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German Pages 335
Schriften zum Gesundheitsrecht Band 47
Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht Insbesondere zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit Von Monique Amoulong
Duncker & Humblot · Berlin
MONIQUE AMOULONG
Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Schriften zum Gesundheitsrecht Band 47 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR) Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.
Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht Insbesondere zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Von Monique Amoulong
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahr 2016 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Sommersemester 2016 als Dissertation vorgelegt worden. Sie befindet sich auf dem Stand von April 2016. Mein herzlicher Dank gebührt meinem Doktorvater und verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Peter Axer, der durch seine stetige Gesprächsbereitschaft und Motivation bedeutend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat und der mich nicht nur während meiner lehrreichen Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl, sondern auch danach wissenschaftlich und menschlich besonders gefördert hat. Gedankt sei auch Herrn Prof. Dr. Martin Borowski für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Hanno Kube, der den Vorsitz der mündlichen Prüfung inne hatte. Herrn Prof. Dr. Helge Sodan danke ich für die Aufnahme in die Publikationsreihe „Schriften zum Gesundheitsrecht“. Besonderen Dank schulde ich der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e. V., insbesondere ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Ulrich Wenner, für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Schließlich gebührt mein herzlicher Dank meiner Familie, Jan-Philipp und Thomas Weitz, Lisa Gretemeier, Dr. Christiane Diehl, Dr. Katharina Stock, Kamilla Zembala-Börner und dem gesamten Lehrstuhl für ihre aufopfernde Korrektur-, Diskussions- und Motivationsarbeit. Berlin, im Dezember 2016
Monique Amoulong
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Leistungs- und Leistungserbringungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Sachleistungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Leistungsrecht als konkreter Individualanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Vertragsarztrechtliches Vierecksverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Die Funktion der Kassenärztlichen Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Die Leistung: Vertragsarzt – Versicherter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Der Weg der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Versicherter – Krankenkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Krankenkasse – Kassenärztliche Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Zahlung der Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung . . . . . . . . . . . . 36 bb) Vereinbarung der Gesamtvergütung in Gesamtverträgen . . . . . . . . . . . . 37 cc) Bundesmantelvertrag als Inhalt der Gesamtverträge . . . . . . . . . . . . . . . . 39 dd) Berechnung der Gesamtvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Kassenärztliche Vereinigung – Vertragsarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Verteilung der Gesamtvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Festsetzung der Vergütung durch Honorarbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Leistungsverzeichnis und Vergütungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 aa) Abschließender Leistungskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 bb) Beschluss des Bewertungsausschusses als Abrechnungserfordernis . . . . 54 cc) Voraussetzungen zur Abrechnung einzelner Leistungen . . . . . . . . . . . . . 56 b) Punkteverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Verzeichnis von Punkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Verzeichnis von Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 cc) Steuerungsinstrument für die vertragsärztliche Vergütung . . . . . . . . . . . 61
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Inhaltsverzeichnis 2. Vorgaben des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Allgemeine Vorgaben zur Leistungsbewertung und -überprüfung . . . . . . . . 64 aa) Der zur Leistungserbringung erforderliche Zeitaufwand . . . . . . . . . . . . 64 bb) Sachgerechte Stichproben auf betriebswirtschaftlicher Basis . . . . . . . . . 65 (1) Umfang der betriebswirtschaftlichen Leistungsbewertung . . . . . . . . 66 (2) Leistungsbewertung anhand von technischem und ärztlichem Anteil 68 cc) Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . 74 dd) Abstaffelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Besondere Vorgaben zu den Leistungsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung . . . . . . . . . 78 (1) Leistungsunterteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Zugrundelegung des Versorgungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Abbildung hausärztlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Versichertenpauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (2) Einzelleistungen und Leistungskomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (3) Qualitätszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 cc) Abbildung fachärztlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Grundpauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Zusatzpauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (3) Kriterien zur Bestimmung der Grund- und Zusatzpauschale . . . . . . 87 (4) Fallpauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (5) Einzelleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 dd) Bewertung psychotherapeutischer Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Honorarverteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Maßstab zur Verteilung der Gesamtvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Vorgaben des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Verteilungsvorgaben mit Einfluss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 99 aa) Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung . . . . . . . . . 99 bb) Tätigkeitsausdehnung und Kalkulationssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit . . . . . . . . 104 (2) Kalkulationssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Kooperative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (1) Versorgungsformen der kooperativen Behandlung . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Gesonderte Vergütung vernetzter Praxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (3) Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Vergütung psychotherapeutischer Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Inhaltsverzeichnis
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b) Verteilungsvorgaben unmittelbar für die Kassenärztliche Vereinigung . . . . . 123 aa) Ausnahme für unterversorgte Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (1) Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen . . . 123 (2) Nichtanwendung von Fallzahlbegrenzungen oder -minderungen . . . 125 bb) Härteklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Regionale Euro-Gebührenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Vorgaben des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Bundeseinheitlicher Orientierungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Erstmalige Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Jährliche Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven 142 (3) Allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen . . . . . . . . . . 144 b) Regionaler Punktwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Zu- oder Abschlag aufgrund regionaler Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Kosten- und Versorgungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Regionale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Zuschlag aufgrund von Unterversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Zuschlag aufgrund medizinischer Versorgung in Pflegeheimen . . . . . . . 153 dd) Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung . . . . . . . . . . . . 158 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Normative Wirkung vertragsärztlicher Verteilungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Rechtsnormcharakter des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . 162 2. Rechtsnormcharakter des Honorarverteilungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Rechtsnormcharakter der regionalen Euro-Gebührenordnung . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Vereinbarkeit der Normsetzung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht mit Art. 20 Abs. 2 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Bewertungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Kompensation des personellen Legitimationsdefizits . . . . . . . . . . . . . . . 175
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Inhaltsverzeichnis bb) Verfassungsrechtlich zulässige Abweichung vom Erfordernis personeller Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Staatliche Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) Repräsentation der Normbetroffenen und Einbringung des Sachverstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Kassenärztliche Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Überprüfung von Honorarverteilungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Art und Weise der Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Abstrakte Anforderungen an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Entwicklung verfassungsrechtlicher Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Erstmalige Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen . . . . . . . . . 194 c) Weiterentwicklung der Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen 196 d) Veränderung der Rechtfertigungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 e) Wesentlicher Einfluss des Gleichbehandlungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Tatsächliche Prüfung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit . . 200 a) Berufsfreiheit als gleichberechtigter Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Abnahme der Berufsfreiheit – Zunahme der parlamentsgesetzlichen Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Gleichheitsgebot als alleiniger Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Weitere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Verhältnis zum Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung . . . . . . . . . . 206 a) Verbindung der Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Honorarverteilungsgerechtigkeit als Maßstab für Leistungsproportionalität 210 c) Vereinzelte Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
Inhaltsverzeichnis
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2. Verhältnis zum Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung . . . . . . . . . . . . . 214 a) Trennung beim allgemeinen Grundsatz der angemessenen Vergütung . . . . . 215 b) Verbindung bei angemessener Vergütung psychotherapeutischer Leistungen 217 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. Gründe der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Mengendynamik und Punktwertstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Praktikabilität und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . 227 I. Honorartöpfe – Überprüfungsmaßstab und Pflichtenbegründung . . . . . . . . . . . . . 227 1. Überprüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Inhalte ständiger Rechtsprechung und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Anspruch auf Zahlung höheren vertragsärztlichen Honorars? . . . . . . . . . . . . 231 2. Pflichtenbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Grundlage . . . . . . . 232 b) Voraussetzungen einer Reaktionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Psychotherapeutische Leistungen – Anspruchsgrundlage und Pflichtenbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Rechtsprechung vor einer gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Rechtsprechung nach einer gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Pflichtenbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 III. Aufbaupraxen – Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 IV. Allgemeine Härteklauseln – richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 F. Die verfassungsrechtliche Herleitung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 I. Begründung des Schutzumfangs der Grundrechtsverbindung durch das Bundessozialgericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
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Inhaltsverzeichnis II. Unterschied im Schutzumfang zwischen getrennter Grundrechtsprüfung und Grundrechtsverbindung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Besonderheiten im Vertragsarztrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Staatliche Vergütungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Pflicht zur Behandlungsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Eingeschränkte Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Anforderungen der Berufsfreiheit an das vertragsärztliche Vergütungssystem 257 aa) Anspruch auf angemessene Vergütung als Äquivalent zur Preisfreiheit 257 (1) Verfassungsrechtlich gewährter Anspruch auf angemessene Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (2) Umfang der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Herstellung gleicher Ausgangslagen als Äquivalent zur Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Besonderheiten im Vertragsarztrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Anforderungen des Gleichheitssatzes an das vertragsärztliche Vergütungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Gleichheit der Vergütungschancen durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Gebot der Folgerichtigkeit als Überprüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . 272 (1) Folgerichtigkeit im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (2) Folgerichtigkeit im vertragsärztlichen Vergütungsrecht . . . . . . . . . . 275 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Verknüpfung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Verbundene Idealkonkurrenz in anderen Berufsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . 279 aa) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1971 zur Erdölbevorratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 zu Nichtraucherschutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 cc) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2014 zum Schwerbehindertentransport durch ÖPNV-Unternehmen . . . . . . . . . . . . 284 b) Verbundene Idealkonkurrenz im Vertragsarztrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 aa) Differenzierungsgebot innerhalb einer Berufsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) Differenzierungsverbot bei Auswirkungen auf die Berufsausübungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 cc) Gebot der Folgerichtigkeit, gesetzgeberisches Konzept und Systemwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 dd) Wettbewerb innerhalb der Berufsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
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c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Maßgabe für den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 1. Unterschiedliche Stoßrichtungen von Freiheit und Gleichheit? . . . . . . . . . . . . . 295 2. Unterschiedliche Rechtfertigungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 G. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 I. Normenkonstrukt aus parlamentsgesetzlichem und exekutivem Recht . . . . . . . . . 300 II. Verfassungsrechtlicher Überprüfungsmaßstab aus der Verbindung von Berufsfreiheit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 H. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
Abkürzungsverzeichnis DÄ ersatzkasse magazin G+G GuP KrV SGb SozSich ZfS ZSR
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Wegen der im Text und in den Fußnoten verwendeten Abkürzungen wird, soweit diese nicht ohnehin üblich und allgemeinverständlich sind, auf Kirchner, Hildebert/Böttcher, Eike, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Auflage, Berlin 2015, verwiesen.
Einführung „Die Honorarverteilung ist […] als honorarpolitisches Instrument von zentraler Bedeutung bei der Erfüllung des Sicherstellungsauftrags in der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten sowie bei der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen durch eine leistungs- und bedarfsgerechte Aufteilung der bereitgestellten Finanzmittel. Die Orientierung an diesen Zielen soll gestärkt werden.“1 So begründet die Bundesregierung die Gesetzesänderungen des SGB V, die durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG)2 am 23. Juli 2015 in Kraft getreten sind. Die Verteilung der finanziellen Mittel in der gesetzlichen Krankenversicherung ist insbesondere im ambulanten Bereich ein seit Jahren intensiv diskutiertes Thema, was dazu führte, dass in den letzten 15 bis 20 Jahren die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht in jeder Legislaturperiode zentrale Gesetzesänderungen erfahren hat. Der Gesetzgeber hat, begonnen mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 20003 und dem GKV-Modernisierungsgesetz4 aus dem Jahre 2003, wesentliche Reformen erlassen und in den Jahren 2007 mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz5 und 2011 mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz6 weitere Anpassungen vorgenommen. Dass die Honorarverteilung immer wieder Änderungen unterliegt, hat vielfältige Gründe: Zum einen wird die Bevölkerung immer älter und veranlasst aufgrund dessen immer mehr Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zum anderen sind die finanziellen Mittel, die ärztlichen Leistungen zu vergüten, begrenzt. Darüber hinaus sinkt auch die Zahl niedergelassener Ärzte kontinuierlich, wie etwa im Jahre 2014, in dem sich die Anzahl um 1.988 Ärzte verringerte, was einem Anteil von etwa 1,6 % entspricht7. Dazu kommt ein stetig wachsender Altersdurchschnitt der ambulant tätigen Ärzte, derzeit von 53,41 Jahren – bei Krankenhausärzten beträgt der Durchschnitt des Alters im Vergleich nur 41,32 Jahre8. Im Verhältnis dazu steht eine Bevölkerung, deren Anteil der unter 20-Jährigen vor über 100 Jahren noch bei 43 % lag, während nur 5 % der Bevölkerung 65 Jahre und älter waren und deren Anteil im Vergleich dazu heute für unter 20-Jährige bei 18 % und für über 65-Jährige 1 2 3 4 5 6 7 8
BT-Drs. 18/4095, S. 98. BGBl. I 2015, S. 1211 ff. BGBl. I 1999, S. 2626 ff.; BT-Drs. 14/1245. BGBl. I 2003, S. 2190 ff.; BT-Drs. 15/1525. BGBl. I 2007, S. 378 ff.; BT-Drs. 16/3100. BGBl. I 2011, S. 2983 ff.; BT-Drs. 17/6906. Bundesärztekammer, Ärztestatistik 2014, Stand: Dezember 2014, S. 35. Bundesärztekammer, Ärztestatistik 2014, Stand: Dezember 2014, S. 5.
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bei 21 % liegt9, Tendenz steigend10. Darüber hinaus wurden im Jahre 2013 ambulante Behandlungen im Wert von ca. 24,8 Mrd. Euro tatsächlich von Vertragsärzten erbracht, obwohl die zur ambulanten Versorgung zur Verfügung gestellten Finanzmittel nur ca. 22,5 Mrd. Euro betrugen11. Damit wurden ambulante Behandlungen im Wert von 2,3 Mrd. Euro, d. h. ca. 10 % aller erbrachten Leistungen, nicht vergütet12. Überdies setzt sich der wesentliche Anteil des Honorars eines Vertragsarztes aus den Einnahmen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zusammen13, da über 70 Millionen Menschen, d. h. über 85 % der deutschen Bevölkerung, gesetzlich krankenversichert sind14. Somit besteht zwar aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung ein stetig steigender Bedarf an ambulanter Versorgung, dem gegenüber steht jedoch keine wesentlich steigende, zur Verfügung stehende Summe an Finanzmitteln, da diese konsequenterweise nur durch die Erhöhung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht werden könnte. Eine Erhöhung des Beitragssatzes, welcher derzeit bereits als allgemeiner Beitragssatz – unabhängig vom Zusatzbeitrag – 14,6 % der beitragspflichtigen Einnahmen beträgt15, zur Deckung aller tatsächlich erbrachten und in Zukunft noch steigenden ambulanten Behandlungsleistungen ist realistisch nicht durchführbar. Die bestehende und wohl auch andauernde Knappheit der finanziellen Mittel erfordert vielmehr eine zumindest leistungs- und bedarfsgerechte Verteilung. Die Verteilung der finanziellen Mittel an die Vertragsärzte aus dem Topf der Versichertenbeiträge – also das vertragsärztliche Honorar – stellt die Gegenleistung von grundsätzlich privat abgeschlossenen Behandlungsverträgen zwischen gesetzlich Versichertem und Vertragsarzt dar. Die auf Leistungsseite privatrechtlich ausgestalteten Behandlungsverträge16 werden auf Seiten der Gegenleistung allerdings
9 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Bevölkerungsentwicklung 2013 – Daten, Fakten, Trends zum demographischen Wandel, Stand: April 2013, S. 12. 10 Bis zum Jahre 2060 soll der Anteil der unter 20-Jährigen auf unter 16 % absinken und derjenige der über 65-Jährigen auf 34 % ansteigen, vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Bevölkerungsentwicklung 2013 – Daten, Fakten, Trends zum demographischen Wandel, Stand: April 2013, S. 12. 11 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Zahlen und Fakten zur ambulanten Versorgung, Stand: 2014, S. 2. 12 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Zahlen und Fakten zur ambulanten Versorgung, Stand: 2014, S. 2. 13 Im Jahre 2011 resultierten 69 % der Einnahmen einer Durchschnittspraxis aus der Tätigkeit als Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, vgl. Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Kostenstruktur bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen von psychologischen Psychotherapeuten, Stand: August 2013, S. 14. 14 GKV-Spitzenverband, Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung, Stand: Dezember 2015, S. 23 f. 15 § 241 SGB V. 16 § 630a Abs. 1 BGB.
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durch ein „subtil organisiertes öffentlich-rechtliches System“17 überlagert. Der Bundesgesetzgeber hat im vierten Kapitel des SGB V „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern“, insbesondere im zweiten Abschnitt „Beziehungen zu Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten“, den parlamentsgesetzlichen Rahmen gezogen, der es ermöglicht, auf untergesetzlicher Ebene durch die sog. gemeinsame Selbstverwaltung das Recht der Leistungserbringung, insbesondere das Vergütungsrecht der Vertragsärzte, zu regeln. In § 72 Abs. 2 SGB V gibt der Gesetzgeber etwa vor, die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Die Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung ist es daher gerade, diesen Interessenkonflikt zwischen den Sozialleistungsträgern – den Krankenkassen, welche den Versicherten möglichst hochwertige Leistungen zu möglichst geringen Preisen anbieten wollen – und den Leistungserbringern – vorliegend den Vertragsärzten, die eine angemessene Vergütung ihrer erbrachten Leistungen begehren – aufzulösen. Die Interessenvertreter der jeweiligen Seite sind damit gehalten, durch gemeinschaftliches Zusammenwirken zu einer Regelung zu gelangen. Bei der Honorarverteilung im Vertragsarztrecht hat der Gesetzgeber im Wesentlichen in den §§ 87 ff. SGB V den Vertretern der Krankenkassen18 und den Vertretern der Vertragsärzte19 einen weiten Gestaltungsspielraum zur untergesetzlichen Normsetzung ausgeformt. Darüber hinaus zieht der Gesetzgeber den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung aber auch gestalterische Grenzen, indem er zwingende Vorgaben zur Umsetzung wesentlicher Versorgungs- und Vergütungsziele setzt. Die untergesetzlichen Normen im Vertragsarztrecht sind überwiegend als Normenverträge oder Satzungen ausgestaltet, aus denen sich im Zusammenspiel das vertragsärztliche Honorar ergibt. Daraus folgt ein komplexes, ineinandergreifendes Normengefüge, welches nicht nur auf Ebene des Bundesgesetzgebers, sondern vor allem auf untergesetzlicher Bundes- und regionaler Ebene, durch jährliche oder gar quartalsweise Änderungen geprägt ist20. 17
BVerfGE 11, 30 (40). Auf Bundesebene ist dies der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; auf Landesebene sind dies die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen. 19 Auf Bundesebene ist dies die Kassenärztliche Bundesvereinigung; auf regionaler Ebene sind dies die Kassenärztlichen Vereinigungen. 20 Andreas Hellmann, ehem. Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sagte in der Vertreterversammlung vom 6. März 2009 zur Problematik der ambulanten Vergütung: „Früher galt, dass es vier Leute in Deutschland gibt, die das System wirklich durchdringen. Darunter waren zwei, die das System verstehen, die konnten es aber nicht erklären. Und die zwei, die es erklären konnten, haben es aber nicht verstanden. Inzwischen hat sich diese Zahl höchstwahrscheinlich noch einmal deutlich reduziert.“, vgl. Busch, 18
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Zur gerichtlichen Überprüfung der Vergütungsverteilungsregelungen hat sich in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit Beginn der 1990er Jahre ein besonderer Überprüfungsmaßstab entwickelt21. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird „der Normsetzungsspielraum des Satzungsgebers durch den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleiten ist, begrenzt“22. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird vom Bundessozialgericht aus einer Verbindung der Grundrechte der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) hergeleitet. Die gerichtliche Überprüfung anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hat sich in der bereits über 20jährigen Rechtsprechung als zentrales Instrument des Bundessozialgerichts zur Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit unter den Vertragsärzten herausgestellt und hat folglich herausragende Bedeutung in der Kontrolle vertragsärztlicher Vergütungsregelungen erlangt. Die Kombination der beiden Grundrechte soll der besonderen Situation des Vergütungsrechts der Vertragsärzte gerecht werden. Dabei ist vor allem die begrenzte Menge an zur Verfügung gestellten Finanzmitteln, die unbegrenzte Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Leistungen durch die Versicherten und die Gewährleistung eines angemessenen Honorars der Vertragsärzte zu beachten. Innerhalb der Gruppe der Vertragsärzte besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass bei einer begrenzten Menge an zu verteilender Vergütung jedes Mehr an Honorar des einen Vertragsarztes unmittelbar eine geringere, zur Verfügung stehende Honorarmenge des anderen bedeutet23. Schließlich darf überdies auch der Inhalt der Verteilung, also die Gegenleistung für erbrachte Behandlungsleistungen, unter dem Aspekt der leistungsgerechten Verteilung nicht außer Acht gelassen werden. Die vorliegende Arbeit untersucht die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht, Aspekte der Honorarverteilung im Vertragszahnarztrecht bleiben außen vor24. Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht wird zum einen hinsichtlich der gestalterischen Freiräume untersucht, die der Bundesgesetzgeber den Selbstverwaltungspartnern untergesetzlich eröffnet, aber auch im Hinblick auf die Grenzen, die er ihnen Management-Handbuch für Chefärzte, S. 18; Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 21 f. Siehe auch: tagesschau.de, Interview mit Franz Knieps – „Dieses System kann niemand mehr verstehen“, Stand: Oktober 2012, abrufbar unter: http://www.tagesschau.de/inland/honorarstreit102.html (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 21 Vgl. etwa: BSGE 73, 131 ff.; 83, 1 ff.; 205 ff.; 92, 10 ff.; 94, 50 ff.; 100, 254 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2. 22 BSGE 94, 50 (59). 23 Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 20 f. Vgl. auch: Boecken, in: Empter/Sodan, Markt und Regulierung, S. 154, der die Situation zugespitzt beschreibt, indem er ausführt: „Der Vertragsarzt hat keinen natürlichen Feind außer sich selbst.“ 24 Die Ausführungen zum Vertragsarztrecht sind jedoch in wesentlichen Teilen auch auf das Vertragszahnarztrecht übertragbar.
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setzt. Zum anderen betrachtet die Arbeit die gerichtliche Kontrolle von Honorarverteilungsregelungen anhand des verfassungsrechtlichen Maßstabes des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die Untersuchung der durch den Bundesgesetzgeber geschaffenen Honorarverteilungsinstrumente dient der Darstellung des aktuellen vertragsärztlichen Vergütungsrechts und der derzeitigen gesetzgeberischen Ziele. Im Mittelpunkt stehen dabei die Regelungen, die sich unmittelbar auf die Verteilung der Vergütung beziehen. Darüber hinaus wird nach der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit der Normsetzung durch die gemeinsame Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen gefragt. Des Weiteren untersucht die Arbeit, wie das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in ständiger Rechtsprechung zur Überprüfung der Vergütungsverteilungsregelungen im Vertragsarztrecht angewandt und welche einzelnen Ausformungen es dem Grundsatz gegeben hat. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird überdies hinsichtlich seiner Herleitung aus der Verbindung des Art. 12 Abs. 1 GG mit Art. 3 Abs. 1 GG überprüft. Schließlich analysiert die Arbeit die inhaltliche Konturierung und Weiterentwicklung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit vor dem Hintergrund des aktuellen vertragsärztlichen Vergütungsverteilungssystems. Im Teil A. erfolgt zunächst eine knappe Darstellung des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts und des diesem zugrunde liegenden Prinzips der Sachleistung. Darüber hinaus wird das Verhältnis der einzelnen Beteiligten sowohl im Hinblick auf die ambulante Behandlungsleistung als auch hinsichtlich der Gegenleistung genauer betrachtet. Dabei wird die Frage geklärt, ob es sich bei dem Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Versichertem um eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Beziehung handelt. Genauer in den Blick genommen wird vor allem der „Umweg“, den die Vergütung der ambulanten Behandlungsleistungen nimmt. Dahingehend werden die einzelnen Beziehungen des sog. vertragsärztlichen Vierecksverhältnisses näher untersucht, um aufzuzeigen, in welchen sozialrechtlichen Rahmen sich die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht einfügt. Sodann folgt im Teil B. eine umfassende Auseinandersetzung mit den drei wesentlichsten Honorarverteilungsinstrumenten, die auf untergesetzlicher Ebene von den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung festgesetzt werden: dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab, dem Honorarverteilungsmaßstab und der regionalen Euro-Gebührenordnung. Es wird zunächst die Funktion des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs dargestellt, die der Gesetzgeber im Wesentlichen in § 87 SGB V statuiert. Anschließend werden die einzelnen gesetzgeberischen allgemeinen und besonderen Vorgaben betrachtet, um sodann das derzeitige Konzept des Gesetzgebers anhand seiner Ziele skizzieren zu können. Im Weiteren wird die Funktion des Honorarverteilungsmaßstabs nach § 87b SGB V aufgezeigt, und die Verteilungsanordnungen des Gesetzgebers werden zum einen hinsichtlich der mit Einfluss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und zum anderen bezüglich der direkt für die Kassenärztlichen Vereinigungen bestehenden Vorgaben ausführlich untersucht, um auch bei diesem Verteilungsinstrument das dahinterstehende derzeitige gesetzge-
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berische Konzept aufzuzeigen. Schließlich findet eine umfassende Darstellung der Funktion und der einzelnen gesetzlichen Vorgaben der regionalen Euro-Gebührenordnung nach § 87a SGB V statt, die als solche ein verhältnismäßig neues Verteilungsinstrument bildet. Ziel ist es anschließend anhand der unterschiedlichen, die regionale Euro-Gebührenordnung beeinflussenden Komponenten, das zugrundeliegende Konzept des Gesetzgebers für die regionale Euro-Gebührenordnung zu veranschaulichen. Teil C. beschäftigt sich mit der normativen Wirkung der einzelnen vertragsärztlichen Verteilungsinstrumente und der Frage nach der demokratischen Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung. Dafür wird zunächst der Rechtsnormcharakter des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs, des Honorarverteilungsmaßstabs und der regionalen Euro-Gebührenordnung aufgezeigt. Im Anschluss daran wird die Vereinbarkeit der Normsetzung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht mit Art. 20 Abs. 2 GG geprüft. Dabei werden die Aspekte der personellen und sachlich-inhaltlichen Legitimation sowohl des normsetzenden Bewertungsausschusses als auch der normsetzenden Kassenärztlichen Vereinigungen näher beleuchtet. Im Teil D. wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts untersucht. Zunächst wird die Frage beantwortet, ob der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vom Bundessozialgericht zur Überprüfung aller Honorarverteilungsregelungen herangezogen wurde. Anschließend wird die Art und Weise der Überprüfung des Bundessozialgerichts im Hinblick auf einzelne Anforderungen an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der Prüfungsvorgehensweise des Gerichts herausgearbeitet. Im Weiteren wird das Verhältnis des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen, insbesondere dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung und dem Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen, aufgezeigt. Abschließend findet eine Darstellung der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwandten Gründe statt, die zur Rechtfertigung eines möglichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit herangezogen wurden. Teil E. beschäftigt sich damit, welche verschiedenen Ausformungen der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in unterschiedlichen Fallgruppen in der Rechtsprechung gefunden hat. Dabei wird zunächst die Fallgruppe der Honorartöpfe betrachtet, in welcher der Grundsatz die Form eines Überprüfungsmaßstabs und einer Rechtsgrundlage zur Pflichtenbegründung angenommen hat. Anschließend findet eine Auseinandersetzung mit der Fallgruppe der psychotherapeutischen, zeitabhängigen Leistungserbringung statt, für welche der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine Anspruchsgrundlage und ebenfalls eine Rechtsgrundlage zur Pflichtenbegründung dargestellt hat. Darüber hinaus wird die Verwendung des Grundsatzes durch das Bundessozialgericht in der Fallgruppe der Aufbaupraxen als Anspruchsgrundlage und in der Fallgruppe der allgemeinen
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Härteklauseln als Grundlage für eine richterliche Rechtsfortbildung näher beleuchtet. Im Teil F. wird die Grundrechtsverbindung des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, aus welcher das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit stets hergeleitet hat, näher untersucht. Innerhalb der Überprüfung der Grundrechtsverbindung wird zunächst die Frage thematisiert, ob das Bundessozialgericht bisher begründet hat, warum es der verbundenen Grundrechtsprüfung bedarf. Sodann wird untersucht, warum überhaupt eine Verknüpfung der Berufsfreiheit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erforderlich ist und ob nicht eine getrennte Prüfung beider Grundrechte den gleichen, wenn nicht sogar höheren Schutz für Vertragsärzte gewähren würde. Dabei werden jeweils der reguläre Schutzumfang der einzelnen Grundrechte und die Besonderheiten im Vertragsarztrecht herausgearbeitet, um daran anschließend sowohl die Anforderungen der Berufsfreiheit als auch die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes an das vertragsärztliche Vergütungssystem zu bestimmen. Im Anschluss wird die Frage beantwortet, ob bei einer gerichtlichen Überprüfung von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen eine verbundene Prüfung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vorgenommen werden sollte. Innerhalb dieser Prüfung wird zunächst die verbundene Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in anderen Berufsbereichen herangezogen und es werden einzelne, die Verbindung der Grundrechte begründende Aspekte auf das Vertragsarztrecht übertragen. Anschließend stellt sich die Frage, ob Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auch als Maßgabe für den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit dienen sollte. Dabei findet eine Auseinandersetzung mit der in der Literatur zum Grundsatz bestehenden Kritik statt. Der abschließende Abschnitt der Arbeit, Teil G., gibt sodann auf der Grundlage der in den vorangegangenen Abschnitten gewonnenen Ergebnisse eine Antwort auf die eingangs gestellten Fragen nach den gestalterischen Freiräumen und Grenzen bei der Honorarverteilung des Vertragsarztrechts, die durch den SGB V-Gesetzgeber eröffnet und gesetzt worden sind, und der verfassungsrechtlichen Grenzziehung und Gestaltungsfreiheit, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit geboten hat. Überdies werden die zukünftigen gesetzgeberischen Tendenzen und die Möglichkeiten der Rechtsprechung, auf diese mittels des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu reagieren, ins Auge gefasst.
A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte I. Leistungs- und Leistungserbringungsrecht Die gesetzliche Krankenversicherung gewährt Leistungen im Fall der Krankheit1. Der Anspruch auf Sach- oder Dienstleistungen eines Versicherten richtet sich gegen die Krankenkassen als Sozialleistungsträger2. Allerdings erbringen die Krankenkassen die Leistungen nicht selbst3, da sie nicht über die hierfür erforderlichen sachlichen und personellen Mittel verfügen, die von ihnen geschuldeten Leistungen selbst zu erbringen. Vielmehr bedienen sie sich der Hilfe privater Dritter, sog. Leistungserbringer, welche dann für die Krankenkassen die Leistungen am Versicherten erbringen. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern4. Diese besondere, bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts erstmals aufgenommene5 Struktur der Leistungserbringung durch Dritte, „anstelle von“ oder „im Zusammenwirken mit“ den Sozialleistungsträgern6, macht eine Leistungsgewährung zwar komplizierter, erhöht aber deren Effizienz maßgeblich7.
1. Sachleistungsprinzip Das der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde liegende System der Leistungserbringung beruht grundsätzlich auf dem in § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V kodifi-
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Vgl. § 11 S. 1 SGB I, der als Sozialleistungen Dienst-, Sach- und Geldleistungen vorsieht. Vgl. § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGB V. 3 Gesetzlich nur in Ausnahmefällen vorgesehen, vgl. § 140 SGB V. Auch das BSG sieht dies nicht vor, vgl. BSGE 90, 84 ff. 4 Vgl. §§ 2 Abs. 2 S. 3, 69 ff. SGB V. 5 Das Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, im Jahre 1892 bekannt gemacht als Krankenversicherungsgesetz (KVG), kodifizierte in seinem § 6 Abs. 1 Nr. 1 erstmalig das Sachleistungsprinzip mit der Folge, dass die Krankenkassen Verträge mit den sog. Kassenärzten schließen mussten, vgl. RGBl. I 1883, S. 73 ff.; RGBl. I 1892, S. 379 ff. Vgl. auch: Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen Schiedswesens, S. 27; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 10. 6 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 228; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 7. 7 Becker/Meeßen/Neueder/Schlegelmilch/Schön/Vilaclara, VSSR 2011, S. 325. 2
I. Leistungs- und Leistungserbringungsrecht
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zierten8 Sachleistungsprinzip9. Das Sachleistungsprinzip legt im Fall einer ärztlichen Behandlungsleistung fest, dass der Anspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse nicht darin besteht, die ihm bereits als Gegenleistung an den Leistungserbringer gezahlten Kosten der Behandlung zu erstatten – so das sog. Kostenerstattungsprinzip10 –, sondern dem Versicherten die Leistungen in natura zu verschaffen11. Das bedeutet, die Versicherten erhalten die Leistungen grundsätzlich kostenfrei, vorfinanzierungs- und risikolos12. Das dem Grunde nach privatrechtlich ausgestaltete Behandlungsverhältnis zwischen Leistungserbringer und versichertem Leistungsempfänger13 wird einer vergütungsbezogenen Modifikation14 unterzogen: Die Leistung – im Fall des Vertragsarztes die ambulante ärztliche Behandlung – erfolgt vom Leistungserbringer direkt an den Versicherten; die Gegenleistung, d. h. die Vergütung des Vertragsarztes, wird allerdings nicht direkt vom Versicherten an den Vertragsarzt bezahlt, sondern gelangt erst nach einem „Umweg“ über die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung an den Vertragsarzt15. Sinn und Zweck dieser Verschiebung des Vergütungsrisikos16 besteht darin, den Versicherten von der Vorleistungspflicht zu befreien17 und dadurch die tatsächliche Durchführung der Leistung18 – im Fall der ambulanten ärztlichen Behandlung, die ärztliche Ver8 Seit dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) mit Wirkung ab dem 1. Januar 1989 im SGB V festgeschrieben, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2482). 9 Teilweise auch als „Naturalleistungsprinzip“ bezeichnet, vgl. etwa: BSGE 88, 193 (197); Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 122. Vgl. auch: BSGE 69, 170 (173); 88, 193 (197); Fischer, in: Blanke, Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 140 m.w.N.; Schnapp, NZS 2001, S. 341. 10 Dieses der privaten Krankenversicherung zugrunde liegende Prinzip gilt in der gesetzlichen Krankenversicherung nur in Ausnahmefällen, vgl. § 13 Abs. 1 SGB V. Anders auch der staatliche Gesundheitsdienst, in welchem die Träger selbst eine unmittelbare Bereitstellungspflicht der Leistung trifft, vgl. Eichenhofer, SGb 2003, S. 366; Igl/Welti, Sozialrecht, § 18 Rn. 1. Zur Verteilung von Mitteln in Großbritannien und den USA, vgl. Fleischhauer, Aufbringung und Verteilung von Mitteln für das Gesundheitswesen, S. 73 ff., 95 ff. 11 BSGE 42, 117 (119); 69, 170 (172); 88, 20 (26); Ebsen, in: v. Maydell/Ruland/Becker, SRH, § 15 Rn. 60; Fischer, in: Blanke, Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 140; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 239; Jörg, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 11 Rn. 1; Muckel, SGb 1998, S. 385; Muckel/Ogorek, Sozialrecht, § 8 Rn. 63, 134; Noftz, in: Hauck/ Noftz, SGB V, § 2 SGB V Rn. 78 ff.; Zuck, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 9 Rn. 4. 12 BVerfGE 11, 30 (31); Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 2 SGB V Rn. 79. 13 Vgl. § 630a Abs. 1 BGB. Siehe dazu näher in diesem Abschnitt II. 2., S. 32 ff. 14 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 127. 15 Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 63. Vgl. auch: § 630a Abs. 1 BGB a.E. 16 Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 128. 17 So etwa: BSGE 73, 271 (274 f.); Fischer, in: Blanke, Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 152 m.w.N.; Muckel/Ogorek, Sozialrecht, § 8 Rn. 63; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 63. 18 Fuchs, in: Becker, Rechtsdogmatik und Rechtsvergleich im Sozialrecht I, S. 316; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 62.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
sorgung19 – durch eine entsprechende Herabsetzung der Hemmschwelle des Arztbesuches sicherzustellen20. Darüber hinaus bezweckt das Sachleistungsprinzip die Gewährleistung einer wirtschaftlichen Leistungserbringung im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V, indem der Krankenkasse erhöhte Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen21. Eine Steuerung der Leistungskosten ist – anders als im Kostenerstattungsprinzip – demnach in den durch das Sachleistungsprinzip eröffneten Vertragsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern – bzw. im Vertragsarztrecht mit der Kassenärztlichen Vereinigung – einfacher möglich22, da in dieser Konstellation gerade kein ausnahmslos privatrechtlicher Individualvertrag zwischen Leistungserbringer und Versichertem besteht23.
2. Leistungsrecht als konkreter Individualanspruch Das in § 2 SGB V verankerte Sachleistungsprinzip zeigt auf, wie eng das Leistungs- und das Leistungserbringungsrecht miteinander verknüpft sind24. Während Satz 1 des § 2 Abs. 2 SGB V den Versicherten den Anspruch auf Sach- und Dienstleistungen eröffnet und damit auf das im dritten Kapitel des SGB V (§§ 11 bis 68 SGB V) verankerte Leistungsrecht Bezug nimmt, verweist Satz 3 des § 2 Abs. 2 SGB V zur näheren Ausgestaltung der Leistungserbringung auf die Verträge nach den Vorschriften des vierten Kapitels (§§ 69 bis 140 h SGB V), also auf das Leistungserbringungsrecht. Damit zeigt sich die gesetzgeberische Wertung, nach welcher durch das Recht der Leistungserbringung ausreichend Sach- und Dienstleistungen zur Versorgung der Versicherten zur Verfügung gestellt werden sollen25. Folglich findet bereits in § 2 Abs. 2 SGB V eine Verknüpfung von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht statt26.
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Jörg, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 11 Rn. 1; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 62. Vgl. auch: §§ 70, 72 Abs. 1 SGB V. 20 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 121. 21 Fischer, in: Blanke, Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 153. 22 Fischer, in: Blanke, Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 154; Zuck, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 9 Rn. 4. Vgl. zu Steuerungsinstrumenten in der Leistungserbringung: Becker/Meeßen/Neueder/Schlegelmilch/Schön/Vilaclara, VSSR 2011, S. 338 f. 23 Fischer, in: Blanke, Die Reform des Sozialstaats zwischen Freiheitlichkeit und Solidarität, S. 154. 24 Vgl. etwa: Beeretz, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 6 Rn. 6; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 105. 25 BSGE 81, 54 ff. 26 Siehe auch: BSGE 81, 54 ff.
I. Leistungs- und Leistungserbringungsrecht
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Nach früher herrschender Ansicht kam im Rahmen des Verhältnisses von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht dem Leistungsrecht Vorrang zu27. Der Versicherte hatte demnach auch dann einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung, wenn zwar die Voraussetzungen des § 12 SGB V28, nicht aber die des Leistungserbringungsrechts erfüllt waren29. Begründet war diese Ansicht zum einen damit, dass die vertragsärztliche Versorgung vorrangig das Ziel besaß, das Sachleistungsprinzip zu realisieren30. Zum anderen habe das Leistungserbringungsrecht gegenüber dem Leistungsrecht ausschließlich eine dienende Funktion31. Überdies ergäben sich Ansprüche des Versicherten aus dem Leistungsrecht unabhängig von den Regelungen des Leistungserbringungsrechts, was sich insbesondere aus der normenhierarchischen Stellung des Leistungs- gegenüber dem Leistungserbringungsrecht ergebe32. Das Leistungsrecht ist überwiegend parlamentsgesetzlich im SGB V, das Leistungserbringungsrecht vor allem in untergesetzlichen Verträgen und Richtlinien der gemeinsamen Selbstverwaltung geregelt. Daraus schließe sich der Vorrang des Leistungsrechts33. In den 1990er Jahren hatte das Bundessozialgericht durch mehrere Entscheidungen seine Ansicht zugunsten eines Vorrangs des Leistungserbringungsrechts gegenüber dem Leistungsrecht geändert34. Der Leistungsanspruch des Versicherten nach §§ 27 ff. SGB V war danach ein ausfüllungsbedürftiges subjektiv-öffentlichrechtliches Rahmenrecht35. Erst durch die untergesetzlichen Regelungen des Leistungserbringungsrechts und die individuelle Behandlungsentscheidung des Leistungserbringers konkretisiere sich dieses – lediglich als Anspruch dem Grunde nach – ausgestaltete Rahmenrecht. Mithin kam der ärztlichen Behandlung eine 27
BSGE 63, 102 ff.; 73, 66 ff.; Estelmann/Eicher, SGb 1991, S. 256; Schulin, ZSR 1994, S. 558 ff. 28 § 12 SGB V hat insbesondere in seinem Absatz 1 folgende Voraussetzungen: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“ 29 BSG, NJW 1975, S. 1478; BSGE 70, 24 (29); Engelhard, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 12 SGB V Rn. 146; Roters, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 12 SGB V Rn. 12; Schulin, ZSR 1994, S. 558 ff., 562. 30 Jörg, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 11 Rn. 14; Schulin, ZSR 1994, S. 559. 31 Schulin, ZSR 1994, S. 559. 32 Jörg, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 11 Rn. 14; Neumann, SGb 1998, S. 610. 33 Vgl. auch Darstellung bei: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 103 f. 34 Vgl. etwa: BSGE 73, 271 ff.; 78, 70 ff.; 154 ff.; 81, 54 ff.; 73 ff. 35 BSGE, 73, 271 (279 f.); 78, 70 (85); Francke, SGb 1999, S. 6; Hinz, ZfS 2006, S. 146; Neumann, NZS 2001, S. 515; Schwerdtfeger, NZS 1998, S. 49; Wodarz, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 27 Rn. 2. Im Hinblick auf die psychotherapeutische Versorgung, vgl. auch: Ebsen, VSSR 2000, S. 277 ff.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
Schlüsselstellung zu, da der Leistungserbringer – hier der Vertragsarzt – erst nach erfolgter Diagnose die konkret zur Anwendung kommende und vom Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Therapie bestimme36. Folglich ließ sich das Leistungsrecht erst durch das Leistungserbringungsrecht realisieren37. Der erste Senat des Bundessozialgerichts hat in jüngerer Zeit entschieden, dass es sich bei dem Leistungsanspruch nicht mehr nur um ein bloßes subjektiv-öffentliches Rahmenrecht handelt. Vielmehr sei der krankenversicherungsrechtliche Leistungsanspruch nach § 27 SGB V als konkreter Individualanspruch zu qualifizieren38. Damit wird erneut der Vorrang des Leistungsrechts und die lediglich dienende Funktion des Leistungserbringungsrechts in den Vordergrund gestellt39. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V, nach dem Versicherte einen „Anspruch auf Krankenbehandlung“ haben, und andererseits aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, da der Anspruch auf Behandlung im Krankheitsfall gerade den Versicherungs- und Beitragszwang rechtfertigt und Ausfluss der objektiv-rechtlichen Pflicht ist, sich schützend vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu stellen40. Die Abwendung vom Rahmenrecht verhindert allerdings nicht, dass die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses auch weiterhin das Leistungsrecht konkretisieren. Schließlich kann die Reichweite des konkreten Individualanspruchs erst im Zusammenwirken mit den gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen bestimmt werden41. Die Annahme eines konkreten Individualanspruchs kann zu einer stärkeren gerichtlichen Kontrolle der untergesetzlichen leistungserbringungsrechtlichen Regelungen führen und die Patientenautonomie fördern42.
II. Vertragsarztrechtliches Vierecksverhältnis Die vertragsärztliche Leistungserbringung ist – zumindest hinsichtlich der Vergütung des Vertragsarztes43 – geprägt durch ein viereckiges Konstrukt der Rechts36 BSGE 73, 271 (280 ff.); 81, 54 (60 f.); Beeretz, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 6 Rn. 8; Engelhard, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 12 SGB V Rn. 148; Knispel, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK-SGB V, § 27 SGB V Rn. 14; Roters, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 12 SGB V Rn. 13; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 12 SGB V Rn. 4. 37 Neumann, SGb 1998, S. 609. Vgl. auch: Beeretz, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 6 Rn. 11. 38 Vgl. etwa: BSGE 113, 241 (243 f.); BSG, NZS 2015, 26 (28). Siehe auch: Axer, GesR 2015, S. 641 f.; Schroeder-Printzen, GesR 2015, S. 218. 39 Axer, GesR 2015, S. 642. 40 Axer, GesR 2015, S. 642. 41 BSG, NZS 2015, 26 (28); Axer, GesR 2015, S. 642. 42 Axer, GesR 2015, S. 642. 43 Zum Teil wird im Hinblick auf die gesamten Rechtsstrukturen im Vertragsarztrecht von einem „Fünf-“ oder „Mehreck“ gesprochen, vgl. Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 20;
II. Vertragsarztrechtliches Vierecksverhältnis
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beziehungen44. Diese Konstruktion ist im Leistungserbringungsrecht eine Besonderheit45, da die anderen Leistungserbringer, etwa Krankenhäuser und Apotheken, hinsichtlich der Vergütung in direkter Verbindung mit der Krankenkasse stehen und somit ein sog. Leistungsdreieck46 zwischen dem Versicherten, der Krankenkasse und dem Leistungserbringer entsteht. Diese vertragsarztrechtliche Eigenheit der vier Ecken beruht maßgeblich in den durch eine Änderung der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 14. Januar 193247 eingerichteten Kassenärztlichen Vereinigungen und deren Aufgabe, die Gesamtvergütung unter den Kassenärzten zu verteilen48. Insoweit wurden die Vertragsärzte nicht individuell als einzelne Leistungserbringer, sondern durch Gesamtverträge vergütet, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen vereinbart wurden49. Fortan bildeten die Kassenärztlichen Vereinigungen die im Vertragsarztrecht besondere vierte Ecke50.
1. Die Funktion der Kassenärztlichen Vereinigung Die Kassenärztliche Vereinigung hat mehrere Aufgaben und Funktionen. Zunächst hat die Kassenärztliche Vereinigung den Auftrag, die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen51. Der Sicherstellungsauftrag52 resultiert aus dem Sachleistungsprinzip und der kollektivvertraglichen Organisation der gePenner, Leistungserbringerwettbewerb in einer sozialen Krankenversicherung, S. 47; Siewert, Das Vertragsarztrecht, S. 118; Wilk, Die Rechtsbeziehungen im Vertragsarztwesen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Belegarztes, S. 50. 44 Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 206; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 372; Igl/Welti, Sozialrecht, § 18 Rn. 15; Wigge/Harney, MedR 2008, S. 142. Zum historischen Hintergrund der Besonderheiten der vertragsarztrechtlichen Vergütung, vgl. etwa: Gerlinger, Wettbewerbsordnung und Honorarpolitik, S. 69 ff.; Höftmann, Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner rechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik. 45 Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 120 f., 161. 46 Becker/Meeßen/Neueder/Schlegelmilch/Schön/Vilaclara, VSSR 2011, S. 333 ff.; Wigge/ Harney, MedR 2008, S. 142. 47 RGBl. I 1932, S. 19 ff. 48 § 368e Abs. 2 RVO 1932. Vgl. auch: Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen Schiedswesens, S. 36; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 131. 49 § 368 Abs. 2 RVO 1932. 50 Vgl. Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 8 Rn. 2. 51 § 75 Abs. 1 S. 1 HS. 1 SGB V. Umfassend zum Sicherstellungsauftrag, vgl. etwa: Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen; Raichle, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung. 52 Zur Abgrenzung zwischen dem gemeinsamen (zusammen mit den Krankenkassen) und dem alleinigen Sicherstellungsauftrag, vgl. etwa: Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19 Rn. 10 ff.; Hesral, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 75 SGB V Rn. 33 ff.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
setzlichen Krankenversicherung53. Der Kassenärztlichen Vereinigung kommt als Zusammenschluss der Vertragsärzte und als Vertragspartner der Krankenkassen der Sicherstellungsauftrag insbesondere deshalb zu, weil es den Krankenkassen grundsätzlich gesetzlich nicht erlaubt ist, in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu den als Leistungserbringer tätigen Vertragsärzten zu treten. Allerdings ist der Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dann eingeschränkt, wenn den Krankenkassen durch Gesetz ermöglicht wird, direkt in Rechtsbeziehungen zu den Vertragsärzten zu treten54. Dies ist etwa im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V oder innerhalb der besonderen Versorgung nach § 140a SGB V möglich. Soweit die vertragsärztliche Versorgung durch die entsprechenden Verträge durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung eingeschränkt55. Die Kassenärztliche Vereinigung erfüllt den Sicherstellungsauftrag durch die Leistungserbringung ihrer Mitglieder und damit vorrangig durch Vertragsärzte56. Die Vertragsärzte sind nach § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V zur Erfüllung der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt, aber auch verpflichtet. Ziel des Sicherstellungsauftrages ist es, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ärztliche Versorgung in zumutbarer Entfernung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik mit Rücksicht auf Rationalisierungs- und Modernisierungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen57. Der Umfang des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigung richtet sich durch den Verweis in § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V nach der in § 73 Abs. 2 SGB V aufgeführten vertragsärztlichen Versorgung. Der Sicherstellungsauftrag wird zudem durch die Absätze 1a und 1b des § 75 SGB V auf das Zurverfügungstellen angemessener und zeitnaher fachärztlicher Versorgung durch sog. Terminservicestellen und auf die vertragsärztliche Versorgung zu sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) erweitert. Um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern, hat die Kassenärztliche Vereinigung nach § 105 Abs. 1 S. 1 HS. 1 SGB V alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen. Neben dem Sicherstellungsauftrag kommt der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gewährleistungsfunktion gegenüber den Krankenkassen zu. Nach § 75 Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V hat die Kassenärztliche Vereinigung den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Pflicht zur Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber den Krankenkassen ist das Gegenstück zur Übertragung des Sicherstellungsauftrages an die Kas53
Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19 Rn. 17; Huster, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 75 SGB V Rn. 2. 54 Vgl. etwa: Schirmer,Vertragsarztrecht kompakt, S. 90. 55 Vgl. etwa: §§ 73b Abs. 4 S. 6, 140a Abs. 1 S. 4 SGB V. 56 Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19 Rn. 39; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 4. 57 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 7.
II. Vertragsarztrechtliches Vierecksverhältnis
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senärztliche Vereinigung58. Schließlich müssen die Krankenkassen sichergehen können, dass die von ihnen gegenüber ihren Versicherten geschuldete vertragsärztliche Versorgung auch tatsächlich sichergestellt wird. Anspruchsgegner der einzelnen Versicherten ist insoweit nicht die Kassenärztliche Vereinigung, sondern die Krankenkasse. Die Gewährleistungspflicht bedeutet, dass die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber den Krankenkassen dafür Sorge zu tragen hat, den Leistungsanspruch der Versicherten durch die Erbringung der vertragsärztlichen Leistungen nach Umfang, Inhalt und qualitativem Standard, wie er durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses festgelegt wird, zu erfüllen59. Dem Inhalt nach hat die Kassenärztliche Vereinigung somit einerseits die ordnungsgemäße Abrechnung der an der Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte und Einrichtungen und andererseits die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen durch die Vertragsärzte zu gewährleisten, wobei hinsichtlich des Gewährleistungsgedankens eine klare Trennung zwischen Abrechnung und Erbringung nicht immer möglich ist60. Überdies hat die Kassenärztliche Vereinigung die Funktion, die Rechte ihrer Mitglieder – der Vertragsärzte – gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Die sich aus § 75 Abs. 2 S. 1 SGB V ergebene Rechtswahrnehmungspflicht ist eine Konsequenz daraus, dass die Krankenkassen im Rahmen des kollektivvertraglichen Leistungs- und Leistungserbringersystems grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den Vertragsärzten haben. Daher ist es nur folgerichtig, dass der Kassenärztlichen Vereinigung eine Pflicht zur Wahrnehmung der Rechte ihrer Mitglieder gegenüber den Krankenkassen zukommt61. Die Pflicht zur Rechtswahrnehmung zugunsten der Vertragsärzte auf der einen und die Pflichten zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sowie zur Gewährleistung dieser Sicherstellung gegenüber den Krankenkassen auf der anderen Seite verdeutlichen die Doppelfunktion, die der Kassenärztlichen Vereinigung zukommt62. Die Kassenärztliche Vereinigung hat eine Ausgleichsfunktion zwischen der Wahrnehmung freiberuflicher Interessen ihrer Mitglieder, vor allem hinsichtlich einer angemessenen Vergütung der ambulanten Leistungserbringung, und der sachgerechten Er-
58 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 9. Vgl. auch: Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19 Rn. 47; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 19. 59 Hesral, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 75 SGB V Rn. 39. Vgl. auch: § 75 Abs. 2 S. 2 SGB V. 60 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 9; Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 57, 60 ff.; Steinhilper, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 28 Rn. 23 ff. 61 Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19 Rn. 53; Huster, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 75 SGB V Rn. 16. 62 Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 19 Rn. 53; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 32; Wendtland, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK-SGB V, § 75 SGB V Rn. 25.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
füllung des Anspruches der Versicherten auf vertragsärztliche Behandlung63. Die Wahrnehmung der Rechte der Vertragsärzte ist stets am Gemeininteresse der Vertragsärzteschaft auszurichten. Wirtschaftliche Interessen einzelner Vertragsärzte dürfen durch die Kassenärztliche Vereinigung nicht wahrgenommen werden64. Aus diesem Grund sind etwaige Verpflichtungen der Kassenärztlichen Vereinigung nicht von den Vertragsärzten einklagbar65.
2. Die Leistung: Vertragsarzt – Versicherter Die Leistung ist im Fall der Leistungserbringung durch den Vertragsarzt gemäß § 630a Abs. 1 BGB „die medizinische Behandlung eines Patienten“. So klar das Bürgerliche Gesetzbuch den sog. Behandlungsvertrag auf den ersten Blick regelt, so umstritten war lange Zeit die Zuordnung der Rechtsnatur dieses Leistungsverhältnisses in Literatur und Rechtsprechung66. Dabei konzentrierte sich die Auseinandersetzung auf die Frage, ob sich der gesetzliche Rahmen, in welchen sich die Leistungsbeziehung einwebt, eher als ein öffentlich-rechtlicher, so die sog. Versorgungskonzeption, oder aber als ein bürgerlich-rechtlicher, so die sog. Vertragskonzeption, charakterisieren lässt67. Das Bundessozialgericht68 und Teile der Literatur69 sahen das Verhältnis vom Vertragsarzt zum Versicherten als ein gesetzliches Rechtsverhältnis öffentlich63 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 32; Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 36. 64 BSG, SozR 3 – 2500 § 75 Nr. 8, Leitsatz. Vgl. auch: Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 36. 65 BSG, SozR 3 – 2500 § 75 Nr. 8, Leitsatz. Vgl. auch: Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 33. 66 Ausführlich dazu: Höftmann, Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner rechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik, S. 75 ff.; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 200 f.; Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 20 ff.; Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207 ff.; Wilk, Die Rechtsbeziehungen im Vertragsarztwesen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Belegarztes, S. 53 ff. 67 Die Begriffe „Versorgungs-“ und „Vertragskonzeption“ verwenden etwa: Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 88 ff.; Kubella, Patientenrechtegesetz, S. 113 ff.; Lang, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 76 SGB V Rn. 22 f.; Quaas, in: ders./ Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 14 Rn. 4; Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 196 f.; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 147 ff.; Wilk, Die Rechtsbeziehungen im Vertragsarztwesen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Belegarztes, S. 57 ff. 68 BSGE 33, 158 (160 f.); 59, 172 (177). 69 Vgl. etwa: Haueisen, NJW 1956, S. 1746; Krause, SGb 1982, S. 428 ff.; Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 224 ff.; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 126 f. m.w.N.
II. Vertragsarztrechtliches Vierecksverhältnis
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rechtlicher Natur. Begründet sahen die Befürworter diese Konzeption bereits in der unstreitig nicht bestehenden Pflicht des gesetzlich Versicherten, den Vertragsarzt zu vergüten. Auch sei die medizinische Behandlung dem Grunde nach nicht vom Vertragsarzt, sondern von der Krankenkasse als Sachleistung geschuldet. Es fehle somit an den bürgerlich-rechtlichen Vertrag charakterisierenden Hauptleistungspflichten. Schließlich sei § 76 Abs. 4 SGB V – welcher bei Behandlungen gegenüber dem Versicherten zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts verpflichtet – ansonsten kaum erforderlich, ihm komme anderenfalls eine überflüssige lediglich deklaratorische Wirkung zu. Hingegen sahen der Bundesgerichtshof70 und andere Teile der Literatur71 das Verhältnis als eines mit zivilrechtlichem Charakter. Hintergrund sei gerade die Autonomie des gesetzlich Versicherten und die das Vertragsarzt-Versicherten-Verhältnis prägende persönliche Vertrauensbasis. Diese sei nicht anders ausgestaltet als zwischen dem (Vertrags-)arzt und dem privat Versicherten. Nur durch eine zivilrechtliche Einbettung des streitigen Verhältnisses könne eine Parallele zum Leistungsverhältnis in der privaten Krankenversicherung gezogen werden72. Der § 76 Abs. 4 SGB V sei daher nur deklaratorisch und stelle lediglich zusätzlich fest, dass im Hinblick auf die ärztlichen Sorgfaltspflichten kein Unterschied zwischen privat und gesetzlich Versichertem zu machen sei. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte der Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 201373 und die darin statuierte Aufnahme des § 630a Abs. 1 BGB ist diese – in der Theorie viel umstrittene, in der Praxis aber kaum relevante74 – Frage nach der Rechtsnatur des Leistungsverhältnisses zwischen Vertragsarzt und ge-
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BGHZ 47, 75 (78 f.); 63, 306 (309); 76, 259 (261); 89, 250 (260); 97, 273 (276); 100, 363 (367); BGH, NJW 2000, S. 3429 (3430). 71 Vgl. etwa: Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 373 ff.; ders., SGb 2003, S. 367; Heinze, SGb 1990, S. 173; Hesral, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 72 SGB V Rn. 75; Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 21; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rn. 1; Kubella, Patientenrechtegesetz, S. 112 ff. m.w.N.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kapitel III Rn. 1; Quaas, in: ders./Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 4 f.; Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 195 ff.; Schulin, Vergütungen für zahntechnische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 18. 72 Dabei ist richtigerweise davon auszugehen, dass zwischen Vertragsarzt und gesetzlich Versichertem sowie zwischen (Vertrags-)arzt und privat Versichertem hinsichtlich des Behandlungsverhältnisses in tatsächlicher Weise kein Unterschied besteht. Vgl. auch: Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 21; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 157. 73 BGBl. I 2013, S. 277 ff. 74 Aufgrund des Verweises in das bürgerliche Recht durch die Regelung des § 76 Abs. 4 SGB V war selbst bei Annahme der öffentlich-rechtlichen Versorgungskonzeption im Fall von schuldhaft fehlerhafter Behandlung durch einen Vertragsarzt der Zivilrechtsweg eröffnet. Vgl. auch: Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 21; Preis/Schneider, NZS 2013, S. 282; Wenner, Soziale Sicherheit 2012, S. 105 f.; ders., SGb 2013, S. 163.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
setzlich Versichertem zugunsten einer privatrechtlichen Lösung geklärt75. Der Wortlaut der Regelung lässt zwar nur indirekt eine Antwort erkennen, da auf Seiten der Leistungserbringung nur generell von der medizinischen Behandlung eines „Patienten“, hinsichtlich der Gegenleistung allerdings zwischen „Patienten“ und einem „Dritten“ unterschieden wird76. Zumindest die Gesetzesbegründung stellt aber eindeutig klar, dass Vertragsarzt und gesetzlich Versicherter „einen privatrechtlichen Vertrag abschließen und der Arzt aus diesem Vertrag die Leistung der fachgerechten Behandlung schuldet“77. Jedoch überlagere das öffentliche Recht der gesetzlichen Krankenversicherung an dieser Stelle das Privatrecht mit der Folge, dass sich der ansonsten synallagmatische Behandlungsvertrag zwischen dem Vertragsarzt und dem gesetzlich Versicherten in ein partiell einseitiges Vertragsverhältnis umwandle78. Die Vergütungspflicht des gesetzlich Versicherten entfalle zwar, obgleich der Vertragsarzt weiterhin die Leistung der versprochenen Behandlung schulde79. Damit ist auch gesetzlich statuiert, dass die medizinische Behandlungsleistung zum einen und die Vergütung als Gegenleistung zum anderen nicht nur unterschiedliche Wege nehmen – die Leistung erfolgt direkt, die Gegenleistung nimmt ihren Weg über das Viereck –, sondern auch in ihrer Rechtsnatur verschieden sind.
3. Der Weg der Gegenleistung a) Versicherter – Krankenkasse Der Weg, den die Gegenleistung nimmt, beginnt – vereinfacht – beim Leistungsempfänger, dem Versicherten, der nicht wie in einem bipolaren Leistungsverhältnis üblich die Vergütung an den Leistungserbringer direkt, sondern an seine Krankenkasse in Form eines monatlichen Beitrags zahlt80. Genauer betrachtet, erfolgt dieser erste Schritt des Vergütungsweges allerdings in vielen kleinen Teilschritten. Zunächst bedarf es eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Leistungsempfänger und der jeweiligen Krankenkasse, eines sog. Versicherungsverhältnisses81. Dieses wird im Regelfall82 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit der Beschäf75 Vgl. etwa: Katzenmeier, NJW 2013, S. 817; Spickhoff, VersR 2013, S. 270; Wenner, Soziale Sicherheit 2012, S. 105 f. A.A. auch nach dem Erlass des § 630a BGB: Hauck, SGb 2014, S. 11 f., der eine Bestätigung der früheren Vertragskonzeption u. a. schon wegen fehlender SGB V-Änderungen verneint. 76 § 630a Abs. 1 BGB. Vgl. dazu auch: Preis/Schneider, NZS 2013, S. 282; Wagner, VersR 2012, S. 790. 77 BT-Drs. 17/10488, S. 19. 78 BT-Drs. 17/10488, S. 19. 79 BT-Drs. 17/10488, S. 19. 80 Vgl. § 20 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 220 Abs. 1 SGB V. 81 Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 19; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 192 ff.; Wilk, Die Rechtsbeziehungen im
II. Vertragsarztrechtliches Vierecksverhältnis
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tigung in abhängiger Arbeit83 begründet. Nach Maßgabe des § 186 SGB V folgt daraus die Mitgliedschaft des Versicherten und regelmäßig dessen Beitragspflicht nach § 249 SGB V. Die Höhe des Beitrags richtet sich dabei nach dem durch Gesetz gemäß § 241 SGB V festgesetzten Beitragssatz – derzeit in Höhe von 14,6 %84 der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 226 SGB V – und nicht etwa nach den Risiken des Versicherten. Getragen werden die Beiträge allerdings im Sinne des § 249 Abs. 1 SGB V von den Versicherten und deren Arbeitgebern zu gleichen Teilen, wobei der Arbeitgeber gemäß § 253 SGB V i.V.m. §§ 28d-28n SGB IV beide Anteile vom Arbeitsentgelt abzuführen hat. Die Beiträge fließen sodann mit sonstigen Einnahmen85 dem sog. Gesundheitsfonds nach § 271 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, gebündelt für alle Krankenkassen, zu. Nach § 266 SGB V erhalten die einzelnen Krankenkassen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, die sich zum einen aus einer Grundpauschale pro Versichertem und zum anderen aus Zu- und Abschlägen zusammensetzen. Diese dienen dem Ausgleich der verschiedenen Risiken, die bei den jeweiligen Krankenkassen bestehen, sofern bei der einen Krankenkasse überdurchschnittlich viele kranke und geringer verdienende Versicherte und bei der anderen Krankenkasse überdurchschnittlich viele gesunde Versicherte mit höherem Einkommen versichert sind86. Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt ist, kann sie nach § 242 Abs. 1 SGB V einen einkommensabhängigen, kassenindividuellen Zusatzbeitrag als Prozentsatz der beitragspflichtigen Einnahmen jedes Mitglieds erheben87. Damit zeigt die dem GeVertragsarztwesen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Belegarztes, S. 51. 82 Anders etwa bei freiwillig Versicherten (§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB V) oder Familienversicherten (§ 10 SGB V). 83 Vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV. 84 Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz) vom 21. Juli 2014 wurde der Beitragssatz von 15,5 % auf 14,6 % gesenkt, indem der Arbeitnehmeranteil von ursprünglich 8,2 % auf 7,3 % reduziert wurde, vgl. BGBl. I 2014, S. 1133 (1137); BT-Drs. 18/1307, S. 12, 41. Umfassend zu den Änderungen des GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetzes, vgl. etwa: Algermissen, NZS 2014, S. 921 ff. 85 Sonstige Einnahmen sind alle Finanzmittel außer Beiträgen, die die Krankenkassen durch gesetzliche Regelungen erzielen. Diese sind etwa Säumniszuschläge (§ 24 SGB IV), Zinsen und Erstattungszahlungen anderer Träger (§§ 102 ff. SGB X), übergegangene vertragliche Ansprüche (§ 115 SGB X) und übergegangene Schadensersatzansprüche (§ 116 SGB X), vgl. dazu: Mack, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 220 SGB V Rn. 17. 86 Vgl. Hess, in: Wenzel, Handbuch des Vertragsarztrechts, Kapitel 2 Rn. 95; Muckel/ Ogorek, Sozialrecht, § 8 Rn. 156. 87 Seit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz) vom 21. Juli 2014 wird der Zusatzbeitrag nicht mehr einkommensunabhängig, sondern einkommensabhängig bestimmt, vgl. BGBl. I 2014, S. 1133 (1137); BT-Drs. 18/1307, S. 13, 41 ff. Zu den Änderungen des Zusatzbeitrags, vgl. etwa: Peters, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 242 SGB V Rn. 5.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
danken des solidarischen Ausgleichs nach § 3 SGB V entsprechende Beitragszahlung des Versicherten, dass der Anspruch auf medizinische Behandlungsleistungen nicht in einem synallagmatischen Verhältnis steht88, sondern die Gegenleistung in monatlichen festen Beträgen89, unabhängig von der Höhe der in Anspruch genommenen Leistung, an die Krankenkasse zu deren weiterer Verwendung weitergeleitet wird. b) Krankenkasse – Kassenärztliche Vereinigung aa) Zahlung der Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung Im nächsten Schritt des Gegenleistungsweges erfolgt die quartalsweise90 Zahlung der Gesamtvergütung der Krankenkasse mit befreiender Wirkung an die Kassenärztliche Vereinigung91. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen92. Ihre Zahlung „mit befreiender Wirkung“93 stellt klar, dass im Verhältnis von Krankenkasse zur Kassenärztlichen Vereinigung alle Vergütungsansprüche der vertragsärztlichen Leistungserbringer abgegolten sind94, demnach ein Vergütungsanspruch des Vertragsarztes unmittelbar gegen die Krankenkasse nicht besteht95. Die Zahlung der Gesamtvergütung durch die Krankenkasse steht somit in einem unmittelbaren, synallagmatischen Zusammenhang mit dem nach § 75 Abs. 1 SGB V96 bestehenden
88 So grundsätzlich in der privaten Krankenversicherung, vgl. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 14. 89 Vgl. Mack, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 220 SGB V Rn. 15. 90 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 19 Rn. 16. 91 § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V. Vgl. auch: Altmiks, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 10. Vgl. zur Struktur und zum Ablauf ambulanter ärztlicher Vergütung: Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 13 ff. 92 Vgl. § 85 Abs. 2 S. 2 HS. 1 SGB V. Der für das Vertragsarztrecht geltende § 87a SGB V weist keine gesonderte Legaldefinition auf, daher kann die für das Vertragszahnarztrecht geltende Definition des § 85 SGB V herangezogen werden, vgl. Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87a SGB V Rn. 58. Im Ergebnis so auch: Engelhard, in: Hauck/ Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 41. Zur Gesamtvergütung, vgl. auch: Hoßbach, Wirtschaftlichkeitsprüfung und Praxisbesonderheiten, S. 50 ff. 93 Vgl. § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V. 94 BSGE 19, 270 (272); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 42; Siewert, Das Vertragsarztrecht, S. 113. 95 Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 3; Siewert, Das Vertragsarztrecht, S. 113. Vgl. auch: Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 18 f., 35 ff. 96 Zu den Neuerungen des § 75 SGB V im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015, insbesondere zur Gewährleistung von Facharztterminen in angemessener Zeit, vgl. BGBl. I 2015, S. 1211 (1217); BT-Drs. 18/4095, S. 86 ff.
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Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung97. Die Krankenkasse zahlt die Gesamtvergütung nur deshalb an die Kassenärztliche Vereinigung, weil diese im Gegenzug zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet ist. Die Zahlung der Gesamtvergütung und die Sicherstellung der Versorgung wären ohne eine jeweilige ihr gegenüberstehende Bedingung sowohl für die Krankenkasse als auch für die Kassenärztliche Vereinigung unzumutbar98. Schließlich hat die Krankenkasse die gesetzliche Pflicht zur Sachleistung gegenüber ihren Versicherten nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V, und die Kassenärztliche Vereinigung ist nach § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V zur Verteilung der Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verpflichtet. bb) Vereinbarung der Gesamtvergütung in Gesamtverträgen Die Gesamtvergütung wird in sog. Gesamtverträgen von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen99 sowie der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung100 vereinbart. Das ergibt sich bereits aus der allgemeinen Vorgabe des § 82 Abs. 2 S. 1 SGB V, nach welchem die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen durch Gesamtverträge geregelt wird101. Gesamtverträge sind öffentlich-rechtliche102 Kollektivverträge103 mit normativer Wirkung104 und regeln gemäß §§ 82 Abs. 2 S. 1, 83 S. 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk 97
Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 58. Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 2. 99 Zur Vereinfachung nachfolgend nur noch die „Landesverbände der Krankenkassen“. 100 Die Vertragsparteien ergeben sich aus §§ 87a Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 1, 83 S. 1 SGB V. 101 So auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 52; Engelhart-Au, in: Hänlein/Kruse/Schuler, SGB V, § 87a SGB V Rn. 8; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87a SGB V Rn. 9; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 1. 102 Zum öffentlich-rechtlichen Charakter des Bundesmantel- und des Gesamtvertrags, vgl. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 3 m.w.N.; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 141 f. m.w.N.; Ziermann, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 21 Rn. 25. Vgl. auch: Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 368; Krauskopf/Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 32 Rn. 10, die eine Einordnung zu den öffentlich-rechtlichen Verträgen nach §§ 53 ff. SGB X vornehmen; a.A. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 11 f., der unter Verweis auf den Charakter der vertragsarztrechtlichen Kollektivverträge als Normenverträge nicht als Normsetzungsverträge die Anwendung der §§ 53 ff. SGB X verneint. 103 Krauskopf/Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 32 Rn. 7. 104 Vgl. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 13; ders., Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 73. Zum Teil werden sie mit Tarifverträgen im Arbeitsrecht verglichen, siehe dazu: Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 372; Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 370; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 142; a.A. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 14, der eine Vergleichbarkeit mit Tarifverträgen im Ergebnis aufgrund der im Vertragsarztrecht nicht vorhandenen privatautonomen Gestaltung und des fehlenden verfassungsrechtlichen Schutzes durch die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG ablehnt. Siehe auch: Sodan, NZS 1998, S. 308. 98
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen105. Die Gesamtvertragsparteien haben die Befugnis zur Regelung der vertragsärztlichen Versorgung insgesamt. Eine Begrenzung findet nur insoweit statt, als dass sich die Regelungsbefugnis im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, der Regelungen des Bundesmantelvertrages106, der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses107 und der aufgrund Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen bewegen muss108. In diesen Grenzen können alle Inhalte der vertragsärztlichen Versorgung sowie alle gegenseitigen Beziehungen geregelt werden, die der Gestaltung durch die Gesamtvertragspartner übertragen oder überlassen sind109. Der Begriff des Gesamtvertrages beschränkt sich somit nicht nur auf ein einziges in einer Urkunde niedergelegtes Vertragswerk, sondern er umfasst alle, zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vereinbarungen zur Regelung der vertragsärztlichen Versorgung110. Beispielsweise werden gemäß § 73 Abs. 3 SGB V Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation sowie Über- und Unterschreitungen des Ausgabenvolumens für Arznei- und Verbandmittel nach § 84 Abs. 3 SGB V in den Gesamtverträgen vereinbart111. Die Einordnung der Gesamtverträge als Kollektivverträge beruht darauf, dass sie von Zusammenschlüssen der Krankenkassen und der Ärzte vereinbart werden112. Auf der einen Seite ist der jeweilige, für ihren Bezirk zuständige Landesverband der Krankenkasse beteiligt113, welcher die Gesamtverträge gemäß § 83 S. 1 HS. 2 SGB V mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart schließt. Auf der anderen Seite schließt die zumeist jeweils für das Gebiet eines Bundeslandes114 zuständige
105
Der Begriff des Gesamtvertrags hat seinen Ursprung im § 4 Abs. 1 der Vertragsordnung vom 30. Dezember 1931, vgl. RGBl. I 1932, S. 2, nach welcher eine Krankenkasse mit der gesamten Ärzteschaft ihres Bezirkes einen Vertrag über die Gesamtvergütung abschließen konnte. Vgl. auch: Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 2 m.w.N. 106 Vgl. § 82 Abs. 1 S. 2 SGB V. 107 Vgl. § 72 Abs. 2 SGB V. 108 Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 34. 109 Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 83 SGB V Rn. 7. 110 Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 83 SGB V Rn. 4. 111 Vgl. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 35 ff.; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 82 SGB V Rn. 18; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 13 Rn. 8. 112 Krauskopf/Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 32 Rn. 7. 113 Das Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) vom 27. Juni 1977 ordnete das Gesamtvertragsrecht unter anderem dahingehend neu, dass die Landesmantelverträge wegfielen und es stattdessen nur noch den Bundesmantel- und den Gesamtvertrag gab. Letzterer wurde sodann durch die Neufassung des § 368 g RVO anstelle der Krankenkassen von deren Landesverbänden abgeschlossen, vgl. BGBl. I 1977, S. 1069, (1074 f.). 114 Es gibt grundsätzlich jedem Bundesland entsprechend eine Kassenärztliche Vereinigung, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen; dort gibt es noch immer zum einen die Kas-
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Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtverträge gemäß § 95 Abs. 3 S. 3 SGB V mit Wirkung für die einzelnen Vertragsärzte ab115. cc) Bundesmantelvertrag als Inhalt der Gesamtverträge Allgemeiner Inhalt der regional vereinbarten Gesamtverträge ist kraft Gesetzes nach § 82 Abs. 1 S. 2 SGB V unter anderem der zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen ausgehandelte Bundesmantelvertrag116. Im Bundesmantelvertrag werden die allgemeinen Grundsätze der vertragsärztlichen Versorgung festgesetzt117. Durch den Bundesmantelvertrag soll eine dem Grundsatz nach bundeseinheitliche Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung sichergestellt werden118. Die Regelungsbefugnis der Bundesmantelvertragsparteien hat sich gemäß § 72 Abs. 2 SGB V im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu bewegen. Obwohl die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 8 SGB V selbst Bestandteil des Bundesmantelvertrages sind, kommt ihnen durch die Regelung des § 72 Abs. 2 SGB V gegenüber Bundesmantelvertragsregelungen Vorrang zu, sodass abweichende vertragliche Bestimmungen rechtswidrig sind119. Ebenso haben Rechtsverordnungen Vorrang vor den Regelungen des Bundesmantelvertrags120. Neben vorrangigen Regelungen begrenzt auch die Funktion des Bundesmantelvertrags nach § 82 Abs. 1 S. 1 SGB V die Regelungsbefugnis der Bundesmantelvertragsparteien: Es ist lediglich der „allgemeine Inhalt der Gesamtverträge“ zu vereinbaren. Im Verhältnis zu den auf regionaler Ebene zu vereinbarenden Gesamtverträgen beschränkt sich der Bundesmantelvertrag somit auf allgemeine Regelungen, welche Inhalt der Gesamtverträge werden und auf deren Grundlage die Gesamtvertragsparteien die weiteren Einzelheiten in den Gesamtsenärztliche Vereinigung Nordrhein und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, vgl. Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 77 SGB V Rn. 3. 115 Zum Verbindlichkeitswirrwarr, einer möglichen doppelten Bindungswirkung der Gesamtverträge und zur Bindungswirkung des Bundesmantelvertrags im Einzelnen, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 67 ff.; ders., in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 8. 116 Zum Inhalt des Bundesmantelvertrags, vgl. § 87 SGB V. Seit 1. Oktober 2013 gibt es nicht mehr wie vorher üblich zwei – einen Bundesmantelvertrag-Ärzte und einen Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen – sondern nur noch einen einheitlichen Bundesmantelvertrag-Ärzte, aktuell in der Fassung vom 1. Januar 2016, abrufbar unter: http://www.kbv.de/me dia/sp/BMV_Aerzte.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Zum BundesmantelvertragÄrzte, vgl. auch: Rompf, KrV 2014, S. 45 ff.; Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar zum Bundesmantelvertrag. 117 Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 15. Vgl. auch: Sasse, in: Orlowski/Rau/Wasem/Zipperer, SGB V, § 87 SGB V Rn. 3. 118 Hess, in: Wenzel, Handbuch des Vertragsarztrechts, Kapitel 2 Rn. 130; Muckel/Ogorek, Sozialrecht, § 8 Rn. 138. 119 Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 18. 120 Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 18.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
verträgen festsetzen. Gilt der Bundesmantelvertrag somit bundeseinheitlich als „Mantel“ und bestimmt mittels Rahmenvorschriften den allgemeinen Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung, regeln die Gesamtverträge für die jeweilige regionale Ebene speziellere, gesetzlich bestimmte Materien, etwa die Höhe der Gesamtvergütung121. Auf diese Weise entsteht durch den Bundesmantelvertrag und die Gesamtverträge ein zweistufiges Vertragskonstrukt122. Im Bundesmantelvertrag finden sich unter anderem Regelungen zum Inhalt, Umfang und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Vesorgung, zur Qualität, zur Trennung von haus- und fachärztlicher Vergütung sowie zur Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen und deren Überprüfung. Schwerpunktmäßig regelt der Bundesmantelvertrag die Pflichten der Vertragsärzte, etwa die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung gemäß § 15 BMV oder die Pflicht zur Dokumentation der Befunde, Behandlungsmaßnahmen oder der veranlassten Leistungen nach § 57 BMV123. Daneben enthält der Bundesmantelvertrag aber auch Pflichten der Versicherten, wie etwa das Vorzeigen der Krankenversicherungskarte als Anspruchsvoraussetzung zur Krankenbehandlung nach § 13 Abs. 1 BMV124. Durch ausdrückliche Bezugnahme sind nach § 1 Abs. 3 BMV die Anlagen 1 bis 27 ebenfalls Bestandteil des Bundesmantelvertrages. In den Anlagen werden etwa die Psychotherapievereinbarung (Anlage 1), die Vereinbarung über Qualitätssicherung nach § 135 Abs. 2 SGB V (Anlage 3) oder die Vereinbarung zur Anwendung der Europäischen Krankenversicherungskarte (Anlage 20) Bestandteil des Bundesmantelvertrages125. Neben den Anlagen 1 bis 27 und den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ist auch der sog. Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) Bestandteil des Bundesmantelvertrages126. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der vom Leistungserbringer abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander127. Er wird nicht von den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrags, sondern von dem sog. Bewertungs121 Siehe dazu auch: Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 8 Rn. 20. 122 Zur Abgrenzung der Regelungsbefugnisse von Bundesmantel- und Gesamtvertrag, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 65 f. Zur Normenhierarchie in der gemeinsamen Selbstverwaltung, vgl. etwa Grafik von: Hess, in: Wenzel, Handbuch des Vertragsarztrechts, Kapitel 2 Rn. 495. 123 Siehe dazu: Schröder, in: Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar zum Bundesmantelvertrag, § 57 BMV. 124 Vgl. dazu: Schröder, in: Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar zum Bundesmantelvertrag, § 13 BMV Rn. 11. 125 Vgl. dazu: Rompf, in: ders./Schröder/Willaschek, Kommentar zum Bundesmantelvertrag, § 1 BMV Rn. 9 ff. 126 Vgl. § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V. Umfassend zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab, vgl. im Abschnitt B. I., S. 49 ff. Zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab als Teil des Bundesmantelvertrags, vgl. etwa: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 3 f. 127 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V.
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ausschuss erlassen128. Der Bewertungsausschuss besteht nach § 87 Abs. 3 S. 1 SGB V aus drei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern und drei vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestellten Vertretern. Kommt im Bewertungsausschuss durch übereinstimmenden Beschluss aller Mitglieder eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande, wird er auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert129, sog. erweiterter Bewertungsausschuss. dd) Berechnung der Gesamtvergütung Die in den Gesamtverträgen vereinbarte Gesamtvergütung unterteilt sich in zwei Teile, die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und die extrabudgetäre Gesamtvergütung130. Im Rahmen der extrabudgetären Gesamtvergütung, die sich nach dem tatsächlichen Leistungsumfang richtet, vergüten die Krankenkassen alle Leistungen zu festen Preisen131. Extrabudgetär werden jedoch nur spezielle, besonders förderungswürdige Leistungen vergütet, wie etwa Früherkennungsuntersuchungen, Impfungen und ambulante Operationen132. Seit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz133 vom 26. März 2007 wird der größte Teil der Gesamtvergütung allerdings morbiditätsorientiert vereinbart134 und ist in seiner Höhe begrenzt135. Dabei entfallen rund drei Viertel der Gesamtvergütung auf die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung; im 3. Quartal 2013 lag der Anteil regional zwischen 65,6 % und 74,4 %136. Die Morbidität stellt eine statistische Größe dar, die in Bezug auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe die Krankheitshäufigkeit widerspiegelt137. In Bezug auf die vertragsärztliche Versorgung wird die bestimmte Bevölkerungsgruppe aus den Versi128
§ 87 Abs. 1 S. 1 SGB V. § 87 Abs. 4 SGB V. 130 Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 105 f.; Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz, Honorarbericht 2014 – Entwicklung der GKV-Umsätze in Rheinland-Pfalz, Stand: November 2014, S. 13. 131 Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 105 f.; Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz, Honorarbericht 2014 – Entwicklung der GKV-Umsätze in Rheinland-Pfalz, Stand: November 2014, S. 16. 132 Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 106. 133 BGBl. I 2007, S. 378 (395). 134 Vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 119. 135 Wird im Nachfolgenden von der gedeckelten oder der Höhe nach begrenzten Gesamtvergütung gesprochen, so ist damit der Großteil der Gesamtvergütung gemeint, der morbiditätsbedingt gezahlt wird. 136 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 62. 137 Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 107. 129
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cherten mit Wohnsitz im Gebiet einer Kassenärztlichen Vereinigung gebildet, sog. Wohnortprinzip138. Die Absicht des Gesetzgebers war, dass das sog. Morbiditätsrisiko nicht mehr auf den Schultern der Vertragsärzte lastet, sondern fortan von den Krankenkassen getragen werden sollte139. Diese Verlagerung des Morbiditätsrisikos geschieht, indem die – vorher durch eine Kopfpauschale berechnete140 – Gesamtvergütung nun unter Bezugnahme der Morbiditätsstruktur in einem zweistufigen Verfahren141 nach den Vorschriften des § 87a SGB V ermittelt wird. Folglich hat die Krankenkasse mit den Versicherten, die den größten Behandlungsbedarf aufweisen, im Verhältnis zu anderen Krankenkassen mit Versicherten, die aufgrund geringerer Morbidität weniger Behandlungen benötigen, eine höhere Vergütung nach § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zu zahlen. Zunächst erfolgt in einem ersten Schritt zur Festsetzung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – jährlich bis zum 31. Oktober142 – nach § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V die Ermittlung des Umfangs der im Folgejahr zu erwartenden Behandlungen. Dieser sog. Behandlungsbedarf wird in einem Punktzahlvolumen dargestellt143. Das Punktzahlvolumen umfasst die Anzahl der durch die Vertragsärzte im Gebiet der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringenden Behandlungen, die in einem wertmäßigen, in Punkten ausgedrückten Verhältnis abzubilden sind144. Grundlagen dieser Berechnung sind dabei gemäß § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V der im Bundesmantelvertrag vereinbarte Einheitliche Bewertungsmaßstab, die Zahl der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung und deren Morbiditätsstruktur. Veränderungen der Morbiditätsstruktur werden nach § 87a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB V auf Grundlage von Empfehlungen des Bewertungsausschusses nach § 87a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 SGB V vereinbart. Sodann erfolgt in einem zweiten Schritt nach § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V die Vereinbarung eines regionalen Punktwertes in Euro, damit so aus dem abstrakten Punktzahlvolumen eine konkrete Summe der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung errechnet werden kann. Die Berechnung des für das Gebiet einer Kassenärztlichen Vereinigung festzulegenden Punktwertes erfolgt auf der Grundlage des bundeseinheitlichen Orientierungswertes nach § 87 Abs. 2e SGB V145. Dabei können die Vertragspartner des Gesamtvertrags nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V einen regionalen Zu- oder Abschlag auf den Orientierungswert vereinbaren, wobei allerdings nach § 87a Abs. 2 S. 4 SGB V die Si138
Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 48; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87a SGB V Rn. 67. 139 Vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 119. 140 Vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 119; § 85 Abs. 2 S. 2 SGB V, der vor der Neuordnung des § 87a SGB V im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz auch für die vertragsärztliche Vergütung galt, nun aber nach § 87a Abs. 1 SGB V nicht mehr auf diese anwendbar ist. 141 Vgl. dazu auch: Muckel/Ogorek, Sozialrecht, § 8 Rn. 139. 142 § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V. 143 § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V. 144 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V. 145 Vgl. zum Orientierungswert ausführlich im Abschnitt B. III. 2. a), S. 135 ff.
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cherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten ist. Aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab gemäß § 87 Abs. 1 SGB V und dem vereinbarten Punktwert ist sodann nach § 87a Abs. 2 S. 5 SGB Veine regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen, die sog. regionale Euro-Gebührenordnung, zu erstellen146. c) Kassenärztliche Vereinigung – Vertragsarzt aa) Verteilung der Gesamtvergütung Die Gesamtvergütung richtet sich zum Großteil nicht nach dem tatsächlichen Leistungsgeschehen, sondern nach der Morbidität der Versicherten und ist der Höhe nach begrenzt. Diese Situation führt dazu, dass nicht alle von den Versicherten in Anspruch genommenen und von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen auch mit dem vollen Preis vergütet werden können. Die Begrenzung der Gesamtvergütung in ihrer Höhe verlangt daher nach einer Verteilung der Gesamtvergütung an die Vertragsärzte147; diese Aufgabe kommt der Kassenärztlichen Vereinigung zu148. Dafür wendet die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung gemäß § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V den Verteilungsmaßstab an, den sie jeweils im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen als Satzung149 festsetzt, der sog. Honorarverteilungsmaßstab (HVM)150. Inhalt dieses Maßstabes ist es, einen wesentlichen Teil der rechtlichen Beziehungen zwischen den Vertragsärzten und den Kassenärztlichen Vereinigungen zu regeln151. Ziel dabei ist, nach dem sog. Grundsatz der Leistungsproportionalität152, die Gesamtvergütung, nach Abzug der Verwaltungskosten, proportional zu den vom Vertragsarzt in einem Quartal erbrachten Leistungen zu verteilen.
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Vgl. zur regionalen Euro-Gebührenordnung umfassend im Abschnitt B. III., S. 130 ff. Vgl. Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 4, der die begrenzte Gesamtvergütung als zentrales Strukturprinzip der vertragsärztlichen Vergütung ansieht. Siehe auch: ders., in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 6, der dort klarstellt, dass durch eine begrenzte Gesamtvergütung Begrenzungen der Vergütung der einzelnen Vertragsärzte präjudiziert sind. 148 Vgl. § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V. 149 St. Rspr., vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 23 Rn. 18; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 28 Rn. 12; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 65 Rn. 17. Vgl. auch: Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 39; Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 315; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 100; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 1. 150 Umfassend zum Instrument des Honorarverteilungsmaßstabs, vgl. im Abschnitt B. II., S. 95 ff. 151 Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 98; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 45. 152 Vgl. zum Grundsatz der Leistungsproportionalität ausführlicher im Abschnitt D. III. 1., S. 206 ff. 147
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
Vor dem Hintergrund, dass für eine bestimmte Zahl von Vertragsärzten153 in dem Gebiet einer Kassenärztlichen Vereinigung überwiegend lediglich eine nicht variable Vergütungssumme – die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung – zur Verfügung steht, drängt sich jedoch die Vermutung auf, dass jeder Vertragsarzt versuchen wird, mengenmäßig so viele Leistungen zu erbringen, wie es für ihn möglich ist. Denn je mehr Leistungen er erbringt, desto größer ist sein Anteil an der Gesamtvergütungsmasse. Es würden folglich diejenigen Vertragsärzte bessergestellt, die beispielsweise aufgrund ihrer Fachspezialisierung ein höheres Spektrum an Leistungen erbringen können und denen demnach ein verhältnismäßig hoher Anteil der Gesamtvergütung zugute käme. Dies führt allerdings bei einem begrenzten „Topf“, aus dem vergütet wird, dazu, dass das Vergütungskontingent, der in Euro-Preisen festgesetzten Leistungen, ab einem bestimmten Zeitpunkt aufgebraucht sein wird. Diesem Mechanismus, d. h. der sich durch Leistungsausweitung des einen Vertragsarztes verringernde Gesamtvergütungsanteil aller anderen Vertragsärzte, versuchen Vertragsärzte durch die Steigerung ihres eigenen Behandlungsvolumens entgegenzutreten. Um diesem steigenden Behandlungsvolumen, also der Mengenausweitung, vorzubeugen und damit dem sog. Hamsterradeffekt entgegenzuwirken154, wird die Gesamtvergütung nicht als Ganzes für alle Vertragsärzte in gleichem Maße zugänglich gemacht. Vielmehr werden durch Festsetzungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hilfsmittel eingeführt, die eine Unterteilung in einzelne Kontingente oder eine Begrenzung der Leistungsmenge bewirken155. Diese Aufgabe kommt den Honorarverteilungsmaßstäben zu, in dem sie Mechanismen herausarbeiten, die eine solche Mengenausweitung beschränken. Einen dieser Trennungsmechanismen gibt das Gesetz bereits gemäß § 87b Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V vor, indem es verbindlich eine Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung fordert156. Indem die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den jeweiligen Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen einen Honorarverteilungsmaßstab festsetzt und es dabei den regionalen Normgebern im Rahmen ihres Gestaltungspielraumes freisteht, die Gesamtvergütungsverteilung auf verschiedene Weise festzulegen – etwa durch Honorartöpfe157 oder Regelleistungsvolumina158 –, 153 Die Anzahl der Vertragsärzte bestimmt sich nach den in dem Gebiet der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung zugelassenen und somit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten, vgl. § 95 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 1 SGB V i.V.m. § 19 Abs. 1 Ärzte-ZV. 154 BSGE 86, 16 (21); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 18; BSGE 96, 1 (10); 53 (58); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 23 Rn. 24; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 65 Rn. 26; Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 212. 155 Vgl. § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. Vgl. auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 213; Ludwig, Die Vergütung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage von „Sozialtarifen“ in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 43 ff. 156 Vgl. dazu ausführlich nachfolgend im Abschnitt B. II. 2. a) aa), S. 99 ff. 157 Siehe dazu ausführlich im Abschnitt E. I., S. 227 ff. 158 Vgl. dazu auch in Abschnitt B., Fn. 359.
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entsteht eine Vielzahl von vertragsärztlichen Vergütungsverteilungssystemen. Die Verteilung der Gesamtvergütung an den einzelnen Vertragsarzt erfolgt jedoch nicht ausschließlich auf der Grundlage des auf Landesebene festgesetzten Honorarverteilungsmaßstabes. Es spielt vielmehr auch hier der schon im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Kassenärztlicher Vereinigung relevante und auf Bundesebene nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V durch den Bewertungsausschuss vereinbarte Einheitliche Bewertungsmaßstab eine wesentliche Rolle. Dieser bestimmt als eine Art gemeinsame Klammer159 den abschließenden Inhalt160 der gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnungsfähigen Leistungen sowie ihre in Punkten ausgedrückte Bewertungsrelation161 und fungiert somit als bundeseinheitliche, verbindliche Abrechnungsgrundlage für alle Vertragsärzte162. Der regionalen Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 S. 5 SGB V ist dann der Wert des einzelnen, im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Punktes in Euro zu entnehmen. bb) Festsetzung der Vergütung durch Honorarbescheid Durch die Zulassung163 zur vertragsärztlichen Versorgung wird der Vertragsarzt Pflichtmitglied der für seinen Vertragsarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet164. Die Zulassung ist ein statusbegründender, rechtsgestaltender und begünstigender Verwaltungsakt, der zwischen dem Vertragsarzt und der Kassenärztlichen Vereinigung ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis begründet165. Der Vertragsarzt wird durch die Zulassung in den der Kassenärztlichen Vereinigung obliegenden Sicherstellungsauftrag gemäß § 75 Abs. 1 SGB V eingegliedert166. Der Vertragsarzt ist durch die im Wege der Zulassung gewährte Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Gegenzug aber auch berechtigt, die von ihm in diesem Rahmen er159
Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 7. Vgl. etwa: BSGE 79, 239 (242); Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 8. Siehe dazu ausführlicher nachfolgend im Abschnitt B. I. 1. a) aa), S. 51 ff. 161 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V. 162 BT-Drs. 8/166, S. 28 f.; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 10; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 28, 31. 163 Die Voraussetzungen für die Zulassung eines Vertragsarztes ergeben sich aus § 95 Abs. 2 SGB V und aus den diese Vorschrift konkretisierenden Vorschriften der Zulassungsverordnung der Ärzte (Ärzte-ZV), insbesondere § 18 Ärzte-ZV. Vgl. dazu auch: Clemens, in: Quaas/Zuck/ Clemens, Medizinrecht, § 20 Rn. 1. 164 Vgl. § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V. Umfassend zur Zulassung, vgl. etwa: Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 17. 165 Joussen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 95 SGB V Rn. 2, 4. Vgl. auch: Boecken/Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 17 Rn. 5; Clemens, in: Quaas/Zuck/ Clemens, Medizinrecht, § 18 Rn. 36. 166 Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 18 Rn. 38; Joussen, in: Becker/ Kingreen, SGB V, § 95 SGB V Rn. 7. 160
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brachten Leistungen vergütet zu bekommen167. Die Zulassung berechtigt den Vertragsarzt folglich auch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Honorarverteilung168. Nachdem der zugelassene Vertragsarzt seine gesetzlich versicherten Patienten vertragsärztlich versorgt hat, reicht er am Ende eines jeden Quartals die Abrechnung aller von ihm in diesem Quartal erbrachten Leistungen bei seiner Kassenärztlichen Vereinigung ein169. Die Kassenärztliche Vereinigung überprüft die Abrechnung des Vertragsarztes sodann auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit, d. h. auf deren Rechtmäßigkeit und Plausibilität170. Auch den Krankenkassen kommt eine Pflicht zur Prüfung der Abrechnung zu171, welche sie insbesondere unter den Aspekten des § 106a Abs. 3 SGB V zu prüfen haben. Das maßgebliche Verfahren zur Durchführung der Überprüfung wird gemäß § 106a Abs. 5 SGB V in Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen festgelegt. Für diese Vereinbarungen legen die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 106a Abs. 6 SGB V Richtlinien fest. Erweist sich die Abrechnung eines Vertragsarztes als unplausibel, erfolgt eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 SGB V, d. h. eine Berichtigung der Honorarforderungen des Vertragsarztes172. Darüber hinaus kann eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V veranlasst werden173. War die Abrechnung hingegen plausibel, ergeht auf der Grundlage der Vereinbarung der Gesamtvergütung, des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, des Honorarverteilungsmaßstabes und der regionalen Euro-Gebührenordnung für jedes Quartal ein Honorarbescheid als Verwaltungsakt174. Mit ihm wird das Honorar des Vertragsarztes festgesetzt, welches ihm für das entsprechende Quartal von der Kassenärztlichen Vereinigung ausgezahlt wird. Allerdings haben die aufgrund des Honorarbescheides geleisteten Zahlungen nur vorläufigen Charakter175, denn der Vertragsarzt hat bis zum Ablauf der für das Prüfverfahren vorgese167
Joussen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 95 SGB V Rn. 2, 6. Pawlita, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 95 SGB V Rn. 36. 169 Vgl. § 295 Abs. 4 S. 1 SGB V. Zur Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen durch die Kassenärztliche Vereinigung, siehe auch: Steinhilper, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 17. 170 § 106a Abs. 1, 2 SGB V. 171 § 106a Abs. 1 SGB V. 172 Vgl. § 45 Abs. 4 S. 1 BMV-Ä. 173 § 106a Abs. 4 S. 3 SGB V. 174 Vgl. etwa: Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 76; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87b SGB V Rn. 24; Steinhilper, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 17 Rn. 48. Umfassend zum Honorarbescheid siehe auch: Knopp, Die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, S. 158 ff. Der Honorarbescheid hat nicht nur gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Verwaltungsakt-Charakter, sondern auch gegenüber den Krankenkassen, die evtl. eine sachlich-rechnerische Richtigstellung beantragt haben, vgl. BSG, SozR 4 – 5555 § 21 Nr. 2, Leitsatz. 175 Vgl. etwa: Steinhilper, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 17 Rn. 50. 168
III. Zusammenfassung
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henen Frist von grundsätzlich vier Jahren176 mit einer nachträglichen Richtigstellung zu rechnen177. Dies gilt auch für Fehler, die er nicht zu vertreten hat178. Dem Vertragsarzt steht somit aufgrund der begrenzten Gesamtvergütungsmasse kein Anspruch auf ein Honorar in einer betragsmäßig im Voraus definierten und bestimmten Höhe zu179. Vielmehr ergibt sich aus der Honorarverteilungssituation lediglich ein Anspruch des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung auf angemessene Teilhabe an der Gesamtvergütung nach § 87b Abs. 1 SGB V entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im Honorarverteilungsmaßstab180. Dieser Anspruch wird durch den Honorarbescheid konkretisiert181. Zum Teil wird auch von einer Anwartschaft auf Teilhabe an der Gesamtvergütung bis zum Zeitpunkt der eigentlichen Honorarbewilligung gesprochen182.
III. Zusammenfassung In der gesetzlichen Krankenversicherung bedienen sich die Krankenkassen als Sozialleistungsträger zur Versorgung der Versicherten der Hilfe von Leistungserbringern. Die Versorgung ist vorrangig auf die Zur-Verfügung-Stellung von Sachleistungen gerichtet. Die Realisierung des Sachleistungsprinzips durch die Gewährung eines Leistungsanspruches zugunsten des Versicherten hängt dabei untrennbar mit dem Leistungserbringungsrecht und der individuellen Behandlungsentscheidung des Vertragsarztes zusammen. Das Leistungsrecht stellt ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht dar, welches durch das Leistungserbringungsrecht konkretisiert wird. Das Leistungserbringungsrecht besteht im Vertragsarztrecht aus einem viereckigen Konstrukt von Rechtsbeziehungen. Eine besondere Stellung nimmt dabei die ausschließlich im Vertragsarztrecht existierende Kassen176
BSGE 89, 90 (103). Vgl. auch: Steinhilper, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 17 Rn. 48. 177 Umfassend zu rückwirkenden Korrekturen von Honorarbescheiden: Sodan, NZS 2003, S. 57 ff., 130 ff. 178 Vgl. etwa: Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 77. 179 Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 21, 98; Kamps, MedR 1994, S. 43. 180 St. Rspr., vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 14; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 13. Vgl. auch: Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 45; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 26 ff.; Hess, in: Schnapp/ Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 98; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 5. Zum Anspruch des Vertragsarztes auf angemessene Vergütung, vgl. im Abschnitt F. II. 1. c) aa), S. 257 ff. 181 Vgl. etwa: Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 31 ff. 182 Schnapp, in: Gitter/Schulin/Zacher, FS Krasney, S. 458; Steinhilper, in: Schnapp/ Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 17 Rn. 5.
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A. Leistungserbringung durch Vertragsärzte
ärztliche Vereinigung ein. Ihr kommt neben der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung – zu welcher sie sich der Tätigkeit der Vertragsärzte bedient – die Pflicht gegenüber den Krankenkassen zu, die vertragsärztliche Versorgung innerhalb der gesetzlichen und vertraglichen Erfordernisse zu gewähren. Schließlich hat die Kassenärztliche Vereinigung gleichzeitig die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Die Leistung des Vertragsarztes bemisst sich auf der Grundlage des Behandlungsvertrages gemäß § 630a Abs. 1 BGB nach privatrechtlichem Vertrag und wird direkt vom Vertragsarzt am Versicherten erbracht. Die Vergütung des Vertragsarztes wird hingegen auf der Grundlage des öffentlich-rechtlich ausgestalteten Normenkonstrukts aus parlamentsgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen berechnet. Dabei leistet der Versicherte die Vergütung nicht direkt an den Vertragsarzt, sondern die Gegenleistung nimmt einen verlängerten Weg über die vier Ecken des vertragsärztlichen Vierecksverhältnisses. Die Beiträge der Versicherten werden bei der Krankenkasse gebündelt und mit befreiender Wirkung als Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung gezahlt. Die Höhe der Gesamtvergütung wird quartalsweise von den Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Gesamtverträgen vereinbart. Allgemeiner Inhalt dieser regionalen Gesamtverträge ist der auf Bundesebene vereinbarte Bundesmantelvertrag. Dieser setzt die Grundsätze der vertragsärztlichen Versorgung fest. Teile des Bundesmantelvertrags sind wiederum der Einheitliche Bewertungsmaßstab und die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die in den Gesamtverträgen vereinbarte Gesamtvergütung berechnet sich überwiegend nach der Morbidität der Versicherten und ist der Höhe nach begrenzt. Die begrenzte Gesamtvergütung wird von der Kassenärztlichen Vereinigung in einem weiteren Schritt auf der Grundlage der von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnung ihrer erbrachten Leistungen an diese verteilt. Dafür setzt die Kassenärztliche Vereinigung einen Honorarverteilungsmaßstab im Benehmen mit den Krankenkassen und den Ersatzkassen fest. Dem Vertragsarzt wird sein Honorar nach der Prüfung der Abrechnung auf der Grundlage eines Honorarbescheides von der Kassenärztlichen Vereinigung ausgezahlt.
B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht Die Vergütung der Vertragsärzte ist geprägt durch ein Regelungsgefüge, welches sich aus dem Ineinandergreifen und Zusammenspiel parlamentsgesetzlicher und untergesetzlicher Normen ergibt. Die untergesetzlichen Normen, welche die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht regeln, unterliegen in unterschiedlicher Intensität den Vorgaben des Gesetzgebers. Dieser hat insbesondere in den §§ 87 ff. SGB V ein System entwickelt, welches beeinflusst durch stetige gesetzgeberische Änderungen – zuletzt etwa durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz1 – den untergesetzlichen Normgebern einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnet, ihnen aber auch mithilfe unterschiedlicher Mechanismen Grenzen setzt.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab Das SGB V ordnet in § 87 Abs. 1 S. 1 an, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch den Bewertungsausschuss als Bestandteil des Bundesmantelvertrags einen Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen vereinbaren2. Diese seit dem 27. Juni 19773 bestehende bundesgesetzliche Anordnung hat seither zahlreiche Änderungen erfahren, die den gesetzlichen Rahmen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes immer wieder dadurch verändert haben, dass der Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses entweder verengt oder erweitert wurde4. Durch das GKVGesundheitsreformgesetz5 vom 22. Dezember 1999 wurde der Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses etwa dahingehend verengt, dass seit dessen Inkrafttreten die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten ärztlichen Leistungen verpflichtend in jeweils nur von Haus- bzw. Fachärzten abzurechnende Leistungen zu gliedern sind. Eine Erweiterung der Gestaltungsfreiheit hat etwa die Gesetzesän1
BGBl. I 2015, S. 1211 ff.; vgl. auch: BT-Drs. 18/4095; BT-Drs. 18/5123. Vgl. auch: Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 13 Rn. 5. 3 Der Erlass eines Einheitlichen Bewertungsmaßstabes wurde durch das Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (KVKG) vom 27. Juni 1977 im Wege der Änderung des § 368 g Abs. 4 S. 1 RVO eingeführt, vgl. BGBl. I 1977, S. 1069 (1074), und wird seit dem 1. Januar 1989 durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 29. Dezember 1988 in § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V geregelt, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2503). 4 Ausführlich dazu: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 13 ff. 5 BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). 2
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
derung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz6 vom 22. Dezember 2011 ergeben, insoweit dort Regelungen in Bezug auf Berichtspflichten des Bewertungsausschusses7 aufgehoben wurden, da sich diese als unpraktikabel und bürokratisch herausgestellt hatten8. Unabhängig von dieser punktuellen Erweiterung ist dem GKV-Versorgungstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 und dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz9 vom 16. Juli 2015 allerdings das grundsätzliche Ziel zu entnehmen, das System der vertragsärztlichen Vergütung durch Zurücknahme zentraler Vorgaben zu flexibilisieren und zu regionalisieren10. Damit ist dem Bewertungsausschuss für die Ausgestaltung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes derzeit zugunsten der regionalen Vertragspartner ein geringerer Gestaltungsspielraum auf Bundesebene gegeben. Die zuvor eher bundeseinheitlich ausgerichtete Vergütung der Vertragsärzte soll auf diesem Wege wieder re-regionalisiert werden11, indem den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen mehr Spielraum in der Honorarverteilung eingeräumt wird12. Hintergrund ist das Erfordernis einer flächendeckenden, wohnortnahen medizinischen Versorgung, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur erreicht werden kann, wenn den Beteiligten flexible Möglichkeiten eröffnet werden, „entsprechend den regionalen Gegebenheiten und Erfordernissen in größerer Eigenverantwortung die gesundheitliche Versorgung zu steuern“13. Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung durch Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für Vertragsärzte bleibt auch eines der wesentlichen Ziele des zum 23. Juli 2015 in Kraft getretenen GKVVersorgungsstärkungsgesetzes14. Den Beteiligten vor Ort soll mit diesem Gesetz weiterhin verstärkt die Möglichkeit gegeben werden, regionalen Erfordernissen und Gegebenheiten Rechnung zu tragen15.
6
BGBl. I 2011, S. 2983 ff. BGBl. I 2011, S. 2983 (2989). 8 BT-Drs. 17/6906, S. 51. 9 BGBl. I 2015, S. 1211 ff. Allgemein zu den Änderungen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes, vgl. etwa: Andreas, ArztR 2015, S. 201 ff.; Ihle, SozSich 2015, S. 158 ff.; Orlowski, MedR 2015, S. 147 ff. 10 Bzgl. des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes, vgl. etwa: BT-Drs. 17/6906, S. 42; Rompf/ Lindemann, GesR 2012, S. 669 ff. Bzgl. des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes, vgl. BTDrs. 18/4095, S. 2, 50 ff.; BT-Drs. 18/5123, S. 106. 11 BT-Drs. 17/6906, S. 65; Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 219; Orlowski, in: Wille/Knabner, Strategien für mehr Effizienz und Effektivität im Gesundheitswesen, S. 13; Platzer, GesR 2012, S. 731. Kritisch als „Rolle rückwärts“ bezeichnend: Peters/Schliemann/Feldmann, G+S 5/6/2011, S. 47. Vgl. auch zum Begriff der Dezentralisierung: Weber, in: Wille/Knabner, Dezentralisierung und Flexibilisierung im Gesundheitswesen, S. 13 ff. 12 BT-Drs. 17/6906, S. 44. 13 BT-Drs. 17/6906, S. 42. 14 BT-Drs. 18/4095, S. 2, 50 ff.; BT-Drs. 18/5123, S. 106. 15 BT-Drs. 18/4095, S. 51. 7
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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1. Leistungsverzeichnis und Vergütungsmaßstab Eine der wesentlichsten – wenn nicht sogar die wesentlichste – Vorgabe für den Inhalt des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes macht der Gesetzgeber in § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. Dort normiert er, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt. Damit werden zwei Aufgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vorgegeben16: Zum einen soll er als Leistungsverzeichnis dienen und zum anderen soll mit ihm ein Vergütungsmaßstab erstellt werden. Dadurch bildet der Einheitliche Bewertungsmaßstab eine Schnittstelle zwischen Leistungs- und Leistungserbringungsrecht und verbindet so die Einnahmemit der Ausgabeseite17. a) Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen aa) Abschließender Leistungskatalog Der Gesetzgeber legt im ersten Teil des § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V fest, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab alle Leistungen beinhalten soll, die der jeweilige Vertragsarzt am Patienten erbringen und gegenüber seiner Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen kann18. Damit kommt dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab die Funktion als „Leistungsspiegel“19 zu und er konkretisiert folglich das Rahmenrecht nach §§ 27, 28 und 73 Abs. 2 SGB V20. Die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen sind abschließend21, was im Umkehrschluss bedeutet, alle nicht in diesem Leistungskatalog aufgeführten Leistungen 16
Vgl. auch: Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 138 f.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 30, 34; Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 8; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 744 ff.; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 14. 17 Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 10. 18 BSGE 81, 54 (61); Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 9; Rompf, GesR 2008, S. 57; ders., in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 4. 19 So bezeichnet etwa von: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 45; Schirmer, Vertragsarztrecht kompakt, S. 438; Schneider, Kassenarztrecht, S. 213; Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 295. 20 BSGE 81, 54 (61); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 45; Schneider, Kassenarztrecht, S. 213. Vgl. auch: Rompf, GesR 2008, S. 57. 21 St. Rspr., vgl. etwa: BSGE 79, 239 (242); 81, 86 (92); 84, 247 (248). Vgl. auch: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 95; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens., Medizinrecht, § 22 Rn. 8; Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 8; Hauck, SGb 2014, S. 15; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 255 f.; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 12.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
können auch nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Regelversorgung sein und folglich nicht erbracht und abgerechnet werden22. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab sind die einzelnen Leistungen als sog. Gebührenordnungspositionen mit einer dazugehörigen Abrechnungsziffer aufgeführt. Trotz des strikt abschließenden Charakters des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, sind in begrenzten Ausnahmefällen einzelne Gebührenordnungspositionen der Auslegung zugänglich23. Maßgeblich ist dabei die Auslegung anhand des Wortlautes. In engen Grenzen ist darüber hinaus eine systematische Auslegung einzelner Gebührenordnungspositionen möglich, allerdings ausschließlich in einer Gesamtschau mit den im inneren Zusammenhang stehenden gleichen oder ähnlichen Gebührenordnungspositionen. Der historischen Auslegung sind Gebührenordnungspositionen nur dann zugänglich, wenn dafür Dokumente herangezogen werden, die aus dem Normsetzungsprozess selbst stammen24; eine teleologische Auslegung ist nur in sehr engen Grenzen möglich25. Die grundsätzlich mögliche Auslegung einzelner Gebührenordnungspositionen ist von einer analogen Anwendung einzelner Gebührenordnungspositionen zu trennen. Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes sollen gerade nicht – anders als Gebührenziffern in der privaten Krankenversicherung – der Analogie zugänglich gemacht werden26. Dies ergibt sich bereits durch einen Vergleich mit der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in der privaten Krankenversicherung: Nach § 6 Abs. 2 GOÄ ist ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses abzurechnen. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die allgemeine Option, Leistungen über eine analoge Anwendung abzurechnen, allerdings weder auf bundesgesetzlicher noch auf Ebene des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vorgesehen27. Darüber hinaus widerspricht es dem Vertragscha22
BSGE 79, 239 (246 ff.); Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 17. Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 12. 24 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 130; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 5; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 12. 25 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 130; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 12. 26 Vgl. dazu: Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens., Medizinrecht, § 22 Rn. 8; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 47 ff.; Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 9; Hencke, in: Peters, SGB V, § 87 SGB V Rn. 6; Hess, in: Körner/Leitherer/ Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 10; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 5; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 18; Weinrich, in: Berchtold/ Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 12. 27 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 47 ff.; Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 9; Hencke, in: Peters, SGB V, § 87 SGB V Rn. 6; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 10; Scholz, in: Becker/ Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 5; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 18. 23
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
53
rakter des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, analogiefähige Gebührenordnungspositionen zu ermöglichen. Zwar wird nach überwiegender Ansicht in der Literatur und Rechtsprechung der Einheitliche Bewertungsmaßstab als Rechtsnorm angesehen28, woraus zumindest grundsätzlich die Analogiefähigkeit einzelner Leistungspositionen folgen würde, doch darf dieser Rechtsnormcharakter dem vorrangigen Interessenausgleich, auf den ein Normsetzungsvertrag wie der Einheitliche Bewertungsmaßstab abzielt, nicht zuwiderlaufen29. Schließlich ist es gerade Aufgabe des Bewertungsausschusses als Teil der gemeinsamen Selbstverwaltung, sowohl die Interessen der Vertragsärzte als auch die der Krankenkassen durch konkrete Leistungspositionen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu präzisieren30. Diesem, dem Bewertungsaussschuss als Normsetzungsgremium zugewiesenen, Interessenausgleich würde widersprochen, wenn im Wege der Analogie einzelne, den Katalog des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes ergänzende Gebührenordnungspositionen am Bewertungsausschuss vorbei erbracht und abgerechnet werden könnten. Das Bundessozialgericht hat es einzig bei der Beschreibung von Laborleistungen für zulässig erachtet, dass der Bewertungsausschuss den Begriff der „ähnlichen Untersuchung“ verwenden darf, der im Einzelfall von der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung zu konkretisieren ist31. Diese Ausnahme ist nur in engen Grenzen und nur in dem Fall zulässig, in dem es zum einen unstreitig ist, welche Leistungen unter das Tatbestandsmerkmal der „ähnlichen Untersuchung“ fallen, und zum anderen es sich um solche Laborleistungen handelt, die weder in großem Umfang noch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die gesetzliche Krankenversicherung eingesetzt werden können32. Der Bewertungsausschuss hat beispielsweise klinischchemische Untersuchungen bzgl. der quantitativen Bestimmung von Drogen mittels Immunoassay33 hinsichtlich der Inhalte Kokain, Methadon und Opiate durch die Gebührenordnungspositionen 32334, 32335 und 32336 in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab übernommen34. Darüber hinaus hat er die Gebührenordnungspo-
28
Vgl. dazu in Abschnitt C. I. 1., S. 162 f. Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 5; Weinrich, in: Berchtold/Huster/ Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 12. 30 Vgl. Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 130. 31 BSGE 84, 247 (250 ff.). Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 49; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 5. 32 BSGE 84, 247 (252). 33 Immunoassay ist eine Methode in der Bioanalytik zur Erkennung eines Analyten in einer flüssigen Phase. 34 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 597 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 29
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
sition 32337 eingeführt, nach der ähnliche Untersuchungen unter Angabe der Art der Untersuchung abrechenbar sind35. bb) Beschluss des Bewertungsausschusses als Abrechnungserfordernis Die Erbringung und Abrechnung von Leistungen zulasten der Krankenkassen ist in zeitlicher Hinsicht erst dann möglich, wenn der Bewertungsausschuss darüber den Beschluss gefasst hat36. Zwar ist vorrangig der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 SGB V dafür zuständig, neue Behandlungs- und Bewertungsmethoden zu beurteilen, doch erbringen und abrechnen können Vertragsärzte nur die Gebührenordnungspositionen, die auch durch Beschluss des Bewertungsausschusses in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgenommen wurden37. Grenzen erreicht das Abwarten eines Beschlusses des Bewertungsausschusses dann, wenn der Bewertungsausschuss die Einleitung oder Durchführung des Aufnahmeverfahrens einer neuen Gebührenordnungsposition in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab willkürlich oder durch sachfremde Erwägungen blockiert, verzögert und aus diesem Grund die für eine Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden kann38. Die so entstehende Versorgungslücke im Wege des Sachleistungsprinzips muss in diesen Ausnahmefällen durch die Anwendung der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V gelöst werden39. Der Bewertungsausschuss hat dieses Problem erkannt und daher, um eine zeitnahe Umsetzung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu gewährleisten und die Vorgehensweise bei der Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes zu beschreiben, in einem Beschluss vom 25. März 2014 ein Verfahren zur Aufnahme von neuen Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab erlassen40. Danach sollen vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossene neue Leistungen bzw. Änderungen von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die eine Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes erfordern, zeitnah in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgenommen werden41. Durch dieses Verfahren zur Aufnahme von neuen Leis35 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 598, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Die Berechnung der Gebührenordnungsposition setzt jedoch nach der Vorgabe des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes die Begründung der medizinischen Notwendigkeit der jeweiligen Untersuchung im Einzelfall voraus. 36 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 52. 37 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 50 ff. 38 BSGE 86, 54 (60 f.). Vgl. auch: BSGE 81, 54 (65); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 53. 39 St. Rspr., vgl. etwa: BSGE 81, 54 (65 f.). 40 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. A 663. 41 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 18, hält es in Ausnahmefällen auch für möglich, dass der Bewertungsausschuss eine Methode, zu der ein positives Votum des
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
55
tungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab wird eine Frist von drei Monaten festgesetzt, wonach die Beratungen des Bewertungsausschusses über die Leistungslegende und die Höhe der Bewertung einer neuen Leistung nach Inkrafttreten des entsprechenden Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses abzuschließen sind und der Beschluss des Bewertungsausschusses zum nächstmöglichen Termin in Kraft zu setzen ist42. Das Problem der möglichen zeitlichen Verzögerung hat auch der Gesetzgeber gesehen und durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 einen neuen Absatz 5b in den § 87 SGB V eingefügt43. Danach ist der Einheitliche Bewertungsmaßstab innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V anzupassen44. Gleiches gilt auch für weitere Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die eine Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes erforderlich machen45. Der Gesetzgeber bezieht sich mit der Regelung, anders als das vom Bewertungsausschuss festgesetzte Verfahren zur Aufnahme neuer Leistungen vom 25. März 2014, das überwiegend auf die Beratungen des Bewertungsausschusses Bezug nimmt, auf den eigentlichen Beschluss des Bewertungsausschusses46. Damit wird die sich vom Bewertungsausschuss selbst gesetzte Frist von drei Monaten zur Beratung und Umsetzung der durch den Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Änderungen zum nächstmöglichen Termin durch die gesetzliche Frist von sechs Monaten bis zum eigentlichen Beschluss des Bewertungsausschusses ergänzt47. Der Gesetzgeber intendiert damit zum einen, dass dem Bewertungsausschuss in komplexeren Fällen auch eine längere Beratungszeit zur Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes ermöglicht wird. Zum anderen ist Ziel der gesetzlichen Fristsetzung, dem Bundesministerium für Gesundheit im Falle, dass Beschlüsse nicht oder nur teilweise zustande gekommen sind, die aufsichtsrechtliche Möglichkeit nach § 87 Abs. 6 S. 4 SGB V zu eröffnen, die Vereinbarungen im Wege der Ersatzvornahme festzusetzen48. Darüber hinaus ist durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 zugunsten derjenigen, die „Initiatoren der Innovationen in der medizinischen Versorgung“49 sind, d. h. zugunsten der pharmazeutischen Unternehmer sowie der Gemeinsamen Bundesausschusses vorliegt, aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab ausschließt. Das dürfe allerdings nicht aus solchen Gründen geschehen, über die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers gerade der Gemeinsame Bundesausschuss zu entscheiden habe. 42 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. A 663. 43 BGBl. I 2015, S. 1211 (1220). Vgl. auch: BT- Drs. 18/4095, S. 95 f.; Reuter/Volmering/ Weinrich, GesR 2015, S. 450. 44 § 87 Abs. 5b S. 1 SGB V. 45 § 87 Abs. 5b S. 2 SGB V. 46 BT- Drs. 18/4095, S. 96. 47 BT- Drs. 18/4095, S. 95 f. 48 BT- Drs. 18/4095, S. 96. 49 BT-Drs. 18/5123, S. 126.
56
B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Hersteller von Medizinprodukten und Diagnostikleistungen, in § 87 Abs. 3e S. 4 SGB V ein gesetzlicher Auskunftsanspruch geschaffen worden50. Danach ist der Bewertungsausschuss verpflichtet, auf Verlangen eine mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss abgestimmte und verbindliche Auskunft zu erteilen, inwieweit eine neue Leistung in die Zuständigkeit des Bewertungsausschusses oder in die Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses fällt51. Damit soll den Initiatoren der Innovationen die Zuordnung ihrer neuen Leistung zu dem jeweiligen Zuständigkeitsbereich erleichtert werden52. Handelt es sich um eine neue Leistung, die als eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V in Betracht kommt, ist zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss zuständig und bei positiver Entscheidung hat der Bewertungsausschuss erst anschließend nach den soeben dargestellten Fristen über eine Aufnahme der Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu entscheiden. Handelt es sich jedoch um eine neue Leistung, die nicht als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V in Betracht kommt, hat der Bewertungsausschuss direkt über eine Aufnahme in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu entscheiden. In diesem Fall gibt § 87 Abs. 3e S. 1 Nr. 1 SGB V seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 vor, dass der Bewertungsausschuss in einer Verfahrensordnung insbesondere die Antragsberechtigung, methodische Anforderungen und Fristen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung der Beratungen sowie die Beschlussfassung über die Aufnahme in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu beschließen hat53. In jedem Fall ist der Bewertungsausschuss „Herr“ über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab, da nur ihm die Beurteilung der Frage zusteht, wie die Abrechnung bestimmter Leistungen vor dem Hintergrund des gedeckelten Gesamtvergütungssystems zu finanzieren ist54. Dies ergibt sich bereits aus der Befugnis des Bewertungsausschusses, neben der Erstellung eines Leistungskatalogs im Einheitlichen Bewertungsmaßstab auch Bewertungsrelationen der einzelnen Leistungen zueinander zu erstellen55. cc) Voraussetzungen zur Abrechnung einzelner Leistungen Die gesetzgeberische Formulierung, der Einheitliche Bewertungsmaßstab habe den „Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen“56 zu bestimmen, zielt nicht nur auf die Anzahl der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufzuführenden Leistungen ab, 50 51 52 53 54 55 56
BGBl. I 2015, S. 1211 (1220). BT-Drs. 18/5123, S. 126. BT-Drs. 18/5123, S. 126. BGBl. I 2015, S. 1211 (1220). Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 18. § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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sondern im Einzelnen auch darauf, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, um als Vertragsarzt eine jeweilige Leistung abrechnen zu können. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab umfasst dabei insbesondere formelle, fachliche, räumliche, apparative und faktische Voraussetzungen57, die zur Abrechnung einer bestimmten Leistung gegeben sein müssen. So ist beispielsweise Voraussetzung für die Abrechnung der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Gebührenordnungsposition 01100 die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Werktagen durch einen Patienten zwischen 19.00 und 22.00 Uhr58. Über die einzelnen Voraussetzungen der Abrechnung hinaus, hat die jeweilige Gebührenordnungsposition zugleich aufzulisten, welche anderen Gebührenordnungspositionen nicht gleichzeitig abrechenbar sind59. Im obigen Beispiel ist neben der Gebührenordnungsposition 01100 etwa nicht auch die Gebührenordnungsposition mit der Ziffer 01101 abrechenbar, denn dabei handelt es sich um die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes zwischen 22.00 und 07.00 Uhr60. b) Punkteverhältnis aa) Verzeichnis von Punkten Der Einheitliche Bewertungsmaßstab hat aufgrund des ausdrücklichen gesetzgeberischen Auftrags nach § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V neben der Auflistung aller Leistungen insbesondere die Aufgabe, ein relatives Verhältnis der einzelnen Leistungen zueinander zu schaffen61. Dabei ist jeder aufgeführten Gebührenordnungsposition eine entsprechende Punktzahl zuzuordnen. Die aus dem Beispiel erwähnte Leistung mit der Gebührenordnungsposition 01100, die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Werktagen durch einen Patienten zwischen 19.00 und 22.00 Uhr, ist im Einheitlichen Bewertungsmaßstab derzeit mit 196 Punkten ausgezeichnet62. In ein Verhältnis wird die einzelne Leistung aber erst dann gesetzt, wenn einer anderen Leistung entweder gleich viele, weniger oder mehr Punkte zugeordnet werden. Dadurch, dass der Leistung mit der Gebührenordnungsposition 57
Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 25. Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 26 f., abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 59 Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 31. 60 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 27, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 61 Zur Bewertung ärztlicher Leistung in Punkten, vgl. auch: Ludwig, Die Vergütung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage von „Sozialtarifen“ in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 28 ff.; Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 12 ff. 62 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 26 f., abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 58
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
01101, die unvorhergesehene Inanspruchnahme zwischen 22.00 und 07.00 Uhr, im Einheitlichen Bewertungsmaßstab eine Punktzahl von 313 Punkten zugewiesen ist63, werden beide Behandlungsleistungen in Relation gesetzt: Die Inanspruchnahme zwischen 22.00 und 07.00 Uhr ist in Punkteinheiten über 50 % mehr wert als die Inanspruchnahme zwischen 19.00 und 22.00 Uhr. Der Gesetzgeber hat dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab ausdrücklich nicht die Funktion zugewiesen, als Gebührenordnung zu dienen64, in welcher der Vertragsarzt den festen Euro-Betrag für eine von ihm erbrachte Leistung ablesen kann. Vielmehr bedarf es eines weiteren Faktors, welcher der abstrakten Punktzahl ihren jeweiligen Punktwert zuschreibt65. Lange Zeit ergab sich der Wert eines im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Punktes nicht wie in der privatärztlichen Gebührenordnung aus einem festen Euro-Betrag, sondern durch das Verhältnis der Gesamtmenge an Punkten, die von allen Vertragsärzten innerhalb des Gebietes einer Kassenärztlichen Vereinigung erbracht wurden, zu dem im Gesamtvertrag festgelegten Gesamtvergütungsvolumen66. Erst durch diese Faktoren konnte der Wert eines Punktes errechnet werden, mit welchem dann die Vergütung für die jeweils erbrachte Leistung festgelegt wurde. Hätte der auf diese Weise errechnete Punktwert in den oben aufgeführten Beispielen etwa bei 0,10 Euro gelegen, wäre die Leistung der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes zwischen 19.00 und 22.00 Uhr mit 19,60 Euro67 und die Inanspruchnahme zwischen 22.00 und 07.00 Uhr mit 31,30 Euro68 zu vergüten gewesen. Durch die Vereinbarung der Gesamtvergütung in Gesamtverträgen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 82 Abs. 2 S. 1 SGB V haben sich hinsichtlich des Volumens der Vergütung und der Menge der erbrachten Leistungen jedoch regionale Unterschiede ergeben69. Diese Unterschiede führten im regionalen Vergleich dazu, dass die Euro-Preise und somit die vertragsärztliche Vergütung für die gleiche Leistung stark schwankte70. 63 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 27, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 64 So auch: Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 749; Wahl, Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, S. 296; Weinrich, in: Berchtold/ Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 9; Ziermann, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 21 Rn. 14. 65 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 27. 66 Vgl. dazu: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 211; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 28 f.; Steinhilper, jurisPR-SozR 9/2009 Anm. 4; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 4. 67 196 Punkte x 0,10 Euro = 19,60 Euro. 68 313 Punkte x 0,10 Euro = 31,30 Euro. 69 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 28. 70 Steinhilper, jurisPR-SozR 9/2009 Anm. 4. Zur Einführung eines Abs. 4a in § 87a SGB V mit dem Inhalt, durch die Vereinbarung einer einmaligen Erhöhung des Aufsatzwertes unbegründete Unterschiede in den regionalen Gesamtvergütungen abzubauen, vgl. BT-Drs. 18/
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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bb) Verzeichnis von Preisen Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz)71 vom 26. März 2007 wurde in § 87 Abs. 2e SGB V die Festlegung eines Orientierungswertes eingeführt, womit die ehemals floatenden Punktwerte72 durch – zum ersten Mal seit 197773 – grundsätzlich feste Punktwerte ersetzt wurden74. Erstmals für das Jahr 2009 wurde ein Orientierungswert durch Beschluss des Bewertungsausschusses festgesetzt75. Damit kommt es seither dem Grunde nach zu einer Änderung der früher relativen, zur nun absoluten Bewertung der einzelnen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen76, da nun grundsätzlich jeder Vertragsarzt den Euro-Betrag für jede von ihm erbrachte Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab nachschlagen kann. Diese bundeseinheitliche Vorgabe wurde bis zum 31. Dezember 2011 durch drei unterschiedliche Orientierungswerte – einen für den Regelfall und zwei besondere, jeweils für über- oder unterversorgte Gebiete – charakterisiert77. Jedoch wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2012 auf die Anwendung von Sonderpreisen bei Über- und Unterversorgung verzichtet. Es ist nun – entsprechend dem Wortlaut der jetzigen Fassung des § 87 Abs. 2e SGB V – nur noch ein einziger Orientierungswert zu bilden, was der Vereinfachung des Vergütungssystems dienen soll78. Für das Jahr 2016 wurde beispielsweise ein Orientierungswert in Höhe von 10,4361 Cent vom Bewertungsausschuss festgelegt79. Für die genannten Beispiele ergeben sich daher für das Jahr 2016 folgende Preise: Die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes zwischen 19.00 und 22.00 Uhr mit der Gebührenordnungsposition 01100 wird grundsätzlich mit 20,45 Euro80 und die Inanspruchnahme zwischen 22.00 und 07.00 Uhr 4095, S. 96 f. Siehe dazu umfassend: Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Zur Frage der Sachgerechtigkeit einer Basisanpassung der regionalen Gesamtvergütungen (Konvergenz der Vergütungen), Stand: Juni 2014. 71 BGBl. I 2007, S. 378 (395). 72 Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 218; Steinhilper, jurisPR-SozR 9/2009 Anm. 4. 73 Rompf, GesR 2008, S. 57. 74 BGBl. I 2007, S. 378 (395). 75 Vgl. § 87c Abs. 1 S. 1 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (401); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 303 ff. 76 Siehe auch: Kapinsky, G+S 6/2013, S. 24, nach dem der bundesweite Orientierungswert eine Stellgröße für den Preis geschaffen habe. 77 Vgl. § 87 Abs. 2e SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (395 f.). 78 BT-Drs. 17/6906, S. 61. 79 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 1686. 80 196 Punkte x 0,104361 Euro = 20,45 Euro, vgl. Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 26 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___ Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
mit der Gebührenordnungsposition 01101 wird grundsätzlich mit 32,66 Euro81 vergütet. Die so festgelegte „bundeseinheitliche Euro-Gebührenordnung“ dient aber nur dann der absoluten Bewertung ärztlicher Leistungen, wenn sich keine regionalen Abweichungen davon ergeben82. Die Bestimmung des § 87a Abs. 2 SGB V gibt den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen die Möglichkeit, durch Zu- oder Abschläge aufgrund der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur (Satz 2) und durch Zuschläge wegen besonders förderungswürdiger Leistungen sowie aufgrund Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern (Satz 3), den einheitlichen Orientierungswert regional zu verändern. Die regionalen Differenzen können sich unter anderem aus den unterschiedlichen Kostenstrukturen der Arztpraxen, etwa durch verschiedene Lohn- und Gehaltsniveaus der Praxisangestellten oder durch unterschiedliche Mietpreisniveaus für Praxisflächen, oder aus differierenden Versorgungsstrukturen, z. B. durch divergierenden Bedarf im hausärztlichen und im fachärztlichen Bereich oder durch unterschiedliche Behandlungsfallzahlen, ergeben83. Aus dem Zusammenspiel der regional vereinbarten Punktwerte und den sonstigen nicht veränderten Punktbewertungen aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab ist sodann eine einheitliche sog. regionale Euro-Gebührenordnung zu erstellen84. Waren es vor dem Jahre 2009 die Gesamtpunktzahlen und das Gesamtvergütungsvolumen, die in Verbindung mit den abstrakten Punktzahlen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab die endgültigen Preise für eine Leistung festsetzten, sind es nun die auf der Grundlage des bundeseinheitlichen Orientierungswertes bestimmten regionalen Punktwerte, die als zusätzlicher Faktor zur abstrakten Punktebewertung hinzutreten85. Damit bleibt es auch nach der Einführung des Orientierungswertes und der regionalen Punktwerte dabei, dass zusätzlich zur abstrakten Punktebewertung einer Leistung in Punktzahlen noch immer ein weiterer Faktor hinzutreten muss, um den endgültigen Preis einer Leistung bestimmen zu können. Obwohl zum Teil nach der Einführung des Orientierungswertes das veränderte System als „unbefriedigend empfunden“ und daher mit erheblichen Veränderungen spätestens im Jahre 2010 gerechnet wurde, „sodass eine nähere Befassung damit kaum lohnen würde“86, hält 81
313 Punkte x 0,104361 Euro = 32,66 Euro, vgl. Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 27, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___ Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 82 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 29; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 133; Rompf, GesR 2008, S. 58; Steinhilper, jurisPR-SozR 9/2009 Anm. 4. 83 BT-Drs. 16/3100, S. 119. 84 Vgl. § 87a Abs. 2 S. 5 SGB V. Vgl. zur regionalen Euro-Gebührenordnung umfassend in diesem Abschnitt III., S. 130 ff. 85 Vgl. auch: Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 96. 86 Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 24 Rn. 43.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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sich nun bereits seit mehr als fünf Jahren die geänderte Art des hinzutretenden Faktors – namentlich die auf der Grundlage des Orientierungswertes zu bestimmenden regionalen Punktwerte –, mit welchem die abstrakten Punktzahlen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu absoluten Euro-Beträgen und folglich zum Preis einer Leistung werden. Somit zeigt sich, der Gesetzgeber nimmt nicht wie in der Zeit vor 2009 nur auf die Punktzahlen einer Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab Einfluss, sondern stellt mit dem Orientierungswert einen weiteren Parameter auf, der einen zusätzlichen Eckpfeiler des Verteilungssystems bildet87. cc) Steuerungsinstrument für die vertragsärztliche Vergütung Der Bewertungsausschuss hat nach § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V den gesetzlichen Auftrag, das wertmäßige in Punkten ausgedrückte Verhältnis der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zueinander zu bestimmen88. Damit hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, Vergütungsgrundsätze, die aus bestimmten Sachgründen für die gesetzliche Krankenversicherung bundeseinheitlich geregelt werden sollen, im Einheitlichen Bewertungsmaßstab festzusetzen89. Auf diese Weise wird zum einen erreicht, dass über den Geltungsbereich eines einzelnen Versorgungsgebietes einer Kassenärztlichen Vereinigung hinaus im gesamten Bundesgebiet Steuerungsmechanismen Anwendung finden, und zum anderen, dass deren Festlegung durch ein Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgt, welches gegenüber einer Festsetzung von Leistungsbewertungen durch den Bundesgesetzgeber die Vorteile hat, näher am Normadressaten zu sein und den Interessenausgleich zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten zu fördern. Darüber hinaus können auf diese Weise Änderungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes durch Beschluss des Bewertungsausschusses zeitnah und effektiv erfolgen. Aller87 Vgl. auch: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 39, der den Orientierungswert als zentrale Variable im Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Vergütung ansieht. Eingeschränkter etwa: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 31, der durch die Einführung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, der regionalen EuroGebührenordnung und des Orientierungswertes keine wesentlichen Änderungen des Vergütungssystems erkennt. 88 Zur Steuerungsfunktion des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, vgl. etwa: BSGE 78, 98 (105); 79, 239 (242); 81, 86 (92); 86, 30 (42); Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 13 f.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 37; Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 14; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 751; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 38; ders., in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 19; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 257; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 19 ff.; Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 4; Schneider, Kassenarztrecht, S. 214; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 11. 89 BSGE 78, 98 (105); 79, 239 (242). Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 37; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 19.
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dings stellt die Steuerung ärztlicher Honorare durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab einen erheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Vertragsärzte nach Art. 12 Abs. 1 GG dar, da auf diesem Wege, statt privatautonom, die Höhe der Preise für vertragsärztliche Leistungen staatlich festgesetzt und gesteuert wird90. Ziel der Steuerung durch die Leistungsbewertungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab ist nicht nur, die Förderung der wirtschaftlichen Leistungserbringung zu erreichen, sondern auch eine angemessene Vergütung der Vertragsärzte, insbesondere der Arztgruppen zu einander, zu gewährleisten91. Zur Erreichung dieser Ziele steht dem Bewertungsausschuss ein weiter Gestaltungsspielraum zu; er ist folglich nicht auf einen numerus clausus an Steuerungsmechanismen festgelegt92. Gesetzlich ist durch die Anordnung, „ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander“93 zu bestimmen, intendiert, das Leistungsverhalten der Vertragsärzte im Wege der Erhöhung oder Verringerung der Bewertung einer Leistung – d. h. die Veränderung der für eine Gebührenordnungsposition aufgeführten Punktzahl – zu steuern94. Ein Beispiel für einen bundesweit geltenden Vergütungsgrundsatz ist die Förderung der sprechenden Medizin und die daran gekoppelte Verringerung der apparativen Medizin95. Über die Veränderung der Punktzahlen von Gebührenordnungspositionen hinaus steht es dem Bewertungsausschuss frei, ergänzende Bewertungsformen, wie etwa Komplexgebühren, Gebührenpauschalen, Abstaffelungsregelungen, Budgetierungen oder ähnliche mengen- und fallzahlenbegrenzende Mechanismen, zur Steuerung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufzunehmen96. Durch das Setzen von Vergütungsanreizen97 entweder im Wege der Verringerung oder Erhöhung der Bewertung einer Leistung oder im Wege anderer Bewertungsformen kann erreicht werden, dass Leistungen von Vertragsärzten nicht ausschließlich aufgrund medizi90
Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 14. BSGE 78, 98 (106); 81, 86 (92); 88, 126 (129). Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 43; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 19; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 20; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 11. 92 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 20, 22. 93 § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 94 BSGE 78, 98 (105); 79, 239 (242); 81, 86 (92); 88, 126 (129); 94, 50 (80). Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 39; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 19 f. 95 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 40. Vgl. auch zu dem Ende 2013 reformierten Einheitlichen Bewertungsmaßstab: Korzilius/Rieser, DÄ 2013, S. A 485; Rieser, DÄ 2013, S. A 1348 f. 96 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 20. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 42 f. 97 Vgl. auch: BT-Drs. 18/4095, S. 93, wonach der Einheitliche Bewertungsmaßstab „ein wesentliches Element zur Anreizsetzung im Hinblick auf den Umfang und die Struktur der Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen in der medizinischen Versorgung“ darstellt. 91
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nischer Indikation, sondern aufgrund – in gewissen Maßen legitimer – ökonomischer Erwägungen entweder verringert oder vermehrt erbracht und abgerechnet werden98. Ein weiterer Mechanismus, durch welchen die Ziele der bundeseinheitlichen Förderung der wirtschaftlichen Leistungserbringung und der angemessenen Vergütung der Vertragsärzte erreicht werden, ist die Bindung der regionalen Normgeber im Rahmen der Honorarverteilung an die durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab festgesetzten Steuerungsmechanismen99. Die Leistungsbewertungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab haben vor allem deshalb einen so erheblichen Steuerungseffekt, weil sie bundesweit einheitlich einen wesentlichen Teil dazu beitragen, ob eine einzelne Leistung im Ergebnis mit einem hohen oder niedrigen Euro-Betrag vergütet wird100. Ist also wie im obigen Beispiel die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes zwischen 19.00 und 22.00 Uhr mit der Gebührenordnungsposition 01100 mit 196 Punkten101 und die Inanspruchnahme zwischen 22.00 und 07.00 Uhr mir der Gebührenordnungsposition 01101 mit 313 Punkten102 bewertet, bleibt unabhängig von der Höhe des regionalen Punktwertes grundsätzlich das Verhältnis der beiden Leistungen zueinander bestehen. Das bedeutet, die Inanspruchnahme des Vertragsarztes zwischen 22.00 und 07.00 Uhr bleibt grundsätzlich über 50 % mehr wert als die Inanspruchnahme zwischen 19.00 und 22.00 Uhr. Änderungen durch die Deckelung der Gesamtvergütung und durch das damit verbundene Floaten der Punktwerte ab einem bestimmten Zeitpunkt im Quartal oder durch die regionalen Zu- oder Abschläge auf die Punktwerte einzelner Leistungen können den erheblichen Steuerungseffekt der Leistungsbewertung durch Punktzahlen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab nur in begrenztem Maße beeinflussen103.
2. Vorgaben des Gesetzgebers Der Gesetzgeber regelt in § 87 SGB V nicht nur, dass es sich bei dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab um ein Verzeichnis von Leistungen und um eine we98 BSGE 81, 86 (93); 88, 126 (129). Siehe auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 40. 99 Vgl. BSGE 94, 50 (68); BSG, GesR 2007, 581 f.; GesR 2011, 304 f. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 44. 100 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 32, 77. Vgl. auch: Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 415 ff.; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 17 f. 101 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 26 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 102 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 27, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 103 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 36.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
sentliche Grundlage für die Bewertung dieser Leistungen mit Punkten handelt, sondern er macht darüber hinaus punktuell weitergehende inhaltliche Vorgaben für die Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes. Dabei macht der Gesetzgeber zum einen allgemeine inhaltliche Vorgaben in Bezug auf alle im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen, zum anderen setzt er besondere Vorgaben zu einzelnen Leistungsgebieten fest. a) Allgemeine Vorgaben zur Leistungsbewertung und -überprüfung aa) Der zur Leistungserbringung erforderliche Zeitaufwand Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab sind nach § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V „soweit möglich“ die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen. Diesen Zusatz hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz)104 vom 14. November 2003 festgeschrieben. Die Angabe des erforderlichen Zeitaufwandes soll zur Transparenz der Leistungsbewertungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab beitragen und darüber hinaus die arztbezogenen Plausibilitätsprüfungen105 – insbesondere vor dem Hintergrund der pro Tag an Zeitumfang abgerechneten Gebührenordnungspositionen – erleichtern106. Mit dieser Vorgabe lässt der Gesetzgeber erkennen, dass der zeitliche Aufwand eines Vertragsarztes – also der Wert der persönlichen Erbringung seiner Dienstleistung107 – eine wesentliche Komponente in der Honorierung von Behandlungsleistungen darstellt108. Die Angabe für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand eines Vertragsarztes erfolgt im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab109, der die Leistungspositionen in eine der Kalkulation zugrunde liegende Zeit, sog. Kal104
Vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2208). Plausibilitätsprüfungen werden nach § 106a SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommen. Sie prüfen die Abrechnung jedes Vertragsarztes auf Plausibilität. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes, § 106a Abs. 2 S. 2 SGB V. Kritisch zu Plausibilitätsprüfungen als Beweis von Falschberechnungen: Willaschek, ZMGR 2015, S. 387 ff. 106 BT-Drs. 15/1525, S. 104. Vgl. auch: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 18. 107 Siehe dazu auch nachfolgend in diesem Abschnitt I. 2. a) bb) (2), S. 68 ff. 108 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 72; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 12. 109 Anlage 3: Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V, Stand: 1. Quartal 2016, S. 1318 ff., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___ Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 105
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
65
kulationszeit, und in eine für die Plausibilitätsprüfung maßgebliche sog. Prüfzeit einteilt110. Für die bereits als Beispiel herangezogenen Leistungen mit den Gebührenordnungspositionen 01100 und 01101 wird beispielsweise keine Kalkulationszeit vorgegeben111, denn es handelt sich dabei um eine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten, die – so schreibt es die Anlage 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab vor – keines besonderen Zeitumfangs bedarf, um abgerechnet zu werden. Vielmehr ist in diesen Fällen Grund der Vergütung, dass überhaupt eine Inanspruchnahme des Vertragsarztes stattgefunden hat. Hingegen wird etwa für eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung bei einer Frau mit der Gebührenordnungsposition 01730 eine Kalkulationszeit von 14 Minuten veranschlagt; für die Plausibilitätsprüfung ist dieser Leistung eine Prüfzeit von 11 Minuten zugeschrieben112. bb) Sachgerechte Stichproben auf betriebswirtschaftlicher Basis Im Weiteren gibt der Gesetzgeber in § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V vor, die Bewertung der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweils betroffenen Arztgruppen auf der Grundlage von sachgerechten Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen113. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz114 vom 26. März 2007 wurde das Erfordernis einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung 110 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 99; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 788. Vgl. zum Ablauf der Plausibilitätsprüfung auch die Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbandes nach § 106a SGB V, DÄ 2008, S. A 1925 ff. 111 Anlage 3: Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V, Stand: 1. Quartal 2016, S. 1318, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___ Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 112 Anlage 3: Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V, Stand: 1. Quartal 2016, S. 1321, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___ Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Die Differenz der Kalkulations- zur Prüfzeit ergibt sich daraus, dass mit der Kalkulationszeit die durchschnittliche Zeit, die für die jeweilige Leistung benötigt wird, dargestellt wird und die innerhalb der Plausibilitätsprüfung verwendete Prüfzeit die Mindestzeitdauer beinhaltet, die ein geübter und erfahrener Arzt zur Erbringung der betreffenden Leistung benötigt. Folglich stellt die Prüfzeit zu Zwecken der Überprüfung, ob ein Arzt tatsächlich die von ihm abgerechneten Leistungen erbracht hat, die untere Zeitgrenze für die jeweilige Leistungserbringung dar. Übersteigt die Prüfzeit einen bestimmten, vorher festgelegten Wert, werden weitere Plausibilitätsprüfkriterien herangezogen. 113 Vgl. schon: BSGE 97, 170 (181). Zur Bestimmung von Punktwerten allgemein, siehe auch: Ludwig, Die Vergütung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage von „Sozialtarifen“ in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 190 ff. 114 BGBl. I 2007, S. 378 (394).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
auf der Grundlage von sachgerechten Stichproben, welches bei der Bewertung aller vertragsärztlichen Leistungen anzuwenden ist115, eingeführt. Die Ermittlung der Leistungsbewertungen anhand von objektiven Kriterien ist sowohl für die Festlegung von hausärztlichen Versichertenpauschalen als auch für die fachärztlichen Grundund Zusatzpauschalen sowie für die verbleibenden Einzelleistungen heranzuziehen116. Ziel der Einführung war es, die leistungsgerechte Vergütung zwischen den Arztgruppen sicherzustellen117. (1) Umfang der betriebswirtschaftlichen Leistungsbewertung Im Hinblick darauf, was unter einer Leistungsbewertung „auf der Grundlage von sachgerechten Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis“118 zu verstehen ist, macht der Gesetzgeber weder im Gesetzestext selbst noch in den Gesetzesbegründungen weitergehende Aussagen. Die Ansichten der Rechtsprechung und der Literatur gehen insbesondere bezüglich dessen, was eine Ermittlung der Leistungsbewertung auf „betriebswirtschaftlicher Basis“ bedeutet, auseinander119. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts „muss der Normgeber schon überhaupt nicht maßgeblich auf betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte abstellen“120. Vielmehr sei eine „sog. Mischkalkulation“ vorzunehmen und auch „andere Gesichtspunkte“ seien heranzuziehen121. Werden betriebswirtschaftliche Erwägungen mitberücksichtigt, sei dies solange nicht zu beanstanden, als sie eine gewisse Plausibilität für sich hätten122. In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass keine Notwendigkeit bestünde, jede einzelne Leistung strikt nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten, jedoch für die Leistungsbewertung insgesamt sehr wohl „betriebswirtschaftliche Aspekte Beachtung finden“123 müssten. Teilweise wird auch vertreten, dass neben der – eine angemessene Vergütung bezweckenden – betriebswirtschaftlichen Bewertung das Ziel berücksichtigt werden solle, Leistungen aus ge-
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BT-Drs. 16/3100, S. 127. BT-Drs. 16/3100, S. 127. Vgl. zu den einzelnen Pauschalen und Einzelvergütungen nachfolgend ausführlich in diesem Abschnitt I. 2. b) bb), S. 82 ff., und cc), S. 86 ff. 117 BT-Drs. 16/3100, S. 127. 118 § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. 119 Dies feststellend etwa: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 198; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 10. 120 BSG SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 15 Rn. 24. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 24 Rn. 16; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 137. 121 BSG SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 15 Rn. 24; SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 24 Rn. 16. 122 BSG SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 15 Rn. 24; SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 24 Rn. 16. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 22. 123 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 198. 116
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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sellschaftlichen oder Sicherstellungsgründen124 durch eine höhere Bewertung zu fördern bzw. attraktiver zu machen. In diese Richtung zielt auch die vereinzelt vertretene Annahme, dem Bewertungsausschuss müssten im Hinblick auf die Weiterentwicklung des kalkulatorischen Arztlohnes „Wertungen und Abwägungen der einzelnen Bereiche möglich sein“125. Wie allerdings die Bewertung der Leistungen entweder im Ganzen betriebswirtschaftliche Bezüge erhalten soll, welche Leistungen warum gesellschaftlich bzw. aus Sicherstellungsaspekten zu fördern sind, oder wann Wertungen und Abwägungen in welchen Bereichen zu gewähren sind, wird auch durch diese in der Literatur vertretenen Ansichten nicht klar. Denn dafür bedürfte es eines Maßstabes, der vorgibt welche Leistungen einer betriebswirtschaftlichen Grundlage benötigten und welche auch ohne diese festgesetzt werden könnten. Die Festsetzung eines solchen Maßstabes würde allerdings eine weitere unbestimmte Komponente darstellen, die dem generellen Ziel der Transparenz und Vereinfachung des Vergütungssystems126 widerspräche. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz127 vom 16. Juli 2015 wurde der für den Umfang der betriebswirtschaftlichen Leistungsbewertung relevante § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V erweitert. Zuvor war die in Satz 1 des § 87 Abs. 2 SGB V festgeschriebene Bewertung der ärztlichen Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes „unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweils betroffenen Arztgruppen auf der Grundlage von sachgerechten Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern auf betriebswirtschaftlicher Basis zu ermitteln“128. Nun ist neben den grundsätzlichen Bewertungen der einzelnen Leistungen nach Satz 1 des § 87 Abs. 2 SGB V auch die Überprüfung der wirtschaftlichen Aspekte der Leistungsbeschreibungen und -bewertungen nach Satz 2 des § 87 Abs. 2 SGB V129 unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweils betroffenen Arztgruppen auf der Grundlage von sachgerechten Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern auf betriebswirtschaftlicher Basis zu ermitteln130. Überdies sind die sachgerechten Stichproben auf betriebswirtschaftlicher Basis nun in bestimmten Zeitabständen zu aktualisieren131. Ziele der Änderung sind, die Honorargerechtigkeit zwischen den und innerhalb der einzelnen Arztgruppen zu verbessern sowie ökonomische Fehlanreize zu vermeiden132. In der Gesetzesbegründung heißt es darüber hinaus, die Leistungsbewertungen seien regelmäßig betriebswirtschaftlich neu zu kalkulieren, um den raschen Veränderungen der Versorgungsstrukturen, der tech124
Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 6. Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586. 126 Vgl. Steinhilper, jurisPR-SozR 9/2009 Anm. 4. 127 BGBl. I 2015, S. 1211 (1219). 128 § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (394). 129 Zu § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V, vgl. ausführlich in diesem Abschnitt I. 2. a) cc), S. 74 ff. 130 § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V n.F. 131 § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V n.F. 132 BT-Drs. 18/4095, S. 93. 125
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
nischen Ausstattung sowie der Preis- und Kostenentwicklung zu entsprechen. Die Regelung – so die Gesetzesbegründung – stelle klar, dass die Bewertungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes kontinuierlich, in bestimmten Zeitabständen, auf der Grundlage von betriebswirtschaftlichen Daten der vertragsärztlichen Leistungserbringer, die in sachgerechten Stichproben gewonnen werden, anzupassen seien133. Die Annahme in der Gesetzesbegründung, dass die Neuregelung des § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V lediglich klarstellenden Charakter habe, lässt somit – zur Beantwortung der Frage, ob alle Leistungsbewertungen auf betriebswirtschaftlicher Basis zu erfolgen haben – den Rückschluss zu, dass die Bewertung der ärztlichen Leistungen tatsächlich auf betriebswirtschaftlicher Grundlage erfolgen soll134 bzw. zumindest in Zukunft zu erfolgen hat135. (2) Leistungsbewertung anhand von technischem und ärztlichem Anteil Ursprünglich wurde im Einheitlichen Bewertungsmaßstab die Bewertung einer neuen Leistung von anderen bereits im Einheitlichen Bewertungsmaßstab existierenden Leistungen abgeleitet. Damit wurde die Bewertung einer neuen Leistung nicht originär entwickelt, sondern von einer bereits vorhandenen anderen Leistung übernommen bzw. angepasst und darüber hinaus im Wege der Verhandlung der Selbstverwaltungsorgane festgelegt136. Angesichts der dadurch zum Teil entstandenen Überbewertung von technischen und Unterbewertung von Gesprächsleistungen, wurde die Methode zur Bewertung einer Leistung mehrfach reformiert und ein neues Kalkulationssystem entwickelt, welches nun der Leistungsbewertung zugrunde liegt137. Bei diesem System wird die Vergütung einer Leistung rechnerisch aufgeteilt in einen Anteil, der einzig die ärztliche Dienstleistungstätigkeit erfasst, und einen anderen Teil, der den rein technischen Teil umfasst138. Ersterer entspricht
133
BT-Drs. 18/4095, S. 93. In der Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes wurde ausgeführt, die Einbeziehung der betriebswirtschaftlichen Basis entspreche der aktuellen Vorgehensweise, vgl. AOK-Bundesverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 66. 135 Vgl. dazu auch: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 26. 136 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 9. 137 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 9 f. 138 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 103; Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 10; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 755; Rompf, GesR 2008, S. 58. 134
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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dem „Lohn“ des Arztes und letzterer beinhaltet die „Praxisvorhaltekosten“139, etwa Personalkosten, Praxismieten oder Versicherungsprämien, die üblicherweise bei der Erbringung einer bestimmten Leistung für das Führen einer Vertragsarztpraxis anfallen und sich daher in der Punktzahl widerspiegeln müssen140. Die Berechnung des rein ärztlichen Tätigkeitsanteils einer Leistung wurde unter anderem durch die Bezugnahme und Weiterentwicklung des Gehalts eines im Krankenhaus tätigen Oberarztes normativ berechnet141, der sog. kalkulatorische Arztlohn142. Dieser kalkulatorische Arztlohn wird dadurch ermittelt, dass geschätzt wird, welche Einkünfte ein Arzt erzielen könnte, wenn er seine Arbeitskraft nicht ambulant, sondern stationär in einem festen Angestelltenverhältnis einsetzen würde, sog. Opportunitätskosten143. Zur Ermittlung der Opportunitätskosten wurde der Lohn für die Tätigkeit eines stationär behandelnden Oberarztes mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden die Woche zugrunde gelegt. Um den kalkulatorischen Arztlohn eines ambulant tätigen Arztes zu generieren, wurde sodann die Vergütung eines Oberarztes für 38,5 Stunden auf 51 Wochenstunden angehoben. Damit sollte die generell zeitintensivere selbstständige Tätigkeit eines ambulant tätigen Arztes widergespiegelt werden. Auf diesem Wege wurde bei der letzten Berechnung des kalkulatorischen Arztlohnes im Jahre 2008 ein Arztlohn in Höhe von 105.572 Euro errechnet144. Auf dieser Grundlage und unter Hinzuziehen der durchschnittlichen Produktivität und des Zeitbedarfs eines Arztes für das Erfüllen der jeweiligen ärztlichen Leistung, wurde für jede Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab der Wert ermittelt, der einzig die ärztliche Dienstleistung widerspiegeln soll145. Dieser Wert stellt folglich
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Dies umschreibt den erforderlichen Sach- und Personalaufwand einer Praxis, vgl. BSGE 70, 240 (245). 140 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 10. 141 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 26 f.; Schauenburg, Die BKK 2007, S. 483 f. Siehe zur Berücksichtigung des Arztlohnes innerhalb der jährlichen Anpassung des Orientierungswertes nach § 87 Abs. 2e, 2g Nr. 1 SGB V ausführlich nachfolgend in diesem Abschnitt III. 2. a) bb) (1), S. 137 ff. 142 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 11; Rompf, GesR 2008, S. 58; Scholz, in: Becker/ Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 6. 143 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 26. 144 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 27; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 136; ders., in: Luxenburger, FS 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 404; Rompf, GesR 2008, S. 58; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 6; Steinhilper, MedR 2009, S. 464. Vgl. auch: Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 755. 145 Ausführlich dazu: Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 11 ff., 26 ff.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
den rein ärztlichen Tätigkeitsanteil einer Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab dar. Die Berechnung des technischen Anteils erfolgt hingegen nicht aufgrund von Opportunitätskosten, sondern auf der Grundlage von Studien. Bis zum Zeitpunkt der Expertise des Instituts für Gesundheit und Sozialforschung im August 2010 bildeten im Wesentlichen vier Studien aus den Jahren 1993 bis 1995 die Basis dieses Kostenanteils146. Zwar wurden die Erhebungen aus den Studien „qualitätsgewichtet zusammengeführt“147, um eine ausreichende Stichprobe zu erhalten, jedoch wurde ihnen zurecht der Vorwurf entgegen gebracht, sie seien zu alt, zu ungenau und zu interessengeleitet148. Immerhin wurden die aus den 1990er Jahren stammenden ursprünglichen Kostenwerte auf der Grundlage verschiedener Preisindizies inflationiert und durch ergänzende Zusatzerhebungen neu berechnet149. Doch es ließ sich nicht verleugnen, dass die Kostenerhebungen damals überwiegend mehr als zehn Jahre zurücklagen und die in dieser Zeit entstandenen Strukturveränderungen der Arztpraxen nicht adäquat abgebildet wurden150. Es bedurfte einer aktuellen Datenbasis, die differenziert für alle Arztgruppen die entsprechenden Praxisvorhaltekosten erfasst151. Dafür wurde das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) – welches unter der Trägerschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als Forschungsinstitut in der Form einer Stiftung agiert152 – gebeten, einen sog. ZI-Praxis-Panel (ZiPP) zu erarbeiten153. Der ZI-PraxisPanel ist eine freiwillige, anonyme schriftliche Befragung niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten, bei der in der Erhebungswelle 2012 Informationen zu Einnahmen und Aufwendungen in den Jahren 2008 bis 2010 erfasst wurden, um auf diese Weise die wirtschaftliche Entwicklung der Vertragsärzte beschreiben zu 146
Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 30. 147 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 30. 148 Rieser, DÄ 2010, S. A 2316. 149 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 31. 150 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 34; Maus, DÄ 2010, S. A 787. 151 Maus, DÄ 2010, S. A 787. 152 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2012, Stand: Februar 2014, S. 27. 153 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 103; Maus, DÄ 2010, S. A 787; Rieser, DÄ 2010, S. A 2316. Zur Statistik möglicher Ausfälle im ZI-PraxisPanel, vgl. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Panelmanagement des ZIPraxis-Panel: Ansätze zur Identifizierung, Erklärung und Verringerung von Panel-Mortalität, Stand: Februar 2014. Auch auf Seiten der Krankenkassen wurde ein Wirtschaftsforschungsinstitut (prognos) beauftragt, auf Grundlage der Angaben des Statistischen Bundesamtes Daten zu erheben, die unter anderem die Kostenstrukturen in den Arztpraxen wiedergeben, vgl. Rieser, DÄ 2012, S. 539; prognos, Zusammenfassung – Bestimmung des Orientierungswertes 2013 für die vertragsärztliche Vergütung, Stand: August 2012.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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können154. Damit kann nicht nur die Kalkulation von Gebührenordnungspositionen im Hinblick auf den technischen Anteil, sondern auch die Berechnung des kalkulatorischen Arztlohnes überprüft werden155. Überdies dienen die im ZI-Praxis-Panel ausgewerteten Informationen der Weiterentwicklung des Orientierungswertes sowie der regionalen Punktwertvereinbarungen156. Der ZI-Praxis-Panel kam im Hinblick auf den Kostenanteil einer Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu dem Ergebnis, dass die Betriebskosten157 in den Jahren zwischen 2008 bis 2010 im Durchschnitt um 4,7 % je Praxisinhaber gestiegen sind158. Eine derartige Betriebskostensteigerung überschreitet deutlich die bundesdurchschnittliche Inflationsrate im gleichen Zeitraum: diese lag bei 1,4 %159. Da der Einheitliche Bewertungsmaßstab aber noch immer größtenteils eine relative Bewertung der Leistungen in Punkten beinhaltet, muss die aus dem ärztlichen Tätigkeitsanteil und dem technischen Anteil in Euro ermittelte Bewertung jeder einzelnen Leistung nach dem sog. Standardbewertungssystem (STABS)160 in Punkte umgerechnet werden, um so das in Punkten ausgedrückte Verhältnis der einzelnen Leistungen zueinander darzustellen161. Dafür bedarf es eines geeigneten Umrechnungsfaktors, des sog. kalkulatorischen Punktwertes162, der die errechneten EuroBeträge in Punktzahlen umwandelt. Seit dem 1. Oktober 2013 beträgt dieser Wert 154 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2012, Stand: Februar 2014, S. 10, 13. 155 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2011, Stand: Mai 2013, S. 27. 156 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2011, Stand: Mai 2013, S. 27. Vgl. dazu auch: Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586; v. Stillfried/Leibner/Erhart, G+S 2/2012, S. 56 ff. 157 Zu den Betriebskosten zählen im ZI-Praxis-Panel Aufwendungen für Personal, Material und Labor, Miete und Nebenkosten der Praxisräume, Beiträge für Versicherungen und Gebühren, Kosten für Kraftfahrzeughaltung, Abschreibungen, Ausgaben für Leasing und Mieten von Geräten, Kosten für Wartung und Instandhaltung, Fremdkapitalzinsen, Aufwendungen für Fortbildungen sowie für das Nutzen externer Infrastruktur und sonstige betriebliche Aufwendungen, vgl. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2011, Stand: Mai 2013, S. 14. 158 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2012, Stand: Februar 2014, S. 10, 12. 159 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), ZI-Praxis-Panel – Jahresbericht 2012, Stand: Februar 2014, S. 10. 160 Vgl. dazu etwa: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Abrechnung und Honorar – Information der KBV 64/2013, Stand: Mai 2013, S. 2 f.; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 87a SGB V Rn. 6; Wasem/Walendzik, KrV 2009, S. 103. Das Kalkulationsverfahren als intransparent beschreiben: Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 21 f. 161 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2013, S. 287; Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 12. 162 Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 12 f.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
10,00 Cent und ist somit dem Orientierungswert163 in Höhe von derzeit 10,4361 Cent weitestgehend angepasst worden164. Im Oktober 2013 wurde der Einheitliche Bewertungsmaßstab im Rahmen einer grundlegenden Weiterentwicklung in einer ersten Stufe im Hinblick auf seinen Umfang und hinsichtlich des Inhalts der Gebührenordnungspositionen überarbeitet und erneuert165. In einer zweiten Stufe sollten ursprünglich bis zum 30. Juni 2014 die Bewertungen aller Leistungen des hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereiches überprüft und vor allem neu kalkuliert werden. Allerdings wurde im September 2014 vom Bewertungsausschuss beschlossen, dass die Anpassung des kalkulatorischen Arztlohnes im Rahmen der Weiterentwicklung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes erst mit Wirkung zum 1. Januar 2016 überprüft werden soll166. Vor diesem Hintergrund hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu einer Studie unter Vertragsärzten aufgerufen, mit der im Zeitraum von Januar bis März 2015 der kalkulatorische Arztlohn, aber auch der Zeitbedarf für Aufgaben des Praxis-, Qualitäts- und Versorgungsmanagements überprüft werden sollten167. Zu überprüfen war dabei insbesondere, ob die für die Bewertungen der Leistungen zugrunde gelegten Praxiskosten noch zeitgerecht sind, was bei einer durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung ausgewiesenen Steigung von 4,7 % fraglich erscheint168. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat diesbezüglich im September 2015 eine gutachterliche Stellungnahme veröffentlicht, die sich mit der derzeitigen Berechnung des kalkulatorischen Arztlohnes befasst und alternative Berechnungsgrundlagen neben der Bezugnahme auf das Oberarztgehalt beleuchtet169. Diese Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, das Oberarztgehalt müsse nicht zwingend 163
Zum Orientierungswert, vgl. ausführlich in diesem Abschnitt III. 2. a), S. 135 ff. Zuvor betrug der kalkulatorische Punktwert 5,11 Cent und der Orientierungswert 3,5363 Cent. Zu den Ursachen der Bewertungsdiskrepanz, vgl. Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 19 f., 73 ff. Durch den Beschluss des Bewertungsausschusses mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 wurden der kalkulatorische Punktwert und der Orientierungswert jeweils auf 10,00 Cent angehoben, vgl. DÄ, S. 286 f., wobei der Orientierungswert für das Jahr 2014 auf 10,13 Cent angehoben wurde, vgl. Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. A 1984 f., für das Jahr 2015 bei 10,2718 Cent lag, vgl. Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. 527 und für das Jahr 2016 auf 10,4361 Cent festgesetzt wurde, vgl. bereits Nachweis in diesem Abschnitt, Fn. 79. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 6. 165 Zur Kritik an der EBM-Reform auf Landesebene, vgl. Alwardt, Journal KVMV 10/2013, S. 4. Allgemein zu Reformen des EBM: Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 15 ff. 166 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. 527. 167 Siehe dazu die eigens eingerichtete Internetseite: http://www.primetrustcenter.eu/index. html (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 168 Vgl. auch: Heinrich, G+G 3/2014, S. 26, der einen vollständigen Inflationsausgleich bei der Berechnung der Honorare für die letzen Jahre als überfällig bezeichnet. 169 Greß, Der kalkulatorische Arztlohn in der ärztlichen Vergütung – Gutachterliche Stellungnahme für den GKV-Spitzenverband, Stand: September 2015. 164
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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als Referenzmaßstab dienen170. Es könne auch an ein Facharztgehalt angeknüpft werden. Alternativen wie die Anknüpfung an Gehälter anderer freier Berufe, ein Risikoaufschlag für die unternehmerische Tätigkeit oder kaufstarke Regionen sowie die Weiterentwicklung des kalkulatorischen Arztgehaltes innerhalb der Weiterentwicklung der Gesamtvergütungen werden aus unterschiedlichen Gründen jedoch abgelehnt171. Mitte Oktober 2015 hat der Bewertungsausschuss die Weiterentwicklung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes erneut verschoben172. Bis Juli 2017 soll nun eine Überarbeitung der Leistungsbewertungen erfolgen. Ein Grund für das wiederholte Verschieben sei die zusätzlich benötigte Überarbeitungszeit für die Anpassung des Standardbewertungssystems inklusive der Anpassung des kalkulatorischen Arztlohnes173. Ein weiterer Grund ist die durch das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland (Hospiz- und Palliativgesetz – HPG)174 vom 1. Dezember 2015 in Gang gesetzte Überarbeitung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes bezüglich einer besonders qualifizierten und koordinierten palliativ-medizinischen Versorgung. Nach dem am 8. Dezember 2015 in Kraft getretenen neuen Absatz 1b in § 87 SGB V haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis zum 30. Juni 2016 die Voraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativ-medizinische Versorgung im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren175. Auf Grundlage dieser Vereinbarung hat der Bewertungsausschuss den Einheitlichen Bewertungsmaßstab nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V zu überprüfen und innerhalb von weiteren sechs Monaten – also bis zum 1. Januar 2017 – anzupassen176. Übergeordnetes Ziel der neuen Regelung ist die Stärkung der Palliativversorgung in der Regelversorgung177. Da die neu einzufügenden Leistungen jedoch über den bislang regelhaften Leistungsanspruch in der vertragsärztlichen Versorgung hinausgehen werden, wird ihre Vergütung für zwei Jahre extrabudgetär erfolgen178.
170 Greß, Der kalkulatorische Arztlohn in der ärztlichen Vergütung – Gutachterliche Stellungnahme für den GKV-Spitzenverband, Stand: September 2015, S. 6. 171 Greß, Der kalkulatorische Arztlohn in der ärztlichen Vergütung – Gutachterliche Stellungnahme für den GKV-Spitzenverband, Stand: September 2015, S. 13 ff. 172 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 1958. Vgl. auch: DÄ 2015, S. A 1752. 173 Vgl. Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 1958. Siehe auch: DÄ 2015, S. A 1752. 174 BGBl. I 2015, S. 2114 ff. 175 § 87 Abs. 1b S. 1 SGB V. 176 § 87 Abs. 1b S. 5 SGB V. 177 BT-Drs. 18/5170, S. 26. 178 BT-Drs. 18/5170, S. 27.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
cc) Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung Im Weiteren sind die Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes nach § 87 Abs. 2 S. 2 HS. 1 SGB V „auch“ einer Überprüfung im Hinblick auf den Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie hinsichtlich des Erfordernisses der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung zu unterziehen. Damit statuiert der Gesetzgeber eine allgemeine und umfassende Überprüfungspflicht des Bewertungsausschusses, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab dann zu überprüfen, wenn hinsichtlich des Bewertungsprozesses neue Erkenntnisse vorliegen, welche die bestehenden Verhältnisse zwischen den Leistungen in Frage stellen179. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz180 vom 14. November 2003, ist durch Einführung des § 87 Abs. 2 S. 2 HS. 2 SGB V bei dieser überprüfenden Bewertung insbesondere der Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung der bei der Erbringung von Leistungen eingesetzten medizinisch-technischen Geräte zu berücksichtigen181. Ziel dieser gesetzlich festgesetzten Überprüfungs- und der daraus resultierenden Anpassungspflicht182 ist es, eine schnelle Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes sowohl an den medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt als auch an die Entwicklung der Medizintechnik zu gewährleisten183. Die Anpassung ermöglicht dann, die durch den medizinisch-technischen Fortschritt meist rationeller – d. h. mit weniger Zeit- und Kostenaufwand184 – zu erbringenden Leistungen auch geringer zu bewerten185, womit beiden Regelungszielen des Gesetzgebers gedient würde. Das Prüfungskriterium „Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik“186 ist dem Grunde nach lediglich deklaratorisch187. Denn aufgrund der Funktion des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes als Leistungsverzeichnis schreibt bereits § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den
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Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 20. Vgl. auch: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 15. 180 BGBl. I 2003, S. 2190 (2208). 181 Vgl. dazu: BT-Drs. 15/1525, S. 104. 182 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 107. 183 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 87. 184 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 87. 185 Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 19. 186 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 2 HS. 1 SGB V. 187 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 93; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 107. Vgl. auch: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 15.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben188. Ähnlich deklaratorischen Charakter hat das weitere Kriterium des § 87 Abs. 2 S. 2 HS. 1 SGB V – das „Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung“ –, da es auf das allgemein im Leistungserbringungsrecht geltende Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 S. 1 SGB V hinweist189. Das Wirtschaftlichkeitsgebot schreibt vor, dass Leistungen sowohl ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen als auch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen190. Nicht nur, dass beide dieser vom Gesetzgeber aufgenommenen Kriterien einen die Grundsätze des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts bestätigenden Charakter haben, ihnen ist auch gemein, dass sie nicht als abschließende Überprüfungsmaßstäbe191 dienen. Indem der Wortlaut des § 87 Abs. 2 S. 2 HS. 1 SGB V vorgibt, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab „auch daraufhin zu überprüfen“ ist, ob die Leistungen den genannten Kriterien entsprechen, wird deutlich, dass die im Gesetz aufgeführten Kriterien nur einen Prüfungsschwerpunkt darstellen192. Dadurch, dass der Gesetzgeber im Weiteren vorschreibt, die Überprüfung in „bestimmten Zeitabständen“193 durchzuführen und daraus eine Anpassungspflicht194 entsteht, ergibt sich in zweierlei Hinsicht die für das Vertragsarztrecht notwendige Flexibilität. Zum einen bedarf es in zeitlicher Hinsicht nicht der Überprüfung in regelmäßigen, zeitlich vorbestimmten Abständen, vielmehr reicht eine kontinuierliche Beobachtungspflicht aus, die es erfordert Änderungen in sachgerechten Abständen vorzunehmen195. Zum anderen kann – anders als in der privaten Krankenversicherung – der Einheitliche Bewertungsmaßstab beliebig oft geändert werden196.
188
Zu den Anforderungen an den Qualitätsbegriff, vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 1500 § 109 SGG Nr. 3. Zum Begriff der Wirksamkeit, vgl. etwa: Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 2 SGB V Rn. 57 ff.; Plagemann, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 2 SGB V Rn. 48. Zum Begriff des Stands der medizinischen Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts, vgl. etwa: Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 2 SGB V Rn. 60 ff.; Plagemann, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 2 SGB V Rn. 49 ff. 189 BSGE 79, 239 (243); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 94; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 108. 190 Umfassend zum Wirtschaftlichkeitsgebot, vgl. etwa: Neugebauer, Das Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung; Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 12 SGB V Rn. 6 ff.; Trenk-Hinterberger, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 12 SGB V Rn. 2 ff.; v. Langsdorff, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 9; Zuck, in: Quaas/ Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 9 Rn. 26 ff. 191 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 89; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 111. 192 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 89. 193 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 2 HS. 1 SGB V. 194 Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 15. 195 BSGE 79, 239 (246); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 90 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 112. 196 Dort kann die GOÄ nur durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates geändert werden, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 88. Zum derzei-
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Durch das am 23. Juli 2015 in Kraft getretene GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ist in § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V nicht mehr nur – wie bislang – „die Bewertung der Leistungen nach Satz 1“, sondern nun auch „die Überprüfung der wirtschaftlichen Aspekte nach Satz 2“ unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweils betroffenen Arztgruppen auf der Grundlage von sachgerechten Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen197. Dies dient dem Ziel, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab an die rasche Entwicklung der medizinischen Wissenschaft kontinuierlich anzupassen und somit die Voraussetzungen für die Verbesserung der Versorgung zu schaffen198. Durch die Regelung wird klargestellt, dass nun auch die wirtschaftlichen Aspekte nach Satz 2 des § 87 Abs. 2 SGB V in gleicher Weise überprüft werden wie die sonstige Bewertung der Leistung. In § 87 Abs. 3e Nr. 1 SGB V n.F. wurde überdies dem Bewertungsausschuss aufgetragen, eine Verfahrensordnung zu beschließen, mit der er insbesondere die Antragsberechtigten, die methodischen Anforderungen und die Fristen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung der Beratungen und der Beschlussfassung über die Aufnahme solcher Leistungen, bei denen es sich nicht um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V handelt, festlegt. In Bezug auf diese Verfahrensordnung heißt es in der Gesetzesbegründung, die Bestimmung konkretisiere damit die in § 87 Abs. 2 SGB V enthaltene Regelung, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen ist, ob Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik entsprechen199. Damit wird durch die Gesetzesbegründung klargestellt, dass die in der Verfahrensordnung für die Aufnahme neuer Leistungen festgelegten Anforderungen auch für die Überprüfung bereits bestehender Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab gelten bzw. zumindest eine Orientierung an ihnen stattzufinden hat. Somit ist durch die Neuregelung eine Gleichsetzung der Anforderungen, die an bereits bestehende Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab gesetzt werden, mit den Anforderungen, die an neue Leistungen gestellt werden, erkennbar.
tigen Sachstand einer für den Herbst 2016 geplanten GOÄ-Novelle, vgl. etwa: Rochell/ Windhorst/Henning, DÄ 2015, S. A 2171 ff. 197 BGBl. I 2015, S. 1211 (1219). Vgl. auch: BT-Drs. 18/4095, S. 93. Kritisiert wurde an der Änderung, dass es eine Fokussierung auf die wirtschaftlichen Aspekte der Kalkulation ärztlicher Leistungen gebe, was nicht ausreichend sei; vielmehr müsse ebenso gleichwertig auch die angemessene Vergütung des ärztlichen Anteils als Aspekt ergänzt werden, vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 26. 198 BT-Drs. 18/4095, S. 93. 199 BT-Drs. 18/5123, S. 126.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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dd) Abstaffelung Im Hinblick auf die allgemeinen Vorgaben zur Leistungsbewertung kann gemäß § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V die Bewertung der von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Leistungen insgesamt so festgelegt werden, dass sie ab einem bestimmten Schwellenwert mit zunehmender Menge sinkt. Damit wird beispielsweise die Grundpauschale für Laboratoriumsmedizin mit der Gebührenordnungsposition 12220 ab dem 6001. Behandlungsfall statt zunächst mit 14 Punkten mit nur noch 4 Punkten bewertet200. Ursprünglich war die Abstaffelungsregelung in § 87 Abs. 2a S. 9 HS. 1 SGB V a.F.201 getroffen worden, anschließend aber wurde sie im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes202 vom 26. März 2007 im § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V festgeschrieben203. Dabei war anfänglich in dem Entwurf des GKVWettbewerbsstärkungsgesetzes von den Faktionen CDU/CSU und SPD nicht eine fakultative („kann“-), sondern eine obligatorische („ist“-) Regelung geplant gewesen204. Grund für die Lockerung war das Vorhaben, die wesentlichen Reformziele der Vergütungsreform zum 1. Januar 2009 einzuhalten, welche aber durch eine verpflichtende gesetzliche Regelung zur Abstaffelung gefährdet gewesen wären205. Denn so wäre schon durch den ersten Reformschritt der Zeitplan des Gesamtprojekts in Frage gestellt gewesen206. Daher war die Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes erheblich vereinfacht worden, womit der Selbstverwaltung ein deutlich größerer Spielraum bei der Umsetzung gegeben werden konnte207. Durch die Ausformung einer Kann-Regelung steht es dem Bewertungsausschuss nun frei, ob er überhaupt eine Abstaffelung vornimmt; er unterliegt insoweit keiner Verpflichtung208. Wenn sich der Bewertungsausschuss jedoch zu einer Abstaffelung entscheidet, dann gibt der Gesetzgeber vor, dass sie erst „ab einem bestimmten Schwellenwert“209
200 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 258, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 201 In der Form des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz), vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2209). 202 BGBl. I 2007, S. 378 (394). 203 Zu den minimalen Änderungen, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 201, 203. 204 BT-Drs. 16/3100, S. 20 f., 127. 205 BT-Drs. 16/4247, S. 39. 206 BT-Drs. 16/4247, S. 39. 207 BT-Drs. 16/4247, S. 39. 208 Vgl. dazu: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 203; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 120. 209 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
beginnen darf und somit nicht auf die gesamte Leistungsmenge erfolgen kann210. Ab welchem Schwellenwert allerdings ein Rückgang der Punktzahlbewertung stattfindet, steht noch immer im Ermessen des Bewertungsausschusses211. Umstritten ist, ob § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V entnommen werden kann, dass zwingend eine Abstaffelung in Stufen zu geschehen hat, wie es aus dem Wortlaut des § 87 Abs. 2a S. 9 HS. 1 SGB Va.F. durch die in Klammern gesetzte „(Abstaffelung)“212 zu folgern war213. Der derzeitige Wortlaut des § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V legt jedoch durch die Formulierung „mit zunehmender Menge“ eine in Stufen zu erfolgende geringere Punktzahlbewertung einer Leistung nahe214. Auch aus der Gesetzesbegründung ist nicht zu erkennen, dass sich im Hinblick auf die stufenweise Abstaffelung etwas ändern sollte215, womit von einer in Stufen zu erfolgenden Abstaffelung auszugehen ist. Ziel des § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V ist es, dem Bewertungsausschuss eine Vorgabe zu machen, wie er das Leistungsverhalten der Vertragsärzte steuern kann216. Damit unterscheidet sich der 2. Halbsatz des Satzes 3 von den restlichen allgemeinen Vorgaben in Absatz 2, da letztere als zwingende Regelungen ausgeformt sind. Die Abstaffelungsmöglichkeit stellt eine spezielle Ausformung der generell dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab zugedachten Steuerungsfunktion dar und wirkt dem grundsätzlich durch eine Mengenausweitung zu erwartenden Punktwertverfall entgegen. Auf diese Weise dient die gesetzliche Regelung im Ergebnis der Kalkulationssicherheit der Praxiseinnahmen217. b) Besondere Vorgaben zu den Leistungsgebieten aa) Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung (1) Leistungsunterteilung In seinen Absätzen 2a bis 2c macht § 87 SGB V im Weiteren besondere inhaltliche Vorgaben dahingehend, wie die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufge210 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 208; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 121. 211 Vgl. dazu: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 208. 212 Vgl. § 87 Abs. 2a S. 9 HS. 1 SGB V in der Form des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz), vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2209). 213 Eine stufenweise Abstaffelung fordert: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 209; a.A. Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 122. 214 Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 209. 215 BT-Drs. 16/4247, S. 39. 216 BSGE 81, 86 (95); 89, 259 (261); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 207; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 21. 217 BSGE 86, 16 (21 f.); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 207.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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listeten Leistungen zu gliedern und in welcher Art und Weise sie abzubilden sind. Der Gesetzgeber gibt in § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 SGB V218 zunächst vor, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen in hausärztliche und fachärztliche Versorgungsleistungen zu untergliedern219. Damit nimmt er – sogar ausdrücklich – Bezug auf die in § 73 Abs. 1 SGB V in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Bereich aufgeteilte vertragsärztliche Versorgung. Eingeführt wurde die explizite Differenzierung für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKVGesundheitsreformgesetz 2000)220 vom 22. Dezember 1999. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde die ursprünglich in Satz 5 und 6 verankerte Regelung mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 in Satz 1 und 2 verschoben221. Ziel der Vorschrift ist es, den allgemeinen Grundsatz der Zweiteilung – wie für Honorarverteilungsmaßstäbe222 – auch für die Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes ausdrücklich festzulegen und eine gleichzeitige Teilnahme von Vertragsärzten an haus- und fachärztlicher Versorgung auszuschließen223. Der Gesetzgeber geht in seiner Untergliederung noch weiter, indem er nicht nur vorgibt, dass eine grundsätzliche Zweiteilung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes in einen haus- und einen fachärztlichen Abschnitt zu erfolgen hat, sondern auch, dass dem Grunde nach eine inhaltliche Leistungsunterteilung vorzunehmen ist. Denn er legt in § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 SGB V im Weiteren fest, dass – mit Ausnahme von gemeinsam abrechenbaren Leistungen – Leistungen des hausärztlichen Bereichs nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen und dementsprechend eine Abrechnung von Leistungen des fachärztlichen Bereichs nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten vorgenommen werden darf; es gilt mithin der Grundsatz der Exklusivität224. Die Unterteilung hinsichtlich der abrechenbaren Leistungen und des damit jeweils entstehenden abschließenden Leistungskatalogs zielt zum einen darauf ab, den Anreiz der Ärzte zu beseitigen, eine möglichst hohe Anzahl von Leistungen aus der Gesamtheit der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab beinhalteten Leistungen ab218 Zu den Änderungen in § 87 Abs. 2a SGB V im Hinblick auf Fristanpassungen, Kompetenzerweiterungen des Bundesministeriums für Gesundheit sowie insbesondere hinsichtlich der Vergütung delegationsfähiger Leistungen und Leistungen im Rahmen der Einholung von Zweitmeinungen, vgl. BT-Drs. 18/4095, S. 94 f.; Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2016, S. 15 f. 219 Vgl. zur Entwicklung des Steuerungsinstruments der haus- und fachärztlichen Versorgung: Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 232 ff. Zum verfassungsrechtlichen Problem einer Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung vgl. etwa: Ebsen, VSSR 1996, S. 351 ff. 220 BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). 221 Vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 127; BGBl. I 2007, S. 378 (394). 222 Vgl. § 87b Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V. Siehe dazu ausführlich in diesem Abschnitt II. 2. a) aa), S. 99 ff. 223 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 136 f. 224 Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 20.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
zurechnen und damit zu einer leistungsgerechten Vergütung beizutragen225. Zum anderen bezweckt das abschließende Leistungsverzeichnis die Herstellung von Klarheit und Transparenz, indem für Vertragsärzte auf eindeutige Weise erkennbar ist, welche Leistungen sie abrechnen können und dürfen226. Derzeit gliedert sich der Einheitliche Bewertungsmaßstab im Hinblick auf die abrechenbaren Leistungen in drei übergeordnete Abschnitte227: die arztgruppenübergreifenden allgemeinen Gebührenordnungspositionen (II.), die arztgruppenspezifischen Gebührenordnungspositionen (III.) – diese teilen sich auf in den hausärztlichen Versorgungsbereich (IIIa.) und den fachärztlichen Versorgungsbereich (IIIb.) – und die arztgruppenübergreifenden speziellen Gebührenordnungspositionen (IV.). Dabei werden die Abschnitte IIIa. und IIIb. mit den spezifischen Gebührenordnungspositionen der Leistungsaufteilung in haus- und fachärztliche Versorgung gerecht. Bei den Abschnitten II. und IV., die arztgruppenübergreifende allgemeine und spezielle Gebührenordnungspositionen beinhalten, fehlt es zwar an der gesetzlich vorgegebenen Leistungsaufteilung in haus- und fachärztliche Versorgung, doch der Gesetzgeber lässt in § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 SGB V auch „gemeinsam abrechenbare Leistungen“ zu. (2) Zugrundelegung des Versorgungsauftrags § 87 Abs. 2a SGB V gibt schließlich nicht nur vor, wie eine Aufteilung zwischen haus- und fachärztlichen Leistungen zu erfolgen hat und was allgemein inhaltlich abzurechnen ist, sondern er gibt zudem einen Maßstab dafür vor, wie der einzelne Vertragsarzt der jeweiligen Unterteilung zuzuordnen ist. Letzteres legt der Gesetzgeber in § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 2 i.V.m. S. 2 SGB V fest, indem er die Bestimmung der Arztgruppen, die bei der Zuordnung der abrechenbaren Leistungen zugrunde zu legen ist, an den jeweiligen Versorgungsauftrag der Arztgruppe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung knüpft. Damit wird deutlich, dass der Anknüpfungspunkt dafür, dass ein Vertragsarzt einer bestimmten Facharztgruppe eine Leistung abrechnen kann, gerade nicht unter Bezugnahme der Fachgebiete der berufsrechtlichen (Muster)-Weiterbildungsordnung erfolgen soll228. Vielmehr dient § 73 Abs. 1a S. 1 SGB V durch seine enumerative Auflistung dazu, zunächst zu bestimmen, welche Arztgruppen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. Alle
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BT-Drs. 14/1245, S. 72. BT-Drs. 15/1525, S. 105. 227 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 26 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 228 BT-Drs. 15/1525, S. 105. Vgl. die (Muster)-Weiterbildungsordnung 2003 der Bundesärztekammer in der Fassung vom 23. Oktober 2015, abrufbar unter: http://www.bundesaerzte kammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Weiterbildung/MWBO.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 226
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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übrigen Fachärzte nehmen nach § 73 Abs. 1a S. 2 SGB V an der fachärztlichen Versorgung teil. Die Frage, auf welcher Grundlage bestimmt wird, welche Leistungen im Einzelnen sodann der jeweilige, einer Fachgruppe angehörende Vertragsarzt zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen kann, ist umstritten229. Zum Teil wird vertreten, es orientiere sich an der nach dem Versorgungsauftrag ausgerichteten Präambel des entsprechenden Kapitels des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, wer die Leistungen im jeweils nachfolgenden Kapitel abrechnen darf230. Zudem wird vertreten, die Weiterbildungsordnung einer jeweiligen Ärztekammer mit der darin enthaltenen Facharztbezeichnung sei Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des abrechenbaren Leistungsumfangs231. Der Grundkonflikt, inwieweit das ärztliche Berufs- bzw. Weiterbildungsrecht Einfluss auf die Abrechenbarkeit vertragsärztlicher Leistungspositionen hat, ist Inhalt neuerer Entscheidungen des Bundessozialgerichts232, zuletzt etwa in einem Urteil vom 2. April 2014233. Darin führt es aus, die berufsrechtliche Berechtigung eines Arztes, bestimmte Leistungen eines anderen Fachgebietes erbringen zu dürfen, habe nicht zwingend zur Folge, dass diese Befugnis auch innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung bestehe. Allerdings ergebe sich aus § 135 Abs. 2 S. 2 SGB V eine enge Verzahnung von Berufs- und Vertragsarztrecht234. Die dem Vertragsarztrecht zugeordnete Regelung des § 135 Abs. 2 S. 2 SGB V lässt eine Bezugnahme auf das Berufsrecht dann zu, wenn in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind. Das Bundessozialgericht stellt in seiner Entscheidung vom 2. April 2014 weiterhin fest, dass auch eine bundeseinheitliche Regelung des Berufsrechts nicht zwingend eine Verpflichtung zur Abrechnung von Leistungen im Vertragsarztrecht nach sich ziehe235. Es hebt insoweit den Aspekt der „Wirtschaftlichkeit der Versorgung im Interesse der Funktionsfähigkeit der GKV“ hervor, welcher im ver229
Vgl. zu dieser Frage: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 27. Siehe auch allgemein zum Verhältnis von Vertragsarzt- zum Berufsrecht: Ebsen, in: Wallerath, FS Krause, S. 97 ff.; Montgomery/Hübner/Dörfer/Kreitz/Lehmann, MedR 2015, S. 555 ff.; Prehn, MedR 2015, 560 ff.; Rompf, MedR 2015, S. 570 ff.; Sodan, NZS 2015, S. 806 f. 230 Vgl. etwa: Kallenberg, GesR 2005, S. 98; Rompf, GesR 2008, S. 59. 231 Siehe etwa: Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 763; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 23; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 22. 232 Vgl. etwa: BSGE 100, 154 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 19; SozR 4 – 2500 § 121 Nr. 4; SozR 4 – 2500 § 106a Nr. 8; BSG, Beschl. v. 09. 05. 2012 – B 6 KA 83/11 B; BSG, SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 20. Vgl. auch: BVerfG, NZS 2012, 62 ff. Siehe auch: Bonvie, ZMGR 2014, S. 385 ff.; Frigger, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 19. 02. 2014 – B 6 KA 38/12 R, MedR 2015, S. 221 f. 233 BSGE 115, 235 ff. 234 BSGE 115, 235 (237 ff.). 235 BSGE 115, 235 (237 ff.).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
tragsärztlichen Bereich über das Berufsrecht hinausgehende Beschränkungen erlaube236. Folglich ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, ein Rückgriff vom Vertragsarzt- auf das Berufsrecht möglich und sinnvoll, allerdings kann etwa aus Gründen fehlender Bundeseinheitlichkeit des Berufsrechts, insbesondere aber aus dem Grund der Wirtschaftlichkeit der Versorgung im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht zwingend von der berufsrechtlichen Qualifikation für die Erbringung einer Leistung auf die Abrechnungsfähigkeit der Leistung im Vertragsarztrecht geschlossen werden237. bb) Abbildung hausärztlicher Leistungen Während § 87 Abs. 2a SGB V die Gliederung der Leistungen in solche des hausund fachärztlichen Bereichs festsetzt, wird durch § 87 Abs. 2b SGB V die Art und Weise, in der die hausärztlichen Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab abzubilden sind, geregelt. Dabei gibt der Gesetzgeber drei mögliche Abbildungsformen vor: diejenige der Versichertenpauschale238, die Abbildung in Einzelleistungen239 oder eine Darstellung in Leistungskomplexen240. (1) Versichertenpauschale Den Regelfall bildet schon nach dem Wortlaut des § 87 Abs. 2b S. 1 HS. 1 SGB V die Versichertenpauschale, da durch sie die Leistungen der hausärztlichen Vergütung abgebildet werden sollen. Dabei werden alle Leistungen, die in einem Quartal innerhalb der hausärztlichen Versorgung erbracht wurden, pauschal, d. h. mit einem Euro-Betrag pro Patient, vergütet; auf die im Einzelfall erbrachten Leistungen – sei es nur eine einzelne oder eine Vielzahl von Behandlungen – kommt es somit nicht an241. Die Art der Leistungen, welche die Versichertenpauschale abdeckt, richtet sich zum einem nach ihrem Aufwand und zum anderen nach ihrer Regelmäßigkeit242. Umfasst sind somit Leistungen mit geringem Aufwand, die entweder regelmäßig 236
BSGE 115, 235 (244 f.). Siehe auch: Berner, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 02. 04. 2014 – B 6 KA 24/13 R, MedR 2015, S. 61. 238 Zur Steuerungswirkung pauschalierter Vergütungsformen, vgl. Gerlinger, Wettbewerbsordnung und Honorarpolitik, S. 43 ff. 239 Zur Steuerungswirkung der Einzelleistungsvergütung, vgl. Gerlinger, Wettbewerbsordnung und Honorarpolitik, S. 35 ff. 240 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 1 SGB V. Siehe auch: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 29, der anmerkt, dass vor dem Hintergrund der kostenneutralen Umsetzung der Vorgabe des § 87 Abs. 2b S. 2 SGB V die Regelung nicht frei von Kritik sei, da mit ihr letztlich eine Umverteilung der Vergütungspositionen erzeugt würde. 241 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 147 f.; Rompf, in: Liebold/ Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 17; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 21. 242 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 2 SGB V. 237
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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oder selten erbracht werden, insbesondere jene, die – an dem in § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB V festgelegten Versorgungsauftrag des Hausarztes angelehnt – der Betreuung, Koordination und Dokumentation dienen243. Diese Differenzierung hat der Gesetzgeber erst mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz244 vom 22. Dezember 2011 eingeführt, da es zuvor noch die „üblicherweise“ erbrachten Leistungen waren, die mit der Versichertenpauschale abgebildet werden sollten245. Hintergrund der Differenzierung ist es, die nunmehr durch Einzelleistungen oder Leistungskomplexe vergüteten Leistungen, welche unabhängig von ihrer Regelmäßigkeit einen höheren Aufwand benötigen, vergütungsrechtlich zu fördern246. War im Jahre 2008 noch die Rede von einer deutlichen Abkehr von der Einzelleistungshonorierung hin zur Dominanz der Versichertenpauschale247, hat sich in der ersten Stufe der Neuregelung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes im Oktober 2013 bereits das gesetzgeberische Ziel durch eine „schlanke[re] Versichertenpauschale“248 niedergeschlagen. Von der Versichertenpauschale sind nun das ausführliche hausärztliche Gespräch und das Vorhalten von Praxisstrukturen, d. h. von Strukturen, die zur Erfüllung von Aufgaben der hausärztlichen Grundversorgung erforderlich sind, ausgenommen und werden separat vergütet249. Im Weiteren sind die Versichertenpauschalen nach § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V in erstmalige Diagnose und Behandlung oder Fortführung der Behandlung eines Patienten und „soweit möglich“250 nach weiteren empirisch ermittelten Morbiditätskriterien zu differenzieren. Auch diese Regelung wurde durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz251 vom 22. Dezember 2011 eingeführt und dient dazu, dem Leistungsgeschehen in der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen Transparenz zu verleihen und Fehlanreize zu beseitigen252. Als weiteres Ziel nennt der Gesetzgeber, die sachgerechte Abbildung des Behandlungsbedarfs und den Ausbau der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Vertragsärzten253. Das Differenzierungskri243
Vgl. § 87 Abs. 2b S. 2 SGB V. BGBl. I 2011, S. 2983 (2988). 245 BT-Drs. 17/8005, S. 108. 246 Vgl. BT-Drs. 17/8005, S. 108. 247 Rompf, GesR 2008, S. 61. Vgl. auch: Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87 SGB V Rn. 22. 248 Kassenärztliche Bundesvereinigung, EBM Neuerungen 1. Stufe – Was sich ab Oktober 2013 für Hausärzte und Fachärzte ändert, Stand: August 2013, S. 1. 249 Kassenärztliche Bundesvereinigung, EBM Neuerungen 1. Stufe – Was sich ab Oktober 2013 für Hausärzte und Fachärzte ändert, Stand: August 2013, S. 1. Siehe auch: Martensen, Journal KVMV 2013, S. 5. Zu Anpassungen der Versichertenpauschale mit Wirkung zum 1. April 2015, vgl. auch: aerzteblatt.de, Hausärzte erhalten volle Versichertenpauschale im Vertretungsfall, Stand: Dezember 2014, abrufbar unter: http://www.aerzteblatt.de/archiv/1 67059/Vertretungsfall-Hausaerzte-erhalten-volle-Versichertenpauschale (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 147 ff. 250 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V. 251 BGBl. I 2011, S. 2983 (2988). 252 BT-Drs. 17/8005, S. 108. 253 BT-Drs. 17/8005, S. 109. 244
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
terium der „weiteren […] Morbiditätskriterien“ soll nach dem Gesetzeswortlaut im Besonderen „zur Abbildung des Schweregrads der Erkrankung“254 dienen. Darüber hinaus hat das Kriterium durch das Ersetzen der zuvor im Gesetz niedergeschriebenen Kriterien „Alter und Geschlecht“255 das gesetzgeberische Ziel, durch nun auch andere Morbiditätskriterien – wie etwa medizinischer Art – mehr Flexibilität bei der Berücksichtigung des Behandlungsaufwands der Versicherten zu gewährleisten256. Indem das Gesetz ferner eine empirische Ermittlung der Morbiditätskriterien auf der Grundlage von Abrechnungsdaten vorschreibt257, bezweckt es sowohl besonderen Krankheitsverläufen als auch dem notwendigen Behandlungsbedarf der einzelnen Patienten sachgerecht Rechnung zu tragen258. Die Versichertenpauschale ist unter der Gebührenordnungsposition 03000 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zwar, statt vormals in drei, nun in fünf Altersgruppen mit unterschiedlich hohen Punktzahlen aufgeteilt259, eine Differenzierung in weitere, vom Alter unabhängige Morbiditätskriterien ist jedoch nicht ersichtlich260. Ein Verstoß gegen § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V ist dennoch nicht anzunehmen, da die gesetzliche Anordnung, die Versichertenpauschale nach weiteren Morbiditätskriterien zu differenzieren, lediglich als „Soll“Regelung ausgestaltet ist und überdies eine Differenzierung auch nur „soweit möglich“261 erfolgen soll. (2) Einzelleistungen und Leistungskomplexe Über die Versichertenpauschale hinaus schreibt das Gesetz in § 87 Abs. 2b S. 1 HS. 2 SGB V als Abbildungsformen hausärztlicher Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab die Einzelleistung und den Leistungskomplex vor262. Seit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz263 vom 22. Dezember 2011 ist die Darstellung von Leistungen, die besonders gefördert werden sollen oder telemedizinisch erbracht 254
Vgl. § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V. Vgl. § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (395). 256 BT-Drs. 17/8005, S. 108 f. 257 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V. 258 BT-Drs. 17/8005, S. 109. 259 Diese sind unterteilt in bis zum vollendeten 4. Lebensjahr, ab 5. bis 18. Lebensjahr, ab 19. bis 54. Lebensjahr, ab 55. bis 75. Lebensjahr und ab dem 76. Lebensjahr, vgl. Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 105 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/me dia/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 260 Vgl. Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 105 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 261 § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V. 262 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 1 HS. 2 SGB V. Zu der durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eingeführten Vergütung delegationsfähiger Leistungen als Einzelleistungen oder Leistungskomplexe, BT-Drs. 18/4095, S. 94 f. 263 BGBl. I 2011, S. 2983 (2988). 255
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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werden können, durch die Änderung des Gesetzeswortlauts von „können“ auf „sind“ nun zwingend264. Die nach dem gesetzgeberischen Willen nicht schon durch Versichertenpauschalen abzubildenden Leistungen sind insbesondere solche der versorgungsrelevanten Leistungsbereiche, etwa Gesprächsleistungen, Telemedizin265 oder Leistungen zur Prävention266. In diesem Sinne wurde beispielsweise seit Oktober 2013 das zu fördernde problemorientierte ärztliche Gespräch im Zusammenhang mit einer lebensverändernden Krankheit aus der Vergütung durch die Versichertenpauschale herausgenommen, und wird nun mit der Gebührenordnungsposition 03230 als Einzelleistung mit einer Punktzahl von 90 Punkten vergütet267. (3) Qualitätszuschläge Der Gesetzgeber bezweckt somit im § 87 Abs. 2b SGB V zum einen die im hausärztlichen Bereich üblichen, zuvor geringfügig zu vergütenden Leistungen im Wege einer Versichertenpauschale zu vergüten, hebt aber zum anderen die Vergütung von besonders zu fördernden Leistungen durch die Abbildung als Einzelleistungen und in Leistungskomplexen hervor268. Damit sichert er die Vergütung der dem hausärztlichen Tätigkeitsbereich innewohnenden Grundleistungen, honoriert allerdings auch im Besonderen die mit hohem Aufwand verbundenen und versorgungsrelevanten Leistungen. Dieser gesetzgeberische Wille zur Förderung der von Grundleistungen abweichenden Leistungen kommt auch durch die in § 87 Abs. 2b S. 4 SGB V eröffnete Möglichkeit zum Tragen, die es erlaubt im Einheitlichen Bewertungsmaßstab die für besondere Behandlungsfälle erforderliche Qualität – etwa bei der Palliativversorgung269 – durch sog. Qualitätszuschläge zu vergüten. In den Einheitlichen Bewertungsmaßstab wurde dementsprechend im Oktober 2013 der Zuschlag zur Versichertenpauschale für die palliativmedizinische Betreuung des Patienten in der Arztpraxis mit der Gebührenordnungsposition 03371 und einer Punktzahl von 159 Punkten aufgenommen270.
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BT-Drs. 17/6906, S. 16. BT-Drs. 17/6906, S. 61. 266 BT-Drs. 16/3100, S. 127. 267 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 115, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); Kassenärztliche Bundesvereinigung, EBM Neuerungen 1. Stufe – Was sich ab Oktober 2013 für Hausärzte und Fachärzte ändert, Stand: August 2013, S. 1. 268 Vgl. zu Qualitätszuschlägen etwa: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 20. 269 BT-Drs. 16/3100, S. 127. 270 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 122, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); Kassenärztliche Bundesvereinigung, EBM Neuerungen 1. Stufe – Was sich ab Oktober 2013 für Hausärzte und Fachärzte ändert, Stand: August 2013, S. 3. 265
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
cc) Abbildung fachärztlicher Leistungen Stellt § 87 Abs. 2b SGB VAnforderungen an die Abbildung der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung, so bildet § 87 Abs. 2c SGB V das Pendant zur Abbildung von Leistungen der fachärztlichen Versorgung. Der Gesetzgeber gibt auch hier mehrere Abbildungsformen der Leistungen vor: Zum einen werden durch unterschiedliche Zwecke geprägte Pauschalen vorgegeben (Grund-, Zusatz- und Fallpauschale) – wobei die Grundpauschale den „Sockel“ an Leistungen erfasst271 – zum anderen ist auch eine Abbildung nach Einzelleistungen möglich272. (1) Grundpauschale Die Grundpauschale soll nach § 87 Abs. 2c S. 2 SGB V die regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand von der Arztgruppe in jedem Behandlungsfall erbrachten Leistungen vergüten. Sie entspricht dem Inhalt nach weitgehend der für die hausärztliche Versorgung festgelegten Versichertenpauschale273. Anders als bei der Versichertenpauschale im hausärztlichen Bereich, ist im fachärztlichen Leistungsbereich durch die Grund-, Zusatz- und Fallpauschale jedoch ein weitaus differenzierteres Vergütungskonzept festgesetzt worden274. Hinsichtlich der Differenzierung der Grundpauschale sind im Verhältnis zur Versichertenpauschale in der hausärztlichen Versorgung die Differenzierungskriterien zwar die gleichen275, eine gänzliche Übereinstimmung mit der Versichertenpauschale besteht aber nicht. Vielmehr ist die Grundpauschale – anders als die Versichertenpauschale276 – nur dann nach den im Gesetz aufgeführten Kriterien zu differenzieren, „soweit [dies] möglich und sachgerecht“277 ist. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Einschränkung das Ziel, in den Fällen, in denen eine Differenzierung der Grundpauschale sachwidrig wäre, es dem Bewertungsausschuss zu ermöglichen, von einer solchen abzusehen278. Darüber hinaus dient das Differenzierungskriterium der „Morbidität“ auch bei der Grund-
271
Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 33. § 87 Abs. 2c S. 1 und 4 SGB V. 273 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 2 SGB V. Siehe auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 166; Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 21; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 34. 274 Rompf, GesR 2008, S. 63. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 33, der das System der fachärztlichen Vergütung als „Dualismus zwischen Grundund Zusatzpauschale“ beschreibt. 275 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V und § 87 Abs. 2c S. 2 SGB V. 276 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 3 SGB V. 277 § 87 Abs. 2c S. 2 HS. 2 SGB V. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 168. 278 BT-Drs. 17/8005, S. 109. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 168. 272
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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pauschale vor allem der „Abbildung des Schweregrads der Erkrankung“279, allerdings mit der gesetzlichen Einschränkung, dass der Schweregrad der Erkrankung nicht bereits durch die Zusatzpauschale berücksichtigt wird280. (2) Zusatzpauschale Die zweite vom Gesetzgeber im Rahmen der fachärztlichen Versorgung vorgegebene Abbildungsform ist die der Zusatzpauschale281. Mit dieser soll „der besondere Leistungsaufwand“282 vergütet werden, der zum einen an die Merkmale der Person des Leistungserbringers in Form von Leistung, Qualität und Struktur und zum anderen – „soweit dazu Veranlassung besteht“283 – an Merkmale, die sich aus dem Behandlungsfall aus indikationsbezogenen Besonderheiten ergeben können284, anknüpft285. Vergleichbar mit dem in der hausärztlichen Versorgung möglichen Qualitätszuschlag286, soll im Rahmen der Zusatzpauschale auch die zur Leistungserbringung jeweils notwendige Qualität berücksichtigt werden287. (3) Kriterien zur Bestimmung der Grund- und Zusatzpauschale Sowohl die Grund- als auch die Zusatzpauschale „sollen“ nach § 87 Abs. 2c S. 1 HS. 1 SGB V sowohl „arztgruppenspezifisch“ als auch „unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen“ bestimmt werden. Die Bestimmung der Pauschale nach spezifischen Arztgruppen lässt den Schluss zu, dass diese – zumindest im Hinblick auf die Grundpauschale – nicht für alle Arztgruppen gleich erfolgen soll und eine arztpraxisindividuelle Festlegung ausgeschlossen ist288. Im Oktober 2013 wurde für jeden Facharztbereich, der zur Grundversorgung gehört, eine Pauschale zur Förderung der fachärztlichen Grundversorgung (PFG) – etwa im orthopädischen Bereich die Gebührenordnungsposition 18220 mit einer Punktzahl
279
§ 87 Abs. 2c S. 2 HS. 2 SGB V. § 87 Abs. 2c S. 2 HS. 2 SGB V. 281 Vgl. § 87 Abs. 2c S. 3 SGB V. Vgl. auch: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 22. 282 § 87 Abs. 2c S. 3 SGB V. 283 § 87 Abs. 2c S. 3 SGB V. 284 Dies ist beispielsweise die photodynamische Therapie mit Verteporfin bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration (kombinierte Infusions- und Laserbehandlung bei Netzhautzerstörung durch Alterungsprozesse) sowie die osteodensitometrische Untersuchung (Knochendichtemessung) bei Patienten, die eine Fraktur ohne nachweisbares adäquates Trauma erlitten haben, vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 39. 285 BT-Drs. 16/4247, S. 39. 286 BT-Drs. 16/3100, S. 127. 287 BT-Drs. 16/3100, S. 127. 288 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 171. 280
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
von 31 Punkten289 – eingeführt290. Damit soll in jedem Behandlungsfall, in dem ausschließlich Leistungen der Grundversorgung durchgeführt werden, diese Pauschale abzurechnen sein291. In Bezug auf die Art und Weise der Gruppenbestimmung macht der Gesetzgeber in § 87 Abs. 2c S. 1 HS. 1 SGB V keine besonderen Ausführungen, sodass zunächst anzunehmen ist, dass dem Bewertungsausschuss in dieser Hinsicht freies Ermessen zusteht292. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Festlegung, wer bestimmte Leistungen abrechnen darf, und die Art und Weise, wie diejenigen bestimmt werden, bereits durch § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 und S. 2 SGB V geregelt werden293. Das gesetzgeberische Wiederholen der arztgruppenspezifischen Bestimmung ist zumindest hinsichtlich der Grundpauschale deklaratorisch. Im Hinblick auf die Festlegung der Zusatzpauschalen knüpft das Gesetz in § 87 Abs. 2c S. 3 SGB V allerdings nicht an eine Arztgruppe, sondern an den einzelnen Leistungserbringer und sogar an den einzelnen Behandlungsfall an294. Somit geht die Regelung des Satzes 3 der allgemeineren, nach Arztgruppe spezifizierenden Bestimmung des Satzes 1 vor. Im Weiteren fordert der Gesetzgeber, dass die Grund- und Zusatzpauschalen die Besonderheiten der kooperativen Versorgungsformen – dies sind insbesondere die medizinischen Versorgungszentren nach § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V und die Berufsausübungsgemeinschaften295 – berücksichtigen. Die Besonderheit liegt unter anderem darin, dass im Vergleich zu einer Einzelpraxis bei der Behandlung eines Patienten durch eine kooperative Versorgungsform der anfallende Behandlungsaufwand durch die Anzahl der an der Behandlung beteiligten Ärzte erhöht ist296 und damit eine Besserstellung von kooperativen Versorgungsformen gegenüber Einzelpraxen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab gerechtfertigt ist297.
289
Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 338, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 290 Kassenärztliche Bundesvereinigung, EBM Neuerungen 1. Stufe – Was sich ab Oktober 2013 für Hausärzte und Fachärzte ändert, Stand: August 2013, S. 4. Vgl. auch: Martensen, Journal KVMV 2013, S. 5. 291 Kassenärztliche Bundesvereinigung, EBM Neuerungen 1. Stufe – Was sich ab Oktober 2013 für Hausärzte und Fachärzte ändert, Stand: August 2013, S. 4. 292 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 171. 293 Damit gilt auch hier, das zu § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 und S. 2 SGB V Besprochene, vgl. in diesem Abschnitt I. 2. b) aa), S. 78 ff. 294 Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 172. Kritisch in Bezug auf die Arztgruppe sieht es: Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 29. 295 BT-Drs. 15/1525, S. 104. 296 BT-Drs. 15/1525, S. 105. 297 Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 35.
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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(4) Fallpauschale Die dritte Form der Pauschalvergütung in der fachärztlichen Versorgung stellt gemäß § 87 Abs. 2c S. 4 und S. 5 SGB V die Fallpauschale dar. Diese hat im Verhältnis zur Grund- und Zusatzpauschale eine ergänzende Wirkung und kann fakultativ für jede Arztgruppe und diagnosebezogen als Vergütungsabbildung festgelegt werden298. Damit soll die Behandlung von Versichertengruppen, die mit einem erheblichen therapeutischen Leistungsaufwand und überproportionalen Kosten verbunden ist, vergütet werden299. Wann allerdings – im Verhältnis zur Zusatzpauschale, welche den besonderen Leistungsaufwand vergütet – ein erheblicher Leistungsaufwand und in Verbindung damit überproportionale Kosten bestehen, liegt im Ermessen des Bewertungsausschusses. Ursprünglich war dem Bewertungsausschuss mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz300 vom 26. März 2007 mit einer Frist zum 1. Januar 2011 der komplexe Auftrag erteilt worden, den Teil der Zusatzpauschalen, der inhaltlich der Beschreibung der jetzigen Fallpauschalen entspricht, durch diese arztgruppenspezifischen diagnosebezogenen Fallpauschalen zu ersetzen301. Da der Bewertungsausschuss dies nicht bewältigen konnte, wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz302 vom 22. Dezember 2011 die vorerst obligatorische Regelung zur Vereinfachung des Vergütungssystems in eine fakultative Regelung umgewandelt303. Wird eine Leistung im Wege der Fallpauschale vergütet, übernimmt die Fallpauschale die Funktion der Zusatzpauschale304, d. h. Fall- und Zusatzpauschale stehen in einem Alternativverhältnis. Für die vertragsärztlichen Einzelpraxen „kann“ nach Satz 4 des § 87 Abs. 2c SGB V eine Leistung durch die Fallpauschale vergütet werden. Satz 5 hingegen schreibt eine Festlegung von spezifischen Fallpauschalen für die Versorgung im Rahmen kooperativer Versorgungsformen vor („sind“), denn Fallpauschalen tragen „dem fallbezogenen Zusammenwirken von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen in diesen Versorgungsformen Rechnung“305. (5) Einzelleistungen Neben der pauschalen Vergütung von Leistungen aus der fachärztlichen Versorgung ist nach § 87 Abs. 2c S. 1 HS. 2 SGB V auch eine Vergütung nach Einzelleistungen vorgesehen. Voraussetzung ist entweder die medizinische Erforder298
Vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 127. § 87 Abs. 2c S. 4 SGB V. 300 BGBl. I 2007, S. 378 (395). 301 BT-Drs. 17/6906, S. 61. 302 BGBl. I 2011, S. 2983 (2988). 303 BT-Drs. 17/6906, S. 61. 304 Vgl. Wortlaut des § 87 Abs. 2c S. 4 SGB V: „Abweichend von Satz 3“. Siehe auch: BTDrs. 16/3100, S. 127. 305 § 87 Abs. 2c S. 5 SGB V. 299
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
lichkeit oder die Erforderlichkeit aufgrund von Besonderheiten bei der Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung – einschließlich der Möglichkeit telemedizinischer Erbringung306. Insbesondere die zweite Variante dient der Schaffung von Gestaltungsfreiheit zugunsten des Bewertungsausschusses, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, Leistungen, die als Pauschale nicht sachgerecht oder lediglich mit einem erheblichen Aufwand dargestellt werden können, als Einzelleistungen abzubilden307. Diese Vorgehensweise entspricht dem generellen gesetzgeberischen Ziel, im fachärztlichen Bereich den Grad der Pauschalierung zugunsten der Stärkung förderungswürdiger Einzelleistungen zurückzuführen308. Anders als im Bereich der hausärztlichen Versorgung („sind“)309, ist dem Wortlaut nach die Vergütung im Rahmen der fachärztlichen Versorgung durch Einzelleistungen nicht zwingend („sollen“)310. Liegen die Voraussetzungen für die Vergütung im Wege der Einzelleistung vor, ist durch die aus der Systematik des Gesetzgebers hervortretende Gleichwertigkeit der Vergütungsabbildung entweder durch Grund- und Zusatzpauschale oder durch Einzelleistung – gekennzeichnet durch die jeweilige Soll-Regelung – zunächst kein zwingender Vorrang der Einzelleistung zu erkennen311. Zieht man allerdings das bereits erläuterte, generelle Ziel des Gesetzgebers, Pauschalierungen zu reduzieren, heran, wird klar, dass – obwohl durch den Wortlaut nicht eindeutig hervorgetreten – die Einzelleistungsvergütung, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, den Vorzug erhalten soll312. dd) Bewertung psychotherapeutischer Leistungen § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V gibt vor, dass die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten haben313. Damit unterscheidet sich diese gesetzgeberische Vorgabe von den bereits dargestellten in § 87 Abs. 2a, 2b und 2c SGB V, die eher darauf abzielen, vorzugeben, wann bestimmte Leistungen in welcher Weise und von welcher Vertragsarztgruppe abgerechnet werden können. Dagegen stellt § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V die Vorgabe auf, den Bewertungen für eine bestimmte Leistungsgruppe – die psycho-
306
§ 87 Abs. 2c S. 1 HS. 2 SGB V. BT-Drs. 16/4247, S. 39. 308 BT-Drs. 17/8005, S. 109. 309 Vgl. § 87 Abs. 2b S. 1 HS. 2 SGB V. 310 Vgl. § 87 Abs. 2c S. 1 HS. 2 SGB V. 311 Vgl. dazu auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 165. 312 Vgl. dazu auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 165. 313 Zur Angemessenheit der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in Honorarverteilungsmaßstäben, vgl. ausführlich in diesem Abschnitt II. 2. a) dd), S. 120 ff. Zur Rechtsprechung im Hinblick auf die Angemessenheit psychotherapeutischer Leistungen, vgl. ausführlich im Abschnitt E. II., S. 235 ff. Zur Angemessenheit der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in der Literatur, vgl. insbesondere Nachweise in Abschnitt E., Fn. 45. 307
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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therapeutischen Leistungen314 – ein bestimmtes Ergebnis zu gewährleisten: die angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit315. Hintergrund des § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V ist zunächst, die sich von allen anderen vertragsärztlichen Leistungen im Wesentlichen unterscheidende zwingende Zeitgebundenheit psychotherapeutischer Leistungen316, etwa bei einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, mit der Gebührenordnungsposition 35200, die erst je vollendete 50 Minuten mit einer Punktzahl von 841 Punkten vergütet wird317. Aufgrund dessen konnte die Menge der Leistungen nicht beliebig ausgedehnt werden, wenn der Punktwert, der für diese Leistung angesetzt war, abnahm, weil die Vergütungsmenge gedeckelt ist318. Daher war es der Fachgruppe der Psychotherapeuten – als wesentliche Gruppe von Leistungserbringern, die psychotherapeutische Leistungen abrechnen darf – nahezu unmöglich, einem Punktwertrückgang bei einer voll ausgelasteten Praxis entgegenzuwirken, ohne dass gegebenenfalls ein existenzbedrohendes Ausmaß erreicht wurde319. Um diesen „Besonderheiten des Leistungsspektrums dieser Leistungserbringer“320, d. h. die Erbringung überwiegend psychotherapeutischer Leistungen, entgegen zu wirken, hatte der Gesetzgeber zunächst nur auf Ebene der Honorarverteilung im Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000321 vom 29. Dezember 1999 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) eine entsprechende Regelung in § 85 Abs. 4 S. 4 SGB Va.F. eingeführt322. Zur Sicherstellung einer bundeseinheitlichen Regelung war zudem in § 85 Abs. 4a S. 1 HS. 2 SGB V a.F. festgelegt worden, dass statt der regionalen Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen der auf Bundesebene angesiedelte Bewertungsausschuss „den Inhalt nach Absatz 4 Satz 4“ zu treffen hatte323. Im Wege der Einführung des Orientierungspunktwertes und der
314 Umfassend zur Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, vgl. Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten. 315 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 237. 316 Grundlegend: BSGE 83, 205 (213). 317 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 684, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 318 BSGE 83, 205 (213); 84, 235 (238); 92, 87 (90 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 51 Rn. 16; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 59. 319 Vgl. BSGE 83, 205 (213); 84, 235 (244); 92, 87 (90 f.). 320 BT-Drs. 14/1977, S. 165. 321 BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). 322 Der Wortlaut des § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F. lautete: „Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten.“, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). 323 BGBl. I 1999, S. 2626 (2634).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
damit verbundenen Verschiebung der Regelungen auf Bundesebene324 wurde mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz325 vom 26. März 2007 die Regelung des § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V eingeführt. Damit wurde nicht mehr nur in Bezug auf die Regelungen zur Vergütungsverteilung – nun in Form des § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V326 – sondern auch im Hinblick auf die Bewertung der Leistungen vorgegeben, den psychotherapeutischen Leistungen eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten327. Dies hat der Bewertungsausschuss auch durch die Einführung des Abschnittes 35.2 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab328 umgesetzt, welcher für die Jahre 2007 und 2008 auf die Angemessenheit der Höhe der einzelnen Leistungsvergütungen überprüft worden ist329. Bis zum 30. Juni 2014 wurde dem Bewertungsausschuss durch Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses aufgetragen, die seit dem 1. Januar 2009 gültige Bewertung dieser Leistungen erneut auf die Angemessenheit der Vergütungshöhe zu überprüfen und dabei die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berücksichtigen330. Durch Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 22. September 2015331 und durch Beschluss des Bewertungsausschusses vom 11. März 2016332 wurden zum einen die Leistungsbewertungen psychotherapeutischer Leistungen im Abschnitt 35.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 um rund 2,7 Prozent angehoben und zum anderen sog. Strukturzuschläge eingeführt333. Mit Hilfe dieser Zuschläge werden Psychotherapieleistungen des Abschnitts 35.2 je nach Tätigkeitsumfang des Vertragsarztes ab einer bestimmten Mindestpunktzahl und – ab dem 1. April 2016 – bis zu einer bestimmten Obergrenze von bis zu 143 Punkten zusätzlich vergütet334.
324
BSGE 100, 254 (277). BGBl. I 2007, S. 378 (395). 326 Nachfolgevorschrift des § 87b Abs. 2 S. 5 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (400). 327 BT-Drs. 16/4247, S. 39. 328 Vgl. derzeit: Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 683 ff., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 329 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. 92. 330 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2014, S. 92. Vgl. auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 11. 331 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 1739 ff. 332 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2016, S. A 684 f. 333 Vgl. etwa: Praxisnachrichten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung v. 01. 10. 2015, abrufbar unter: http://www.kbv.de/html/1150_17519.php (zuletzt aufgerufen am 15. April 2016). 334 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 1739 ff.; Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2016, S. A 684 f. 325
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
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Mit dem gesetzgeberischen Auftrag, die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen hätten eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten335, und der fehlenden weiteren gesetzlichen Ausgestaltung, welche Höhe der Vergütung „angemessen“ ist336, delegiert der Gesetzgeber die Leistungsbewertungen an den Bewertungsausschuss und dessen Rechtssetzung unter Zugrundelegung der Rechtsprechungsgrundsätze des Bundessozialgerichts zur Bewertung und Vergütung psychotherapeutischer Leistungen337. Im Rahmen der Überprüfung des für die Honorarverteilung geltenden § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F. entwickelte das Bundessozialgericht einen Vergleichsmaßstab, nachdem die Vergütung dann angemessen ist, „wenn der erreichbare Honorarüberschuss dem durchschnittlichen Überschuss einer vergleichbaren Arztgruppe ungefähr entspricht“338. Vor dem dargestellten Hintergrund des gesetzgeberischen Willens, auf die Bewertung psychotherapeutischer Leistungen zusätzlichen Einfluss zu nehmen339, kann der vom Bundessozialgericht für die Vergütungsverteilung entwickelte Maßstab ebenso für die Leistungsbewertung herangezogen werden340.
3. Zwischenergebnis Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab trotz zahlreicher Gesetzesänderungen im Wesentlichen fünf Ziele. Zunächst sollen Pauschalvergütungen zugunsten der Vergütung nach Einzelleistungen abgebaut werden, um auf diesem Wege dem Bewertungsausschuss einen größeren Gestaltungsspielraum einzuräumen. Darüber hinaus bezweckt der Gesetzgeber, das Leistungsgeschehen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab transparent zu gestalten. Im Weiteren gibt er dem Bewertungsausschuss immer mehr Instrumente an die Hand, mit denen der Bewertungsausschuss in Bezug auf Merkmale des Leistungserbringers und der Behandlungsfälle so individuell wie möglich Einfluss auf die Vergütung der Vertragsärzte nehmen kann. Überdies zielt er darauf ab, zwischen den Vertragsärzten Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Schließlich sind die gesetzlichen Regelungen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab vor allem in jüngerer Zeit darauf ausgerichtet, mittels Entbürokratisierung und Flexibilisierung zugunsten der regionalen Vertragspartner die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Der Gesetzgeber verfolgt diese Ziele auf unterschiedliche Weise, indem er einerseits dem Bewertungsausschuss zwingende Vorgaben macht und Wesentliches 335
§ 87 Abs. 2c S. 6 SGB V. Zur Ermittlung der Angemessenheit allgemein, vgl. in Abschnitt F. II. 1. c) aa), S. 257 ff. 337 BSGE 92, 82 (93). Vgl. auch: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 36. 338 BSGE 92, 82 (89). 339 Vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 39. 340 Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 194. 336
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
selbst regelt, andererseits ihm bei der inhaltlichen Ausgestaltung einen weiten Gestaltungsspielraum belässt. Auf diese Weise setzt der Gesetzgeber einen klaren Rahmen dahingehend, welche grundsätzlichen Aufgaben der Einheitliche Bewertungsmaßstab als bundeseinheitliche Vergütungsvorgabe zu erfüllen hat. Er legt zwingend fest, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab ein abschließendes Leistungsverzeichnis ist, in welchem durch den Bewertungsausschuss die einzelnen Leistungen mit Punkten bewertet und in Relation zueinander gesetzt werden341. Darüber hinaus macht der Gesetzgeber vom Bewertungsausschuss zwingend vorzunehmende allgemeine inhaltliche Vorgaben, etwa die Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand eines Vertragsarztes342 oder die in regelmäßigen Zeitabständen zu aktualisierende betriebswirtschaftliche Überprüfung der Bewertungen und der wirtschaftlichen Leistungsaspekte343. Einzig die allgemeine inhaltliche Vorgabe, Leistungsbewertungen ab einem bestimmten Schwellenwert abzustaffeln344, ist vom Gesetzgeber nur als Kann-Regelung aufgestellt worden. Die besonderen inhaltlichen Vorgaben des Gesetzgebers sind hinsichtlich der Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung345 und der Bestimmung der Arztgruppen, die bei der Zuordnung der abrechenbaren Leistungen zugrunde zu legen ist346, sowie im Hinblick auf die Bewertung psychotherapeutischer Leistungen347 zwingend vorgegeben. Bei allen darüber hinausgehenden inhaltlichen Vorgaben lässt der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Aufgabe, auf welche Weise hausärztliche und fachärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab abzubilden sind348, überlässt der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss zwar nicht uneingeschränkt, macht ihm dahingehend aber lediglich Soll- oder auch nur Kann-Vorgaben. In diesem Sinne sollen hausärztliche Leistungen etwa als Versichertenpauschalen349 und fachärztliche Leistungen als Grund- und Zusatzpauschalen350 abgebildet werden. Somit lässt sich grundsätzlich feststellen, der Gesetzgeber lässt dem Bewertungsausschuss bei der Gestaltung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes einen umso weiteren Gestaltungsspielraum, je mehr es die inhaltliche Darstellung von Leistungen betrifft. Je mehr allerdings die allgemeine Überprüfung und Bewertung von Leistungen oder die grundsätzliche Funktion des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes im vertragsärzt341 342 343 344 345 346 347 348 349 350
§ 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V. § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V. § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 SGB V. § 87 Abs. 2a S. 2 SGB V. § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V. § 87 Abs. 2b und 2c SGB V. § 87 Abs. 2b S. 1 HS. 1 SGB V. § 87 Abs. 2c S. 1 HS. 1 SGB V.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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lichen Vergütungssystem tangiert sind, umso strengere Vorgaben sind den Absätzen 2 bis 2c des § 87 SGB V zu entnehmen und umso enger ist der Gestaltungsfreiraum des Bewertungsausschusses.
II. Honorarverteilungsmaßstab Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ist der Maßstab, den die Kassenärztliche Vereinigung bei der Verteilung der Gesamtvergütung an die Vertragsärzte351 anwendet352. Stellt der Einheitliche Bewertungsmaßstab das bundeseinheitliche Verzeichnis und die Werterelation der einzelnen ärztlichen Leistungen zueinander dar353, so wird durch den Honorarverteilungsmaßstab als exekutive Norm354 auf regionaler Ebene eine Verknüpfung der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten abrechenbaren Leistungen mit der zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung geschaffen. Durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab werden im Sinne einer Abrechnungsgrundlage die zur Erbringung am Versicherten möglichen Leistungen aufgezeigt und mit Punkten bewertet, womit es zur Festsetzung eines wesentlichen Wertes der Vergütungshöhe einer vom Vertragsarzt abgerechneten Leistung kommt. Auf diese Weise nimmt der Einheitliche Bewertungsmaßstab nicht nur Einfluss auf die Vergütung der Vertragsärzte, sondern im Wege finanzieller Anreize zur Erbringung ärztlicher Leistungen beeinflusst er mittelbar auch die Versorgung der Versicherten. Durch den Honorarverteilungsmaßstab werden Regelungen festgelegt, die bestimmen, bis zu welcher Höhe und in welchem Umfang Leistungen vom Vertragsarzt erbracht und abgerechnet werden können. Bei der Erstellung des Honorarverteilungsmaßstabes haben die regionalen Selbstverwaltungspartner einen weiten Gestaltungsfreiraum, durch die Verteilung der Vergütung – etwa in unterschiedlich große Honorartöpfe – auf die Erbringung und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen Einfluss zu nehmen355. Damit beeinflusst nicht nur der Einheitliche Bewertungsmaßstab, sondern auch der Honorarverteilungsmaßstab die Vergütung der Vertragsärzte und mittelbar die Versorgung der Versicherten. Der Honorarverteilungsmaßstab bestimmt somit unmittelbar die Rechtsbeziehungen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu den einzelnen, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten356. 351 Der Begriff „Vertragsarzt“ umfasst in diesem Zusammenhang alle Leistungserbringungsberechtigten nach § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V. 352 Vgl. § 87b Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V. 353 Vgl. § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V. 354 BSGE 22, 218 (219); 43, 247 (249); 46, 140 (144); Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 140 m.w.N.; Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 315. Vgl. dazu nachfolgend im Abschnitt C. I. 2., S. 163 f. 355 Vgl. etwa: Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 4, 12; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 1. 356 Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 98.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
In § 87b SGB V regelt der Gesetzgeber seit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz357 vom 26. März 2007 die Verteilung der Vergütung358, in welchem zunächst der Schwerpunkt auf bundeseinheitliche Regelungen, insbesondere durch arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina359, gesetzt wurde360. Mit der im Gesetzesentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz zunächst als § 85b SGB V ausgewiesenen Regelung361 sollte die Vergütung der einzelnen Ärzte kalkulierbarer gemacht, entbürokratisiert, vereinfacht und vor allem durch die zwingend anzuwendenden bundesrechtlichen Regelungen an Transparenz gewinnen362. Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz363 vom 22. Dezember 2011 fand jedoch das gesetzgeberische Ziel der Regionalisierung und der dadurch zu bewirkenden Flexibilisierung der vertragsärztlichen Vergütungsstrukturen mittels Stärkung der Selbstverwaltung364 nicht nur in den Regelungen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab, sondern auch auf der regionalen Ebene in den Vergütungsverteilungsregelungen Beachtung365. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz hat sich der Ge-
357
BGBl. I 2007, S. 378 (400 f.). Zuvor wurde sowohl die vertragszahnärztliche als auch die vertragsärztliche Vergütungsverteilung in § 85 SGB V gemeinsam geregelt, siehe § 85 SGB V in der Form des GKVModernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2204 f.). 359 § 87b SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (400 f.). Die Einführung der Regelleistungsvolumina wurde bereits im GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 angelegt, vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2205 ff.). Siehe auch: Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 669. Ein Regelleistungsvolumen ist die von einem einzelnen Vertragsarzt insgesamt abrechenbare Menge an Leistungen, die mit einem festen Punktwert vergütet wird. Darüber hinaus werden die Leistungen nur mit einem verringerten Punktwert vergütet. Das Regelleistungsvolumen berechnet sich aus dem Regelleistungsfallwert und der -fallzahl, welche sich aus der individuellen Vorjahresabrechnung des jeweiligen Quartals ergeben, vgl. Glossar bei: Feldmann, G+G 3/2014, S. 27. 360 Vgl. Steinhilper, MedR 2009, S. 466, der die Verlagerung der Honorarverteilung auf die Bundesebene als weitgehend gescheitert ansieht. 361 BT-Drs. 16/3100, S. 19 f. Mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde die Regelung statt in einem neuen § 85b in § 87b SGB V umgeschrieben, vgl. BT-Drs. 16/4200, S. 59 ff. Der Hintergrund war systematischer Natur, da der Inhalt der neuen Regelung auf § 87 SGB V aufbaute, sollte er auch im Gesetzestext dahinter stehen, vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 39. 362 BT-Drs. 16/3100, S. 123. Vgl. auch: Steinhilper, MedR 2009, S. 466. Dieses Ziel als „offensichtlich nicht erreicht“ sehen: Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2012, S. 77. 363 BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 364 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Axer, GesR 2012, S. 714 f.; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 2; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 669. Die Stärkung der Selbstverwaltung klang bereits in den Änderungen des Ausschusses für Gesundheit zum Gesetzesentwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes an, vgl. BTDrs. 16/4247, S. 39. 365 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Von einer „Reform der Reform“ spricht: Kapinsky, G+S 6/ 2013, S. 24. Selbst in der Überschrift des § 87b SGB V wurde durch eine Änderung die ReRegionalisierung sichtbar, indem der Gesetzgeber diese von „arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina“, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (400), in „Honorarverteilung“, vgl. BGBl. I 358
II. Honorarverteilungsmaßstab
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setzgeber neben der Regionalisierung der vertragsärztlichen Vergütung zugleich für eine Rückkehr zur Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Festsetzung des Honorarverteilungsmaßstabes entschieden366 : Bis zum 31. Juni 2004 waren Verteilungsregelungen auf regionaler Ebene in Honorarverteilungsmaßstäben – wie auch derzeit – von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen festgesetzt worden367. In der Zeit vom 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2011 wurde die Honorarverteilung jedoch innerhalb eines sog. Honorarverteilungsvertrages zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den jeweiligen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen vereinbart368. Auf diese Weise sollten die Verbände der Krankenkassen stärker in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung genommen werden, um auf regionaler Ebene eine ausgeglichene, gemeinsame Verantwortung der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen herzustellen369. So sollte der Interessenbeeinflussung durch die beteiligten Ärztegruppen und damit einer Benachteiligung insbesondere kleinerer Arztgruppen entgegengewirkt werden370. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 hat eine Rückkehr zum Honorarverteilungsmaßstab und der regionalen überwiegenden Alleinzuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung stattgefunden371, da durch die zuvor bestandene Vereinbarung von Honorarverteilungsverträgen „keine erkennbaren positiven Auswirkungen“ festzustellen waren, „die den aufgrund des Erfordernisses einer inhaltlichen Abstimmung mit sich bringenden Nachteil eines verwaltungsaufwendigen, zeitintensiven und weniger flexiblen Verfahrens rechtfertig[en]“372. Im Rahmen des am 23. Juli 2015 in Kraft getretenen GKV-Versor2011, S. 2983 (2991), änderte. Vgl. auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 1, 4. 366 § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011, vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 367 § 85 Abs. 4 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2503). 368 § 85 Abs. 4 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2205). Vgl. auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 225; ders., in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 45 f.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 5; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 4; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 669. Kritisch zur Änderung vom Honorarverteilungsmaßstab zum Honorarverteilungsvertrag: Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 9. 369 BT-Drs. 15/1525, S. 101. Vgl. auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 225. 370 BT-Drs. 15/1525, S. 101. Vgl. auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 225; ders., in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 46. 371 Pawlita, JbSozR 33 (2012), S. 167. Kritisch zur Monopolstellung der Kassenärztlichen Vereinigungen nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz: Peters/Schliemann/Feldmann, G+S 5/6/2011, S. 46 ff. 372 BT-Drs. 17/6906, S. 60. Vgl. auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 29; Pawlita, JbSozR 33 (2012), S. 167.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
gungsstärkungsgesetzes373 wurde – entsprechend der durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz verstärkt in den Mittelpunkt gerückten Regionalisierung und Flexibilisierung – ebenfalls die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung durch Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für Vertragsärzte als allgemeines gesetzgeberisches Ziel festgesetzt374.
1. Maßstab zur Verteilung der Gesamtvergütung In § 87b Abs. 1 S. 1 HS. 1, S. 2 SGB V gibt der Gesetzgeber vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütung an die Vertragsärzte „verteilt“ und dabei den Verteilungsmaßstab anwendet, den sie im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen festsetzt. Die Herstellung des Benehmens bedeutet – anders als bei dem Erfordernis des Einvernehmens – nicht zwingend eine Willensübereinstimmung, sondern sie umfasst den Versuch der Verständigung375. Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Landesverbände der Krankenkassen folglich über anstehende Änderungen des Honorarverteilungsmaßstabes zu informieren, die Möglichkeit der Stellungnahme zu gewährleisten, Einwände und Bedenken zur Kenntnis zu nehmen und ggf. zu berücksichtigen376. Sollten im Ergebnis unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten bestehen bleiben, ist jedoch der Wille der Kassenärztlichen Vereinigung ausschlaggebend377. Durch die Festsetzung eines zur Verteilung der Vergütung dienenden Honorarverteilungsmaßstabes wird klargestellt, dass die Gesamtvergütung nicht lediglich einen „durchlaufenden Posten“378 darstellt, sondern dem Honorarverteilungsmaßstab eine eigene, vom Einheitlichen Bewertungsmaßstab losgelöste Verteilungsfunktion379 und folglich eine eigenständige Steuerungsfunktion380 zukommt. Denn – anders 373
BGBl. I 2015, S. 1211 ff. Zum Ziel des Gesetzes allgemein, vgl. BT-Drs. 18/4095, S. 50 ff., und in Bezug auf den Honorarverteilungsmaßstab, vgl. auch: BT-Drs. 18/4095, S. 98. 375 BSGE 29, 111 (113); 75, 37 (40). Zu den Voraussetzungen des Benehmens, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 64 ff.; Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 313; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 101; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 27; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 3. Vertiefend zum Benehmen, vgl. auch: Schiller, in: ders./Tsambikakis, FS Steinhilper, S. 127 ff. 376 BSGE 77, 288 (290). Vgl. auch: BSGE 29, 111 (113); 75, 37 (40); Engelhard, in: Hauck/ Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 65. 377 BSGE 43, 247 (250); 75, 37 (40). Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 66; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 40. 378 Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 795; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 98. 379 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 18. 380 Die Steuerungsfunktion ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Vorgabe zur Mengensteuerung nach § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b 374
II. Honorarverteilungsmaßstab
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als der Bewertungsausschuss, der durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab als Leistungsverzeichnis festlegt, welche Leistungen erbracht bzw. abgerechnet werden können – ist es Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, die Art und Weise der Verteilung festzulegen381, indem sie die Aufteilung der Gesamtvergütung und damit die Honoraranteile der einzelnen Vertragsärzte bestimmt382 ; ihr kommt Honorarverteilungshoheit zu383. Bei der Honorarverteilung muss sie zum einen den Vertragsärzten einen ausreichenden finanziellen Anreiz bieten, ambulant tätig zu werden384, und zum anderen zugunsten der Versicherten eine ordnungsgemäße vertragsärztliche Versorgung sicherstellen385.
2. Vorgaben des Gesetzgebers Der Gesetzgeber hat der überwiegend alleinzuständigen Kassenärztlichen Vereinigung in § 87b SGB V eine weite Gestaltungsbefugnis zur Festsetzung des Honorarverteilungsmaßstabes eingeräumt. Die Kassenärztliche Vereinigung ist bei der Gestaltung des Honorarverteilungsmaßstabes jedoch an die gesetzlichen Vorgaben in § 87b SGB V gebunden. Darüber hinaus hat sie die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung – zu deren Erlass der Gesetzgeber die Kassenärztliche Bundesvereinigung in § 87b Abs. 4 SGB V ermächtigt – zu beachten386. a) Verteilungsvorgaben mit Einfluss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aa) Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung Als Weiterführung der grundlegend in § 73 Abs. 1 S. 1 SGB V und § 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 SGB V festgelegten Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher
SGB V Rn. 18; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 26. Siehe auch: Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 265 f.; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 12. 381 Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 311. 382 Vgl. etwa: Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, Honorarsystematik 1. Quartal 2016, Stand: Dezember 2015. 383 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 3; Peters/ Schliemann/Feldmann, G+S 5/6/2011, S. 47. 384 BSGE 94, 50 (59); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 14. 385 § 75 Abs. 1 SGB V. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 14; Pawlita, JbSozR 33 (2012), S. 172. 386 § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V.
100
B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Versorgung387 ist auch die Verteilung der Gesamtvergütung nach § 87b Abs. 1 S. 1 HS. 1 SGB V getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung vorzunehmen388. Die Aufteilung der beiden Versorgungsbereiche, sowohl hinsichtlich der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab als auch in Bezug auf die entsprechende Vergütungsverteilung, gestaltete sich als mehrjähriger Prozess389, der seit dem Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz)390 vom 21. Dezember 1992 anhält391. Die Frage, warum eine solche Aufteilung vom Gesetzgeber gewollt ist, lässt sich nahezu ausschließlich durch den Schutz der Institution Hausarzt beantworten: Es soll die „Lotsenfunktion“ des Hausarztes gestärkt werden392, da ohne eine Stärkung dieses beratenden und steuernden Faktors „dauerhaft eine effiziente, hohen Qualitätsansprüchen genügende medizinische Patientenversorgung nicht denkbar“393 wäre. Daher ist mittels einer strikten Trennung die Vergütung der hausärztlichen Versorgung abzusichern394, denn nur so ist gesichert, dass ein Mengenzuwachs in einem Versorgungsbereich die Honorare im jeweils anderen nicht beeinflussen kann395. Der durch den Gesetzgeber gewährte Schutz der Institution Hausarzt setzt durch die damit gesicherte angemessene Vergütung mittelbar auch einen Anreiz zur Niederlassung als Hausarzt396. Wie die Untergliederung in haus- und fachärztliche Versorgungsbereiche vorzunehmen ist, überlässt der Gesetzgeber allerdings nicht der Kassenärztlichen Vereinigung allein, sondern er beauftragt die Kassenärztliche Bundesvereinigung in § 87b Abs. 4 S. 1 HS. 1 SGB V, Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des je387
Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I. 2. b) aa), S. 78 ff.; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 388 Vgl. auch: BT-Drs. 17/6906, S. 65; Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 20; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 32; Hess, in: Körner/ Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 4; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 23; Pawlita, JbSozR 33 (2012), S. 168; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 141. 389 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 4. 390 Änderung des § 73 Abs. 1 SGB V mit dem Inhalt der Gliederung von hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung, vgl. BGBl. I 1992, S. 2266 (2272). 391 Vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 65; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 33. 392 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 32; Motz, in: Eichenhofer/ Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 26; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 2. 393 BT-Drs. 14/1245, S. 53. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 32. Nach einer Versicherten-Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK thematisieren die meisten Betroffenen (84,5 %) seelische bzw. persönliche Probleme zunächst beim Hausarzt, drei Viertel von ihnen (73,8 %) sind mit dem Ergebnis des letzten Arztgespräches zufrieden, vgl. Zok, WIdOmonitor 1/2014, S. 1. 394 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 38. 395 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 396 Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 2. Vgl. auch: Peters/Schliemann/Feldmann, G+S 5/6/2011, S. 46.
II. Honorarverteilungsmaßstab
101
weiligen Vergütungsvolumens im Einvernehmen – d. h. durch die Herbeiführung einer Willensübereinstimmung397 – mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen398. Dabei hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung einen weiten Gestaltungsspielraum, der auch die Befugnis zur Festsetzung von Detailregelungen vorsieht399. Die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind nach § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten, was bedeutet, dass die Vorgaben verbindlich zugrunde zu legen sind400. War es vor dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz401 vom 22. Dezember 2011 noch der Bewertungsausschuss, der Verfahrensvorgaben machte, ist nun die Kassenärztliche Bundesvereinigung für diese zuständig402. Somit verändert sich der Einfluss des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen403, der zwar noch immer die Hälfte der Mitglieder des Bewertungsausschusses stellt, dessen Einflussnahme nun aber durch das mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herzustellende „Einvernehmen“404 bzw. „Benehmen“405 ausgestaltet ist406. In ihren Vorgaben hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einem „Teil B“407 detaillierte Anordnungen zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung vorgenommen. Die Detailliertheit der Anordnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung stützt sich auf einen in der Gesetzessystematik des § 87b Abs. 4 S. 1 SGB V angelegten Umkehrschluss: Verlangt der Gesetzgeber von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die im Halbsatz 2 verankerten Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger 397
Vgl. BSGE 75, 37 (40); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 65, 154. Vgl. auch: BT-Drs. 17/6906, S. 66; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 150 ff.; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 23; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 30; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 141; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 2. 399 Vgl. BSGE 111, 114 (119); BSG, NZS 2014, 35 (36). 400 Vgl. Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 65, der im Gegensatz zur weiter gefassten Formulierung „zu berücksichtigen“ für die Anordnung „zu beachten“ die Verbindlichkeit der Regelung bestätigt. 401 BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 402 Vgl. § 85 Abs. 4a S. 1 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). Vgl. auch: BT-Drs. 17/6906, S. 66; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 36, 145; Pawlita, JbSozR 33 (2012), S. 168; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 2. 403 Die geringere Einflussnahme der Krankenkassen „vor Ort“ durch die Ablösung des Honorarverteilungsvertrages wird im Wege der Stärkung der Rahmenregulierung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen kompensiert, vgl. Rixen, GesR 2012, S. 341. 404 § 87b Abs. 4 S. 1 SGB V. 405 § 87b Abs. 4 S. 2 SGB V. 406 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 145. 407 Lesefassung gültig ab 1. Oktober 2015 der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 4 ff., abrufbar unter: http://www. kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 398
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Praxisnetze lediglich „Rahmenvorgaben“, fordert er in Bezug auf die Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die haus- und fachärztliche Versorgung im Halbsatz 1 „Vorgaben“ und damit auch Detailregelungen408. Nach den Anordnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind mithin, in einem ersten Schritt zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung, verschiedene Grundbeträge je Versicherten sowie bedarfsabhängige Vorwegabzüge zu bilden. Zunächst sind Grundbeträge für die Bereiche „Labor“ und „ärztlicher Bereitschaftsdienst“ zu erstellen, sodann bedarf es der Bildung von Grundbeträgen für den haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich409. In einem zweiten Schritt schreibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor – sollten entsprechende Rückstellungen nicht bereits in den Grundbeträgen „Labor“ und „ärztlicher Bereitschaftsdienst“ gebildet worden sein –, dass bedarfsabhängig Vorwegabzüge zu ermitteln sind410. Aus dem fachärztlichen Grundbetrag sind im Weiteren Beträge für „genetisches Labor“ (Humangenetik) und „PFG“ (Pauschale für fachärztliche Grundversorgung) zu bilden411. Es fällt auf, dass im Teil B der Vorgaben nicht nur die Trennung der haus- und fachärztlichen Vergütungsvolumina geregelt wird, sondern sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowohl mit bedarfsabhängigen Vorwegabzügen als auch mit den – außerhalb der haus- und fachärztlichen Grundbeträge – angesiedelten Grundbeträgen „Labor“ und „ärztlicher Bereitschaftsdienst“ befasst. Damit sollen die Vergütungen für solche Leistungen umfasst werden, die nicht ausschließlich einem bestimmten Teilbereich – haus- oder fachärztliche Versorgung – zugeordnet werden können und somit „nicht teilungsrelevant“ sind412. Mit dem Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG)413 vom 10. Dezember 2015 hat der Gesetzgeber angelehnt an die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst als Vorwegabzug geregelt. Damit erfolgt nach § 87b Abs. 1 S. 3 SGB V n.F. die Notfallund Notdienstvergütung aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im 408 BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 26 Rn. 36; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 148 f.; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 64. 409 Teil B 1.2 der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 4, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2 015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 410 Teil B 1.1 der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 4, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2 015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 411 Teil B 1.3 der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 4, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2 015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 412 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 413 BGBl. I 2015, S. 2229 (2243). Siehe dazu auch: Makoski, GuP 2016, S. 30 ff.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen. Da neben den Vertragsärzten häufig auch Krankenhäuser in bedeutendem Umfang an der ambulanten Notfallversorgung teilnehmen, soll auf diesem Wege eine angemessene Vergütung ohne Mengenbegrenzung sichergestellt werden414. Ausgenommen sind davon jedoch die Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes sowie Fälle der stationären Notfallversorgung415. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 ist am Ende des Satzes 1 von § 87b Abs. 1 SGB V eine Einfügung dahingehend vorgenommen worden, dass die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütung und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütung mindern sollen416. Dabei handelt es sich nach der Gesetzesbegründung um eine Klarstellung im Hinblick auf die zum 1. Oktober 2013 in Kraft getretene Rahmenvorgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung. Nach dieser Rahmenvorgabe wurde in den Honorarverteilungsmaßstäben der Kassenärztlichen Vereinigungen darauf abgezielt, eine klare und dauerhafte Trennung der haus- und fachärztlichen Vergütung, mit jeweils eigenständiger Weiterentwicklung, zu erreichen417. Kritisiert wird an der Einfügung in § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V insbesondere, dass sie statt klarstellend eher unklar und verwirrend418 sowie überflüssig sei419. bb) Tätigkeitsausdehnung und Kalkulationssicherheit Als weitere Verteilungsvorgabe, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu konkretisieren ist420, legt der Gesetzgeber in § 87b Abs. 2 S. 1 SGB V fest, der Verteilungsmaßstab habe Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird421. Gleichzeitig verlangt der Gesetzgeber, dass dem Leistungserbringer eine Kalkulationssi-
414
BT-Drs. 18/6586, S. 105 f. BT-Drs. 18/6586, S. 105. 416 BGBl. I 2015, S. 1211 (1221). 417 BT-Drs. 18/4095, S. 97. 418 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 31 f. 419 AOK-Bundesverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 73. 420 § 87b Abs. 4 S. 2 SGB V. 421 § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 415
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
cherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden soll422. (1) Übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit Die Vorgabe des Halbsatzes 1 des § 87b Abs. 2 S. 1 SGB V, eine Mengenausweitung zu verhindern, lehnt sich an den Wortlaut der Regelung des § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V a.F.423 an. Bevor es jedoch zu einer Regelung kommen kann, die eine Mengenausweitung der vertragsärztlichen Tätigkeit verhindern soll, stellt sich zunächst die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber die Grenze der „übermäßigen Ausdehnung“424 als überschritten ansieht425. Der Gesetzgeber selbst macht dazu zunächst explizit keine weiteren Ausführungen. Er gibt lediglich zwei Faktoren vor, die als Anknüpfungspunkte dienen: zum einen ist dies der „Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3“, zum anderen der „Ermächtigungsumfang“426 des Leistungserbringers, über welchen hinaus seine Tätigkeit nicht übermäßig ausgedehnt werden soll. Seit dem Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz)427 vom 22. Dezember 2006 sieht der Gesetzgeber in § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V die Möglichkeit vor, den sich aus der Zulassung ergebenen Versorgungsauftrag auf die Hälfte einer vollzeitigen Tätigkeit – insbesondere zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen – beschränken zu können428. Die Verbindung von Maßnahmen zur Mengenbegrenzung mit dem Versorgungsauftrag des Vertragsarztes bewirkt seitdem, dass bei einem hälftigen Versorgungsauftrag die Ausweitung der Leistungsabrechnung über den Versorgungsumfang hinaus verhindert wird429. Überdies wurden durch die Erweiterung des Wortlautes des § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V – statt vorher nur Bezug nehmend auf § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V430, nun durch Verweis auf den gesamten Absatz 3 des § 95 SGB V431 – 422
§ 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V. § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V in der Form des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes vom 22. Dezember 2006, vgl. BGBl. I 2006, S. 3439 (3440), der besagte: „Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 Satz 1 vorzusehen.“ Vgl. dazu etwa: Brochnow, in: Luxenburger, FS 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 314 f.; Möller, MedR 1996, S. 176 ff. 424 Vgl. § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 425 Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 33. 426 § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 427 BGBl. I 2006, S. 3439 (3441). Zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, vgl. auch: Orlowski/Halbe/Karch, Vertragsarztrechtsänderungsgesetz. 428 BT-Drs. 16/2474, S. 21; BT-Drs. 16/3157, S. 10. 429 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 18. 430 Vgl. bereits in diesem Abschnitt, Fn. 423. 431 Vgl. § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V in der derzeit gültigen Form des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011, vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 423
II. Honorarverteilungsmaßstab
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auch die Medizinischen Versorgungszentren unter die Bestimmung zur Tätigkeitsbegrenzung gefasst432. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsraum aber nicht nur über das Merkmal des Versorgungsauftrages ausgeweitet, sondern die Verhinderung zur Tätigkeitsausdehnung auch auf den „Ermächtigungsumfang“433 des Leistungserbringers ausgedehnt. Eine Ermächtigung434 stellt im Verhältnis zu der dem Versorgungsauftrag zugrunde liegenden Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung435 keine statusbegründende Teilnahmeform436 dar, was sich aus dem Fehlen einer mitgliedschaftsrechtlichen Rechtsfolge ergibt437. Die Ermächtigung soll gerade ausschließlich eine bedarfsorientierte, selektive und leistungsspezifische Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermöglichen438, wie etwa bei der Ermächtigung von Krankenhausärzten zur ambulanten Behandlung nach § 116 SGB V. Unabhängig davon, welche Anknüpfungspunkte der Gesetzgeber vorgibt, ist damit noch nicht geklärt, wann über diese „hinaus übermäßig“439 eine Tätigkeitsausdehnung einsetzt. In der Literatur wird zum Teil an der Rechtsprechung, die noch zu § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V a.F. entwickelt worden war, festgehalten, obwohl im Wortlaut des § 85 Abs. 4 S. 6 SGB Va.F.440 die nun geltenden Anknüpfungspunkte – „Versorgungsauftrag“ und „Ermächtigungsumfang“441 –, deren Grenzen überschritten werden müssen, damit eine Mengenbegrenzungsregelung erforderlich ist, nicht genannt waren442. In dieser älteren Rechtsprechung war der Tatbestand der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit als erfüllt angesehen worden, wenn angesichts des Umfangs der von einem Vertragsarzt abgerechneten Leistungen davon auszugehen sei, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Art und Weise erbracht worden sein könnten, mithin Qualitätsmängel zu befürchten seien443. Nach neuerer Rechtspre432
Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 79. Vgl. § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 434 Vgl. § 95 Abs. 4 SGB V. Zur Ermächtigung von Ärzten und zu ermächtigungsfähigen Einrichtungen: Pawlita, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 95 SGB V Rn. 117 ff. 435 Vgl. § 95 Abs. 3 SGB V. 436 Siehe etwa: Gerlach, in: Krauskopf, SGB V, § 95 SGB V Rn. 11, 103; Hess, in: Körner/ Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 95 SGB V Rn. 85; Joussen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 95 SGB V Rn. 17; Neumann, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOKSGB V, § 95 SGB V Rn. 64. 437 Vgl. § 95 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 SGB V. 438 Vgl. etwa: § 116 S. 2 SGB V, § 116a SGB V. 439 § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 440 Vgl. bereits in diesem Abschnitt, Fn. 423. 441 § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. 442 Vgl. bereits in diesem Abschnitt, Fn. 423. 443 BSG, NZS 2003, 440 (441 f). Vgl. auch: BVerfGE 33, 171 (186); BSGE 22, 218 (221 f.). Die Ausrichtung des Wettbewerbs der Leistungserbringer mehr am Merkmal der Qualität und weniger am Preis im Sinne des Prinzips „Pay for Performance“ fordert: Storm, VSSR 2013, S. 320 f. Die „übermäßige Ausdehnung“ in einem umfassenderen Sinne, d. h. nunmehr alle Konstellationen, in denen, ungeachtet aus welchen Gründen, die Erforderlichkeit honorarbe433
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
chung des Bundessozialgerichts vom 17. Juli 2013444 ermittelt sich die Grenze des Übermäßigen durch die fachgruppenbezogene Gesamtzahl der abgerechneten Punkte445 oder im Wege einer Kombination von Fallwert und Fallzahl, d. h. dem Gesamtumsatz446 ; überschreitet die Tätigkeit eines Leistungserbringers das Doppelte des so ermittelten Fachgruppendurchschnitts, liegt eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit vor447. Es handelt sich bei der jüngeren Entscheidung somit um eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zu § 85 Abs. 4 S. 6 SGB Va.F. Wurde zuvor eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit angenommen, wenn Qualitätsmängel zu befürchten waren, wird nun näher ausgeführt, wann im Konkreten von einer übermäßigen Ausdehnung auszugehen ist – wenn also das Doppelte des ermittelten Fachgruppendurchschnitts überschritten wurde. Indem der Gesetzgeber vorgibt, der Verteilungsmaßstab habe Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers übermäßig ausgedehnt wird, regelt er jedoch nicht auf welche Art und Weise das Ziel dieser Maßgabe erreicht werden soll448. In der Gesetzesbegründung wird auch nur generell die Forderung nach mengensteuernden Maßnahmen zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit gestellt449. Die Kassenärztliche Vereinigung ist damit in der Auswahl ihrer Mittel zur Begrenzung der Tätigkeitsausdehnung frei450 – ihr steht zwar kein Entscheidungs-451, dafür aber ein Gestaltungsermessen zu452. (2) Kalkulationssicherheit Der Honorarverteilungsmaßstab soll nach § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V dem Vertragsarzt Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglichen. Der Gesetzgeber formuliert hierbei inhaltsoffen – vor allem im Vergleich zum obligatorischen Halbsatz 1 –, was es schwierig macht, Konturen grenzender Maßnahmen besteht, verstehen: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 97 ff.; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 46. 444 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 37. 445 Dies meint die gesamte Summe aller abgerechneten Gebührenordnungspositionen der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab. Siehe auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 29 Rn. 34. 446 Vgl. BSG, NZS 2003, 440 (442). 447 Vgl. BSG, NJW 1988, 2324 ff. Vgl. zu den einzelnen Kriterien auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 312 ff. 448 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 101; Motz, in: Eichenhofer/ Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 34. 449 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 450 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 99. 451 Vgl. Wortlaut des § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V: „hat Regelungen vorzusehen“. 452 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 101; Motz, in: Eichenhofer/ Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 34; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 145.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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zur Auslegung zu finden: Er belässt es nämlich nicht nur bei einer Soll-Vorgabe und eröffnet Auslegungsspielraum durch die Begriffe „zu erwarten“ und „ermöglicht“, sondern gibt speziell durch den – bisher insbesondere im Rahmen der Regelleistungsvolumina ausgeformten453 – Rechtsbegriff der Kalkulationssicherheit einen großen Spielraum seitens der Kassenärztlichen Vereinigung, den es auszufüllen gilt. Mit der Einführung der Regelleistungsvolumina durch das GKV-Modernisierungsgesetz454 vom 14. November 2003 wurden die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten455 vergütet, wodurch das gesetzgeberische Ziel, den Vertragsärzten Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen zu geben, erreicht werden sollte456. Darin war die generelle Absicht zu erkennen, den Vertragsärzten das sichere Abschätzen ihres zu erwartenden vertragsärztlichen Honorars zu ermöglichen457. Der Begriff der Kalkulationssicherheit hatte aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eingang ins Gesetz gefunden. Eine zentrale und strikte Vorgabe für die durch Regelleistungsvolumina zu erreichende Stabilisierung der Punktwerte war das Erfordernis der Festlegung fester – anstelle von floatenden458 – Punktwerten, bei welchen kein Spielraum zu bestehen hatte459. Ein fester Punktwert lag nur dann vor, wenn dem Vertragsarzt schon vor Beginn des entsprechenden Quartals der Punktwert genau bekannt war und er sich bei seiner betriebswirtschaftlich notwendigen Honorarkalkulation darauf einstellen konnte460. Der Gesetzgeber wandelte mit Einführung der Regelleistungsvolumina die bis dahin bestehende Soll-Vorschrift zur Verhinderung einer übermäßigen Tätigkeitsausdehnung zudem in eine verbindliche Regelung um461. Damit stand die Frage nach festen Punktwerten nicht mehr zur Disposition untergesetzlicher Normgeber, sondern sie wurde normativ verpflichtend 453 Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 43; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. Zur Definition eines Regelleistungsvolumens, vgl. bereits Ausführungen in diesem Abschnitt, Fn. 359. 454 Vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2205). 455 Vgl. zum Begriff des Punktwertes bereits ausführlich in diesem Abschnitt I. 1. b), S. 57 ff. 456 BT-Drs. 15/1525, S. 101. Vgl. auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 43. Zur Kalkulationssicherheit als Zielsetzung, vgl. BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 68. 457 BSGE 106, 56 (58); Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 43. 458 Vgl. in diesem Abschnitt bereits I. 1. b) bb), S. 59 ff. 459 BSGE 106, 56 (58); Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 43. 460 Steck, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 17. 03. 2010 – B 6 KA 43/08 R, ZMGR 2010, S. 307. 461 BT-Drs. 15/1525, S. 101. Vgl. auch: Steck, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 17. 03. 2010 – B 6 KA 43/08 R, ZMGR 2010, S. 307 f. Zunächst war der Wortlaut des § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V in der Form des Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2634), wie folgt gefasst: „Der Verteilungsmaßstab soll sicherstellen, dass eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes verhütet wird.“ Sodann wurde er durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 geändert in: „Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen.“, vgl. BGBl. I 2003, S. 2190 (2205).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
vorgegeben462. Der Maßstab, der durch die Einführung der Regelleistungsvolumina an den Begriff der Kalkulationssicherheit angelegt wurde, war aufgrund der verbindlichen Ausgestaltung folglich klar bezifferbar und stark vom Gesetzgeber geprägt463. In der Zeit der Regelleistungsvolumina war der Begriff der Kalkulationssicherheit zwar nur ein in der Gesetzesbegründung erwähntes Ziel und nicht als Rechtsbegriff im Gesetzestext festgeschrieben, dennoch könnte der hierfür entwickelte Maßstab – d. h. die Festlegung fester Punktwerte, die dem Vertragsarzt vor Beginn des Quartals bekannt sind – möglicherweise für den mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz464 vom 22. Dezember 2011 in § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V eingeführten Begriff der Kalkulationssicherheit herangezogen werden. Der Gesetzgeber verfolgte mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz den Zweck der Regionalisierung und damit insbesondere der Flexibilisierung des vertragsärztlichen Vergütungssystems465. Dies war auch der entscheidende Grund, das bundeseinheitliche System der Regelleistungsvolumina abzuschaffen, um den regionalen Normgebern mehr Gestaltungsfreiheit zu belassen466. Damit änderte der Gesetzgeber seine hinter dem vertragsärztlichen Vergütungssystem stehenden Ziele467. Folglich ist der nun in § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V gesetzlich festgeschriebene Begriff der Kalkulationssicherheit nicht mehr durch ein bundeseinheitliches, stark vom Gesetzgeber vorgegebenes Gefüge geprägt, sondern ihm liegt das Ziel der Flexibilität zugrunde. Daher kann der zuvor im Rahmen der Regelleistungsvolumina angewandte Maßstab, Kalkulationssicherheit durch die Bestimmung eines festen Punktwertes herzustellen, nicht unverändert zur Definition des derzeitigen Begriffes der Kalkulationssicherheit herangezogen werden. Der zuvor verwandte Maßstab dient nun lediglich als Indikator dafür, dass Kalkulationssicherheit zumindest dann vorliegt, wenn bereits vor Beginn des Quartals feste Punktwerte zur Berechnung des vertragsärztlichen Honorars bestimmt wurden468. Das bedeutet aber nicht, dass Kassenärztliche Vereinigungen nicht auch auf anderem, eventuell weniger hohen Voraussetzungen erfüllenden Wege dem gesetzlichen Begriff der Kalkulationssicherheit entsprechen können. Nachdem aus gesetzeshistorischer Betrachtung lediglich ein Indikator für das Vorliegen von Kalkulationssicherheit nach § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V festgestellt werden kann, ist auch aus dem Wortlaut der jetzigen Norm469 und der dazu462
Steck, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 17. 03. 2010 – B 6 KA 43/08 R, ZMGR 2010, S. 307 f. Vgl. Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 45. 464 BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 465 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 466 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 467 Vgl. Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 468 Vgl. Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 469 § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V in der Form des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011, vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2991), lautet: „dabei soll dem Leistungser463
II. Honorarverteilungsmaßstab
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gehörigen Gesetzesbegründung kaum eine klare Vorgabe zu folgern: Der Gesetzgeber fordert in seiner Begründung, der Honorarverteilungsmaßstab habe „vor dem Hintergrund einer verlässlichen Planbarkeit“470 mengensteuernde Maßnahmen vorzusehen. Das Gebot der verlässlichen Planbarkeit wird aus den dem vertragsarztrechtlichen Vergütungssystem zugrunde liegenden Grenzen der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gefolgert471. Ansatzpunkt für diesen Schutz ist das aus dem Privatrecht stammende elementare Prinzip des „do ut des“, was besagt, jeder gibt, damit der andere gibt472. Der Leistende muss danach im Zeitpunkt der Leistungserbringung wissen, welche Gegenleistung er zu erwarten hat473. Das Honorarverteilungssystem der Vertragsärzte war jedoch lange Zeit darauf ausgelegt, den Preis für die zu erbringende Leistung erst nach Leistungserbringung genau festzulegen, da die Vergütung einer einzelnen Leistung wesentlich von dem Verhältnis der von allen Vertragsärzten innerhalb des Gebietes einer Kassenärztlichen Vereinigung erbrachten Gesamtpunktzahlen zu dem im Gesamtvertrag festgelegten Gesamtvergütungsvolumen abhing. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG gebieten aber, dass zugunsten eines jeden Unternehmers berechenbare rechtliche Rahmenbedingungen vorliegen, auf deren Grundlage er rational planen und investieren kann474. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich – wie bei Vertragsärzten – einerseits um die wesentliche Grundlage ihres Einkommens handelt und andererseits Vergütungsregelungen im Mittelpunkt stehen, die vorwiegend der Steuerung des Behandlungs- und Abrechnungsverhaltens von Vertragsärzten dienen. Eine Steuerung kann aber nur dann erfolgen, wenn einem Vertragsarzt im Vorhinein größtenteils offengelegt wird, welche Gegenleistung ihm für eine von ihm zu erbringende Leistung vergütet wird475. Das hat zur Folge, dass Preise für bereits erbrachte Leistungen nicht erst rückwirkend festgesetzt werden sollten476. Aus diesen Gewährleistungen verbindet sich die Forderung nach einer bringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe des zu erwartenden Honorars ermöglicht werden“. 470 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Feldmann, G+G 3/2014, S. 21 f., 27, der die Forderung der Vertragsärzte nach einer planbaren und kalkulierbaren Vergütung als eine Behauptung aus dem „Reich der Mythen“ ansieht, da ein höheres Maß an Planbarkeit und Kalkulationssicherheit nur noch in der Zahlung eines leistungsunabhängigen Festgehalts zu sehen sei und bei keinem anderen freien Beruf so klar definiert wäre. 471 Isensee, VSSR 1995, S. 342 f.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 239. Zur Festlegung der vertragsärztlichen Vergütung unter Ausschaltung des do ut des-Prinzips, vgl. Boecken, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 363 ff. 472 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, S. 202. 473 Boecken, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 365. 474 Isensee, VSSR 1995, S. 343. 475 Isensee, VSSR 1995, S. 343. 476 Zur Rückwirkungsproblematik vertragsärztlicher Vergütung, vgl. etwa: Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 238 ff.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
„formellen Berechenbarkeitsgewähr“477. Zwar stimmen die Formulierungen der „verlässlichen Planbarkeit“478 und der „formellen Berechenbarkeitsgewähr“ nicht überein, das dahinterstehende Ziel, dem Vertragsarzt schon bevor er eine Leistung erbringt, deren Kalkulation zu ermöglichen, ist jedoch gleichgerichtet479. Was aber bedeutet nun ein planbares bzw. berechenbares vertragsärztliches Honorar? Planbar ist das Honorar nur dann, wenn die wesentlichen Eckpunkte zur Errechnung bekannt sind; dem Vertragsarzt sind mithin „verlässliche rechtliche Honorardaten zu präsentieren“480. Als Rechnungskomponenten kommen dabei der Fallwert481 und die Fallzahl482 sowie der Punktwert und die Punktzahl in Betracht483. Wesentliche Voraussetzung für die Planbarkeit ist aber vor allem, dass mithilfe dieser Eckdaten ein Rückschluss auf das zu erwartende Honorar, d. h. eine mittelfristige Kalkulation möglich ist484. Heute, anders als noch vor Einführung des Orientierungswertes, steht der zu erbringenden Leistung, aufgrund der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab als bundeseinheitlicher Euro-Gebührenordnung aufgeführten Euro-Beträge, zumindest mittelbar ein Preis für die zu erwartende Gegenleistung gegenüber485. Unmittelbar ergibt sich das Honorar für eine Leistung bis zur Ausschöpfung der dafür zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungsmenge aber erst aus der auf der Grundlage des bundeseinheitlichen Orientierungswertes bestimmten regionalen Euro-Gebührenordnung, die regionale Zu- oder Abschläge und regionale Veränderungen beachtet486. Die Eckdaten, die eine verlässlichere Planbarkeit erfordern, werden folglich bereits durch die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab errichtete bundeseinheitliche Euro-Gebührenordnung geliefert, denn damit ist ein Rückschluss auf das zu erwartende Honorar zumindest dem Grunde nach möglich. 477
Isensee, VSSR 1995, S. 343; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 239. Vgl. auch: Maaß, NZS 1998, S. 18. 478 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 479 Vgl. Isensee, VSSR 1995, S. 343; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 239. Zur Forderung eines im Vorhinein festgelegten Preises, vgl. auch: Boecken, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 363 ff. 480 Isensee, VSSR 1995, S. 343. 481 Der Fallwert beschreibt in der Regel den durchschnittlichen Honorarumsatz oder den durchschnittlichen Leistungsbedarf eines Arztes je Behandlungsfall, vgl. Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 105. 482 Als Behandlungsfallzahl bezeichnet man die Anzahl der Fälle in einer Praxis in einem Quartal und als Arztfallzahl die Fälle eines Arztes in einem Quartal, vgl. Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 105. 483 Vgl. Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 484 Isensee, VSSR 1995, S. 343; Maaß, NZS 1998, S. 18; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 485 Siehe auch: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87a-13. 486 Umfassend zur regionalen Euro-Gebührenordnung, vgl. in diesem Abschnitt III., S. 130 ff.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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Zumal bei denjenigen Leistungen, die keiner regionalen Veränderung unterliegen, nicht nur eine mittelbare Kalkulation, sondern bereits ein unmittelbarer Preis für die Gegenleistung feststeht. Festzuhalten bleibt damit, dass das gesetzgeberische Erfordernis der Kalkulationssicherheit in § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V nicht mehr den strengen Anforderungen des ursprünglich hinsichtlich der Regelleistungsvolumina entwickelten Maßstabs eines festen Punktwertes entsprechen muss487. Vielmehr ist es ausreichend, wenn dem Vertragsarzt im Zeitpunkt der Leistungserbringung diejenigen Eckdaten zur Verfügung stehen, die einen Rückschluss auf die Höhe seines Honorars zulassen. Die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführte bundeseinheitliche EuroGebührenordnung und die auf regionaler Ebene festgesetzte regionale Euro-Gebührenordnung sind dafür ausreichend. (3) Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Für die in § 87b Abs. 2 S. 1 SGB V niedergelegte Verhinderung der Tätigkeitsausdehnung und der dabei zu ermöglichenden Kalkulationssicherheit sind nach § 87b Abs. 4 S. 2 SGB V Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen488. Die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung enthalten allerdings keine über den Gesetzesinhalt hinausgehenden Vorgaben zur Tätigkeitsausdehnung oder zur Kalkulationssicherheit489. Im Teil A Nr. 2 und 3 wird lediglich nahezu identisch der Gesetzeswortlaut wiederholt. Somit wird das Ziel des Gesetzgebers, durch die Mitwirkung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, eine bundeseinheitliche Klammer um ausgewählte Aspekte der Honorarverteilung zu setzen490, nicht umgesetzt. Anders gesprochen: Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung lässt der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung hinsichtlich der Art und Weise, wie der Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegenzuwirken ist, und im Hinblick auf die Herstellung der Kalkulationssicherheit einen großen Gestaltungsspielraum.
487 Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 43; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 670. 488 Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist befugt, weitere, dem Regelungszweck der Vorschrift entsprechenden Bestimmungen in die Vorgaben aufzunehmen, vgl. Wortlaut des § 87b Abs. 4 S. 2 HS. 1 SGB V: „insbesondere“. Vgl. auch: BT-Drs. 17/6906, S. 66; Rompf, ZMGR 2014, S. 4. 489 Teil A 2. und 3. der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V Stand: Juni 2015, S. 2, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorga ben_2015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 490 Vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 66.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
cc) Kooperative Behandlung § 87b Abs. 2 S. 2 SGB V gibt im Weiteren vor, dass der Honorarverteilungsmaßstab der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen hat491. Diese Vorgabe wurde ebenfalls im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes492 vom 22. Dezember 2011 eingeführt und hat das Ziel, die gemeinsame Berufsausübung zu fördern und damit eine patientennahe ärztliche Kooperation in angemessener Weise zu berücksichtigen493. Die kooperative Behandlung hat den Vorteil, dass es zu einer Optimierung von Behandlungsabläufen kommt, indem Doppeluntersuchungen vermieden und dadurch weniger Kosten verursacht werden494. Die so zu erzielende gemeinsame Behandlung eines Patienten bewirkt „Synergieeffekte“495, die eine Bevorzugung von kooperativ behandelnden Versorgungsformen rechtfertigt. Positive Effekte können zugunsten der Patienten beispielsweise durch eine bessere medizinisch-technische Ausstattung, längere Praxisöffnungszeiten, ein größeres Leistungsspektrum und eine verbesserte Patientendatenkoordination sowie zugunsten der Ärzteschaft durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der damit einhergehenden Förderung des medizinischen Nachwuchses, insbesondere im hausärztlichen Bereich, erzielt werden496. Im Vergleich zur Behandlung in einer Einzelpraxis ist allerdings der in kooperativer Behandlung erfolgte Aufwand pro Patient höher497. Insofern rechtfertigt sich die finanzielle Förderung für die zur kooperativen Behandlung gebildeten Versorgungsformen498. (1) Versorgungsformen der kooperativen Behandlung Der Gesetzgeber lässt in § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V offen, welchen Versorgungsformen er eine Förderung innerhalb der Honorarverteilung gewähren will499. Als Versorgungsformen, die zur kooperativen Behandlung von Patienten gebildet wer-
491 Vgl. auch: Pawlita, JbSozR 33 (2012), S. 168; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 146. 492 BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 493 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 115; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 39; Rixen, GesR 2012, S. 341; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. 494 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. 495 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. 496 BSGE 106, 49 (52 f.); Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 7. Vgl. zur medizinisch-technischen Ausstattung auch: BT-Drs. 15/1525, S. 104. 497 BT-Drs. 15/1525, S. 105. Vgl. auch: BSGE 106, 49 (51); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 117; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 92. 498 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 117. 499 Vgl. Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 39.
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den, sind unstreitig500 die Berufsausübungsgemeinschaften501, die medizinischen Versorgungszentren502 und die explizit in § 87b Abs. 2 S. 3 SGB V erwähnten Praxisnetze anerkannt. Nicht einheitlich bewertet wird allerdings die Einbeziehung der integrierten Versorgung nach § 140a Abs. 1 S. 2 HS. 1 SGB V503. Die integrierte Versorgung wird generell als eine Art der Kooperation von Leistungserbringern gesehen504; sie als eine Versorgungsform im Sinne des § 87b Abs. 2 S. 2 SGB V zu betrachten, ist aber abzulehnen505. Der Ausschluss der integrierten Versorgung ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung, die im Hinblick auf § 87b Abs. 2 S. 2 SGB V vorgibt, dass von der Regelung „Verträge nach den §§ 73b, 73c, und 140a sowie Modellvorhaben nach § 63 oder entsprechender Vereinbarungen nach § 64 unberührt“506 bleiben. Zudem ist auch die Art der Vergütung in der integrierten Versorgung eine andere507: Abweichend von den übrigen Regelungen des Vierten Kapitels508, schließen Krankenkassen direkt Verträge mit den in § 140a Abs. 3 S. 1 SGB V genannten Vertragspartnern509, d. h. unmittelbar mit den Leistungserbrin500
Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 116; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 92; Kassenärztliche Vereinigung BadenWürttemberg, Honorarsystematik 1. Quartal 2016, Stand: Dezember 2015, S. 8; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 7 f. In Bezug auf die Berufsausübungsgemeinschaften und die medizinischen Versorgungszentren, vgl. auch: BSGE 106, 49 (51). 501 Vgl. Legaldefinition in § 18 Abs. 2a der (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/ MBO_02. 07. 2015.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016): „Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Ärztinnen und Ärzten untereinander, mit Ärztegesellschaften oder mit ärztlich geleiteten Medizinischen Versorgungszentren, die den Vorgaben des § 23a Abs. 1, Buchstabe a, b und d entsprechen, oder dieser untereinander zur gemeinsamen Berufsausübung.“ 502 Vgl. Legaldefinition in § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V: „Medizinische Versorgungszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind.“ 503 Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 wurden die §§ 140a ff. SGB Va.F. neu strukturiert, vgl. BGBl. I 2015, S. 1211 (1216 f., 1232 f.). § 140a Abs. 1 SGB V n.F. fasst die bisher in §§ 73a, 73c und 140a SGB V a.F. geregelten Möglichkeiten der Krankenkassen, Strukturverträge, Verträge über eine integrierte Versorgung und Verträge über die ambulante ärztliche Versorgung zu schließen, zusammen, vgl. BT-Drs. 18/4095, S. 126 ff. 504 So etwa: Axer, GesR 2012, S. 720. 505 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 116. Vgl. auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 40; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 146. A.A. Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPKSGB V, § 87b SGB V Rn. 92, der ohne weitere Begründung die integrierte Versorgung als Versorgungsform im Sinne des § 87b Abs. 2 S. 2 SGB V annimmt. 506 BT-Drs. 17/8005, S. 110. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 125; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 40. 507 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 116. 508 Das Vierte Kapitel des SGB V umfasst in den §§ 69 – 140h SGB V die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern. 509 Vgl. § 140a Abs. 1 S. 1 SGB V.
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gern. Daher unterfällt die integrierte Versorgung schon gar nicht der in § 87b SGB V verankerten Honorarverteilung. Schließlich verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die in den Gesamt- und somit Kollektivverträgen vereinbarte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung510; in die Vergütungsverteilung der einzeln mit den Leistungserbringern vereinbarten Verträge greift sie grundsätzlich nicht ein511. (2) Gesonderte Vergütung vernetzter Praxen Der Gesetzgeber schreibt im ersten Halbsatz des § 87b Abs. 2 S. 3 SGB V – vormals geregelt in § 87b Abs. 2 S. 2 HS. 2 SGB V a.F.512 – vor, für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, nun zwingend – statt zuvor fakultativ – gesonderte Vergütungsregelungen vorzusehen513. Darüber hinaus wird im zweiten Halbsatz des § 87b Abs. 2 S. 3 SGB V – so wie bereits in der Vorgängerregelung – die Möglichkeit eröffnet, für Praxisnetze eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Abs. 3 SGB V zu bilden514. Ziel der gesonderten Vergütung von Praxisnetzen soll sein, ambulante Versorgungsstrukturen zu optimieren, wodurch Qualität, Effizienz und Effektivität der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer intensiveren fachärztlichen Zusammenarbeit gesteigert werden können515. Überdies soll die nun strengere Regelung des § 87b Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V dazu dienen, dass Praxisnetze nun zwingend zu fördern sind, wenn sie von der Kassenärztlichen Vereinigung als solche anerkannt werden516. Die verbindliche Förderung anerkannter Praxisnetze wird aber zum Teil dahingehend kritisiert, dass die Regelung einen weiten gesetzlichen Eingriff in die Honorarverteilungskompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen darstellt und zumindest eine extrabudgetäre Förderung der Praxisnetze erforderlich wäre517. Auf diese Weise müsste die zwingende Förderung der Praxisnetze nicht aus dem begrenzten Gesamtvergütungsvolumen finanziert werden. Gegen diese Kritik ist jedoch einzuwenden, dass den Kassenärztlichen Vereinigungen die Möglichkeit eröffnet wird, Praxisnetze nicht nur aus dem Gesamtvergütungsvolumen, sondern
510
§ 87b Abs. 1 S. 1 SGB V. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Kassenärztliche Vereinigung von einem Leistungserbringer gegen Aufwendungsersatz beauftragt wird, die Abrechnung durchzuführen. 512 Vgl. § 87b Abs. 2 S. 2 HS. 2 SGB V in der Form des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011, vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). 513 Vgl. auch: Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2016, S. 11. 514 Vgl. auch: Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2012, S. 95; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 39; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. 515 BT-Drs. 17/8005, S. 109. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 119; Rixen, GesR 2012, S. 342. 516 BT-Drs. 18/4095, S. 97. 517 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 32. 511
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auch mit Mitteln des Strukturfonds518 zu fördern519. Der unstreitig bestehende Eingriff der Regelung zur zwingenden Förderung von anerkannten Praxisnetzen in die Honorarverteilungskompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen lässt sich überdies mit dem vom Gesetzgeber besonders verfolgten Ziel begründen, durch die Förderung von Praxisnetzen ambulante Versorgungsstrukturen zu optimieren, und auf diese Weise Qualität, Effizienz und Effektivität der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer intensiveren fachärztlichen Zusammenarbeit zu steigern520. Zur Erreichung dieses Zieles kann auf parlamentsgesetzlicher Ebene durchaus mittels obligatorischer Regelung in die Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigungen eingegriffen werden. Zunächst ist allerdings fraglich, was unter dem gesetzgeberischen Begriff des „Praxisnetzes“ zu verstehen ist. In § 87b Abs. 2 S. 2 HS. 2 SGB V a.F. wurden die Begriffe „Praxisnetze“ und „vernetze Praxis“ als Synonyme verwendet. Mit den Änderungen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16. Juli 2015 hat der Gesetzgeber sich jedoch auf den Begriff des „Praxisnetzes“ beschränkt521. Sowohl die jetzige als auch die Vorgängerfassung des § 87b SGB V enthalten keine Definition des Praxisnetzes522. Dafür lässt sich in § 73a S. 1 HS. 1 SGB V eine kurze Legaldefinition finden, die allerdings wenig Aufschluss bietet: Vernetzte Praxen stellen danach einen „Verbund aus haus- und fachärztlich tätigen Vertragsärzten“ dar. Umfangreicher wurden Praxisnetze hingegen in der Gesetzesbegründung zum GKVVersorgungsstrukturgesetz aus dem Jahre 2011 definiert, indem dort vernetze Praxen bzw. Praxisnetze als „Zusammenschlüsse von Vertragsärztinnen und -ärzten verschiedener Fachrichtungen zur interdisziplinären, kooperativen und medizinischen ambulanten insbesondere wohnortnahen Betreuung und Versorgung von Patientinnen und Patienten“523 beschrieben wurden. Ausgeweitet wird diese Definition im Weiteren von der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V524, die in ihrem § 1 Abs. 1 S. 2 die Definition der Gesetzesbegründung um die Komponenten des Zusammenschlusses auch mit „Psychotherapeuten und -therapeutinnen“ sowie „unter Berücksichtigung der lokalen sozio-demographischen Situation“ erweitert525. Zudem wird auch eine über dies hinausgehende Definition
518
Vgl. § 105 Abs. 1a SGB V. BT-Drs. 18/4095, S. 97. 520 BT-Drs. 17/8005, S. 109. 521 BGBl. I 2015, S. 1211 (1221). 522 Vgl. Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. Vgl. auch: Rixen, GesR 2012, S. 341, der die „vernetzen Praxen“ als einen nicht klar definierten Rechtsbegriff beschreibt. 523 BT-Drs. 17/8005, S. 109. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 118; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. 524 Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 525 Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904. 519
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unter Bezugnahme des § 23d der (Muster-)Berufsordnung526 vorgenommen, die Aspekte der rechtlichen Struktur von vernetzten Praxen aufnimmt – „genossenschaftlich, vereins- oder gesellschaftsrechtlich“ – und aufzeigt, dass ein Praxisnetz auch „die Rolle einer Managementgesellschaft“ übernehmen kann527. Die zahlreichen Definitionsvarianten zeigen, dass die Frage danach, was sich hinter dem Begriff des Praxisnetzes verbirgt, nicht einheitlich beantwortet wird. Ein Grund dafür ist unter anderem, dass letztlich die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihrer eigens aufgestellten Richtlinien entscheidet, ob sie ein Netz an Praxen auch als Praxisnetz im Sinne des § 87b Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V anerkennt. Die Anerkennung eines Praxisnetzes durch die Kassenärztliche Vereinigung agiert auch nach Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes528 vom 16. Juli 2015 als Vorbehalt, unter den der Gesetzgeber die gesonderten Vergütungsregelungen für Praxisnetze stellt529. Zuvor wurde darüber hinaus durch § 87b Abs. 2 S. 2 HS. 2 SGB V a.F. gefordert, dass das Praxisnetz einer Verbesserung der ambulanten Versorgung zu dienen hat. Dabei stellte sich das Problem, näher zu bestimmen, wann ein Praxisnetz der besseren Versorgung diente530. Im Ergebnis ließ sich jedoch nicht abschließend beurteilen, welches Ausmaß die Verbesserung der Versorgung hätte haben müssen, da weder minimale Veränderungen ausreichend gewesen wären531, noch zu hohe Anforderungen hätten gestellt werden dürfen532. Das Erfordernis, dass ein Praxisnetz der Verbesserung der ambulanten Versorgung zu dienen hat, wurde jedoch mit den Änderungen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes ohne weitere Begründung aus dem Gesetz gestrichen533. (3) Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat nach § 87b Abs. 4 S. 1 HS. 2 SGB V für den Vorbehalt der Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze, 526 (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/filead min/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/MBO_02. 07. 2015.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 527 Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 8. 528 BGBl. I 2015, S. 1211 (1221). 529 § 87b Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. 530 Vgl. dazu etwa: BSGE 105, 10 (24 f.); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 118; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 39; Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671. 531 BSGE 105, 10 (25). Vgl. auch: Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671, der das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandelnden nicht automatisch als eine Verbesserung der Versorgung ansieht. 532 BSGE 105, 10 (25). 533 Siehe auch: AOK-Bundesverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 73.
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unter dem die gesonderten Vergütungsregelungen für Praxisnetze stehen534, Kriterien und Qualitätsanforderungen als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. In der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V535 ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung dieser Anordnung nachgekommen. Sie hat vom Regelungsgegenstand536 über Strukturvorgaben537 und Versorgungsziele538 einen Katalog erstellt, den die Kassenärztlichen Vereinigungen in einer Richtlinie zu konkretisieren haben und von dem sie in begründeten Fällen, insbesondere bei regionalen Besonderheiten, abweichen können539. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgearbeiteten Versorgungsziele zu legen, da nach dem Willen des Gesetzgebers die Förderung der vernetzen Praxen insbesondere an ihnen ausgerichtet werden sollen540. Die Rahmenvorgabe unterteilt die Versorgungsziele in drei Gruppen mit den jeweils dazugehörigen Kriterien541. Als erstes Versorgungsziel nennt die Vorgabe die Patientenzentrierung, unter Hinzunahme etwa des Kriteriums542 Patientensicherheit543. Das zweite Ver534
Vgl. § 87b Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 536 § 1 der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904. 537 § 3 der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 538 § 4 der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 905. 539 § 1 Abs. 3 der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904. 540 Vgl. § 87b Abs. 4 S. 1 HS. 2 SGB V: „insbesondere zu Versorgungszielen“. Aber auch die Gesetzesbegründung fordert in BT-Drs. 17/8005, S. 110, vernetzte Praxen „insbesondere ausgerichtet an definierten Versorgungszielen (zum Beispiel Erhöhung der Impf- oder Präventionsquote), finanziell zu fördern“. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 120. 541 § 4 Abs. 1 der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 542 Weitere Kriterien sind die Therapiekoordination und Kontinuität der Versorgung, die Befähigung und Information sowie die Barrierefreiheit, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 b) bis d) der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 543 Die Patientensicherheit wird durch einen Mediationscheck nachgewiesen, der erfordert, dass ein im Netz abgestimmtes, verbindliches Vorgehen für definierte Patientengruppen, etwa im Bereich Polymedikation – d. h. bei paralleler Einnahme mehrerer verschiedener Medikamente –, besteht. Zudem bedarf es eines Nachweises für ein internes Fehlermanagement durch ein Berichtssystem und ggf. Checklisten und Prozessroutinen, vgl. Anlage 1 zur Rahmenvorgabe zur Anerkennung von Praxisnetzen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, S. 2, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Rahmenvorgabe_Anerkennung_Praxisnetze_Ausfertigung.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 535
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sorgungsziel stellt die kooperative Berufsausübung dar, welches beispielsweise dem Kriterium der gemeinsamen Fallbesprechungen544 unterliegt545. Schließlich gibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung als drittes Versorgungsziel die verbesserte Effizienz bzw. die Prozessoptimierung, unter anderem mit dem Kriterium der Beschleunigung von Diagnose und Therapieprozessen im Praxisnetz546, vor547. Die Erfüllung dieser Kriterien kann stufenweise nachgewiesen werden548, wobei auf der ersten Stufe nur lediglich knapp über die Hälfte der Kriterien überhaupt eines Nachweises bedürfen549. Unabhängig von der Erfüllung der aufgestellten Versorgungsziele unter Nachweis der dazugehörigen Kriterien, macht die Kassenärztliche Bundesvereinigung in der Rahmenvorgabe dem jeweiligen Praxisnetz auch Strukturvorgaben550. Diese beinhalten zum einen eine Reihe von Mindestvorgaben, etwa die Mindestanzahl von 20 Praxen, die Teilnahme von drei Fachgruppen und mindestens einem nichtärztlichen Leistungserbringer sowie ein Bestehen seit mindestens
544
Die gemeinsamen Fallbesprechungen sollen durch regelmäßige Fallbesprechungen (z. B. Abstimmung der Therapie, aufgetretene Komplikationen) mittels der Protokolle der durchgeführten Besprechungen nachgewiesen werden, vgl. Anlage 1 zur Rahmenvorgabe zur Anerkennung von Praxisnetzen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, S. 2, abrufbar unter: http://www. kbv.de/media/sp/Rahmenvorgabe_Anerkennung_Praxisnetze_Ausfertigung.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 545 Weitere Kriterien sind ein netzzentrierter Qualitätszirkel, die sichere elektronische Kommunikation, gemeinsame Dokumentationsstandards, Wissens- und Informationsmanagement und die Kooperation mit anderen Leistungserbringern, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) bis f) der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 546 Das Kriterium der Beschleunigung von Therapie- und Diagnoseprozessen im Netz soll durch geregelte Behandlungsprozesse nachgewiesen werden. Dies ist zum einen eine verbindliche interne Regelung zur interdisziplinären bzw. interprofessionellen Zusammenarbeit für ausgewählte Versorgungsbereiche. Zum anderen gilt es Arzneimittel-Verordnungsgrundsätze mittels eines Netzkonsenses (Musterverfahren) zur Arzneimittelverordnung und zur Arzneimitteltherapiesicherheit nachzuweisen, vgl. Anlage 1 zur Rahmenvorgabe zur Anerkennung von Praxisnetzen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, S. 3, abrufbar unter: http://www.kbv.de/ media/sp/Rahmenvorgabe_Anerkennung_Praxisnetze_Ausfertigung.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 547 Weitere Kriterien sind die Darlegungsfähigkeit auf Praxis- wie auf Praxisnetzebene, die Nutzung oder Einbeziehung der Patientenperspektive, Wirtschaftlichkeitsverbesserungen und die Nutzung von Qualitätsmanagement, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 a), b), d) und e) der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904 f. 548 Die Nachweise zur Basisstufe sind verbindlich. Die Nachweise auf den übrigen Stufen sind aber nur beispielhaft, vgl. Anlage 1 zur Rahmenvorgabe zur Anerkennung von Praxisnetzen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, S. 1, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Rahmen vorgabe_Anerkennung_Praxisnetze_Ausfertigung.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 549 Vgl. Anlage 1 zur Rahmenvorgabe zur Anerkennung von Praxisnetzen gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, S. 2 f., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Rahmenvorgabe_Anerken nung_Praxisnetze_Ausfertigung.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 550 Vgl. dazu auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 9.
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drei Jahren, zum anderen werden Vorgaben zur Rechtsform, zu gemeinsamen Standards und Managementstrukturen gemacht551. Unter den Voraussetzung allein dieser Rahmenvorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, stehen der tatsächlichen Förderung eines Praxisnetzes hohe Hürden entgegen. Diese Annahme beruht nicht zwingend auf der Betrachtung jedes einzelnen Versorgungsziels oder jeder einzelnen Strukturvorgabe – zumal auch nicht alle Kriterien der Versorgungsziele nachgewiesen werden müssen –, vielmehr bildet die hohe Anzahl der Voraussetzungen, die schon auf Stufe der Rahmenvorgabe kumulativ vorliegen müssen, eine hohe Schwelle zur Anerkennung eines Praxisnetzes552. Möglicherweise ist dies aber dadurch gerechtfertigt, dass für die zusätzliche Honorierung der vernetzten Praxen von den Krankenkassen keine zusätzliche Vergütung geleistet, sondern lediglich aus der bestehenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungsmasse ein Teil des Honorarvolumens als „gesonderter Topf“ abgeteilt wird553. Im Januar 2015 lag die Zahl der bundesweit anerkannten Praxisnetze bei 16, es würden allerdings – so wurde vertreten – rund 40 bis 50 Praxisnetze die Voraussetzungen zur Anerkennung erfüllen554. Die geringe tatsächliche Anerkennung lag unter anderem daran, dass im Januar 2015 neun Kassenärztliche Vereinigungen die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung noch nicht umgesetzt hatten555. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 wurde ein neuer Satz 4 in § 87b Abs. 4 SGB V eingeführt, nach welchem die Kassenärztlichen Vereinigungen bis spätestens 23. Oktober 2015, Richtlinien für die Anerkennung von Praxisnetzen zu beschließen hatten556. Im Januar 2016 waren nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bereits 31 Praxisnetze bei sechs verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt557. Somit hat sich durch die Einführung der verpflichtenden Förderung die Anzahl der Praxisnetze innerhalb eines Jahres bereits nahezu verdoppelt. 551 § 3 Abs. 1 der Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen nach § 87b Abs. 4 SGB V, DÄ 2013, S. A 904. 552 Vgl. dazu: Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 671, die bereits vor dem Inkrafttreten der Rahmenvorgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung angemerkt haben, dass die Frage, ob der Zugang zu honorarpolitisch begünstigten Praxisnetzen hoch- oder niedrigschwellig anzusetzen sei, vor dem Hintergrund zu beurteilen sei, dass die Förderung nicht gesondert von den Krankenkassen unterstützt werde. 553 § 87b Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V. Vgl. auch: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 32; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 146; Rieser, DÄ 2015, S. A 321; Rixen, GesR 2012, S. 341. 554 Rieser, DÄ 2015, S. A 320. 555 Rieser, DÄ 2015, S. A 320. 556 BGBl. I 2015, S. 1211 (1221). 557 Die anerkannten Praxisnetze sind auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abrufbar unter: http://www.kbv.de/html/18491.php (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Im Januar 2016 gab es bei der KV Baden-Württemberg ein Praxisnetz, bei der KV Bayern vier, bei der KV Berlin ein Praxisnetz, ebenso wie bei der KV Sachsen, bei der KV Schleswig-Holstein gab es neun und bei der KV Westfalen-Lippe 15 Praxisnetze.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Neben den Vorgaben für die Förderung vernetzter Praxen, als eine besondere Form der kooperativen Behandlung, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung nach § 87b Abs. 4 S. 2 SGB V im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen Vorgaben, insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 3, zu bestimmen. In Teil D der Vorgaben zur Honorarverteilung gibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor, dass zur Förderung der gemeinsamen vertragsärztlichen Versorgung in dafür vorgesehenen Versorgungsformen das zu erwartende praxisbezogene Honorar, differenziert nach den Kriterien standortübergreifende kooperative Behandlung, fach- und schwerpunktgleiche oder -übergreifende Versorgung und Kooperationsgrad der Einrichtung, erhöht werden kann558. Abhängig von der Anzahl der erfüllten Kriterien, kann eine Honoraranpassung von 10 % bis zu 40 % vorgenommen werden559. Dabei steht es der Kassenärztlichen Vereinigung frei, von den Vorschlägen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abzuweichen560. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hat beispielsweise die vorgegebenen Kriterien aufgegriffen und bestimmt, dass Kooperationen mit derselben Fachgruppe bzw. mit demselben Schwerpunkt eine Erhöhung um 10 %, Kooperationen mit unterschiedlichen Fachgruppen oder Schwerpunkten ein mindestens 10 % bis maximal 20 % höheres Honorarkontingent erhalten sowie Teilnehmer einer standortübergreifenden Praxis nur an demjenigen Standort in Höhe von 10 % gefördert werden, an dem sie mit anderen Teilnehmern niedergelassen sind561. dd) Vergütung psychotherapeutischer Leistungen Als weitere, den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unterliegende Regelung zur Verteilung der Vergütung gibt der Gesetzgeber in § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V vor, dass im Honorarverteilungsmaßstab Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinderund Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen sind, die eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit ge-
558
Teil D 2. a. bis c. der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vor gaben_2015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 559 Teil D 2. a. bis c. der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vor gaben_2015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 560 Teil D 3. der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 13, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2 015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 561 Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, Honorarsystematik 1. Quartal 2016, Stand: Dezember 2015, S. 8.
II. Honorarverteilungsmaßstab
121
währleisten. Anknüpfend an § 87b Abs. 2 S. 6 SGB V a.F.562 und § 85 Abs. 4 S. 4 SGB Va.F.563 ist Ziel der Regelung, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der im Gesetz aufgelisteten psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringer zu sichern564. Die gesetzgeberische Vorgabe, eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten, korrespondiert mit der dahingehend wortlautidentischen, auf Ebene der Leistungsbewertung für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab angesiedelten Regelung565. Hintergrund und Bezugspunkt dieser Vorgabe ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen zwingend zeitgebunden ist und daher die Anzahl der Leistungen nicht beliebig ausgedehnt werden kann. Mithin unterliegen die zeitgebundenen und vorab von den Krankenkassen zu genehmigenden psychotherapeutischen Leistungen bereits einer Form der Mengensteuerung566. Der vom Bundessozialgericht zu § 85 Abs. 4 S. 4 SGB Va.F. entwickelte Begriff der Angemessenheit gilt nicht nur für die im Wortlaut identische Bewertungsvorgabe für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab nach § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V, sondern auch im Rahmen der Honorarverteilung567. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen dann angemessen, „wenn der erreichbare Honorarüberschuss dem durchschnittlichen Überschuss einer vergleichbaren Arztgruppe ungefähr entspricht“568. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die angemessene Vergütung je Zeiteinheit im Wege des Konzepts einer zeitlich definierten Obergrenze erreicht werden569. In diesem Sinne sah die Vorgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V vom 15. Dezember 2011 in Teil C Punkt 2.2.1570 vor, dass etwa 562 § 87b Abs. 2 S. 6 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (400). Danach waren antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen psychotherapeutisch tätiger Leistungserbringer außerhalb der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina zu vergüten. Vgl. auch: BT-Drs. 17/6906, S. 65; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 126; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 44. 563 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I. 2. b) dd), S. 90 ff. 564 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 565 § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V. 566 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPKSGB V, § 87b SGB V Rn. 99; Motz in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 44. 567 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 129. 568 BSGE 92, 82 (89). Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I. 2. b) dd), S. 90 ff. und nachfolgend im Abschnitt E. II., S. 235 ff. 569 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPKSGB V, § 87b SGB V Rn. 99. 570 Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V vom 15. Dezember 2011, S. 6, abrufbar unter: http://www.kvbb.de/fileadmin/kvbb/dam/Praxis/Hono rar/relevante_KBV_Vorgaben_Honorarverteilung_2012_Stand_2011_12_15.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
für antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen der Psychotherapie eine Kapazitätsgrenze je Arzt von 27.090 Minuten pro Abrechnungsquartal festzulegen ist. Bei einer Arbeitswoche mit 51 Wochenarbeitsstunden571 und einem Abrechnungsquartal mit ca. 13 Wochen, würden psychotherapeutische Leistungen knapp neun Wochen lang mit vollem Punktwert der regionalen Gebührenordnung vergütet; in den letzten vier Wochen des Quartals dürften jedoch Abstaffelungen der Punktwerte vorgenommen werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in Teil C ihrer derzeitigen Vorgabe vom 1. Juni 2015 jedoch keine Regelung mehr zu einer zeitgebundenen Obergrenze festgesetzt572. Vielmehr bestimmt sie nun, die Vergütung der Leistungen der antrags- und genehmigungspflichtigen Psychotherapie sowie der probatorischen Sitzungen – wie der Bewertungsausschuss empfiehlt573 – außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vergüten; damit sei die Forderung der angemessenen Vergütung gemäß § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V umgesetzt574. Mithin werden nun die psychotherapeutischen Leistungen als Einzelleistungen575 und somit generell ohne Kapazitätsgrenze vergütet. Das entspricht zwar nicht dem vom Gesetzgeber angedachten Konzept einer zeitlich definierten Obergrenze, es entspricht aber umso mehr der im Gesetzestext selbst angelegten Vorgabe, eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten576, da durch die neue Vorgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nicht nur zwei Drittel des Abrechnungsquartals, d. h. ca. neun Wochen, sondern über den gesamten Abrechnungszeitraum hinweg die psychotherapeutischen Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet werden. Dies führt mittelbar auch zu einer geringeren Belastung des fachärztlichen Gesamtvergütungsanteils577. Schließlich bedeutete die zeitliche Kapazitätsregelung zwar eine Bevorzugung der psychotherapeutisch tätigen Fachärzte, aber auch gleichzeitig eine Benachteiligung aller anderen Fachärzte, da die psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte aus dem Facharzt-Topf vergütet wurden und so mittelbar das Gesamtvergütungsvolumen aller Fachärzte von dieser Regel betroffen war. Folglich geht die neue Regelung durch die Herausnahme der psychotherapeutisch
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Vgl. zur Ermittlung der Wochenarbeitsstunden bereits in diesem Abschnitt I. 2. a) bb) (2), S. 68 ff. 572 Teil C der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 11, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2 015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 573 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. A 2328. Der ausführliche Beschlusstext ist abrufbar unter: https://www.institut-des-bewertungsausschusses.de/ba/ba beschluesse/2012 - 10 - 22_ba288.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 574 Teil C der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, Stand: Juni 2015, S. 11, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/KBV_Vorgaben_2 015_10_01_LF.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 575 Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, Honorarsystematik 1. Quartal 2016, Stand: Dezember 2015, S. 5 f. 576 § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V. 577 So auch: Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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tätigen Vertragsärzte aus dem Facharzt-Topf nicht mehr ausschließlich zulasten der Fachärzte, sondern nun auch zulasten der Hausärzte578. b) Verteilungsvorgaben unmittelbar für die Kassenärztliche Vereinigung aa) Ausnahme für unterversorgte Gebiete In den Katalog seiner Vorgaben zur Honorarverteilung hat der Gesetzgeber in § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V eine Regelung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten aufgenommen. Danach dürfen im Honorarverteilungsmaßstab keine Regelungen zur Minderung oder Begrenzung der Fallzahlen für die Behandlung von Patienten durch die Arztgruppen enthalten sein, für die eine (drohende) Unterversorgung oder ein zusätzlicher Versorgungsbedarf festgestellt worden ist. Ziel dieser Vorgabe ist es, den festgestellten Versorgungsengpässen gezielt entgegenzuwirken und dafür die Instrumente zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im Wege der Steuerung des Niederlassungsverhaltens von Vertragsärzten über Vergütungsanreize weiterzuentwickeln und auf regionaler Ebene zu flexibilisieren579. (1) Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Voraussetzung für eine Ausnahme zugunsten der Vertragsärzte der betroffenen Gruppe ist entweder ein Beschluss des jeweiligen Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, bei dem festgestellt wird, dass in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit droht580 oder aber die Feststellung des Landesausschusses, dass in einem nicht unterversorgten Planungsbereich ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf besteht581. Das bedeutet allerdings nicht, dass zwingend jeder Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung auch unterversorgte Gebiete aufweist582. Im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg ist beispielsweise derzeit kein Gebiet vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als (drohend) unter578 Siehe dazu auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 17 f. 579 BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 130; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 21. 580 § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V. 581 § 100 Abs. 3 SGB V. 582 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 135; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, Gutachten 2014, Stand: Juni 2014, Rn. 448 ff.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
versorgt oder mit zusätzlichem Versorgungsbedarf festgestellt worden583. Hingegen hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern, mit Beschluss vom 8. Oktober 2014, für die Fachgruppe der Hausärzte584 in absehbarer Zeit eine drohende Unterversorgung für 11 Gebiete festgestellt, bei denen – etwa im Gebiet „Rostock Umland“ – 17,5 Hausarztstellen unbesetzt sind585. Bei Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses bzw. einer Feststellung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, „dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden“586. Teilweise wird angenommen, bereits aus dem Wortlaut ergebe sich ein Anwendungsverbot kraft Gesetzes587. Unabhängig davon, dass in der Gesetzesbegründung eine zusätzliche Festlegung im jeweiligen Honorarverteilungsmaßstab ausdrücklich vorgesehen ist588, weist auch schon der Gesetzeswortlaut nicht auf ein Anwendungsverbot kraft Gesetzes hin. Schließlich spricht § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V von „dürfen […] nicht […] angewendet werden“589, nicht etwa von „werden nicht angewendet“. Ob sich nun bereits aus dem Wortlaut selbst oder aber erst aus der den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringenden Gesetzesbegründung das Erfordernis einer zusätzlichen Festlegung eines Anwendungsverbots im jeweiligen Honorarverteilungsmaßstab ergibt, ändert nichts an dem Umstand, dass es sich bei dieser Regelung um eine zwingende Vorgabe des Ge-
583 Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für Baden-Württemberg hat in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2015 lediglich eine Überversorgung in bestimmten Gebieten festgestellt, abrufbar unter: https://www.kvbawue.de/praxis/vertraege-recht/bekanntma chungen/landesausschuss/ (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Vgl. auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, Gutachten 2014, Stand: Juni 2014, Rn. 446. 584 Die Fachgruppe der Hausärzte umfassen nach § 11 Bedarfsplanungs-Richtlinie vom 20. Dezember 2012, vgl. BAnz AT 31.12.2012 B7, zuletzt geändert am 20. August 2015, vgl. BAnz AT 16.12.2015 B3, Fachärzte für Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte sowie Ärzte ohne Gebietsbezeichnung, sofern keine Teilnahmegenehmigung nach § 73 Abs. 1a S. 5 SGB V vorliegt, Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung und ohne weiteres Fachgebiet, welche die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a S. 1 Nr. 3 SGB V gewählt haben, und Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin, sofern sie nach dem maßgeblichen Weiterbildungsrecht eine entsprechende Bezeichnung erworben haben. 585 Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen für MecklenburgVorpommern vom 8. Dezember 2015, abrufbar unter: http://www.kvmv.info/aerzte/25/10/Be darfsplanung_und_freien_Praxen/Beschluesse_des_Landesausschusses_der_Aerzte_und_Kran kenkassen.html (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 586 § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V. 587 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672. 588 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 589 Siehe dazu auch: Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672, die allerdings den Gesetzwortlaut mit „nicht angewendet […] werden“ zitieren.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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setzgebers handelt590. Sah § 85 Abs. 4 S. 11 SGB V a.F.591 noch fakultativ vor, eine unterschiedliche Verteilung entsprechend der Versorgungsgrade im Honorarverteilungsmaßstab vornehmen zu können und waren die Werte für Regelleistungsvolumina nach § 87b Abs. 3 S. 1 HS. 1 SGB V a.F.592 lediglich nach Versorgungsgraden auszurichten, gibt der Gesetzgeber in § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V n.F. nun sowohl die entsprechende Maßnahme als auch den Umfang zum gezielten Entgegenwirken der festgestellten Versorgungsengpässe vor. (2) Nichtanwendung von Fallzahlbegrenzungen oder -minderungen Als Maßnahme in anerkannt (drohend) unterversorgten Gebieten oder in Gebieten mit zusätzlichem lokalen Versorgungsbedarf statuiert der Gesetzgeber die Nichtanwendung von Fallzahlbegrenzungen oder -minderungen für die Ärzte der betroffenen Arztgruppen593. Der Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern sieht dies beispielsweise in § 6 Nr. 6 vor594, sodass etwa Vertragsärzte aus dem obigen Beispiel im Gebiet Rostock Umland, da für diese Region eine drohende Unterversorgung festgestellt wurde595, keiner Fallzahlzuwachsbegrenzung unterliegen. Anknüpfungspunkt bei Fallzahlregelungen ist nicht etwa die Menge der einzelnen am Patienten erbrachten Leistungen, sondern der sog. Behandlungsfall596. Ein Behandlungsfall stellt nach § 21 Abs. 1 S. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte die gesamte von demselben Vertragsarzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Versicherten ambulant zulasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung dar. Allerdings intendiert der Gesetzgeber nicht die Privilegierung jedes Behandlungsfalles der betroffenen Arztgruppe597, denn er schränkt die Ausnahme auf die Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereichs ein598. Damit erstreckt sich die Regelung dem Umfang nach ausschließlich auf Versicherte mit Wohnsitz in dem betroffenen Planungsbe590
Motz in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 37. § 85 Abs. 4 S. 11 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (394). 592 § 87b Abs. 3 S. 1 HS. 1 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (400). 593 § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V. Siehe auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 37, der trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts über den Wortlaut hinausgehend „jegliche Form der an sich zulässigen Honorarbegrenzungsregelungen“ für ausgeschlossen hält. 594 Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern vom 22. November 2014, S. 13, abrufbar unter: http://www.kvmv.info/aerzte/15/20/10/ HVM2015_05122014.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 595 Vgl. bereits Nachweis in diesem Abschnitt, Fn. 585. 596 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 141. 597 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672. 598 § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V. 591
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
reich599. Ziel dieser Einschränkung ist nach der Gesetzesbegründung der Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten, die beispielsweise durch die Verlagerung der Leistungserbringung in eine Zweigpraxis in einem unterversorgten Gebiet entstehen, wenn etwa Leistungen ohne das Erfordernis eines persönlichen Arzt-PatientenKontakts abgerechnet werden600. Die Anknüpfung an den Wohnsitz der zu behandelnden Patienten im unterversorgten Gebiet gerät teilweise in die Kritik, wenn es sich um Urlaubsregionen handelt, die in der Feriensaison noch drastischer unterversorgt sind als ohnehin601. Der dann vorliegenden Verschärfung der Versorgungssituation könne entgegengewirkt werden, indem auch die einpendelnden Urlauber unter die „Patienten des betreffenden Planungsbereiches“ subsumiert würden602. Die Ausweitung, über die Patienten mit Wohnsitz im unterversorgten Gebiet hinaus, auch auf einpendelnde Urlauber, ist – unabhängig davon, dass diesem Umstand eventuell nach § 87b Abs. 3 S. 2 SGB V abgeholfen werden könnte603 – jedoch kaum umsetzbar. Schließlich läge dann eine Ausdehnung des Wortlautes vor, die klar dem widerspricht, was der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung geäußert hat. Überdies kann zwar von den entsprechenden Patienten ein Nachweis als „Urlauber“ erbracht, vom Leistungserbringer wohl aber nicht gefordert werden. Zudem herrscht Uneinigkeit darüber, ob nicht nur der zu behandelnde Patient, sondern auch der Vertragsarzt seinen Sitz im betreffenden Gebiet haben muss. Aus dem Gesetz selbst lässt sich nur entnehmen, dass lediglich „Ärzte der betroffenen Arztgruppe“ eine Ausnahme erhalten604. Die betroffene Arztgruppe ist diejenige, auf welche die Feststellung der (drohenden) Unterversorgung bzw. des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs Bezug nimmt605 ; im obigen Beispiel wären es daher die Hausärzte im Gebiet Rostock Umland. Dies lässt sich ausdrücklich auch der Gesetzesbegründung entnehmen, nach welcher sich die gesetzliche Regelung auf „die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte“606 erstreckt. Teilweise wird hingegen angenommen, dass der Ort des Vertragsarztsitzes unerheblich sei, schließlich solle es einen Anreiz geben, Patienten aus unterversorgten Gebieten zusätzlich zu behandeln607. Dagegen spricht aber nicht nur die ausdrückliche Formulierung in der Gesetzesbegründung, sondern auch das gesetzgeberische Ziel eines Ausbaus der Steuerungs-
599
BT-Drs. 17/6906, S. 65. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 139. 600 BT-Drs. 17/6906, S. 65 f. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 140. 601 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 139, der diese Konstellation zwar erkennt, aber als eher selten vermutet. 602 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672. 603 Vgl. dazu ausführlich in diesem Abschnitt II. 2. b) bb), S. 127 ff. 604 § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V. 605 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 137. 606 BT-Drs. 17/6906, S. 65. 607 Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 6.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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instrumente in Bezug auf das Niederlassungsverhalten von Vertragsärzten608, also die Förderung der Niederlassung in unterversorgten Gebieten. Somit ist ein Vergütungsanreiz nur denjenigen Vertragsärzten gewährt, die mit Sitz vor Ort der Unterversorgung entgegenwirken. bb) Härteklausel Neben der deutlichen und allgemeinen Vorgabe des Gesetzgebers bei entsprechender Voraussetzung nach Satz 1, jegliche Fallzahlbegrenzungen oder -minderungen nicht anzuwenden, ordnet er in Satz 2 des § 87b Abs. 3 SGB V darüber hinausgehend an, dass der Honorarverteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen hat, nach der die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Ziel dieser Regelung ist, wie es der Gesetzeswortlaut bereits erwähnt, eine Einzelfallregelung durch eine im Honorarverteilungsmaßstab niedergeschriebene sog. Härteklausel zu ermöglichen, damit die medizinische Versorgung umfassend sichergestellt wird609. Der Gesetzgeber begründet durch diese Vorgabe eine Prüfungspflicht der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung610. Eine darüber hinausgehende Handlungspflicht der Kassenärztlichen Vereinigung wird zum Teil dann angenommen, wenn festgestellt wird, dass die bloße Herausnahme bestimmter Arztgruppen von Mengensteuerungsbegrenzungen zur Erhöhung der Attraktivität einer Niederlassung im unterversorgten Gebiet nicht ausreicht611. Eine Handlungspflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen und ein etwaiger sich daraus ergebender einklagbarer Anspruch eines Vertragsarztes muss jedoch schon aus dem Grund abgelehnt werden612, dass sich eine Handlungspflicht weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung ergibt. Zudem enthalten Honorarverteilungsmaßstäbe bereits regelmäßig die ausdrücklich verankerte Anordnung, dass die Kassenärztliche Vereinigung ermächtigt ist, gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen613. Als weitere Maßnahmen im Sinne des § 87b Abs. 3 S. 2 SGB V können beispielsweise eine
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Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 579. Vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 65 f. Siehe auch: Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 21. 610 BT-Drs. 17/6906, S. 66; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 144; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 21. 611 Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 37. 612 So auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 144. 613 Vgl. etwa: § 14 Abs. 4 des Honorarverteilungsmaßstabes der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 2. Dezember 2015, S. 17, abrufbar unter: http://www.kvba wue.de/praxis/vertraege-recht/ (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); § 6 Nr. 6 des Honorarverteilungsmaßstabes der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern vom 22. November 2014, S. 13, abrufbar unter: http://www.kvmv.info/aerzte/15/20/10/HVM2015_ 05122014.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 609
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Befreiung von Abstaffelungen für bestimmte Leistungen614, darüber hinausgehend eine Befreiung von jeglicher Mengenbegrenzung615 oder aber – wie zum Teil schon im Rahmen des Satzes 1 des § 87b Abs. 3 SGB V gefordert616 – eine Erweiterung des Umfangs von der Behandlung der lediglich mit Wohnsitz im betreffenden unterversorgten Gebiet hin zur Behandlung auch von einpendelnden Patienten617, angeordnet werden. Letzteres hieße aber aufgrund der aufgezeigten Nachweisschwierigkeiten618, eine gänzliche Aufhebung des vom Gesetzgeber vorgegebenen Adressatenkreises, sodass dem Grunde nach die Behandlung aller Patienten, ohne Nachweis eines Wohnsitzes im unterversorgten Gebiet, keinen Fallzahlbegrenzungen oder Fallzahlminderungen unterlägen. Als weiteres Beispiel für eine zusätzliche Maßnahme wird die Möglichkeit eines Investitionskostenzuschusses genannt619, von der etwa in Mecklenburg-Vorpommern im Fall der Unterversorgung – und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – in Höhe von 50.000 Euro Gebrauch gemacht wurde620. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz621 vom 16. Juli 2015 wurde dem § 87b Abs. 3 SGB V ein neuer Satz 3 angefügt, nach welchem die Kassenärztlichen Vereinigungen einmal jährlich in geeigneter Form, Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabes zu veröffentlichen haben. Ziel der Regelung ist es – unter Bezugnahme der schon durch das GKVVersorgungsstrukturgesetz622 vom 22. Dezember 2011 geförderten Flexibilität der Kassenärztlichen Vereinigungen und der verlässlichen wirtschaftlichen Planbarkeit vertragsärztlichen Honorars –, die Honorarverteilung transparenter zu gestalten623. Dafür sollen die Grundsätze und Versorgungsziele, welche die Kassenärztlichen Vereinigungen durch ihre jeweiligen Honorarverteilungsmaßstäbe verfolgen, transparent gemacht werden624. Dieses Vorgehen schafft so auch eine bessere Grundlage für regelmäßige Feststellungen, inwieweit die Honorarverteilung er614 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 21. Vgl. dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt I. 2. a) dd), S. 77 f. 615 BT-Drs. 17/6906, S. 66. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 143. 616 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt II. 2. b) aa) (2), S. 125 ff. 617 Rompf/Lindemann, GesR 2012, S. 672; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 6. 618 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt II. 2. b) aa) (2), S. 125 ff. 619 Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 6. 620 Abrufbar unter: http://www.kvmv.info/aerzte/27/20/Sicherstellungszuschlaege.htm (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Vgl. dazu auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, Gutachten 2014, Stand: Juni 2014, Rn. 456. 621 BGBl. I 2015, S. 1211 (1221). 622 BGBl. I 2011, S. 2983 ff. 623 BT-Drs. 18/4095, S. 98. 624 BT-Drs. 18/4095, S. 98.
II. Honorarverteilungsmaßstab
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folgreich war625. Kritik erntet die Regelung allerdings dahingehend, als dass sie für zu unbestimmt beschrieben wird626.
3. Zwischenergebnis Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Honorarverteilungsmaßstab im Wesentlichen sechs Ziele. Zunächst ist es das Ziel des Gesetzgebers, die vertragsärztliche Versorgung für die gesetzlich Krankenversicherten sicherzustellen. Als weiteres Ziel gibt der Gesetzgeber vor, eine Regionalisierung und die dadurch zu bewirkende Flexibilisierung der Vergütungsstrukturen mittels Stärkung der Selbstverwaltung erreichen zu wollen und somit die verwaltungsaufwendigen, zeitintensiven und unflexiblen Verfahren zu beseitigen. Darüber hinaus zeigt sich die gesetzgeberische Zielvorgabe, einen Interessenausgleich zu finden zwischen dem ausreichenden finanziellen Anreiz für Vertragsärzte, ambulant tätig zu werden, und der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zugunsten der Versicherten. Im Weiteren verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der verlässlichen Planbarkeit des vertragsärztlichen Honorars. Damit einher geht auch das Ziel, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für psychotherapeutische Leistungen zu sichern. Schließlich bezweckt der Gesetzgeber die Erhöhung von Qualität, Effizienz und Effektivität der vertragsärztlichen Versorgung. Die Ziele des Gesetzgebers werden auf unterschiedliche Weise verfolgt, indem er durch die Intensität seiner Vorgaben den Kassenärztlichen Vereinigungen, die im Wesentlichen zur Festsetzung der Honorarverteilungsmaßstäbe zuständig sind, entweder einen weiten oder aber einen engen Gestaltungsspielraum belässt. Besonders ist dabei die Vielschichtigkeit der vom Gesetzgeber verwandten Gestaltungsbegrenzungen, da er nicht nur den Kassenärztlichen Vereinigungen auf verschiedene Weise Vorgaben macht, sondern auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit unterschiedlicher Intensität Vorgaben zum Erlass weiterer, gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlicher Regelungen bestimmt. Im Rahmen der Vorgaben, die der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen macht, verwendet er sowohl eine Kann-Regelung in Bezug auf die Ausweisung eigener Honorarvolumen für Praxisnetze627, eine Soll-Vorschrift zur Sicherung der Kalkulationssicherheit628, zumeist gebraucht er aber zwingende Anordnungen, beispielsweise bezüglich der Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung629 und zur 625
BT-Drs. 18/4095, S. 98. AOK-Bundesverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 74. 627 § 87b Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V. 628 § 87b Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB V. 629 § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V. 626
130
B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Verhinderung der Tätigkeitsausdehnung630. Bei den Vorgaben, die der Gesetzgeber an die Kassenärztliche Bundesvereinigung zur Erstellung weiterer Vorgaben für die Kassenärztlichen Vereinigungen richtet, verwendet er zwei weitere Instrumente, die zum einen den Umfang und damit die Intensität der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betreffen und zum anderen vorgeben, wie intensiv die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihre Vorgaben mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen abzustimmen hat. In Bezug auf den Umfang differenziert der Gesetzgeber zwischen „Vorgaben“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, etwa zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die haus- und fachärztliche Versorgung631 und lediglich „Rahmenvorgaben“, wie für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze632. Bezüglich der Intensität der Zusammenarbeit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, unterscheidet der Gesetzgeber überdies zwischen Benehmen und dem strengeren Voraussetzungen unterliegenden Einvernehmen.
III. Regionale Euro-Gebührenordnung Auf regionaler Ebene wird die Vergütung nicht nur durch die Festsetzung des Honorarverteilungsmaßstabes, sondern seit einigen Jahren nach § 87a Abs. 2 SGB V auch unter Einfluss einer regionalen Euro-Gebührenordnung verteilt633. Die von vielen Stimmen als wesentliches Element634 der mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007635 begonnenen umfassenden vertragsärztlichen Vergütungsreform636 bezeichnete regionale Euro-Gebührenordnung hat die Aufgabe, eine Gebührenordnung mit festen Euro-Preisen zu erstellen637. Zuvor ergab sich der 630
§ 87b Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V. § 87b Abs. 4 S. 1 HS. 1 SGB V. 632 § 87b Abs. 4 S. 1 HS. 2 SGB V. 633 Vgl. auch: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 103; Freitag, Ärztlicher und zahnärztlicher Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen, S. 47; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 2. 634 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 10; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 4. Als „Kernstück“ bezeichnet sie: Köhler, VSSR 2008, S. 188; eine „zentrale Rolle“ spielt sie nach: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 2. Kritisch hingegen: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 91, die durch die Euro-Gebührenordnung kaum Änderungen sieht; Wesiak, VSSR 2008, S. 197, der die Euro-Gebührenordnung als „Täuschungsmanöver“ beschreibt. 635 BGBl. I 2007, S. 378 (398 ff.). 636 Zum „neuen“ Vergütungsrecht, insbesondere zu seinen Anfängen in den Jahren 2008 und 2009, vgl. Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 93 ff. 637 BT-Drs. 16/3100, S. 119. Vgl. auch: Freitag, Ärztlicher und zahnärztlicher Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen, S. 47 f.; Knieps/Leber, VSSR 2008, S. 179; Köhler, VSSR 2008, S. 188; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2; Sproll, 631
III. Regionale Euro-Gebührenordnung
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Wert eines Punktes in Euro638 erst nach der Abrechnung der vom Vertragsarzt erbrachten Leistungen, da zunächst die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung durch die Gesamtheit der tatsächlich von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen geteilt werden musste, um dann den einzelnen Wert eines Punktes bestimmen zu können639, der sog. floatende Punktwert. Die Abkehr vom Floaten der Punktwerte hin zur Schaffung einer Gebührenordnung mit festen Preisen dient dem Ziel, das Honorar für den einzelnen Vertragsarzt kalkulierbarer zu machen640. Darüber hinaus sollen im Bundesvergleich regionale Preisunterschiede abgebaut werden, die keiner sachlichen Rechtfertigung zugänglich sind641 und somit gleiche Leistungen, unabhängig davon, wo die Leistung im Bundesgebiet erbracht wird, auch gleich vergütet werden642. Zudem soll das Verfahren der Vergütungsvereinbarungen erheblich vereinfacht werden und an Transparenz und Einheitlichkeit gewinnen643. Durch die Weiterentwicklung der regionalen Euro-Gebührenordnung im Rahmen des GKVVersorgungsstrukturgesetzes644 vom 22. Dezember 2011, hat sich dessen genereller Charakter als Gebührenordnung mit festen Preisen grundsätzlich nicht verändert. Es wurden jedoch Änderungen mit dem Ziel der weiteren Vereinfachung des Vergütungssystems und der Stärkung der regionalen Kompetenzen, d. h. der Vereinbarungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen vorgenommen645. Darüber hinaus bleibt auch nach dem Erlass des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes646 vom 16. Juli 2015 die regionale Euro-Gebührenordnung in gleicher Weise wie zuvor bestehen. Änderungen hat der Gesetzgeber lediglich dahingehend vorgenommen, dass durch die Einführung eines Absatzes 4a in § 87a SGB V im Jahre 2016 einmalig mögliche bestehende unbegründete Unterschiede in den morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigun-
in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 4; Steinhilper, MedR 2009, S. 464; Volkmer, KH 2009, S. 21. Siehe auch: Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 22 Rn. 1, der dem Wunsch der Vertragsärzte nach einer Honorierung in „echtem Geld“ einen „gewissen Fetischcharakter“ beimisst. 638 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I. 1. b), S. 57 ff. 639 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 3. 640 BT-Drs. 16/3100, S. 123. Vgl. auch: Knieps/Leber, VSSR 2008, S. 182; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 3. 641 BT-Drs. 16/3100, S. 119. Vgl. auch: Knieps/Leber, VSSR 2008, S. 180; Köhler, VSSR 2008, S. 191, der die Gefahr einer doppelten Betroffenheit der Kassenärztlichen Vereinigungen Bayern und Baden-Württemberg durch die kumulierten Effekte des Gesundheitsfonds und der regionalen Angleichung des Vergütungsniveaus sieht. 642 Knieps/Leber, VSSR 2008, S. 180. 643 BT-Drs. 16/3100, S. 119. 644 BGBl. I 2011, S. 2983 (2989 ff.). 645 BT-Drs. 17/6906, S. 61. 646 BGBl. I 2015, 1211 (1220 f.).
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
gen festgestellt und mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 abgebaut werden sollen647. Dafür soll, wenn der Aufsatzwert648 im Jahre 2014 zu niedrig gewesen ist, eine einmalige basiswirksame Erhöhung für das Jahr 2016 vorgenommen werden649. Der Aufsatzwert war dann zu niedrig, wenn die durchschnittliche, an alle Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten unbegründet unterschritten wurde650. Die so erlangten zusätzlichen Mittel sind zur Verbesserung der Versorgungsstruktur einzusetzen651. Der Bundesrat hat diese Regelung in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf652 vom 6. Februar 2015 dahingehend kritisiert653, dass eine möglichst zeitnahe Umsetzung ermöglicht werden solle und eine weitere Verzögerung bis zum Jahre 2017 nicht hinnehmbar sei654. Daher hat er eine Erhöhung bereits ab dem 1. Januar 2016 gefordert, wenn im Jahre 2013 der Aufsatzwert zu niedrig gewesen wäre. Überdies sollte nach Ansicht des Bundesrates eine mögliche Unterschreitung der jeweiligen Gesamtvergütungen insbesondere mit dem Merkmal der Morbidität gewichtet werden, da so erreicht werden könne, dass bestehende, länderbezogene Honorarunterschiede sachgerecht in der Regelung zur Anpassung der vertragsärztlichen Vergütung Berücksichtigung fänden655. Schließlich sollte eine Nachweispflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen und eine Begrenzung der Erhöhung auf den Bundesdurchschnitt nicht eingeführt sowie die Vorgabe, die Mittel zur Versorgungsverbesserung einzusetzen, nur als Kann-Regelung ausgeformt werden656. Die Bun647 § 87a Abs. 4a S. 1 SGB V. Vgl. auch: BT-Drs. 18/4095, S. 96 f. Damit greift der Gesetzgeber insbesondere das BSG-Urteil vom 13. August 2014 auf, in dem entschieden wurde, dass es für die Neubestimmung der Vergütung ohne Anknüpfung an die Vorjahresbasis (Prinzip der Vorjahresanknüpfung) keine gesetzliche Grundlage gibt, vgl. BSGE 116, 280 ff., und daher ein gesetzlicher Verhandlungsspielraum zur Anpassung des Aufsatzwertes geschaffen werden sollte. Siehe dazu auch: Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2016, S. 11. Zu den Vergütungsunterschieden in einzelnen Regionen, vgl. auch: Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 21. 648 Der Aufsatzwert ist der für die Anpassung des Behandlungsbedarfs für eine Krankenkasse maßgebliche Ausgangswert, aufgrund dessen die Höhe der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung berechnet wird, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 96. 649 § 87a Abs. 4a S. 1 SGB V. 650 § 87a Abs. 4a S. 4 SGB V. 651 § 87a Abs. 4a S. 10 SGB V. 652 BR-Drs. 641/14 (Beschluss). 653 Siehe etwa auch: Kritik im Hinblick auf zu hohe Mehrausgaben ohne realistische Verbesserung der Versorgung der Versicherten: AOK-Bundesverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 71 f.; Kritik im Hinblick auf die Berechnung des Aufsatzwertes: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 29 ff. 654 BR-Drs. 641/14 (Beschluss), S. 46 f. Vgl. auch: BR-Drs. 641/7/14, S. 1 f. 655 BR-Drs. 641/14 (Beschluss), S. 46 f. Vgl. auch: BR-Drs. 641/2/14, S. 1 f. 656 BR-Drs. 641/14 (Beschluss), S. 46 f.
III. Regionale Euro-Gebührenordnung
133
desregierung lehnte jedoch in ihrer Gegenäußerung657 die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesrates aus Gründen der fehlenden Sachgerechtigkeit und der Erwartung erheblicher Mehrausgaben ab658, sodass die Kritik des Bundesrates im aktuellen Gesetzestext keine Beachtung gefunden hat.
1. Regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen Die Zusammensetzung bzw. die Errechnung der für jede Kassenärztliche Vereinigung unterschiedlichen regionalen Euro-Gebührenordnung lässt sich im Wesentlichen in drei Komponenten unterteilen659. Zwei dieser Komponenten zur Erstellung der regionalen Euro-Gebührenordnung sind auf Bundesebene angesiedelt und bilden daher die für alle regionalen Euro-Gebührenordnungen bundeseinheitlichen Rahmenvorgaben660. Zum einen ist dies die durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab vorgenommene Bewertungsrelation661, durch die der Bewertungsausschuss vorgibt, welche Punktzahl jeder vertragsärztlichen Leistung zugeteilt ist662. Zum anderen ist auf Bundesebene der vom Bewertungsausschuss festzusetzende Orientierungswert die zweite Komponente zur Erstellung der regionalen EuroGebührenordnung663. Der Orientierungswert legt den bundeseinheitlichen Wert eines jeden Punktes als Cent-Betrag fest, auf Grundlage dessen jede Kassenärztliche Vereinigung ihren regionalen Punktwert vereinbart664. Beispielsweise ist der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger665 mit der Gebührenordnungsposition 01950 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab eine Punktanzahl von 39 Punkten je Behandlungstag zugeteilt666, bei der jeder Punkt nach dem derzeitigen Orientierungspunktwert 10,4361 Cent667 wert ist. Damit ergäbe sich bereits allein auf der 657 Anlage 4 zum Gesetzesentwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes, vgl. BTDrs. 18/4095, S. 205 ff. 658 BT-Drs. 18/4095, S. 211 f. 659 Vgl. § 87a Abs. 2 S. 5 i.V.m. S. 1, 2 und 3 SGB V. 660 BT-Drs. 16/3100, S. 126. 661 Volkmer, KH 2009, S. 21. 662 Vgl. dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt I. 1., S. 51 ff. Siehe auch: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 95. 663 Vgl. auch: Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 22 Rn. 1 ff. 664 § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 14 f.; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 5. 665 Ausführlich dazu, vgl. Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger in der Fassung vom 19. Februar 2010, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/RL-Substitution_19-Februar-201 0.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 666 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 85, abrufbar unter: http:// www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 667 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2015, S. A 1686.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Grundlage der bundeseinheitlichen Komponenten ein Leistungswert der Gebührenordnungsposition 01950 von 4,07 Euro668. Diese im Wege der zwei bundeseinheitlichen Komponenten zu errechnenden Euro-Beträge einer jeden im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistung, ergibt rechnerisch bereits eine bundeseinheitliche Euro-Gebührenordnung669. Um jedoch zur Erstellung der unterschiedlichen regionalen Euro-Gebührenordnungen zu gelangen, bedarf es einer weiteren für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung individuell bestimmbaren Komponente670. Diese Komponente stellt die auf Grundlage des Orientierungswertes vorgenommene, kassenartenübergreifende671 Vereinbarung eines regionalen Punktwertes dar, welcher durch Zu- oder Abschläge672 vom bundeseinheitlichen Orientierungswert abweichen kann, aber nicht muss673. Durch die Multiplikation der für alle Leistungen gleichbleibenden bundeseinheitlichen Punktzahlen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab mit den nun regionalen Punktwerten ergibt sich im Ganzen eine mit festen Euro Preisen ausgewiesene regionale Euro-Gebührenordnung674, die als Normsetzungsvertrag675 insbesondere gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt Rechtswirkung erzeugt676. Im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg wurde für das erste Quartal 2016 etwa der Punktwert für die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger mit der Gebührenordnungsposition 01950 auf 12,1331 Cent angehoben677, womit bei einer Punktanzahl von 39 Punkten ein fester Preis von 4,73 Euro678 668 39 Punkte x 0,104361 Euro = 4,07 Euro. Vgl. Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 85, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._ Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 669 BT-Drs. 16/3100, S. 128. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 300; Plagemann, in: Luxenburger, FS 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 408. Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt B., S. 49 ff., I. 1. b) bb), S. 59 ff., und II. 2. a) bb) (2), S. 106 ff. 670 Vgl. § 87a Abs. 2 SGB V. 671 BT-Drs. 16/3100, S. 119, 128. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 10 ff.; Plagemann, in: Luxenburger, FS 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 408; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 4; Volkmer, KH 2009, S. 21. Ziel der gemeinsamen und einheitlichen Vereinbarung auf Kassenseite ist die Gleichbehandlung der Krankenkassen bei der Finanzierung der vertragsärztlichen Vergütung, vgl. Knieps/Leber, VSSR 2008, S. 180. 672 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 16; Volkmer, KH 2009, S. 22. 673 Vgl. den Wortlaut der Sätze 2 und 3 des § 87a Abs. 2 SGB V, die als Kann-Regelungen ausgeformt sind. Siehe auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 300. 674 § 87a Abs. 2 S. 5 SGB V; BT-Drs. 16/3100, S. 120. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/ Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 37; Rompf, GesR 2008, S. 64; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 4; Volkmer, KH 2009, S. 21 f. 675 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 135; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87a SGB V Rn. 53. 676 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 135. 677 Übersicht über die besonders förderungswürdigen Leistungen und die Einzelleistungen im 1. Quartal 2016 der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, S. 1, abrufbar unter:
III. Regionale Euro-Gebührenordnung
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pro Behandlungstag und daher ein regionaler Zuschlag auf den bundeseinheitlichen Orientierungswert von 1,6970 Cent679 erfolgt ist. Werden hingegen regional – sei es für einzelne oder alle Leistungen – keine abweichenden Punktwerte vereinbart, bleibt es bei dem festen Preis, der sich bereits aus der bundeseinheitlichen EuroGebührenordnung durch die Multiplikation der Bewertungsrelation im Einheitlichen Bewertungsmaßstab mit dem Orientierungswert ergibt680.
2. Vorgaben des Gesetzgebers a) Bundeseinheitlicher Orientierungswert aa) Erstmalige Festsetzung Der Orientierungswert wird jährlich bis zum 31. August nach § 87 Abs. 2e i.V.m. Abs. 1 S. 1 SGB V im Einheitlichen Bewertungsmaßstab als bundeseinheitlicher Punktwert in Euro zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen vom Bewertungsausschuss festgelegt. Auf der Grundlage dieses Orientierungswertes vereinbaren nach § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V die regionalen Selbstverwaltungspartner jährlich bis zum 31. Oktober den regionalen Punktwert. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007681 wurde in § 87 Abs. 2e SGB V a.F. erstmals die Festlegung von drei unterschiedlichen Orientierungswerten gesetzlich festgeschrieben682 : einen für den Regelfall (Satz 1 Nr. 1), einen zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen von Ärzten in Gebieten mit (drohender) Unterversorgung (Satz 1 Nr. 2) und einen für von Überversorgung betroffenen Gebieten (Satz 1 Nr. 3). Dabei mussten sich die besonderen Orientierungswerte für Über- und Unterversorgung in ihrer Höhe vom Orientierungswert im Regelfall deutlich unterscheiden683, https://www.kvbawue.de/praxis/abrechnung-honorar/arzthonorare/einzelleistungen/ (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 678 39 Punkte x 0,121331 Euro = 4,73 Euro. 679 0,121331 Euro – 0,104361 Euro = 0,01697 Euro. 680 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 300; Volkmer, KH 2009, S. 22. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein hat beispielsweise in ihrem Honorarverteilungsmaßstab für das 1. Quartal 2016 in § 3 Abs. 1 S. 3 festgelegt, dass der regionale Punktwert in Höhe des Orientierungswertes vereinbart wird, da regionale Anpassungen nicht bestünden, sodass als regionale Euro-Gebührenordnung die bundeseinheitliche Euro-Gebührenordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung gilt, vgl. Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Stand: 1. Quartal 2016, S. 5, abrufbar unter: https://www.kvno.de/downloads/hono rar/hvm1601.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 681 BGBl. I 2007, S. 378 (395 f.). 682 Vgl. auch: Rompf, GesR 2008, S. 64; Müller, KHR 2009, S. 75; Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 96. 683 Der Orientierungswert für Gebiete mit (drohender) Unterversorgung musste den Orientierungswert im Regelfall in der Höhe überschreiten, der Orientierungswert in überversorgten Gebieten musste den Orientierungswert im Regelfall unterschreiten, vgl. § 87 Abs. 2e S. 2
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
um damit eine steuernde Wirkung auf das Niederlassungsverhalten der Vertragsärzte zu entfalten684. Ziel war es dadurch, ein finanzielles Anreizsystem und damit einen Steuerungsmechanismus zu entwickeln, der zum Abbau von Überversorgung, insbesondere im fachärztlichen Bereich, und zur Reduzierung von Unterversorgung im hausärztlichen Bereich, insbesondere in ländlichen Regionen der neuen Bundesländer, führt685. Faktisch gab es für die überversorgten Gebiete aber zu keinem Zeitpunkt einen Abschlag auf den Orientierungswert für den Regelfall, da das vom erweiterten Bewertungsausschuss entwickelte Abschlagssystem, welches erst ab dem Jahre 2011 Geltung erlangen sollte686, durch § 87d Abs. 1 S. 2 SGB V a.F.687 für die Jahre 2011 und 2012 aber keine Anwendung fand und zusätzlich keine Anpassung der Orientierungswerte für die Jahre 2011 und 2012 erfolgen durfte688. Die erstmalige Festlegung des Orientierungswertes im Regelfall wurde rechnerisch im Wege der Division des Finanzvolumens durch die Leistungsmenge ermittelt689. Dabei setzte sich das Finanzvolumen aus der Summe der bundesweit insgesamt für das Jahr 2008 zu entrichtenden Gesamtvergütung in Euro zusammen690. Die Leistungsmenge wurde als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes abgebildet und ergab sich aus der Hochrechnung der zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Daten aller abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen aus vier Kalendervierteljahren691. Dies diente dazu, dass der Orientierungswert für das Jahr 2009 dem Punktwert aus dem Jahre 2008, der noch nach dem
SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (395). 684 Vgl. § 87 Abs. 2e S. 2 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (395). Vgl. auch: BT-Drs. 16/3100, S. 128; Rompf, GesR 2008, S. 64. 685 BT-Drs. 16/3100, S. 128. Dabei wurde eine zur Kostenneutralität führende Koppelung der Ausgaben für die Unterversorgung an Einsparungen bei der Überversorgung abgesehen, da ansonsten nicht hätte gewährleistet werden können, dass der Orientierungswert für die Unterversorgung in sachgerechter Höhe festgesetzt worden wäre, vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 128; BT-Drs. 16/4247, S. 40. 686 Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, vgl. DÄ 2009, S. 475, fand für das Jahr 2010 noch der Orientierungswert für die Regelversorgung Anwendung. 687 Vgl. § 87d Abs. 1 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22. Dezember 2010, vgl. BGBl. I 2010, S. 2309 (2311). 688 § 87d Abs. 1 S. 1 SGB V in der Form des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22. Dezember 2010, vgl. BGBl. I 2010, S. 2309 (2311). Vgl. auch: Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 96 f. 689 § 87c Abs. 1 S. 3 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (401). Vgl. auch: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 98. 690 § 87c Abs. 1 S. 3 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (401). 691 § 87c Abs. 1 S. 4 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (401).
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vorherigen Vergütungssystem berechnet wurde, nahe kam und dadurch kaum Mehrkosten für die gesetzliche Krankenversicherung entstanden692. Derzeit liegt der bundeseinheitliche Orientierungswert für das Jahr 2016 bei 10,4361 Cent, obwohl er für das Jahr 2009 im Regelfall erstmals auf lediglich 3,5058 Cent693 festgesetzt worden war und bis einschließlich zum Jahre 2013 um diesen Wert schwankte694. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes wurde mit Wirkung zum 26. September 2013 der Orientierungswert für das Jahr 2014 auf 10,13 Cent festgelegt695. Die Differenz von über 6 Cent hatte jedoch nicht zur Folge, dass der Preis für die einzelnen Leistungen gestiegen war, sondern die Anhebung erfolgte aufgrund der Bedingung der Krankenkassen kostenneutral696. Die Kostenneutralität wurde durch die Anpassung der Punktzahlen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab erreicht697, womit nun zwar bundeseinheitlich der Wert eines Punktes angehoben, aber die Anzahl der Punkte für eine Leistung verringert wurde, sodass im Ergebnis, bis auf einige Rundungsangleichungen, keine Preisunterschiede aus dieser Anhebung hervorgegangen sind698. bb) Jährliche Anpassung (1) Die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten Für die jährliche Anpassung699 des Orientierungswertes hat der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss einen Katalog aus drei nicht abschließenden700 Kriterien zur 692 BT-Drs. 16/3100, S. 129, noch zu § 87 Abs. 2g SGB V, dessen Regelungen aufgrund besserer Lesbarkeit und Verständlichkeit sodann in § 87c Abs. 1 SGB V festgesetzt wurde, vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 40. 693 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2008, S. A 1989. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 305; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87a SGB V Rn. 5. Rückwirkend wurde der Orientierungswert für das Jahr 2009 auf 3,5048 Cent korrigiert, vgl. Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2009, S. A. 1907 f. 694 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 305; Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 97. 695 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2013, S. A 1984 f. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 6. 696 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Abrechnung und Honorar – Information der KBV 64/2013, Stand: Mai 2013, S. 3. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 6. 697 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Abrechnung und Honorar – Information der KBV 64/2013, Stand: Mai 2013, S. 3. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 6. 698 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Abrechnung und Honorar – Information der KBV 64/2013, Stand: Mai 2013, S. 1. 699 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 7, sieht die gesetzliche Anordnung als Verpflichtung zur jährlichen Anpassung des Orientierungswertes mit der
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Berücksichtigung vorgegeben701. Zunächst hat der Bewertungsausschuss nach Nummer 1 des § 87 Abs. 2g SGB V die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten zu berücksichtigen. Dabei stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Betriebskosten auch die Weiterentwicklung des Arztlohnes enthalten sein muss. Folgt man der Logik des Entstehungsprozesses des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes702 vom 26. März 2007, sind nur solche Kosten zu berücksichtigen, die sich auf den Betrieb einer Praxis auswirken703. Schließlich hatte der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung vorerst bei der Anpassung des Orientierungswertes an die Kriterien für die Vereinbarung sog. Landesbasisfallwerte im Krankenhausbereich nach § 10 Abs. 3 S. 1 KHEntgG angeknüpft704. Dort war als Kriterium etwa die „voraussichtliche allgemeine Kostenentwicklung“705 herangezogen worden, welche nach der dazugehörigen Gesetzesbegründung sowohl die Entwicklungen bei Personal- als auch bei Sachkosten beschreibt706. Somit hat der Gesetzgeber des § 87 Abs. 2g Nr. 1 SGB V die „voraussichtliche allgemeine Kostenentwicklung“707 zunächst als Kriterium zur Anpassung des Orientierungswertes in seinen Entwurf übernommen. Im Ergebnis hielt er daran aber nicht fest, da der Ausschuss für Gesundheit das ursprüngliche Kriterium ohne nähere Begründung in die für die „Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten“708 als sachgerechtes Kriterium umwandelte709. Damit wird im Umkehrschluss deutlich, dass mit der Abkehr des Gesetzgebers von dem anfänglich weiten Kriterium der „voraussichtlich allgemeinen Kostenentwicklung“ hin zur engeren „Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten“ auch nur die sich auf den Betrieb einer Arztpraxis auswirkenden Kostenveränderungen bei der Anpassung des Orientierungswertes nach Nummer 1 des § 87 Abs. 2g SGB V zu berücksichtigen Bindung an den im laufenden Jahr geltenden Orientierungswert als Bewertungsgrundlage für die Verhältnisse im Folgejahr. 700 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 87 Abs. 2g SGB V, der von „insbesondere“ spricht. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 306; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 7; Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 39. 701 § 87 Abs. 2g SGB V. Diese sind die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten (Nr. 1), die Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven (Nr. 2, vgl. dazu ausführlich nachfolgend in diesem Abschnitt III. 2. a) bb) (2), S. 142 ff.) und die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen (Nr. 3, vgl. dazu ausführlich nachfolgend in diesem Abschnitt III. 2. a) bb) (3), S. 144 ff.). 702 BGBl. I 2007, S. 378 (396). 703 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 307. 704 BT-Drs. 16/3100, S. 130. Vgl. auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 33; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 17. 705 § 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KHEntgG. 706 BT-Drs. 14/6893, S. 45. 707 BT-Drs. 16/3100, S. 22. 708 BT-Drs. 16/4200, S. 51 f. 709 BT-Drs. 16/4247, S. 40.
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sind. Daher ist weder im Positiven noch im Negativen eine Aussage darüber getroffen, ob auch die Weiterentwicklung des Arztlohnes eine sich auf den Betrieb der Arztpraxis auswirkende Kostenveränderung darstellt. Betrachtet man diese Frage aber über die Gesetzesentstehung hinaus, im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung, ist die Weiterentwicklung des Arztlohnes geradezu eines der wesentlichsten Elemente in der Anpassung des Orientierungswertes710. Der Orientierungswert ist die zentrale Preiskomponente, die der abstrakten Punktzahl im Einheitlichen Bewertungsmaßstab einen realen Wert in Euro verleiht und im Rahmen der jährlichen Verhandlungen zwischen den Mitgliedern des Bewertungsausschusses einen entscheidenden Verhandlungspunkt darstellt711. Der Gesetzgeber schränkt allerdings in § 87 Abs. 2g Nr. 1 SGB Va.E. die Anpassung des Orientierungswertes durch das Kriterium der Investitions- und Betriebskosten dahingehend ein, als dass nur diejenige Entwicklung Berücksichtigung findet, die nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V erfasst worden sind712. Durch diese Einschränkung liegt die Annahme nahe, dass die Weiterentwicklung des Arztlohnes möglicherweise bereits gänzlich unter § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V fällt und daher im Rahmen der Anpassung des Orientierungswertes keine Berücksichtigung findet. Nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V ist vor allem die Bewertung einer Leistung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes der Überprüfung im Hinblick auf den Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung – jeweils unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung der bei der Erbringung von Leistungen eingesetzten medizinisch-technischen Geräte – zu unterziehen713. Somit wird deutlich, dass die Bewertung einer Leistung nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V zumindest nicht ausdrücklich die Weiterentwicklung des Arztlohnes umfasst, sondern sich hauptsächlich auf den technischen Anteil einer Leistung beschränkt. Mithin ist die Weiterentwicklung des Arztlohnes nicht durch den Vorbehalt am Ende des § 87 Abs. 2g Nr. 1 SGB V ausgeschlossen und dient daher unter dem Begriff „Betriebskosten“ als Kriterium zur Anpassung des Orientierungswertes714. Eine vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Auftrag gegebene Studie vom August 2015 beschäftigte sich ebenfalls mit der Leitfrage, ob es erforderlich sei, bei der jährlichen Anpassung des Orientierungswertes „eine normativ zu bestimmende Erhöhung der Vergütung der ärztlichen Arbeitsleistung zu berücksichti-
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Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586. Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586. 712 Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 307; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 7; Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 41. 713 Vgl. dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt I. 2. a) cc), S. 74 ff. 714 Vgl. auch: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 41. 711
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gen“715. Im Ergebnis wird die Berücksichtigung des Arztlohnes bei der Weiterentwicklung des Orientierungswertes jedoch nicht befürwortet716. Grund dafür sei unter anderem, dass in den Jahren 2012 bis 2014 das tatsächliche Einkommen der Vertragsärzte gestiegen und daher eine Anpassung des Arztlohnes schon nicht erforderlich sei717. Gleichwohl wird in zutreffender Weise festgestellt, dass § 87 Abs. 2g SGB V eine Weiterentwicklung des Arztlohnes zumindest nicht ausschließe718. Unabhängig davon, ob Erhebungen aus drei aufeinander folgenden Jahren, die grundsätzliche und langfristige Frage nach einer regelmäßigen Anpassung der Arztlöhne im Rahmen der Festsetzung des Orientierungswertes beantworten können, bedarf es in dem zu weiten Teilen staatlich gesteuerten Markt der vertragsärztlichen Versorgung einer stetigen Weiterentwicklung des ärztlichen Einkommens. Dabei ist auch nicht ausgeschlossen, dass es zeitweise aufgrund zu hoher tatsächlich gestiegener Arztlöhne zu einem Stillstand kommen könnte, jedoch bedarf es grundsätzlich der angemessenen Einpreisung der Arztlöhne in die Entwicklung des Orientierungswertes719. Inhaltlich wird der Lohn eines Vertragsarztes im Wege eines Opportunitätskostenprinzips weiterentwickelt720. Dies bedeutet, dass der sog. kalkulatorische Arztlohn eines niedergelassenen Vertragsarztes an das Gehalt eines im Krankenhaus tätigen Oberarztes angepasst wird721. Im Jahre 2008 wurde das Gehalt eines Oberarztes mit einer Arbeitszeit von durchschnittlich 38,5 Stunden die Woche für einen Vertragsarzt auf 51 Stunden die Woche angehoben und ergab einen kalkulatorischen Arztlohn von 105.572 Euro im Jahr722. Dieses kalkulatorische Arztgehalt wurde unter anderem als Grundlage der Bewertungsberechnungen für die einzelnen Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab, sog. ärztlicher Tätigkeitsanteil723, herangezogen. Da die Bewertungen allerdings im Ergebnis nur dazu führen, dass die
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prognos, Studie – Der „Arztlohn“ und die Anpassung des Orientierungswertes, Stand: August 2015, S. 1. 716 prognos, Studie – Der „Arztlohn“ und die Anpassung des Orientierungswertes, Stand: August 2015, S. 2, 23 ff. 717 prognos, Studie – Der „Arztlohn“ und die Anpassung des Orientierungswertes, Stand: August 2015, S. 23 ff. 718 prognos, Studie – Der „Arztlohn“ und die Anpassung des Orientierungswertes, Stand: August 2015, S. 2. 719 Siehe auch: Weinrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 41. 720 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I. 2. a) bb) (2), S. 68 ff. 721 Glöser, Abrechnung aktuell (Ärzte) 9/2012, S. 2; Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Plausibilität der Kalkulation des EBM, Stand: August 2010, S. 26 f.; Rompf, GesR 2008, S. 58; Schauenburg, Die BKK 2007, S. 483 f.; v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 114; Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 2. 722 Siehe bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 144. 723 Vgl. dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt I. 2. a) bb) (2), S. 68 ff.
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Relationen der einzelnen Leistungen zueinander stimmig sind, ist das Arztgehalt in der Summe als solches dadurch noch nicht abschließend abgebildet724. Aufgrund des seit 2008 stetig gestiegenen Verbraucherpreisniveaus von insgesamt 8,2 %725, ist eine Angleichung des Vertragsarztlohnes ausschließlich über die Änderungen der Bewertungsrelationen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab nicht ausreichend. Zwar ist nach dem im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16. Juli 2015 geänderten § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V die Leistungsbewertung „auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen“726, jedoch wird auch mit der durch den Gesetzgeber intendierten kontinuierlichen und in regelmäßigen Zeitabständen zu erfolgenden Bewertungsüberprüfung727 kein fester Zeitabstand – wie etwa beim Orientierungswert „jährlich bis zum 31. August“728 – zur Überprüfung und Anpassung der Leistungsbewertung festgeschrieben. Vielmehr belässt auch der nun eine Zeitkomponente aufgreifende Gesetzestext dem Bewertungsausschuss einen Gestaltungsfreiraum hinsichtlich des Überprüfungszeitpunktes. Daher bedarf es einer jährlichen Weiterentwicklung des kalkulatorischen Arztlohnes auf der Grundlage des Referenzeinkommens der Oberärzte in Krankenhäusern, welches seit 2008 pro Jahr im Durchschnitt um 3 % gestiegen ist729. Auf die Wochenarbeitszeit eines Vertragsarztes hochgerechnet, müsste der kalkulatorische Arztlohn nicht mehr 105.572 Euro, sondern 133.00 Euro betragen730. Schließlich ist Hintergrund dieser Anknüpfung an das Oberarztgehalt, gleiche Vergütungschancen für gleich qualifizierte Ärzte zu schaffen731, obwohl über die Tätigkeit eines Oberarztes hinaus – die aufgrund ihrer zumeist bestehenden Facharztvoraussetzung vergleichbar mit der eines Vertragsarztes ist732 – der niedergelassene Vertragsarzt noch ein nicht zu unterschätzendes unternehmerisches Risiko trägt733. Überdies ist die medizinische Versorgung eine personalintensive Dienstleistung, deren wesentlicher Teil die ärztliche Arbeitszeit durch die persön-
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Vgl. auch: v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 114. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 2. 726 BGBl. I 2015, S. 1211 (1219). Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I. 2. a) bb) (1), S. 66 ff. 727 BT-Drs. 18/4095, S. 93. 728 § 87 Abs. 2e SGB V. 729 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 2. 730 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 2. 731 v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 114; Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 2. 732 Vgl. § 3 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 Ärzte-ZV. 733 v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 116. 725
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liche Leistungserbringung darstellt734. Da aber die Arbeitszeit pro Leistung nur begrenzt verringert werden kann, ohne wesentlich an Qualität zu verlieren, kann die Produktivität kaum gesteigert werden735. Bei gleichbleibendem Arztlohn und steigendem Verbraucherpreisniveau führt dies zu einer Entwertung der vertragsärztlichen Tätigkeit736. Daher bedarf es der prozentualen Angleichung der Vergütung eines Vertragsarztes an die Arbeitsproduktivität in der Volkswirtschaft737. Diese Angleichung kann im Wege der Heranziehung des Oberarztgehalts durchgeführt werden, da die Oberarztgehälter stetig durch Tarifverhandlungen angeglichen werden738. Darüber hinaus kann so auch ein Anreiz zur vertragsärztlichen Niederlassung junger Mediziner gesetzt werden, die vermutlich ohne entsprechende Vergütung erst recht das unternehmerische Risiko scheuen. Überdies hat der Gesetzgeber für die Jahre 2011 und 2012 die Anpassung des Orientierungswertes generell ausgesetzt739 und die Erhöhungen des Orientierungswertes in den Folgejahren bezweckten gerade nicht die Erhöhung des kalkulatorischen Arztlohnes, sodass die Anpassung des Orientierungswertes insbesondere auch im Hinblick auf die in der Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten nach § 87 Abs. 2g Nr. 1 SGB V enthaltenen Weiterentwicklung des Arztlohnes notwendig ist. (2) Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven Darüber hinaus hat der Bewertungsausschuss nach Nummer 2 des § 87 Abs. 2g SGB V Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei der jährlichen Anpassung des Orientierungswertes zu berücksichtigen. Was der Gesetzgeber unter dem Begriff „Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven“ versteht, ist jedoch fraglich. Die Gesetzesbegründung selbst leistet zunächst keine Hilfe zur Begriffsauslegung740. Die Formulierung „Ausschöpfung von Wirtschaftlich734
v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 115. v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 115 f.; Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 4 f. 736 v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 115; Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 4. 737 v. Stillfried/Czihal, DÄ 2014, S. A 116; Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 5. 738 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Ökonomische Analyse zur ärztlichen Vergütung im ambulanten Bereich, Stand: August 2014, S. 5. 739 Vgl. § 87d Abs. 1 SGB V in der Form des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22. Dezember 2010, vgl. BGBl. I 2010, S. 2309 (2311), und in der Form des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011, vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2992). 740 BT-Drs. 16/3100, S. 130. Auch die in Bezug genommene Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 3 S. 1 KHEntgG lässt keine nähere Begriffsbestimmung zu, vgl. BT-Drs. 14/6893, S. 45. 735
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keitsreserven“ findet sich allerdings wortgleich in anderen Zusammenhängen des SGB V, sodass der Gesetzgeber in Anknüpfung daran eine ähnliche Auslegung der Begriffe vor Augen gehabt haben könnte741. Neben der Aufgabenausführung der Krankenkassen742, der Festsetzung von Festbeträgen für Arznei- und Verbandmittel743 und dem Ausgabenvolumen im Rahmen der Arzneimittelvereinbarungen744, geht der Gesetzgeber insbesondere in § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V bei Vereinbarungen über die Vergütungen und in § 87a Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SGB V bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs im Rahmen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung auf das Kriterium der „Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven“ ein745. Im Kontext des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V wird von begrifflicher Weite746 sowie unklarem Tatbestand747 gesprochen und die „Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven“ als unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der Konkretisierung im Wege der Auslegung zugänglich ist, betitelt748, sodass ein Rückgriff darauf zunächst nicht zielführend erscheint749. Werden bei der Verwendung des Begriffes beim Ausgabenvolumen im Rahmen der Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V bundeseinheitliche Rahmenvorgaben erlassen, die konkrete Maßnahmen zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven beinhalten750, fehlt es bei der Anpassung des Orientierungswertes an genau dieser weiteren Stufe der Konkretisierung.
741 Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 247, sieht eine Bezugnahme auf § 71 Abs. 1 SGB V. Die Bestimmung des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V lautet: „Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität).“ 742 § 4 Abs. 4 S. 1 und S. 5 SGB V. 743 § 35 Abs. 5 S. 2 SGB V. 744 § 84 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V. 745 Nach § 87a Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SGB V sind Grundlage für die Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs insbesondere Veränderungen des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei der vertragsärztlichen Leistungserbringung. Der vereinbarte Behandlungsbedarf gilt sodann nach § 87a Abs. 3 S. 2 HS. 2 SGB V als notwendige medizinische Versorgung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V, sodass eine Verknüpfung der beiden Vorschriften besteht. 746 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 40 f. 747 Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 71 SGB V Rn. 24. 748 LSG Berlin-Brandenburg, KV 2012, S. 82; Altmiks, Anmerkung zu LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21. 12. 2011 – L 24 KA 39/08 KL, KrV 2012, S. 83. 749 Vgl. auch: Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 41. 750 Maßnahmen zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven sind etwa die Festlegungen von Leitsubstanzen, Verordnungshöchstquoten und Verordnungsmindestquoten für
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Allgemein kann zumindest die Begrifflichkeit der „Wirtschaftlichkeitsreserve“ als finanzielles Einsparungspotential beschrieben werden, das bei einer weitergehenden Optimierung von Rationalität, Effektivität und Effizienz der Aufgabendurchführung und Verwaltung noch vorhanden ist751. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gebot, Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V gleichgesetzt wird752, da insoweit das Wirtschaftlichkeitsgebot hinter dem Gebot, Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, zurückbleibt753. Darüber hinaus muss – anders als etwa im Rahmen des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V754 – bei der jährlichen Anpassung des Orientierungswertes lediglich die „Möglichkeit der Ausschöpfung“755 dieses finanziellen Einsparungspotentials bestehen, womit die Kritik im Rahmen des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V, es bestehe gar keine Zuständigkeit, die Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, und daher käme der Tatbestand bei Vereinbarungen über Vergütungen nicht zum Tragen756, für die Anpassung des Orientierungswertes nicht zutrifft. Zudem ist – wie schon Nummer 1 des § 87 Abs. 2g SGB V – auch das Kriterium der „Möglichkeit zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven“ nur dann bei der Anpassung zu berücksichtigen, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V erfasst worden sind757. (3) Allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen Als drittes Kriterium gibt der Gesetzgeber in Nummer 3 des § 87 Abs. 2g SGB V dem Bewertungsausschuss bei der Anpassung des Orientierungswertes vor, die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen zu berücksichtigen. Hintergrund dieser Vorgabe sind die sich bei größeren Leistungsmengen ergebenden all-
Arzneimittel bzw. Arzneimittelgruppen, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 84 SGB V Rn. 156. 751 Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 4 SGB V Rn. 37. Zum Begriff und zur Konzeption der Wirtschaftlichkeitsreserven, vgl. auch: Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Gesundheitswesen in Deutschland – Kostenfaktor und Zukunftsbranche, Sondergutachten 1996, Rn. 227 ff. 752 Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 95; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 41. 753 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 41. Vgl. auch: BT-Drs. 16/3100, S. 122, wo auch der Gesetzgeber im Rahmen des § 87a Abs. 4 Nr. 5 (damals noch Nr. 4) SGB V zusätzlich zur Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven die Bindung an das Wirtschaftlichkeitsgebot fordert. 754 Nach § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V bedarf es als Voraussetzung zur Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität bereits der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven. 755 § 87 Abs. 2g Nr. 2 SGB V. 756 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 41 f. 757 § 87 Abs. 2g Nr. 2 SGB V. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 308; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 247.
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gemeinen Rationalisierungsmöglichkeiten im Sinne von Kostenvorteilen758, da die Fixkosten sowohl in personeller Hinsicht – produktiverer Einsatz von Mitarbeitern759 –, als auch aus sachlichen Gesichtspunkten – wirtschaftlichere Nutzung technischer Geräte760 – einen degressiven Verlauf aufzeigen761. Fallzahlsteigerungen können etwa durch medizinischen bzw. medizinisch-technischen Fortschritt oder demographische Verschiebungen eintreten762. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung dieses Anpassungskriteriums in der Gesetzesbegründung jedoch klargestellt, es solle nicht zu einem automatischen „Floaten“ der Punktwerte kommen763. Die Orientierungswerte seien nicht so weit abzusenken, als dass es bei einer insgesamt konstanten (rechnerischen) Honorarsumme bleibe; dies widerspräche dem mit der Vergütungsreform verfolgten Ziel der Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen, da für morbiditätsbedingte Mehrleistungen die Krankenkassen auch mehr Geld zur Verfügung zu stellen haben764. Zusätzliche Fälle müssen demnach auch anteilig in der Höhe der zusätzlich entstehenden Personal- und Sachkosten vergütet werden765. Das gesetzgeberische Ziel, zwar eine Kostendegression bei der Anpassung des Orientierungswertes generell mit zu berücksichtigen, morbiditätsbedingte Mehrleistungen aber nicht in diese Berücksichtigung mit einfließen zu lassen, spiegelt sich auch in der vom Gesetzgeber verwendeten Formulierung der „allgemeinen“ Kostendegression766 wider. Darüber hinaus sind Aspekte der allgemeinen Kostendegression dann nicht mit einzubeziehen, soweit diese schon durch eine Abstaffelungsregelung nach § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V berücksichtigt worden sind767. Indem der Gesetzgeber alle drei Kriterien zur jährlichen Anpassung des Orientierungswertes – die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten, die Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven und die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen – unter den
758
BT-Drs. 12/3608, S. 88; BT-Drs. 14/24, S. 19. Vgl. auch: BSGE 80, 223 (227); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 78 Rn. 33. 759 BT-Drs. 12/3608, S. 88; BT-Drs. 14/24, S. 19. Vgl. auch: BSGE 80, 223 (227); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 78 Rn. 33. 760 BT-Drs. 14/6893, S. 45; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 78 Rn. 33. 761 BT-Drs. 12/3608, S. 88; BT-Drs. 14/24, S. 19. Vgl. auch: BSGE 80, 223 (227); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 309. 762 BT-Drs. 14/6893, S. 45. 763 BT-Drs. 16/3100, S. 130. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 310; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 248. 764 BT-Drs. 16/3100, S. 130. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 310; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 248. 765 BT-Drs. 14/6893, S. 45. 766 § 87 Abs. 2g Nr. 3 SGB V. 767 § 87 Abs. 2g Nr. 3 SGB V. Vgl. zur Abstaffelung nach § 87 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V bereits ausführlich in diesem Abschnitt I. 2. a) dd), S. 77 f.
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B. Honorarverteilung im Vertragsarztrecht
Vorbehalt stellt, dass diese allgemeinen materiellen Maßstäbe768 nicht bereits bei der Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes769 oder bei einer Abstaffelungsregelung770 berücksichtigt worden sind, zeigt sich zum einen zwar die rechtliche Trennung der Festsetzung des Orientierungswertes von der Vereinbarung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, zum anderen wird aber auch deren zwingendes Zusammenspiel deutlich: Der Orientierungswert kommt zu keiner – nicht einmal mittelbaren – rechtlichen Bedeutung, sofern er nicht mit den Bewertungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes multipliziert wird. Auch der Einheitliche Bewertungsmaßstab bleibt ohne den Orientierungswert eine Darstellung abstrakter Punktwertrelationen ohne feste Euro-Werte. b) Regionaler Punktwert aa) Zu- oder Abschlag aufgrund regionaler Besonderheiten In § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V gibt der Gesetzgeber vor, dass die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich auf Grundlage des Orientierungswertes, jeweils zum 31. Oktober eines jeden Jahres, einen regionalen Punktwert zu vereinbaren haben, welcher der Vergütung der vertragsärztlichen Leistung im Folgejahr zugrunde zu legen ist. Die Vertragspartner können nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V dabei entweder Zuschläge oder Abschläge von dem Orientierungswert vereinbaren. Die gesetzgeberische Formulierung lässt damit einerseits einen generellen Zu- oder Abschlag auf den bundeseinheitlichen Orientierungswert zu, sodass allen Leistungen nicht grundsätzlich der Orientierungswert zugrunde liegt, sondern durchweg der um einen bestimmten Betrag veränderte regionale Punktwert angewandt wird771. Üblicher ist es in der Praxis hingegen, aufgrund der begrenzten Gesamtvergütung nur punktuell Zu- oder Abschläge auf einzelne Leistungen bzw. Leistungskomplexe zu vereinbaren772. Die erstmals für das Jahr 2010 vereinbarten Zuschläge durften allerdings in den Jahren 2011 und 2012 nicht angepasst und darüber hinausgehende Zuschläge durften nicht vereinbart werden773. Erst im Jahre 2013 war es durch den 768
So benennt sie: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 7. So für die Nummern 1 und 2 des § 87 Abs. 2g SGB V. 770 So für die Nummer 1 des § 87 Abs. 2g SGB V. 771 Vgl. auch: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 99, dort insbesondere Fn. 521. 772 Dies klarstellend: BSG, SozR 4 – 2500 § 87a Nr. 1 Rn. 36. Vgl. auch: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87a-9. Punktuelle Zuschläge hat etwa vereinbart: die Kassenärztliche Vereinigung Bremen für ausgewählte Gebührenordnungspositionen in ihrer „Regionalen EBM Euro-Gebührenordnung“ vom 1. Januar 2016 (markiert als „Zuschlag zu den GOP“), abrufbar unter: http://www.kvhb.de/sites/default/files/regionale-go-20160101.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 773 § 87d Abs. 1 S. 4 SGB V in der Form des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22. Dezember 2010, vgl. BGBl. I 2010, S. 2309 (2311). 769
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Gesetzgeber wieder erlaubt, Zuschläge nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V anzupassen bzw. neu zu vereinbaren774. (1) Kosten- und Versorgungsstruktur Nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V können Zu- oder Abschläge insbesondere dann vereinbart werden, wenn sich regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur ergeben775. Der Gesetzgeber hat dieses Motiv776 als eine Variante in das Gesetz mit aufgenommen, ohne damit abschließend – daher die Formulierung „insbesondere“ – die Gründe für regionale Zu- oder Abschläge aufzulisten777. In der Gesetzesbegründung zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz778 vom 26. März 2007, mit welchem der § 87a SGB V eingeführt wurde, wird der Gesetzesbegriff der „Kostenstruktur“ dahingehend erläutert, dass beispielsweise Unterschiede des Lohnund Gehaltsniveaus der Praxisangestellten oder Unterschiede des Mietniveaus im regionalen Punktwert Niederschlag finden können779. Zu- oder Abschläge aufgrund von Besonderheiten bei „Versorgungsstrukturen“ können sich nach der Gesetzesbegründung etwa bei „Behandlungsfällen“780 ergeben – womit unterschiedliche Fallzahlentwicklungen aus verschiedenen Gründen gemeint sind781 – oder aus unterschiedlichen hausärztlichen, im Verhältnis zu fachärztlichen, Angebotsstrukturen782. Die Frage, ob sowohl regionale Besonderheiten bei der Kosten- als auch bei der Versorgungsstruktur bestehen müssen, um Zu- oder Abschläge auf den bundeseinheitlichen Orientierungswert zu vereinbaren, ist allein nach dem Wortlaut des § 87a 774 § 87d Abs. 1 S. 3 SGB V. Siehe auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2. Vgl. zur Frage, ob regionale Punktwertzuschläge auf den Orientierungswert gegen die Grundsätze der Beitragssatzstabilität, der Vorjahresanknüpfung sowie der Wirtschaftlichkeit verstoßen, das insoweit einen Verstoß verneinende Urt. d. LSG Hamburg v. 16. 12. 2015 – L 5 KA 68/13 KL (derzeit anhängig beim BSG – B 6 KA 5/16 R). 775 § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V a.E. 776 Vgl. auch: Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 98, der als „mögliches Motiv“ für Zu- oder Abschläge auf den Orientierungswert die regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur benennt. 777 Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87a SGB V Rn. 7; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 23; Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87a-7; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 5; Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 100. 778 BGBl. I 2007, S. 378 (398 ff.). 779 BT-Drs. 16/3100, S. 119. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 21; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 5. 780 BT-Drs. 16/3100, S. 119. Zum Begriff des Behandlungsfalles siehe auch bereits in diesem Abschnitt II. 2. b) aa) (2), S. 125 ff. 781 So auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2. 782 BT-Drs. 16/3100, S. 119. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 21; Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 5.
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Abs. 2 S. 2 SGB V – „regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur“ – zu bejahen. Betrachtet man jedoch die Gesetzesbegründung sowie die generelle Zielsetzung der Regelung, leuchtet ein, dass regionale Besonderheiten bei der Kosten- und der Versorgungsstruktur nicht kumulativ vorliegen müssen, damit Zu- oder Abschläge erfolgen können. Die Gesetzesbegründung spricht gerade von landesbezogenen Besonderheiten, bei denen „Unterschiede der für Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen ebenso wie Unterschiede bei der Versorgungsstruktur“783 zu beachten sind und setzt damit die zwei Varianten in keinen expliziten Zusammenhang. Darüber hinaus kann einerseits eine regionale Besonderheit in der Kostenstruktur, wie ein hohes Mietniveau bei Praxen, vorliegen, was aber nicht zwingend mit einer Besonderheit in der Versorgungsstruktur, etwa einer überdurchschnittlichen Anzahl von Behandlungsfällen durch regionale Unterversorgung, zusammenhängen muss. Zudem hat der Gesetzgeber selbst, indem er die Umstände, bei denen die Vertragspartner regionale Zu- oder Abschläge auf den Orientierungswert vereinbaren können, nicht abschließend geregelt784, sodass er entgegen der Annahme, es müssten sowohl die Kosten- als auch die Versorgungsstrukturen Besonderheiten aufweisen, schon generell keine hohen bundeseinheitlichen Hürden aufgestellt hat. (2) Regionale Besonderheiten Im Weiteren ist fraglich, welche Anforderungen an die „regionalen Besonderheiten“ im Sinne des § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V, insbesondere an den Begriff der Region, zu stellen sind. Die Gesetzesbegründung stellt eindeutig auf „landesbezogene“ Besonderheiten und Unterschiede „zwischen den Ländern“ ab785, sodass danach Besonderheiten eines jeden Bundeslandes, d. h. eines jeden Bezirks einer Kassenärztlichen Vereinigung786, vorliegen müssen, damit Zu- oder Abschläge auf den Orientierungswert vereinbart werden können787. Auch der erweiterte Bewertungsausschuss hat – zu Zeiten als er noch Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V a.F. festzulegen hatte788 – festgestellt, dass sich der Begriff der „regionalen Besonderheiten“ auf Besonderheiten zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen beziehe789. Gleichzeitig stellte er aber fest, 783
BT-Drs. 16/3100, S. 119. Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 777. 785 BT-Drs. 16/3100, S. 119. 786 Es gibt grundsätzlich jedem Bundesland entsprechend eine Kassenärztliche Vereinigung, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen; dort gibt es noch immer zum einen die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, vgl. Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 77 SGB V Rn. 3. 787 So auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 21. 788 Vgl. § 87 Abs. 2f und § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (396, 398). 789 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2009, S. 472. 784
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Anhaltspunkte sprächen dafür, dass auch innerhalb der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen regionale Besonderheiten der Kosten- und Versorgungsstruktur, insbesondere im Unterschied zu städtischen und ländlichen Räumen, bestehen können790. Eine Heranziehung innerregionaler Differenzen sei ihm aber aufgrund der gesetzlichen Vorgabe verwehrt791. Die Feststellungen des erweiterten Bewertungsausschusses sind dahingehend nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber, insbesondere durch die Konkretisierung in der Gesetzesbegründung, zwar einen klaren Rahmen gesteckt hat, indem er als Region jedes Bundesland ansieht, dieser Rahmen aber angesichts der Zielsetzung von Kosten- und Versorgungsstrukturen auch auf innerregionale Besonderheiten erweitert werden müsste792. Die gesetzgeberische Regelung macht jedoch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten insoweit Sinn, als dass die Kassenärztlichen Vereinigungen durch die Festsetzung von Honorarverteilungsmaßstäben üblicherweise Honorarvereinbarungen für ihren gesamten Bezirk festlegen und keine weiteren innerregionalen Abstufungen vornehmen, sodass folglich keine andere Vorgehensweise bei der Festsetzung der regionalen Euro-Gebührenordnung vorgenommen wird793. Schließlich stellt sich die Frage, was als „Besonderheit“ der Kosten- und Versorgungsstruktur einer Region angesehen wird, welche Voraussetzungen somit für Zu- oder Abschläge auf den bundeseinheitlichen Orientierungswert vorliegen müssen. Der Gesetzgeber hat im Zeitpunkt der Einführung der Regelung diese Frage damit beantwortet, dass er die Vereinbarung von Zu- oder Abschlägen zwingend an Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden hatte794. Der Bewertungsausschuss hatte gemäß § 87 Abs. 2 f S. 1 SGB Va.F.795 jährlich bis zum 31. August Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den – damals noch drei unterschiedlichen – Orientierungswerten abgewichen werden konnte796. Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der 790
Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2009, S. 472. Vgl. auch: Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 5, der einen möglichen signifikanten Unterschied von Kosten in Ballungszentren im Vergleich zu ländlichen Gebieten sieht. 791 Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses, DÄ 2009, S. 472. 792 So auch: Sproll, in: Krauskopf, SGB V, § 87a SGB V Rn. 5. 793 Siehe dazu bereits die Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 772. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 5 Rn. 26, wonach die Wendung „regional“ nur planungsbereichsbezogen gemeint sein kann, da Gesamtverträge ohnehin nur – mit Ausnahme von NordrheinWestfalen – für ein Bundesland geschlossen werden. Siehe auch: Reuter, in: Berchtold/Huster/ Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 23, dort insbesondere Fn. 31. 794 Vgl. § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (398). 795 Vgl. § 87 Abs. 2f SGB V in der Form des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, vgl. BGBl. I 2007, S. 378 (396). 796 Vgl. auch: Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 98 f.; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87a SGB V Rn. 7; Rompf, GesR 2008, S. 64. Zur Begrenzung des Gestaltungsspielraumes des erweiterten Bewertungsaus-
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Versorgungsstruktur hatten nach § 87 Abs. 2 f S. 3 SGB V a.F. insbesondere die Indikatoren gedient, welche Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklungen von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen konnten797. Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz798 vom 22. Dezember 2011 wurden die Indikatoren und die Bindung der Kassenärztlichen Vereinigungen daran aufgehoben, um die regionalen Kompetenzen der Vertragspartner im Wege einer erheblichen Erweiterung des Regelungsspielraumes zu stärken799. Jedoch kann auch ohne zwingende Bindung der Kassenärztlichen Vereinigungen an die Indikatoren des Bewertungsausschusses ein Vergütungsvolumen, das deutlich unter oder über einem bundesdurchschnittlichen Vergleichswert liegt, als regionale Besonderheit im Sinne von Zu- oder Abschlägen berücksichtigt werden. Faktisch ist die regionale Vereinbarung von Abschlägen auf den Orientierungswert allerdings unüblich, da dies schon aus verhandlungspolitischen Gründen kaum durchsetzbar wäre und bereits die bundeseinheitliche Phase mit einem Orientierungswert für überversorgte Gebiete gezeigt hat, dass Abschläge tatsächlich nie vollzogen wurden800. bb) Zuschlag aufgrund von Unterversorgung Nach § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V gibt der Gesetzgeber den regionalen Vertragspartnern – über die Möglichkeit hinaus, nach Satz 2 regionale Besonderheiten der Kosten- und Versorgungsstruktur durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen – die Option, Zuschläge auf den Orientierungswert für besonders förderungswürdige Leistungen sowie für besonders zu fördernde Leistungserbringer, insbesondere in Gebieten mit (drohender) Unterversorgung, zu vereinbaren801. Als Beispiel für eine förderungswürdige Leistung im Sinne des § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V nennt der Gesetzgeber in seiner Begründung die Verbesserung der Hausbesuchstätigkeit802, schusses bei der Festsetzung von Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten, vgl. BSGE 111, 114 ff. 797 Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 23. 798 BGBl. I 2011, S. 2983 (2988 f.). 799 BT-Drs. 17/6906, S. 61. Vgl. auch: BSGE 111, 114 (119); Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 9. 800 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt III. 2. a) aa), S. 135 ff. Vgl. zu Abschlägen vom Orientierungswert: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87a-10 f. 801 Vgl. dazu auch: Bauer-Schade, Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung, S. 177. Umfassend zu den Auswirkungen der Zuschläge auf die Versorgungslage, vgl. Institut für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), Forschungsvorhaben zur Umsetzung des § 221b Absatz 2 SGB V – Evaluierung der Auswirkungen von Zuschlägen zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten (§ 87a Absatz 2 Satz 3 SGB V), Abschlussbericht, Stand: Juni 2014, S. 93 ff. 802 BT-Drs. 17/6906, S. 62. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 9; Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 100. Als besonders förderungswürdige Leistungen hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg für das 1. Quartal 2016 etwa Leistungen im Bereich von Substitutionsbehandlungen der Drogenabhängigkeit, auf dem Gebiet des ambulanten Operierens oder des Mammographie-Screenings
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womit generell auf unattraktive Leistungen in (drohend) unterversorgten Gebieten hingewiesen wird. Die wirtschaftliche Unattraktivität ergibt sich etwa aus langen Anfahrtszeiten bei Hausbesuchen, geringer Geräteauslastung oder höheren Fallzahlen im hausärztlichen Bereich, die durch die unterdurchschnittliche fachärztliche Versorgung ausgelöst werden803. Mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (eHealth-Gesetz)804 vom 21. Dezember 2015 hat der Gesetzgeber ein weiteres Beispiel für förderungswürdige Leistungen eingeführt. Nach § 87a Abs. 2 S. 6 SGB V können besonders förderungswürdige Leistungen auch vertragsärztliche Leistungen sein, die telemedizinisch erbracht werden. Es soll damit eine Möglichkeit geschaffen werden, wie auf regionaler Ebene die inter- und intrasektoralen Kooperation zwischen Vertragsärzten gestärkt und folglich die Versorgung der Versicherten, insbesondere in unterversorgten Regionen, verbessert wird805. Neben der Option, Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen auf regionaler Ebene zu vereinbaren, eröffnet § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V den rechtlichen Spielraum der besonderen Leistungsfähigkeit von Vertragsärzten insbesondere dahingehend, einer an definierte Versorgungsziele geknüpften, überdurchschnittlichen Qualität adäquat Rechnung zu tragen806. Als ein solches definiertes Versorgungsziel nennt die Gesetzesbegründung beispielhaft die Verbesserung des Blutzuckerwertes bei Diabetikern807. Die Vereinbarung dieser Zuschläge hat auf der Grundlage von durch den Bewertungsausschuss festzulegenden Kriterien stattzufinden808. Damit hat der Gesetzgeber ein zweistufiges Differenzierungssystem entwickelt, nach welchem auf Bundesebene abstrakte Kriterien festgelegt werden, auf dessen Grundlage die regionalen Vertragspartner den Orientierungswert durch Zuschläge abändern können809. Die auf erster Stufe stehenden abstrakten Kriterien des Bewertungsausschusses sind an dem Ziel ausgerichtet, der Verbesserung der Versorgung der Ver-
mit einem Zuschlag ausgewiesen, vgl. Übersicht über die besonders förderungswürdigen Leistungen und die Einzelleistungen im 1. Quartal 2016, S. 1 f., abrufbar unter: https://www. kvbawue.de/praxis/abrechnung-honorar/arzthonorare/einzelleistungen/ (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 803 Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 11. 804 BGBl. I 2015, S. 2408 (2410). 805 BT-Drs. 18/5293, S. 41. 806 BT-Drs. 17/6906, S. 62. Vgl. auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2; Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 100. 807 BT-Drs. 17/6906, S. 62. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 11. 808 § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. 809 BT-Drs. 17/6906, S. 62; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 9.
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sicherten zu dienen810. Der Bewertungsausschuss hat in seinen Kriterien zunächst für die Förderung einzelner Leistungen festgelegt, die Versorgung der Versicherten sei dann verbessert, wenn der Behandlungserfolg im Sinne der Zunahme der Ergebnisqualität durch Veränderungen der Art und Häufigkeit der Erbringung der Leistung gesteigert wird811. Die regionalen Vertragspartner haben in ihrer Vereinbarung über Zuschläge auf den Orientierungswert darzulegen, welche Mängel in der Versorgung bestehen und inwieweit durch die Förderung einer bestimmten Leistung das Ziel der Verbesserung der Ergebnisqualität und folglich die Verbesserung der Versorgung der Versicherten erreicht werden kann812. Darüber hinaus erlaubt der Bewertungsausschuss, dass die Förderung einer Leistung nicht zwingend nur der Bindung an die Ergebnisqualität unterliegt, sondern bei einzelnen Leistungen auch an die Parameter der Struktur- und Prozessqualität gebunden werden kann813. Überdies eröffnet der Bewertungsausschuss die Möglichkeit, Zuschläge für Leistungen im hausärztlichen Versorgungsbereich des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes im Falle der Behandlung multimorbider Patienten zu vereinbaren, allerdings nur, wenn diese an mindestens drei chronischen Erkrankungen leiden814. Als Grundlage für diese Zuschläge soll eine auf Landesebene von den regionalen Vertragspartnern festgelegte Liste chronischer Erkrankungen dienen815. Für die Förderung von Leistungen förderungswürdiger Leistungserbringer legt der Bewertungsausschuss in seinen Kriterien fest, dass die regionalen Vertragspartner Leistungserbringer in Planungsbereichen fördern können, in denen nach § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit droht oder aber nach § 100 Abs. 3 SGB V festgestellt worden ist, dass ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf besteht816. Darüber hinaus stellt der Bewertungsausschuss klar, dass es keine Voraussetzung für die Förderung von Leistungen förderungswürdiger Leistungserbringer darstellt, dass die jeweilige Leistung auch selbst förderungswürdig ist817. Die regionalen Vertragspartner sind zudem durch den Bewertungsausschuss angehalten, die durchgeführten Maßnahmen, die sowohl der Förderung einzelner Leistungen als auch der Förderung von
810
§ 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 9. 811 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. 812 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. 813 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. Strukturqualität meint die Ausgangsvoraussetzungen für die Leistungserbringung, wie etwa die personelle, finanzielle und technische Ausstattung; Prozessqualität bezieht sich auf den Leistungserbringungsprozess, vgl. BT-Drs. 14/5661, S. 57; Harney/Huster/Recktenwald, MedR 2014, S. 277, dort Fn. 75; Vießmann, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 135a SGB V Rn. 4 f. 814 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. 815 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. 816 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. 817 Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572.
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Leistungen förderungswürdiger Leistungserbringer dienen, nach angemessener Zeit zu evaluieren818. Mit dieser Vorschrift gibt der Gesetzgeber den regionalen Vertragspartnern zahlreiche Variationen von Vergütungsanreizen an die Hand819, um das gesetzgeberische Ziel der Steuerung des Niederlassungsverhaltens der Vertragsärzte zu erreichen und schafft zugleich ein Instrument zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Vergütung820. Indem die Gesetzesbegründung klarstellt, dass etwaige Zuschläge auf den Orientierungswert zu einer Anhebung der von den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütung führt821, zeigt sich die in sich schlüssige Zielsetzung des Gesetzgebers, der somit nicht nur eine Verlagerung der Gesamtvergütungsanteile anstrebt, sondern tatsächlich auf die Anhebung der Vergütungsmenge abzielt. cc) Zuschlag aufgrund medizinischer Versorgung in Pflegeheimen Durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz)822 vom 23. Oktober 2012 hat der Gesetzgeber den § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V um einen zweiten Halbsatz erweitert823. Danach konnten nach Abschluss der Vereinbarung gemäß § 119b Abs. 2 SGB V befristet für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2015 – so die bis zum 22. Juli 2015 geltende Fassung des § 87a Abs. 2 818
Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg bestimmt etwa für jedes Quartal neu, welche Leistungen sie als besonders förderungswürdig betrachtet, vgl. Übersicht über die besonders förderungswürdigen Leistungen und die Einzelleistungen im 1. Quartal 2016, S. 1 ff., abrufbar unter: https://www. kvbawue.de/praxis/abrechnung-honorar/arzthonorare/einzelleistungen/ (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 819 Es können entweder Zuschläge für Gebiete mit (drohender) Unterversorgung auf besonders förderungswürdige Leistungen (Variante 1), für Gebiete mit (drohender) Unterversorgung auf Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern (Variante 2), für andere Gebiete auf besonders förderungswürdige Leistungen (Variante 3) oder für andere Gebiete auf Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern (Variante 4) vereinbart werden, vgl. § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. Variante 4 wird allerdings durch die Kriterien des Bewertungsausschusses ausgeschlossen, da er vorgibt Zuschläge auf Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern nur in (drohend) unterversorgten und nicht in anderen Gebieten zu vereinbaren, vgl. Beschluss des Bewertungsausschusses, DÄ 2012, S. 572. 820 BT-Drs. 17/6906, S. 62. Vgl. auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2; Wasem, in: Halbe, Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG, S. 100. 821 BT-Drs. 17/6906, S. 62. Vgl. auch: Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87a SGB V Rn. 6. Vgl. auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2, der zur Finanzierung der Zuschläge nicht nur die Möglichkeit der Anhebung der Gesamtvergütung, sondern auch die Ausweisung als extrabudgetäre Einzelleistungsvergütung erkennt. Zur Finanzierung von Zuschlägen, vgl. auch: BSGE 111, 114 (125). 822 BGBl. I 2012, S. 2246 (2260). 823 Vgl. auch: Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87a SGB V Rn. 6a; Hibbeler, DÄ 2014, S. A 386; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 12.
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S. 3 HS. 2 SGB V – Zuschläge auch in weiteren Fällen von den regionalen Vertragspartnern vereinbart werden. Nach Nummer 1 kann dies zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen erfolgen. Nummer 2 lässt darüber hinaus eine Förderung von Kooperationsverträgen gemäß § 119b Abs. 1 S. 1 SGB V824 zu. Ziel dieser zusätzlichen Förderungsmöglichkeit ist es, dauerhaft die medizinische Versorgung in Pflegeheimen zu stärken und aufgrund dessen zum einen die Hausbesuchstätigkeit bei Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen, insbesondere durch Vertragsärzte, die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, und zum anderen den Abschluss von Kooperationsverträgen zu fördern825. Die regionalen Vertragspartner können dafür – in Anlehnung an § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V – sowohl Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen als auch für besonders förderungswürdige Leistungserbringer vereinbaren826. Anders als nach Halbsatz 1, welcher die Zuschläge auf den Orientierungswert nur auf der Grundlage von durch den Bewertungsausschuss festzulegenden Kriterien zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten zulässt, sind für die Vereinbarung der Zuschläge nach Halbsatz 2 Kriterien des Bewertungsausschusses nicht notwendig827. Vielmehr ist zur medizinischen Versorgung in Pflegeheimen die Erarbeitung einer Vereinbarung der Bundesmantelvertragspartner nach § 119b Abs. 2 SGB V828 für eine teamorientierte haus- und fachärztliche Betreuung von Bewohnern in stationären Pflegeheimen vorgesehen, die eine zwingende Grundlage829 für die Zahlung von Zuschlägen ist830. In einer solchen bundesweit geltenden Vereinbarung sollen konkret die Anforderungen, Aufgaben und Qualitäts- bzw. Versorgungsziele sowie Regelungen zur Vergütung festgelegt werden831. 824
Nach § 119b Abs. 1 S. 1 SGB V sollen stationäre Pflegeeinrichtungen einzeln oder gemeinsam bei entsprechendem Bedarf Kooperationsverträge mit dafür geeigneten vertragsärztlichen Leistungserbringern schließen, vgl. BGBl. I 2015, S. 2114 (2116). 825 BT-Drs. 17/9369, S. 55. Vgl. auch: Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87a SGB V Rn. 2. 826 BT-Drs. 17/9369, S. 55. 827 BT-Drs. 17/9369, S. 55. 828 Nach § 119b Abs. 2 SGB V vereinbaren die Vertragsparteien der Verträge nach § 82 Abs. 1 SGB V (für Vertragszahnärzte) und § 87 Abs. 1 SGB V (für Vertragsärzte) bis spätestens 30. September 2013 im Benehmen mit den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene insbesondere zur Verbesserung der Qualität der Versorgung Anforderungen an eine kooperative und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen, vgl. BGBl. I 2012, S. 2246 (2260). 829 Vgl. auch: § 1 Abs. 1 S. 2 der Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeheimen – Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag, Stand: Dezember 2013, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Anlage_27_119b_SGBV.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 830 BT-Drs. 17/9369, S. 55. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 12. 831 BT-Drs. 17/9369, S. 55.
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Als Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2014832 die erforderliche Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeheimen getroffen833. Die in § 1 der Vereinbarung geregelten Ziele umfassen etwa die Einhaltung von Mindeststandards der pflegerischen Versorgung, die Erfüllung der personellen Ausstattung sowie die Qualitätssicherung und Entwicklung (Absatz 5). Darüber hinaus soll es zu einer multiprofessionellen Zusammenarbeit durch strukturierte Prozesse für einen funktionierenden Informationsaustausch im Wege von Visiten, festen Ansprechpartnern und vereinbarten Sprechzeiten kommen (Absatz 6). Überdies sind die unnötige Inanspruchnahme von Leistungen des Bereitschafts- und des Rettungsdienstes zu vermeiden (Absatz 7), Krankenhausaufenthalte zu reduzieren, Arzneimitteltherapien zu koordinieren sowie eine indikationsgerechte Heil- und Hilfsmittelversorgung anzustreben (Absatz 8). Zur Erreichung dieser Ziele soll der Hausarzt eine zentrale Rolle in der Koordinierung der medizinischen Versorgung spielen (§ 2). Aufgaben der Fachärzte sind die Kooperation mit den Hausärzten, etwa bei Änderung des Befundes durch schriftliche Information des Hausarztes, und regelmäßige Besuche der stationären Pflegeheime (§ 3). Überdies gibt die Vereinbarung Vorgaben zu der Zusammenarbeit der kooperierenden Vertragsärzte (§ 4), zur Zusammenarbeit zwischen den kooperierenden Vertragsärzten und den stationären Pflegeeinrichtungen (§ 5) und sie gibt Empfehlungen für die Gestaltung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung von Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen (§ 6). Die Vereinbarung legt darüber hinaus in § 7 Regelungen zur Vergütung fest, die nach Absatz 1 die zwingende Einhaltung der Vereinbarung als Voraussetzung für Zuschläge, nach Absatz 2 die Zugrundelegung von Art und Umfang der in den Kooperationsverträgen vereinbarten vertragsärztlichen Leistungen bei der Ausgestaltung der Vergütungsregelungen und in Absatz 3 die Kennzeichnung der Zuschläge auf den Orientierungswert betreffen. Die Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V weist eine Fülle an Vorgaben auf, wobei sich die Frage stellt, ob die Hürde für Vereinbarungen von regionalen Zuschlägen möglicherweise zu hoch gesetzt ist834. Eher weniger förderlich erschien 832 Die Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V gilt auch mit Wirkung zum 1. Januar 2016 in gleicher Form als Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag weiter. Sie kann nach § 9 der Vereinbarung von der Kassenärztlichen Vereinigung und dem GKV-Spitzenverband mit einer Frist von sechs Monaten zum Schluss des Kalenderjahres gekündigt werden. 833 Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGBV zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeheimen – Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag, Stand: Dezember 2013, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/An lage_27_119b_SGBV.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 834 Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin sei etwa nicht an der Vereinbarung von Zuschlägen nach § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V interessiert, da bisherige Projekte auf anderer Grundlage, z. B. nach § 73c SGB V, funktionierten, vgl. Hibbeler, DÄ 2014, S. A 386. Die Bestimmung des § 73c SGB V ermöglichte den Krankenkassen bis zum 22. Juli 2015, zur
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insoweit die zeitliche Befristung der Regelung für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2015835. Denn Grundlage für die Entscheidung, ob die Regelung fortgeführt wird, war die Evaluierung des Institutes des Bewertungsausschusses nach § 119b Abs. 3 SGB V836. Das Institut hatte der Bundesregierung bis zum 31. August 2015 über die Ergebnisse zu berichten837. Grundlage der Evaluierung waren allerdings die bis zum 1. Juli 2014 von den regionalen Vertragspartnern zur Verfügung gestellten Regelungen zur kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen oder die Kooperationsverträge nach § 119b Abs. 1 S. 1 SGB V838. Somit blieben von Januar 2014, dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V, bis Juli 2014, der Abgabe der Daten an das Institut des Bewertungsausschusses, nur sieben Monate, um eine Einschätzung zu erlangen. Der Gesetzgeber hat das Problem der zu kurzen Anwendungszeitspanne der Vorgaben nach § 119b Abs. 2 SGB V und der dadurch verringerten Möglichkeit, Zuschläge aufgrund medizinischer Versorgung in Pflegeheimen zu vereinbaren, erkannt und durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz839 vom 16. Juli 2015 zum einen die Frist in § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V zur Vereinbarung von Zuschlägen vom 31. Dezember 2015 auf den 31. Dezember 2016 erweitert840 und zum anderen die Frist der Evaluierung des Instituts des Bewertungsausschusses vom 31. August 2015 bis zum 31. August 2016 verlängert841. Damit bezweckte der Gesetzgeber dem Institut des Bewertungsausschusses die Gelegenheit zu geben, eine sachgerechte Evaluierung der auf der Grundlage der abgeschlossenen Vereinbarung möglichen Zahlung von Zuschlägen vorzunehmen842. Über die Anpassung der Fristen im SGB V hinaus, hätte aber auch die Frist in § 8 Abs. 3 der Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V angepasst werden müssen: Danach sind die für die Evaluation erforderlichen besonderen ambulanten Versorgung mit Vertragsärzten Einzelverträge abzuschließen, vgl. BGBl. I 2013, S. 3108 (3110). Zur Streichung des § 73c SGB V aufgrund der Bündelung der Vertragskompetenzen der Krankenkassen in einem neu gefassten § 140a SGB V durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, vgl. BGBl. I 2015, S. 1211 (1217); BT-Drs. 18/4095, S. 86, 126 ff.; Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2016, S. 10. 835 § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V a.F. Vgl. auch: Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87a SGB V Rn. 12. 836 BT-Drs. 17/9369, S. 55 f. 837 § 119b Abs. 3 S. 1 SGB V in der Form des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes vom 23. Oktober 2012, BGBl. I 2012, S. 2246 (2260 f.). 838 § 8 Abs. 2 und Abs. 3 der Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeheimen – Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag, Stand: Dezember 2013, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Anlage_27_119b_SGBV.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 839 BGBl. I 2015, S. 1211 ff. 840 BGBl. I 2015, S. 1211 (1220). 841 § 119b Abs. 3 S. 1 SGB V n.F., vgl. BGBl. I 2015, S. 1211 (1228). 842 BT-Drs. 18/4095, S. 114.
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Regelungen zur kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen bzw. die Kooperationsverträge nach § 119b Abs. 1 S. 1 SGB V von den Partnern der Gesamtverträge über die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen noch bis zum 1. Juli 2014 an das Institut des Bewertungsausschusses weiterzuleiten843. Möglicherweise ist die Regelung des § 8 Abs. 3 der Vereinbarung jedoch obsolet, da der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz844 vom 16. Juli 2015 in den Satz 2 des § 119b Abs. 3 SGB V – allgemein und ohne entsprechende Frist – einen neuen Halbsatz 1 eingefügt hat845. Nach § 119b Abs. 3 S. 2 SGB V a.F.846 waren die für die Durchführung der Evaluation erforderlichen Daten von den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Krankenkassen und den Pflegekassen zu erfassen und jeweils über die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Spitzenverband Bund der Pflegekassen an das Institut zu übermitteln. Durch das am 8. Dezember 2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz847 wurde festgelegt, dass die Regelung des § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V nur noch als Übergangsregelung bis zum 31. März 2016 dient und langfristig die Einführung einer gezielten Vergütung von kooperativen und koordinierten ärztlichen Leistungen in Kooperationsverträgen, die den Anforderungen nach § 119b Abs. 2 SGB V entsprechen, auf eine spezielle gesetzliche Grundlage in einem neu eingefügten § 87 Abs. 1b SGB V gestellt werden, um diese Leistungen sachgerecht bereits im Einheitlichen Bewertungsmaßstab abzubilden und zu bewerten848. Im Ergebnis wird – so die Gesetzesbegründung zum Hospiz- und Palliativgesetz – die Möglichkeit, spezifische regionale Zuschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, gestrichen849. Davon unberührt bleibt jedoch die allgemeine Möglichkeit, Zuschläge auf den Orientierungswert für besonders förderungswürdige Leistungen – wie Haus- und Heimbesuche – und für besonders zu fördernde Leistungserbringer zu vereinbaren850. 843 § 8 Abs. 2 und Abs. 3 der Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeheimen – Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag, Stand: Dezember 2013, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Anlage_27_119b_SGBV.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 844 BGBl. I 2015, S. 1211 ff. 845 BGBl. I 2015, S. 1211 (1228). 846 In der Form des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16. Juli 2015, vgl. BGBl. I 2015, S. 1211 (1228). Durch das Hospiz- und Palliativgesetz vom 1. Dezember 2015, vgl. BGBl. I 2015, S. 2114 (2116), wurde der § 119b Abs. 3 S. 2 SGB V – allerdings ohne erkennbare Begründung – dahingehend geändert, dass nun die erforderlichen Daten nicht mehr an das Institut des Bewertungsausschusses, sondern an den Bewertungsausschuss selbst, und überdies nicht mehr über den Spitzenverband Bund der Pflegekassen weitergeleitet werden. 847 BGBl. I 2015, S. 2114 ff. 848 BT-Drs. 18/5170, S. 26 ff. 849 BT-Drs. 18/5170, S. 32. 850 BT-Drs. 18/5170, S. 32.
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Darüber hinaus erfolgt die Evaluierung der mit den veränderten Vergütungsregelungen verbundenen Auswirkungen bis zum 31. Dezember 2017 durch den Bewertungsausschuss851. dd) Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung Bei der regionalen Vereinbarung von Zu- oder Abschlägen ist nach § 87a Abs. 2 S. 4 SGB V zu gewährleisten, dass die medizinisch notwendige Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. Der Gesetzgeber folgert aus dieser Vorgabe, dass in den regionalen Vereinbarungen über die konkrete Höhe der Zu- oder Abschläge auf den bundeseinheitlichen Orientierungswert eine Abwägung stattfindet852. Im Rahmen dieser Abwägung soll die Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung der Versicherten als untere Grenze des Beurteilungsermessens der Vertragspartner gelten853. Zunächst liegt die Annahme nahe, diese Begrenzung des Ermessensspielraums der Vertragspartner käme nur dann zur Anwendung, wenn Abschläge auf den Orientierungswert vereinbart werden. Schließlich würden dann Vergütungsanreize auf bestimmte Leistungen ins Gegenteil verkehrt und es bestünde die Möglichkeit, dass Vertragsärzte diese Leistungen weniger initiierten und dadurch die Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung der Versicherten gefährdeten. Da sich tatsächlich die Vereinbarung von Abschlägen auf den Orientierungswert verhandlungspolitisch als kaum realisierbar erweist, ist die Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung bei der Vereinbarung von Abschlägen von geringerer Relevanz. Die gesetzgeberische Abwägungsschranke könnte allerdings dann an Bedeutung gewinnen, wenn nicht Abschläge, sondern Zuschläge nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V von den regionalen Vertragspartnern vereinbart werden. Für Zuschläge nach Absatz 2 Satz 2 stellen die Krankenkassen gerade keine zusätzliche Vergütung zur Verfügung. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit der Möglichkeit nach § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V, regionale Zuschläge auf besonders förderungswürdige Leistungen oder Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung dieser Regelung klargestellt, dass aus der Möglichkeit, für bestimmte Leistungen Zuschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, eine ausgabenwirksame Anhebung der von Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütung resultiert854. Eine Anhebung der Gesamtvergütungsmenge hat der Gesetzgeber jedoch für die Möglichkeit, Zuschläge auf den Orientierungswert nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V zu 851
§ 119b Abs. 3 S. 1 SGB V. BT-Drs. 16/3100, S. 120. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 19. 853 BT-Drs. 16/3100, S. 120. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 19; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87a SGB V Rn. 7; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 23. 854 BT-Drs. 17/6906, S. 62. 852
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vereinbaren, nicht festgestellt855. Daher könnte sich in diesem Zusammenhang bei der Vereinbarung eines Zuschlags für bestimmte Leistungen, etwa zur Berücksichtigung regionaler Kosten- und Versorgungsstrukturen, als zwingende Folge eine zu geringe Vergütungsmenge für andere Leistungen ergeben und dadurch die Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung nicht mehr gewährleistet werden. Jedoch erscheint auch diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich, sodass der Gesetzgeber wohl lediglich deklaratorisch auf den bereits in § 72 SGB V konstituierten Grundsatz der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung hinweisen wollte.
3. Zwischenergebnis Mit der regionalen Euro-Gebührenordnung verfolgt der Gesetzgeber grundsätzlich vier Ziele. Durch die Einführung der regionalen Euro-Gebührenordnung als neues Verteilungsinstrument wollte der Gesetzgeber feste Preise statuieren und die Vergütung der Vertragsärzte so zumindest grundsätzlich an diesen ausrichten. Mithin war es das Ziel, das vertragsärztliche Honorar kalkulierbarer zu machen und den Ärzten einen Zuwachs an Kalkulationssicherheit zu gewährleisten. Überdies ist es das Anliegen des Gesetzgebers, den rechtlichen Spielraum der regionalen Vertragspartner auszubauen und damit ihren Gestaltungsspielraum zu erweitern. Darüber hinaus verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, das Niederlassungsverhalten der Vertragsärzte zu steuern. Schließlich bezweckt der Gesetzgeber insbesondere durch die Re-Regionalisierung, das vertragsärztliche Vergütungssystem zu vereinfachen. Über die Ziele hinaus, die der Gesetzgeber allgemein mit der regionalen EuroGebührenordnung statuiert, verfolgt er durch die drei verschiedenen Arten, regionale Zuschläge – in einem Fall auch Abschläge – auf den Orientierungswert zu vereinbaren, weitere Ziele. Zunächst wird bezweckt, unter den Vertragsärzten eine vergütungsrechtliche Chancengleichheit herzustellen, damit sich Umstände, auf welche Vertragsärzte keinen Einfluss haben, nicht negativ auf ihre Vergütung niederschlagen. Darüber hinaus soll durch die Zu- und Abschläge das Niederlassungsverhalten der Vertragsärzte gesteuert werden. Letztlich ist es das Ziel, dauerhaft die medizinische Versorgung in Pflegeheimen zu stärken und aufgrund dessen einerseits die Hausbesuchstätigkeit bei Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen und andererseits den Abschluss von Kooperationsverträgen zu fördern. Der Gesetzgeber verfolgt insbesondere die Ziele, die er mit den regionalen Zuund Abschlägen bezweckt, auf unterschiedliche Weise. Die drei verschiedenen Arten, Zu- und Abschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, unterscheiden 855
Die ausgabenwirksame Anhebung wird in der Gesetzesbegründung lediglich „zu Nummer 23 Buchstabe b Doppelbuchstabe dd“ angesprochen. Die Änderungen des Doppelbuchstaben dd betreffen allerdings ausschließlich die Änderungen des derzeitigen Satzes 3 Halbsatz 1 des § 87a Abs. 2 SGB V und gerade nicht die Zu- oder Abschläge nach Satz 2 des § 87a Abs. 2 SGB V, vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 17, 62.
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sich zum einen im Hinblick auf die an sie gesetzten parlaments- und untergesetzlichen Anforderungen und zum anderen darin, ob für ihre Festsetzung eine über die Gesamtvergütung hinausgehende Mehrvergütung durch die Krankenkassen vorgesehen ist. Dabei hat der Gesetzgeber zunächst das System für Zu- oder Abschläge, insbesondere aufgrund regionaler Besonderheiten in der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V, so ausgestaltet, dass sich die regionalen Vertragspartner an keine weiteren, als an die gesetzlichen Voraussetzungen halten müssen. Dafür stehen den Vertragspartnern auf regionaler Ebene aber auch keine Mehrvergütungen durch die Krankenkassen für die Zuschläge zur Verfügung. Anders ist dies hingegen für die Möglichkeit, regionale Zuschläge nach § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V für besonders förderungswürdige Leistungen oder Leistungen von besonders förderungswürdigen Leistungserbringern, insbesondere in (drohend) unterversorgten Gebieten, zu vereinbaren. Dafür sieht der Gesetzgeber ausdrücklich eine Mehrvergütung durch die Krankenkassen vor, sodass der Charakter der regionalen Zuschläge als Vergütungsanreiz noch deutlicher hervortritt. Demgegenüber hat der Gesetzgeber für diese Art von Zuschlägen aber auch höhere Maßstäbe gesetzt, indem er deren Vereinbarung an das Zugrundelegen der Kriterien des Bewertungsausschusses zur Verbesserung der Versorgung koppelt856. Wiederum anders verfährt er mit der Möglichkeit, Zuschläge zur Förderung von kooperativer und koordinierter ärztlicher und pflegerischer Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen oder zur Förderung von Kooperationsverträgen zu vereinbaren. Denn dort setzt der Gesetzgeber durch die Koppelung an den Abschluss einer Vereinbarung nach § 119b Abs. 2 SGB V – zumindest derzeit noch – hohe Voraussetzungen für die Festsetzung von Zuschlägen auf den Orientierungswert857. Darüber hinaus wird derzeit noch nicht – anders als bei den Zuschlägen für besonders förderungswürdige Leistungen und Leistungserbringer – eine über die sonstige Gesamtvergütung hinausgehende Mehrvergütung für die Zuschläge nach § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V zur Verfügung gestellt. Somit werden an die Zuschläge zur Förderung der Versorgung Versicherter in stationären Pflegeheimen und zur Förderung von Kooperationsverträgen einerseits hohe Voraussetzungen gesetzt, andererseits wird dafür aber keine Mehrvergütung bereitgestellt. Vor dem Hintergrund der Änderungen, die aufgrund des Hospiz- und Palliativgesetzes858 vom 1. Dezember 2015 ab dem 1. April 2016 vollzogen werden, bleibt die Anwendung der Zuschläge zur Förderung von kooperativer und koordinierter ärztlicher und pflegerischer Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen oder zur Förderung von Kooperationsverträgen auf regionaler Ebene fraglich.
856 857 858
§ 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V. BGBl. I 2015, S. 2114 ff.
IV. Ergebnis
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IV. Ergebnis Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht wird im Wesentlichen gesteuert durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab auf Bundesebene sowie auf regionaler Ebene durch die Honorarverteilungsmaßstäbe und die regionalen Euro-Gebührenordnungen. Diese Steuerungselemente werden auf untergesetzlicher Ebene durch die gemeinsame Selbstverwaltung vereinbart. Der Bundesgesetzgeber hat in Ausgestaltung dieser Honorarverteilungsinstrumente im SGB V in den §§ 87 ff. ein System geschaffen, welches den Selbstverwaltungspartnern grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum für die vertragsärztliche Honorarverteilung eröffnet. Der Gesetzgeber hat vor allem durch seine jüngeren Gesetzesänderungen explizit gesetzliche Möglichkeiten geschaffen, die auf allen Ebenen der Selbstverwaltungstätigkeit Gestaltungsfreiheiten und Flexibilisierungen bei der vertragsärztlichen Honorarverteilung hervorbringen. Damit überlässt der Bundesgesetzgeber den untergesetzlichen Normgebern im Rahmen der gemeinsamen Selbstverwaltung die Verantwortung, das Honorar leistungsproportional und gerecht an die Vertragsärzte zu verteilen. Trotz des weiten Gestaltungsspielraumes der Selbstverwaltungspartner greift der Gesetzgeber jedoch sowohl im Rahmen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes und der Honorarverteilungsmaßstäbe als auch hinsichtlich der regionalen Euro-Gebührenordnungen punktuell ein und beschränkt den Freiraum durch eigene, oft zwingende Gestaltung der Honorarverteilung. Zumeist ist ein Eingreifen des Gesetzgebers damit verbunden, allgemeine Ziele der Honorarverteilung zugunsten der Vergütung der Vertragsärzte sowie zugunsten der Versorgung der Versicherten durchzusetzen. Im Ergebnis ist in den §§ 87 ff. SGB V ein System entstanden, welches geprägt durch stetige gesetzgeberische Veränderung, die Eckpfeiler der Honorarverteilung setzt und die Voraussetzungen festschreibt, welche an die Selbstverwaltungspartner auf unterschiedlichen Ebenen bei der Ausgestaltung der untergesetzlichen Honorarverteilung zu stellen sind.
C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht I. Normative Wirkung vertragsärztlicher Verteilungsinstrumente 1. Rechtsnormcharakter des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes Für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab, der nach § 87 Abs. 2 S. 1 HS. 1 SGB V den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt, ist spätestens seit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 20041 die Frage danach, ob dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab Rechtsnormcharakter durch vertragliche Normsetzung2 beigemessen werden kann, geklärt3. Die normative Wirkung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes wird zunächst damit begründet, dass er „als Bestandteil des Bundesmantelvertrages“ vereinbart wird4 und mithin an dessen normativer Wirkung teilhat5. Zudem kommt dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab bereits originär die Wirkung eines Normsetzungsvertrages zu. Durch den Bewertungsausschuss, besetzt mit Vertretern der Kollektivorgane – der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und 1
BSGE 94, 50 (Leitsatz 2, 73). Zur Normsetzungsbefugnis der Partner der vertragsärztlichen Kollektivverträge, vgl. Rompf, VSSR 2004, S. 281 ff. 3 Vgl. BSGE 71, 42 (45 f., 48); 78, 70 (75); 191 (196); 79, 239 (245); 81, 86 (89); 83, 218 (219); 84, 247 (251); 88, 126 (133); 89, 259 (263); 90, 61 (63); 111, 114 (116); BSG, SozR 4 – 2500 § 75 Nr. 13 Rn. 26. Siehe auch: BVerfG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 6 Rn. 13, 18; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 15; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 445; Engelmann, NZS 2000, S. 7; Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 450; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 255; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 585; Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 4; Sasse, in: Orlowski/Rau/Wasem/Zipperer, SGB V, § 87 SGB V Rn. 15; Wahl, MedR 2003, S. 570; Weinrich, in: Berchtold/Huster/ Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 9. Zum Rechtsnormcharakter eines vom erweiterten Bewertungsausschuss beschlossenen Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, vgl. BSGE 71, 42 (49). 4 § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V. 5 BSGE 71, 42 (48); 78, 191 (196); Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 138; Brockmann, Ambulante Krankenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigungen?, S. 94. 2
I. Normative Wirkung vertragsärztlicher Verteilungsinstrumente
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dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen –, werden Rechte und Pflichten Dritter begründet, die nicht am Vertragsschluss beteiligt sind6. Indem die Vertragspartner durch die Festlegung eines Leistungsverzeichnisses und dessen Punkteverhältnis bestimmen, welche Leistungen ein Vertragsarzt im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen kann und auf welche Leistungen die gesetzlich Versicherten regelmäßig einen Anspruch haben, werden die Rechte der nicht am Vertragsschluss beteiligten Vertragsärzte und der Versicherten bestimmt und gleichzeitig beschränkt7. Ferner ergeht der Einheitliche Bewertungsmaßstab nicht als Verwaltungsakt, sondern in einem auf die Schaffung von untergesetzlichen Rechtsnormen ausgerichteten Verfahren8. Das Verfahren zum Beschluss des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes ergibt sich in erster Linie aus den Vorschriften zur Zusammensetzung des Bewertungsausschusses9, dem Erfordernis der Übereinstimmung aller Mitglieder des Bewertungsausschusses10 und den Regelungen über den erweiterten Bewertungsausschuss, der zum Zuge kommt, sobald es an einem übereinstimmenden Beschluss fehlt11. Auch die Festsetzungen durch den erweiterten Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 5 S. 1 SGB V hat – sogar mittels gesetzlicher Anordnung – „die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB V“12 und damit Rechtsnormcharakter13.
2. Rechtsnormcharakter des Honorarverteilungsmaßstabes Der Honorarverteilungsmaßstab wird nach § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt und bei der Verteilung der vereinbarten Gesamtvergütung an die Vertragsärzte angewendet. Die Rechtsnatur des Honorarverteilungsmaßstabes ist damit zwar nicht ausdrücklich geregelt, der Wortlaut des § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V legt allerdings bereits durch den Begriff der „Festsetzung“ den hoheitlichen Erlass des Honorarverteilungsmaßstabes als Satzung nahe14, wo6 BSGE 78, 70 (75); 191 (196); 79, 239 (245); 81, 86 (89); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 445. 7 Engelmann, NZS 2000, S. 3; Wahl, MedR 2003, S. 570. 8 BSGE 71, 42 (46). 9 § 87 Abs. 3 SGB V. 10 § 87 Abs. 4 S. 1 SGB V. 11 § 87 Abs. 4 und Abs. 5 S. 1 SGB V. 12 § 87 Abs. 5 S. 2 SGB V. In § 82 Abs. 1 SGB V ist die Vereinbarung des Bundesmantelvertrages geregelt, der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart wird. 13 BSGE 90, 61 (62 f.); 111, 114 (116, 121); Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 9; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 329, 331; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 54; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 21. 14 Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 225.
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C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung
durch er auch gegenüber den Vertragsärzten Rechtswirkung entfaltet. Im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2011 wurde die Honorarverteilung jedoch in Honorarverteilungsverträgen geregelt15. Vor dieser vertraglich dominierten Phase bis zum Jahre 2004 war die Rechtsnatur des Honorarverteilungsmaßstabes bereits einheitlich als Satzung16 und mithin als Akt autonomer Rechtssetzung17 anerkannt worden. Da die Neuregelung in Bezug auf den Honorarverteilungsmaßstab – auch dem Wortlaut nach18 – eine identische Situation mit der bis zum Jahre 2004 andauernden Phase wiederherstellen wollte und insoweit auch herstellt, ist davon auszugehen, dass die Rechtsform, anders als der kurzzeitig vorherrschende Normenvertrag19, nun wieder die einer Satzung ist20.
3. Rechtsnormcharakter der regionalen Euro-Gebührenordnung Die Punktwerte der regionale Euro-Gebührenordnung werden nach § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V auf der Grundlage des bundeseinheitlichen Orientierungswertes von der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich durch Zu- oder Abschläge auf den Orientierungswert vereinbart. Der dieser Vereinbarung zugrunde liegende Orientierungswert wird nach § 87 Abs. 2e i.V.m. Abs. 1 S. 1 SGB V vom Bewertungsausschuss festgelegt. Die Bestimmung des § 87a Abs. 2 S. 5 SGB V regelt allerdings nicht ausdrücklich, wer die regionale Euro-Gebührenordnung erstellt. Aus dem Gesamtkontext des § 87a Abs. 2 SGB V, dessen Satz 1 die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen zur Vereinbarung der regionalen Punktwerte beauftragt, ist jedoch erkennbar, dass der
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Siehe dazu bereits im Abschnitt B. II., S. 95 ff. BSGE 75, 37 (39); 92, 10 (11); 233 (234); 93, 258 (260); 96, 53 (58). 17 BSGE 22, 218 (219); 29, 111 (113); 75, 37 (39); 92, 233 (234); 93, 258 (260); 94, 50 (64). Vgl. auch: Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176. 18 § 85 Abs. 4 S. 2 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2633), lautete: „Sie wendet dabei den im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an.“ Im § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V heißt es nun: „Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist.“ 19 Zum Honorarverteilungsvertrag als Normsetzungsvertrag, vgl. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 30; Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 225 ff. 20 Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 46; Engelhard, in: Hauck/ Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 43; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 114. 16
II. Vereinbarkeit der Normsetzung mit Art. 20 Abs. 2 GG?
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Gesetzgeber diesen regionalen Vertragspartnern auch die Erstellung der regionalen Euro-Gebührenordnung überlassen wollte21. Den Charakter einer Rechtsnorm erhält die regionale Euro-Gebührenordnung zum einen dadurch, dass sie aus den selbst Rechtsnormcharakter besitzenden Bewertungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab gebildet wird, und zum anderen dadurch, dass auch die Festlegung eines regionalen Punktwertes unmittelbar Rechte für die einzelnen Vertragsärzte begründet22. Darüber hinaus wird die regionale EuroGebührenordnung als Teil der Gesamtverträge vereinbart, da diese nach § 82 Abs. 2 S. 1 SGB V die Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte regeln23. Folglich kommt der regionalen Euro-Gebührenordnung schon durch die Vereinbarung in den Gesamtverträgen der Charakter eines Normenvertrages zu24.
II. Vereinbarkeit der Normsetzung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht mit Art. 20 Abs. 2 GG? Der Einheitliche Bewertungsmaßstab, die Honorarverteilungsmaßstäbe und die regionalen Euro-Gebührenordnungen als untergesetzliche Rechtsnormen25 werden von Organen der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht, dem (erweiterten) Bewertungsausschuss26, der Kassenärztlichen Vereinigung und den 21 Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 134; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87a SGB V Rn. 55 f. Siehe auch: Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 30, der klarstellt, dass rechtstechnisch keine Euro-Gebührenordnung durch die Gesamtvertragspartner vereinbart, sondern ausschließlich ein Punktwert festgelegt wird, welcher im Zusammenspiel mit dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab die regionale Euro-Gebührenordnung ergibt. 22 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 138. Vgl. auch: Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87a SGB V Rn. 57. 23 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 135. 24 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn. 135; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87a SGB V Rn. 57. 25 Zur untergesetzlichen Normsetzung, insbesondere zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab und zum Honorarverteilungsmaßstab, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 138 ff.; ders., in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 10 Rn. 29 f. Vgl. allgemein zur untergesetzlichen Normsetzung: Lange, Die Auswirkungen untergesetzlicher Normsetzung auf das Vertragsarztrecht. 26 Zur Frage, ob der (erweiterte) Bewertungsausschuss nur lediglich als Vertragsorgan dient, vgl. ausführlich nachfolgend in diesem Abschnitt II. 1. a), S. 168 ff. Vgl. auch: Reuter/ Volmering/Weinrich, GesR 2015, S. 450; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 147 ff. Ausführlich zum erweiterten Bewertungsausschuss, vgl. etwa: Rompf, in: Liebold/Zalewski, SGB V, § 87 SGB V
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C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung
Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen27 erlassen. Die Normsetzungskompetenz der gemeinsamen Selbstverwaltung war lange Zeit Gegenstand verfassungsrechtlicher Kritik28, bis das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 9. Dezember 200429 klarstellte, dass die Normsetzung durch die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung mit der Verfassung in Einklang steht30. Zudem geht auch das Bundesverfassungsgericht31 von der Normsetzungskompetenz der gemeinsamen Selbstverwaltungspartner aus und stellt damit deren demokratische Legitimation nicht in Frage. Gleichwohl gibt es auch heute noch kritische Stimmen32, Rn. C 87 – 55 f. Im Nachfolgenden werden Ausführungen zum erweiterten Bewertungsausschuss nur dann getätigt, wenn dahingehend rechtliche Besonderheiten bestehen. 27 Die demokratische Legitimation der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen wird nicht explizit aufgeführt, sondern ergibt sich aus den Ausführungen zum Bewertungsausschuss, vgl. dazu nachfolgend in diesem Abschnitt II. 1., S. 168 ff. 28 Kritisch äußerten sich: Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 438 ff., der zwischen steuernden Regelungen – dort bestehe keine Legitimation – und sonstigen Regelungen des EBM – dort werde die fehlende personelle Legitimation kompensiert – differenziert; Wimmer, NZS 1999, S. 116 f.; ders., NZS 2001, S. 291, der sowohl die Ärzte- als auch die Krankenkassenvertreter im Bewertungsausschuss als nicht ausreichend demokratisch legitimiert ansieht. Im Ergebnis keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatten mit unterschiedlicher Begründung: Boerner, Normenverträge im Gesundheitswesen, S. 225 f.; Engelmann, NZS 2000, S. 8; ders., in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 124 f.; Rompf, VSSR 2004, S. 309. 29 BSGE 94, 50 ff. 30 BSGE 94, 50 (Leitsatz 3, 60 f., 76 ff.). Vgl. auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 38; Rixen, GesR 2005, S. 435 ff. 31 Zur Normsetzungskompetenz des Bewertungsausschusses: BVerfG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 6 Rn. 13, 18. Zur Normsetzungskompetenz der Kassenärztlichen Vereinigung: BVerfGE 11, 30 (34); 33, 171 (183 ff.); BVerfG, NZS 1996, 237; BVerfG, SozR 4 – 2500 § 72 Nr. 3. Siehe auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 39. 32 Kritisch in Bezug auf die Legitimation des Bewertungsausschusses: Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 153 ff. Kritisch im Hinblick auf die Legitimation des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen: Mühlhausen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 217a SGB V Rn. 8. Den Bewertungsausschuss als demokratisch legitimiert sieht dagegen: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 63; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87 SGB V Rn. 236; Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 82 SGB V Rn. 23 ff.; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 59 ff. Die verfassungsrechtliche Legitimation der Rechtsetzung durch Kassenärztliche Vereinigungen bejahend: Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 12 Rn. 6. Zur demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses, vgl. etwa: Axer, GesR 2015, S. 194 ff.; Christopeit, Die verfassungsrechtliche Bewertung der Rechtsetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses am Beispiel der Methodenrichtlinien, S. 179 ff.; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 66 ff., 169 ff.; Holzner, SGb 2015, S. 247 ff.; Kingreen, NJW 2006, S. 879 ff.; ders., VVDStRL 70 (2011), S. 176 ff.; Seeringer, Der Gemeinsame Bundesausschuss nach
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welche die Vereinbarkeit der Normsetzung der gemeinsamen Selbstverwaltung mit dem in Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Demokratieprinzip als problematisch ansehen. Das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG fordert die Rückführbarkeit allen staatlichen Handelns auf das Volk33. Indem die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie der Bewertungsausschuss Normen erlassen, üben sie Staatsgewalt aus34, welche somit der demokratischen Legitimation durch das Volk bedarf35. Demokratische Legitimation basiert auf zwei Arten der Legitimation36, der personellen und der sachlich-inhaltlichen, wobei es nicht auf die Form des staatlichen Handelns, sondern auf deren Effektivität ankommt37. Denn personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation stehen in einem Verhältnis von Gleichwertigkeit und Austauschbarkeit38. Es bedarf mithin nicht zwingend der Legitimation durch beide Legitimationsarten, vielmehr muss in
dem SGB V, S. 180 ff.; Vießmann, Die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Entscheidungen nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V, S. 127 ff.; Zimmermann, Der Gemeinsame Bundesausschuss, S. 107 ff. Die demokratische Legitimation der Richtliniensetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses lässt das BVerfG in seinem Beschluss v. 10. 11. 2015 – 1 BvR 2056/12 – juris Rn. 22, im Ergebnis offen; allerdings deutet das BVerfG eine differenzierte Bewertung der Legitimation an, wenn die Regelsetzung unterschiedlich intensiv Angelegenheiten Betroffener oder unbeteiligter Dritter trifft. Siehe dazu etwa: Gassner, NZS 2016, S. 121 ff.; Wallrabenstein, KrV 2015, S. 236 ff.; siehe auch: das anlässlich der Verfassungsbeschwerde erstellte Gutachten von Kluth, Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach § 91 SGB V aus der Perspektive des Verfassungsrechts: Aufgaben, Funktionen und Legitimation. 33 BVerfG, NVwZ 2014, 646 (655 f.). 34 Zum Normenerlass von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 202 ff.; ders., in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 133; Zimmermann, Der Gemeinsame Bundesausschuss, S. 110. Zu einem anderen Ergebnis im Hinblick auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gelangt: Schnapp, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 497 ff. 35 Zu den Anforderungen demokratischer Legitimation für exekutive Normsetzung in der Sozialversicherung, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 293 ff. 36 Von „Legitimationsmodi“ spricht: Axer, in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 134. Zur organisatorisch-personellen und sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation, vgl. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 16 ff., 21 ff. 37 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66 f.); 107, 59 (87); zuletzt etwa: BVerfG, NVwZ 2014, 646 (655 f.). 38 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 295; ders., in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 139 ff.; Böckenförde, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 23; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 170. A.A. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 358 f., der die personelle Legitimation als vorrangig betrachtet.
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C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung
ihrem Zusammenwirken insgesamt ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht werden39.
1. Bewertungsausschuss a) Personelle Legitimation Personell uneingeschränkt legitimiert ist ein Amtsträger dann, wenn er „sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder durch einen seinerseits personell legitimierten Amtsträger oder mit dessen Zustimmung erhalten hat“40; es bedarf folglich einer ununterbrochenen, vom Volk ausgehenden Legitimationskette zwischen Volk und Amtsträger41. Im Hinblick auf die personelle Legitimation des Bewertungsausschusses werden im Wesentlichen vier Kritikpunkte angebracht. Zum einen wird bemängelt, dass auf Seiten der Versichertenvertretung über die Krankenkassen und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Legitimationskette zu sehr ausgedünnt sei42. Zum anderen wird der Legitimation der Kassenärztlichen Vereinigung – und damit erst Recht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung – vorgeworfen, dass, über die Ausdünnung der Legitimationskette hinaus, in einer Kassenärztlichen Vereinigung einerseits verschiedene Untergruppen mit nicht gleichgerichteten, sondern dem Grunde nach gegensätzlichen Interessen zusammengefasst werden43 und damit ein einheitlicher Selbstverwaltungsträger für zum Teil konkurrierende Interessen gebildet wird44, und andererseits nicht alle Untergruppen entsprechend ihrer Anzahl bzw. gar nicht repräsentiert sind45. Zudem wird 39 St. Rspr.: BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66 f.); 107, 59 (87); 130, 76 (124); zuletzt etwa: BVerfG, NVwZ 2014, 646 (655 f.). Vgl. auch: Roters, Die gebotene Kontrolldichte bei der gerichtlichen Prüfung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, S. 80 f.; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 153. 40 Siehe nur: BVerfG, NVwZ 2014, 646 (654 f.). 41 BVerfGE 52, 95 (130); 68, 1 (88); 77, 1 (40); 83, 60 (72 f.); 130, 76 (124); zuletzt etwa: BVerfG, NJW 2014, 1505 (1517); BVerfG, NVwZ 2014, 1306 (1313); Axer, in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 133 f.; Böckenförde, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 16; Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 129; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 78, 153. 42 Wimmer, NZS 1999, S. 116 f.; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 153 f., 80 f. 43 Link/de Wall, VSSR 2001, S. 75 ff.; Wimmer, NZS 2001, S. 291. Vgl. auch: BSGE 94, 50 (61). 44 Vgl. BVerfGE 10, 89 (103); BSGE 94, 50 (61). 45 BSGE 94, 50 (61 f.).
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im Hinblick auf eine Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes durch den erweiterten Bewertungsausschuss – und die damit stimmberechtigten unparteiischen Mitglieder – die Mitwirkung von Nichtbetroffenen an der Normsetzung der gemeinsamen Selbstverwaltung kritisiert46. Der Bewertungsausschuss besteht nach § 87 Abs. 3 S. 1 SGB V aus drei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern und drei vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestellten Vertretern. Somit müssten alle sechs Ausschussmitglieder im Wege einer ununterbrochenen Legitimationskette zum Volk personell legitimiert sein. Umstritten ist jedoch, ob es erforderlich ist, dass die Mitglieder des Bewertungsausschusses selbst legitimiert sein müssen oder ob nicht bereits die Legitimation der Körperschaften, welche die Vertreter bestellen, ausreichend ist47. Anknüpfungspunkt dieser Auseinandersetzung ist die Rechtsnatur bzw. die Funktion des Bewertungsausschusses48. Der Bewertungsausschuss ist zutreffend nicht selbst als das normsetzende Organ anzusehen, vielmehr fungiert er lediglich als Vertragsorgan49, dem keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt50. Sein Handeln wird den Partnern der Bundesmantelverträge als ihr eigenes zugerechnet.51 Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung, die vorgibt, dass zum einen die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch den Bewertungsausschuss einen Einheitlichen Bewer46 Vgl. BSGE 94, 50 (60 f., 79). A.A. Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 60. 47 Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 154 f. 48 Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 126 ff.; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 154 f. 49 BSGE 73, 131 (133); 78, 191 (194); 100, 154 (157); zuletzt etwa: BSGE 111, 114 (121). Vgl. auch: Altmiks, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 24; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 25; Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 126; Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 367; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 584 Fn. 2; Weinrich, in: Berchtold/ Huster/Rehborn, SGB V, § 87 SGB V Rn. 47; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 147 ff. A.A. Schellen, Die Bewertungsausschüsse der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen nach dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz, S. 147 ff., der den Bewertungsausschuss als ein von den Vertragsparteien völlig losgelöstes, selbstständiges gesetzliches Beschlussorgan darstellt. Vgl. auch: Wimmer, NZS 1999, S. 116, der den Bewertungsausschuss als eigene Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X ansieht, ihm aber dennoch den Charakter des „verlängerten Armes der Vertragspartner“ zuspricht. 50 Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 126. 51 Vgl. nur: BSGE 111, 114 (121); Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 126.
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C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung
tungsmaßstab vereinbaren und zum anderen der Einheitliche Bewertungsmaßstab Bestandteil des Bundesmantelvertrages ist52. Darüber hinaus sind die Mitglieder des Bewertungsausschusses auch weisungsgebunden und haben daher keinen – die Eigenständigkeit des Gremiums unterstützenden – wesentlichen Entscheidungsfreiraum53. Stattdessen sind sie als „verlängerter Arm der Vertragspartner“ des Bundesmantelvertrages anzusehen54. Darüber hinaus handelt es sich auch bei dem erweiterten Bewertungsausschuss um ein Vertragsorgan55, dessen Handeln den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages als eigenes zugerechnet wird56. Der „einfache“ und der erweiterte Bewertungsausschuss bilden einen einheitlichen Ausschuss, demnach handelt es sich auch um ein einheitliches Normsetzungsverfahren57. Sie gehen lediglich nach unterschiedlichen Prinzipien vor: Der Bewertungsausschuss entscheidet nach § 87 Abs. 4 S. 1 SGB V nach dem Einstimmigkeitsprinzip, der erweiterte Bewertungsausschuss hingegen fällt seine Entscheidungen gemäß § 87 Abs. 5 S. 1 SGB V nach dem Mehrheitsprinzip58. Daher kommt es nicht auf die demokratische Legitimation der einzelnen Mitglieder des (erweiterten) Bewertungsausschusses, sondern lediglich darauf an, ob die Vertragspartner des Bundesmantelvertrages und damit des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes demokratisch legitimiert sind59. Etwas anderes könnte sich daraus ergeben, dass durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 200760 ein Institut zur Unterstützung des Bewertungs52 § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V. Vgl. auch: Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 126. 53 Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 127; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 48; Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 367. A.A. Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 154, die eine Weisungsgebundenheit aufgrund des mehrheitsentscheidenden Charakters der Beschlüsse des Bewertungsausschusses ablehnt. Vgl. auch: Wimmer, NZS 1999, S. 117. 54 Hencke, in: Peters, SGB V, § 87 SGB V Rn. 4; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87 SGB V Rn. 48; Wimmer, NZS 1999, S. 116. 55 BSGE 111, 114 (121); Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 54; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 20. 56 BSGE 89, 259 (263); Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 54; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 20. 57 BSGE 78, 191 (192); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 326; Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 158. 58 BSGE 78, 191 (192); 90, 61 (63); 94, 50 (74); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 326; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 53. 59 Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 128. 60 BGBl. I 2007, S. 378 (396 f.).
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ausschusses bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eingeführt wurde61 und damit der Charakter des Bewertungsausschusses „als verlängerter Arm der Vertragspartner“ modifiziert wird. Gegen diese Annahme sprechen allerdings die durch den Gesetzgeber in § 87 Abs. 3b und Abs. 5 S. 3 SGB V eingeführten Regelungsmechanismen. Zunächst ist der Bewertungsausschuss verpflichtet dem Institut eine Geschäftsordnung zu geben62, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf63. Im Weiteren sind Träger des Instituts die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen64, somit die Vertragspartner selbst. Zudem bereitet das Institut die Beschlüsse des Bewertungsausschusses nur vor65 und führt so zur Professionalisierung des Entscheidungsverfahrens66. Darüber hinaus arbeitet das Institut dem erweiterten Bewertungsausschuss unmittelbar und nach dessen Weisungen zu67. Damit wird klar, dass das Institut nicht selbst Entscheidungen trifft, sondern lediglich den Prozess der Entscheidungsfindung professionalisiert68. Sollte das Institut seine Aufgaben darüber hinaus nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend der geltenden Vorgaben erfüllen, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Träger oder einen Dritten zur Wahrnehmung der Aufgaben beauftragen69. Aufgrund der engen Verzahnung des Bewertungsausschusses mit dem Institut und aufgrund dessen Trägerschaft durch die Vertragspartner sowie durch die Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit, ist der Charakter des Bewertungsausschusses nicht anders zu beurteilen, sodass es noch immer lediglich der demokratischen Legitimation der Vertragspartner – also der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen – bedarf70. Die Zusammensetzung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der in der gemeinsamen Selbstverwaltung auch die Interessen der Versicherten vertritt, erfolgt in drei Legitimationsschritten. Zunächst wählen in den Sozialversicherungswahlen die Versicherten und die Arbeitgeber die Vertreter ihrer Gruppen in den Verwal-
61
§ 87 Abs. 3b SGB V. § 87 Abs. 3b S. 1 SGB V. 63 § 87 Abs. 3e S. 2 SGB V. 64 § 87 Abs. 3b S. 2 SGB V. 65 § 87 Abs. 3b S. 1 SGB V. 66 BT-Drs. 16/3100, S. 131. 67 § 87 Abs. 5 S. 3 SGB V. 68 Zur fehlenden Regelungskompetenz und nicht vorhandenen Legitimation von durch die Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses gebildeten Arbeitsausschüssen, die im Ergebnis die Entscheidungen des Bewertungsausschusses lediglich vorbereiten können, vgl. BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10 Rn. 11 ff.; SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 11 Rn. 12; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 345 ff. 69 § 87 Abs. 3b S. 3 und 4 SGB V. 70 Ausführlich zum Institut des Bewertungsausschusses, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 360 ff. 62
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tungsrat einer Orts-, Betriebs- oder Innungskrankenkasse71. Im Regelfall setzen sich die Verwaltungsräte je zur Hälfte aus den Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen72. Im Spitzenverband Bund der Krankenkassen wird sodann die Mitgliederversammlung gebildet, indem gemäß § 217b Abs. 3 S. 3 SGB V die Verwaltungsräte oder die Vertreterversammlungen jeweils einen Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber in die Mitgliederversammlung entsenden. Die Mitgliederversammlung wählt im nächsten Schritt den Verwaltungsrat des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen73. Die Zusammensetzung des Selbstverwaltungsorgans der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Vertreterversammlung74, erfolgt vergleichbar in drei Legitimationsschritten. Zunächst werden die nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Vertragsärzte Mitglied in der für ihren Vertragsarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung75. Die Vertragsärzte einer jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung wählen dann nach § 79 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 S. 1 SGB V die Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung als Selbstverwaltungsorgan. Die Mitglieder dieser Vertreterversammlungen wählen daraufhin aus ihren Reihen wiederum die Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung76. Mithin kann sowohl für den Spitzenverband Bund der Krankenkassen als auch für die Kassenärztliche Bundesvereinigung jeweils eine dreiteilige Kette der Legitimation festgestellt werden. Allerdings zeigt sich klar, dass nicht das gesamte Volk als Legitimationssubjekt am Anfang dieser Kette steht, sondern lediglich jeweils eine Betroffenengruppe – die Versicherten und die Vertragsärzte –, d. h. ein Teilvolk bzw. Verbandsvolk77. Somit besteht keine ununterbrochene Legitimationskette vom Amtsträger zum Volk und damit auch keine personelle demokratische Legitimation
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§ 46 Abs. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 3a, § 35a SGB IV. § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Bei den Ersatzkassen erfolgt eine Zusammensetzung nur aus Vertretern der Versicherten, vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV. Zu der Neueinführung eines Absatzes 3a in § 79 SGB V durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, vgl. BT-Drs. 18/4095, S. 92 f.; Stellpflug/Kronenberger, MedR 2015, S. 711 ff. 73 § 217b Abs. 3 S. 2 SGB V. Zur Bildung der Landesverbände der Krankenkassen, vgl. § 207 SGB V, nach dessen Satz 1 in jedem Bundesland die Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen jeweils einen Landesverband der Krankenkassen bilden. Zur demokratischen Legitimation der Rechtsetzung durch Normenverträge vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen wie der Rahmenvereinbarung nach § 39a Abs. 1 S. 1 SGB V, vgl. Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 66 ff. Siehe auch: Axer, SGb 2012, S. 502 f. 74 § 79 Abs. 1 SGB V. 75 § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V. 76 § 80 Abs. 1a SGB V. 77 Vgl. Axer, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 10 Rn. 49 f.; ders., in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 135. 72
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des (erweiterten)78 Bewertungsausschusses79. Doch lässt das Grundgesetz auch andere Formen der Legitimation zu. In der Wasserverbandsentscheidung vom 5. Dezember 200280 hat das Bundesverfassungsgericht eine im Grundsatz anerkannte Form der autonomen Legitimation, die sog. funktionale Selbstverwaltung81, entwickelt. Funktionale Selbstverwaltung bedeutet eine aufgabenbezogene Verwaltung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts ohne fachliche Weisungen und die Bildung der Entscheidungsorgane aus Betroffenen, meist den Mitgliedern82. Für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung ist anerkannt, dass sie das Demokratieprinzip sowohl ergänzt als auch verstärkt und als eine Ausprägung des Prinzips anzuerkennen ist83. Vorliegend ist das Vertragsarztrecht allerdings durch die Besonderheit der sog. gemeinsamen Selbstverwaltung84 geprägt. Hintergrund dieser Prägung sind die sich aus § 72 Abs. 2 SGB V ergebenen gesetzlichen Vorgaben, zum einen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und zugleich eine angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen zu gewährleisten. Im Vertragsarztrecht ist der gemeinsamen Selbstverwaltung gerade dieser durch § 72 Abs. 2 SGB V besonders deutlich werdende Interessengegensatz zwischen dem Sozialleistungsträger – den Krankenkassen –, die den Leistungsempfängern hochwertige Leistungen zu möglichst geringen Preisen zur Verfügung stellen möchten, und dem Erbringer dieser Leistungen – dem Vertragsarzt –, der eine angemessene Leis78
Zu den unparteiischen Mitgliedern des erweiterten Bewertungsausschusses, vgl. in diesem Abschnitt II. 1. b) cc), S. 181 ff. 79 In Bezug auf die Normsetzung der gemeinsamen Selbstverwaltung allgemein, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 298; ders., SGb 2003; ders., in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 95 Rn. 21; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 161. 80 BVerfGE 107, 59 ff. Siehe dazu etwa: Jestaedt, JuS 2004, S. 649 ff. Vgl. auch ausführlich zur Wasserverbandsentscheidung: Köller, Funktionale Selbstverwaltung und ihre demokratische Legitimation. 81 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 33 ff. Ausführlich zur funktionalen Selbstverwaltung, vgl. Klenk, Modernisierung der funktionalen Selbstverwaltung; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung; Köller, Funktionale Selbstverwaltung und ihre demokratische Legitimation, S. 24 ff. 82 Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 9 f. Vgl. auch: Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 33; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 GG Rn. 173 ff. 83 BVerfGE 107, 59 (92). Vgl. auch: Welti, SR 2012, S. 129. Zur Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, vgl. auch: Schnapp, VSSR 2006, S. 191. 84 Ausführlich zur gemeinsamen Selbstverwaltung, vgl. Axer, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 399 ff. m.w.N.; ders., in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 115 ff.; ders., Die Verwaltung 35 (2002), S. 391 ff.; Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 117 ff.; ders., NZS 2000, S. 5 f.; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 177 ff. Siehe auch: Wenner, in: 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt, S. 245 ff.
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tungsvergütung begehrt, inhärent85. Um diesen Interessenkonflikt aufzulösen, sind sowohl die vertragsärztlich tätigen Leistungserbringer86 auf der einen Seite als auch die Krankenkassen auf der anderen Seite gesetzlich angehalten, durch gemeinschaftliches Handeln zusammenzuwirken87. Mithin wird die gemeinsame Selbstverwaltung als „die gemeinschaftliche Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch Sozialversicherungsträger und Leistungserbringer“ definiert88. Daher hat die gemeinsame Selbstverwaltung wenig Ähnlichkeit mit der funktionalen Selbstverwaltung durch autonome Regelungen eigener Angelegenheiten89. Zwar wird durch die betroffenen Versicherten der Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine juristische Person des öffentlichen Rechts90 und durch die betroffenen Vertragsärzte die Kassenärztliche Bundesvereinigung auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts91 gebildet, doch im Vertragsarztrecht wird die Selbstverwaltung darüber hinaus vor allem durch gemeinschaftliches Zusammenwirken der Vertreter der Krankenkassen, die auch Versicherteninteressen vertreten, mit den Vertretern der Vertragsärzte bewirkt92. Diese Lösung des Interessenkonflikts birgt die Besonderheit, dass nicht nur – wie in der funktionalen Selbstverwaltung üblich – die Betroffenen ihre eigenen Angelegenheiten selbst regeln, sondern darüber hinaus die Regelungen auch durch Vertreter zum Teil konträrer Interessen „mit“-normiert werden93.
85 Axer, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 341. Nach einer Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen e.V. (vdek) sind im Jahre 2012 98,85 % der erfassten vertraglichen Festlegungen der gemeinsamen Selbstverwaltung übereinstimmend getroffen worden, vgl. Bertram, ersatzkasse magazin 3/4 2014, S. 20. 86 Nach § 72 Abs. 1 S. 1 SGB V sind dies Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren. Im Folgenden bleibt eine zahnärztliche Betrachtung außen vor und die restlichen aufgelisteten Leistungserbringer werden im Begriff des „Vertragsarztes“ vereint. 87 Vgl. § 72 Abs. 1 S. 1 SGB V. Vgl. dazu auch: Axer, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 341 f. Zum Ausgleich der Interessen im Wege des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, vgl. BSGE 83, 205 (208). 88 Axer, in: Schnapp, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip, S. 115 m.w.N. 89 Axer, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 353; ders., in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 95 Rn. 21 f. 90 Nach § 217a Abs. 2 SGB V ist der Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit eine juristische Person des öffentlichen Rechts, vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 108 Rn. 37, 67. 91 Nach § 77 Abs. 5 SGB V ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit eine juristische Person des öffentlichen Rechts, vgl. bereits Nachweis in diesem Abschnitt, Fn. 90. 92 Vgl. Köhler, VSSR 2008, S. 190, der zwar den Einfluss des Staates auf die gemeinsame Selbstverwaltung immer mehr zunehmen, die Feinsteuerung des Leistungsgeschehens aber noch immer deutlich besser in der Hand der gemeinsamen Selbstverwaltung sieht. Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 84. 93 Vgl. Mühlhausen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 217a SGB V Rn. 4; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 585.
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Der Wasserverbandsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch, über die Anerkennung der Verwaltungsform der funktionalen Selbstverwaltung hinaus, eine allgemeine Aussage über die Ausübung von Staatsgewalt zu entnehmen, indem die Entscheidung klarstellt, das Demokratieprinzip sei „offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt“94. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Beschlüssen die gemeinsame Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht als eine Form der Selbstverwaltung anerkannt95, doch bleibt die Frage, ob die defizitäre personelle demokratische Legitimation der Normsetzung des Bewertungsausschusses als Teil der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht kompensiert werden kann96. aa) Kompensation des personellen Legitimationsdefizits In der Literatur sind mehrere Ansätze zu finden, welche die defizitäre personelle Legitimation der Organe gemeinsamer Selbstverwaltung zu kompensieren versuchen97. Zunächst wird eine Kompensation über das Verbandsvolk angedacht, indem statt einer vom Staatsvolk vermittelten Legitimation die Legitimation durch die Willensbildung der Entscheidungsadressaten als ausreichend anerkannt wird98. Dagegen spricht allerdings, dass das Subjekt demokratischer Legitimation nach den Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 GG nicht das Verbands-, sondern das Staatsvolk darstellt99. Darüber hinaus fehlt es zudem an der Vergleichbarkeit des Verbands- mit dem Staatsvolk, da die Legitimationssubjekte des Grundgesetzes an ein bestimmtes Gebiet geknüpft sind und das Verbandsvolk eine solche Gebietszugehörigkeit nicht
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BVerfGE 107, 59 (91). Vgl. auch: BVerfG, NVwZ 2014, 1306 (1313). Der Beschluss des BVerfG in NJW 2001, 2009, befasst sich mit dem Zulassungsausschuss im Vertragsarztrecht als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung; Der Beschluss des BVerfG in MedR 2005, 285 (286), erkennt die Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen (heute: Spitzenverband Bund der Krankenkassen), in dem Fall eines Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, bedenkenlos an; der Beschluss des BVerfG in NZS 2011, 424 (425), gewährt dem Bewertungsausschuss als Normgeber des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes einen weiten Gestaltungsspielraum. Vgl. auch: Axer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 95 Rn. 21 f. 96 Zur Kompensation fehlender personeller Legitimation des Gemeinsamen Bewertungsausschusses, vgl. Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 172 ff. 97 Vgl. dazu: Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 298 f.; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 172 ff. 98 Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 253 ff.; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 322 ff., 376 ff., 386 ff.; Krebs, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 108 Rn. 93. 99 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 298; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 173; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 376. 95
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aufweist100. Ebenso bestehen Zweifel gegenüber dem Versuch einer Kompensation über eine ausreichende demokratische Binnenstruktur des jeweiligen Selbstverwaltungsträgers101. Das Verbandsvolk stellt gerade nicht das nach der Verfassung geforderte Legitimationssubjekt dar, womit es auf eine demokratische Binnenstruktur des jeweiligen Selbstverwaltungsorgans schon nicht mehr ankommen kann102. Überdies kann eine defizitäre personelle demokratische Legitimation nicht schon aus Sachkundeargumenten und Praktikabilitätsgesichtspunkten103 kompensiert werden, da weder eine bestimmte Sachkunde noch Praktikabilitätsaspekte demokratische Legitimation vermitteln104. Ein weiterer Kompensationsansatz beruht darauf, eine kollektiv personelle Legitimation der Selbstverwaltungsorgane durch Parlamentsgesetz ausreichen zu lassen105. Danach sei der durch Parlamentsgesetz erfolgte Gründungsakt der Selbstverwaltung im Wege der Schaffung der Organisation und der Inpflichtnahme der Mitglieder untrennbar mit der Verleihung demokratischer Teilhaberechte verbunden106. Für die Normsetzung des Bewertungsausschusses als Vertragsorgan hieße dies, dass die gesetzliche Regelung und Ermächtigung nach § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 SGB V ihm gleichzeitig die erforderliche personelle demokratische Legitimation verleiht. Jedoch ist gegen diese Annahme einzuwenden, dass das Parlament durch Gesetz nicht von den verfassungsrechtlichen Vorgaben befreien kann107. Darüber hinaus bedarf eine individuelle Legitimation stets der individuellen Bestellung des jeweiligen Amtswalters108, welche die kollektiv personelle Legitimation durch Parlamentsgesetz außer Acht ließe. bb) Verfassungsrechtlich zulässige Abweichung vom Erfordernis personeller Legitimation Die defizitäre personelle demokratische Legitimation der Organe gemeinsamer Selbstverwaltung könnte allerdings unbeachtlich sein, wenn es die Verfassung selbst erlauben würde, für die exekutive Normsetzung von den demokratisch-legitimato-
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Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 173. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 386 ff. 102 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 298. 103 So aber etwa: Clemens, NZS 1994, S. 342. 104 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 298. Siehe auch Kritik bei: Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 587 ff. 105 Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 376 ff. 106 Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 377. 107 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 299; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 172 f. 108 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 299; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 172 f. 101
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rischen Voraussetzungen nach Art. 80 Abs. 1 GG abzuweichen109. Eine solche Annahme könnte sich aus Art. 87 Abs. 2 GG ergeben. Danach werden als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt110. Als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts werden hingegen die sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt111. Der Wortlaut der Verfassungsvorschrift, insbesondere der Begriff der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, trifft weder im Positiven noch im Negativen eine Aussage darüber, ob exekutive Normsetzung unter Abweichung von dem durch Art. 80 Abs. 1 GG errichteten Legitimationsniveau verfassungsrechtlich zulässig ist112. Allerdings ist zur Beantwortung dieser Frage neben der grammatikalischen Auslegung sowohl die historische Entwicklung der gemeinsamen Selbstverwaltung sowie der Wille des Verfassungsgebers entscheidend113. Das Prinzip der gemeinsamen Selbstverwaltung hat seinen Ursprung im Berliner Abkommen vom 23. Dezember 1913114 und wurde in der Weimarer Republik insbesondere durch die Überführung vom Privatrecht in das öffentliche Recht115 geprägt. Bereits damals haben die Kassenärztlichen (Bundes-)Vereinigungen Normenverträge mit den Krankenkassen abgeschlossen116. Mithin stand ihnen eine Normsetzungsbefugnis im Bereich des Krankenversicherungsrechts zu117. Dieses System der Selbstverwaltung hatte der Verfassungsgeber im Jahre 1949 vor Augen, als im Parlamentarischen Rat die Regelung des Art. 87 Abs. 2 GG beraten wurde118. Da diese Vorschrift die Kompetenzen und die Organisation der sozialen Versicherungsträger regelt, ist davon auszugehen, dass es auch Wille des Verfassungsgebers war, den Vollzug der Sozialversicherung mittels verselbstständigter Verwaltungseinheiten mitregeln zu 109 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 299. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 174 ff. 110 Art. 87 Abs. 2 S. 1 GG. 111 Art. 87 Abs. 2 S. 2 GG. 112 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 299 f. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 174. 113 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 300 ff. 114 Axer, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 344 f.; Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 1 Rn. 11; Schneider, Kassenarztrecht, S. 15 ff. Vgl. auch: Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 127 f. Umfassend zur Entwicklung der gemeinsamen Selbstverwaltung seit dem Berliner Abkommen: Collin, VSSR 2014, S. 173 ff.; Käsbauer, Die Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen durch das Berliner Abkommen vom 23. 12. 1913. 115 Axer, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 346 f.; Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 1 Rn. 23. 116 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 300 f.; Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 1 Rn. 23. 117 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 300 f. 118 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 301.
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wollen119. Somit knüpft das Grundgesetz an das in der Weimarer Zeit grundlegend geprägte System der gemeinsamen Selbstverwaltung und die damit einhergehende Normsetzung durch verselbstständigte Verwaltungseinheiten an und billigte diese120. Art. 87 Abs. 2 GG lässt somit erkennen, dass die Normsetzung durch verselbstständigte Verwaltungseinheiten zulässig ist121. Insoweit lässt die Verfassungsvorschrift ein anderes demokratisches Legitimationsniveau zu und ermöglicht einen Dispens vom Erfordernis der personell-demokratischen Legitimation122. Gleichzeitig befreit Art. 87 Abs. 2 GG die Normsetzungsbefugten in der gemeinsamen Selbstverwaltung jedoch nicht vom Erfordernis der materiellen Legitimation123. Wäre dies vom Willen des Verfassungsgebers umfasst, hätte er eine Regelung entsprechend dem Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, die einen eigenverantwortlichen Gestaltungsspielraum zulässt, getroffen124. Mithin bedarf es noch immer der sachlich-inhaltlichen Anforderungen an das demokratische Legitimationsniveau der Normsetzung durch die gemeinsame Selbstverwaltung125. Das hat zur Folge, dass die demokratische Legitimation des Bewertungsausschusses als Vertragsorgan nur dann einen Dispens vom Erfordernis der personellen demokratischen Legitimation zulässt, wenn die Normsetzung durch eine Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt ist126, erfolgt, die Normsetzung auf den Bereich der Sozialversicherung begrenzt ist127, eine staatliche Rechtsaufsicht besteht und die Norm-
119 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 300 f. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 174 f. 120 BSGE 81, 73 (83 f.); Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 300 f. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 174 ff.; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 585. 121 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 299 ff. 122 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 302; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 34; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 368 ff., 455. 123 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 302. Vgl. auch: Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 456 f. 124 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 302; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 585. 125 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 302; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 456 f.; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176. 126 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 308 f., 379 ff. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176 f.; Grzeszick, in: Anderheiden/Keil/Kirste/Schaefer, GS Brugger, S. 609 f.; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586. A.A. BSGE 100, 154 (157), das die engen Kriterien des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nur für die Normsetzung durch Rechtsverordnungen anwendbar sieht, nicht aber für die Normsetzung der gemeinsamen Selbstverwaltung im SGB V. 127 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 303 f., 309. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176.
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adressaten sowohl ihren Sachverstand einbringen können als auch entsprechend repräsentiert sind128. b) Sachlich-inhaltliche Legitimation aa) Ermächtigungsgrundlage Zunächst erfordert die Normsetzung des Bewertungsausschusses eine Ermächtigungsgrundlage, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt ist129. Als Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass eines Einheitlichen Bewertungsmaßstabes können § 87 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB V angesehen werden130, die durch die weiteren Vorgaben in § 87 Abs. 2a bis 2c SGB V konkretisiert werden. Indem der Gesetzgeber dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab in § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V vorgibt, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen, beschreibt er den grundsätzlichen Inhalt des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes und dessen Zweck131. Aus den detaillierten Vorgaben des § 87 Abs. 2 bis 2c SGB Vergibt sich im Weiteren der nähere Inhalt und das Ausmaß, d. h. die Reichweite, des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes. Damit ist dem Bundessozialgericht in der Annahme, dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab liege eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage aus dem SGB V zugrunde132, zuzustimmen133. Das Bundessozialgericht stützt diese Annahme auf einen Vergleich mit der in der privaten Krankenversicherung anzuwendenden Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und deren Ermächtigungsnorm in der Bundesärzteordnung (§ 11 BOÄ). Die Ermächtigungsnorm zum Erlass eines Einheitlichen Bewertungsmaßstabes im SGB V mache deutlich mehr Vorgaben als die Ermächtigungsnorm für die Gebührenordnung für Ärzte in der Bundesärzteordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist § 11 BOÄ nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt134, sodass das Bundessozialgericht zu der Annahme kommt, 128
Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 306 f., 309. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176. 129 Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 126. 130 BSGE 94, 50 (71), sieht als Ermächtigungsgrundlage für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab § 87 Abs. 2 und Abs. 2a SGB V in der Form des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1997, vgl. BGBl. I 1997, S. 1520 (1526). Die Absätze 2 und 2a sind durch mehrere Gesetzesänderungen weiterentwickelt worden, haben an Umfang zugenommen und wurden durch die Absätze 2b und 2c ergänzt. 131 BSGE 94, 50 (71 f.). 132 BSGE 94, 50 (73). 133 So auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 63; Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 138 f.; Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 82 SGB V Rn. 25. Vgl. auch: Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 379, dort insbesondere Fn. 365. 134 BVerfGE 68, 319 (333).
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die Vorschriften des SGB V seien daher erst recht hinreichend bestimmt135. Darüber hinaus kann der Gesetzgeber nicht der Verpflichtung unterliegen, ein derart komplexes Leistungs- und Leistungserbringungssystem in allen Einzelheiten selbst zu regeln136. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Einheitlichen Bewertungsmaßstabes ist im Weiteren inhaltlich-gegenständlich auf den Bereich der Sozialversicherung, konkret der gesetzlichen Krankenversicherung, beschränkt, da § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V einen Einheitlichen Bewertungsmaßstab für „die ärztlichen Leistungen“ fordert. bb) Staatliche Rechtsaufsicht Darüber hinaus bedarf es für eine ausreichende demokratische Legitimation einer staatlichen Rechtsaufsicht über die Tätigkeit des Bewertungsausschusses137. Der (erweiterte) Bewertungsausschuss selbst unterliegt nicht ausdrücklich der staatlichen Aufsicht138, da der Gesetzgeber – anders als etwa beim Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 Abs. 8 SGB V – den Bewertungsausschuss nicht explizit der staatlichen Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit unterstellt und die allgemeinen Aufsichtsvorschriften in den §§ 67, 88 und 89 SGB IV für entsprechend anwendbar erklärt139. Allerdings unterliegen die Beschlüsse des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 6 SGB V der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit140. Entsprechend der Entscheidung zur staatlichen Aufsicht der Normsetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses141, beschränkt sich die Kontrolle des Bundesministeriums für Gesundheit auf eine Rechtskontrolle, da es sich bei den Beschlüssen des Bewertungsausschusses um einen Teil des besonderen Normsetzungskonzepts des Vertragsarztrechts handelt und auch der Gesetzgeber selbst142 auf die Ausführungen zur Rechtsaufsicht über den Gemeinsamen Bundesausschuss verweist143. Das Gesetz regelt in § 87 Abs. 6 SGB V umfassend die Befugnisse des Bundesministeriums für Gesundheit, indem das Ministerium unter anderem an den 135
BSGE 94, 50 (73). Engelmann, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht Teil III, S. 139. Vgl. auch: BSGE 94, 50 (73). 137 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 306 f., 309. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176 ff. 138 BSGE 90, 61 (64); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 413. 139 Vgl. auch: Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 156 ff. 140 Vgl. bereits: BSGE 94, 50 (78 ff.); Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 33. Ausführlich zur Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit, vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 414 ff. Allgemein zur Aufsicht in der Sozialversicherung, vgl. Schirmer/ Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung. 141 BSGE 103, 106 (120 ff.). 142 Vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 132. 143 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 423 ff. 136
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Sitzungen des Bewertungsausschusses teilnehmen und sich die Beschlüsse sowie deren Beratungsunterlagen vorlegen lassen kann144, um das Zustandekommen der einzelnen Beschlüsse besser nachzuvollziehen und damit sowohl die Transparenz über die Beschlussfassung zu steigern als auch die sachgerechte Bewertung der Beschlüsse zu erleichtern145. Überdies hat das Bundesministerium für Gesundheit die Befugnisse, die Beschlüsse des Bewertungsausschusses zu beanstanden, Auflagen zu erlassen oder sogar Ersatzvornahmen zu treffen146. Damit hat der Gesetzgeber dem Bundesministerium für Gesundheit eine Vielzahl von mehr oder weniger einschneidenden Instrumenten zur Verfügung gestellt, um „unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Normadressaten an Rechtssicherheit und Vertrauensschutz auf die Übereinstimmung der Beschlüsse der Selbstverwaltung mit dem gesetzlichen Regelungsauftrag hinzuwirken“147. Darüber hinaus unterliegen auch die im Bewertungsausschuss vertretenen Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der staatlichen Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit148. Durch die umfassende Aufsicht über die Beschlüsse des Bewertungsausschusses und die Aufsicht über die im Bewertungsausschuss vertretenen Körperschaften des öffentlichen Rechts werden die faktischen Einflussnahmemöglichkeiten des Bundesministeriums für Gesundheit den im Rahmen des Aufsichtsrechts bestehenden Mitteln angeglichen149. Das Bundesministerium für Gesundheit hat somit die Möglichkeit einer umfassenden Rechtsaufsicht150. cc) Repräsentation der Normbetroffenen und Einbringung des Sachverstandes Im Weiteren bedarf es für eine ausreichende demokratische Legitimation der Normsetzung des Bewertungsausschusses einer hinreichenden Repräsentation der Normbetroffenen sowie der Einbringung ihres Sachverstandes in die Arbeit des 144
§ 87 Abs. 6 S. 1 SGB V. BT-Drs. 16/3100, S. 132. 146 § 87 Abs. 6 S. 2 bis 5 SGB V. Vgl. auch die umfangreichen Befugnisse des Bundesministeriums für Gesundheit, die hinsichtlich der Überprüfung der Beschlüsse des Bewertungsausschusses zu telemedizinischen Leistungen im Rahmen des Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (eHealth-Gesetz) v. 21. 12. 2015 in § 87 Abs. 2a SGB V eingeführt wurden, BGBl. I 2015, S. 2408 (2409 f.); BT-Drs. 18/5293, S. 39 f.; BT-Drs. 18/6905, S. 66. Siehe dazu auch: Paland/Holland, NZS 2016, S. 247 ff. 147 BT-Drs. 16/3100, S. 132. 148 Nach § 78 Abs. 1 und 3 SGB V i.V.m. §§ 88 ff. SGB IV unterliegt die Kassenärztliche Bundesvereinigung und nach § 217d i.V.m. § 208 Abs. 2 SGB Vund §§ 87 ff. SGB IVunterfällt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. 149 Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 413. 150 So auch: BSGE 94, 50 (78 ff.); Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 413; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 59. 145
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Bewertungsausschusses151. Für eine ausreichende demokratische Legitimation des Bewertungsausschusses kommt es nicht auf die Legitimation der einzelnen Ausschussmitglieder, sondern auf die Legitimation der Bundesmantelvertragspartner an. Es ist daher erforderlich, dass die Interessen der betroffenen Gruppen in den Selbstverwaltungsgremien der Bundesmantelvertragspartner angemessen berücksichtigt werden152. Insofern könnte zunächst auf Seiten der Vertragsärzte die Tatsache problematisch sein, dass in den Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, aus denen die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestimmt werden, nicht alle Untergruppen, d. h. nicht alle Facharztgruppen, ihrer tatsächlichen Stärke entsprechend oder gar nicht repräsentiert sind153. Das Bundessozialgericht führt diesbezüglich in einem Urteil vom 9. Dezember 2004 überzeugend aus, „ein Gebot strikter formaler Gleichheit besteht dabei nicht (…). Nicht alle betroffenen einzelnen (Unter-)Gruppen müssen notwendigerweise mitrepräsentiert sein (so BVerfGE 70, 324, 364, sogar im Falle parlamentarischer Gremien)“154. Vor diesem Hintergrund kann auch die Kritik, die insbesondere an der durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz155 vom 16. Juli 2015 im neuen Abs. 3a des § 79 SGB V156 eingeführten paritätischen Gewichtung der Stimmen von Vertretern der Haus- und Fachärzte bei gemeinsamen Abstimmungen in der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geübt wird157, nicht überzeugen. Als problematisch wird in erster Linie angesehen, dass trotz eines größeren Anteils an fachärztlichen Mitgliedern in der Vertreterversammlung die Stimmen der Fachund Hausärzte gleich gewichtet werden, es also zu einer Reduzierung der Stimmengewichte der Fachärzte im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Gruppengröße kommt158. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine Aufteilung der haus- und fachärztlichen Versorgung vornimmt159, somit die Hausärzte den Fachärzten als eine einheitliche Gruppe gegenüberstehen und dadurch eine 151 Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 307, 309. Vgl. auch: Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 176, 178 f. 152 BSGE 94, 50 (60). Vgl. auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 42. 153 Vgl. BSGE 94, 50 (60 f.). 154 BSGE 94, 50 (60 f.). Für Psychotherapeuten gilt nach § 80 Abs. 1 S. 3 SGB V, dass sie höchstens ein Zehntel der Mitglieder der Vertreterversammlung ausmachen dürfen. 155 BGBl. I 2015, S. 1211 (1219). 156 Zur Problematik der Satzungsänderung nach § 79 Abs. 3a S. 3 SGB V und zur diesbezüglichen Ersatzvorname des Bundesministeriums für Gesundheit (DÄ 2016, S. A 40), vgl. Beerheide, DÄ 2015, S. A 2119; Korzilius, DÄ 2015, S. A 2022. 157 Ausführlich zu den einzelnen Kritikpunkten, vgl. Stellpflug/Kronenberger, MedR 2015, S. 711 ff. 158 Vgl. etwa: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), Stand: März 2015, S. 24 f.; Stellpflug/ Kronenberger, MedR 2015, S. 711 ff. 159 § 73 Abs. 1 SGB V.
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Stimmengewichtung zugunsten der Hausärzte gerechtfertigt wird, um auf diese Weise die Interessen beider Versorgungsbereiche angemessen zur Geltung zu bringen160. Darüber hinaus könnte auch jenseits der Unterscheidung von Haus- und Fachärzten die Zusammenfassung von nicht gleichgerichteten Untergruppen in den Kassenärztlichen Vereinigungen problematisch sein161. Damit wird ein einheitlicher Selbstverwaltungsträger für zum Teil konkurrierende Interessen gebildet162. Insbesondere vor dem Hintergrund der Verteilung der Gesamtvergütung, die dadurch geprägt ist, dass ein Mehr an Honorar des einen Vertragsarztes stets ein Weniger an Vergütung des anderen bedeutet163, ist die Kritik an der Interessenzusammenfassung in den Vertreterversammlungen nachvollziehbar. Jedoch stellt sich die Frage, ob dieser bestehende Interessenkonflikt dennoch hingenommen werden kann. Logische Konsequenz zur Auflösung einer Interessenkollision, wäre ansonsten die Aufsplitterung der Leistungserbringer in verschiedene Körperschaften164, was jedoch sowohl organisatorische als auch – in Bezug auf die einzelnen Interessengruppen – abgrenzungstechnische Probleme mit sich bringen würde. Selbst wenn etwa gänzlich getrennte Entscheidungen für Haus- und Fachärzte möglich wären165, es bliebe auch dann die Problematik, dass es der Aufteilung der den einzelnen Arztgruppen übergeordneten Gesamtvergütung bedarf und sich dabei stets unterschiedliche Interessen gegenüberstehen. Zudem müssen bei der Betrachtung der Interessenzusammenführung nicht nur der Aspekt der Honorarverteilung, sondern vielmehr auch die darüber hinaus bestehenden Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen beachtet werden166. Die Kassenärztliche Vereinigung ist neben der Honorarverteilung ebenfalls für die Sicherstellung und Gewährleistung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen und politischen Institutionen beauftragt167. Damit wird deutlich, dass trotz der bestehenden Interessengegensätze im
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BT-Drs. 18/4095, S. 92 f.; Orlowski, MedR 2015, S. 152 f.; Steinmann-Munzinger, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 79 SGB V Rn. 17. 161 BSGE 94, 50 (61 f.). 162 Vgl. BVerfGE 10, 89 (103); BSGE 94, 50 (61 f.). 163 Vgl. BSGE 94, 50 (61 f.). 164 BSGE 94, 50 (61 f.). 165 Die Bestimmungen für die nach den Versorgungsbereichen getrennten Abstimmungsbeschränkungen gem. § 79 Abs. 3a SGB V sollten ursprünglich auch für die Vertreterversammlungen der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen gelten, wurden aber im weiteren Gesetzgebungsverfahren entsprechend dem Änderungsvorschlag des Bundesrates auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung beschränkt, vgl. BT-Drs. 18/4095, S. 19, 172, 211; BTDrs. 18/5123, S. 32, 125. 166 BSGE 94, 50 (61 f.). 167 Zu den Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigung, vgl. Steinhilper, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 28 Rn. 23 ff. Vgl. auch: Höftmann, Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner
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Rahmen der Honorarverteilung ein einheitlicher Selbstverwaltungsträger auch für zum Teil gegenläufige Interessen gebildet werden kann, da durch die anderen Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigung über die Honorarverteilung hinaus auch gemeinsame Interessen aller Vertragsärzte vorhanden sind168. Auf der Seite der Versicherten könnten Bedenken dahingehend bestehen, dass die Vertreter des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen die Versicherten im Bewertungsausschuss nicht hinreichend repräsentieren169. Doch sind die Versicherten durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab nur dadurch betroffen, dass eine Leistung in diesem überhaupt aufgeführt wird und diese damit zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählt170. Allerdings kann, wenn eine Leistung rechtswidrig nicht aufgenommen wurde, über die Grundsätze zum Systemversagen ein Anspruch im Wege der Kostenerstattung geltend gemacht werden171. Die Bewertung der einzelnen Leistungen tangiert die Versicherten höchstens mittelbar172, womit die Normbetroffenheit der Versicherten durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab sehr gering ausfällt. Folglich ist auch deren Repräsentation durch die Vertreter des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen im Bewertungsausschuss ausreichend. Somit sind die Normbetroffenen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes hinreichend repräsentiert und können damit ihren Sachverstand in die Arbeit des Bewertungsausschusses einbringen. Problematisch ist allerdings, dass der Bewertungsausschuss, sollte er nicht zu einem einstimmigen Ergebnis gelangen, um drei unparteiische Mitglieder, davon ein Vorsitzender, erweitert wird173, der sog. erweiterte Bewertungsausschuss. Im Besonderen ist dabei problematisch, dass von dem Grundsatz der Selbstverwaltung als Betroffenenverwaltung abgewichen wird174. Indem die Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes durch einen Mehrheitsbeschluss des erweiterten Bewertungsausschusses erfolgt, nimmt letzterer dabei die Funktionen eines Schiedsamts wahr175. Durch diese schiedsamtliche Abstimmung, die erst im Wege der Erweiterechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik, S. 190 ff. Siehe auch bereits im Abschnitt A. II. 1., S. 29 ff. 168 BSGE 94, 50 (61 f.). Vgl. auch: BVerfGE 10, 89 (103). 169 Vgl. Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 59, 61. 170 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 61. 171 Vgl. § 2 Abs. 1a SGB V und der diesem zugrunde liegende sog. Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 115, 25 ff. Siehe dazu etwa jeweils m.w.N.: Plagemann, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 2 SGB V Rn. 53 ff.; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 2 SGB V Rn. 4 ff.; Wenner, Soziale Sicherheit 2006, S. 174 ff. 172 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 61. 173 § 87 Abs. 4 S. 1 SGB V. 174 Vgl. BSGE 94, 50 (60 f., 79). 175 BSGE 94, 50 (79); Altmiks, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 87 SGB V Rn. 27; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 53. Umfassend zum Schiedswesen in der gesetzlichen Krankenversicherung: Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedswesens; Düring, Das Schiedswesen in der gesetzlichen Krankenversicherung.
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rung durch unparteiische – und damit weder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung noch dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen angehörige176 – Mitglieder zustande kommt, könnten im erweiterten Bewertungsausschuss auch Nichtbetroffene vertreten sein. In einem Urteil vom 9. Dezember 2004 führt das Bundessozialgericht dahingehend zutreffend aus: „Unschädlich ist auch, wenn in dem Gremium Nichtbetroffene vertreten sind, was zur Einbeziehung weiteren Sachverstandes sinnvoll sein kann; dabei müssen die Betroffenen aber die Mehrheit bilden“177. Im erweiterten Bewertungsausschuss sind sechs Mitglieder Betroffene178 und lediglich drei der Mitglieder unparteiisch179 und somit Nichtbetroffene. Daher ist die Mehrzahl der Mitglieder der Betroffenenverwaltung angehörig, sodass keine Bedenken hinsichtlich eines Demokratieverstoßes durch die Repräsentation von Nichtbetroffenen im erweiterten Bewertungsausschuss bestehen180. c) Zwischenergebnis Die Normsetzung des (erweiterten) Bewertungsausschusses erfolgt durch eine Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt und auf den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt ist. Der (erweiterte) Bewertungsausschuss wird in seiner Normsetzungsfunktion darüber hinaus von dem Bundesministerium für Gesundheit ausreichend staatlich beaufsichtigt. Die Normadressaten können überdies ihren Sachverstand in die Normsetzung des (erweiterten) Bewertungsausschusses einbringen und sind auch entsprechend repräsentiert. Das hat zur Folge, dass dem (erweiterten) Bewertungsausschuss eine ausreichende sachlichinhaltliche Legitimation zugrunde liegt, die eine bestehende Abweichung vom Erfordernis der personellen demokratischen Legitimation zulässt. Somit verstößt die Normsetzung des Bewertungsausschusses nicht gegen das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG.
2. Kassenärztliche Vereinigung a) Personelle Legitimation Vergleichbar mit der Situation beim Einheitlichen Bewertungsmaßstab stellt sich für die Kassenärztliche Vereinigung beim Erlass des Honorarverteilungsmaßstabes die Frage nach der demokratischen Legitimation. Die Vertragsärzte, die Mitglied einer Kassenärztlichen Vereinigung sind, wählen die Mitglieder der Vertreterver176 Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 SGB V Rn. 53; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87 SGB V Rn. 21. 177 BSGE 94, 50 (60). Vgl. auch: BVerfGE 93, 37 (67 f. 72); 107, 59 (99). 178 § 87 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 SGB V. 179 § 87 Abs. 4 S. 1 SGB V. 180 BSGE 94, 50 (74).
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C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung
sammlung ihrer Kassenärztlichen Vereinigung181. Damit besteht lediglich eine ununterbrochene Legitimationskette zur Betroffenengruppe der Ärzte, nicht aber zum gesamten Volk. Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung als Selbstverwaltungsorgan ist damit nicht ausreichend personell demokratisch legitimiert182. Von dem Erfordernis der personellen Legitimation kann in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nur dann abgewichen werden, wenn die Normsetzung der Kassenärztlichen Vereinigungen auf der Grundlage einer Ermächtigung erfolgt, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt ist, sich die Normsetzung auf den Bereich der Sozialversicherung begrenzt, einer staatlichen Rechtsaufsicht unterliegt, der Sachverstand der Normadressaten ausreichend eingebracht werden kann und sie entsprechend repräsentiert sind.
b) Sachlich-inhaltliche Legitimation Zunächst müsste der Normsetzung der Kassenärztlichen Vereinigung im Hinblick auf den Honorarverteilungsmaßstab eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage zugrunde liegen. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des Honorarverteilungsmaßstabes ist § 87b Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 HS. 1 SGB V183. Danach verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die vereinbarte Gesamtvergütung an die Vertragsärzte und wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festzusetzen ist. Inhalt, Zweck und Ausmaß werden im Weiteren in den Absätzen 2 bis 4 des § 87b SGB V ausgeformt, sodass dem Bundessozialgericht und dem Bundesverfassungsgericht in der Annahme zuzustimmen ist, die Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung eines Honorarverteilungsmaßstabes sei hinreichend bestimmt184. Darüber hinaus beschränkt sich die Ermächtigungsgrundlage, indem sie die Verteilung der Gesamtvergütung in der gesetzlichen Krankenversicherung regelt, auch inhaltlich-gegenständlich auf den Bereich der Sozialversicherung. Überdies 181
§ 79 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 S. 1 SGB V. Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt II. 1. a), S. 168 ff. 183 BSGE 94, 50 (58), sieht als Ermächtigungsgrundlage für den Honorarverteilungsmaßstab § 85 Abs. 4 SGB V in der Form des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, vgl. BGBl. I 1992, S. 2266 (2275 ff.). Die Sätze 1 und 2 des § 85 Abs. 4 SGB V a.F. entsprechen – mit einigen für den Charakter als Ermächtigungsgrundlage unwesentlichen Änderungen – denen des aktuellen § 87b Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 HS. 1 SGB V. 184 Zur Bestimmtheit des inhaltsgleichen § 368f Abs. 1 RVO in der Form des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955, vgl. BGBl. I 1955, S. 513 (515 f.), siehe insbesondere: BVerfGE 33, 171 (184). Zur Bestimmtheit der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift § 85 Abs. 4 SGB Va.F., siehe auch: BSGE 94, 50 (58 ff.). Vgl. auch: Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 120, der die grundsätzliche Übertragbarkeit der Entscheidung des Bundessozialgerichts auf den aktuellen § 87b SGB V annimmt. Ausführlich zur Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung eines Honorarverteilungsmaßstabes, vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 385 ff. 182
II. Vereinbarkeit der Normsetzung mit Art. 20 Abs. 2 GG?
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besteht eine staatliche Rechtsaufsicht über die Tätigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung, insbesondere über die Festsetzung des Honorarverteilungsmaßstabes185. Nach § 78 Abs. 1 und 3 SGB V i.V.m. §§ 88 ff. SGB IV unterliegt die Kassenärztliche Vereinigung der Aufsicht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder. Im Weiteren müssen die Normbetroffenen – im Fall des Honorarverteilungsmaßstabes die Vertragsärzte – in genügender Weise ihren Sachverstand einbringen können und ausreichend repräsentiert sein186. Auf vertragsärztlicher Seite bestehen zwar Bedenken dahingehend, dass nicht alle Untergruppen, im Genaueren nicht alle Facharztgruppen, ihrer tatsächlichen Stärke entsprechend oder gar nicht repräsentiert sind187 und darüber hinaus, dass nicht gleichgerichtete Untergruppen in den Kassenärztlichen Vereinigungen zusammengefasst werden188. Jedoch bestehen über die Honorarverteilung hinaus auch gemeinsame Interessen aller Vertragsärzte, sodass trotz der vorliegenden Interessengegensätze ein einheitlicher Selbstverwaltungsträger für teilweise gegenläufige Interessen gebildet werden kann189. Mithin ist eine hinreichende Repräsentation und damit eine verfassungsrechtlich angemessene Einbringung des Sachverstandes der Normbetroffenen gegeben. Somit liegt der Kassenärztlichen Vereinigung eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation zugrunde, die daher einen Dispens vom Erfordernis der personellen demokratischen Legitimation zulässt. c) Zwischenergebnis Die Normsetzung der Kassenärztlichen Vereinigung erfolgt durch eine Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt ist. Überdies ist die Normsetzung auf den Bereich der Sozialversicherung begrenzt und es besteht eine staatliche Rechtsaufsicht. Im Weiteren können die Vertragsärzte als Normadressaten zum einen ihren Sachverstand einbringen und sind zum anderen entsprechend repräsentiert. Damit liegt auch der Kassenärztlichen Vereinigung eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation zugrunde, die eine Abweichung vom Erfordernis der personellen demokratischen Legitimation zulässt. Somit verstößt die Normsetzung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht gegen das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG.
185 BVerfGE 33, 171 (184 f.). Ausführlich zur Staatsaufsicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen: Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 24. 186 Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 128. 187 Vgl. dazu bereits Nachweis in diesem Abschnitt, Fn. 45. 188 Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 43, 44. 189 Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 168.
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C. Demokratische Legitimation der gemeinsamen Selbstverwaltung
III. Ergebnis Die drei wesentlichen vertragsärztlichen Honorarverteilungsinstrumente, der Einheitliche Bewertungsmaßstab, der Honorarverteilungsmaßstab und die regionale Euro-Gebührenordnung sind untergesetzliche Rechtsnormen, die unmittelbar normative Wirkung auf das Honorar der Vertragsärzte haben. Die zu dieser Normsetzung befugten Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht, insbesondere der Bewertungsausschuss und die Kassenärztlichen Vereinigungen, sind ausreichend demokratisch legitimiert. Ein Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 2 GG verankerte Demokratieprinzip besteht nicht.
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Maßgeblich für die Entwicklung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts war ein Urteil vom 29. September 19931. Seither hat das Gericht den Grundsatz in über 20jähriger Rechtsprechung weiterentwickelt. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hat sich in einer Vielzahl von Entscheidungen als wesentlicher Maßstab etabliert, den das Bundessozialgericht – zum Teil in Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen – zur Entscheidungsfindung heranzieht. Den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hat das Gericht aus einer Verbindung der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, hergeleitet. Dabei erlangt das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG eine besondere Bedeutung. Einen ebenso bedeutenden Einfluss auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit haben die parlamentsgesetzlichen Grundsätze der leistungsproportionalen Verteilung sowie der angemessenen Vergütung. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird überdies stark durch das vertragsärztliche Vergütungssystem in seinen jeweils aktuellen Einzelheiten und in seiner Gesamtschau sowie durch Gesichtspunkte der Praktikabilität geprägt.
I. Überprüfung von Honorarverteilungsregelungen Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit betraf vornehmlich die Überprüfung von Honorarbescheiden, in denen die Kassenärztliche Vereinigung das Honorar der Vertragsärzte festgesetzt hat. Innerhalb der Überprüfung dieser Honorarbescheide wurde dann zumeist die Rechtmäßigkeit einzelner Honorarverteilungsmaßstäbe (oder -verträge) überprüft2. Diesbezüglich hatte das Bundessozialgericht etwa in den Urteilen vom 9. September 1998 und 3. März 1999 erklärt, dass in ständiger Rechtsprechung „Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung“ an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V a.F.3 i.V.m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerech-
1
BSGE 73, 131 ff. Aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG, vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69. 3 § 85 Abs. 4 SGB V in der Form des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, vgl. BGBl. I 1992, S. 2266 (2276). 2
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D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
tigkeit, der sich aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergebe, zu messen seien4. In seiner jüngeren Rechtsprechung aus dem Jahre 2011 stellte das Gericht fest, ein „Honorarverteilungsmaßstab“ müsse mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F.5 angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie den aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten6. Anders als Honorarverteilungsmaßstäbe wurden parlamentsgesetzliche Regelungen des SGB V nur vereinzelt Gegenstand der Überprüfung durch den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit7. Soweit ersichtlich, wird darüber hinaus der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in keiner Entscheidung des Bundessozialgerichts, in welcher der Einheitliche Bewertungsmaßstab überprüft wurde, ausdrücklich als Überprüfungsmaßstab herangezogen8. Vielmehr wurden Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG zum Teil einzeln als Überprüfungsmaßstab angewandt9 oder Art. 12 Abs. 1 GG wurde in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG herangezogen – ohne jedoch begrifflich den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu erwähnen10. Bei der Überprüfung anderer Regelungen des Bewertungsausschusses – etwa eines Beschlusses zur Festlegung des hausärztlichen bzw. fachärztlichen Vergütungsanteils11 oder Beschlüsse zur Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und -therapeuten12 bzw. psychotherapeutischer Leistungen13 – ist der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hingegen teilweise als Maßstab hinzugezogen 4
BSGE 83, 1 f.; BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 17. Vgl. auch: BSGE 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 10. 5 § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2633 f.). 6 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 14 m.w.N. 7 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26. Vgl. auch: BSGE 92, 87 (93), dort wurden allerdings ohne vertiefte Prüfung verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F. abgelehnt. 8 Im Urteil des BSG vom 8. Dezember 2010 wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zwar mehrmals erwähnt, dass es sich dabei aber um einen Überprüfungsmaßstab ausschließlich für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab handelt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wird auf einen Verstoß bei der Ausgestaltung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes „weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG“ hingewiesen, vgl. SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 18. 9 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R, juris Rn. 30, 35; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 18, 23; BSGE 94, 50 (71 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 24 Rn. 14, 25 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 18. 10 BSG, Urt. v. 26. 04. 1994 – 6 RKa 66/91, juris Rn. 18, 23, dort wird von einem „Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG“ gesprochen. Vgl. auch: BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14. 11 BSGE 100, 254 ff. 12 BSGE 92, 87 ff. 13 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39.
I. Überprüfung von Honorarverteilungsregelungen
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worden, sodass im Hinblick auf die Kontrolle des Gestaltungsspielraums des Bewertungsausschusses ein genereller Ausschluss der Heranziehung des Grundsatzes nicht festzustellen ist. Über die grundsätzliche Frage, was Gegenstand der Überprüfung durch den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist bzw. auf welche Regelungen der Grundsatz Anwendung findet, äußerte sich das Bundessozialgericht lange Zeit nur im Hinblick auf die jeweilige Art der zur Überprüfung stehenden Regelung, tätigte aber keine allgemeine und umfassende Aussage. Aus einem jüngeren Urteil des Bundessozialgerichts14 kann nun jedoch eine umfassende Geltung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit gegenüber vertragsärztlichem Vergütungsrecht auf Bundes- und regionaler Ebene gefolgert werden. Der umfassenden Geltung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist zuzustimmen15, da diese bereits aufgrund der Regelungsstruktur des vertragsärztlichen Vergütungssystems erforderlich ist. Das Vergütungsrecht der Vertragsärzte ist ein Konstrukt aus gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen, die ineinandergreifen, um möglichst gerecht und leistungsproportional die überwiegend gedeckelte Gesamtvergütung zu verteilen. Dabei hat jede Art von Regelung – seien es die regionalen Zu- oder Abschläge in den regionalen Euro-Gebührenordnungen, sei es § 87b SGB V mit seinen Vorgaben zu Honorarverteilungsmaßstäben oder auch die Festsetzung des Orientierungswertes durch den Bewertungsausschuss – nicht nur seine Berechtigung, sondern vor allem auf das Honorar eines jeden Vertragsarztes einen nicht minder bedeutsamen Einfluss. Folglich kommt jeder vertragsärztlichen Vergütungsregelung – gleich, ob auf parlamentsgesetzlicher, untergesetzlicher, bundeseinheitlicher oder regionaler Ebene – Verteilungswirkung zu. Denn nur durch das Zusammenspiel aller Vergütungsregelungen kann das Honorar eines Vertragsarztes in einem Honorarbescheid festgesetzt werden. Aufgrund dessen müssen auch sämtliche Verteilungsregelungen mit der ihnen normenhierarisch übergeordneten Verfassung konform sein. Die verfas14 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 21. Vgl. zur Überprüfung von Parlamentsgesetzen auch schon die allgemeine Aussage des BSG in seiner Entscheidung vom 06. 09. 2006, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26 Rn. 23. 15 In der Literatur wird die Anwendung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit unterschiedlich bewertet. Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 85 SGB V Rn. 56; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 135; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 808; Schnapp, in: ders./ Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 4 Rn. 81, bejahen die Anwendung auf Honorarverteilungsmaßstäbe. Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 87, wendet den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit auf „Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung“ an und bezieht damit über die Honorarverteilungsmaßstäbe hinaus zumindest dem Inhalt nach die regionale Euro-Gebührenordnung mit ein. Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 23, gibt im Sinne einer weiten Anwendung lediglich vor, „Honorarverteilungsregelungen“ müssten dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit genügen. Link/de Wall, VSSR 2001, S. 91, lehnen ausdrücklich eine Beschränkung der Überprüfung auf den Honorarverteilungsmaßstab ab. Jarass, in: ders./ Pieroth, GG, Art. 12 GG Rn. 61, gibt vor, der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei „bei der Verteilung der Honorare“ zu beachten.
192
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
sungsrechtlichen Anforderungen an die vergütungsrechtlichen Besonderheiten des Vertragsarztrechts lassen sich auch in dem vom Bundessozialgericht aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG entwickelten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zusammenfassen. Somit bildet der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit den Maßstab, an dem alle vertragsärztlichen Vergütungsregelungen zu überprüfen sind. Dies gilt sowohl für alle derzeit geltenden Regelungen, insbesondere für die bundessozialgerichtlich noch nicht überprüften regionalen Euro-Gebührenordnungen, als auch für neue Verteilungsinstrumente, die in Zukunft die vertragsärztliche Vergütung steuern mögen.
II. Art und Weise der Überprüfung 1. Abstrakte Anforderungen an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zeigt sich, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entweder eine wesentliche Rolle in der Überprüfung von Honorarverteilungsregelungen spielt und daher – meist zu Beginn der Entscheidungsgründe – eine abstrakte, von der Prüfung im Einzelfall losgelöste Darstellung des Grundsatzes erfolgt16 oder aber die Honorarverteilungsgerechtigkeit lediglich innerhalb der konkreten Einzelfallprüfung kurze Erwähnung findet17. Betrachtet man die erstgenannte Gruppe der Entscheidungen, die den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu Beginn abstrakt darstellen, genauer, lässt sich auch diese wiederum unterteilen. Im Groben zeichnen sich dabei vier Phasen ab [a) bis d)], in denen durch das Bundessozialgericht unterschiedliche, teilweise aber aufeinander aufbauende Ansätze verwendet wurden.
16 Vgl. etwa: BSGE 73, 131 (138 f.); BSG, MedR 1994, 376 (377); BSGE 75, 187 (191 f.); BSG, NZS 1995, 380 (381); BSGE 77, 279 (281 f.); 288 (294 f.); BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14; BSGE 83, 1 f.; 205 (211 f.); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 17; BSG, MedR 2000, 153 (154); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 12; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R, juris Rn. 25; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 15; BSG, NZS 2003, 494 (495); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 48 Rn. 13; BSGE 92, 10 (11 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6; BSGE 93, 258 (260 f.); 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 10 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26 Rn. 23; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 15; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 17; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 16; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 22; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 14; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69 Rn. 15. 17 Vgl. etwa: BSGE 89, 173 (182); BSG, NZS 2003, 440 (444); BSGE 90, 111 (116 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6 Rn. 19; BSGE 92, 87 (89 ff.); BSG, Urt. v. 20. 10. 2004 – B 6 KA 31/03 R, juris Rn. 37 f.; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10 Rn. 27 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39 Rn. 22 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 10; BSGE 100, 254 (263); 101, 106 (115); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 21; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 3 Rn. 32; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 66 Rn. 28; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17, 21.
II. Art und Weise der Überprüfung
193
a) Entwicklung verfassungsrechtlicher Anforderungen In den ersten fünf Jahren, von 1993 bis ca. 1998, kann eine klare Linie der Rechtsprechung in Bezug auf das, was der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beinhaltet, nicht festgestellt werden. In dem grundlegenden Urteil vom 29. September 1993 zum „Gebot der Verteilungsgerechtigkeit“18 hatte das Bundessozialgericht etwa ausgeführt, dass die den Kassenärztlichen Vereinigungen eingeräumte Verteilungsautonomie sich im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nur rechtfertigen lasse, wenn damit die Verpflichtung zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG verbunden würde; ein Verstoß gegen die Verfassung läge vor dem Hintergrund des weiten Gestaltungsspielraums erst dann vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sei, dass ihre Beachtung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheine19. In einem der nachfolgenden Urteile aus dem Jahre 1994 führte das Bundessozialgericht hingegen kaum etwas zum Inhalt des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus, da es lediglich klarstellte, Vergütungsregelungen durch Honorarverteilungsmaßstäbe könnten, soweit es sich nicht um Bagatelländerungen handle, normative Eingriffe in die Berufsfreiheit darstellen und ihre Verfassungsmäßigkeit sei daher an den grundgesetzlichen Vorschriften des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen20. Knappe eineinhalb Jahre später stellte das Bundessozialgericht wieder veränderte Anforderungen an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, indem es erklärte, eine Verletzung dieses Grundsatzes liege dann vor, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen werde, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw. Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Eine unterschiedliche Vergütung gleicher Leistungen sei verfassungsrechtlich nur zu begründen, wenn sie einen legitimen Zweck verfolge, zur Erreichung dieses Zweckes geeignet und notwendig sei sowie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genüge21. In einem Urteil zu Beginn des Jahres 1998 beschränkte sich das Bundessozialgericht schließlich auf die Aussage, dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei ein Differenzierungsverbot immanent22. Das Gericht hat folglich zu Beginn der Entwicklung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit zwar gleichheits- und berufsfreiheitsrechtliche Aspekte aufgeführt, jedoch im Wege der – zumindest dem Wortlaut nach – unterschiedlichen Anforderungen, etwa durch die Verwendung des „Gerechtigkeitsgedanken“, des „Prinzips der gleichmäßigen Vergütung“, des „Gebots der Verhält18 BSGE 73, 131 ff. Obwohl begrifflich noch anders, entwickelt das BSG mit diesem Urteil den „Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit “, vgl. Axer, NZS 1995, S. 538. 19 BSGE 73, 131 (138 f.). 20 BSGE 75, 187 (191 f.). 21 BSGE 77, 288 (294 f.). 22 BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 21.
194
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
nismäßigkeit“ und des „Differenzierungsverbots“ dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit keine einheitliche Kontur verliehen23. b) Erstmalige Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen Um die Jahrtausendwende bis in das Jahr 2002 hinein zeichnen sich in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immer wiederkehrende Merkmale ab, die dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zugesprochen werden. Das Gericht entwickelte dabei einen – in leichten Abwandlungen mehrmals auftretenden – Anforderungskatalog, an welchem die Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung zu messen waren. Dabei wird vor allem deutlich, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht mehr wie anfangs isoliert als verfassungsrechtlicher Überprüfungsmaßstab herangezogen, sondern vielmehr in Verbindung mit den parlamentsgesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V a.F.24 gesetzt wird. Das Bundessozialgericht gab vor, Honorarverteilungsregelungen seien an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V a.F. i.V.m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergebe, zu messen. Zentrale Bedeutung käme dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 S. 3 SGB Va.F. zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Vertragsarztes zugrunde zu legen seien, wobei dieser Vorschrift nicht zu entnehmen sei, die Leistungen müssten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig honoriert werden25. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wurde darüber hinaus nicht einfach nur zusätzlich mit parlamentsgesetzlichen Vorgaben in Verbindung gesetzt, sondern auch die in ihm verankerten verfassungsrechtlichen Anforderungen wurden in der Phase um die Jahrtausendwende eng mit dem einfachen Recht verknüpft. In einem Urteil vom 3. März 1999 führte das Bundessozialgericht etwa aus: „Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V i.V.m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, zu messen (…). Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Kassenarztes zugrunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann, wie der Senat wiederholt entschieden hat, nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müssten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, d. h. mit einem für alle 23 Vgl. Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 148 ff., 155 f.; ders., VSSR 2003, S. 160 ff. 24 § 85 Abs. 4 SGB V in der Form des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, vgl. BGBl. I 1992, S. 2266 (2276). 25 BSG, MedR 2000, 153 (154). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 12; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 17; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/ 00 R, juris Rn. 15; Beschl. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 16/01 B, juris Rn. 7 f.; Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 13.
II. Art und Weise der Überprüfung
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Leistungen einheitlichen Punktwert, honoriert werden. (…) Im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsvorschriften darf die Kassenärztliche Vereinigung die Verteilung allerdings nicht frei nach ihrem Ermessen gestalten; sie ist vielmehr an den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden, wonach die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Der normsetzenden Körperschaft bleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden.“26 Das Gericht schränkte demnach aufgrund der verfassungsrechtlichen Relevanz der Vergütungsregelungen – der „berufsregelnden Tendenz“ – das Gestaltungsermessen der Kassenärztlichen Vereinigung ein. Die Kassenärztliche Vereinigung war daher an den parlamentsgesetzlichen Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden. Nach diesem Grundsatz hatte die Kassenärztliche Vereinigung ärztliche Leistungen „prinzipiell gleichmäßig zu vergüten“. Von diesem parlamentsgesetzlichen Grundsatz konnte aber abgewichen werden, soweit es „sachlich gerechtfertigt“ war. Das Bundessozialgericht zog folglich den parlamentsgesetzlichen Grundsatz der Leistungsproportionalität heran, um die verfassungsrechtlichen Grenzen der Berufsfreiheit, in denen sich der Gestaltungsspielraum der Kassenärztlichen Vereinigung zu bewegen hatte, festzulegen. Sodann sollte von dem parlamentsgesetzlichen Grundsatz eine Abweichung möglich sein, wenn eine sachliche Rechtfertigung gegeben war. Auf diese Weise gelangte das Gericht von der in der Verfassung verankerten Berufsfreiheit zu dem auf parlamentsgesetzlicher Ebene angeordneten Grundsatz der Leistungsproportionalität und ging von dort aus wieder zurück zu verfassungsrechtlichen Anforderungen, indem auf die „sachliche Rechtfertigung“ und somit auf die Rechtfertigungsebene des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes verwiesen wurde. Eine Verbindung des Verfassungsrechts mit dem einfachen Recht wurde darüber hinaus in dem Urteil vom 3. März 199927, aber auch in den Entscheidungen vom 31. Januar 200128 und vom 16. Mai 200129, dadurch deutlich, dass das „Prinzip der gleichmäßigen Vergütung“ nun dem parlamentsgesetzlichen Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung30 zugeordnet wurde. Einige Jahre zuvor war das Prinzip der gleichmäßigen Vergütung noch als Anforderung an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit gestellt worden31.
26 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 12. Vgl. auch: BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 15; Beschl. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 16/01 B, juris Rn. 8. 27 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 12. 28 BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 15. 29 BSG, Beschl. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 16/01 B, juris Rn. 8. 30 Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F. niedergelegt, vgl. etwa BSG, NZS 2003, 494 (495). 31 Vgl. BSGE 77, 288 (294 f.).
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D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
c) Weiterentwicklung der Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen In den Jahren ab 2003 bis ca. 2005 wurde die zuvor entwickelte Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen weiter ausgebaut und gefestigt. Beispielhaft ist dafür das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 2003, in welchem das Gericht feststellte: „Bei der Ausgestaltung des Honorarverteilungsmaßstabes haben die Kassenärztlichen Vereinigungen einen Gestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Satzung ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist (…). Der Honorarverteilungsmaßstab muss mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F.32 angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars (…) sowie den aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten (…). Bei dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars handelt es sich jedoch nur um einen Grundsatz. Von diesem darf abgewichen werden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung damit andere billigenswerte Zwecke verfolgt.“33 Die sich vertiefende Verbindung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit mit dem parlamentsgesetzlich verankerten Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung zeigt sich zum einen daran, dass wiederholt § 85 Abs. 4 SGB V a.F. und seine Voraussetzungen bei der Überprüfung von Vergütungsregelungen aufgegriffen und in einem Zug mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit genannt wurden34. Zum anderen zeigt sich die Verknüpfung daran, dass das Bundessozialgericht beide Grundsätze hinsichtlich der Anforderungen, welche an die Rechtfertigung eines Verstoßes gegen die Grundsätze zu stellen sind, gleichgesetzt hat. In den Urteilen vom 10. März 2003 hatte das Gericht etwa erwähnt, es handle sich bei dem parlamentsgesetzlichen Gebot der leistungsproportionalen Verteilung um einen Grundsatz, von dem abgewichen werden dürfe35. Unter welchen Voraussetzungen vom verfassungsrechtlichen Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit abgewichen werden konnte, wurde in den Urteilen vom 10. März 2003 nicht erwähnt. Bereits einige Monate später stellte das Gericht ohne nähere Begründung fest, dass nun „beide Prinzipien“ – d. h. sowohl das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung als auch der Grundsatz der Honorar-
32 § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V in der Form des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, vgl. BGBl. I 1992, S. 2266 (2276). 33 BSGE 92, 10 (11 f.). Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6; BSGE 93, 258 (260 f.); 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 10 f. Eine klare Trennung des verfassungsrechtlichen und des parlamentsgesetzlichen Grundsatzes, wie im Urteil des BSG vom 29. August 2007 aufgezeigt, blieb jedoch ein Einzelfall, vgl. SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 15. 34 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 10 f. 35 BSGE 92, 10 (11 f.); 233 (234); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6.
II. Art und Weise der Überprüfung
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verteilungsgerechtigkeit – lediglich Grundsätze bildeten, von denen aus sachlichem Grund abgewichen werden dürfe36. d) Veränderung der Rechtfertigungsanforderungen Zu Beginn der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit waren die Rechtfertigungsanforderungen, die das Gericht an vertragsärztliche Vergütungsregelungen gestellt hatte, noch von unterschiedlicher Intensität37. Im Urteil vom 29. September 1993 hatte das Bundessozialgericht ausgeführt, die im Hinblick auf Gleichheitsverstöße überprüften Regelungen seien etwa dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sei, dass ihre Betrachtung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erschien38. Rechtfertigungsanforderungen mit der Intensität der sog. Willkürformel des Bundesverfassungsgerichts39 wurden beispielsweise in den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 12. Oktober 199440 oder vom 3. März 199941 statuiert, wenn es, wie im letzteren, etwa hieß, Härten einer Regelung seien hinzunehmen, solange sie nicht im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung willkürlich seien. Allerdings wurden vom Bundessozialgericht zum Teil auch höhere Anforderungen an die Rechtfertigung gestellt, wenn es etwa in den Urteilen vom 7. Februar 199642, 20. Januar 199943 oder 3. März 199944 die Rechtfertigungsintensität der vom Bundesverfassungsgericht in den 1980er Jahren entwickelten sog. neuen Formel45 angewandt hat. In dem Urteil vom 7. Februar 1996 wurde etwa festgestellt, nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn zwei Gruppen verschieden behandelt würden, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigten. Deshalb gehöre das Ausmaß der gerügten Ungleichbehandlung zu den 36 BSGE 93, 258 (260 f.). Kritisch dazu: Schnapp, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 20. 10. 2004 – B 6 KA 30/03 R, SGb 2005, S. 550. Siehe auch: BSGE 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 17. 37 Vgl. zur Rechtfertigungsintensität im Hinblick auf die Urteile des BSG zu psychotherapeutischen Leistungen: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 25 ff. 38 BSGE 73, 131 (138 f.). 39 Siehe dazu ausführlicher im Abschnitt F. II. 2. a), S. 265 ff. 40 BSG, NZS 1995, 380 (381). 41 BSG, MedR 2000, 153 (156). 42 BSGE 77, 279 ff. 43 BSGE 83, 205 (212). 44 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 21. 45 Vgl. dazu ausführlicher im Abschnitt F. II. 2. a), S. 265 ff.
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D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Umständen, die im Rahmen einer am Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit ausgerichteten Prüfung von Honorarbescheiden rechtlich bedeutsam seien46. Nachdem zu Beginn an die Rechtfertigung unterschiedliche Anforderungen gestellt worden waren, folgte sodann eine eher einheitliche Phase, in der wenn Rechtfertigungsanforderungen vom Bundessozialgericht gestellt wurden, lediglich die Willkürformel herangezogen wurde. So führte das Gericht etwa in einem Urteil vom 22. Juni 2005 aus, beide Prinzipien – das Gebot leistungsproportionaler Verteilung und der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit – stellten nur Grundsätze dar, von denen aus sachlichem Grund abgewichen werden dürfe47. Im Anschluss an diese einheitliche Phase zeichnet sich – zumindest zaghaft – eine Veränderung hin zu strengeren Rechtfertigungsanforderungen ab. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Rechtssetzung durch Honorarverteilungsregelungen werden weg von der Rechtfertigung aus sachlichen Gründen hin zur Rechtfertigung im Wege der Verhältnismäßigkeit verschoben. Beispielsweise stellt das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28. Januar 2009 dar, bei der Ausgestaltung des Honorarverteilungsmaßstabes hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen einen Gestaltungsspielraum; diese Gestaltungsfreiheit gehe typischerweise mit Rechtssetzungsakten einher und werde erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die jeweilige Gestaltung in Anbetracht des Zwecks der konkreten Ermächtigung unvertretbar und unverhältnismäßig sei48. In einem Urteil vom 23. März 2011 führt das Gericht insbesondere aus, der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei – im Sinne einer unzulässigen Gleichbehandlung – verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen werde, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten oder Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestünden, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Eine von Fachgruppe zu Fachgruppe unterschiedliche Behandlung sei verfassungsrechtlich nur zu begründen, wenn sie einen legitimen Zweck verfolge49.
e) Wesentlicher Einfluss des Gleichbehandlungsgebots Losgelöst von den unterschiedlichen Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit erlangt das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG wesentliche Bedeutung. In einem Urteil vom 20. Januar 1999 stellte das Bundessozialgericht etwa fest, das aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit komme als Rechtsgrundlage in Betracht. Es sei verletzt, 46
BSGE 77, 279 (281 f.). BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11. Vgl. auch: BSGE 93, 258 (260 f.); 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 17. 48 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 16. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 22. 49 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 25. 47
II. Art und Weise der Überprüfung
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wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen werde, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw. Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG enthalte jedoch nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierung, sondern ebenso das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede. Zwei Gruppen, die sich in unterschiedlichen Lagen befänden, dürften nur bei Vorliegen zureichender Gründe gleichbehandelt werden und es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleich zu behandeln50. In dieser Ausführlichkeit hat das Bundessozialgericht bislang die immer wieder auf das Gleichbehandlungsgebot hinauslaufenden Anforderungen an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht immer formuliert. Vielmehr verwendet es zumeist nur einzelne Aspekte des Gleichbehandlungsgrundsatzes, etwa den des „Differenzierungsgebots“51, des „Gerechtigkeitsgedankens“52 oder der „Gleichbehandlung“53, wie beispielsweise in seiner jüngeren Rechtsprechung vom 8. Januar 2012. Dort stellt es fest, nach dem aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit dürften zwei Gruppen, die sich in verschiedener Lage befänden, nur beim Vorliegen zureichender Gründe gleichbehandelt werden54. Unabhängig davon, wie ausführlich das Gericht die sich aus dem Gleichbehandlungsgebot ergebenen Anforderungen an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ausgeführt hat, das Gleichbehandlungsgebot wird, anders als die Berufsfreiheit, durchweg als Anforderung an den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit herangezogen. Der stetige Einfluss des Gleichheitsgebots in der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hat allerdings nicht dazu geführt, dass auch die im Hinblick auf einen Gleichheitsverstoß angewandten Rechtfertigungsanforderungen stets einheitlich waren. Wenn das Bundessozialgericht Anforderungen an die Intensität der Rechtfertigung vergütungsrechtlicher Regelungen gesetzt hat, konnte diesen keine einheitliche Linie entnommen werden. Vielmehr ist eine grobe Entwicklung von zunächst unterschiedlich hohen Anforderungen zu Beginn der Rechtsprechung über eine Phase der eher geringeren Anforderungen bis hin zu 50
BSGE 83, 205 (211 f.). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 21; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R, juris Rn. 25; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 25; Rath, MedR 2001, S. 61 f. 51 BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 21, 23; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 16; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 58/98 R, juris Rn. 29; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 18. Vgl. auch: BSGE 73, 131 (138 f.); BSG, MedR 1994, 376 (377); BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14. 52 BSGE 73, 131 (138 f.); BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 18; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26 Rn. 28. 53 BSG, Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R, juris Rn. 40; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69 Rn. 15. 54 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69 Rn. 15.
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D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
wieder intensiveren Voraussetzungen im Sinne der neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts wahrzunehmen.
2. Tatsächliche Prüfung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit Die vom Bundessozialgericht in den Entscheidungen tatsächlich vorgenommene Prüfung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist im Wesentlichen geprägt durch ein Wechselspiel der Gewichtung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 12 Abs. 1 GG55. Auffällig ist dabei, dass sich die Komponente der Gleichheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Berufsfreiheit – anders als es zunächst ersichtlich gewesen war – weitgehend durchgesetzt hat und auch quantitativ überwiegt56. a) Berufsfreiheit als gleichberechtigter Prüfungsmaßstab In seinen ersten Urteilen zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in den Jahren 1993 und 1994 hat das Bundessozialgericht Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Honorarverteilungsregelungen herangezogen. Zunächst prüfte es etwa in seinem Urteil vom 29. September 1993 einen Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit gesondert und kam zu dem Ergebnis, die umstrittenen Verteilungsvorschriften genügten den Anforderungen, die in materieller Hinsicht an eine Berufsausübungsregelung gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG zu stellen seien57. Erst nach dieser Feststellung nahm das Bundessozialgericht eine Prüfung anhand von Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG vor58 und gelangte dabei zu dem Ergebnis, die im Streit stehenden Vergütungsregelungen genügten nicht dem bei Berufsausübungsregelungen zu beachtenden Differenzierungsgebot, was dazu
55
Vgl. etwa Urteile mit Aspekten der Berufsfreiheit: BSGE 73, 131 ff.; BSG, Urt. v. 26. 04. 1994 – 6 RKa 66/91; BSGE 89, 173 ff.; 90, 111 ff.; 93, 258 ff.; 94, 50 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2. Vgl. etwa Urteile mit Gleichbehandlungsgesichtspunkten: BSGE 73, 131 ff.; BSG, Urt. v. 26. 04. 1994 – 6 RKa 66/ 91; BSGE 75, 187 ff.; 77, 279 ff.; 288 ff.; BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R; BSGE 83, 1 ff.; 205 ff.; BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 58/98 R; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R; Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R; BSGE 89, 1 ff.; BSG, NZS 2003, 494 ff.; BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R; BSGE 90, 111 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1; BSGE 92, 87 ff.; 93, 258 ff.; 94, 50 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36; BSGE 100, 254 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 3; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75. 56 Vgl. dazu bereits die Gewichtung in diesem Abschnitt, Fn. 55. 57 BSGE 73, 131 (138). Vgl. dazu kritisch auch: Axer, NZS 1995, S. 539 ff. 58 BSGE 73, 131 (138 ff.).
II. Art und Weise der Überprüfung
201
führte, dass der darauf beruhende Honorarbescheid rechtswidrig war und aufgehoben werden musste59. Sodann ging das Bundessozialgericht dazu über, in einem Urteil vom 26. Januar 1994 Prüfungskomponenten der Berufsausübungsfreiheit mit denen des Gleichbehandlungsgebots zu verbinden. Zunächst kam es bei der Prüfung der Berufsausübungsfreiheit zu dem Ergebnis, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab getroffenen Maßnahmen entsprächen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, da sie geeignet, erforderlich und für die Betroffenen zumutbar wären60. Anschließend zog es Art. 3 Abs. 1 GG heran, um herauszufinden, ob die Grenze des Zumutbaren – als ein Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 12 Abs. 1 GG – für die betroffene Arztgruppe und den Kläger selbst überschritten wurde und schloss seine Ausführungen dazu mit dem Ergebnis ab, ein Verstoß des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes gegen das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG läge nicht vor61. Mithin wird deutlich, das Bundessozialgericht hatte vertragsärztliche Vergütungsregelungen zu Beginn seiner Rechtsprechung sowohl anhand der Berufsausübungsfreiheit als auch anhand des Gleichheitsgebots überprüft, wobei eine klare Gewichtung zugunsten einer der beiden Grundrechte noch nicht erkennbar gewesen war62. b) Abnahme der Berufsfreiheit – Zunahme der parlamentsgesetzlichen Grundsätze Mitte der 1990er Jahre wurde in der Tendenz Art. 12 Abs. 1 GG weniger intensiv geprüft und es wurden größtenteils parlamentsgesetzliche Grundsätze in Kombination mit Gleichheitsgesichtspunkten als Prüfungsmaßstäbe durch das Bundessozialgericht herangezogen. So führte das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 12. Oktober 1994 zwar noch aus, dass Vergütungsregelungen durch Honorarverteilungsmaßstäbe jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um Bagatelländerungen handle, normative Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit darstellen könnten63. Eine tatsächliche Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG fand jedoch nicht statt. Vielmehr wurden das aus § 368g Abs. 1 RVO a.F. bzw. § 72 Abs. 2 SGB V a.F.64 59
BSGE 73, 131 (141). BSG, Urt. v. 26. 04. 1994 – 6 RKa 66/91, juris Rn. 20. 61 BSG, Urt. v. 26. 04. 1994 – 6 RKa 66/91, juris Rn. 21 ff. 62 Vgl. auch: Axer, NZS 1995, S. 540, der bereits nach wenigen Urteilen des BSG zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit festgestellt hatte, der Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG komme kein besonderes Gewicht zu oder sie werde gar nicht erst gesondert angestellt. 63 BSGE 75, 187 (191 f.). 64 § 368g Abs. 1 RVO in der Form des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juni 1977, vgl. BGBl. I 1977, S. 1069 (1074). § 72 Abs. 2 SGB V in der Form des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2499). 60
202
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
herzuleitende Gebot der angemessenen Vergütung65 sowie das in § 368f Abs. 1 S. 4 RVO a.F. bzw. § 85 Abs. 4 S. 3 SGB Va.F.66 verankerte Gebot, bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen, als Prüfungsgrundlagen herangezogen und teilweise durch Gleichheitsaspekte ergänzt67. In darauffolgenden Urteilen, etwa vom 7. Februar 199668 oder vom 28. Januar 199869, spielte die tatsächliche Überprüfung der Verteilungsregelungen anhand der Berufsausübungsfreiheit kaum mehr eine Rolle70. Dafür gewannen die erwähnten parlamentsgesetzlichen Grundsätze und der ebenfalls parlamentsgesetzlich verankerte Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung der Gesamtvergütung bei der gerichtlichen Überprüfung an Relevanz71. Auffällig ist aber, dass die parlamentsgesetzlichen Grundsätze zu diesem Zeitpunkt noch gesondert vom Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit geprüft wurden und innerhalb der Prüfung der Honorarverteilungsgerechtigkeit selbst stets eine Gleichheitsprüfung vorgenommen wurde72. c) Gleichheitsgebot als alleiniger Prüfungsmaßstab Ende der 1990er Jahre und über die Jahrtausendwende hinweg war in der gerichtlichen Kontrolle von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen durch das Bundessozialgericht – bis auf einige Ausnahmen73 – eine klare Abnahme der Überprüfung durch Art. 12 Abs. 1 GG und eine deutliche Zunahme an alleiniger Überprüfung anhand von Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. So wurde etwa im Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Januar 1999 die Situation von Ärzten, die ausschließlich zeitabhängige Gesprächs- und Behandlungsleistungen erbringen, mit der
65
BSGE 75, 187 (189 ff.). § 368f Abs. 1 S. 4 RVO in der Form des Gesetzes über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 1955, vgl. BGBl. I 1955, S. 513 (515 f.). § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V in der Form des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2503). Das BSG-Urteil in BSGE 75, 187 (192), zitiert „§ 85 Abs. 1 S. 3 SGB V“ statt § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V, es handelt sich dabei wohl um einen Schreibfehler. 67 BSGE 75, 187 (192). 68 BSGE 77, 279 ff.; 288 ff. 69 BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R. 70 Vgl. etwa: BSGE 77, 279 (283); 288 (291 f.); BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 16; BSGE 83, 1 f. In diesen Urteilen wurde stets nur ein Hinweis auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsregelungen gegeben. 71 BSGE 77, 279 (283); 288 (291 ff.); BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 16 ff. Vgl. dazu ausführlicher in diesem Abschnitt III. 1., S. 206 ff. 72 Vgl. etwa: BSGE 77, 279 (281 f.); 288 (294 f.); BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/ 96 R, juris Rn. 21 ff. 73 So etwa: BSG, Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R, juris Rn. 30; BSGE 89, 173 (182 ff.); 90, 111 (114 f.). 66
II. Art und Weise der Überprüfung
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Situation ausschließlich auftragsabhängig arbeitender Ärzte74 und mit der Situation aller Ärzte verglichen75. Es wurden Kriterien herausgearbeitet, die Bezugspunkte für eine Benachteiligung der klägerischen Arztgruppe darstellten76 und das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung zur Unterstützung einer Arztgruppe erforderlich seien77. Mithin wurde vom Bundessozialgericht zwar eine umfangreiche Prüfung des Differenzierungsgebots vorgenommen, während Aspekte der Berufsausübungsfreiheit keine besondere Rolle spielten. Vergleichbar wurde auch im Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. März 1999, im Rahmen einer gleichheitsrechtlichen Prüfung des Differenzierungsgebots, die Vergütung der betroffenen Arztgruppe sowohl mit dem Verdienst anderer Arztgruppen im gleichen Zeitraum, als auch mit ihren eigenen Honoraren zu einem anderen Zeitpunkt verglichen78 ; die Berufsausübungsfreiheit wurde dabei nicht näher erwähnt. Ebenso nahm das Bundessozialgericht im Urteil vom 11. September 2002 in der konkreten Prüfung einen Vergleich von Leistungen, die der Mengenausweitung zugänglich sind, mit Leistungen, die einer solchen Ausweitung nicht zugänglich sind, vor79 und beschränkte sich damit lediglich auf die tatsächliche Prüfung des Gleichbehandlungsgebots. Das Gericht hat den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit folglich über längere Zeit als einen Maßstab verwandt, mit dem es problematische Vergütungsregelungen nahezu ausschließlich auf ihre gleichheitsrechtliche Konformität überprüft hat80, obwohl es in seinen Urteilen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit stets aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herleitete81.
74
BSGE 83, 205 (212 f.). BSGE 83, 205 (213). 76 BSGE 83, 205 (214 f.). 77 BSGE 83, 205 (216). 78 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 23. 79 BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 14. 80 Vgl. etwa: BSGE 83, 205 ff.; BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R; BSGE 89, 1 ff.; BSG, NZS 2003, 494 ff.; BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R. Vgl. auch: Peikert, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 26. 06. 2002 – B 6 KA 28/01 R, GesR 2003, S. 49, der die Entscheidung des BSG in: NZS 2003, 494 ff., unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilungsgerechtigkeit als wenig bedeutsam und lediglich als konsequente Fortführung der bisherigen Rechtsprechung ansieht. 81 Vgl. etwa: BSGE 83, 205 (211 f.); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 17; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 12; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/ 98 R, juris Rn. 25; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 15; BSGE 89, 1 (2); BSG, NZS 2003, 494 (495); BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 13. 75
204
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
d) Weitere Entwicklungen Seit den Jahren 2004 bzw. 2005 ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine unterschiedliche Prüfung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit festzustellen. So findet etwa vereinzelt eine Rückkehr berufsfreiheitlicher Prüfungskomponenten statt82, wie etwa im Urteil vom 20. Oktober 2004, bei dem aus Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich ein Anspruch des Vertragsarztes auf Honorierung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit hergeleitet wird, der jedoch durch gesetzliche Regelungen, die das Honorar begrenzen, eingeschränkt werden kann. Das Gericht nimmt darüber hinaus in diesem Fall eine ausführliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vor und erarbeitet Kriterien zur Beantwortung der Frage, ob die Grenze der Unverhältnismäßigkeit überschritten worden ist83. Daneben führt das Bundessozialgericht in einer Reihe von Urteilen seine schon zum Ende der 1990er Jahre und über die Jahrtausendwende hinweg praktizierte Überprüfung von Vergütungsregelungen ausschließlich anhand des Gleichheitssatzes fort84. In einem Urteil vom 28. November 2007 werden etwa die Gewinnerzielungsmöglichkeiten von Psychotherapeuten am Vergleichsmaßstab anderer fachärztlicher Gruppen im unteren Einkommensbereich gemessen und eine umfassende Gleichbehandlungsprüfung vorgenommen85, obwohl das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herleitet86. In einzelnen Entscheidungen lässt sich im Weiteren feststellen, dass zugunsten einer Prüfung parlamentsgesetzlicher Gebote auf eine verfassungsrechtliche Prüfung verzichtet wurde87. Dies zeigt sich deutlich etwa in einem Urteil vom 10. März 2004, in dem das Gericht ausführt: „Zu beachten ist dabei allerdings insbesondere das in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB Vangesprochene Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars sowie der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Bei dem Gebot leistungsproportionaler Vergütung handelt es sich jedoch nur um einen Grundsatz; von ihm darf abgewichen werden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung damit andere billigenswerte Ziele verfolgt. Solche anerkennenswerten Zielsetzungen können in einer 82 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 23; BSGE 92, 87 (92 f.); 94, 50 (97 ff.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 26 Rn. 26 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 14; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. 83 BSGE 93, 258 (264 ff.). Vgl. dazu ausführlicher in diesem Abschnitt IV. 2., S. 222 f. 84 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39; BSGE 100, 254 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75. 85 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 16 ff. 86 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 10. 87 Vgl. etwa: BSGE 92, 10 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10; BSGE 92, 233 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 66.
II. Art und Weise der Überprüfung
205
Stabilisierung des Auszahlungspunktwertes durch die Begrenzung des Anstiegs der zu vergütenden Leistungsmenge liegen, weil auf diese Weise die Vertragsärzte einen Teil des vertragsärztlichen Honorars sicherer kalkulieren können. Diesen Grundsätzen entsprechen die von der Beklagten zum 1. Juli 1997 eingeführten Fallzahlzuwachsregelungen, die sie auf die Honoraranforderung des Klägers für das Quartal I/1998 anwendete.“88 In der weiteren Prüfung nimmt das Gericht, obwohl es den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nennt, keine verfassungsrechtliche Überprüfung der streitgegenständlichen Regelungen zur Begrenzung von Fallzahlsteigerungen vor. Vielmehr wendet es einen zuvor in anderen Entscheidungen89 anhand von verfassungsrechtlichen Überprüfungen herausgearbeiteten Maßstab für den Fallzuwachs – die eigene Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal – auf die zu überprüfende Regelung an und entwickelt ihn dahingehend weiter, als dass nun die Zugrundelegung der durchschnittlichen Fallzahl der jeweiligen Fachgruppe ausschlaggebend ist90. Schließlich lässt sich in einigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts eine wiederum abgewandelte Prüfungsvorgehensweise erkennen. Das Gericht definiert dabei zunächst zu Beginn der Entscheidungen abstrakt, dass Honorarverteilungsmaßstäbe anhand von parlamentsgesetzlichen Grundsätzen in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu überprüfen sind. Wenn es im Anschluss daran zur konkreten Einzelfallprüfung kommt, nimmt das Gericht jedoch nur eine Prüfung „nach diesen Maßstäben“91 vor. Tatsächlich wird sodann entweder eine Gleichheitsprüfung durchgeführt oder das Gericht verweist auf vorangegangene Entscheidungen zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sowie auf deren Inhalte und gelangt bei letzterem zumeist ohne erneute verfassungsrechtliche Prüfung zu einem Ergebnis. Folglich werden in diesen Fällen die parlamentsgesetzlichen Gebote und der verfassungsrechtliche Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit spätestens in der konkreten Prüfung zu „diesen Maßstäben“ verbunden.
88
BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 13 f. Im Urteil des BSG v. 10. 03. 2004 bezieht sich das Gericht im Wesentlichen auf Erkentnisse aus den Urteilen v. 13. 03. 2002, vgl. BSGE 89, 173 ff.; BSG, SozR 3 – 2500 § 85 Nr. 44. 90 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10. 91 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 16; Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 14; BSGE 92, 10 (11 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 17; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. Siehe auch: BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14; BSG, MedR 2000, 153 (155); BSG, NZS 2003, 494 (495); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 7; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 17; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 15. 89
206
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
3. Zwischenergebnis Betrachtet man die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, ist festzustellen, dass es keine einheitliche ggf. über die Jahre näher ausgeformte abstrakte Definition des Grundsatzes gibt. Die Betrachtung der vom Bundessozialgericht tatsächlich vorgenommenen Prüfung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit zeigt, dass zu Beginn der Rechtsprechung die Überprüfung von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen zunächst eher gleichberechtigt anhand von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG erfolgte. Doch lässt sich später feststellen, dass wenn das Bundessozialgericht Vergütungsregelungen im Vertragsarztrecht auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen hatte, und dabei den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit anwendete, weder die Anforderungen, die an den Grundsatz gestellt wurden, stets gleich waren noch die Art und Weise des Vorgehens gleich erfolgte92. Dies ist unter anderem wohl der inhaltlichen Verschiedenheit von zur Überprüfung stehenden Vergütungsregelungen und dem Umstand geschuldet, dass der gesetzgeberische Rahmen, in den sich die untergesetzlichen Vergütungsregelungen einzufügen haben, stetigen Änderungen unterliegt. Überdies kann eine Ursache der wechselnden Anforderungen und tatsächlichen Überprüfungsweisen darin gesehen werden, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, einen aus zwei Grundrechten verknüpften und hinsichtlich der Besonderheiten des Vertragsarztrechts ausfüllungsbedürftigen Maßstab darstellt.
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen 1. Verhältnis zum Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung Der Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung93 wurde aus § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F. hergeleitet. Seit dem 1. Januar 2012 wird die Verteilung des ver92
Vgl. auch Kritik bei: Reuther, VSSR 2003, S. 160 ff.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 148 ff., 155 f. Als „Verwirrung stiftend, statt Probleme lösend“ bezeichnet ihn: Axer, NZS 1995, S. 541. Vgl. ausführlich zur Kritik im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nachfolgend im Abschnitt F. III., S. 294 ff. 93 Vgl. zum Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung: Brochnow, in: Luxenburger, FS 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 312 ff.; Engelhard, in: Hauck/ Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 87 ff.; Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 85 SGB V Rn. 54 f.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 135 f.; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 113 f.; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 85 SGB V Rn. 61 f.; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 14 ff.; Reuther, VSSR 2003, S. 164 ff.; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 85 SGB V Rn. 27; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 31.
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen
207
tragsärztlichen Honorars jedoch nicht mehr durch § 85 Abs. 4 SGB V, sondern insbesondere durch § 87b SGB V geregelt94. Der in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F. verankerte Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung wurde im Zuge der Gesetzesänderung nicht ausdrücklich in § 87b SGB V übernommen. Die zu diesem Grundsatz entwickelte Rechtsprechung behält aber auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verankerung Anwendung95. Nach dem Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung sind bei der Verteilung der Gesamtvergütungen Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen. Anknüpfungspunkt für den Anteil, der einem Vertragsarzt an der Gesamtvergütung zusteht, sind damit die von ihm tatsächlich zugunsten seiner Patienten erbrachten Leistungen. Die Vergütung ist daher grundsätzlich nach der Art – also der Qualität – und dem Umfang der erbrachten Leistungen – d. h. der Quantität – an die Vertragsärzte zu verteilen96. a) Verbindung der Prüfungsmaßstäbe Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verknüpfen diesen überwiegend mit dem in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F. verankerten Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung. In den Anfängen der Rechtsprechung dazu waren die beiden Grundsätze nahezu wörtlich miteinander verbunden worden, wie etwa im Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. September 1999, nach welchem Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung „an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V i.V.m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt“97, zu messen seien98. „Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen sind.“99 Darüber hinaus wird eine Verbindung des parlamentsgesetzlichen Gebots der leistungsproportionalen Verteilung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit dadurch deutlich, dass in einigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts die Grundsätze zwar zunächst einzeln als Überprüfungs94
BGBl. I 2011, S. 2983 (2987 f.). Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 232; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 83 ff., 87 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 120. 96 Reuther, VSSR 2003, S. 163 f.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 83. 97 BSGE 83, 1 f. 98 Vgl. auch: Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 17. 99 BSGE 83, 1 f. Vgl. auch: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 17; BSG, MedR 2000, 153 (154); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 12; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 15; Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 13. 95
208
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
maßstab genannt wurden, sodann jedoch die tatsächliche Überprüfung anhand beider Grundsätze gemeinsam erfolgt. Dies kommt etwa in einem Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2009 zum Ausdruck, in welchem zunächst gefordert wird, der Honorarverteilungsmaßstab müsse mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F.100 angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie den aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten101. Sodann geht das Gericht dazu über, „in Anwendung dieser Maßstäbe“102 die konkrete Regelung des Honorarverteilungsmaßstabs anhand von Rechtsprechungsergebnissen früherer Entscheidungen zu überprüfen: „In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat auch sog. Individualbudgets für rechtmäßig erklärt, die nach Abrechnungsergebnissen der jeweiligen Arztpraxis aus vergangenen Zeiträumen bemessen wurden und deren gesamtes Leistungsvolumen umfassen (…).“103 Hinsichtlich der Überprüfung des streitgegenständlichen Honorarverteilungsmaßstabes auf die Honorarverteilung mittels Individualbudgets kommt das Gericht zu dem Ergebnis: „Nicht zu beanstanden ist allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin, dass die Beklagte in ihrem Honorarverteilungsmaßstab Honorarbegrenzungsregelungen in Form von Individualbudgets normiert und in deren Regelungsbereich auch die Fachgruppe der Anästhesisten einbezogen hat.“104 Im Hinblick auf die im streitgegenständlichen Honorarverteilungsmaßstab enthaltenen Regelungen für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen stellt das Gericht hingegen fest: „Die für die Beurteilung des Rechtsstreits maßgeblichen Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten entsprechen jedoch nicht den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung der Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen entwickelt worden sind. Zu dieser Gruppe gehört auch die Praxis der Klägerin, da die ihr in den strittigen Quartalen zugewiesenen Punktzahlen weniger als ein Drittel des Fachgruppendurchschnitts betrugen.“105 Auf diese Weise differenziert das Bundessozialgericht die beiden Grundsätze zwar zunächst nach ihrer Bezeichnung, prüft die konkrete Regelung dann aber nicht getrennt zunächst am Maßstab des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit und sodann am Maßstab des Grundsatzes der leistungsproportionalen Verteilung. Stattdessen wird eine gemeinsame Prüfung „dieser Maßstäbe“ unter anderem anhand von Recht100 § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V in der Form des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 11. Dezember 2001, vgl. BGBl. I 2001, S. 2526 (2527). 101 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 16. 102 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 17. Vgl. auch: BSG, MedR 2000, 153 (155); BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 16; BSG, NZS 2003, 494 (495); BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 14; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 7; BSGE 92, 233 (234); 94, 50 (69); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 22; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 15. 103 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 17. 104 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 15. 105 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 23.
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen
209
sprechungsergebnissen früherer Entscheidungen vorgenommen, sodass eine eindeutige Trennung zwischen dem, was den einzelnen Grundsätzen und den verschiedenen Normenebenen zuzuordnen ist, nicht mehr möglich ist. In mehreren älteren Entscheidungen des Bundessozialgerichts106 – so etwa im Urteil vom 10. Dezember 2003 – führte das Gericht aus: „Bei dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars handelt es sich jedoch nur um einen Grundsatz. Von diesem darf abgewichen werden“107. Damit war zunächst nur das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung als ein Grundsatz dargestellt worden, von dem abgewichen werden dürfe. Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 werden allerdings, ohne eine weitere Begründung, sowohl das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung als auch der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Grundsätze bezeichnet, von denen aus sachlichem Grund abgewichen werden dürfe108. Das Gericht stellt diesbezüglich im Urteil vom 20. Oktober 2004 fest: „Zu beachten sind dabei allerdings insbesondere das in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V angesprochene Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars sowie der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Das bedeutet indessen nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssten (…). Beide Prinzipien stellen vielmehr nur Grundsätze dar, von denen aus sachlichem Grund abgewichen werden darf“109. Damit wird wiederum eine Verbindung beider Grundsätze vorgenommen, die eine klare Abgrenzung und darüber hinaus eine eigenständige Kontur des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Verhältnis zum Gebot der Leistungsproportionalität nur schwer erkennen lassen. In der Literatur, die sich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit befasst, ist eine klare Trennung des verfassungsrechtlichen vom parlamentsgesetzlichen Grundsatz zumeist ebenfalls nicht eindeutig erkennbar. Teilweise wird der Inhalt der parlamentsgesetzlichen Regelungen der § 85 Abs. 4 S. 3 ff. SGB V a.F., in denen vormals der Grundsatz der Leistungsproportionalität gesetzlich festgeschrieben war, mit dem des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit gleichgesetzt, wobei der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Verhältnis zu den Regelungen der § 85 Abs. 4 S. 3 ff. SGB V a.F. ergänzend und übergreifend sei110. Zum Teil werden das Gebot der Leistungsproportionalität und der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zwar unabhängig voneinander, aber dem Inhalt 106
BSGE 92, 10 (11 f.); 233 (234); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6. BSGE 92, 10 (11 f.). 108 BSGE 93, 258 (260 f.). Vgl. auch: BSGE 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 17; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 92; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 85 SGB V Rn. 60. Kritisch dazu: Schnapp, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 20. 10. 2004 – B 6 KA 30/03 R, SGb 2005, S. 550. Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt II. 1. c), S. 196 f. 109 BSGE 93, 258 (260 f.). 110 Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 232. 107
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D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
nach nahezu identisch beschrieben111. Vereinzelt wird hingegen in zutreffender Weise von unterschiedlichen Maßstäben ausgegangen, indem die beiden Grundsätze als unterschiedliche Gestaltungsgrenzen beschrieben werden. Die Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigungen werde somit zum einen durch höherrangiges Verfassungsrecht, insbesondere durch den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, begrenzt. Eine weitere Gestaltungsgrenze beinhalte der aus dem SGB V zu folgernde Grundsatz der Leistungsproportionalität112. Welchen Inhalt die einzelnen Gestaltungsgrenzen im Weiteren haben, wird jedoch offen gelassen. Folglich schließt sich die Literatur entweder der durch die Rechtsprechung überwiegend praktizierten Verbindung der beiden Grundsätze an oder stellt zwar die unterschiedlichen Gestaltungsgrenzen der Grundsätze fest, lässt den jeweiligen Inhalt aber offen. b) Honorarverteilungsgerechtigkeit als Maßstab für Leistungsproportionalität In einigen Urteilen des Bundessozialgerichts werden das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung und der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht nur miteinander verknüpft, sondern der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird als Maßstab dafür herangezogen, die Frage zu beantworten, ob eine Verletzung des Gebots der leistungsproportionalen Verteilung vorliegt. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung wird folglich im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit ausgelegt. Im Urteil vom 20. Januar 1999 stellt das Bundessozialgericht beispielsweise fest, die Vergütung aller vertragsärztlichen Leistungen mit einem einheitlichen Punktwert entspräche dem Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars, an den nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats die Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen der Honorarverteilung gebunden seien. Danach seien die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten113. Die Kläger hatten in diesem Fall aber geltend gemacht, gerade die Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen mit dem allgemeinen Punktwert sei verfehlt, weil den Ärzten, die diese Leistungen erbringen, ein Rechtsanspruch auf einen höheren bzw. zumindest auf einen garantierten Punktwert zustehe114. Als Rechtsgrundlage dieses Anspruchs verwendet das Bundessozialgericht das aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit115 ; es sei dann verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen werde, obwohl zwi111
Engelmann, in: Prütting, Medizinrecht, § 85 SGB V Rn. 54 ff.; Motz, in: Eichenhofer/ Wenner, SGB V, § 85 SGB V Rn. 61 ff. 112 Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 808. 113 BSGE 83, 205 (211 f.). Vgl. dazu auch: Rath, MedR 2001, S. 61 f. 114 BSGE 83, 205 (211 f.). 115 BSGE 83, 205 (211 f.). Zum Anspruch auf höhere Vergütung für psychotherapeutische Leistungen, vgl. ausführlich im Abschnitt E. II. 1., S. 236 ff.
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen
211
schen den betroffenen Ärzten bzw. Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG enthalte jedoch nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierung, sondern genauso das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede116. Folglich hat das Bundessozialgericht in diesem Fall zunächst dem Grundsatz der Leistungsproportionalität den Inhalt beigemessen, prinzipiell eine gleichmäßige Vergütung zu garantieren. Sodann wird vom Gericht der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit herangezogen, der verletzt sei, wenn genau von diesem Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird117. Anschließend stellt das Bundessozialgericht anhand einer Gleichheitsprüfung fest, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vorliegt. Damit wird zugleich die Frage beantwortet, ob auch vom Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung abgewichen wird. Darüber hinaus findet das In-Verhältnis-Setzen der beiden Grundsätze vereinzelt dadurch statt, dass innerhalb der Rechtfertigung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Leistungsproportionalität Gleichheitsgesichtspunkte als Teile des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit herangezogen werden. Im Urteil vom 29. August 2007 hat das Bundessozialgericht etwa ausgeführt, sofern die notwendige innere Rechtfertigung für die von einer rein leistungsproportionalen Verteilung abweichende Vergütung nach Fachgruppentöpfen darin bestünde, dass damit unabhängig von unterschiedlichen Mengenentwicklungen eine Gleichbehandlung der Arztgruppen nach Maßgabe des von ihnen sicherzustellenden realen medizinischen Versorgungsbedarfs gewährleistet werde, so folge daraus zugleich, dass die Anknüpfung an Ergebnisse einer in einem früheren Zeitraum unter Außerachtlassung des medizinischen Versorgungsbedarfs materiell rechtswidrig vorgenommenen Honorarverteilung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Mit der Zugrundelegung eines materiell rechtswidrigen – den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit missachtenden – Verteilungsergebnisses würde im späteren Quartal die Topfbildung ihrer Funktion und Legitimation beraubt118. Somit wäre in diesem Fall eine Abweichung vom Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung dann gerechtfertigt, wenn dem Ziel der Gleichbehandlung gefolgt würde. Aufgrund fehlerhafter Ermittlung des eigentlich die Gleichbehandlung herstellenden medizinischen Versorgungsbedarfs liegt jedoch sowohl ein Verstoß gegen das Gebot der Leistungsproportionalität als auch gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vor. Mithin findet in diesem Urteil die Verknüpfung der beiden Grundsätze im Rahmen der Rechtfertigung eines Verstoßes auf Seiten des Gebots der Leistungsproportionalität statt, wohingegen im Beispiel zuvor, dem Urteil vom 20. Januar 116
BSGE 83, 205 (212). Vgl. auch: BSGE 77, 288 (291 f., 294 f.); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 17 f.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 25. 117 Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 85 SGB V Rn. 59. 118 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 25. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 29.
212
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
1999119, ein In-Verhältnis-Setzen eher auf Seiten des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit erfolgt. In einem jüngeren Urteil vom 23. März 2015120 findet ebenso eine Verknüpfung der beiden Grundsätze statt, indem das Bundessozialgericht den Grundsatz der Leistungsproportionalität heranzieht, um den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit näher auszuformen. Das Gericht führt dahingehend aus: „In der Anwendung der durch den Bewertungsausschuss vorgegebenen Punktzahlobergrenze liegt entgegen der Auffassung des Klägers auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. (…) Allein der Umstand, dass Leistungen, die eine Budgetgrenze überschreiten, geringer bewertet werden, als die gleichen Leistungen, die innerhalb des Budgets erbracht werden, steht nicht im Widerspruch zu dem aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Bei dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars handelt es sich nur um einen Grundsatz. Dessen Beachtung erfordert nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssen. Vielmehr kann von diesem Grundsatz aus sachlichem Grund abgewichen werden (…). Insoweit kommt dem Normgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu“121. Das Bundessozialgericht erweckt auf diesem Wege den Eindruck, der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung wären ein einziger Überprüfungsmaßstab. In allen zur Verdeutlichung herangezogenen Entscheidungen des Gerichts, stellt somit der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, insbesondere der darin verankerte allgemeine Gleichheitssatz, den für die Rechtswidrigkeitsentscheidung der vertragsärztlichen Verteilungsregelung ausschlaggebenden Faktor dar. c) Vereinzelte Trennung Anders, als es bei zwei Überprüfungsmaßstäben auf unterschiedlicher normenhierarchischer Ebene zu erwarten gewesen wäre122, werden das sich aus § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F.123 ergebene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung und der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vom Bundessozialgericht nur vereinzelt getrennt voneinander geprüft. Im Urteil vom 13. März 2002 wird beispielsweise zunächst hinsichtlich des Grundsatzes der leistungsproportionalen Verteilung festgestellt: „Die von der Kassenärztlichen Vereinigung beschlossene Satzung [der Honorarverteilungsmaßstab 119
BSGE 83, 205 ff. Vgl. auch: Rath, MedR 2001, S. 60 ff.; Steinhilper, VSSR 2000, S. 355 ff. 120 BSG, Urt. v. 25. 03. 2015 – B 6 KA 22/14 R. 121 BSG, Urt. v. 25. 03. 2015 – B 6 KA 22/14 R – juris Rn. 36. 122 Vgl. dazu: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 15. 123 § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2633 f.).
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen
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(HVM)] muss mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V a.F.124 angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars beachten (…). [Der zur Überprüfung stehende] § 7 Abs. 1 HVM kann mit diesem Gebot in Konflikt geraten, weil die Honorarkürzung bei Überschreitung der praxisindividuellen Fallzahlgrenze zur Folge hat, dass sich das Honorar vermindert, obwohl auch die Leistungen in den Behandlungsfällen, die über die zugelassene Fallzahlsteigerung hinaus gehen, der Leistungsbeschreibung im EBM-Ä entsprechend erbracht worden sind. Das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars ist jedoch nicht mehr als ein Grundsatz, der eingeschränkt werden darf, wenn die Kassenärztliche Vereinigung damit andere billigenswerte Zwecke verfolgt (…). Solche anerkennenswerten Zielsetzungen können sich aus der Verpflichtung der Kassenärztliche Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in ihrem Bereich, aus Regelungen des EBM-Ä zur Honorarverteilung oder aus den zur Umsetzung des EBM-Ä getroffenen Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge (BMVe), hier der Praxisbudgetvereinbarung, ergeben.“125 Im Ergebnis verfolgt der hier vom Gericht zu überprüfende § 7 Abs. 1 HVM „anerkennenswerte Zielsetzungen“, sodass der Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung in zulässiger Weise eingeschränkt werden durfte und ein Verstoß gegen ihn verneint wird126. Sodann wird im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit weiter ausgeführt: „In materieller Hinsicht ist die Regelung des § 7 Abs. 1 HVM ebenfalls nicht zu beanstanden. (…) Es ist mit dem aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar, wenn Vergütungsbegrenzungen solche Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl faktisch daran hindern, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe zu steigern. Diese Erwägungen gelten für den vertragsärztlichen Bereich in gleicher Weise. Dem trägt § 7 Abs. 1 HVM dadurch Rechnung, dass Kürzungen nach dieser Vorschrift nur Ärzte mit Fallzahlsteigerungen erfassen, die im Vergleichszeitraum mehr als 100 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl ihrer Fachgruppe aufzuweisen haben.“127 Somit wird in diesem Urteil das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung als Grundsatz dargestellt, von dem durch legitime Ziele abgewichen werden kann. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird lediglich in Bezug mit einer aus ihm entwickelten fallgruppenorientierten ständigen Rechtsprechung 124
§ 85 Abs. 4 S. 3 SGB V in der Form des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2503). 125 BSGE 89, 173 (175 f.). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 07. 02. 1996 – 6 RKa 42/95, juris Rn. 15, 22; Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 16, 21; BSG, NZS 2003, 440 (442, 444). Kritisch zur fehlenden Abwägung des BSG-Urteils in: NZS 2003, 440 ff., welche an sich ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG nach sich ziehen würde: Rompf, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 13. 03. 2002 – B 6 KA 48/00 R, GesR 2002, S. 91. 126 BSGE 89, 173 (176, 181 f.). 127 BSGE 89, 173 (182).
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D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
des Senats – hier für Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl – erwähnt, ohne im Detail eine Prüfung anhand der sich aus den Grundrechten des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Verbindung vorzunehmen.
2. Verhältnis zum Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung Der Grundsatz der Angemessenheit vertragsärztlicher Vergütung ist allgemein in § 72 Abs. 2 SGB V128 parlamentsgesetzlich verankert, indem dort angeordnet wird, die vertragsärztliche Versorgung sei so zu regeln, dass unter anderem „die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden“129. Neben dieser allgemeinen Verankerung des Grundsatzes finden sich für die vertragsärztliche, insbesondere für die psychotherapeutische Vergütung weitere Ausformungen auf den unterschiedlichen Ebenen der Verteilungsmechanismen. § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V gibt etwa auf der Ebene des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die Bewertungen psychotherapeutischer Leistungen vor, eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten130. In § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V wird für die Honorarverteilungsmaßstäbe angeordnet, Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen zu treffen, die eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten131.
128 § 72 Abs. 2 SGB V wurde durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988 eingeführt, vgl. BGBl. I 1988, S. 2477 (2499), und seither nicht wesentlich verändert. 129 Vgl. zum Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung: Ebsen, in: Geis, FS Hufen, S. 11 ff.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 57 ff.; ders., in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 77 ff.; Fiedler, VSSR 1995, S. 355 ff.; Funk, MedR 1994, S. 314 ff.; Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 97 ff.; Hesral, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 72 SGB V Rn. 54 ff.; Hess, VSSR 1995, S. 367 ff.; Hoßbach, Wirtschaftlichkeitsprüfung und Praxisbesonderheiten, S. 74; Isensee, VSSR 1995, S. 321 ff.; Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 72 SGB V Rn. 9 f.; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 253 f.; Link/de Wall, VSSR 2001, S. 81, 88 ff.; Maaß, NZS 1998, S. 13 ff.; Schmiedl, MedR 2002, S. 116 ff.; Schneider, SGb 1995, S. 321 ff.; ders., SGb 2004, S. 148; Spoerr, MedR 1997, S. 342 ff.; Wimmer, MedR 1998, S. 533 ff. Zum Verhältnis des Grundsatzes der angemessenen Vergütung zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität, vgl. Freudenberg, Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 92 ff.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 49 ff.; Wimmer, MedR 2001, S. 361 ff.; Ziermann, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 21 Rn. 31. 130 Vgl. dazu bereits ausführlich in Abschnitt B. I. 2. b) dd), S. 90 ff. 131 Vgl. dazu bereits ausführlich in Abschnitt B. II. 2. a) dd), S. 120 ff.
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen
215
a) Trennung beim allgemeinen Grundsatz der angemessenen Vergütung In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist im Verhältnis des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit zum Grundsatz der angemessenen Vergütung aus § 72 Abs. 2 SGB V – vereinzelt auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG132 – zum Teil eine getrennte Prüfung der beiden Grundsätze zu beobachten. Zu Beginn der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit war ein Anspruch aus dem allgemein in § 72 Abs. 2 SGB V niedergelegten Grundsatz der angemessenen Vergütung hergeleitet worden133. Seit der gesetzlichen Verankerung der angemessenen Vergütung je Zeiteinheit psychologischer Leistungen in § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F.134 waren allerdings vermehrt Rechtsstreitigkeiten eines Verstoßes gegen diese als gegen die Regelung des allgemeinen Grundsatzes der Angemessenheit der Vergütung in § 72 Abs. 2 SGB V zu verzeichnen135. Die separate Prüfung der Grundsätze wurde etwa in dem Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 1994 deutlich, bei welchem dem Kläger eine höhere als ihm nach dem entsprechenden Honorarverteilungsmaßstab der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung zustehende Vergütung oder Ausgleichs- und Sonderzahlungen „weder aus dem in § 368g Abs. 1 RVO, § 72 Abs. 2 SGB V niedergelegten Gebot der Angemessenheit der Vergütung noch aus verfassungsrechtlichen Gründen“136 gewährt wurde. Zunächst war der Anspruch des Klägers auf höhere Vergütung aus dem Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen nach § 72 Abs. 2 SGB V geprüft und abgelehnt worden, weil § 72 Abs. 2 SGB V lediglich ein objektiv-rechtlicher Gehalt zukomme und der Norm keine – einen Anspruch begründenden – subjektiven Rechte zu entnehmen seien137. Anschließend wurde ein Anspruch auf höhere Vergütung aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit gemäß Art. 12
132 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 20. Siehe auch: Bergmann/Wever, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 08. 12. 2010 – B 6 KA 42/09 R, MedR 2011, S. 498; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 93; Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 72 SGB V Rn. 10. 133 Vgl. etwa: BSGE 75, 187 (188 ff.); 83, 1 (6); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 18. 134 § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). Ab dem 1. Januar 2012 bis zum 22. Juli 2015 wurde die angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen je Zeiteinheit im Honorarverteilungsmaßstab nicht mehr durch § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V, sondern insbesondere durch § 87b Abs. 2 S. 3 SGB V geregelt, vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2988, 2991). Seit dem 23. Juli 2015 befindet sich die Regelung in § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V, vgl. BGBl. I 2015, S. 1211 (1221). 135 Vgl. etwa: BSGE 89, 1 (2 ff.); 92, 87 (92 ff.); 100, 254 (274 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. 136 BSGE 75, 187 (188). 137 BSGE 75, 187 (188 ff.).
216
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geprüft und wiederum abgelehnt138. Das Bundessozialgericht stellte diesbezüglich fest: „Der Senat hat in diesem Zusammenhang die Aufteilung der Gesamtvergütung in leistungsbezogene Teilbudgets (Honorartöpfe) unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet und für diesen Fall auf der Grundlage des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG entschieden, dass die Honorarverteilungsmodalitäten Unterschiede berücksichtigen müssen, die innerhalb der Arztgruppen bestehen, deren Honorierung durch ein Teilbudget begrenzt wird (…). Aus dem so beschriebenen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann nicht abgeleitet werden, daß außerhalb der Bildung von Teilbudgets die Leistungen einer Arztgruppe mit einem höheren Punktwert vergütet werden müssen, als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist.“139 Eine getrennte Prüfung der Grundsätze ist auch in der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insbesondere im Urteil vom 8. Dezember 2010, zu erkennen. Dort ist ebenso zunächst ein Anspruch auf höheres Honorar unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen aus § 72 Abs. 2 SGB V i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG verneint worden, da „nach der Rechtsprechung des Senats ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus § 72 Abs. 2 SGB V i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG erst dann in Betracht kommt, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist (…). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Situation im Bereich der Beklagten für die Gruppe der Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten in dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin beruft sich hierauf nicht.“140 Sodann wird das Bestehen eines Anspruchs auf höheres Honorar auch nach dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit abgelehnt: „Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf höheres Honorar nach dem aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, den die Klägerin dadurch verletzt sieht, dass der Einkommensabstand zwischen Fachärzten für Haut- und Geschlechtskrankheiten und anderen Fachärzten unangemessen hoch sei. Zur Begründung eines Anspruchs beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Senats zur Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Kassenärztlichen Vereinigung bei einer Punktwertdifferenz von 15 % zwischen den aus einem Honorartopf vergüteten Leistungen und dem größten Teil der sonstigen Leistungen“141.
138
BSGE 75, 187 (191 f.). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 07. 02. 1996 – 6 RKa 42/95, juris Rn. 22; BSGE 94, 50 (93 ff., 97 ff.). 139 BSGE 75, 187 (191 f.). 140 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 20. Siehe auch: Bergmann/Wever, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 08. 12. 2010 – B 6 KA 42/09 R, MedR 2011, S. 498. 141 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 21.
III. Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen
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b) Verbindung bei angemessener Vergütung psychotherapeutischer Leistungen Die Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der angemessenen Vergütung werden vermehrt jedoch nicht klar voneinander getrennt verwendet. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen es sich um die besonderen Ausformungen des allgemeinen Grundsatzes der angemessenen Vergütung in Bezug auf die angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen handelt. Im Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. September 2001 wird etwa festgestellt, dass die Vereinbarkeit der streitigen Vergütungsregelung des Bewertungsausschusses mit der gesetzlichen Vorgabe in § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F.142 sowie mit dem Anspruch der Psychotherapeuten aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auf angemessene Beteiligung an der Gesamtvergütung umstritten sei143. Im Ergebnis stellte das Bundessozialgericht dann fest, der streitige Bescheid stehe nicht mit der zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen entwickelten Rechtsprechung überein144. Nach welchem der beiden Grundsätze ein solcher Verstoß bzw. ein Anspruch auf höhere Vergütung besteht, wird vom Gericht hingegen nicht klargestellt. Der Grundsatz der angemessenen Vergütung und der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit werden ebenso in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Mai 2008, in dem das Gericht inzident einen Beschluss des Bewertungsausschusses vom 18. Februar 2005 zu überprüfen hat, ohne eindeutige Trennung miteinander verbunden: „Wenn die Vorgaben im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 18. 2. 2005 zur Berechnung der Psychotherapie-Punktwerte in den Jahren 2002 und 2003 im Vergleich mit weiteren Arztgruppen solche Ergebnisse bewirken, ist dem gesetzlichen Gebot angemessener Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten (§ 85 Abs. 4 S. 4 SGB V) Genüge getan. Der Senat hält daran fest, dass die psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Psychologen nicht beanspruchen können, bei Vollauslastung ihrer Praxen den durchschnittlichen Überschuss aller Vertragsärzte zu erreichen. Es ist unter dem Aspekt der Honorarverteilungsgerechtigkeit vielmehr hinreichend, dass voll ausgelastete Psychotherapeuten die Chance erhalten, mit ihrer Tätigkeit Überschüsse zu erwirtschaften, die denjenigen anderer fachärztlicher Gruppen im unteren Einkommensbereich entsprechen.“145 Das Bundessozialgericht stellt im Ergebnis fest: „Mithin ist der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 18. 2. 2005 rechtswidrig (…). Der insoweit bestehende Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit führt allerdings nicht automatisch dazu, dass die Psychotherapeuten für die Jahre 2000 und 2001 Anspruch auf höhere Honorare nach Maßgabe derjenigen Punktwerte haben, die sich bei Nichtanwendung dieser Honorarberei142 § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). 143 BSGE 89, 1 (4 f.). 144 BSGE 89, 1 (2). 145 BSGE 100, 254 (274 f.).
218
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
nigung ergeben. Dem Bewertungsausschuss stehen vielmehr mehrere gleichermaßen unbedenkliche Wege zur rechtmäßigen Neuregelung der gleichheitswidrigen Rechtslage offen.“146 Zwar wird der Grundsatz der angemessenen Vergütung vom Gericht gesondert hervorgehoben, es zieht sodann aber den „Aspekt der Honorarverteilungsgerechtigkeit“ heran, um das Gebot der angemessenen Vergütung näher auszugestalten. Schließlich wird ein „Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit“ bejaht, ohne jedoch weiter auf das Gebot der angemessenen Vergütung einzugehen. Das Gericht legt somit das Gebot angemessener Vergütung im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus.
3. Zwischenergebnis Das Bundessozialgericht setzt in der überwiegenden Mehrheit seiner Entscheidungen zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit diesen in ein Verhältnis zu parlamentsgesetzlichen Grundsätzen, wie dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung oder dem Grundsatz der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen147. Betrachtet man das Verhältnis vom Gebot der leistungsproportionalen Verteilung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit näher, lässt sich im Ergebnis feststellen, dass in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine klare Abgrenzung der beiden Grundsätze voneinander kaum erkennbar ist, obwohl sie normenhierarchisch auf unterschiedlichen Ebenen – der Verfassung und dem einfachen Bundesrecht – verankert sind. Die unklare Trennung ist zum einen der oftmals vorgenommenen Verbindung der Überprüfung durch beide Grundsätze geschuldet, indem die Annahme entsteht, sie beinhalteten dieselben Anforderungen. Zum anderen ist eine klare inhaltliche Abgrenzung zwischen beiden Grundsätzen auch deshalb kaum möglich, weil die Frage, ob ein Verstoß gegen das Gebot leistungsproportionaler Verteilung vorliegt, oft durch die Prüfung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit beantwortet wird. Betrachtet man im Weiteren das Verhältnis des Grundsatzes der Angemessenheit der Vergütung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, lassen sich zwei wesentliche Entwicklungen erkennen. In einigen Entscheidungen wird ein Anspruch des Vertragsarztes auf ein angemessenes Honorar aus dem Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung separat von weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen geprüft. In anderen Entscheidungen verbindet das Bundessozialgericht die dort als Anspruchsgrundlage herangezogenen Grundsätze der Angemessenheit der Vergütung und der Honorarverteilungsgerechtigkeit miteinander und prüft davon losgelöst im Anschluss daran, ob ein solcher Anspruch besteht. 146
BSGE 100, 254 (276). Kritisch zur Vermengung dieser drei Grundsätze, vgl. Schnapp, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 20. 10. 2004 – B 6 KA 30/03 R, SGb 2005, S. 548 ff. 147
IV. Gründe der Rechtfertigung
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Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folglich inhaltlich nicht immer klar von den parlamentsgesetzlichen Grundsätzen getrennt. Sowohl hinsichtlich des Gebots der leistungsproportionalen Verteilung als auch in Bezug auf den Grundsatz der angemessenen vertragsärztlichen, insbesondere psychotherapeutischen Vergütung, ist darüber hinaus festzustellen, dass dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zum Teil deren Inhalte zugeschrieben werden. Die im SGB V verankerten Grundsätze werden als Einfallstor verwendet, in welchem der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit seine verfassungsrechtliche Wirkung entfalten kann. Somit werden die parlamentsgesetzlichen Grundsätze vom Bundessozialgericht im Sinne des verfassungsrechtlichen Gebots der Honorarverteilungsgerechtigkeit ausgelegt. Die verfassungsrechtliche Auslegung führt in den verschiedenen Fallgruppen, auf die das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit angewandt wird, jedoch zu unterschiedlichen Ausformungen der Honorarverteilungsgerechtigkeit148. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lässt allerdings in den Fällen, in denen auch die parlamentsgesetzlichen Grundsätze zur Überprüfung herangezogen werden, die Frage offen, inwiefern dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit ein eigenständiger, über die parlamentsgesetzlichen Grundsätze hinausgehender Prüfungsinhalt beigemessen werden kann. Somit bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Verhältnis zu den parlamentsgesetzlichen Grundsätzen seine Wirkungsweise zumeist nur in Verbindung mit diesen entfaltet.
IV. Gründe der Rechtfertigung 1. Mengendynamik und Punktwertstabilisierung In vielen Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit werden Aspekte, die aufgrund der Gesamthonorarsituation der Vertragsärzte eine wesentliche Rolle spielen und zum Teil gesetzlich normiert sind, als Rechtfertigung für bestimmte Vergütungsregelungen, deren Vereinbarkeit mit dem Grundsatz streitig ist, herangezogen. Hintergrund davon ist die überwiegend begrenzte Gesamtvergütung, die es an die Vertragsärzte zu verteilen gilt. Mit der Einführung von sog. Honorartöpfen149 für bestimmte Leistungsbereiche oder Fachgruppen eröffnete sich die Situation, dass gleiche Leistungen mit möglicherweise unterschiedlichen Punktwerten vergütet wurden. Das Bundessozialgericht führt daher im Urteil vom 9. September 1998 aus, es bedarf „für solche Topfbildungen, wegen der möglichen unterschiedlichen Punktwerte, einer sachlichen
148 149
Vgl. dazu ausführlich im Abschnitt E., S. 227 ff. Vgl. dazu ausführlich im Abschnitt E. I., S. 227 ff.
220
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Rechtfertigung“150. Es sei grundsätzlich zulässig, in einem Honorarverteilungsmaßstab gesonderte Honorartöpfe für verschiedene Fachgruppen zu bilden, um Vorsorge dagegen zu treffen, dass durch eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Fachgruppen das Honorargefüge ungerechtfertigt zugunsten einzelner und zum Nachteil anderer Arztgruppen verändert würde151. Neben den Begrenzungen der Auswirkungen des Mengenzuwachses auf die dafür verantwortliche Arztgruppe oder den betroffenen Leistungsbereich, könne die Bildung von festen Honorarkontingenten auch dem Ziel dienen, die kontingentierten Leistungen vor einem Punktwertabfall zu schützen, der sich durch Mengenausweitungen in anderen Bereichen ergebe152. Diese „konkrete Gefahr der massiven Entwertung des Punktwertes“153 wird – verteilt über nahezu den gesamten Zeitraum der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit – häufig als Rechtfertigungsgrund herangezogen154. Die Auswirkungen des Mengenzuwachses zu begrenzen und die floatenden Punktwerte zu stabilisieren, stehen als Rechtfertigungsgründe in der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in enger Verbindung mit dem ebenfalls vom Bundessozialgericht verfolgten Ziel, Vertragsärzten die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit zu erleichtern, folglich ihnen eine gewisse Kalkulationssicherheit zu gewährleisten155. Diese drei Rechtfertigungsgründe – Mengenbegrenzung, Punktwertstabilisierung und Kalkulationssicherheit – werden in den Entscheidungen des Bundessozialgerichts weitgehend 150
BSGE 83, 1 f. BSGE 83, 1 (2). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 22; BSG, MedR 2000, 153 (154); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 13; Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R, juris Rn. 30; BSG, NZS 2003, 494 (495); BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 17; BSGE 92, 10 (13 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6; BSGE 93, 258 (260 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 18; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 18. Vgl. auch: Rompf, ZMGR 2014, S. 6, der die Vermeidung wirtschaftlicher Fehlanreize als legitimen Zweck im Sinne der Honorarverteilungsgerechtigkeit ansieht. Siehe zum Rechtfertigungsgrund „die budgetierungsbedingte Mengenbegrenzung“ auch: Reuther, VSSR 2003, S. 169 f. 152 BSGE 83, 1 (3 f.). 153 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 15. 154 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 30; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 15; Urt. v. 12. 12. 2001 – B 6 KA 5/01 R, juris Rn. 16; BSGE 89, 173 (175 f.); BSG, NZS 2003, 440 (444); BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 17; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 19; BSGE 92, 10 (11 f., 14, 17); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6 Rn. 19; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6, 12; BSGE 92, 233 (238 f.); 93, 258 (262); 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 18. Siehe zum Rechtfertigungsgrund „Abwehr des Punktwertverfalls“ auch: Reuther, VSSR 2003, S. 168 f. 155 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R, juris Rn. 30; BSGE 89, 173 (182); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 19; BSGE 92, 10 (11 f., 13 f., 17); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6 Rn. 19; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 6, 10; BSGE 92, 233 (238 f.); 93, 258 (262); 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 18; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 26. 151
IV. Gründe der Rechtfertigung
221
als eine Art Rechtfertigungseinheit dargestellt. So führt das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 29. August 2007 aus, die Bildung unterschiedlicher Honorarkontingente für die verschiedenen Arztgruppen ziele gerade darauf ab, dass sich für diese, entsprechend der bei ihnen stattfindenden Steigerung oder Verminderung der Leistungsmengen, unterschiedliche Punktwerte ergäben. Hierdurch solle verhindert werden, dass einzelne Arztgruppen durch eine Ausweitung ihrer Leistungen ihren jeweiligen Anteil an der Gesamtvergütung zu Lasten anderer Arztgruppen absicherten oder vergrößerten. Stattdessen würden durch die Kontingente die Punktwerte in den einzelnen Leistungsbereichen stabilisiert, sodass die Ärzte ihre vertragsärztlichen Einnahmen sicherer kalkulieren könnten156. Darüber hinaus wird vereinzelt als Ziel genannt, die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren157, bzw. dass bestimmte Vergütungsregelungen einem Gesamtregelungskonzept zu entsprechen hätten158. Mit den Rechtfertigungsgründen rund um die Honorartopfbildung hängt zum Teil auch das nahezu wörtlich wiederkehrende Rechtfertigungsziel der gleichmäßigen Gesamtvergütungsverteilung zusammen. Das Bundessozialgericht führt unter anderem in seinem Urteil vom 11. September 2002 aus, die Bildung von Honorartöpfen bedürfe wegen der möglichen unterschiedlichen Punktwerte einer sachlichen Rechtfertigung. Die Rechtfertigung könne sich insbesondere aus dem Ziel der Kassenärztlichen Vereinigungen ergeben, durch Topfbildungen zu erreichen, dass die in § 85 Abs. 3 bis 3c SGB V a.F.159 normierten Obergrenzen für Erhöhungen der Gesamtvergütungen sich in den verschiedenen Arztgruppen bzw. Leistungsbereichen gleichmäßig auswirkten und zu verhindern, dass sich die Anteile an den Gesamtvergütungen für einzelne Arztgruppen verringerten, weil andere Gruppen durch Mengenausweitungen ihre Anteile an den Gesamtvergütungen absicherten oder sogar vergrößerten160. Der Rechtfertigungsgrund einer gleichmäßigen Gesamtvergütungsverteilung steht überdies in einem engen Zusammenhang mit einer verringerten Reaktionsmöglichkeit auf Punktwertveränderungen, die sich hinsichtlich der psychotherapeutischen, zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen ergeben. Die Gruppe der Vertragsärzte, die psychotherapeutische Leistungen erbringt, kann aufgrund der besonderen Zeitintensivität dieser Leistungen, anders als andere Arztgruppen, kaum im Wege einer Mengensteigerung der erbrachten Leistungen auf einen eventuellen Punktwertabfall reagieren. In einer Entscheidung vom 21. Januar 2004 legt das Bundessozialgericht dementsprechend dar, Psychotherapeuten würden 156
BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 18. BSGE 92, 10 (13 f.). Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 10. 158 BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 19. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6 Rn. 17. 159 § 85 Abs. 3 ff. SGB V im Wesentlichen in der Form des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, vgl. BGBl. I 1992, S. 2266 (2275 f.). 160 BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 13. Vgl. auch: BSGE 93, 258 (262); 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 15. 157
222
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
sich bezogen auf die Leistungserbringung von der Mehrzahl der Arztgruppen dadurch unterscheiden, dass sie fast nur Leistungen erbringen dürften, die zeitgebunden seien und ganz überwiegend vorab von den Krankenkassen genehmigt werden müssten. Deshalb könnten sie im Kernbereich ihrer Tätigkeit die Menge der berechnungsfähigen Leistungen nicht bzw. kaum vermehren. Insbesondere die Festlegung einer starren Zeitvorgabe für die einzelne Leistung setze der Ausweitung der Leistungsmenge sehr enge Grenzen. Infolgedessen führe ein Absinken des Verteilungspunktwertes bei den Psychotherapeuten unmittelbar zu niedrigeren Honorarüberschüssen161.
2. Finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Ein weiterer Argumentationsstrang bezieht sich auf das vertragsärztliche Vergütungssystem als Ganzes. Dabei werden in Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, wie etwa im Beschluss vom 30. Januar 2001, insbesondere das Gesamtvergütungssystem einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität162 und die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung163 als Rechtfertigungsgründe herangezogen164. Das Bundessozialgericht führt im Urteil vom 3. März 1999 aus, zu
161
BSGE 92, 87 (90). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R, juris Rn. 36; BSGE 89, 1 (12 f.). 162 Vgl. § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V. Zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität, vgl. etwa: Axer, GesR 2013, S. 135 ff.; Engelmann, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 71 SGB V Rn. 1 ff.; Freudenberg, Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes; Schaks, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 16 Rn. 55 ff. Siehe auch jüngst: BSG, GesR 2014, 732 (737 f.), wonach einer der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten entsprechenden Anpassung der Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 4 SGB V nicht entgegengehalten werden kann, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzt würde. 163 BSG, Beschl. v. 30. 01. 2001 – B 6 KA 45/00 B, juris Rn. 6. Vgl. auch: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 18 f.; Beschl. v. 28. 01. 2004 – B 6 KA 112/03 B, juris Rn. 10. Umfassend zum Grundsatz der finanziellen Stabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung, vgl. Schaks, Der Grundsatz der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Siehe auch: Hufen, NJW 2004, S. 14 ff.; Huster, VSSR 2011, S. 189 ff. Zur finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung als Gemeinwohlbelang im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG, vgl. Gaier, in: Hohmann-Dennhardt/Masuch/Villiger, FS Jaeger, S. 426 ff.; Höftmann, Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner rechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik, S. 161 ff.; Jaeger, in: Empter/Sodan, Markt und Regulierung, S. 37 f.; Link/ de Wall, VSSR 2001, S. 88 ff.; Weiß, NZS 2005, S. 72 f.; Wimmer, NZS 1999, S. 481 f. 164 Vgl. auch zum Gesamtvergütungssystem: BSGE 83, 1 (2 f.); zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität: BSG, Beschl. v. 19. 12. 2000 – B 6 KA 44/00 B, juris Rn. 6; BSGE 94, 50 (99); zur finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung:
IV. Gründe der Rechtfertigung
223
den die Gesamtvertragsparteien bindenden Vorgaben zähle neben weiteren Erfordernissen auch die gesetzlich normierte Verpflichtung zur Wahrung der Beitragssatzstabilität, die wiederum der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung diene. Steigende Beitragssätze gefährdeten deren Finanzierbarkeit und das System der Gesundheitsvorsorge insgesamt. Die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Gemeinwohlbelang von besonders hohem Rang165. Damit einher geht auch das zur Rechtfertigung herangezogene, gesetzlich allgemein in § 72 SGB V niedergelegte Ziel, die vertragsärztliche Versorgung zu sichern166. Die Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung steht in direktem Verhältnis zu dem Ziel, die vertragsärztlichen Leistungserbringer angemessen zu vergüten167. Das Bundessozialgericht bringt die widerstrebenden Interessen, d. h. die Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung einerseits und die angemessene Vergütung andererseits, dahingehend zu einem Ausgleich, dass es als untere Grenze ein weiteres Kriterium heranzieht. Es führt diesbezüglich in einem Urteil vom 9. Dezember 2004 aus, die als verfassungskonform zu bewertenden gesetzlichen Grundstrukturen erforderten über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen einen Ausgleich unter anderem zwischen dem Ziel der Gewährung angemessener Vergütungen und dem besonders hochrangigen Ziel der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Versorgung. Dieser Ausgleich sei erst dann nicht mehr verhältnismäßig realisiert – mit der Folge eines Anspruchs der Ärzte auf höheres Honorar bzw. einer Honorarstützung aus dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung –, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr bestünde, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei168. BSG, Beschl. v. 19. 12. 2000 – B 6 KA 44/00 B, juris Rn. 6; BSGE 90, 111 (114 f.); 92, 87 (93); 94, 50 (99). 165 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 19. 166 Vgl. etwa: BSGE 73, 131 (138); BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 16; BSGE 83, 1 (2 f.); BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 18; BSGE 92, 10 (13 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 10 Rn. 10; BSGE 93, 258 (264 ff.); 94, 50 (59 f., 68, 95 ff., 99, 105); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 25; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 20. Vgl. auch schon: BVerfGE 33, 171 (186). Siehe allgemein zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung: Bauer-Schade, Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung; Zerth, Flächendeckende Versorgung in einem liberalen Gesundheitssystem. Siehe zum Rechtfertigungsgrund der Sicherstellung vertragsärztlicher Versorgung auch: Reuther, VSSR 2003, S. 166 f. 167 Vgl. etwa: BSGE 93, 258 (264 f.); 94, 50 (97, 105); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39 Rn. 23. 168 BSGE 94, 50 (105). Vgl. auch: BSGE 93, 258 (265 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 20, 27. Siehe auch: Bergmann/Wever, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 08. 12. 2010 – B 6 KA 42/ 09 R, MedR 2011, S. 498; Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 24 Rn. 10 f.; Rixen, GesR 2005, S. 437.
224
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
3. Praktikabilität und Effizienz Schließlich werden Vergütungsregeln im Vertragsarztrecht häufig aus weniger inhaltlichen als vielmehr aus Verfahrensgründen für zulässig erachtet. Der gemeinsamen Selbstverwaltung wird bei ihrer untergesetzlichen Normsetzung vom Bundessozialgericht ein recht weiter Gestaltungspielraum zugestanden169, der sich insbesondere in einigen, die Gestaltungsfreiheit unterstützenden Rechtfertigungsgründen widerspiegelt. Bereits in seinem grundlegenden Urteil zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vom 29. September 1993 hat das Bundessozialgericht ausgeführt, mit dem Gesichtspunkt einer zulässigen Generalisierung und Pauschalierung lasse sich die mangelnde Differenzierung bei der Verteilung der Laborvergütung nicht rechtfertigen170. Die unterschiedslose Vergütung aller Laborleistungen nach einem einheitlichen Punktwert könne auch nicht als Anfangsoder Erprobungsregelung aufrechterhalten bleiben171. Schließlich könne der Forderung nach einer differenzierenden Vergütungsregelung nicht mit dem Einwand der mangelnden Praktikabilität oder Effizienz begegnet werden172. Die Rechtfertigungsgründe der Generalisierung und Typisierung173 sowie der Anfangs- und Erprobungsregelungen werden auch in der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit aufgegriffen174.
4. Zwischenergebnis Hinsichtlich der Rechtfertigung von Vergütungsregelungen, die mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Konflikt stehen, zieht sich eine einheitliche Linie durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dabei fällt auf, dass als Rechtfertigungsgrund überwiegend das vertragsärztliche Vergütungssystem herangezogen wird, wobei diesbezüglich verschiedene Aspekte relevant sind. 169 Vgl. etwa: BSGE 73, 131 (138 f.); BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14; Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 58/98 R, juris Rn. 28; BSGE 90, 111 (114 ff.); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 18; BSGE 92, 87 (94 f.); 93, 258 (263); 94, 50 (59 f., 82 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 9, 17; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 32 Rn. 15; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 15; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 17; BSGE 100, 254 (257); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 16; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 22 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 14. 170 BSGE 73, 131 (140). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 25; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 20; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 23. Siehe auch: BVerfGE 33, 171 (189 f.). 171 BSGE 73, 131 (140). Vgl. auch: BSG, MedR 1994, 376 (378); BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 23; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 23; SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 3 Rn. 33. Siehe auch: Clemens, MedR 1998, S. 265; ders., MedR 2000, S. 23; Link/de Wall, VSSR 2001, S. 95 f. 172 BSGE 73, 131 (141). Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 20; BSGE 93, 258 (260 ff.). 173 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 23. 174 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 3 Rn. 33.
V. Ergebnis
225
Zum einen lässt sich erkennen, dass das jeweils geltende gesetzliche Vergütungssystem selbst – etwa das System der Vergütung durch Honorartöpfe mit floatenden Punktwerten – als Rechtfertigung von Bedeutung ist. Über das spezifische Vergütungssystem hinaus, dienen zum anderen übergeordnete Gesichtspunkte – etwa die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung – nicht selten als Rechtfertigungsgrund. Das bedeutet, dass das Bundessozialgericht seine Rechtfertigungsgründe an die zum Zeitpunkt der streitigen Vergütungsregelung bestehenden gesetzlichen Umstände anpasst, sei es in Bezug auf die innerhalb der Vergütungsverteilung geltenden Regelungen oder bezüglich der den einzelnen Regelungen übergeordneten, generellen Vergütungssituation. Diese Anpassung ist auch in der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wahrzunehmen, in der die Rechtfertigungsgründe, die auf die zu begrenzende Mengendynamik und die Stabilisierung des Punktwertes abzielen, in ihrer Zahl abnahmen175 und stattdessen vereinzelt andere, sich aus dem veränderten Vergütungssystem ergebende Gründe, wie das Verhindern des Auseinanderdriftens regionaler Punktwerte176 oder die Angleichung von Verdienstchancen177, herangezogen werden. Nicht nur durch das stets als Rechtfertigungsgrund dienende vertragsärztliche Vergütungssystem, sondern auch durch die unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Vergütungsregelung fortlaufend zur Rechtfertigung herangezogenen Ziele der Anfangs- und Erprobungsregelungen, der Generalisierungen und Typisierungen oder auch der Praktikabilität und Effizienz, wird eine einheitliche Linie hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit begründet. Betrachtet man daher ausschließlich die Rechtfertigungsebene in der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit werden – vereinfacht gesagt – Gründe angeführt, die sich im Wesentlichen aus dem jeweils zugrunde liegenden Vergütungssystem selbst oder aus Praktikabilitätsgesichtspunkten der Normsetzungsbefugten ergeben.
V. Ergebnis Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, den das Bundessozialgericht stets aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herleitet, wird zur gerichtlichen Überprüfung von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen sowohl auf untergesetzlicher als auch auf parlamentsgesetzlicher Ebene angewandt. Obwohl zum Teil wiederkehrende Anforderungskriterien festgestellt werden können, sind abschließend weder eine abstrakte Definition des Grundsatzes noch einzelne Vorausset175 Diese Rechtfertigungsgründe wurden hauptsächlich in den Jahren zwischen 2000 und 2005 herangezogen, vgl. dazu die Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 151 und 154. 176 BSGE 100, 254 (263 f.). 177 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 26.
226
D. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
zungen, wann ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vorliegt, erkennbar. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird vielmehr in Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen wie dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung und dem Grundsatz der angemessenen Vergütung zur Überprüfung von Vergütungsregelungen eingesetzt. Dabei werden der verfassungsrechtliche Grundsatz und die parlamentsgesetzlichen Gebote zumeist nicht klar voneinander getrennt, da Inhalte der parlamentsgesetzlichen Gebote nicht selten dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zugeschrieben werden. Es erfolgt daher eine Auslegung der parlamentsgesetzlichen Gebote im Sinne des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Damit findet der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Verhältnis zu den parlamentsgesetzlichen Geboten grundsätzlich nur in deren Verbindung Anwendung und wird selten parallel davon getrennt geprüft. Verfassungsrechtlich wird – von anfänglichen berufsfreiheitsrechtlichen Aspekten abgesehen – in erster Linie der allgemeine Gleichheitssatz als Prüfungsmerkmal herangezogen. Die Gründe, die das Bundessozialgericht zur Rechtfertigung von Vergütungsregelungen, die im Konflikt mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit stehen, anwendet, sind in der Gesamtschau der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit überwiegend gleich. Zum einen zieht das Gericht Gründe heran, die das vertragsärztliche Vergütungssystem generell oder in seinen derzeitigen Einzelheiten betreffen und zum anderen verwendet es Ziele, die der verfahrensrechtlichen Gestaltungsfreiheit der Normsetzungsbefugten, etwa der Praktikabilität und Effizienz, dienen. Der Inhalt des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird folglich durch den allgemeinen Gleichheitssatz, die parlamentsgesetzlichen Grundsätze der Leistungsproportionalität und der angemessenen Vergütung sowie durch die Aspekte des vertragsärztlichen Vergütungssystems und der Praktikabilität und Effizienz als Teil der normgeberischen Gestaltungsfreiheit bestimmt.
E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hat in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in verschiedenen Fallgruppen1 zum Teil unterschiedliche Ausformungen angenommen. Hintergrund dieser Entwicklung ist die auf untergesetzlicher Ebene bestehende Gestaltungsfreiheit der normsetzenden Vertragspartner. Diese können, um die begrenzte Gesamtvergütung an die verschiedenen Vertragsarztgruppen zu verteilen, ausgestattet mit einem weiten Gestaltungsspielraum auf die vorherrschende Mengendynamik der Vertragsärzte Einfluss nehmen. Dabei ist im Laufe der Zeit sowohl eine Veränderung des Verhaltens der Vertragsärzte, auf das die untergesetzlichen Normgeber mit neuen oder veränderten Verteilungsregelungen reagiert haben, als auch eine entsprechende – zumeist zeitlich verzögerte2 – Reaktion auf diese Verteilungsregelungen in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu erkennen. Innerhalb dieser sich fortlaufend wiederholenden, miteinander verzahnten Entwicklung hat sich für viele unterschiedliche Vergütungsverteilungsregelungen der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als ein Kontrollinstrument, teils auch als Korrektiv, herausgestellt, welches das Bundessozialgericht auf die jeweilige Fallgruppe zum Teil vergleichbar, zum Teil aber auch unterschiedlich verwendet und jeweils weiterentwickelt hat.
I. Honorartöpfe – Überprüfungsmaßstab und Pflichtenbegründung Den überwiegenden Teil der Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit betreffen Vergütungsregelungen, die 1 Vorliegend werden nur die im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit besonders hervorgetretenen Fallgruppen näher betrachtet. Eine umfassende Aufzeichnung aller Rechtsprechungslinien zu Honorarverteilungsregelungen findet sich etwa bei: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 220 ff.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 211 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 85 SGB V Rn. 163 ff. 2 Siehe auch: Gerst/Korzilius, DÄ 2015, S. A 163, in deren Interview mit Prof. Dr. Wenner, Vorsitzender Richter des mit dem Vertragsarztrecht befassten 6. Senats des BSG, dieser anmerkte „Bei uns landen mit einer gewissen Verzögerung alle Innovationen.“ Zu Herausforderungen für die Rechtsprechung des BSG aufgrund der Strukturprobleme der deutschen Gesundheitsversorgung, vgl. auch: Wenner, MedR 2015, S. 175 ff. Zur Rolle des BSG in der gemeinsamen Selbstverwaltung, vgl. etwa: Kingreen, ZMGR 2010, S. 216 ff.
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
eine Aufteilung der in der Höhe begrenzten Gesamtvergütung in Honorartöpfe3 beinhalten. Die Höhe des Gesamtvergütungsanteils, die dem jeweiligen Topf zugeordnet wird, ist wiederum begrenzt. Das Verteilungsinstrument „Honorartopf“ vereinbaren die untergesetzlichen Vertragspartner, um entweder diejenigen Vertragsärzte zu schützen, die „eingetopft“4 werden, oder denjenigen Schutz zu bieten, die vor der eingetopften Gruppe und deren Mengenentwicklung geschützt werden sollen5. Dabei können verschiedene Arten von Honorartöpfen festgesetzt werden. Die wohl bekannteste ist die Trennung der Vergütung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Vergütungsanteil, die vom Gesetzgeber durch die Regelung des § 87b Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V gefordert wird6. Darüber hinaus sind Unterteilungen zwischen verschiedenen Facharztgruppen und/oder Leistungsbereichen in den meisten Honorarverteilungsmaßstäben üblich. Anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit entwickelte sich eine vielfältige Rechtsprechung in Bezug auf einzelne Ausformungsmöglichkeiten für die Vergütungsverteilung in Honorarkontingente7. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem interessant, wie das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in den Entscheidungen zu Honorartöpfen angewandt hat. Insoweit ist eine differenzierte Verwendung des Grundsatzes der Hono3 Als Synonyme verwendet das BSG auch die Begriffe der „Honorarkontingente“ oder „Teilbudgets“. 4 Den Begriff verwendet etwa: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 241. 5 Vgl. zu Honorartöpfen: Altmiks, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 87b SGB V Rn. 23; Boecken, MedR 2000, S. 172 f.; Clemens, MedR 2000, S. 18 f.; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 23 ff.; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 236 ff.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 237 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 85 SGB V Rn. 164 ff.; Hartmannsgruber, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 7 Rn. 811; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 106 f.; Maaß, NZS 2000, S. 116; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 42; Plagemann, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 19 Rn. 141; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 18, 48 ff.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 105 f., 210 f., 230 ff.; ders., VSSR 2003, S. 172 f.; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 85 SGB V Rn. 30; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 34 ff. 6 Vgl. dazu bereits in Abschnitt B. II. 2. a) aa), S. 99 ff. 7 Möglichkeiten der Ausformung von Honorartöpfen sind etwa die Unterteilung in leistungsbezogene und/oder fachgruppenbezogene Honorartöpfe, die Vereinbarung von Mischsystemen oder die Anknüpfung an Leistungsmengen in der Vergangenheit bei der Bemessung der Höhe des Honorartopfes, vgl. etwa: BSGE 73, 131 (134); 83, 1 f.; BSG, MedR 2000, 153 (154 f.); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 13 f.; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 15; Beschl. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 16/01 B, juris Rn. 8 f.; Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 13; BSGE 94, 50 (67); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11; BSG, Beschl. v. 22. 06. 2005 – B 6 68/04 B, juris Rn. 8; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 24 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 18; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 12, 16. Siehe dazu ausführlich: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 236 ff.
I. Honorartöpfe
229
rarverteilungsgerechtigkeit dahingehend zu erkennen, dass er überwiegend als Überprüfungsmaßstab für Vergütungsregelungen angewendet [1.], zum Teil aber auch als Rechtsgrundlage für Beobachtungs- und Reaktionspflichten des jeweiligen normsetzenden Organs herangezogen wird [2.].
1. Überprüfungsmaßstab a) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Nahezu alle Entscheidungen, die das Bundessozialgericht zu Honorartöpfen als Verteilungsmechanismen in der vertragsärztlichen Vergütung getroffen hat, verwenden den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Überprüfungsmaßstab8 für untergesetzliche Verteilungsvorschriften9. Dies bedeutet, dass der Grundsatz mit seiner verfassungsrechtlichen Herleitung aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auf eine den untergesetzlichen Normen gegenüber höhere normenhierarchische Stufe gestellt und so als „höherrangiges Recht“10 zur Überprüfung herangezogen wird. Dabei wird er nicht immer einheitlich der verfassungsrechtlichen Ebene zugeordnet, wie aber etwa im Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. August 2007, das vorgibt, die Kassenärztlichen Vereinigungen hätten bei der Wahrnehmung des Gestaltungsspielraums die Anforderungen des Verfassungsrechts zu beachten, die vor allem in dem aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit konkretisiert worden seien11. Vielmehr wird er als „allgemeiner Gesichtspunkt“12 oder „bundesrechtlicher 8
Ausdrücklich als „Überprüfungsmaßstab“ betitelt das BSG den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in: BSGE 77, 288 (294 f.). Vgl. auch: BSGE 77, 279 (287 f.); BSG, Beschl. v. 19. 12. 2000 – B 6 KA 44/00 B, juris Rn. 6; Beschl. v. 30. 01. 2001, B 6 KA 45/00 B, juris Rn. 6; BSG, NZS 2003, 494 (495). Zwar kritisch, aber dennoch als „Prüfungsmaßstab“ betitelnd, vgl. Axer, NZS 1995, S. 540 f. Siehe auch zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der Bildung von Honorartöpfen: Wienke/Sauerborn, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 07. 02. 1996 – 6 RKa 68/94, MedR 1997, S. 42 ff. 9 Vgl. etwa: BSGE 73, 131 ff.; 77, 279 ff.; 288 ff.; BSG, MedR 1997, 36 ff.; BSGE 83, 1 ff.; BSG, MedR 2000, 153 (154); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R; Beschl. v. 19. 12. 2000 – B 6 KA 44/00 B; Beschl. v. 30. 01. 2001 – B 6 KA 45/00 B; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R; Beschl. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 16/01 B; BSG, NZS 2003, 494 ff.; BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R; Urt. v. 20. 10. 2004 – B 6 KA 31/03 R; BSGE 94, 50 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17; BSG, Beschl. v. 22. 06. 2005 – B 6 KA 68/04 B; Beschl. v. 23. 05. 2007 – B 6 KA 85/06 B; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63. 10 Vgl. etwa: BSGE 77, 279 (283); 288 (291); BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 15; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 11; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 13; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 15. Siehe auch: Boecken, MedR 2000, S. 172 f.; Clemens, MedR 2000, S. 17; Wienke/Sauerborn, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 07. 02. 1996 – 6 RKa 68/94, MedR 1997, S. 42 ff. 11 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 15. 12 BSG, Urt. v. 20. 10. 2014 – B 6 KA 31/03 R, juris Rn. 37.
230
E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Grundsatz“13 betitelt oder darüber hinaus auch zum Teil mit parlamentsgesetzlichen Grundsätzen auf eine Ebene gestellt14. Insbesondere zu Beginn der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wurde, wie im Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. März 1999, auch ausdrücklich erwähnt, die den angefochtenen Honorarbescheiden zugrunde liegenden Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabes der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung stünden mit höherrangigem Recht – und daher auch mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit – in Einklang15. Wird allerdings – was verhältnismäßig selten der Fall ist – ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit angenommen, stellt das Bundessozialgericht, etwa im Urteil vom 28. August 2007, die Rechtswidrigkeit und die daraus folgende (Teil)-Nichtigkeit der jeweiligen Honorarverteilungsregelung fest, die auch zur Rechtswidrigkeit der darauf aufbauenden, an die Kläger gerichteten Honorarbescheide führt16. b) Inhalte ständiger Rechtsprechung und Verfassungsrecht Unabhängig davon, auf welche Stufe höherrangigen Rechts das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit stellt, es setzt ihn überwiegend als einen Maßstab ein, dem es über die Zeit eine Reihe von inhaltlichen Modalitäten durch verschiedenste Entscheidungen beimisst und anhand dessen es die jeweils streitige Honorarverteilungsregelung überprüft. Erkennbar ist dabei, dass der Charakter der Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Überprüfungsmaßstab nicht nur stark davon geprägt ist, welche Ausformungsmöglichkeiten für die Vergütung in Honorartöpfen in jeweils vorangegangenen Urteilen des Bundessozialgerichts als rechtmäßig angesehen wurden17, sondern der Grundsatz weist auch eine starke verfassungsrechtliche Prägung auf, indem mithilfe von gleichheitsrechtlichen Prüfungskriterien der jeweilige Einzelfall entschieden wird. Diese Art der Vorgehensweise wird beispielsweise im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. März 2011 deutlich. In der Entscheidung werden zunächst inhaltlich „in Anwendung dieser Maßstäbe“18 – gemeint sind das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung und der Grundsatz der Honorarverteilungsgerech13
BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 23. Vgl. dazu bereits ausführlich im Abschnitt D. II. 1. b), S. 194 f., c), S. 196 f., und III., S. 206 ff. 15 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 11. Vgl. auch: BSGE 77, 279 (283); 288 (291); BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 15; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 16; BSG, MedR 2000, 153 (154); BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 13. 16 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34 Rn. 17, 19, 23, 31. Vgl. auch: BSGE 73, 131 (141); 83, 1 (6); BSG, Urt. v. 11. 09. 2002 – B 6 KA 30/01 R, juris Rn. 15. 17 Vgl. dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 7. 18 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 15. Siehe dazu auch bereits im Abschnitt D. III. 1. a), S. 207 ff. 14
I. Honorartöpfe
231
tigkeit – die in ständiger Rechtsprechung entwickelten Modalitäten aufgezeigt. Dabei handelt es sich etwa um Modalitäten wie die Bildung von Honorartöpfen für einzelne Fachgruppen und/oder Leistungsbereiche, um die Frage, in welcher Höhe den einzelnen Honorartöpfen ein Anteil an der Gesamtvergütung zusteht19, oder um die Festsetzung der Gesamtvergütungshöhe eines Honorartopfes im Wege der Anknüpfung an die Verhältnisse in einem vorherigen Quartal20. Nach der Darstellung der durch die vorangegangene Rechtsprechung entwickelten inhaltlichen Modalitäten, wird sodann durch das Bundessozialgericht festgestellt, dass zwar dem Grunde nach die Bildung von Honorarkontingenten zulässig sei, die streitgegenständliche Honorarverteilungsregelung aber in ihrer konkreten Ausgestaltung unter anderem gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoße, ohne dass dafür eine sachliche Rechtfertigung erkennbar wäre21. Im Anschluss wird dieser Verstoß mit dem verfassungsrechtlichen Gehalt des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit begründet, indem Gleichbehandlungskriterien herangezogen werden, um die in diesem Fall ungleiche Vergütung gleicher Leistungen, die aus verschiedenen Honorartöpfen vergütet worden waren, aufzuzeigen22. c) Anspruch auf Zahlung höheren vertragsärztlichen Honorars? Einige wenige Entscheidungen, vermehrt in jüngerer Zeit, binden die Überprüfung der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit, zumindest auf den ersten Blick in einen Anspruchsaufbau ein23. Dabei wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit allerdings nicht klassisch als Anspruchsgrundlage herangezogen24, sondern lediglich das Begehren des Klägers wird zu Beginn des Urteils anders formuliert. Diese Art des Vorgehens zeigt sich etwa im Urteil vom 29. August 200725, in welchem das Bundessozialgericht zunächst einen Anspruch des Klägers auf Zahlung höheren vertragsärztlichen Honorars aus § 85 Abs. 4 SGB V a.F.26 prüft; die Zahlung eines höheren Honorars entspricht dabei auch dem eigentlichen Begehren des gegen den 19 Siehe dazu und m.w.N.: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 240. 20 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 15 f. 21 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 17. 22 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63 Rn. 25 ff. 23 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63. 24 Vgl. dazu etwa in diesem Abschnitt bzgl. psychotherapeutischer Leistungen II. 1., S. 236 ff., und bzgl. Aufbaupraxen und sonstigen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen III., S. 241 ff. 25 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63. 26 § 85 Abs. 4 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2633 f.).
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Honorarbescheid klagenden Vertragsarztes. Allerdings erläutert das Gericht weiter, ein Anspruch des Klägers – nun nicht mehr auf „Zahlung eines höheren vertragsärztlichen Honorars“, sondern – auf „erneute Bescheidung seiner Honoraransprüche“ könne sich nur dann ergeben, wenn die vom Bewertungsausschuss beschlossenen Vorgaben für die Trennung der Vergütungsanteile mit höherrangigem Recht nicht vereinbar wären27. Anschließend geht das Bundessozialgericht in der üblichen Prüfungsweise vor und überprüft die jeweilige Verteilungsregelung unter anderem anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit28. In vergleichbarer Weise ist das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. September 199329 zu dem Ergebnis gekommen, dass wenn ein Verstoß der Verteilungsregelung gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vorliegt und der Honorarbescheid wegen der daraus folgenden Rechtswidrigkeit aufgehoben werden muss, „aus der Mangelhaftigkeit der die Honorarverteilung regelnden Rechtsgrundlagen kein Anspruch auf eine bestimmte höhere Vergütung [folgt]“30. Denn nur die zur Normsetzung befugte Kassenärztliche Vereinigung hätte im Rahmen ihres ihr zustehenden Ermessens bestimmen können, in welcher Weise sie die nichtige Verteilungsnorm ersetzt und folglich welcher Honoraranspruch dem Vertragsarzt daraus entsteht. Das Bundessozialgericht gelangte somit zu dem Ergebnis, die Kassenärztliche Vereinigung habe „bezüglich des Honoraranspruches neu zu bescheiden“31. Folglich begründet der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Rahmen der Überprüfung von Honorartopfregelungen keine Anspruchsgrundlage, selbst wenn sprachlich vereinzelt von einem Anpruch die Rede ist. Im Ergebnis überlässt das Bundessozialgericht der Kassenärztlichen Vereinigung die Neubescheidung innerhalb ihres Ermessens statt dem Vertragsarzt einen Anspruch auf ein bestimmtes Honorar zuzusprechen.
2. Pflichtenbegründung a) Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Grundlage Über den Charakter eines Prüfungsmaßstabes hinaus wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in den Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu Honorartöpfen als Grundlage dafür herangezogen, dem jeweiligen Normgeber
27
BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39 Rn. 14. BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39 Rn. 22. 29 BSGE 73, 131 ff. 30 BSGE 73, 131 (141). 31 BSGE 73, 131 (141). Vgl. zu Rechtsfolgen einer rechtswidrigen HVM-Regelung auch: Clemens, MedR 2000, S. 23; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 346 ff. 28
I. Honorartöpfe
233
eine sog. Beobachtungs- und Reaktionspflicht zu übertragen32. Lange Zeit bevor der Grundsatz als Rechtsgrundlage dafür herangezogen wurde, hatte das Bundessozialgericht das Bestehen einer Beobachtungs- und Reaktionspflicht bereits mit dem weiten Gestaltungsspielraum begründet, der den untergesetzlichen Normsetzungsbefugten bei der Festsetzung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen zukommt33. Explizit begründete das Bundessozialgericht dabei Beobachtungs- und Reaktionspflichten oftmals aus der jeweiligen Ausübung der Gestaltungsfreiheit – der Bildung von Honorartöpfen durch die Kassenärztliche Vereinigung –, denn gerade die Ausübung der Gestaltungsfreiheit auf Seiten der Normgeber löse zugunsten der Normadressaten eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht aus34. Unabhängig davon, wann genau aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausdrücklich eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht begründet wurde, ergab sich daraus keine neuartige Entwicklung, mit der neue Anforderungen an die Beobachtungs- und Reaktionspflichten gestellt wurden. Vielmehr wurden bereits bestehende Grundsätze angewandt, da schon zu Beginn der Rechtsprechung zu Beobachtungs- und Reaktionspflichten die Ziele des Grundsatzes der gleichmäßigen Honorarverteilung herangezogen worden waren. So hatte das Bundessozialgericht bereits in seinem Urteil vom 7. Februar 1996 festgestellt, dass die Kassenärztliche Vereinigung eine Beobachtungspflicht in dem Sinne treffe, dass sie Verteilungsregelungen, mit denen sie in Verfolgung bestimmter Ziele vom Grundsatz der gleichmäßigen Honorarverteilung abweiche, regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern bzw. weiterzuentwickeln habe35. b) Voraussetzungen einer Reaktionspflicht Das Bundessozialgericht hat im Laufe der Jahre zur Rechtsprechung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit verschiedene Voraussetzungen dafür entwickelt, wann eine Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen besteht, ihre ursprünglich gebildeten Honorartöpfe zu ändern bzw. weiterzuentwickeln. Zu Beginn der Rechtsprechung war etwa im Urteil vom 7. Februar 1996 eine Reaktionspflicht einer Kassenärztlichen Vereinigung dann als erforderlich angesehen worden, 32
Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 23. Vgl. in Bezug auf Zusatzbudgets: BSG, Urt. v. 16. 05. 2001 – B 6 KA 47/00 R, juris Rn. 40. Vgl. in Bezug auf Honorartöpfe für radiologisch-strahlentherapeutische Leistungen: BSGE 93, 258 (268). 33 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14. 34 Vgl. etwa: BSGE 83, 1 (4 f.); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 18; Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R, juris Rn. 21. Siehe auch: Schnapp, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 20. 10. 2004 – B 6 KA 30/03 R, SGb 2005, S. 551, der die Beobachtungs- und Reaktionspflicht kritisch als „notwendiger Annex zur Bildung von Honorartöpfen“ und als „dogmatische Hülse“ bezeichnet. 35 BSG, Urt. v. 07. 02. 1996 – 6 RKa 42/95, juris Rn. 20. Vgl. auch: BSGE 83, 1 (4 f.); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 18.
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
wenn sich herausstellte, dass der Zweck der Regelung ganz oder teilweise verfehlt oder Grundrechte der betroffenen Ärzte verletzt wurden; eine ursprünglich gerechtfertigte Regelung sei damit offensichtlich sachwidrig oder für die Betroffenen unzumutbar geworden36. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 1997 hatte in etwas abweichender Form festgestellt, eine Nachbesserungspflicht des Normgebers sei dann gegeben, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstelle, dass die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne betroffene Normadressaten unzumutbar geworden seien37. Mit dem Urteil vom 9. September 1998 hat das Bundessozialgericht sodann einen festen Voraussetzungskatalog entwickelt, der die Rechtsfigur der Beobachtungs- und Reaktionspflicht wesentlich geprägt hat38. Danach habe die Kassenärztliche Vereinigung die ursprünglichen Regelungen zu ändern bzw. weiterzuentwickeln, wenn sich herausgestellt habe, dass der Zweck der Regelung ganz oder teilweise nicht erreicht oder gar verfehlt werde, oder wenn die vorgenommene Einteilung in Teilbudgets dazu führe, dass der Punktwert in einzelnen Bereichen deutlich stärker abfalle als bei dem größten Teil der sonstigen Leistungen und als Grund dafür keine von den jeweiligen Leistungserbringern selbst verursachten Mengenausweitungen erkennbar seien. Eine Korrekturverpflichtung setze weiter voraus, dass es sich um eine dauerhafte, also nicht nur um eine vorübergehende Entwicklung handle. Außerdem müsse ein vom Umsatz her wesentlicher Leistungsbereich einer Arztgruppe betroffen sein39. Der Punktwertabfall müsse schließlich erheblich sein; nicht jede Punktwertdifferenz zwischen verschiedenen Honorartöpfen gebe Anlass zur Korrektur der Honorarverteilung. Die Kassenärztliche Vereinigung könne zudem berücksichtigen, dass auch bei von den Leistungserbringern nicht mit zu verantwortenden Mengenausweitungen typischerweise Rationalisierungseffekte entstünden, die einen gewissen Ausgleich für den Punktwertabfall darstellen könnten. Würden Honorartöpfe für Leistungen gebildet, die Ärzte nur auf Überweisung hin erbringen könnten und bei denen ihnen eine Mitverantwortung für eine Mengenausweitung und damit ein Punktwertabfall nicht zugerechnet werden könne, sehe das Bundessozialgericht im Regelfall Anlass zur Korrektur der Honorarverteilung, wenn der Punktwert der aus dem Honorartopf vergüteten Leistungen um zumindest 15 %
36
BSG, Urt. v. 07. 02. 1996 – 6 RKa 42/95, juris Rn. 20. BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 15. 38 Die Voraussetzungen wurden in Bezug auf Honorartöpfe in der Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zuletzt etwa 2007, vgl. BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 20, und 2010, vgl. BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 21 ff., verwendet. Danach wurde nur vereinzelt über die Rechtmäßigkeit von Honorartopfregelungen entschieden, etwa im Urteil des BSG vom 23. 03. 2011, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 63, wobei Begründungs- und Reaktionspflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen keine Erwähnung fanden. 39 Wann es sich um einen wesentlichen Leistungsbereich handelt, hat das BSG in seinem Urteil vom 29. August 2007 näher definiert, vgl. SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 20. 37
II. Psychotherapeutische Leistungen
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niedriger sei als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen40. Wann genau eine Reaktionspflicht der Kassenärztlichen Vereinigung besteht, kann allerdings selbst mittels dieser vom Bundessozialgericht entwickelten Vorgaben im Einzelfall nicht sicher festgestellt werden, da das Gericht im Rahmen seiner Rechtsprechung diesbezüglich zwar mehrmals ähnliche Voraussetzungen zugrunde legt, klare Grundsätze sich daraus allerdings – zumindest noch – nicht entnehmen lassen41. Über die Festsetzung von Voraussetzungen, wann eine Pflicht zum Handeln der Normsetzungsbefugten besteht, wird eine Reduktion der Gestaltungsfreiheit auf Null zur Schaffung einer ganz bestimmten Honorarverteilung – etwa zwingend getrennter Honorartöpfe für budgetierte und nicht budgetierte Arztgruppen42 – zwar vom Bundessozialgericht im Urteil vom 22. Juni 2005 diskutiert, im Ergebnis aber abgelehnt. Denn eine derartige Reduzierung der Gestaltungsfreiheit des Normgebers auf Null käme nur dann in Betracht, wenn jede andere Möglichkeit zur Umsetzung der Honorarverteilung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig wäre und davon sei in dem zu entscheidenden Fall nicht auszugehen43. Zudem reichten die Unterschiede zwischen den budgetierten und den nicht budgetierten Arztgruppen nicht aus, eine Rechtspflicht zur Schaffung fachgruppenbezogener Honorartöpfe zu begründen44.
II. Psychotherapeutische Leistungen – Anspruchsgrundlage und Pflichtenbegründung In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wurde die Überprüfung von Honorarverteilungsregelungen, welcher die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen zugrunde liegt, in besonderer Weise behandelt45. Hintergrund dieser, sich von anderen Honorarregelun40 BSGE 83, 1 (4 f.). Vgl. auch: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 18; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 40 Rn. 20. Siehe dazu auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 295 ff.; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 39. 41 Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 39. 42 Eine budgetierte Arztgruppe fasst all diejenigen Ärzte zusammen, deren Leistungen der Budgetierung unterliegen, d. h. aus der gedeckelten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vergüten sind, vgl. Glossar in: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das dritte Quartal 2013 – Zahlen und Fakten, Stand: September 2014, S. 104. Zur Budgetierung, vgl. auch: Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 41 ff. 43 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 13. 44 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 17. 45 Vgl. zu psychotherapeutischen Leistungen: Altmiks, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 87b SGB V Rn. 31 ff.; Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
gen unterscheidenden, Herangehensweise ist die Eigenart der psychotherapeutischen Leistungserbringung. Psychotherapeutische Leistungen sind zumeist zwingend zeitgebunden und können daher – anders als andere vertragsärztliche Leistungen – nicht beliebig in ihrer Menge gesteigert werden. Damit konnten psychotherapeutische Leistungserbringer nicht auf einen möglichen Punktwertverfall reagieren46, ohne dass gegebenenfalls ein existenzbedrohendes Ausmaß erreicht würde. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit war in diesen Fällen, insbesondere zu Beginn, nicht als Überprüfungsmaßstab, sondern als Grundlage für einen Anspruch auf Stützung des Punktwertes für psychotherapeutische Leistungen auf (damals) 10 Pfennig herangezogen worden [1.]. Darüber hinaus hat der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit auch im Rahmen der Überprüfung psychotherapeutischer Honorarverteilungsregelungen als Grundlage zur Begründung von Handlungs- und Korrekturpflichten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gedient [2.].
1. Anspruchsgrundlage a) Rechtsprechung vor einer gesetzlichen Regelung Das Bundessozialgericht befasste sich ausführlich mit der Honorarverteilung in Bezug auf psychotherapeutische Leistungen in einem Urteil vom 20. Januar 199947. In der Entscheidung war der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Grundlage für einen Anspruch auf einen höheren Punktwert herangezogen worden48. Arztrechts, § 34 Rn. 117 ff.; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 304 ff.; Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 126 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 85 SGB V Rn. 196 ff.; Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 87b SGB V Rn. 20; Moeck, Die Budgetierung psychotherapeutischer Leistungen durch zeitbezogene Kapazitätsgrenzen; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 30 f.; Rompf, in: Liebold/ Zalewski, SGB V, § 87 SGB V Rn. C 87 – 27; Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 87b SGB V Rn. 10; Spellbrink, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 14 Rn. 75 ff.; Steinhilper, VSSR 2000, S. 349 ff.; Stellpflug, Psychotherapeutenrecht, Rn. 17 ff.; ders., Vertragsarztrecht/Vertragszahnarztrecht, Rn. 419 ff.; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 59 ff. 46 Vgl. zur aktuellen Rechtslage bereits im Abschnitt B. I. 2. b) dd), S. 90 ff., und II. 2. a) dd), S. 120 ff. 47 BSGE 83, 205 ff. Siehe dazu auch: Moeck, Die Budgetierung psychotherapeutischer Leistungen durch zeitbezogene Kapazitätsgrenzen, S. 66 ff. 48 Ein Anspruch auf höhere Vergütung wurde auch schon einige Jahre vorher im Rahmen der Vergütung radiologischer Leistungen angesprochen, jedoch verneint, vgl. BSGE 75, 187 (191 f.). Zu Stützpunktwerten und -pflichten, vgl. Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 93; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 282 ff.
II. Psychotherapeutische Leistungen
237
Das Gericht führte dazu aus, als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf einen höheren bzw. zumindest garantierten Punktwert komme insoweit das aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Betracht49. Dieses sei verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen werde, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw. Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei50. Im Ergebnis wurde der Rechtsstreit an das zuständige Landessozialgericht zurückverwiesen, da dessen Feststellungen dem Bundessozialgericht keine abschließende Beurteilung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Honorarbescheids zuließen, welchem die Honorierung der zeitabhängigen psychotherapeutischen Leistungen nach dem Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung zugrunde lagen51. Einen aus dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit abzuleitenden Anspruch auf Stützung des Punktwertes in Höhe von 10 Pfennig bejahte das Bundessozialgericht dann ausdrücklich in einem Urteil vom 25. August 199952. Es stellte fest, in den streitigen Quartalen seien die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen mit einem Punktwert von 9 Pfennig und damit deutlich unter 10 Pfennig honoriert worden. Dadurch sei der aus dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit abzuleitende Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung mit anderen Behandlergruppen verletzt worden53. In einem Urteil vom 26. Januar 2000 bejaht das Bundessozialgericht einen Anspruch auf Stützung in Höhe von 10 Pfennig aus Gründen der Gleichbehandlung und aus dem Sicherstellungsauftrag54. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wurde dabei jedoch nicht erwähnt.
49
BSGE 83, 205 (211 f.). Vgl. auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 1 f.; Freudenberg, in: Schlegel/ Engelmann, jurisPK-SGB V, § 85 SGB V Rn. 198; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 85 SGB V Rn. 67; Rath, MedR 2001, S. 64; Steinhilper, VSSR 2000, S. 355 ff. Kritisch bzgl. einer nicht gebotenen Privilegierung von Psychotherapeuten ggü. übrigen Leistungserbringern, vgl. Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 237. 50 BSGE 83, 205 (212). 51 BSGE 83, 205 (206). 52 BSGE 84, 235 (238 f., 243, 245 f.). Vgl. auch: BSGE 89, 1 (2, 4 f.); Clemens, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 119; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 305; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 60 f. 53 BSGE 84, 235 (243). Vgl. auch: Rath, MedR 2001, S. 62; Steinhilper, VSSR 2000, S. 355 ff. 54 BSG, MedR 2000, 377 ff.
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
b) Rechtsprechung nach einer gesetzlichen Regelung Ab dem Jahre 2000 wurde auf Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen eine entsprechende Regelung in § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F. eingeführt55. Danach waren im Honorarverteilungsmaßstab Regelungen zur Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten56. Zur Sicherstellung einer bundeseinheitlichen Regelung legte der Gesetzgeber zudem in § 85 Abs. 4a S. 1 HS. 2 SGB V a.F. fest, dass statt der regionalen Vertreterversammlung der auf Bundesebene angesiedelte Bewertungsausschuss den Inhalt nach § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V a.F. zu treffen hatte57. Um nicht nur in Bezug auf die Regelungen zur Vergütungsverteilung, sondern auch im Hinblick auf die Leistungsbewertung vorzugeben, den psychotherapeutischen Leistungen eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber darüber hinaus die Regelung des § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V eingeführt58. Die durch die bundesgesetzliche Verankerung veränderte Ausgangslage für die Überprüfung von psychotherapeutischen Verteilungsregelungen schlug sich auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nieder. In seinen Urteilen nach der gesetzlichen Festsetzung einer angemessenen Höhe der Vergütung je Zeiteinheit wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht mehr – zumindest nicht ausdrücklich – als Anspruchsgrundlage herangezogen59. Vielmehr werden, wie etwa im Urteil des Gerichts vom 28. November 200760, dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Bezug auf psychotherapeutische Leistungen konkrete Inhalte ständiger Rechtsprechung beigemessen und diese als Prüfungsgrundlage
55 Vgl. dazu bereits im Abschnitt B. I. 2. b) dd), S. 90 ff. Siehe auch: Clemens, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 120; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 309; Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 3 f.; Spellbrink, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 14 Rn. 81 ff.; Steinhilper, VSSR 2000, S. 358 ff.; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 62. 56 § 85 Abs. 4 S. 4 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). Heutiges Äquivalent zu dieser Regelung ist § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V. Vgl. dazu ausführlich bereits im Abschnitt B. II. 2. a) dd), S. 120 ff. 57 BGBl. I 1999, S. 2626 (2634). 58 BGBl. I 2007, S. 378 (395). 59 Vgl. BSGE 92, 87 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36; BSGE 100, 254 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75. Vgl. auch zum BSG-Urteil in BSGE 92, 87 ff.: Engelhard, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 28. 01. 2004 – B 6 KA 52/03 R, jurisPR-SozR 26/2004 Anm. 2; Maaß, NZS 2004, S. 25 f. 60 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36.
II. Psychotherapeutische Leistungen
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dafür herangezogen, ob es einer Stützung des Punktwertes bedurfte61. Das Bundessozialgericht führt dahingehend aus, nach dieser Rechtsprechung62 müsse im Rahmen der Honorarverteilung gemäß § 85 Abs. 4 SGB Va.F.63 im Hinblick auf den von der Kassenärztlichen Vereinigung zu beachtenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ein in einer voll ausgelasteten Praxis unter vollem Einsatz seiner Arbeitskraft tätiger Psychotherapeut die Chance haben, einen Überschuss aus seiner vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu erzielen, der demjenigen anderer Arztgruppen entspreche64. Im Ergebnis unterscheiden sich die Urteile des Bundessozialgerichts vor und nach der gesetzlichen Regelung allerdings nicht. Ob der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Anspruchsgrundlage herangezogen und sodann seine Verletzung geprüft wurde – wie etwa im Urteil vom 25. August 199965 – oder, ob er mit den Inhalten der ständigen Rechtsprechung angereichert und so als Überprüfungsmaßstab angewandt wird – wie etwa im Urteil vom 28. November 200766 –, in beiden Fällen ist von einem Anspruch auf Punktwertstützung die Rede67, aufgrund dessen die beklagte Kassenärztliche Vereinigung zur Neubescheidung über den jeweiligen Honoraranspruch verurteilt wurde68.
2. Pflichtenbegründung Insbesondere in der Zeit, bevor der Gesetzgeber Regelungen zur angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen im SGB V festgesetzt hatte, korrespondierte in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Anspruch aus dem 61
In jüngeren Urteilen des BSG vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R – juris Rn. 18, und vom 17. Juli 2013, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 12, wird als Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers auf Zahlung höheren vertragsärztlichen Honorars gegen die beklagte Kassenärztliche Vereinigung etwa auf § 85 Abs. 4 S. 1 bis 3 SGB V in der Form des GKVGesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2633 f.), verwiesen. 62 Gemeint sind die Rechtsgrundsätze, die das BSG für den Zeitraum bis Ende 1998 zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen entwickelt hatte, vgl. SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 9. 63 § 85 Abs. 4 SGB V in der Form des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, vgl. BGBl. I 1999, S. 2626 (2633 f.). 64 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 10. Vgl. auch: BSGE 100, 254 (274 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. 65 BSGE 84, 235 ff. 66 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36. 67 BSGE 84, 235 (245 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 11. 68 BSGE 84, 235 (237, Rn. 10 – nur abgedruckt bei juris); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 9, 21. Vgl. auch nicht nur zur Neubescheidung, sondern sogar zu einer nachträglichen Anpassung der Gesamtvergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung: BSGE 92, 87 (102); Bühring, DÄ 2005, S. A 1558; Bühring/Rabbata, DÄ 2005, S. A 328; Spellbrink, in: Schnapp/ Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 14 Rn. 84.
240
E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit mit einer Handlungs- und Korrekturverpflichtung der jeweils beklagten Kassenärztlichen Vereinigung69. Denn, wie das Gericht im Urteil vom 12. September 2001 ausdrücklich ausgeführt hatte, sei Adressat des Gebots der Honorarverteilungsgerechtigkeit – aus dem es seine Rechtsauffassung hinsichtlich der angemessenen punktwertmäßigen Honorierung der zeitgebundenen psychotherapeutischen Leistungen abgeleitet hatte – die einzelne Kassenärztliche Vereinigung70. Unter Hinweis auf die die einzelne Kassenärztliche Vereinigung treffende Verpflichtung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nach § 75 Abs. 1 SGB V, hatte das Bundessozialgericht überdies angemerkt, dass die Kassenärztliche Vereinigung gehalten sei, auch im Rahmen der Honorarverteilung einer massiven Benachteiligung der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte entgegenzuwirken. Das gelte jedenfalls solange, wie der für die Honorierung der Leistungen dieser Ärzte zur Verfügung stehende Anteil der Gesamtvergütung durch den Honorarverteilungsmaßstab der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigung bestimmt werde und das Ausgabenvolumen nicht unmittelbar durch das Gesetz selbst festgelegt sei71. In seinem Urteil vom 20. Januar 1999 hat das Bundessozialgericht zudem ausgeführt, es bestehe jedenfalls dann eine Handlungspflicht der Kassenärztlichen Vereinigung, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg der vertragsärztliche Umsatz von voll ausgelasteten und wirtschaftlich arbeitenden, ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten, soweit sie ganz überwiegend zeitabhängige und seitens der Krankenkasse genehmigungsbedürftige Leistungen erbringen, erheblich sogar hinter dem durchschnittlichen Praxisüberschuss72 vergleichbarer Arztgruppen, wie z. B. der Psychiater, zurückbleibe73. Diese vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien, wann eine Handlungs- und Korrekturverpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung vorliegen soll, wurden im Laufe der Jahre im Einzelnen, insbesondere für die zum Vergleich herangezogene Gruppe74, weiterentwickelt75. Die grundsätzliche Berechnungsmethode des Gerichts, wann eine Handlungspflicht vorliegt, d. h. der Vergleich von voll ausgelasteten Psychotherapeuten mit dem (nur)
69
Vgl. etwa: Maaß, NZS 2000, S. 116. BSGE 89, 1 (5). 71 BSGE 89, 1 (5). Vgl. auch: BSGE 83, 205 (213 f.); 84, 235 (238 f.). Zur Abgrenzung ggü. der Festlegung der Honoraranteile durch Bundesgesetz, vgl. BSGE 90, 111 (116 f.). Zum BSGUrteil in BSGE 83, 205 ff., vgl. auch: Rath, MedR 2001, S. 62. 72 Der Praxisüberschuss stellt den Umsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit abzüglich der Praxiskosten dar, vgl. BSGE 83, 205 (213). 73 BSGE 83, 205 (213). Vgl. dazu auch: Rath, MedR 2001, S. 62. Eine ausreichende und angemessene Vergütung und die Pflicht zur Handlung forderten die Psychologen auch in jüngerer Zeit, vgl. Bühring, DÄ 2014, A 1676. 74 Vgl. zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. 75 Vgl. zu den einzelnen Kriterien zu Beginn der Rechtsprechung: Steinhilper, VSSR 2000, S. 357 f. 70
III. Aufbaupraxen – Anspruchsgrundlage
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durchschnittlichen Praxisüberschuss einer Vergleichsgruppe aus dem unteren Verdienstbereich, wurde allerdings beibehalten76.
III. Aufbaupraxen – Anspruchsgrundlage Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit dient nicht nur im Rahmen der überwiegend zeitabhängigen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen als Anspruchsgrundlage auf ein bestimmtes Ergebnis – dort auf einen Punktwert von mindestens 10 Pfennig –, sondern auch innerhalb der noch jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu sog. Aufbaupraxen77 wurde er als Anspruchsgrundlage herangezogen78. Als Aufbaupraxen bezeichnet das Bundessozialgericht Praxen, die sich noch im Anfangsstadium einer Praxisgründung befinden und aufgrund des üblicherweise bestehenden geringen Umsatzes eines besonderen Schutzes bedürfen79. Ähnlich argumentiert das Bundessozialgericht bei sonstigen Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz; auch diese seien besonders schutzwürdig80. Daher soll „Praxen in der Aufbauphase – die auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bemessen werden kann – die Steigerung ihres Honorars auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein (…), während dies anderen, noch nach der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss“81. 76 Siehe zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. Vgl. auch: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 94 ff., der den Vergleich vollausgelasteter psychotherapeutischer Praxen mit durchschnittlichen Praxen der jeweiligen Vergleichsgruppe als eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ansieht. 77 Vgl. zu Aufbaupraxen und unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen: Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 60 ff.; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 263 ff.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 256 ff.; ders., in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 107 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 72 ff.; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 109; Maaß, NZS 1998, S. 19; Motz, in: Eichenhofer/ Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 49 f.; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 85 SGB V Rn. 40; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 32 f.; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 33, 49. 78 Vgl. auch: Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 49. 79 Vgl. grundlegend: BSGE 83, 52 (56 ff.) aus dem Vertragszahnarztrecht und darauf Bezug nehmend aus dem Vertragsarztrecht: BSGE 92, 10 (16 ff.). 80 Vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 24 f. Siehe auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 262; Engelhard, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 10. 03. 2004 – B 6 KA 3/03 R, jurisPR-SozR 33/2004 Anm. 4; Motz, in: Eichenhofer/ Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 50. 81 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 18. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 15; Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 265.
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Das Bundessozialgericht führt – zuletzt etwa in seinem Urteil vom 17. Juli 2013 – dazu aus, dem Vertragsarzt müsse „– wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog. Honorarverteilungsgerechtigkeit – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen“82. Die Aussage, dass dem Vertragsarzt die Chance bleiben müsse, neue Patienten für sich zu gewinnen und hierdurch im Ergebnis seinen Umsatz zu steigern, ziele, so das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 3. Februar 2010, nicht auf bestimmte Honorarverteilungsregelungen, sondern auf das Ergebnis der Honorarverteilung. Es komme daher nicht darauf an, wie die Honorarverteilungsregelungen im Einzelnen ausgestaltet seien und welchen primären Zweck sie verfolgten, sondern wie sie sich letztlich auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirkten83. Erforderlich sei nicht die Möglichkeit kontinuierlicher Steigerung, sondern es komme lediglich auf das Ergebnis – d. h. die Möglichkeit, den Durchschnittsumsatz zu erreichen – an84. Damit zieht das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit – ähnlich wie im Rahmen der psychotherapeutischen Leistungen – als Grundlage für einen Anspruch heran, der auf ein bestimmtes Ergebnis gerichtet ist. Ist es bei den Psychotherapeuten ein Anspruch auf Stützung des Punktwertes in Höhe von 10 Pfennig85, so wird bei Aufbaupraxen oder sonstigen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ein sog. Wachstumsanspruch, ein Anspruch auf die Möglichkeit des Wachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt86, gewährt. Zu Beginn der Rechtsprechung zu Aufbaupraxen fiel der Begriff des Wachstumsanspruchs als solcher – soweit ersichtlich – nicht, vielmehr wurde vereinzelt ein „Anspruch von Aufbaupraxen“87 erwähnt. In 82 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. Vgl. auch: BSGE 92, 10 (16 f.); 233 (238 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10 Rn. 21; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 24, 28, 32 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 14, 16. Siehe auch zum BSG-Urteil in SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2: Plagemann, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 17. 07. 2013 – B 6 KA 44/12 R, jurisPR-MedizinR 10/ 2013 Anm. 6; zum BSG-Urteil in BSGE 92, 233 ff.: Engelhard, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 10. 03. 2004 – B 6 KA 3/03 R, jurisPR-SozR 33/2004 Anm. 4. Vgl. auch allgemein: ders., in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 256b. 83 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 16. Das BSG hat diese Grundsätze auch für die durch § 87b SGB V geprägte Phase von 2009 bis 2011 anerkannt, vgl. SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 21. 84 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 39. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 256k, 256n. 85 BSGE 84, 235 (238 f., 243, 245 f.). 86 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 34. 87 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6 Rn. 19. Vgl. auch: BSGE 92, 10 (17).
IV. Allgemeine Härteklauseln – richterliche Rechtsfortbildung
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nahezu allen Entscheidungen dieser Fallgruppe wurden stattdessen die Honorarverteilungsregelungen als mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unvereinbar und mithin als rechtswidrig erklärt88. Erst im Urteil vom 17. Juli 2013, führt das Bundessozialgericht aus, der sog. Wachstumsanspruch stütze sich vor allem auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und damit auf Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG89. Folglich wurde der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu Beginn der Rechtsprechung zu Aufbaupraxen und sonstigen unterdurchschnittlich verdienenden Praxen eher als Überprüfungsmaßstab und nicht als Anspruchsgrundlage angewandt. Allerdings blieb in diesem Fall – ähnlich wie auch bei den Psychotherapeuten – das Ergebnis das gleiche: Der zu überprüfende Honorarverteilungsmaßstab wurde vom Gericht als rechtswidrig beanstandet und die Beklagte hatte unter Rechtsauffassung des Gerichts – d. h. der Einhaltung des entsprechenden Wachstumsanspruchs – neu über den Honoraranspruch des Vertragsarztes zu bescheiden90.
IV. Allgemeine Härteklauseln – richterliche Rechtsfortbildung Aus der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lässt sich entnehmen, dass das Gericht aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit das Erfordernis einer allgemeinen Härteklausel ableitet. Jeder Honorarverteilungsmaßstab hat danach Regelungen zu beinhalten, die in einzelnen Fällen unbilliger Härte eine abweichende Handhabung der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen durch den Vorstand der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung zulassen91. Dafür ist es erforderlich, dass Honorarverteilungsmaßstäbe eine allgemeine Härteklausel92 enthalten93, da diese Klausel gerade die Funktion haben soll, unverhältnismäßigen 88 BSGE 92, 10 (12, 16 ff.); 233 (238 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10 Rn. 27; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 23, 33; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 12 f. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 256, 256 h. 89 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 21. 90 BSGE 92, 10 (19); 233 (234); BSG, Urt. v. 28. 01. 2009 – B 6 KA 5/08 R, juris Rn. 11, 14; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 5, 12. 91 BSG, Urt. v. 10. 03. 2004 – B 6 KA 13/03 R, juris Rn. 23; BSGE 94, 50 (69). 92 Vgl. zu Härtefallklauseln: Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 34 Rn. 74 ff.; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 270 ff.; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 257 ff.; ders., in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 107 ff.; Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 87b SGB V Rn. 72 ff.; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 16 Rn. 109; Motz, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87b SGB V Rn. 51; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 85 SGB V Rn. 41; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 36 f.; Stellpflug, Vertragsarztrecht/Vertragszahnarztrecht, Rn. 450 ff.; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rn. 49. 93 BSGE 94, 50 (69); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 42.
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Nachteilen vorzubeugen, die insbesondere bei atypischen Konstellationen Bedeutung erlangen94. Das Bundessozialgericht hat in den Urteilen vom 29. Juni 2011 – soweit ersichtlich – erstmals im Vertragsarztrecht95 aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine allgemeine Härteklausel in einen Honorarverteilungsvertrag – wie es selbst ausführt – „hineininterpretiert“96. Das Gericht ist der Ansicht, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Wege der ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung eine ungeschriebene generelle Härteklausel in die Honorarverteilungsbestimmungen hineinzuinterpretieren sei, wenn ein Honorarverteilungsmaßstab keine oder eine zu eng gefasste Härteklausel enthalte97. Dabei verweist das Bundessozialgericht auf ältere Entscheidungen, in denen in vergleichbarer Weise auch eine allgemeine Härteklausel durch stillschweigende gesetzeskonforme Auslegung in Honorarverteilungsmaßstäbe hineininterpretiert wurde98. Allerdings stützt sich das Gericht in den Urteilen vom 29. Juni 2011, anders als zuvor ersichtlich99, im Wesentlichen auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Seit dem 1. Januar 2012 ordnet nun § 87b Abs. 3 S. 2 SGB V an, dass Honorarverteilungsmaßstäbe geeignete Regelungen vorzusehen hätten, nach der die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet sei, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend sei, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten100. Damit muss nach dem Willen des SGB VGesetzgebers eine allgemeine Härteklausel im jeweiligen Honorarverteilungsmaßstab enthalten sein101 und somit wird die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch in diesem Fall vom Gesetzgeber übernommen.
94
BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 43. Im Vertragszahnarztrecht hat das BSG den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit bereits Ende des Jahres 2009 als Grundlage zur Rechtsschöpfung für eine allgemeine Härtefallklausel herangezogen, vgl. BSG, Beschl. v. 16. 12. 2009 – B 6 KA 13/09 B, juris Rn. 12. 96 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 66 Rn. 28; BSG, Urt. v. 29. 06. 2011 – B 6 KA 20/10 R, juris Rn. 19. Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 257a. 97 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 66 Rn. 28; BSG, Urt. v. 29. 06. 2011 – B 6 KA 20/10 R, juris Rn. 19. 98 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 09. 12. 2004, B 6 KA 84/03 R, juris Orientierungssatz, Rn. 48; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 42. 99 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 09. 12. 2004, B 6 KA 84/03 R, juris Rn. 48; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 42. 100 Vgl. BGBl. I 2011, S. 2983 (2991). Vgl. dazu bereits im Abschnitt B. II. 2. b) bb), S. 127 ff. 101 Vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 65 f. 95
V. Ergebnis
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V. Ergebnis Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hat in den verschiedenen vom Bundessozialgericht entwickelten Fallgruppen unterschiedliche Ausformungen erhalten. Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung von Honorartopfregelungen wird er etwa als Überprüfungsmaßstab angewandt. Bei der Überprüfung wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, obwohl vom Bundessozialgericht aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet, nicht konsequent auch der verfassungsrechtlichen Ebene, sondern vielmehr dem einfachen Bundesrecht zugeordnet. Darüber hinaus entnimmt das Bundessozialgericht dem Grundsatz im Zusammenhang mit der Überprüfung von Honorartopfregelungen Beobachtungs- und Reaktionspflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen, wobei eine Reduzierung der Gestaltungsfreiheit Kassenärztlicher Vereinigungen auf Null bis jetzt – zumindest noch – nicht angenommen wurde. Hinsichtlich der Überprüfung von psychotherapeutischen Leistungen verwendet das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Anspruchsgrundlage auf einen bestimmten Stützpunktwert, der im Ergebnis dazu führen soll, dass zugunsten der Psychotherapeuten die Chance besteht, einen Überschuss aus ihrer Tätigkeit zu erzielen, der denjenigen anderer Arztgruppen entspricht. Insoweit hat auch der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgenommen und in § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V bzw. in § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V gesetzlich verankert. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit begründet auch im Fall der Psychotherapeuten Handlungs- und Korrekturpflichten der normsetzenden Organe. Im Rahmen der Fallgruppe der Aufbaupraxen bzw. der sonstigen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen wendet das Bundessozialgericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Grundlage für einen sog. Wachstumsanspruch an. Im Ergebnis soll damit dem Vertragsarzt eine Chance gewährleistet werden, die es ihm erlaubt, seine Position im Wettbewerb mit seinen Berufskollegen zu verbessern, indem ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, den Durchschnittsumsatz einer vergleichbaren Arztgruppe zu erreichen. Schließlich wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Entscheidungen zu allgemeinen Härteklauseln auch als Grundlage für eine richterliche Rechtsfortbildung herangezogen, indem in Honorarverteilungsmaßstäben eine solche Klausel „hineininterpretiert“ wird. Das Erfordernis einer allgemeinen Härteklausel hat der Gesetzgeber sodann in § 87b Abs. 3 S. 2 SGB V festgeschrieben. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit dient unabhängig von seinen einzelnen Ausformungen überwiegend als Kontrollinstrument für untergesetzliche Vergütungsregelungen. Das umfasst auch die Entwicklung mittelbarer Kontrollmechanismen, indem etwa dem weiten Gestaltungsspielraum der untergesetzlichen Normgeber dadurch Grenzen gesetzt werden, dass das Bundessozialgericht untergesetzliche Normgeber dazu verpflichtet, ihr eigens geschaffenes Regelungswerk zu beobachten und bei Vorliegen etwaiger Voraussetzungen auf die Veränderungen zu reagieren. Bei dem Anspruch auf Stützung des Punktwertes für psychotherapeutische
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E. Ausformungen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Leistungen, bei dem Erfordernis einer allgemeinen Härtefallregelung und bei dem als Wachstumsanspruch bezeichneten Anspruch auf Chancengleichheit hat das Bundessozialgericht im Weiteren den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit über einen ausschließlichen Kontrollmaßstab hinaus auch als sozialgerichtliches Korrektiv ausgestaltet. In den Fallgruppen, in denen das Bundessozialgericht im Rahmen seiner Rechtsprechung den Vertragsärzten als Korrektiv ein klar bezifferbares Ergebnis zusprach, wie etwa einen Punktwert in Höhe von 10 Pfennig bzw. 5 Cent oder eine allgemeine Härtefallregelung im Honorarverteilungsmaßstab, hat der Gesetzgeber entsprechende Vorgaben in das SGB V aufgenommen. Somit hatte der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in diesen Fällen nur die Aufgabe, vorübergehend zu korrigieren. In dem vom Bundessozialgericht als Wachstumsanspruch bezeichneten Anspruch auf Chancengleichheit bzw. auf gleiche Ausgangsmöglichkeiten im vertragsärztlichen Wettbewerb steht eine gesetzliche Regelung allerdings noch aus.
F. Die verfassungsrechtliche Herleitung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit Das vertragsärztliche Vergütungsrecht basiert im Wesentlichen auf drei Komponenten, welche die Besonderheiten dieses Verteilungssystems darstellen. Zum einen ist dies die überwiegend der Höhe nach begrenzte Gesamtvergütung, die zur Verteilung an die Vertragsärzte zur Verfügung steht1. Sie wird mit befreiender Wirkung von den Krankenkassen an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung gezahlt2 und ist eng verbunden mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität3. Im Sinne einer möglichst geringen finanziellen Belastung der Versicherten sind nach dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität die Vereinbarungen über die Vergütungen der Leistungserbringer so zu gestalten, dass die Höhe der Beiträge nur aus Gründen der medizinischen Versorgung und nicht aufgrund – vermeintlich – zu geringer vertragsärztlicher Vergütung steigen darf4. Der gedeckelten und somit begrenzten Gesamtvergütung als „Topf“, aus dem die ärztliche Gegenleistung zu vergüten ist, steht auf der Leistungsseite die zweite Komponente gegenüber: die unbegrenzte Inanspruchnahme der Behandlungsleistungen durch die Versicherten5. Schließlich soll eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes der medizinischen Erkenntnisse, gewährleistet werden6. In diese zwei Komponenten, der begrenzten Gesamtvergütung einerseits und der unbegrenzten Inanspruchnahme von Behandlungsleistungen andererseits, ist das dritte Element, das Bedürfnis nach einer angemessenen und gerechten Vergütung der leistungserbringenden Vertragsärzte, einzupassen7. Die Vergütung der Vertragsärzte hat vor diesem Hintergrund die Besonderheit, dass aufgrund der überwiegend gedeckelten Gesamtvergütung ein Mehr an Vergü1
Zur Kapazität als Grundrechtsvoraussetzung, vgl. Isensee, VSSR 1995, S. 344 ff. Siehe auch: Ratzel, in: ders./Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, Kapitel 4 Rn. 4. 2 Vgl. § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V. 3 Siehe dazu etwa: Boecken, MedR 2000, S. 165; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 26 ff. 4 Vgl. § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V. Siehe dazu bereits Nachweise in Abschnitt D., Fn. 162. 5 Vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 28 Abs. 1 SGB V. In der Diskussion um das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde in diesem Zusammenhang das Wort „Flatrate-Mentalität“ der Versicherten kreiert, vgl. Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, KVN pro – Informationen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, Nr. 39, Stand: November 2014, S. 1. 6 Vgl. § 72 Abs. 2 SGB V. 7 Vgl. § 72 Abs. 2 SGB V a.E.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
tung des einen Vertragsarztes, bzw. der entsprechenden Vertragsarztgruppe, unmittelbar ein Weniger des anderen Vertragsarztes zur Folge hat8. Dabei wird der freie Wettbewerb, in diesem Fall um Versicherte9, eingeschränkt, indem der Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen keine unbegrenzte Vergütung gegenüber steht, sondern das Behandlungsverhalten der Vertragsärzte durch zahlreiche Mengenbegrenzungsmechanismen untergesetzlicher Normgeber gesteuert wird. Folglich besteht im vertragsärztlichen Vergütungssystem ein Wettbewerb weniger um die Versicherten als vielmehr um eine begrenzte Menge an Vergütung. Diese Situation und die daraus folgende Forderung nach festen Preisen10 ist dem Gesetzgeber bekannt. Mit der seit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 200711 eingeführten regionalen Euro-Gebührenordnung war es gerade sein Wille, feste, statt wie zuvor floatende, Preise zu statuieren, um den Vertragsärzten einen Zuwachs an Kalkulationssicherheit zu bieten12. Allerdings ist die Forderung nach festen Preisen, bei stets gedeckelter Gesamtvergütung – die im Nachhinein nicht erhöht werden darf – und einer unbegrenzten, im Ergebnis nicht vorhersehbaren Inanspruchnahme von Leistungen13, nicht realistisch14. Ein gewisses Floaten der Punktwerte, selbst mit einer regionalen Euro-Gebührenordnung, wohnt auch nach Ansicht des Bundessozialgerichts dem System der gesetzlichen Krankenversicherung inne, was zur Folge hat, dass ein absolut fester Punktwert bereits von vornherein ausgeschlossen ist15 und wohl im derzeit vorherrschenden Vergütungssystem auch ausgeschlossen bleibt. In diesem besonderen, sich von anderen Berufszweigen abhebenden16 vertragsärztlichen Vergütungssystem hat der Gesetzgeber mehrere ineinandergreifende Regelungsmechanismen geschaffen, um auf diese Weise sowohl der Versorgung der Versicherten als auch der angemessenen Vergütung der vertragsärztlichen Leistungserbringer gerecht zu werden. Diese ineinandergreifenden Regelungsmecha8 Vgl. etwa: BVerfGE 103, 172 (186); BSGE 94, 50 (61 f.); Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 17, 19. 9 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 144. 10 BT- Drs. 16/3100, S. 123. 11 BGBl. I 2007, S. 378 (398 ff.). 12 BT-Drs. 16/3100, S. 123. 13 Zum Teil wird die Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Leistungen nach § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V im Rahmen der Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für die Zukunft geschätzt. 14 Vgl. § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V. Siehe auch: Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 6. 15 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 4 Rn. 26; SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 29 Rn. 29; BSG, Urt. v. 19. 02. 2014 – B 6 KA 16/13 R – juris Rn. 44; Urt. v. 15. 07. 2015 – B 6 KA 28/14 R – juris Rn. 22. Vgl. auch: Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 18. 16 Vgl. Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 139 ff. Siehe grundlegend auch: Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 70 ff.
I. Begründung des Schutzumfangs durch das Bundessozialgericht?
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nismen setzen sich aus einer Vielzahl sich regelmäßig ändernder gesetzlicher und untergesetzlicher Normen auf Bundes- und regionaler Ebene zusammen. Der so entstandene Normenkomplex auf unterschiedlichen Ebenen kann zu einer rechtlichen und dadurch faktischen Vergütungsungerechtigkeit zulasten unterschiedlicher Vertragsarztgruppen führen. Dies zu verhindern, ist Aufgabe des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der im Folgenden sowohl im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Herleitung als auch – vor dem Hintergrund des derzeitigen gesetzgeberischen Vergütungssystems – hinsichtlich seiner Anforderungen kritisch betrachtet werden soll.
I. Begründung des Schutzumfangs der Grundrechtsverbindung durch das Bundessozialgericht? Das Bundessozialgericht leitet den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit seit dem grundlegenden Urteil vom 29. September 1993 aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG her17. Damit hat es einen Grundsatz entwickelt, der aus einer Verknüpfung eines Freiheits- mit einem Gleichheitsgrundrecht abgeleitet wird. Im Urteil vom 29. September 1993 begründet das Gericht die Verknüpfung der Berufsausübungsfreiheit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nur knapp. Es führt aus, dass Berufsausübungsregelungen, auch wenn sie in der gewählten Form prinzipiell zulässig seien, die Unterschiede berücksichtigen müssten, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestünden18. Angesichts der mit der Rechtssetzung durch einen Berufsverband verbundenen Gefahr der Benachteiligung von Minderheiten komme der Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit und ausreichender Differenzierung beim Erlass von Vergütungsregelungen besonderes Gewicht zu; die den Kassenärztlichen Vereinigungen eingeräumte Verteilungsautonomie lasse sich im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nur rechtfertigen, wenn damit die Verpflichtung zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebots verbunden würde19. Mithin hat das Bundessozialgericht die Verknüpfung der Grundrechte im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Rechtssetzung durch einen Berufsverband wie der Kassenärztlichen Vereinigung der Gefahr der Benachteiligung von Minderheiten ausgesetzt ist. Ebenso nahm das Bundesverfassungsgericht in einem Nichtannahmebeschluss vom 30. März 2001 die Begründung des Bundessozialgerichts auf und führte in gleicher Weise aus, die gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – auch zum Grundsatz der Honorarver17 BSGE 73, 131 (138). Zuletzt etwa: BSG, Urt. v. 19. 02. 2014 – B 6 KA 10/13 R, juris Rn. 34. 18 So auch schon allgemein: BVerfGE 33, 171 (188). 19 BSGE 73, 131 (138). Vgl. auch: LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06. 10. 2010 – L 7 KA 15/06, juris Rn. 28; Axer, NZS 1995, S. 538; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 85 SGB V Rn. 197.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
teilungsgerechtigkeit – trage den Anforderungen an objektiv berufsregelnde untergesetzliche Rechtsnormen im Bereich der Gewährleistung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung. Gleichzeitig stelle sie sicher, dass der mit der Rechtssetzung durch einen Berufsverband verbundenen Gefahr, einer Benachteiligung von Minderheiten beim Erlass von Vergütungsregeln, wirkungsvoll begegnet werden könne20. Betrachtet man, über eine abstrakte Begründung des Schutzumfangs hinaus, die Vorgehensweise des Bundessozialgerichts im Rahmen der Einzelfallprüfung21, ist eine im Laufe der Zeit immer wieder unterschiedliche Gewichtung der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes zu erkennen. Warum eine Verbindung der Grundrechte als Überprüfungsmaßstab dient, wird aus den Einzelfallprüfungen jedoch weniger deutlich. Wenn man allerdings die Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Bezug auf seine unterschiedlichen Ausformungen in den verschiedenen Fallgruppen als Überprüfungsmaßstab, Anspruchsgrundlage, Grundlage zur Pflichtenbegründung oder zur richterlichen Rechtsfortbildung näher betrachtet, lässt sich zumindest hinsichtlich der Fallgruppen der Überprüfung von Vergütungsregelungen für psychotherapeutische Leistungen und der Überprüfung von Vergütungsregelungen für Aufbaupraxen oder sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxen feststellen, inwiefern das Gericht den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG mit dem des Art. 3 Abs. 1 GG verbindet. In beiden Fällen dient der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Anspruchsgrundlage für ein bestimmtes Ergebnis, das den den jeweiligen Gruppen angehörigen Vertragsärzten gewährleistet werden soll. Im Fall der psychotherapeutischen Leistungen wird aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Ergebnis ein Anspruch auf einen Stützpunktwert in einer bestimmten Höhe zugesprochen, damit dies auch darüber hinaus dazu führt, dass zugunsten der Psychotherapeuten die Chance besteht, einen Überschuss aus ihrer Tätigkeit zu erzielen, der dem Überschuss von Vertragsärzten aus anderen Arztgruppen entspricht22. Vergleichbar ist es im Fall der Aufbaupraxen bzw. der sonstigen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen. Dort wird der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Anspruchsgrundlage für eine bestimmte Wachstumsmöglichkeit herangezogen, die im Ergebnis dem Vertragsarzt die Chance gewährleisten soll, seine Position im Wettbewerb mit seinen Berufskollegen zu verbessern, indem ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, den Durchschnittsumsatz einer vergleichbaren Arztgruppe zu erreichen23. Mithin greift 20
BVerfG, NZS 2001, 486 (487). Siehe dazu auch: Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 148 f. 22 Zum Anspruch auf Stützung, vgl. etwa: BSGE 84, 235 (238 f., 243, 245 f.); BSGE 89, 1 (2, 4 f.). Zur Begründung des Anspruchs, vgl. etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 10; BSGE 100, 254 (274 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. 23 Zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. Vgl. auch: BSGE 92, 10 (16 f.); 233 (238 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10 Rn. 21; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 24, 28, 32 f.; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 14, 16. 21
II. Unterschied im Schutzumfang?
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das Gericht in beiden Fällen korrigierend ein, indem es die Härten der die Berufsausübung begrenzenden Vergütungsregelungen so abmildert, dass im Vergleich zu anderen Arztgruppen zumindest Chancengleichheit gewährleistet wird24. Schließlich handelt es sich bei diesen beiden Gruppen um Minderheiten, die entweder durch die überwiegende Zeitgebundenheit – so bei den Psychotherapeuten – oder durch die besondere Situation des niedrigen Umsatzes und der dadurch erschwerten individuellen Budgetvergrößerung – so bei den Aufbaupraxen und sonstigen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen – schützenswert sind. Folglich ist eine Vorgehensweise des Bundessozialgerichts hinsichtlich der beiden genannten Fallgruppen dahingehend zu erkennen, dass im Sinne der Berufsfreiheit die Wettbewerbsfähigkeit der Vertragsärzte durch die Einräumung von Chancengleichheit geschaffen bzw. wieder hergestellt werden soll. Über die Fallgruppen der Psychotherapeuten und Aufbaupraxen hinaus ist jedoch nicht immer eindeutig ersichtlich, welchen Schutz der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit durch die Verbindung der Grundrechte bietet. Die stetige Hervorhebung gleichheitsrechtlicher Aspekte legt die Annahme nahe, das Bundessozialgericht verleihe dem allgemeinen Gleichheitssatz als Inhalt des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit mehr Gewicht als der Berufsausübungsfreiheit. Daran anschließend stellt sich folglich die Frage, warum es einer Verknüpfung von Berufsfreiheit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf und ob nicht eine getrennte Prüfung beider Grundrechte den gleichen, wenn nicht sogar höheren Schutz für Vertragsärzte gewähren würde25.
II. Unterschied im Schutzumfang zwischen getrennter Grundrechtsprüfung und Grundrechtsverbindung? Die Frage, ob möglicherweise eine getrennte Prüfung der in Art. 12 Abs. 1 GG verankerten Berufsfreiheit und des in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegten allgemeinen Gleichheitssatzes den gleichen, wenn nicht sogar höheren Schutz des Vertragsarztes vor Eingriffen bzw. ungerechtfertigten Gleich- oder Ungleichbehandlungen durch Vergütungsverteilungsregelungen als der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit bietet, fordert einen Vergleich beider Varianten. Daher sind im Folgenden sowohl der jeweils einzelne Schutzumfang der beiden Grundrechte im vertragsärztlichen Vergütungssystem 24
Siehe dazu auch: Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 286 ff. 25 Vgl. auch Kritik bei: Axer, NZS 1995, S. 541; Reuther, VSSR 2003, S. 160 ff.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 148 ff., 155 f. Siehe auch ausführlicher zur Kritik am Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in diesem Abschnitt III., S. 294 ff.
252
F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
[1. und 2.] als auch die Verbindung beider Grundrechte und der sich daraus ergebende Schutz zu prüfen [3.].
1. Die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG a) Schutzumfang Der Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist in sachlicher Hinsicht einheitlich, bezieht sich auf alle Phasen beruflicher Betätigung und ist weit auszulegen26. Vom Schutzbereich umfasst ist ein Beruf, bei dem es sich um eine auf Dauer angelegte, auf den Erwerb gerichtete, selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit handelt, die der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft und die nicht schlechthin gemeinschaftsschädlich ist27. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss somit unter den Begriff des Berufs nach Art. 12 Abs. 1 GG fallen. Die Tätigkeit eines Vertragsarztes stellt eine besondere Ausübungsform des Berufs des frei praktizierenden Arztes dar28, denn die Tätigkeit eines Arztes ist als Ganzes zu sehen, womit von einem einheitlichen Berufsbild des Arztes auszugehen ist. Im Verhältnis zu einem nur in der privaten Krankenversicherung tätigen Arzt besteht zwar faktisch nicht aber rechtlich ein Unterschied in der Behandlung des Patienten. Der Vertragsarzt übt, wenn er zugleich Privatpatienten behandelt, weder zwei unterschiedliche Berufe aus noch wechselt er seinen Beruf, wenn er etwa auf die Vertragsarztzulassung verzichtet. Jedoch kann der Beruf des Vertragsarztes, anders als der des Privatarztes, nicht als ausschließlich freier Beruf eingestuft werden. Dem Vertragsarzt fehlt es insofern an der Freiheit, privatautonom einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Der Vertragsarzt ist jedoch auch nicht als Arbeitnehmer einzustufen, da es dafür schon an einem Pendant zum Arbeitgeber als Gläubiger des Dienstleistungs- und Schuldner des Lohnanspruchs fehlt. Überdies bekleidet der Vertragsarzt kein öffentliches Amt im Sinne des Art. 33 26 Die vier Teilgarantien des einheitlichen Berufsrechts sind die Berufswahlfreiheit, die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte, Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG, und die Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, vgl. Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 56; Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 63. Siehe auch grundlegend: BVerfGE 7, 377 (397, 402); 103, 172 (183); zuletzt etwa: BVerfG, NJW 2014, 613 (615); Jarass, in: ders./ Pieroth, GG, Art. 12 GG Rn. 5; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 12 GG Rn. 18, 40 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 GG Rn. 25, 28. 27 Grundlegend: BVerfGE 7, 377 (397); 102, 197 (212); 105, 252 (265); 111, 10 (28); zuletzt etwa: BVerfG, NJW 2014, 613 (614); Papier, in: v. Maydell/Ruland/Becker, SRH, § 3 Rn. 72; Schneider, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 113 Rn. 55; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 GG Rn. 28 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 GG Rn. 33 ff. 28 So grundlegend: BVerfGE 11, 30 (41) – Kassenarzt-Urteil. Siehe auch: BVerfGE 12, 144 (147); 33, 125 (161 ff.); 78, 155 (161 ff.); 103, 172 (192); zuletzt etwa: LSG Baden-Württemberg, NZS 2013, 501 (508).
II. Unterschied im Schutzumfang?
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Abs. 4, 5 GG. Zwar ist die Leistungserbringung in die staatliche Organisation des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden, jedoch hat der Staat in diesem Fall keine vollständige Personal- und Organisationshoheit und die vertragsärztliche Versorgung ist nicht in die staatliche Ämterorganisation einbezogen. Aufgrund der fehlenden Übernahme einer staatlichen Aufgabe durch den Vertragsarzt ist schließlich eine Beleihung des Vertragsarztes abzulehnen, da diese die Ausübung einer hoheitlichen Aufgabe durch einen Privaten voraussetzt29. Grundsätzlich umfasst die hier im Vordergrund stehende Berufsausübungsfreiheit30 die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort, ihren Inhalten, ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen und ihren Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten der beruflichen Tätigkeit und erstreckt sich somit auf eine Reihe von Einzelfreiheiten31. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet dem Einzelnen die Freiheit der Berufsausübung als Grundlage seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung32. Sie ist gerichtet auf die Schaffung einer materiellen Lebensgrundlage durch den Einsatz eigener Leistung; geschützt ist also die Freiheit zum Erwerb33. Dabei bildet die Entgeltlichkeit der Berufstätigkeit sowohl die Substanz, als auch den Zweckzusammenhang der Freiheitsgarantie und stellt folglich ein Kernelement des Schutzbereiches der Berufsausübungsfreiheit dar34. Mithin ist die Freiheit, einen Beruf auszuüben, untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine Vergütung für die berufliche Leistung zu fordern35. Der Anbieter einer Leistung hat die Freiheit, den Preis dafür 29
Ausführlich zu den möglichen Einstufungen vertragsärztlicher Tätigkeit: Boecken, in: Empter/Sodan, Markt und Regulierung, S. 140 ff.; Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 46 ff.; Herweck-Behnsen, NZS 1995, S. 212; Höftmann, Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner rechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik, S. 154 ff.; Isensee, VSSR 1995, S. 330 ff.; ders., Kassenarztmonopol und nichtärztliche Leistungserbringer, S. 38 ff.; Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 67 ff.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 120 ff.; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 94 ff.; ders., in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 13 Rn. 5 ff.; Weiß, NZS 2005, S. 69 ff.; Wimmer, MedR 1998, S. 535; ders., MedR 2001, S. 362. 30 Eingriffe in die Berufswahl werden nach Ansicht des BVerfG nur dann angenommen, wenn sie den Kernbereich der vertragsärztlichen Tätigkeit berühren, vgl. SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 2 Rn. 22; SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 16 Rn. 13. 31 Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 GG Rn. 79; Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 66. 32 BVerfGE 54, 301 (313); 75, 284 (292); BVerfG, NJW 2006, 495. 33 Vgl. etwa: BVerfGE 30, 292 (335); 81, 70 (96); 88, 366 (377); Breuer, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 130; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 12 GG Rn. 161. 34 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 136. 35 BVerfGE 88, 145 (159); Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 259; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 136; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Kran-
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selbst festzusetzen36 oder mit dem Interessenten auszuhandeln37. Dabei gelangen Angebot und Nachfrage in einen Ausgleich durch privatautonom ausgehandelte Leistung und Gegenleistung. Die Anerkennung von Privatautonomie in Ausgestaltung von Abschluss- und Gestaltungsfreiheit ist folglich eines der Grundelemente des freien Marktes38. Eng damit verbunden ist die vom Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasste Wettbewerbsfreiheit39. Die Reichweite des Schutzes wird dabei durch die staatlichen Regelungen mitbestimmt, welche den Wettbewerb einerseits ermöglichen, andererseits begrenzen. Folglich ist die Teilhabe am Wettbewerb geschützt, nicht aber ein grundrechtlicher Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen gleich bleiben40. Darüber hinaus umfasst der Schutz der Wettbewerbsfreiheit keinen Schutz vor Misserfolg im Wettbewerb, vielmehr unterliegen die Position im Wettbewerb und damit auch der Umsatz und die Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach Marktverhältnissen41. b) Besonderheiten im Vertragsarztrecht aa) Staatliche Vergütungsregelungen Im Vergütungssystem des Vertragsarztrechts ist sowohl die grundsätzlich von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie als auch die vom Schutzbereich
kenversicherung, S. 291; ders., in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 66. Vgl. auch: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 86. 36 BVerfGE 106, 275 (299). Vgl. auch: Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 89; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 GG Rn. 132. 37 BVerfGE 101, 331 (347); 117, 163 (181); 121, 317 (345); BVerfG, NVwZ 2012, 694 (697 f.). Vgl. auch: Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 586. 38 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 137 f. Ausführlich zur Vertragsfreiheit, vgl. Brenner, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 115 Rn. 28 ff. 39 Vgl. etwa: BVerfGE 106, 275 (298 f.); 116, 135 (151 f.); Ruffert, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 12 GG Rn. 159; Schneider, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 113 Rn. 18; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 GG Rn. 88, 144. Siehe auch: Banafsche, Das Recht der Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe zwischen Korporatismus und Wettbewerb, S. 197 f. Zur Wettbewerbsfreiheit als tatbestandliche Gewährleistung von Art. 12 Abs. 1 GG, vgl. Krogull, Wettbewerbsstrukturen im Selbstverwaltungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 127 ff. Ausführlich zur Wettbewerbsfreiheit, vgl. Brenner, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 115 Rn. 1 ff. 40 BVerfGE 105, 252 (265); 106, 275 (298); BVerfG, SozR 4 – 2500 § 130a Nr. 7 Rn. 11; BVerfG, NVwZ 2012, 694 (697). Vgl. auch: Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 12 GG Rn. 20. 41 BVerfGE 105, 252 (265); 106, 275 (298 f.); 116, 135 (152). Vgl. auch: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 88; Penner, Leistungserbringerwettbewerb in einer sozialen Krankenversicherung, S. 530.
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umfasste Wettbewerbsfreiheit in weiten Teilen eingeschränkt42. Das Vertragsarztrecht ist nicht auf der Leistungsseite – dort gilt der privatrechtliche Arztvertrag nach § 630a Abs. 1 BGB – aber auf Seiten der Gegenleistung öffentlich-rechtlich ausgestaltet und reglementiert43. Das gesamte System der gesetzlichen Krankenversicherung – und somit auch das vertragsärztliche Vergütungsrecht – ist im Wesentlichen so ausgestaltet, dass es nicht durch freie Marktkräfte gesteuert wird44. Preise für Leistungen und Güter sind gerade nicht Gegenstand freien Aushandelns oder eigenständiger Festsetzung45. Die Preise für ambulante ärztliche Behandlungen werden vielmehr durch staatliche gesetzliche und untergesetzliche Vergütungs- bzw. Preisregelungen festgesetzt46. Mit der Zulassung als Vertragsarzt werden diese Vergütungsregelungen für jeden Vertragsarzt verbindlich und eine privatautonome Gestaltung der Vergütung wird ausgeschlossen47. bb) Pflicht zur Behandlungsübernahme Nicht nur die preisliche Gestaltungsfreiheit als Teil der von der Berufsfreiheit geschützten Privatautonomie, sondern auch die privatautonome Abschlussfreiheit ist im Vertragsarztrecht eingeschränkt48. Die Übernahme der Behandlung eines Patienten ist gesetzlich im Rahmen des Sicherstellungsauftrags nach § 75 Abs. 1 SGB V und des Versorgungsauftrags nach § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V festgeschrieben. Durch die Behandlungspflicht wird die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit, ob ein Vertragsarzt einen Versicherten behandeln will, eingeschränkt. Schließlich korrespondiert mit der gesetzlichen Teilnahmeberechtigung an der vertragsärztlichen Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung die Verpflichtung zur Versorgung aller gesetzlich Krankenversicherten49. Insbesondere dürfen Behandlungsleistungen nicht deshalb abgelehnt oder abgebrochen werden, weil sich der
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Siehe auch: BVerfG, NJW 2001, 1779 (1780); Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 139 ff. Ausführlich zur Wettbewerbsfreiheit im Sozialwirtschaftsrecht, vgl. Rixen, GewArch Beilage WiVerw Nr. 04/2011, S. 219 ff. 43 Vgl. etwa: Steiner, in: Spickhoff, Medizinrecht, Art. 12 GG Rn. 3. 44 BVerfG, NJW 2001, 1779 (1780). Vgl. auch: Huster, VSSR 2011, S. 188 f. 45 BVerfG, NJW 2001, 1779 (1780); BSGE 94, 50 (98 f.); 103, 172 (185 f.). Siehe auch: Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 242 ff.; Link/de Wall, VSSR 2001, S. 72; Neumann, in: Igl, Das Gesundheitswesen in der Wettbewerbsordnung, S. 105; Penner, Leistungserbringerwettbewerb in einer sozialen Krankenversicherung, S. 530; Schneider, SGb 2004, S. 146; Weiß, NZS 2005, S. 74; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 7 Rn. 2. 46 Vgl. §§ 87 ff. SGB V. 47 Vgl. etwa: Isensee, VSSR 1995, S. 339 f.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 139. 48 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 140. 49 Vgl. etwa: Hannes, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 95 SGB V Rn. 134.
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Vertragsarzt auf eine vermeintlich oder tatsächlich unzureichende Honorierung beruft50. cc) Eingeschränkte Wettbewerbsfreiheit Darüber hinaus ist auch die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit im Vertragsarztrecht vor allem im Hinblick auf die zu erwartende Vergütung anders ausgestaltet51. Ein Vertragsarzt steht im freien Wettbewerb mit seinen Berufskollegen, die im gleichen Gebiet einer Kassenärztlichen Vereinigung niedergelassen sind und der gleichen Fachgruppe angehören52. Gegenstand des Wettbewerbs ist die tatsächliche Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Leistungen durch die Versicherten, die nach § 76 Abs. 1 S. 1 SGB V in ihrer Arztwahl frei sind. Die Besonderheit des Wettbewerbs im Vertragsarztrecht ergibt sich allerdings aus dem mit dem Wettbewerb um die Inanspruchnahme von Versicherten untrennbar zusammenhängenden Wettbewerb um die überwiegend der Menge nach begrenzte Gesamtvergütung, die es an die Vertragsärzte entsprechend ihrer erbrachten Leistungen zu verteilen gilt53, sog. quantitative Konkurrenz54. Das bedeutet, es gibt im vertragsärztlichen Vergütungssystem keinen klassischen Preiswettbewerb zwischen den Vertragsärzten55, sondern es besteht ein Wettbewerb darum, möglichst viele Versicherte zu behandeln, um damit einen möglichst großen Anteil an der begrenzten Gesamtvergütung zu erhalten. Denn je größer der Anteil des einen Vertragsarztes an dem der Höhe nach beschränkten Gegenstand des Wettbewerbs ist, desto geringer ist der Anteil für die übrigen Vertragsärzte.
50 BSGE 88, 20 (24 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 75 Nr. 9 Rn. 44; Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 24 Rn. 10; Hannes, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 95 SGB V Rn. 134. In Ausnahmefällen darf der Vertragsarzt die Behandlung verweigern, etwa wenn die elektronische Gesundheitskarte nicht vorgezeigt wird, vgl. § 13 Abs. 7 S. 1 BMV, außerhalb der Praxiszeiten, vgl. § 17 Abs. 4 BMV, oder in sonstigen begründeten Fällen, vgl. § 13 Abs. 7 S. 3 BMV. Der Bundesmantelvertrag-Ärzte ist abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/BMV_ Aerzte.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). Zu einem Recht des Vertragsarztes, unrentable Leistungen zu verweigern, vgl. Wimmer, NZS 2000, S. 588 ff. 51 Vgl. dazu auch: Grzeszick, Wohlfahrt zwischen Staat und Markt, S. 53. 52 Vgl. BVerfG, NJW 2005, 273 f.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 144. 53 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 126. Vgl. zum Grundsatz der Leistungsproportionalität bereits im Abschnitt D. III. 1., S. 206 ff., insbesondere Nachweise in Abschnitt D., Fn. 93. Zu den Wechselwirkungen zwischen Leistungserbringer- und Sozialfinanzrecht, vgl. Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 60 ff. Kritisch dazu allerdings: Weiß, NZS 2005, S. 73, der ausführt, der Wettbewerb könne sich nur um die Leistung entfalten, nicht aber um deren Kosten. 54 BVerfG, NJW 2005, 273 (274). 55 Neumann, in: Igl, Das Gesundheitswesen in der Wettbewerbsordnung, S. 105.
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c) Anforderungen der Berufsfreiheit an das vertragsärztliche Vergütungssystem Die aufgezeigten berufsspezifischen Besonderheiten im Vertragsarztrecht beschränken den Schutzbereich der Berufsfreiheit des Vertragsarztes56. Insbesondere in Bezug auf die nicht vorhandene Preisfreiheit und die eingeschränkte Wettbewerbsfreiheit stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtfertigung dieser Einschränkungen möglich ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist es erforderlich, die Anforderungen, mit denen Eingriffe in die Berufsfreiheit des Vertragsarztes gerechtfertigt werden können, zu bestimmen. Bei dieser Bestimmung steht die Überlegung im Vordergrund, dem Vertragsarzt als Ausgleich für den durch die Beschränkung erlittenen Verlust ein angemessenes Äquivalent zu gewährleisten57. aa) Anspruch auf angemessene Vergütung als Äquivalent zur Preisfreiheit (1) Verfassungsrechtlich gewährter Anspruch auf angemessene Vergütung Art. 12 Abs. 1 GG schützt vor staatlichen Preisregelungen, die im Sinne der sog. Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts58 Berufsausübungsregelungen darstellen59. Im Vertragsarztrecht finden Preisregulierungen für ärztliche Behandlungsleistungen durch parlamentsgesetzliche Regelungen des SGB V, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab, die Honorarverteilungsmaßstäbe, die regionalen Euro-
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Zu den Vergütungsregelungen als Eingriff in die Berufsfreiheit, vgl. Link/de Wall, VSSR 2001, S. 71 ff. 57 Vgl. Isensee, VSSR 1995, S. 339 f. Siehe auch: BVerfGE 54, 251 (271); Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 260; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 158 ff.; Schneider, SGb 2004, S. 148; Wimmer, MedR 1998, S. 535. 58 Grundlegend: BVerfGE 7, 377 (405 ff.). Vgl. auch: Epping, Grundrechte, Kapitel 8 Rn. 409 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 12 GG Rn. 33 ff.; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 GG Rn. 125 ff.; Schneider, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 113 Rn. 145 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 GG Rn. 26, 335 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 GG Rn. 92 ff. 59 BVerfGE 33, 171 (185); 68, 193 (218); 70, 1 (28); 83, 1 (15); BVerfG, NZS 2001, 486 (487); BVerfG, NVwZ-RR 2002, 802; BVerfG, SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 2 Rn. 22. Vgl. auch: Axer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 95 Rn. 31; Isensee, VSSR 1995, S. 334 f.; Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 148; Link/de Wall, VSSR 2001, S. 86 f.; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 GG Rn. 186; Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 4 Rn. 79; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 291.
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Gebührenordnungen und schließlich durch den Honorarbescheid statt, der den konkreten Vergütungsanspruch festsetzt60. In Fällen außerhalb des Vertragsarztrechts, in denen ebenso die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Preisgestaltungsfreiheit durch staatliche Preisregelungen eingeschränkt wurde61, hat das Bundesverfassungsgericht den betroffenen Berufsgruppen – als ausgleichendes Äquivalent – zumindest einen Anspruch auf angemessene Vergütung zugesprochen62. Diese Fälle betrafen etwa Strafverteidiger, deren Annahme von „Strafverteidigerhonorar“ aufgrund besonderer Regelungen im StGB zur Strafbarkeit führte63, Rechtsanwälte, deren Rahmengebühren für sozialrechtliche Verfahren durch Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung begrenzt wurden64, Konkursverwalter, deren Vergütung durch Regelungen der Konkursordnung teilweise oder ganz beschränkt wurden65, oder Berufsvormunde, denen bei Mittellosigkeit des Mündels nach dem BGB kein staatliches Entgelt zugestanden wurde66. Das Bundesverfassungsgericht führte dazu aus, die Freiheit, einen Beruf auszuüben, sei untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern67. Vergütungsregelungen seien nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhten, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge68. Die Grenze der Zumutbarkeit wird vom Bundesverfassungsgericht dort gesehen, wo unangemessen niedrige Einkünfte gewährt würden und wo auf der Grundlage der bestehenden Vergütungsregelungen eine wirtschaftliche Existenz generell nicht möglich sei69. Diese Entscheidungen zeigen, dass gleichermaßen im Vertragsarztrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Anspruch der Vertragsärzte auf eine angemessene Vergütung folgen muss, ihnen somit ein angemessenes Minimum an Vergütung zu gewähr60
Vgl. Reuther, VSSR 2003, S. 159. Staatliche Preisregelungen stellen Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit dar, vgl. etwa: BVerfGE 47, 285 (321); 68, 193 (216); 83, 1 (16); 88, 145 (158); 101, 331 (347); 110, 226 (253 f.). 62 BVerfGE 54, 251 (271); 83, 1 (14); 88, 145 (159); 110, 226 (251). Zur Vergütung von Hospizen, vgl. Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 259. Vgl. auch: Wimmer, MedR 1998, S. 534. 63 BVerfGE 110, 226 ff. Siehe dazu auch: Fischer, NStZ 2004, S. 473 ff.; v. Galen, NJW 2004, S. 3304 ff. 64 BVerfGE 83, 1 ff. Siehe dazu auch: v. Eicken, SGb 1991, S. 295 ff. 65 BVerfGE 88, 145 ff. Siehe dazu auch: Pape, EWiR 1993, S. 701 f.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 161 ff. 66 BVerfGE 54, 251 ff. Siehe dazu auch: Bobenhausen, RPfleger 1985, S. 426 ff.; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 161 ff. 67 BVerfGE 88, 145 (159). Vgl. auch: Isensee, VSSR 1995, S. 342, dort insbesondere Fn. 76; Wimmer, MedR 1998, S. 534. 68 Siehe auch: Wimmer, MedR 1998, S. 534. 69 BVerfG, NJW 2005, 1036 (1037). Vgl. auch: BVerfGE 101, 331 (350 ff.); Axer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 95 Rn. 28. 61
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leisten ist70. Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei einem Vertragsarzt – ebenso wie etwa bei einem Strafverteidiger, Konkursverwalter oder Berufsvormund – um einen Marktteilnehmer handelt, dessen angebotene Leistungen überwiegend einem öffentlichen Interesse dienen71. Aufgrund dessen wird im Vertragsarztrecht – wie in den Fällen, die das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte – das Honorar durch staatliche Preisregelungen festgesetzt und damit in die Berufsausübungsfreiheit der Vertragsärzte eingegriffen72. Zwar ist dieser Eingriff aus Gründen des Gemeinwohls – etwa der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung – gerechtfertigt, jedoch stellt das Honorar eines Vertragsarztes aus der Tätigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung – im Verhältnis zu Einkünften aus privatärztlicher Tätigkeit – den Großteil seiner Einkünfte dar, sodass ihm ein Ausweichen auf eine andere wirtschaftliche Einnahmequelle grundsätzlich nicht möglich ist73. (2) Umfang der Angemessenheit Mit der Annahme eines durch das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zu gewährenden Anspruchs auf angemessene Vergütung74 kommt untrennbar die Frage auf, in welchem Umfang eine angemessene Vergütung zu gewährleisten ist. Problematisch ist dabei, den ausfüllungsbedürftigen Begriff75 der Angemessenheit näher zu konkretisieren. Grundsätzlich zuzustimmen ist dem Ansatz, den Wert einer einzelnen Leistung eines Vertragsarztes als Ausgangsgröße für die Angemessenheit zugrunde zu legen und im Ergebnis zu fordern, dass die Summe aller einzelnen
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So etwa auch: Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 265; Föllmer, Palliativversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 259; Hesral, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 72 SGB V Rn. 55; Huster, VSSR 2011, S. 191; Isensee, VSSR 1995, S. 347; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 149; Sodan, GesR 2004, S. 307; Sodan/Gast, NZS 1998, S. 503 f.; Weiß, NZS 2005, S. 74; Wimmer, MedR 1998, S. 534; ders., NZS 1999, S. 480; ders., MedR 2001, S. 361. Vgl. auch: Hufen, in: Sodan, Finanzielle Stabilität der Krankenversicherung, S. 32; ders., NJW 2004, S. 15. Einen Anspruch verneinend: Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar, § 72 SGB V Rn. 21a. 71 Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 161 ff. 72 Isensee, VSSR 1995, S. 342, spricht etwa von „sozialrechtlichem Treibhaus“ statt einer „marktwirtschaftlichen Freikultur“. Vgl. auch: Pabst, MedR 2015, S. 653; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 163 ff. 73 Vgl. Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 163 ff. 74 Zu einem parlamentsgesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung aus § 72 Abs. 2 SGB V, vgl. bereits Nachweise in Abschnitt D., Fn. 129. 75 Vgl. Isensee, VSSR 1995, S. 322 f.; Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 44; Link/de Wall, VSSR 2001, S. 81; Schneider, SGb 2004, S. 148. Siehe dazu auch: Ebsen, in: Geis, FS Hufen, S. 15; Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen Schiedswesens, S. 217 ff.
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Leistungen eines Vertragsarztes durch das Honorar abzugelten ist76. Nach diesem Ansatz sei nicht auf den jeweiligen Einzelfall eines Vertragsarztes mit seiner Praxis abzustellen; um die Angemessenheit der Vergütung einfacher bestimmen zu können, sei vielmehr der Durchschnittsfall eines Vertragsarztes mit einer durchschnittlichen Praxis heranzuziehen. Der Durchschnittsfall habe sich an einer ausgelasteten, dem Stand der Medizin entsprechenden und wirtschaftlich betriebenen Praxis zu orientieren. Anknüpfungspunkt der Angemessenheit vertragsärztlicher Vergütung sei überdies nicht lediglich die Kostendeckung, sondern darüber hinaus müsse dem Vertragsarzt die Möglichkeit zum Gewinn offen bleiben77. Diesem Ansatz wird der zum Teil berechtigte Einwand entgegen gebracht, die zur Bestimmung des Durchschnittsfalls herangezogenen Kriterien der Auslastung, der Wirtschaftlichkeit und des Gewinns seien wertungsabhängig und führten zu keinem genauen verfassungsrechtlichen Maßstab78. Aufgrund dieser Kritik ist zumindest hinsichtlich der Bezugsgröße eine Modifikation des grundsätzlich überzeugenden Ansatzes zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung vorzunehmen: Die Betrachtung des „Durchschnitts“ ist nicht auf die Vergütungssumme aller einzelnen Leistungen einer durchschnittlichen Praxis generell zu richten, sondern als Bezugsgröße ist auf die durchschnittliche Vergütungssumme einer Vergleichsgruppe abzustellen. Anknüpfungspunkt ist dabei noch immer die durchschnittliche Vergütungssumme aller erbrachten einzelnen Leistungen, nun jedoch mit der Modifikation, dass der Vergütungsdurchschnitt einer Vergleichsgruppe maßgeblich ist. Voraussetzung für diesen Vergleich ist allerdings, dass Vergütungsangaben zur Vergleichsberechnung in einem vergleichbaren Zeitraum zur Verfügung stehen. Als Vergleichsgruppe kommt beispielsweise die gleiche Facharztgruppe im gleichen Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung in Betracht. Dann muss einem Vertragsarzt, der einer bestimmten Facharztgruppe angehört, der durchschnittliche Umsatz der im gleichen Bezirk seiner Kassenärztlichen Vereinigung tätigen Kollegen der gleichen Facharztgruppe ermöglicht werden, sofern für diese Facharztgruppe Daten in einem vergleichbaren Vergütungszeitraum zur Verfügung stehen79. 76 Isensee, VSSR 1995, S. 341; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 167 ff.; Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen Schiedswesens, S. 223. 77 Vgl. Isensee, VSSR 1995, S. 341; Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 167 ff.; Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen Schiedswesens, S. 223. 78 BSGE 94, 50 (107 f.). 79 Beispiele zur Bildung von Vergleichsgruppen bei der Überprüfung von Honorarregelungen, vgl. etwa: BSG, Urt. v. 31. 01. 2001 – B 6 KA 13/00 R; BSGE 92, 87 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 34; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36; BSGE 100, 254 ff.; BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 66; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75. Siehe auch zur Vergleichsgruppenbildung bei der Überprüfung von Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungsund Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 88 ff.
II. Unterschied im Schutzumfang?
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Wenn für eine Facharztgruppe über einen nicht unerheblichen Zeitraum dieser Durchschnitt aufgrund von staatlichen Vergütungsregelungen nicht zu erreichen ist, kann von einer angemessenen Vergütung nicht mehr gesprochen werden und folglich wäre ein entsprechender Anspruch zu gewährleisten80. Somit bleibt der ursprüngliche Ansatz zur Ausfüllung des Angemessenheitsbegriffs im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG insoweit erhalten, als dass weiterhin ein am Durchschnitt ausgerichteter Mindeststandard zu gewährleisten ist81 und überdies dem Vertragsarzt die Möglichkeit verbleiben muss, Gewinne aus seiner Tätigkeit zu erzielen82. Ist dem Vertragsarzt die erste Komponente – der Durchschnittsverdienst der Vergleichsgruppe im gleichen Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung in einem vergleichbaren Vergütungszeitraum und somit das Minimum an Angemessenheit – ermöglicht83, geht damit regelmäßig auch das ebenfalls für die Angemessenheit erforderliche Gewinnpotential einher84. Denn wer die Möglichkeit hat, den durchschnittlichen Umsatz einer Praxis der Vergleichsgruppe zu erreichen, dem ist durch die Bewertungen der einzelnen Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab und durch die Berechnung des Orientierungswertes die Chance eröffnet, einen Gewinn zu erzielen. Der ärztliche Teil einer Leistungsbewertung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab knüpft im Wege des Opportunitätsprinzips an die Vergütung eines Oberarztes im Krankenhaus an und rechnet diese zur Einpreisung des höheren Zeitaufwands eines niedergelassenen Vertragsarztes auf 51 Stunden die Woche hoch85. Daneben erfolgt die Anpassung des ärztlichen Lohnes durch die jährliche Anpassung des Orientierungswertes, welcher als Grundlage für die regionalen Punktwerte herangezogen wird86. Durch die Multiplikation der regionalen Punktwerte mit den Leistungsbewertungen der einzelnen Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes wird ein Gewinn mit jeder einzelnen Leistung möglich, da deren Berechnungsgrundlagen gerade über das Prinzip der Kostendeckung hinaus bestimmt werden. Im Ergebnis kann demnach nur aus der Kombination der möglichen Erreichung des Durchschnitts der Vergleichsgruppe und der gewinnbringenden Berechnung jeder einzelnen Leistungsvergütung in der Summe eine angemessene Vergütung bestehen. 80
Siehe dazu auch: Wenner, GesR 2009, S. 512. Vgl. bereits: BVerfGE 33, 171 (188). Siehe auch: Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 4 Rn. 81; Wimmer, MedR 1998, S. 534 f. 82 Vgl. dazu: Clemens, MedR 1998, S. 265; Ludwig, Die Vergütung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage von „Sozialtarifen“ in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 35; Wimmer, MedR 1998, S. 535. 83 Eine „Untergrenze“ entnimmt dem Begriff der Angemessenheit auch: Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 45. 84 Vgl. Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 173 f. 85 Siehe dazu ausführlich bereits im Abschnitt B. I. 2. a) bb) (2), S. 68 ff. 86 Siehe dazu ausführlich bereits im Abschnitt B. III. 2. a) bb) (1), S. 137 ff. 81
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Die Angemessenheit ist folglich nicht am Maßstab der Kostendeckung, sondern am Vergleich mit dem Durchschnitt zu ermitteln87. Diesen Gedanken führt auch das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung zu sog. Aufbaupraxen oder sonstigen unterdurchschnittlichen Praxen aus. Danach müssten umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Dem Vertragsarzt müsse – wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog. Honorarverteilungsgerechtigkeit – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Daher sei allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerungen jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen88. Ähnlich argumentiert das Bundessozialgericht hinsichtlich einer Punktwertstützung für zeitabhängige psychotherapeutische Leistungen, wenn es ausführt, ein in einer voll ausgelasteten Praxis unter vollem Einsatz seiner Arbeitskraft tätiger Psychotherapeut müsse die Chance haben, einen Überschuss aus seiner vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu erzielen, der demjenigen anderer Arztgruppen entspreche89. Dem entspricht die Überlegung des Bundessozialgerichts, gerade dann einen Anspruch auf angemessene Vergütung zu bejahen, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist90. Damit dient die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur als Rechtfertigungsgrund91, sondern auch als Grenze für Eingriffe in die Berufsfreiheit92 und damit als Mindestanforderung für eine Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit der Vertragsärzte. 87
Siehe etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 66 Rn. 28. Zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. Vgl. auch bereits Nachweise in Abschnitt E., Fn. 82, 23. 89 BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 10. Vgl. auch: BSGE 100, 254 (274 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20. Zu einer Art „Obergrenze“ der Chancen psychotherapeutischer Leistungserbringer äußerte sich das BSG in einem Urteil vom 25. 03. 2015, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 82 Rn. 23: „Die Garantie eines Mindestpunktwerts für den quantitativ wichtigsten Teil des Leistungsspektrums stellt die Psychotherapeuten besser als alle anderen Arztgruppen, ist aber auch notwendig, damit eine voll ausgelastete psychotherapeutische Praxis die Chance hat, anderen Arztgruppen vergleichbare Erträge aus der vertragsärztlichen Tätigkeit zu erzielen. Zu diesem Zweck ist die Garantie des Mindestpunktwertes für die Leistungen bis zur typisierend ermittelten Vollauslastungsgrenze notwendig, aber auch ausreichend.“ 90 BSGE 94, 50 (105). Vgl. auch: BSGE 93, 258 (265 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 61 Rn. 20, 27. Vgl. auch bereits Nachweise in Abschnitt D., Fn. 168. Siehe auch: Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 45 f.; Reuter/Weinrich, MedR 2013, S. 587. 91 Vgl. dazu bereits im Abschnitt D. IV. 2., S. 222 f. 92 Gaier, in: Hohmann-Dennhardt/Masuch/Villiger, FS Jaeger, S. 426 f., 431. 88
II. Unterschied im Schutzumfang?
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bb) Herstellung gleicher Ausgangslagen als Äquivalent zur Wettbewerbsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG schützt vor staatlichen Regelungen, welche die Teilhabe am Wettbewerb einschränken. Der Wettbewerb als solcher umfasst in seinem Kern mindestens zwei gleichgestellte Personen, die um eine Sache, einen Markt, ein Publikum etc. im Wettbewerb zueinander stehen93. Somit umfasst der Schutz der Berufsfreiheit für den Vertragsarzt neben dem grundsätzlich vertikalen Verhältnis des Vertragsarztes zur Kassenärztlichen Vereinigung auch das horizontale Verhältnis zwischen den einzelnen Wettbewerbern am Markt, also das Verhältnis der Vertragsärzte, die zueinander im Wettbewerb stehen94. Im Verhältnis der Vertragsärzte zueinander besteht im Vergleich zum freien Wettbewerb in anderen Bereichen der Wirtschaftsordnung hinsichtlich des unternehmerischen Risikos einer voll ausgelasteten Praxis und der Inanspruchnahme durch die Versicherten kein grundlegender Unterschied, denn dieses Risiko trägt jeder Vertragsarzt selbst95. Unterschiede bestehen jedoch durch die Besonderheit, dass Vertragsärzte auf der Grundlage staatlicher Regelungen vergütet werden. Denn dadurch kann es – zumeist vom Gesetzgeber nicht intendiert – zu Situationen kommen, in denen die Freiheit des Wettbewerbs nicht für jeden Teilnehmer gleich gewährleistet ist96. Daher ist es unabdingbare Voraussetzung für die Wettbewerbsfreiheit, dass allen Vertragsärzten einer vergleichbaren Gruppe – etwa einer Facharztgruppe – gleiche Ausgangsmöglichkeiten geboten werden97, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein und anschließend die Möglichkeit zu erlangen, ihre Position im Wettbewerb eigenständig beeinflussen zu können. Ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG läge mithin dann vor, wenn ein Vertragsarzt deshalb keinen gleichwertigen Konkurrenten im Verhältnis zu den regional und fachlich vergleichbaren Vertragsärzten darstellt, weil staatliche Vergütungsregelungen ihm diese Möglichkeit entweder nicht einräumen oder aktiv beschränken. 93 Siehe zum Wettbewerbsprinzip: Grzeszick, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 78 Rn. 9 ff. 94 Siehe auch: Isensee, VSSR 1995, S. 326 f.; Penner, Leistungserbringerwettbewerb in einer sozialen Krankenversicherung, S. 538; Wimmer, MedR 1998, S. 534. 95 So etwa: BSGE 75, 187 (188 f.); 77, 288 (292 f.); 89, 1 (9 f.); 92, 87 (93 f.); 94, 50 (107); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 39 Rn. 27. 96 Siehe dazu etwa die Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, vgl. BT-Drs. 18/4095, S. 2, 51, 54, 60, 93, in der u. a. die „Honorargerechtigkeit zwischen den und innerhalb der Arztgruppen“ und der „Abbau unbegründeter Unterschiede in den Gesamtvergütungen“ als gesetzgeberische Ziele genannt werden. 97 Ausführlich zur Zuordnung der Chancengleichheit als Teil der Wettbewerbsfreiheit, vgl. Achatz, Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb, S. 98 ff. m.w.N. Siehe auch: Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 512 ff.; Penner, Leistungserbringerwettbewerb in einer sozialen Krankenversicherung, S. 529 ff.; Schnapp, in: ders./Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 4 Rn. 60. Vgl. zur Überschneidung von Freiheits- und Gleichheitsrechten etwa: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 60 ff., insbesondere Rn. 63 a.E.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 200 ff.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Schließlich erfordert nicht nur ein regulärer Wirtschaftsmarkt die staatliche Wettbewerbsgleichstellung von Konkurrenten, sondern insbesondere die Situation der überwiegend begrenzten Gesamtvergütung, die mittelbar Gegenstand des Wettbewerbs im Vertragsarztrecht ist, fordert gleiche Ausgangsmöglichkeiten als Ausprägung der Wettbewerbsfreiheit98. Schafft der Staat also ein System, indem der reguläre Wettbewerb dadurch verstärkt wird, dass jedes Mehr an Vergütung des einen automatisch ein Weniger des anderen nach sich zieht, muss er dafür Sorge tragen, dass als Äquivalent gleiche Ausgangsmöglichkeiten bestehen99. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn es sich bei dem Wettbewerbsgegenstand um den wesentlichen Teil der Vergütung eines Vertragsarztes handelt. In diesem Sinne argumentiert das Bundessozialgericht, wenn es etwa im Fall von Aufbaupraxen, denen nach ihrer Gründung durch vertragsärztliche Vergütungsregelungen in einem bestimmten Zeitraum die Möglichkeit zum Wachstum bis zum Durchschnitt der jeweiligen Facharztgruppe gewährleistet werden soll, ausführt, dem Vertragsarzt müsse – wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog. Honorarverteilungsgerechtigkeit – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern100. d) Zwischenergebnis Durch das vertragsärztliche Vergütungsrecht wird die Berufsfreiheit der Vertragsärzte beschränkt. Diesbezügliche Beschränkungen sind allerdings nur dann verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn dem Vertragsarzt zum einen als Äquivalent zur beschränkten Preisfreiheit ein Anspruch auf angemessene Vergütung gewährleistet wird, dessen Umfang sich am Durchschnitt der jeweiligen Vergleichsgruppe orientiert und der die Möglichkeit beinhaltet, Gewinne zu erwirtschaften. Zum anderen sind als Äquivalent zur eingeschränkten Wettbewerbsfreiheit gleiche Ausgangsmöglichkeiten für vergleichbare Vertragsärzte zu gewährleisten, um ihnen im Anschluss die Gelegenheit zu geben, ihre Positionen im Wettbewerb selbstständig beeinflussen zu können.
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Siehe etwa: Michael, JZ 2008, S. 882, der von der „Gewährleistung gleicher Freiheit“ und von „Wettbewerbsgleichheit als wirtschaftlicher Belastungsgerechtigkeit“ spricht. 99 Vgl. bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 57. 100 Zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. Vgl. auch bereits Nachweise in Abschnitt E., Fn. 82, und in diesem Abschnitt, Fn. 23.
II. Unterschied im Schutzumfang?
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2. Der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG a) Schutzumfang Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt grundsätzlich, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln101. Folglich darf tatbestandlich wesentlich Gleiches auf Rechtsfolgenseite nicht ungleich behandelt werden102. Die Bestimmung dessen, was „wesentlich gleich“ ist, erfolgt anhand der Bildung von Vergleichsgruppen, indem ein gemeinsamer Oberbegriff gebildet wird103. Die Ungleichbehandlung wird sodann anhand eines Unterscheidungsmerkmals, dem Differenzierungskriterium104, festgestellt. Umgekehrt darf grundsätzlich tatbestandlich wesentlich Ungleiches rechtlich nicht gleich behandelt werden105. Der Gesetzgeber ist dabei nicht unter allen Umständen zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten verpflichtet. Entscheidend ist vielmehr, ob nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass sie nicht unberücksichtigt bleiben dürfen106. Mithin enthält der allgemeine Gleichheitssatz sowohl ein Differenzierungsverbot als auch ein Differenzierungsgebot107.
101 BVerfGE 1, 14 (52); 4, 144 (155); 78, 104 (121); 98, 365 (385); 112, 268 (279); 116, 164 (180); 117, 1 (30); 130, 52 (65 f.); 240 (252); 131, 239 (255); zuletzt etwa: BVerfG, NJW 2015, 303 (306). Vgl. etwa: Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 109. Zur Abstraktion der menschlich gegebenen Ungleichheit, vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 1 ff. 102 Epping, Grundrechte, Kapitel 16 Rn. 778 ff.; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 3 GG Rn. 15; Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 110. 103 Sog. tertium comparationis. Allgemein dazu, vgl. Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 GG Rn. 19, 24; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 3 GG Rn. 15.2; Osterloh/ Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 1. Zur ärztlichen Leistung als tertium comparationis der Verteilung, vgl. Reuther, VSSR 2003, S. 163 ff. 104 Sog. differentia specifica. Vgl. dazu: Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 GG Rn. 24; Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band XII, § 264 Rn. 9. 105 Epping, Grundrechte, Kapitel 16 Rn. 787; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 3 GG Rn. 15; Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 111. 106 BVerfGE 86, 81 (87). Vgl. auch: BVerfGE 1, 264 (275 f.); 90, 226 (239); BVerfG, NZS 2011, 539 (540); Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 111. Zur am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise, vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 21 ff. 107 Vgl. etwa: BVerfGE 9, 124 (129 f.); 52, 256 (263); Epping, Grundrechte, Kapitel 16 Rn. 787. Vgl. ausführlich zu Differenzierungsverboten und -geboten: Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 16 ff.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem vor, stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung108. Zu Beginn seiner Rechtsprechung war das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, „der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss“109. Mit dieser sog. Willkürformel110 hatte das Bundesverfassungsgericht einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt, da es nur die Einhaltung äußerster Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit nachprüfen könne, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe111. Verschärftere Rechtfertigungsanforderungen im Sinne einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichteten sog. neuen Formel verwendet das Bundesverfassungsgericht seit dem Beginn der 1980er Jahre112. Danach ist der allgemeine Gleichheitssatz vor allem dann verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“113. Nach einer Zeit des zweigeteilten Prüfungsmaßstabes114, bei dem das Bundesverfassungsgericht durch typisierende Betrachtung der Intensität der jeweiligen Ungleichbehandlung zur entsprechenden Anwendung entweder der Willkürformel oder der neuen Formel kam, werden Willkürformel und neue Formel nun nicht mehr als Gegensätze gesehen, sondern als Teile eines einheitlichen Rechtfertigungs108
Siehe zum Prüfungsmaßstab der Gleichheitsprüfung etwa: Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 21 ff. 109 BVerfGE 1, 14 (52). Vgl. auch: BVerfGE 61, 138 (147); 68, 237 (250); 83, 1 (23); 89, 132 (141). Siehe dazu auch: Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 GG Rn. 32 f. 110 Vgl. dazu umfassend: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 232 ff.; Pietzcker, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 125 Rn. 40 ff. Siehe auch: Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 394 f.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 8 ff. 111 BVerfGE 50, 57 (77). Vgl. auch: BVerfGE 4, 7 (18); 17, 319 (330); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 8 ff. 112 Britz, NJW 2014, S. 346; Epping, Grundrechte, Kapitel 16 Rn. 796; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 GG Rn. 22; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 13 ff; Pietzcker, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 125 Rn. 43 ff.; Sodan, in: ders., Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 2 Rn. 113; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 11. Vgl. auch: Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 413 ff. 113 BVerfGE 55, 72 (88). Vgl. auch: BVerfGE 107, 133 (141); 112, 50 (67); 117, 316 (325); 120, 125 (144); 121, 317 (369); 126, 29 (47); 129, 49 (69); 130, 52 (66); 240 (253); 131, 239 (256); 132, 72 (82); BVerfG, NJW 2013, 1220; BVerfGE 133, 377 (408). 114 So etwa: Britz, NJW 2014, S. 347; Epping, Grundrechte, Kapitel 16 Rn. 797.
II. Unterschied im Schutzumfang?
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maßstabes begriffen115. In einer Entscheidung zur Namensänderung Transsexueller vom 26. Januar 1993116 führt das Bundesverfassungsgericht dazu aus, aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergäben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichten; eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung entspräche der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Komme als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so könne ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident sei. Dagegen sei bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nachzuprüfen, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen könnten117. b) Besonderheiten im Vertragsarztrecht Vertragsärzte werden im Wege der Verteilung der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung auf der Grundlage von gesetzlichen und untergesetzlichen Preisregelungen vergütet. Die Verteilung begünstigender Leistungen an mehrere Empfänger, ist im Kontext des Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere aus Entscheidungen zur Vergabe von Studienplätzen bekannt.118. Dort besteht nach der Rechtsprechung ein sog. „derivatives“ Teilhabe- oder Leistungsrecht119, was bedeutet, dass wenn der Staat, etwa im Fall der begrenzten Studienplätze, Zugang zu öffentlichen Ausbildungsstätten gewährt, dann auch ein Anspruch auf gleichheitsgerechte Entscheidung über den Zugang zu bestehen hat120. 115 BVerfGE 88, 87 (96); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 GG Anhang Rn. 10; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 GG Rn. 32; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 3 GG Rn. 24 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 13 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 10 f. 116 BVerfGE 88, 87 ff. 117 BVerfGE 88, 87 (96 f.). Vgl. auch: BVerfGE 91, 389 (401); 107, 218 (244); 257 (270); 108, 52 (67 f.); 110, 274 (291); 116, 164 (180); 129, 49 (68 f.). 118 Zur Hochschulzulassung bzw. zur Studienplatzvergabe, vgl. grundlegend: BVerfGE 33, 303 (330 ff.); vgl. auch: BVerfGE 39, 258 (265); 43, 34 (45); 291 (326); 54, 173 (191); 85, 36 (53 f.); BVerwGE 134, 1 (7 ff.); 139, 210 (220 ff.); zuletzt etwa: BVerfGE 134, 1 (19 ff.); ausführlich dazu: Wollenschläger, Verteilungsverfahren, S. 354 ff.; siehe auch: Selbmann, DÖV 2011, S. 881 ff.; Selbmann/Kiebs, DÖV 2006, S. 816 ff.; Steinberg/Müller, NVwZ 2006, S. 1113 ff. 119 Vgl. dazu etwa: Malaviya, Verteilungsentscheidung und Verteilungsverfahren, S. 217 ff.; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IX, § 192; Wollenschläger, Verteilungsverfahren, S. 67 ff., 354 ff. 120 Zum „Wenn-Dann-Schema“, vgl. etwa: Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 GG Anhang Rn. 29 ff., 61; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 53.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Im Kontext des Vertragsarztrechts stellt die Verteilung der Gesamtvergütung – anders als es bei der Teilhabe an einer staatlichen Leistung der Fall ist – aber gerade keine Verteilung einer staatlichen Begünstigung dar, die ihrem Umfang nach durch die Haushaltsmittel begrenzt ist und die vom Staat in Erfüllung des Sozialstaatsprinzips als Ermessensentscheidung erlassen wird121. Denn es handelt sich bei der Gesamtvergütungsverteilung nicht um die Verteilung einer Sozialleistung, die durch die Allgemeinheit finanziert und ohne Gegenleistung erbracht wird122. Vielmehr ist die vertragsärztliche Vergütung durch die Besonderheit geprägt, dass der Anteil eines Vertragsarztes an der Gesamtvergütung der Gegenleistung entspricht, die er für die von ihm an den Versicherten erbrachten Behandlungen erhält123. Es kommt daher zur Verteilung einer Gegenleistung, auf die der Vertragsarzt – zumindest dem Grunde nach – einen grundrechtlich geschützten Anspruch hat124. Daher ergibt sich aus der rechtlichen Stellung des Vertragsarztes keine, etwa mit der Hochschulzulassung vergleichbare, Teilhabekonstellation mit einem Anspruch auf gleichheitsgerechte Entscheidung125. Überdies spricht gegen eine Teilhabekonstellation bereits die Wertung des Gesetzgebers, die Vergütung nach Art und Umfang der Leistung, d. h. nach dem Grundsatz der Leistungsproportionalität, zu verteilen126. Es findet also eine Verteilung der Vergütung an die Vertragsärzte leistungsproportional zu den von ihnen erbrachten Behandlungsleistungen statt. Das SGB V geht daher gerade über eine (nur) gleichheitsgerechte Verteilung der Vergütung hinaus, wenn es grundsätzlich ein spezifisches, dem Privatrecht ähnelndes Synallagma von Leistung und Gegenleistung fordert. Darüber hinaus besteht eine besondere „janusköpfige“ Wirkung der Verteilung127, da die Zuteilung der Vergütung an einen Vertragsarzt bzw. an eine Vertragsarzt121 Link/de Wall, VSSR 2001, S. 73; Reuther, VSSR 2003, S. 162 f.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 155. 122 Link/de Wall, VSSR 2001, S. 73; Reuther, VSSR 2003, S. 162 f.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 155. Vgl. auch: BSGE 82, 50 (Leitsatz 1), wonach vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung nach § 44 Abs. 1 SGB X darstellt. 123 So auch: Link/de Wall, VSSR 2001, S. 72 f.; Reuther, VSSR 2003, S. 162 f.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 155. 124 Reuther, VSSR 2003, S. 162. Vgl. zum Anspruch auf angemessene Vergütung bereits in diesem Abschnitt II. 1. c) aa), S. 257 ff. 125 Link/de Wall, VSSR 2001, S. 72 f.; Reuther, VSSR 2003, S. 162 f.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 155. Siehe in der Sache auch: Schmiedl, MedR 2002, S. 117 f. A.A. Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 26, der in Abgrenzung zu einer abwehrrechtlichen Position im Rahmen der Honorarverteilungsgerechtigkeit von einem Teilhaberecht spricht. 126 Für das Vertragszahnarztrecht, vgl. § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V. Für das Vertragsarztrecht soll der Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung auch ohne ausdrücklich gesetzliche Verankerung weiterhin Anwendung finden. Vgl. dazu bereits Nachweise in Abschnitt D., Fn. 95. Siehe auch: BSGE 73, 131 (135 f.); Kluckert, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 14 Rn. 112. 127 So verbildlicht es: Reuther, VSSR 2003, S. 156.
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gruppe automatisch die Zuteilung an einen anderen Vertragsarzt bzw. an eine andere Vertragsarztgruppe schmälert. Das bedeutet, dass eine Begünstigung des einen zugleich eine Belastung des anderen nach sich zieht, und kann auch bedeuten, dass bei Ausschöpfung der zu verteilenden Gesamtvergütungsmasse keine Vergütung mehr geleistet werden kann128. Mithin liegt im Vertragsarztrecht eine Verteilungssituation vor, bei der es eine überwiegend begrenzte Menge an Gesamtvergütung als Gegenleistung leistungsproportional zu den von den Vertragsärzten erbrachten Behandlungsleistungen zu verteilen gilt und dabei ein Mehr des einen zugleich ein Weniger des anderen bedeutet. c) Anforderungen des Gleichheitssatzes an das vertragsärztliche Vergütungssystem aa) Gleichheit der Vergütungschancen durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsgleichheit Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet die verfassungsrechtliche Forderung nach Chancengleichheit129. Der Begriff der Chancengleichheit hat mehrere Facetten130 : Ein Aspekt der Herstellung von Chancengleichheit ist die Angleichung der tatsächlichen Voraussetzungen zum Erwerb materieller und immaterieller Güter, also die Gleichheit der faktischen Verhältnisse, die zur Nutzung der Freiheitsgrundrechte notwendig sind, z. B. die finanzielle Erleichterung des Schul- und Universitätsbesuchs131. Die Forderung nach tatsächlicher Gleichheit zielt auf eine soziale Chancengleichheit ab. Daneben fordert Art. 3 Abs. 1 128 Etwa 10 % aller im Jahre 2013 durchgeführten Leistungen, was einem Betrag von ca. 2,3 Mrd. Euro entspricht, wurden von den Vertragsärzten aus Gründen der gedeckelten Gesamtvergütung unentgeltlich erbracht, vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung, Zahlen und Fakten zur ambulanten Versorgung, Stand: 2014, S. 2. Siehe auch: Link/de Wall, VSSR 2001, S. 73. 129 Allgemein zur Chancengleichheit, vgl. etwa: Bäcker, Wettbewerbsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht, S. 317 ff.; Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 20 ff.; Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 36 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 57 ff.; Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot oder als Gebot der Chancengleichheit; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 33 ff. Siehe auch: Pietzcker, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, § 125 Rn. 58, 63, der die Chancengleichheit in Wettbewerbssituationen als einen verallgemeinerungsfähigen Aspekt versteht und in Situationen der Verteilung knapper Güter die verschärften Gleichheitsanforderungen in engem Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG stehen sieht. 130 Vgl. etwa: Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 20 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 20 GG Rn. 118; Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 41 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 34 f. 131 Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 23 f.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 20 GG Rn. 118; Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 43; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Abs. 1 GG Rn. 105; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 35 f. Vgl. auch: BVerfGE 33, 303 (331 f.).
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
GG die Herstellung rechtlicher Chancengleichheit und damit die Schaffung gleicher Startbedingungen aufgrund von Rechtsgleichheit132, z. B. beim Kampf politischer Parteien um die Mehrheit133. Im Rahmen der vertragsärztlichen Vergütung steht weniger die soziale als vielmehr die rechtliche Chancengleichheit im Sinne einer rechtlichen Startgleichheit134 im Vordergrund135. Schließlich beinhalten Fragen des Vergütungsrechts der Vertragsärzte in geringerem Maße die Angleichung der tatsächlichen Voraussetzungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Vergütungsverteilung, wie es etwa bei der Finanzierung einer Arztpraxis der Fall wäre. Chancengleichheit im Sinne einer rechtlichen Startgleichheit bedeutet im Kontext des Vertragsarztrechts stattdessen die Herstellung gleicher rechtlicher Vergütungsbedingungen. Denn das Verhältnis zwischen konkurrierenden Vertragsärzten bzw. Vertragsarztgruppen ist durch staatliche Vergütungsregelungen geprägt, welche die freien Marktkräfte, insbesondere das grundsätzlich durch die Berufsfreiheit geschützte freie Aushandeln einer Vergütung für ärztliche Behandlungsleistungen, verhindern. Die auf diese Weise bestehende Vergütungssituation der Vertragsärzte hat zur Folge, dass eine Honorarverteilung stattfindet, bei der ein Mehr an Honorar des einen Vertragsarztes zugleich ein Weniger des anderen bedeutet. In diesem Sinne etwa werden in Honorartöpfen den jeweiligen Arztgruppen Honorarkontingente zugewiesen, die zur Vergütung dieser Gruppe in einem Quartal ausreichen müssen und nachträglich nicht erhöht werden können136. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausformung als Chancengleichheit zielt somit im Vertragsarztrecht darauf ab, dass für alle Vertragsärzte zumindest ein gleicher rechtlicher Rahmen geschaffen wird. Die Herstellung dieser Rechtsgleichheit erschöpft sich für das vertragsärztliche Vergü132
Vgl. etwa: Bäcker, Wettbewerbsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht, S. 317 f.; Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 22 f.; Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 41 ff.; Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot oder als Gebot der Chancengleichheit, S. 15; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 34. 133 Vgl. etwa: BVerfGE 1, 208 (242); 44, 125 (145); 85, 264 (297); 104, 14 (19 f.); 111, 54 (105). Siehe auch statt vieler: Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 GG Rn. 39 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 40 ff. 134 Zur Startgleichheit, vgl. etwa: Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 22 f.; Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot oder als Gebot der Chancengleichheit, S. 15; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 34. 135 Vgl. Reuther, VSSR 2003, S. 171 f.; ders., Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 224. 136 Vgl. dazu bereits ausführlich im Abschnitt E. I., S. 227 ff. Siehe zu Nachschusspflichten der Krankenkassen in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen: BSGE 95, 86 ff.; 111, 114 ff.; Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87a SGB V Rn. 36 ff. Zum Problem der „sekundären nachträglichen Kompensation“ der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen, vgl. Ebsen, Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Steuerungs- und Rechtmäßigkeitskriterium für die Honorargestaltung psychotherapeutischer Leistungen in der GKV, Rechtsgutachten, Rn. 16.
II. Unterschied im Schutzumfang?
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tungsrecht mit seinen hauptsächlich auf untergesetzlicher Ebene erlassenen Vergütungsregelungen allerdings nicht in der Rechtsgleichheit durch Parlamentsgesetz, also durch die Schaffung eines gleichen rechtlichen Rahmens im SGB V. Vielmehr erfordert Rechtsgleichheit im Vertragsarztrecht auch die Gleichheit durch untergesetzliches Recht. Das bedeutet, alle Vertragsarztgruppen sind durch den parlamentsgesetzlichen und die untergesetzlichen Normgeber im Wege der Rechtssetzung, etwa beim Erlass des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs oder der Honorarverteilungsmaßstäbe, gleich zu behandeln bzw. wesentliche Ungleichheiten sind zu berücksichtigen137. Allen Vertragsärzten sind entsprechend ihrer Qualifikation gleiche Vergütungschancen, im Besonderen gleiche Gewinnerzielungschancen, zu gewähren138. Das bedeutet allerdings nicht, dass jedem Vertragsarzt im Sinne einer Ergebnisgleichheit139 stets ein gleicher Anteil an der gedeckelten Gesamtvergütung zustehen soll. Stattdessen sind die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen140, dass jeder Vertragsarzt sowohl gleichberechtigt am Wettbewerb um eine begrenzte Menge an Vergütung teilnehmen als auch Gewinne aus seiner Tätigkeit als Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung erzielen kann. Eine auf Ergebnisgleichheit ausgerichtete Vergütungssituation würde hingegen die eigenverantwortliche, individuelle Berufsgestaltung des Vertragsarztes einebnen und den freiberuflichen Charakter des niedergelassenen Arztes im Sinne einer Verstaatlichung aushöhlen141. In gleicher Weise hat das Bundessozialgericht die Gewährung von Chancengleichheit durch die Rechtssetzung der Normgeber hinsichtlich der Vergütung ärztlicher Behandlungsleistungen gefordert142. In einem Urteil vom 9. Dezember 2004 hat es grundlegend entschieden, jede Arztgruppe müsse die Chance haben, eine den anderen Arztgruppen vergleichbare Vergütung zu erhalten143. Speziell bei 137
Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 220 f. Siehe zum Differenzierungserfordernis und zur Rechtsgleichheit: Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 22 f. 138 Als „Abrechnungschancen“ bezeichnet sie: Reuther, Die Vergütung des Vertragsarztes und die Stabilität des Beitragssatzes, S. 222. 139 Zur Ergebnisgleichheit vgl. etwa: Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 21 f.; Kube, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 36 f.; Sachs, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 182 Rn. 140. In Bezug auf Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, siehe etwa: Penner, Leistungserbringerwettbewerb in einer sozialen Krankenversicherung, S. 529 f. 140 Vgl. Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 21 f. 141 Vgl. Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 22. 142 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R, juris Rn. 28, 32; BSGE 92, 10 (16); 87 (101); 233 (238 f.); 94, 50 (59 f., 69); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 10; SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 10 Rn. 21; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 36 Rn. 10; BSGE 100, 254 (263, 274 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45 Rn. 24; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 50 Rn. 14; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20 – 21. 143 BSGE 94, 50 (59 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 17 Rn. 11. Siehe auch schon: BSGE 90, 111 (116 f.), dort wird ausdrücklich von „Chancengleichheit“ gesprochen. Vgl. auch: BSGE 84, 253 (242 f.).
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
der Überprüfung von Regelungen, welche die Vergütung psychotherapeutischer, zeitabhängiger Leistungen zum Gegenstand hatten, führte das Bundessozialgericht immer wieder aus, es müsse den Psychotherapeuten die Chance eingeräumt werden, mit ihrer Tätigkeit Praxisüberschüsse zu erwirtschaften, die denjenigen anderer fachärztlicher Gruppen im unteren Einkommensbereich entsprächen144. In Bezug auf Vergütungsregelungen, die sog. Aufbaupraxen oder umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen betreffen, hat das Bundessozialgericht mehrmals entschieden, auch diese Praxen müssten die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der jeweiligen Arztgruppe zu erreichen. Dem Vertragsarzt müsse – wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog. Honorarverteilungsgerechtigkeit – die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern145. bb) Gebot der Folgerichtigkeit als Überprüfungsmaßstab Das Vergütungsrecht der Vertragsärzte stellt – wenn auch auf unterschiedlichen Normebenen – eine in sich geschlossene und autarke Teilrechtsordnung dar, welche seinen eigenen Grundentscheidungen und Regeln folgt. Die Besonderheiten im Vergütungsrecht der Vertragsärzte, insbesondere die überwiegend nur begrenzte Menge an Vergütung, die an die Vertragsärzte zu verteilen ist, und die aus diesem Grund durch exekutive Normgebung festgesetzten floatenden Preise für die am gesetzlich Versicherten erbrachten Behandlungsleistungen, grenzen das vertragsärztliche Vergütungssystem von inhaltlich vergleichbaren Vergütungssystemen – wie etwa die Vergütung von Behandlungsleistungen privat Versicherter – ab. In der privaten Krankenversicherung richtet sich das ärztliche Honorar nicht nur nach anderen gesetzlichen Grundlagen – der Gebührenordnung für Ärzte –, sondern auch die Höhe des Honorars ist weder begrenzt noch bedarf es einer Honorarverteilung. Vielmehr wird jede vom Privatarzt erbrachte Leistung zu einem festen Preis vergütet146. Neben der Besonderheit der Mengenbegrenzung der Gesamtvergütung weist das vertragsärztlichen Vergütungsrecht ebenso aufgrund des Zusammenspiels von parlamentsgesetzlichen Regelungen des SGB V, dem bundesweit geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab sowie den jeweils regional geltenden Honorarverteilungsmaßstäben und regionalen Euro-Gebührenordnungen eine eigenständige, in sich geschlossene Systematik auf. Dabei setzt jeder einzelne Normgeber – etwa der 144 BSGE 100, 254 (274 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 75 Rn. 20 – 21. Siehe auch: BSG, Urt. v. 25. 08. 1999 – B 6 KA 17/98 R, juris Rn. 32; BSGE 92, 87 (101). 145 Zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. Vgl. auch bereits Nachweise in Abschnitt E., Fn. 82. 146 Zum Spannungsverhältnis Privatarzt/Vertragsarzt, vgl. etwa: Schiller/Steinhilper, MedR 2001, S. 29 ff.
II. Unterschied im Schutzumfang?
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Bewertungsausschuss bei Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs oder die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung bei Erlass eines Honorarverteilungsmaßstabs – im Rahmen seiner Regelungsbefugnis und innerhalb des Geltungsbereichs der von ihm zu erlassenden Rechtsnorm eigene Grundentscheidungen fest. Dies wirft die Frage auf, ob – wie etwa im Steuerrecht147 oder bei der Berechnung des Regelsatzes von Hartz IV-Leistungen148 – die Normgebung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht – unabhängig auf welcher Ebene – dem Erfordernis der Folgerichtigkeit genügen muss, jeder Normgeber damit einerseits Ausnahmen von seinen selbst festgesetzten Grundentscheidungen zu rechtfertigen und andererseits seine Grundentscheidungen folgerichtig umzusetzen hat149. Es stellt sich also die Frage, ob Vergütungsregelungen des Vertragsarztrechts anhand eines Folgerichtigkeitsmaßstabs verstärkt inhaltlich zu kontrollieren sind150. (1) Folgerichtigkeit im Allgemeinen Das Gebot der Folgerichtigkeit151 weist Verbindungen mit dem überwiegend folgenlos gebliebenen Gedanken der Systemgerechtigkeit152 auf und ähnelt dem 147 Zuletzt etwa: BVerfG, NJW 2015, 303 (306); vgl. auch: BVerfGE 84, 239 ff.; 93, 121 ff.; 99, 88 ff.; 280 ff.; 105, 73 ff.; 107, 27 ff.; 116, 164 ff.; 117, 1 ff.; 120, 1 ff.; 122, 210 ff.; 123, 111 ff.; 126, 400 ff.; 132, 179 ff. Zum Gebot der Folgerichtigkeit im Steuerrecht allerdings zum Teil auch kritisch, vgl. Bumke, Der Staat 49 (2010), S. 87 f.; Hey, DStR 2009, S. 2561 ff.; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 226; Mellinghoff, Ubg 2012, S. 369 ff.; Payandeh, AöR 136 (2011), S. 594 ff.; Schwarz, in: Depenheuer, FS Isensee, S. 949 ff.; Thiemann, in: Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, S. 179 ff. Zu einzelnen Urteilen des BVerfG, vgl. auch: Dann, Der Staat 49 (2010), S. 632 ff.; Mellinghoff, in: ders./Schön/Viskorf, S. 164 ff. 148 BVerfGE 125, 175 ff. Ausführlich dazu etwa: Axer, in: Anderheiden/Keil/Kirste/ Schaefer, GS Brugger, S. 335 ff.; Dann, Der Staat 49 (2010), S. 636; Hörmann, Rechtsprobleme des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Zu weiteren Teilrechtsordnungen, in denen das Gebot der Folgerichtigkeit Anwendung findet, vgl. Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 158. 149 Zu Inhalt und Reichweite des Folgerichtigkeitsgebots, vgl. Axer, GuP 2011, S. 203; ders., GesR 2013, S. 216; ders., in: Anderheiden/Keil/Kirste/Schaefer, GS Brugger, S. 347. Zum Rechtfertigungserfordernis siehe etwa auch: Thiemann, in: Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, S. 191 ff. Zum Umsetzungserfordernis siehe etwa auch: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 215; Roters, GesR 2012, S. 605. 150 Vgl. auch: Becker, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 82 ff., der das Gebot der Folgerichtigkeit als einen geeigneten Überprüfungsmaßstab im durch ständige gesetzgeberische Aktivitäten geprägten Sozialrecht ansieht und u. a. dabei das Vertragsarztrecht und die Honorarverteilungsgerechtigkeit heranzieht. Siehe auch: Weiß, NZS 2005, S. 74. 151 Allgemein zum Gebot der Folgerichtigkeit, vgl. etwa: Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 GG Rn. 37; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 209 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 404 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 98 ff.; Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578 ff.; Rixen, JöR 61 (2013), S. 528 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 44 ff.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Prinzip der Kohärenz auf europarechtlicher Ebene153 sowie der Forderung nach Rationalität des Gesetzes154. Seinen Geltungsgrund hat es insbesondere im allgemeinen Gleichheitssatz155. Inhalt, Begrifflichkeit und Umfang des Folgerichtigkeitsgebots sind längst nicht abschließend bestimmt und benötigen für das jeweilige Rechtsgebiet weitergehender Kontur156. Dennoch kann das Gebot der Folgerichtigkeit als im Wesentlichen auf die Gleichheit in der vorgefundenen Ordnung, auf die Widerspruchsfreiheit der Rechtssätze des Teilrechtsgebiets und als auf die Logik im Recht zielend charakterisiert werden157. Das Bundesverfassungsgericht wendet das Gebot der Folgerichtigkeit in den verschiedensten Teilrechtsordnungen158 als Maßstab dafür an, ob zum einen ein in sich geschlossenes gesetzgeberisches System folgerichtig umgesetzt wird und zum anderen, ob neue Rechtssätze dem bestehenden Regelungsgefüge entsprechen. Das bedeutet, jede Änderung des bestehenden Regelungskonstrukts bedarf im Hinblick auf gleichheitsrelevante Fragestellungen der Überprüfung am System. Daraus ergibt sich nicht zwingend, dass eine dem 152 Das BVerfG hat bei der Einführung der neuen Formel, in BVerfGE 55, 72 (88), diese unmittelbar mit dem Gedanken der Systemgerechtigkeit verknüpft, vgl. auch: Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 GG Rn. 91 f. Allgemein zur Systemgerechtigkeit, vgl. etwa: Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat; Dieterich, Systemgerechtigkeit und Kohärenz; Huber, VSSR 2000, S. 391 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit. Zur Systembindung des Gesetzgebers, vgl. etwa: Kischel, AöR 124 (1999), S. 174 ff. 153 Siehe dazu etwa: Axer, in: ders./Grzeszick/Kahl/Mager/Reimer, Das Europäische Verwaltungsrecht in der Konsolidierungsphase, Die Verwaltung Beiheft 10 (2010), S. 137 ff.; Grzeszick, in: Sachs/Siekmann, FS Stern, S. 342 f. 154 Vgl. auch: Axer, in: Anderheiden/Keil/Kirste/Schaefer, GS Brugger, S. 346 ff.; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 3 GG Rn. 95 f.; Rixen, JöR 61 (2013), S. 528 f. Zu Rationalitätsanforderungen, vgl. etwa: Cornils, DVBl. 2011, S. 1053 ff.; Dann, Der Staat 49 (2010), S. 630 ff.; Grzeszick, VVDStRL 71 (2012), S. 49 ff.; Rixen, JöR 61 (2013), S. 525 ff. 155 Siehe etwa: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 211. 156 So auch: Axer, in: Anderheiden/Keil/Kirste/Schaefer, GS Brugger, S. 347. Kritisch zum Gebot der Folgerichtigkeit bzw. zur Systembindung des Gesetzgebers, vgl. etwa: Kischel, AöR 124 (1999), S. 174 ff.; ders., in: Epping/Hillgruber, Beck-OK, GG, Art. 3 GG Rn. 95 ff.; Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578 ff. 157 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 181 Rn. 209 f. 158 Vgl. etwa im Sozialrecht: BVerfGE 112, 368 (402 f.) – zur Bestandsrente; BVerfGE 125, 175 (208) – zu Hartz IV Regelsätzen; im Öffentlichen Dienst: BVerfGE 83, 89 (108 f.) – zur Hundert-Prozent-Grenze; BVerfGE 110, 353 (367 f.) – zur Dienstrechtsreform; im Strafrecht: BVerfGE 49, 24 (65) – zum Kontaktsperrgesetz; BVerfGE 50, 142 (161, 164) – zur Unterhaltspflichtverletzung; im Gefahrenabwehrrecht: BVerfGE 107, 186 (197) – zum Impfstoffversendeverbot; BVerfGE 121, 317 (362 f., 366 f., 374 f.) – zum Nichtraucherschutz; im Wahlrecht: BVerfGE 1, 208 (246 f.) – zur 7,5 %-Sperrklausel; BVerfGE 3, 383 (396 ff.) – zur Parteizulassung bei Landtagswahlen; BVerfGE 6, 84 (96 f.) – zur 5 %Sperrklausel; BVerfGE 111, 289 (301, 305) – zum Unterschriftenquorum bei Arbeitnehmervertreterwahlen; BVerfGE 120, 82 (103 f.) – zur 5 %-Sperrklausel bei Kommunalwahlen; BVerfGE 121, 266 (306) – zu Landeslisten. Zum Steuerrecht, vgl. bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 147.
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Normgefüge widersprechende Änderung stets einen Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und mithin gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darstellt159. Vielmehr bedarf es dabei lediglich eines höheren Rechtfertigungsaufwands zur Beantwortung der Frage, warum eine dem System widersprechende Regelung keinen Verfassungsverstoß nach sich zieht160. (2) Folgerichtigkeit im vertragsärztlichen Vergütungsrecht Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zielt im vertragsärztlichen Vergütungssystem auf die Gleichbehandlung der Vertragsärzte im Verhältnis zueinander ab. Eine über das Vertragsarztrecht hinausgehende Gleichbehandlung – etwa mit Privatärzten – kann nicht verlangt werden. Gefordert wird vielmehr, dass das durch staatliche Vergütungsregelungen vorgegebene System auf seiner jeweiligen Normebene in sich schlüssig, gerecht und zulasten wie zugunsten aller Vertragsärzte folgerichtig umgesetzt wird. Folgerichtigkeit des vertragsärztlichen Vergütungssystems erfordert überdies, dass neu gesetztes Recht den Grundentscheidungen der jeweiligen Normebene entspricht, Abweichungen insoweit einer erhöhten Rechtfertigung bedürfen. Die Grundentscheidungen des vertragsärztlichen Vergütungsrechts werden auf diese Weise anhand des Folgerichtigkeitsgebots zum Maßstab der verfassungsrechtlichen Kontrolle. Zu unterscheiden ist das Erfordernis der Folgerichtigkeit von dem rechtsstaatlichen Gebot des Gesetzesvorrangs: Verlangt der Vorrang des Gesetzes die Bindung an das jeweils höherrangige Recht161, verpflichtet den Normgeber somit zur Einhaltung der Normenhierarchie, erfordert das Gebot der Folgerichtigkeit die Bindung des Normgebers an seine selbstgesetzten Grundentscheidungen, die er innerhalb seiner jeweiligen Regelungsbefugnis und im Rahmen des Geltungsbereichs der von ihm erlassenen Rechtsnorm getroffen hat. Insofern ist etwa der Bewertungsausschuss bei Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs aufgrund des Gesetzesvorrangs an Regelungen des SGB V und an Verfassungsrecht gebunden. Das Folgerichtigkeitsgebot zwingt den Bewertungsausschuss darüber hinaus zur Umsetzung seiner selbstgesetzten Grundentscheidungen – etwa der Einteilung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs in arztgruppenübergreifende und arztgruppenspezifische Gebührenordnungspositionen – bzw. zur besonderen Rechtfertigung etwaiger Ausnahmen von diesen Grundentscheidungen.
159 Vgl. etwa: BVerfGE 9, 20 (28); 81, 156 (207); 97, 271 (291); 104, 74 (87); 122, 1 (36); BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1008). Vgl. auch: Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 3 GG Rn. 29. 160 Vgl. dazu etwa: Thiemann, in: Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, S. 191 ff. 161 Vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. Siehe dazu statt vieler: Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 GG Rn. 72 ff. m.w.N.
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Die Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots auf das vertragsärztliche Vergütungsrecht162 zielt im Ergebnis auf eine verstärkt inhaltliche gerichtliche Kontrolle der vertragsärztlichen Regelungen ab. Das bedeutet, das Gericht hat die zu überprüfende Norm anhand der Grundentscheidungen der jeweiligen Normebene zu kontrollieren. Ergeben sich systemprägende Grundentscheidungen nicht aus der Norm selbst, können diese etwa durch Auslegung insbesondere anhand der jeweiligen Normbegründungen festgestellt werden. Betrachtet man beispielsweise die parlamentsgesetzliche Ebene, lassen sich durch Auslegung des SGB V anhand der Gesetzesbegründungen zu zahlreichen Gesetzesänderungen163 einige systemprägende Grundentscheidungen des Parlamentsgesetzgebers erkennen164 : Allen vorangestellt ergibt sich aus den Gesetzesbegründungen das Ziel, zwischen dem finanziellen Anreiz für Vertragsärzte, ambulant tätig zu werden, und der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten einen Interessenausgleich zu finden165. Darüber hinaus wird in diversen Gesetzesmaterialien das Ziel genannt, zugunsten der Vertragsärzte Verteilungsgerechtigkeit herzustellen166. Gleichzeitig ist Ziel vieler gesetzlicher Regelungen, das Leistungsverhalten der Vertragsärzte und damit die Verteilung der Gesamtvergütung zu steuern167. Zudem ist es das Anliegen des Gesetzgebers, den Vertragsärzten eine möglichst hohe Kalkulationssicherheit in Bezug auf ihre Vergütung zu gewährleisten168, was unter anderem durch ein weiteres Ziel, das der Transparenz und der Vereinfachung des Vergütungsverfahrens169, erreicht werden kann. Schließlich sind vor allem in jüngerer Zeit als Ziele des Gesetzgebers 162 Zum Gebot der Folgerichtigkeit im Sozial- und Gesundheitsrecht, vgl. etwa: Axer, in: Depenheuer, FS Isensee, S. 972 ff.; ders., GuP 2011, S. 202 f.; ders., in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 271 SGB V Rn. 15; ders., GesR 2013, S. 216; Becker, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 77 ff.; Pitschas, Vertragswettbewerb in der ambulanten Gesundheitsversorgung, S. 70 f.; ders., VSSR 2013, S. 351; ders., MedR 2015, S. 159; Roters, GesR 2012, S. 605 f. Vgl. auch bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 158. Zum Prinzip der Systemtreue bzw. Systemgerechtigkeit im SGB V, vgl. auch: Freudenberg, Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 86 ff. Zum Grundsatz der Systemgerechtigkeit als Prüfungsmaßstab für die unterschiedliche Verteilung des Morbiditätsrisikos auf Vertragsärzte, vgl. Lang, Die Vergütung der Vertragsärtze und Psychotherapeuten im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 85 ff. 163 Vgl. etwa: GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BGBl. I 1999, S. 2626 ff., BT-Drs. 14/ 1245; GKV-Modernisierungsgesetz, BGBl. I 2003, S. 2190 ff., BT-Drs. 15/1525; GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BGBl. I 2007, S. 378 ff., BT-Drs. 16/3100; GKV-Versorgungsstrukturgesetz, BGBl. I 2011, S. 2983 ff., BT-Drs. 17/6906; GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, BGBl. I 2015, 1211 ff., BT-Drs. 18/4095. 164 Vgl. dazu im Einzelnen im Abschnitt B. I. 3., S. 93 ff., II. 3., S. 129 f., und III. 3., S. 159 f. 165 Zum Interessenausgleich, vgl. BT-Drs. 14/1245, S. 53. Ausschließlich zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten, vgl. BT-Drs. 14/1245, S. 53; BT-Drs. 17/6906, S. 65 f.; BT-Drs. 17/8005, S. 109; BT-Drs. 18/4095, S. 50. 166 BT-Drs. 14/1245, S. 72; BT-Drs. 17/8005, S. 109; BT-Drs. 18/4095, S. 54, 93, 98. 167 BT-Drs. 16/3100, S. 128; BT-Drs. 17/6906, S. 62, 65; BT-Drs. 18/4095, S. 93. 168 BT-Drs. 16/3100, S. 123; BT-Drs. 17/6906, S. 65. 169 BT-Drs. 15/1525, S. 104 f.; BT-Drs. 17/8005, S. 108; BT-Drs. 18/4095, S. 98.
II. Unterschied im Schutzumfang?
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zu erkennen, die vertragsärztliche Vergütung zu regionalisieren und durch die Schaffung von Gestaltungsspielraum zugunsten der regionalen Vertragspartner die Vergütungsregelungen der Vertragsärzte zu flexibilisieren170. Ebenso können im Wege der Auslegung untergesetzlicher Normen anhand ihrer Begründungen systembildende Grundentscheidungen als Grundlage für eine Folgerichtigkeitsprüfung bestimmt werden171. Für die untergesetzlichen Normgeber – dem Bewertungsausschuss für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab und den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen für die Honorarverteilungsmaßstäbe sowie gemeinsam mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen für die regionalen Euro-Gebührenordnungen – bestand ursprünglich keine Pflicht zur Begründung ihrer normgebenden Tätigkeiten172. Das Bundessozialgericht hatte diesbezüglich in einem Urteil vom 16. Mai 2001 zum Erlass des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes zunächst entschieden, dass eine Begründungspflicht für untergesetzliche Normgeber ausnahmsweise nur dann bestehe, wenn „Grundrechtsbeeinträchtigungen von gewisser Intensität zu besorgen sind“173. In einem jüngeren Urteil vom 8. Dezember 2010 führt das Gericht hingegen aus: „Der Bewertungsausschuss war als Normgeber auch nicht verpflichtet, seine Regelungen zu begründen (…) oder Ermittlungen vorzunehmen zum Zwecke treffsicherer bzw. faktenorientierter Normgebung“174. Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 wurde allerdings § 87 Abs. 6 S. 9 SGB V eingeführt, nach welchem die entscheidungserheblichen Gründe der Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses im Deutschen Ärzteblatt oder im Internet bekannt zu machen sind175. In vergleichbarer Weise wurde durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz176 vom 16. Juli 2015 in § 87b Abs. 3 S. 3 SGB V die Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen – zumindest hinsichtlich des Honorarverteilungsmaßstabs – eingeführt, einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs zu veröffentli170
BT-Drs. 17/6906, S. 2, 42, 63; BT-Drs. 18/4095, S. 1, 50, 98. Vgl. auch: BSG, SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 20 Rn. 39, wonach eine Begründung – in dem Fall von GBA-Richtlinien – dazu beiträgt, dass sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, erkennbar werden. 172 Siehe etwa: BSGE 88, 126 (136 f.); 94, 50 (65); 96, 53 (60); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 24 Rn. 24; Clemens, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kapitel 13 Rn. 328; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87b SGB V Rn. 62. Zu Begründungspflichten untergesetzlicher Normgeber, vgl. auch: Axer, GesR 2013, S. 211 ff.; Hannes, GesR 2013, S. 219 ff.; Roters, GesR 2012, S. 604 ff.; Steiner, GesR 2013, S. 193 ff.; Waldhoff, in: Depenheuer, FS Isensee, S. 325 ff.; ders., GesR 2013, S. 197 ff.; Wenner, GuP 2013, S. 48 f. 173 BSGE 88, 126 (137). 174 BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 24 Rn. 24. 175 BGBl. I 2011, S. 2983 (2989). Vgl. auch: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 SGB V Rn. 394 f., 418. Das BSG hat beispielsweise in seinem Urteil vom 2. April 2003 bereits Ziele des Bewertungsausschusses als Rechtfertigung im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG herangezogen, vgl. SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 18. 176 BGBl. I 2015, S. 1211 ff. 171
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
chen. Beide Regelungen dienen dem gesetzgeberischen Ziel, die Normgebung transparenter zu gestalten177. Einzig die Zu- oder Abschläge der regionalen EuroGebührenordnung bedürfen – zumindest von Gesetzes wegen noch – keiner Begründung. Der Gedanke, bei der Überprüfung von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen im Hinblick auf einen Gleichheitsverstoß das Prinzip der Folgerichtigkeit anzuwenden, ist auch dem Bundessozialgericht nicht fremd. Zunächst hat das Gericht immer wieder anerkannt, dass die Honorierung von Vertragsärzten ein eigenständiges Gesamtkonzept bzw. ein komplexes Vergütungssystem darstellt178. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht in einer Reihe von Entscheidungen die „Logik des Vergütungssystems“179, das zugrunde liegende „Konzept der Honorarverteilung“180 oder die „Steuerungszwecke im vertragsärztlichen Vergütungssystem“181 als Rechtfertigung dafür herangezogen, dass eine vertragsärztliche Vergütungsregelung nicht gegen höherrangiges, insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht verstößt182. So hat es etwa schon in einem Urteil vom 9. September 1998, bei dem es unter anderem über die Zulässigkeit von leistungsbezogenen Honorartöpfen zu entscheiden hatte, ausgeführt, Honorartöpfe nach Leistungsbereichen könnten dann gebildet werden, wenn damit Steuerungszwecke verbunden seien, die ihrerseits im Gesetz bzw. im vertragsärztlichen Vergütungssystem selbst angelegt seien oder deren Verfolgung zu den legitimen Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigung im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags gehöre183. Das Bundessozialgericht stellt ebenso in jüngerer Zeit in einer Entscheidung vom 5. Juni 2013 im Rahmen der Überprüfung einer Vergütungsregelung fest, dass eine Regelung, die schon von ihrer Richtung oder Struktur prinzipiell systemfremd sei oder nicht mit höherrangigen Vorgaben übereinstimme, ferner unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung nicht hingenommen werden könne184.
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Vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 62; BT-Drs. 18/4095, S. 98. Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 8/98 R, juris Rn. 18; Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 14, 21; BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 19; SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 6 Rn. 17; BSG, Beschl. v. 28. 01. 2004 – B 6 KA 112/03 B, juris Rn. 10; BSGE 94, 50 (94); BSG, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 69 Rn. 17. 179 BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 17; BSGE 89, 1 (11 f.). 180 BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 21. 181 BSGE 83, 1 (2 f.). 182 Vgl. etwa: BSG, Urt. v. 28. 01. 1998 – B 6 KA 96/96 R, juris Rn. 23; BSGE 83, 1 (2 f.); BSG, MedR 2000, 153 (156); BSG, Urt. v. 03. 03. 1999 – B 6 KA 56/97 R, juris Rn. 21; BSGE 89, 1 (11 f.); BSG, SozR 4 – 2500 § 87 Nr. 1 Rn. 18. 183 BSGE 83, 1 (2 f.). 184 BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 3 Rn. 33 – 34. 178
II. Unterschied im Schutzumfang?
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d) Zwischenergebnis Durch die Verteilungssituation im Vertragsarztrecht, bei der aus einer überwiegend begrenzten Menge an Gesamtvergütungsmasse Vertragsärzten eine Gegenleistung für ihre am Versicherten erbrachten Behandlungsleistungen zugeteilt werden muss und dies im Wege von ineinandergreifenden staatlichen Regelungen auf gesetzlicher und untergesetzlicher Ebene geschieht, sind hinsichtlich des Schutzes, den der allgemeine Gleichheitssatz bietet, an das vertragsärztliche Vergütungssystem besondere Anforderungen zu stellen. Als Kompensation für die Besonderheit, dass jedes Mehr an Vergütung des einen Vertragsarztes automatisch ein Weniger des anderen bedeutet, ist den Vertragsärzten Chancengleichheit, d. h. gleiche Vergütungs- und Gewinnerzielungschancen, durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsgleichheit zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die Normgebung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht – unabhängig auf welcher Normebene – dem Erfordernis der Folgerichtigkeit als dem Gleichheitssatz innewohnendes Prinzip genügen. Damit hat jeder Normgeber einerseits Ausnahmen von seinen selbst festgesetzten Grundentscheidungen zu rechtfertigen und andererseits seine Grundentscheidungen folgerichtig umzusetzen. Vergütungsregelungen des Vertragsarztrechts sind somit anhand eines Folgerichtigkeitsmaßstabes verstärkt inhaltlich zu kontrollieren. Darüber hinaus verbleibt den Normgebern allerdings noch immer ein weiter Gestaltungsspielraum.
3. Verknüpfung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG Betrachtet man die Anforderungen der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes an das vertragsärztliche Vergütungssystem fällt auf, dass insbesondere im Hinblick auf die Herstellung gleicher Ausgangsmöglichkeiten im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG und der Gewährung von Chancengleichheit innerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG starke inhaltliche Überschneidungen bestehen. Diese inhaltlichen Übereinstimmungen geben Anlass dazu, die Frage aufzuwerfen, ob bei einer gerichtlichen Überprüfung von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen – so wie auch vom Bundessozialgericht mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit praktiziert – eine verbundene Prüfung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vorgenommen werden sollte. a) Verbundene Idealkonkurrenz in anderen Berufsbereichen Das Verhältnis von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ist grundsätzlich durch eine Idealkonkurrenz, d. h. der unabhängigen, parallelen Prüfung von Frei-
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heits- und Gleichheitsgrundrecht, geprägt185. Doch könnte für bestimmte Konstellationen eine Verknüpfung der Berufsfreiheit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Betracht kommen, sodass eine Prüfung von Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG in sog. „verbundener Idealkonkurrenz“186 vorzunehmen ist. Dabei ergeben sich Inhalt und Reichweite der Berufsfreiheit aus dem Zusammenwirken mit gleichheitsrechtlichen Komponenten187. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen den verfassungsrechtlichen Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG mit dem gleichheitsrechtlichen Differenzierungsverbot und -gebot in Verbindung gesetzt188. Beispielhaft sind dabei die Entscheidungen vom 16. März 1971 zur Erdölbevorratung189, vom 30. Juli 2008 zu Nichtraucherschutzgesetzen190 und vom 19. März 2014 zum Schwerbehindertentransport durch ÖPNV-Unternehmen191 genauer zu betrachten. aa) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1971 zur Erdölbevorratung Gegenstand des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Erdölbevorratung war das Gesetz über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 9. September 1965192. Es enthielt eine pauschale Regelung, nach welcher alle wirtschaftlichen Unternehmen, also sowohl diejenigen, die Erdölerzeugnisse einführen, als auch diejenigen, die aus eingeführtem Erdöl Erdölerzeugnisse herstellen, verpflichtet waren, ständig eine gesetzlich vorgeschriebene Menge an Erdölerzeugnissen vor-
185 Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 129; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 GG Rn. 152. 186 Der Begriff wurde geprägt von: Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 129. Siehe auch die Verwendung des Begriffs bei: Axer, NZS 1995, S. 541; Banafsche, Das Recht der Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe zwischen Korporatismus und Wettbewerb, S. 208 ff.; Greve, ZJS 2010, S. 512; Manssen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 GG Rn. 277. Zu gleichheitsrechtlichen Gehalten der Berufsfreiheit vgl. auch: Kube, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 33 ff. 187 Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 129. 188 Vgl. etwa: BVerfGE 25, 236 ff. – zur Zulassung von Dentisten; BVerfGE 30, 292 ff. – zur Erdölbevorratung; BVerfGE 54, 251 ff. – zum Berufsvormund; BVerfGE 59, 336 ff. – zu Ladenschlusszeiten von Frisören; BVerfGE 65, 116 ff. – zur Residenzpflicht von Patentanwälten; BVerfGE 68, 155 ff. – zur Beförderung von Schwerbehinderten; BVerfGE 77, 84 ff. – zur Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe; BVerfGE 121, 317 ff. – zu Nichtraucherschutzgesetzen in Baden-Württemberg und Berlin; BVerfG, NVwZ 2010, 38 ff. – zum Rauchverbot in Raucherkneipen in Bayern; BVerfG, NVwZ 2011, 294 ff. – zum Rauchverbot in Shisha-Bars in Bayern; BVerfGE 130, 131 ff. – zum Hamburger Passivraucherschutzgesetz; BVerfG, NVwZ 2014, 1005 ff. – zum Schwerbehindertentransport durch ÖPNV-Unternehmen. 189 BVerfGE 30, 292 ff. 190 BVerfGE 121, 317 ff. 191 BVerfG, NVwZ 2014, 1005 ff. 192 BGBl. I 1965, S. 1217 ff.
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rätig zu haben193. Das Bundesverfassungsgericht führte dazu aus, die Sicherstellung einer ausreichenden Energieversorgung stelle eine staatliche Aufgabe dar, zu deren Wahrnehmung private Unternehmen in Dienst genommen werden konnten194. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zulässigkeit einer solchen Indienstnahme ergäben sich insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG195. Das Gericht hatte zunächst die Verfassungsmäßigkeit des Erdölbevorratungsgesetzes anhand von Art. 12 Abs. 1 GG geprüft und kam zu dem Ergebnis, das angefochtene Gesetz verletze bei der gebotenen generellen Betrachtungsweise den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht196. Anschließend stellte es fest, es bleibe zu prüfen, ob das Gesetz, das wie gezeigt, hinsichtlich der Gesamtheit der Berufsgruppe der Mineralölimporthändler den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletze, den strukturellen Unterschieden innerhalb der betroffenen Berufsgruppe, namentlich den besonderen Verhältnissen der unabhängigen Importeure, ausreichend Rechnung trage197. Das Bundesverfassungsgericht legte dar, Berufsausübungsregelungen könnten nicht nur dann verfassungswidrig sein, wenn sie in ihrer generellen Wirkung auf die betroffene Berufsgruppe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzten. Sie müssten auch die Ungleichheiten berücksichtigen, die typischerweise innerhalb des Berufes bestünden, dessen Ausübung geregelt würde. Würden durch eine Berufsausübungsregelung, die im Ganzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte, Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker belastet, dann könne Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein198. Dabei hat sich herausgestellt, die Unternehmergruppe der unabhängigen Importeure war von der Auferlegung der Bevorratungspflicht härter betroffen gewesen als die zahlenmäßig größere Gruppe der übrigen Mineralölimporthändler199, da im Verhältnis zu ihren Konkurrenten eine unverhältnismäßig schwere Belastung und schließlich eine einschneidende Verschlechterung ihrer Wettbewerbslage nicht ausgeschlossen gewesen war200. Indem das Erdölbevorratungsgesetz jedoch keine Möglichkeit vorgesehen hatte, diese Sonderfälle angemessen zu berücksichtigen, sie vielmehr unterschiedslos der allgemeinen Regelung unterworfen hatte, kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, insoweit sei in einer das Gerechtigkeitsgefühl nicht befriedigenden Weise Ungleiches gleich behandelt und bei der in 193 BVerfGE 30, 292 (299 ff.). Siehe dazu auch Anmerkung von: v. Mutius, Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 16. 03. 1971 – 1 BvR 52/66 u. a., VerwArch 63 (1972), S. 329 ff. 194 BVerfGE 30, 292 (311 ff.). 195 BVerfGE 30, 292 (Leitsatz 2). 196 BVerfGE 30, 292 (317 ff.). 197 BVerfGE 30, 292 (326 f.). 198 BVerfGE 30, 292 (327). 199 BVerfGE 30, 292 (330 f.). 200 BVerfGE 30, 292 (333).
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dem angefochtenen Gesetz enthaltenen Berufsausübungsregelung Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt worden201. In der vom Bundesverfassungsgericht überprüften Regelung hatte der Staat in Form eines Erdölbevorratungsgesetzes eine Berufsausübungsregelung erlassen, die zunächst alle Mineralölimporthändler dahingehend belastet hatte, als sie ständig die gesetzliche Menge an Erdölerzeugnissen vorrätig zu haben hatten. Greift der Staat also durch eine Berufsausübungsregelung in die Berufsfreiheit des Bürgers ein, ist über eine reine Art. 12 Abs. 1 GG-Prüfung hinaus nicht lediglich die Berufsgruppe als Ganzes zu betrachten, sondern anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen, ob Gruppen typischer Fälle – hier die Gruppe der unabhängigen Importeure – ohne zureichenden Grund wesentlich stärker belastet werden als andere. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung mithin die Verantwortung des Gesetzgebers beschrieben, bei Berufsausübungsregelungen es nicht dabei zu belassen, die Aufteilung der Berufsgruppe als solche zu betrachten, sondern überdies das Verhältnis innerhalb der Gruppe näher hinsichtlich ungerechtfertigter Härten zu überprüfen. bb) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 zu Nichtraucherschutzgesetzen Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtraucherschutz beinhaltete zum einen die Überprüfung des Landesnichtraucherschutzgesetzes Baden-Württemberg vom 25. Juli 2007202 und zum anderen die Prüfung des Berliner Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit vom 16. November 2007203. Das Gericht beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob in kleineren Gaststätten („Eckkneipen“) das Rauchen ganz untersagt werden konnte – so beide Landesregelungen – und anschließend, ob – wie es das Baden-Württemberger Gesetz vorgesehen hatte – in Diskotheken, anders als Gaststätten, das Rauchen in einem Nebenraum zugelassen werden durfte. Die erste Frage beantwortete das Bundesverfassungsgericht dahingehend, dass es die landesgesetzlichen Regelungen als nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ansah, sie seien nicht verhältnismäßig im engeren Sinne, denn sie belasteten in unzumutbarer Weise die Betreiber kleinerer Einraumgaststätten mit getränkegeprägtem Angebot204. Innerhalb der Verfassungsmäßigkeitsprüfung führte das Gericht aus, ein die Berufsfreiheit beschränkendes Gesetz, das als solches dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, könne insoweit gegen Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 201
BVerfGE 30, 292 (332 f.). GBl. BW 2007, S. 337 ff. 203 GVBl. BE 2007, S. 578 ff. 204 BVerfGE 121, 317 (355). Siehe dazu auch: Bäcker, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 30. 07. 2008 – 1 BvR 3262/07 u. a., DVBl. 2008, S. 1180 ff.; Dann, Der Staat 49 (2010), S. 634 ff.; Michael, JZ 2008, S. 875 ff. 202
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Abs. 1 GG verstoßen, als bei der Regelung Ungleichheiten nicht berücksichtigt würden, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestünden. Dies sei anzunehmen, wenn Gruppenangehörige nicht nur in einzelnen, aus dem Rahmen fallenden Sonderkonstellationen, sondern in bestimmten, wenn auch zahlenmäßig begrenzten typischen Fällen ohne zureichende sachliche Gründe verhältnismäßig stärker belastet würden als andere205. Den Verstoß der Berliner und Baden-Württemberger Regelungen begründete das Bundesverfassungsgericht insbesondere damit, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber ihr gewähltes gesetzgeberisches Konzept nicht folgerichtig umgesetzt hätten, denn – so das Gericht – habe sich der Gesetzgeber aufgrund eines ihm zukommenden Spielraums zu einer bestimmten Einschätzung des Gefahrenpotentials entschlossen, auf dieser Grundlage die betroffenen Interessen bewertet und ein Regelungskonzept gewählt, so müsse er diese Entscheidung folgerichtig weiterverfolgen206. Indem gesetzliche Ausnahmen zulasten des Gesundheitsschutzes und zugunsten der Gastwirte zugelassen wurden, erhielten die Gesundheitsgefährdungen durch Passivrauchen bei der Abwägung gegenüber der Berufsfreiheit der Gastwirte ein unterschiedliches Gewicht207. Die gesetzlichen Regelungen verschärften so die Belastung der Betreiber kleinerer Gaststätten, indem sie größeren Gaststätten, bei denen abgetrennte Raucherräume eingerichtet werden könnten, Vorteile im Wettbewerb um die Gäste verschaffe208. Die zweite Frage beantwortete das Bundesverfassungsgericht damit, es sei mit Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, das auch Diskotheken von der Möglichkeit ausgeschlossen seien, nach Maßgabe der Baden-Württemberger Regelung Raucherräume einzurichten209. Dabei führte das Gericht aus, ungeachtet der Anforderungen, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ergäben, könnten Berufsausübungsregelungen nur dann Bestand haben, wenn sie auch sonst in jeder Hinsicht verfassungsmäßig seien und insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachteten210. Darüber hinaus stellte es fest, dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers seien umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlungen auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, namentlich auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung, nachteilig auswirken könnten211. Daran gemessen sei der generelle gesetzliche Ausschluss der Diskotheken von der Begünstigung, die in der Ausnahme abgetrennter Raucherräume vom Rauchverbot zu sehen sei, nicht gerechtfertigt212.
205 206 207 208 209 210 211 212
BVerfGE 121, 317 (358). BVerfGE 121, 317 (362 f.). BVerfGE 121, 317 (365 f.). BVerfGE 121, 317 (366 f.). BVerfGE 121, 317 (368 f.). BVerfGE 121, 317 (369). BVerfGE 121, 317 (369 f.). BVerfGE 121, 317 (370).
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Im Urteil zum Nichtraucherschutz bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Verbindung von Art. 12 Abs. 1 GG mit Art. 3 Abs. 1 GG aus seinem Beschluss zur Erdölbevorratung vor allem dahingehend, dass gesetzliche Regelungen, die in die Berufsausübungsfreiheit eingreifen, aus gleichheitsrechtlicher Sicht, Differenzierungen vorzunehmen haben, sollten innerhalb der Berufsgruppe – hier der Gastwirte – typische Fälle ohne rechtfertigenden Grund stärker belastet werden. Im Vergleich zur Erdölbevorratung hat das Bundesverfassungsgericht in der Nichtraucherschutzentscheidung einen weiteren Aspekt betont, der die verbundene Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG betrifft: Es forderte im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraums bei Berufsausübungsregelungen die Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Sinne eines Differenzierungsverbots, was bedeutet, je stärker eine Beschränkung der Berufsfreiheit durch Ungleichbehandlungen von wesentlich Gleichem stattfindet, umso enger sind die Grenzen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht das Gebot der Folgerichtigkeit als gleichheitsrechtlichen Prüfungsmaßstab angewandt: Das Gericht forderte vom Gesetzgeber, dass im Rahmen der Umsetzung eines Konzepts, bei dem eine legitime Entscheidung in Bezug auf die Abwägung der Interessen zu schützender Rechtsgüter getroffen wurde, bei identischen Voraussetzungen den rechtlichen Konsequenzen nicht unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und so bestimmten Teilen der Berufsgruppe Wettbewerbsvorteile verschafft werden. cc) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2014 zum Schwerbehindertentransport durch ÖPNV-Unternehmen Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beinhaltet die Überprüfung der Erstattung von Fahrgeldausfällen für den Transport von Schwerbehinderten213. Das Gericht entschied über die Vereinbarkeit des generellen Regelungskonzepts der unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen gegen eine pauschale Erstattung der Fahrgeldausfälle im öffentlichen Nahverkehr nach den §§ 145, 148 SGB IX mit der Berufsausübungsfreiheit der ÖPNV-Unternehmer und kommt unter Hinweis auf sein Urteil vom 17. Oktober 1984214 zu dem Ergebnis, das Regelungskonzept sei mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar215. Das Bundesverfassungsgericht äußert sich ebenso zu der Frage, ob die Härtefallregelung des § 148 Abs. 5 S. 1 SGB IX a.F.216 den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m.
213
Vgl. dazu bereits umfassend: BVerfGE 68, 155 ff. BVerfGE 68, 155 ff. 215 BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1006 f.). 216 § 148 Abs. 5 S. 1 SGB IX in der Form des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005, vgl. BGBl. I 2005, S. 818 (827). 214
II. Unterschied im Schutzumfang?
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Art. 3 Abs. 1 GG genügt217. Grundsätzlich erhalten Unternehmer für den Transport von Schwerbehinderten eine pauschale Vergütung entsprechend dem durch das jeweilige Bundesland festgesetzten Prozentsatz218. Die Härtefallregelung des § 148 Abs. 5 S. 1 SGB IX bestimmt jedoch, dass einem Unternehmen bei dem Nachweis, dass es mehr als ein Drittel des durchschnittlichen Anteils an Schwerbehinderten befördert, der über dem Drittel liegende Anteil erstattet wird. Innerhalb der Überprüfung der Härtefallregelung führt das Bundesverfassungsgericht aus, Berufsausübungsregelungen könnten nicht nur dann verfassungswidrig sein, wenn sie in ihrer generellen Wirkung auf die betroffene Berufsgruppe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzten. Sie müssten auch die Ungleichheiten berücksichtigen, die typischerweise innerhalb des Berufs bestünden, dessen Ausübung geregelt wurde. Würden durch eine Berufsausübungsregelung, die im Ganzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker als andere belastet, dann könne Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein219. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, die Fahrgeldausfälle für die Beförderung schwerbehinderter Menschen seien ins Verhältnis zu setzen zu den Gesamtfahrgeldeinnahmen. Sie betrügen lediglich einen niedrigen einstelligen Prozentbereich und stellten daher eine entsprechend geringe Belastung dar220. Darüber hinaus lägen auch angebliche Wettbewerbsverzerrungen nicht auf der Hand221. Schließlich führt das Bundesverfassungsgericht aus, die Härtefallregelung verstoße nicht gegen den Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit und mithin nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG222. Denn abgesehen davon, dass es grundsätzlich der Entscheidung des Gesetzgebers unterliege, nach welchem System er eine Materie ordnen wolle und dass selbst eine bestehende Systemwidrigkeit keinen Gleichheitsverstoß darstelle, sondern einen solchen allenfalls indizieren würde, handle es sich bei der Härtefallregelung um die konsequente Umsetzung des gesetzgeberischen Grundgedankens einer einheitlichen pauschalen Erstattung kombiniert mit einer Regelung, die Härten vermeiden solle223. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Fahrgeldausfall bei der Beförderung von schwerbehinderten Menschen greift – ebenso wie die Entscheidungen zur Erdölbevorratung und zum Nichtraucherschutz – das Gebot auf, bei der Festsetzung von Berufsausübungsregelungen Differenzierungen innerhalb der Berufsgruppe, die sich auf typische Fälle beschränken, zu berücksichtigen. Überdies 217 218 219 220 221 222 223
BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1007 f.). § 148 Abs. 1 bis 4 SGB IX. BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1007). BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1007). BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1007). BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1007 f.). BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1008).
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
hält das Gericht in der Fahrgeldausfallentscheidung in ähnlicher Weise wie in dem Nichtraucherschutzurteil die systemprägenden Grundentscheidungen des Gesetzgebers im Rahmen seiner Überprüfung auf die Systemwidrigkeit der Härtefallregelung für einen angemessenen Überprüfungsmaßstab. Schließlich werden in der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht – wie in den beiden anderen Entscheidungen auch – Wettbewerbsgesichtspunkte zwischen den Nahverkehrsunternehmern aufgenommen. Folglich zeigen die beispielhaft herangezogenen Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die verbundene Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG als Überprüfungsmaßstab angewandt hat, unabhängig von dem der jeweiligen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ähnliche Prüfungskriterien in der verfassungsrechtlichen Kontrolle. b) Verbundene Idealkonkurrenz im Vertragsarztrecht? Bei der Überprüfung von Berufsausübungsregelungen anhand der verbundenen Idealkonkurrenz aus Berufsfreiheit und allgemeinem Gleichheitssatz ist das Bundesverfassungsgericht wiederholt auf bestimmte Kriterien eingegangen, wie etwa das Bedürfnis eines Differenzierungsgebots innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe oder eines Differenzierungsverbots bei Auswirkungen der Ungleichbehandlung auf die Berufsfreiheit. Es stellt sich daher die Frage, ob die dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegten Sachverhalte und Strukturen in anderen Berufsgruppen und die darauf angewandten rechtlichen Kriterien auf das Vertragsarztrecht übertragbar sind und folglich, ob die verbundene Idealkonkurrenz aus Berufsfreiheit und allgemeinem Gleichheitssatz auch im vertragsärztlichen Vergütungsrecht zu Recht herangezogen wird, oder ob nicht eine getrennte Grundrechtsprüfung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG den Vertragsärzten mehr Schutz bietet. aa) Differenzierungsgebot innerhalb einer Berufsgruppe Im Vertragsarztrecht drängt sich die vom Bundesverfassungsgericht in anderen Berufsbereichen geforderte weitere Differenzierung in Untergruppen224 schon deshalb auf, weil durch die unterschiedlichen Facharztrichtungen der einzelnen Vertragsärzte auch unterschiedliche Leistungen am Patienten erbracht werden können und dürfen225. Beispiele in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind etwa Vertragsärzte, die psychotherapeutische, zeitabhängige und genehmigungsbedürftige Leistungen erbringen oder Laborärzte, die größtenteils nur mit Auftrag tätig 224
Vgl. etwa: BVerfGE 30, 292 (327); 59, 336 (355 f.); 65, 116 (125 f.); 68, 155 (173); 77, 84 (113); 121, 317 (358); BVerfG, NVwZ 2011, 294 (295); NVwZ 2014, 1005 (1007). 225 Vgl. auch: Reuter, in: Berchtold/Huster/Rehborn, SGB V, § 87b SGB V Rn. 25, der aufzeigt, dass das Gebot zur Ungleichbehandlung im Rahmen der Honorarverteilung in der Vergangenheit eine wesentlich größere Relevanz erlangt hat als das Gebot zur Gleichbehandlung.
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werden und nicht selbst für ihre Leistungen werben können226. Über das Merkmal der Fachgruppenzugehörigkeit hinaus – auch in der Würdigung durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – hat sich die Gruppe derjenigen Vertragsärzte herausgehoben, die nur unterdurchschnittlich viele Leistungen erbringen und daher nur geringe Punktzahlen abrechnen können, sog. Aufbaupraxen im Anfangsstadium einer Praxisgründung oder sonstige Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz. Diese Praxen können durch ihre schlechte Vergütungssituation, in der sie sich aufgrund des Anfangsstadiums oder ihrer Größe befinden, von anderen Praxen unterschieden werden. Diese Untergruppen stellen folglich typische Fälle dar, die ohne unzureichende Gründe durch Berufsausübungsregelungen – hier die gesetzlichen und untergesetzlichen Vergütungsregelungen – zum Teil wesentlich stärker belastet wurden als andere. In dieser Weise hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, als es in seinem Beschluss vom 10. Mai 1972 zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Honorarverteilungsmaßstäben Stellung nahm227. Inhalt der Entscheidung ist die inzidente Überprüfung eines Honorarverteilungsmaßstabs, der eine gestaffelte Kürzung aller Vertragsarzthonorare vorsah, ohne dabei auf die Unterschiede der einzelnen Facharztgruppen einzugehen228. Dabei führt das Gericht aus, Berufsausübungsregelungen könnten nicht nur dann verfassungswidrig sein, wenn sie in ihrer generellen Wirkung auf die betroffene Berufsgruppe die sich aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 12 Abs. 1 GG ergebenen Grundsätze verletzten. Sie müssten, wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 16. März 1971 zur Erdölbevorratung229 entschieden habe, auch die Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der Berufsgruppe bestünden, da anderenfalls Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein könne230. Im Ergebnis lehnt das Bundesverfassungsgericht in diesem Fall eine solche Verletzung deshalb ab, weil es sich bei der angegriffenen Honorarverteilungsregelung um eine Anfangsregelung handelte, die nach zwei Jahren grundlegend geändert wurde. Bei Einführung einer neuen Regelung dürften durch den Normgeber gröbere Typisierungen und Generalisierungen vorgenommen werden231. Folglich verweist das Bundesverfassungsgericht nicht nur explizit auf die Erdölbevorratungsentscheidung und ihre Inhalte, sondern sieht ausdrücklich im Vertragsarztrecht eine mit den Mineralölimporthändlern vergleichbare Situation, die es mit dem gleichen Maßstab bewertet. Das Bundesverfassungsgericht führt dahingehend aus, dass als Maßstab für die Prüfung, ob der Honorarverteilungsmaßstab, insbesondere die enthaltene Kürzungsregelung, ver226 Vgl. etwa: BSGE 73, 131 ff. Siehe auch: Kötter, Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 267 ff. 227 BVerfGE 33, 171 ff. 228 BVerfGE 33, 171 (179 f., 189 f.). 229 BVerfGE 30, 292 (327). 230 BVerfGE 33, 171 (188). 231 BVerfGE 33, 171 (189 f.). Siehe dazu auch bereits im Abschnitt D. IV. 3., S. 224.
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fassungsmäßig geschützte Rechte der Beschwerdeführer verletze, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG heranzuziehen sei232. In gleicher Weise hat das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 29. September 1993, in dem es die Rechtsprechung zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entwickelte, entschieden. Dort nimmt es Bezug zu dem obigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 1972233, der die Überprüfung eines Honorarverteilungsmaßstabs beinhaltet, und führt in diesem Sinne aus, Berufsausübungsregelungen müssten, auch wenn sie in der gewählten Form prinzipiell zulässig seien, die Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestünden234. Darüber hinaus stellt das Bundessozialgericht fest, angesichts der mit der Rechtssetzung durch einen Berufsverband verbundenen Gefahr der Benachteiligung von Minderheiten komme der Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit und ausreichender Differenzierung beim Erlass von Vergütungsregelungen besonderes Gewicht zu; die den Kassenärztlichen Vereinigungen eingeräumte Verteilungsautonomie lasse sich im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nur rechtfertigen, wenn damit die Verpflichtung zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebots verbunden würde235. Mithin sind der Sachverhalt und die Strukturen von Berufsbereichen, zu denen das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, in der Hinsicht mit dem Vertragsarztrecht vergleichbar, als auch Vertragsärzte eine Berufsgruppe darstellen, innerhalb derer rechtlich weiter differenziert werden muss, wenn typische Fälle eine abgrenzbare Gruppe bilden. Insoweit bietet sich die verbundene Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Überprüfungsmaßstab für vertragsärztliche Berufsausübungsregelungen an. bb) Differenzierungsverbot bei Auswirkungen auf die Berufsausübungsfreiheit Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen, in denen es den Prüfungsmaßstab aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG angewandt hat, nicht nur – wie bereits ausgeführt – ein besonderes Differenzierungsgebot, sondern auch strengere Anforderungen an Differenzierungsverbote entwickelt. In dem Urteil vom 30. Juli 2008236 zu den Berliner und Baden-Württemberger Nichtraucherschutzgesetzen stellt es etwa fest, dem Gesetzgeber der zu überprüfenden Berufsausübungsregelung seien umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleich232
BVerfGE 33, 171 (182 f.). BVerfGE 33, 171 ff. 234 BSGE 73, 131 (138). Vgl. auch: BSG, NZS 1995, 380 (381); BSG, Urt. v. 29. 01. 1997 – 6 RKa 3/96, juris Rn. 14. 235 BSGE 73, 131 (138). Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt I., S. 249 ff., dort insbesondere Nachweise in Fn. 19. 236 BVerfGE 121, 317 ff. 233
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behandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, namentlich auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung, nachteilig auswirken könne237. Die tatsächlichen Gegebenheiten, die den Urteilen zum Nichtraucherschutz zugrunde lagen, sind vergleichbar mit den Strukturen im Vertragsarztrecht. Im Fall zum Baden-Württemberger Nichtraucherschutzgesetz waren etwa Diskothekenbetreiber im Verhältnis zu sonstigen Gastwirten ungleich behandelt worden, obwohl eine wesentlich gleiche Situation vorgelegen und es dafür keine hinreichenden rechtfertigenden Gründe gegeben hatte238. Vergleichbar ist die Situation beim Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über das Hamburger Passivraucherschutzgesetz vom 24. Januar 2012. Dort war denjenigen Gastwirten, die eine Schankwirtschaft ohne Angebot von zubereiteten Speisen betrieben hatten, gesetzlich die Möglichkeit eröffnet worden, Raucherräume einzurichten239. Dabei fand allerdings eine Ungleichbehandlung gegenüber Gastwirten von Speisewirtschaften statt, die so daran gehindert wurden, gesonderte Nebenräume einzurichten, um dort ihren Gästen das Rauchen zu gestatten, und damit eine Ausnahme vom ansonsten geltenden Rauchverbot in Gaststätten für sich zu nutzen. Auch in diesem Fall hatte das Gesetz zur Folge, dass Betreibende von Speisewirtschaften nicht in Ausübung ihres Berufs das Angebot ihrer Gaststätten auch für rauchende Gäste attraktiv gestalten konnten und dies erhebliche wirtschaftliche Nachteile nach sich zog240. Eine ähnliche Problematik ergibt sich unter den Vertragsärzten allein schon dadurch, dass gleiche Behandlungsleistungen durch das Bestehen von fachgruppenbezogenen Honorartöpfen ungleich vergütet werden und es dadurch zu einer unterschiedlichen Behandlung einzelner Facharztgruppen kommt241. Beispielhaft können etwa die Leistungen zur psychosomatischen Grundversorgung242 herangezogen werden, die im Kapitel 35 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs mit den entsprechenden Gebührenordnungspositionen aufgeführt sind243 und von verschiedenen Facharztgruppen erbracht und abgerechnet werden können. So können die 237 BVerfGE 121, 317 (369 f.). Vgl. auch: BVerfGE 130, 131 (142 f.); StGH BW, Urt. v. 17. 06. 2014 – 15/13, 1 VB 15/13, juris Rn. 375 f. Zu Entscheidungen, in denen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Idealkonkurrenz geprüft wurden, vgl. etwa: BVerfGE 62, 256 (274); 92, 53 (69); 103, 172 (193). 238 BVerfGE 121, 317 (319, 370). 239 BVerfGE 130, 131 (132 f.). Siehe dazu auch: Muckel, JA 2012, S. 556 ff. 240 BVerfGE 130, 131 (143). 241 Siehe dazu auch: BSGE 77, 288 (294 f.); Freudenberg, in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-SGB V, § 85 SGB V Rn. 154. 242 Leistungen zur psychosomatischen Grundversorgung sind vor allem die verbale Intervention im Rahmen einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung und die Kooperation mit psychotherapeutischen Versorgungszentren, vgl. Bundesärztekammer, Curriculum Psychosomatische Grundversorgung, Stand: 2001, S. 27. 243 Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Stand: 1. Quartal 2016, S. 677 ff., abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_1._Quartal_2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016).
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Leistungen zur psychosomatischen Grundversorgung nach dem Baden-Württemberger Honorarverteilungsmaßstab etwa von Fachärzten für Innere Medizin, HalsNasen-Ohren-Heilkunde, Neurologie, Orthopädie und Urologie244 erbracht und abgerechnet werden. Allerdings werden sie nicht in jeder Fachgruppe zu dem im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Preis, d. h. der dort geregelten bundeseinheitlichen Euro-Gebührenordnung, vergütet, da innerhalb der einzelnen Fachgruppentöpfe der Preis für eine Leistung variieren kann. Die unterschiedliche Vergütung hat somit Auswirkungen auf die Ausübung des Berufs als Vertragsarzt. Zum einen können Vertragsärzte dadurch nicht selbst den Preis – etwa in gleicher Höhe, wie in einer anderen Facharztgruppe – festsetzen, zum anderen können sie nicht selbst darüber entscheiden, ob sie bestimmte Leistungen überhaupt erbringen und abrechnen wollen, selbst wenn sie eine entsprechende Ausbildung dazu absolviert haben. Denn die Weiterbildung und die dadurch erlangte berufsrechtliche Berechtigung eines Arztes, bestimmte Leistungen eines Fachgebietes erbringen zu dürfen, hat – zwar überwiegend aber – nicht zwingend zur Folge, dass diese Befugnis auch innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung besteht, da insoweit etwa Wirtschaftlichkeitsaspekte dem Berufsrecht vorgehen können245. Folglich zeigt sich die aus anderen Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen bekannte Problematik – je mehr Berufsausübungsregelungen wesentlich Gleiches ungleich behandeln, um so höher sind die negativen Auswirkungen auf die Ausübung des Berufs – auch im Vertragsarztrecht. Daher ist auch in dieser Hinsicht die Anwendung der verbundenen Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auf vertragsärztliche Berufsausübungsregelungen gerechtfertigt. cc) Gebot der Folgerichtigkeit, gesetzgeberisches Konzept und Systemwidrigkeit In einigen Entscheidungen, welche die verbundene Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG zum Gegenstand haben, zieht das Bundesverfassungsgericht das Gebot der Folgerichtigkeit246 bzw. ähnliche Gedanken, wie die selbst gesetzte Sachgesetzlichkeit247, das konsequent zu verfolgende gesetzliche Konzept248 oder die verfassungsrechtlich bedenkliche Systemwidrigkeit, im Ge-
244
Vgl. Anlage 2a zum Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 2. Dezember 2015, S. 26 ff., abrufbar unter: http://www.kvbawue.de/ praxis/vertraege-recht/ (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016). 245 BSGE 115, 235 (237 ff.). Siehe dazu bereits ausführlich im Abschnitt B. I. 2. b) aa) (1), S. 78 ff. 246 BVerfGE 121, 317 (362 f., 366 f.). Ausführlich zur Folgerichtigkeit im vorangestellten Urteil, vgl. Michael, JZ 2008, S. 875 ff. Siehe auch bereits: Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 183. 247 BVerfGE 25, 236 (251 f.). 248 BVerfG, NVwZ 2011, 294 (295).
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gensatz zur konsequenten Umsetzung des gesetzgeberischen Grundgedankens249 als Maßstab zur Kontrolle heran. Etwa im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Berliner und Baden-Württemberger Nichtraucherschutzgesetzen vom 30. Juli 2008 wird das nicht folgerichtige Umsetzen eines vom jeweiligen Landesgesetzgeber gewählten gesetzgeberischen Konzepts als Begründung für einen Verfassungsverstoß herangezogen. Das Gericht betont, sofern sich der Gesetzgeber aufgrund eines ihm zukommenden Spielraums zu einer bestimmten Einschätzung des Gefahrenpotentials entschlossen, auf dieser Grundlage die betroffenen Interessen bewertet und ein Regelungskonzept gewählt habe, müsse er diese Entscheidung auch folgerichtig weiterverfolgen250. Ähnlich führt das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss zur Erstattung von Fahrgeldausfällen für den Transport von Schwerbehinderten vom 19. März 2014 aus, die dort zu beurteilende Härtefallregelung des § 148 Abs. 5 S. 1 SGB IX a.F.251 verstoße nicht unter dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Abgesehen davon, dass es grundsätzlich der Entscheidung des Gesetzgebers unterliege, nach welchem System er eine Materie ordnen wolle, handle es sich bei der angefochtenen Härtefallregelung um die konsequente Umsetzung des gesetzgeberischen Grundgedankens einer einheitlichen, pauschalen Erstattung kombiniert mit einer Regelung, die Härten vermeiden solle252. Vergütungsregelungen des Vertragsarztrechts sind ebenfalls anhand eines Folgerichtigkeitsmaßstabs verstärkt inhaltlich zu kontrollieren253. Im Verhältnis zu den gesetzgeberischen Konzepten, die dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurden – etwa den landesrechtlichen Nichtraucherschutzgesetzen und den Regelungen des SGB IX hinsichtlich des Schwerbehindertentransports –, besteht im Vergütungsrecht der Vertragsärzte allerdings über die parlamentsgesetzlichen Vergütungsregelungen der §§ 87 ff. SGB V hinaus, ein umfangreiches untergesetzliches Normenkonstrukt aus Einheitlichem Bewertungsmaßstab, Honorarverteilungsmaßstäben und den regionalen Euro-Gebührenordnungen. Dies hat zur Folge, dass jede Ebene der Normgebung dem Erfordernis der Folgerichtigkeit genügen muss. Somit hat jeder Normgeber zum einen Ausnahmen von seinen selbst festgesetzten Grundentscheidungen zu rechtfertigen und zum anderen seine Grundentscheidungen folgerichtig umzusetzen. Daher ist ebenso hinsichtlich einer Kontrolle am Maßstab des Folgerichtigkeitsgebots die Anwendung der verbundenen Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auf vertragsärztliche Berufsausübungsregelungen gerechtfertigt.
249
BVerfG, NVwZ 2014, S. 1005 (1007 f.). BVerfGE 121, 317 (362 f.). 251 In der Form des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21. März 2005, vgl. BGBl. I 2005, S. 818 (827). 252 BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1008). 253 Siehe dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt II. 2. c) bb), S. 272 ff. 250
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
dd) Wettbewerb innerhalb der Berufsgruppe In den Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine verbundene Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG angenommen hat, zieht das Gericht auch Aspekte des Wettbewerbs, der zwischen den jeweiligen der Berufsgruppe angehörigen Grundrechtsträgern besteht, heran. In diesem Zusammenhang beleuchtet das Bundesverfassungsgericht insbesondere die Auswirkungen von Wettbewerbsvor- und -nachteilen auf eine Grundrechtsverletzung bestimmter Grundrechtsträger254. So führte das Gericht etwa im Urteil zu den Nichtraucherschutzgesetzen in Berlin und Baden-Württemberg aus, die Landesgesetzgeber trügen durch die von ihnen gewählte Konzeption und Ausgestaltung der Nichtraucherschutzgesetze – indem für „Eckkneipen“ das absolute Rauchverbot galt, in größeren Gaststätten allerdings im Sinne eines relativen Rauchverbots, Raucherräume eingerichtet werden konnten – dazu bei, dass sich die wirtschaftliche Lage der Kleingastronomie noch weiter verschlechtere. Da für diese Lokale keine Raucherräume angeboten werden könnten, müssten ihre Betreiber nicht nur Verluste wegen der Raucher hinnehmen, die jetzt auf einen Gaststättenbesuch völlig verzichteten oder ihren Aufenthalt verkürzten; sie seien vielmehr zusätzlich noch durch die Abwanderung der Gäste belastet, die nunmehr Gaststätten mit Raucherräumen aufsuchten. Die gesetzliche Regelung verschärfe so die Belastung der Betreiber kleinerer Gaststätten, indem sie größeren Gaststätten Vorteile im Wettbewerb um die Gäste verschafften. Vor diesem Hintergrund könnten unterschiedliche Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen auf die einzelnen Gaststättensparten nicht lediglich als Ausdruck der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Wettbewerbs unbeachtet bleiben255. Ähnlich argumentiert das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur Erdölbevorratung, wenn es ausführt, die Unternehmensgruppe der unabhängigen Importeure werde offensichtlich von der Auferlegung der unentgeltlichen Bevorratungspflicht härter getroffen, als die zahlenmäßig größere Gruppe der übrigen Mineralölimporteure, namentlich derjenigen, die von anderen Unternehmen der Mineralölwirtschaft oder des Montanbereiches – insbesondere von Großunternehmen – abhängig seien. Auf die Wettbewerbssituation der unabhängigen Importeure, die auf der Absatzseite im Konkurrenzkampf mit den Raffinerien und internationalen Mineralölkonzernen stünden, wirkten sich kostensteigernde Belastungen von vornherein stärker aus als auf abhängige Importunternehmen, die keine oder keine vergleichbare eigene Absatz- und Preispolitik betreiben müssten und aufgrund ihrer speziellen Unternehmensbindung über bessere Stützungsmöglichkeiten verfügten256. Schon die Tatsache, dass das Gesetz die Beschwerdeführerinnen in eine Lage bringe, die eine – im Verhältnis zu den Konkurrenten – unverhältnismäßig schwere Belas254 Siehe etwa: BVerfGE 30, 292 (333); 121, 317 (366 f.); BVerfG, NVwZ 2014, 1005 (1007). 255 BVerfGE 121, 317 (366 f.). 256 BVerfGE 30, 292 (330 f.).
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tung und damit eine einschneidende Verschlechterung ihrer Wettbewerbslage nicht ausgeschlossen erscheinen lasse, ohne irgendeine Möglichkeit des Ausgleichs vorzusehen, beeinträchtige die Grundrechtsposition der Beschwerdeführerinnen aus Art. 3 Abs. 1 GG257. Eine Wettbewerbssituation, die vergleichbar mit derjenigen ist, die in anderen Berufsgruppen vorherrscht, bei denen Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Überprüfungsmaßstab herangezogen wird, besteht ebenso im Vertragsarztrecht. Greifen nun – grundsätzlich mit der Berufsausübungsfreiheit konforme – staatliche Regelungen in diesen Wettbewerb ein und setzen ihn teilweise außer Kraft, muss der Wettbewerb ebenfalls durch staatliche Regelungen – soweit möglich – wiederhergestellt werden, sodass zugunsten aller Marktkonkurrenten zumindest weitgehend gleiche Ausgangschancen bestehen. Dieses Vorgehen beschreibt das Bundesverfassungsgericht sowohl in dem Urteil zu den Nichtraucherschutzgesetzen, wenn es betont, auch den Eckkneipenbetreibern müsse die Möglichkeit zu eröffnen sein, rauchende Gäste zu bewirten258, als auch in dem Beschluss zur Erdölbevorratung, in welchem es ausführt, den unabhängigen Mineralölimporteuren müsse eine angemessene Berücksichtigung ihrer verschlechternden Belastungen aufgrund geringer Lagerkapazitäten und dem nicht bestehenden Rückgriff auf finanzielle und infrastrukturelle Großunternehmensstrukturen gesetzlich zugebilligt werden259. Ein Vertragsarzt steht im Wettbewerb mit fachlich und regional vergleichbaren Vertragsärzten und trägt das unternehmerische Risiko einer voll ausgelasteten Praxis. Gegenstand des Wettbewerbs ist die tatsächliche Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Leistungen durch die Versicherten. Die Besonderheit des Vertragsarztrechts ergibt sich daraus, dass mit dem Wettbewerb um die tatsächliche Inanspruchnahme durch Versicherte der Wettbewerb um die der Menge nach begrenzte Gesamtvergütung untrennbar verbunden ist, sodass sich die Vertragsärzte in einer besonderen Situation der quantitativen Konkurrenz befinden. Es besteht folglich ein Wettbewerb der darauf zielt, möglichst viele Versicherte zu behandeln und damit einen möglichst großen Anteil an der begrenzten Gesamtvergütung zu erhalten, da jedes Mehr an Honorar des einen Vertragsarztes unmittelbar ein Weniger des anderen bedeutet. Indem durch staatliche Berufsausübungsregelungen diese besondere Wettbewerbssituation erst hervorgerufen wird, und die vergütungsrechtlichen Regelungen auch zumeist mit der Berufsfreiheit vereinbar sind, muss zwingend gesichert sein, dass für alle Vertragsärzte zumindest normativ eine möglichst gleiche Ausgangslage im Sinne einer Chancengleichheit geschaffen wird. Folglich besteht eine besondere Art des Wettbewerbs, den das Bundesverfassungsgericht in Entscheidungen mit dem Überprüfungsmaßstab einer verbundenen Idealkonkurrenz aus Berufsfreiheit und allgemeinem Gleichheitssatz beschrieben hat, in vergleichbarer Weise im Vertragsarztrecht. In diesem Sinne stellt das Bun257 258 259
BVerfGE 30, 292 (333). BVerfGE 121, 317 (365 ff.). BVerfGE 30, 292.
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
dessozialgericht in einigen Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit vertragsärztlicher Vergütungsregelungen fest, den Vertragsärzten müsse die Chance bleiben, eigenständig neue Patienten zu gewinnen und so ihre Positionen im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern260. Daher lässt sich ebenso hinsichtlich einer Wettbewerbskomponente die Anwendung der verbundenen Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auf vertragsärztliche Berufsausübungsregelungen rechtfertigen. c) Zwischenergebnis Die durch das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zu anderen Berufsbereichen anhand des Maßstabs des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG wiederholt herangezogenen Kriterien des Differenzierungsgebots innerhalb einer Berufsgruppe, des Differenzierungsverbots bei Auswirkungen auf die Berufsausübungsfreiheit und des Gebots der Folgerichtigkeit sind mit den tatsächlichen Situationen des Vertragsarztrechts vergleichbar und wurden vom Bundesverfassungsgericht und Bundessozialgericht zum Teil selbst bereits im Vertragsarztrecht angewandt. Mithin ist die vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung praktizierte verbundene Idealkonkurrenz aus Berufsausübungsfreiheit und allgemeinem Gleichheitssatz im Vertragsarztrecht zu begrüßen.
III. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Maßgabe für den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird insbesondere in Bezug auf seine Herleitung aus einer Verbindung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG kritisiert. Eine dahingehende verbundene Idealkonkurrenz sei dogmatisch nicht geboten261 und führe zu Problemen, die durch eine getrennte Prüfung vermieden würden262. Über die Feststellung hinaus, dass Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Überprüfungsmaßstab auf vertragsärztliche Vergütungsregelungen angewandt werden kann, stellt sich im Besonderen die Frage, ob dieses Ergebnis auch unter Einbeziehung der Kritik, die der Grundrechtsverbindung im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entgegengebracht wird, Bestand hat.
260
Zuletzt etwa: BSG, SozR 4 – 2500 § 87b Nr. 2 Rn. 17. Reuther, VSSR 2003, S. 161. 262 Axer, NZS 1995, S. 541. Siehe auch: Neumann, in: v. Wulffen/Krasney, FS 50 Jahre BSG, S. 259 f. 261
III. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG
295
1. Unterschiedliche Stoßrichtungen von Freiheit und Gleichheit? Im Wesentlichen wird an der Grundrechtsverbindung aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG kritisiert, es käme zu einer Vermengung unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe263, da sich die Stoßrichtungen von Berufsfreiheit und allgemeinem Gleichheitssatz unterschieden264. Sie stellten gegenläufige Prinzipien mit verschiedenen Bezugsrahmen dar. Die verbundene Prüfung führe zu Problemen, die eine getrennte Prüfung vermeide und stifte mehr Verwirrung, als dass sie Probleme löse265. Die Berufsausübungsfreiheit betreffe das eindimensionale Verhältnis des Vertragsarztes zur Kassenärztlichen Vereinigung und gerade nicht das horizontale Verhältnis zu seinen Kollegen. Aus der Berufsfreiheit seien daher Maßnahmen zu begründen, welche die Höhe der Vergütung beträfen. In Bezug auf die Beteiligung an der Gesamtvergütung läge dagegen eine Verteilungskonstellation zwischen den Vertragsärzten vor, die typischerweise am Gleichheitssatz zu überprüfen sei, da es sich um eine spezifische gleichheitsrechtliche Fragestellung handle266. Das Gleichbehandlungsgebot beziehe sich folglich auf die horizontale Perspektive267. Das Grundrecht der Berufsfreiheit und das des allgemeinen Gleichheitssatzes haben – und dabei ist der Kritik an der „Grundrechtsmelange“268 zuzustimmen – dem Grunde nach unterschiedliche Stoßrichtungen. Die Berufsfreiheit betrifft überwiegend das vertikale Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung269, der allgemeine Gleichheitssatz bezieht sich auf die horizontale Beziehung zwischen den Vertragsärzten270. Allerdings können die Berufsfreiheit und der allgemeine Gleichheitssatz nicht ausschließlich getrennt voneinander betrachtet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen in Bezug auf verschiedene Berufsgruppen zum einen dargelegt, Berufsausübungsregelungen müssten – im Sinne eines Differenzierungsgebots – auch die Ungleichheiten berücksichtigen, die typischerweise innerhalb eines Berufs bestehen271. Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht – im Sinne eines Differenzierungsverbots – mehrmals ausgeführt, dem Gesetzgeber seien umso engere Grenzen zu setzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung von Freiheiten, insbesondere
263
Axer, NZS 1995, S. 541. Reuther, VSSR 2003, S. 161. 265 Axer, NZS 1995, S. 541. 266 Reuther, VSSR 2003, S. 161. 267 Axer, NZS 1995, S. 541. 268 So Ausdruck von: Axer, NZS 1995, S. 541. 269 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 291. Siehe auch: Reuther, VSSR 2003, S. 161. 270 Vgl. dazu bereits in diesem Abschnitt II. 2. c) aa), S. 269 ff. 271 Siehe dazu ausführlich in diesem Abschnitt II. 3. a), S. 279 ff., und b) aa), S. 286 ff., insbesondere Nachweise in Fn. 224. 264
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
der Berufsfreiheit, nachteilig auswirken kann272. Somit zeigt sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass in einigen Fällen zunächst die Herstellung von Gleichheit bzw. eine Differenzierung erforderlich ist, damit sich im Anschluss daran der verfassungsrechtliche Schutz der Berufsfreiheit entfalten kann. Demnach ist die in der Kritik angeführte grundsätzliche Unterschiedlichkeit der Stoßrichtungen von Freiheit und Gleichheit nicht zwingend schädlich, da insoweit im vertragsärztlichen Vergütungsrecht der Schutz des allgemeinen Gleichheitssatzes dem Schutz der Berufsfreiheit vorgelagert ist. Darüber hinaus besteht im Vertragsarztrecht die Besonderheit, dass der grundsätzlich zuzustimmenden Aussage, die Berufsfreiheit betreffe das vertikale und der allgemeine Gleichheitssatz das horizontale Verhältnis, nicht durchgängig zutrifft. Die Berufsfreiheit schützt unter anderem auch die Wettbewerbsfreiheit273. Ein Wettbewerb besteht – unabhängig davon in welchem Berufsfeld – immer im Verhältnis zwischen mindestens zwei Wettbewerbern um eine bestimmte Leistung am Markt. Daher ist vom Schutzbereich der Berufsfreiheit zumindest in dieser Hinsicht auch das horizontale Verhältnis zwischen Wettbewerbern umfasst. Im Vertragsarztrecht besteht ein Wettbewerb zwischen regional und fachlich gleichwertigen Vertragsärzten um die Inanspruchnahme der Versicherten und mittelbar um einen möglichst hohen Anteil der Gesamtvergütung; es herrscht folglich eine quantitative Konkurrenz. Somit impliziert der Schutz der Berufsausübungsfreiheit, dass jedem Wettbewerber, um überhaupt wettbewerbsfähig sein zu können, rechtlich gleiche Ausgangspositionen ermöglicht werden, da nur so gewährleistet werden kann, dass jeder Wettbewerber die Möglichkeit hat, seine Position am Markt selbstständig zu beeinflussen. Einen auf rechtlich gleiche Ausgangspositionen gerichteten Schutz gewährt ferner der allgemeine Gleichheitssatz274. Denn in einem System wie dem Vergütungsrecht der Vertragsärzte, bei dem durch staatliche Berufsausübungsregelungen eine Situation geschaffen wird, in der das Mehr an Vergütung des einen unmittelbar ein Weniger des anderen Vertragsarztes nach sich zieht, muss den an diesem System Beteiligten zumindest rechtliche Chancengleichheit gewährleistet werden. Jede Ergebnisgleichheit, im Sinne eines gleichen Anteils an der Gesamtvergütung für jeden Vertragsarzt, würde die für einen Vertragsarzt verbleibende Berufsausübungsfreiheit in Form der Beeinflussung seines beruflichen Erfolgs am Markt nivellieren. Ob betitelt als gleiche rechtliche Ausgangsmöglichkeiten, geschützt durch Art. 12 Abs. 1 GG, oder als rechtliche Gewinnerzielungs- bzw. Vergütungschancengleichheit, umfasst von Art. 3 Abs. 1 GG, dem Inhalt nach wird das Gleiche gefordert: die Schaffung eines grundrechtlich geschützten Anspruchs als
272 Siehe dazu ausführlich in diesem Abschnitt II. 3. a), S. 279 ff., und b) bb), S. 288 ff., insbesondere Nachweise in Fn. 237. 273 Vgl. zur Wettbewerbsfreiheit im Vertragsarztrecht bereits ausführlicher in diesem Abschnitt II. 1. b) cc), S. 256, und c) bb), S. 263 f. 274 Vgl. zur Chancengleichheit im Vertragsarztrecht bereits in diesem Abschnitt II. 2. c) aa), S. 269 ff.
III. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG
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Äquivalent dafür, dass durch staatliche Vergütungsregelungen die freien Marktkräfte im Vertragsarztrecht in großen Teilen ausgehebelt werden. Es besteht mithin nicht nur die Möglichkeit, die Berufsfreiheit und den allgemeinen Gleichheitssatz in verbundener Idealkonkurrenz als Überprüfungsmaßstab heranzuziehen, es kann sich darüber hinaus die Frage stellen, ob die vorliegende Situation eine Grundrechtsverbindung nicht sogar erfordert275. Nimmt man – wie auch die Kritik an der Verbindung der Grundrechte – an, Art. 12 Abs. 1 GG schütze die Höhe der Vergütung eines Vertragsarztes und Art. 3 Abs. 1 GG deren Verteilung, bleibt allerdings unberücksichtigt, dass jeder Vertragsarzt seiner „Vergütungsverteilerin“, der Kassenärztlichen Vereinigung, nicht allein gegenüber steht. Dem Vergütungssystem des Vertragsarztrechts ist vielmehr inhärent, dass jeder Vertragsarzt ins Verhältnis gesetzt wird sowohl zu seinem direkten Konkurrenten, der aus dem gleichen Facharzt- bzw. Hausarzttopf seine Vergütung erhält, als auch zu Konkurrenten, die zwar aus einem anderen Topf, aber aus der gleichen Gesamtvergütungsmasse vergütet werden. Darüber hinaus ist die angemessene Höhe der Vergütung eines Vertragsarztes nicht allein im eindimensionalen Verhältnis von Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung zu ermitteln, sondern auch insoweit ist ein Vergleich zum Durchschnitt der jeweiligen Vertragsarztgruppe oder anderer vergleichbarer Gruppen anzustellen und ein In-Verhältnis-Setzen vorzunehmen276. Daher ist der Kritik an einer verbundenen Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, aus welcher der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit herzuleiten ist, im Hinblick auf eine angebliche Vermengung unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe und verschiedener Stoßrichtungen nicht zu folgen.
2. Unterschiedliche Rechtfertigungen? Ein weiterer Kritikpunkt, der gegen die verbundene Prüfung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG angebracht wird, ist die Überlegung, dass sich die beiden Grundrechte im Hinblick auf die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit und hinsichtlich der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung grundlegend unterscheiden277. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Berufsausübungsregelung richtet sich im Sinne der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts278 nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der Besonderheit, dass es sich bei dem legitimen Ziel, welchem die Berufsausübungsre275
Vgl. auch: Link/de Wall, VSSR 2001, S. 97. Vgl. dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt II. 1. c) aa), S. 257 ff. 277 Reuther, VSSR 2003, S. 161. Dahingehend abgeschwächter: Axer, NZS 1995, S. 541, der die – zum damaligen Zeitpunkt nach der Rechtsprechung des BVerfG zwar schon bestehende, aber weitaus zaghaftere – Orientierung der neuen Formel am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zumindest feststellt. 278 Siehe dazu bereits Nachweise in diesem Abschnitt, Fn. 58. 276
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F. Die verfassungsrechtliche Herleitung der Honorarverteilungsgerechtigkeit
gelung zu dienen hat, um vernünftige Gründe des Gemeinwohls handeln muss279. Für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder der Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dabei wird bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, ein strengerer, der Verhältnismäßigkeitsprüfung angenäherter Maßstab angewandt, bei welchem im einzelnen nachzuprüfen ist, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können280. Vertragsärztliche Honorarregelungen haben zum einen Auswirkungen auf Personengruppen, indem bestimmte Arztgruppen zum Teil unterschiedlich vergütet werden, zum anderen wirken sich etwaige Gleich- oder Ungleichbehandlungen durch vertragsärztliche Honorarregelungen stets auch auf die Ausübung der Berufsfreiheit und damit auf die Wahrnehmung von Grundrechten aus. Aus diesem Grund ist die Rechtfertigung von Gleich- oder Ungleichbehandlungen durch vertragsärztliche Vergütungsregelungen überwiegend am strengeren Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu orientieren. Folglich ist das „Rechtfertigungsprozedere“281 der Berufsausübungsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht grundlegend unterschiedlich, sondern jeweils am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten282. Insoweit unterscheiden sich die beiden Grundrechte nicht in ihren Rechtfertigungsanforderungen. Daher bietet sich als Maßgabe für den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vielmehr eine verbundene Grundrechtsprüfung an.
IV. Ergebnis Die Grundrechtsverbindung aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG bietet dem Vertragsarzt hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Vergütungsregelungen keinen geringeren Schutz als die getrennte Überprüfung der Regelungen anhand der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die tatsächlichen Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungsrechts sind rechtlich weder eindeutig der Berufsfreiheit noch dem allgemeinen Gleichheitssatz zuzuordnen. Vielmehr hat die grundsätzlich der Berufsfreiheit zugeordnete Bestimmung einer an279 Grundlegend: BVerfGE 7, 377 (405 f.); zuletzt etwa: BVerfG, Beschl. v. 14. 01. 2015 – 1 BvR 931/12, juris Rn. 53. Vgl. auch: 94, 372 (389 f.); 101, 331 (347); 111, 10 (32); 121, 317 (346). 280 Vgl. dazu bereits ausführlich in diesem Abschnitt II. 2. a), S. 265 ff. 281 So der Ausdruck von: Reuther, VSSR 2003, S. 161. 282 Vgl. auch: Link/de Wall, VSSR 2001, S. 91 f. Zur Verhältnismäßigkeit als konfliktlösenden Maßstab im grundrechtsbeeinträchtigenden Bereich des Gesundheitswesens, vgl. auch: Pitschas, MedR 2015, S. 159.
IV. Ergebnis
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gemessenen Vergütungshöhe durch die Ermittlung der Angemessenheit anhand des Durchschnittshonorars vergleichbarer Arztgruppen gleichheitsrechtliche Aspekte und die grundsätzlich dem Gleichheitssatz zugeordnete Vergütungsverteilung durch die Konkurrenzsituation der Vertragsärzte berufsfreiheitliche Aspekte. Aus diesem Grund kann eine verfassungsrechtliche Überprüfung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen kaum in von einander getrennten Grundrechtsprüfungen vorgenommen werden. Um den nicht klar trennbaren Vergütungs- und Verteilungsbesonderheiten im Vertragsarztrecht gerecht werden zu können, bedarf es daher eines besonderen Maßstabes bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung. Somit sind die vertragsärztlichen Vergütungsregelungen anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit in verbundener Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zu überprüfen.
G. Schlussbetrachtung Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht ist ein komplexes System, welches in gesetzgeberischer Hinsicht auf der Ausformung von Gestaltungsfreiräumen sowie der Verfolgung bestimmter Versorgungs- und Vergütungsziele beruht und das anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit, hergeleitet aus einer Verbindung der Berufsausübungsfreiheit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, zu kontrollieren ist.
I. Normenkonstrukt aus parlamentsgesetzlichem und exekutivem Recht Das derzeitige ambulante Vergütungssystem des SGB V wird bestimmt durch die Honorarsteuerungsinstrumente des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs, der Honorarverteilungsmaßstäbe sowie seit einiger Zeit auch der regionalen Euro-Gebührenordnungen und ist somit durch ein ineinandergreifendes Vergütungskonstrukt geprägt. Das Vergütungssystem ist im Wesentlichen durch die Ziele, die Verteilung der Vergütung zu regionalisieren und zu flexibilisieren, einen Interessenausgleich zwischen ausreichender Versorgung und angemessener Vergütung zu finden sowie die Kalkulation der Vergütung planbarer und transparenter zu gestalten, beeinflusst. Auf parlamentsgesetzlicher Ebene lassen sich einerseits punktuelle Vorgaben erkennen, die einzelne Aspekte herausheben, andererseits regelt der Gesetzgeber in seinen Vorgaben zu den untergesetzlichen Honorarsteuerungsinstrumenten Verteilungskriterien, die sich durch ihre stetige Weiterentwicklung zu Grundsätzen der vertragsärztlichen Vergütungsverteilung entwickelt haben. Punktuell hervorgehoben hat der Gesetzgeber etwa im Honorarverteilungsmaßstab die Förderung kooperativer Behandlungen1 oder Ausnahmen für unterversorgte Gebiete2 sowie die Möglichkeiten, in regionalen Euro-Gebührenordnungen Zuschläge aufgrund von Unterversorgung3 oder aufgrund medizinischer Versorgung in Pflegeheimen zu vereinbaren4. Als Grundätze der vertragsärztlichen Vergütung haben sich demgegenüber die gesetzlichen Vorgaben zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab und zum Honorarverteilungsmaßstab bezüglich der Trennung von hausärztlicher und fachärztlicher 1 2 3 4
§ 87b Abs. 2 S. 2 SGB V. § 87b Abs. 3 S. 1 SGB V. § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 1 SGB V. § 87a Abs. 2 S. 3 HS. 2 SGB V.
I. Normenkonstrukt aus parlamentsgesetzlichem und exekutivem Recht
301
Versorgung5 und der angemessenen Vergütung psychotherapeutischer, zeitabhängiger Leistungen6 entwickelt. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz7 vom 16. Juli 2015 zeichnet sich im Hinblick auf die Vorgaben und Regelungsziele der vertragsärztlichen Honorarverteilung keine wesentliche Änderung ab8. Vielmehr werden bestehende Mechanismen explizit verstärkt, zum Teil leicht abgeändert oder aber durch eine stillschweigende Beibehaltung bestätigt. Explizit verstärkt wird beispielsweise die Trennung von haus- und fachärztlicher Vergütung9, die Bewertung der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab auf der Grundlage sachgerechter Stichproben und einer betriebswirtschaftlichen Basis10, die Herstellung der Honorargerechtigkeit zwischen den unterschiedlichen Regionen11 oder die Transparenz der Rechtsetzung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen12. Leicht abgeändert wird darüber hinaus etwa die Förderung von Praxisnetzen in den Honorarverteilungsmaßstäben13. Das grundlegende, regional und flexibel ausgestaltete Konzept aus ineinandergreifendem Einheitlichen Bewertungsmaßstab, Honorarverteilungsmaßstäben und regionalen EuroGebührenordnungen wird beibehalten14. Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Legislaturperioden recht hohen Änderungsfrequenz des Honorarverteilungsrechts kann davon ausgegangen werden, dass das derzeitige Honorarverteilungssystem bestehen bleibt. Darüber hinaus können den jüngsten Gesetzesänderungen, wie etwa dem Hospiz- und Palliativgesetz15 vom 1. Dezember 2015, dem Krankenhausstrukturgesetz vom 10. Dezember 201516 und dem eHealth-Gesetz vom 21. Dezember 201517, wesentliche Veränderungen des Vergütungsverteilungssystems nicht entnommen werden. Vielmehr sind auch danach im Verhältnis zum gesamten Vergütungsrecht lediglich kleinere Veränderungen vorgenommen worden, etwa hinsichtlich der Integration der Palliativversorgung in die Regelversorgung18, 5
§ 87 Abs. 2a S. 1 HS. 1 SGB V für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab und § 87b Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V für die Honorarverteilungsmaßstäbe. 6 § 87 Abs. 2c S. 6 SGB V für den Einheitlichen Bewertungsmaßstab und § 87b Abs. 2 S. 4 SGB V für die Honorarverteilungsmaßstäbe. 7 BGBl. I 2015, S. 1211 ff. 8 So auch: Reuter/Volmering/Weinrich, GesR 2015, S. 449. 9 BT-Drs. 18/4095, S. 97. 10 BT-Drs. 18/4095, S. 93. 11 BT-Drs. 18/4095, S. 96 f. 12 BT-Drs. 18/4095, S. 98. 13 BT-Drs. 18/4095, S. 97. 14 Vgl. dazu auch die allgemeine Zielsetzung der „Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung durch Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für Vertragsärzte“, BT-Drs. 18/4095, S. 51. 15 BGBl. I 2015, S. 2114 ff. Vgl. auch: BT-Drs. 18/5170. 16 BGBl. I 2015, S. 2229 ff. Vgl. auch: BT-Drs. 18/6586. 17 BGBl. I 2015, S. 2408 ff. Vgl. auch: BT-Drs. 18/5293; BT-Drs. 18/6905. 18 BT-Drs. 18/5170, S. 26 ff.
302
G. Schlussbetrachtung
der Leistungsvergütung im Notfall und Notdienst19 oder der Förderung telemedizinischer Leistungen20. Neben den jüngeren Gesetzesänderungen ist im Juni 2014 eine Machbarkeitsstudie des Instituts für Gesundheit und Sozialforschung (IGES-Institut), im Auftrag und auf der Grundlage der Daten der Techniker Krankenkasse, veröffentlicht worden21. Anders als der Gesetzgeber es gegenwärtig mit Mengenbegrenzungsmechanismen, Pauschalvergütung und noch immer zum Teil floatenden Preisen innerhalb der vertragsärztlichen Vergütung praktiziert, soll nach dem Gutachten des Instituts für Gesundheit und Sozialforschung eine „Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor“ – so der Titel – stattfinden. Die Grundidee besteht darin, die Vergütung nach Einzelleistungen vorzunehmen und dabei zwischen variablen und fixen Kosten zu unterscheiden. Die Vergütung jeder einzelnen abrechenbaren Leistung würde sich demnach in zwei Teile unterteilen; der variable Anteil, inklusive des Arztlohnes, soll für jede erbrachte Leistung unbeschränkt vergütet werden. Ein Fixkostenaufschlag soll dagegen nur so lange als Aufschlag auf die Leistungsvergütung gewährt werden, bis die durchschnittlichen Fixkosten einer Arztpraxis – differenziert nach Kassenärztlicher Vereinigung und Arztgruppe – abgegolten sind22. Mehrkosten sollen dabei nur einmalig in Höhe von 5,4 % bis 5,9 %, das entspräche einer zusätzlichen Vergütung von 1,29 Mrd. bis 1,41 Mrd. Euro, entstehen23. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass trotz der Schwierigkeiten im bestehenden Vergütungssystem grundlegende Änderungen des Systems erfolgen werden.
19
BT-Drs. 18/6586, S. 105 f. BT-Drs. 18/5293, S. 41. 21 Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014. Vgl. dazu auch: aerzteblatt.de, Ärzte begrüßen Vorschläge der Techniker Krankenkasse für Honorarreform, Stand: Juni 2014, abrufbar unter: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/59165/Aerzte-begruessen-Vorschlaege-der-TechnikerKrankenkasse-fuer-Honorarreform (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); Ärzte Zeitung online, TK will Vergütung für Ärzte umkrempeln, Stand: Juni 2014, abrufbar unter: http://www. aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/aerztliche_verguetung/article/863958/honorar-tk-will-ver guetung-aerzte-umkrempeln.html (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); Handelsblatt online, Techniker Krankenkasse will neue Ärzte-Honorare, Stand: Juni 2014, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/fuer-bessere-versorgung-techniker-kranken kasse-will-neue-aerzte-honorare/10103302.html (zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2016); Kassenärztliche Bundesvereinigung, Pressemitteilung vom 25. Juni 2014, Der Weg hin zur Vergütung der Einzelleistung ist richtig – Gassen: „Wir sind gesprächsbereit“. 22 Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 46 ff. 23 Neumann/Gierling/Albrecht/Dietzel/Wolfschütz, Reform der ärztlichen Vergütung im ambulanten Sektor, Stand: Juni 2014, S. 8, 85. 20
II. Verfassungsrechtlicher Überprüfungsmaßstab
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II. Verfassungsrechtlicher Überprüfungsmaßstab aus der Verbindung von Berufsfreiheit und Gleichheit Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist die Normsetzung der Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung hinsichtlich eines in der Literatur noch immer diskutierten Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 2 GG, insbesondere gegen deren demokratische Legitimation, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Für Vertragsärzte bestehen durch die Verteilung des Honorars aufgrund gesetzlicher und untergesetzlicher Normsetzung jedoch verfassungsrechtliche Besonderheiten bezüglich der Berufsausübungsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die grundsätzlich im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Preisfreiheit wird durch die staatlichen Vergütungsregelungen eingeschränkt, da Vertragsärzte ihre Vergütung nicht frei aushandeln können. Darüber hinaus begrenzen die als Berufsausübungsregelungen zu qualifizierenden Vergütungsverteilungsregelungen auch die Wettbewerbsfreiheit der Vertragsärzte dahingehend, dass mittelbar ein quantitativer Wettbewerb zwischen den Vertragsärzten um die überwiegend der Höhe nach begrenzte Gesamtvergütung entsteht. Diesbezügliche Beschränkungen sind allerdings nur dann verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So ist dem Vertragsarzt als Äquivalent zur eingeschränkten Preisfreiheit zumindest ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu gewährleisten, dessen Umfang sich am Durchschnitt der jeweiligen Vergleichsgruppe orientiert. Überdies sind den Vertragsärzten, als Ausgleich für die begrenzte Wettbewerbsfreiheit, gleiche Ausgangsmöglichkeiten zu gewährleisten, um ihnen im Anschluss die Gelegenheit zu geben, ihre Positionen im Wettbewerb selbstständig beeinflussen zu können. Weiterhin ergeben sich Besonderheiten im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Honorarverteilung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht weist die Besonderheit auf, dass aus einer überwiegend begrenzten Höhe der Gesamtvergütung die Gegenleistung für die ambulant erbrachten Behandlungsleistungen zu verteilen ist und dies im Wege von ineinandergreifenden staatlichen Regelungen auf gesetzlicher und untergesetzlicher Ebene geschieht. Daher sind hinsichtlich des Schutzes, den der allgemeine Gleichheitssatz bietet, an das vertragsärztliche Vergütungssystem besondere Anforderungen zu stellen: Als Kompensation für die Besonderheit, dass jedes Mehr an Vergütung des einen Vertragsarztes unmittelbar ein Weniger des anderen bedeutet, sind den Vertragsärzten gleiche Vergütungs- und Gewinnerzielungschancen durch Rechtsgleichheit sowohl auf gesetzlicher als auch auf untergesetzlicher Ebene zu gewährleisten. Ferner müssen aus Gründen des Art. 3 Abs. 1 GG die Regelungen zugunsten der Normadressaten schlüssig und folgerichtig sein. Zur verfassungsrechtlichen Überprüfung der Honorarverteilungsregelungen hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG entwickelt. Trotz
304
G. Schlussbetrachtung
über 20jähriger Anwendung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit bestehen noch Fragen und es zeigen sich Probleme. So wird der aus der Verfassung hergeleitete Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Geboten zur Überprüfung von Vergütungsregelungen eingesetzt. Dabei werden der verfassungsrechtliche Grundsatz und die parlamentsgesetzlichen Gebote nicht immer klar voneinander getrennt, da Inhalte der parlamentsgesetzlichen Gebote nicht selten dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zugeschrieben werden. Um den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu effektuieren, bedarf es dessen inhaltlicher Konturierung und Weiterentwicklung. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist auf alle Vergütungsregelungen mit Verteilungswirkung anzuwenden. Bei der Überprüfung von Honorarverteilungsregelungen anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist die Überprüfung mithilfe der verbundenen Idealkonkurrenz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG durchzuführen. Die Verteilungssituation im Vertragsarztrecht erfordert eine aus der Berufsausübungsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz verbundene Überprüfung, da in einem System, in dem die Höhe der Vergütung gemeinhin davon abhängt, wie hoch andere Systembeteiligte vergütet werden, weder ausschließlich am Maßstab der Berufsausübungsfreiheit, noch ausschließlich aus gleichheitsrechtlicher Sicht beantwortet werden kann, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht zu genügen hat. Jede Gleich- oder Ungleichbehandlung im vertragsärztlichen Vergütungsrecht hat mehr oder weniger Auswirkungen auf die Ausübung des Berufs als Vertragsarzt. Gleichzeitig ist der verfassungsrechtliche Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit von parlamentsgesetzlichen Geboten getrennt zu prüfen. Darüber hinaus sind die dem Honorarverteilungssystem zugrundeliegenden wesentlichen normgeberischen Entscheidungen als Maßstab des Gebots der Folgerichtigkeit zusammenzufassen und bei der Überprüfung einer Vergütungsregelung anhand des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit heranzuziehen. Schließlich ist der Grundsatz weiterhin als Kontrollmaßstab für Honorarverteilungsregelungen anzuwenden. Dagegen kann der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Anspruchsgrundlage oder als Grundlage zur richterlichen Rechtsfortbildung nur als vorübergehendes sozialgerichtliches Korrektiv bis zur jeweiligen untergesetzlichen oder bundesgesetzlichen Regelung eingesetzt werden. Die Untersuchung der Honorarverteilung im Vertragsarztrecht hat gezeigt, dass es sich bei dem Normensystem aus einer Kombination von Bundesgesetz sowie bundeseinheitlichen und regionalen untergesetzlichen Normen um ein hochkomplexes Regelungsgefüge handelt, welches ständiger gesetzgeberischer Änderung und stetiger Diskussion zwischen den Selbstverwaltungspartnern ausgesetzt ist. Um der sich auch in Zukunft stetig ändernden und komplexen Regelungsdichte in der Honorarverteilung des Vertragsarztrechts mit einem angemessenen gerichtlichen Kontrollmaßstab begegnen zu können, erfordert es zum verfassungsrechtlichen Schutz der Vertragsärzte der Weiterentwicklung des Grundsatzes der Honorarverteilungs-
II. Verfassungsrechtlicher Überprüfungsmaßstab
305
gerechtigkeit. Solange es bei der Verteilung von überwiegend der Höhe nach begrenztem Honorar auf der Grundlage von staatlichen Vergütungsregelungen bleibt, ist der verbundene Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG unabdingbar.
H. Thesen 1.
Die Honorarverteilung im Vertragsarztrecht ist geprägt durch ein Regelungsgefüge, welches sich aus dem Ineinandergreifen und dem Zusammenspiel parlamentsgesetzlicher und untergesetzlicher Normen ergibt. Das SGB V regelt die Honorarverteilung vorrangig in den §§ 87 bis 87b und normiert dort die Vorgaben für die wesentlichen Steuerungsinstrumente der Honorarverteilung. Auf untergesetzlicher Ebene steuern die Honorarverteilung der bundesweit geltende Einheitliche Bewertungsmaßstab, die regional festzusetzenden Honorarverteilungsmaßstäbe und die regionalen Euro-Gebührenordnungen.
2.
Der Gesetzgeber formt den Einheitlichen Bewertungsmaßstab in § 87 SGB Vals Leistungsverzeichnis und als Instrument zur Leistungsbewertung aus. Damit stellt der Einheitliche Bewertungsmaßstab durch seine abstrakte Bewertung von Leistungen in Punkten einen wesentlichen Faktor für die Vergütung von Vertragsärzten dar. Er hat schon als Bestandteil des Bundesmantelvertrags Rechtsnormcharakter. Durch das Regelungskonzept in § 87 Abs. 2 bis 2c SGB V gibt der Gesetzgeber dem zur Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs bestimmten Bewertungsausschuss einen weiten Gestaltungsspielraum, der zugleich wiederum durch einzelne Vorgaben eingeschränkt wird.
3.
Mit § 87b SGB V regelt der Gesetzgeber die rechtlichen Bedingungen für die Festsetzung von Honorarverteilungsmaßstäben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verteilen auf der Grundlage der Honorarverteilungsmaßstäbe die überwiegend der Höhe nach begrenzte Gesamtvergütung und schaffen damit Regelungen, nach welchen sich die Art und Weise der Gesamtvergütungsverteilung bestimmt. Durch die Festsetzung als Satzung haben Honorarverteilungsmaßstäbe Rechtsnormcharakter. Das in § 87b SGB V geregelte Konzept des Gesetzgebers eröffnet den untergesetzlichen Normgebern durch die unterschiedliche Intensität der gesetzgeberischen Vorgaben und die Zwischenschaltung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einen weiten Gestaltungsspielraum, der allerdings zur Erreichung einzelner Ziele punktuell eingeschränkt wird.
4.
Der Gesetzgeber gibt durch § 87a Abs. 2 und § 87 SGB V die Kriterien zur Erstellung der regionalen Euro-Gebührenordnungen vor. Aus dem Zusammenspiel der Leistungsbewertungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs, des bundeseinheitlichen Orientierungspunktwertes und der regionalen Zu- und Abschläge setzen sich die regionalen Euro-Gebührenordnungen zusammen. Damit ergibt sich eine Gebührenordnung aus festen Preisen, die unmittelbaren Einfluss auf das vertragsärztliche Honorar hat und der folglich Rechtsnorm-
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charakter beizumessen ist. Der Gesetzgeber gibt auch hier einen weiten Gestaltungsspielraum zugunsten der untergesetzlichen Normgeber und schränkt ihn, um bestimmte Ziele umzusetzen, ein. 5.
Die zur untergesetzlichen Normsetzung befugten Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht, insbesondere der Bewertungsausschuss und die Kassenärztlichen Vereinigungen, sind hinreichend demokratisch legitimiert. Die Normsetzung der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgt auf der Grundlage einer Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt und auf den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt ist. Die Normsetzung unterliegt ausreichender staatlicher Rechtsaufsicht durch das Bundesministerium für Gesundheit, die Normadressaten können ihren Sachverstand einbringen und sind entsprechend repräsentiert. Dies trägt dazu bei, dass das zum Teil bestehende personelle Legitimationsdefizit der gemeinsamen Selbstverwaltungsorgane ausgeglichen wird und folglich deren Normsetzung mit dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG vereinbar ist.
6.
Vertragsärztliche Vergütungsregelungen misst das Bundessozialgericht am Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, den es aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herleitet. Trotz über 20jähriger Anwendung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit bestehen noch Fragen und es zeigen sich Probleme. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird in Verbindung mit parlamentsgesetzlichen Geboten wie dem der leistungsproportionalen Verteilung und der angemessenen Vergütung zur Überprüfung von Vergütungsregelungen eingesetzt. Dabei werden der verfassungsrechtliche Grundsatz und die parlamentsgesetzlichen Gebote nicht immer klar voneinander getrennt. Vielmehr erfolgt eine Auslegung der parlamentsgesetzlichen Gebote im Sinne des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit, wobei der allgemeine Gleichheitssatz als vorrangiges Prüfungsmerkmal herangezogen wird.
7.
Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit hat in den verschiedenen vom Bundessozialgericht entwickelten Fallgruppen unterschiedliche Ausformungen erhalten. Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung von Honorartopfregelungen wurde er als Überprüfungsmaßstab angewandt und als Rechtsgrundlage für Beobachtungs- und Reaktionspflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen herangezogen. Hinsichtlich der Überprüfung von psychotherapeutischen Leistungen verwendete das Bundessozialgericht den Grundsatz als Anspruchsgrundlage auf einen bestimmten Stützpunktwert und begründete Handlungs- und Korrekturpflichten der normsetzenden Organe. Im Rahmen der Fallgruppe der Aufbaupraxen hat das Gericht den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Grundlage für einen Wachstumsanspruch angewandt. Schließlich wurde er in Entscheidungen zur allgemeinen Härteklausel auch als Grundlage zur richterlichen Rechtsfortbildung herangezogen, indem in Honorarverteilungsmaßstäben eine solche Klausel hineininterpretiert wurde.
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8.
Das vertragsärztliche Vergütungsrecht beschränkt die Berufsfreiheit der Vertragsärzte. Diese Beschränkungen sind nur dann verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn den Vertragsärzten zum einen als Äquivalent zur beschränkten Preisfreiheit ein Anspruch auf angemessene Vergütung gewährleistet wird, dessen Umfang sich am Durchschnitt der jeweiligen Vergleichsgruppe orientiert und der die Möglichkeit beinhaltet, Gewinne zu erwirtschaften. Als Äquivalent zur eingeschränkten Wettbewerbsfreiheit sind zum anderen gleiche Ausgangsmöglichkeiten zu gewährleisten, um den Vertragsärzten im Anschluss die Gelegenheit zu geben, ihre Positionen im Wettbewerb selbstständig beeinflussen zu können.
9.
Aufgrund der Besonderheiten der vertragsärztlichen Vergütungsverteilung stellt der allgemeine Gleichheitssatz spezielle Anforderungen an deren Ausgestaltung. Als Kompensation dafür, dass jedes Mehr an Vergütung des einen Vertragsarztes automatisch ein Weniger des anderen bedeutet, ist den Vertragsärzten Chancengleichheit, d. h. gleiche Vergütungs- und Gewinnerzielungschancen, durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsgleichheit zu gewährleisten. Darüber hinaus erfordert das vertragsärztliche Vergütungsrecht als eine in sich geschlossene Teilrechtsordnung, dass es zumindest in sich schlüssig und folgerichtig ist. Es ist daher das Gebot der Folgerichtigkeit als dem Gleichheitssatz innewohnendes Prinzip zur Überprüfung von vertragsärztlichen Vergütungsregelungen heranzuziehen.
10. Berufsfreiheits- und Gleichheitsschutz lassen sich in Bezug auf die vertragsärztlichen Vergütungsregelungen nicht voneinander trennen. Vielmehr hat die grundsätzlich der Berufsfreiheit zugeordnete Bestimmung einer angemessenen Vergütungshöhe durch die Ermittlung der Angemessenheit anhand des Durchschnittshonorars vergleichbarer Arztgruppen gleichheitsrechtliche Aspekte und die grundsätzlich dem Gleichheitssatz zugeordnete Vergütungsverteilung durch die Konkurrenzsituation der Vertragsärzte berufsfreiheitliche Aspekte. Daher kann eine verfassungsrechtliche Überprüfung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen kaum in von einander getrennten Grundrechtsprüfungen vorgenommen werden. Als Maßgabe für den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sind beide Grundrechte vielmehr in verbundener Idealkonkurrenz zu prüfen.
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Sachwortverzeichnis Allgemeiner Gleichheitssatz 20, 23, 189, 202, 204, 212, 226, 249, 251, 265, 269, 274 f., 279 f., 282 f., 286, 293 – 295, 298, 300, 303 Anspruch auf angemessene Vergütung 92, 121, 214, 236, 258, 262, 264, 303 Aufbaupraxen 22, 241, 245, 250, 262, 264, 272, 287 Beobachtungs- und Reaktionspflicht 216, 229, 233 f., 245 Berufsfreiheit 109, 189, 193, 195, 199 – 201, 249, 251 f., 255, 257, 262 – 264, 270, 279 f., 282, 286, 288, 293, 295, 298 Bewertungsausschuss 22, 41 f., 45, 49, 53 f., 59, 61, 67, 72, 74, 77, 86, 88 – 90, 92 f., 99, 101, 122, 133, 135, 137, 142, 144, 149, 151, 154, 160, 163 – 165, 168, 176, 178 – 181, 185, 188, 190, 212, 217, 232, 238, 273, 275 Bundesmantelvertrag 38 f., 42, 48, 73, 125, 155, 162, 170 Chancengleichheit 159, 246, 251, 269, 279, 293, 296 Demokratische Legitimation 166, 170, 176, 180 f., 185, 303 Effizienz 24, 114, 118, 129, 144, 224 – 226 Einheitlicher Bewertungsmaßstab 21, 40, 42, 45, 48 f., 51, 54, 56 f., 59, 61, 63 – 65, 68, 74, 78, 82, 84, 86, 88, 92 f., 95, 98, 100, 110, 121, 133, 135, 139, 146, 157, 161 f., 165, 170, 179, 184 f., 188, 190, 201, 257, 261, 271 f., 275, 289, 300 Erweiterter Bewertungsausschuss 41, 136, 163, 169, 185
Fachärztliche Versorgung 30, 44, 60, 66, 72, 79 f., 82, 86 f., 89, 94, 100, 114, 122, 129, 136, 147, 154, 182, 190, 228, 301 Finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung 222, 225 Floatender Punktwert 59, 63, 107, 131, 145, 220, 225, 248, 272, 302 Folgerichtigkeit 273, 275, 279, 284, 290, 294, 304 Gesamtvergütung 29, 36 f., 40 f., 43, 46, 48, 58, 63, 95, 98, 100, 114, 122, 131, 136, 143, 146, 153, 158, 160, 163, 183, 186, 191, 194, 202, 207, 216 f., 219, 227 f., 231, 240, 247, 256, 264, 267, 271 f., 276, 293, 295, 303 Gestaltungsspielraum 19, 49, 62, 93, 101, 111, 129, 159, 161, 178, 191, 193, 195 f., 198, 212, 227, 229, 233, 245, 266, 277, 279, 283 Grundsatz der angemessenen Vergütung 22, 215, 217 f., 226 Grundsatz der Beitragssatzstabilität 143, 222, 247 Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit 20, 189, 192 – 194, 197 f., 200, 202 – 204, 206 f., 210, 212, 215, 217 – 219, 222, 224 f., 227, 229 – 232, 235 f., 238, 240 f., 243, 245, 249, 251, 279, 288, 294, 297 f., 303 Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung 22, 43, 189 f., 195 f., 202, 206 f., 210, 212, 218, 226, 268 Härteklausel 23, 127, 243, 245 Hausärztliche Versorgung 60, 79, 83, 86, 94, 101, 190, 228, 300 Honorarbescheid 46, 189, 198, 201, 230, 232, 258
334
Sachwortverzeichnis
Honorartöpfe 216, 221, 228, 231 f., 234, 245 Honorarverteilungsmaßstab 21, 43, 47 f., 95, 98, 106, 112, 120, 123 – 125, 127, 129, 163, 185 f., 188, 190, 196, 208, 212, 215, 220, 237 f., 240, 243, 246, 277, 287, 290, 300 Kalkulationssicherheit 78, 104, 106, 111, 129, 159, 220, 248, 276 Kassenärztliche Bundesvereinigung 21, 39, 46, 49, 70, 99 f., 103, 111, 117, 120, 129, 155, 162, 168, 181 f., 236 Kassenärztliche Vereinigung 19, 25, 48, 50, 53, 58, 95, 98 f., 106, 111, 114, 117, 127, 129, 133, 146, 148, 163 f., 167 f., 182, 187, 189, 195, 233, 240, 245, 295 Mengendynamik
220, 225, 227
Orientierungswert 42, 59, 61, 69 – 72, 110, 133, 135 – 137, 140, 142, 144, 146 – 148, 150, 154, 158 f., 164, 191, 261
Praktikabilität 149, 176, 189, 224 – 226 Psychotherapeutische Leistungen 22, 90, 94, 120, 129, 190, 204, 210, 214, 217, 219, 221, 235 f., 238 f., 241, 245, 250, 262, 272, 286, 301 Punktwertstabilisierung 220 Regionale Euro-Gebührenordnung 60, 111, 130, 134, 164, 188
22, 43,
Sachleistungsprinzip 25 f., 29, 47, 54 Spitzenverband Bund der Krankenkassen 39, 46, 49, 72, 101, 111, 117, 130, 139, 155, 163, 168, 181, 185 Verbundene Idealkonkurrenz 23, 280, 284, 286, 288, 290, 292, 294, 297, 299, 304 Versorgungsauftrag 45, 80, 83, 103 f., 255 Vertragsärztliches Vierecksverhältnis 21, 29, 48 Wachstumsanspruch 242, 245 Wettbewerbsfreiheit 254 – 257, 263 f., 296, 303