen dienen. Das von Jacobi als ungereimt Ausgestellte wird eine positive sprachliche Verwendung finden, in der Rezeption Spinozas, die Jacobi mit seiner Spinoza-Kritik ermöglicht hat. * Jacobi hat dem nachkantischen Orchester, das sich einstimmte und auf den neuen Dirigenten wartete, einige weitere Notenhefte auf die Pulte gelegt: den Stoizimus, den eigenen Realismus, Immediatismus des Gefühls und Praktizismus.
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VIII Johann Gottlieb Fichte Fichte hat die nachkantische Epoche mit einer nochmals neuen Philosophie-Konzeption versehen: nach der methodologischen und positivistischen Bewusstseinstheorie eines Reinhold, dem methodischen Skeptizismus des G. E. Aenesidemus-Schulze, dem vernunftontologischen Idealismus des Maimon und dem praktischen Realismus und Immediatismus eines Jacobi. Fichtes Systemidee umfaßt Elemente aus allen genannten Standpunkten, mit Ausnahme des Skeptizismus. Das Buch „Aenesidemus“ wurde allerdings von Fichte rezensiert, und er hat daraus die Überzeugung geschöpft, dass Reinholds Bewusstseinspositivismus unhaltbar und Kants Philosophie nur als Fundgrube brauchbar sei. Fichtes Originalidee ist der Ansatz der moralisch-praktischen Vernunft als Wurzel aller Vernunft: Das moralisch-praktische Sollen und Streben gibt nach dem frühen Fichte den Erklärungsgrund für alle Vernunftleistungen und überhaupt für alle Kultur-Phänomene ab. Die Position des frühen Fichte ist der praktische Konstitutionsidealismus der Freiheit, der Idealismus der wissenskonstitutiven Freiheit. Fichte hat mit dieser eigenen Grundidee eine Reihe entlehnter Philosopheme verbunden. Wir zählen auf: den Reinholdschen obersten Grundsatz, G. E. Aenesidemus-Schulzes Ding an sichKritik, Maimons Ableitung des empirischen Ich aus dem reinen Ich der intellektuellen Selbstanschauung - eine Idee, die auf Leibniz zurückverweist, auf die z.T. verworrenen vernünftigen Monaden, schließlich Jacobis lebensgeschichtliche, gewißheits- und glaubensstandpunktliche Orientierung des Philosophierens. Fichte schrieb die vielzitierten Sätze: „Was für eine Philosophie man wähle, hängt sonach davon ab, was man für ein Mensch ist; denn ein philosophisches System ist nicht ein toter Hausrat, den man ablegen oder annehmen könnte, wie es uns beliebte, sondern es ist beseelt durch die Seele des Menschen, der es hat. Ein von Natur schlaffer oder durch Geistesknechtschaft, gelehrten Luxus, und Eitelkeit erschlaffter, und gekrümmter Charakter wird sich nie zum Idealismus erheben.“14
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„Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre“, 1797/98, GA I,4,195; PhB 239, 17.
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Fichte hat seine Systemidee aber nicht so realisiert, dass er vom Freiheitsbegriff ausgegangen wäre. Er hat nicht versucht, durch Explikation der Freiheit und von ihr in aller Form ausgehend zu zeigen, dass der Freiheitsglaube die idealistische Weltansicht impliziert. Von dieser Anlage des Systems hat Fichte abgesehen. Sie wäre der Reinholdschen Systemidee allzu nahe gekommen, dem Anfang des Systems mit der Explikation einer Tatsache. Fichte hat bei Reinhold nur das Konzept des obersten Grundsatzes richtig gefunden, nicht den Rekurs auf eine Tatsache. Gegen diese Systemgrundlegung hatte G. E. Aenesidemus-Schulze allzu schlagende Einwände vorgebracht. Denn Tatsachen lassen verschiedene Erklärungen zu. Fichte kann daher Reinholds „Tatsache des Bewusstseins“, die Vorstellung mit ihren Implikaten, bloß als propädeutische Systemeröffnung ansehen. Auch Kants moralischer kategorischer Imperativ, „gleichsam ein Factum der reinen Vernunft“ (KpV, AA5, 47) fällt unter das systemtheoretische Verdikt. Selbst das Sittengesetz kommt als Anfangsprinzip des Systems nicht in Betracht. Man muss von einem evidenten Grundsatz ausgehen, der absolute Grundsatz aber, so reflektiert Fichte, muss eine Einheit von factum und fieri, von Tat und Tätigung aussagen. Er muss von einem Erzeugnis und seiner Erzeugung in einem sprechen, m.e.W. von einer „Tathandlung“. Nach einem entsprechenden Inhalt ist Ausschau zu halten. Ein Inhalt dieser Art muss zum obersten System-Grundsatz erhoben werden. Dann wird sich die bisherige Philo-sophie, eine bloße Neigung und Liebe zur Wissensergründung, in Wissenschaftswissenschaft, ja „Wissenschaftslehre“ verwandeln. Fichte publiziert 1794/95 „Die Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre“. Fichte hat geglaubt, den urevidenten Wissensinhalt nennen zu können, also das Eine System der Wissenschaftslehre begründen zu können. Aber mit dieser Annahme hat auch schon bei ihm eine gewisse intellektuelle Verwirrung eingesetzt. Diese hat der frühe Schelling geahnt, Hegel hat sie aufgedeckt. Beide haben aus dem abschreckenden Beispiel gelernt. Und Fichte selbst hat aus entsprechender Einsicht seinen Standpunkt mehrmals gewechselt. (nach mehreren Zwischen- und Übergangspositionen). Ein proton pseudos verdirbt die frühe Fichtesche „Wissenschaftslehre“ von Anfang an und durchgehend. Die Tathandlung wird mit dem identifiziert, was allem Bewusstsein, dem
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theoretischen und praktischen Bewusstsein, zugrundeliegt, und zwar in dem Sinne, dass das Zugrundeliegende niemals in ursprünglicher Gestalt im Bewusstsein hervortritt. Fichte hat sich durch die „Tathandlung“ als Ergebnis seiner kritischen Erörterung der Reinholdschen „Tatsache“ aus dem Unmittelbarkeitsstandpunkt selbst herausmanövriert. Er führt die Tathandlung als Ergebnis einer abstrakten methodologischen Erörterung ein, als Gegenentwurf zur Reinholdschen Bewusstseins- bzw. Vorstellungstheorie. Er macht sich zum voraus eine Idee vom Systemprinzip bloß auf der Grundlage einer Methodenreflexion. Er erdenkt die „Tathandlung“ als vorbewusstes Prinzip des Bewusstseins. Die Folge ist: Er selbst muss sein System mit etwas Erschlossenem anfangen. Genau dies bedeutet, dass er doch nicht den Anfang mit Tatsächlichem vermeiden kann. Er macht daher den Anfang mit der formalsten Tatsache, mit der am wenigsten konkreten Tatsache, die man überhaupt nur finden kann: dies ist der formallogische Identitätssatz „A ist A“. Dieser Satz ragt als äußerste Spitze des Bewusstseins, des tatsächlichen, empirischen Bewusstseins, an die Tathandlung heran. In „A ist A“ wird das Allgemeinste über die Dinge gesagt. „A ist A“ ist das Tatsachen-Minimum. Andererseits ist es nichts als Gedanke, reiner, selbstbewusster Gedanke. Also deutet „A ist A“, so folgert Fichte, aus der Richtung des Selbstbewusstseins auf die noch ursprünglichere Ichheit als absolute Grundlage des Selbstbewusstseins und Bewusstseins überhaupt. „A ist A“ deutet nicht etwa auf das Selbstbewusstsein als Bewusstseinsgrundlage, dies wäre eine Reinholdsche Bewusstseinstatsache. „A ist A“ deutet auf eine Bewusstseinsgrundlage von der Art des Selbstbewusstseins. Fichte nennt diesen erschlossenen Sachverhalt der Subjektivität, also das X am Ursprung des Selbstbewusstseins: „Sich-Setzen“. Er entlehnt die Terminologie der Subjektivität der Logik, und er wählt einen Ausdruck, der zugleich unbestimmt ist und eine theoretisch-praktische Ambivalenz aufweist. Unter „Setzen“ versteht er: „kein Denken, kein Anschauen, kein Empfinden, kein Begehren, kein Fühlen..“, sondern „die gesamte Thätigkeit des menschlichen Geistes, die keinen Namen hat, die im Bewusstsein nie vorkommt, die unbegreiflich ist, weil sie das durch alle besonderen (und lediglich insofern ein Bewusstsein bildende) Akte des Gemüts bestimmbare, keineswegs aber ein bestimmtes ist.“ (GA III 2, 344)
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Das „Sich-Setzen“ ist einerseits an der formalen Logik orientiert, nach dem Kantischen Vorbild des formallogischen Leitfadens, d. h. des Übergangs der Urteilstafel in die Kategorientafel. Andererseits orientiert sich das „Sich-Setzen“ am Selbstbewusstsein. Schließlich entspricht es mit seiner Vieldeutigkeit der Vor- und Unbewusstheit des Prinzips des Bewusstseins. Der Vergleich mit Kant aber ist für Fichte ungünstig. Bei Kant verlangt die Transzendentale Ästhetik als Theorie der materialisierten Erkenntnis den Fortgang von der Affektion zur Funktion, d. h. die Aufstellung der Urteilstafel als Zugang zur Kategorientafel. Und die Kategorientafel verweist als Sammlung der ursprünglich-synthetischen Einheitsgründe auf den ursprünglichen Einheitsgrund, d.i. die Einheit des Selbstbewusstseins. * Über dem bloß erschlossenen „absoluten Ich“ liegt große Dunkelheit. Einmal umgibt die Unsicherheit dieses Prinzip, die Fichte selbst mit Aenesidemus an Tatsachenschlüssen beklagt. Der Übergang von „A ist A“ zum Ich ist nicht zwingend. „A ist A“ könnte auch in ontologischer Deutung die Einheit des „Seienden“ mit sich selbst widerspiegeln, symbolisieren: das mit sich identische Sein, das „hékaston heauto tautón“, das „jedes selber ihm selbst dasselbe“, das Heidegger aus Platons „Sophistes“ zitiert, in der Abhandlung „Der Satz der Identität“ (in „Identität und Differenz“).15 Auch kann man mit einem „absoluten Ich“, das bloß Analogon des wirklichen Selbstbewusstseins ist, keine Theorie auf den Weg bringen. Und so verwirrt Fichte das „absolute Ich“, um es traktabel zu machen, mit drei weiteren Sachverhalten: mit dem Selbstbewusstsein „Ich bin Ich“, mit der intellektuellen Selbstanschauung und nun doch auch mit dem speziellen praktischen Selbstbewusstsein, dem Freiheitsbewusstsein. Es heißt in der „Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre“ sogleich nach der Einführung des „absoluten Subjekts“: „Das Ich ist nur insofern, als es sich seiner bewusst ist“. In der „Aenesidemus-Rezension“ von 1794 hingegen, aus der Entstehungszeit der „Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre“, ist nicht das Selbstbewusstsein Bürge der unmittelbaren Gegenwart des absoluten Ich. Hier übernimmt die „intellektuelle Anschauung“ diese Rolle: „Das absolute Subjekt, das Ich, wird nicht durch empirische Anschauung gegeben, sondern durch intellek15
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Zur Faktizitätsabhängigkeit des „Ich bin“ s. M. Gueroult, I, 1930, 207.
tuelle gesetzt.“ (GA I, 10) Es ist nicht diskursiv erschlossen, heißt dies, sondern unmittelbar gegenwärtig: es wird anschauend-denkend erkannt. Die intellektuelle Selbstanschauung wird auch in der „Zweiten Einleitung in die Wissenschaftslehre“ von 1797 hervorgehoben, aber mit einer unerwarteten Einschränkung. Fichte fragt: Wie kommt denn der Philosoph zur intellektuellen Anschauung, zu ihrer Kenntnis und isolierten Vorstellung. „Ich antworte .. durch einen Schluß aus den offenbaren Tatsachen des Bewusstseins“. (GA I.4, 218) Die intellektuelle Selbstanschauung soll durch das Spontaneitätsbewusstsein offenbar werden, durch das Bewusstsein der Selbsttätigkeit im Vorstellen. Am Vorstellen soll ein Anteil intellektueller Anschauung zu ermitteln sein. Nun kann allerdings die so aufgefundene intellektuelle Anschauung nur den Status einer Tatsache haben. Sie bedarf also einer zusätzlichen Vergewisserung, um unzweifelhaft als intellektuelle Anschauung gelten zu können. Die ursprüngliche Gewährleistung der intellektuellen Anschauung und damit des absoluten Ich ist nach der „Zweiten Einleitung in die WL“ das Sittengesetz. Denn im Sittengesetz wird dem Ich „ein absolutes, nur in ihm und schlechthin in nichts anderem begründetes Handeln angemutet, und es sonach als ein absolut tätiges charakterisiert, .. Nur durch dieses Medium des Sittengesetzes erblicke ich mich, und erblicke ich mich dadurch, so erblicke ich mich notwendig als selbsttätig, und dadurch entsteht mir das...Ingredienz .. meines Selbst in einem Bewusstsein, das außerdem nur das Bewusstsein einer Folge meiner Vorstellungen sein würde.“ Schon der Anfang der WL von 1794/95 ist nicht frei von Unklarheit und Undeutlichkeit. Fichte hat in den Vorarbeiten die „Tat-Handlung“ erdacht, im Gegenzug zu Reinholds vieldeutiger „Tatsache des Bewusstseins“. Aber die „Tathandlung“ ist eine Erfindung, ein pures Konstrukt, mit Kants „Tafel des Nichts“ zu sprechen: ein leerer Gegenstand ohne Begriff, ein nihil negativum. Fichte identifiziert zwar die „Tathandlung“ mit dem absoluten Ich. Aber das „absolute Ich“ ist genauso ein zweifelhafter Anfang. Das absolute Ich weist sich nicht durch sich selbst aus. Seine Evidenz muss durch ein Räsonnement vermittelt werden. Fichte macht einen Vermittlungsversuch mit dem Identitätssatz der formalen Logik. Aber Evidenz stellt sich so nicht ein. Kein Inhalt und kein Sinn des absoluten Ich wird deutlich. Das absolute Ich soll als „Sich-
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Setzen schlechthin“ dem Selbstbewusstsein zugrundeliegen. Aber versucht man das absolute Ich zu denken, dann verschmilzt es mit dem Selbstbewusstsein, und so ergeht es schon seinem Erfinder. Dass es sich aber so unvorteilhaft mit dem absoluten Ich verhält, dies bestätigt Fichte selbst. Er bestätigt es mit seinen Versuchen, Licht ins Dunkel des absoluten Ich zu bringen. Er charakterisiert das absolute Ich als „intellektuelle Anschauung“, und er bietet schließlich das „Medium des Sittengesetzes“ auf: Im moralisch-praktischen Gesichtskreis, und nur in ihm, soll ich meiner Selbstheit, Absolutheit inne werden. Aber auch damit gewinnt das absolute Ich keine Glaubwürdigkeit. Die Einsicht „Du kannst, denn Du sollst“ soll den Systemanfang mit dem absoluten Ich stützen, aber es gilt doch gerade, die praktische Vernunft, Sittengesetz und Freiheitsbewusstsein zu deduzieren, aus dem Systemprinzip herzuleiten. Es soll gerade vermieden werden, das Sittengesetz in der Art Kants gleichsam als Faktum anzusehen. Die Wissenschaftslehre wird mit dem „absoluten Ich“ auf sandigem Boden angebaut. Fichte hat in der Auseinandersetzung mit Reinhold die „Tathandlung“ erdacht. Eine Einheit von Erzeugnis (Tat) und Erzeugung (Handlung), so hat er raisonniert, muss Inhalt des obersten Grundsatzes sein. Die nächste Aufgabe musste also darauf gehen, die Tathandlung zu identifizieren, sie zu konkretisieren. Trotzdem ist die moralisch-praktische Erläuterung der „Tathandlung“ und des Anfangs der Wissenschaftslehre noch die plausibelste, zu der Fichte gelangt ist. Fichtes Systemgrundlegung -in der GrdgWl von 1794/95scheint auf den ersten Blick sehr sinnvoll zu sein. Fichte will drei Identitäten miteinander identifizieren: die formallogische Identität „A ist A“, die jeder zugibt, die Identität der Tat-Handlung und die Ich-Identität. Fichte scheint das System ingeniös einzufädeln. Aber das Vorgehen ist allzu konstruktiv, spekulativ, raisonnierend. „A ist A“ führt nicht notwendiger Weise auf „Ich bin Ich“, auf das absolute Ich. Daher folgen Versuche, die Tathandlung und das absolute Ich zu retten. Aber das absolute Ich dem Selbstbewusstsein anzunähern, geht gegen das Programm. Das Selbstbewusstsein soll aus vorbewussten Prinzipien erklärt werden. Die Behauptung, das absolute Ich sei intellektueller Anschauung zugänglich, scheitert daran, dass die intellektuelle Anschauung aus der Vorstellungsspontaneität erschlossen werden muss. Diese Tatsa-
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chenverstrickung diskreditiert die intellektuelle Anschauung. Als das einzige Fundament, als die einzige Gewißheitsbasis der WL, enthüllt sich das Faktum des Sittengesetzes, das faktisch Freiheit indiziert. Dieser Befund ist für die WL vernichtend. Die WL, so scheint es, ist nur plausibel als Selbstverständigung des moralisch-praktischen Freiheitsglaubens, als Analyse des Begriffs der Freiheit von Anfang bis Ende des Systems. So ähnlich hat Fichte zwar selbst in einem Brief die WL gekennzeichnet: „Mein System ist von Anfang bis zu Ende nur eine Analyse des Begriffs der Freiheit.“ (Br., Schulz II 206) Aber die „Grundlage der g. WL“ von 1794/95 stellt sich ganz anders dar, nicht als in der moralischen Freiheitsüberzeugung fundiert. Die WL will vielmehr eine Demonstration, eine Beweisführung für moralisch-praktische Vernunft sein, und zwar aus der Position des „echten, durchgeführten Kritizismus.“ Die „Grundlage“ geht, mit dem absoluten Ich an der Spitze, auf einen Doppelbeweis für theoretische und praktische Vernunft aus. Erst nach über 260 Seiten ist dieser Beweis erreicht, sind praktische Vernunft und Freiheitsidee sichergestellt. Hier schreibt Fichte: „Die Anforderung, welche von Zeit zu Zeit an die Philosophie erging, zu erweisen, dass die Vernunft praktisch sei, war .. sehr gerecht.. Dies ist auf keine andere Weise möglich, als dass gezeigt werde, die Vernunft könne selbst nicht theoretisch sein, wenn sie nicht praktisch sei: es sei keine Intelligenz im Menschen möglich, wenn nicht ein praktisches Vermögen in ihm sei.. dies ist denn soeben geschehen, indem dargetan worden, dass ohne ein Streben überhaupt kein Objekt möglich sei.“ Es gibt für Fichte keine Möglichkeit, die aus der ReinholdKritik erraisonnierte „Tat-Handlung“ mit konkretem Sinn zu erfüllen. Die Tathandlung entzieht sich allen Annäherungsversuchen, allen Bestimmungen: der Bestimmung als absolutes Ich, als Selbstbewusstsein, als intellektuelle Anschauung und als praktische Vernunft. * Die Durchführung der Wl von 1794/95 bietet dasselbe traurige Bild von Obskurität, Inkonsistenz, Willkür und Machtsprüchen. Das absolute Ich, das absolute „Sich-Setzen“, wird in seiner Undurchsichtigkeit um eine „Nicht-Ich“-Setzung erweitert. Und zwar soll die Setzung des Nicht-Ich z.T unbedingte Setzung sein, z.T. bedingte Setzung. Sie soll formaliter unbedingte Setzung
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sein, materialiter aber durch das vorgegebene Ich bedingte Setzung. Jedenfalls soll die Nicht-Ich-Setzung ihrem Dass nach unbedingt durch das absolute Sich-Setzen sein. Die bedingte Unbedingtheit der Nicht-Ich-Setzung könnte nur durchgehen oder akzeptiert werden, wenn sie Interpretation des ersten Grundsatzes wäre. Denn auch der zweite Grundsatz kann sich nicht als Tatsachen-Interpretation verstehen, als Interpretation der objektbezogenen Erkenntnis, des objektbezogenen Handelns, des objektbezogenen Selbstbewusstseins. Maimon hatte für den Übergang vom unendlichen Verstand zum endlichen Verstand immerhin die Auskunft „Wirkung“ angeboten, die er nur nicht konkretisieren konnte. Fichte kann keinerlei Übergang anzeigen. Seine Kant-Kritik wird zur unfreiwilligen Selbstkritik: Das „Nicht-Ich“ steht auf keiner höheren Stufe als das vermeintlich begründungslose „Ding an sich“, das Fichte in der Aenesidemus-Rezension als „Grille“ bezeichnet hatte. Das Nicht-Ich soll vom Ich zugleich abhängig und unabhängig sein. Kant konnte für das „Ding an sich“ argumentieren. Kant konnte für die Notwendigkeit des Ding an sich-Gedankens den Sachverhalt der materialisierten Erkenntnis anführen: Die subjektive Anschauungsform impliziert die anschaulich gegebene Erkenntnismaterie. Kant konnte mit dem Gedanken der Gegebenheit auch die Form-Materie-Begrifflichkeit ausweisen. Bei Fichte ist die Begrifflichkeit des „formal“ und „material“ Unbedingten nachgerade ausgeschlossen, durch das absolute Sich-Setzen. Das absolute Setzen verbietet, am Setzen formale und materiale Unbedingtheit zu unterscheiden. Verboten ist an sich schon das „teilweise“ des unbedingt und bedingt Setzens. Die Aufteilung, Quantifizierung und Klassifizierung des Setzens verträgt sich nicht mit seiner Einfachheit, Unspezifiziertheit. * Mit dem Dritten Grundsatz nimmt die Willkür noch weiter zu: Das absolute Ich hat sich mit dem Nicht-Ich zu vermitteln. Daher setzt es in einem ersten Schritt sich als All der Realität, als Totalsphäre der möglichen Sachgehalte. In einem zweiten Schritt teilt es seinen Großgrundbesitz in Parzellen auf. Es, das absolute Ich, setzt in sich, im All der Realität, dem teilbaren Ich das teilbare Nicht-Ich entgegen, wenn auch nur, um das Nicht-Ich von dem gepachteten Land zu vertreiben. Durch die Verteilung der Realität an sich selbst und an das Nicht-Ich wird eine stetige Verminderung des Nicht-Ich, ein quantitatives Präponderieren des
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Ich denkbar, ein territoriales Hegemoniestreben des Ich. Nicht nachvollziehbar aber ist bereits die Einführung überhaupt der Realität und a fortiori des Alls der Sachgehalte. Denkbar inmitten der Undenkbarkeit ist allerdings einiges. Undenkbar-denkbar ist das Sich-Setzen als bestimmt durch das Nicht-Ich, also der Sachverhalt der Erkenntnis überhaupt. Denkbar ist es, dass das Ich aus der Nicht-Ich-Abhängigkeit zurück zur eigenen Absolutheit „strebt“. Denkbar ist also das praktische Ich, das Sich-Setzen als bestimmend das Nicht-Ich, das Handeln überhaupt. Denkbar ist von daher der wissenskonstitutive Primat der praktischen Vernunft: dass die theoretische Verfassung des Ich von seiner praktischen Natur abhängt und getragen wird, dass das theoretische Sich-bestimmt-Wissen das praktische Sich-bestimmend-Wissen voraussetzt. Denn das SichBestimmen zur Absolutheit, das Handeln unter dem kategorischen Imperativ der Absolutheit, steht ja dem absoluten, ursprünglichen Ich offensichtlich sehr nahe, weit näher jedenfalls, als dies für das theoretische Ich gilt, das sich als bestimmtwerdend setzt. * Denkbar wird das Sich-Setzen als in der „Subjekt-Objekt“-Relation stehend. Denkbar wird insofern die Möglichkeit des SelbstBewusstsein. Mit dem Übergang zur Subjekt-Objekt-Relation nehmen die bisher genannten Prinzipien, die Setzungs-Strukturzüge, eine neue Qualität an. Sie erweisen sich als Bewusstseinskonstituentien, als Aufbaumomente des wirklichen Ich. Dies ist unvollziehbar-mitvollziehbar. Denn es leuchtet ein, dass das quantitative Einschränken des Nicht-Ich durch das Ich qualitative, unantastbare Grenzen hat: dass es einen harten IchKern und einen ebensolchen Nicht-Ich-Kern gibt. Genau dies aber zu setzen, muss dem sich-setzenden Ich möglich sein. Das heißt: das Ich kommt zu zwei Differenzierungen. Es differenziert in sich das „Ich an sich“ und das „Subjekt“ vis-à-vis einem „Objekt“. Und es differenziert auf der Gegenseite zwischen dem ihm unmittelbaren Objekt und dem Ding an sich=X, das sich hinter dem Objekt verbirgt. Es ergibt sich eine romantische Vorstellung: Das Ich „schwebt“ über Ich und Nicht-Ich. Es setzt sich als das NichtIch vorstellend. Es setzt sich als das Nicht-Ich mit den RealitätsLeihgaben abbildend: Das Ich erweist sich als bildkräftig, als Einbildungskraft. Und da es im Schweben über Ich und Nicht-Ich
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eine Bilderwelt nicht nur entwirft, sondern sie auch zu analysieren vermag, so geht es zum Anschauen und Denken über. Es hat Bilder, und es bringt sie unter Begriffe, indem es sie sondiert und sortiert. Es bildet allgemeine Begriffs-Bilder von konkreten Bildern. * Fichte hat mit dem „absoluten Ich“, so dunkel es auch bei ihm bleibt, ein Paradigma geschaffen. Dies ist die absolute Vernunft als Deduktionsprinzip der theoretischen und praktischen Vernunft. Es ist die Konzeption der Philosophie im Ausgang von der absoluten Vernunft. Genauso paradigmatischen Charakter hat Fichtes Dreischritt-Methode (Setzung-Entgegensetzung-Gegensatzvermittlung). Fichte hat damit der neuzeitlichen Philosophie die dialektische Methode vermittelt. Daran ändert auch nichts, dass Fichte selbst den Ausdruck „Dialektik“ nicht regelmäßig gebraucht und Schelling die Entdeckung der Dialektik für sich beansprucht hat. Auch die inhaltliche Durchführung der frühen WL enthält Gedanken, die nachgewirkt haben. An erster Stelle ist das Prinzip der „produktiven Einbildungskraft“ zu nennen. Reinholds Basisprinzip, die Bewusstseinstatsache der Vorstellung, wird abgeleitet: mit der Ableitung der vorstellungsproduktiven Einbildungskraft. Das Ich „schwebt“ über seinem Sich-Setzen und seiner Nicht-Ich-Setzung. Dadurch verwandeln sich diese Setzungen in die Subjekt-Objekt-Relation, in das potentielle Selbst- und Objektbewusstsein, als Enklave zwischen Ich an sich und Ding an sich. Das absolute Ich ver-setzt sich in die Subjekt-Objekt-Relation. Es stuft sich zur Subjektivität herab, zum Subjekt, das Objekte abbildet, das m.e.W. „vor-stellt“. Reinholds Ausgangspunkt, die Vor-stellung, ist damit abgeleitet. Auch Maimons Gesetz der Bestimmbarkeit ist abgeleitet: Das Ich setzt sich selbst als bestimmbar durch seine Subjektivität bzw. durch Objekte. Damit unterwirft es sich dem Gesetz, in allem Vorstellen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit überzugehen. Damit ist nicht nur die Vorstellung abgeleitet, sondern auch das Gesetz der Bestimmbarkeit. Und Maimons Gesetz der Bestimmbarkeit ist damit als Bewusstseinstatsache erwiesen: Im Begriff der gegenseitigen Bestimmbarkeit sind Subjekt und Objekt vermittelt, das Selbstbewusstsein und das ihm inhaltlich Bewusste. Und zwar letztlich insofern, als das Ich sich mit der ihm
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eigenen Bestimmbarkeit der Subjekt-Objekt-Relation gegeben ist. Dann aber tritt wieder völlige Undurchsichtigkeit ein. Dies alles nämlich ist nur denkbar, wenn auf das absolute Ich ein „Anstoß“ erfolgt, oder wenn ihm, eher ichgerecht, die „Aufgabe“ der Selbstbegrenzung gestellt ist, die Aufgabe des Sich-Setzens als sich setzend. Das absolute Ich kann nicht als bestimmt gedacht werden. Mit seiner Absolutheit aber, glaubt Fichte, verträgt sich eine „Aufgabe zur Bestimmung“ (I4, 211), die deutlicher als der „Anstoß“ von Zwang, Nezessitation, zu unterscheiden ist. Dies bedeutet, die Aufgabe ist als eine solche zu denken, die das Ich in seine unendliche Tätigkeit aufnimmt: „Ein Ich, das sich setzt als sich selbst setzend, oder ein Subjekt..ist nur unter der Bedingung möglich, dass es sich selbst durch ein Entgegengesetztes begrenze.“ (I 4, 218) Bevor Fichte selbst über den „Anstoß“ reflektiert, „klärt“ er zunächst, und zwar auch wieder auf paradigmatische Weise, die Frage, wie in concreto das Sich-Setzen als setzend erfolgt, also das Sich-Setzen als in sich die Subjekt-Objekt-Relation setzend. Was entspricht im wirklichen Ich dem Übergang zur unbewussten Einbildungstätigkeit? Was entspricht im wirklichen Ich dem Übergang des absoluten Ich zur Ein-Bildung. Was entspricht dem Übergang zur Vorstellungsproduktion im Spannungsfeld von Subjekt und Objekt? Dem entspricht ein absolutes Abstraktionsvermögen. Das Sich-Setzen als einbildungskräftig bedeutet Zurückgehen vor die Ein-Bildung, Distanzierung von der Einbildungskraft, Wegsehen vom Schweben über Subjekt und Objekt, Hinsehen auf den Ursprung. Das Ich besinnt sich rein auf sich, es reflektiert sich als reine Vernunft. Damit ist für Fichte die erfahrungsvorgängige reine Vernunft deduziert, die Kant in der KdrV thematisiert hat. Auch diese Methode hat (bei Schelling und Hegel) Schule gemacht: zuerst unbewusste Handlungsarten, unbewusste Vernunftoperationen, rein theoretisch zu erschließen und dann zu fragen, in welcher vielleicht ganz anderen Gestalt sie dem Ich selbst zu Bewusstsein kommen. * Die Frage nach Wesen und Herkunft des „Anstoßes“ oder der „Aufgabe“ wird im Dritten Teil der GdgWL verhandelt, d.i. die Grundlage der Wissenschaft des Praktischen. Und da auf
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Veranlassung des Anstoßes das selbstbewusste Ich das Nicht-Ich setzt, zur Erklärung des Anstoßes, so geht die Frage auch auf die Art, wie sich das selbstbewusste Ich zum Nicht-Ich verhält. Waren die Deduktionsschritte eine Zeit lang nachvollziehbar, so zieht jetzt wieder, da die WL zu Ende kommen muss, Nebel auf. In einer merkwürdigen ontologischen Ausdrucksweise heißt es hier: Es ist im absoluten Sein des Ich gegründet, dass sich in ihm eine Ungleichheit, und darum etwas Fremdartiges hervortut. Das Ich muss -als absolutes Ich- offen sein für das Setzen seines Anderen. Es muss ohne weiteren Grund in sich das Prinzip haben, über sich zu reflektieren: weil es ein Ich ist. Im Ich muss als ursprüngliche Ichtätigkeit eine zentrifugale Tendenz mit einer zentripetalen Tendenz verbunden sein. Im absoluten Sein des Ich (I 4, 276) muss seine Reflexionsfähigkeit beschlossen liegen. Darauf deutet zwar nichts im Begriff der „Tathandlung“ hin. Und die Sprache verrät auch die Unwahrheit des Gedankens: Zum Ich soll etwas ihm Fremdartiges gehören und sich hervortun, es soll einer Selbstentfremdung bei äußerer Veranlassung fähig sein. Aber es folgt aus der Transformation der Tathandlung eine anspruchsvolle These: Das Ich ist ursprünglich mit sich selbst in Wechselwirkung, im Sinne der Reflexivität, und nur so so ist es einer Wechselwirkung mit Äußerem fähig. Das Ich, das wirkliche Ich, ist absolutes Ich, theoretisches Ich und praktisches Ich. Es ist theoretisches und praktisches Ich von der eigenen Absolutheit her, aus dem Einen Ursprung der eigenen Absolutheit. Es ist 1.) absolutes Ich als reflexionsfähiges Ich. Es ist 2.) theoretisches Ich. Denn es erklärt sich seine reflexionsbedingte Begrenztheit zunächst aus dem Nicht-Ich: weil es nicht in einem Akt reflektieren und über sein Reflektieren reflektieren kann. So setzt es sich als bestimmt durch das Nicht-Ich. Es ist 3.) praktisches Ich, sofern es unter der Idee des absoluten Ich, unter der Idee seiner Absolutheit, nach Unendlichkeit strebt. Nur indem es sich selbst dem kategorischen Imperativ der Unendlichkeit unterwirft, ist es lebensfähig. Es ist theoretisches Ich, nur weil es als praktisches Ich das Princip des Lebens und Bewusstseins (Jacobi) in sich trägt. Allerdings ist insoweit auch nur von der Lebensfähigkeit und Bewusstseinsfähigkeit die Rede. * Fichte stellt nicht die Frage, wie sich im absoluten Ich, in der Tathandlung, eine Ungleichheit hervortun kann: wie NichtIdentität in der absoluten Identität der Tathandlung möglich ist.
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Fichte schreibt: „Nur weil und inwiefern das Ich selbst absolut ist, hat es das Recht, absolut zu postulieren.“ (I 4, 261) Dies besagt: Das absolute Ich fordert das absolute Ich, es verlangt nach der Absolutheit des Ich. Fichte stellt „nur“ die Frage, wie das lebens- und bewusstseinsfähige Ich zum wirklichen Leben und Bewusstsein kommt. Dafür ist ein „Anstoß“ notwendig. Der Anstoß aber ist dem Nicht-Ich zuzuschreiben. Das wirkliche Ich müßte eigentlich mit dem absoluten Ich identisch sein. Das absolute Ich müßte sich zum wirklichen Ich entfalten. Oder vielmehr: Am absoluten Ich dürften Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit gar nicht zu unterscheiden sein. Aber dies kann Fichte nicht zugeben. Und so sagt er: Wir können den Widerspruch zwischen unserer Unendlichkeit, unserem Unendlich-sein-Sollen, und unserer Endlichkeit nicht lösen. Aber ebendies ist das „Gepräge unserer Bestimmung für die Ewigkeit“. (GA I,2, 403 f.) Die Verworrenheit dieser Spekulation schlägt sich auch in der Sprache nieder. Fichte beansprucht für die WL den Status der „transzendentalen“ und „kritischen“ Reflexion. „Kritisch“ soll seine Reflexion sein, weil sie auf den „Anstoß“ führt. „Transzendental“ soll sie sein, weil das anstoßende Nicht-Ich nur gedacht werde. Der endliche Geist, so erklärt Fichte, muss etwas Absolutes außer sich setzen und dennoch von der anderen Seite anerkennen, dass dasselbe nur für ihn da ist (ein notwendiges Noumen)..(&5). Daher will Fichte zwischen Idealismus und Realismus die Mitte halten; er glaubt, einen „Ideal-Realismus“ oder „Real-Idealismus“ vertreten zu können. Und wer dies nicht vermöge: wer nicht mit der schaffenden Einbildungskraft zwischen beiden Positionen zu schweben vermöge, der habe die Schuld bei sich und nicht in der WL zu suchen. * Die letzten Ausführungen der GdgWL fragen: In welcher Gestalt kommt das theoretisch erschlossene Streben nach Unendlichkeit dem wirklichen, konkreten Ich zu Gesicht? Wie alles Streben, so setzt das Streben des Ich ein Gegenstreben voraus. Im Ich gibt es ein Gegenstreben zu seinem Streben nach Unendlichkeit. Wir nennen ein aufgehaltenes, gehemmtes Streben einen „Trieb“. Damit ist die Triebnatur des Ich deduziert. Der Trieb, das Nicht-Können, äußert sich in Gefühlen. Und der Trieb veranlaßt, zur Erklärung der Gefühle Objekte anzunehmen (zur Erklärung des Sauren die Zitrone).
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Man kann also vom objektiven Trieb reden oder auch vom Reflexionstrieb. Das icheigene Reflexionsgesetz, das Gesetz der zentripetalen Umbiegung der Tathandlung, erbringt unter der Macht des zentrifugalen Gegenstrebens „nur“ einen Reflexionstrieb, einen Trieb, über sich zu reflektieren und in der Folge zur Erklärung der reflexionsgemäßen Selbstbegrenzung Objekte anzunehmen. Der Reflexionstrieb schließt mit dem objektiven Trieb, wie sich versteht, den Vorstellungstrieb ein. Insoweit aber ist das wirkliche Ich noch nicht abgeleitet, nur seine Prinzipienstruktur. Sie ermöglicht ein Kraftgefühl des Ich, und damit das Novum des Lebens. Im Ich stellt sich auch ein Selbstgefühl ein: mit der Reflexivität, mit der zentripetalen Selbstbegrenzung. Dieses Gefühl, das Selbstgefühl, ist kein reines Begrenzungsgefühl. Es ist auch Kraftgefühl. Denn aus dem Gefühl heraus setzt das Ich ja Objekte. So markiert das Selbstgefühl im wirklichen Ich den Übergang zum „Leben“. Damit ist der Standpunkt der Jacobischen Philosophie abgeleitet. Jakobis Lebensphilosophie ist im System der Wissenschaftslehre verortet. Das In-sich-Aufheben der Systeme und Standpunkte gehört zum Anregenden bei Fichte. * Den Überschritt vom Leben zur „Intelligenz“ macht im wirklichen Ich ein nicht angetriebenes, ein spontanes Handeln. Wir erheben uns durch einen „Sprung“ zur Vernunft. Das Fühlende wird gesetzt, und die Ichheit wird darauf übertragen, sie wird dem Sich-Fühlenden zugesprochen. Das Selbstgefühl ist ichhaftes Selbstgefühl. Nun kann aber nicht in Einer Handlung reflektiert und über diese Reflexion wieder reflektiert werden, nach der uns bekannten psychologischen Erkenntnis. Die bewusste Aneignung des Selbstgefühls erklärt unsere Kenntnis äußerer und innerer Realität. Realität wird ja zur Erklärung von Gefühlen gesetzt. Fichte kann so wieder eine gewisse Nähe zu Jacobi herstellen und sagen: Es wird nur geglaubt an Realität, sowohl des Ich als des NichtIch. Denn wir schließen auf äußere und innere Realität, und alles Schließen enthält ein Glaubensmoment. * Das Ich reflektiert über alles, also auch über Trieb und Gefühl. So entsteht ein „Sehnen“, das ins Unbestimmte geht: ein über die Triebbeschränkung und das Selbstgefühl hinaustreibendes Vorstellen.
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Dieses romantische Sehnen ist das Vehikel aller praktischen Gesetze: sie alle entspringen aus dem Sehnen und der entsprechenden Idealbildung. Der Bestimmungstrieb ist damit abgeleitet, als Bildungstrieb. Im Sehnen verlangt das Ich einen ichgemäßen Vorstellungsstoff, ichgemäße Empfindungen. Es sehnt sich nach einer bestimmten Empfindungsstruktur bzw. nach der entsprechenden Innen- und Außenweltstruktur. Es möchte seine Ichheit in sich und außer sich antreffen. Das Ich entwirft Innenund Außenverhältnisse, die ihm gefallen - die ihm gefallen würden, wenn sie denn einträten. Damit soll die Art deduziert sein, wie der kategorische Imperativ im Bewusstsein auftritt. Denn der kategorische Imperativ geht auf allgemeine Gesetzmäßigkeit aus, auf Gesetzmäßigkeit überhaupt oder Gesetzmäßigkeit im ganzen, nicht auf bestimmte gesetzmäßige Verhältnisse. Aber dies alles spielt sich in der Vorstellung ab, so dass die Frage unbeantwortet bleibt, was berechtigt, die Erfüllung des Sehnens nach vernünftigen Realitätsverhältnissen zu erwarten, oder wenigstens zu erhoffen. Die WL von 1794/95 stellt nicht einmal diese Frage. Sie akkumuliert von Anfang bis Ende theoretische Mängel. Da ist die vielfältige innere Ungereimtheit um das „absolute Ich“. Man vermag nicht zu erkennen, was mit der „Tathandlung“ gemeint ist. Meint „Tathandlung“ ein systemtheoretisches Konstrukt, hervorgegangen aus der Reinhold-Kritik? Ist Tathandlung das Ich als Gegenstand oder Inhalt intellektueller Anschauung? Ist das Selbstbewusstsein gemeint? Oder das aus dem Sittengesetz vermittelte Freiheitsbewusstsein, ein Tatsachenbewusstsein? Das „absolute Ich“ hat zuerst ichkonstitutive Bedeutung, am Ende ist es nur noch eine Idee des Ich. Dieses Defizit ist ein empfindlicher Mangel. Der Selbst- und Weltententwurf des strebend-sehnenden Ich entbehrt der Erfüllungsgarantie. Woher kommt dem Ich die Erfüllung seiner Realitätssehnsucht, seines Seins- und Ordnungsverlangens? Diese Frage hat Fichte in der Folge zu Systemrevisionen gezwungen, zur Aufgabe des egologischen Standpunktes. An die Stelle des absoluten Ich tritt zunächst die „moralische Weltordnung“: wenn das Ich der Pflicht gehorcht, so verbürgt die moralische Weltordnung, der das Ich unterliegt, dass das Pflichthandeln realiter etwas bewirkt. *
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Die Unterordnung des absoluten Ich unter die moralische Weltordnung, die Fichte um 1798/99 vornimmt, wird oft mit dem „Atheismus-Streit“ in Verbindung gebracht, in den Fichte durch den Aufsatz eines Schülers verwickelt wurde (Forberg, Entwicklung des Begriffs der Religion). Fichte verlor dadurch seine Stelle in Jena. Aber Fichtes Thematisierung der „moralischen Weltordnung“ und der „göttlichen Weltregierung“ war eine systembedingte Notwendigkeit. Sie ist nicht nur Fichtes Versuch, den Atheismus-Vorwurf abzuwehren. Die „Gd.ges.WL“ hatte die Frage der Erfüllung des pflichtgemäßen Strebens, des Strebens nach Unendlichkeit, unbeantwortet gelassen. Fichte hat mit der „göttlichen Weltregierung“ die Wissenschaftslehre ergänzt. * Und zwar in einer Richtung, die seine soeben (1798) erschienene „Sittenlehre“ vorgezeichnet hatte. In der Sittenlehre hatte sich das Problem des materialen Pflichtkriteriums gestellt, die Frage der konkret inhaltlichen Erkennbarkeit der Pflicht. Fichte musste dieses Problem in zwei Schritten lösen, denn der erste Lösungsschritt führte auf eine neue schwierige Frage. Die erste Bestimmung des Pflichtkriteriums lautet in der Sittenlehre von 1798: Handle naturgemäß. Behandle die Dinge ihrer Bestimmung gemäß, d.h. so, wie es ihr Auftreten in der Natur als dem versinnlichten Materiale der Pflicht verlangt. Dies meint: Die Natur wird überhaupt nur gesetzt, und mit ihrer Beschaffenheit gesetzt, als Erklärungsgrund der Gefühle, die dem Ich seine Endlichkeit anzeigen, die ursprünglichen Schranken seiner Selbsttätigkeit. Diese Schranken bilden einen systematischen Zusammenhang, ganz entsprechend dem Einen Urtrieb des Ich nach Freiheit, nach progressiver Selbstentschränkung. Das Beschränkungssystem eines Ich kann nur ein solches sein, dass das Ich durch die entsprechende Weltsetzung und durch das entsprechende Handeln in der Welt seiner Bestimmung immer näher kommt. Das Ich, das sich gemäß seinen eigentümlichen Handlungsgrenzen eine Welt entgegensetzt, entsetzt sich damit in Wahrheit von seiner Endlichkeit und von der Welt, mit deren Setzung es seine Endlichkeit reflektiert. Das sich verwirklichende Ich ist das sich entwirklichende Ich, das sich vergeistigende, der reinen Ichheit annähernde Ich. Folge ich meinen Gefühlen, setze ich reale Dinge meinen Gefühlen gemäß, so konstituiere ich genau damit eine freiheitszweckmäßige Natur. Ich versetze mich in
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eine reale Freiheitsordnung, in eine reale Welt, die mich meiner Bestimmung zur Unendlichkeit näherbringt. Daher das materiale Pflichtkriterium: handle naturgemäß, behandle die Dinge nach ihren inneren Zwecken. Nun ist aber Subjektivität nur als Intersubjektivität, vielleicht besser noch als „Interpersonalität“ möglich. Also bin ich mit meinen Gefühlen einer menschheitsuniversalen Freiheitsordnung eingebunden, der Sache nach: einer moralischen Weltordnung. Hieraus ergibt sich das zweite Problem: Wie ist individuelle Freiheit angesichts der universalen Freiheitsordnung möglich? Fichtes Antwort lautet: Der Pflichtinhalt liegt fest, nicht aber Zeitpunkt und Subjekt seiner Ausführung. Dies gibt dem Individuum Wahlfreiheit gegenüber der moralischen Pflichtordnung. Nicht aber gewinnt hierdurch das Individuum eine besondere Wichtigkeit. Es besitzt Wahlfreiheit, weil es auf den Einzelnen nicht ankommt, sondern darauf, dass die Pflicht (das Pflichtenreich) verwirklicht werde. Es ist klar, dass Fichte das Pflichtenreich zur „moralischen Weltordnung“ oder „göttlichen Weltordnung“ erheben konnte, denn es macht ja nur Sinn, wenn man es als sich selbst erfüllende, den Erfolg selbst garantierende normative Weltordnung auffaßt. Die Erweiterung des Systems um die moralische Weltordnung, die Handeln vorschreibt und seinen Erfolg garantiert, scheint auf den ersten Blick bedeutend zu sein: Die Kritik, die Hegel in der „Differenzschrift“ zwei Jahre später vorbringen wird, scheint abgeschnitten zu sein: dass das System mit dem absoluten Sich-Setzen beginnt und mit dem absoluten Sich-setzenSollen endet und daher nicht in sich kreist. Aber die Kritik gilt, wie für die „Grundlage“ von 1794/95, so auch für die „Sittenlehre“ von 1798: Am Anfang der WL steht das absolute Ich, am Ende steht das bloße Sollen, die kategorische Pflicht, möchte ihr auch die Verheißung des Erfolgs, die Versicherung des Anschlagens in einem Reich der Freiheit einwohnen. Am Anfang steht das absolute Sein, das Ende gibt sich mit dem absoluten Werden oder dem Absolut-Werden zufrieden. * Fichte ist denn auch über die moralische Weltordnung hinausgegangen, mit neuen Systemansätzen. Am Ende seiner Systementwicklung hat er sein Systemglück in einem Stufensystem gesehen, wahrscheinlich in Anlehnung an Schelling: In der Spätphilosophie konzipiert Fichte weiterhin die von der Menschheit
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dem Pflichtensystem gemäß konstituierte Welt, aber sie ist ihm nun nur noch das Bild des Absoluten, ein bloßes Bild, nicht einmal ein Abbild. Da kann das Schweben der Welt zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit dem eigentlich seienden Absoluten nichts anhaben. Es selbst steht nicht im Widerspruch von Unendlichkeit, Absolut-Sein und Absolut-sein-Sollen. Diese Paradoxie ist Signum der Menschheit und Menschenwelt. Das Wissen, so sagt die späte WL, ist das Erscheinungs-Bild des Absoluten. Es weist ursprüngliche Gehalte auf: inhaltlich bestimmte normative Realitätselemente. Die Menschheit soll sie als Erscheinung und als Bild Gottes, als Bild Gottes außer Gott, in ihrem Leben zur Geltung bringen.
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IX Friedrich Wilhelm Joseph Schelling IX.1 Leben und Werke Am Anfang der Schelling-Darstellung muss ein kurzer Überblick über Leben und Werke stehen, und zwar so, daß v.a. Schellings Denktypus und sein Denkweg vor der Interpretation der ausgewählten Hauptwerke erkennbar wird. Der Werkdurchgang soll auch verständlich machen, warum wir nur bestimmte Werke besprechen. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) hat Fichte um 40 Jahre überlebt, Hegel um mehr als 20 Jahre. Die Frühschriften von Karl Marx fallen noch in die Lebenszeit Schellings. Mit 15 „Jahren ist Schelling Theologiestudent im Tübinger Stift. Hier studiert er zwei Jahre Philosophie, drei Jahre Theologie. Er hat drei Jahre mit Hegel und Hölderlin im Tübinger Stift verbracht, auch als Zimmergenosse. Die Magisterarbeit, mit der er das philosophische Studium abgeschlossen hat, behandelt den „Ursprung der menschlichen Übel“. Man erkennt hier ein ursprüngliches Interesse an Fall, Erlösung und Versöhnung, also am Kommen des Reiches Gottes. Schelling hat 1793 eine Studie „Über Mythen, historische Sagen und Philosopheme der ältesten Welt“ veröffentlicht. Hier zeigt sich schon das Interesse an Mythologie, das Jahrzehnte später zur „Philosophie der Mythologie“ führen wird. Der junge Schelling beschäftigt sich u.a. mit Giordano Bruno, Spinoza, Rousseau, Kant, Reinhold, Jacobi und Fichte. Er begeistert sich für die Revolutionsschriften Fichtes von 1793. Es sind dies die politischen Kampfschriften: „Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europens..“ und „Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Französische Revolution.“ Schelling rezipiert Fichtes „Versuch einer Kritik aller Offenbarung“ von 1792, Fichtes Jenaer Programmschrift „Über den Begriff der Wissenschaftslehre..“ und Fichtes „Grundlage der gesamten WL“. Schelling reagiert auf Fichtes Teilveröffentlichungen der WL mit eigenen Arbeiten, noch bevor Fichte selbst die Fortsetzungen erscheinen läßt. * Bisher ist bemerkenswert die Herkunft aus der Theologie, das frühe Interesse an Freiheit (Befreiung) und Mythologie und die
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ungestüme Produktivität in Auseinandersetzung mit neuesten Richtungen der Philosophie. Schelling wird Privaterzieher (Hofmeister) in Stuttgart und Leipzig. Hier betreibt er ein Studium der Physik, Chemie und Medizin. Es schlägt sich nieder in Arbeiten zur Naturphilosophie neben einer nochmaligen Erläuterungsschrift zur WL: „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ (1797), „Von der Weltseele..“ (1798), „Allgemeine Übersicht der neuesten philosophischen Literatur.“ (1797) An der Universität Jena lehrt Schelling von 1798 bis 1803 Philosophie, zunächst neben Fichte, der 1799 seine Stelle verliert. Von Schelling erscheint 1799 „Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie“. Zu Schellings Gesprächkreis gehören u.a. Goethe, Schiller, die Gebrüder Schlegel, Dorothea Veit, Caroline Schlegel (die er 1803 heiratet) und Ludwig Tieck. * Im Jahre 1800 veröffentlicht Schelling sein erstes Hauptwerk „System des transzendentalen Idealismus“. Es soll Transzendentalphilosophie sein, als komplementärer Systemteil zur vorangehenden Naturphilosophie: wie wir zu erläutern haben. Schelling ist im Jahre 1800 in Bamberg, zu medizinischen Studien und naturphilosophischen Vorträgen. Um diese Zeit zerbricht die Freundschaft mit Fichte. Schelling stellt sich mit Hegel gegen Fichte, Schelling in der identitätsphilosophischen „Darstellung meines Systems der Philosophie“ (1801), Hegel in den Schriften „Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie“ (1801), „Glauben und Wissen“ (1802). Mit Hegel gibt Schelling das „Kritische Journal der Philosophie“ heraus. Schelling lehrt von 1803 bis 1805 in Würzburg. An weiteren Abhandlungen aus dieser Zeit sind zu nennen: „Philosophie der Kunst“ (1802), „Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums“ (1803), „Philosophie und Religion“ (1804). Von 1806 bis 1820 hält sich Schelling in München auf, wo er Generalsekretär der Akademie der bildenden Künste wird. In schneller Folge erscheinen noch: Aphorismen zur Naturphilosophie (1806), „Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zur verbesserten Fichteschen Lehre“ (1806), ein Hauptdokument für den Vergleich Fichte-Schelling. *
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Eine neue Produktionsphase wird in München eingeleitet, unter dem Einfluß theosophischer Literatur von Böhme bis Baader mit den „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit..“ (1809). Wir konnten bisher zwei Produktionsphasen unterscheiden: die Fichte-Rezeption 1794-1800 und die naturphilosophischtranszendentalphilosophische Identitätsphilosophie ab 1800. Mit der Freiheitsschrift von 1809 beginnt die lange Zeit theokosmogonischer Entwürfe, zunächst mit den „Weltaltern“. Dies ist der Versuch, die Geschichte des Absoluten in die Epochen Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft zu gliedern. Die Theokosmogonie - Gott als sich und die Natur erzeugend - bleibt Schellings philosophischer Horizont für die nächsten 40 Jahre, bis zu seinem Ende. Die Spätphilosophie geht nicht über die Theokosmogonie hinaus, sie gibt ihr nur die endgültige Gestalt: mit der Einteilung der Philosophie in negative und positive Philosophie. Dies ist eine Einteilung in Theokosmogonie, die zuerst auf lehrreiche Weise scheitert, versagt und in Selbstkritik endet, genau damit aber erkennt, wie sie möglich ist: als Realphilosophie der Offenbarungstatsachen. Das Festhalten an der Theokosmogonie erklärt Schellings geringen Erfolg in Berlin. Er wird 1841, 10 Jahre nach Hegels Tod, an die Berliner Universität berufen, nach Aufenthalten 1821-27 in Erlangen, 1827-41 wieder in München. 1798-1803 Jena 1803-05 Würzburg 1806-1820 München (Generalsekretär der Akademie der bildenden Künste) 1821-27 Erlangen 1827-41 München (Universität) 1841-54 Berlin Von Schelling erhoffte sich Friedrich Wilhelm IV die Vernichtung der „Drachensaat des Hegelschen Pantheismus“, eine Stärkung der theologischen Orthodoxie. Die Alt- und Junghegelianer erwarteten einen Angriff auf Hegel. Sie dachten, der HegelVorläufer werde über seinen Thronerben zu Gericht sitzen. Und sie hofften, daß ihr Hegelianismus als die wahre Hegel-Revision durch den Schelling-Hegel-Prozeß nur bestätigt würde.
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Alle Erwartungen wurden enttäuscht. Alle Hörer wurden gelangweilt: durch Schellings Theokosmogonie, die er mit Christologie und Eschatologie verband. Kierkegaard fand: „Schelling salbadert grenzenlos .. Ich verlasse Berlin und eile nach Kopenhagen“. Ruge urteilte: „Alles die niederträchtigste Scholastik und immer aus der Absicht heraus, Hegel so zu verballhornen, daß man nicht merkt, wie er ihn benutzt, um das verwünschte Christentum mit allen seinen Absurditäten zu beweisen und zu konstruieren.“ Feuerbach sprach in einem Brief vom „Non plus ultra absurder Theosophistik“. Allgemein wurde von einer „philosophia secunda“ gesprochen. Der Eindruck herrschte vor, die zweite Philosophie Schellings nach dem 40 Jahre zurückliegenden Identitätssystem sei auch zweitrangige Philosophie. Dieses Urteil ist heute weniger verbreitet. Die Schellingschen Produktionsphasen werden anders bewertet. Die Zeitgenossen sahen Schellings überragenden Beitrag im Identitätssystem als Einheit von Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie. Seit einigen Jahrzehnten findet die Theokosmogonie größere Beachtung, die Philosophie der Mythologie und Philosophie der Offenbarung, die negative und positive Philosophie (die er selbst auch mit „Existenzialphilosophie“ überschrieben haben soll). * Denktypus und Denkweg Schellings werden oft mit der Bezeichnung des philosophischen „Proteus“ angedeutet. Das eigentlich Faszinierende an Schelling aber ist nicht das Proteushafte, sondern die Lebendigkeit, schöpferische Wandlungsfähigkeit und Vielgestaltigkeit bei insgeheim durchgehender Einheit. Der Proteus-Vergleich wird dieser Eigentümlichkeit nicht gerecht. Schellings Philosophieren ist auf verborgene Weise unter den wechselnden Fassungen zielstrebig. Es scheint einem Urimpuls zu folgen, der ihm Kontinuität sichert. Schelling scheint von Anfang an, schon in der Fichte-Rezeption, einen eigenen Mittelpunkt des Fragens und Antwortens zu haben. Schelling scheint um einen Festpunkt in sechs Jahrzehnten immer weiter ausgreifende und zugleich immer engere Gedankenzüge zu wagen. Nach Schellings Selbsteinschätzung ist mit ihm nicht nur das Denken, sondern die menschliche Existenz und die Welt auf die endzeitliche Schwelle des sich von sich her offenbarenden Absoluten gelangt. Schellings Philosophieren aber bleibt Philosophie. Sein Denken ordnet sich dem Geist der Religion unter,
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wenn es auch die Erwartung hegt, daß das Indifferentwerden der philosophischen Theorie und der Religion nahe ist. Nicht aber kommt es Schelling in den Sinn, sein philosophisches Denken als die Endgestalt des Absoluten zu verstehen, als Ort der Selbstvollendung des Absoluten. Schelling wagt nicht einmal, den künftigen Zustand zu beschreiben, den Zustand, der durch den Sohn und sein Opfer wiederermöglichten geistigen All-Einheit. Schellings Philosophieren versagt sich Antizipationen des allversöhnenden Handelns des Absoluten, als seien dem endlichen Geist die Wege des unendlich freien Absoluten durchschaubar. Mit diesem Standpunkt einer im wissenden Nichtwissen selbstkritischen Metaphysik, mit den Schwierigkeiten dieses Standpunktes nämlich, hängt es zusammen, daß nach der Freiheitsschrift von 1809 die Flut der Schellingschen Publikationen abbricht. Schelling beginnt mit der Arbeit an den „Weltaltern“. Aus dieser unveröffentlichten Theokosmogonie ist die Spätphilosophie hervorgegangen, und zwar aufgrund einer methodologischen Besinnung genau auf das Konzept der „Weltalter“. Es war die Erkenntnis, daß eine solche Theokosmogonie, eine Geschichtsbetrachtung des sukzessive werdenden Absoluten, nur ein Gedankenspiel sein kann: in Anbetracht der Ewigkeit des Absoluten. In Ergänzung des reinen Denkens muss daher die Existenz des Absoluten von ihm selbst her dem Denken oder vielmehr dem Denkenden offenbar werden. Daher nimmt die Spätphilosophie Schellings den Standpunkt der Selbsttranszendenz des Wissens ein, den Habitus der selbstkritischen Offenheit für das sich offenbarende Absolute, dessen intellektuale Anschaubarkeit von seinem Sich-zur-Gegenwartbringen erhofft wird, glaubend erwartet wird und aus den mythologischen Bewußtseinsspuren der Theokosmogonie Bestätigung erfahren soll.16 Das „Weltalter“-Programm musste aus internen Gründen fragmentarisch enden. Es konnte nur bis zu gewissen Grundzügen der Gegenwart gedeihen, weil die Zukunft des Alls zu prognostizieren die Freiheit des Absoluten mißachtet.
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Zur negativen und positiven Philosophie siehe Hans Michael Baumgartner/Harald Korten, Friedrich Wilelm Joseph Schelling, München 1996, 211-218: Verf., Kants Philosophie der Erkenntnis, Würzburg 1997, 817-835.
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IX.2 Schellings frühe Schriften Schellings erstes Hauptwerk ist das „System des transzendentalen Idealismus“ von 1800. Es bildet das transzendentalphilosophische Gegenstück zur Naturphilosophie im Rahmen einer identitätsphilosophischen Konzeption. Schelling glaubt noch, daß die Identitätsphilosophie in zwei Abteilungen verzweigt werden muss. Ein Jahr später hat er zu einer Darstellung angesetzt, dem sog. „Identitätssystem“, das Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie einbefaßt. Schellings erste Schriften sind so experimentell und unausgereift, daß in diesem Überblick davon abgesehen werden kann. Es sollen auch nur ein paar Blicke auf die identitätsphilosophische Versuchsreihe geworfen werden. Schelling strebt von Anfang an unter dem Einfluß von Reinhold und Maimon hin zu einer Einheitsphilosophie, in der anders als bei Kant das Unbedingte im menschlichen Wissen aufgewiesen, nicht bloß als ein Wissensjenseitiges postuliert werden soll. Fichtes „absolutes Ich“ scheint ihm die Richtung zum wissenskonstitutiven Absoluten zu weisen. Man muss es nur richtig auffassen: als SubjektObjekt-Identität, die sowohl Inhalt intellektualer Anschauung als auch Ideal einer approximativen praktischen Realisation ist. Es ist leicht zu sehen, daß die Konzeption in sich widersprüchlich ist. Die Subjekt-Objekt-Identität, die selbst unbegreiflich ist, kann nur entweder intellektuale Anschauung oder praktisches Ideal sein. Man sieht, daß Schelling mit der Bestimmung des absoluten Ich als „intellektuale Anschauung“ die unmittelbare Gegenwart des Absoluten systemfest machen möchte, daß er aber der praktisch-idealisierenden Konzeption des Absoluten mit ihrer größeren Lebensnähe nicht widerstehen kann. Das beste Beispiel sind die „Briefe über Dogmatismus und Kritizismus“ von 1795. Hier behauptet Schelling zweierlei, das zum Bekanntesten aus seiner Philosophie gehört. Die erste Behauptung lautet: Kants „Kritik der reinen Vernunft“ ist ein „Organon aller Systeme“. Denn die KdrV untersucht die Synthesis des Subjektiven und Objektiven und sie stößt auch zum Gedanken der Subjekt-Objekt-Identität vor. Sie denkt am Ende das Unbedingte, die omnitudo realitatis, das ens entium, ens necessarium, ens perfectissimum. Aber sie läßt die Frage offen, ob das Unbedingte als Ich oder als Nicht-Ich zu verstehen ist. Die KdrV
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steht neutral zur Idealismus-Realismus-Frage. Diese Frage, so lautet die zweite Hauptthese der „Briefe“, betrifft das Systemprinzip, und in dieser Frage kann nicht mehr theoretisch argumentiert werden. Die Wahrheit ist nur eine, nur das idealistische System des absoluten Ich ist wahr. Aber zu dieser Erkenntnis kommt man nur, wenn man sich zur „Freiheit der Selbstanschauung“ im individuellen, persönlichen Leben aufgeschwungen hat. Jedes System „trägt den Stempel der Individualität an der Stirn: „Welche von beiden Lösungen des Systemproblems, das absolute Ich oder das absolute Nicht-Ich, wir wählen, dies hängt von der Freiheit des Geistes ab, die wir uns erworben haben. Wir müssen das sein, wofür wir uns theoretisch ausgeben wollen..“ (SW I 304, 308) Diese Sätze könnten auch bei Jacobi stehen, und ähnliche Sätze finden sich in der „Grdl.“ und im „Versuch einer neuen Darstellung der W.L.“ Schelling gibt dem praktischen Idealismus den Vorzug, d.h. der praktisch freiheitstätig errungenen Selbstanschauung der eigenen Absolutheit des Ich. Aber nichts an dieser Konzeption ist durchsichtig. Denn das absolute Ich soll ja andererseits bloßes Strebensziel sein, erst zur Gegenwart kommen: auf dem Wege einer sukzessiven Auflösung alles Objektiven in der Subjekt-Objekt-Identität. Wie bei Fichte ist das absolute Ich einerseits Grundlage des Wissens vor dem Wissen, andererseits bloßes Ideal im Wissen. * Mehr Interesse sowohl von philosophischer Warte als auch in systemgeschichtlicher Hinsicht verdient die Abhandlung von 1796/97 „Allgemeine Übersicht der neuesten philosophischen Literatur.“ Hier gibt Schelling zum ersten Mal mehr als eine bloße Programm- oder Projektskizze. Er will die Überlegenheit der Fichteschen Philosophie gegenüber allen zeitgenössischen Positionen dartun. Fichtes Philosophie soll als die einzig wahre Weiterführung der Kantischen Philosophie gewürdigt werden, in einem Vergleich mit Kant und mit einigen mehr oder weniger orthodoxen Kantianern (Reinhold, Beck). Und zwar soll ein konkreter, problembezogener Vergleich angestellt werden. Die Abhandlung gibt sich als Fichte-Apologie, und sie versteht sich wohl auch so. Dem Anschein nach wird Fichtes „absolutes Ich“ zugrundegelegt.: der „menschliche Geist“, „unser schaffender Geist“, das „reine Selbstbewußtsein“. Und zwar soll „Geist“ heißen, was nur sein eigenes Objekt ist. (I, 366) Auch
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wird von der „geistigen Natur“ ausgegangen. Die „geistige Natur“ wird als „individuelle Natur“ verstanden und im Sinne der individuellen Natur als „Ichheit“. Schellings Prinzip wäre demnach das, was im Individuum die Ichheit, die Natur, die gesetzmäßige Struktur des Geistes ausmacht. Standpunkt wäre das Individuum mit seiner Vernunftverfassung. Man fühlt sich aber in eine andere als die Fichtesche Gedankenwelt versetzt. Bei allen äußeren Anklängen in der Terminologie scheint Schellings Grundkonzept vom sog. „subjektiven Idealismus“ wegzustreben, es scheint zum objektiven und vielleicht sogar zum absoluten Idealismus zu tendieren. Schelling scheint neben der subjektiven Subjekt-Objekt-Identität und ihr übergeordnet eine objektive, außerhalb des Individuums bestehende Subjekt-Objekt-Identität anzunehmen, vielleicht sogar die Eine absolute Subjekt-Objekt-Identität. Das Neue scheint sich nicht daruf zu beschränken, daß Schelling mehr als Fichte bemüht ist, äußere Natursachverhalte zu deduzieren, noch mehr positive Elemente in die Transzendentalphilosophie aufzunehmen. Schon die Benennung des Ur-Prinzips als „Geist“ deutet eine neue, metanthropologische Perspektive an. Gewiß hatte auch Fichte vom „Geist“ gesprochen. Die WL wollte in ihrer Durchführung den „Mechanismus des Geistes“ freilegen. Gewiß spricht andererseits Schelling vom „menschlichen Geist“. Aber i.a. heißt es „Geist in uns“, und diese Ausdruckweise läßt „uns“ und damit das Ich am Geist bloß partizipieren. Das Ich und Wir werden als Produkt des Geistes und seiner objektiven Entwicklung angesehen. Es ist aber schwierig, Schellings Hauptprinzip genau zu charakterisieren. Es scheint nicht eindeutig gefaßt zu sein. Die „Natur des Geistes“ soll darin bestehen, daß die ursprüngliche absolute Identität mit der Tendenz verbunden ist, sich mit sich zu identifizieren. Aufgrund dieser Tendenz soll dem Geist eine duale Struktur eigen sein: eine Verbindung von Unendlichkeit und Endlichkeit. Andererseits wird so gesprochen, als sei dies gar nicht das ursprüngliche Wesen des Geistes, sondern vielmehr schon ein Wesensverlust. Man fühlt sich an Fichtes unverständliche Erklärung im dritten Teil der „Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre“ erinnert, daß sich im absoluten Ich etwas Fremdartiges hervortun soll. Ursprünglich ist auch für Schelling zwei Jahre später der Geist rein unendlich, eine unendliche Tätigkeit, die
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sich erst im Sich-Darstellen verendlicht, so daß das Bestreben des Geistes darauf geht, sich aus der Endlichkeit heraus in seiner Unendlichkeit wiederzugewinnen. Dieses Bestreben wird auch mit einem moralischen Habitus gleichgesetzt, wenn auch nicht so, daß man an das moralische Verhalten des Individuums unter dem Kategorischen Imperativ denkt. Eher kommt einem der „heilige Wille“, der vollkommene Wille im Kantischen Verstande in Erinnerung. Drei „Geist“begriffe scheinen miteinander zu konkurrieren: 1. der Geist als unendlich an sich, als eigentlich oder seiner engeren Natur nach unendlich, 2. der Geist als seiner weiteren Natur nach von Dualität affiziert und zur absoluten Identität zurückstrebend, 3. der Geist als absolute Sittlichkeit, als intelligibler Charakter, nicht so sehr als „Triebwerk“ oder Handlungsmechanismus. Man weiß nicht, wie nun genau Schelling den „Geist“ versteht: als Subjekt-Objekt-Indifferenz, als bloße Subjekt-Objekt-Identität (als Identität in der Differenz von Subjekt und Objekt), oder als Ur-Person. Die dem Prinzip der Philosophie entsprechende Uneindeutigkeit liegt über der philosophischen Methode. Zwei Methodenansätze sind zu erkennen: 1.) der Geist soll intellektualer Anschauung zugänglich sein, einer unmittelbaren, nicht-diskursiven Einheit von Denken und Anschauen. Er soll „zugleich Original und Copie“ sein, und davon soll sich noch etwas erhalten in der empirischen Anschauung. 2.) Ein indirekter Beweis soll für die Natur des Geistes möglich sein. Man fühlt sich an Descartes erinnert, an den Gottesbeweis der 3. Meditation aus der „realitas obiectiva“: Unsere Idee der Unendlichkeit soll auf reale Unendlichkeit verweisen. Als rein endliche Wesen könnten wir diese Idee nicht besitzen. Undeutlich aber ist wieder der Bezug des endlichen Vernunftwesens auf Unendlichkeit: Haben wir Anteil am Unendlichen, oder hat die Unendlichkeit Anteil an uns? Ist die Unendlichkeit ein Wesenszug des menschlichen Geistes? Oder ist der menschliche Geist Erscheinung, Produkt, derivativer oder evolutiver Modus des unendlichen Geistes?
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Was nun aber auch der „Geist in uns“ bedeuten mag: Schelling führt auf seine Selbstobjektivation und Selbstidentifikation die Natur zurück, mit ihren Entwicklungsstufen von der rohen Materie bis zur Organisation und zum Leben. Genauso erklärt er aus dem dynamischen Selbstverhältnis des Geistes den Schichtenaufbau des Bewußtseins, das immer reiner Werden des Bewußtseins bis hin zum Selbstbewußtsein, angefangen bei der selbstverlorenen Anschauung bis zur Freiheit der Abstraktion, der künstlerischen Produktion und dem moralischen Wollen und Handeln. Alles: die äußere Ordnung der Natur und die innere Ordnung des Bewußtseins, erklärt sich aus der Tendenz des Geistes, sich in seinem Urwesen anzuschauen, d.h. in seiner Subjekt-Objekt-Identität. Das All erklärt sich aus dem Sich-Suchen und Sich-Wollen des Geistes. Die selbstverlorene Naturanschauung erklärt sich insofern aus der elementaren Reflexivität des Geistes oder aus seiner ursprünglichen Sich-Verendlichung, als die Reflexivität nicht in einem auch noch reflexiv sein kann. Das Sich-Verendlichen durch die Reflexion kann sich nicht selbst eodem actu, auf der Stelle reflektieren, durchschauen, nach dem Gesetz, das schon vor Fichte und Schelling zum psychologischen Lehrbuchwissen gehörte. Daher das blinde Anschauen, das unverstandene (uninterpretierte) Einssein im Anschauen mit dem Ding. Erst in der Aneignung der bewußtlosen Naturproduktion kommt es zur Differenzierung zwischen dem ich als Subjekt und dem Ding als Objekt. Alle diese Gedankenmuster haben wir bei Fichte angetroffen: Durch Spontaneität reißen wir uns von der primordialen Anschauung los, gehen wir über zur Anschauung der Anschauung als der Abstraktion, der abstrakten Begriffsbildung. Erst in der Abstraktion erfahren wir den Gegensatz von Anschauung und Begriff, und zwar als einen korrelativen Gegensatz. Damit soll Kants Ausspruch „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ eine Erklärung finden. Die Eine Wurzel der beiden Erkenntnisstämme soll mit der Einen Natur des Geistes entdeckt sein: In der Natur des Geistes als der sich verendlichenden absoluten Reflexion sind absolute Identität und Tendenz zur Selbstidentifikation miteinander verwoben. Das Anschauen entstammt dem sich begrenzenden Sich-Anschauen des Geistes. Der Verstand, der Begriff, das Begreifen erklärt sich aus der Selbstobjektivation des Geistes, sofern sie um der
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Selbstidentifikation willen wieder objektiviert wird. Das Begreifen kommt aus dem sich ent-grenzenden Anschauuen. Der kritisch Mitphilosophierende wird allerdings fragen, ob nicht Schellings Freilegung der Bewußtseinswurzel nur eine Erneuerung des Problems ist: Wird nicht die Kantische Doppelstämmigkeit in das Erklärungsprinzip einfach zurückverlegt: Das Erklärungsprinzip ist der Geist, der auf dunkle Weise zugleich absolute Identität und bloße Selbstidentifikation ist. Wie bei Fichte, und wohl mehr noch als bei Fichte, wird aber aus einem obskuren Prinzip eine faszinierende Theorie entwickelt, die der späte Fichte und Hegel fortgeführt haben, in der Terminologie des Darstellens, Sich-Darstellens, die Fichte selbst in den „Eignen Meditationen“ von 1793, dem ersten Systementwurf, gewählt hatte: Der sich reflektierende, sich darstellende Geist setzt in seiner Selbstverlorenheit nicht nur die Natur. Er stellt auch in der Natur auf selbstverloren naturhafte Weise sein unendliches Bestreben dar, sich selbst anzuschauen, wiederzugewinnen. Was die Seele in der Natur anschaut, ist ihre eigene sich entwickelnde Natur. Die vorhandene Natur reflektiert dem, der Spuren zu lesen weiß, den Weg des Geistes zum Selbstbewußtsein: „Die äußere Welt liegt vor uns aufgeschlagen, um in ihr die Geschichte unseres Geistes wieder zu finden.“ * Schellings erster Systemabriß ist die Literaturübersicht von 1796/97. Hier kann man viele Elemente des Schellingschen Systems in ihrer ursprünglichen Gestalt erkennen. Das Systemprinzip ist „der Geist“, Subjekt-Objekt-Identität, die sich reflektiert, sich sich selbst darstellt. Der sich reflektierende, sich darstellende Geist krankt notwendigerweise an Selbstverlorenheit. Die Natur ist mit ihren Grundverhältnissen ein Denkmal der Odyssee des Geistes. Die Natur ist eine Sammlung von Denkmälern und Denkmalen des sich reflektierenden Geistes. Man sieht Schellings Bemühen, die All-Einheit theoretisch zu durchdringen: Das All ist nur selbstverlorene Selbstdarstellung des Geistes, das All ist Selbstobjektivation und Selbstprojektion der Selbstwerdung des Geistes. So wird die Naturverfassung begreifbar: Die Räumlichkeit, die räumliche Weite, ist Symbol der Unendlichkeit des Geistes. Die Zeitlichkeit, das Kommen und Gehen, ist Symbol der Endlichkeit. Die Bewegung symbolisiert den stetigen Fortgang des Geistes. Die Ursache-Wirkungsfolge, als die gesetzmäßige Folge, symbolisiert die
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gerichtete, zielvolle Selbstfindung des Geistes. Die Produktivität, die wir „Kraft“ nennen, symbolisiert die Spontaneität des Sich-Anschauens des Geistes. Die Organisation, der zweckmäßig in sich zurücklaufende Funktionskreis, symbolisiert den Kreisgang des Geistes: „Daher ist in jeder Organisation etwas Symbolisches und jede Pflanze ist, so zu sagen, der verschlungene Zug der Seele.“ Dies meint: Die Pflanze ist materialisierter Geist, das Sich-in-sich-Zurücknehmen, Sich-Anziehen des Geistes zusammengezogen in einem objektiven Individuum, das SichIndividuieren objektiv individuiert. Schelling spricht vom „Geist der Natur, der allmählich die rohe Materie sich selbst anbildet. Vom Moosgeflechte an, an dem kaum noch die Spur der Organisation sichtbar ist, bis zur veredelten Gestalt, die die Fesseln der Materie abgestreift zu haben scheint, herrscht ein und derselbe Trieb, der nach einem und demselben Ideal von Zweckmäßigkeit zu arbeiten, ins Unendliche fort ein und dasselbe Urbild, die reine Form unsereres Geistes, auszudrücken bestrebt ist.“ (SW1,387) Die Selbstdarstellung des Geistes kommt in den Naturprodukten, Selbstanschauungs-Produkten ans Ziel, die ihm sein Wesen in relativer Reinheit vor Augen führen. Es sind die Produkte des Wollens, es ist das Wollen selbst, als Selbstbestimmung. Das Wollen, dieser „Schwung“ über alles Endliche hinweg, befähigt auch allererst zur Theorie. Das Wollen nämlich ermöglicht das Urteil, die spontane Zuordnung der Anschauungs- und Begriffsgehalte. „Wollen“, Auf-sich-Handeln, Sich-Bestimmen, Selbstgestaltung ist der Ursprung von allem: Ursprung des Auseinandergehens des Realen und Idealen, der Theorie und der Praxis, der Natur und der Naturbeherrschung. Im Ur-Wollen des Geistes liegt die ganze Idee des Universums enthalten. In der unaufhörlichen Erneuerung des Wollens, im unendlichen Sich-selberWollen entwickelt sich der Geist zum offenen System des Seienden. Damit beweist sich „Autonomie“ als Wirklichkeitsgrund und Mitte der Philosophie. Schon die theoretische Philosophie, die Gegenstand und Vorstellung unterscheidet und nach dem synthetischen Zusammenhang, der Zusammenstimmung dieses Realen und Idealen fragt, ist im Wollen verwurzelt, im Handeln, im frei vollzogenen Sich-Losreißen aus der ursprünglich blinden, objektverlorenen Anschauung.
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* Aus der Literatur-Übersicht von 1796/97 verdient auch dieser Gedankenkomplex Erwähnung: Schellings Erörterung des Bösen. Schelling deduziert das Böse als eine notwendige Erscheinung. Der unendliche Wille kann sich nur mit sich identifizieren, sich vor sich hin als Erscheinung stellen, wenn er sich durch den Gegensatz mit einem verkehrten Wollen und Handeln faßbar macht. Der Geist muss das, was er vor sich hinstellt, objektiv setzt, auf objektivitätskonforme Weise setzen. Das Gesetz oder Signum der Objektivität aber ist Differenz, Gegensatz, Entgegensetzung. Der Geist muss also seine Ur-Natur, sein Ur-Wollen, sein Abzielen auf absolute Identität, dem Gesetz der Differenz gemäß setzen. Also bildet der Geist sein Urwollen in der Willkürfreiheit als in sich differenter Wahlfreiheit ab. Der Geist schematisiert sein Urwollen in einem Willen, der sich auch für Differenz, gegen Identität, zu entscheiden vermag. Von daher ist denn auch das Urwollen in der Erscheinung ein zur Identität Genötigtsein. Das Urwollen erscheint als Identität-Vorschreibendes Sollens. Schelling glaubt auch in diesem Problem die Kantische Philosophie weiterzuführen. Kant hatte soeben noch, in der „Metaphysik der Sitten“, die im Januar 1797 zu erscheinen anfing, praktische Vernunft und Willen gleichgesetzt. Freiheit besteht für Kant darin, daß Vernunft praktisch wird, also Allgemeinheit und Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit realisiert wird. Kant hatte vom freien Willen, der praktischen Vernunft, die dadurch bestimmbare Willkür unterschieden, die persönliche Grundsatzbildung, Maximenbildung. Kant hatte zugegeben (eigentlich gegenüber Reinhold), dass im Bereich der Maximenbildung eine Wahlfreiheit zum Guten oder Bösen in Erscheinung trete, Phänomen sei, wofür er aber keine Erklärung habe. Schelling gibt diese Erklärung, im Rückgang auf das sich erscheinungsgesetzlich zur Erscheinung bringende absolute Wollen. In einem theoretischen Duktus gelangt Schelling vom Absoluten über das Moosgeflecht bis zum Bösen. Aber kann man ihm folgen? Kann man mit ihm die Wahlfreiheit zum Bösen anerkennen, wenn der Anfang des Systems so undurchsichtig ist? Wenn man nicht versteht, inwiefern der absolute Geist eigentlich reine Tätigkeit und andererseits bloßes Wollen, Sich-selber-Wollen sein kann? Was und wieviel erklärt Schelling, wenn er nicht zeigen kann, wie es Hegel für sich beansprucht hat, daß die
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verendlichende Reflexion, statt vom Absoluten wegzuführen, vielmehr die Art seines Selbstvollzuges ist? IX.3 Schellings Konzeption der Naturphilosophie 1797-1800 Schelling führt die Natur auf das Streben des Geistes, d.h. der absoluten Identität, nach Selbstbewußtsein zurück, so in der Allgemeinen Literaturübersicht und in den „Ideen zu einer Philosophie der Natur als Einleitung in das Studium dieser Wissenschaft“ von 179717. Schelling wird diesen Ansatz der Naturphilosophie festhalten: Die Natur sichtbare Selbstwerdung des Geistes, der Geist unsichtbare Natur. Die Natur symbolische Darstellung der Selbstsuche des Geistes, Sinnbild des Weges, der ihn aus der an-schauungsverlorenen Selbstverlorenheit zum Selbstbewußtsein führt. Schelling unterstützt diesen Naturbegriff, für den er intellektualanschauliche Evidenz beansprucht, auch damit, dass er auf Gegebenheiten in der Natur hinweist, die sich der empirischen Naturwissenschaft entziehen. Es sind dies v.a. zwei Argumente: Die Materie und die materiellen Grundkräfte bilden Einen komplexen Sachverhalt, so daß weder eine Erklärung der Grundkräfte aus der Materie noch eine Erklärung der Materie aus den Grundkräften in Betracht kommt. Zur Erklärung der Materie und der Grundkräfte muss über die emprischen Sachverhalte und über die empirische Physik hinausgegangen werden. Und der Organismus verlangt mit seiner funktionalen Zweckmäßigkeit, mit der Einheit des Notwendigen und Zufälligen, die Deutung als objektiver Begriff, als der Natur inkorporierte Vernunft. In der Literaturübersicht von 1796/97 und in den „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ von 1797 erklärt Schelling solche Phänomene noch aus der Natur unseres Geistes, mit dem „Geist in uns“. Er verläßt noch nicht im Ganzen die egologische Perspektive. Man kann die Interpretation nicht zwingend widerlegen, die zu dem Ergebnis kommt, für Schelling sei noch, wie für Fichte, die Natur nur eine kleine Region des je individuellen Bewusstseins und Selbstbewusstseins.
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WBG, Ausgewählte Werke, Schriften von 1794-1798, Darmstadt 1967, 333-397.
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Ein anderes Bild bietet „Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie“ von 1799. Hier vollzieht Schelling einen Bruch mit der Kant-Fichtischen Bewußtseinsphilosophie, mit dem „subjektiven Idealismus“. Er geht von der Philosophie des absoluten Ich über zur Metaphysik des ichhaften Absoluten. Er sucht der ethisch-anthropologischen Enge des Fichteschen Denkens zu entkommen. Sein Philosophieren stellt sich jetzt in den Standpunkt des absoluten Absoluten und der ihm entsprechenden intellektualen Anschauung. Die Wendung zur absoluten Metaphysik vollzieht Schelling in zwei Schritten: zuerst mit einer Nebenordnung von Naturphilosophie und transzendentalem Idealismus des Selbstbewußtseins, dann mit einem einzügigen monolithischen System. Es umfaßt die Naturphilosophie des objektiven Geistes als Unterbau und die Philosophie des subjektiven (selbstbewußten) Geistes als Stockwerk. Die Konzeption der komplementären Systemteile Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie liegt dem „Ersten Entwurf (des Sytems) der Naturphilosophie“ und dem „System des transzendentalen Idealismus“ (SI) zugrunde. Schelling nimmt zwei Entwicklungswege des Absoluten an, die je eigene Wissenschaften erfordern. Das Absolute, die „absolute Identität“ soll sich in Realität und Idealität disjungieren, aber nur, um aus dieser Entzweiung zu sich zurückzustreben, um die Idealität aus der Realität und die Realität aus der Idealität zu erreichen. Die absolute Produktivität soll von der Bewusstlosigkeit zur Bewußtheit und vom Bewußtsein zur Einheit mit der Bewusstlosigkeit führen. Schelling hat für die Konzeption zweier Grundwissenschaften nur eine dünne Begründung gegeben, und er hat sie auch alsbald selbst verworfen. Er ist sofort wieder von den zwei Grundwissenschaften abgerückt, die im Prinzip und in der Richtung entgegengesetzt sein sollten. Die Begründung in drei Argumenten ist schwach. Schelling weist darauf hin, daß man Einmischungen der Transzendentalphilosophie in die Naturwissenschaft als Anmaßung empfindet. Aber er verschweigt, daß ihm die empirische Naturwissenschaft nicht viel gilt, und daß die spekulative Physik noch gar nicht existiert, weil er sie erst begründen will. Schelling bringt vor, es sei nicht undenkbar, daß die absolute Produktivität zunächst als Natur in Erscheinung trete und dann im Menschen die Form des Denkens annehme. Aber dieses Argument zwingt nicht das zweizügige System auf. Diesem
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Verständnis der absoluten Produktivität genügt auch Fichtes Philosophie, Fichtes Erklärung der Natur aus dem „Mechanismus unseres Geistes“ und Fichtes „pragmatische Geschichte des Selbstbewußtseins“. Dass die absolute Tätigkeit erst als Natur, dann als Kultur in Erscheinung tritt, dies kann man auch mit Fichte zeigen. Daß die Natur vor der Kultur gesetzt wird, dies wird auch klar, wenn Fichte an fortgeschrittener Systemstelle die Subjekt-Objekt-Relation aus der Einbildungskraft erklärt, wenn er noch später das Selbstbewusstsein als absolutes Abstraktionsvermögen, und wenn er ganz zuletzt als Grundlage des Selbstbewußtseins das Sehnen nach einer ichgemäßen Wirklichkeit aufweist. Die moralisch-praktische Bestimmung des Menschen setzt bei Fichte eine Naturanschauung voraus, von der es sich loszureißen gilt. * Schelling selbst formuliert im SI, die sogenannte Natur sei nur unreife „Intelligenz“. In der Vernunft des Menschen kehre die subjekt-objekt-identische Natur in sich zurück, wodurch offenbar werde, daß die Natur in ihrem Ursprung mit dem Wesen der Intelligenz identisch sei. Bei Fichte und Schelling ist die Natur die erste Erscheinung des Geistes. Schelling also überwindet Fichte nicht mit Argumenten. Er ersetzt einfach Fichtes absolutes Ich durch die absolute Produktivität des absoluten Absoluten. Bei Schelling verhält sich das Ich, das menschliche Vernunftwesen, zum Absoluten nur als Erscheinung, als derivativer Modus. Es besitzt nur eine relative Absolutheit. Es bleibt das dritte schwache Argument zu erwähnen, das Schelling zugunsten des zweizügigen Systems aufbietet. Im SI sieht Schelling einen Unterschied zwischen Transzendentalphilosophie und Naturphilosophie darin, daß die Transzendentalphilosophie von der intellektualen Anschauung der SubjektObjekt-Identität ausgehe, während die Naturphilosophie diesen Anfang „willkürlich“ nehme. Mit diesem „Argument“ richtet Schelling noch weniger aus. Für eine eigenständige Naturphilosophie kann nichts unvorteilhafter sein, als eine willkürliche und abenteuerliche Wahl des Prinzips. Schelling dürfte von daher die Naturphilosophie eigentlich nur als „Historie“, als prinzipienloses Sammeln von Fakten gelten lassen. Nimmt man den „willkürlichen“ Anfang der Naturphilosophie ernst, dann disqualifiziert diese Charakterisierung die Naturphilosophie als Partnerin der
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Transzendentalphilosophie, als eine der Transzendentalphilosophie ebenbürtige Grundwissenschaft. Fazit: Schelling erzwingt bei der ersten eigenen Systembegründung den Parallelismus von Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie. Er hat denn auch sofort diese Konzeption aufgegeben. An der Metaphysik des absoluten Absoluten aber hat er festgehalten. Er hat sie mit dem Identitätssystem von 1801 neu in Angriff genommen. Aber auch dieser Systemversuch ist Fragment geblieben. IX.4 Schellings Naturphilosophie. Die Grundlehre Schelling hat v.a mit drei Werken zu seiner Zeit gewirkt. Diese Werke haben alle im Titel den Ausdruck „System“. Es sind: „Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie“ von 1799 und das „System des transzendentalen Idealismus“ von 1800, dann das Fragment von 1801 „Darstellung meines Systems der Philosophie“, als „Identitätssystem“ gemeinhin bezeichnet. Zuerst sieht Schelling zwei komplementäre philosophische Systeme vor: das System der Naturphilosophie und das System der Transzendentalphilosophie. Zwei Jahre später entwirft er das Eine Identitätssystem. Das fundamentale Erklärungsprinzip der Schellingschen Naturphilosophie ist die „Natur“ als Duplizität von Subjekt und Objekt innerhalb ursprünglicher Subjekt-ObjektIdentität. Insgesamt aber hat Schelling drei Voraussetzungen, aus denen er die Grundsachverhalte der Natur erklärt. Dies sind die Subjekt-Objekt-Identität als Urproduktivität, dann ihre reflexive Selbstreproduktion, und schließlich gewisse Hemmungen der Produktivität. Aus diesen Annahmen leitet Schelling ab, dass die Natur eine Sphäre von Produktivitätskonzentraten sein muss: dass es in der Natur den Raum gibt, der mit produktiven Materie-Elementen erfüllt ist. Es folgt weiter, dass in der Natur Qualität mit Intensität verbunden auftritt. Der zielstrebig sich suchende Geist der Natur kann nicht repräsentiert werden durch die bloße Ortsveränderung der Körper, und auch nicht durch die tieferliegenden Dichtigkeitsdifferenzen der Materie. Diese Feststellung richtet sich gegen Kant. Schelling will Kants „dynamische Materietheorie“ aus den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft“ (MAN) von 1786
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übertreffen. Kant kann, so Schelling, die Qualität der Naturobjekte nicht erklären. Dazu reichen Kants Erklärungsprinzipien nicht hin. Kant kennt nur an den Materie-Elementen die spezifische Repulsionskraft und die Attraktionskraft entsprechend der Masse. So aber bleibt die Qualität, das Qualitative, rätselhaft, noch ganz abgesehen davon, dass Kant den Ursprung der Materie, den Ursprung der Repulsionskraft, der Attraktionskraft und ihrer Zusammenstimmung nicht zu nennen weiß. Schelling kennt das Erklärungsprinzip der sichtbaren Natur. Es ist, wie schon angedeutet, der unsichtbare „Geist der Natur“, die urproduktive Subjekt-Objekt-Identität, verbunden mit Reflexion und mit Hemmungspunkten. Schelling setzt gegen Kants „dynamische Materietheorie“ seine „dynamische Atomistik.“ Die Natur spiegelt im Ganzen die Selbstsuche und Selbstfindung des Geistes wider. Die Natur lässt an den Hemmungspunkten in konzentrierter Form die Selbstwerdung des Geistes erkennen. Die Natur besondert sich in „Entelechien“, in qualitativen Konzentraten des zielgerichteten Gesamtprozesses. Für Schelling ist die sichtbare Natur ein riesenhafter Organismus, der sich in Organismen partikularisiert, in Organismen als Wiederholungen, Kontraktionen, und Expansionen des Naturganzen. Nach Lessing soll Leibniz so die göttliche Zentralmonade beschrieben haben, wie Jacobi im Spinoza-(Pantheismus)-Streit mit Mendelssohn ungläubig berichtet. Daher stammen Qualität und Intensität in der Natur. Die Natur ist, mit Spinoza zu sprechen, natura naturata, als Objektwelt, die von der natura naturans zu unterscheiden bleibt. Die sichtbare Natur erklärt sich aus dem Einen Streben des Absoluten nach Entindividualisierung, nach Indifferenz. Dieses Streben setzt aufgrund seiner gehemmten Reflexivität Individualität ab. Sein Nachlaß sind Organismen, Entelechien, Lebewesen. Jeder individuelle Körper hat eine eigene Differenz zur reinen Indifferenz. Dies ist seine Schwere. Daher ist das Universum ein Gravitationssystem. Jeder Körper gibt seine Schwere an andere Körper weiter, die ein anderes Indifferenz-Differenz-Gefälle enthalten, eine andere Schwere besitzen. Daraus folgt, dass die Schwere nicht proportional zur Masse ist, sondern dass umgekehrt die Masse ein äußerliches „Abstraktum der spezifischen Schwere“ abgibt. Die Masse ist äußerlich „hypostasierte spezifische Schwere“.
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Schwere ist der Anteil, den die Körper jeweils an der Art haben, wie das Indifferenzstreben des Absoluten erscheint, in der Selbstobjektivation sichtbar wird. Auf dieser Grundlage erklärt Schelling Magnetismus, Elektrizität und Organismus. Sie bilden die drei ersten Stufen des „dynamischen Prozesses“. Das Wesen des Magnetismus besteht darin, dass an einem einzelnen Körper schon aufgehobene Differenz (zur Indifferenz) wieder auflebt, wenn auch nur, um sofort wieder aufgehoben zu werden. Dies kann man an der unruhigen Magnetnadel im Zusammenspiel mit der Erde feststellen: erstens die Indifferentiierung, die Gravitation gegen den allgemeinen Indifferenzpunkt, den zentralen Schwerpunkt, die Aufhebung der einander entgegengesetzten Bewegungen, zweitens das Hervorbrechen der Differenz, die Gravitation gegen die Pole. Elektrizität ist tendentielle Indifferentiierung unter Voraussetzung von zwei Körpern, und zwar so, dass die Gegensätzlichkeit ein relatives Übergewicht hat, so dass sich ein Wechsel von Anziehung und Zurückstoßung ergibt. Chemismus ist die absolute Entgegensetzung der Naturprodukte, wodurch sie gegeneinander gravitieren. Dies heißt: Die absolut entgegengesetzten Naturprodukte streben einen gemeinsamen Indifferenzpunkt an, sie lösen sich ineinander auf. Allerdings würde sich die chemische Affinität so noch nicht ergeben. Zur Gravitation muss noch die Oxydation hinzukommen, als ein eigenes Affinitätsmoment: Der bei Reibung von Körpern weniger verbrannte Körper leitet, er ist Leiter und elektropositiv. Das All-Leben würde in reiner Tätigkeit verströmen; es käme nicht zu einer Objektwelt, und nicht nur dies, es käme auch nicht zur natura naturata, zu einer Besonderung des universellen Organismus, wenn nicht noch eine weitere Bedingung erfüllt wäre. Diese Bedingung des individuellen Organismus, des individuierten Wechsels von Kontraktion und Expansion, ist das Nebeneinander aktiver Natur-Produkte und unproduktiver Naturprodukte. Das All-Leben entzweit sich also in ein Leben i.e.S. und in ein relatives Nichtleben. Daher die organischen Eigenschaften: Sensibilität, Irritabilität (Reizbarkeit) und Reproduktivität. Sensibilität ist dies, dass der Organismus kein einfacher Durchgangspunkt des Naturprozesses ist, sondern ein verkleinertes Abbild des Groß-Organismus, ein Expansions- und Kontraktionszustand. Die Sensibilität der Natur manifestiert sich in
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der Erregbarkeit, im Reagieren auf Reize, in der „Irritabilität“. Reproduktion führt sich darauf zurück, dass sich der Organismus aus der Irritation (aus der Störung) von selbst wiederherstellt: durch Nutrition und geschlechterdifferente Indifferentiierung. Die Wesenszüge der organischen Sensibilität, Irritabilität und Reproduktion stehen in gesetzmäßiger quantitativer Korrelation. Steigt die Sensibilität bei Lebewesen, dann fällt bei ihnen die Irritabilität: Das Gehirn ist das sensibelste Organ, aber es ist am wenigsten in aufgereizter Bewegung. Steigt die Irritabilität, dann fällt die Sensibilität: Die Bewegungungen werden immer unwillkürlicher (diese Wesen rennen kopflos davon.) Steigt die Irritabilität im Vergleich mit der Sensibilität, steigt auch die Reproduktionskraft. Der Verlust an empfindlicher Selbstheit wird durch gesteigerte Reproduktion wettgemacht. Sinkt die Irritabilität bis an die Grenze der Unbeweglichkeit des Organismus, dann muss die Reproduktionskraft stärker hervortreten.18 IX.5 Das System des transzendentalen Idealismus A Theoretische Philosophie Die Transzendentalphilosophie soll zum ersten Mal nach Kant, Reinhold und Fichte als vollständiges System ausgeführt werden.19 Systemprinzip soll nicht die Natur, sondern das Selbstbewusstsein sein. Für das Systemprinzip „Selbstbewusstsein“ sprechen mehrere Argumente. Das Selbstbewusstsein ist inbesondere mit seiner Form-Stoff-Identität das ideale Systemprinzip (die Form ist hier der Gehalt). Es verhindert einen regressus ad infinitum bei der Begründung der Philosophie. Das transzendentalidealistische System geht aber nicht vom wirklichen Selbstbewusstsein aus, sondern vom ursprünglichen Ich, d.h. vom vorbewussten und vorzeitlichen Akt des Ich. Dies
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Schelling hat die Lehre von den organischen Kräften und ihrer quantitativen Proportionalität von K. Fr. Kielmeyer übernommen. In der Irritabilitätslehre (Erregungslehre) steht er unter dem Einfluß Albrecht von Hallers und demjenigen von John Brown (Elementa medicinae, 1780). Brown deutete die Krankheit als Unter- oder Übererregung. Schelling interpretiert die Irritabilität auch als Galvanismus. Galvani hatte durch Experimente „tierische Elektrizität“ nachweisen wollen. Ph. B. Meiner, Bd. 254
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ist verwirrend, denn so setzt auch die Naturphilosophie an. Schelling hatte Grund, schon ein Jahr später das Eine System der Philosophie zu konzipieren. Der Ursprung schließt einen Gegensatz ein. Das Ich gewinnt Bestand, es lebt aus dem Gegensatz einer unbegrenzten, aber begrenzbaren Tätigkeit und einer unbegrenzt-unbegrenzbaren Tätigkeit. Beide sollen Anschauungstätigkeiten sein. Der Urgegensatz im Ich fordert eine Reihe von Vermittlungshandlungen heraus. Allein dies aber, dass es einen Urzustand des Ich gibt, eine Untätigkeit des tätigen Anschauens, führt auf ein Bewusstseinsprinzip: Es muss von daher dem Ich Realität bekannt sein, an einer bestimmten Systemstelle bekannt werden, und zwar unter der primitiven Erscheinungsform des Stoffes. Das Ich aber, so wahr es Anschauung und reflexive Anschauung ist, muss die Herkunft des Stoffes zu durchschauen lernen. Es muss dahin kommen, dass es die Begrenztheit seines Anschauens als selbstgesetzte Grenze erfaßt. Dazu gehört erstens, dass es die Grenze anschaut, seine Begrenztheit. Zufolge des Reflexionsgesetzes der Aktdifferenz kann das Ich aber die Grenze nicht anschauen und zugleich als selbstverfügt anschauen. Es „findet“ also Begrenztheit in sich. Dieser In-sich-Fund ist die Empfindung, zunächst aber bloß das Empfundene, noch nicht das Empfinden. Schelling spricht von der „ursprünglichen Empfindung“, und er charakterisiert sie als „die bloße Spur einer Passivität im Bewusstsein“. Das Empfundene ist die Spur, die von der vorbewussten Begrenztheit des Anschauens bzw. von ihrem Angeschautwerden im Bewusstsein hinterlassen wird. Der Abdruck der ursprünglichen Anschauungsgrenze im Bewußsein, dies ist das Empfundene, der Empfindungsgehalt. Das Ich ist gleichsam zum Anschauen verurteilt. Es muss die Grenze, die Differenz der beiden Uranschauungen, als selbstgesetzt erfassen, anders wäre es kein Ich, keine Subjekt-ObjektIdentität. Also erhebt es sich über die gehemmte Tätigkeit und über die unaufhaltsame Tätigkeit seines Anschauens. Es schwebt über beiden. Es ist also einerseits gegenstandsgebunden, andererseits frei. Indem es über den Tätigkeiten schwebt, fixiert und verendlicht es sie. So bilden die gehemmte und die unhemmbar fortgehende Tätigkeit einen Sachgegensatz, den Gegensatz der
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beiden Ur-Gegenstände „Ich an sich“ und „Ding an sich“. Hier ist mehreres zu beachten. Das Ich an sich ist Erscheinung der gehemmten unendlichen Tätigkeit. Das Ding an sich ist die ungehemmte-unhemmbare Tätigkeit als Objekt. Das Ich an sich ist das endliche Ich. Es ist das begrenzte Anschauen des Ich, selbst angeschaut als Ich an sich durch das höhere schwebende Ich. Das Ich an sich ist also Erscheinung. Das Ich an sich ist Objekt für das absolute, schwebende Ich. Man erkennt Fichtes produktive Einbildungskraft wieder. ** An dieser Stelle ist eine kritische Reflexion angebracht. Sie lautet: Den Lesenden und Hörenden scheint eine Geduldsprobe bevorzustehen. Denn man begreift doch, dass diese Theorie nichts anderes ist als eine metaphysische Hypostase der alltäglichen Subjekt-Objekt-Relation, die Projektion der Subjekt-Objekt-Relation auf ein ursprüngliches Ich, die Transformation der SubjektObjekt-Relation zu einem reinen Ichverhältnis, zu einer Selbstkommunikation von Anschauungstätigkeiten. So gewinnt sonst Unverständliches eine gewisse Plausibilität: die unendliche, aber hemmbare Tätigkeit einerseits, die unendliche und unhemmbare Tätigkeit andererseits; die Erscheinung der begrenzten Anschauungstätigkeit als Ich (Ich an sich), die Erscheinung der begrenzenden unendlichen Tätigkeit als Ding (Ding an sich). Eigentlich müßte in der Ich-Philosophie das Ich an sich als Erscheinung der unendlichen und unhemmbaren Tätigkeit angesehen werden. Aber dies widerspräche der geläufigen, wohlbekannten, normalen Abhängigkeit des Ichs von den Dingen. Diese Abhängigkeit wird in ein reines Anschauungsverhältnis transformiert. Man sehnt sich nach der KdrV zurück, die ihren Anfang nicht mit einer spekulativen, konstruktiven Hypostase nahm, sondern mit dem deskriptiven Sachverhalt des Raumes und der Zeit. Daran wurde Affektion erfaßt, und von daher wurde auf Funktion verwiesen, so dass sich das transzendentale Selbstbewusstsein erschließen konnte. ** Am Gegensatz von Ich an sich und Ding an sich beweist das Ich seine Produktivität, die Produktivität seines Anschauens. Das Ich faßt die Gehemmtheit des Ich an sich und die Ungehemmtheit des Dinges an sich in der Einheit eines Gegenstandes
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zusammen. Es nimmt vom Ding an sich die negative Unendlichkeit, die Negation setzende unendliche Tätigkeit. Und es nimmt vom Ich an sich die positive Unendlichkeit, sein ursprüngliches unendliches Fortstreben. Das gemeinsame Produkt ist dann ein Gleichgewicht von Tendenzen oder, wie man in der Naturwissenschaft sagt, von „Kräften“. Im Anschauen von Ich an sich und Ding an sich erschaut das Ich einen Antagonismus von Kräften. Es setzt das, was das vollendete Ich, das auch sprechen kann, „Materie“ nennt. So ist die Materie in transzendentalphilosophischer Deduktion der erste Schritt zum subjektiven Empfindungsbewusstsein, d.h. zum Empfinden. Die Materie ist das erste Resultat beim Versuch des Ich, reale Tätigkeit und ideale Tätigkeit zu vereinen. Durch die Objektivierung des begrenzenden Dinges an sich und des begrenzten Ichs zu zwei Kräften hat sich das Empfundene, die Passivität versubjektiviert, in Tätigkeitsvorstellung aufgehoben, allerdings innerhalb der noch dominanten Objektivität, der scheinbaren Vorfindlichkeit. Mit dem Kräftewesen der Materie steht zum ersten Male ein Widerspiel von Tätigkeit vor Augen, Tätigkeit verbunden mit Gegentätigkeit. Die Materie, das ist ein Identisches aus attraktivem Begrenztwerden und repulsivem Begrenzen. Mit der „Materie“ hat sich das Ich seine Begrenztheit in der Unbegrenztheit näher angeeignet, als es ihm mit dem Empfundenen und dem Gegensatz von Ich an sich und Ding an sich noch möglich war. Damit ist die erste Epoche der Geschichte des Selbstbewusstseins abgeschlossen. Sie führte von der Empfindung zur produktiven Anschauung als Setzung von Kraft und Materie. ** Nun soll aber das Ich nicht nur produzieren, Gegenstandsverhältnisse schaffen. Es soll sich als produktiv anschauen. Dies ist paradoxerweise nur möglich, wenn das Ich weiter produziert, wenn es mit weiterer Produktion der Erscheinungswelt ihre Destruktion betreibt: nach dem Modell der Reflexion, die sich als Ich-Reflexion mit dem fortgehenden Sich-Begrenzen entgrenzt. Die Aufgabe ist klar: Das Ich muss seine Produktivität erfassen, indem es sie von Nichtproduktivität abgrenzt. Es muss der synthetischen Tätigkeit, die Ich an sich und Ding an sich umfaßt, eine einfache Tätigkeit entgegensetzen. Und es muss wieder die Relationierungsstätigkeit und die einfacheTätigkeit umfassen: durch eine noch höhere einfache Tätigkeit, die zu solchem Umfassen übergeht. Dann aber ist einfache Tätigkeit zugleich
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Subjekt und Objekt, relationierend (Relation) und Relat, und zwar im Umkreis von Ich an sich und Ding an sich. Was kann hier die einfache Anschauung des Ich sein, die bezogen und beziehend ist? Was kann die einfache sich auf sich im Subjekt-Objekt-Kontext beziehende Anschauung sein? Es ist der innere Sinn. Der innere Sinn ist Selbstbezug des einfachen Ich auf seine einfache, aber objektive Anschauung. Das Umfassen von Ich an sich und Ding an sich ist dann der äußere Sinn. Der innere Sinn ergibt sich aus der Tendenz des Ich, sich anzuschauen, in Abgrenzung vom Äußeren überhaupt. ** In Schellings „SI“ von 1800 führt die erste Epoche der Bewusstseinsgeschichte vom Ur-Ich zur Materie. Der vorbewusste und vorzeitliche Akt des Selbstbewusstseins umfaßt eine begrenzbare unendliche Tätigkeit und eine unbegrenzbare unendliche Tätigkeit. Das SI rekonstruiert, unter Voraussetzung des Reflexionsgesetzes der Aktdifferenz, die Vermittlung dieses inneren Widerspruchs der Urreflexivität des Anschauens, in Form einer Kategorienlehre. 1.Schon mit dem Widerspruch ist die Kategorie des „Stoffes“ deduziert, ineins mit der Aufgabe seiner an-schauenden Aneignung. 2.Die Anschauung der Grenze führt auf die „Empfindung“ (das Empfundene). 3.Schweben über den Urtätigkeiten generiert „Ich an sich“ und „Ding an sich“ als Erscheinung der reflexiven Urtätigkeit (die begrenzbare Tätigkeit wird im Ich an sich Objekt, die unbegrenzbare, reflektierende im Ding an sich). 4.Synthesis der Gehemmtheit und Ungehemmtheit produziert den Anschauungsgegenstand des Antagonismus von Kräften und damit die „Materie“, die erste affine Erscheinung des anschauungstätigen Ur-Ichs. 5.In der zweiten Epoche setzt die Selbstanschauung der synthetisch-produktiven Anschauung eine einfache Tätigkeit entgegen und schaut beide an. Resultat ist der „innere“ und „äußere Sinn“ als einfache Selbstanschauung, die mit äußerer Anschauung verbunden ist. So wird bewusste Empfindung ermöglicht, ein inneres Objektbewusstsein. 6.Anschauung des Grenzpunktes zum Bild erzeugt die Zeit ihrem Urcharakter nach. Nun entspringt aber eine Aporie. Die innere Anschauung scheint gar nicht möglich zu sein, weil sie ja nur unterschieden vom Äußeren innere Anschauung ist, gerade so aber sie selbst auch wieder nicht ist, weil das Ich eben auch beim Äußeren ist, nicht nur bei sich. Schellings Lösung lautet: Die innere
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Anschauung bildet sich nicht im Gegensatz zum Objekt heraus, sondern im Gegensatz zum bloßen Gegenstandsbild. Statt des inneren und äußeren Sinnes stehen sich für das Ich zunächst nur der innere Sinn und das bildhafte Objekt gegenüber, letzteres ohne jeden Transzendenzgedanken. Genau damit aber gewinnt das Ich das Bewusstsein eines inneren Objekts, d.h. es wird empfindend mit Bewusstsein. Der Transzendentalphilosoph hat nunmehr zu zeigen, wie dem Ich selbst dies alles wird, d. h. wie es den inneren Sinn ineins mit seiner Grenze zum Bildgegenstand anschaut. Das Ich erfaßt die Grenze, aber im Gegensatz zum Transzendentalphilosophen durchschaut es nicht die Herkunft der Grenze (ihre Herkunft aus dem Schweben über Ich an sich und Ding an sich). So ist dem Ich die Grenze zwischen innerem Sinn und äußerem Gegenstandsbild eine zufällige, dunkle, abgründige Grenze. Es erlebt, heißt dies, den Grenzpunkt als solchen und damit den Urcharakter der „Zeit“, den zufälligen Zeitpunkt. Die Zeit ist dies an der innerlich-sinnlich gewußten Anschauungstätigkeit, dass sich die Anschauungstätigkeit nicht isomorph nach allen Richtungen verbreiten kann, sondern nur vom Gegenwartspunkt aus in die Zukunft zu gehen vermag. Die Zeit, in ihrem reinsten Wesen gedacht, ist die absolute Grenze, der Punkt. Der Raum ist dann das Unbegrenzte, das Apeiron. Zur Raumvorstellung kommt es damit, dass der Punkt als unendlich expansionsfähiger Punkt vorgestellt wird. Diese Vorstellung aber ist notwendig, weil das Vorstellen gegensatzbildend ist. Es muss also gegenüber der Begrentheit die ursprüngliche Unbegrenztheit des Anschauens zur Geltung bringen. Also ist mit dem Zeitgefühl, dem Gefühl des punktuell zusammengezogenen Anschauens, das Bewusstsein verbunden, dass der Punkt, der Grenzpunkt zum Gegenstandsbild, ein beweglicher Punkt ist. So resultiert mit dem Gefühl der punktuell zusammengezogenen Tätigkeit das Intensitäts-bewusstsein, während der Raum und das räumliche Gegenstandsbild extensiv erscheinen. Zeit und Raum, Intensität und Extensität bestimmen sich gegenseitig, weil sie zusammen entstehen, d.h. in nicht-metaphorischer Sprache: weil sie Einen Strukturkomplex des Selbstbewusstseins bilden. **
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Das Ich selbst ist allerdings noch nicht so weit entwickelt, dass es Zeit und Raum als Anschauungsarten anschauen könnte. Das Ich muss dahin erst kommen. „Vorerst“ erfährt es Raum und Zeit als Objektbestimmungen, d.h. als Bestimmungen des Bildgegenstandes. Daher unsere Denkform der beharrenden Substanz und der wechselnden Akzidentien. Beharrlichkeit (Substantialität) erfahren wir an dem Raum erfüllenden Ding. Substantialität ist Existieren im Raum. Akzidentalität ist die zufällige Bestimmtheit der Raumgröße. Die temporären Akzidentien, dies ist unsere primordiale Zeiterfahrung. Wieder aber stellt sich die Frage: Wie erfährt das Ich selbst ursprünglich Substanz und Akzidenz? Die Erfahrung beharrlicher Existenz im Raum bei temporären Eigenschaften ist notwendig. Aber wie macht das Ich diese Erfahrung? Das Ich ist an das Gesetz der Entgegensetzung von seinen Anfängen her gebunden. Das Ich stammt aus dem Antagonismus der begrenzbaren und der unbegrenzbaren Anschauungsart. Daher wird die Substantialität an Substanzen erfahren. Was Substanz ist, muss sich an einem Verhältnis von Substanzen zeigen. Daher die kommunizierenden Substanzen, das Wechselspiel der Akzidentien an Substanzen. Das Ich soll dahin kommen, seine Produktivität anzuschauen, seine produktive Anschauung, seine Synthesis, die Zusammenfassung entgegengesetzter Entitäten. Diesem Ziel ist das Ich mit der Veranschaulichung seiner synthetischen Produktivität im Wechselwirkungsspiel der Substanzen ein ganzes Stück nähergekommen. Die Wechselwirkung der Substanzen, das commercium substantiarum, ist Spiegelbild der synthetischen Produktivität des Ich. * Aber die Wechselwirkung der Substanzen ist noch kein vollkommenes Bild der produktiven Synthesis, selbst wenn man sich das Universum mit substantieller Wechselwirkung erfüllt denkt. Denn das Ich muss sich selbst als empirisches Ich der Wechselwirkungsordnung des Universums einordnen, es muss sich als einen Teil des substantiellen Alls auffassen. Absolutes, das wechselwirkende All überblickendes Ich, und empirisches Ich sind noch nicht vermittelt. Daher in der Geschichte des Selbstbewusstseins der Gedanke der Organisation, die Setzung der Organisation als Miniaturbild des Universums, und zwar auch mit Anwendung auf das empirische Ich.
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Die Organisation aber, die innerhalb der Endlichkeit einen je unendlichen Produktionskreis vorstellt, muss die Evolution des Universums spiegeln, die selbst das Werden des Geistes darstellt. Daher das Stufenreich der Organisation, von der chemischen Materiestruktur über die Pflanze und das Tier bis zum Menschen und seinem Leib, der artikuliert ist, ein gegliedertes Ausführungsorgan für Tätigkeit, so dass er Tätigkeit auf unmittelbare Weise versinnlicht, veranschaulicht. Auch mit der Organismus-Anschauung ist das Ich noch nicht am Ziel. Es hat sich seine produktive Tätigkeit noch nicht vergegenwärtigt, es hat sein Setzen des Ich an sich und des Dinges an sich noch nicht durchschaut. Dahin führt ein neuartiger Schritt: die freie, spontane Reflexion. Die zweite Epoche der Bewusstseinsgeschichte ist abgeschlossen. Sie führte von der produktiven Anschauung bis zur freien Reflexion. Und den Lesenden und Hörenden ist die Geduld durchaus nicht verloren gegangen. * Das Ich soll sich seine produktive Tätigkeit aneignen. Also muss es Setzen und Gesetztes unterscheiden und aufeinander beziehen. Es muss zum Ur-teilen übergehen und in diesem Sinne zur Reflexion. Dazu gehören „transzendentale Abstraktion“ und „absolute Abstraktion“. Die transzendentale Abstraktion ermittelt die Charaktere des objektiven Anschauens, die Regeln der Anschauungsformation, d.h. die Kategorien. Sie müssen als Zeitbestimmungen dem Subjekt verfügbar werden, als Prinzipien der Zeitgestaltung der Erfahrungserkenntnis und Erfahrungswelt, z.B. die Beharrlichkeit und die notwendige Zeitfolge. Es sind in der Mehrzahl objektive Gestaltbegriffe. Die Ausnahme bilden die Kategorien der Modalität: Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit. Unter dieser Form erfaßt das Subjekt nicht innerobjektive Beziehungen, sondern sein eigenes Verhältnis zu den Objekten. Die Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit der Objekte zu setzen, dies ist eigentlich die Art der Intelligenz, den Fortschritt ihrer Produktivität, ihre produktive Anschauung zu messen. Mit der absoluten Abstraktion, mit der Reflexion über die Produktionstätigkeit, ist der Punkt erreicht, in der Ich-Entwicklung, an dem von der bewusstlosen Produktion zu bewusstem Handeln übergegangen werden kann. Die Bedingungen für das Wollen sind gegeben, für das Wollen als absolute
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Selbstbestimmung. Das Wollen ist die Art, wie das Ich den Begriff seines Begreifens bildet. Oder es begreift sein Begreifen der Natur, indem es Naturverhältnisse entwirft, in begrifflichen Visionen antizipiert. Es geht zur freien, rein ideellen Begriffsbildung über. Es entwirft eine zweite ideale Natur und eignet sich so das Begriffliche an, das die bewusstlose Produktion der Natur dirigiert. Damit ist die dritte Epoche der Bewusstseinsgeschichte abgeschlossen. Sie führte von der Reflexion und Abstraktion zum absoluten Willensakt. Dies ist auch der Übergang zur praktischen Philosophie. IX.6 Das System des transzendentalen Idealismus B Praktische Philosophie Das Wesen des Begriffs, das Wesen der Anschauung von Anschauungsverhältnissen, ist die diskursive Identität von Idealität und Realität, ein Abbild der ursprünglichen prädisjunktiven Anschauungstätigkeit, d.i. die unbegrenzte, aber begrenzbare Anschauung. Die freie Begriffsbildung aber ist problematisch. Denn darunter, oder unter der Idealbildung, ist zu verstehen: eine Entgegensetzung von Idealität und Identität der Realität und Idealität. Wie kann ein Anschauen des objektiven Anschauens vor dem objektiven Anschauen erfolgen? Schelling antwortet mit Fichtes „System der Sittenlehre“ von 1798: Es muss eine Anmutung für das Ich sein, den Idealitätsstandpunkt einzunehmen. Das Ich muss zum Handeln, zur begriffsursprünglichen Produktion aufgefordert werden: aus einer prästabilierten Welt der Freiheit. Das Problem des Übergangs zum freien Begriffsgebrauch findet seine Lösung im Prinzip der Intersubjektivität. Aufgefordertwerden zum Handeln, zur Begriffsrealisation, bedeutet Anschauen des objektiven Anschauens vor dem objektiven Anschauen. Zugleich erhält das Wollen aus der Intersubjektivität eine Ausrichtung, damit eine Wahrheitsbindung, und nicht zuletzt entwickelt sich ihm ein Verständnis der Differenz von Innen und Außen. Intersubjektivität, die sich in Artefakten signalisiert , ermöglicht Objektivität, Differenz des Subjektiven und Objektiven für das Subjekt und damit „Wahrheit“ als Aufhebung der Subjekt-Objekt-Differenz: „Die Welt ist unabhängig von mir, obgleich nur durch das Ich gesetzt, denn sie ruht für mich in der Anschauung anderer
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Intelligenzen, deren gemeinschaftliche Welt das Urbild ist, dessen Übereinstimmung mit meinen Vorstellungen allein Wahrheit ist.“ (III 556) * Die Frage stellt sich, wie das Ich selbst sein Wollen anschaut, wie sich ihm selbst sein Entwurfsverhalten darstellt. Ihre Beantwortung führt auf die folgenden Prinzipien: Einbildungskraft als Vermögen der Idealbildung und insofern als erste Vermittlung von Theorie und Praxis, Trieb und Streben als progressive Idealverwirklichung, die Entwurfsbegrifflichkeit von Zweck und Mittel, freie Verfügbarkeit über die Relationskategorien, v.a. über die Kausalität, Kenntnis der sekundären Qualitäten (Härte) als Exponenten der Widerständigkeit des Angeschauten bzw. des Materials der Handlung, Kenntnis des Sittengesetzes, das kategorisch die Unterwerfung des Glückstrebens unter die Idee der Selbstbestimmmung fordert, Wahlfreiheit zwischen Kategorischem Imperativ und Naturtrieb. Absolute Freiheit wäre keinem vorgegebenen Gesetz unterworfen. Freiheit im transzendentalen Verstande verbleibt im Erscheinungsbereich der Subjekt-Objekt-Identität. Sie ist Selbstbestimmung in zweiter Potenz, d.h. in erster Depotenzierung. Ihr größtes Rätsel ist ihr Prädeterminiertsein aus der prästabilierten Intersubjektivität, das durch das Problem der Geschichte noch verschärft wird. Die Geschichte ist notwendig, als Arbeit der menschlichen Gattung an einer universellen Rechtsverfassung, einem „Völkerareopag“ (III 587). Die Geschichte hat die Funktion einer rechtlichen Disziplinierung der Gattung zu und in einem Staatenkollektiv. Der Geschichte liegt die Idee zugrunde, die Herrschaft des reinen Willens in der Außenwelt zu vollenden und zugleich eine Glückseligkeitsordnung zu realisieren. Dieser Gedanke aber der geschichtlichen Einheit von Freiheit und Notwendigkeit, ihres Zusammenwirkens in der Geschichte, läßt „das Absolute“ im Denken thematisch werden. Mit der Idee der Geschichte tritt die Idee der absoluten Identität ins Denken ein, jener Identität, die als die ursprüngliche Anschauungstätigkeit keine Duplizität enthält und darum nie zum Bewusstsein gelangen kann (III 600). So wird die Geschichte nach Kantischem Vorbild zuerst in weltbürgerlicher Absicht gedeutet, dann aber zu einem Gegenstand religiöser Betrachtung. Die Geschichte stellt sich dar als „eine nie ganz geschehende Offenbarung jenes Absoluten.., das zum Behuf des Bewusstseins, also auch nur zum Behuf der Erscheinung, in das
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Bewusste und Bewusstlose, Freie und Angeschaute sich trennt, selbst aber in dem unzugänglichen Lichte, in welchem es wohnt, die ewige Identität, und der ewige Grund der Harmonie zwischen beiden ist.“ (III 603). Drei Perioden der geschichtlichen Offenbarung des Absoluten sind auszurechnen, eine Periode des Schicksals, eine Periode der Naturgesetzlichkeit und eine Periode der Vorsehung. Wenn sich das Absolute in der Geschichte nach und nach oder in einem großen theogonischen Dreischritt offenbart, so muss es zuerst als blinde entzweiende Macht in Erscheinung treten, dann als Naturnotwendigkeit oder Naturplan und schließlich als Vorsehung, als Harmonisierung von gesetzloser Freiheit und Notwendigkeit offenbar werden. Auf diese Weise wird Gott zum Dasein kommen. Die erste Geschichtsperiode war das tragische Zeitalter des Sturzes von Großreichen. Die Zweite Hauptperiode hat mit der römischen Republik begonnen, die auf Herrschaft ausging, de facto aber die Völker und Kulturen einander nahebrachte. Wann die dritte Periode beginnen wird, bleibt vom Absoluten zu erwarten. Wieder stellt sich aufgrund des Reflexionsgesetzes der Aktdifferenz die Frage, wie das Ich selbst die Identität des Subjektiven und Objektiven, Bewussten und Bewusstlosen anschaut, die vorauseilendes transzendentalphilosophisches Erklärungsprinzip der Geschichte ist. Schellings Antwortversuch nennt zwei Erscheinungsformen der absoluten Identität, in denen sich das Bewußtsein „von vorne schafft“: Teleologie und Kunst. An der Zweckmäßigkeit ohne Zweck der Organismen tritt allerdings nur die Einheit, nicht der Einheitsgrund des Subjektiven und Objekiven, Bewusstlosen und Bewussten hervor, weder an den einzelnen Naturgebilden noch am System der Natur im Ganzen. Und überhaupt fehlt den Gegebenheiten, die wir teleologisch deuten, jeder Hinweis darauf, dass die Einheit des Bewusstlosen und Bewussten, des Subjektiven und des Objektiven, die wir ihnen unterstellen, mit unserem Ich identisch ist. Daher die transzendentale Notwendigkeit der Kunst. Sie ist unter dem Namen des Genies und des begnadeten Künstlers das Wunder, dass das Absolute, die absolute Identität, im Ich wie in seinen Produkten widerstrahlt. In der Kunst stellt sich die absolute Identität des Subjektiven und Objektiven, die absolute Anschauungsidentität, aus dem unendlichen Gegensatz des Bewussten und Bewusstlosen wieder her: in unmittelbarer Erfahrung der Einheit von Inspiration und Methode, Talent und Technik, Idee und
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Arbeit. Daher ist die Kunstanschauung das Organ der Philosophie, die Kunst das Dokument der Philosophie der absoluten Identität, die Verifikation der intellektualen Anschauung der absoluten Identität des Selbstbewusstseins. Die Kunst stellt die absolute Identität vor Augen, die in der Erfahrungswelt als dem Denkmal der „Odyssee des Geistes“ nur in Symbolen enthalten ist. IX.7 Schelling, System des transzendentalen Idealismus Rückblick In Schellings „SI“ von 1800 führt die erste Epoche der Bewusstseinsgeschichte vom Ur-Ich zur Materie. Der vorbewusste und vorzeitliche Akt des Selbstbewusstseins umfaßt eine begrenzbare unendliche Tätigkeit und eine unbegrenzbare unendliche Tätigkeit. Das SI rekonstruiert unter Voraussetzung des Reflexionsgesetzes der Aktdifferenz die Vermittlung des inneren Widerspruchs des urreflexiven Anschauens, in Form einer Kategorienlehre. 1.) Schon mit dem Widerspruch ist der Stoff deduziert, ineins mit der Aufgabe seiner anschauenden Aneignung. 2.) Die Anschauung der Grenze führt auf die Empfindung (das Empfundene). 3.) Schweben über den Urtätigkeiten generiert die Relation von Ich an sich und Ding an sich als Erscheinung der reflexiven Urtätigkeit. Die begrenzbare Tätigkeit wird der produktiven Anschauung Objekt im Ich an sich, die unbegrenzbare, reflektierende Tätigkeit wird Objekt als Ding an sich. 4.) Synthesis der Gehemmtheit und Ungehemmtheit produziert den Anschauungsgegenstand eines Antagonismus von Kräften, die Materie, die erste affine Erscheinung des anschauungstätigen Ur-Ichs. 5.) In der zweiten Epoche setzt die Selbstanschauung der synthetisch-produktiven Anschauung eine einfache Tätigkeit entgegen und schaut beide an. Resultat ist der innere und äußere Sinn als einfache Selbstanschauung, die mit äußerer Anschauung verbunden ist, zunächst aber bloß mit einem Gegenstandsbild ohne jeden Transzendenzgedanken. So wird bewusste Empfindung ermöglicht, ein inneres Objektbewusstsein.
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6.) Anschauung des Grenzpunktes zum Bild erzeugt die Zeit ihrem Urcharakter nach und mit dem beweglichen Punkt den Raum, also Intensität und Extensität. 7.) Die Raumzeit-Erfahrung erfolgt als Substanz-AkzidenzDenken und als Gedanke des in sich wechselwirksamen Universums. 8./9.) Das reine Ich vermittelt sich mit dem Universum und dem empirischen Ich durch die Setzung der Organisation und der Stufen des Organischen, als Widerspiegelung der evolutionär-involutionären Natur, die selbst die Odyssee des Geistes widerspiegelt. Über die Natur erhebt sich freie Reflexion. 10.) Die dritte Epoche ist durch die kategorialbegrifflich regulierten Abstraktionsleistungen der freien Reflexion bestimmt (transzendentale A., absolute A.). 11.) Sie ermöglichen das Wollen, die begriffsgeleitete Selbstbestimmung, den in sich reflektierten Begriff, der sich durch Vollzug und Tat als Realitätsursprung affirmiert. 12.) Die freischaffende Begriffsbildung des Wollens und Handelns setzt die intersubjektive Aufforderungsgemeinschaft voraus, die objektiv Anschaubares vor der Anschauung dem Ich in Begriffsform vorhält und die Kenntnis von Innen, Außen und normativer Wahrheit ermöglicht. 13.) Das Entwurfsverhalten impliziert Idealbildung, Einbildungskraft, Trieb und Streben, die Mittel-Zweck-Begrifflichkeit und Kategorienbewusstsein. 14.) Sittengesetz und Wahlfreiheit begründen das identitätsparadigmatische Selbstverständnis der praxisbegrifflichen Selbstanschauung. 15.) Die Idee der Geschichte dehnt das rechtlich-moralische Denken auf den Gesamtprozeß der menschlichen Gattung aus. Sie eröffnet die religiöse Interpretation der absoluten Identität. 16.) Teleologie und Kunst vergegenwärtigen die absolute Identität in wachsender Unmittelbarkeit. IX.8 Erörterung Das Ende des transzendentalidealistischen Systems reflektiert die Inkonsistenz des Anfangs. Anfangs ist vieles unklar und in sich widersprüchlich. So schon der Sinn der begrenzbaren
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unbegrenzten Anschauungstätigkeit. Sie scheint als absolute Anschauungsidentität vor aller Subjekt-Objekt-Identität gemeint zu sein, als das urprüngliche und eigentliche Wesen des Ich. Sie scheint insofern unter der Hülle des Fichteanismus das „Indifferenz“-Absolute einzuführen. Ihr eigenes Wesen aber ist mit ihrer Begrenzbarkeit undeutlich. Ganz unerklärt ist das Hinzukommen der unbegrenzten und unbegrenzbaren Tätigkeit, die sich (in der Ausdrucksweise Fichtes und Schellings) als etwas Fremdartiges hervorzutun scheint und die Indifferenzphilosophie unrein werden läßt. Verdeckt der Methoden-Titel der „intellektualen Anschauung“ bloß eine onto-egologische, metaphysische Hypostase der common sense-Auffassung der Erkenntnis als von Dingtätigkeit begrenzter Ichtätigkeit? Am Systemende kehrt die intellektuale Anschauung nicht in sich zurück. Sie bleibt mit objektiver Anschauung vermischt, also unrein, wie es der vorbewusste und vorzeitliche Urakt des Ich war. Schellings Deduktion des Selbstbewusstseins des Geistes findet ihren Abschluß mit der Sphäre der Kunst. Es bleibt im SI zumindest ungeklärt, wie die Kunst zur Philosophie leitet. Das SI kehrt nicht in seinen Anfang zurück, es vollzieht keine Kreisbewegung. Am Anfang steht das Urselbst, die prädisjunktive Identität. Sie wird am Ende nicht objektiv. Im Hinblick auf das komplementäre System von Natur- und Transzendentalphilosophie ist die Konzeption der eigenständigen Naturphilosophie unzureichend begründet. Das Prinzip der Naturphilosophie ist vom Prinzip der Transzendentalphilosophie ununterscheidbar. Der Hervorgang des Geistes aus der Natur ist nicht zu erkennen. Insofern fehlt auf der Seite der Naturphilosophie die gesuchte dialektische Verschränkung der Systemteile. Im SI wird nicht gezeigt, dass und wie sich die absolute Identität in die Natur entläßt. Der transzendentale Idealismus überführt sich nicht in die Naturphilosophie.
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IX.9 Schellings Identitätssystem von 1801 Mit dem Titel „Identitätssystem“ wird ein Systemfragment bezeichnet, das Schelling 1801 in der „Zeitschrift für spekulative Physik“ veröffentlicht hat. Dieser Systementwurf ist über den ersten, naturphilosophischen Teil nicht hinausgekommen. Es ist auch kaum abzusehen, wie der Entwurf fortgeführt werden könnte. Vgl. aber „Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge“, 1802; „Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie“, 1802; Philosophie und Religion, 1804; u.v.a. aus dem Nachlass: „System der gesamten Philosophie und der Naturphilosophie“, 1804). Und was dargestellt wird, die „Grundzüge der Naturphilosophie“, lässt sich allenfalls andeuten. Wir versuchen, die System-Idee vorzustellen und mit kritischen Bemerkungen zu versehen. Wir wollen nur die Gründe verfolgen, die Schelling zum Identitätssystem geführt und davon abgebracht haben, um ideengeschichtlich zu verstehen, warum er zur Theokosmogonie der Freiheitsschrift und der „Weltalter“ übergegangen ist. * Das System der Philosophie von 1801 will nach Schellings eigener Erklärung die Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie aus dem „Indifferenzpunkt“ dieser Systemteile entwickeln. Und zwar soll der gemeinsame Standpunkt der „Standpunkt der absoluten Identität“ sein, wie er durch das ursprüngliche Denkgesetz angewiesen wird. Dieses ist der Identitätssatz „A=A“. Nun ist klar, dass man für die Naturwissenschaft aus „A=A“ kein Prinzipiensystem entfalten kann. Und so ist denn auch der Anfang mit „A=A“ die erste Fraglichkeit, um nicht zu sagen: Unwahrheit des Systems von 1801. Ausgangspunkt und wahrer Anfang des Systems ist der Satz „A=B“. Das Prinzip „A=A“ wird noch anders als bei Fichte in der „Grundlage d.g.WL“ eingeführt. Fichte wollte dort über das formallogische Prinzip „A=A“ nur zum „Ich bin Ich“ hinleiten. Der Weg zur absoluten Ich-Identität sollte über die Identitätsformel führen. Bei Schelling aber ist „A=A“ keine abstrakte, verblasste Formel der absoluten Identität, sondern ihr wahrer Ausdruck, an den man sich in der Systembildung der Naturwissenschaft durchgehend zu halten hat. Möglich ist dies aber nur, weil zu „A=A“ die andere, gehaltvolle Formel leitet: die Formel „A=B“. Der Standpunkt der absoluten Identität „A=A“ wird vermittelt, wie
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Schelling sagt: mit „einer Reflexion auf das, was sich in der Philosophie zwischen Subjektives und Objektives“ stellt, d.i. die „indifferente“ Mitte des Subjektiven und Objektiven, des Idealen und Realen. Eine Abstraktion eröffnet den Zugang zur absoluten Identität. Das Absolute wird als Indifferenz aus der Differenz erschlossen, damit wird die Differenz selbst absolut gesetzt. Alles, was im Aufschwung zur absoluten Identität „vergessen“ werden soll, steht von Anfang an neben dem Absoluten. Das Absolute steht von Anfang an im Gegensatz zum Gegensatz. Das Absolute expliziert sich nicht in den Gegensätzen, in den Urgegensätzen von Ansich und Erscheinung, Subjekt und Objekt, Idealität und Realität, Ewigkeit und Zeit. Das System will spekulative Identitätsphilosophie sein und kommt nicht über die Reflexionsphilosophie der Entzweiung hinaus. Die Indifferenz wird durch Reduktion der Differenz gewonnen, das Systemprinzip ist die Indifferenz als In-Differenz. Schellings Leitidee ist gewiss die konkrete Identität des Absoluten. Im System soll das Eine Alles werden, es soll sich als Universum offenbaren, zuletzt als vergeistigtes Universum, so dass Alles Ich würde. Dies könnten die programmatischen Sätze des Systems von 1801 sein: Das Eine soll Alles werden. Alles soll Ich werden. Aber die Erfüllung dieses Programms wird dadurch vereitelt, dass das System nicht einmal von der Identität abfällt, wie es bei Fichte der (Sünden)Fall ist, mit dem Übergang vom absoluten Ich zum teilabsoluten Nicht-Ich. Bei Schelling könnte man noch genauer im biblischen Sinne vom Sündenfall der sich verabsolutierenden Reflexion sprechen. Tatsächlich wird das System mit einer Bestückung des Absoluten auf den Weg gebracht. Das System lebt von zwei Grundunterscheidungen: Wesen oder Ansichsein und Sein, Sein und Form des Seins. Wesen oder Ansichsein und Sein des Absoluten werden mit dieser Begründung unterschieden: „A=A“ ist an die Subjekt-Prädikat-Differenz gebunden. Und so bringt A=A nur das Sein der absoluten Identität zum Ausdruck, nicht das Ansichsein des Absoluten, nicht das Wesen der absoluten Identität. Dies ist verwunderlich, denn A=A soll das oberste Denkgesetz sein, und Wesen der absoluten Identität soll die „Vernunft“ sein, der Logos als Identität von Denken und Sein. Wenn die absolute Vernunft noch höher als das höchste Denkgesetz der Identität anzusetzen ist, so wird die
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Frage nach der Wortbedeutung von „Vernunft“ schwierig. Die Einheit von Denken und Sein, so muss man folgern, ist ursprünglicher als Denken und Sein, die absolute Identität ist ein X als gemeinsamer Ursprung für Denken und Sein, ein Absolutes, das sich nicht auf Begriffe bringen und schon gar nicht durch ein System operationalisieren lässt. Das System kann nur von Bestrebungen handeln, die zur Form des Seins der absoluten Identität gehören, aber eigentlich auch nicht die Form des bloßen Seins ausmachen, sondern einen Formwandel der Einheit von Denken und Sein. Der Urgegensatz ist nicht derjenige von Ansichsein und Sein, sondern der Gegensatz von Ansichsein oder Wesen der absoluten Identität oder vielmehr absoluten Indifferenz einerseits, Einheit von Denken und Sein andererseits. Und die Einheit von Denken und Sein ist das Reich des Formenspiels, des wechselnden Ineinanderspielens von Subjektivität und Objektivität, Idealität und Realität. Das System geht nicht von A=A aus, sondern von A=B. Das System setzt A=B voraus. Nicht etwa setzt sich im System A=A das A=B voraus. Der Standpunkt der absoluten Identität „A=A“ ergibt sich einer Reflexion auf die „indifferente“ Mitte des Subjektiven und Objektiven, des Idealen und Realen. Eine Abstraktion eröffnet den Zugang zur absoluten Identität. Das System will spekulative Identitätsphilosophie sein, es beginnt aber als Reflexionsphilosophie der Entzweiung. Es entzweit die absolute Identität und die Reflexion, indem es sich der Herrschaft der Reflexion unterwirft. Im System soll zwar das Eine Alles werden. Und Alles soll Ich werden. Aber das System lebt von zwei Grundunterscheidungen, die nicht aus dem All-Einen entwickelt werden, die ihm selbst, wie es ganz es selbst ist, nicht zugesprochen werden, die also dunkler Herkunft sind. Dies sind die Unterscheidungen von Wesen oder Ansichsein und Sein, Sein und Form des Seins. Und zwar werden Wesen oder Ansichsein und Sein der absoluten Identität mit dieser Begründung unterschieden: „A=A“ ist als Satz an die Subjekt-Prädikat-Differenz und damit an die SubjektObjekt-Differenz des Denkens gebunden. Das Subjekt wird durch das Prädikat bestimmt, ganz wie das Subjekt durch das Objekt bestimmt wird. A=A ist ein diskursiv gebrochener Ausdruck der absoluten Identität. A=A fixiert die absolute Identität. A=A bringt nur das Sein der absoluten Identität zum Ausdruck,
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nicht das Ansichsein des Absoluten, nicht das Wesen der absoluten Identität. Das Absolute aber muss auch in seinem Dasein seine Identität manifestieren. Das Sein muss von der Art der absoluten Vernunft sein. In der Wirklichkeit insgesamt also entwickelt sich eine Erkenntnis der absoluten Identität. Und so ist der Grundcharakter der Wirklichkeit: „Identität der Identität“, Selbstidentifikation der Identität: A=A = A=A. Die Erkenntnis der Identität gehört aber, um es zu wiederholen, nicht zum Wesen der Identität, sondern nur zur Form ihres Seins. „Identität der Identität“ ist die Seinsform der absoluten Identität. Reflexive Identität ist Seinsform der Indifferenz. Wenn aber die Seinsform des Absoluten darin besteht, dass sie ein möglichst getreues Abbild des absoluten Inhalts bietet, dann muss auch außerhalb der absoluten Identität alles untereinander qualitativ identisch sein. Alles Wirkliche ist Eines Wesens, alles bekundet das Eine Identitätswesen. Das Wirkliche ist insofern und insoweit vernünftig, als es von der absoluten Identität Kunde gibt. Alle Differenz beschränkt sich also auf quantitative Abstufungen der qualitativen Identität. Die Wirklichkeitssphären und die einzelnen wirklichen Wesen unterscheiden sich durch ihre „Potenzierung“, d.h. sie unterscheiden sich durch das ihnen je eigene Übergewicht und Überhandnehmen, sei es des Realen über das Ideale, sei es des Idealen über das Reale: „Die Kraft, die sich in der Masse der Natur ergießt, ist dem Wesen nach dieselbe mit der, welche sich in der geistigen Welt darstellt, nur dass sie dort mit dem Übergewicht des reellen, wie hier mit dem des ideellen zu kämpfen hat, aber auch dieser Gegensatz, welcher nicht ein Gegensatz im Wesen sondern der bloßen Potenz nach ist, erscheint als Gegensatz nur dem, welcher sich außer der Indifferenz befindet und die absolute Identität nicht selbst als ursprüngliche erblickt.“ (§30, Erläuterung) Schelling wird den quantitativen „Potenzen“begriff und das Modell der Potnzierungsskala der Wirklichkeit bis in die Spätphilosophie festhalten. Die Potenzenreihe gehört seit dem Identitätssystem zur Schellingschen Methode: die Potenzenfolge als die Schrittfolge und Stufenfolge, unter der sich Reflexion dem Absoluten annähert. Im fragmentarischen Identitätssystem von 1801 wird die Identitätsreflexion bloß in der Natur verfolgt. Es wird nur der
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Gang der sich reflektierenden Natur aufgezeichnet: von der Materie über den sog. „dynamischen Prozeß“ hin zum Organismus. Von der sich reflektierenden Natur kann, wie schon erläutert, gesprochen werden, weil die Seinsform der absoluten Identität die Struktur der „Identität der Identität“ hat: A=A = A=A. Wir können die absolute Identität unter der Formel A=A nur denken und dieses Denkens eingedenk sein, wenn wir die Formel zu A=A = A=A erweitern. Wir können Identität nur als Identifikation der Identität denken, als eine Potenzenreihe von Identifikationsstufen, Reflexionsstufen der absoluten Identität: „Alles, was ist, ist dem Wesen nach, insofern dieses an sich und absolut betrachtet wird, die absolute Identität selbst, der Form des Seins nach aber ein Erkennen der absoluten Identität“.. „Die absolute Identität ist nur unter der Form des Erkennens ihrer Identität mit sich selbst“. (§18, §19) Die Identität aber kann nur gedacht werden, wenn die Reflexion das Gesetz des Größenunterschiedes des Seins zu Grunde legt. Und zwar gilt dies nicht erst für die philosophische Reflexion, sondern schon für die fortschreitende Identitäterkenntnis, die in der Natur und als die Natur vorliegt. In der Natur liegt eine fortschreitende Selbstidentifikation, ein Insichgehen der Identität der Idealität und Realität vor, und zwar schon mit dem Übergang von der Materie zum Licht. Das Licht ist Reflexion der Materie, Identifikation der Materie als primum existens der absoluten Identität. Das Licht ist Erkenntnis des uranfänglichen Seins, das die abolute Identiät an der Materie gewinnt. Der Organismus ist dann die nächsthöhere Potenz, der nächste quantitative Fortschritt der Erkenntnis der absoluten Identität. „Für“ den Organismus ist das Licht, wie der Licht-Tropismus der Pflanzen bezeugt, die sich zum Licht richten und es damit intendieren und auf ihre Weise objektivieren. Nun wäre aber das Identitätssystem von 1801 nicht erwähnenswert, wenn Schelling weiterhin bloß symbolsprachliche, metaphorische Naturphilosophie anzubieten hätte. Besonders bemerkenswert am Identitätssystem ist mit der Potenzenlehre die neue Formelsprache. Die Dinge erscheinen uns in quantitativer Differenz der Idealität und Realität, Subjektivität und Objektivität. Diese Erscheinungsweise der absoluten Identität betrifft aber auch nur die einzelnen Dinge, nicht das Sein. Im Ganzen der Dinge, d.h. auf das Sein der absoluten Identität gesehen, herrscht ein Gleichgewicht von Idealität und Realität, was auch darauf
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hindeutet, dass das Absolute noch eine andere, ursprünglichere Beschaffenheit als Idealität/Realität hat. So ergibt sich der Begriff der „Totalität“ der Idealität und Realität: Die absolute Identität „ist“ (existiert) als idealreales „Universum“. Die Indifferenz ist in der Natur als quantitative Indifferenz zu verstehen, und die quantitative Indifferenz ist als Totalität des Idealen und Realen auszulegen. Jedes einzelne Seiende repräsentiert die absolute Identität, es ist ihre Erscheinung mit einem gewissen Übergewicht der Idealität oder Realität. Und so differiert das einzelne Seiende von jedem anderen Seienden in einer Reihe, die in die Unendlichkeit, in die Totalität zurückgeht. Da jedes einzelne Seiende aber „die“ Idealität und Realität ausdrückt, nur mit je verschiedenem Akzent, so drückt es auch die Totalität der Idealität und Realität aus. Man hat also zwischen absoluter und relativer Identität, absoluter und relativer Totalität zu unterscheiden. Jedes Seiende ist ein A=B, in ihm ist Realität und Idealität verteilt, aber genau auf diese Weise ist es A=A, relative Identität als relative Totalität. In dem Gesagten liegt, dass alle Potenzen gleichzeitig sind. So kann die Identitätsphilosophie „das“ A=B zu ihrem Gegenstand machen. In A=B bezeichnet A das Erkennen, B das Sein. Beide aber kommen nur zusammen vor: als Erkennen des Seins in quantitativer Indifferenz. Dies wiederum bedeutet: Man hat sich die Subjektivität und die Objektivität nach entgegengesetzten Richtungen als überwiegend zu denken. So kommt man auf ein bestimmtes Schema der Wirklichkeit: Die Wirklichkeit ist A=A als Linie. Sie ist absolute Identität unter der Seinsform A=B, d.h. unter der Seinsform der quantitativen Differenz mit den Polen: À=B und A=`B. A=A ist der Indifferenzpunkt, aber jeder Punkt der Linie ist je nach Betrachtungsweise Indifferenzpunkt oder Pol, Idealitätspol oder Realitätspol. Im Bereich des A=B, d.h. in der von der Geisteswelt unterschiedenen Natur, ist das ontologische Abfolgegesetz der relativen Identiäten bzw. relativen Totalitäten ihre Tendenz zu progressiver Identifikation der absoluten Identität, d.h. es besteht im Universum eine Tendenz zum reinen Sein der absoluten Identität hin. Die Seinsform der absoluten Identität ist in der Natur die Tendenz zum reinen Sein. Das universelle Seinsgesetz ist für die Natur das Reellwerden des Ideellen. Diese Überlegung führt auf die Notwendigkeit der Materie. Denn zur Materie gehört, dass ein Inneres äußerlich wird, ein
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Subjektives objektiv, ein Ideelles reell. Die Materie entspricht dieser Vorstellung damit, dass sie Länge, Breite und „Tiefe“ hat. So ist sie die erste Erscheinungsform der absoluten Identität, das primum existens. Zugleich ist der Kraftbegriff abgeleitet: Die absolute Identität erweist sich als Grund von Realität, d.h. als Kraft, und zwar als Schwerkraft, sofern zum Sein des Seienden der Indifferenzpunkt der Realität und Idealität gehört. In der Schwerkraft wird unmittelbar das A=B Gegenstand einer höheren Erkenntnis, Objekt einer Identitätsreflexion. Es ist eine neue Erkenntnis relativer Identität und und relativer Totalität möglich geworden: ein neuer Kampf des Ideellen gegen seine Begrenzheit durch das Reelle, ein Weiterstreben nach Identität der Identität, Reellwerden des Ideellen, Aufgehen der Seinsform A=B in A=A. Dieses A2 ist das Licht, die Eine Erhellung der verschiedenen Dinge: „Das Licht ist ein inneres, die Schwere ein äußeres Anschauen der Natur. - Denn jenes hat das in A=B begrenzte innere Prinzip der Natur zum unmittelbaren Objekt.“ (§ 62) Hier kann die Wiedergabe des Identitätssystems abgebrochen werden. Es folgt die Ableitung von Kohäsion, Magnetismus, Elekrizität und Chemismus, und dann als A3 der Organismus. Immer folgt die Deduktion dem Schema von Linie und Winkel. Die Linie bezeichnet die relative Identität. Der Winkel bricht die relative Identität auf und macht so eine neue relative Totalität zugänglich. Das Verfahren entspricht der „transzendentalen“ Denkweise, wie sie in der KdrV §12 quantitätsbegrifflich interpretiert wird. Man erkennt leicht die logischen Kriterien wieder, die Kant benennt: das unum, das sich als verum beweist, d.h. als ein folgenreicher Gedanke, und das immer wieder neue Zurückstreben aus Vielheit zur Einheit (bonum). Die Schwerkraft gibt dem Licht Grund zum Dasein. Das Licht gibt dem Organismus Grund zum Dasein. A2, das Licht, mit A=B überhaupt als relative Identität gedacht, dies ist die Identität der Identität, die Angleichung der quantitativ-differenten Seinsform an das Sein in der ersten Potenz und damit die Möglichkeit der höheren Potenz des Organismus. Der Organismus verhält sich intentional und reflexiv zur Natur als seiner Umwelt. Er ist ein konkretes Selbstverhältnis: mit der Reizbarkeit, der Ernährung und der Geschlechterdifferenz. **
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Das Identitätssystem von 1801 findet heute keine Anhänger. Helmut Plessner hat es zu würdigen versucht. Er hat ihm aber eine philosophische Bedeutung zugesprochen, die sehr im Allgemeinen verbleibt. Schelling habe mit dem System der Alleinheit dem Zerfall der Wissenschaften entgegengewirkt. Er habe den Zerfall, mit Goethe zu sprechen, des menschlichen „Kompatriotismus“ mit der Natur aufgehalten. Er habe den vielfältigen Entfremdungsformen des Menschen von der Natur und des Menschen vom Menschen widersprochen.20 Man kann sich mit der Würdigung begnügen, dass das Identitätssystem, auch wenn es fragmentarisch geblieben ist, ein Grundmodell spekulativer Philosophie erarbeitet hat. Das nachkantische Paradigma der Verbindung von Idealismus und Spinozismus, die Konzeption der ideal-real-identischen absoluten Vernunft, hat hier bestimmtere Gestalt angenommen, ist der Durchführung nähergekommen, und zwar insbesondere mit der Methode der Potenzenfolge. ** Fichte hat das Identitätssystem einer kritischen Durchsicht unterzogen, und zwar unabhängig vom eigenen Systemstandpunkt, in einem Nachlasstext (SW 11, 368-389). Fichtes Kritik richtet sich gegen die innere Unvermitteltheit der absoluten Identität, d.h. gegen ihre Konstruktion aus verschiedenen Tätigkeiten. Man sieht nicht, so Fichtes Kritik, die mit der Hegelschen Schellingkritik übereinkommt, mit welchem Recht die absolute Identität durch die quantitative Differenz und durch den Gedanken der quantitativen Indifferenz erweitert werden kann. Schelling behalte neben der Einen absoluten Vernunft noch eine zweite, differenzierende im Sinne, „um aus der leeren und abstrakten Indifferenz, mit der nichts anzufangen, überhaupt nur weiterzukommen.“ (371) Schelling versucht, so könnte man sagen, der totgeborenen Indifferenz Leben von außen einzuhauchen: mit neuen Prinzipien, wie Sein und Form des Seins. Für Fichte ist die ganze Lehre vom Selbsterkennen der absoluten Identität unerwiesen. Gegen das Konzept der „quantitativen Differenz“ bemerkt Fichte: „Warum kann nicht Ein und dasselbe in wahrhaften Gegensätzen existieren? über dies ganz wichtige Verhältnis
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Plessner, Helmut: Das Identitätssystem, in: GS, Bd. 9, 1985, 300–319; zuerst in: Studia philosophica 14, 1954, 68–84, auch in: Materialien zu Schellings philosophischen Anfängen, hg. v. Manfred Frank u. Gerhard Kurz, Frankfurt a. M. 1975, 414–430.
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kein Wort!“ Und auch diese Kritik Fichtes ist beachtenswert: Was hilft die quantitative Differenz und die Potenzenreihe, wenn doch nur relative Identität herausspringt, die von der absoluten Identität unendlich entfernt bleibt? Das Identitätssystem sei eine „unendliche Rechnung, die nie rein aufgeht.“ (385) IX.10 Schelling über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809) Schellings Freiheitsschrift 21 deutet das Gesamtseiende: Gott, Natur und Mensch als Einen theokosmogonischen Prozeß, der von zwei göttlichen Anfängen ausgeht. Natur und Mensch werden der Gottwerdung eingeordnet, die zwei Anfänge hat. Gott ist dem einen Anfang nach Vernunft, Licht, unendliche Ausbreitung der Vernunfthelle, Expansion, Sich-Verströmen totaler Klarheit, die rein geistige Mitteilsamkeit eines communicativum sui, ein in sich versonnenes Leben, ein in „Ideen“ (Gesichten) versponnener Universalwille. Gott ist dem anderen Anfang nach Kontraktion, die der Expansion entgegenwirkt. Dem Mitteilungs- oder Offenbarungswillen steht die Tendenz entgegen, sich in sich zu verschließen, sich einzuengen, sich festzulegen auf einen Grund-Zustand. In Gott ist eine Macht, die sein Wesen zusammenzieht. Sie gibt der absoluten Vernunft Existenz. Sie bewirkt, dass die Vernunft reflexiv wird, selbsthaft, persönlich. Schelling nennt diesen zweiten Anfang der Gottwerdung und Allwerdung den „Grund“ der Existenz der Vernunft. Der „Grund“, das basale Moment, ist das in Gott, was macht, dass er sich auf sich konzentriert, dass er innerlich wird, selbsthaft, selbst-ständig. Der Grund der Existenz Gottes aber vermag die zusammenziehende Funktion nur auszuüben, weil er an sich Einigung ist, Bindung, Band: das Band elementarer, sonst chaotischer Kräfte. So betrachtet, enthüllt sich schon der Grund als ein relativer Ordnungswille, als relativer Universalwille, als Abglanz der Lichtwelt der Vernunft in der Realsphäre des dunklen Dranges, der Trieb- und Wirkkräfte. 21
Reclam-Ausgabe (Horst Fuhrmanns). Heidegger: Vorlesung von 1936, Schellings Abhandlung über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809), 1971. Ausgewählte Werke. Schriften von 1806-1813, Darmstadt 1983.
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Damit, mit der Urverwandtschaft der Vernunft und des Grundes, tritt als das Urwesen Gottes die „Liebe“ hervor: das Einssein der Gegensätze. Vernunft und Grund stehen über alle Wesensverschiedenheit hinweg in einer substantiellen Entsprechung. Sie sind insgeheim identisch. So wird verständlich, dass im Grund eine Sehnsucht nach dem absoluten Licht, nach der absoluten Einheit der Vernunft waltet. Der Grund ist empfänglich für den Logos, er ist ansprechbar vom Wort, wenn es an den Grund gebracht wird. Von der anderen Seite her gesehen: Das in den Grund gesprochene Wort weckt die relative Vernunft, das Ordnungs-begehren des Grundes. Es hat zur Folge, dass die relative Vernunft des Grundes mehr und mehr hervortritt, dass es zu einer Selbstidentifikation der absoluten Vernunft kommt. Das Wort artikuliert die sprachlose Vernunft des Grundes. Das Wort schafft ein Stufenreich zunehmend persönlicher Wesen: die Natur, bis im Menschen das Eben-Bild Gottes erreicht ist. In ihm reflektiert sich das absolute Wesen. Der Mensch aber ist nur Ebenbild, ein entferntes Abbild des Absoluten. Der Mensch bleibt vom Absoluten durch die Trennlichkeit der Anfänge, des Grundes und der Vernunft, geschieden. Die Trennlichkeit der „Seinsfuge“ (Heidegger) bedeutet, dass der Mensch fähig ist, die Urschöpfung umzuschaffen, d.h. sie zu verkehren, in Unordnung zu stürzen. Der Mensch besitzt eine Freiheit vom Grunde als Freiheit zur treuhänderischen Bewahrung der Natur, aber diese Freiheit ist auch Freiheit zum Grunde hin und damit Freiheit zum Bösen. Das Wesen des Bösen ist die selbst-süchtige Revolte des Partikularwillens gegen den Universalwillen. Im Grunde ist eine zusammenziehende Macht wirksam. Im Grunde ist eine Tendenz enthalten, sich auf sich selbst zu stellen. Diese Selbstsucht begleitet das Scheiden und Einigen der Kräfte, das am Grunde und im Grunde durch den Logos bewirkt wird. Und so haust der Geist des Bösen schon in der vormenschlichen Natur, als das naturhafte Vorbild für die Egozentrik des Menschen, als naturgegebene Versuchung zum Bösen. Dieser Egoismus des Grundes wird im Willen des Menschen aufs höchste gesteigert, wie alles Grundhafte, das mit dem Menschen aus dem Grunde erhoben wird, freigesetzt wird. Im Menschen sind beide Anfänge oder Zentren des göttlichen Wesens zusammen mit ihrer Einheit herausgestellt. Damit gelangt die Einheit oder Liebe im Menschen in ihre äußerste Freiheit. Denn sollen sich das
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Rationale und Irrationale in voller Klarheit durchdringen, so müssen ihre Pole oder Zentren oder Anfänge deutlich hervortreten. Gott hat den Willen zur Natur gefaßt. Der Logos hat sich sich selbst im Grunde gesucht und gefunden. Er hat damit die Transmutation des Grundes zur Natur eingeleitet. Es hat, als sich der Logos im Grunde wiederfand, die ideale Verklärung des Idealen begonnen. Bei alledem war die leitende Vision das Werden eines Wesens, in welchem das hellste Licht und das abgründigste Dunkel gleicherweise anwesend sind. Gott ging zur Schöpfung der Welt über, weil er dieses Wesen wollte, einen nachschöpferischen Willen („in ihm allein hat Gott die Welt geliebt“). In der verschlossenen Tiefe des Grundes war ein „göttlicher Lebensblick“ vorgegeben. Die Idee des Menschen war im Grunde eingeschlossen. Der Mensch war in dem den Grund belebenden Licht vorgesehen. Im Grunde war der Mensch von Anfang an als Lebens- und Lichtblick, Beweg-grund zur Schöpfung. Die Liebe, die den Grund erfaßte, zielte am Ende auf den Menschen als das Ebenbild des Absoluten ab. Die Sehnsucht des Grundes, das über den Grund auf grundhafte Weise Hinausstrebende, ist mit der Schöpfung in Gegensatz getreten, um eine pseudorationale Natur nach eigenem Ermessen zu schaffen. Dies konnte die Sehnsucht des Grundes nur intendieren, indem sie sich des Menschen bediente, indem sie ihn ergriff, das Leben- und Lichtelement des Grundes. Die erste Revolte war nicht der Fall des Menschen, sondern die eigenmächtige Auflehnung des Grundes vor dem Erscheinen des Menschen. Der Aufstand hat sich mit dem Menschen nur fortgesetzt. Das Aufbegehren des Grundes aber ist von vorneherein ebenso eigenmächtig wie ohnmächtig. Das Böse bringt es für die Wesensbetrachtung zu einer bloß meteorischen Wirkung. Nur in geschichtlich-dynamischer Betrachtung ist das Bild ein anderes. Dann stellt sich das Böse so dar, dass es sich dem „Geist der Liebe“ mit umso größerer Anstrengung widersetzt, je mehr sich die Liebe und mit ihr „das Gute“ offenbart. Und so kommt der Moment, „wo die Erde zum zweitenmal wüst und leer wird“. Genau dieser Moment aber ist der Moment „der Geburt des höheren Lichts des Geistes“: Es ist der Moment der Menschwerdung Gottes im Sohne. Denn: „nur Persönliches kann Persönliches heilen, und Gott muss Mensch werden, damit der Mensch wieder zu Gott komme.“ (380). Eine
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„zweite Schöpfung“ begründet ein „neues Reich, in welchem das lebendige Wort als ein festes und beständiges Zentrum im Kampf gegen das Chaos eintritt und ein erklärter, bis zum Ende der jetzigen Zeit fortdauernder Streit des Guten und Bösen anfängt, in welchem eben Gott als Geist, d.h. als actu wirklich, sich offenbart.“ Das Ende der Gegenwart wird erreicht sein, wenn der Sohn zur Weltherrschaft gelangt ist und sich und die Welt dem Vater unterwirft, „auf daß Gott sey Alles in Allem.“ (405) Der äußerste Ausblick der Freiheitsschrift ist ein Vorblick auf die Erzählung der „Weltalter“ und auf die „Philosophie der Offenbarung“. Man ahnt, dass sie als trinitarische Theokosmogonie angelegt sein wird. * Schellings erbaulich erscheinende Freiheitsschrift verdient eine kritische Beurteilung. Für die Systemgeschichte ist die Erkenntnis der Unvollkommenheit dieser Systemfassung ohnehin unentbehrlich. Zuerst aber kann noch einmal der Hauptinhalt zusammengedrängt werden, und vor der Kritik muss auch eine positive Würdigung gegeben werden, die das Neue und Verbesserte bezeichnet. Die Freiheitsschrift erklärt die Freiheit des Menschen zum Guten und Bösen daraus, dass die göttliche Vollkommenheit einen Spiegel einschließt. Das Wesen Gottes ist schöpferische Liebe, das Einssein der urentgegengesetzten Prinzipien der Expansion und Kontraktion. In Gott, ohne Gott selbst zu sein, besteht eine Tendenz zum Sich-Verschließen und, als zweiter Wesensanfang, die Vernunft, der wesensgemäß eine Tendenz eigen ist, sich auszubreiten. Sie ist in Gott das communicativum sui, seine Mitteilungsfreude, sein Offenbarungswille. Geht das SichVerschließen mit dem Offenbarungswillen zusammen, so wird die Vernunft existent. Das Absolute aber weist eine Kontraktionstendenz auf, weil in seinem Grundanfang bereits ein Band chaotische Kräfte bändigt, das Band einer vernünftigen Ordnung wirksam ist. Wenn die reine Vernunft der göttlichen Licht- und Ideenwelt zum Grund in Beziehung tritt, so findet sie also am Grund nicht nur Widerhalt, sondern auch Widerhall. Der Effekt des „von oben“ ansetzenden Zusammengehens der Wesensanfänge ist der Naturprozeß, das Werden eines Stufenreiches gottähnlicher Wesen. Das Band der Kräfte, die objektive Vernunft der Natur, hebt sich an den Naturwesen immer reiner und deutlicher hervor. Im Menschen wird das Band (die Einheit, die
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Ordnung, die Bändigung des Chaos) wesensprägend. Der Mensch ist in der Natur der Exponent des Bandes, der Einheit. Der Begriff des Menschen kann mit einem Wort so definiert werden: Der Mensch ist die Zertrennlichkeit des Gegensätzlichen. Nur in der Zertrennlichkeit, die der Mensch ist, kann die Einheit der Schöpfung thematisch werden, kann sich Gott reflektieren. Zum Wesen des Menschen, zur Einheit des Partikularund Universalwillens, die sein Wesen ausmacht, gehört die Freiheit, das Band der Naturkräfte gut oder schlecht zu verwalten, den Endzweck der Schöpfung zu erfüllen oder auf seine Vereitelung auszugehen. Er kann den vollendeten Spiegel der göttlichen Vernunft und Liebe, der er selbst ist, zersplittern. * Die Freiheitsschrift will nur den ideellen Teil des Identitätssystems um das Thema der Freiheit ergänzen. Aber die Begriffswelt der Freiheitsschrift ist neuartig. Schelling gibt 1809 der Identitätsphilosophie, der idealrealistischen Indifferenzphilosophie des Absoluten das neue Gepräge einer Ontologie der Liebe. Diese Systemwandlung hat auch eine methodologische Überlegung zur Grundlage. Schelling besinnt sich auf das Platonische „Gleiches durch Gleiches“-Prinzip: Der Erkenntnisgegenstand muss von der Art des Subjekts u.u. sein. Persönliches muss Persönlichem zugewandt sein, auch in der Erkenntnis, so dass anthropomorphe Begriffe und Sprachsymbole in der Philosophie legitim erscheinen. Die person- und liebesontologische Umprägung der Prinzipien Identität und Indifferenz könnte allerdings in der Tat ihre authentischere Ausprägung sein. Die allgemeine Vernunftnatur der absoluten Identität wird fasslicher, wenn Gott die Liebe ist. Die Vernunftnatur des Seins und der Seinsform Gottes werden eher annehmbar, wenn statt der bloß kognitiven „Identität der Identität“ eine kognitive und emotionale Selbstidentifikation vorausgesetzt wird, eine theoretisch-praktisch-ästhetisch umfassende Selbstheit. Dieses Absolute, die absolute Selbsterkenntnis und Selbstliebe, eine umfassende Selbstoffenbarung, entzieht sich allerdings noch mehr dem Begreifen. Im Vergleich mit dem Identitätssystem von 1801 hat der Identitätsgedanke inzwischen an Inhalt zugenommen, aber auch an Dunkelheit. Der Grundriß des Systems der absoluten Identität ist erhalten geblieben. Über Grund und Vernunft schwebt die Gottheit, wie sie im Identitätssystem an der „Identität der Identität“ nur
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ihr Sein hatte. Die göttliche Indifferenz schwebt über Grund und Vernunft und auch über dem Zusammenschluß von Grund und Vernunft in der Liebe. Aus der Indifferenz „bricht“ die Zweiheit von Idealität und Realität „hervor“. An der Indifferenz, die auch als „Ungrund“ bezeichnet wird, haben Idealität und Realität den Anhalt ihres Sichdurchdringens. In den zwei Anfängen Gottes erkennt man die Pole wieder, an denen Realität bzw. Idealität ein Übergewicht hatten. Im Grund schimmert das Licht des Verstandes, und zwar (wie immer wieder zu unterscheiden ist) in der Art eines Licht-Geäders, nicht in der Art des Strahls, der von außen in die Nacht fällt. Für den Verstand ist der Grund das haltende Element, nicht aber so, dass der Verstand auf einem amorphen Drang aufruhte. Der Grund ist unausgelegter Sinn. Der Verstand ist die reine Gesetzlichkeit der Kräfte des Grundes, der Verstand ist das Band der Kräfte des Grundes. Der Grund ist bildkräftig, ohne zu bilden. Der Verstand ist bildkräftig vom Grunde her, weil er darin sein entferntes Gleichnis erkennt. Im Absoluten gibt es das Eigentlich-Ideale und das Eigentlich-Reale, aber diese Extreme haben das andere Extrem jeweils an sich. Sie also sind nicht nach dem Form-Materie-Schema zu denken, und auch nicht nicht nach dem Modell der Bearbeitung des Realen durch das Ideale. Es ist also auch nicht an eine spannungsvoll gegensatzträchtige Mitte oder an eine spannungsausgleichende Mitte zu denken. Keine reine Materie, keine absolute ὕλη, kommt im Modell vor, und auch kein reines Denken, keine reine νόησις νοήσεως. Das Prinzip Liebe verklammert nicht Realität und Idealität; dies wäre immer noch synthesis post factum (mit einem Ausdruck Fichtes). Das Systemprinzip Liebe soll eine sisyphusartige Vermittlungsbestrebung unnötig machen, das schlecht unendliche Streben nach Vermittlung grundsätzlich Unvermittelbarer. Im Identitätssystem von 1801 entkam Schelling noch nicht diesem Fichteschen Erbübel: dass mit dem Absoluten der Anfang gemacht und mit dem bloßen Streben nach Absolutheit geendet wurde. Das Prinzip Liebe schließt Zeugung und Erzeugung ein, Zeugung und Gebärung. Der Logos der Zeugung, das schaffende Wort, das in den Grund spricht, artikuliert die Sehnsucht, die im Grund bei vorwaltender Realität ist. Der Logos macht, dass sich die Sehnsucht an der Idea, dem göttlichen Lebensblick ausrichtet. Die Liebe vollzieht sich, idealistisch gesprochen, als „Einbildung“, realistisch gesprochen als Ausbildung. Die Liebe bringt den Naturprozeß auf den Weg, einen
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Stufengang des produktiven Willens, bis hin zur gottebenbildlichen Identität von Universalwillen und Partikularwillen im Menschen. Die Umwendung der Natur in Freiheit, in Geist und Persönlichkeit, impliziert allerdings die mögliche Umkehrung der Liebe in Haß, der Natur-Evolution in natura corrupta. Die Freiheit des Menschen ist auch der eminente Ort des Bösen, wozu der Mensch durch den Grund stimuliert wird, aus dem er herkommt. Denn der Grund ist nicht nur gelichtet, sondern auch lichtfeindlich. Der Schöpfungsabsicht nach aber ist die Vernünftigkeit des Grundes dem Menschen anvertraut, er soll sie gegen den Geist des Bösen bewahren, der in allen Naturdingen schwelt, als eine irrationale Sucht. Der Mensch ist zum Hüter des schon relativen Seiend-Seins der Natur bestimmt: weil er erhoben ist über den Grund und damit über Dunkel und Licht (Irrationalität und Rationalität). Der Mensch ist nach Herkunft und Auftrag Geistwesen. Er ist so aber auch selbsthaft. Das Band ist mit den Kräften in seine Hand gegeben, er kann binden und lösen. Er kann sich der absoluten Vernunft versagen, sich auf sich zurückziehen, seinen Partikularwillen durchzusetzen versuchen. Er kann der Selbstwerdung des Absoluten in selbstischem Streben entgegenwirken wollen. *** Die Freiheitsschrift krankt an einem Grundgebrechen, das Schellings philosophische Produktion seit ihren Anfängen verfolgt. Der idealistisch, subjektivitätsmetaphysisch „umgekehrte Spinozismus“ wird von einer Spinozistischen Erblast gedrückt. Bei Spinoza ist der Übergang von der Einen Substanz zu den Attributen und Modi dunkel. Ebenso dunkel ist das Aufeinanderabgestimmtsein der Attribute und Modi. Bei Schelling fehlt die Vermittlung des Einen Indifferenz-Absoluten mit der Grunddifferenz von Idealität und Realität. Als Folge hiervon bleibt unklar, inwiefern Idealität und Realität „eigentlich“ oder im Tiefsten identisch sind. Man sieht nicht, wie die ontologisch verstandene Liebe, das Eine theokosmogonische Identifikationsgeschehen, mit der Indifferenz zusammenhängt: wie die bizentrische Liebe mit dem exzentrischen „Ungrund“ verbunden ist. Man erfährt nichts zu der Frage, ob etwa die beiden Anfänge des theokosmogonischen Prozesses, Vernunft und Existenzgrund der Vernunft, von der absoluten Indifferenz her in präetablierte Harmonie versetzt sind.
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Dieses theoretische Grunddefizit hat Folgen für das ganze System, dies kann schon am Problembereich Natur bzw. der Schöpfung der Natur gezeigt werden. Die erste Schöpfung, vor der heilsgeschichtlich notwendigen Neuschöpfung, wird als Entbergung der Idee aus dem Grunde gedeutet. Aber woher das Vorgelichtetsein des Grundes stammt, wie die Vorreflexivität der Idee möglich ist, die erst im Sich-Entbergen reflexiv wird, bleibt rätselhaft. Was die Methode angeht, so hält Schelling am Fichteschen Verfahren fest, das Widersprüchliches durch eingeschobene Mischbegriffe milderte, vergleichbar der Stellung der Dämmerung zwischen Tag und Nacht. Bei Fichte hatte diese Methode, die geduldige Widerspruchseinengung, ihr Fundament in der Sache selbst, im Subjekt: Das Ich sollte auf diese Weise mit sich ins Reine kommen. Bei Schelling aber wirkt der fundamentale Mischbegriff, den er einführt künstlich: dies ist der anfängliche Identitätszustand, eine Pränatur, eine Vorwelt und Vorgeschichte. Diese Konstellation erscheint künstlich, weil sie nicht der Indifferenz nachkonstruiert ist. Die lautere Indifferenz läßt dies mit ihrer Unbestimmtheit nicht zu. Es findet sich ein Ansatz zu einer genetischen Anbindung der beiden Anfänge an die übergöttliche Indifferenz. An einer Stelle heißt es, die absolute Indifferenz lasse die Dualität der Anfänge Vernunft und Existenzgrund der Vernunft „unmittelbar hervorbrechen“. (128f.) Dies aber ist keine wirkliche Erklärung, es nichts als Sprachmagie. Unmittelbares „Hervor-Brechen“: Das „Hervor“ suggeriert ein Hervorgehen aus gehaltvollem Insichsein. Andererseits aber verhindert das „Hervor-Brechen“ eine Assoziation von Indifferenz mit Differenz. Einerseits werden Indifferenz und Identität einander nahegebracht. Andererseits wird ihre Distanz bekräftigt, mit der Eruptivität des Hervorgehens: Es entwickelt sich nichts in der Indifferenz, oder an ihr, so dass sie produktiv würde. Heidegger hat eine „Seinsfuge“ in der Freiheitsschrift namhaft gemacht, im Hinblick auf das Zusammenspiel der inneren Anfänge des Absoluten. Die Theokosmogonie von 1809 aber präsentiert eine Ungefügtheit der Indifferenz und des Identifikationsgeschehens der Liebe. **
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Wie der Anfang der Natur, so gibt auch ihr Gipfel- und Wendepunkt unbeantworbare Fragen auf. Die Wesensverfassung des Menschen, die menschliche Freiheit zum Guten und Bösen, bleibt erhellungsbedürftig. Schelling will der unsinnigen, unmotivierten Wahlfreiheit entkommen. Er interpretiert die Willensentscheidung für das Gute als gesinnungshafte Entschiedenheit. Sie soll sich mit der „wesentlichen Erkenntnis“ wie von selbst einstellen. Wie erklärt sich dann aber das Böse? Reduziert sich das Böse auf das Ausbleiben oder auf das begrenzte Sich-Einstellen der wesentlichen Erkenntnis? Wäre dies nicht ein Rückfall in die Privationstheorie des Bösen, die Schelling genauso wie die Lehre von der Wahlfreiheit ablehnt? Die Privationstheorie des Bösen -das Böse bloß Mangel an Gutsein- wird der machtvollen Realität, der negativen Größe des Bösen nicht gerecht. Der Privationsbegriff entspricht nicht der Dämonie des Bösen. Die Kritik drängt sich auf, dass die theokosmogonische Freiheitsauffassung die Unklarkeit widerspiegelt, die über dem Verhältnis von göttlicher Indifferenz und Identität liegt. Es wird nicht erklärt, wie die Indifferenz als der exzentrische Ungrund das bizentrische Identifikationsgeschehen ermöglicht. Bei Fichte hieß die Notlösung dieses Problems, eine Art Erklärung obscurum per obscurius: Das absolute Ich ist offen für einen Anstoß, für eine Aufgabe. Schelling zieht einen solchen Gedanken nicht einmal in Erwägung. Ein Angestoßenwerden der Einen absoluten Indifferenz ist ja auch undenkbar. So bleibt das Verhältnis von Indifferenz und Identität geheimnishaft. Andererseits wird nicht erklärt, wie im Menschen die bizentrische Zertrennlichkeit möglich ist. Es scheint sogar, als fehle auf der Seite des Menschen überhaupt das Gegenbild des Ungrundes: eine exzentrische Subjektivität, eine Entscheidungsinstanz jenseits von Grund und Vernunft. Würde sie angenommen, so drohte allerdings die Wahlfreiheit. * Ein anderer Einwand liegt vielleicht nahe, ist aber nicht stichhaltig. Man könnte die folgende Überlegung anstellen: Wenn das Böse benötigt wird, weil das Absolute, die absolute Persönlichkeit, die eigene Vollkommenheit nur an einem weniger vollkommenen Wesen spiegeln kann, so scheint diesem Zweck die bloße Fähigkeit des Menschen zum Bösen zu genügen: die Zertrennlichkeit von Grund und Vernunft im Menschen. Die Zertrennung, so könnte man meinen, wird nicht benötigt. Die Liebe, so
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könnte man argumentieren, braucht sich nicht in der Überwindung von ausgebrochenem Streit und Haß zu offenbaren; die Liebe kann sich auch darin beweisen, dass sie die Freiheit zum Guten schützt und umhegt, also in göttlicher Fürsorge; auch der göttliche Beistand bei der Unterdrückung des Bösen könnte die göttliche Liebe offenbaren. Aber diese Überlegung ist unhaltbar. Ein Vermögen muss erprobt werden, um nicht im Verdacht zu stehen, bloß eingebildet zu sein. ** Die Identitätsphilosophie, die idealrealistische Indifferenzphilosophie des Absoluten, erhält in der Freiheitsschrift von 1809 ein neues Gepräge. Sie wird zu einer Ontologie der Liebe weiterentwickelt: Diese Systemveränderung hat auch eine methodologische Überlegung zur Grundlage. Schelling besinnt sich, so wurde schon festgestellt, auf das Platonische „Gleiches durch Gleiches“-Prinzip: Der Erkenntnisgegenstand muss von der Art des Subjekts u.u. sein. Persönliches muss Persönlichem zugewandt sein, auch in der Erkenntnis, so dass anthropomorphe Begriffe und Sprachsymbole in der Philosophie legitim erscheinen. So wird das Absolute in der Freiheitsschrift zum Subjekt einer Selbstoffenbarung in Selbsterkenntnis und Selbstliebe. Die göttliche Indifferenz schwebt allerdings über der Vernunft und ihrem Existenzgrund und auch über dem Zusammenschluß von Grund und Vernunft in der Liebe. Daher das „Hervorbrechen“ des Urgegensatzes von Idealität und Realität aus der Indifferenz. So drängt sich die folgende Kritik auf: Die theokosmogonische Freiheitsauffassung spiegelt die Unklarkeit wider, die über dem Verhältnis von göttlicher Indifferenz und theokosmogonischer Identität liegt. Es wird nicht erklärt, wie die Indifferenz als der exzentrische Ungrund das bizentrische Identifikationsgeschehen ermöglicht. Bei Fichte trat dieses Problem schon auf, im Hinblick auf absolutes Ich und Ich-Nichtich-Gegensatz. Fichtes Verlegenheitslösung lautete: Das absolute Ich ist offen für einen Anstoß, für eine Aufgabe. Ein Angestoßenwerden der Einen absoluten Indifferenz aber erscheint absurd. So bleibt das Verhältnis von Indifferenz und Identität geheimnishaft. Das System muss nochmals nachgebessert werden. Auch wird nicht erklärt, wie im Menschen die bizentrische Zertrennlichkeit möglich ist. Es scheint sogar, als fehle auf der Seite des Menschen, im Mikrokosmos, ein elementares Gegenstück des Absoluten: Es wird dem Menschen keine exzentrische
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Subjektivität zugesprochen, keine Entscheidungskraft jenseits von Vernunft und Grund. Würde sie angenommen, so drohte allerding, wie schon herausgestellt, die Wahlfreiheit. Das Dilemma der Schellingschen Reflexion des Bösen läßt sich so beschreiben: Der Mensch kann nach Schelling Vernunft und Grund gebunden halten, er kann die Schöpfung gegen den Geist des Bösen verteidigen. Und er kann dem Ungeist der Verkehrung nachgeben, das Band lösen und es nach eigenem Gutdünken befestigen wollen. Aber die Entschiedenheit für das Gute kann nicht aus Indifferenz kommen, die Wahl des Guten kann keine Sache des Beliebens sein. Genausowenig kann das Gut- und Bösesein vom Eintreten oder Ausbleiben der „wesentlichen Erkenntnis“ abhängen. So wäre es keine Gesinnungsfrage, und speziell das Böse würde als Mangel des Guten verharmlost. Also muss die menschliche Freiheit noch anders konzipiert werden. Das Verhältnis des Menschen und des Absoluten muss noch näher bestimmt werden. Und tatsächlich hat Schelling genau dies alsbald versucht: in den „Weltaltern“ und auch schon in den „Stuttgarter Privatvorlesungen“ von 1810, mit einer Wesensannäherung des Menschen und des Absoluten dadurch, dass Gott und dem Menschen Freiheit zugeeignet wird.22 IX.11 Stuttgarter Privatvorlesungen Vor den „Weltalter“-Entwürfen hat Schelling schon in den „Stuttgarter Privatvorlesungenen“23 von 1810 das System nochmals modifiziert. Schelling hält an der Theokosmogonie fest. Philosophie expliziert den Begriff des lebendigen Gottes, sie ist „der fortgehende Beweis des Absoluten“. Gott offenbart sein Wesen, die Identität von Idealität und Realität, indem er es zur Existenz bringt. Dies besagt: Das Band der Prinzipien potenziert sich, indem es sich um sich selbst bindet. Ursprünglich ist das Absolute als von seiner Form ungeschieden: als „Zustand des in 22
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Offene Fragen werden von Xavier Tilliette aufgezählt: das Böse als Prinzip, ungeschaffen, aber kein formeller Dualismus; durch die Schöpfung aus Nichts Gott mit dem Schatten des Bösen behaftet; die Freiheit nicht ergründet, notwendig; die Ursünde mehrfach erklärbar; der Übergang der Möglichkeit zur Wirklichkeit undurchdringlich. - Die Freiheitsschrift, in: Hans Michael Baumgartner, Hrsg., Schelling, Einführung in seine Philosophie, Freiburg/München 1975, 95-107, 96 f. WBG Ausgew. Werke, 1983, Schriften 1806-1813.
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sich verschlungenen Seyns“ (Werke I 7, 425) und damit als die Ewigkeit vor aller Zeit. Das Absolute differenziert sich zu Idealität und Realität, und zwar so, dass, wie vom Identitätssystem angenommen, zwei Grundgestalten resultieren: Idealität mit überwiegender Realität und Realität mit überwiegender Idealität verbunden. Die erste Sphäre, die Natur, geht im Menschen in die zweite Sphäre über. Im Menschen wird das in die Natur verwickelte Absolute, die absolute Identität, überwiegend ideell. Es verwandelt sich in die Geisteswelt. A reflektiert sich, es wird bewusst, persönlich, indem es die ihm angemessene Seinsform der Allgemeinheit annimmt, d.h. die Form des Denkens. Schon in der Natur potenziert sich A, entzieht es sich der Übermacht des B, indem es sich potenziert. Es reflektiert sich im Gegensatz von Idealität und Realität (A2), und es reflektiert sich als „Identität der Einheit und des Gegensatzes“ (A3) (VII, 445) So erklärt sich die triadische Steigerung Mechanismus-Chemismus-Organismus, und innerhalb des Organischen die Folge Pflanze, Tier, Mensch. Der Mensch ist mit seiner Verfügungsgewalt über das Band der Realität und Idealität ihre sublimste Indifferentiierunginstanz. Seiner ursprünglichen Bestimmung nach sollte er der Mittler zwischen Natur und Übernatur sein. Er sollte als Geistwesen, als Identität der Einheit und des Gegensatzes, als zugleich natürliches und übernatürliches Wesen die Folie der sich wiederherstellenden Indifferenz abgeben. Durch seinen Fall aber bedurfte er selbst eines Mittlers, der ihn aus der überwiegenden Natürlichkeit hervorhob. Nach dem Fall umfaßt die Wesensverfassung des Menschen Gemüt, Geist und Seele. Jedes dieser Vermögen enthält selbst Gemütartiges bzw. Geistartiges bzw. Seelenartiges. Zum Gemüt gehört Schwermut, aber auch Sehnsucht, dann Tätigkeitsdrang, Sucht, Begierde, Lust, Hunger nach Sein, schließlich das Gefühl. Im Geist wird die Begierde bewusst, der Seinshunger systematisch. Das Innerste des Geistes ist der Wille als Eigenwille, verständiger Wille und als ein Mittleres zwischen Eigenwillen und verständigem Willen. Die höchste Wesens-Potenz des Menschen, das reinste Abbild der Indifferenz in ihm, ist nicht der Geist, sondern die Seele: die Seele als das Unpersönliche, als dasjenige, dessen Eingebungen der Geist oder Wille unterworfen sein soll. Daher die neue, genauere Erklärung des Bösen: Es besteht in der Verkehrung der
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Rangfolge Gemüt-Geist-Seele. Das Böse besteht darin, dass die Manifestationen der Seele: Kunst, Poesie, Wissenschaft in den Dienst der Persönlichkeit genommen werden, d.h. dass sie den Willenszielen des Geistes unterworfen werden. Das Böse ist nach den Stuttgarter Privatvorlesungen die Instrumentalisierung der Seele (Kunst, Poesie, Wissenschaft) durch den willensaktiven Geist. Das Böse ist Vergeistigung der Seele, entseelte Personalisation (Verpersönlichung) des Menschen. Der Kategorische Imperativ muss heißen: „Handle der Seele gemäß“, „handle nicht als persönliches Wesen, sondern ganz unpersönlich, störe ihre Einflüsse in dir selbst nicht durch deine Persönlichkeit.“ Die Seele entspricht im Menschen der Indifferenz, dem A3, der Liebe, sofern sie die Schöpfung zusammenhält. * Die präzisere Bestimmung des „Bösen“ ist ein Novum der Stuttgarter Privatvorlesungenen. Die Hauptneuerung ist ein Versuch, das Problem des Überganges der Indifferenz zum theokosmogonischen Identifikations- und Liebesgeschehen zu bewältigen. Der zweite theokosmogonische Grundbegriff neben der „absoluten Identität“ ist jetzt der Begriff der Freiheit, der in der Freiheitsschrift noch auf den Menschen konzentriert wurde und gerade darum problematisch blieb, weil er nicht auf göttliche Freiheit rekurrierte. Im Indifferenz-Absoluten liegen die „Prinzipien“ oder „Potenzen“ in völliger Indifferenz oder Ununterscheidbarkeit. (VII, 428). Genauso liegt die Zeit „implicite, als Einheit oder Ewigkeit“ in ihm. Es kommt zu einer Scheidung. Der einzige „Erklärungsgrund“ dieser „Einschränkung oder Herablassung Gottes“ ist seine Freiheit, die mit absoluter Notwendigkeit koinzidiert. In seiner Freiheit kann Gott die „absolute Identität seines Wesens brechen, um dadurch Raum zu einer Offenbarung zu machen.“ (VII, 429) Bemerkenswert, im sprachlichen Vergleich mit der Freiheitsschrift, ist das Wechseln zwischen intransivem „Hervorbrechen“ dort und transitivem „Brechen“ hier. Gott bricht die absolute Identität seines Wesens. Damit wird der Anfang (und Grund) der Selbstoffenbarung in das Absolute selbst verlegt, Man möchte sagen: in seine Subjektivität. Und in der Tat wird auch die „Freiheit“ als „Wille“ beschrieben, sich zu machen (432), und zwar in einem „Proceß der vollendeten Bewußtwerdung, der vollendeten Personalisirung Gottes.“ (433). Allerdings wird das göttliche Sich-Herabsetzen in die Natur als ein
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Geschehen geschildert, und diese Darstellung entspricht ja auch der Vorpersönlichkeit des Indifferenz-Absoluten: „Das Höhere in Gott drängt gleichsam das Niedere von sich hinweg, mit dem es bisher in Indifferenz oder Mischung war, und umgekehrt, das Niedere sondert durch seine Contraction sich selbst von dem Höheren ab - und dieß wie im Menschen so auch in Gott der Anf an g seines Bewußtseyns, des Persönlichwerdens.“ (VII, 434) ** Eine andere Schilderung verdichtet Prozeß und subjektives Handeln: Gott scheidet sich in sich, so heisst es, um aus dem, was er nicht selbst ist, und was er eben darum von sich scheidet, das ihm Ähnliche freizusetzen. (434) Das Nebeneinander von inaktiver und aktiver Scheidung ist in der Sache begründet. Eine dialektische Rekonstruktion des Absoluten kann nicht anders verfahren. Man muss an das Indifferente den Gegensatz Prozeß-absichtsvolles Handeln herantragen, weil diese Disjunktion durch das Absolute geschaffen wird, durch seine Selbstdifferenzierung in Realität und Idealität. Man kann das, was das Indifferente ist, nur durch das bezeichnen, was es tut. Vielleicht wäre die brauchbarste Chiffre das „Aufbrechen“ (der „Aufbruch“) mit transitiv-intransitiver Doppeldeutigkeit. Das Anfangen der Schöpfung in der Ewigkeit erfolgt aus der Freiheit des anfangenden Absoluten, aber so, dass die Freiheit von der Liebe nicht zu trennen ist. Die Liebe ist zwar mit dem Egoismus in der Indifferenz enthalten. Aber die Liebe prävaliert in der ungeschiedenen Dualität, indem sie die Scheidung in Gang setzt. Dies bedeutet: Die Liebe wird schon mit dem Auseinandersetzen von Natur und Vernunft wirksam. Schon mit der Scheidung, der Krisis, beginnt sie, sich zu offenbaren, in Erscheinung zu treten. Der Egoismus ist nur „in“ Gott, die Liebe ist das Eigentliche Gottes. Das Sich-Absetzen der Liebe vom Egoismus ist der Anfang der Selbstoffenbarung des Absoluten. Gott scheidet sich in sich als „Sein“ und als reflektiertes „Seiendes“. Aber das Sein hat in sich Seiendes, weil Gott sich in Sich scheidet. Das Sein ist nur relativ Nichtseiendes. So kann erklärt werden, was die Freiheitsschrift bloß konstatierte: die mögliche Entbergung der Vernunft aus dem Grund, die mögliche Verklärung des Grundes, das Hervorrufen des Rationalen und Irrationalen aus dem Grund, sein Zur-Verfügung-Stellen für den Menschen im Menschen.
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Die Kontraktion aber, die zum Sein der Indifferenz führt, die sie dasein läßt, so dass aus dem Sein Seiendes „erweckt“ werden kann, die Kontraktion ist wesenswidrig. Die absolute Indifferenz offenbart sich im Ausgang von ihrem Anderssein. Dies gehört zu ihrer theokosmogonischen Selbstoffenbarung: „Durch sein Sich-Zurückziehen auf die erste Potenz wird zwar zunächst eine Beschränkung in ihm gesetzt, da aber diese seinem Wesen widerspricht, indem es seiner Natur nach a l l e Potenzen ist, so entsteht ein Fortschreiten von der ersten zur zweiten und damit eine Zeit.“ (428) Telos der Offenbarung ist die Wiedergewinnung des Wesens, d.h. der Indifferenz. In dieser Perspektive ist auch das Schicksal des Bösen zu erkennen: In der letzten Verklärung der Natur, und die Natur ist die Welt des aus dem Sein aufkommenden Seienden, wird das Böse „in allertiefste Tiefe unter die Natur versetzt..“ „Das Böse ist dann nicht mehr vorhanden in Bezug auf Gott und das Universum.“ (483) Schließlich aber werden Natur- und Geisteswelt sich vollkommen durchdringen und so „dem Vater überantwortet. Vielleicht dieß dann, wenn auch die Hölle nicht mehr ist; und in diese Perioden der Ewigkeit fällt also die Wiederbringung auch des Bösen, woran wir glauben müssen. Die Sünde ist nicht ewig, also auch ihre Folge nicht.“ (484) ** Die Stuttgarter Privatvorlesungen von 1810 gehen bis an die Grenzen des Sagbaren, aber sie lösen nicht die Probleme der Freiheitsschrift. Die Indifferenz wird mit den gegensätzlichen Bestimmungen der stillen Selbstversonnenheit und der Freiheit des Aufbruchs nur noch mehr verdunkelt. Das stille Sinnen des Absoluten deutet nicht von sich her auf irgendeine Notwendigkeit, es zu verlassen. Es hat von sich aus keinen Bezug zur Freiheit, selbst wenn man es als ein Sinnen über sich deutet und damit als ein Reflexionsmuster. Schelling selbst läßt darüber keinen Zweifel. An einer exegetisch beliebten Stelle formuliert er: „Gott selbst ist mit der Natur durch freiwillige Liebe verbunden, er bedarf ihrer nicht, und will doch nicht ohne sie sein. Denn Liebe ist nicht da, wo zwei Wesen einander bedürfen, sondern wo jedes für sich sein könnte..und es doch für keinen Raub achtet, für sich zu seyn, und nicht seyn will, moralisch nicht seyn kann ohne das andere.“ Gott könnte ohne Natur für sich sein, und zwar so, dass dieses Fürsichseyn keinem Raubbau an der Natur gleichkäme, nicht ein Fürsichseyn in Abwehr der Natur wäre (das
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Fürsichseyn eines Hagestolzes). Die Schöpfung ist für Gott keine Seinsfrage, sondern ein Werk der reinsten Liebe. Genau diese Erklärung aber läßt das Aufbrechen der Versonnenheit unerklärt, der vorgehende Zustand der Indifferenz wird unplausibel, die Unwirksamkeit der Liebe, ihr Anfangen ist unverständlich. Kant erläutert in der KdrV die Freiheit als das Anfangen einer Reihe von Naturbegebenheiten, das selbst nicht anfängt. Schelling läßt die Freiheit als Liebe etwas in der Ewigkeit anfangen. Er läßt die Zeit in der Ewigkeit anfangen, und er gibt damit der Ewigkeit eine Eigenschaft der Zeit. Schelling begünstigt den Schein einer Wesensnotwendigkeit der Liebe und der Freiheit, indem er die Liebe als Versöhnung einführt. Wenn die Indifferenz eine „Mischung“ des Höheren und Niederen, des Idealen und Realen ist, dann kann es scheinen, als sei die Selbsterhöhung des Absoluten durch Selbsterniedrigung durch eine Polarität des Absoluten bedingt, veranlaßt, gefordert. Höheres und Niederes aber wird erst im Prozeß der Selbstoffenbarung. Die Indifferenz als „Mischung“ zu deuten, die nach Scheidung, Entwirrung, Krisis als Selbstkritik verlangt, ist keine angemessene Auslegung der Indifferenz. Die Indifferenz müßte, wenn sie überhaupt begrifflich reflektiert wird, als Ununterschiedenheit des Unterschiedenen und Unterschiedenheit des Ununterschiedenen gefaßt werden. Dies wäre zwar auch ein spekulativer Begriff des Unendlichen, aber es wäre ein Begriff, und nicht wie die „Mischung“ eine bloße Vorstellung. „Indifferenz“ kann im Gegensatz zu Mischung und Einerleiheit nur die Vermittlungsstruktur von Identiät und Differenz meinen, eine Charakterisierung des Absoluten, die sich mit ihm als Leben, Liebe und Offenbarung verträgt. Das „keim“hafte Enthaltensein der Differenz in der Indifferenz aber ist eine Idee. Nach menschlichen Begriffen ist es wenig sinnvoll, sich ohne Not, freiwillig in eine Krisis zu stürzen. Schelling denkt allerdings die Krisis und die Liebe in simultaner Einheit, und er will in menschlichen Begriffen vom Absoluten reden. Die eigentliche Schwierigkeit ist die zuerst genannte: Das Anfangen der Liebe, Scheidung und Offenbarung in der Ewigkeit. Der Versuch überhaupt ist zweifelhaft, Vorgänge der Ewigkeit benennen zu wollen, das Entstehen der Zeit in der Ewigkeit und das Zurückgehen der Zeit in die Ewigkeit ermessen zu wollen. Dieser Versuch hat zur Folge, dass das Indifferenz-Absolute eine antinomische Konzeptualisierung erfährt. Sein Begriff
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oszilliert zwischen stiller Versonnenheit und analytisch-synthetischer Selbstbestimmung. Schelling ist gezwungen, eine „Doublierung“ des Indifferenz-Absoluten anzunehmen. (VII,, 425) Die Selbstdifferenzierung der Indifferenz bedeutet seine (des Letzteren) Selbstverdoppelung. Dieses Modell hat zwar den Vorzug, dass es das Ziel der Selbstoffenbarung zu bestimmen erlaubt. Das werdende Absolute muss zu seiner ursprünglichen Indifferenz zurückkehren. Aber „Doublierung“ ist eine allzu mechanische Vorstellung vom Absoluten. Im Gegensatz zur Idee des Vaters, der am Sohn ein selbständiges Erzeugnis hat und zugleich im Sohn fortlebt. Daher wird in den „Weltaltern“ die Trinitätsspekulation Vorrang gewinnen. * Eine noch andere, uns schon bekannte Schilderung vereinheitlicht Prozeß und subjektives Handeln: Gott scheidet sich in sich, so heißt es, um aus dem, was er nicht selbst ist, und was er eben darum von sich scheidet, das ihm Ähnliche freizusetzen. (434) Das Nebeneinander von inaktiver und aktiver Scheidung ist in der Sache begründet. Das Absolute schafft den Gegensatz Prozeß-absichtsvolles Handeln durch seine Selbstdifferenzierung in Realität und Idealität. Man kann das, was das Indifferente ist, nur durch das bezeichnen, was es tut. Das Indifferente ist das Prädisjunktive. * Für Schelling ist der Herkunftsbereich des Rationalen nicht das absolut Irrationale. Schelling sagt zwar: Aller Sinn ist gebändigter Wahnsinn. Aber der Wahnsinn ist für Schelling schon eine Entwicklungsstufe des Absoluten. Der Grund ist ursprünglich vorgelichtet, das Helle ist ursprünglich mit dem Dunklen verbunden, nochmals: wie ein Geäder im Stein, nicht wie der Strahl, der von außen einfällt. Das Reale und Ideale sind immer miteinander verbunden, wenn auch in Komplexionen, in denen die eine oder andere Seite überwiegt. Wenn also in Gott das Höhere und Niedere auseinandertreten, und wenn dies die Kontraktion der Indifferenz zum Sein bedeutet, so ist das Sein doch ein solches, dass aus ihm Seiendes „erweckt“ werden kann. Seiendes kann aus dem Sein erweckt werden, Seiendes, d.h. Ideales, das aus überwiegender Irrationalität und egoistischer Kontraktivität freigesetzt, „potenziert“ wird. Es gibt für Schelling nicht das absolut Andere der Vernunft: nur Vernunft, die sich aus der Unreinheit herausbildet, in einer Parabel von Naturgebilden ihre Reinheit anstrebt.
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Die eigentliche Schwierigkeit, die das Indifferenz-Absolute in den Stuttgarter Vorlesungen umgibt, betrifft das Anfangen von Liebe, Scheidung und Offenbarung in der Ewigkeit. Der Versuch überhaupt bleibt zweifelhaft, wie Schelling selbst erkennen wird, Vorgänge der Ewigkeit benennen zu wollen, das Entstehen der Zeit in der Ewigkeit und das Zurückgehen der Zeit in die Ewigkeit denken zu wollen. Dieser Versuch hat zur Folge, dass das Indifferenz-Absolute antinominal zwischen stiller Versonnenheit und analytisch-synthetischer Selbstbestimmung oszilliert. Und Doublierung ist und bleibt eine allzu mechanische Vorstellung vom Absoluten. Daher wird in den „Weltaltern“ die Trinitätsspekulation Vorrang gewinnen. IX.12 Die Weltalter (1813) Das Fragment, die erste Hälfte des I. Buches im Jahre 1813 gedruckt und aus dem Nachlaß von Schellings Sohn herausgegeben, ist ausführlich und schwierig. Das Verständnis hängt davon ab, dass man eine Zweiteilung erkennt: Der erste Teil konstruiert die Gottheit vor der Schöpfung, der zweite Teil skizziert den Gang der Schöpfung im Weltalter der Vergangenheit. Die anthropomorphe Begriffswelt wird mit einem Zirkelargument gerechtfertigt: Der Mensch kann in die entfernteste Vergangenheit zurückgehen, denn er ist Mitwissender der Schöpfung, wurde doch die Schöpfung auf ihn hin vollbracht. Er sollte Spiegelbild des Absoluten sein, Mikrokosmos, Ort der höchsten Selbstoffenbarung des Absoluten und Wendepunkt seiner Rückkehr in die ursprüngliche Indifferenz. Als Mitwissender der Schöpfung gilt der Mensch, weil er sich in die älteste Vergangenheit zurückversetzen kann. Für die philosophische Methode ergibt sich aus dieser Prämisse, dass Philosophieren wesentlich Historie ist, von der Erinnerung lebt, die aber erarbeitet werden muss, mit der Befragung auch mythologischer Erkenntnisquellen. V.a. aber gehört zum Philosophieren innere anamnetische Dialogizität, ein Sichselbst-Befragen, ein Sich-Ausforschen. M.e.W.: Philosophie erfordert Dialektik einschließlich der Beherrschung der formalen Logik, insbesondere setzt sie Vertrautheit mit dem Widerspruchsprinzip voraus. Es findet seine Grenze am inneren Leben des Absoluten und an der geschichtlichen Entwicklung der Natur. Beides führt durch Widersprüche. In Gott ist Notwendigkeit
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und Freiheit zu denken, reinste Liebe und Mitteilsamkeit von der einen Seite, aber auch Existenz, Bejahen und Verneinen, Milde und Strenge. Diese Gleichwichtigkeit entgegengesetzter Eigenschaften (Äquipollenz, AWWG, 21) bedeutet, dass die Gegensatzfaktoren immer miteinander verbunden sind, nur mit Überwiegen der einen oder anderen Seite. So ergibt sich für die Natur Gottes, dass sie durch drei Grundmächte konstituiert ist: SichAusbreiten, Sich-Einziehen, Einheit von Expansion und Kontraktion. Die Einheit hat die Form der Folge, und zwar in der Ordnung, dass die Kontraktion den Anfang macht: Priorität und Superiorität der Prinzipien stehen in umgekehrtem Verhältnis. Ein Anfang muss in der Ewigkeit Gottes sein, ein ewiger Anfang, wenn er der lebendige Gott sein soll, als den wir ihn zu denken haben. Durch die Ewigkeit aber wird ausgeschlossen ein Anfangen des Anfangs: „Der Anfang in ihm ist ewiger Anfang, d.h. ein solcher, der von aller Ewigkeit her Anfang war, und noch immer ist, und auch nie aufhört Anfang zu seyn.“ (AWWG, 31) Die Hauptbedenklichkeit der Stuttgarter Vorlesungen wird in den folgenden Sätzen aufgelöst: „Alle gehen davon aus, die Gottheit an sich selbst sei eine ewige Stille, ganz verschlungen in sich selbst, und bis hierher reden sie wenigstens verständliche Worte. Wenn sie dann aber weiter fortfahren und sagen: aber in ihrer Offenbarung habe die an sich naturlose Gottheit, die ewige Freiheit, Natur angenommen, oder dann sei jenes Wesen hervorgetreten, oder dann habe es aus sich selbst etwas herausgesetzt, und mit diesem Hervortreten oder Heraussetzen beginne dann Leben, Bewegung und Offenbarung, so reden sie .. unverständliche Worte.“ Die Lösung des Problems, wie ein lebendiges Absolutes möglich ist, das in seiner Ewigkeit Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft umfaßt, wird so erbracht: „Die wahre Ewigkeit ist nicht die, welche alle Zeit ausschließt, sondern welche die Zeit (die ewige Zeit) selbst sich unterworfen enthält. Wirkliche Ewigkeit ist Ueberwindung der Zeit.“ (AWWG, 66) Dies ist denkbar, wenn das Urabsolute reine Selbstgegenwart ist, lauteres Wissen, ohne ein Wissendes zu sein, und wenn es Selbstheit: Seiendheit und Selbstbewusstheit nicht an sich besitzt, sondern im Verhältnis zur Natur erlangt. Es kann nicht aufhören, überseiend und über das Bewusstsein erhaben zu sein. Denn das Bewusstsein ist an Bewusstwerdung gebunden. Es ist nicht einfach da. Es erfordert, den Gegensatz der Bewusstlosigkeit zu erfahren.
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Soll das Absolute seiend und seiner selbst bewusst werden, so ist dafür eine „gebärende Potenz“ verlangt, weil eigene Erzeugung von Existenz und Bewusstsein ausgeschlossen ist. Eine untere Macht muss die an sich überseiende Gottheit ins individuelle Sein bringen. Die Natur, und zwar die ewige Natur als das in Gott ihm Äußere, muss ihm die Zeitstruktur vorhalten. Und Gott muss sie, die vorgehaltene Zeit, übernehmen, aus der freien Entscheidung heraus, sich in äußerer Natur zu offenbaren. Die zu erschaffende Natur, mit ihrer zeitlichen Entwicklung, konnte ihr Vorbild nicht an einer Zeit in der Ewigkeit selbst finden. Vorbild der Schöpfungszeit, der Weltalter, konnte nur eine der Ewigkeit „coexistierende Zeit“ sein. (AWWG, 112) Was ist mit der ewigen Natur und mit ihrer Zeitsignatur gemeint? Die ewige Natur, die in Gott ist, ohne „eigentlich“ Gott zu sein, kommt zu ihrer Zeitlichkeit aufgrund der Äquipollenz der drei Prinzipien bzw. Potenzen: Expansion, Kontraktion, Einheit beider. Die Äquipollenz impliziert ihre dreifache Geschiedenheit bei notwendiger Zusammengehörigkeit, sofern alle drei zum Wesen Gottes gehören. Da sie keine inhaltliche Zuordnung aufweisen, bilden sie allerdings in der Gottheit ein alternierendes System, das aber eine Reihenfolge einhält. Wenn A das bejahende Prinzip und B das verneinende Prinzip bezeichnet, so macht A=B den Anfang der Rotation. Denn das bejahende A bleibt immer erhalten, es tritt nur vor der Verneinung zurück. Es erleidet die Verneinung: A=B (A wird verneint). Gerade die Verneinung aber gibt dem A, dem ursprünglichen (expansiven) Wesen der Gottheit Existenz. Die Verneinung setzt das A. So folgt auf A=B das A2. Die Einheit des Wesens aber muss sich gegen A=B und A2 zur Geltung bringen, als Repräsentant des ursprünglichen, lauteren Wesens. Daher das A3. In dieser Reihenfolge rotieren die Potenzen als ein beständiger Umtrieb: als „die ewig beginnende, ewig werdende, immer sich selbst verschlingende und immer sich selbst wieder gebärende Zeit.“ (AWWG, 36) Das besinnungslos blinde Leben aber widerspricht dem Wesen der Gottheit, d.h. der „ewigen Freiheit zu sein“, die nicht wirklich will, weil sie von nichts abhängt und alles selbst ist. Dieser Wille, der nichts will, ist die „Indifferenz, die nichts ist und doch alles; sie ist nichts, wie die reine Froheit, die sich selbst nicht kennt, wie die gelassene Wonne, die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, wie die stille Innigkeit, die..ihres Seyns nicht gewahr wird.“ In der Indifferenz der „Übergottheit“
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ist nichts Potentielles. Hier ist das Sein das Wesen selber, aber nicht so, dass mit dem „ontologischen Gottesbeweis“ Existenz erfolgert werden kann. Denn es macht keinen Sinn, Dasein von dem zu prädizieren, welches das Sein selbst ist. Die rotatorische Indifferenz wurde im ersten WA-Druck durch den Sohn überwunden, d.h. in die Vergangenheit versetzt, durch den Sohn als die Liebe, die unter den Potenzen die naturgemäße Rangordnung aufrichtet, mit der Einrichtung der realidealen Natur und der idealrealen Geisteswelt. Der spätere Entwurf gibt diese Erklärung: Die Freiheit Gottes, seine stille Versonnenheit, übt eine magische Wirkung auf die ewige, erste Natur aus, so dass sie sich selbst nach Beruhigung und nach dem wahren, geordneten (organischen) und seligen Leben sehnt. A3, das dem lauteren Wesen Gottes Nächste, macht sich in der ewigen Natur zu seinem beharrenden Grund, mit der Folge, dass der wilde Umtrieb der Potenzen, die sich alle drei an Einen Punkt drängen, einem Auseinandertreten weicht und durch diese Scheidung in Totalität übergeht. Die ewige Natur wird zum All. Von A2 ging in der ersten, ewigen Natur die Entfaltung der Geisteswelt aus. A2 war durch A=B, durch die Verneinung von A als Setzen von A, erzeugt worden, war also mit der Verneinung affiziert. A3 setzt A2 frei, so dass A2 nach unten, in die Natur wirken kann: indem es sich in geistige Gestaltungen fügt, Realität als Gefäß idealer Einbildungskraft Bedeutung gewinnen läßt. A3, das gegensatzlose Wesen, das jeweils in der Natur und Geisteswelt und über beiden die höhere Indifferenz vertritt, kann aus sich nicht bestehen. Es hatte an der Rotation der Potenzen eine gewisse Existenzform, nun bedarf es des Anblickes der Gottheit, um sich im Dasein zu erhalten: als „Weltseele“, die allen Potenzen in der Natur und Geisteswelt ihren gehörigen Ort anweist, so dass alle mittelbar des göttlichen Einflusses teilhaftig werden. Das Eins des Rotationspunktes wird unter der Leitung der Weltseele zum All. Es wird zum All gegen das Eins der Weltseele: das Unaussprechliche zum Aussprechlichen gegen das, was ihm das Wort ist. Das Ineinanderdrängen der Potenzen wird zum Außereinander der Prinzipien. Aus der Sukzessivität wird Simultaneität, Raum. Es wird Räumlich-Figürliches gemäß den verschiedenen vorgegebenen Richtungen des Raumes. Kant hat die „Gegenden im Raume“ in vorkritischer Zeit (1768) und dann wieder in den „Prolegomena“ (1783) zum Thema gemacht. Kant hat z.B. aus der rein ästhetischen,
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intuitiven Qualität des Links und Rechts und aus der Spiegelverkehrung die Interpretation des Raumes als subjektseigene Anschauungsform begründet. Schelling erreicht in seiner Deduktion des Universums nach vielen Systemschritten die Stelle, die den Raum zu denken verlangt, und zwar so, dass sofort die Raumstruktur ins Thema kommt, so dass der Raum als bloß homogener, isotroper (richtungsindifferenter) Raum nicht einmal thematisch wird. Die Gottheit erkennt in sich die eigene ewige Natur, das Notwendige der Entstehung des Alls. Von nun an ist sie im Hinblick auf die Natur „obwohl frei gegen sie und weder an sie gebunden noch mit ihr verwachsen, dennoch von ihr unzertrennlich.“ Der als Weltall in Weltaltern seyende Gott ist möglich, wenn es ihm in seiner Freiheit gefallen sollte, sich durch entsprechendes Existentwerden zu offenbaren. Gott ist schon in der Ewigkeit ewig seiend geworden, durch seinen Bezug zur ewigen Natur. Nach dem Dass-Erweis erhebt sich die Wie-Frage. Wie ist das Werden der ewigen Natur, das Werden der zur äußeren Schöpfung gleichsam verfügbaren Natur, mit der Ewigkeit Gottes zu vereinbaren? Die großen Problemfragen stellen sich: Wie kann die lautere, an sich weder seiende noch nichtseiende Gottheit seiend sein? Und wie kann die an sich unoffenbare, in sich verschlungene Gottheit offenbar werden, äußerlich werden, in Raum und Zeit zugleich in und außer der Ewigkeit existieren? Ad 1) Alle Bedenken, die wir an die Stuttgarter Vorlesungen geknüpft haben, werden von Schelling selbst formuliert und abgewiesen: Es kann nicht so sein, dass Gott seine lautere Freiheitzu-sein verliert oder aufgibt. Er kann sich nicht an sich verändern. Es kann in ihm keine Bewegung, kein Wandel stattfinden, kein Werden vom Weder-sein-noch-nicht-sein zum Seiendseyn erfolgen. Gott kann nur „beziehungsweise gegen ein anderes seyn oder (ewiger Weise) werden; und auch dies nur, sofern ihm dies das Seyn, oder ein solches ist, das zu ihm nur im Verhältniß des Seyns stehen kann.“ Wollen wir aber den Zusammenhang von lauterem Wesen und Natur, Freiheit des Wesens und Notwendigkeit der Naturentwicklung verstehen, also die pantheistische Metaphysik des „hen kai pan“ haltbar finden, so müssen wir gleichwohl als erstes Unbegreiflichkeit in Anspruch nehmen: „Wir wissen von keinem (als) einem lebendigen Gott, jener Zusammenhang
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seines höchsten geistigen Lebens mit einem natürlichen ist das Urgeheimnis seiner Individualität, das Wunder des unauflöslichen Lebens..“ Für die wissenschaftliche, d.h. historische Behandlung des Problems, wie im ewigen Gott eine Vergangenheit sein kann, bleibt nur der Weg der anthropomorphen Plausibilisierung. Es ist dies die Jacobi´sche Art der lebensgeschichtlichen Überzeugungsbildung, die schon den frühen Schelling und Fichte beeinflußte, die beide die Sentenz aufstellten: Was für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist. Dieser Grundsatz trägt auch die Weltalter-Philosophie. Man muss, um die göttliche Vergangenheit theoretisch anerkennen zu können, praktisch-lebensgeschichtlich erfahren haben, was „Vergangenheit“ bedeutet: Man muss sich einen Neuanfang abgerungen haben. Man muss wissen, was „Vergangenheit“ meint, weil man selbst über eine frühere Lebensform hinausgegangen ist. Vergangenheit muss zu Gott gehören, wie sie unserem Wesen und Leben „Charakter“ gibt. Die wahrhafte Existenz des wahrhaft lebendigen Gottes kann nicht das „nunc stans“ sein, die ereignislose Selbstanschauung, die in der Metaphysik zumeist mit dem Wort „Ewigkeit“ assoziiert wird. Ewigkeit ist Überwindung der Zeit, und zwar so, dass in Einem unteilbaren Akt die Ent-Scheidung der Zeitdimensionen statthat, zusammen mit der Differenzierung des Bewusstlosen und Bewussten, als Identität von Analysis und Synthesis. Das Selbstbewusstsein, auch das Selbstbewusstsein des Ewigen, ist ohne die Unterscheidung von Zeiten unmöglich. Von Kant herkommend könnten wir erläutern: Die Konstitution des Bewusstseins ist an seine progressive Organisation gebunden, ganz wie die Staatsverfassung an die Gesetzgebung. Nur: Bei Kant macht die kategoriale, ursprünglich-synthetische Bewusstseinsverfassung ohne besondergesetzliche Realisation keinen Sinn. Das Schellingsche Indifferenz-Absolute hat es hingegen nicht nötig, zum Frei-Sein und Sich-frei-Wissen überzugehen. Es könnte das lautere Sein, das in das Wesen verschlungene Sein bleiben. Plausibilität fließt aus der eigenen menschlichen Lebenserfahrung wie dem Existentwerden Gottes, so auch der Art desselben zu, d.i die notwendige Entwicklung der ewigen Natur, das Entwicklungs- und damit Zeitmodell schlechthin. Der Mensch erfährt an sich selbst nicht nur das Wesen der Vergangenheit.
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Auch die Abgründe des Wahns und die rotatorische Folge des Strebens, des willensaktiven Geistes und des Seelischen sind ihm eine mögliche Erfahrung: Das rasende Rad der Geburt ist die Vergangenheit jeder schöpferischen Tat. Die höhere geistige Potenz muss aus dem Wahn-Sinn freigesetzt werden. Jeder theoretischen und praktischen Entscheidung geht innere Unruhe voraus, ein Umgetriebensein, ein inneres Hin und Her, das aber den zukünftigen Sinn in sich birgt, kein absolutes Chaos ist. Die Entscheidung aber, das bestimmt-bestimmende UrTeil, wird als „höhere“ Einwirkung erfahren, als In-Spiration. Ähnlich müssen wir das Sich-Auseinandersetzen der ewigen Natur in Gott zum räumlich-zeitlichen Universum denken: als unter dem Eindruck der lauteren Indifferenz geschehend. Die Natur bewahrt bei alledem ihr ungestümes Eigenwesen in sich. Die rotatorische Vergangenheit kann in die Gegenwart einbrechen, wie wir es auch erfahren: an Krankheit, geistiger Verwirrung, Naturkatastrophen. Es gibt etwas Mittleres zwischen dem, was ist, und dem Nichts: das, was zu sein trachtet. So ist das Böse immer auf dem Sprung. Schelling spricht es nicht aus, aber er gibt mit dieser Bezeichnung der Allgegenwärtigkeit des Bösen eine theokosmogonische Erklärung des Hanges zum Bösen, den Kant unter dem Titel des „radikalen Bösen“ als unbegreiflichen Wesenszug des Menschen bloß konstatierte. ** Die zum All entwickelte ewige Natur, die zur äußeren Natur gewordene ewige Natur, hat den Mangel, dass die auseinandergetretenen Prinzipien keine dynamische Einheit bilden. Die Einheit ist zusammen mit der Rotation der Potenzen verlorengegangen. An die Stelle der zwangshaften Einheit tritt freiwillige Einheit, als Abbild der freiwilligen Einheit der Zweiheit von Natur und Lauterkeit in Gott. Für die Natur, die dem Geist unterworfen und unterwürfig ist, bedeutet dies zunächst, dass sie ihre eigene Krisis erfährt. Die Potenzen, die in ihr schlummern, treten auseinander. Denn: Dem Gegensatz von A und B lag gleich anfangs eine göttliche Einheit zugrunde, wenn auch verborgener Weise. Auch A3: das Seelische, die künstlerische Weisheit (bildende Kunst, Wissenschaft, Poesie) als das den geistigen Willen Inspirierende, tritt in der elementaren Natur hervor. Aber nur, um künstlerisch zu bilden. Die Natur A=B beginnt, von A2 magisch angezogen, nach Licht und Bewusstsein zu streben, d.h. nach dem Menschen. Sie zieht damit A2 zu sich herab, so dass es sich
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von A3 absetzt. Die Folge davon aber ist diese: A3 wird sich fühlbar und für die Bilder empfänglich, die aus A=B über A2 zu ihm aufsteigen. Durch A3 aber werden die Bilder der Gottheit offenbar. So zog vor Gott ein Ideen-Spiel vorbei: Gesichte leiblichgeistiger Wesen und aus der potentiellen Geisterwelt A2 genauso aufsteigend Gesichte geistig-leiblicher Wesen: „Die ganze Schöpfung geht auf Erhebung des Ja über das Nein; aber wie in der Natur das verneinende Prinzip dem bejahenden unterthan ist, indem es ein äußeres, so in der Geisterwelt, indem es ein inneres bleibt. Hier wird auch das bejahende Prinzip gesteigert, aber weil es schon an sich frei ist, nur indirekt oder mittelbar, dadurch, dass sein Gegensatz hervorgerufen wird.“ (AWWG, 93) Der „Geist der Ewigkeit“ erblickte in der für Natur und Geist allgemeinen Seele, im übergreifenden A3, wie in einem Spiegel die verborgensten Gedanken seines eigentlichen Selbst, des höchsten Ich (vgl. AWWG 97f.). Dem Logos zeigte sich die spielende Lust der bildnerischen Weisheit, die insbesondere den Menschen vortrug, den möglichen Mittler zwischen der möglichen Schöpfung und dem möglichen Schöpfer. Welches Ansinnen aber konnte es für die Gottheit geben, zur Schöpfung aus Freiheit und Liebe überzugehen? Die Einheit des Nein und des Ja zum äußeren Sein. Das Nein, der Zorn der Verneinung, setzte das äußere Sein, und genau darin folgte ihm die Gottheit. Das Ja kam hinzu und mit ihm die Einheit von Ja und Nein, als Einheit jener Anziehung und Abstoßung, die das Bewusstsein konstituiert. Ad 2) Nun zur zweiten Hauptfrage: Wie ist das wirkliche Sich-Offenbaren denkbar? Die weitere Theokosmogonie muss einen freiwilligen Entschluß der Gottheit annehmen, sich zu offenbaren, d.h. auf das Verneinen der Schöpfung das Bejahen folgen zu lassen und damit den Widerspruch auszugleichen. Dies ist der Ursprung der Äonen der Schöpfung, es ist der Aufbruch der Ewigkeit zur Zeit. Es ist „die Geburt Gottes auch dem höchsten Selbst nach, oder inwiefern er die ewige Freiheit ist.“ (AWWG 1976, 109) Gott war „gesetzt nicht als ein Seyendes, sondern als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende, als das lautere Seynkönnen, als die ewige Freiheit gegen das Seyn.“ (AWWG, 111) Die „Selbstverwirklichung“ als Selbstoffenbarung nach Zeiten erschloß den Organismus der Zeiten: Einheit und Allheit verschmolzen, wenn auch zunächst wieder nur, um der
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Wirklichkeit Gottes „Grund“ zu geben, in einem „status involutionis“. Das Verneinen des Seins war setzendes Scheiden seiner Prinzipien, d.h. es war ihre Verwicklung ineinander, im Sich-seiner-Annehmen: „Es ist ein substantieller, zu Substanz gewordener Geist, der nicht Verstand hat, sondern selber und wesentlich Verstand ist, nur kein bewusster, in sich selbst zurücktretender (reflektirter), sondern ein blinder, bewusstloser, nothwendiger, gleichsam instinktartiger Verstand.“ (AWWG, 124) Die Verwicklung der Kräfte aber spannte sie gegeneinander. Kontraktion und Expansion folgten einander: „gleichsam das schlagende Herz der Gottheit, das in nie aufhörender Systole und Diastole Ruhe sucht und nicht findet.“ (AWWG,126) Zum zweiten Mal ergab sich eine unstete Indifferenz der inneren ewigen Natur, der ersten Natur. Auch der „Wirklichkeits“-„Keim“ Gottes war ein widerspruchsvolles Wesen. Aber. „Der Widerspruch, den wir hier begriffen, ist der Quellbronn des ewigen Lebens; die Construction dieses Widerspruchs die höchste Aufgabe der Wissenschaft.“ (AWWG, 127) Das Ergebnis der Kräfte-Rotation der untersten Schicht (A=B) im Wirklichkeitskeim Gottes war das Zerspringen der Natur in einzelne rotatorische Ganze innerhalb des nunmehr wirklich gewordenen Raumes, der nicht mehr nur ein geistiges Expansivum war, wie in der Auflösung der Rotatorik der ersten ewigen Natur. Die Kräfte der Natur erhoben sich gegen den inwohnenden Gott der Natur. Der Geist (A2) der Natur antwortete mit der Weltarchitektur, d.h. mit der Erschaffung der Gestirne: „Sie sind Werke G o t t e s, für sich genommen (ohne die folgende Zeit) Werke des Zorns, der väterlichen, der allerältesten Kraft.“ (AWWG, 137). Ebenso führte in der Geisteswelt der Wechsel von Kontraktion und Expansion zur Erschaffung der „Urgeister“. Gott hat sich des Seins angenommen, er hat in die Natur hineingewirkt, er ist mit der Natur eins geworden, ein NaturGott. Er hat mit dem Zusammenziehen der Kräfte des Seins aber gerade ihre Scheidung in Gang gesetzt. Dieses blinde, naturhaft göttliche Zusammenziehen erfaßte nun genau im Moment des drohenden Endes „die stille Lauterkeit wie im Blitz.“ So wird für uns denkbar ein „frei schaffender und bewusster Wille“, der fähig ist, „auch seinen Schöpfungen die wesentliche Einheit, die Verstand, Geist und Schönheit ist, mitzutheilen.“ (AWWG, 142) Es resultierte aber zunächst „ein Mittleres zwischen völliger Nacht
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des Bewusstseins und besonnenem Geist“ (AWWG, 149), das Taumeln der Natur, das nach dem Zeugnis der Mythologie dem Auftreten des Menschen voranging: der „Urzustand der AllEinheit“, den nicht zu kennen das Versagen des kraftlosen „deutschen Idealismus“ (AWWG, 148) von Leibniz bis Fichte (und Hegel) vor der harten Wirklichkeit bedeutet. Hier bricht der Entwurf ab, noch vor der Thematisierung des „Falls“ der Schöpfung, der mit dem Fall der Geister vor dem zweiten Fall des Menschen eintrat. Nach Schellings Selbsteinschätzung ist mit ihm nicht nur das Denken, sondern die menschliche Existenz und die Welt auf die endzeitliche Schwelle des sich von sich her offenbarenden Absoluten gelangt. Schellings Philosophieren aber bleibt Philosophie. Sein Denken ordnet sich dem Geist der Religion unter, wenn es auch die Erwartung hegt, daß das Indifferent-Werden der philosophischen Theorie und der Religion nahe ist. Nicht aber kommt es Schelling in den Sinn, sein philosophisches Denken als die Endgestalt des Absoluten zu verstehen, als Ort der Selbstvollendung des Absoluten. Schelling wagt nicht einmal, den künftigen Zustand zu beschreiben, den Zustand, der durch den Sohn und sein Opfer wiederermöglichten geistigen All-Einheit. Schellings Philosophieren versagt sich Antizipationen des allversöhnenden Handelns des Absoluten, als seien dem endlichen Geist die Wege des unendlich freien Absoluten durchschaubar. Aus der unveröffentlichten Theokosmogonie aber ist die Spätphilosophie hervorgegangen, und zwar aufgrund einer methodologischen Besinnung auf das Konzept der „Weltalter“. Es war die Erkenntnis, daß eine solche Theokosmogonie, eine Geschichtsbetrachtung des sukzessive werdenden Absoluten, in Anbetracht der Ewigkeit des Absoluten nur ein Gedankenspiel sein kann. In Ergänzung des reinen Denkens muss daher die Existenz des Absoluten von ihm selbst her dem Denken oder vielmehr dem Denkenden offenbar werden. Daher nimmt die Spätphilosophie Schellings den Standpunkt der Selbsttranszendenz des Wissens ein, den Habitus der selbstkritischen Offenheit für das sich offenbarende Absolute, dessen intellektuale Anschaubarkeit von seinem Sich-zur-Gegenwartbringen erhofft wird, glaubend erwartet wird und aus den mythologischen Bewußtseinsspuren der Theokosmogonie Bestätigung erfahren soll. Das „Weltalter“-Programm musste auch aus internen Gründen fragmentarisch enden. Es konnte nur bis zu gewissen
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Grundzügen der Gegenwart gedeihen, weil die Zukunft des Alls zu prognostizieren die Freiheit des Absoluten mißachtet. IX.13 Schellings Spätphilosophie. Negative Philosophie und Positive Philosophie der Offenbarung. Kurzfassung Wir geben einen Einblick in Schellings Spätphilosophie anhand der „Philosophie der Offenbarung“ nach dem Text der SW. 24 Schelling hat die „Philosophie der Offenbarung“ in Berlin 1841/42 und 1844/45 gelesen. An erster Stelle ist die Grundeinteilung der Philosophie in negative und positive Philosophie zu erläutern. Die Philosophie der Offenbarung gehört zur positiven Philosophie. Die Hauptdarstellung der negativen Philosophie ist in der „Philosophischen Einleitung in die Philosophie der Mythologie“ enthalten. Schelling sieht die Gliederung der Philosophie in negative und positive Philosophie als sachnotwendig an, aber auch als eine Konsequenz aus der Geschichte der Philosophie. Im System der Philosophie muss eine reine Vernunftwissenschaft den Anfang machen, und es muss darauf eine spekulative Erfahrungswissenschaft folgen. Philosophie will wissen, warum etwas ist und nicht vielmehr nichts ist, d.h. Philosophie fragt nach der Quelle des Seins, unter der Voraussetzung, dass die Vernunft der Beantwortung dieser Frage mächtig ist. Also beginnt Philosophie mit einer Selbstausmessung der Vernunft, die ihrerseits, da es um die Potenz der Vernunft geht, als ersten Seinsbegriff das reine Seinkönnen reflektiert. Die Vernunftwissenschaft folgt dem internen logischen Verweisungszusammenhang der Vernunftinhalte, und zwar so, dass sie von vorneherein zwischen dem „Dass“ und dem „Was“ der ontologischen Prinzipien unterscheidet. Die Vernunftwissenschaft ist negative Philosophie, weil sie erkennt, dass sie nichts über das Dass des Seins und die Prinzipienstruktur des Seins zu behaupten vermag. Der erste Teil der Philosophie verbleibt im Reich des Möglichen, des Denkbaren. Sie gelangt nur zum Begriff der Existenz, ohne die Wirklichkeit der Quelle des Seins aufweisen zu können. Die Vernunftwissenschaft muss sich vor der Unbegreiflichkeit des Seins beugen, sie muss sich mit der „Unvordenklichkeit“ des „absoluten Prius“ abfinden. Sie setzt 24
AWWBG 1983, 3-290.
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mit der Thematisierung des Seinkönnens beim „relativen Prius“ ein, und sie wird auch durch die Denknotwendigkeit zum absoluten Prius geführt, sie wird außer sich gesetzt. Aber die ontologische „Ekstase“ „erfolgt nur im Denken, im notwendigen Denken des „Überseienden“ als des „Urhebers alles Seienden.“ Bevor der Zusammenhang von negativer und positiver Philosophie weiter erläutert wird, ist ein erster Eindruck vom Gang der negativen Philosophie zu vermitteln. Und zwar zunächst im Anschluß an die „PhdO“, die, wie gesagt, eine kontextbezogene verkürzte Fassung der negativen Philosophie enthält. Die selbständige Darstellung ist in der „Philosophischen Einleitung in die Philosophie der Mythologie“ (SW XI,1, 253-572) zu finden. Wollen wir das Sein begreifen, müssen wir vor das Sein zurückgehen, auf das, was noch nicht ist, sondern sein wird. Wie soll man dahin kommen? Im Anfang der Vernunfterkenntnis ist der Gedanke der Potenz der Vernunft. Soll die Vernunft dem Sein angemessen sein, so ist demnach vom „Seinkönnenden“ im Denken des Seins auszugehen. Da wir keinen Grund haben, eine ursprüngliche Differenz theoretischer und praktischer Rationalität anzunehmen, setzen wir das Seinkönnende mit dem Seinwollenden gleich, wenn auch so, dass wir das Seinwollen noch in Ruhe denken. Wir kennen ja auch keinen anderen Übergang vom Können zum Sein als den Fortgang vom Wollenkönnen zum Wollen. Das Sein fällt insofern mit dem Wollen zusammen. Das Seinkönnende ist also das Seinwerdende und das Seinwollende. Dieser Gedanke aber ist unhaltbar. Er stürzt um. Der „Umsturz“ besteht darin, dass wir das Seinkönnende als das Seinwerdende nicht festzuhalten vermögen: das Seinkönnende ist immer schon in das Seiende übergegangen. Das Seinkönnende besitzt, rein für sich genommen, keine Freiheit, in das Seiende überzugehen oder in sich zu verharren. Wir können nicht einmal ohne inneren Widerspruch sagen, dass das Seinkönnende ist. Das Sein verschlingt seinen Anfang. Der Anfangsgedanke löst sich uns auf. Indem wir das Seinkönnende denken, denken wir seinen Gegensatz, das Sein. Der Anfang des Denkens erweist sich als janusköpfig, zwiespältig. Am Anfang steht die „natura anceps“: die Zweiheit des urständlich Seienden, d.i. das Seinkönnende, das auf „unvordenkliche Weise“ gedanklich unfassbare Weise in das Seiende übergeht, immer schon übergegangen ist, und das gegenständlich Seiende, d.i. das Seiende. Urständlich und gegenständlich Seiendes heißen auch Subjekt und Objekt. Von Subjekt und
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Objekt kann in dieser Hinsicht gesprochen werden: Das Seinkönnende ist das Sich seiende, und das bloß Seiende ist das außer sich Seiende. Das Seinkönnende ist der Hunger nach Sein und insofern im transitiven Wortsinne das Sich seiende, das auf das Sein des Seienden Ausgehende. So ist es Subjekt als subjectum, hypokeimenon, Unterlage des Seienden. Das Seiende aber ist als rein Seiendes für das Denken das dem subjectum Entgegengeworfene, das Entgegengesetzte, das vom Subjectum Abgesetzte. Aber auch das actu Seiende ist ambivalent. Es hat den Übergang a potentia an sich. Und dieses actu Seiende steht sogar dem „rein Seienden“, das es zu denken gilt, noch ferner als das Seinkönnende, sofern letzteres vor dem Seienden ist, noch nicht darin übergegangen sein soll. Das erste Seinkönnende war unmittelbar Seinkönnendes. Das nächstfolgende Seiende ist mittelbar Seinkönnendes, es müßte allerdings in den statum potentiae erst wieder versetzt werden, um Seinkönnendes zu sein. Es ist actus purus, und es ist doch nicht das absolut „rein Seiende“, das nicht aus Potenz aktuiert sein kann. Das aktuierte Seiende ist nicht das, was seiend ist. „Das, was ist“, ist eigentlich erfragt, aber bisher noch nicht erreicht worden. Das Denken hat das schlechthin Seiende noch nicht enthüllt. Wie aber ist das relativ rein Seiende als Wollendes zu denken? Was kann es wollen? Es kann nicht Sich wollen, nicht sich als rein seiendes. Denn es ist das rein Seiende. Es kann nur sein Seinkönnen wollen. Die nächste Frage betrifft die Identität. Wie ist die Identität der reinen Potenz und des reinen Aktes zu verstehen? Was bedeutet dies, dass dasselbe das Seinkönnende und auch das Seiende ist: das, was ist, ist ja vorausgesetzt. Es soll nur freigelegt werden. Es gilt hier einzusehen, dass das Seinkönnende und das Seiende bloße Begriffsbestimmungen dessen sind, was „sein wird.“ „Sie sind beide nicht das zukünftige Seiende. Und sie sind beide das, was nicht von der Potenz zum Akt übergeht. So sind sie beide das Überwirkliche, die reine Lauterkeit, und daher schließen sie sich auch nicht aus. Die Zweiheit ist nicht außer der Einheit. Ein substantiell Eines ist Zweiheit. Aber nicht als aus Teilen zusammengesetztes Ganzes. Das Eine durchwest das Seinkönnende und das Seiende. Es setzt sich als das Seiende zum Seinkönnenden, und es setzt das Seinkönnende als Grund des Seins. Insofern wird die natura anceps des Seinkönnenden aufgehoben. Es wird gesetzt rein als das, was es ist, d.h. als Seinkönnendes, als
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intransitiv Seinkönnendes. Damit ist Ein Identisches reines Subjekt und reines Objekt. Als Identisches aber von Zweien ist es von ihnen frei, indem es sie voraussetzt. Das Identische, so kann man auch sagen, ist frei, zu sein und nicht zu sein. Es ist SubjektObjekt. Wenn es ist, hört es nicht auf, Quelle des Seins zu sein: „Ein und dasselbe (numero unum idemque) ist das Seynkönnende, das rein Seiende und das als solches gesetzte Seynkönnende.“ (236) Das in sich Beschlossene, das Absolute, ist erreicht: „id quod omnibus numeris absolutum est. Die absolute Identität ist vernunftwissenschaftlich abgeleitet worden: „das gegliederte, in sich selbst zugleich mehrfache und einfache Seyende.“ (238). Also ist das, was sein wird, d.h. das wirklich Seiende, als der G e i s t bestimmt worden, in dem alles gleicherweise Anfang und Ende, jedes das Ganze ist. Das Eine Seiende ist als Allheit fasslich geworden, als alles durchdringendes, in allem Eines Seiendes. Im Ausgang vom relativen Prius des Seinkönnenden ist das absolute Prius gefunden worden, mitsamt seiner Wesensbestimmung. Das ursprünglich Wirkliche muss der Geist sein - wenn Wirklichkeit angenommen wird. Denn das Mögliche, von dem in einer fortlaufenden Hypothese ausgegangen wurde, hat sich als im Geist geborgen gezeigt. Aber nur dann kommt dieser Voraussetzung Wahrheit zu, wenn die Voraussetzung der Vernunft wahre Setzung ist. Vernunft und Wahrheit wären als wahre Setzung anzusehen, wenn ihr Ursprung aus dem absoluten Geist feststände. Wie ist die Wirklichkeit des absoluten Geistes und damit der absoluten Vernunft zu erweisen? Der Begriff des Geistes ist zu entfalten, und die Spuren des Geistes müssen in der Wirklichkeit nachgewiesen werden. Vom Geist als absolutem prius ist zu seinen Werken und Taten als dem posterius abzusteigen. Es ist der folgende Schluss durch die gesamte Erfahrungswelt, durch Natur und Geisteswelt durchzuführen: Wenn das Absolute existiert, so existiert es als geistiger Urheber des Alls, d.h. als auf bestimmte Weisen das Eine in allem. Es muss in allem der Geist als an sich seiend, für sich seiend und bei sich selbst seiend aufweisbar sein. Es ist zu erahnen, dass sich der Geist in der Form der Trinität entfaltet und so den Gegenstand der „positiven Philosophie“ abgibt. * Diese Darstellung der negativen Philosophie beschränkt sich auf eine Reflexion, die in der Hauptdarstellung als bloße
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„Vorbereitung“, als „Vorspiel“ der ersten Wissenschaft bezeichnet wird. Es wird allerdings das „Gebiet des Denkens“ erschlossen. Es wird der Bereich eröffnet, in welchem das reine Denken seine Potenzen reflektiert und damit Einsicht in den Prinzipienzusammenhang des Seienden gewinnt. Und zwar sucht das reine Denken unter Abstraktion vom Seienden seine Vollendung im ersten Prinzip, d.h. in dem, was seiend ist, und was die nach und nach vernunftwissenschaftlich deduzierten Prinzipien zu Attributen hat: als das System der Wirklichkeitsursachen. Die positive Philosophie beruht im Willen zur Wirklichkeit. Sie ist von der Entscheidung bestimmt: Ich will, dass der absolute, freie Urheber existiert: „Ich will das, was ü b e r dem Seyn ist, was nicht das bloße Seyende ist, sondern mehr als dieses, der H e r r des Seyns. „Denn“, so fügt Schelling hinzu, „von einem Wollen anzufangen, ist sie schon berechtigt als Philosophie, d.h. als Wissenschaft, die sich selbst ihren Gegenstand frei bestimmt, als Philosophie, die schon an sich selbst und dem Namen nach ein Wollen ist.“ (93) Die Philosophie kann sich ihren Anfang nur selbst geben, der Anfang der Philosophie ist der durch sich selbst gewisse und absolute Anfang. Die positive Philosophie ist von der negativen Philosophie unabhängig. Die wesentliche Erkenntnis ist auch ohne Vernunftkritik zu gewinnen, mit dem Einsatz à la Spinoza beim Absoluten. Nur die Vollständigkeit der Philosophie verlangt beide Teile, eine eigene Ausforschung der Vernunftkapazität. Die positive Philosophie geht von der gewollten Behauptung der Existenz und der Natur Gottes aus, und zwar so, dass sie die gesamte Erfahrung und insbesondere die Religionsgeschichte als einen ins Unendliche fortgehenden Erweis des wirklich existierenden Gottes deutet. Die positive Philosophie unterscheidet drei Religionsformen: die mythologische Religion, die Offenbarungsreligion und die freie philosophische Religion. Letztere tritt mit der positiven Philosophie ein, die auf der religösen Entscheidung beruht, den wirklichen lebendigen und persönlichen Gott anzuerkennen und sich über diesen Glauben zu verständigen. Die positive Philosophie hat den „empirischen Apriorismus“ zum Standpunkt: Sie beweist a posteriori, dass das absolute Prius Gott ist, indem sie die Wirksamkeit des Überseienden an den Erfahrungsgegebenheiten in Natur, Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte aufzeigt. Dabei verfährt sie aber noch
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anders als der kosmologische Gottesbeweis aus der Weltkontingenz und anders als der physikotheologische Beweis aus der vernunftgemäßen Weltbeschaffenheit. Die positive Philosophie interpretiert ja die Welt mit dem Begriff des absoluten Urhebers. Die negative Philosophie hat den „apriorischen Empirismus“ zum Standpunkt: Sie ermittelt aus der Vernunft Wirklichkeitszüge, die durch die positive Philosophie bestätigt werden. So kann die negative Philosophie am Ende triumphieren, in der positiven Philosophie. Gemeint ist dies: Die positive Philosophie richtet die gebeugte Vernunftwissenschaft wieder auf. Der Erfolg der positiven Philosophie bestätigt die Vernunftkritik. Sie bekräftigt den Anspruch der Vernunftwissenschaft, das absolute Prius als den höchsten Gegenstand aller Erkenntnis formuliert zu haben. Es triumphiert also nicht die negative Philosophie über die positive Philosophie. Die negative Philosophie triumphiert über ihre scheinbare Bedeutungslosigkeit und über ihre Selbstzweifel. Aus dem Standpunkt der Philosophie kann überhaupt nicht von einem Triumph gesprochen werden. Triumphgefühle kennt nur der vernunftwissenschaftlich Philosophierende. Es kann keine Rede von einem Triumph der Vernunftwissenschaft über die Realphilosophie sein. Also kann auch nicht von der Vollendung des „deutschen Idealismus“ in Schellings Spätphilosophie gesprochen werden, im Hinblick auf seine vernunfttheoretische Konzeption. Denn: „Die positive Philosophie ist die immer und ursprünglich gewollte, aber weil sie verfehlt oder auf falschem Wege gesucht wurde, rief sie die K r i t i k hervor,..es ist insofern nur ihr eigner Wille, wenn sie sich die negative voraussetzt.“(153f.) Seit jeher hat die Philosophie Kritik an metaphysischer Willkür geübt. Mit dem methodischen Zweifel ist die Kritik bei Descartes zu einer philosophischen Einrichtung geworden, die in der KdrV gipfelte. Der Idealismus der KdrV allerdings ist von ihrem Kritizismus zu unterscheiden. Die KdrV zeigt auf vorbildliche Weise, dass die reine Vernunft mit der Idee des Wesens aller Wesen endet. Die These, dass wir nur Erscheinungen erkennen, ist dagegen selbst eine metaphysische, idealistische Abstrusität. Für Schelling ist der „deutsche Idealismus“ bei Leibniz, Kant und Fichte nur eine geschichtliche Vorstufe der negativen Philosophie. Für Hegel kann dies nicht einmal gelten. Schelling sagt unaufhörlich, dass Hegel Idee und Methode seines Systems der Identitätsphilosophie entnommen hat. Hegel hat, so
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Schelling, einen logischen Schattenriß der Ontologie des durch Natur und Geist zu sich zurückkehrenden Indifferenz-Absoluten angefertigt. Hegel kommt in seiner spekulativen Logik bis zur absoluten Idee als der Idee des Absoluten, ohne dass er mit logischen Mitteln das Weitergehen zur Naturphilosophie begründen könnte. Er muss sich mit Vorstellungen behelfen: Die Idee entlässt sich in die Natur. Die Idee entschließt sich. Schelling spricht von der „Stockung der Bewegung, die bei ihm zwischen der Logik und der Naturphilosophie eintritt..“ (88) Schelling sieht sich in der Tradition nicht von Idealismus und Realismus, sondern von Rationalismus und Empirismus. Er bringt die reine Vernunft und die Erfahrung, v.a. die religiöse Erfahrung, zur Geltung, und zwar in aller Selbstverständlichkeit auf dem Boden des Realismus. Die idealistische Reduktion der Wirklichkeit auf Gedanken, Begriffe, Ideen ist ihm ein Beweis abwegigen, vermessenen Denkens. Die negative Philosophie ist reine Vernunftwissenschaft, reinrationale Philosophie, aber sie ist keine idealistische Philosophie. Beim späten Schelling erweist nicht der Idealismus dadurch seine Überlegenheit, dass er sich in den Realismus überführt, so dass der Realismus durch den Idealismus initiiert, begründet würde. In Schellings Spätphilosophie gibt es in diesem Sinne von „Begründung“ nicht einmal eine Begründung der positiven Philosophie durch die negative Philosophie. Die Vernunftwissenschaft stellt nicht der Wirklichkeitswissenschaft die Aufgabe, sie versorgt nicht die positive Philosophie mit dem Problem des „Überseienden“, „sie übergibt es ihr nicht zur Weiterbearbeitung. Die positive Philosophie macht einen selbständigen Anfang. Die negative Philosophie dient der positiven Philosophie als Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen der reinen Vernunft. Die negative Philosophie ermöglicht der positiven Philosophie Standpunktbestimmung, methodische Reflektiertheit. Sie ist ein unentbehrlicher Teil des positivwissenschaftlichen Selbstbewusstseins. In Schellings Spätphilosophie vollendet sich auch nicht der Idealismus dadurch, dass er mit seiner Selbstbescheidung, Selbstaufhebung, Selbsttranszendenz für den Realismus Platz schafft. Schelling lässt ja den Idealismus gar nicht zu. Es gilt aber auch nicht diese Art Selbsttranszendenz für das Verhältnis der negativen Philosophie zur positiven Philosophie. Eine Abgrenzung zu Kant ist hier hilfreich, zumal Schelling selbst dazu neigt, die negative Philosophie als Rechtsnachfolgerin der KdrV anzusehen.
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Die Kantische Vernunftkritik verschafft dem moralisch-praktischen Glauben Platz im System der reinen Vernunft. Die KdrV bezeichnete die vernunftgegebenen, vernunftinternen Gefahrenpunkte metaphysischer Verblendung, aber so, dass sie ausdrücklich und argumentativ die Vereinbarkeit des praktischen Standpunktes mit dem Standpunkt der theoretischen Erkenntnis feststellte. Schellings negative Philosophie lizensiert nicht die positive Philosophie. Sie legimiert nicht die positive Philosophie im Namen der reinen Ratio, aus dem Standpunkt der theoretischen und praktischen Rationalität. Der Triumph der negativen Philosophie ist der Triumph über ihre eigene Ohnmacht. Der Triumph der negativen Philosophie besteht nur darin, dass sie aus dem Erfolg der positiven Philosophie die Gewissheit bezieht, kein sinnloses oder nutzloses Experiment mit der Vernunftanalyse begonnen zu haben.
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X G. W. F. Hegel X.1 Phänomenologie des Geistes (1807). Kurzdarstellung Der Stufengang des natürlichen Bewusstseins zur Selbsterfahrung als Erscheinungssystem des absoluten Begriffs als des Imanderen-Beisichseins X.1.1 Die Wahrheitsstufen Aufzählung der Stufen: I Bewusstsein Sinnliche Gewissheit. Der apprehensible, komplexqualitative Wahrnehmungsgegenstand als Eins und Auch. Kraft als Versinnlichung-Vergegenständlichung von Eins und Auch bzw. Fürsichsein und Füranderessein, Kräftespiel, Reich der Gesetze und der Notwendigkeit, Tautologie des Erklärens, verkehrte Welt, Unendlichkeit als Übergang zur Wahrheit des SelbstBewusstseins. II Selbstbewusstsein Versinnlichung-Vergegenständlichung der Unendlichkeit als subjektive und objektive Unendlichkeit (reines, in das Leben versenktes Bewusstsein und Leben bzw. lebenshöriges Selbstbewusstsein), aggressiv-begieriges Selbstbewusstsein, Kampf auf Leben und Tod, Institution von Herrschaft und Knechtschaft als Dienstverhältnis, bildender Charakter des arbeitenden Formierens, Übergang gemeinsam mit dem Herrn durch das FormDenken zur Wahrheit des Denkens (Stoizismus), Skeptizismus, Erschütterung aller Bestimmtheit, unglückliches Bewusstsein, Preisgabe der Persönlichkeit über einen Mittler an den allgemeinen Willen, Übergang zur „Vernunft“ als der Gewissheit des Fürsichseins, alle Realität zu sein. III Vernunft Beobachtende Vernunft, sich verwirklichende Vernunft (Lust und Notwendigkeit, Gesetz des Herzens und Wahnsinn des Eigendünkels, Tugend und Weltlauf), an und für sich reelle Individualität (geistiges Tierreich und Betrug im Betreiben der Sache selbst). IV Geist Der wahre Geist (Sittlichkeit, Schuld und Schicksal, Rechtszustand), der sich entfremdete Geist (Bildung, Glaube und reine
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Einsicht, Aufklärung und Aberglaube, absolute Freiheit und Schrecken), der seiner selbst gewisse Geist (Moralität, Verstellung, das Gewissen und die schöne Seele). V Religion Natürliche Religion, Kunst-Religion, offenbare Religion (die Wiedererneuerung des Gemeindegeistes durch den absoluten Geist). VI Absolutes Wissen Logische Ansicht der Entwicklungsstadien des natürlichen Bewusstseins als Momente des so anundfürsichseienden, in seiner Selbstentäußerung sich selbst gleichen Geistes: „der Geist, der weiß, was er ist“, als der „Geist, der seinem wahren und vollständigen Inhalt zugleich die Form des Selbst gibt, und dadurch seinen Begriff ebenso realisiert, als er in dieser Realisierung in seinem Begriffe bleibt.“ *** Dem Hegelschen Denken liegt die Überzeugung zugrunde, dass von Vernunft, Wissen und Wahrheit nur die Rede sein kann, wenn das Wirkliche vernünftig und das Vernünftige wirklich ist: wenn es sich bei allen Sachverhalten immer nur um den sich selbst begreifenden Begriff handelt, um den absoluten Geist, der sich selbst in einem System von Sachverhalten vergegenständlicht. Daher ist, wie es in der Heidelberger „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ von 1817 in § 7 heißt, die Philosophie „wesentlich Enzyklopädie“, weil „das Wahre nur als Totalität und nur durch Unterscheidung und Bestimmung seiner Unterschiede die Notwendigkeit derselben und die Freiheit des Ganzen sein kann.“ Die Philosophie muss sich als System vollziehen, d. h. als ein Allgemeines, das aber sich selbst konkretisiert, sich selbst inhaltliche Bestimmtheit gibt. So fällt das Konkret-Allgemeine mit dem Im-anderen-Beisichsein zusammen. Die inhaltliche Bezugnahme findet im System statt, das System hat keinen kognitiven Bezugspunkt außerhalb seiner selbst. Nun scheinen sich aber das System des absoluten Begriffs und das philosophierende Individuum gegenüberzustehen, das sich auf das System bezieht. Auch dieses Gegenüber von philosophischer Reflexion und System der Philosophie muss aus dem System seine Erklärung finden. Das Gegenüber des natürlichen Selbstbewusstseins und des Systems der Wahrheit muss als eine notwendige Erscheinungsform der Wahrheit dem natürlichen
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Selbstbewusstsein selbst verständlich werden. Das natürliche Selbstbewusstsein muss sich als Erscheinung des absoluten Wissens zu verstehen lernen. Der individuelle Geist muss sich auch selbst aus dem konkreten Allgemeinen als dem absoluten Anundfürsichsein begreifen. Das Individuum hat gerade auf Grund seiner selbständigen Geschlossenheit das Recht, eine Leiter aus dem welthaften Dasein zum absoluten Begriff zu verlangen. Es muss durch das System angeleitet werden, seinen Standpunkt als eine Daseinsart des absoluten Geistes zu verstehen, und zwar angefangen bei der sinnlichen Gewissheit, weil sie vom konkreten Allgemeinen am weitesten entfernt dem Unmittelbaren und Vereinzelten zugetan ist. Es muss gezeigt werden, dass das primordiale Wahrheitsbewusstsein der sinnlichen Gewissheit seiner Natur nach zum Allgemeinen und konkret Allgemeinen hin tendiert. Das System selbst bedarf dieser Einleitung. Es muss gezeigt werden, inwiefern der wirkliche Geist, der Weltgeist, der unter Raum-Zeit-Bedingungen individualisiert und mit der Natur sowohl konfrontiert als auch verbunden ist, „Erscheinung“ des absoluten Geistes ist. Das System der Philosophie bedarf einer „Phänomenologie des Geistes“, die den Weg darstellt, auf dem das natürliche Bewusstsein zur Selbsterfahrung als Erscheinungssystem des absoluten Begriffs gelangt. Die absolute Reflexion wäre unvollständig, wenn sie nicht zeigen könnte, dass es zwischen ihr und dem scheinbar geistfernen Bewusstsein keinen Wesensgegensatz gibt: dass es sich vielmehr um Modi des Einen Im-anderen-Beisichseins handelt. *** Die „Phänomenologie des Geistes“ versteht sich also als logische Ableitung von Wahrheitsparadigmen, Wahrheitsansichten, Wahrheitsbegriffen. Der Wahrheitsbegriff überhaupt: das Imanderen-Beisichsein entwickelt sich für das natürliche SelbstBewusstsein über die folgenden fünf Stufen: 1. die sinnlich-empfindungsartige Gewissheit, Wahrnehmung, physikalischer Verstand (der noch empfindungsund wahrnehmungsnah ist, das Wahre vom WahrNehmbaren aus ermittelt), 2. das Selbstbewusstsein nach der Empfindung und dem Bewusstsein als Überzeugung von der eigenen Absolutheit oder Unendlichkeit,
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3.
die Vernunft als These von der Identität der eigenen inneren und welthaft-äußeren Unendlichkeit, 4. der Standpunkt der Religion als der sich schon über die Weltorientierung erhebenden Idee des Unendlichen, die aber noch nicht zur begrifflichen Reinheit gelangt, vielmehr dem Vorstellen verhaftet bleibt (z. B. der Vorstellungsart eines Vater-Kind-Verhältnisses), 5. der Standpunkt des absoluten Wissens als der Geist, der weiß, was er ist, und der dies auf die ihm angemessene Art des Begriffs weiß. *** Hegels Philosophieren hat die Annahme zur Voraussetzung, dass alle wissentliche Bezugnahme im System der konkreten Allgemeinheit aufgehoben ist. Für Hegel ist der Grundirrtum der vorangehenden Philosophie das Dogma der systemexternen Intentionalität: dass die Vernunft im Ver-nehmen (wie von draußen Gefangengenommenen) besteht, also darin, Gegenstände in Begriffen zu erfassen. Auch Kant entgeht nicht dieser Kritik, weder der Hegelsche Kant noch Kants Philosophie der reinen Vernunft, wie man sie noch anders verstehen kann. Für Hegel bleibt Kant mit der Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung, ungeachtet der Sonnenlicht-Assoziation des letzteren Teilbegriffs, ganz anders als Platon mit der Zuordnung der Sonne, des Guten und der Ideeen-Erkenntnis, insbesondere in der theoretischen Philosophie dem Impressions- und Apprehensions-Dogma verfallen. Er versieht es nur mit einem erkenntniskritischen, subjektivistischskeptischen Vorzeichen. Hegel ordnet die Kantische Philosophie im Enzyklopädie-Kapitel „Die Stellung des Gedankens zur Objektivität“ dem Empirismus und Skeptizismus zu. (Die anderen Stellungen zur Objektivität sind die rationalistische Metaphysik eines Christian Wolff und Moses Mendelssohn und die Gefühlsphilosophie Friedrich Heinrich Jacobis). Bei Kant hat sich nach Hegel am Verständnis der Vernunft als Vernehmen wissenstranszendenter Gegenstände nichts entscheidend geändert. Die sinnlich-vorstellungshafte Ansicht des Be-Griffs als Greifen nach etwas, Ergreifen, Erfassen, Auffassen bestimmt für Hegel wie im 20. Jahrhundert für den Evolutionsanthropologen Konrad Lorenz Kants theoretische und praktische Philosophie und auch ihre Verbindung in der „Kritik der Urteilskraft“ anhand des Analogie-Prinzips der
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„Zweckmäßigkeit“, die zum Thema wird als Zweckmäßigkeit des Zusammenstimmens der Naturgesetze, Zweckmäßigkeit des freien Spiels der oberen Gemütskräfte einschließlich der moralischen Ideenbildung und die innere Zweckmäßigkeit des externen Organismus. Für die idealistische „Phänomenologie des Geistes“ wird von Kants „transzendentalem“ Idealismus die Wahrheit vielfach verfehlt oder entstellt. Das explizit eigentlich Wissenswerte: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, verliert sich in anthropomorph-gegenständlichen Deutungen (dem architektonischen und moralischen Welturheber, dem intelligiblen Charakter, dem Reich der Zwecke). Hegel unterstellt Kant eine originäre Zwei-Welten-Konzeption, den Dualismus der Erscheinungswelt und der Welt der Dinge an sich. Seine Kritik gilt aber auch, wenn wir die bereits resultative Grundlage des Kantischen Denkens in der Annahme sehen, dass die Subjektivität mit dem Sein systematisch zusammenstimmt: dass das Sein, und nicht eine Sphäre von Dingen an sich, durch sich selbst und durch die Subjektivität des Anschauens und Denkens zur Erscheinung kommt. Hegels Kritik zielt auch auf dieses Vernunft-Prinzip, weil auch darin die Subjektivität, durch den Gegenstand überhaupt = X affiziert, als selbst X erhalten bleibt. Hegel muss mit dem Einwand vieler Leser rechnen, dass er zwar die Relationierung dem System der konkreten Allgemeinheit einschreiben möchte, dass er jedoch, wie schon Spinozas System der absoluten Substanz „Deus sive Natura“ ein zweites Absolutes oder sogar das ursprünglich Absolute in Gestalt des philosophierenden Subjekts benötige. Hegel findet die Frage berechtigt. Er beantwortet sie mit der hochdifferenzierten „Phänomenologie des Geistes“. Sie zeigt, dass der individuelle Geist dem System des absoluten Wissens angehört, sofern er mit allen seinen Wahrheitsansichten eine logisch-systematische Erscheinungsweise der absoluten Wahrheit abgibt. Alle Wahrheitsmodelle, die scheinbar außerhalb des absoluten Wissens als Konzeptionen des endlichen Wissens vertretbar sind, lassen sich aus der Idee der Wahrheit als des Imanderen-Beisichseins in logischer Abfolge entwickeln. Es lässt sich zeigen, dass das Wahrheitsverständnis der konkreten Allgemeinheit alle denkbaren apprehensiven Wahrheitsbegriffe in sich aufgehoben enthält.
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X.1.2 Sinnliche Gewissheit. Wahrnehmung und physikalischer Verstand Der Empfindungsstandpunkt der sinnlichen Gewissheit, die Gleichsetzung der Wahrheit mit dem Empfundenen bzw. der Empfindung, überführt sich selbst auf den Wahrnehmungsstandpunkt. Ist die Wahrheit als Identität von einfacher Allgemeinheit und Bestimmtheit, als konkrete Allgemeinheit anzusehen, so kann die Empfindung bzw. das Empfundene in seiner Vereinzelung unmöglich die Wahrheit in der Erscheinung repräsentieren. Von der als Anundfürsichsein, Im-anderen-Beisichsein verstandenen Wahrheit kann der Empfindungsbezug auf den Gegenstand allenfalls einen Eindruck vermitteln, wenn sich die mannigfaltigen subjektiven Empfindungszustände mit dem Einen Empfindungsobjekt in der Auffassung (Apprehension) vermischen. Die sinnliche Gewissheit, bedeutet dies, kann nur für die Eröffnung der Wahrheitsreflexion aufkommen. Das erste solide Wahrheitsmodell ist der Wahrnehmungsgegenstand: das Eine Ding mit Eigenschaften. Es verstrickt das Denken allerdings in Dialektik. Denn es ist zwar ein Eins, aber es ist eine Einheit von Bestimmtheiten, die zumindest z.T. einander gleichgültig sind, nur durch das abstrakte „auch“ verbunden. (Das Eine Pult vor dem Vortragenden ist aus Holz, rissig, knarrend, in der Höhe wahrscheinlich verstellbar etc. etc.). Die „Phänomenologie des Geistes“ endet nur darum nicht an dieser Stelle, weil sich der Phänomenologe einschaltet und sein Hintergrundwissen in Vertretung des Geistes zur Geltung bringt. Sein eruditiv und spezialistisch erworbenes Wissen ist das Wissen um die Natur der Wahrheit als Im-anderenBeisichsein oder Anundfürsichsein. Dieses Wissen erlaubt dem Phänomenologen zu erklären, dass es sich bei dem Eins und dem Auch in Wahrheit um logische Prinzipien der Koinzidenz des An sich und Für sich handelt. Das natürliche Bewusstsein erspürt die logischen Wesenheiten Fürsichsein und Füranderessein, aber es kann diese Abstraktionen unmöglich festhalten. Es muss versinnlichen und vergegenständlichen. Es versinnlicht das Fürsich zum „Kraft“-Zentrum und das Füranderes zur „Kraft“-Äußerung. Und es verteilt, weil es vergegenständlichen muss, diese Eigenheiten der Kraft
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auf Kräfte. Es denkt: Eine Kraft äußert sich, eine andere verbleibt insofern in sich. Da aber eine Kraft sich nur äußern kann, wenn sie die andere Kraft zum Insichverbleiben nach dem Newtonschen Ausdruck sollizitiert, und da genauso eine Kraft in sich verbleibt, wenn sie die andere zum Sich-Äußern sollizitiert, ergibt sich, dass von den Kräften nur ihr Ineinanderübergehen festzuhalten ist, also Typen gegenseitiger Sollizitation: der Sollizitationstypus der elektrischen Kraft, der magnetischen Kraft usw. Das Bewusstsein vergegenständlicht auch diese Typen. So werden sie ihm zu Naturgesetzen. Und es denkt sich ein Allgemeines zu diesen Gesetzen unter der Form Eines Gesetzes, das ihm als Inbegriff der Notwendigkeit gilt. So aber wird sein Erklären unbestimmt, tautologisch. Es erklärt die notwendigen Naturverhältnisse mit der Notwendigkeit. Auch dieser Sachverhalt wird versinnlicht: im Bild der verkehrten Welt, in welcher jede Bestimmtheit sich in der Gegenbestimmtheit aufhebt, es also nichts Bestimmtes gibt, sondern alles an sich verkehrt ist. In der Rechtswelt wird das Verbrechen, wenn das Staatsoberhaupt Verurteilte begnadigt, zugleich als Verlust und Bestätigung der sozialen Anerkennung aufgefasst. Noch einmal: Wahrheitsverwandlung gehört zur sinnlichen Gewissheit. Das scheinbare Gegenextrem des absoluten Wissens, der Empfindungsstandpunkt, treibt selbst über sich hinaus. Er überführt sich auf den Wahr-Nehmungsstandpunkt des Eins und Auch, das der Phänomenologe als sinnlich gebrochene Erkenntnis der logischen Wesenheiten des Fürsichseins und Füranderesseins zu deuten weiß, die das Anundfürsichsein konstituieren. Dies erlaubt ihm die Konstruktion des nächsten Wahrheitsverständnisses, d. i. der physikalische, am „Kraft“begriff orientierte Verstand. Dieses Wahrheitsverständnis überführt sich in den Wahrheitsstandpunkt des SelbstBewusstseins: Das physikalische Denken kommt bei einem tautologischen Erklären aus. Es versinnlicht und vergegenständlicht die ohnmächtige Tautologie der Fakten, der Gesetze und der Notwendigkeit im Bilde der „verkehrten Welt“, in welcher jede Bestimmtheit in ihr Gegenteil umschlägt.
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X.1.3 Selbstbewusstsein Dem natürlichen Bewusstsein geht der Sache nach, die der Phänomenologe der vernünftigen Wirklichkeit zu erkennen vermag, mit dem tautologischen Erklären bzw. mit der verkehrten Welt die Identität von Unterschied und Ununterschiedenheit auf. Wenn wir die Zugehörigkeitsrelationen auseinanderhalten „an sich“, „für es“ und „für uns“, so können wir sagen: Die Identität von Unterschiedenheit und Ununterschiedenheit ist dem natürlichen Bewusstsein an sich bekannt, aber sie ist in dieser Form nicht für es selbst bekannt, wie sie dies allerdings für ausgebildete und angehende Phänomenologen ist. (Die Differenzierung zwischen „an sich“, „für uns“ und „für es“ ist ein strukturierendes Prinzip der „Phänomenologie des Geistes“ bis zu einem bestimmten Punkt, den wir auch erreichen werden.) „Identität von Ununterschiedenheit und Unterschiedenheit“ bezeichnet die logische Natur des Begriffs. Gleichwertige Charakterisierungen sind: konkrete Allgemeinheit, Identität von Identität und Differenz, Im-anderen-Beisichsein, Anundfürsichsein, Aufhebung von Negation und Negation dieser Aufhebung, negiertes Negieren und insofern reine Negativität. Man kann mit einem Wort dies alles ansprechen: Unendlichkeit. Mit der Ununterschiedenheit des Unterschiedenen ist an sich und auch für uns der Begriff und seine Unendlichkeit, also die Wahrheit selbst in die Stelle des Wahrheitsparadigmas eingerückt. * Das die Wahrheit suchende Ich, das SelbstBewusstsein, ist von ebendieser Art konkreter Identität. Es ist ein zugleich Unterschiedenes und Ununterschiedenes. Es ist von der Art der Unendlichkeit. Also kann gesagt werden: Das neue Wahrheitsmodell ist das SelbstBewusstsein. So überlegt und spricht der Phänomenologe. Das Bewusstsein selbst vergegenständlicht und versinnlicht auch das Paradigma der Unendlichkeit des subjekt-objekt-identischen SelbstBewusstseins. Das natürliche Bewusstsein disjungiert die subjektive und die objektive Unendlichkeit. Es verteilt die Unendlichkeit auf das Ich und auf das Leben, auf das Leben, weil es als
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Gattungsleben dem konkret-allgemeinen Begriff ähnlich ist, dem seine Bestimmtheiten selbst generierenden und ablösenden Begriff. Das Bewusstsein bringt die Identität der subjektiven und objektiven Unendlichkeit damit zur Geltung, dass es einerseits das Ich in den Organismus bloß versenkt sein lässt, und dass es andererseits dem Leben ein lebenshöriges, naturnahes Ich beigibt, einen Knecht des Herrn und des Lebens. Das dem Leben gegenüberstehende Ich geht notwendigerweise-, wenn auch sinnloser Weise auf Selbstbehauptung aus, auf einen Selbstbeweis seiner Unendlichkeit, die wesensgemäß nichts außer sich duldet, sondern alles Bestimmte in sich verflüssigt. Dieses herrschsüchtige Ich wendet sich aggressiv gegen die Natur und gegen den Naturmenschen. Aber es besinnt ich. Es gibt sich, nach Aggression und Kampf-auf-Leben-und-Tod, mit der Errichtung von Dienstverhältnissen zufrieden, mit der Institution der anerkannten Herrschaft. Der Knecht aber, das vom wahrheitsstolzen, sich selbst als die Wahrheit ahnenden SelbstBewusstsein in Dienst und Disziplin genommene Naturwesen, erschließt dem Herrn und sich selbst die Erfahrung einer für beide noch höheren Herrschaft. Der Knecht erfährt in seiner Arbeit die Macht der Form über die Materie und damit die Macht des Allgemeinen. So wird das Formale (forma, eidos, idea, morphé) zur neuen Wahrheitsformel. Aber dies ist eine einseitige Wahrheitsbestimmung. Sie führt zu widersprüchlichen Proklamationen einerseits der festen Form oder der Unbeweglichkeit des Denkens, andererseits seiner Unbeständigkeit oder Fluktuation. Das Ergebnis der Gleichsetzung von konkreter Allgemeinheit und Form ist die Dialektik des Stoizismus und Skeptizismus, der Widerspruch der Unerschütterlichkeit der Wahrheit und ihrer ewigen Fraglichkeit und Infragestellung. Der Wahrheitskonflikt des Stoizismus und Skeptizismus lässt das Bewusstsein zum „unglücklichen Bewusstsein“ werden. Es ahnt, dass der Gegensatz der Denk-Ideale der Beständigkeit und Unbeständigkeit, denen das Wahrheitsparadigma der Unendlichkeit (die Ununterschiedenheit des Unterschiedenen) zugrunde liegt, im Grunde die eigene Unendlichkeit und Endlichkeit und ihre Unvermitteltheit reflektiert. Es fühlt, dass die Identität von Identität und Differenz noch verfehlt und verfälscht wird, die ihm selbst, dem
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SelbstBewusstsein, eigen ist. Das „unglückliche Bewusstsein“ vermittelt daher Unwandelbarkeit und Wandelbarkeit, indem es sie am SelbstBewusstsein festmacht. Aber es muss weiterhin vergegenständlichen und versinnlichen. Also setzt es sich als das Wandelbare einem Unwandelbaren entgegen. Es versteht sich bloß als das Wandelbare, weil es mit seinem Herrschaftsanspruch und auch mit der Wertpriorität der Formgebung gescheitert ist. Zu sich selbst, zu seiner Bedeutung, hat es hiernach wenig Zutrauen, obwohl es seine eigene Unendlichkeit fortwährend reflektiert. Dem Unwandelbaren glaubt es im Denken begegnen zu können, wenn auch nur in flüchtiger Berührung, in der Art eines An-Denkens und der Andacht. Es sucht auch Spuren auf, die der Unwandelbare in der Welt hinterlassen hat, doch sein Grab, zu dem es sich aufmacht, bezeugt nur seine Unwirklichkeit. Schließlich gibt es sich der Belehrung über den Unwandelbaren durch einen Mittler anheim, bis hin zur Aufopferung der eigenen Sprache im Aufsagen unverständlicher lateinischer Formeln. An sich aber oder für uns ist dieses Verhalten des unglücklichen Bewusstseins die Identifikation von Ich und Allrealität. Es bedeutet, dass der Wahrheitsstandpunkt der Vernunft eingenommen wird, was man aber nur versteht, wenn man die idealistisch verstandene Vernunft unterstellt, d. h. die Vernunft, die mit ihren kategorialen Begriffen wirklichkeitskonstitutiv sein soll. Das neue Wahrheitsverständnis nach der Favorisierung des SelbstBewusstseins, ist das Wahrheitsverständnis oder das Verständnis des Konkret-Allgemeinen, das sich an der reinen Vernunft und ihrer Wirklichkeitsformation orientiert.
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X.1.4 Vernunft Das natürliche Bewusstsein nimmt den Vernunftstandpunkt ein und entwickelt ihn. Es hält zuerst instinktiv nach Vernunft-Analogem in der Natur Ausschau, es betreibt theoretische Gesetzesforschung. Solches analogisierendes Forschen aber, das auch die Methode des Analogisierens befolgt: das nach Vernunft-Ähnlichem in der Natur sucht und sich nach der Ähnlichkeit der Naturgegenstände ausrichtet, scheitert, weil ihm jeglicher Leitfaden fehlt. Analogisieren, Ähnlichkeiten feststellen, ist ein weitgehend willkürliches Geschäft; es ist bestimmt von subjektiven Gesichtspunkten und Interessen. Daher kann es nicht ausbleiben, dass man schließlich auf der Suche nach den Vernunftgesetzen der Natur die der Vernunft nächste Realität zum Forschungsgebiet wählt. Die Phrenologie (Schädellehre) stellt die These auf, dass die Schädelform über Art und Umfang der Vernunft Auskunft gibt. So geistlos diese Identifikation von Selbst und Ding erscheinen mag: an sich oder in Wahrheit ist sie die Überwindung des Vernunftinstinkts. An sich ist die Angleichung von Selbst und Ding die Aneignung des Vernunftstandpunktes durch das natürliche Bewusstsein, so dass es sogar ermutigt wird, von der Beobachtung der Vernunft oder von der theoretischen Vernunft zur praktischen Vernunft überzugehen, d. h. dazu, die Wahrheit der Vernunft (dass sie mit dem Wirklichen identisch ist) durch die Tat zu beweisen, also das Sich-Verwirklichen zu versuchen. Das Individuum hofft insbesondere, es könne sich in der Vereinigung mit anderer Individualität als konkrete Allgemeinheit lustvoll erfahren. In Wahrheit erfährt es das Aufgehen seiner Einzelheit in naturhafter Allgemeinheit und die Auflösung seiner Freiheit in übergreifender Notwendigkeit. Unter der Allgemeinheit und Notwendigkeit aber, die so dem Bewusstsein schicksalhaft begegnet, verbirgt sich die wahre Allgemeinheit und Notwendigkeit, die Vernunftallgemeinheit und Vernunftnotwendigkeit. Und so ist das vermeintliche „Schicksal“ in Wahrheit dazu angetan, das Individuum zu noch höherer Selbstschätzung zu bringen, ja es in eine wahnsinnige Selbstüberschätzung zu stürzen. Es glaubt, dass es durch Verbreitung der eigenen universalgültigen Individualität Welt und Mitwelt zum Besseren wenden kann. Es führt sich als avantgardistisches Individuum auf. Wie kommt es zu dieser Zuversicht?
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Es selbst kann die Erklärung nicht geben. Es unterliegt der Erscheinungslogik des Begriffs, ohne sie zu übersehen. Wir müssen die Erklärung geben, wir müssen die Bewusstseinsfunktionalität bezeichnen, der das natürliche Bewusstseinssubjekt ausgeliefert ist. Zu diesem Zwecke müssen wir uns daran erinnern, dass auf dieser Entwicklungsstufe des natürlichen Bewusstseins, auf dieser Selbsterfahrungsstufe, die idealistisch interpretierte Vernunft bestimmend ist. Von diesem Vernunftverständnis her (der kategorial wirklichkeitskonstitutiven Vernunft) ist zu sagen: Das Ich kommt so zustande, dass sich die Kategorie (die wirklichkeitskonstitutive Allgemeinheit) selbst vermannigfaltigt, also ihre intensive Allgemeinheit zu extensiver Allgemeinheit erweitert, und dass sich die so besonderte Allgemeinheit in die ursprüngliche einfache Allgemeinheit reflektiert. So ergibt sich die Einzelheit der Vernunft. Und so ergibt sich auch, mit welcher Erwartung das Ich der Wirklichkeit entgegensieht: Die Wirklichkeit muss ihm das durch eigene individuelle Selbstschematisierung rahmenhaft Vorgegebene sein. Was ihm als Wirklichkeit begegnet, kann im Wesentlichen nur die eigene Wirklichkeitssetzung sein, das seiner kategorialen Selbstschematisierung Entsprechende. Es ist Reflexion-in-sich der in sich besonderten Kategorie, und die Wirklichkeit ist ihm im Grunde mit dem Wirklichkeitsentwurf identisch, den es mit seiner Selbstschematisierung erzeugt. Man möchte eine Formel aus dem Kantischen opus postumum hier benutzen: sich selbst innerlich affizierend äußerlich affiziert. Aus dieser Herkunftsreflexion des Individuums, die allerdings der Phänomenologe an seiner Stelle artikulieren muss, erklärt sich seine avangardistische Attitüde. Dem avantgardistischen Individuum ist allerdings das Gesetz der Wirklichkeit oder die Notwendigkeit unmittelbar bloß mit seiner Individualität identisch, nicht mit der klar profilierten Vernunftstruktur. Daher macht sich das individuelle Wirklichkeitsgesetz zunächst als Gesetz des Herzens geltend. Das Handeln nach dem Gesetz des Herzens verwickelt das Individuum in gesellschaftliche Abhängigkeiten. In seiner Überheblichkeit aber sieht es sich als Opfer gesellschaftlicher Zwänge. So verfällt es in Verrücktheit: Es glaubt, sich in der Gesellschaft verwirklichen zu können, und es glaubt durch die Gesellschaft entwirklicht zu werden. Und in der Tat ist auch die Ordnung, die
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das Gemenge der Herzen hervorbringt, nur ein Schein von Ordnung. Das Vernunftprinzip der Ordnung überhaupt aber, oder die Ordnung an sich, wird gerade an dieser Fehlform bekannt. Daher die neue Wahrheitsproklamation, dass es ein Ansich der Weltordnung gibt und dass diesem Ansich des Weltgesetzes Bahn verschafft werden soll: durch Unterwerfung der Individualität unter das überindividuelle Gesetz als das an sich Wahre und an sich Gute. Das neue Wahrheitsparadigma hat die „Tugend“ zum Inhalt, im Sinne der ἀρετή: die Tüchtigkeit und Tauglichkeit, dem Guten in der Welt zum Durchbruch zu verhelfen. Nur weiß die Tugend nicht, ob sie sich verwirklichen soll oder ob sie nicht besser latent bliebe. Denn verwirklicht sie sich, so wird in Wahrheit der fortwährende Triumph der Individualität über alles Verbindliche gefördert, die Dynamik, die man meint, wenn man sagt: So ist nun einmal der Lauf der Welt. Die Selbstverwirklichung der individuellen Tugend unterstützt wider Willen den Weltlauf. Hält sich aber die Tugend vom Erfolgsstreben zurück, begnügt sie sich mit der Prägung der Gesinnung, so wird der verworrene Weltlauf jedenfalls nicht behindert. Die Tugend erbaut also, ohne irgendetwas aufzubauen. Welches Resultat hat dann der Aufstand der Tugend gegen den Weltlauf? Es ist die Erfahrung, dass das Allgemeine nicht erst jenseits der Individualität zu verwirklichen ist, sondern dass es an der Individualität seine Realität schon hat. Die Vernunft, die Identität des Fürsichseins und der Realität, braucht sich nicht erst zu verwirklichen. Sie ist im Individuum „an und für sich reell.“ So wird dem Individuum hauptwesentlich sein Betreiben der Sachen. Das Ergebnis der Dialektik (der Aufhebung der Individualitätsdifferenzen in Ununterschiedenheit) von Weltlauf und Tugend ist das Hinfälligwerden dieses Gegensatzes und dieser Gedankenfiguren. Das positive Ergebnis ist darin zu sehen, dass das SelbstBewusstsein das Wesen der Vernunft nunmehr selbst erfasst hat, welches die Schädellehre erstmals und unwissentlich artikulierte, mit der Identifikation von Ding und Selbst. Das Bewusstsein selbst ist zu der Einsicht gekommen, dass das Allgemeine am Individuellen seine Realität besitzt, dass das Allgemeine durch das Individuelle je schon verwirklicht wird. Der neue Wahrheitsbegriff - das neue Modell der Identität des Vernünftigen und Wirklichen - ist die „an und für sich reelle Vernunft“. Für diesen Standpunkt ist klar: Die Sache selbst ist nicht
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irgendein äußeres Werk, sondern das Sich-Durchdringen der Individualität und der Wirklichkeit. Die Sache selbst ist die Wirklichkeit als vom SelbstBewusstsein geprägte. Dem Bewusstsein liegt an der Sache. Hauptwesentlich ist ihm allerdings sein Betreiben derselben. Hieraus folgt eine zweifelhafte Ehrlichkeit dieses Bewusstseins. Da die Sache nur in der Idee des Individuums existiert, betrügt es sich und die anderen, wenn es irgendetwas für die Sache selbst hält und dafür ausgibt. An diesem Selbstbetrug und Betrug geht das „geistige Tierreich“ zugrunde, d. h. die Illusion, dass die Vernunft an den Individuen ihr Wirklichkeitselement hat: dass sie in den individuellen Vernunftnaturen und je und je ihrem Betreiben der Sache wirklich ist, vergleichbar der Art, wie die Eine Tier-Gattung, das Tier, durch die Tierarten realisiert ist, gemäß den Elementen Wasser, Luft, Erde. Der neue Wahrheitsbegriff wird im Gegenzug zum geistigen Tierreich konstruiert. Galt als wahr, dass die Vernunft an jedem Individuum ihr Wirklichkeitselement hat, so setzt das Bewusstsein die Wahrheit nunmehr in die Identität des substantiellen Allgemeinen und des SelbstBewusstseins Aller. Inbegriff der Vernunft wird ihm das Sein, das Wir und das Wir, das Sein ist. Der Wirklichkeitsbegriff des Idealismus, die Kategorie als Identität von Fürsich und Ansich, geht in die Denk- und Handlungsgemeinschaft über, die sich ihrerseits auf diese Weise zu einem realen Erfahrungsgegenstand transformiert. Zur Wahrheit wird die sittliche Substanz als Gegenstand des sittlichen Bewusstseins. Dem „geistigen Tierreich“, der Vorstellung, dass die Vernunft als Identität des Ansich und Fürsich auf isolierte Exemplare verteilt sein soll, setzt sich ein neues soziales Ordnungsmodell entgegen: die auf gemeinsame Ideen gegründete, normative Lebensform. So rückt nach der „Vernunft“ (dem alle Realität setzenden Ich) der „Geist“ in die Wahrheits-position ein: die konkrete Allgemeinheit im Modus der Ich-Wir-Einheit. X.1.5 Geist Der Wahrheitsstandpunkt des „Geistes“ durchläuft die Dialektik des wahren Geistes, des sich entfremdeten Geistes und des seiner selbst gewissen Geistes. a) Der wahre Geist, die Sittlichkeit der sozialen und normierten Lebensform, wird u. a. durch das menschliche und das
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göttliche Gesetz konstituiert. Deren bloßes Nebeneinander aber läßt die Menschen auf tragische Weise schuldig werden und das Schicksal Bedeutung gewinnen: Die Stadt Theben erlaubt nach dem Zweikampf der Ödipussöhne Polyneikes und Eteokles nur die Beerdigung des Eteokles, weil er die Macht an sich gerissen hat, und so scheint das menschliche Gesetz das göttliche Gesetz zu überwältigen. In Wahrheit aber hat sich damit das menschliche Gesetz seiner Kraft beraubt, so dass es untergehen muss. Theben wird von Theseus, dem Herrscher von Athen, bestraft. Die beiden Gesetzestypen, das göttliche und das menschliche Gesetz, rücken das Dies-Sein des Einzelnen aus dem Blick. Der Rechtszustand bringt es wieder zur Geltung. Der wahre Geist wird hierdurch um den gewissen Geist, die Wahrheit des Geistes durch seine Gewissheit ergänzt. Dennoch leitet der Rechtszustand zum sich seiner selbst entfremdeten Geist über. Denn das Individuum wird wieder unglücklich, gerade weil es für die Rechtsbegründung und Rechtszuschreibung keine göttlichen oder weltlichen Gesetzesvorschriften mehr gibt. Ein „Herr der Welt“ (der „Herr der Welt des Rechts“, 347, wie der römische Kaiser) muss die atomaren Rechtssubjekte verbinden. Die Beschreibung passt auf den römischen Kaiser. Der Hauptschlüssel zum Verständnis aber könnte in der Hegelschen Seins-Logik zu finden sein, und zwar in der Dialektik des Fürsichseins, die sich aus der Dialektik der Unendlichkeit als Dialektik des Einen Fürsich und der Vielheit der Eins ergibt. Als Einheit und Zusammenhalt von Atomen kommt nur ihre Kontinuität in einem Atom in Betracht. b) Der somit sich entfremdete Geist umfasst: die Bildung als das Sich-Aufrichten-Wollen an substantiellen Gegebenheiten, an Staat und Wirtschaft z. B., dann den Glauben und seinen Widerpart, die reine Einsicht, Aberglaube und Aufklärung. Zum sich entfremdeten Geist gehört schließlich die desorientierte Freiheit und der Schrecken ihres Wütens, das Unwirklichkeit schafft. Hier assoziiert der Leser die Terror-Jahre der Französischen Revolution 1793 und 1794 (Robespierre und den Jakobiner-Wohlfahrtsausschuß, La Grande Terreur mit der Guillotinierung von Robespierre selbst). c) Der zufolge der äußeren Unwirklichkeit auf sich zurückgeworfene, seiner selbst gewisse Geist durchläuft die dialektischen Momente: Moralität, Verstellung und Gewissen. Die Moralität gehört zum seiner selbst gewissen Geist, sofern er den
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Freiheitshabitus der Selbstbestimmung annimmt. Die Verstellung gehört zum seiner selbst gewissen Geist, sofern er sich als autonom ansieht und doch Belohnung erhofft, Strafe befürchtet. Hier steht die Kantische Postulatenlehre zwischen den Zeilen: der moralische Gottesbeweis, die Idee des moralischen Welturhebers, der dafür sorgt, dass die Sittlichkeit, die glückswürdig macht, mit der proportionalen Glückseligkeit einhergeht. *** Hegel hat (hier schon erwähnt) wie viele andere für diesen Kulminationspunkt der Kantischen Philosophie, für die ethikotheologische Erneuerung der theologia rationalis nur Spott übrig. Der Kantische Gott des Glaubens und der Hoffnung wird, so findet Hegel, „vom Bewußtseyn zum Behufe der Harmonie angenommen, wie die Kinder sich irgend eine Vogelscheuche machen, und miteinander ausmachen, sie wollen sich vor diesem mannequin fürchten.“ Mit dem göttlichen Garanten des menschlichen Glücks verlasse Kant den reinen Moralsstandpunkt. Kant gebe ganz passend zu seiner theoretischen Verzärtelung der Dinge in der praktischen Philosophie der Besorgtheit um Erfolg und Glück den Vorrang. Er verrate damit, dass er die reine Vernunft nicht wirklich begriffen habe: „Es ist nämlich nicht abzusehen, wie Glückseligkeit für dies moralische Bewusstsein um seiner Würdigkeit willen zu fordern ist. Es ist seiner Nichtvollendung sich bewusst, und kann daher die Glückseligkeit in der Tat nicht als Verdienst, nicht als etwas, dessen es würdig wäre, fordern, sondern sie nur aus einer freien Gnade, das heißt, die Glückseligkeit als solche an und für sich selbst verlangen, und nicht aus jenem absoluten Grunde, sondern nach Zufall und Willkür erwarten. - Die Nichtmoralität spricht eben hierin aus, was sie ist, - dass es nicht um die Moralität, sondern um die Glückseligkeit an und für sich ohne Beziehung auf jene zu tun ist.“ Hegel spielt insbesondere das sogenannte Unsterblichkeitspostulat und das theologische Postulat gegeneinander aus: Die Gedankenkonstruktion des Wesens, das ggf. des Fortlebens nach dem Tode bedarf, um mit Moralität seine Glückswürdigkeit zu beweisen, ist in sich sinnwidrig. Moralität, Verstellung und Gewissen sind die Entwicklungsstufen des seiner selbst gewissen Geistes. Das Gewissen gehört zum seiner selbst gewissen Geist, sofern er bei aller
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Selbstunsicherheit, die ihn glauben und hoffen lässt, doch die Individualität als Harmonie-Zentrum des Wissens, des Handelns und der Wirklichkeit weiß. Sich als moralisches Zentrum zu wissen, macht den Gewissensstandpunkt aus, auf dem man „das konkrete Rechte weiß und tut“. Wer nur dem Gewissen folgt, macht keinen Unterschied zwischen seinem SelbstBewusstsein und dem Wissen des an sich Gültigen. Der Gewissenhafte zweifelt auch nicht am moralischen consensus omnium. Das Gewissen wird zum allgemeinen Handlungssubjekt in den Einzelnen. Mit den anderen hat man, dessen ist man sicher, an der Pflicht ein gemeinsames substantielles Element der Existenz. Oder vielmehr, da das Gewissen wesensgemäß subjektiv ist, so glaubt man sich durch eine gemeinsame Subjektivität verbunden. Genau dieser Gewissensaspekt aber: dass das Gewissen alle Einzelheit umfassen soll, lässt es dialektisch werden. Denn das Gewissen hat den Gegensatz seiner Allgemeinheit und der je und je individuellen Handlungsumstände an sich. So erscheint es dem einen als unbedingte Pflicht, sein Leben zu retten, um anderen nützlich zu sein. Andere verlangen aber Tapferkeit von ihm und beurteilen sein Verhalten als feige, als Verstoß gegen die Pflicht. Und da es dem Handelnden nur auf die Gewissenserfüllung ankommt, nicht aber auf das Bild, das sich die anderen von seinem Handeln machen; und da man sich auch nicht zu Herzen nimmt, dass vom eigenen Handeln andere betroffen sind, so muss man, indem man allerdings um dieses alles weiß, sich gegenseitig als böse ansehen. In Wahrheit aber sind die Verhältnisse nicht hoffnungslos. Die Sprache als die reinste (sublimste) Daseinsart des Geistes kommt dem an seine Innerlichkeit verlorenen Gewissen zu Hilfe. Das Sichaussprechen des Gewissens ist seine wahre Tat. Das Aussprechen gibt oder belässt seinem Tun Wahrheit: „Durch dieses Aussprechen wird das Selbst zum Geltenden und die Handlung zur ausführenden Tat.“ Die Sprache des Gewissens verbindet zu einer Gewissensgemeinschaft, die sich als moralisch-religiöse Gemeinschaft versteht: Die Sprache des Gewissens ist das „Sprechen der Gemeinde über ihren Geist.“ Der wahre Sachverhalt aber ist ein noch anderer. Das Ich kann sich im „Austönen“ von „Reden“ und in ihrem effektlosen Zurückhallen nicht wiederfinden. Es lässt mit seinen Gewissensreklamationen verlauten, dass es sich als alle Realität weiß, als von der Realität ungeschieden. Das gegenseitige Sich-der-
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Gewissenhaftigkeit-Versichern verbleibt daher in phrasenhaften Deklamationen, die keine Dissonanzen-Auflösung herbeiführen. Will man ein Bewusstsein, das in sich Vernunft und sinnliche Wirklichkeit zum Ausgleich bringt, mit Schiller eine „schöne Seele“ nennen, so ist der seiner gewisse Geist, in Konsequenz der Gewissenhaftigkeit, eine unglückliche schöne Seele. Ihm will die schöne Seele, das Ineins von Ansich und Fürsich, nicht glücken. Die „Gewissens“gestalt des Geistes, das unmittelbar bewußte und vorgestellte An-und-Fürsichsein, scheitert an der Monadizität. Für die schöne Seele bedeutet das öffentliche Zurückgestoßenwerden, dass sie in „sehnsüchtiger Schwindsucht“ „zerfließt“. Für die Individualseele verfestigt sich, als Folge ihrer Isolation, der Widerspruch von Innerlichkeit und äußerer Wirklichkeit. Sie geht daran zugrunde. Sie wird zur „Verrücktheit zerrüttet“. Sie geht in die „geistlose Einheit des Seins“ über. (470) Der Gegensatz von Ansich und Selbst löst sich auf, weil er zur höchsten Abstraktion (Beziehungslosigkeit) gesteigert wird. Das Selbst, dem sich das öffentliche Ansich entgegenstellte, verliert sich im Sein. *** Für den Fortgang wird wieder der den Geist vertretende Phänomenologe benötigt: wie in der Wahrnehmungsdialektik, als er das Eins und das Auch auf das Ansichsein und das Füranderessein bezog und damit zum „Kraft“begriff überleitete. Der Phänomenologe deckt auf, was sich „in Wahrheit“ im Verhältnis der Individuen und der unnachsichtigen Öffentlichkeit zuträgt: An sich demonstriert die Konfession der Einzelnen die Macht des Geistes über die Wirklichkeit. An sich affirmiert die öffentliche Nicht-Anerkennung der moralischen Eigenbrötler die Macht des Geistes über alle partikularen Begriffe. So darf gefolgert werden, da es in der Bewusstseinsentwicklung vernünftig zugeht, dass beide Positionen sich in der anderen wiedererkennen, so dass die Sprache des Sich-selbst-Beschuldigens und des Verurteilens in die Sprache des Verzeihens und der Versöhnung übergeht. Sie identifizieren sich gleicherweise als ein Im-anderen-Beisichsein, d. h. als durch den Begriff bestimmt. Es sprechen aber Geister miteinander, Geistwesen. Jedem Extrem ist die Begriffsstruktur überhaupt eigen, das „Im-anderen-bei-sich-Sein. Und jedes weiß auch vom Um-sich-Wissen
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des anderen als Ich. Sie haben eine gemeinsame Identität daran, sich als dasselbe Ich zu identifizieren. Eine jede Entitität hat an dem, was sie ist, ihre Art da zu sein. Also haben Individualität und Öffentlichkeit, indem sie sich gemeinsam als Begriff oder Ich wissen, ein gemeinsames Dasein. Individualität und Öffentlichkeit erkennen sich als Daseinsmomente eines sie übergreifenden Daseins. Sie wissen sich als Daseinsmomente eines Daseienden, das in ihnen zur Erscheinung kommt: „Das versöhnende Ja, worin beide Ich von ihrem entgegengesetzten Dasein ablassen, ist das Dasein des zur Zweiheit ausgedehnten Ichs, das darin sich gleich bleibt und in seiner vollkommenen Entäußerung und Gegenteile die Gewissheit seiner selbst hat; es ist der erscheinende Gott mitten unter ihnen, die sich als das reine Wissen wissen.“ (Schlusssatz des „Geist“kapitels.) Ich und Wir haben sich in Momente des Einen sprachlichen Daseins des Geistes verwandelt. Damit ist der absolute Geist am endlichen Geist zu sich selbst in ein Reflexionsverhältnis gelangt, das dem Erscheinen Gottes gleichkommt. X.1.6 Religion Der Hauptmangel der Religion, des im Gemeindegeist erscheinenden absoluten Geistes, ist ein Mangel an Reflexionsqualität. Auf dem religiösen Standpunkt ist der Geist noch nicht ganz an und für sich selbst. Er kommt immer noch nur zum Erscheinen. Sein Dasein in der Gemeinde ist nur das Dasein als Lebensform. Und auch als persönlicher Erlöser-Gott bleibt sein Dasein vorstellungshaft. Der Geist muss die unvollkommene Gegenständlichkeit überwinden, die er an der Lebenseinheit des religiösen Gemeindegeistes hat. Er muss seine Entwicklungsstadien und die Hauptinhalte, die darin reflektiert wurden, in eine selbst auch geistige Reflexionseinheit aufnehmen. Er muss sich als Begriff in der Begriffsform realisieren. Schon der Geist, der in der Gemeinde präsent ist, findet an seinem profanen alter ego eine Art Entwicklungsbedingung. So erklären sich die drei Entwicklungsgestalten der Religion: Naturreligion, Kunstreligion und offenbare Religion.
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Die Naturreligion ist die Religion im Unmittelbarkeitszustand. Sie gestaltet sich daher in besonderer Entsprechung zum ersten Moment der Bewußtwerdung des Geistes. Dies war die sinnliche Gewissheit. Die erste Gestalt der Naturreligion und der Religion überhaupt ist die Lichtreligion. Die Naturreligion rezipiert die Ding-Wahrnehmung. Als Tierreligion steht sie in Entsprechung zur passionierten Begierde und der konzeptionell beherrschten Arbeit, mit denen das SelbstBewusstsein seinen Wahrheitsanspruch bekräftigen wollte. So ist sie Werkmeister-Religion, repräsentiert durch „die Sprache tiefer schwerverständlicher Weisheit“, die Religion, in der sich Innerlichkeit Gestalt zu geben versucht. Die darauf aufbauende Kunstreligion entwickelt sich in Anlehnung an den sittlich daseienden Geist als Darstellung des Volksgeistes zunächst einfach in Göttergestalten, dann auf höherer Stufe in Hymnen und Kulthandlungen, schließlich in Form von Tragödie und Komödie. Das Ergebnis der Kunstreligion, das mit den Göttern Komödien aufführt, hat sein profanes Entwicklungsmotiv am Rechtszustand der vereinzelten Person. So repräsentiert sie die Position des wahren Geistes, die zum sich entfremdeten Geist (mit dem ersten Stadium der „Bildung“) überleitet. Der Ausgang der Kunstreligion kann auch als Tod Gottes ausgesprochen werden. Daher muss auf die Kunst-Religion die offenbare Religion folgen. Das Offenbarwerden des reflexiven Anundfürsichseins muss in der Sphäre des religiösen SelbstBewusstseins des Geistes eintreten. Denn einerseits treibt sich das absolute Ich der Komödie in einem leeren wesenlosen Spiel herum. Andererseits sind in der Erinnerung alle Götter-Gestalten der Naturreligion und Kunstreligion aufbewahrt. Der Geist ist als seiner selbst bewusst an sich vorhanden. Die Substanz hat sich mit der Komödie ins reine Fürsichsein entäußert. Das SelbstBewusstsein sehnt sich im Gegenverhältnis, sich zu entäußern, d. h. sich zum allgemeinen Selbst zu machen: zum reinen Fürsichsein, das sich als SelbstBewusstsein der Substanz weiß und versteht. Die Entäußerung des komödiantischschauspielerischen SelbstBewusstseins zum allgemeinen oder Wesentliches betreibenden SelbstBewusstsein verbliebe aber in romantischer Schwärmerei, erfüllte nicht der wirkliche Weltgeist, der profane Geist, dieses Sehnen. Der wirkliche Weltgeist
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ist seinerseits bestrebt, sich die Gestalt des individuellen SelbstBewusstseins zu geben. Er reflektiert sich als erscheinungsgeschichtlicher Autobiograph, indem er auf die Momente seines Werdegangs zurückblickt, angefangen bei der Unmittelbarkeit des Begriffs, der sinnlich-diffusen und Konkreszenz erst einleitenden Seins-Gewissheit, bis zur Selbstbewusstwerdung als Anundfürsichsein im AnSchluss an das vernunftdialektische Wahrheitsparadigma des geistigen Tierreichs, das war die Wahrheitsansicht der fragmentalen Selbstdarstellung (die auf die Tugend-Weltlauf-Dialektik folgte). Ebendieser selbstbewusste Geist reflektiert sich um seiner Singularität und Existenz willen, um die Existenzbedingung der Singularität zu erfüllen. Das Selbstwerden des Geistes stellt sich der Religiosität so dar, dass sie zur offenbaren Religion wird. Dem Glauben der Welt wird der sich singularisierende Geist zu einem wirklichen Menschen. Die Vorstellungsansicht, der Standpunkt der unmittelbar-aktuell-abstrakten Gewissheit, glaubt das Göttliche zu sehen, zu fühlen und zu hören. Die nunmehr vollendete, absolute Religion hat das göttliche Wesen als geoffenbart. Von wahrhafter Offenbarung des Gottes aber kann erst gesprochen werden, wenn die bloß individuelle sinnliche Gewissheit das Wesen aus den Augen verliert. Zur offenbaren Religion kommt es erst im Element der Gemeinde, des allgemeinen wesentlichen Bewusstseins. Die Gemeinde, nicht das vereinzelte Individuum ist es, die am offenbaren Wesen ein substantielles Sein findet. Die Gemeinde aber ist nicht weniger als der Einzelne der bloßen Vorstellungswelt verhaftet. Und so denkt sich die Gemeinde das Absolute als eines, das sich sein SelbstBewusstsein im Element der Vorstellbarkeit gibt. Daher die religiösen Vorstellungen von einem an sich seienden Vater und für sich seienden Sohn, und von der Welterschaffung. Daher auch die Vorstellung vom bösen Sich-Identifizieren des Fürsichseins, dem Selbst-seinWollen entgegen der guten ursprünglichen Mannigfaltigkeit des SelbstBewusstseins. Die Entfremdung des göttlichen Wesens, das individualistische Sich-in-sich-Verschließen, führt auf den Gedanken der Selbstversöhnung als Wiedererstehen des Geistes durch einen Versöhnungstod, durch Aufhebung der Individualisation als Neukonstitution der Gemeinde, die damit explizite Gemeinde des Geistes wird, sein affirmiertes allgemeines
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SelbstBewusstsein. Mit Anspielung auf den Ausgang der Gewissensdialektik, die Sprache der Selbstbezichtigung und der Verurteilung und dann des Verzeihens und der Versöhnung heißt es: „Wie uns der Begriff des Geistes geworden war, als wir in die Religion eintraten, nämlich als die Bewegung des seiner selbst gewissen Geistes, der dem Bösen verzeiht und darin zugleich von seiner eignen Einfachheit und harten Unwandelbarkeit abläßt, oder die Bewegung, dass das absolut Entgegengesetzte sich als dasselbe erkennt und dies Erkennen als das Ja zwischen diesen Extremen hervorbricht, - diesen Begriff schaut das religiöse Bewusstsein, dem das absolute Wesen offenbar, an, und hebt die Unterscheidung seines Selbsts von seinem Angeschauten auf, ist, wie es das Subjekt ist, so auch die Substanz, und ist also selbst der Geist, eben weil und insofern es diese Bewegung ist.“ Dem religiösen SelbstBewusstsein wird das absolute Wesen vollends offenbar, indem es die ihm appräsentierte Versöhnung des konkreten Allgemeinen mit dem eigenwillig Einzelnen anschaut: auf vorstellungshafte Weise, im Bilde des Versöhnungstodes. Das offenbarungsgläubige SelbstBewusstsein verharrt allerdings im Vorstellen. Die Gemeinde ist nicht für sich, was sie an sich oder für uns ist: durch das Versöhnungsopfer zum Selbst des Geistes erhoben. Die Gemeinde weiß um die Versöhnung, sie weiß um ihre eigene Konstitution als Dasein des Geistes in der Art der räumlichzeitlichen Vorstellung. Sie verlegt die Versöhnungstat in die Vergangenheit und die eigene Versöhnung in die Zukunft. So hat die Welt ihre Verklärung noch zu erwarten: „Sie ist wohl an sich versöhnt mit dem Wesen; und vom Wesen wird wohl gewußt, dass es den Gegenstand nicht mehr als sich entfremdet erkennt, sondern in seiner Liebe als sich gleich. Aber für das SelbstBewusstsein hat diese unmittelbare Gegenwart noch nicht Geistesgestalt. Der Geist der Gemeinde ist so in seinem unmittelbaren Bewusstsein getrennt von seinem religiösen, das zwar es ausspricht, dass sie an sich nicht getrennt seien, aber ein Ansich, das nicht realisiert, oder noch nicht ebenso absolutes Fürsichsein geworden.“ (548)
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X.1.7 Absolutes Wissen Der Geist muss sich, auf eine für die Religion abstoßende Weise, von ihr distanzieren. Er muss im Gegenlicht der Religion seine Singularität gewinnen, die ihm eigene Art des Daseins finden. Dies ist nur so möglich, dass das Bewusstsein auf seine ganze Entwicklung zurückblickt und in diesem Rückblick von selbst zu einer logischen Reflexion disponiert wird. Es muss jetzt ohne weitere Dialektik, ohne nochmaliges Durchlaufen eines gebrochenen Wahrheitsverständnisses, zum abschließenden Verstehen der Wahrheit selbst kommen. Es hat nur seine Wahrheitsansichten zu erinnern, und zwar insbesondere diejenigen, welche die Identifikation von Selbst und Sein zum Inhalt hatten: die Schädellehre, die Selbst und Sein anhand eines Knochens identifizierte, und die Sprache des Verzeihens oder das Bewusstsein, dass alles, was Sprache hat, an einer konkreten Allgemeinheit eine umgreifende Identität findet. Das Bewusstsein wird als absolutes Wissen existent, indem es auf die Geschichte der Identifikationen des Seins und des Selbst zurückblickt. Von besonderer Bedeutung ist in dieser Hinsicht die „schöne Seele“. Mit der sich nach Wirklichkeit sehnenden Seele und ihrem Scheitern an der widerstrebenden Öffentlichkeit wurde zum ersten Mal in der Entwicklungsgeschichte des Bewusstseins der Begriff, das Im-anderenBeisichsein, auch der Form nach zum Wahrheitsparadigma erhoben. Die Wahrheit wurde in die Form des Begriffs gebracht, wenn auch in eine von Verzerrung nicht freie Form. Dasselbe gilt auch noch für die Sprachgemeinschaft des Verzeihens, weil sie ihr anundfürsichseiendes Anundfürsichsein nur der Sprache verdankte, dem zwar alles andere als grobsinnlichen, aber doch noch sinnlichen Element des Geistes. Alle wesentlichen theoretischen und praktischen Hauptthemen sind in der Ideen-Entwicklungsgeschichte des Bewusstseins in Systemform gebracht worden, alle fundamentalen Sachverhalte von Bewusstsein oder Verstand, SelbstBewusstsein, Vernunft und Geist. Jetzt muss dies eintreten, dass sich im Gegenentwurf zur Religion, zum Vorstellen des Absoluten, das absolute Wissen profiliert: das Anundfürsichsein, das nicht bloß an sich oder für uns ist, und dessen Fürsichsein auch nicht in der Art der Religion ein herausgehobenes Dasein hat.
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Der i. e. S. geistdialektische Sprachkonflikt der gewissenhaften Reden trieb den dialektischen Fortgang der Geschichte der Selbsterfahrung des Geistes zum Ja der Versöhnung an, das zunächst nur unmittelbar, im Element oder Medium der Vorstellung erfolgte: mit der Religion. In der Religion wurde das Anundfürsichsein im Bilde des substantiellen Geistes und seines Gemeinde-Bewusstseins erfasst. Und in der Religion gelangte das Anundfürsichsein auch schon dazu, sich die Form des Selbst zu geben: mit dem geistigen Wiedererschaffen der Gemeinde durch den Versöhnungstod. Der Geist, die unendliche Freiheit der Selbstbestimmung des Begriffs, kommt zur Existenz, wenn er sich aus seinen wesentlichen Momenten in seine einfache Allgemeinheit reflektiert, und zwar möglichst ohne Bilder und bloßes Vorstellen. Es kommt nur noch darauf an, die religiöse Lösung des Problems zu überwinden, das sich mit der unglücklichen schönen Seele stellte. Die religiöse Substantialisierung des Anundfürsichseins und Subjektivierung des Fürsichseins: dass das Absolute als gesonderte Substanz gedacht wird, die an der Gemeinde bzw. an einem Erlösergott ihr ebenso gesondertes Fürsichsein hat, diese Wahrheitsansicht muss in einer sich selbst vollziehenden konkreten Identität aufgehoben werden. Dem Inhalt des Geistes muss die Form des Selbst gegeben werden. Dazu genügt es, vom Geist der Logik inspiriert die Erscheinungsgeschichte des Im-anderen-Beisichseins oder des absoluten Begriffs ihren Momenten nach zu wiederholen. Der Phänomenologe braucht das Bewusstsein nur noch gewähren zu lassen: „Was wir hier hinzugetan, ist allein teils die Versammlung der einzelnen Momente, deren jedes in seinem Prinzip das Leben des ganzen Geistes darstellt, teils das Festhalten des Begriffes in der Form des Begriffes, dessen Inhalt sich in jenen Momenten, und der sich in der Form einer Gestalt des Bewusstseins schon selbst ergeben hätte. Diese letzte Gestalt des Geistes, der Geist, der seinem vollständigen und wahren Inhalte zugleich die Form des Selbst gibt, und dadurch seinen Begriff ebenso realisiert, als er in dieser Realisierung in seinem Begriffe bleibt, ist das absolute Wissen; es ist der sich in Geistsgestalt wissende Geist oder das begreifende Wissen. „Der Geist in diesem Elemente dem Bewusstsein
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erscheinend, oder was hier dasselbe ist, darin von ihm hervorgebracht, ist die Wissenschaft.“ Das Bewusstsein kommt in die Lage, das Sytem der absoluten Wissenschaft aufzubauen. Dieses System, die systematische Selbstbeschreibung des absoluten Geistes, setzt sich zusammen aus spekulativer Logik, Naturphilosophie und Geistphilosophie (mit den Themen Recht, Moralität, Sittlichkeit, Kunst und Religion). Die spekulative Logik muss den Anfang machen: als das Sich-Auslegen des absoluten Geistes mit seinen Natur- und Geschichtsinhalten rein im Elemente des Denkens. Der Geist beginnt seine wissenschaftliche Selbstdarstellung mit der dialektischen Ausmittelung seiner abstrakt-begrifflichen Sachverhaltsgedanken. X.2 Hegels „Wissenschaft der Logik“. Kurzfassung Die Phänomenologie des Geistes beschreibt den Weg, auf dem das Bewußtsein zum Standpunkt des absoluten Wissens kommt, auf dem es zum sich begreifenden Begriff wird, zum vollkommenen Im-Anderen-Beisichsein. In der Religion ist der Begriff, das Im-Anderen-Beisichsein, mit dem Dasein Gottes in seiner Gemeinde und mit dem Erlöser-Gott schon realisiert, aber mehr vorstellungshaft, in einer sinnlichen Bildersprache, nicht begriffsgerecht, und so, dass das göttliche Fürsichsein eine eminente Stellung gegenüber dem Ansichsein hat. Es kommt nicht zur wahren Identität des Im-Anderen-Beisichseins. Das Geist gewordene Bewußtsein muß mit seiner Wahrheitssuche über die Religion hinausgehen. Dazu wird es seine Wahrheitsansichten rekapitulieren. Es hat insbesondere die Identifikationen des Seins und des Selbst zu erinnern. Von fundamentaler Bedeutung ist in dieser Hinsicht die „schöne Seele“, der Gewissensstandpunkt, das einfache aus dem Innern kommende Wissen um das konkret richtige äußere Verhalten. Mit dieser Konzeption der Ausgeglichenheit von Selbst und Wirklichkeit wurde der Begriff, das Im-anderen-Beisichsein, als Begriff, in der Begriffsform zum Wahrheitsmuster. Nur war auch dieser Gedanke nicht ganz verzerrungsfrei. Die monadische Einkapselung der schönen Seele provozierte den Widerstand der Öffentlichkeit und ließ ihre Schönheit welken.
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Auch die nächstfolgende Wahrheitsgestalt, die Sprachgemeinschaft der Versöhnung, war „nur“ dem Band der Sprache verdankt, nur eine sinnlich eingeschränkte Realisation des Imanderen-Beisichseins. Unter diesen Einschränkungen aber ist das Im-anderenBeisichsein oder die Identität von Ansichsein und Fürsichsein gedacht worden. Blickt daher das Bewußtsein auf die schöne Seele, auf die Sprachgemeinschaft der Versöhnung und auch auf die Religion zurück, so tritt eine Art Automatismus des absoluten Wissens ein. Das Bewußtsein erfaßt, nachdem die Irrtumsmöglichkeiten erschöpft sind, die logischen Momente des Anundfürsichseins: das Ansich und das Fürsich und ihre Identität. Die Entdeckung des Begriffs in seiner Reinheit kann nicht ausbleiben. Mit dem unverfälschten Begreifen des Begriffs kommt das Bewußtsein in die Lage, das System der absoluten Wissenschaft aufzubauen. In diesem System macht die spekulative Logik den Anfang: die Logik als Sich-Auslegen des absoluten Geistes in seine wesentlichen Inhalte rein im Element des Denkens, ohne jedes rein sinnliche und raumzeitbezügliche Vorstellen. Die Logik eröffnet das System der Philosophie als methodisch-systematische Ableitung der idealen Sachverhältnisse. Das Strukturgesetz des Geistes, des Im-anderenBeisichseins, ist die konket selbstreferentielle Allgemeinheit, also die reine Negation, nichts als Negation, die Negation und ihre Negation, Negation und Renegation, m. e. W. die Dialektik. Es ist daher evident, dass die spekulative Inhalts-Logik oder Sachverhaltslogik nach der Methode der reinen Negativität vorgehen muss. Dies bedeutet, dass auch im Element der bloßen Denkbestimmungen mit der äußersten Negation der konkreten Allgemeinheit anzufangen ist, d. h. mit ihrer Reduktion um alle Bestimmtheit auf das bloße Sein als das absolut Bestimmungslose, das insofern in der Ideation (für den Wesensblick) mit dem Nichts zusammenfällt. Die spekulative Logik, das System der reinen Sachverhaltsgedanken diesseits ihrer Verwirklichung in Raum und Zeit, hat zu zeigen, dass nach dem Gesetz der reinen Negativität, dem Strukturgesetz des Begriffs als des Im-anderenBeisichseins oder der konkreten Allgemeinheit, an Sein und Nichts in zwangsläufiger Folge sich alle Vernunftinhalte anschließen, dass jedem eine Systemstelle zufällt, mit dem
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Vollständigkeitsbeweis, dass das reine Denken am Ende über sich hinausweist: auf die Natur als sein Anderssein. Der Geist hat auch im Element des bloßen Denkens seine Reflexion mit der äußersten Negation der konkreten Allgemeinheit anzufangen. Wie in der Phänomenologie des Geistes von der geistfernen, randständigen sinnlichen Gewißheit auszugehen war, so muß im Anfang der Logik dem Anundfürsich-Sein alle Bestimmtheit genommen werden, es muß gewaltsam auf das bloße Sein ohne Ansichsein und Fürsichsein reduziert werden. Es muß zum absolut Bestimmungslosen herabgesetzt werden, das aber als bestimmbar gewußt wird, als bestimmbar nach dem Gesetz der negierten Negation. Das Sein fällt insofern für die logische Betrachtung mit dem Nichts zusammen. Für die logische Ideation, für den Wesensblick, zeigt sich am Nicht-Bestimmtsein des Seins das Nichts, die Unbestimmtheit ist der einzige vernünftige Sinn des Nichts. Die spekulative Logik erstellt im Ausgang von Sein und Nichts das System der reinen Sachverhaltsgedanken diesseits ihrer Verwirklichung in Zeit und Raum. Innerhalb der Logik ist der Aufbau als Seinslogik, Wesenslogik und Begriffslogik zwingend. Mit dem Sein muß begonnen werden, und zwar so, daß das Sein mit seinen Bestimmungen Thema wird. Die Bestimmungen müssen sich zunächst einer äußeren Reflexion ergeben. Die Reflexion, die dem vollbegrifflichen Sein, dem Anundfürsichsein Gewalt antat, mit der Reduktion auf das abstrakte Sein, diese Reflexion muß dem Sein nach und nach seine Bestimmtheiten zurückgeben, und zwar gemäß der Methode der negierten Negation. Als solche Logik der sukzessiven Seinsbestimmung ist die Logik Seinslogik. Nun ist das Sein aber an sich Beisichsein, daher muß es die Gestalt der Reflexion-in-sich annehmen. So allerdings, daß diese Reflexion-in-sich zunächst unvollkommen ist, noch keine rein innere Reflexion, sondern mit äußerer Reflexion vermischt ist, mit Außenansichten des natürlichen Bewußtseins. Die Reflexion-in-sich führt zunächst noch einen Schein äußerer Bestimmtheit bei sich. Dieses sich in sich reflektierende Sein, das noch Verwandtschaft hat mit dem bloßen Sein und seiner äußeren, ihm wiedergegebenen Bestimmtheit, dieses in sich reflexive Sein ist das „Wesen“ (-Wesen-, wie wesentlich oder anwesend auszusprechen) Auf die Seinslogik folgt die Wesenslogik als Logik der höheren Seinsstufe des in sich reflektierten Seins.
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Das Anundfürsichsein oder der Begriff als vollkommen introvertierter Begriff, oder der Begriff in der Form des Begriffs, ist das Thema der Begriffslogik. Sie verfolgt das Werden des Begriffs zur Idee und schließlich zur absoluten Idee, die sich als Idee weiß und transparent ist. Die Seinslogik beginnt mit dem Gegensatz von Sein und Nichts. Damit aber wird schon zum konkreten Denken übergegangen, gerade mit dem Feststellen der Unbestimmtheit wird die Bestimmtheit Thema. Mit der Bestimmung des Seins als unbestimmt wird der Bestimmungsprozeß des Seins eröffnet. Wird nun auch darüber reflektiert, wird die Bedeutung der Bestimmung des Seins als unbestimmt ermessen, so stellt sich der Gedanke des Werdens ein, der demnach der Gedanke des Werdens des Seins zum bestimmten Sein ist, oder der Gedanke des Werdens des Seins zu sich selbst. Mustergültig ist der weitere Fortgang. Er besteht darin, die Herkunftsmomente des Werdens zu reflektieren, also das Sein und das Nichts. So wird in der spekulativen Logik verfahren: Ein Ergebnis wird auf seine Gründe oder Momente hin reflektiert, dies führt zu einer neuen Gedankenverbindung. In unserem Falle, also bezogen auf das Sein und das Nichts, bedeutet dies, daß mit der erneuten Setzung des Seins, mit der gedanklichen Wiederholung des Seins, das anfängliche Sein affirmiert wird: Aus dem bloßen Sein wird das zur Bestimmtheit gebrachte Sein: das bestimmte Sein, das Dasein. Die Momente des Daseins, des bestimmten Seins, sind das Sein als solches und das Bestimmtsein. Das Bestimmtsein aber hat erst angefangen, es ist fortzusetzen. Also sind die Momente des Daseins das Ansichsein und das Sein-für-Anderes. Der erste Teil der Logik ist Seinslogik in dem Sinne, daß die Implikationen des bestimmten Seins oder des Daseins sukzessive aufgewiesen werden. Dazu gehören die Realität und das Etwas. Das Etwas generiert sich insofern, als ja am Dasein Ansichsein und Füranderessein die Momente abgaben: Das Dasein in seinem Ansichsein reflektiert, nicht in seinem Füranderessein, stellt sich als Insichsein dar. Das Insichsein wiederum indiziert den Begriff des Daseienden: in sich seiendes Dasein ist Daseiendes, ist ein Etwas, das mit seinen Bestimmungen etwas ist.
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Dieses Etwas, das bestimmte Daseiende, im Hinblick auf das Füranderessein reflektiert, führt auf den Begriff der Grenze und auf die Selbstbezüglichkeit des Etwas vermittelst der Grenze: Das Etwas bezieht sich im Denken auf die Grenze, damit bestimmt es sich, es gibt sich seine Bestimmtheit. Sofern es diese Bestimmtheit, auch vermittelst der Grenze, dem anderen Daseienden verdankt, hat es an ihr eine Beschaffenheit (eine ihm beschaffte Bestimmtheit). Die Einheit von selbstgegebener Bestimmtheit und milieubedingter Beschaffenheit ist die Qualität, im Sinne der Qualifikation: Z. B. qualifiziert sich der langjährige Stellvertreter zum Nachfolger. Die Seinslogik, der erste von drei Teilen der Logik, ist in ihrer ersten Hälfte Bestimmtheitslogik, Qualitätslogik. Es ist plausibel, daß die Entwicklung dieser Qualitätslogik an bestimmter Stelle den Gedanken erzeugt, dass es mit der Bestimmung, mit dem Negieren des Negierens, ad indefinitum zu gehen droht. Der Gedanke der „schlechten Unendlichkeit“ stellt sich ein. Wir haben aber schon in der „Phänomenologie“ erlebt, wie sich bei Hegel solche scheinbaren Sackgassen und Endstationen in neue Anfänge verwandeln. Die schlechte Unendlichkeit ist der Entdeckungskontext der wahren Unendlichkeit. Die wahre Unendlichkeit ist das Insichsein, das nicht durch Fremdbestimmtheit begrenzt wird, nicht durch anderes Daseiendes, sondern vielmehr die Bestimmtheit in sich birgt. So ist das Unendliche das Eins, ein wahrhaftes Eins. Kein Gedanke verschwindet aber aus dem Denken, und so erhält sich auch der Gedanke der Außenbezüglichkeit neben dem Gedanken der Unendlichkeit oder des Eins. Die Vermittlung des Eins und der Relativität ist das vervielfachte, diskrete und kontinuierliche Eins. Das Eins schließt sich in der Veräußerlichung mit sich zusammen, als Identität von Kontinuität und Diskretion. So ist es die Aufhebung der Qualität in Quantität. Quantität ist Gleichgültigkeit der Bestimmtheit. Im Quantifizieren werden die qualitativen Unterschiede übersehen. Die zweite Hälfte der Seinslogik ist die Logik der Quantität. Es ist wieder plausibel, daß in der dialektischen Entfaltung der Quantität der Gedanke des „Maßes“ eine Stelle findet, und mit dem Gedanken des Maßes der Gedanke der Maßlosigkeit. Die Maßlosigkeit aber hat die merkwürdige Eigenschaft, qualitative Konsequenzen nach sich zu ziehen. Ein sich
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ungeheuer ausdehnender Staat z. B. braucht eine neue Verfassung. War die Verfassung die direkte Demokratie, so fordern die neuen Größenverhältnisse das repräsentative System. Die Quantität hat die Eigenschaft, in Qualität umzuschlagen. Ebenso schlägt Qualität in Quantität um: Die Griechen waren oberflächlich aus Tiefe. (Nietzsche, FW) Die Maßlosigkeit bringt die Identität von Qualität und Quantität an den Tag. Dieses Umschlagen ist unmittelbar. Es ist ein zweimaliges Indifferentwerden des Unterschiedes von Quantität und Qualität. Gleichgültigkeit, Indifferenz, Unbestimmtheit aber gehört zum Charakter des Seins. Also reflektiert sich am Ende der Seinslogik mit der zweimaligen Indifferenz das Sein in sich. Dieses in sich reflektierte, in sich gehende Sein, ist das Wesen. Als die Wahrheit des Seins zeigt sich das „Wesen“, die höhere Art des Seins. Das Unmittelbare, das Sein, reflektiert sich in sich aber nur unmittelbar, also noch mit Nichtvermittlung affiziert. Das SichSetzen des Seins hat Vorausstzungen hat, es muß voraussetzen. Die Logik des Wesens oder Reflexionslogik kommt dadurch in Gang, daß die Momente des Wesens reflektiert werden: Identität und Unterschied. Das Wesen ist ja aus der Unterschiedenheit von Qualität und Quantität und aus der Identität dieser Unterschiedenen hervorgegangen. An diesen Momenten Unterschied und Identität hat die Reflexion-in-sich des Seins noch einen Schein von Bestimmtheit. Der sich reflektierende Logos, der sich begreifende Begriff, hat sich aus der Abstraktion des bloßen Seins mit dem Wesen noch nicht herausgearbeitet. Die Wesenslogik ermittelt die Folgebegriffe dieser Grundbegriffe Identität und Unterschied. Wir können sie hier nur aufzählen, jeder wird die Familienähnlichkeit mit Identität und Unterschied leicht erkennen: Verschiedenheit, Gleichheit-Ungleichheit, das Positive und das Negative. Alles Verschiedene ist, wenn es verglichen wird, zugleich gleich und ungleich. Wenn es dennoch verschieden sein soll, so muß die Gleichheit bzw. die Ungleichheit als dominant angesehen werden. So aber, mit dieser Festschreibung der Verschiedenheit, schließen sich die Verschiedenen voneinander aus, sie bilden einen Gegensatz des Positiven und des Negativen. Also schließt sich jedes Verschiedene, indem es sich bestimmt, von sich selbst aus. Das Positive wird zum Negativen, das Negative zum Positiven. Das Positive und das Negative
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übersetzen sich ineinander, sie sind in sich widersprüchlich. Das Entgegengsetzte richtet sich zugrunde. Dies aber bedeutet in Wahrheit, dass die Entgegengesetzten in ihre Reflexions-Identität zurückgehen, dass sie sich in der Identität der Reflexion als ihrem Grund verwurzeln. Damit aber zeigt sich, dass das Wesen nicht einfach Reflexionsbestimmungen hat, sondern daß es mit ihnen identisch ist. Es hat an ihnen seine Form. Die Form ist viel inniger mit ihrem Substrat verbunden, als dies für die Bestimmtheit und ihr Bezugsobjekt gilt. Die neue Prinzipien-Terminologie ist die von Form und Wesen. Am Wesen haben die vormaligen Reflexionsbestimmungen, so wird jetzt deutlich, ein Bestehen, sie bilden einen Bestand von Bestimmungen am Wesen. Der Logos ist mit der Verinnerlichung der Bestimmtheit ein gutes Stück Weges weitergekommen. Zur Form aber gehört mit den vormaligen Reflexionsbestimmungen auch das Zugrundegehen derselben in die Wesensidentität. Die Form löst sich zuerst in die Materie auf und dann, da diese Materie noch formkomplementär ist, in den Inhalt, in das Dasein der Seinslogik. Dies war das bestimmte Sein, das Sein als Ansichsein und Füranderessein. Das Wesen ist mit seinem Aufgehen im Inhalt als Unmittelbares thematisch geworden, dies ist ein Wendepunkt in der logischen Entwicklung des Wesens. Wenn der Inhalt das Wesen repräsentiert, so ist plausibel, daß das Wesen beginnt, sich als das zu reflektieren, was es ist: Es ist aus der Maßlosigkeit, dem doppelten Indifferentwerden von Quantität und Qualität, als Reflexion-in-sich des Seins, als Reflexion-in-sich der Unmittelbarkeit hervorgegangen. Wenn der Inhalt, das mannigfaltige Dasein, das Wesen repräsentiert, so kann sich das Wesen als ein Selbstverhältnis der Sache weitergestalten. Die Sache reflektiert sich nunmehr in sich, d. h. Unmittelbarkeit tritt als Unmittelbarkeit hervor. Das Sein gibt sich Existenz. Von der Sache und ihrer Existenz führt ein nur kurzer Weg zum Existierenden und zum Ding mit Eigenschaften. Den Eigenschaften aber liegen Materien zugrunde. An ihrem Auch löst sich das Ding auf. Die Materien bestehen im Nichtbestehen der anderen. Dieser Gedanke, Hegel spricht von der Porosität der Materien, hebt wieder die Logik des Wesens auf eine neue Ebene. Die Reflexionsbestimmtheit findet eine neue Deutung. Die Bestimmtheit
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haftete bisher der Reflexion an, als eine äußere Beschränkung, als etwas aus der Reflexion selbst nicht recht Verständliches. So war die Wesenslogik bisher Logik der scheinbaren Reflexionsbestimmtheit, des scheinbaren Determiniertwerdens der Reflexion. Das Ineinanderbestehen der Materien wirft auf die Wesensbestimmtheit oder Reflexionsbestimmtheit ein neues Licht. Der Schein der Bestimmtheit kommt, so kann man die Porosität auswerten, aus der inneren Verfassung der Reflexion. Der Schein der Bestimmtheit wird durch die Reflexion selbst erstellt. Die neue Ansicht des Wesens ist sein Erscheinen, die ErScheinung als die Erstellung des Scheins der Bestimmtheit aus der Natur der Reflexion. Die logische Analyse der Erscheinung reflektiert zuerst den Einheitstyp der Erscheinung, dieses Bestehehens im insoweit nichtbestehenden Anderen. Es ist der Einheitstypus des Zusammenhaltens, der zusammenhaltenden Notwendigkeit oder des Gesetzes. Damit wird Thema, was aus der Phänomenologie des Geistes bekannt ist: die Welt der Gesetze. Sie erhebt sich als die wesentliche Welt über der unmittelbaren Erscheinungswelt. Es bleibt die Totaleinheit von wesentlicher Welt und Erscheinungswelt zu reflektieren. Diese Reflexion des „wesentlichen Verhältnisses“ führt über das Verhältnis des Ganzen und der Teile und das Verhältnis des Kräftespiels, das schon ein innigeres Verhältnis ist als das Ganze und die Teile, zum Verhältnis des Innen und Außen. Das Innen und Außen der Sache aber ist vertauschbar. Die Sache äußert ihr Inneres: Sie ist innerlich in ihrer Äußerung und ihre Äußerung ist ihr Inneres. So ist die Sache ein Sich-Auslegen, ein Sich-Offenbaren, Manifestation. Sie ist nichts Dunkles im Hintergrund der äußeren Erscheinung. Sie ist wesentlich ein Sich-Hervorbringen, ein Sich-Erwirken. Die Wesenslogik wird in ihrem letzten Abschnitt zur Logik der Wirklichkeit. Es ist wieder mindestens plausibel, dass die Logik der Wirklichkeit als Logik des Sich-Hervorbringens der Sache die Kausalität reflektieren muß, mit der Kausalität aber die Substanz. Die Substanz hat an der Hervorbringung ihrer Bestimmungen ihre Art dazusein. Nun ist aber das Wirkliche, das Offenbare der Sache, naturgemäß etwas Unmittelbares, also etwas von der Art des Seins, also nach der Seinslogik ein mannigfaltiges Daseiendes. Daher ist die Kausalität als serielle Kausalität zu denken, als an einer Reihe von Substanzen fortgehend. Aber so ist dies zu
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denken, daß in jedem Verursachen das Verursachte auch als Verursachendes vorausgesetzt wird. Die aktive Substanz setzt sich in der passiven Substanz, auf die sie wirkt, selbst voraus. Die Billardkugel weiß gleichsam, daß die noch ruhende Kugel sich wie sie selbst verhalten wird. Und die ruhende Kugel weiß gleichsam, dass die aktive Substanz zur passiven werden wird. Die Substanzen unterliegen in diesem Sinne einer Wechselbedingtheit, sie befinden sich in Wechselwirkung. Es sind Wirklichkeiten, die in einem gegenseitigen Wirklichkeitsbezug stehen. Wird dieser Sachverhalt der Wechselwirkung, der sich in sich reflektierenden Wirklichkeit, logisch-abstrakt betrachtet, dann zeigt sich als die Wahrheit von Substantialität, Kausalität und Wechselwirkung der Begriff, das Im-anderen-Beisichsein. Die aktive Substanz setzt sich in der passiven Substanz voraus, weil sie in der passiven Substanz wiederersteht. Die passive Substanz setzt sich in der aktiven Substanz voraus, weil die aktive Substanz ihre Aktivität weitergibt und dadurch selbst passiv wird. Das Machtspiel der Substanz, die an sich die Akzidentien setzt und aufhebt, stellt sich in logischer Betrachtung als Im-anderen-Beisichsein dar, als Anundfürsichsein: Was die Substanz an sich ist, erhebt sie mit dem Aufrufen und Rückrufen der Akzidentien zum Fürsichsein. Andererseits wird mit der Identität der aktiven und passiven Substanz Identität des für sich seienden Anundfürsichseins und des bloß an sich seienden, nicht aktivierten Anundfürsichseins gedacht: Es wird das anundfürsichseiende Anundfürsichsein gedacht (oder das reine Im-Anderen-Beisichsein). Damit, mit diesem anundfürsichseienden Anundfürsichsein, ist der Begriff in der Begriffsform Thema geworden. Die Wahrheit der Wechselwirkung ist der Begriff. Der Begriff ist die sich durchsichtig gewordene Wechselwirkung, gesetzte absolute Negativität, thematisches An-und-für-sich-Sein. Die Momente des Begriffs sind die Allgemeinheit und die Bestimmtheit, also die Allgemeinheit als Besonderes und die Bestimmtheit als Besonderes. Das Eine Allgemeine des Begriffs hat an der Allgemeinheit und an der Bestimmtheit seine Besonderheit. Die als Bestimmtheit gesetzte Betimmtheit aber ist die Einzelheit; so hat der Begriff die Momente der Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit.
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Der Begriff ist als Ergebnis der Substantialitäts- und Kausalitätsdialektik etwas Unmittelbares, also etwas in der Seinsform, ein bloß Vorhandenes. Er ist so im doppelten Sinne des Wortes „Subjekt“: Er ist Substrat für ein subjektives, äußeres Auffassen. Dieses Umgehen mit dem Begriff leitet das Sich-Begreifen des Begriffs ein. Es erfolgt als Urteilen und Schließen. Das Schließen zeigt schon mit der Grundfigur, daß es der Allgemeinheit, der Besonderheit und der Einzelheit des Begriffs Rechnung trägt. (Alle Menschen ...). Im disjunktiven Schluß, der zum Obersatz das Urteil hat: A ist entweder B oder C wird die konkrete Totalität des Begriffs vollzogen, wenn auch immer noch so, daß sie in objektiver Form vorliegt, als ein Objekt für ein Subjekt. Die nächste Aufgabe des Logos ist daher die Aufhebung der „Objektivität“ in Subjekt-Objekt-Identität. Auf dem Wege dahin kommt dem Zweckgedanken entscheidende Bedeutung zu, und zwar insofern, als sich der näheren Analyse das Zweck-Mittel-Verhältnis als Zweck-Mittel-Identität darstellt, also als Subjekt-Objekt-Identität. Auf diese Weise, als Reflexion von Subjekt-Objekt-Identität, reflektiert sich der Begriff in sich, er begreift sich. Dieser sich begreifende Begriff ist die „Idee“, wie sie sich aus dem logischen Prozeß ergibt. Als Ergebnis ist auch die Idee unmittelbar. Andererseits ist sie wesentlich Vermittlung, der sich mit sich vermittelnde Begriff. Also überführt sich auch die Idee aus ihrem Ansichsein zu ihrem Anundfürsichsein. Sie spezifiziert sich zu Ideen: zu denjenigen des Lebens, der Erkenntnis und des Guten, die sie zusammenschließt in ihrem totalen Für-sich-Sein. Die konkrete Identität von Begriff und Realität, die Vermittlung der theoretischen Idee der Wahrheit und der praktischen Idee des Guten, ist die „absolute Idee“. In ihr einen sich die negative Einheit des sich materialisierenden Begriffs und die negative Einheit des komplementären sich entmaterialisierenden Begriffs. So ist die absolute Idee: „der vernünftige Begriff, der in seiner Realität nur mit sich selbst zusammengeht.“ Er vollzieht sich in den Wissens-Sphären der Natur, in die sich die absolute Idee frei entläßt, und des Geistes, zu dem sie sich befreit, als den Voraussetzungen der Reinheit der logischen Wissenschaft.
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X.3 Geschichte als Prozess des Geistes Das allgemein verbreitete Bild der Hegelschen Geschichtsphilosophie, das nicht falsch sein muss, besagt: Hegel hat mit seiner Philosophie überhaupt die neuzeitliche Freiheitsideologie fortgesetzt. Er hat das Paradigma jenes Subjekts weitergebildet, das sich auf allen Daseinsgebieten die Gesetze seiner Tätigkeit selbst gibt. Auf dem Gebiete der Erkenntnis sucht dieses Subjekt Gewissheitskriterien im Ausgang vom eigenen denkenden Selbstsein (Descartes), ja es schreibt der Natur Gesetze vor, indem es unabhängig von aller Gegebenheit aus sich heraus spontan a priori die Gegenständlichkeit der Gegenstände entwirft (Kant, Fichte). Auf dem Gebiete des Handelns reguliert es seine Selbstverwirklichung gemäß einem kategorischen Imperativ oder nach der Idee des „absoluten Ich“ an Prinzipien, deren Unbedingtheit ihren Vernunftursprung beweisen soll. Hegel hat diese Freiheitskonzeption vom Einzelmenschen auf das Absolute übertragen. Die Freiheit des Absoluten aber hat er, in zusätzlicher Übernahme der christlichen Trinitätslehre, als den lebendigen Prozess der sich selbst aus dem Ansichsein ins Anderssein und schließlich ins eigene Anundfürsichsein überführenden Vernunft ausgelegt. Das Absolute ist ihm mit der Vernunft identisch. Und die Vernunft vollzieht ihren Prozess der Selbstfindung, ja der Selbstschöpfung, nach dem Dialektik-Schema von Thesis, Antithesis und Synthesis. Alles Wirkliche verdient seinen Namen nur, inwiefern es in den Fortschrittprozess der absoluten Vernunft eingebunden ist. Auch die Weltgeschichte hat ihr Gesetz und ihren Sinn an dem absoluten Prinzip, das Hegel auf die Formel bringt: „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“. Das Absolute (die absolute Vernunft, die Idee, der Geist) durchherrscht das welthistorische Zur-Geltung-Kommen und den Geltungsverlust der Völker unter der Gestalt des „Weltgeistes“, der sich in und an der Menschenwelt eine objektive Selbstdarstellung gibt. Er verschafft sich in Aufbau und Prägung der geschichtlichen Welt Gewissheit über sich und arbeitet so dem absoluten, uneingeschränkt an und für sich seienden Geist, vor. Im Verdrängungskampf der Volksgeister, in die sich der Weltgeist besondert, bedient er sich der „großen Männer“ oder „welthistorischen Individuen“ (Alexander, Caesar, Karl d. Gr., Napoleon als seiner „Geschäftsführer“, übt an ihnen auch die „List der Vernunft“ aus, sie für ihnen selbst unbewusste höhere Zwecke sich abarbeiten
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zu lassen. Mit dem Gedanken des Schicksals hat diese Idee nichts gemein, weil sie für die Täterschaft des Weltgeistes den subjektiven Willen der Individuen (der Repräsentanten des Volkes und der Volkszugehörigkeit) voraussetzt, mit der Bejahung allgemeiner Zwecke an dem großen Werk der vernünftigen Organisation der Wirklichkeit teilzunehmen, mag dieses Werk – gerade als Werk freier Subjekte – auch die Beiträge der einzelnen nach eigener Gesetzlichkeit in sich aufnehmen und einen für die einzelnen unvorhersehbaren Gang einschlagen. Konkret sind als die geschichtlichen Entfaltungsstufen des Weltgeistes in Volksgeistern anzusehen: die orientalische Welt, die griechisch-römische Welt und die christliche Welt. Der Orient (China, Indien, Persien) könnte als das Kindesalter der Geschichte bezeichnet werden. Hier waltet substantielle Sittlichkeit vor. Das Allgemeine der Tradition, Gewohnheit und Konvention, übt eine kritisch-ungebrochene präreflexive Herrschaft über die noch blind folgsame Individualität aus, ein Zustand, dem die patriarchalischen Verfassungsformen dieser Reiche entsprechen. Griechenland und Rom fügen sich in die philosophische Geschichtseinteilung so ein, dass in Griechenland die Individualität für sich reflexiv wird, in der gediegenen Substanz der polis als der städtisch-staatlichen Lebenseinheit aber noch ihre fraglose Erfüllung findet – ein Zustand harmonisch-schöner Identität von Allgemeinheit und Individualität. In Rom dagegen bilden Allgemeinheit (Reich) und Individualität (Person, besonders die Rechtsperson) selbständige Seiten eines Verhältnisses, das durch Unterwerfung gekennzeichnet ist, ja durch Unterjochung der Individuen unter die allgemeinen Zwecke, denen sie sich opfern. Die germanisch-christliche Welt hat in Hegels geistesphilosophischem Geschichtsaufriss das Besondere, die freie Subjektivität des Einzelnen und die wesentlichen Inhalte der Vernunft zur Versöhnung zu bringen. Der Geist, die in ihrer Weltlichkeit fürsichseiende Vernunft oder das daseiende konkrete Allgemeine, überschreitet die bisherigen Geschichtsstufen der Selbstverlorenheit des Individuums an das Allgemeine und seiner Selbstunterwerfung unter das Allgemeine, lässt sie im a priori höchstmöglichen Standpunkt des geschichtlichen Daseins aufgehoben sein, indem er (der Geist) die Wirklichkeit nach Vernunft- und Freiheitsprinzipien organisiert. In solcher germanisch-christlicher Identität von Idealität (Vernunftentwurf) und Realität (dem
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objektiv Vorfindbaren) ist der Weltgeist bei sich, hat er sich vor sich, weiß er damit um sich in seinem Anderssein, begreift er sich in konkreter Allgemeinheit als Freiheit. Hegels Lehre vom „objektiven Geist“ (besonders in der „Rechtsphilosophie“ von 1821) beschreibt die geschichtsdialektisch erwirkten Vernunftverhältnisse, die Wirklichkeit und kein bloßes Ideal sind, in ihrer konkreten Systematik. Als solche wird verstanden die Einheit der gesellschaftlich-geistigen Einheiten Familie, bürgerliche Erwerbsgesellschaft und Staat. Der als konstitutionelle Monarchie verfasste Staat vollendet das welthafte Bewusstsein der Freiheit im Fühlen, Anschauen, Denken und Handeln der Menschen. Er wird nur noch von der absoluten Geistigkeit der Kunst, Religion und Philosophie überwölbt, die auch alle einen geschichtlichen Weg zu ihren wahren Formen zurückgelegt haben. In der Philosophie existiert der Geist, der nicht mehr bloßer Weltgeist ist, in seinem eigensten Element, dem reinen Denken. Hier genießt die absolute Reflexion ihre absolute Freiheit, deren Bedingungen sie sich in der Natur- und Geschichtsproduktion selbst geschaffen hat. * Aber ist nicht die gegebene Darstellung oberflächlich, weil sie Begründungsfragen übergeht? Bleibt dies alles dunkel: die Auslegung des Absoluten als Vernunft, warum und wie es in der Natur sein Anderssein und im Geist sein Fürsichsein findet, die Notwendigkeit des Übergangs in die Äußerlichkeit des Raumes und der Zeit und des Rückgangs in sich? Ist eine dialektische Logik des Geschichtsverlaufs vorausgesetzt, über die man keinen näheren Aufschluss erhält? Ist sie an der empirischen Geschichte abgelesen, oder ist sie eine Anwendung reiner Denkergebnisse auf die Geschichtsbetrachtung? Erfasst die unterstellte Logik der Weltgeschichte auch das Zufällige, Regellose und Regelwidrige, das es allem Anschein nach in der Geschichte der Menschheit wie in den Individualgeschichten gibt? Hat die Geschichte nach Hegels Auffassung mit dem germanisch-christlichen Zeitalter ihr Ende erreicht? Hegels Geschichtsphilosophie findet eine Aufhellung in den Grundlagen seines Denksystems. Dass bei Hegel die Geschichtsphilosophie auf die Fundamentalphilosophie zurückverweist, lässt sich ihr selbst entnehmen. In seinen Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte führt Hegel aus, durch spekulative Erkenntnis, d. i. durch reines
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Denken, werde es in der Philosophie erwiesen, dass „die Vernunft .., die Substanz .., wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens, wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhaltes ist. (V. i. G., 28) Diesen Gedanken bringe die Philosophie für ihre Geschichtsbetrachtung mit, den Gedanken, „dass die Vernunft die Welt beherrscht, dass es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen ist.“ (Ebda.) Hegel verwahrt sich gegen die Annahme, er zwinge die Geschichte in ein vorgegebenes Schema, er wende die spekulativen Prinzipien von außen auf die Geschichte an. Die Geschichte soll vielmehr die philosophische Reflexion über die Vernünftigkeit der Welt als wahr erweisen, sie in ihrer Wahrheit bestätigen, so dass der Satz möglich wird: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit – ein Fortschritt, den wir in seiner Notwendigkeit zu erkennen haben.“ (V.i. G., 61) Nun ist es allerdings bei Hegel angesichts des identitätsphilosophischen Standpunktes in der Tat nicht unproblematisch, von einer Fundamentalphilosophie zu sprechen. Eine Philosophie, die als Universalsystem ihren einzigen Gegenstand in der Totalität, ja in der konkreten Identität des Seienden sieht, kann nicht Gegenstände oder ein Gegenstandsgebiet vor anderen auszeichnen. Sie kann allerdings auf ausgezeichnete Weise ihren Gegenstand denkend betrachten und somit eine Fundamentaldisziplin ausbilden. Als solche ist bei Hegel die spekulative Logik anzusehen. Sie untersucht die Denkbestimmungen des Absoluten in ihrer allgemeinsten Form, in der reinen Gedankenform, vor aller realen Konkretion zu Natur und Geist. Natur und Geist sind für uns nur als gedachte. Das Denken aber nimmt die verschiedensten Formen an. Es ist einer Abschwächung zum bloßen Anschauen und sinnlichen Vorstellen fähig, so dass es zum Bedürfnis wird, sich über das Anschauen und Vorstellen zur Reinheit des Gedankens zu erheben. Die Reinheit des Gedankens aber ist ungetrübt, das Denken ist am wenigsten vermischt, wenn es in seinen einfachen Bestimmungen kreist. Solches „Logische“ ist zwar nicht das absolute Wissen, die alle Gegenständlichkeit bzw. das Begreifen derselben in sich aufhebende Identität und Freiheit der Vernunft – diese Vernunft setzt das Umschlagen in ihr Anderssein voraus. Es betrifft aber das Logische den ewigen Ursprung des Vernunftprozesses, und so ist die zugehörige Wissenschaft, die Logik, auf eine eigene Weise Fundamental-
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philosophie. Gewiss ist die logische Betrachtungsweise, um es zu wiederholen, im Sinne der pointierten Allgemeinheit abstrakt. Sie trennt das Absolute vom Natur- und Geistgeschehen, von der konkreten Geschichte ab. Außerhalb ihrer Darstellung fällt also auch jener Teil der Geschichte des Absoluten, den es in der Zeitfolge der Volksgeister als Weltgeist und Subjekt einer Weltgeschichte von seinem Grundwesen, der absoluten Reflexion, her zu absolvieren hat. Auch die spekulative Logik stellt eine Geschichte der Vernunft dar, deren dialektisches System, ihre evolutionäre oder (mit einem Ausdruck Schellings) „involutionäre“ Dynamik. Gewiss zeichnet die Logik, als Exposition der elementaren Denk- und Erkenntnisprinzipien, damit auch den kategorialen Grundriss der Natur und des Geistes vor. Aber sie lässt sich nicht auf ein näheres Bestimmen der Natur und des Geistes ein. Diese Aufgabe verbleibt den Disziplinen der Naturphilosophie und der Geistesphilosophie einschließlich der Geschichtsphilosophie, die ihrerseits die Erkenntnis des Grundwesens der Vernunft – absolute Reflexion, Idee, Dialektik – voraussetzen. Dass es eine Weltgeschichte gibt, dass es in ihr vernünftig und dialektisch zugeht, aus welchen Ursprüngen der Weltgeist auftritt, welchem Ziel die Weltgeschichte des Geistes sinnhaft zustrebt: die Erklärung dieser Begriffe und Notwendigkeiten leistet die spekulative Logik, und sie allein, als der Nachweis der radikalen Geschichtlichkeit der Vernunft überhaupt. Die spekulative Logik zeigt schon in der Seinslogik an der inneren Geschichte des Prinzips des Maßes, im Übergang aus dem unhaltbaren Indifferenz-Prinzip des qualitativ-quantitativen Umschlagens der Maßlosigkeit, die Notwendigkeit des höheren Prinzips der „negativen Einheit“, der Affirmation aus doppelter Negation, das sich selbst im Gedanken des „Wesens“ für sich setzt. Und genauso sind auch der „Begriff“ bzw. die „absolute Idee“, die für die Geschichtsphilosophie als Voraussetzungen auftreten, Ergebnisse der spekulativen Logik. Der Begriff resultiert aus dem Gedanken der substantiellen Identität der Wechselwirkung. Er ist die sich durchsichtig gewordene absolute Negativität der in sich wesenden Ur-Sache, damit aber auch dialektische Identität von Notwendigkeit und Freiheit, und zwar so, dass die absolute Notwendigkeit, wie sie aus der sich aufhebenden realen Möglichkeit hervorgeht, ihre Wahrheit in der Freiheit findet und nichts als Erscheinung der Freiheit, des absoluten Beisichseins des Absoluten ist. Die Idee geht aus dem Sich-
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Begreifen des Begriffs hervor, zu dem es in der Dialektik der Teleologie mit der In-sich-Reflexion des Mittel-Zwecks und des Zweck-Mittels als Reflexion in sich jener Subjekt-Objektivität (Identität von Unmittelbarkeit und Vermittlung) kommt, die den Begriff ausmacht. Die absolute Idee entspringt aus der Einheit der Idee des Wahren und Guten, in der sich das Wissen um die Vernünftigkeit der Realität und das Selbstwertwissen der Vernunft vermitteln. Die Stringenz dieser Ableitungen mag fraglich sein, doch ist damit eine Basis gegeben, die Hegelsche Geschichtsphilosophie einer immanenten Argumentationsprüfung zu unterwerfen und nicht nur die ideologiekritisch veränderte Bewusstseinslage und das Recht der individuellen Freiheit gegen den Moloch der absoluten Vernunft geltend zu machen.
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XI Schlussbetrachtung Wir widmen unsere Schluss-Folgerungen zunächst den Versuchen Schellings und Hegels, den Kantischen transzendentalkritischen Idealismus mit ontologisch-metaphysischen Gegenentwürfen zu übertreffen. Das Faszinosum Schellingschen Philosophierens ist die Zentralidee des all-einen Absoluten. Als All-Eines west das Absolute in sich, es ist subjekthaft-selbst aufgrund seiner unermesslichen Vernunft und Freiheit. Als All-Eines bringt das konkretallgemeine Absolute von einem Indifferenzpunkt her Differenz und Einheit des Differenten, Unterschiedenheit und Geintheitheit des Unterschiedenen genau zu sich hin wieder zusammen. Das Losungswort der drei Tübinger Stiftsgenossen: „hen kai pan“ nimmt in Schellingscher Auslegung den Sinn an: Es ist nicht nur Philosophie, es ist vollendetes menschliches Dasein, sich im begrifflichen Denken und aus dem Denken heraus theoretisch und praktisch dem All-Einen zu überlassen. Und zwar soll das Eine als Alles so gedacht werden, dass umgekehrt auch alles in reziproken Prinzipien-Verbindungen fern der Einerleiheit sich zugleich pro- und regressiv als Eines erweist. Das Eine und das All sollen ohne Selbstverlust aufeinander zu- und ineinander übergehen. Schellings Grundthema ist die totale absolute Identität des Einen mit Allem. Dies bedeutet für die Anlage der Philosophie: Vom Absoluten, dem Einen in Einheit mit allem, ist auszugehen, von einem „transzendentalen Systeme der intelligiblen Welt“, „durch eine noch weitere Ausdehnung der Transzendentalphilosophie.“ 25 Das Eine kann nicht durch Vergleichung von allem mit allem erschlossen werden. Mit dem Einen Unendlichen ist der Anfang zu machen oder es selbst bildet vielmehr für uns den Anfang. Ausgeschlossen ist eine diskursive Theorie der Wirklichkeit. Sie gelangt nicht zum Absoluten. Sie kommt über abstrakte Begriffsbildung nicht hinaus. Sie muss im Fragmentarischen verharren. Kants Antinomienlehre hat nach Schelling die Konsequenzen treffend beschrieben, die sich dem Denken ergeben, wenn es aus der Endlichkeit das Unendliche anzielt. Das Denken ist 25
J. G. Fichtes Worte in einem Brief an Schelling Ende Dezember 1800, GA III,4, 404-406.
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vermessen, das sich zum Unendlichen mit einer von ihm selbst ausgedachten Idee erheben will. Kein Begriffsschema und Anthropomorphismus kann diesen Weitblick erreichen. Alle wesentlichen Fragen bleiben dem empirischen Vorgehen unbeantwortbar, nicht nur die Frage, warum überhaupt etwas ist, sondern auch schon die Frage, warum die Wirklichkeit im Allgemeinen und im Einzelnen so verfasst ist, wie sie sich darstellt. Versucht man, das Absolute, das Innere der Dinge, mit Erfahrungsgründen zu erschließen, so findet man in der Naturwissenschaft keine Antwort z. B. auf die Fragen: Worin gründen Gravitation, Magnetismus, Elektrizität, Chemismus? Warum drängen sich Raum und Zeit dem menschlichen Vorstellen auf? Warum ist das Denken an Erkenntnisformen gebunden? Warum müssen wir zwischen Möglichkeit-Wirklichkeit-Notwendigkeit unterscheiden? Der Ursprung der vorfindlichen Strukturen der Außen- und Innenwelt bleibt unerhellt, solange nicht aus dem Einen, dem Ursprung schlechthin, das All konstruiert wird: als die FormVielheit des Einen. Vom Absoluten ist auszugehen, von dem ursprünglich indifferenten, unentfalteten, aber potentiell vielförmigen Einen. Wahres Philosophieren hat in intellektualer Anschauung das alles in sich ordnende und darstellende Eine miterlebend zu vergegenwärtigen. Das Philosophieren hat das Endliche im Unendlichen und das Unendliche im Endlichen anzuschauen, das Ewige im Zeitlichen, das Zeitliche im Ewigen, das Wirkliche als das Lebendige und das Lebendig-Geistige als das Wirkliche. Das Absolute ist als Selbstgespräch, Selbstoffenbarung, communicativum sui, als Selbst-Sein unendlicher Erkenntnis, Freiheit und Liebe zu denken. Das Selbst-Sein ist Schellings Thema von den Fichte nahen Anfängen bei der Ichform des Wissens bis zur Entdeckung des unvordenklichen Seins, in dem sich das ichhafte Wissen auf unbegründbare Weise in ekstatischer Ergriffenheit gegründet erfährt: im Gegensatz zu Kants nach beiden Seiten hin begründungleistender Konjugierung der generellen Konvertibilitäts-Transzendentalität der Tradition und des konstitutiv-transzendentalen Selbstbewusstseins. Auf allen Windungen des Schellingschen Denkweges geht es darum, den einen Text des selbst-seienden Absoluten zu entziffern, durch Auflichten sub specie aeternitatis immer neuer Wirklichkeitsbereiche (Erkenntnis, Natur, Mythos, Kunst und schließlich der historischen Offenbarungsreligion).
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Dem ersten Anschein entgegen kann man Schellings philosophisches Streben nicht auf die Formel „Vermittlung von Substanz und Subjekt“ bringen. Schelling ist mit Jacobi ein Gegner des Vermittlungsstandpunktes. Die Vermittlung begünstigt auch nach Schelling das Subjektive gegenüber dem Substantiellen. Hegel hat nach Schelling das Widersinnige versucht, die konkretallgemeine Substanz als „vermittelte Unmittelbarkeit“ aus der Vermittlung zu gewinnen, die mit der überbewerteten Negation aller negativen Bestimmungen beginnen sollte. Folgt man Schelling, dann haben Kant, Fichte und Hegel nicht aus der Vermittlungsphilosophie herausgefunden. Auch Hegel ist zur wahren Identitäts- und Toalitätsphilosophie nicht vorgedrungen. Für Schelling ist die Hegelsche Philosophie über einen logischen Schattenriß der Wirklichkeit nicht hinausgekommen. Hört man auf Schelling, dann hat Hegel den Denkstandpunkt der Entzweiung, den Cartesischen Dualismus von res cogitans und res extensa, im Vergleich mit Kant und Fichte noch verfestigt. Kant und Fichte hatten einen Grundwiderspruch stehenlassen: den Widerspruch des Realen und Idealen. Fichte erklärte demgemäß, das bloße Streben nach Unendlichkeit sei unser Gepräge für die Ewigkeit. Hegel will den Widerspruch durch ihn selbst aufgehoben haben. Aber damit, dass er ihn bloß im Denken aufhob, schrieb er ihn fest. Hegels Philosophie ist für Schelling Philosophie der Entzweiung, abstrakt-konstruktive Reflexionsphilosophie. Man findet für jeden der drei Protagonisten ideengeschichtlich positiv und negativ Vermerkenswertes, und zwar nicht zuletzt unter dem Eindruck der Methoden-Wahl. Schelling entscheidet sich für die erkenntniskriterielle Großzügigkeit der direkten Theokosmogonie und gewinnt durch die Plastizität des konkret-allgemeinen Absoluten eine größere Menschen-Nähe, zumal im Vergleich mit Hegels allgegenwärtiger Logik als „Darstellung Gottes, wie „er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist..“26 Kant wurde, blickt man aus der Position Schellings und Hegels auf seine Entscheidungen, durch die epistemologische Beschwerung des traditionellen Begriffs des „Transzendentalen“ mit der erkenntniskonstitutiven Einheit des Selbstbewusstseins zu einem das Philosophieren lähmenden Geviert unbekannter 26
Wissenschaft der Logik, 1812, Einleitung, Ph.B, Meiner, Bd. 56, 31.
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Größen =X gebracht. Kant hat sich nach Hegel der dialektischen Spekulation, der ihre innere Negativität vollziehenden Vernunft, verschlossen. Er hat, immer laut Hegel, obwohl es seine eigene Grundlehre verbot, an metaphysischen und empirisch-besondergesetzlichen „Dingen“ („Dingen an sich“, „Erscheinungen“, „Phänomenen“) festgehalten, wie man auch sagen könnte: an den soliden Alltagsentitäten. Andererseits hat er dem irdischen Subjekt geraten, sich durch Analogisierung seines Kräfte-Potentials mit demjenigen des „Ideals der Vernunft“ (des architektonischen Welturhebers) für die Anlage eines verlässlichen Netzes begehbarer Welt- und Lebenswege zu qualifizieren. Kant selbst hat zur Frage der Überforderung in unserem fingierten Gespräch mit Lesern (KdrV A 695-702, B 723-730) verneinend Stellung genommen und hervorgehoben, dass die ideelle Vernunft zwar größere Einheit gebiete, als der empirische Verstandesgebrauch erreichen könne, dass sie aber auch das Ziel der Annäherung desselben so weit hinausrücke, dass er seine Zusammenstimmung mit sich selbst durch systematische Einheit zum höchsten Grade bringen könne. (KdrV A 701, B 729). Kants Verteidigung gegen den absoluten Idealismus bestätigt den Sinn seiner Entschiedenheit für die subjektivitätsaufwendig epistemologische Transzendentalphilosophie der konstitutiv-organisatorischen Vernunft. Man muss, wenn man Kant und den sogenannten Deutschen Idealismus vergleicht und für sich charakterisiert, zwei je eigene Versionen von „transzendental“, unterscheiden, gleichsam zwei Ringfassungen des qualitativ-mathematisch mit Einheit-Vielheit-Alleinheit gleichgesetzten unum-verum-bonum. Mit der Ringfassung ist, wie sich versteht, bei ontologisch-metaphysischer Denkweise die oben benannte erkenntniskriterielle Großzügigkeit zu verstehen. Die ontologische Metaphysik und insbesondere die Theokosmogonie ist auf keine regulativen Alleinheitsbegriffe angewiesen, die wir Menschen als vernunftbegriffliche Systematisierung der empirischen besonderen Gesetze schmieden müssen, um durch die Welt und das Leben zu finden. Wie kommt es für Kant und eben nicht für die Theokosmogonie-Sympathisanten zu diesen Ansichten? Als Folge der Verquickung des Selbstbewusstseins, also des transzendentalidealistischen Subjektivismus, mit dem generell „Transzendentalen“, also durch die Auffassung der Erkenntnis als (im höchst eigenen Kantischen Sinne von A11/B24) „transzendental“-kategoriale
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Verstandes-Spontaneität. Als Folge dessen, dass wir die Natur mit Verstandesgrundsätzen konstituieren, so dass wir allerdings auf empirische Gesetze und ihre Systematisierung durch regulative Vernunft, geradezu „göttliches“ Ersinnen, Trachten und Handeln angewiesen sind. Wir rechnen mit der Natur naturbegrifflich, naturwissenschaftlich, epistemologisch. Die menschlichen Wesen bei Schelling und Hegel nehmen an einem Geschehen teil, das sich mit ihnen zuträgt. Jeder Menschentyp hat für die Ideengeschichte, die keine Sieger und Verlierer kennt, sei ne , die ihm angemessene Transzendentalphilosophie.
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Einleitung, Erstes Kapitel, 1797/98, hg. v. Peter Baumanns, Ph. B., Bd. 239, Hamburg 1975. Fichte, Johann Gottlieb: Darstellung der Wissenschaftslehre. Aus den Jahren 1801/02, In: GA II. 6, 129–324, Stuttgart-Bad Cannstatt 1983. Fichte, Johann Gottlieb: Darstellung der Wissenschaftslehre. Aus den Jahren 1801/1802, hg. v. Reinhard Lauth, Ph. B., Bd. 302, Hamburg 1977. Fichte, Johann Gottlieb: Wissenschaftslehre nova methodo, Kollegnachschriften 1796–1804, in: GA IV. 2, Stuttgart-Bad Cannstatt 1978, 17–266. Fichte, Johann Gottlieb: Wissenschaftslehre nova methodo, Kollegnachschrift K. Chr. F. Krause 1798/99, hg. v. Erich Fuchs, Ph. B., Bd. 336, Hamburg 1982. Fichte, Johann Gottlieb: Bemerkungen bei der Lektüre von Schellings transscendentalem Idealismus, in: Nachgelassene Werke, Bd. 3, hg. von I. H. Fichte, Leipzig 1835, 368-389. Fichte, Johann Gottlieb: Bemerkungen bei der Lektüre von Schellings transscendentalem Idealismus, in: Nachgelassene Werke, Bd. 3, hg. von I. H. Fichte, Leipzig 1835, 368-389; Briefwechsel GA III,4, 404-406. Gueroult, Martial: L`évolution et la Structure de la Doctrine de la Science chez Fichte, 2 Bände, Paris 1930 Hartmann, Nicolai: Die Philosophie des deutschen Idealismus, 2 1960 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Die Vernunft in der Geschichte, Phil. Bibl. Meiner, Hamburg 171a Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke, hrsg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt/Main 1970 f., Bd. 20, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, III. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, Herausgegeben von Hermann Glockner. Mit einem Vorwort von Karl Ludwig Michelet. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Phänomenologie des Geistes, Phil. Bibl. Meiner, Hamburg, Bd. 114. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Die objektive Logik, Erstes Buch. Das Sein (1812), Phil. Bibl. Meiner, Hamburg, Bd. 375. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Die objektive Logik. Zweites Buch. Die Lehre vom Wesen (1813). Ph.
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Bibl. Meiner, Hamburg, Bd. 376. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Die subjektive Logik. Die Lehre vom Begriff (1816), PhB 177. Heidegger, Martin: Vorlesung von 1936, Schellings Abhandlung über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809), hg. v. H. Feick, Tübingen 1971; Gesamtausg., Bd.42, hg. V. I. Schüßler, Frankfurt a. M. 1988. Jacobi, Friedrich Heinrich: Ueber den transscendentalen Idealismus, in: Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke, Bd. 2, Leipzig 1815, 291–323. Kroner, Richard: Von Kant bis Hegel. Zweite Auflage, Tübingen 1961. Leibniz, hg. v. C. I. Gerhardt (GP), Berlin 1875, Ndr. Hildesheim 1960. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Leibnizens mathematische Schriften, hg. v. C. I. Gerhardt, GM, Erste Abtheilung, Bd. 2, Berlin 1850. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Nouveaux Essais sur l’entendement humain, Amsterdam/Leipzig 1765, Werke, Sämtliche Schriften und Briefe hg. v. der Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (A), Bd. VI. 6, Berlin, 31966. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Disputatio metaphysica de principio individui, 16 in: A VI.1, Darmstadt 1930, 3–19. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Nova Methodus discendae docendaeque Jurisprudentiae, Frankfurt 1667, in: A VI. 1, Darmstadt 1930, 261–364. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Allgemeiner polit. und histor. Briefwechsel, A I. 13, Berlin 1987. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie, übers. v. A. Buchenau, hg. v. E. Cassirer, 2 Bde., Ph. B., Bd. 108, Hamburg, 31966. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Die philosophischen Schriften von Gottfried Leibniz-Clarke-Briefwechsel, übers. u. hg. v. Volkmar Schüller, Berlin 1991. Lessing, Gotthold Ephraim: Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften, Bd. 1, hg. v. Karl Lachmann, Stuttgart, 31886. Maréchal, Joseph: Le Point de Départ de la Métaphysique, Paris, 2 1949. Maimon, Salomon: Versuch über die Transzendentalphilosophie, Darmstadt 1963; Über die Progressen der Philosophie, Berlin 1793, Verra IV; Streifereien im Gebiet der Philosophie, 1793, Verra IV; Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens.
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Nebst angehängten Briefen des Philaletes an Aenesidemus, 1794, Verra IV. Plessner, Helmut: Das Identitätssystem, in: GS, Bd. 9, 1985, 300– 319; zuerst in: Studia philosophica 14, 1954, 68–84, auch in: Materialien zu Schellings philosophischen Anfängen, hg. v. Manfred Frank u. Gerhard Kurz, Frankfurt a. M. 1975, 414–430. Reinhold, Karl Leonhard: Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, Jena 1789, Darmstadt 1963. Reinhold, Karl Leonhard: Beyträge zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse der Philosophen, Bd. 1, Jena 1790. Reinhold, Karl Leonhard: Rezension zu Schellings „System des transzendentalen Idealismus“ in der „Erlanger Litteratur-Zeitung No. 82 vom 28. 4. 1801, Sp. 649–56 und No. 83 vom 29. 4. 1801 Sp. 657–63. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Allgemeine Übersicht der neuesten philosophischen Literatur, 1797/98, in: Werke, Historisch Kritische Ausgabe, Bd. I. 4, hg. v. Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Hermann Krings u. Hermann Zeltner, Stuttgart 1988, 57–190. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Stuttgarter Privatvorlesungen, in: Ausgewählte Werke 1806-1813, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1967. 361-428. Schelling. Friedrich Wilhelm Josef: Das System des Transzendentalen Idealismus, 1800, PhB Meiner, Bd.254 Schelling, Friedrich Wilhelm Josef: Über das Wesen der menschlichen Freiheit, Reclam (Horst Fuhrmanns), Stuttgart 1964. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Die Weltalter (1813), in: Ausgewählte Werke 1813-1830, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976, 1-151. Schelling, Friedrich, Wilhelm, Josef: Philosophie der Offenbarung (1858), AW WBG, Darmstadt 1983. Tilliette, Xavier: Die Freiheitsschrift, in: Hans Michael Baumgartner, Hrsg., Schelling, Einführung in seine Philosophie, Freiburg/München 1975, 95-107.
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Namenregister Aristoteles, 27, 75 Baader, F., 111 Baumanns, P., , 113, 230 Baumgartner, H. M., 113 Böhme, J., 111 Brown, J., 128 Caesar, J., 219 Descartes, René, 117, 182, 219 Fichte, J. G., 91-108 passim, 12, 14, 15, 17, 18, 22, 35, 36, 41, 45, 46, 48, 124, 128, 136, 142, 143, 157, 158, 159, 172, 176, 182, 219, 225, 226, 227, 230, 239 Frank, M., 149 Friedrich Wilhelm IV., 111 Fuhrmanns, H., 150 Galvani, 128 Goethe, J. W. v., 110, 149 Gueroult, M., 94 Haller v. A., 128 Heidegger, M., 36, 94, 150, 151, 157 Hegel, G. W. F., passim Jacobi, F. H., 84-89 passim, 91, 101, 104, 109, 126, 172, 188, 227 Kant, Immanuel, passim Karl d. Gr., 219 Kielmeyer, C. F., 128 Kierkegaard S., 112 Korten, H., 113 Kroner R., 70 Kurz, G., 148 Leibniz, G. W., 12, 14, 19, 22, 34, 54, 55, 56, 58, 62, 65, 67, 72, 79, 85, 87, 126, 176, 182, Lessing G. E., 85, 87 Lichtenberg, G. C., 32 Maimon S., 54, 67-79 Mendelssohn M., 67, 84, 85, 158 Napoleon Bonaparte, 219 Philaletes, 68 Plessner H., 149 Reinhold, K. L., 54-62 passim, 63, 66, 67, 69, 75, 89, 91, 92, 93, 95, 96, 97, 100, 105, 109, 114, 121, 128
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Schelling (Sohn) K. F. A., 167 Schlegel, Gebrüder, Caroline, 110 Schiller F., 110, 202 Schulze-Aenesidemus, 63-67 passim Spinoza, B., 12, 25, 72, 78, 79, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 126, 156, 181, 189 Stephani, 66 Thomas v. A., 27 Tieck, L., 110 Tilliette, X., 160, 241 Veit, D., 110
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Sachregister, linear `𝐴 = 𝐴 𝐴 = `𝐵 𝐴=𝐴
, A1, A2, A3 Identitäts- bzw. Identifikationssym-
bolik, 147 Absolutes, absolut, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 25, 26, 51, 55, 56, 58, 72, 79, 88, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 100 et passim Apperzeption, Bewusstsein, Selbstbewusstsein, 12, 19, 20, 21, 23, 24, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 53, 57, 58, 61, 66 Böses, 160 Dialektik (transzendental, spekulativ), 63, 68, 70, 73, 75, 85, 91, 98, 99, 205, 206, 207, 210, 218, 219, 224 Doublierung, 166, 167 Einbildungskraft, 35, 37, 100, 101, 124, 137, 170 Einheit (logisch) Einheit von unum, verum, bonum (als traditionellen Transzendentalien), 17, 19, 20, 21, 22, 23, 25, 27, 32, 33, 37, 38, 40, 42, 46, 47, 48, 51, 52, 55, 60, 61, 64, 82, 83, 84, 87, 93, 94, 114, 119, 123, 138, 143, 144, 148, 150, 151, 153, 154, 161, 165, 168, 173 Ewigkeit und Zeit, (E. als Überwindung der Z., E. und coexistierende Z, Geist der E.), 88, 103, 113, 143, 164, 165, 167, 174 Expansion und Kontraktion (Theogonie-Strukturzüge), 87, 90, 150, 168, 175 Gegenstand (offenes Prinzipien-Geviert: Gegenstand überhaupt=X, transz.log. Apperzeption=X, Sitzungspunkt=X, hoher bzw. höchster Punkt=X), 12 Geist, Gemüt-Geist-Seele, 161 (Schelling), 198-203 (Hegel) Gottheit, Übergottheit, 154, 167, 169, 171, 174, 175 Grund und Vernunft, 19, 154, 155 Grundsatz (oberster G.), 55, 56, 58 Homogeneität, Spezifikation, Kontinuität, 31, 39, 53 Idee, 81, 82, 87 Idealismus und Realismus (ersetzt bei Sch. durch negative reinrationale Ph. u. positive Philosophie der Offenbarung), 183 Indifferenz, 165 Liebe, Ontologie der Liebe u. Freiheit, 153, 154 Organismus, 174, 176 Person, 163 Philosophie, reinrational, negativ, positiv, 183, 188 Potenzierung, 145
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Rationabilität, 43, 44 Rationalismus und Empirismus, 183 Reflexion, Gesetz der Aktdifferenz, 129 Schönheit (Erhabenheit, schöne Seele), 175, 186, 209, 210 Schöpfung, 46, 87, 152, 153 Tathandlung, 92, 93, 102, 103, 105 Teleologie, 138, 140 Übergottheit, 154, 167, 169, 171, 174, 175 Vernunft passim Wahrheit, 186 Weltseele u. Zertrennlichkeit des zum Hüter der Natur berufenen Menschen, 170, 241 Zweckmäßigkeit, Zweck und Idee, 218
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Theorieelemente, systematisch (KANT) Apperzeption. Transzendentale Apperzeption. Einheit der Apperzeption. Identität der Apperzeption, synth. Einheit der Apperzeption, Der höchste Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch heften muss. Ich bin mir also des identischen Selbst bewusst. Aktus der Apperzeption, Ich denke. Grund der Apperzeption. Grundsatz der notwendigen Einheit der Apperzeption. Architektonischer Welturheber. Identität des Bewusstseins. Identität des Subjekts. Die einfache und für sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstelllung „Ich“. Durch dieses Ich, oder Er, oder Es (das Ding), welches denkt, wird nun nichts weiter, als ein transzendentales Subjekt der Gedanken vorgestellt. Gegenstand, Gegenstand überhaupt = X, Nichtempirischer transzendentaler Gegenstand = X. §§ 18, 19. Gesetz, besondere Gesetze. Dialektik sc. bei Kant: Erzeugung hypostatisch-totaler Vernunftkonstrukte. Hegels Kant-Kritik: hyperkritisch unterlassene Übergänge zum Ganzen und den Disziplinen der spekulativen System-Philosophie, dem Identitäts- und Totalitätsdenken des absoluten, konkret-allgemeinen Wissens. Hoher Punkt (des Ideals der reinen Vernunft) Homogeneität, Spezifikation, Kontinuität als optimale Gesetzesstruktur. Idee: Bei Kant reiner Vernunftbegriff. Fehlerfreies Ideal der reinen Vernunft, freiheitspraktisch adoptiert. Theologisch-psychologisch-kosmologisch regulatives Vernunftprinzip der Erfahrungserkenntnis. Ideen: Bei Kant regulative Vernunftbegriffe der Erkenntnis-Zweckmäßigkeit, Alleinheitsbegriffe als kosmologisch-theologisch-organologisch-ästhetisch übergreifende Ordnungsbegriffe. Rationabilität. (Terminologie P.B.: rationabilitätstranszendental dist. epistemologisch-transzendental ep.tr.) (Kant, für K. L. Reinhold ) Vergleich mit Hume-Locke-Leibniz. R.s Konzeption einer „Philosophie ohne Beinamen.“ Ihr Festpunkt: der „Satz des Bewusstseins“ die Vorstellung betreffend. R.s Rekonstruktion der
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Urteilstafel anhand der „objektiven Einheit“ der Vorstellung. KdrV: Transzendentale Propädeutik einer Metaphysik der sinnlichen Natur für Reinhold. (Kant, für Schulze-Aenesidemus und Maimon) „Ding an sich“ und „Gemüt“ Kants Hauptprinzipien. Das „Subjekt“ sollte eliminiert werden. Kant ist für Maimon erfahrungsgläubig mit Vernachlässigung der quaestio facti, Für Maimon selbst sind die Verstandesbegriffe als „Differentiale des Bewusstseins“ erklärbar aus der Einen göttlichen Vernunftidee. Kant über Maimon: M. kein Pantheist, kein idealistisch gewendeter Spinozist. Der endliche Verstand ist für Maimon dem unendlichen Verstand nicht immanent, sondern dessen obskure „Wirkung.“ (Kant, für F. H. Jacobi) KdrV ohne Ding an sich unzugänglich, mit D.a.s. unmöglich vertretbar. Alles Wissen hängt von Gewissen, Glaube und Offenbarung ab. (FICHTE, J. G.) Oberster Grundsatz. Tathandlung. Ichheit. Absolutes Ich. Intellektuale Anschauung. Sich setzen schlechthin, sekundäres SichSetzen als setzend... Praktische Vernunft Wurzel aller Vernunft. Idealismus der wissenskonstitutiven Subjektivität. Praktischer Konstitutionsidealismus der Freiheit. Anstoß in primordialer Teilbarkeitssphäre zu Setzung des Nicht-Ich. Widerspruch zwischen Unendlichkeit, Unendlich-Seinsollen-Endlichkeit. Über Ich und Nicht-Ich schwebendes Ich als Einbildungskraft. Schweben zwischen Idealismus und Realismus. Zurückgehen vor Einbildungskraft durch Abstraktionsvermögen. Selbstgefühl-TriebErhebung zur Vernunft durch Sprung. (SCHELLING) Übersicht über neueste philosophische Literatur, 1796/97. Andeutung einer neuen metanthropologischen Perspektive. Individuelle Natur als geistige Natur. Drei Geistbegriffe in anscheinender Konkurrenz: Subjekt-Objekt-Indifferenz, Subjekt-Objekt-Identität, Ur-Person. Der Geist in uns als Unendlichkeit und Endlichkeit. Erklärung des All aus dem Sich-Suchen und Sich-Wollen des Geistes (rohe Materie, Organisation, Leben).
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Bedeutungszunahme des Gesetzes der notwendigen ErgebnisUngleichheit von Reflexion und Reflexion der Reflexion. Der sich darstellende Geist, selbstverloren, in der Natur unendlich bestrebt, sich selbst anzuschauen, sich wiederzugewinnen. Die vorhandene Natur reflektiert den Weg des Bewusstseins zum Selbstbewusstsein: „Die äußere Welt liegt vor uns aufgeschlagen, um in ihr die Geschichte unseres Geistes wiederzufinden.“ Die Reflexivität des Geistes erklärt mit der Angewiesenheit auf Wahlmöglichkeiten. Entscheidungsfreiheit für das Böse. (Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie 1799) Geist und Natur. Erklärung der Materie aus überempirischen Grundkräften; der Organismus als objektiver Begriff. Übergang von Fichtes absolutem Ich zur Metaphysik des ichhaften Absoluten. Ersetzung der mit Repulsion und Attraktion dynamischen Materietheorie Kants (MAN). Die sichtbare Natur ein besonderter Organismus. Kontraktion und Expansion des Natur-Ganzen. Reine Indifferenz und eigene Differenz hierzu. Sensibilität, Irritabilität, Reproduktion als Elementarverhalten. (System des transzendentalen Idealismus 1800) Kategorienlehre. A Theoretischer Idealismus; Epochen: Vom Ur-Ich zur Materie; commercium substantiarum Spiegelbild der synthetischen Tätigkeit des Ich. Innerer und äußerer Sinn, bewusste Empfindung. Zeit und Raum. Von der produktiven Anschauung zum bewussten Wollen. B Praktische Philosophie. (Darstellung meines Systems der Philosophie 1801) Identitätsystem mit den Grundannahmen einer absoluten Indifferenz, die auch als absolute Identität (des Realen und Idealen) bezeichnet und formelsprachlich mit der „Potenzierungs“- und Depotenzierungsbegrifflichkeit des Idealen und Realen dahingehend erläutert wird, dass sich drei Doppelungsmodi vereinen: das Sein mit sich selbst als Prädikat A=À, weil nicht ohne Beigabe oder Form (A=B) und A=A = A=A (Denken der Totalität Eines ursprünglichen Inhalts, der die unum-verum-bonum-Konvertibilität der „Transzendentalphilosophie der Alten“ realisiert).
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(Über die menschliche Freiheit 1809) Zwei Anfänge der Theokosmogonie. Grund und Vernunft. Expansion und Kontraktion. Communicativum sui (Universalwille) und Partikularwille. Liebe als Urwesen Gottes. Stufenreich der Geschöpfe. Der Mensch Ziel der Transmutation des Grundes zur Natur. Menschliche Freiheit zum Guten und Bösen. Zertrennlichkeit der Identitätsprinzipien Idealität-Realität als Naturvermögen des Menschen. Hervorbrechen aus der über der Identität schwebenden Indifferenz (vergleichbar dem A=A = A=A des Systems von 1801.) Xavier Tilliette über die Rätselhaftigkeiten des Entwurfs. (Stuttgarter Privatvorlesungen 1810) Theokosmogonie-Probleme. Wie kann das Indifferente ein prädisjunktives Mixtum sein? Gibt nicht das Aufbrechen (die Doublierung) der Versonnenheit der Indifferenz für die Schöpfung aus reiner Liebe der Ewigkeit dieser Schöpfung eine Eigenschaft der Zeit, sofern die interne Sich-Scheidung des Absoluten die Liebe in den Gang der Potenzierung versetzt? Steht nicht die Kontraktion des Grundes der ontologischen Differenz von Sein und Seiendem (Idealität, Realität) und damit dem Potenzieren entgegen? Tendiert nicht das heranreifen müssende „Keim“hafte der Indifferenz zur Passivität seiner Offenbarung? Das Böse: Instrumentalisierung der Seele (Kunst, Poesie, Wissenschaft) durch den willensaktiven Geist; Vergeistigung der Seele, entseelte Personalisation (Verpersönlichung) des Menschen. (Weltalter, Druck von 1813) Die Weltalter der Vergangenheit und der Schöpfung als Thema einer anamnetisch-historischen Theokosmogonie der Freiheit und Notwendigkeit. Der Mensch als Mitwissender der auf ihn abzielenden Schöpfung. Eine reflexionsbedingt „coexistierende Zeit“ erbringt das Vorbild der WA-Zeit: Rotatorisches A=B (Kontraktion), A2 (Expansion und Kontraktion, Natur/Realität und Geisteswelt/Idealität), A3 Indifferenz mit magischer Wirkung auf die erste Natur, die dadurch mit der „Weltseele“ als Organisationszentrum zum All wird. Durch Ur-Teilen der Gottheit wird von ihrer
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Lauterkeit/Indifferenz her die Transzendentalien-Konvertibilität der Potenzen und Prinzipien als wahre Seiendheit ausgelöst. (Schelling, Spätphilosophie) Das absolute, unvordenkliche, reine, lautere Dass und Was, das „Sein“, wird als solches über sein simultanes Können, Wollen und Werden vergewissert. Die ontologische Ekstase erfasst es im begrifflichen Denken zugleich mit dem „Geist“, der als Indifferenz einschliessende trinitarische Identität und Totalität sein Urheber sein muss und praktische Bejahung im religiosen Glauben als unvordenkliches absolutes Prius erfährt. Schelling hoffte, zumindest das rationale Bemühen um die grundlegende Wahrheit des Seins und der Schöpfung erschöpft zu haben. Kant war über eine theoretisch-praktische Standpunkt-Kompatibilität nicht hinausgelangt und musste selbst dafür einen menschenwidrigen Nomismus der Freiheit und Glückswürdigkeit in Kauf nehmen. Schelling zieht bereitwillig die Konsequenz, das Philosophieren auf historisch-hermeneutische Spurensuche und Meditation in Natur und Geisteswelt auszurichten.
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