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German Pages 300 Year 2000
CLAUDIO FRANZIUS
Die Herausbildung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M ich a e I Klo e p fe r, Berlin
Band 99
Die Herausbildung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland
Von Claudio Franzius
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Franzius, Claudio: Die Herausbildung der Instrumente indirekter Verhaltens steuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland I von Claudio Franzius.Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 99) Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10086-7
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-10086-7 Gedruckt auf alterungs beständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Vorwort Wie kaum ein anderes Rechtsgebiet hat das Umweltrecht in den vergangenen Jahren den Blick auf die Handlungsformen des Staates gelenkt, in denen sich traditionell das Verhältnis von Staat und Gesellschaft widerspiegelt. Vorliegend wird untersucht, unter welchen Rahmenbedingungen sich die Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland herausgebildet haben. Sie indizieren einen grundlegenden Wandel von staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbststeuerung, dessen Bewältigung eine zentrale Zukunftsfrage des öffentlichen Rechts darstellt. Die Arbeit wurde 1998 abgeschlossen und von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Sommersemester 1999 als Dissertation angenommen. Berücksichtigt sind Rechtsentwicklungen bis Juli 1999. Entstanden ist die Arbeit während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer. Er hat wichtige Anregungen gegeben, Entstehung und Abschluß der Arbeit in vielerlei Hinsicht gefördert sowie die Aufnahme in diese Schriftenreihe ermöglicht. Für alles gebührt ihm mein herzlicher Dank. Ferner möchte ich mich bei allen bedanken, die maßgeblichen Einfluß auf die Entstehung der Arbeit - sei es direkt oder indirekt - genommen haben. Hervorzuheben ist Herr Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert, nicht zuletzt rur die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Wertvolle Unterstützung erhielt ich von Herrn Dr. Klaus T. Bröcker, der die Arbeit kritisch durchgesehen hat. Erwähnt seien auch die Kollegen vom Lehrstuhl, namentlich die Herren Dr. Thilo Brandner und Andreas Neun. Wichtige, häufig auch ermunternde Hinweise gaben viele, insbesondere Herr Dr. Christian Herbst, mit seinem nicht nur fachlich-praktischen Sachverstand. Schließlich richtet sich mein Dank an Herrn Jan Münther rur die Erstellung der Druckvorlage. Die Arbeit ist unter Voraussetzungen entstanden, die nicht selbstverständlich waren. Insoweit sei Inke und Helene gedankt. Meinen Eltern schließlich ist die Arbeit in großer Dankbarkeit gewidmet. Fercheis, im Oktober 1999
Claudio Franzius
Inhaltsverzeichnis Einmhrung.... .......... ..... ...... ........ .................. ........................ ....... ..... ............................ 11
Erster Teil Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
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A. Verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen .......................................................... 18 I. Das Verwaltungsrecht als Instrument des Rechtsstaates................................... 18 11. Das Maschinenmodell staatlicher Verhaltenssteuerung............. ........ ... ... ......... 23 1. Der Staat als Maschine ............................................................................... 23 a) Gesetzesbindung der Verwaltung .......................................................... 26 b) Normative Fixierung der Rechte und Pflichten des Bürgers ................. 32 aal Legalität ................................................................................... ...... 32 (1) Binäre Ziel richtung der gesetzlichen Verhaltenssteuerung ................................................................................ 33 (2) Gefahrenabwehr als Legitimationsgrundlage und Sozialmodell. .................................................................................... 34 bb) Rechtsformen ............................................................................ ..... 38 (1) System der rechtlich relevanten Handlungsformen ................ 38 (2) Zwang als Erfüllungsmodus ... ............................ .... ...... .......... 44 2. Der Bürger als Subjekt.. ............................................................................. 47 a) Subjektivierung des Verwaltungsrechts ......................................... ....... 49 aal Schutzpflichten ................ .................. ...................... ....... ... ......... ... 52 (I) Abbau von Asymmetrien........ .... ..... ....... ..... ..... ...................... 53 (2) Steuerungsfunktionen der Schutzptlicht... .............................. 57 bb) Handlungsformen ........................................................................... 60 b) Von der "Ex-post"- zur "Ex-ante"-Betrachtung staatlicher Handlungsformen ....... .... ........ ...... .......... ......... ......................... ... .......... 64 aal Rechtsschutzfunktion ..................................................................... 64 bb) Steuerungsfiihigkeit des Rechts ..................................................... 70 c) Abkehr vom Maschinenmodell ....................................................... ...... 75 B. Prävention im Umweltrecht ........... ............. ................... .................... ........ ... .......... 78 I. Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge ...................... ..................................... 80 I. Atomrecht.. ................................................................................................. 80
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Inhaltsverzeichnis 2. Immissionsschutzrecht ...... ......... ................. ..... ......... ...... ...... ..... ..... ...... ..... 3. Entwürfe für ein Umweltgesetzbuch .......................................................... 11. Risikovorsorge .................................................................................................. I. Qualitativer Bezug... ............. ....... .... ........................ ...... ...................... ....... 2. Indirekte Steuerung .................................................................................... a) Vom Ordnungsrecht zur indirekten Steuerung ...................................... b) Von der Gegenüberstellung zur Verzahnung der Steuerungsansätze .................................................................................
85 87 91 91 94 94 96
Zweiter Teil
Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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A. Allgemeine Merkmale........................................................................................... I. Steuerungsmittel. ............................................................................................ 1. Anreize..................................................................................................... 2. Tausch..................... ........... ....... .... ...................... ................. .................... 3. Selbststeuerung ........................................................................................ 11. Wirkungsweise....... .................................... ..... ................................ ............... I. Motivation ................................................................................................ 2. Induzierte Selbststeuerung .................. ............. ......... ................... ............ III.Fo1gerungen ..................................................................................................... 1. Öffentliches Recht und Privatrecht ........... ......... ................ .............. ........ 2. Direkte und indirekte Steuerung... ............ ........ ........................................ a) Unterscheidungen................................................................................ b) Überschneidungen............................................................................... aa) Flexibilisierungen ........................................................................ bb) Stabilisierungen .................... ............. ..... ........ .............................
103 103 103 104 104 105 105 107 109 109 111 111 115 116 117
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung .......... ............. I. Ökonomische Instrumente.............................................................................. 1. Abgaben ................................................................................................... a) Ökonomische Idee ............................................................................... b) Rechtliche Realisierung ....................................................................... c) Weiterentwicklung .............................................................................. 2. Haftungsrecht ................................... .................................... .................... a) Grundlagen ....... ........ ............. ................. ....... ........ ............ .................. b) Rechtliche Umsetzung.. ......... ........... ........... ..... ...... ...... ........... ...... ...... c) Weiterentwicklung .............................................................................. 3. "Neue" ökonomische Instrumente ............................................................ 11. Informale Instrumente .................................................................................... I. Informationen........................ ............. ................................ ........... ........... a) Idee ............................. .. ......... .. ...... ....... ....................... .... ....... ............. b) Verrechtlichung ...................................................................................
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Inhaltsverzeichnis c) Weiterentwicklung .............................................................................. 2. Absprachen. ........... ........................................ .................................. ......... a) Kooperation als Leitmaxime .......................................... ..................... b) Rechtliche Bewältigung.. .............................. ...................................... c) Selbstverptlichtungen als "Königsweg" der Umweltpolitik? ..................................... ............................... ........... ................. III. Organisatorische Instrumente ....... ...... ................................. ...... ..................... 1. Organisation kollektiver Eigenvomahme ...... ................ ...... ..................... a) Ziel vorgaben ....... ................................................................................ b) Duale Entsorgungssysteme.... .................... ........ ...................... ............ aa) Modell: Verpackungsverordnung ................................................ bb) Andere Entsorgungssysteme ........................................................ 2. Organisation individueller Eigenverantwortung.............. .............. ........... a) Von der Eigenüberwachung zum Umweltbeauftragten .................. ..... b) Umweltaudit ........................................................................................ aa) Wirkungsweise......... .......... ................ .................................. ........ bb) Deregulierung und Rücknahme der behördlichen Präventivkontrolle .......................................................................................
9 162 165 165 171 179 185 187 187 191 191 199 200 200 208 210 217
Dritter Teil Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
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A. Historische Anknüpfungspunkte.. ............. ............................ ........................... ..... I. Ökonomische Instrumente.............................................................................. 11. Informale Instrumente.................................................................................... 111. Organisation ...................................................................................................
226 226 230 233
B. Entwicklungseckpunkte ........................................................................................ I. Öffhung der Dogmatik .................................................................................... 11. Wandel der Handlungsformen ........................................................................ 111. Integration im Recht ..... ................... ........................... ......................... ...........
238 239 241 243
Zusammenfassung...... ....... ............ ................... ... ..... ............ ............ ................ ......... 247 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 254 Sach- und Personenverzeichnis ............... ....... ......... .. .......................... ............. ........ 292
Einführung Daß der Umweltschutz zu einer Schicksalsfrage der Menschheit rur ihr Überleben geworden ist, verdient heute keine besondere Hervorhebung mehr. Ungleich problematischer dagegen ist die Frage, welche Umweltqualität anzustreben ist, um der drohenden ökologischen Apokalypse hinreichend Einhalt zu gebieten. In erster Linie geht es dabei um die Fixierung von umweltbezogenen Zielen, deren Errullung vom Staat sicherzustellen ist. Mit der politischen Festlegung von Zielen ist es aber allein nicht getan. Auch die permanente Verschärfung der rechtlichen Anforderungen an die Nutzung von Umweltgütern kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es rur das praktische Ergebnis der staatlichen Bemühungen um eine Verbesserung der Umweltsituation entscheidend darauf ankommt, wie die erwünschten Umweltziele eine ausreichende Durchsetzung erfahren sollen. Obwohl in der politischen Realität bereits die Formulierung von Zielvorgaben einen politisch erheblichen oder rechtlich relevanten Durchsetzungscharakter aufweisen kann, bedarf es zur praktischen Realisierung der vorgebenen Ziele regelmäßig einer entsprechenden Umsetzung durch geeignete Mittel. I Die staatlichen Mittel zur Durchsetzung der vorgebenen Ziele werden heute überwiegend als Instrumente bezeichnet. 2 Sie bezwecken eine Verhaltenssteuerung zur Verwirklichung von Umweltzielen. Kloepfer, Instrumente des staatlichen Umweltschutzes in der Bundesrepublik Deutschland, in: Breuer/Kloepfer/MarburgerlSchröder (Hg.), UTR 3 (1987), S. 3 (4 f.); ähnlich bereits E. Rehbinder, RabelsZ 40 (1976), 363 ff (386). 2 Kloepfer (FN I), S. 3 ff.; ders., Umweltrecht, 2. Autl., 1998, § 5 Rn. I ff; E. Rehbinder (FN I), S. 386 ff; ders., Allgemeines Umweltrecht, in: Salzwedel (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 1982, S.81 (105 ff); Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Autl., 1995, S. 467 ff.; ders., Verwaltungsrechtliche Prinzipien und Instrumente des Umweltschutzes, 1989; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, 1989, S. 86 ff; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Autl., 1995, S. 35 ff.; Schmidt/Müller, Umweltrecht, 4. Autl., 1995, S. 8 ff.; Prümm, Umweltschutzrecht, 1989, S. 74 ff.; Ketteler/Kippels, Umweltrecht, 1988, S. 84 ff; Bohne, Instrumente, in: Böhret/Hill (Hg.), Ökologisierung des Rechts-und Verwaltungssystems, 1994, S. 128 ff.; Peine, Instrumente des Umweltschutzrechts, in: Dreyhaupt/Peine/Wittkämper (Hg.), Umwelt-Handwörterbuch, 1992, S. 284 ff.; Ketteler, JuS 1994, 909 ff.; Kölble, DOV 1977, I ff; SchacheI, NuR 1982, 206 ff.; Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, Bd. I, 1983, S. 172 ff; Vahrenholt, Umweltpolitik, in: Kimminich/v. LersnerlStorm (Hg.), HdUR, Bd. 2, 2. Autl., 1994, Sp. 2256 ff; Wicke, Umweltökonomie, 3. Autl., 1991, S. 167 ff; Endres, ZRP 1985, 197 ff.; Knüppel, Umweltpolitische Instrumente. Analyse der Bewertungskriterien und Aspekte der Bewertung, 1989; ähnlich Storm, Umweltrecht, 6. Autl., 1995, S. 54; ders., Artikel "Umweltrecht", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hg.), HdUR, Bd. 2, 2. Autl., 1994, Sp. 2358; kritisch gegen-
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Einführung
Umweltpolitik und Umweltrecht sind in hohem Maße durch ein instrumentales Verständnis der staatlichen Handlungsformen geprägt: Gleichsam einem Chirurgen neigt der Staat zu einem mehr oder weniger beherzten Griff in seinen Werkzeugkasten, um den siechenden Patienten "Umwelt" zu heilen. Schon der Instrumentenbegriff impliziert dabei den angestrebten Heilungserfolg. Stellt sich der Erfolg widererwartend nicht ein, kommt es zur Anwendung anderer Instrumente. Und stehen erfolgversprechende Instrumente nicht zur Verfügung, werden neue Instrumente entwickelt, deren Einsatz umso eher gewagt zu werden scheint, je größer sich das diagnostizierte Leiden des Patienten erweist. Das Rechtsetzen ist dabei lediglich ein Instrument staatlichen Handeins, das sich in den Dienst des Umweltschutzes stellen läßt. Zu den instrumentalen Handlungsweisen des Staates zählen bekanntlich auch der aufgabengerechte Einsatz von Personal und die Verwendung von Finanzmitteln. 3 Die staatliche Aufgabenerfüllung im Umweltschutz erfordert heute den kombinierten Einsatz dieser (freilich ausfüllungsbedürftigen) Blankettinstrumente. Umgekehrt ist das Recht nicht bloß ein Instrument der Politik, sondern auch ihr Rahmen. 4 Abgesehen von seiner unbegrenzten Maßstabsfunktion setzt das Recht den vielfaltigen politischen Bemühungen aber nur einen differenzierten Steuerungsrahmen: Die Steuerungsleistungen des Rechts variieren in den unterschiedlichen staatlichen Aufgabenfeldern und prägen erst im Zusammenwirken mit anderen Entscheidungsprämissen das konkrete Gesamtergebnis staatlichen Handelns. 5
über dem Instrumentalismus im Umweltrecht König/Dose, Klassifikationsansätze zum staatlichen Handeln, in: dies. (Hg.), Instrumente und Formen staatlichen HandeIns, 1993, S. 4 f; siehe auch R. Wolf, Der ökologische Rechtsstaat als prozedurales Programm, in: Roßnagel/Neuser (Hg.), Reformperspektiven im Umweltrecht, 1996, S. 57 (61 0; Jähnicke, Was ist falsch an der Umweltpolitikdebatte? Kritik des umweltpolitischen Instrumentalismus, in: Jahrbuch Ökologie 1997, 1996, S. 35 ff. 3 Statt vieler P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handeins, in: ders.lIsensee (Hg.), HdStR, Bd. 3, 1988, § 59 Rn. 15; zur Bedeutung ausreichender Personalmittel LübbeWoljJ, Modernisierung des Umweltordnungsrechts, 1996, S. \0 ff.; zum Einsatz von Geldmitteln Seimer, Finanzierung des Umweltschutzes und Umweltschutz durch Finanzierung, in: Thieme (Hg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 25 ff. 4 Hierzu etwa D. Grimm, JuS 1969, 501 ff. (504); zur systemtheoretischen Trennung von Recht und Politik siehe nur Luhmann, Ökologische Kommunikation, 3. Aufl., 1990, S. 124 ff.; dagegen aus diskurstheoretischer Perspektive mit verbleibenden Verschränkungen im Beziehungsgefüge von Recht und Politik: Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 167 ff. 5 Zur Bedeutung der rechtlichen Steuerungsleistungen Wahl, Die Aufgabenabhängigkeit von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: Hotfmann-RiemlSchmidt-Aßmannl Schuppert (Hg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrecht, 1993, S. 177 (184 tf.); HofJmann-Riem, AöR 115 (1990), S. 400 ff; ders., Verwaltungsrechtsreform - Ansätze am Beispiel des Umweltschutzes, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann/Schuppert (Hg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 115 ff (123); E. H. Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: D. Grimm (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungstahigkeit des Rechts, 1990, S. 69 tf.; Schuppert, Recht als Steuerungsinstrument: Grenzen und Alternativen rechtlicher Steuerung,
Einfllhrung
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Vor dem Hintergrund der instrumentalen Gestaltungsräume, die inhaltlich keine strikte Determinierung durch das Recht erfahren, bereitet eine nicht nur systematisch überzeugende Begriffsbestimmung der umweltrechtlichen Instrumente erhebliche Schwierigkeiten. Auszugehen ist von der fehlenden Dekkungsgleichheit zwischen der weiter gefaßten Umweltpolitik und dem insoweit vergleichsweise engen Umweltrecht. Die Umweltpolitik liefert eigene und zeitlich häufig vorgelagerte Steuerungs faktoren rur den "richtigen" Einsatz der verhaltenssteuernden Instrumente. Andererseits müssen sich die lediglich umweltpolitischen Instrumente nicht unmittelbar an das Recht richten. So mögen die Umweltprogramme der Bundesregierung ihre instrumentale Bedeutung in dem programmierten Ausbau der umweltrechtlichen Vorgaben finden. 6 Es bleiben jedoch umweltpolitische Gesamtentscheidungen, die ohne eine rechtliche Umsetzung seiner Inhalte keine umweltrechtlichen Instrumente darstellen. Das gleiche gilt etwa auch filr die Sonntagsrede des Umweltministers. Zwar kann die einzelne Aussage eine rechtliche Relevanz enthalten. Aber dies muß und wird regelmäßig nicht so sein. Indessen ist die fehlende rechtliche Verbindlichkeit kein hinreichend adäquates Systematisierungskriterium rur die positive Zuordnung der staatlichen Instrumente zum Umweltrecht. Die Verwaltung bedient sich im Umweltschutz zunehmend rechtlich unverbindlicher Instrumente, die lediglich auf einen tatsächlichen Lenkungserfolg gerichtet sind. An den intendierten Erfolg können sich jedoch sekundär rechtliche Folgen knüpfen, die eine Entwicklung rechtlicher Rahmenvorgaben rur den Einsatz dieser Instrumente notwendig machen. Dies betrifft etwa die - mehr oder weniger - marktsimulierenden Instrumente
in: ElIweinIHesse (Hg.), Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, 1990, S. 73 ff.; optimistisch zur Leistungsfähigkeit der tradierten Instrumente J. Ipsen, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, VVDStRL 48 (1990), S. 178 (190 ff.); skeptischer Murswiek, ebd., S. 207 ff.; aus der Diskussion der Referate Battis, ebd., S. 306 f.; siehe ferner Pitschas, DÖV 1989,785 (794 ff.); ders., Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 146 ff.; Brohm, DÖV 1987,265 ff.; Lange. VerwArch. 82 (1991), S. I (5 ff.); Deckert, ZRP 1995, 63 ff.; zum theoretischen Hintergrund von Entscheidungsprämissen fllr die Steuerung durch Recht grundlegend Luhmann, Politische Planung, 2. Aufl., 1975, S. 188 ff.; zuletzt auch ders., VerwArch. 84 (1993), S. 287 ff. 6 Exemplarisch insoweit das (erste) Umweltprogramm der Bundesregierung vom 21.9.1971, BT-Drs. 6/2710; hierzu und der politischen "Initialzündung" für das moderne Umweltrecht Kloep[er/Franzius. Die Entwicklung des modemen Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland, in: BreuerlKloepferlMarburger/Schröder (Hg.), UTR 27 (1994), S. 179 (182 ff.); ähnlich auch Küppers/Lundgreen/Weingart, Umweltforschung - die gesteuerte Wissenschaft?, 1986, S. 127 ff.; deutlich weniger programmatisch bereits der Umweltbericht 1976, BT-Drs. 7/5684.
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Einführung
ökonomischer Herkunft. 7 Auch das Vorhandensein einer konkreten Regelung oder Befugnisnorm ist kaum geeignet, die spezifischen Merkmale umweltrechtlicher Instrumente zu charakterisieren. Vielfach versucht die Verwaltung jenseits konkreter Regelungen die normativen Ziele informal zu erreichen. 8 Überläßt man diese instrumentalen Handlungsweisen der administrativen Umweltpolitik, droht die rechtserhebliche Bedeutung rur den Bürger verkannt zu werden. Maßgeblich rur die pragmatische Einordnung in das Umweltrecht ist vielmehr der regelmäßig vorhandene Rechtsverwirklichungsbezug. Unter umweltrechtlichen Instrumenten werden hier deshalb über alle generellen und einzelfallbezogenen Regelungen des öffentlichen und privaten Rechts hinaus alle rechtsbezogenen Maßnahmen verstanden, die umweltschonendes Verhalten bewirken oder umweltbeeinträchtigendes Verhalten verhindern sollen. 9 Dabei ist nicht zu verkennen, daß die funktionalen Systemgrenzen zwischen der umweltpolitischen Steuerungsidee und seiner instrumentalen Ausruhrung im
7 HansmeyeriSchneider, Umweltpolitik. Ihre Fortentwicklung unter marktsteuemden Aspekten, 2. Aufl., 1992; den Meinungsstand zusammenfassend Gawel, ZAU 1994, 37 ff. (m.w.N); Köck, NuR 1992, 412 ff.; zu den ökonomischen Modellen siehe etwa Nahamowitz, Markt versus Staat: Theoriegeschichtliche Entwicklungen und aktuelle Trends, in: R. Voigt (Hg.), Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, 1993, S. 1 ff.; Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, 1986, S. 50 ff.; zur Herkunft der ökonomischen Instrumente auch Buttgereit, Ökologische und ökonomische Funktionsbedingungen umweltökonomischer Instrumente, 1991, S. 27 ff. S Grundlegend Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981; ders., VerwArch 75 (1984), S. 343 ff.; bilanzierend H. Dreier, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), S. 647 ff.; Henneke, NuR 1991, 267 ff. (m.w.N.); krit. J Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 50 (1992), S. 190 (230 ff.); zur Begrifflichkeit bereits Bullinger, Verwaltungsakt und Vertrag, 1960, S. 68; historische Beispiele finden sich bei Ellwein, Kooperatives Verwaltungshandeln im 19. Jahrhundert, in: VoigtIDose (Hg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 43 ff. 9 Bohne (FN 2), S. 128 f.; siehe auch Robbers, DÖV 1987, 272 (274 ff.). Mit der Abkehr von der Rechtsform als allein maßgeblichem Systematisierungskriterium hat sich eine wirklichkeits bezogene Sichtweise durchgesetzt, die nach der intendierten Wirkungsweise staatlicher Instrumente fragt, vgl. etwa Kloepfer (FN 2), § 5 Rn. 4; E. Rehbinder (FN 2), S. 106; HoppelBeckmann (FN 2), S. 87; ähnlich Hartkopf/Bohne (FN 2), S. 175; siehe auch KloepferlMeßerschmidt, Innere Harmonisierung des Umweltrechts, 1987, S. 102. Dieser aus der Ökonomie entlehnte Systematisierungsansatz läßt im Umweltrecht die praktische Vielfalt staatlicher Handlungsformen erkennen, die auch das allgemeine Verwaltungsrecht nunmehr vor neue Herausforderungen stellt: Kloepfer, Zur Rechtsumbildung durch Umweltschutz, 1990, S. 25 ff.; Schmidt-Aßmann, Flexibilität und Innovationsoffenheit als Entwicklungsperspektiven des Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Flexibilität und Innovationsoffenheit des Verwaltungsrechts, 1994, S. 407 ff.
Einruhrung
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Recht zunehmend verschwimmen: So enthält die Verpackungsverordnung mit den individuellen Rücknahmepflichten (§ 6 Abs. I VerpackV) die geradezu klassischen Instrumente umweltrechtlicher Provinienz. Deren bloße Inaussichtstellung (§ 6 Abs. 3 VerpackV) macht die Verpackungsverordnung jedoch zu einem Instrument neuer Wege in der Umweltpolitik: Politisch bezweckt ist die Organisation der privatwirtschaftlichen Erfassung und Verwertung von Abflillen durch den Markt. 1O In eine ähnliche Richtung zielt die staatlich inspirierte Verankerung des Umwelt-Auditing in privaten Unternehmen. Auch hier avanciert der Organisationsgedanke zum Gegenstand umweltrechtIicher Regulierung. 11 Nach Maßgabe der rechtlich fixierten Ziele sollen - jedenfalls idealtypisch - selbstregulative Mechanismen in die autonome Umweltpolitik der Unternehmen implementiert werden. Die modemen Konzepte zur rechtlichen Etablierung und Erweiterung von Umweltmanagementsystemen l2 sind daher auch ein Spiegelbild der gewandelten Vorstellungen staatlicher Umweltpolitik,
10 Zur neuen Regelungsidee der Verpackungsverordnung Versteyl, NVwZ 1991, 848 ff.; KloepferlWimmer, UPR 1993,409 ff.; Koch, NVwZ 1996, 215 (217 ff.); zum Dualen System Spies, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1994), S. 267 ff. Zu den Problemen der Rechtskontrolle Di Fabio, NVwZ 1995, I (3 ff.); allgemein zur rechtsstaatlichen Problematik der indirekten Umweltpolitik Kloepfer, JZ 1991,737 (743 ff.); weiterfiihrend zu den verfassungsrechtlichen Fragen moderner Anreizpolitik zwischen Zwang und Freiwilligkeit ders., ZAU 1996, 54 ff. 11 So etwa durch die europäische Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29.6.1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem rur das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABI. Nr. L 168/1; hierzu etwa Lübbe-Wolff, DVBI. 1994,361 ff. (m.w.N.); Wagner/Janzen, BFuP 1994, 573 ff.; weiterführend J-P. Schneider, DV 1995, 361 ff.; Schmidt-Preuß, Umweltschutz ohne Zwang - Das Beispiel des Öko-Audit, FS für Kriele, 1997, S. 1157 ff.; zur "Entdeckung der Organisation" durch das Umweltrecht Köck, ZUR 1995, 1 ff.; die Verrechtlichungstendenzen zusammenfassend ders., JZ 1995, 643 ff. 12 Einen Überblick zum betrieblichen Umweltmanagement geben etwa KnopplStriegl, BB 1992, 2009 ff.; zur rechtlichen Steuerung durch den Einbau spezifischer Organisationsregeln: Feldhaus, Umwelt-Audit und Betriebsorganisation im Umweltrecht, in: Korrnann (Hg.), Umwelthaftung und Umweltmanagement, 1994, S. 9 ff.; zur Betreiberverantwortung nach § 52a Abs. 2 BImSchG Manssen, GewArch. 1993, 280 ff.; die Entwicklungslinien zusammenfassend Kloepfer, DB 1993, 1125 ff.; siehe ferner Köck, DVBI. 1994, 27 (31 ff.). Zum öffentlichen Umweltmanagement als "Paradigma rur die problemgerechte Fortentwicklung" umweltrechtlicher Verhaltenssteuerung Bohne (FN 2), S. 139 ff.; einen ähnlichen Bedeutungswandel konstatiert für das Privatrecht Schmidt-Salzer, NJW 1994, 1305 ff. (1313); zur verstärkten Aktivierung haftungsrechtlicher Instrumente für das Umweltmanagement EndresIRehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung für Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992.
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Einführung
die sich vor dem Hintergrund komplexer Unsicherheitsbewältigungen l3 weitgehend auf die Formulierung rechtlicher Ziele beschränkt, jedoch deren Verwirklichung durch geeignete Mittel den handelnden Akteuren überläßt.
13 Ausführlich Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 65 ff.; zum Gedanken der Komplexität ders., Komplexes Verwaltungshandeln und juristische Dogmatik, in: Lorz u.a. (Hg.), Umwelt und Recht, 1990, S. 22 ff.; Kloepfer, Handeln unter Unsicherheit im Umweltstaat, in: GethmannlKloepfer, Handeln unter Risiko im Umweltstaat, 1993, S. 55 ff.; Murswiek (FN 5), S. 211 ff.; Ladeur, Risiko und Recht - Von der Rezeption der Erfahrung zum Prozeß der ModelIierung, in: G. Bechmann (Hg.), Risiko und Gesellschaft, 1993, S. 209 ff.; Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), S. 484 ff.; siehe auch Wahl/Appel, Prävention und Vorsorge: Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl (Hg.), Prävention und Vorsorge, 1995, S. 1 (92 ff).
Erster Teil
Staatliches Handeln im Wandel der Zeit Das modeme Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland ist in weiten Teilen aus dem Verwaltungsrecht entstanden. Noch heute stellt das Umweltrecht im wesentlichen eine Materie des besonderen Verwaltungsrechts dar. Eingebettet in die historischen Entwicklungszusammenhänge der gesamten Rechtsordnung ist das staatliche Handeln daher auch und gerade im Umweltrecht durch den zu suchenden Ausgleich zwischen Stabilität und Flexibilität geprägt. Auf der einen Seite stehen die prinzipiell invarianten Konstanten der verwaltungsrechtlichen Dogmatik. I Die neuen (oder zumindest doch als neu empfundenen) Herausforderungen durch den Umweltschutz haben auf der anderen Seite jedoch spezifische Anpassungsleistungen im Rechtssystem erforderlich gemacht. 2 Erst in diesem Spannungsverhältnis werden die materialen Einsatzbedingungen für die umweltrechtliche Verhaltenssteuerung hinreichend deutlich. Deshalb sollen in einem ersten Teil der Untersuchtung zunächst die verwaltungs rechtlichen Rahmenbedingungen in ihrer historischen Bedeutung für die staatlichen Handlungsformen dargestellt werden (A.), bevor ein kurzer Abriß der Steuerungsprobleme erfolgt, denen sich das heutige Umweltrecht vor dem Hintergrund der gewachsenen Bedeutung einer zunehmend generalisierten Risikovorsorge ausgesetzt sieht (B.). Der zweite Teil widmet sich der allgemeinen Kennzeichnung (A.) und Systematisierung indirekter Steuerungs instrumente (B.), wobei zwischen ökonomischen (1.), informalen (H.) und organisatorischen
Vor dem Hintergrund der Leistungsverwaltung bereits Bachof, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), S. 193 fT.; zum Wandel der Dogmatik Brohm, ebd., S. 245 (251, 253 ff.); jetzt zur Risikoverwaltung Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 445 ff.; zur Bedeutung der Dogmatik Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 1982, S. 10 ff.; ders., Kontliktmittlung in der Dogmatik des deutschen Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 9 f. 2 Nähere Einzelheiten bei Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 109 ff., zum Anpassungsdruck durch den Umweltschutz auch ders., 1Z 1991, 737 fT., ähnlich E. H. Ritter, DÖV 1992, 641 ff. - Plastisch kann von einem politisch erzeugten "structural drift" des Rechtssystems gesprochen werden: Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 561; mit dem Hinweis auf die konstitutionell angelegte Lernfähigkeit des "politischen Systems" auch H. Hofmann, Technik und Umwelt, in: BendaiMaihoferlVogel (Hg.), HbVerfR, 2. Aufl., 1994, § 21 Rn. 50. 2 Franzius
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1. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
Instrumenten (111.) unterschieden wird. Abschließend werden im dritten Teil historische Anknüpfungspunkte (A.) und maßgebliche Entwicklungseckpunkte (8.) der indirekten Steuerung im Umweltrecht zusammengefaßt.
A. Verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen I. Das Verwaltungsrecht als Instrument des Rechtsstaates
Die Vorstellung, das Recht habe eine instrumentale Funktion, ist verhältnismäßig jung. Über Jahrhunderte herrschte ein eher fundamentales Verständnis von Recht vor, das erst im 18. Jahrhundert - gefördert durch die Ausdifferenzierung von Recht, Moral und Politik im Zuge der Säkularisierungsschübe nach den Religionskriegen - einer neuen, eben auch instrumentalen Auffassung von Recht gewichen ist. 3 Dies geschieht verstärkt zu jener Zeit, in der sich allmählich der wissenschaftliche Übergang zu der im 19. Jahrhundert kategorialen Trennung von Staat und Gesellschaft vollzieht. 4 Als der alte Zusammenhalt durch das Reich mit der Niederlage gegen Napoleon 1806 verloren gegangen war, spaltete sich die ursprünglich einheitlich verstandene Rechtsordnung auf und aus dem ius publicum erstarkte das öffentliche Recht als das Fundament einer neuen freiheitlichen Ordnung zwischen Staat und Bürgern. Dagegen markierte das Privatrecht zunehmend den "staatsfreien" Raum und wurde von allgemeinen Regulierungsfunktionen weitgehend freigestellt. 5 Heyen, Zur rechtswissenschaftlichen Perspektive staatlicher Steuerung, in: König/Dose (Hg.), Instrumente und Formen staatlichen Handeins, 1993, S.201 (202 f.); Habermas, KJ 1987, I ff; in diesem evolutionären Sinne auch Wesei, Frühformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften, 1985, S. 354 f. 4 Zur Trennung von Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert Conze (Hg.), Staat und Gesellschaft im Vormärz 1815-1848, 3. Aufl., 1978; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 51 f; zur wissenschaftlichen "Entdeckung" der Gesellschaft als einer eigengesetzlichen Sphäre Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl., 1973, S. 43 ff.; gegen die vielfältigen Versuche, die Unterscheidung aufzugeben Bäckenfärde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: FS für Hefermehl, 1972, S. 1I ff.; deutlicher noch ders., Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, S. 7 ff.; teilweise anders i. S. von zwei "Aggregatzuständen des Volkes" aber etwa Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 141; zu einer Rekonstruktion der Verschränkung von Staat und Gesellschaft vor dem Hintergrund der Rechtsverhältnistheorie M. Schulte, Recht, Staat und Gesellschaft, in: FS für Krawietz, 1993, S. 317 ff.; ders., Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 77 ff; zusammenfassend Gräschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, 1992, S. 67 ff.; 119 ff. Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2 (18001914), 1994, S. 51 ff.; die historische Entwicklung wird dargestellt bei Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968, S. 13 ff.; D. Grimm, Zur politischen Funktion der Trennung von öffentlichem und privatem Recht in Deutschland, in: W. Wilhelm (Hg.), Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, FS für H. Coing, 1972, S. 224 ff.; zur
A. Verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen
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Im öffentlichen Recht seinerseits war seit der Jahrhundertwende die Unterscheidung zwischen dem konstitutionellen Staatsrecht und einem rechtsstaatlich auszuformenden Administrativrecht üblich geworden. 6 Erst mit dieser systematischen Unterscheidung gelang es, das bisherige Recht der Verwaltung rechtsstaatlich zu reformulieren, also aus der historischen Vorstellung dessen, was der Rechtsstaat als zunächst vergleichsweise vages Staatsprinzip zu fordern schien, deduktiv abzuleiten. In seiner frühliberalen Ausrichtung noch ganz den "Staat der Vernunft"7 repräsentierend, erstreckte sich das rechtsstaatliche Programm der individuellen Freiheitssicherung auf den "Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit der Staates zu bestimmen". R Dabei ging es im Kern um die Reduzierung staatlicher Verhaltensregulierung auf sekurative Zwecke. Mit der propagierten Trennung und Ausscheidung eudämonistischer Staatszwecke9 verlagerte sich aber auch der Anknüpfungspunkt staatlicher Ordnung: Die Sicherung der bürgerlichen Freiheit orientierte sich nicht mehr an überpersönlichen Gütern, sondern diente der Selbsterfiillung individueller Subjektivität. lo Im Anschluß an lmmanuel Kant rückte das Prinzip der gesetzlichen Freiheit in den Vordergrund staatlicher Legitimation. Der Staat könne die Freiheit einzelner nur insoweit einschränken, als es zur Gewährleistung der Freiheit und Sicherheit aller notwendig ist. Zur Wahrung seiner Selbständigkeit habe der Bürger jedoch "kei-
Problematik und den Konsequenzen der Unterscheidung auch P. Kirchhof, Verwalten durch mittelbares Einwirken, 1977, S. 99 f. Wegweisend von Mohl, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, I. Aufl., 1829/31. Welcker, Die letzten Gründe von Recht, Staat und Strafe, 1813, S. 25. Zu den Wurzeln des Rechtsstaates Link, Anfänge des Rechtsstaatsdenken in der deutschen Staatsrechtslehre, in: Schnur (Hg.), Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, 1986, S. 775 ff.; H. Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. Aufl., 1980, S. 244 ff.; weit ausholend Michaelis, Die Deutschen und ihr Rechtsstaat, 1980, S. 7 ff.; zur europäischen Entwicklung Hattenauer, Europäische Rechtsgeschichte, 1992, S. 615 ff. K So mit dem (nur wenig realistischen) Pathos der Zeit W von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, 1792 (veröffentlicht 1851); hierzu V Müller, Staatstätigkeit in den Staatstheorien des 19. Jahrhunderts, 1991, S. 102 ff. 9 Zur rechtsstaatlichen Domestizierung wohlfahrtsstaatlicher Ideale Link, Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979, S. 132 ff.; die historische Entwicklung zusammenfassend und die Renaissance der Staatszwecklehre hinsichtlich der Sicherheitsgewährleistung betonend Di Fabio (FN I), S. 27 ff.; zur Wiederbelebung der sekurativen Staatszwecke flir den Umweltschutz auch Murswiek, Umweltschutz als Staatszweck, 1995, S. 5 ff. 10 Bäckenfärde, Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, FS flir A. Arndt, 1969, S. 53 ff. (57); zur frühen demokratischen Dimension der Rückbindung staatlicher Herrschaft an den Willen der Beherrschten vorsichtig H. Dreier (FN 4), S. 80 ff.
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nem anderen Gesetz zu gehorchen, als zu welchem er seine Beistimmung gegeben hat".11 Folgerichtig erhielt der Rechtsstaatsbegriff eine konstitutionelle Stoßrichtung, wobei sich die politischen Hoffnungen des Liberalismus jedoch nur insoweit erfüllen konnten, als auf dem Boden der gewonnenen Verfassungen der Grundstein für die Gewährleistung der staatsbürgerlichen Freiheit gelegt worden war. 12 Dagegen mußte das Bürgertum nach dem Scheitern der Revolution die erstrebte Übernahme der politische Führung und Kontrolle der monarchischen Machtpositionen weitgehend aufgeben. Im demokratisch nicht hinreichend gebändigten Staat sollte der Verwaltung nunmehr wenigstens über ihre rechtliche Bindung der unkontrollierte Einfluß auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse verwehrt bleiben. 13 Um die freiheitlichen Zwecke und Inhalte beraubt, löste sich der Rechtsstaatsbegriff von seiner konstitutionellen Ausrichtung und beschränkte sich auf die Festlegung formaler Aussagen für die rechtlich zu disziplinierende Verwaltung. 14 Friedrich Julius Stahl umschrieb 1856 das Programm und die formale Konzeption des Rechtsstaates mit den weithin akzeptierten Worten: "Der Staat soll Rechtsstaat sein, das ist die Losung und ist auch in Wahrheit der Entwicklungstrieb der neueren Zeit. Er soll die Bahnen und Grenzen seiner Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmen und unverbrüchlich sichern und soll die sittlichen Ideen von Staats wegen, also direkt, nicht weiter verwirklichen (erzwingen), als es der Rechtsphäre angehört. Dies ist der Begriff des Rechtsstaates."
11 Kant, Die Metaphysik der Sitten, Erster Theil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, 2. Aufl., 1798, § 46. 12 Vgl. Scheuner, Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats in Deutschland, in: Forsthoff(Hg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 461 (478 ff.); zum rechtstaatlichen Gesetzesbegriff im Vormärz und der Aufnahme einzelner Elemente in den deutschen Verfassungen Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 130 ff.; zur Entstehung und Entwicklung der wirkungsmächtigen Formel, wonach Eingriffe in "Freiheit und Eigentum" einer gesetzlichen Grundlage bedürfen Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., 1968, S. 117 ff.; siehe auch Grawert, Art. "Gesetz", in: Brunner/Conze/Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, S. 863 (904 ff.). 13 So gesehen, läßt sich die Geschichte des deutschen Verwaltungsrechts im 19. Jahrhundert als eine kontinuierliche Zunahme rechtlicher Bindungen der Verwaltung beschreiben: Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 146 ff.; ähnlich Achterberg, DÖV 1979,737 ff. (739); zur kompensatorischen Funktion rechtsstaatlicher Forderungen für die nicht erlangte Mitbestimmung auf politischer Ebene Stol/eis, Rechtsstaat, in: Erier/Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 4, 1990, Sp. 371; D. Grimm, Der Staat in der kontinentaleuropäischen Tradition, in: R. Voigt (Hg.), Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, 1993, S. 27 ff. (40). 14 Exemplarisch von Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 1865, S. 233.
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Weiter heißt es bei ihm jedoch: "Nicht etwa, daß der Staat bloß die Rechtsordnung handhabe ohne administrative Zwecke, oder vollends bloß die Rechte der Einzelnen schütze, er bedeutet überhaupt nicht Ziel und Inhalt des Staates, sondern nur Art und Charakter, dieselben zu verwirklichen."15
Daß sich der fonnalisierte Rechtsstaatsbegriff auf die Verwaltung und später auf das sich zunehmend verselbständigende Verwaltungsrecht bezog, konnte angesichts der programmatischen Idee, das Recht als Steuerungsmedium gerade dort durchzusetzen, wo der Rechtsstaat den überkommenen "Polizeistaat" noch nicht abgelöst hatte, jedenfalls der Sache nach kaum bezweifelt werden. 16 In der maßgeblichen Prägung durch OUo Mayer stellte das Verwaltungsrecht keinen Ordnungsrahmen der Staatsverwaltung dar, sondern richtete sich intentional auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. 17 Die öffentliche Staatstätigkeit wird nunmehr auf den Bürger bezogen und durch objektive Rechtsgrundsätze in der Ausübung ihrer Zwangsgewalt rechts staatlich umgrenzt. Dabei trägt die konkrete Ausfonnung der gefahrenabwehrenden Eingriffstatbestände der historischen Ambivalenz der bürgerlichen Bedürfnisse durchaus Rechnung: Während seit der Restauration einerseits das Verlangen nach gesellschaftlicher Sicherheit durch den Staat deutlich gestiegen war, akzeptierte das Bürgertum andererseits staatliche Einschränkungen der individuellen Freiheit nur noch in den vorhandenen Schranken der gesetzlichen Handlungsbefugnisse. IK In der Entste15 F. J Stahl, Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Auffassung, Bd. 2, 3. Aufl., 1856, S. 137. Zustimmung noch bei R. Thoma, JöR 4 a. f. (1910), S. 196 (198 f.). Thoma sieht an gleicher Stelle jedoch bereits eine Überwindung der "individualistischen Rechtsstaatsidee" durch die "schöpferischen Kräfte der nationalen und sozialen Ideen". 16 Otto Mayer hat bekanntlich sein gesamtes wissenschaftliches Werk auf die spiegelbildliche Gegenüberstellung zum rechtlich nicht greifbaren Polizeistaat ausgerichtet, vgl. nur 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1924, S. 38 ff., 54 ff.; von prominenter Seite zustimmend etwa Forsthoff(FN 4), S. 41 ff. (51); die Gegensätze überzeichnend RoneUenfitsch, Selbstverantwortung und Deregulierung im Ordnungsund Umweltrecht, 1994, S. 11 ff.; krit. zur verengenden "törichten" Gegenüberstellung von Mohl, Die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates, Bd. I, 3. Aufl., 1866, S.9; aus staatswissenschaftlicher Sicht anders insbesondere auch von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts, Bd. 2, 3. Aufl., 1887, S. 212 f., 258; resümierend H. Maier (FN 7), S. 14 f., 58 ff. u. 261 tr. 17 Vgl. Di Fabio (FN I), S. I \. Zum Gedanken der zu sichernden Distanz als Ausfluß der rechtsstaatlichen Grenzziehung zwischen Staat und Bürger Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 65 tr. 18 Allgemein zum Vorrang der Gefahrenabwehr gegenüber individuellen Freiheitsrechten mit einzelnen Konsequenzen für eine rechtsstaatlich akzentuierte Neuorientierung der verwaltungsrechtlichen Dogmatik Di Fabio (FN I), S. 36 ff., 48 ff. u. 445 ff.; nur scheinbar gegensätzlich ist die grundrechtlich fundierte Neubestimmung individueller Freiheitspositionen vor dem Hintergrund überindividueller Voraussetzungen, vgl. zu diesem Ansatz Murswiek, DVBI. 1994, 77 (79 ff.). Zum Ganzen bereits knapp F orsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 45.
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hungsphase weitgehend auf die punktuelle Eingriffsverwaltung zugeschnittener Prinzipien l9 übernimmt das Verwaltungsrecht somit eine primär dienende Funktion, die es in hohem Maße der formalen Rechtsstaatsidee verpflichtete. 2o Die Komplettierung dieser Idee findet ihren Ausdruck in der klassischen Formulierung, der "Rechtsstaat sei der Staat des wohlgeordneten Verwaltungsrechts".21 Mit der eigenständigen Ausbildung spezifischer Prinzipien hatte sich das modeme Verwaltungsrecht aber nicht nur vom Staatsrecht abgekoppelt und damit den politischen Zerreißproben der Zeit entzogen. Auch methodisch emanzipierte sich der verwaltungsrechtliche Geltungsanspruch von den älteren Polizeiwissenschaften, deren systematische Erfassung und Beschreibung der Verwaltungspraxis nach der Reichsgründung rur die sich durchsetzende ,juristische Methode" kaum noch Relevanz besaßen. 22 Der verwaltungsrechtlichen Systembildung im ausgehenden 19. Jahrhundert ging somit eine "doppelte Amputation"23 voraus: Die historischen Verbindungslinien zu den politischen und polizeiwissenschaftlichen Ursprüngen wurden gekappt und der Wirklichkeitsbezug verwaltungsrechtlicher Prinzipien aus dem dogmatischen Blickfeld genommen. Verschüttet wurde zum einen das historische Anliegen einer ursprünglich zweckorientierten Verhaltenssteuerung nach polizeirechtlichen Grundsätzen. 24 Zum anderen ruhrte die "zunehmende Ausscheidung des Praktischen"2s zu den bekannten Defiziten in der rechtsdogmatischen Erfassung der tatsächlichen Erscheinungsformen staatlicher Herrschaftsausübung. 26 Die voraussetzungsvollen Bedingungen einer nicht nur formalen Freiheitsgewäh-
19 Zu dieser historischen Ausrichtung insbesondere Badura, Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967, S. 35 ff.; zur Kritik an der verwaltungsrechtlichen Prinzipienbildung und der autonomen Ausrichtung am Anschauungsmaterial der Polizeiverwaltung aber schon in seiner Rezension zu Otto Mayers "Theorie des französischen Verwaltungsrechts" Laband, AöR 2 (1887), S. 149 (156 ff.). 20 Zum Primat rechtsstaatIicher Konstruktion Meyer-Hesemann, Methodenwandel in der Verwaltungsrechtswissenschaft, 1980, S. 24 ff.; präzise zum idealistischen Weltbild der Zeit Heyen, Otto Mayer. Studien zu den geistigen Grundlagen seiner Verwaltungsrechtswissenschaft, 1981, S. 5 ff. 21 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1924, S. 58. 22 Zu den frühen Ansätzen bei F. F. Mayer und O. Mayer als dem "großen Gestalter" der juristischen Methode im Verwaltungsrecht Dennewitz, Die Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, S. 68, 94 ff.; siehe auch Meyer-Hesemann (FN 20), S. 20 ff.; zur Gründungsleistung durch C. F. von Gerber und der Rezeption in der deutschen Staatsrechtswissenschaft Pau/y, Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993, S. 92 ff.; die - bis zur lahrhundertwende konkurrierenden - Ansätze staatswissenschaftlicher Ausrichtung darstellend: Sto//eis (FN 5), S. 391 ff. 23 Sto//eis (FN 5), S. 389. 24 Vgl. Di Fabio (FN I), S. I3 ff. 2S H. Maier (FN 7), S. 238. 26 Statt vieler P. Kirchhof(FN 5), S. 99.
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rung blieben im Kaiserreich außerhalb der juristischen Betrachtung und wurden im wesentlichen erst nach 1945 einer rechtlichen Durchformung zugefiihrt. Der Konnex zwischen dem Verwaltungs recht und dem nunmehr verfassungsrechtlich normierten Rechtsstaatsprinzip 27 hatte unter dem Grundgesetz jedoch eine spürbar umfassende Subjektivierung erfahren und verschob sich in weiten Teilen auf den grundrechtlichen Freiheits- und Freiheitsvoraussetzungsschutz. 2K
11. Das Maschinenmodell staatlicher Verhaltenssteuerung 1. Der Staat als Maschine Obwohl der verwaltungsrechtliche Autonomieanspruch auf den sich im 19. Jahrhundert durchsetzenden Grundsatz der Gewaltenteilung gestützt werden konnte, in der Schaffung konkreter Eingriffstatbestände die maßgebliche Freiheitssicherung gesehen wurde und das Postulat der förmlichen Verwaltungsentscheidung einen erheblichen Rationalitätsgewinn versprach, war der Rechtsstaat, wie er gefordert und verwaltungsrechtlich umgesetzt wurde, doch auch ein in seiner Funktionsfahigkeit zu erhaltener Verwaltungsstaat. 29 Gerade in Deutschland beruhte der Übergang zum bürgerlichen Rechtsstaat nicht auf einem revolutionären Umbruch, sondern vollzog sich bekanntlich auf evolutionärem Weg durch "Reformen von oben".)O Obwohl das beginnende 19. Jahrhundert sehr stark vom Freiheitsethos der französischen Revolution beeinflußt wird, 27 Zum heutigen Rechtsstaatsverständnis und den "zwei Entwicklungsstufen" Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts - Reformbedarf und Reformansätze, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann/Schuppert (Hg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S.II (19 f.); ders., Der Rechtstaat, in: IsenseeIKirchhof (Hg.), HdStR, Bd. I, 1987, § 24 Rn. 10 ff.; zur Dialektik der Ziele siehe aber auch die pointierte Kritik von Bettermann, Der totale Rechtsstaat, 1986, S. 5 ff. 28 Grundlegend Kloepfer, Grundrechte als Entstehungssicherung und Bestandsschutz, 1970; siehe auch Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte. Ein Beitrag zum Begriff der Nebenwirkungen, 1970, S. 21 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 473 f. Folgerichtig mußten die neuen - oder zumindest neu wahrgenommenen - Risiken in den Kategorien der grundrechtlichen Schutzpflichten diskutiert werden, vgl. zur aktuellen Erweiterung der Grundrechte nur Jeand'Heur, JZ 1995,161 ff. 29 Vgl. Botzenhart, Reform, Restauration, Krise. Deutschland 1789-1847, 1985, S. 45 tf.; zur "erstaunlichen" Kontinuität der deutschen Verwaltungsgeschichte bereits Ellwein, Einfiihrung in die Regierungs- und Verwaltungslehre, 1966, S. 26 ff.. )0 Grundlegend Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. Autl., 1981, S. 153 ff.; T Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, 4. Autl., 1987, S. 70 ff.; zur "defensiven Modernisierung" durch Reformen ausfiihrlich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. I, 2. Autl., 1989, S. 343 ff.; siehe auch D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988, S. 76 ff.; Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, in: Isensee/Kirchhof(Hg.), HdStR, Bd. I, 1987, § I Rn. 3 ff.
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sind es in der "Refonnära" nach 1806 die erfahrenen Folgen einer grenzenlosen Freiheit, die sich bewußtseinsprägend auf den vorkonstitutionellen Modemisierungsprozeß ausgewirkt haben. Sollte der Staat nicht im Terror gewaltsam zugrundegehen, konnte er sich nur selbst von "innen" heraus planmäßig refonnieren. Im Vordergrund der staatstheoretischen Opposition gegenüber den herkömmlichen Ordnungsmodellen stand zunächst das politisch indifferente Leitbild eines historisch gewachsenen (und verstandenen) Staates, der als sittlicher Organismus die selbständigen Teile im Gemeinwesen zusammenhält. 31 Daneben blieben jedoch auch ältere Vorstellungen lebendig, die auf ein tief verwurzeltes Bild vom Staat als Maschine hinweisen. 32 Im Absolutismus deutscher Prägung entstanden, diente die Analogie dem "more geometrico" angelegten Versuch einer rationalen Beschreibung der ordnungsstiftenden Gesetzmäßigkeiten, wie sie idealtypisch gerade im Staat ihre Entsprechung finden sollten. 33 "Ein wohleingerichter Staat", so hatte noch Johann Heinrich Gottlob von Justi repräsentativ für seine Zeit bemerkt, "muß vollkommen einer Maschine ähnlich sein, wo alle Räder und Triebwerke auf das genaueste ineinanderpassen, und der Regent muß der Werkmeister, die erste Triebfeder oder die Seele sein, wenn man so sagen
31 Zu dem im Vormärz weithin akzeptierten Vergleich mit einem Organismus, in dessen "lebendiger Kraft" der Staat als übergreifende Einheit und in sich stehende Ganzheit verstanden wird: Bäckenfärde, Der Staat als Organismus. Zur staatstheoretisch-verfassungspolitischen Diskussion im frühen Konstitutionalismus, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 263 ff; zur interpretatorischen Bedeutungstiefe der - vielfach romantisch aufgeladenen - Analogie zu einem sittlichen (oder ethischen) Organismus ders., Art. Organ, Organismus, Organisation, politischer Körper (VII-IX), in: Brunner/ConzelKoselieck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, 1978, S. 561 ff, 589 ff. (602 ff.); zusammenfassend Slalleis, Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft 1803-1866, in: JeserichlPohl/v.Unruh (Hg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, 1983, S. 72 ff.; zum Gedanken der im Organismus angelegten "Selbststeuerung gesellschaftlicher Verhältnisse" Pankake, Fortschritt und Komplexität, in: Koselleck (Hg.), Studien zum Beginn der modernen Welt, 1977, S. 352 ff. (3670; 32 Zur Entstehung und Konstanz dieser nicht nur affirmativen Vorstellung H. Dreier (FN 4), S. 36 ff, 48 f, 62 ff; 96 f u. 111 ff (m.w.N.); ausflihrlich zur friderizianischen Herkunft des Sprachbildes Slallberg-Rilinger, Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaates, 1986, S. 62 ff., 188 ff; weitere staatsphilosophische Bezüge bei Slalleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 (1600-1800), 1988, S. 272 f Eingang in die moderne politische Sprache hat die Metapher von der "Staatsmaschine" vor allem durch Max Weber gefunden, für den auch der formale Rechtsapparat "wie eine technisch rationale Maschine" funktioniert: M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., 1976, S. 469; ähnlich auch Naschald, Systemsteuerung, 2. Aufl., 1971, S. 14 ff.; ferner die Bemerkungen bei Krüger, DVBI. 1955, 380 ff. (382), Brahm (FN 1), S. 302, und Ladeur, Leviathan 7 (1979), S. 339 ff. (347). 33 Vgl. Kunisch, Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfalischen Frieden bis zur Krise des Ancien Regime, 1986, S. 18; siehe auch M. Herberger, Art. "Mos geometricus", in: Erier/Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, 1984, Sp. 698 ff
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kann, die alles in Bewegung setzet".34 In der Konstruktion eines vom Fürsten in Gang gesetzten "Mechanismus" ließ sich auf der einen Seite zwar zugunsten des Fürsten der Abbau ständischer Macht rechtfertigen. Auf der anderen Seite hatten jedoch persönliche Willkürakte oder ein ausgreifender Despotismus im spätabsolutistischen Maschinenmodell keinen Platz mehr. Auch der Fürst war in die Stabilität der von ihm dirigierten "Maschine" eingebunden, deren "Apparatur" durch den fortschreitenden Ausbau einer straff organisierten und streng hierachisierten Verwaltung bisher unbekannte und wohlstandsfördernde Steigerungen an Effizienz und Zuverlässigkeit erfahren hatte. JS In dem Maße, wie sich der im Bild der Staatsmaschine apostrophierte Fortschritt einstellte, mußte dem gewachsenen Bedürfuis nach seiner rationalen (und damit verkehrswirtschaftlichen) Beherrschung in dem fi.ir die Verwaltung zentralen Funktionsmodus von Befehl und Gehorsam entsprochen werden. Danach empfangt - so läßt sich rur den Spätabsolutismus festhalten - die Verwaltung in der Art von "mechanischen Impulsen" seine Instruktionen vom Landesherren, dessen Wille beachtlich und allein zu vollziehen ist. 36 Wie jüngst von Horst Dreier herausgestellt worden ist, bleibt das vollzugsorientierte Maschinenmodell einer weitgehend fremdbestimmten Verwaltung in den Grundzügen bis weit in das 20. Jahrhundert erhalten. 37 Dies gilt zunächst gegenüber der organischen Staatsidee, die seit dem Vonnärz in der Abkehr vom Bild der "toten Staatsmaschine" zwar die innere Einstellung des Beamten, nicht aber eine organisatorische Selbständigkeit der Verwaltung zu fördern vennochte. 38 Um so deutlicher wird die "Rückkehr zum absolutistischen Maschinenmodell" im Kaiserreich von 1871, dessen positivistische Staatslehre den Staat nicht mehr als einen ganzheitlichen Organismus, sondern als abstrakten
Von lusti, Gesammelte politische und Finanzschriften, Bd. 3, 1764, S. 87. Zur Ambivalenz des Maschinenmodells als geistiger Rahmen für die Herrschaftssteigerung und Herrschaftsbeschränkung fürstlicher Gewalt Sto/lberg-Rilinger (FN 32), S. 101 ff., 136 ff.; grundlegend zu den bürokratischen Elementen der zentral gesteuerten "Maschine" aus soziologischer Sicht M Weber (FN 32), S. 126 ff.; 551 ff. u. 825 ff.; siehe auch E/lwein, Entwicklungstendenzen der deutschen Verwaltung im 19. Jahrhundert, in: ders./HesselMayntzJScharpf (Hg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Bd. I, 1987, S. 13 (16 ff.). 36 Zur Verwaltung als dem "Vollzugsinstrument des landesherrlichen Willens" knapp Bachof, Art. "Verwaltung", in: EvStL, 3. Aufl., 1987, Sp. 3827 ff. (3830); in der gleichen Richtung auch Kunisch (FN 33), S. 9 ff. 37 Vgl. H. Dreier (FN 4), S. 111 ff. 38 Mit Hinweisen aus dem zeitgenössischen Schrifttum H. Dreier (FN 4), S. 62 ff., 71 ff. u. 112; obwohl sich organische Vorstellungen in der genossenschaftlichen Staatstheorie bei Otto Bähr oder Otto von Gierke finden lassen, aber auch bei Lorenz von Stein und Rudolf von Gneist lebendig bleiben, ist der Niedergang der organischen bzw. korporativen Idee doch gerade in dem vergeblichen Bemühen um eine "Überwindung der Trennung von Staat und Gesellschaft" deutlich geworden. 34
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Willensverband begreift. 39 Soweit der Blick auf das organisatorische Willenszentrum gerichtet ist, verbleibt der einzelnen Behörde im Verhältnis zum Staat "nur etwa die Bedeutung wie ein Rad oder einer Schraube an einer Maschine".40 Und nachdem die monarchisch geprägte Verwaltung als eigenständig zu begrenzende Gewalt anerkannt war, heißt es bei Dtto Mayer zu seiner Forderung, die Verwaltung müsse "möglichst an Rechtssätze gebunden werden" vergleichsweise lapidar: Das Verfassungsrecht liefere hierzu "seine Gesetzgebungsmaschine".41 Mit dem Perspektivenwechsel vom Staatsrecht zum Verwaltungsrecht wird ein eigener - rechtsstaatlich umgrenzter - Bereich der Verwaltung zwar eingeräumt. Die im Konstitutionalismus angelegte Teilung und Verschiebung der politischen Macht zur Volksvertretung beschränkte die Verwaltungstätigkeit jedoch umso stärker auf den strikten Vollzug der gesetzlich vorgebenen Aufgaben und Ziele. Das staatliche Handeln entspringt nun nicht mehr allein dem furstlichen Willen, sondern ist im rechtsstaatlichen Kern der hoheitlich programmierte, aber weitgehend kontrollierbare Gesetzesvollzug. 42
a) Gesetzesbindung der Verwaltung Daß die rechtstaatliche Renovierung der modellhaften Vorstellung einer staatlichen Maschine nicht bloß politische Metaphorik blieb, soll hier an dem für die verwaltungsrechtliche Systembildung schlechthin überragenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht in allen Einzelheiten der historischen Entwicklung nachgewiesen werden. Nur soviel: Die Bindung der Verwaltung an das konstitutionelle Gesetz mußte der zentrale Anknüpfungspunkt für ein rechtsstaatlieh fundiertes Verwaltungsrecht sein, dessen Aufgabe nicht mehr in der umfassenden Typologisierung der gesamten Verwaltungswirklichkeit gesehen werden konnte. Im Vordergrund der ,juristischen Betrach-
39 Vgl. H Dreier (FN 4), S. 93 ff. (96); Bäckenfärde (FN 31), S. 615. Damit wird der Staat zu Willensverhältnissen umgeformt und der rechtsstaatliehe Boden für das subordinationsrechtliche Herrschaftsverhältnis bereitet. Weil auf der einen Seite der befehlende Staat steht, auf der anderen Seite der Bürger diesen Befehlen zu gehorchen hat, konnte es im wesentlichen nur um Begrenzungen der einheitlichen Staatsgewalt aus der Sicht des Bürgers, nicht aber um das Bereitstellen von Handlungsanweisungen an den Staat gehen. 40 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1,5. Aufl., 1911, S. 368. 41 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1. Aufl., 1895, S.66. Für Otto Mayer steht außer Frage, daß erst die "Herrschaft" der Gesetze den Rechtsstaat hervorbringt. In dessen Zentrum wird jedoch der "Gesetzesstaat" gerückt, der die Verwaltung auf die GesetzesausJührung verpflichtet. So werde durch die Verwaltung in ihrem rechtsstaatlichen Gepräge der Verfassungsstaat vollendet: 0. Mayer, ebd., S. 61 ff. 42 So heißt es - die Konstanz in der Sache anzeigend - bei ForsthojJ(FN 4), S. 32: "Die Verwaltung entnimmt nunmehr die Maximen ihres Handeln weithin, aber nicht ausschließlich dem Gesetz, nicht mehr dem landesherrlichen Willen."
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tungsweise" stand der obrigkeitlich auftretende Staat, in dessen Rechtsformen die vorausgesetzte Gesetzesbindung der Verwaltung sichergestellt werden sol1.43 Ursprünglich noch eng mit dem Postulat der Gewaltenteilung verknüpft, hatte sich das Gebot gesetzmäßiger Verwaltung im ausgehenden 19. Jahrhundert verselbständigt und bezeichnete "das Fundament des Vorstellungskomplexes, den uns Heutigen das Wort Rechtsstaat auslöst".44 Erst die besondere Art und Weise gesetzmäßiger Verwaltung verleihe dem Rechtsstaat ,juristische Gestalt".45 Dieser Identifizierung vOn Rechtsstaat und gesetzmäßiger Verwaltung ("Gesetzesstaat") liegt die programmatische Vorstellung zugrunde, der rechtlich greifbare Staat erziele seine verhaltenssteuemden Wirkungen allein durch das ordnungs wahrende Gesetz. "Mit dessen Bindungskraft steht und fällt daher die Rechtsbindung der Herrschaft, um die es dem Rechtsstaat geht."46 So bedeutsam dieser Vorgang für die rechtsstaatlich disziplinierte Verwaltungstätigkeit auch insgesamt gewesen sein mag, auf das Funktionieren der "Staatsmaschine" wirkte sich die Gesetzesbindung der Eingriffsverwaltung zunächst nur insoweit aus, daß der Souverän und damit "Werkmeister" ausgetauscht wurde. Befehl und Gehorsam charakterisieren auch weiterhin das Bild der gesetzesgebundenen Verwaltung. 47 Die hierarchisch strukturierte Verwaltung bleibt im rechtsstaatlichen Modell konstitutioneller Prägung der Vollzugsautomat von Entscheidungen, die an einem anderen Ort getroffen worden sind. Von daher ist es auch nur folgerichtig, daß die Handlungsfonnen der Verwaltung weniger in ihrer Dimension als entscheidungs lenkende Steuerungsfonnen, 43 Vgl. Stolleis (FN 5), S. 389 f.; zur Auseinandersetzung mit der überlieferten - an den Rechtsformen der Eingriffsverwaltung ausgerichteten - Dogmatik des Verwaltungsrechts Badura (FN 19), S. 37; Krüger (FN 32), S. 380 ff.; Scheuner, Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, VVDStRL ll (1952), S. 3 ff.; teilweise abschwächend Bachof(FN 1), S. 212 f.; an der entwickelten Dogmatik weitgehend festhaltend J Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 50 (1992), S. 190 (194 ff.); demgegenüber siehe aber auch die Suche nach einer neuen "systemleitenden Idee" für die Herausforderungen der Verwaltungsrechtsdogmatik, etwa H. Dreier, Merkls Verwaltungsrechtslehre und die heutige Dogmatik des Verwaltungsrechts, in: Adolf 1. Merkl - Werk und Wirksamkeit, 1990, S. 55 ff. (84); vgl. ferner die Standortbestimmung von Schmidt-Aßmann, DV 1994, 137 ff.; zum verwaltungsrechtlichen System vor dem Hintergrund des europäischen Gemeinschaftsrechts v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, 1996, S. 26 ff. 44 Thoma (FN 15), S. 197. 45 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, I. Aufl., 1895, S. 69; relativierend bereits Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 6. Aufl., 1922, S. 6: Es gebe "im Rechtsstaate nur eine gesetzmäßige Verwaltung". Aber "ihre Richtschnur ist die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit". 46 D. Grimm, Der Wandel der Staatsaufgaben und die Krise des Rechtsstaates, in: ders. (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfahigkeit des Rechts, 1990, S. 291 ff. (296); vgl. auch ders., VVDStRL 52 (1992), S. 324 f. 47 Vgl. H. Dreier (FN 4), S. 108 ff.
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sondern als Formen der "Rechtsverwirklichung im Gesetzesvollzug" verstanden werden. 4K Damit soll der statische Charakter der Gesetzesbindung nicht überbetont werden. Einer engen Normreglementierung steht im polizeilich geprägten Verwaltungsrecht seit jeher die praktische Notwendigkeit entgegen, vor Ort schnell und flexibel polizeiliche Maßnahmen ergreifen zu müssen. Zum einen blieben daher naturrechtliche Eingriffsbefugnisse trotz der geforderten Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erhalten. 49 Auch der "Schrumpfungsprozeß"50 der Generalklauseln hat im Verwaltungrecht niemals ernsthaft in Frage gestellt, daß der "mit Polizei bezeichnete Verwaltungsbereich seinem Wesen nach einer restlosen normativen Durchdringung nicht zugänglich sei".51 Zum anderen wird als Komplementärfigur zur Gesetzesbindung der Verwaltung die Lehre vom Verwaltungsermessen entwickelt. Mit der gesetzlichen Einräumung von Ermessensspielräumen kommt der Verwaltung beim Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen eine rechtlich umgrenzte Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung der Rechtsfolge zu. Ungeachtet dieser stabilisierenden Korrelation von Tatbestand und Rechtsfolge ist das administrative Ermessen im verwaltungsrechtlichen Schrifttum immer als - mehr oder weniger skeptisch betrachtete - Ausnahme von dem Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung verstanden worden. 52 Das Unbehagen an den praktisch unerläßlichen Flexibilitätsreserven einer gesetzlich nicht vollständig programmierten und deshalb auch gerichtlich nur begrenzt kontrollierten Ermessensverwaltung muß jedoch vor dem Hintergrund der ursprünglichen Vorstellung von einem "freien" Ermessen verstanden werden. Als "trojanisches Pferd eines rechtsstaatlich orientierten Verwaltungs48 Vgl. Meyer-Hesemann (FN 20), S. 24 f; zur Bedeutung der Handlungsformenlehre und den Rechtsformen als Speicher für das Auffinden konkreter Problemlösungen Schmidt-Aßmann. DVBI. 1989,533 ff.; Ossenbühl, JuS 1979,681 ff.; zum Einbau von gestaltenden Steuerungselementen in ein erweitertes System der Handlungsformen Di Fabio, System der Handlungsformen und Fehlertypologie, in: Becker-Schwarze u. a. (Hg.), Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, 1991, S. 47 ff.; ausführlich hierzu M Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 1 u. passim. 49 Auch O. Mayer hat den gebietenden Rechten der Polizei eine "allgemeine Untertanenpflicht" gegenübergestellt, Störungen zu unterlassen: 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, I. Aufl., 1895, S. 250 ff., 277 ff.; hierzu Bäckenfärde (FN 12), S. 327 f; Di Fabio (FN 1), S. 14; ferner Meyer-Hesemann (FN 20), S. 45; zur Weitergeltung des § 17 II 10 ALR und anderer vorkonstitutioneller Ermächtigungsnormen Jesch (FN 12), S. 112 ff. 50 H. 1. Woljf, VVDStRL 9 (1952), S. 166. 51lmboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, 2. Aufl., 1962, S.13. 52 Vgl. 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1924, S. 99; Fleiner (FN 45), S. 141 ff.; zur Entwicklung der Ermessensfigur Held-Daab. Das freie Ermessen, 1996, S. 29 ff; gerade weil der wichtige Ermessensbereich unter dem Einfluß der Krone blieb, scheint die gesetzliche Determination des Verwaltungshandeln doch erheblich überschätzt worden zu sein: ForsthofJ(FN 4), S. 34.
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rechts"53 war der Ennessensbegriff tendenziell verdächtig, überkommene rechtliche Strukturen der monarchischen Verwaltung zu verfestigen. Umgekehrt hat später der Vertrauensschutz zugunsten des Bürgers erhebliche Relativierungen der Gesetzesbindung eingeleitet, die heute leicht in Vergessenheit geraten lassen, daß mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im 19. Jahrhundert ein durchaus fortschrittliches Programm verfolgt wurde, in dessen Hervorhebung nicht bloß belastende Eingriffe in Freiheit und Eigentum rur den Bürger berechenbar, sondern auch zum Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung kalkulierbar gemacht werden sollten. 54 Indessen ist rückblickend trotz der Konstanz, die das bürokratische Vollzugsmodell im Ergebnis aufweist, nur bedingt von einer gradlinigen Entwicklung zunehmender Gesetzesbindungen auszugehen. Die staatliche Modernisierung der bürgerlichen Gesellschaft war nach 1806 zunächst unter dem Blickwinkel betrieben worden, alle Kräfte im Staat fiir die anstehenden Refonnen zu mobilisieren. Der Abbau staatlicher Reglementierungen betraf den Bürger, der sich im "mechanischen" System friderizianischer Prägung einer Fülle von willkürlichen Bevonnundungen ausgesetzt sah. Die erhoffte Abkehr vom Mißtrauen gegenüber dem fiir mündig erklärten Bürger wird deutlich in den Worten von Georg Friedrich Wilhelm Hegel: "Die maschinistische, höchstverständige und edlen Zwecken gewidmete Hierarchie" erweise in nichts ihren Bürgern Zutrauen, könne "also auch keins von ihnen erwarten".55 Durch den Reformgeist ist auch der Verwaltungsapparat betroffen, der sich mit dem neuen Beamtenethos zum eigentlichen "Auslöser und Motor eines fundamentalen ökonomischen und sozialen Modernisierungsprozesses"56 aufschwingt. In dieser Phase der grundlegenden Weichenstellungen rur die Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft konnte sich die Verwaltung nicht einfach auf die technische Ausruhrung von Gesetzen beschränken. "Verwaltung in jener Zeit erschöpfte sich nicht im Vollzug vorgegebener Gesetzesnonnen, sondern sollte in umfassender Weise Grundlagen und Rahmenbedingungen rur eine liberale Wirtschaftsgesellschaft 53
H Huber, FS fur Giacometti, 1953, S. 66.
54 Vgl. Grawert (FN 12), S.913; ähnlich H Dreier (FN 4), S.82; Bäckenfärde
(FN 12), S. 58 f; vgl. auch Maus, Entwicklung und Funktionswandel der Theorie des bürgerlichen Rechtsstaats, in: Tohidipur (Hg.), Der bürgerliche Rechtsstaat, 1978, S. 13 ff.; zur (historischen) Systemrationalität der Gesetzesbindung unter den "traditionellen Staatsaufgaben der Ordnungswahrung" D. Grimm (FN 46), S. 296 f 55 Heget, Werke in 20 Bänden, Bd. 1, 1971, S. 483. 56 Kacka, Preußischer Staat und Modemisierung im Vormärz, in: B. Vogel (Hg.), Preußische Reformen 1807-1820, 1980, S. 49 ff. (49); vgl. auch Kasel/eck (FN 30), S. 153 ff; zur vergleichbaren Situation in der hervorgehobenen Rolle der Exekutive flir die Entstehung der modemen Umweltpolitik nach 1970: Ktaepfer, Umweltrechtsentwicklungen in Deutschland nach 1945, in: ders. (Hg.), Schübe des Umweltbewußtseins und der Umweltrechtsentwicklung, 1995, S.91 (100 ff.); dazu auch H P. Vierhaus, Umweltbewußtsein von oben. Zum Verfassungsgebot demokratischer Willensbildung, 1994, S. 101 ff.
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schaffen und sichern. Die Verwaltung schuf sich ihr Nonnprogramm gleichsam von selbst - durchaus in der Absicht zukünftiger Bindung und Beschränkung, aber in der eindeutigen Intention der Freisetzung einer bürgerlichen Gesellschaft."57 Hat demnach die Verwaltung aus eigenem Antrieb die Initialzündung für einen Umbau der Gesellschaft bewirkt, so geht diese spontane "Eigenmacht" der Verwaltung bereits kurze Zeit später in der Restaurationsphase wieder verloren. Zwischen dem Widererstarken traditioneller Ordnungsideen und der emanzipierten Warenverkehrsgesellschaft entstand eine Kluft, die auch von dem Verwaltungsapparat nicht überbrückt werden konnte. Der signifikante Wunsch nach einer "Freiheit durch den Staat" wich dem gesellschaftspolitischen Anliegen der .. Freiheit vom Staat". Da es diese Freiheit in einer staatlichen Ordnung nicht ohne Einschränkungen geben konnte, erkämpfte sich das Bürgertum die "Entscheidung über Güterproduktion und Freiheitsstatus"58 auf doppelte Weise: Die aktive Beteiligung an der Gesetzgebung stand auf der einen - eher demokratischen - Seite, die passive Begrenzung und Kontrolle der Verwaltung auf der anderen - eher rechtsstaatlichen - Seite. 59 Das konfliktreiche Ringen zwischen Monarch und Bürgertum um den Anteil der Staatsgewalt60 kulminierte in dem sich allmählich herausschälenden Gesetzesbegriff der spätkonstitutionellen Ära: "Inhalt und Umfang des Gesetzesbegriffs bezeichneten (... ) das Maß, in dem die Gesellschaft sich den Staat erobert hatte und ihn dirigieren konnte, während das Verhältnis von Gesetz und Verordnung entscheidend wurde für die Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit des monarchisch-anstaltlichen Obrigkeitsstaates."61 In der liberalen Vorstellung hatte das Gesetz freilich den Charakter einer dauerhaften, die Rechtsordnung fortbildenden Nonn. Es wird gerade nicht als Instrument der Sozialgestaltung verstanden, sondern war - pointiert fonnuliert ein "Mittel zur Herstellung und Bewahrung einer Ordnung koexistierender Freiheiten".62 Insoweit ist der historische Gesetzesbegriff durch eine strenge
57 H. Dreier (FN 4), S.58; ähnlich auch EI/wein, VerwArch. 87 (1996), S. I (10 ff.); zum "freisetzenden Recht" als Grundbedingung der Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft G. Winter, DVBI. 1988, 659 f. 58 Forsthoff(FN 4), S. 34. 59 Zur Verbindung der Gesetzesfunktionen in dem Postulat der "Freiheit vom Staat durch Teilhabe am Staat" Jesch (FN 12), S. 108; zum rechtswissenschaftlichen Vorrang rechtstaatlicher Ableitungszusammenhänge jedoch Di Fabio (FN 1), S. 11 ff. 60 Insoweit exemplarisch der preußische Budgetkonflikt, vgl. hierzu Wahl, Der preußische Verfassungskonflikt und das konstitutionelle System des Kaiserreichs, in: Böckenförde (Hg.), Modeme deutsche Verfassungsgeschichte (1815-1914), 2. Aufl., 1981, S. 208 ff.; T Nipperdey (FN 30), S. 749 ff. 61 Bäckenfärde (FN 12), S. 130 f. 62 Badura (FN 19), S. 25. Im Mittelpunkt der verwaltungsrechtlichen Gesetzesbindung steht "der Staat als Ordnungsmacht, nicht als Gestaltungskraft", so mit dem Hinweis auf die Präferenz der hoheitlichen Eingriffsverwaltung Scheuner (FN 43), S. 3; sie-
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Konditionalprogrammierung gekennzeichnet. 63 Weil im Tatbestand der allgemeinen Norm ("wenn") die Voraussetzungen rur den Eintritt der Rechtsfolge ("dann") vorgegeben sind, reduziert sich das gesetzlich gesteuerte Handeln der Verwaltung auf den obrigkeitlichen Normvollzug. Der strikten Einhaltung der gesetzlichen Grenzen steht daher die fehlende Folgenverantwortung der Exekutive gegenüber. Von der Verwaltung wird zwar die tätige Umsetzung der normativen Vorentscheidungen verlangt, doch "es genügt, daß normgemäß entschieden worden ist".64 Damit hatte sich das Grundmodell staatlicher Verhaltenssteuerung durchgesetzt: Mit dem Gesetz als "Chiffre rur die Grenzziehung zweier Machtsphären"65 wird der zentrale Bereich benannt, wo sich die Verwaltung nicht mehr in der befehlsunterworfenenen Abhängigkeit des Monarchen befindet, sondern auf den gehorsamen Vollzug der allgemeinen Gesetze verpflichtet wird. Der Gesetzesvorbehalt kennzeichnet die staatlichen Funktionen, die von der Verwaltung nicht aus eigenem Recht, sondern aus fremdem Recht gegenüber dem Bürger wahrgenommen werden. An die Stelle der bloßen Befehlsübermittlung tritt nun verstärkt die strukturelle Vollzugsbedürftigkeit gesetzlicher Willensäußerungen. Für das staatliche Handeln im Übergang zu einer gesetzlichen Verhaltenssteuerung folgt daraus zweierlei: Einerseits dehnt sich der Gesetzesvorbehalt mit der wachsenden Demokratisierung der parlamentarischen Vertretungskörperschaften sukzessive auf Bereiche aus, die ehemals noch zur Domäne der sich selbst programmierenden Krone zählten. 66 In dem Anliegen, die Verwaltung durch eine strikte Gesetzesbindung zu zähmen, ist der Weg zur eigenständigen Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen jedoch bereits angelegt. Je allgemeiner der Imperativ nun in der jeweiligen Norm zum Ausdruck kommt, desto deutlicher wird der Charakter des Gesetzes als Auftrag an die Verwaltung, den Inhalt der normativen Handlungsanweisungen rur das konkrete Tätigwerden zu ermitteln und umzusetzen. 67 Andererseits bleibt der Gesetzesvorbehalt zunächst he auch D. Grimm, Bürgerlichkeit im Recht, in: Kocka (Hg.), Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, 1987, S. 149 ff. 63 V gl. grundlegend Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, 2. Aufl., 1977, S. 66, 99 ff.; zur stabilisierenden Wirkung dieser Programmierung Ladeur (FN 45), S. 351 ff.; siehe auch Brohm (FN 1), S. 253 ff. 64 Luhmann (FN 63), S. 102. 65 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, m: Isensee/Kirchhof (Hg.), HdStR, Bd. 3, 1988, § 62 Rn. 13. 66 Neben dem Budgetrecht sind hier insbesondere die Gerichtsverfassung und das Polizeistrafrecht zu nennen, vgl. zur Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes ausführlich Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 48 ff. 67 Grundlegend zum "Gesetz als Auftrag der Verwaltung" Scheuner, DÖV 1969, 585 ff.; in der gleichen Richtung auch Badura, DÖV 1968, 446 ff. (452); zur aktuellen Debatte über die Ausdifferenzierung der Verwaltungsorganisation H. Dreier (FN 4), S.211ff.
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auf imperative und belastende Eingriffe beschränkt. Dies gilt trotz der praktizierten Erscheinungsformen der Leistungsverwaltung und sonstiger Maßnahmen zur Gestaltung gesellschaftlicher Abläufe. Hier enden mit den Grenzen der parlamentarischen Freiheitsverbürgungen auch die prägnanten Anforderungen an die rechtsstaatlichen Freiheitssicherungen. Für das ohnehin nur teilweise durch Gesetz gebundene Handeln bedeutet diese systematische Geschlossenheit eine Reduktion von rechtlicher Komplexität: Soweit auf das Verhalten der Bürger ohne obrigkeitliche Gewaltausübung einzuwirken versucht wird, verliert das insoweit gesetzesfreie Handeln der Verwaltung seinen rechtlichen Bezugspunkt und "erscheint als Nicht-Recht".o!
b) Normative Fixierung der Rechte und Pflichten des Bürgers Die Gesetzesbindung beschränkt die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Verwaltung im Interesse der Wahrung der individuellen Freiheitssphäre und der Rechtssicherheit. Jedoch erschöpft sich das Maschinenmodell der gesetzlichen Verhaltenssteuerung nicht in der negativen Beschränkung der Staatsgewalt. Vielmehr dient das Gesetz auch der positiven Fixierung von individuellen Verhaltenspflichten. Nicht mehr die Moralität, sondern die Legalität ist das zentrale Steuerungsmittel zur Sicherung der "gesetzmäßigen Freiheit".69 Und das legale Verhalten ist erzwingbar, weil anderenfalls die Freiheit des einen mit der Freiheit des anderen nicht kompatibel gemacht werden könne. aa) Legalität Der unbedingte Befolgungsanspruch der Gesetze gilt somit nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für den Bürger. In seiner ursprünglichen Bedeutung meint Legalität die "Übereinstimmung einer menschlichen Handlung mit dem äußere Pflichten begründenden Gesetz".70 Darin kommt nicht nur die weitgehende Ablösung überpositiver Pflichten durch gesetzlich begründete Verhal68 Vgl. Ossenbühl, Gesetz und Recht, in: IsenseelKirchhof (Hg.), HdStR, Bd. 3, 1988, § 61 Rn. 8; Grawert (FN 12), S. 919; zur auch insoweit das Verwaltungrecht prägenden Sicht von O. Mayer knapp Meyer-Hesemann (FN 20), S. 25; dabei soll die zeitgenössische Kritik gegenüber der Reduktion rechtlicher Steuerung auf den vollzugsprogrammierten "Befehl" nicht unterschlagen werden, vgl. besonders deutlich etwa Spiegel, Die Verwaltungsrechtswissenschaft, 1909, S. 198 f; ähnlich auch E. Kaufmann, Art. "Verwaltung und Verwaltungsrecht", in: v. StengellFleischmann, Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungs rechts, Bd. 3, 1914, Sp. 688 (712 ff). 69 Zum Auseinanderfallen von Moralität und Legalität T Würtenberger, Art. "Legitimität, Legalität", in: Brunner/Conze/Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, Sp. 677 (711 ff.). 70 T Würtenberger (FN 69), Sp. 679.
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tenspflichten zum Ausdruck. Entscheidend ist, daß die rechtliche Verhaltenssteuerung auf diejenigen Maßnahmen bezogen wird, die einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. 71 Anknüpfungspunkt rur das klassische Legalitätsprinzip ist der hoheitliche Eingriff in individuell geschützte Rechtspositionen. Damit ist nicht nur die Reichweite der Legalität begrenzt. Weil sich der Staat auf die Wiederherstellung einer vorausgesetzten Ordnung durch gezielte Maßnahmen der Gefahrenabwehr beschränkte, konnte das individuelle Verhalten durch Geund Verbote vergleichsweise einfach gesetzlich determiniert werden. Die instrumentale Umsetzung der gesetzlichen Verhaltenspflichten basierte insoweit auf dem zu erwartenden Gesetzesgehorsam der Bürger. (1) Binäre Zielrichtung der gesetzlichen Verhaltenssteuerung
Als erkämpfte Wertentscheidung 72 beruht das Gesetz im 19. Jahrhundert auf relativ stabilen Prämissen. Der Verhaltenssteuerung durch das Ordnungsrecht wird ein konstantes gesellschaftliches Umfeld zugrundegelegt. So bietet bereits der Einsatz punktueller Maßnahmen die Gewähr rur dauerhafte und unverbrüchliche Regelungen. 73 Stabil ist aber auch der Verweisungszusammenhang zwischen den verrugbaren Informationen und den bereitgestellten Instrumenten. Weil der Einsatz der ordnungsrechtliche Instrumente auf dem schlichten Gesetzesgehorsam des Adressaten basiert, müssen beim Staat alle relevanten Informationen rur den "staatlichen Eingritr' vorhanden sein. Das liberale Regelungsmodell begnügte sich hier freilich mit Wissensbeständen, die als "Erfahrungen" den Maßstab rur die Frage bildeten, wann eine "Gefahr" rur den abgrenzbaren Bestand individueller Rechtsgüter vorliegt. Im Tatbestand der Norm wird daher ein externes Ereignis vorausgesetzt, auf das die insoweit reaktive Tätigkeit der Verwaltung abgestimmt ist. Jede Problembearbeitung findet ihre systeminterne Grenze in den verrugbaren Instrumenten, mit "denen nur dort Verantwortung übernommen werden kann, wo der seine eigene Effektivität garantierende direkte ZugrijJmöglich erscheint".74 Damit soll der prospektive Charakter der ordnungsrechtlichen Verhaltenssteuerung nicht verkannt werden. Insbesondere das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wurde zu Beginn der Industrialisierung in Preußen erfolgreich zur Steuerung technischer Risiken eingesetzt. 75 Kennzeichnend fur die 71 Vgl. Quaritsch, Art. "Legalität, Legitimität", in: Kunst/Herzog/SchneemeIcher (Hg.), EVStL, 2. Aufl., 1975, Sp. 1226. 72 So Ossenbühl (FN 68), § 61 Rn. 21. 73 Zum folgenden siehe auch Grimm (FN 46), S. 295 f 74 Ladeur, VersR 1993, 257 (Hervorhebung vom Verf); ähnlich auch ders., Recht und Verwaltung, in: Dahlmann/Grunow/Japp (Hg.), Die Verwaltung des politischen Systems, FS für Luhmann, 1994, S. 99 ff. (102). 75 Hierzu Kloepfer (FN 2), S. 36 ff 3 Franzius
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sich am Gefahrenbegriff orientierende Verwaltungstätigkeit ist aber die "kausale Vorprüfung" der zu lösenden Probleme. Im Vordergrund dieser Reduktion steht nicht das Fehlen gesellschaftlicher Selbstssteuerungskapazitäten (mit dem entsprechenden Verzicht auf Zwangsmaßnahmen), sondern das begrenzte Vorhandens ein unmittelbar verhaltenslenkender Instrumente (mit dem anderenfalls hinzunehmenden Wegfall der Problembearbeitung). Die Verhaltenssteuerung durch Recht und Gesetz beschränkte sich im wesentlichen auf das individuell beherrschbare Verhalten. 76 Maßgeblich ist das bipolare Verhältnis zwischen Staat und Bürger. In dem Bemühen um eine Rationalisierung der staatlichen Einschränkungen der Freiheit mußte das Recht in seiner verhaltenssteuernden Zielrichtung eine binäre Ausrichtung erfahren. 77 Entweder ein Verhalten war erlaubt oder es war verboten. Unter dem strikten Legalitätsprinzip blieb dem Staat im klassischen Modell der individuellen Verhaltenssteuerung ein dritter Weg zwischen den vorgegebenen Kategorien von Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit versperrt. Das individuelle Verhalten konnte nur insoweit Gegenstand rechtlicher Regulierung sein, als es unter den binären Maßstab subsumiert werden konnte. Sollte ein (gefährliches) Verhalten unterbunden werden, so mußte es für normwidrig erklärt werden. Anderenfalls blieb es - jedenfalls rechtlich - erlaubt.
(2) Gefahrenabwehr als Legitimationsgrundlage und Sozialmodell Zu der antizipativen "Steuerung der Mittel" durch das binäre Modell tritt der herausgehobene Zweck der Gefahrenabwehr. Über die Steuerungsfunktionen der Gefahrenabwehr erfährt der konkrete Einsatz der jeweils vorhandenen Mittel voraussetzungsvolle Begrenzungen. In praktischer Hinsicht ist zunächst das Erfordernis der individuellen Zurechnung von Schäden (und Gefährdungen) zu nennen: Zwischen Schadensquelle und Schaden muß ein kausaler Verursachungszusammenhang festgestellt werden können. Dabei wird jedoch ein durchweg lineares Verständnis von Zeit zugrundegelegt. Weil alle Vorgänge in der Zukunft bereits in der Gegenwart prinzipiell erkennbar und vorhersehbar sind, können unter Berücksichtigung Besonders deutlich P. Kirchhof(FN 5), S. 77. Zum binären Code rechtlicher Steuerung Luhmann, Ökologische Kommunikation, 3. Aufl., 1990, S. 124 ff.; krit. gegenüber der binär kodierten Grenzwertkonzeption Ladeur, Alternativen zum Konzept der "Grenzwerte" im Umweltrecht, in: Winter (Hg.), Grenzwerte, 1986, S. 119 ff.; aus ökonomischer Sicht zu der ordnungsrechtlichen "Dichotomisierung des umweltallokativen Möglichkeitraumes in erlaubte und unerlaubte Umweltnutzungen" Gawel, Umweltallokation durch Ordnungsrecht, 1995, S. 9 ff.; zum Ganzen auch E. H. Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: D. Grimm (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfiihigkeit des Rechts, 1990, S. 69 (70 f.). 76
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von Erfahrungssätzen auch zukünftige Schadensereignisse individuell zugerechnet werden. Das klassische Modell der Gefahrenabwehr beruht danach "grundlegend auf der Erkenntnis der Kausalität zwischen Gegenwart und zukünftigen Schadensereignissen in einer determinierten, zuverlässig vorhersagbaren, stabilen und grundsätzlich reversiblen Ordnung. Durch die Verknüpfung der zeitlichen Dimension mit dem Grundsatz der Kausalität wird ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, in einen definierten Ablauf von Ereignissen eingebunden zu sein. "78 Andererseits eröffnen sich dem Staat erst über die Gefahrenabwehr die wesentlichen Eingriffsmäglichkeiten für den zu suchenden Ausgleich zwischen kollektiver Sicherheit und individueller Freiheit. Gerade die Bezugnahme auf die (staatliche) Sicherheitsgewährleistung dient dem modemen Staat seit der Aufklärung auch als besondere Legitimationsgrundlage. Wenn es dem Staat nicht gelinge, den Schutz von Kollektivgütern und individuellen Rechten sicherzustellen, drohe sich die Gesellschaft selbst aufzulösen. Zur Verhinderung dieser - von Hobbes eindrucksvoll geschilderten 79 - Bedrohung müssen individuelle Rechte "aktuell und vereinzelt weichen, damit sie zukünftig und allgemein geschützt werden können". 80 Der gefahrenabwehrende Staat erhält daher seine Legitimation über die ihm zugewiesene GarantensteIlung für die Ausübung von Freiheit. Steht er zuerst für Sicherheit, garantiert er damit Freiheit, weil die Freiheitsausübung aller ein Mindestmaß an Sicherheit voraussetzt. SI Je unabweisbarer aber das Sicherheits bedürfnis aller ist, desto geringer sind auch die Anforderungen an den Begründungsaufwand für die gezielte Einschränkung individueller Freiheitspositionen. Daß der Zweck der Gefahrenabwehr mit Steuerungsfunktionen versehen war, ist zuletzt von Udo Di Fabio nachgewiesen worden. sz In dem Maße, wie sich die demokratische Legitimation staatlicher Eingriffe nicht einstellen ließ, blieb die rechtsstaatliche Zweckbindung durch das Gesetz eine maßgebliche Rationa-
78 Wahl/Appel, Prävention und Vorsorge. Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl (Hg.), Prävention und Vorsorge, 1995, S. 28; Hili, Leitbild der Ökologisierung des Rechts- und Verwaltungssystems. Zusammenfassende Leitlinien, in: Böhret/Hill (Hg.), Ökologisierung des Rechts- und Verwaltungssystems, 1994, S. 208 ff (209). 79 Dazu Murswiek (FN 9), S. 15 ff. 80 Di Fabio (FN 1), S. 36 (Fn. 41). 81 Di Fabio (FN 1), S. 36 f; ähnlich auch Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 3 ff. (21); Eichenberger, Die Sorge für den inneren Frieden als primäre Staatsaufgabe, in: ders., Der Staat der Gegenwart, 1980, S. 73 ff.; zur historischen Herleitung dieser Verknüpfung Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 27 ff.; für das preußische Staatsideal E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 1960, S. 19 f; zur administrativen Verwaltungspraxis ebenso Lüdtke, Der Staat 20 (1981), S. 201 (204 f). 82 Di Fabio (FN 1), S. 27 ff.
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Iitäts- und Kontrollgröße fur die Verhaltenssteuerung. Dies galt insbesondere für die Zweckbegrenzungen der allgemeinen Eingriffsermächtigung zur Gefahrenabwehr (vgl. § 10 11 17 ALR). Mit der Ausscheidung der eudämonistischen Staatszwecke durch den restriktiven Polizeibegriff wurde der funktionale Kern der Gefahrenabwehr freigelegt. Das insoweit wegweisende Kreuzberg-Urteil VOn 1882 H3 beschränkte den Einsatz der generellen Eingriffsbefugnis auf zweckgebundene Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Im Vordergrund stand deren exeptionelle Vorrangstellung gegenüber den wachsenden Maßnahmen der fur- und vorsorgenden Wohlfahrtspflege, die seitdem an das Vorhandensein einer spezialgesetzlichen Ermächtigung geknüpft sind. Über den Inhalt und das Ausmaß dieser Einwirkungsbefugnisse sollte - so im Kern die KreuzbergEntscheidung - allein der parlamentarische Gesetzgeber entscheiden. Dagegen blieb der historische Zweckgedanke umso stärker im allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr erhalten. Die Weite der polizeilichen Generalklausel mit seinem breiten Ermessenspielraum konnte im Zuge der rechtstaatlichen Eingrenzungsbemühungen nur aufrechterhalten werden, weil der zentrale Gefahrenbegriff durch die Rechtsprechung allmählich feste Konturen erhielt. 84 Ist die Gefahr einmal festgestellt, so eröffnen sich dem Staat weitreichende - und rechtsstaatlieh weniger intensiv geschützte - Eingriffsbefugnisse. Hier ist es gerade der Zweck staatlicher Gefahrenabwehr, dessen Beachtung die Voraussetzungen und Begrenzungen polizeilicher Eingriffe sicherstellt. 85 Sowohl bei der Ermessens-
H3 PrOVGE 9, 353 ff. - dazu Roft, NVwZ 1982, 363 ff. Zur Bedeutung der Staatszwecke für das Polizeirecht instruktiv K. Vogel, Über die Herkunft des Polizeirechts aus der liberalen Staatstheorie, FS ftir G. Wacke, 1972, S. 375 ff. (380): Das Gesetz oder Gewohnheitsrecht sollte ursprünglich "nur dort erforderlich sein, wo nicht schon der Staatszweck, der Schutz der Sicherheit, die Polizei zu Eingriffen legitimiert". § 14 II 17 ALR diente daher im gesamten 19. Jahrhundert auch der Wohlfahrtsförderung durch die Polizei, hierzu eingehend Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983, S. 184 ff., 274 ff.; ähnlich Boldt, Geschichte der Polizei, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, S. 20 ff. (26). Erst im einsetzenden 20. Jahrhundert setzte sich die epochale "Kreuzberg-Erkenntnis" mit dem modemen Gefahrenbegriff endgültig durch. Für eine Vielzahl der traditionellen Wohlfahrtsaufgaben waren in der Zwischenzeit jedoch die geforderten spezialgesetzlichen Grundlagen geschaffen worden, vgl. zur Abwanderung der polizeirechtlichen Materien in Sondergesetze Gusy, Polizei- und Ordnungrecht, 1992, § 1 Rn. 9. 84 Vgl. Scholz, VerwArch. 27 (1919), S. 1 ff.; unter Hinweis auf BVerfDE 54,143 (144 f.) W Martens, DÖV 1982, 89 ff. (90); siehe auch Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, 1983, S. 22 ff. - Zu "Rechtsanwendungsänderungen" im Zuge veränderter Gefahrenerkenntnis Kloepfer, Die Verantwortlichkeit ftir Altlasten im öffentlichen Recht, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hg.), UTR 1 (1986), S. 1 ff. (23); ausführlich T. Brandner, Gefahrenerkennbarkeit und polizeirechtliche Verhaltensverantwortlichkeit, 1990, S. 24 ff. H5 Vgl. zuletzt Di Fabio (FN I), S. 33 f., 39 f. und zu möglichen Konsequenzen ftir ein rechtsstaatliches Risikoverwaltungsrecht, S. 460 ff. Anders dagegen der verfassungsdogmatische Argumentationshintergrund beim Abwägungspostulat, vgl. Schlink, Abwägung im Verfassungrecht, 1976, S. 203 ff.; eher vage auch die Vorschläge einer
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ausübung wie auch bei der Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird die "vergleichsweise prägorierende Wirkung"86 der sicherheitsrechtlichen Zweckvorgabe deutlich. Der Sicherheitszweck kanalisiert die konkrete Entscheidungsfindung im Wege der vorgegebenen Zweck-Mittel-Relationierung. Logischen Vorrang genießt der vorausgesetzte Zweck, dessen Realisierung über die geeigneten Mittel durch die individuellen Freiheitsrechte jedoch auf das notwendige Maß beschränkt wird. Neben seiner eingriffs legitimierenden und -steuernden Bedeutung diente der Staatszweck der Gefahrenabwehr als "Sozialmodell" für die verwaltungsrechtliche Systembildung. 87 Dabei ging es gerade nicht um die Neuformulierung von (konkurrierenden) Zwecken nach dem jeweiligen Sachgebiet. Vielmehr wurde der vorgefundene - und hinreichend legitimierte - polizeiliche Zweck, also der kollektive Rechtsgüterschutz unter Wahrung individueller Freiheitspositionen, mehr oder weniger stillschweigend auch der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Dogmatik zugrundegelegt. KR Das (empirische) Anschauungsmaterial bot die Polizeiverwaltung, wo nach OUo Mayer "mit den Mitteln der obrigkeitlichen Gewalt für die Abwehr von Störungen gewirkt werden soll".K9 Folgerichtig erwies sich das Polizeirecht für das Verwaltungsrecht als der Kernbestand und das Modellstück, an dem Rechtsprechung und Wissenschaft die allgemeine Formentypik einer idealtypisch obrigkeitlichen Verwaltung entwikkelten. 9o dialogischen Grundrechtsabwägung im Rahmen der Rechtsverhältnistheorie, so etwa bei Gräschner (FN 4), S. \03 ff. 86 Di Fabio (FN I), S. 34. R7 Begriffsprägend Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, 1953, S. 4 f.; für das verwaltungsrechtliche Idealbild im Konstitutionalismus Scheuner (FN 67), S. 585 ff.; zum "Sozialmodell" der Wirtschaftsordnung unter dem Grundgesetz ders. (FN 43), S. 18. 88 V gl. die Kritik bei Badura (FN 19), S. 59; zum Streit über die einseitige Ausrichtung der verwaltungsrechtlicher Prinzipien am Zweck der Gefahrenabwehr die kontroverse Diskussion zum zweiten Beratungsgegenstand der Regensburger Staatsrechtslehrertagung mit dem Referat von Bachof(FN 1), S. 199 ff., 313 ff. Bezeichnend ist, daß die Infragestellung der dogmatischen Bewältigungsleistungen gerade mit dem Anwachsen leistender und lenkender Staatstätigkeit in den 60er Jahren einherging. Das primär staatsbegrenzende Rechtsstaatsmodell liberaler Ausprägung hatte für diese Aufgaben seine paradigmatische Geltung weitgehend verloren, vgl. zur Diskussion über die neue Dimension der "Grundrechte im Leistungsstaat" den ersten Beratungsgegenstand der Regensburger Staatsrechtslehrertagung und hier insbesondere das Referat von Häber/e, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff., 142 ff.; zur thematischen Verknüpfung der Beratungsgegenstände Dagtog/ou, ebd., S. 341 ff. 89 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, I. Aufl., 1895, S. 248. 90 Vgl. bereits Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger (1938), in: ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 22 ff. (51); Menger, DVBI. 1960, 297 ff. - Zu O. Mayer und der Ausrichtung seines Werkes am Polizeirecht ausführlich Meyer-Hesemann (FN 20), S. 20 ff.; zur Bedeutung von Referenzgebieten für die verwaltungsrechtliche Systematik Schmidt-Aßmann (FN 43), S. 148 f.
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bb) Rechts/ormen
Neben den gesetzlichen Zweckbegrenzungen staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten zählt die Rechtsförmlichkeit der Verwaltungsentscheidung zu den grundlegenden Postulaten der verwaltungsrechtIichen Begriffs- und Systembildung. Die "Form als geschworene Feindin der Willkür"91 erhielt in der Verwaltungsrechtsdogmatik eine über die rechtsstaatliche Eingriffskontrolle hinausgehende systematisierende Bedeutung rur die gesamte Verwaltungstätigkeit. 92 Nicht der Handlungszweck, sondern die gewählte Rechts/orm sollte das interne Gliederungsprinzip staatlicher Handlungsweisen sein. Mit der Gleichsetzung von Form und Recht verkörperte das verwaltungsrechtliche System die Idee hinreichend wirksamer, aber formal begrenzter Handlungsformen. Weil sich der Staat in erster Linie auf die obrigkeitliche Abwehr individuell verursachter Gefahren beschränken sollte, erschien die Aufgabenerrullung durch die vorgebenen - auf den Polizeibefehl zugeschnittenen Rechtsformen in ausreichendem Maße rechtsstaatlich sichergestellt zu sein. Der Formungsgedanke realisiert somit - gewissermaßen systemintern - den Zweck staatlicher Eingriffe. 93 Von daher ist zu Recht auf die zeitbedingte Systernrationalität der formalen (und nicht teleologischen) Betrachtungsweise hingewiesen worden, die es über die Hervorhebung der Form erlaube, zum rechtlichen Kern der Verwaltungstätigkeit vorstoßen zu können. 94
(I) System der rechtlich relevanten Handlungsformen Im verwaltungsrechtlichen System erscheinen die Handlungs/ormen der Verwaltung als Rechts/ormen der (hoheitlichen) Verwaltung. Aus der komple91 v. Ihering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 2. Teil, 2. Abt., 1875, S. 471; vgl. auch P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: IsenseelKirchhof (Hg.), HdStR, Bd. 3, 1988, § 59 Rn. 40. Zu den Willkürakten in der Reaktionszeit nach 1849 Funk, Polizei und Rechtsstaat. Die Entwicklung des staatlichen Gewaltmonopols in Preußen 1848-1914, 1986, S. 70 ff. 92 Hierzu Krause, Rechtsformen des VerwaltungshandeIns, 1974, S. 14 ff. 93 Vgl. zur Identifizierung der Form mit dem Zweck 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, I. Aufl., 1895, S. 248 f.; hierzu Meyer-Hesemann (FN 20), S. 21; Vosniakou, Beiträge zur Rechtsverhältnistheorie, 1992, S. 11 ff. Systembildend wurden nur die Rechtsformen der Ausübung obrigkeitlicher Gewalt, die Rechtsformen also, die das "Korrelat der liberalen Auffassung der Staatszwecke" darstellten: Badura (FN 19), S.37. 94 So Badura (FN 19), S. 56; ihm folgend Stolleis (FN 5), S. 407; Meyer-Hesemann (FN 20), S. 32 ff.; vgl. ferner zur Rationalität der formalen Betrachtung des Rechts M. Weber (FN 32), S. 505; im Anschluß an ihn Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates (1954), in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, 1971, S. 165 ff. (174); zur Harmonie von Zweck und Mittel im 19. Jahrhundert auch D. Grimm (FN 62), S.149 ff.
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xen Realität administrativer Verhaltensweisen wurden durch Formung einzelne Handlungsweisen isoliert und mit bestimmten Rechts/algen versehen. Rechtsformen sind daher vertypte Handlungsausschnitte, die besonderen Rechtsanforderungen unterstellt sind. 95 Für das Verwaltungsrecht in der Prägung durch Otto Mayer stehen die formgesteuerten Rechtsfolgen im Vordergrund der Betrachtung. Von rechtlicher Relevanz sind die Handlungsformen nur insoweit, als ihnen eine normative Regelungsfunktion zukommt. 96 Mit der Konzentration auf die Rechtsform (und der entsprechenden Fehlertypologie) ging es der traditionellen Lehre von den Rechtsformen jedoch weniger um eine wirklichkeitsnahe Abbildung der verwaltungsbehördlichen Praxis, als um deren Rationalisierung und rechtsstaatliche Disziplinierung: Rechtsformen erleichtern - wie Schmidt-Aßmann es plastisch formuliert - durch ihre Speicher/unktion das Auffinden konkreter Lösungen und machen der Verwaltung ihre eigenen Handlungsabläufe und Entscheidungsfolgen überschaubar. Dies steigert die Steuerungsfähigkeit rechtlicher Regelungen 97 und läßt in der flutenden Masse der Verwaltungstätigkeit "mitten
95 Schmidt-Aßmann (FN 48), S. 533. Mithin sind die häufig synonym gebrauchten Begriffe Handlungs- und Rechtsform zu unterscheiden. Oberbegriff ist die Handlungsform, die über die Rechtsformen hinaus auch alle übrigen Verwaltungshandlungen der verwaltungsbehördlichen Praxis umfaßt: Pauly, Grundlagen einer Handlungsformenlehre im Verwaltungsrecht, in: Becker-Schwarze u.a. (Hg.), Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, 1991, S. 25 (32 ff). Rechtsformen sind dagegen rechtsdogmatische Artefakte, die keine Entsprechung in der Alltagswelt kennen und inhaltlich einen Normsatz (Rechtsquelle) in sich tragen; so - im Anschluß an Pestalazza, Formenrnißbrauch des Staates, 1973, S. 133 - M. Schulte (FN 48), S. 35. Als Normsatzformen umfassen die exekutiven Rechtsformen danach den Verwaltungsakt, den (öffentlichrechtlich oder privatrechtlich zu qualifizierenden) Vertrag, die Rechtsverordnung, die Satzung und die Verwaltungsvorschrift. Zum metaphorischen Verständnis der Rechtsformen als dem "Kleid", das von der Rechtsordnung für eine bestimmte Handlung zur Verfügung gestellt wird: J. Burmeister (FN 43), S. 207 f 96 O. Mayer geht es in seinem Werk um die rechtliche Bewältigung der Handlungsformen einer rechtsstaatlichen Verwaltung, vgl. F arsthaff (FN 4), S. 51. Hierfür entwickelte er eine "Lehre von den Rechtsformen" der öffentlichen Verwaltung: so bereits E. Kaufmann, VerwArch. 30 (1925), S. 377 ff. (386); maßgeblich ist deshalb nicht die objektive Rechtsrelevanz der Handlungsform, sondern die intendierte Rechtswirkung der Handlung durch die vorgegebene Rechtsform. Zum Ganzen auch Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, 1886, S. 2 ff 97 Schmidt-Aßmann (FN 48), S. 534; mit dem Hinweis auf die erhöhte Fähigkeit der Verwaltung zur Eigensteuerung auch Pauly (FN 95), S.35. Zur rechtsdogmatischen Entwicklungsoffenheit der Lehre von den Handlungsformen Ossenbühl (FN 48), S. 682 ff.; moderaten Anpassungsbedarf im Hinblick auf den Einbau gestaltender Steuerungselemente sieht etwa Di Fabia (FN 48), S. 56 ff.; zu den gleichwohl sich abzeichnenden Systemänderungen durch ein bereits entwickeltes "Recht der präventiven Steuerung" vorsichtig Schmidt-Aßmann (FN 27), S. 56 ff; deutlicher zur notwendigen Abkehr vom "mechanistischen Steuerungsdenken" durch ein neues "Recht der Systemsteuerung" ders. (FN 43), S. 151 ff.; siehe ferner KlaepferlRehbinderiSchmidt-Aßmanni Kunig, Umweltgesetzbuch, Allgemeiner Teil, UBA-Berichte 7/90, 1991, S. 261.
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drin fort und fort feste Punkte auftauchen, welche dem Einzelnen Halt gewähren und ihm darüber hinaus sicherstellen, wohin es geht".98 In ihrem "punktuellaugenblicksverhafteten Charakter"99 haben die Rechtsformen somit auch eine Schutzfunktion für den Bürger. Zentraler Bestandteil der Formenlehre mußte der Verwaltungsakt sein, der als obrigkeitlicher Ausspruch der Verwaltung dem "Untertanen im Einzelfall bestimmt, was für ihn Rechtens sein soll" .100 Seine Titel- und KlarsteIlungsfunktion erlaubte es der Verwaltung, den Rechts- und Ptlichtenkreis des jeweiligen Adressaten zu gestalten. Folgerichtig avancierte der Verwaltungsakt in der Gestalt der begünstigenden Erlaubnis oder der belastenden Verbotsverfügung zum formalen Prototyp der staatlichen Kontrolle gefährlicher Handlungen. 101 Umgekehrt hatte der Verwaltungsakt in seiner individuellen Zentrierung aber auch eine rechtsschutzeräjJnende Funktion, die dem betroffenen Bürger eine gerichtliche Überprüfung (subjektiver) Rechtsverletzungen ermöglichte. ,o2 Mit dem (mittelbaren) Individualrechtschutz wird das verwaltungsrechtliche System geschlossen: Die Rechtsform ist in der überkommenen Systematik des allgemeinen Verwaltungsrechts der problemleitende Kristallisationspunkt für den rechtsstaatlichen Ausgleich zwischen behördlichem Handlungsauftrag und bürgerlichem Rechtsschutz. 103 Auf der einen Seite 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1924, S. 93. So Eh/ers, DVBI. 1986,912 ff (914). 100 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1924, S. 95; ähnlich noch Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, 7. u. 8. Aufl., 193 I, S. 7: "Die juristisch erfaßbare Verwaltungstätigkeit beginnt erst mit dem Verwaltungsakt. Dieser ist ein obrigkeitlicher Ausspruch der Verwaltung, der dem Individuum im gegebenen Falle sein Recht zuweist." Zum Ursprung der Rechtsfigur des Verwaltungsaktes Stal/eis (FN 5), S. 410 f; weitere Nachweise bei Pau/y, Art. "Verwaltungsakt", in: ErlerfKaufmann (Hg.) Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, 1993, Sp. 875 ff 101 Zur (häufig verkannten) instrumentellen Leistungsfähigkeit des Verwaltungsaktes unter Ungewißheitsbedingungen Schach, Der Verwaltungsakt zwischen Stabilität und Flexibilität, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Innovation und Flexibilität des VerwaltungshandeIns, 1994, S. 199 (207 ff). Als prägnantes Beispiele dient der "vorläufige" Verwaltungsakt, vorsichtig generalisierend Di Fabia, DÖV 1991,629 ff.; krit. Peine, Entwicklungen im Recht des Verwaltungsaktes, FS für W. Thieme, 1993, S. 563 ff. - Zu den Flexibilitätsreserven der Kontrollerlaubnis Sach, Genehmigung als Schutzschild? Die Rechtsstellung des Inhabers einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, 1994, S. 151 ff.; vgl. ferner Hermes, Die Wirkung behördlicher Genehmigungen: Privates Risiko oder staatliche (Mit-)Verantwortung bei veränderter Sachlage, in: Becker-Schwarze u. a. (Hg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 187 ff.; zusammenfassend Wah//Hermes/Sach, Genehmigung zwischen Bestandschutz und Flexibilität, in: Wahl (Hg.), Prävention und Vorsorge. Von der Staatsaufgabe zu den verwaltungsrechtlichen Instrumenten, 1995, S. 217 (243 ff.). IU) Statt vieler Bachaf, Über einige Entwicklungstendenzen im gegenwärtigen deutschen Verwaltungsrecht, in: KülzINaumann (Hg.), lubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1963, S. 3 (9 f.). 103 Zum "Doppe1auftrag" der Formenlehre Schmidt-Aßmann (FN 48), S. 535; zum juristischen Kern dieser Aussage J Burmeister (FN 43), S. 194 ff 98 99
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steht der obrigkeitlich verstandene Staat, dem durch die formale Entscheidung der universelle Rechtmäßigkeitsmaßstab bewußt werden soll. Auf der anderen Seite steht der betroffene Bürger, dessen Rechtsschutz aber an den formalen Eingriffsakt geknüpft ist. Wo kein Eingriff festzustellen war, weilIndividualinteressen nicht berührt wurden, bereitete sich das weite Feld der "Staatspflege" aus. Das klassische Verwaltungsrecht unterwirft auch diese Bereiche der Verwaltungswirklichkeit dem Modell einer prinzipiell obrigkeitlich und rechtsförmig handelnden Verwaltung. lD4 Mit dem rur die nicht unmittelbar eingreifende Verwaltung entwikkelten Institut der "Anstalt" wird ein hoheitlicher Ordnungsrahmen geschaffen, der es auch rur die Fälle lediglich gewährender oder gestaltender Maßnahmen der Verwaltung erlaubte, den Bürger in eine besondere Beziehung zum Staat zu setzen. Das sich in der Anstaltsgewalt entfaltende "besondere Gewaltverhältnis" ist letztlich nur der rechtswissenschaftliche Ausdruck rur den Versuch, die gesetzlich nicht determinierten, eher indirekten und in ihrer Wirkung breit gestreuten Maßnahmen der Verwaltung als punktuelle Rechtsbeziehungen im Subordinationsverhältnis zwischen Staat und einzelnem Bürger auszugestalten. Otto Mayer ist es daher möglich, die nicht aus dem polizeilichen Zweck erklärbare VerwaltungstätigkeitlOS an den fur die obrigkeitliche Verwaltung entwikkelten Kategorien zu orientieren. 106 Obwohl durchaus erkannt wird, daß sich die Verwaltungstätigkeit nicht bloß auf die charakteristischen Merkmale Befehl und Zwang reduzieren läßt, bleibt der instrumentelle Gehalt einer - unmittelbar oder nur mittelbar - gestaltenden "Vorsorge für das Alltägliche "107 verwaltungsrechtlich nicht faßbar. 108 Dahinter verbarg sich die - staatstheoretische - Vorstellung, nur das "Subordinationsrecht" als das eigentümliche Recht der Verwaltung begreifen zu können. 109 In allen Fällen, die nicht durch den Einsatz hoheitlicher Machtmittel gekennzeichnet waren, konnte lediglich von "fiskalischer Verwaltungstätigkeit " gesprochen werden. Hier eröffnete sich dem Staat zwar ein gewisser Spielraum rur die privatrechtliche Aufgabenerfullung. Aber die privatrechtliche Form imVgl. Meyer-Hesemann (FN 20), S. 22 f. 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 1896, S. 297. Die öffentliche Anstalt gehe "als große Maschine" ihren eigenen Gang, vgl. 0. Mayer, ebd., S. 329. Zum weitgehend organisatorisch verstandenen Anstaltsbegriff Jecht, Die öffentliche Anstalt, 1963, S. 17 ff. 106 Badura (FN 19), S. 55; zum hoheitlichen Moment im Verwaltungsrecht der Gegenwart Hill, DVBI. 1989, 321 ff. 107 So die im Kern zutreffende Formulierung von Forsthoff, DR 1935,398 ff. (400). 108 Vgl. Badura, DÖV 1966,624 ff. (626); die leistende Verwaltung ist bei O. Mayer "ein Akzessorium der Befehlsverwaltung, das als rechtsstaatlich unwichtig vernachlässigt" werden kann: Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 122; zur Relativierung der Kritik Bachof(FN 1), S. 212 f. 109 Badura (FN 108), S. 625 f. \04
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pliziere noch keinen zwingenden Austausch der materiellen Rechtsmaßstäbe. Für Otto Mayer stand fest, daß es dem Staat nicht freigestellt sein könne, über die Form und Qualität seines Handeins selbst zu bestimmen. Er könne sich gerade nicht - wie Paul Laband noch in seiner Kritik gegenüber Mayer meinte nach "eigenem Belieben aller Rechtsformen bedienen, die ihm nützlich erscheinen".IJO Daher lasse sich der im französischen Verwaltungsrecht anerkannte Verwaltungsvertrag auch nicht wirklich als Vertrag bezeichnen, weil er gemessen an den Grund- und Wesensvorstellungen der deutschen Zivilistik kein "wahrer Vertrag" sei. Die hoheitliche Natur des einen Kontrahenten - so das bekannte Verdikt - "schließt die im Begriffe eines solchen liegende Rechtsgleichheit aus" .111 Noch deutlicher wird das subordinationsrechtliche Verständnis der Verwaltung schließlich bei faktischen Einwirkungen, die sich unter keine Rechtsform subsumieren lassen konnten. Der Regulierungsbedürftigkeit von Tathandlungen ist zunächst mit der Ausdifferenzierung des Verwaltungsaktes begegnet worden, der es begrifflich erlaubte, eine Fülle der tatsächlichen Erscheinungsformen gleichsam aus dem faktischen hervorzuholen und der Rechtsordnung zu unterstellen. So unterscheidet Karl Kormann im "System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte" neben privatrechtlichen Akten, rechtsgeschäftlichen und rechtshandlungsmäßigen Verwaltungakten auch "rein tatsächliche Akte" bzw. "rein tatsächliche Verwaltungsakte".112 Letztere stellen ihm zufolge noch keine Rechtshandlungen dar, weil sie keine unmittelbaren Rechtsfolgen nach sich ziehen. 113 Durch die Arbeit am vielseitig verwendbaren (und um faktische Elemente angereicherten) Verwaltungsakt wurde zwar mittelbar der Weg zur begrifflichen Erfassung "schlichter Verwaltungshandlungen" geöffnet. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß der axiomatische Anspruch der auf den Verwaltungsakt fixierten Rechtsformenlehre einer funktions adäquaten Beschreibung und dogmatischen Profilierung nicht final gesteuerter Handlungsformen "innersystematische" Grenzen gesetzt hat." 4 Rechtserhebliche Bedeutung konnten die nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Tathandlungen nur als tatbestandliche Anknüpfungspunkte im Staatshaftungsrecht gewinnen. 115 Der Umstand, daß es sich um offensichtliche Fehlsteuerungen der Verwaltung
So Laband (FN 19), S. 156. 0. Mayer, AöR 3 (1888), S. 42. Zur Erfassung kooperativer Vereinbarungen durch den "Verwaltungsakt auf Unterwerfung" ders., Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1923, S. 98; in diesem Sinne auch J Burmeister (FN 43), S. 222 ff. 112 K. Kormann, Das System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte, 1910, S. 14 ff. 113 Ebd., S. 24. 114 Vgl. zur "dogmatischen Unterbilanz" der Rechtsformenlehre im Umgang mit dem schlichten Verwaltungshandeln H. Bauer, DV 25 (1992), S. 301 (311 ff.). 115 Vgl. J Burmeister (FN 43), S. 231 f.; zur Kompensation rechtswidriger Folgen staatlich beherrschter Geschehensabläufe P. Kirchhof(FN 5), S. 55 ff., 77, 88, 97, 432; flir das staatliche Informationshandeln Ossenbühl, ZHR 115 (1991), S. 329 ff. 110 111
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handelt, wurde rechtsdogmatisch nicht problematisiert und hingenommen. 116 Hieran ändert auch die Walter Jellinek zugeschriebene "Entdeckung" der ohne Zwangsmittel auftretenden "schlichten Hoheitsverwaltung"117 nicht viel: Der (empirische) Begriff kann sich im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zur Charakterisierung der administrativen Handlungsformen zwischen der obrigkeitlichen und der fiskalischen Verwaltung zwar durchsetzen. Wie den schon zuvor gewählten Kennzeichnungen der "Tat" oder der "Pflege" ist jedoch auch dieser negativen und theoretisch letztlich folgenlosen Begriffsbildung später die "methodische Eigenart" attestiert worden, "ein systematisch nicht integriertes Sammelbecken der außerhalb der Eingriffsverwaltung entfalteten Verwaltungstätigkeit zu sein" .IIK Dies schmälert nicht das Verdienst Walter Jellineks, als einer der ersten in der Tradition Otto Mayers auf die Bedeutung der Formen indirekter Verhaltenssteuerung hingewiesen zu haben. Die imperative Aufgabenerledigung ist rur ihn "nicht die einzige Art von öffentlicher Verwaltung, ja rur das Wohl und Wehe der Bevölkerung vielleicht nicht einmal die wichtigste".119 Maßnahmen der schlichten Hoheitsverwaltung "setzen (insbesondere) dann ein, wenn man mittels ihrer leichter zum Ziele kommt als durch Geltendmachung der Staatsgewalt". So werde" von den Gemeinden erwartet, daß sie am 11. August flaggen". Und "die Vertilgung von Kreuzottern könnte vieIleicht den Grundstückseigentümern als polizeiliche Verpflichtung einseitig auferlegt werden, aber die Aussetzung einer Prämie von 50 Pfg. rur jede getötete Kreuzotter [zeitige] möglicherweise bessere Ergebnisse".12o Obwohl bei Walter Jellinek die weitere Darstellung auf die beispielhafte Aufzählung heterogener Aufgaben und Tathandlungen beschränkt bleibt, wird in den folgenden Jahren doch allmählich deutlich, daß sich auch ein rechtsstaat lieh es Verwaltungsrecht den tatsächlich zu beobachtenden Formen lenkender VerwaItungsäußerungen nicht einfach verschließen kann. 121 116 Resp. mit Begriffen wie "Verwaltungskunst" oder moderner: "Verwaltungsstil" belegt, vgl. etwa Bernatzik (FN 96), S. 3; der Sache nach ebenso J. Burmeister (FN 43), S. 224. Beispielhaft zur "Verwaltungskunst" im 19. Jahrhundert EI/wein, Staatswissenschaften und Staatspraxis I (1990), S. 89 ff. 117 W. Jel/inek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 20 ff.; zu den historischen Entwicklungslinien der "schlichten Hoheitsverwaltung" M. Schulte (FN 48), S. 59 ff 118 Badura (FN 19), S. 39; zur Einschätzung als "profillose Auffangkategorie" schon E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1953, S. 53; ähnlich auch Ossenbühl (FN 48), S. 685. Zum schlichten Verwaltungshandeln als strukturierungsbedürftigen "Handlungstypus" aber Robbers, DÖV 1987,272 ff 119 W. Jel/inek (FN 117), S. 21. 120 Ebd., S. 22. 121 Vgl. Köttgen, Verwaltungsrecht der öffentlichen Anstalt, VVDStRL 6 (1930), S. 105 (112 ff); zur wegweisenden Unterscheidung zwischen den "Aufgaben der Verwaltung" und den "Rechtsformen des VerwaltungshandeIns" ders., Deutsche Verwaltung, 1936, S. 131 ff.; ähnlich ForsthojJ (FN 90), S. 22 ff; nach dem Krieg (aus eher
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(2) Zwang als Erfiillungsmodus Der rechtsstaatliche Anwendungsvorrang formalisierter Instrumente rückte die Androhung oder Ausübung von Zwang in den Vordergrund der rechtlichen Reglementierungen staatlicher Aufgabenerfiillung. Befehl und Zwang sind die spezifischen Mittel, derer sich der Staat zur individuellen Verhaltenssteuerung im MaschinenrnodelI bedient. Die zwangsweise Durchsetzbarkeit von Zielen und Regelungen zählt insoweit zu den typischen Bedingungen staatlichen Handelns. 122 Erst der (potentielle) Zwang gewährleistet mit der Verbindlichkeit der Norm auch deren Unverbrüchlichkeit und stellt auf diese Weise die Legalität als maßgebliches Steuerungsmittel sicher. Für den befehlsunterworfenen Bürger bedeutet die staatliche Zwangseinwirkung daher einen Verlust an Entscheidungsalternativen. Jedoch wird die freie Wahl der Verhaltensmöglichkeiten erst durch den rechtsförmlichen (und gesetzlich gebundenen) ZwangseingrijJ beschränkt. Nicht jede hoheitliche Maßnahme gilt daher als Zwangsmaßnahme. Nur der rechtserhebliche Zwang unterliegt den Begrenzungen durch die Rechtsordnung. Eine tatsächliche Betroffenheit wurde vom Geltungsanspruch der Rechtsordnung zunächst nicht erfaßt. 123 Die rechtliche Relevanz der Zwangseinwirkung bestimmte sich weitgehend formal: Wo der Staat keine verbindlichen Befehle erließ, konnte er auch keinen rechtserheblichen Zwang ausüben. Für den sachlich begrenzten Sicherheitszweck war der Staat mit allen nötigen Zwangsmitteln ausgestattet, die es ihm darüber hinaus erlaubten, diese auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung einzusetzen. So rechtfertigte Otto Mayer den Zwang zur Abwehr von Gefahren als "etwas Selbstverständliches" .124 Hier sei der Zwang "immer zu Hause".125 Der naturrechtliche Gedanke verdeckt jedoch, daß sich umgekehrt die Gefahrenabwehr nicht allein durch die Ausübung von Zwang charakterisieren läßt. Bereits F. F. Mayer verstand unter der allgemeinen Polizeiverwaltung zunächst die "freie Einwirkung" auf die im Staat begriffenen Individuen durch Belehrungen und Warnungen sowie durch Vermittlung, Unterstützung und Förderung verschiedenster Art. Die "rechtlich aufgabenbetonter Sicht) Scheuner (FN 43), S. 1 ff. und (aus einer stärker handlungsbezogenen Perspektive) Stern, BayVBI. 1957, 86 ff.; Mal/mann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, VVDStRL 19 (1961), S. 165 ff. 122 Statt vieler P. Kirchhaf(FN 92), § 59 Rn. 173. 123 Vgl. auch ders. (FN 5), S. 189. Zum Problem faktischer, nicht rechtlich vorgeformter Sachzwänge im Bereich der indirekten Verhaltenssteuerung Klaepfer, ZAU 1996,54 ff.; allgemein zu faktischen Rechtslagen im Verwaltungsrecht Degenhart, AöR 103 (1978), S. 163 (166 ff.).
124 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., 1917, S. 215; zust. Schalz (FN 84), S. 2 f.; zur naturrechtlichen Begründung bereits Anschütz, VerwArch. 1 (1893), S. 389 ff. 125
Ebd., S. 214.
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zwingende Einwirkung" sei dann geboten, wenn das Gemeinwohl ohne Zwang nicht zu verwirklichen wäre, so daß "dieser Zwang umso weiter geht, je weniger im Wege freier Einigung die Ziele und Zwecke der Gesamtheit gefördert werden".126 Ausgehend von der späteren Trennung zwischen dem Sicherheits-und dem Wohlfahrtszweck wäre es verfehlt, das Zwangsmoment hier als ein historisches Abgrenzungskriterium anzusehen. Vielmehr handelte auch der gefahrenabwehrende Staat nicht allein unter Ausnutzung seiner Zwangsgewalt. Die Polizei habe nach § 14 PrPVG "in erster Linie die Verpflichtung zu versuchen, ohne Inanspruchnahme Dritter des polizeiwidrigen Zustandes Herr zu werden, z. B. durch die Presse, allgemeine öffentliche Belehrungen beim Ausbruch irgendeiner Epidemie, durch Warnungen ( ... ) USW.'''27 Soweit der Staat nicht im Wege obrigkeitlichen Zwanges tätig wird, sei er "berechtigt, nach außen hin alles zu tun, was das objektive Recht nicht ausdrücklich verbietet".12X Das Steuerungsmittel der "zwanglosen" Information wird in seiner psychologischen Einwirkungsintensität zwar rechtlich noch nicht problematisiert. Es handelt sich um "eigene Mittel" der Polizei, denen jedoch gegenüber dem zwangsbewehrten Befehl bereits ein gewisser Vorrang eingeräumt wird. 129 Vor dem Hintergrund der rechtsförmlich sichergestellten Legalität beruhen die verwaltungsrechtlichen Kategorien und Institute auf dem klassischen Gegensatz von individueller Freiheit und staatlichem Zwang.!30 Dieser Gegensatz bildet das Grundgerüst der verwaltungsrechtlichen Dogmatik, deren Axiome noch heute im wesentlichen auf den offenen und direkten Zugriff staatlicher Zwangsgewalt zugeschnitten sind. Ihre Aussagen beziehen sich nicht auf die normativen Voraussetzungen einer staatlich nur erwünschten, jedenfalls nicht durch rechtlichen Zwang gesteuerten Freiwilligkeit der Normbefolgung, sondern auf die staatlich unbegrenzte Entscheidungsfreiheit, also den Schutz der individuellen Freiheitssphäre vor staatlicher Reglementierung durch Zwang. Dort, wo kein rechtsverbindlicher Zwang ausgeübt wird, begann demnach die Freiheit. Folgerichtig bedeutet Freiheit zunächst nur die formale Abwesenheit von "gesetzwidrigem Zwang". 131 Der Freiheitsgewinn drückt sich in einer weit-
F F Mayer, Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862. Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, S. 143. 128 Drews, Preußisches Polizeirecht, I. Aufl., 1927, S. 39. 129 Als moderne Vorrangregel siehe etwa § 6 Abs.3 UGB-ProfE, hierzu KloepferiRehbinderlSchmidt-AßmannlKunig (FN 97), S. 163; zust. Hoffmann-Riem, Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung, in: H.-J. Koch (Hg.), Auf dem Weg zum Umweltgesetzbuch, 1992, S. 108 ff. (114). 130 Vgl. Forsthofl(FN 90), S. 22; Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 8 ff.; zum Ganzen auch D. Grimm (FN 46), S. 291 ff. 131 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 103. 126
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gehenden Übersichtlichkeit 132 und einer dadurch (wenn auch nicht garantierten, so doch wesentlich erleichterten) Abwehnnöglichkeit staatlicher Zwangs gewalt aus. Indessen kann auch die strikte Abschinnung der individuellen Freiheitssphäre durch das Ordnungsrecht nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen der bürgerlichen Freiheit und dem staatlichen Zwang ein komplementärer Zusammenhang besteht. Deutlich wird dies zunächst dadurch, daß der Schutz und die Verteidigung individueller Rechte "notfalls" nur durch staatliche Zwangseingriffe gewährleistet werden kann. Der Freiheitsschutz auf der einen Seite ist ohne zwangsweise Einschränkungen der Freiheit auf der anderen Seite nicht denkbar. 133 Staatlicher Zwang beschränkt sich aber nicht allein auf den Schutz der Freiheit. Bereits die Freiheitsausübung wird erst durch Zwang ermöglicht, wenn der (individuelle und kollektive) Rechtsgüterschutz auf andere Weise nicht hinreichend sichergestellt werden kann. 134 Und nur unter der Voraussetzung eines effizienten Rechtsgüterschutzes rechtfertige sich dauerhaft die Inanspruchnahme des mühevoll erkämpften staatlichen Gewaltmonopols.135 Dessen Bedeutung ist schon von Max Weber treffend in der Herausstellung der legitimen Anwendung von physischem Zwang gesehen worden. 136 Damit unterscheidet sich der spätkonstitutionelle Staat in seinen Handlungsund Zwangsbefugnissen nicht bloß von der Gesellschaft und ihrem grundsätzlich "zwanglosen" Handlungspotential. 137 Mehr noch: Die staatliche Zwangsgewalt macht überhaupt erst eine gesellschaftliche Selbststeuerung auf der Basis der Freiwilligkeit möglich. Dieses komplementäre Verhältnis liegt dem Steuerungsmodell der Gefahrenabwehr unausgesprochen zugrunde: Unter dem Leitbild der "ungehinderten Entfaltung der freien Kräfte" konnte sich der Staat zwar prinzipiell auf fonnelle Regelungen der direkten Verhaltensregulierung individueller Handlungen beschränken. So betrachtet, blieben die Handlungs/olgen und -ergebnisse der gesellschaftlichen Selbststeuerung durch den Marktmechanismus, durch Konkur-
132 Zu den Gefahren einer zunehmenden Unsichtbarkeit des Staates Leisner, Der unsichtbare Staat, 1994, S. 193 ff. 133 Zum dialektischen Verständnis von Freiheit Murswiek, JZ 1988, 985 ff. 134 Vgl. zur Sicherung der Kollektivgüter als "Vorbedingung fiir die Gewährung und den Genuß aller sozialstaatlichen Errungenschaften und Leistungen" W Martens (FN 84), S. 90. 135 W. Martens, ebd. 136 M. Weber (FN 32), S. 29; zum Tauschcharakter des Gewaltmonopols: staatlicher Schutz gegen Verzicht auf private Gewaltanwendung Di Fabio (FN 1), S. 43 Fn. 10. 137 Zu den besonders legitimierungsbedürftigen Durchbrechungen des staatlichen Gewaltmonopols Merlen, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, S. 59; zuletzt auch Gusy, DÖV 1996, 573 ff. (576).
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renz und freie individuelle Entfaltung überlassen. 138 Es entsprach jedoch der liberalen Grundüberzeugung, daß erst der Zusammenhang von staatlicher und gesellschaftlicher Steuerung einen verträglichen Gesamtzustand bewirkt. Die "mitgedachten" Mechanismen der Selbststeuerung bildeten insoweit die notwendige Ergänzung zu den beschränkten staatlichen Handlungsmöglichkeiten und stellten Zusatzbedingungen dar, auf denen die Leistungsfähigkeit der ordnungsrechtlichen Verhaltens steuerung letztlich auch heute noch beruht. ll9 Solange die Handlungsergebnisse über die Steuerung durch den Markt und durch Sozialnormen l4o nicht ernsthaft in Frage gestellt wurden, konnte die öffentliche Ordnung erfolgreich durch Befehl und Zwang gegen Störungen aufrechterhalten werden. Alles übrige erledigte sich dann idealtypisch betrachtet gleichsam von selbst. 2. Der Bürger als Subjekt Im tradierten Maschinenmodell der individuellen Verhaltenssteuerung wird dem einheitlich verstandenen Staat als zentraler Steuerungsspitze der Bürger als Subjekt gegenübergestellt. Hier verläuft seit dem Kaiserreich von 1871 die zweite große Entwicklungslinie, die mit dem steten Zuwachs subjektiver öffentlicher Rechte l41 auch den individuellen Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Hand auszubauen hilft. Die rechtliche SubjektsteIlung des Bürgers ist der Ausdruck einer langen und vielfach gebrochenen Entwicklung, an dessen Anfang zunächst die Ablösung der älteren Berechtigungen (Privilegien und wohlerworbene Rechte) durch das öffentliche Recht steht. 142 Mit der Erfilllung wesentlicher liberaler Forderungen durch die "allgemeinen Gesetze" hatten die (überpositiven) Individualrechte ihre ursprünglich antifeudale Stoßrichtung weitgehend verloren. Subjektive Rechte wurden weithin nur noch als "Ansprüche" im Privatrecht der bürgerlichen Gesellschaft gewürdigt, wo sie durch die ordentlichen Gerichte geschützt waren. 138 Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und der Landesentwicklung, Bd. I, 1978, S. 47 ff. 139 Vgl. auch Wahl, ebd., S. 50 f. 140 Zur Steuerungskraft von verbindlichen Sozialnormen und den entsprechenden Überlegungen einer "Reprivatisierung der Normbefolgung" Gusy, Staatswissenschaften und Staatspraxis 6 (1994), S. 187 (193 ff.) 141 Dazu Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 14 ff.; siehe auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 1982, S. 22 f. 142 Henke (FN 141), S. 9 ff.; Erichsen (FN 13), S.49; für das Nachbarrecht Preu, Die historische Genese der öffentlich-rechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen (ca. 1800--1970), 1990, S. 24 ff.; zur mühsamen Subjektwerdung des Bürgers J. Martens, KritV 1986, 104 (111 ff.)
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Dagegen ließen sich subjektive Rechte gegenüber dem Staat vielfach in Abrede stellen. Für Paul Laband bilden die Grundrechte lediglich Schranken fiir die Machtbefugnisse der Behörden, die dem einzelnen seine natürliche Handlungsfreiheit in bestimmtem Umfange sichern. Aber sie begründen ihm zufolge keine "subjektive(n) Rechte der Staatsbürger. Sie sind keine Rechte, denn sie haben kein Objekt." Daß man die Grundrechte als "Rechte" der Bürger bezeichne, sei nicht mehr als eine "alte Sitte", eine - wie er anmerkt - "historische Reminiscenz an ehemalige Eingriffe der Staatsgewalt". 143 Noch um die Jahrhundertwende sah sich der Bürger vor dem Hintergrund der staatstheoretischen Vorstellung einer rechtlich unabgeleiteten Staatsgewalt lediglich als Subjekt von Pflichten, nicht aber von subjektiven öffentlichen Rechten. Danach erschienen "subjektive Rechte, die den Untertanen aus eigener Machtvollkommenheit dem Staat gegenüber zuständen ... undenkbar".144 Allerdings erstreckte sich diese restriktive Betrachtung in erster Linie auf die
vorstaatliche Begründung eigener subjektiver Rechte des Bürgers. Wo hingegen der Gesetzgeber subjektive öffentliche Rechte schuf, wurden sie im Schrifttum zunächst zögerlich, später aber prinzipiell akzeptiert. 145 Ihre dogmatische Thematisierung hatte durch earl Julius von Gerber und seine 1852 vorgelegte Schrift "Über öffentliche Rechte" einen wirkungsvollen Impuls erfahren. 146 Die Konsequenzen einer rechtlichen (und auf rechtliche Durchsetzung zielenden) Willensmacht des Bürgers fiir das sich in objektiven Rechtsinstituten entfaltende Verwaltungsrecht blieben zwar nicht unbeachtet. 147 Gleichwohl gewann die Idee subjektiver öffentlicher Rechte in den folgenden Jahren immer mehr Überzeugungskraft und setzte sich vor dem Hintergrund eines ausgedehnten Verwaltungsrechtsschutzes l48 mit der systematischen Erfassung und 143 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I, 2. Aufl., 1888, S. 141 f. Daß den Grundrechten eine lediglich historische Bedeutung zukomme, klingt noch bei an bei ForsthojJ (FN \07), S. 22. - Zur gegenteiligen Auffassung nur Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, Schmollers Jahrbuch fUr Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 1883, S. \097 (1133); zusammenfassend H Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 65 ff. 144 Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 57; ähnlich auch Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl., 1911, S. 285. 145 Zu den Einzelheiten Henke (FN 141), S. 14 ff.; H Bauer (FN 143), S.47. Die Anerkennung und wissenschaftliche Pflege der später auch gerichtlich durchsetzbaren subjektiven öffentlichen Rechte schien insoweit die fehlende oder nur schwach entwikkelte Grundrechtsdogmatik faktisch zu ersetzen: Stol/eis (FN 5), S. 371 ff., 376. 146 Von Gerber, Ueber öffentliche Rechte, 1852 (Neudruck 1913); hierzu H Bauer, DVBI. 1986, 209 ff.; zur Wirkung dieser einflußreichen Schrift Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IIIII, 1988, S. 513 f. 147 Zur rechtlichen SubjektsteIlung des Bürgers Di Fabio (FN 1), S. 17. 148 Erst die Ausdehnung des Verwaltungsrechtsschutzes verhalf der Idee subjektiver Rechte letztlich zum Durchbruch, vgl. grundlegend Bühler, Die subjektiven Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914; zur EinfUhrung der Ver-
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Durchdringung im "System der subjektiven öffentlichen Rechte" von Georg Jellinek endgültig durch. 149 Die von Georg Jellinek entworfene - und bis heute wirksame - Statuslehre klassifiziert das Subordinationsverhältnis zwischen Staat und Bürger erstmals aus dem Blickwinkel des Individuums. Der Einzelne befindet sich gegenüber dem Staat nicht in einem bestimmten, vorgebenen und unveränderbaren Untertanenstatus. Von dem passiven Untertanenstatus (status passivus) sind vielmehr der Status der Freiheit vom Staat (status negativus), der Status des Anspruchs gegen den Staat (status positivus) und der Status der Mitwirkung tUr den Staat (status activus) zu unterscheiden. 150 Der jeweilige Status konnte zwar nicht als originäre Rechtsposition verstanden werden, diente aber als wirkungsmächtiger Orientierungsrahmen fur die Ennittlung subjektiver Rechte, die Georg Jellinek tUr das öffentliche Recht treffend als die "Fähigkeit" bezeichnete, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen. 151 Hier wird der dynamische, letztlich auf die Revision und Relativierung staatlicher Entscheidungen gerichtete Charakter subjektiver Rechte bereits spürbar. Während die verwaltungsrechtliche Systembildung unter Dtto Mayer auf der autonomiebetonten und eher fonnalen Strenge beruht, stützen sich in der Folgezeit die "Veränderungsbewegungen im Grunde auf das von Georg Jellinek vorgegebene, auf subjektive Rechte gebaute Koordinatensystem, das immer schon auf engen Kontakt zur Ebene des Staats- und Verfassungsrechts angelegt war" .152 a) Subjektivierung des Verwaltungsrechts Geprägt von den Erfahrungen einer Diktatur, die der Rechtsstaat nicht verhindern konnte, wird das Verwaltungsrecht nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes von einem breiten Entwicklungstrend erfaßt, der unter dem Begriff der "Subjektivierung" zusammengefaßt werden kann. 153 Entscheidender Motor dieser "kopernikanischen Wende im Verwaltungsrechtssystem"154 waren die mit besonderer Geltungskraft versehenen Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG), denen noch in der Weimarer Republik eine die
waltungsgerichtsbarkeit in Deutschland Menger, DÖV 1963, 726 ff.; v. Unruh, DVBI.
1975,838 ff. 149 G. Jellinek (FN 131). 150 Zur Statuslehre G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1913, S. 419 ff. 151 G. Je/linek (FN 150), S. 51. 152 Di Fabio (FN 1), S. 22 (Fn. 51). 153 Vgl. etwa Di Fabio (FN 1), S. 16 ff.; Schmidt-Aßmann (FN 27), S. 20. Zur Stärkung der Subjektposition des Bürgers bereits BVerwGE 1, 159 ff. 154 Ossenbühl, Die Weiterentwicklung der Verwaltungswissenschaft, in: Jeserich/Pohl/v.Unruh (Hg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5,1987, S. 1143 (1146). 4 Franzius
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rechtsstaatlichen Sicherungen nur ergänzende, lediglich gesetzesmediatisierte Funktion zugeschrieben worden war. ISS Unter der tatkräftigen Förderung einer grundrechtszentrierten Rechtsprechung erhalten die Grundrechte als subjektive - klagbare - Rechte nunmehr eine unmittelbar individualschützende Funktion,IS6 die den Charakter des bundesdeutschen Verwaltungsrechts nach und nach "von einem dogmatischen System objektiv verankerter Rechtsstaatsgrundsätze zu einer subjektivierten Rechtsschutzordnung" gewandelt hat. ls7 Der Subjektivierungstrend erfaßt zum einen die neuen Herausforderungen, denen sich das Verwaltungsrecht unter dem Grundgesetz zu stellen hat. Dazu zählt insbesondere das in den 60er und 70er Jahren wachsende Unbehagen gegenüber einer auf die Eingriffsverwaltung zugeschnittenen Verwaltungsrechtsdogmatik, die im Hinblick auf den zukünftig zu regulierenden "Leistungsstaat" mehr oder weniger als defizitär empfunden wurde. ISS Mit der zunehmenden Bedeutung der Leistungsverwaltung ging die Forderung einher, das Verwaltungsrecht in Anlehnung an das Privatrecht als Rechtsverhältnislehre zu begreifen, um das verwaltungsrechtliche System stärker an einer wechselseitigen Rechteund Pflichtenbeziehung ohne besondere vorgeordnete Hoheitsrechte staatlicher Gewalt zu orientieren. 159 Zum anderen betrifft die Subjektivierung aber auch den Kernbestand der bestehenden verwaltungsrechtlichen Grundsätze. Insbesondere das klassische, ehemals säkulare Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung wurde durch den vorrangigen Geltungsanspruch der Grundrechte erheblich relativiert. Damit lockerte sich die Geltungskraft der Gesetze, deren materielle Inhalte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung (vor allem durch das Bundesverfassungsgericht) nicht immer Stand zu halten vermochten. Noch deutlicher wird der Grundrechtseinfluß dort, wo das Handeln der Verwaltung nicht oder nur schwach durch die Gesetze gebunden wird. Gerade auf dem Gebiet der "gesetzesfreien" Verwaltung, aber auch im Rahmen der gesetzlich strukturierten Ermessensausübung, übernahmen die Grundrechtsbindungen (insbesondere der Gleichheitssatz) entscheidungslenkende Steuerungsfunktionen, die es erlaubten, den Gestaltungsspielraum der Verwaltung einer rechtsrationalen Fixierung rur die gerichtliche Nachprüfung zugänglich zu machen.
15S Repräsentativ R. Thoma, Grundrechte und Polizeigewalt, Festgabe zur Feier des 50jährigen Bestehens des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, 1925, S. 183 ff. 156 Zum Anspruch auf polizeiliches Einschreiten BVerwGE 11, 95 ff.; vgl. auch Franßen, Der Einfluß des Verfassungsrechts auf die Auslegung der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklausel, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 20 I ff. 157 So mit dem Hinweis auf die funktionale Konkurrenz zwischen der rechtsstaatlichen Systembildung und dem sie allmählich überwölbenden Grundrechtsschutz Di Fabio (FN I), S. 17 f., 19; abschwächend Schmidt-Aßmann (FN 27), S. 19 ff. ISS Siehe etwa Lerche, DÖV 1961, 486 ff. 159 Zusammenfassend Henke, JZ 1992, 541 ff. (546).
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Einen vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildete die Diskussion um die grundrechtsbezogene Ausgestaltung von Verwaltungsverfahren. 16o Die Aufwertung der Verfahren war bereits in der Forderung zum Ausdruck gekommen, im Bereich der administrativen Entscheidungsfindung einen grundrechtlich fundierten "status activus processualis" anzuerkennen. 161 Auf diese Erwägungen ließ sich nicht nur der Gedanke subjektiver Rechte auf Verfahrensteilhabe stützen,162 sondern auch die weitergehende Vorstellung grundrechtlicher Verfahrensgarantien, die letztlich auf die Statuierung von gesetzgeberischen Pflichten zur Schaffung angemessener Verfahrensregelungen gerichtet sind. 163 Einen kräftigen Aufinerksarnkeitsschub erfuhr der sogenannte "Grundrechtssschutz durch Verfahrensgestaltung" im vielbeachteten "Mülheim-Kärlich"-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. IM Die Verfahrensbeteiligung wird nicht mehr allein als objektives Instrument der behördlichen Sachverhaltsaufklärung, sondern auch als subjektives Recht des Beteiligten verstanden. Insoweit ist jedoch die "Entdeckung" der verfahrensrechtlichen Teile von materiellen Grundrechtsverbürgungen im Grunde nur die folgerichtige Antwort auf den steten Bedeutungszuwachs der Grundrechte, die bei allen Normen, also auch bei der Interpretation von Verfahrensnormen zu beachten sind. Die Anerkennung grundrechtlicher Verfahrensstrukturierungsgebote warf dagegen die generelle Frage auf, welche Vorkehrungen der Staat zum Schutz der Grundrechte zu treffen habe. Im Prinzip ist heute anerkannt, daß sich aus dem objektiv-rechtlichen (Wert-)Gehalt von Grundrechten staatliche Schutzpjlichten ableiten lassen können. 165 Mit der Annahme subjektiver Rechte auf staatliche Schutzgewährung
160 Aus dem Schrifttum statt vieler Bethge, NJW 1982, I ff.; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 ff. sowie die Referate von Wahl und Pietzcker auf der Staatsrechts lehrertagung 1982 zum Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, VVDStRL 41 (1983), S. 151 ff., 193 fr.; ferner 1. Burrneister, Grundge-
setzliche Verfahrensstrukturierungsgebote komplexer Verwaltungsentscheidungen, in: BreuerlKloepfer/Marburger/Schröder (Hg.), UTR 5 (1988), S. 122 ff. 161 Grundlegend Häberle (FN 88), S. 43 ff. 162 So insbesondere Redeker, NJW 1980, 1593 ff. 163 Statt vieler Goer/ich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, 1981, S. 19 ff. 164 BVerfGE 53, 30 ff. und hier insbes. das Sondervotum (ebd., S. 72 ff.). Dabei handelte es sich weder um ein vollkommen neues "prozedurales" Verständnis effektiver Grundrechtssicherung, noch um eine Abkehr vom allein maßgeblichen Gebot materieller Ergebnisrichtigkeit. Zu den weiterreichenden Ansätzen eines "due process" etwa 1. Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, 1984; S. 175 ff.; abI. insoweit aber die Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, JZ 1991, 666 ff. (668). 165 Vgl. etwa Herrnes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 187 ff.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 137 ff.; teilweise anders Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und Schutzpflicht, in: ders./Kirchhof (Hg.), HdStR, Bd. 5, 1992, § 111 Rn. 83 ff.; die Ableitung bezweifelnd etwa v. Münch, in: ders./Kunig (Hg.), Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl., 1992, Vorb. zu Art. 1-19, Rn. 22; zu den divergierenden Ableitungen Unruh, Zur Dogmatik der grund rechtlicher Schutzpflichten, 1996; S. 37 ff.; aus der Rechtsprechung wegwei-
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sind indessen auch hier die Tendenzen zur Subjektivierung deutlich geworden. 166
aa) Schutzpjlichten Vor dem Hintergrund einer gestiegenen Sensibilität fur die Risiken der technischen Entwicklung erlebte der Gedanke einer staatlichen Verpflichtung zum Schutz der individuellen Rechtsgüter eine außergewöhnliche Renaissance. Daß die Gefährdungen der menschlichen Freiheit nicht nur vom Staat ausgehen, sondern gerade auch durch private Aktivitäten verursacht werden, ist zwar keine neue Erkenntnis: Schon die Etablierung der staatlichen Friedensordnung beruht auf der fur den modemen Staat letztlich grundlegenden Idee, den einzelnen Bürger vor Übergriffen seiner Mitbürger zu schützen. Soll der Bürger zur Durchsetzung oder Verteidigung seiner Interessen auf die Ausübung privater Gewalt verzichten (staatliches Gewaltmonopol), darf er nicht schutzlos bleiben, wenn seine Rechte durch andere Private verletzt oder gefährdet werden (staatliche Schutzpjlicht). 167 Der monopolisierten Schutzgarantie entspricht auf der Seite des Bürgers das prinzipielle Selbsthilfeverbot, die bürgerliche Gehorsamspflicht. 168 Die Treuepflicht der Bürger und die Schutzpflicht des Staates bedingen einander. 169
send BVerfGE 39, 1 (36 ff.) - Schwangerschaftsabbruch I; fortgeführt insbesondere in BVerfGE 46, 160 (164 f.) - Schleyer-Entführung; 49, 89 (137 ff.) - Kalkar I; 56, 54 (73) - Fluglärm; 88, 203 (254 ff.) - Schwangerschaftsabbruch II; siehe auch BVerfG, NJW 1996,651 - Ozon - und zuletzt BVerfG, NJW 1998,3264 ff. - Wald schäden. Zur in der Ableitung aus den Grundrechten ebenfalls schwankenden Rechtsprechung Steinberg, NJW 1996, 1985 (1986 ff.). 166 Instruktiv Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 410 ff.; vgl. grundsätzlich befürwortend Robbers (FN 81), S. 135, 193 ff.; Isensee (FN 165), § III Rn. 84, 184 f.; H. H. Klein, DVBI. 1994,489 (493 ff.); zurückhaltender Kloepjer (FN 28), S. 6 ff.; Badura. FS fiir Eichenberger, 1982, S. 481 ff. (491); Stern (FN 146), S. 742 ff., 989; den Wandel in der Rechtsprechung einleitend BVerfGE 77,170 (214 f.); 77, 381 (402 f.)Gorleben; 79, 174 (201 f.) Verkehrslärm; krit. gegenüber dieser Entwicklung Di Fabio (FN I), S. 41 ff.; ders., JZ 1993,689 ff. (691); ablehnend U K. Preuß, Die Internalisierung des Subjekts, 1979, S. 194; Steinberg, NJW 1984, 457 (460 f.). 167 Damit wurzelt der Schutzpflichtgedanke in dem Staatszweck der Sicherheitsgewährleistung: Alexy (FN 166), S. 414 f.; zu den staatstheoretischen Begründungen des staatlichen Schutzauftrages Dietlein (FN 165), S. 21 ff. - Zur (freilich begrenzten) Berücksichtigung eines "Freisein von Furcht" Robbers (FN 81), S. 223 ff.; abI. Isensee (FN 165), § 111 Rn. 146 f. 168 Vgl. insbesondere Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, FS für Eichenberger, 1982, S. 23 (26 ff.); ders., Das staatliche Gewaltmonopol als Grundlage und Grenze der Grundrechte, FS für Sendler, 1991, S. 39 ff.; ähnlich etwa auch E. Klein, NJW 1989,1633 (1635 f.) 169 So Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S.102.
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Die "Wiederentdeckung" der Schutzpflichten in den Grundrechten 170 ist jedoch mehr als die bloße Anknüpfung an den - unter dem Grundgesetz verb laßten - Staatszweck der Sicherheitsgewährleistung. Obwohl darauf hinwiesen wird, daß in den Grundrechten sowohl die staatliche Pflicht wie auch das staatliche Recht zum Schutz der gesellschaftlichen Freiheit historisch angelegt ist,171 läßt sich in der jüngeren Wirkungsgeschichte der Grundrechte ihr primärer Abwehrgehalt doch nicht ernsthaft in Frage stellen. 172 Als staatsgerichtete Abwehrrechte bringen sie die individuelle Freiheit in eine Frontstellung gegen den Staat. Schutzpjlichten fordern dagegen den Staat und sind auf die Begründung entsprechender Handlungspflichten gerichtet. Damit kehrt sich die alte Verlaufsrichtung der Grundrechte vom Unterlassungs- zum Handlungsgebot um. Der staatliche Schutz wird nicht mehr (allein) durch die Freiheit negativ begrenzt, sondern von der grundrechtlichen Freiheit positiv gefordert. Anders gewendet: Der klassische Grundrechtsschutz gegen den Staat findet seine modeme und vielfach für notwendig gehaltene Ergänzung in dem (hinzutretenden) Grundrechtsschutz durch den Staat. 173 (I) Abbau von Asymmetrien Die Ausdehnung der grundrechtlichen Schutzrichtung auf das horizontale Verhältnis zwischen Privaten ist zunächst insoweit von Bedeutung, als es der Gedanke staatlicher Schutzpflichten gegenüber dem "Opfer" von privaten Grundrechtsbeeinträchtigungen erlaubt,174 die bisher bestehende grundrechtsdogmatische Asymmetrie zugunsten der einseitig abwehrrechtlich geschützten Position des "Störers" wenn nicht aufzuheben, so doch erheblich aufzulokkern. 175 170 Vgl. Herrnes (FN 165), S. 166 ff. E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 4,1969, S. 817; zu den "sozialgestaltenden" Funktionen der Grundrechte im deutschen Konstitutionalismus Wahl, Der Staat 19 (1979), S. 321 ff.; in dieser Richtung auch Jarass, AöR 110 (1985), S. 363 (368 f.). 112 V gl. zuletzt etwa Lübbe- Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 25 ff. 173 Vgl. Stern (FN 146), S. 946. 174 Die Idee staatlicher Schutzpflichten ist bereits in der Drittwirkung der Grundrechte angelegt, hat sich heute aber weitgehend verselbständigt; zum Verhältnis zwischen mittelbarer Dittwirkung und grund rechtlicher Schutzpflicht Herrnes, N1W 1990, 1764 ff. 175 Wenn die Grundrechte sich lediglich "in ihrer Abwehrfunktion erschöpften, kämen sie beim Rechtsübergriff des Privaten allein dem Störer zugute. Das Opfer bliebe verwiesen auf das einfache Recht, das seinerseits nur als Eingriff gegenüber dem Störer erschiene" und sich als solcher zu rechtfertigen hätte: zur Gefahr der einseitig abwehrrechtlichen Sicht Isensee (FN 165), § 111 Rn. 85 ("offene Flanke des Grundrechtsschutzes"); besonders markant auch Suhr, 1Z 1980, 166 ff.; in der gleichen Richtung etwa 171
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Mit dem perspektivisch auf das Sicherheitsbedürfnis aller Bürger gerichteten Blick wurde die einfache, den (potentiell) Handelnden privilegierende Vorstellung einer bipolaren Reduktion der tatsächlich mehrseitig angelegten Rechtsverhältnisse fragwürdig. Schon das klassische Überwachungsrechtsverhältnis erweist sich in seiner Tiefenstruktur als Dreiecksverhältnis: Während auf der einen (technikbegrenzenden) Seite der Staat die bestehenden Schadensmöglichkeiten durch Eingriffe in subjektive Rechte des Handelnden mindert, werden auf der anderen (technikfördernden) Seite dem betroffenen Nachbarn zugleich Risiken zugemutet und entsprechende Duldungspjlichten auferlegt. 176 Letzteres kann durch spezielle gesetzliche Anordnungen geschehen l77 oder - nach einer prononcierten Auffassung ganz allgemein m - dadurch, daß eine private Tätigkeit rechtlich nicht verboten wird. Aus dem "Nichtverbot" folge das prinzipielle "Erlaubtsein" der Tätigkeit und - als Kehrseite daraus - für den Betroffenen eine (ungeschriebene) Verpflichtung zur Duldung. Es ist diese, ehemals selbstverständliche (und doch erst durch die bürgerliche Treuepflicht begründete) Duldungsverpflichtung, die im Zuge der wachsenden Sensibilität für die gesetzlichen Defizite der Schutzgewährleistung ein spürbares Unbehagen hinterlassen hat. Grundrechtliche Schutzpflichten knüpfen hier an: Sie begründen aber keinen selbständigen Eingriffstitel, 179 sondern richten sich zuvörderst an den GesetzgeH. Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 60; zur Erfassung der mehrpoligen Rechtsverhältnisse durch die Schutzpflichten Schmidt-Aßmann, Grundrechtswirkungen im Verwaltungsrecht, FS für Redeker, 1993, S. 225 ff. (232). 176 Di Fabio. Risikosteuerung im öffentlichen Recht, in: Hoffmann-RiemlSchmidtAßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 143 (147 f.); zu dem insoweit historisch in den Fachgesetzen angelegten Spannungsverhältnis zwischen Technikbegrenzung und Technikförderung: Murswiek, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, VVDStRL 48 (1990), 207 (209 ff.); aus zivilrechtlicher Sicht Gerlach, Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts, 1989, S. 17 ff.; zur dogmatischen Dreieckskonstruktion Wahl/Masing, JZ 1991,553 ff. 177 In dem Maße, wie die belastenden Folgen privater Freiheitsausübung Gegenstand staatlicher Eröffnungs- und Überwachungskontrollen wurden, mußten zivilrechtliche Abwehransprüche (z. B. § 1004 BGB) weichen. Auch in der zivilrechtlichen Binnenperspektive treten mit der Zunahme der Nutzungskonflikte im 19. Jahrhundert vielHiltige Duldungspflichten - z. B. im Rahmen des § 906 BGB - hervor: Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., 1998, § 6 Rn. 32 ff. Was bleibt, sind Schadensersatzansprüche, die das Zurücktreten der Abwehransprüche zu kompensieren helfen: aus öffentlich-rechtlicher Sicht etwa § 14 S. 2 BImSchG, aus zivilrechtlicher Sicht § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. 178 Insbesondere Murswiek, WiVerw. 1986, 179 ff. (182). 179 So aber VGH Kassel, NJW 1990, 336 ff. - Gentechnik; ähnlich etwa auch VG Gelsenkirchen, ZUR 1993, 119 (121) - Elektrosmog; gegen die (von der Schutzpflichtidee geradezu provozierte) Abkehr vom rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt in seltener Einmütigkeit das Schrifttum: statt vieler Kloepfer, Technikverbot durch gesetzgeberisches Unterlassen?, FS für Lerche, 1993, S. 755 (757 ff.); besonders deutlich auch Heintzen, VerwArch. 1990,532 (553 0.
A. Verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen
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ber, ein Schutzkonzept zu entwickeln (oder zu überprüfen), welches in normativer und tatsächlicher Hinsicht geeignete Instrumente enthalten muß, um die jeweiligen Schutzgüter hinreichend wirksam vor Beeinträchtigungen zu bewahren. 180 Dies kann, muß aber nicht durch hoheitliche Verbote (bisher erlaubter) privater Tätigkeiten geschehen. 181 In ihrer objektiv-rechtlichen Funktion begründen die Schutzpflichten zunächst Staatsaufgaben. 182 Dem Staat obliegt die verfassungsrechtliche Pflicht, die Sicherheit der grundrechtlichen Schutzgüter auch vor "Übergriffen" Privater mit rechtstaatlichen Mitteln zu gewährleisten. Über den konkreten Inhalt, den Umfang und die Wirkungsintensität der Schutzverpflichtung, also das "Wie" der Erfiillung der Schutzpflicht, ist damit noch keine Aussage getroffen. Vor allem das Bundesverfassungsgericht hat den objektiv-rechtlichen Gehalt von Grundrechten unter Bezugnahme auf die subjektiv-rechtliche Freiheit eingrenzend zu bestimmen versucht. 183 So erscheint der objektive Gehalt "nicht irgendwie als Verstärkung der Geltungskraft, sondern gerade und nur als Verstärkung der primären, auf Wahrung der Freiheit des einzelnen Bürgers gerichteten Geltungskraft der Grundrechte" .184 Erst unter dieser Prämisse läßt sich dann auch die subjektive Rechtsqualität von Schutzpjlichten überzeugend darlegen: In ihrer subjektiv-rechtlichen Funktion können einzelne Grundrechte zwar (ausnahmsweise) unmittelbar auf eine staatliche Leistung gerichtet sein. IK ; Der grundrechtliche Schutzanspruch erstreckt sich insoweit auf positive Handlungspflichten, die - begrenzt auf außerordentliche Geflihrdungslagen mit hoher Schadensintensität - ein legislatives oder exekutives l86 Tätigwerden gegenüber Dritten umfassen (können). Im übrigen ist es der grundrechtliche Abwehrgehalt, auf den zur Begründung von (generalisierbaren) Schutzansprüchen rekurriert werden muß,187 will man nicht ohne dogmatische Friktionen einem subjektiven
180 BVerfGE 88, 203 (264 ff.) - Schwangerschaftsabbruch 11. 181 So bereits BVerfGE 39, 1 (44 ff.) - Schwangerschaftsabbruch I. 182 Besonders deutlich Köck, AöR 121 (1996), S. 1 (13 ff.); für den Umweltschutz H. Hofmann. Die Aufgaben des modernen Staates und der Umweltschutz, in: Kloepfer (Hg.), Umweltstaat, 1989, S. I ff. (16). 183 BVerfGE 50,291 (337 ff.) - Mitbestimmung. 184 Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 1992, S. 159 (181 f.) - Hervorhebung im Original. I s; Vgl. zu den Leistungsrechten Stern (FN 146), S. 690 ff. - Für deren (erweiterte) Aktivierung im Hinblick auf Schutzansprüche ders., ebd., S. 732, 992; ähnlich etwa auch Roßnagel, Grundrechte und Kernkraftwerke, 1979, S. 44 ff. 186 Als selbstverständlich vorausgesetzt in BVerfGE 46, 160 (164 f.) - SchleyerEntführung; vgl. aber auch schon BVerwGE 11,95 ff. 187 Vgl. zu den abwehrrechtlich begründeten Schutzpflichten, denen immer ein subjektives Recht korrespondiert Dietlein (FN 165), S. 97 ff. - Für eine (generelle) Aktivierung der klassischen Abwehrfunktion zur Begründung und individuellen Durchsetzbarkeit von Schutzpflichten Murswiek (FN 169), S. 91 ff. (106 ff.); noch weitgehender, auf
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1. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
Recht sui generis den Weg bereiten. IKK Der Schutzanspruch richtet sich insoweit aber gegen einen Eingriff, der als solcher dem Staat erst zugerechnet werden muß: Nur dann, wenn es der grundrechtsverpjlichtete Staat selbst ist, der die (maßgeblichen) Gefährdungsursachen gesetzt hat, greift der auf die negative Eingriffsabwehr gerichtete Schutzanspruch. IK9 Demgegenüber kann die private Verletzungssituation, deren Verursachung auf der privatautonomen Entscheidung grundrechtsberechtigter Bürger beruht, nicht ohne weiteres als staatlicher Grundrechtseingriff betrachtet werden. 190 Anderenfalls würden das staatliche Nichthandeln und der staatliche Grundrechtseingriff gleichbehandeIt werden. Das Unterlassen objektiv erforderlicher Schutzmaßnahmen ist aber funktional etwas anderes als der Eingriff in subjektiv berechtigende Abwehrrechte. 191 Um gleichwohl die Abwehrrechte zur Begründung einer individuell durchsetzbaren Schutzverpjlichtung zu aktivieren, wird in Teilen des Schrifttums eine staatliche Garantenptlicht für die Abwehr außerstaatlich verursachter Grundrechtsverletzungen angenommen. 192 Soweit der Staat durch vorangegangenes Tun seine GarantensteIlung selbst begründet habe, könne ihm der unterlassene Schutz als eigener Eingriff zugerechnet werden. Dies ist etwa dann der Fall, die Konstruktion über Schutzpflichten ganz verzichtend: Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 213 ff. 188 Zu den entsprechenden Gefahren der "Rückverwandlung der objektiven Schutzpflicht in ein Grundrecht mit erweitertem Inhalt" bereits Rauschning, DVBI. 1980, 831 (832 ff.) 189 Vgl. Hermes (FN 165), S. 88 ff.; in dieser Richtung auch Isensee (FN 165), § 111 Rn. 117. Zweifelhaft ist diese Zurechnung aber insbesondere dort, wo sich Grundrechtsbeeinträchtigungen erst durch ein Zusammenspiel von staatlichen und privaten Akteuren einstellen: Trute, DVBI. 1996, 950 ff. (957). 190 Statt vieler: Schmidt-Aßmann (FN 175), S. 233. - Die Gegenauffassung, die jedes private Handeln auf die staatliche Rechtsordnung zurückführt und deshalb dem Staat zurechnet, basiert auf der Prämisse, daß die grundrechtliche Freiheit dem Staat nicht vorgegeben ist, sondern auf seiner Delegation beruht: Murswiek (FN 169), S. 65 ff. Im Ergebnis führt die Annahme einer lediglich konzessionierten Freiheit zur umfassenden Verantwortung und Macht des Staates, in dem es jene gesellschaftliche Eigenverantwortung nicht mehr geben kann, die zur Herausbildung der dreiseitigen Konstruktion von Schutzpflichten geführt hat, abI. daher Isensee (FN 165), § 111 Rn. 119. Zum Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Verantwortung und Eigenverantwortung Führ, Eigen-Verantwortung oder Öko-Staat? Sicherung der Selbstverantwortung in Unternehmen, in: Roßnagel/Neuber (Hg.), Reformperspektiven im Umweltrecht, 1996, S. 211 ff. 191 Entscheidend sind die "staatlichen Schutzpflichten und ihnen korrespondierende Schutzrechte. Das Nicht-Verbieten bzw. Erlauben des Staates kann eine Verletzung von Schutzrechten des positiven Status sein. Ein Eingriff in ein Abwehrrecht ist es nicht." So Alexy (FN 166), S. 418; ebenso Stern (FN 146), S. 947 f., und Hermes (FN 165), S. 97, 219 ff.; gegen die dogmatische Gleichbehandlung von positiver Schutzpflichterfüllung und Verpflichtung zum Nicht-Eingriff auch Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 201 ff (215). 192 Vgl. Di Fabio (FN I), S. 46 f.; weiterführend zum Ausbau der Schutzpflichtendogmatik über den Gedanken der staatlichen Garantenpflicht ders., DÖV 1995, 1 ff. (7).
A. Verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen
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wenn der Staat besondere Einrichtungen schafft, deren bestirnrnungsgemäßer Gebrauch durch den Bürger die grundrechtlichen Schutzgüter von Dritten beeinträchtigt (z. B. Verkehrslärmirnrnissionen). Gebietet der Staat ein gefahrliches Verhalten, so fUhrt der Bürger nur aus, was ihm staatlicherseits aufgetragen worden ist. Faktisch erscheint der Bürger als "Werkzeug" staatlicher Willensmacht. Der Staat sei daher "der im Rechtssinne eigentlich Handelnde" .193 Allerdings hilft auch der Ingerenzgedanke kaum weiter, wenn sich die aktive "Rolle des Staates darin erschöpft hat, einen formalen Rechtsrahmen rur die private Selbststeuerung zu schaffen" .194 Durch den privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt mag der Staat zwar eine "Mitverantwortung" rur privat verursachte Geflihrdungslagen grundrechtlicher Schutzgüter übemehmen. 195 Anknüpfungspunkt der grundrechtlichen Bewertung bleibt aber die erteilte Genehmigung, die als solche nicht in die grundrechtlich geschützte Rechtssphäre derjenigen eingreift, die durch das genehmigte Verhalten in ihren Rechten verletzt werden (könnten). Denn mit der Genehmigung einer risikobehafteten Tätigkeit billigt der Staat nicht die Verletzung der Rechte von Dritten. 196 Und auch dann, wenn man den grundrechtlichen Blick stärker auf die Duldungspflichten lenkt, ist im Hinblick auf deren Eingriffscharakter noch nicht gesagt, daß der Staat sich auch die einfachgesetzlich nicht intendierten Folgen privater Freiheitsbetätigung als "eigenes Handeln" unmittelbar zurechnen lassen müßte. 197
(2) Steuerungsfunktionen der Schutzpflicht Indessen kann eine - durch das Grundgesetz angezeigte - restriktive Interpretation der grundrechtlichen Schutzpflichten nicht über die Veränderungen hinwegtäuschen, denen das öffentliche Recht mit der Betonung der individuellen Freiheitsrechte rur den staatlichen Schutz ausgesetzt ist. Seit den frühen 70er Jahren wird die Zunahme der Wohlfahrts- und Sicherheitserwartungen an den Staat nicht mehr als Ausdruck einer latenten Opposition von staatlicher Dietlein (FN 165), S. 99. Köck (FN 182), S. 15 f 195 BVerfDE 53, 30 ff. (58) - Mülheim-Kärlich. 196 H. H. Klein (FN 166), S.496; Wahl, Art. "Erlaubnis", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hg), Handwörterbuch des Umweltrechts (HdUR), Bd. I, 2. Aufl., 1994, Sp. 528 (538 f.); zum Ganzen auch Sach (FN 101), S. 279 f; Herrnes (FN 101), S. 187 ff. sowie Pietzcker, JZ 1985, 209 ff.; Preu, JZ 1991, 265 ff und jetzt BVerfD, NJW 1998, 3264 ff. - Waldschäden. 197 Vgl. Dietlein (FN 165), S. 96 f; siehe auch - mit dem Verweis auf den privatrechtlichen Ausgleich - Enders, Der Staat 35 (1996), S. 351 (377 ff.). Zur hiervon zu unterscheidenden Frage, ob ein gemeinschaftsschädigendes Verhalten von vornherein aus dem Schutzbereich der Grundrechte herauszunehmen ist: Alexy (FN 166), S. 290 ff.; auf entsprechende Entfaltungsmöglichkeiten im Umweltstrafrecht hinweisend Kloepfer (FN 179), S. 757 f 193 194
I. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
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Ordnung und individueller Freiheit verstanden, sondern generell unter Freiheitsaspekten thematisiert. Der Vorrang der individuellen Freiheit, verkörpert in der extensiven Auslegung grundrechtlicher Schutzbereiche, ließ sich unter gestiegenden gesellschaftlichen Schutzbedürfnissen nur aufrechterhalten, indem die eingriffslegitimierenden Kollektivbelange nach und nach selbst subjektiviert wurden. Anstelle der objektiven Zwecke übernehmen die subjektiven Freiheitsrechte (genauer: die im konkreten Fall einschlägigen, regelmäßig gegenläufigen Freiheitsrechte) nunmehr die Aufgabe, den Prozeß der staatlichen Entscheidungsfindung unmittelbar (d. h. bereits in den normativen Eingriffsvorgaben) zu kanalisieren. Aus einer hinlänglich distanzierten Perspektive betrachtet, handelt es sich bei der Anknüpfung der staatlichen Schutzgewährleistung in den Freiheitsrechten um eine dogmatisch höchst folgenreiche Entwicklung, deren Konsequenzen für die Festigkeit verwaltungsrechtlicher Prinzipien noch nicht abzusehen sind. Die Schutzpflichten enthalten keineswegs nur ergänzende Steuerungsfunktionen (etwa für das polizeiliche Entschließungs- und Auswahlermessen I9K ), sondern drohen die verwaltungsrechtliche Zweck-Mittel-Relation insgesamt aus den Angeln zu heben. Deutlich wird dies beim Übermaßverbot, welches der Staat auch bei grundrechtlich gebotenen Eingriffen gegenüber dem "Störer" zu beachten hat. Hier fehlt es an einem festen Bezugspunkt, wie ihn in der herkömmlichen Prüfungsabfolge der Gesetzeszweck bzw. die Gesetzesnorm darstellt. 199 Wäre ein solcher Fixpunkt vorhanden, so würde er dem handlungs leitenden Schutzanspruch gegenüber dem abwehrenden Freiheitsrecht einen Vorrang verschaffen. Konflikte unter Privaten lassen sich aber nicht im Sinne einer Vorrangregel entscheiden. Dem Interesse des schutzbedürftigen "Opfers" kann keine Präferenz zugesprochen werden, weil damit dem gefahren verursachenden "Störer" eine mit seiner grundsätzlichen Handlungsfreiheit unvereinbare - Rechtfertigungslast aufgebürdet würde. 20o Erforderlich ist vielmehr eine hinreichend offene Interessenabwägung,201 die freilich nur zum Preis entsprechend hoher Rationalitätseinbußen zu haben ist. Diesen Schwierigkeiten könnte im Prinzip ausgewichen werden, wenn die grundrechtlichen Schutzpflichten gesetzesmediatisiert
198 Vgl. Isensee (FN 165) § 111 Rn. 167. Bäckenfärde (FN 184), S. 183 f.; ähnlich auch Robbers (FN 81), S. 170 ff. (m. w. N.); grundlegend zur Struktur der Verhältnismäßigkeit als "Übermaßverbot" Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 53 ff. 200 V gl. Preu (FN 196), S. 268. 201 Von einer "Angemessenheits-Verhältnismäßigkeit" spricht Bäckenfärde (FN 184), S. 184. Allen Begrenzungsbemühungen liegt die gemeinsame Vorstellung zugrunde, daß sich die grundrechtsdogmatische Asymmetrie zu Lasten des Schutzbedürftigen nicht in eine Asymmetrie zu Lasten des Handelnden umkehren dürfe. Dies kann nur bereits im Schutzpflichttatbestand durch eine Abwägung verhindert werden, die auf den schonenden Ausgleich der divergierenden Interessen gerichtet ist. 199
A. Verwaltungs rechtliche Rahmenbedingungen
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wären, also der (zwingenden) Konkretisierung durch Gesetz bedürften. 2U2 Praktisch spricht zwar eine starke Vermutung dafiir, daß der Gesetzgeber regelmäßig seiner Schutzpflicht genügt. Der normative Vorrang der Verfassung läßt es jedoch nicht zu, den grundrechtlichen Inhalt der Definitionsmacht der Legislative zu überlassen, gegen die sich die Schutzpflicht doch gerade (auch) behaupten soll.203 Umgekehrt wird die Art und Weise der Ausgestaltung des (gesetzlichen) Schutzes vom konkreten Grundrecht her ebenfalls weitgehend offengelassen. Die (gesetzgeberische) Gestaltungsfreiheit erfährt insoweit lediglich eine Begrenzung durch das (verfassungsrechtliche) Untermaßverbot. 204 Auch im Hinblick auf ausreichende Schutzmaßnahmen ist deren "Erforderlichkeit" aber nur eine vergleichsweise vage, das Gesetz "transzendierende, von dessen Zielkonzeption grundsätzlich unbeeinflußte und unmittelbar auf das Verfassungsrecht bezogene Größe".205 Von hier aus ist der Weg zu einer auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip gestützten verfassungsgesetzlichen Eingriffsermächtigung für die einfachgesetzlich nicht näher ausgeformte Informationstätigkeit der Exekutive nicht mehr weit. 206 Ein weiter Ausgestaitungsspielraum besteht im Hinblick auf den modalen Inhalt von Schutzpflichten. Sie knüpfen an eine staatliche Untätigkeit an und enthalten daher keine konkreten Mittelvorgaben. Geschuldet ist keine spezifische Handlung, sondern nur ein Effekt als Resultat. 207 Wie dieser Effekt instrumentell durchzusetzen ist, wird von der Schutzpflicht nicht bestimmt. So muß der Staat nicht Verbote und klassische Eingriffsmaßnahmen wählen, um seiner Schutzpflicht nachzukommen. Ein Schutz durch Aufklärung und Appell an die Selbstverantwortung der Bürger ist - wie das Bundesverfassungsgericht angesichts der neuen Risiken durch AIDS festgestellt hat 20S - eine vom Grundrecht her gleichberechtigte Umsetzung der Schutzpflicht. Allerdings wird der Kreis der Schutzmittel dadurch begrenzt, daß nur rechtlich zulässige Maßnahmen in Betracht kommen. Die staatliche Verpflichtung zum Schutz gegenüber dem "Opfer" kann somit nicht über die Befugnisse gegenüber dem "Störer" hinausgehen. Das aus der Schutzpflicht folgende "Müssen" reicht - wie es Georg Hermes
So etwa Isensee (FN 165), § 111 Rn. 8. Vgl. Hermes (FN 165), S. 267; ähnlich Enders, AöR 115 (1990), S. 610 ff. (629). 204 BVerfGE 88, 203 (254 ff., 261 fI); kritisch zur Figur des Untermaßverbotes Unruh (FN 165) S. 85 ff. 205 Dietlein (FN 165), S. 136. 206 So etwa im Anschluß an BVerwGE 82, 76 ff. auch BVerfG, NJW 1989, 3269 f.; zu Recht ablehnend das Schrifttum, vgl. statt vieler Heintzen (FN 179), S. 552 f.; siehe ferner Schoch, DVBI. 1991, 667ff. 207 Statt vieler Wahl/Masing (FN 176), S. 558. 208 BVerfG, NJW 1987,2287. 202 203
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I. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
plastisch formuliert 209 - nicht weiter als das "Dürfen", welches "durch die alten Errungenschaften grundrechtlicher Abwehransprüche begrenzt ist". Dennoch ist nicht zu übersehen, daß der Schutzpflichtgedanke mehr und mehr die Begrenzungskraft verwaltungsrechtlicher Grundprinzipien schwächt, deren Aussagen im Kern auf die bipolare Abwehrsituation zugeschnitten sind. 2lO Die alte Vorstellung einer einfachen Relation von freiheitssuchendem Bürger und freiheitsbedrohender Staatsgewalt paßt nicht mehr, wenn das private Handeln unter der gestiegenen Sensibilität fiir die Folgen der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung den Staat zur Verantwortungsübernahme veranlaßt. Stellt sich die staatliche Freiheitsbedrohung auf der einen Seite als grundrechtlich gebotene Freiheitssicherung auf der anderen Seite dar, verlieren die klassischen Institute des Verwaltungsrechts an Überzeugungskraft. Das Schicksal des nur noch mühsam zu verteidigenden Gesetzesvorbehaltes ist hierfiir ein beredtes Beispiel. 211 Die Aufrechterhaltung der Rechtsförmlichkeit staatlichen Handeins ein anderes. bb) Handlungs/armen Mit der Schwächung tradierter Grundannahmen des Verwaltungsrechts ging ein Wechsel in der Betrachtungsweise staatlichen Handeins einher. Nicht mehr allein die "Einkleidung" in der Rechts/arm entscheidet über die rechtliche Relevanz und die Rechtsfolgen staatlicher Aktivitäten. Der Blick wird vielmehr auf die vorgelagerte Frage nach den Handlungs/armen gelenkt, mit denen die diffuse Vielfalt staatlicher Aktivitäten zu Tage getreten ist. 212 Hierdurch gewinnen im Verwaltungsrecht auch diejenigen Handlungsweisen Konturen, die wie das schlichte Verwaitungshandeln 21J unter der dogmatischen Sonderbehandlung der regelungsspezifischen Vorgänge vernachlässigt worden waren. Als maßgeblicher Motor dieser Umstellung erwiesen sich die Grundrechte, die das subjektivierte Verwaltungsrecht in einer zunehmenden Folgenorientierung fiir das "Gegenüber" der Verwaltungshandlung 214 sensibilisiert haben. Die Sichtbarmachung neuer (oder dogmatisch verdrängter) Handlungsformen geht zu einen großen Teil auf die Erweiterung des Eingriffsbegriffs zurück, der Hermes (FN 165), S. 249. Vgl. Di Fabio (FN I), S. 51. 211 Zum (rechtsstaatlichen) Gesetzesvorbehalt BVerwGE 82, 76 ff.; 87, 37 ff.; 90, 112 ff. Auch der (parlamentarische) Gesetzesvorbehalt hat unter dem Eindruck der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine erhebliche Ausdehnung erfahren, der das Schrifftum nur begrenzt folgen will: Kloepfer, 1Z 1984, 685 ff. 212 Zur Unterscheidung zwischen Rechts- und Handlungsformen, S. 38 f. (Fn. 95). 21J Zuletzt M Schulte (FN 48), S. 9 ff. 214 Schmidt-Aßmann (FN 175), S. 234. 209
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A. Verwaltungsrechtliche Rahmenbedingungen
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seine älteren Merkmale nach und nach verloren hatte. War der klassische Grundrechtseingriff durch seine Finalität und Unmittelbarkeit gekennzeichnet, stellte er sich als Rechtsakt mit rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Wirkung dar und wurde er mit Befehl und Zwang angeordnet bzw. durchgesetzt, so erfaßte seine Erweiterung alle Elemente des klassischen Eingriffsbegriffs. 215 Mit der wachsenden Sensibilität gegenüber faktischen und mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen übernahmen die Grundrechte fiir die zunehmende Thematisierung neuer (oder als neu empfundener) Handlungsformen drei Aufgaben: Erstens hat sich hier besonders deutlich ihre heuristische Aufgabe, also das Zurkenntnisnehmen neuer Erscheinungsformen der Verwaltungspraxis bemerkbar gemacht. 2J6 Es rückten auch diejenigen Verwaltungshandlungen in das verwaltungsrechtliche Blickfeld, denen das Merkmal der rechtsförmlichen Regelung fehlte. Das Entscheidungen nicht fixierende, sondern lediglich vorbereitende, das nicht einseitig befehlende, sondern bloß empfehlende und das informierende Handeln stellte sich aus grundrechtsbeeinträchtigender Sicht immer weniger als nur ein rechtliches "Nullum" dar. 217 Hinzu trat zweitens eine differenzierende Aufgabe der Grundrechte. Nachdem sich der Lenkungscharakter nicht befehlender, aber doch verhaltenssteuernder (und damit potentiell grundrechtsbeeinträchtigender) Maßnahmen nicht mehr ernsthaft bestreiten ließ, mußten als eingriffsbestimmende Kriterien verstärkt die Wirkungsweise und -intensität staatlicher Handlungsformen herangezogen werden. 218 Dabei zeigte sich bald, daß der bloße Verzicht auf Zwang nicht ohne weiteres mit Freiwilligkeit gleichgesetzt werden konnte. Der "sanfte Druck" zwischen befehlendem Zwang und faktischer Betroffenheit - so das Credo im Schrifttum219 - bleibe in seinen Wirkungen oftmals nicht hinter dem klassischen Eingriffsinstrumentarium zurück. Stellte sich aber auf der einen Seite die regelmäßig nur scheinbar freiwillige Entscheidung als nicht unerhebliche Grundrechtsbeeinträchtigung dar, so wurde auf der anderen Seite immer deutlicher, daß nicht jede Fern- und Folgewirkung staatlichen HandeIns das komplette eingriffsrechtliche Schutz-
215 Als Eingriff (oder zumindest als eingriffsgleich) wird heute jedes staatliche Handeln bezeichnet, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht, gleichgültig, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch), mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt: statt vieler PierothiSchlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 11. Aufl., 1995, Rn. 259. 216 So Schmidt-Aßmann (FN 175), S. 237. 217 Vgl. zur Information als Lenkungsmittel bereits Kloepfer, Information als Intervention in der Wettbewerbsaufsicht, 1973, S. 5 ff.; das neuere Schrifttum zu den mannigfaltigen Spielarten staatlicher Informationspolitik ist nicht mehr zu überschauen, vgl. nur Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, 1989. 218 Die Wege der Rechtsprechung nachzeichnend Diseher, JuS 1993,463 (464 ff.). 219 Zum "freiwilligen Zwang" zuletzt Kloepfer (FN 123), S. 205 f.
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1. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
instrumentarium auslösen konnte. 22o Schließlich ist in diesem Zusammenhang drittens auch das Problembewußtsein für die zuordnende Aufgabe der Grundrechte geschärft worden. In dem Maße, wie der klassische Eingriffsbegriff seine Konturen verloren hatte, erschwerte sich die Zuordnung von Grundrechtsbeeinträchtigungen zum staatlichen Verantwortungsbereich. Stellen sich grundrechtlich aufgefangene Beeinträchtigungen erst aufgrund des Zusammenspiels von Staat und Privaten ein, kann von einer eindeutigen Verantwortung des Staates für das insoweit lediglich drittvermittelte Ergebnis nicht mehr ausgegangen werden. Allerdings schließt das zunehmende Auseinandertreten von staatlich formulierten Zielen und ihrer Verwirklichung durch Private nicht aus, die Wirkungen ihrer Handlungen dem Staat zuzurechnen, weil sie vom Ziel staatlichen Handeins mit um faßt sindYI Ob sich hier zur Bestimmung des Eingriffscharakters eine Rückkehr zum klassischen Eingriffsmerkmal der Finalität anbietet,222 gilt noch nicht als ausgemacht. Allein herangezogen 221 erweist sich das Finalitätskriterium einerseits als zu eng, um der gebotenen rechtsgutbezogenen Sicht der Grundrechte gerecht zu werden. 224 Andererseits droht der Kreis der dem Staat zurechenbaren Wirkungen sehr weit gezogen zu werden. 225 Dies ist jedenfalls dann nicht unproblematisch, wenn dem in seinen beeinträchtigenden Wirkungen vom Staat mitgetragenen Verhalten die autonome Entscheidungsbildung von Privaten zugrunde liegt. Die Grundrechte haben auf diese Weise den normativen Entfaltungsrahmen für die neu in das Bewußtsein tretenden, kategorial nur schwer erfaßbaren Handlungsformen abgesteckt. In ihrer abwehrrechtlichen Bedeutung zogen sie einer Anerkennung neuer Handlungsformen freilich eher Grenzen. Dort, wo das staatliche Handeln keine unmittelbaren Berührungspunkte zu subjektiven Rechten aufwies, aber gleichwohl eine tatsächliche Betroffenheit nicht ausgeschlossen werden konnte, ist der Erweiterung staatlicher Handlungsformen mit Skepsis begegnet worden. So löste - um nur ein markantes Beispiel zu nennen die Erörterung des "informalen Verwaltungshandeln" erhebliche Irritationen aus, weil es abwehrrechtlich nicht greifbar erschien. Es nimmt insoweit nicht wunder, daß unter dem Subjektivitätsparadigma die Problematisierung und zögerliche Anerkennung regelungsvermeidender Handlungsweisen ihre maßgeblichen Impulse erst durch die Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche
Vor einem solchen Automatismus warnt Schmidt-Aßmann (FN 175), S. 237. Vgl. etwa Di Fabio, NVwZ 1995, 1 ff. (5). 222 Grundlegend A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 232; befürwortend auch Di Fabio (FN 190), S. 695. 123 So etwa in BVerwGE 90, 112 ff. 224 Ablehnend daher M. Schulte (FN 48), S. 94. 225 Vgl. KloepjeriWimmer, UPR 1993, 409 (415 f.). 220 221
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als "wesensnotwendige Hilfsrechte" der Abwehrrechte erfahren haben. 226 Aber auch in ihrem schutzrechtlichen Bedeutungsgehalt setzten die Grundrechte der Entfaltung neuer Handlungsformen zunächst Grenzen. So sind die Alternativen zum regulatorischen Steuerungs- und Rechtsmodell überwiegend unter dem Blickwinkel aus betrachtet worden, daß sie das klassische Eingriffsinstrumentarium prinzipiell nicht ersetzen können. 227 In jüngerer Zeit wird jedoch verstärkt darauf aufmerksam gemacht, daß sich aus grundrechtlichen Schutzpflichten nur Mindestanforderungen an das staatliche Schutzinstrumentarium ableiten lassen können. 228 Schon das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner ersten wegweisenden Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch auf die ultima ratio schutzrechtlich begründeter (und freilich strafrechtlich bewehrter) Verbotsnormen hingewiesen. 229 Dem ist das Schrifttum größtenteils gefolgt und hat aus dem freiheitsbeschränkenden Charakter von Verbotsnormen einen "Vorrang anderer Mittel" nahegelegt, die den "gebotenen Schutz ohne Eingriff sicherzustellen" vermögen. 2lO Hierdurch verändert sich nolens volens die Rolle der Schutzpflichten, die nicht mehr allein aus einer die staatlichen Handlungsspielräume eingrenzenden, sondern neue Steuerungsformen zunehmend auch eröffuenden Perspektive betrachtet werden. 23J Wo der Staat auf ordnungsrechtliche Lösungen nicht zurückgreifen kann (etwa weil die Regelungsreife noch nicht besteht) oder nicht mehr zurückgreifen will (weil es politisch nicht opportun erscheint), muß der Verzicht auf Befehl und Zwang keinen inhärenten Mangel an staatlichen Steuerungskapazitäten (und schon gar nicht einen Schutzpflichtenverstoß) darstellen. Dies jedenfalls dann nicht, wenn es zum Einsatz von Schutzmechanismen kommt, die das gebotene Schutzniveau auf andere Weise sicherstellen. Ihren Anknüpfungspunkt finden alternative Schutzmaßnahmen - wie etwa die experimentelle Gesetzgebung232 - nicht selten in vergleichsweise bewährten rechtsstaatlichen Strukturen. Oder es sind pragmatische Neuschöpfungen, die über das herkömmliche Steuerungsdenken weit 226 Zur Bedeutung der Fehlerfolgen für die Herausbildung neuer Handlungsformen Di Fabio (FN 48), S. 56 ff. 227 Zum Vorrang von Störungsverboten Murswiek (FN 169), s. 108 ff.; mit dem Hinweis auf absolute Grenzen der Deregulation auch ders. (FN 150), S. 987. Es macht allerdings einen erheblichen Unterschied, ob das Ordnungsrecht tatsächlich deregulierend abgebaut oder nur in den regulierenden Hintergrund gerückt werden soll; zur Bedeutung und Funktion verbleibender ordnungsrechtlicher Drohpotentiale unten, S. 96 f. 22K Dem Staat obliegen nur begrenzte Pflichten zu strikter staatlicher Steuerung, vgl. Lange, VerwArch. 82 (1991), S. 1 (10 ff.). 229 BVerfGE 39, 1 (44,45,46 f.). 230 Stern (FN 146), S. 739. 231 Vgl. etwa Führ (FN 190), S. 215 ff. 232 Verwirklicht ist der experimentelle Gesetzgebungsansatz insbesondere im Arzneimittelrecht, vgl. etwa Di Fabio (FN 1), S. 305 f.; ferner Kloepfer (FN 17), S. 91 ff.; zum Moratoriumsgesetz als geeignetem Schutzinstrument in Unsicherheitssituationen Wahl/Masing (FN 176), S. 561 ff.
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hinausgehen, um - wie das sich in jüngerer Zeit immer stärker entfaltende Recht umweltsichernder Betriebsorganisation233 - ohne imperativen Zwang auf die Motivationslage der Normadressaten Einfluß zu nehmen versuchen. Gerade aus schutzrechtlicher - und d. h. auf die Effektivität des Erfolges abstellender Sicht ist der Staat nicht gehalten, die aus den Schutzpflichten resultierenden Aufgaben allein durch eigene Institutionen zu bewältigen. 234 Er kann sich nicht nur privater Mithilfe in Verwaltungsverfahren bedienen, sondern private Effizienzvorteile auch außerhalb staatlicher Verfahren nutzen und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben staatsentlastend einsetzen. In dem Maße freilich, wie sich der Staat in der Erkenntnis nur begrenzter Leistungsfähigkeit zugunsten gesellschaftlicher Selbststeuerungsbeiträge zurücknimmt, steigt seine grundrechtlich fundierte "Gewährleistungsverantwortung" für das nunmehr privat erzielte Gemeinwohlergebnis. 2J5 Damit geht es nicht mehr allein um die rechtlich eingerahmte Schaffung von Anreizstrukturen, sondern auch um die Etablierung hinreichend verläßlicher Kontrollmöglichkeiten, die sich entsprechend der staatlichen Verantwortung fur den Ausbau von Eigenverantwortung auf die staatliche Kontrolle privater Selbstkontrolle beschränken sollen. Hierin unterscheidet sich das Schutzkonzept moderner Staatlichkeit von älteren Vorstellungen, die noch im liberal-rechtsstaatlichen Modell ohne reflexive Rückkoppelungen zum Staat ausgekommen sind.
b) Von der "Ex-post"- zur "Ex-ante"-Betrachtung staatlicher Handlungsformen
aa) Rechtsschutz/unktion Im Zuge der umfassenden Subjektivierung des Verwaltungsrechts erfuhr die Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungsgerichte eine erhebliche Auf-
V gl. nur Kloepfer (FN 177), § 5 Rn. 318 ff. Dementsprechend ist die staatliche Sicherheitsgewährleistung nicht allein auf den Einsatz öffentlich-rechtlicher Handlungsformen beschränkt, vgl. Köck (FN 182), S. 20 ff. - Augenfallig wird dies nicht nur, aber insbesondere im Umweltrecht, wo das Kooperationsprinzip die gemeinsame Aufgabenerledigung von Staat und Gesellschaft vorsieht; aus dem Schrifttum statt vieler Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 8 ff.; zur im Kooperationsgebot angelegten Verwischung der Systemzäsuren zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht SchmidtAßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht: Ihre Funktionen als wechselseitige Auffangordnungen, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 7 ff. m So der gemeinsame - essentiale - Befund von Schmidt-Preuß und Di Fabio auf der Dresdener Staatsrechtslehrertagung 1996 zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Spannungsverhältnis von "Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung", VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff., 235 ff.; in der gleichen Richtung auch Trute (FN 189), S. 953 ff. 2J3
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wertung. Fritz Fleiner, als einer der maßgeblichen Fortfiihrer der Lehre Dtto Mayers, hatte die Bedeutung eines bürgerorientierten Rechtsschutzes bereits in seinen Vor- und Signalwirkungen fiir das Verwaltungshandeln gesehen. Schon die Existenz der Verwaltungsgerichte an sich übe eine "segensreiche Wirkung" aus. "Denn da jeder Verwaltungs beamte weiß, daß seine Verfügungen die Feuertaufe richterlicher Prüfung zu bestehen haben werden, so ist er gezwungen, in seiner ganzen Tätigkeit nach dem Rechte zu blicken."236 In der Folgezeit entwickelte sich die Rechtsschutz/unktion zum eigentlichen Dreh- und Angelpunkt des gesamten verwaltungsrechtlichen Systems: Das in § 42 Abs. 2 und § 113 Abs. 1, 5 VwGO aufgenommene, immer wieder erneuerte und als "grundlegende Strukturentscheidung"237 bezeichnete Bekenntnis fiir die subjektiv-rechtliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes erlaubte die ebenso klare wie einseitige Feststellung, allein der individuelle Rechtsschutz begründe ein Interesse und Erfordernis an der dogmatischen Durchformung des Verwaltungshandelns. 23K Mit der systemprägenden Konzentration auf den Individualrechtsschutz waren die subjektiven öffentlichen Rechte in der Betrachtung ihrer Kontrollaufgabe gegenüber dem Gestaltungsauftrag der handelnden Verwaltung freilich abgekoppelt worden. 239 Funktional betrachtet, zeigte sich die Bedeutung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht darin, eine Trennlinie zwischen dem erforderlichen Rechtsschutz und der Kontrollfreiheit der Verwaltung zu ziehen. Bezogen auf das verwaltungsrechtliche System dient das subjektive öffentliche Recht als ein wesentlicher Grundpfeiler der Verwaltungsrechtsdogmatik bis heute als Selektionskriterium zur Unterscheidung zwischen den Entscheidungsmaßstäben der Verwaltung und den Überprüfungsmaßstäben der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 240 Auf diese Weise werden eigenständige Funktions- und Verantwortungs bereiche von Exekutive und Judikative anerkannt und gesichert. Das subjektive öffentliche Recht - so läßt sich unter funktionalen Gesichtspunkten festhalten - vermittelt mit der Begrenzung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf den Schutz von Individualrechten zugleich eine Innenansicht von der Eigenständigkeit der Verwaltung. 241 Während die Verwaltung unter dem Grundgesetz zunächst in die "Defensive" gerückt wurde, begann die Verwaltungsgerichtsbarkeit als institutioneller
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Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S. 248 f.
237 v. Danwitz (FN 43), S. 75. 238 Besonders deutlich J Burmeister (FN 43), S. 231. Zur Kritik etwa die Beiträge
von D. Grimm, Schmidt-Aßmann und Schuppert, VVDStRL 52 (1992), S. 324 ff. 239 Bereits Ottmar Bühler sah hierin die systematische Bedeutung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht: 0. Bühler (FN 148), S. 522 f. 240 Vgl. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, FS flir Menger, 1985, S. 191 ff. 241 Besonders deutlich - im Anschluß an Peters, Die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt, 1965, S. 24 - v. Danwitz (FN 43), S. 78. 5 Franzius
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Träger des Verwaltungsrechts die besonderen Rechtsmaterien anhand der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, vor allem aber durch die fortwährende Konkretisierung verfassungs rechtlicher Vorgaben näher zu strukturieren und systematisch zu durchdringen. 242 Vor dem Hintergrund der NS-Gewaltherrschaft mußte die Bedeutung der in Art. 19 Abs. 4 GG hervorgehobenen gerichtlichen Kontrolle gerade darin gesehen werden, die "Selbstherrlichkeit der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger" zu beseitigen. 24J Als ausgesprochen "systemfest" erweist sich in diesem Zusammenhang die Grundüberzeugung des deutschen Verwaltungsrechtsverständnisses, erst die Effektivität des Gerichtsschutzes bedinge die Effektivität des materiellen Rechts. 244 So wird die prinzipiell vollständige und tatsächlich wirksame Nachkontrolle durch die Gerichte auch dort als Regel festgeschrieben, wo aufgrund der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe eine originäre Norrnkonkretisierung durch die Verwaltung mit entsprechenden Letztentscheidungsrechten aus Gründen der Verwaltungseffizienz nahegelegen hätte. w Das subjektive öffentliche Recht indessen droht mit der unter dem Grundgesetz konstatierten "Umwidmung" ehemals objektiver Rechtspositionen zu Individualschutzrechten 246 seine Korrekturfunktion für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle mehr und mehr einzubüßen. 247 Vor allem die oftmals nur schwer nachvollziehbare Erfassung und Bewertung komplexer Sachverhalte rechtfertigt die zunehmende Anerkennung materieller Kontrollrestriktionen durch die Gewährung exekutiver Beurteilungsprägorativen. 24R Für bestimmte Entscheidungstypen soll nunmehr auch unter 242 v. Danwitz (FN 43), S. 52, 75; zuvor bereits Ossenbühl, DVBI. 1993,753 ff. Zur Bedeutung der Verwaltungsgerichte für die verwaltungsrechtliche Systembildung auch Lerche, BayVBI. 1980, 257 ff. sowie Schmidt-Aßmann, VBIBW 1988, 38 I ff. 243 BVerfGE 10, 264 ff. (267); 5 I, 268 ff. (284). 244 D. Lorenz, Der Rechtsschutz der Bürger und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 151; zust. 1. Martens (FN 142), S. 119; siehe auch HojJmann-Riem, Verwaltungsrechtsreform - Ansätze am Beispiel des Umweltschutzes, in: ders.lSchmidt-Aßmann (Hg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 115 ff. (125). 245 Zum verfassungsrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen vollständiger Kontrolle und Kontrollfreiräumen der Verwaltung BVerfGE 61, 82 (I I I); zum Spannungsverhältnis zwischen den verwaltungsbehördlichen Handlungsprägorativen und ihrer Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte JellineklLassar, Rechtsschutz des öffentlichen Rechts, VVDStRL 2 (1925), S. 8 ff., 81 ff.; BeckerlRumpf, Verwaltung und Verwaltungsrechtsprechung, VVDStRL 14 (1954), S. 96 ff., 136 ff.; ScholzlSchmidtAßmann, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S. 145 ff.; 221 ff. 246 Statt vieler Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, Gedächnisschrift für Jellinek, 1955, S. 287 ff. 247 Besonders prägnant Ossenbühl, Eigentumsgarantie und Klagebefugnis, in: ders. (Hg.), Eigentumsgarantie und Umweltschutz, 1990, 35 (44 f.); vor allem, aber nicht nur im Umweltrecht ist der Befund augenfallig, wenngleich von einer Krise noch nicht die Rede sein kann: Kloepfer (FN 177), § 8 Rn. 2 ff.; teilweise anders SchmidtAßmann (FN 27), S. 28 f. 24M Vor allem BVerfGE 49, 89 (139 f.); BVerwGE 72, 300 (316 f.); 81,185 (190 ff.).
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dem unmittelbaren Rückgriff auf die stärker in das Bewußtsein tretenden Kapazitäts- und "Funktionsgrenzen der Rechtsprechung"249 eine behutsame Ausdehnung der "Lockerung des richterlichen Kontrollzugriffs" bewirkt werden. 250 Allerdings verbleibt es grundsätzlich bei der das Verwaltungsrecht prägenden Fixierung der Verwaltungsgerichte auf das ex post einer Kontrolle zugeruhrte Entscheidungsergebnis, hinter der Überlegungen zur Effektivität und Flexibilität des Verwaltungshandelns zurücktreten. 25 1 Dies hat dazu geruhrt, den "Bewirkungsauftrag des Verwaltungsrechts seinem Rechtschutzauftrag regelmäßig nachzuordnen und somit eine Ausgestaltung zu begünstigen, die das System des Verwaltungsrechts primär als ein Verteidigungsinstrument der Bürger auffaßt".252 Auch insoweit sind jedoch - nicht bloß auf Randkorrekturen beschränkte - Veränderungsbewegungen im verwaltungsrechtlichen System unverkennbar. Das gilt zunächst rur den traditionell repressiv ausgestalteten Rechtsschutz: So hat in vielen Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts der vorläufige Rechtschutz nach § 80 und § 123 VwGO den Hauptsacherechtsschutz faktisch bereits verdrängt. 253 Wenngleich darüber hinaus eine präventiv wirkende Kontrolle der Gerichtskontrolle auch eher fremd geblieben ist, hat sich der präventive Rechtschutz im Verwaltungsverfahren doch weitgehend fest etabliert. 254 Diese Rechtsschutzerweiterungen haben verschiedentlich bereits vor einer "Hypertrophie der Rechtsschutzgewährung" warnen lassen. 255 Es ist jedoch weniger der Rechtsschutz als solcher, sondern die infolge der Rechtsschutzzentrierung bisher überwiegend auf die Fehlerkorrektur abstellende Betrachtung des Verwaltungsrechts, die sich als kritikanfällig erwiesen hat. Vor allem die Kritik an der herkömmliche Verfahrenslehre,H6 aber auch die beobachtete Zunahme gesetzlicher Finalprogrammierungen des VerwaltungshandeIns, haben die Frage aufgeworfen, ob ein Verwaltungsrecht, das die be249 Siehe BVerfGE 84, 34 (50); 88, 40 (61). 250 So für den Typ der Risikoentscheidungen, also der prinzipiell unter Unsicherheit zu treffenden Verwaltungsentscheidungen: Di Fabia (FN I), S. 462 ff.; zum Ganzen auch Wahl, NVwZ 1991,409 ff. 251 Statt vieler Schmidt-Aßmann (FN 175), S. 234. 252 v. Danwitz (FN 43), S. 52 f. 253 So etwa Schach, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 203 ff. 254 Vgl. bereits Bettermann, Das Verwaltungsverfahren, VVDStRL 17 (1959), S.118ff.(I72). 255 Vgl. Klaepfer (FN 177), § 8 Rn. 5; pointiert entgegengesetzt i. S. einer entwicklungshemmenden "katechontischen" Funktion des Verwaltungsrechts Schlink, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung durch das Verwaltungsrecht, VVDStRL 48 (1990), S.236 (259 ff.); anders wohl auch HafJmann-Riem (FN 244), S.126 f. 256 Ausführlich Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 50 ff.; zur fehlerkorrigierenden Perspektive der Verfahrenslehre Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 1986.
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zweckte Verhaltensrichtigkeit eher negativ als Venneidung von Rechtsfehlern (und nicht positiv als Optimierung der Zielerreichung) versteht, noch hinreichend adäquat ist, um das gesamte Bewirkungsspektrum staatlichen Handeins zu erfassen und in seinen nicht nur rechtlichen, sondern auch tatsächlichen Wirkungen systematisch aufeinander abzustimmen. 257 Faßt man die jüngeren Refonnbemühungen zusammen, konzentriert sich das Verständnis von dem, was ein modemes Verwaltungsrecht vor dem Hintergrund der staatlich zu bewältigenden Aufgaben zu leisten habe, auf einen stärker in den Mittelpunkt gerückten verhaltensorientierten Bezug seiner nonnativen Aussagen. Hierdurch erschließt sich dem Verwaltungsrecht ein größeres Wirkungsfeld, in dem auch die Instrumentenoptionen fur die Gestaltung von Geschehensabläufen zum Gegenstand der rechtlichen Betrachtung gemacht werden. Das Verwaltungsrecht läßt sich nicht mehr allein auf das Aufstellen von Regeln für das punktuelle Treffen von individualrechtlich relevanten Entscheidungen (oder von Entscheidungsergebnissen) reduzieren, sondern erfaßt zunehmend auch den vorgelagerten Entscheidungsprozeß unter Einschluß der nur mittelbar verhaltensbeeinflussenden, häufig infonnalen Verständigungen, also der eher "weichen", nicht durch zwingende Rechtssätze detenninierten Handlungsweisen sowie solcher Maßnahmen, die im Kern lediglich personeller oder organisatorischer Natur sind. Kurz: Es rücken verstärkt auch diejenigen Handlungsweisen der Verwaltung in das Blickfeld des Verwaltungsrechts, die bisher vielfach als Ausdruck administrativer Gestaltungsfreiheit galten und häufig noch nicht durch die "Pathologie eines Rechtsfalles" gekennzeichnet sind,25M aber gleichwohl erhebliche Steuerungsleistungen erbringen (können). Aufs Ganze gesehen stellt sich das Verwaltungsrecht in den Polen zwischen Bewirkungs- und Rechtsschutzaujtrag als bewegliches und entwicklungsoffenes System dar. 259 Das den verwaltungsrechtlichen Instituten zugrundeliegende Zuordnungsverhältnis von staatlichen Handlungsmöglichkeiten und bürgerlichem Rechtsschutz läßt sich nicht apriorisch festlegen, sondern erfordert einen ständigen Neubestimmungsprozeß, der den verwaltungsrechtlichen Doppelauftrag
257 Vgl. etwa Hoffmann-Riem (FN 244), S. 122 ff., 130 ff., 147. Treffend wird in diesem Zusammenhang von der stärker hervorzuhebenden "Bereitstellungsfunktion des Verwaltungsrechts" gesprochen: Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft. Zur Steuerung des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann/Schuppert (Hg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 65 (98 ff.); siehe auch ders., VVDStRL 50 (1992), S. 337 f. m So schon F. Werner, Zur Kritik an der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Recht und Gericht in unserer Zeit, 1971, S. 304 ff. (316). 259 Vgl. zum folgenden v. Danwitz (FN 43), S. 45 ff., 62 ff.; ders., DVBI. 1998,928 (931 ff.); ähnlich M Schulte (FN 48), S.71; ferner EckhojJISundby, Rechtssysteme, 1988, S. 24 ff.
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auf beiden Seiten zur Geltung bringt. 260 In der Abkehr von einem herkömmlich eher statischen Verständnis wird das Verwaltungs recht trotz der beachtlichen Tradition, über die seine Rechtsinsitute verfugen, als veränderungsfähig und der dauerhafte Wandel seiner einzelnen Ausprägungen als der "wohl elementarste Zug des verwaltungsrechtlichen Systems" bezeichnet. 261 Gelingt es dem Verwaltungsrecht nicht oder nur unzureichend, die Verwaltung in den Stand zu versetzen, ihre wachsenden (bzw. sich wandelnden) Aufgaben zu erfullen, wächst der Anpassungsdruck auf das System, dessen Leistungsfähigkeit danach beurteilt werden kann, inwieweit es - ausgehend von der Betrachtung des Output dem Input und seiner Verarbeitung gerecht wird. 262 Ob es in den 50er und 60er Jahren um die Bewältigung der Leistungsverwaltung durch Subventionen,263 in den 70er Jahren vor allem um den Einbau der planende Verwaltung in das Arsenal der staatlichen Handlungsformen 264 oder in den 80er Jahren um den Umweltschutz mit seinen weitreichenden Anforderungen265 ging: Gekennzeichnet ist die Verarbeitung dieser Aufgaben durch einen der Verwaltung zugewiesenen GestaltungsauJtrag, wobei die zur Bewältigung der Aufgaben erforderliche Gestaltungsfreiheit nicht als Fremdkörper im System begriffen wird, sondern immer wieder von neuem in eine angemesse Balance zum Rechtsschutz des Bürgers zu bringen ist. 266 Vor dem Hintergrund dieser im System bereits selbst angelegten Wechselbezüglichkeit in den Zielvorgaben mußte mit der gewachsenen Sensibilität gegenüber dem Umfang und Ausmaß staatlicher Aufgaben die Frage nach der Steuerungsfähigkeit des Rechts auf ganz natürliche Weise an Bedeutung gewinnen. 267 260 v. Danwitz (FN 43), S.47; zuvor aus der Sicht der Handlungsformen SchmidtAßmann (FN 48), S. 535; aus einer grundrechtsbezogenen Perspektive siehe auch ders. (FN 199), S. 238. 261 v. Danwitz (FN 43), S. 48. 262 Wahl, Die Aufgabenabhängigkeit von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in:
Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann/Schuppert (Hg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 177 (184 f.). 263 Vgl. etwa H. P. fpsen, Haushaltssubventionierung über zwei Stufen - Rückblick auf einen rechtsstaatlichen Ansatz, Gutachten vom 17.10.1951, FS für Wacke, 1972, S. 139 ff.; ders., Öffentliche Subventionierung Privater, 1956; Zu leeg, Die Rechtsform der Subventionen, 1965; Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966. 264 Vgl. etwa Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten B zum 50. Deutschen Juristentag, 1973, B 62 ff.; Badura, Das Planungsermessen und die rechtsstaatliche Funktion des Allgemeinen Verwaltungsrechts, FS zum 25jährigen Bestehen des BayVerfGH, 1972, S. 157 (164 ff.). 265 Vgl. etwa Rauschning/Hoppe, Staatsaufgabe Umweltschutz, VVDStRL 38 (1980), S. 167 ff., 211 ff.; Kloepfer, DVBI. 1979,639 ff. 266 v. Danwitz (FN 43), S. 62. 267 Es gibt wohl kaum eine Wechselbeziehung, die in den letzten Jahren eine größere Attraktivität hatte, als die zwischen der scheinbar paradoxen Feststellung wachsender
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bb) Steuerungsfähigkeit des Rechts Wie das Recht unter den sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen staatlichen Handeins seine Steuerungsfahigkeit erhalten kann, gehört zu den grundlegenden Fragen des modemen Wohlfahrtstaates im ausgehenden 20. Jahrhundert. Dabei ist freilich zu bedenken, daß die vielfach diagnostizierten Steuerungsdefizite staatlicher Intervention nicht selten verfassungsrechtlich gewollt und grundrechtlich sogar geboten sein können. 26H Jenseits dieser Grenzen lassen sich zunehmend aber auch strukturelle Steuerungsschwächen ausmachen, die erstens auf den Zuwachs der staatlichen Aufgaben infolge der Einbeziehung der gesamten Bevölkerung in die Leistungen aller gesellschaftlichen Teilsysteme sowie zweitens auf die Verselbständigung eben dieser Teilsysteme mit der Ausbildung jeweils eigener Handlungsrationalitäten zurückgeführt werden können. 269 Ein solches Auseinanderfallen von rechtlicher S,euerungsbedürftigkeit und tatsächlicher Steuerbarkeit gesellschaftlicher Teilsysteme ist zunächst im Bereich der weitgreifenden Wirtschafts- und Sozialgestaltung beobachtet worden, wird trotz bereichsspezifischer Besonderheiten aber auch für die in hohem Maße autonome, weitgehend durch den technischen Sachverstand geprägte Technikentwicklung erkennbar. Angesichts der gewachsenen staatlichen Verantwortung für die Prävention von Sicherheitsrisiken hinterläßt die sinkende Steuerungsfähigkeit regulatorischer Maßnahmen eine tiefe Beunruhigung, der sich das Recht vor allem in seiner akzeptanzsichemden Funktion nicht verschließen kann. An diesen Befund knüpft die rechtswissenschaftliche Steuerungsdebatte an. 270 Ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, die vielfältigen Steuerungsprobleme weder als rechtlich irrelevante Effektivitätsprobleme noch als generellen Aus-
Staatsaufgaben und einer sinkenden Steuerungsfähigkeit des Rechts. Besonders deutlich schon im Titel D. Grimm (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990; neben den dort enthaltenen Beiträgen siehe auch die kritische Würdigung bei M Schulte (FN 48), S. 71 ff. 268 Vgl. Hufen, Die Grundrechte und der Vorbehalt der Gesetze, in: D. Grimm (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfahigkeit des Rechts, 1990, S. 273 ff. (275).
269 Zum Steuerungsdilemma des modernen Staates D. Grimm (FN 46), S. 297; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 397 (411 ff.); Scharpf, Die Handlungsfahigkeit des Staates am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, PVS 32 (\991), S. 621 ff.; siehe auch M Schulte (FN 48), S. 73; Trute (FN 189), S. 950 (m.w.N.). 270 Neben D. Grimm (FN 267) siehe Hoffmann-RiemISchmidt-AßmanniSchuppert (Hg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1992; ferner Kluth, JZ 1992, 575 ff.; Di Fabio, AöR 119 (\994), S. 359 ff.; Schuppert, AöR 114 (\989), S. 127 ff.; zuletzteher deskriptiv - Schmidt-Preuß und - betont dogmatisch - Di Fabio (FN 235), S. 162 ff., 241 ff.; kritisch zu manchen Überzeichnungen der Steuerungsdiskussion Wahl/Appel (FN 78), S. 11 f.
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druck krisenhafter Verfallserscheinungen rechtl icher Steuerung271 verstehen zu können, um sich auf diese Weise resignativ vom Recht als Steuerungsinstrument zu verabschieden. Aufgegriffen werden zwar die Zweifel systemtheoretisch gespeister Vorstellungen, die den Steuerungsoptimismus der 70er Jahre mit dem nahezu grenzenlosen Glauben an die Machbarkeit und Planung gesellschaftlicher Lebensbereiche durch einen grundsätzlichen Steuerungspessimismus ersetzt haben. Als Grundannahme begreift die Systemtheorie den Staat nur noch als bloßes (politisches) Teilsystem neben (und nicht: über) anderen Teilsystemen. m Jede Steuerung könne stets und ausschließlich nur Selbststeuerung sein. Daher sei das Rechtssystem - horribile dictu - funktional zu Steuerungsleistungen überhaupt nicht in der Lage. 273 Aber so wenig die Systemtheorie ihren Anspruch angesichts der gegen sie erhobenen empirischen Einwände 274 durchhalten kann, ohne den Staat - wenn auch nicht als zentrale Spitze, so doch als "koevolutionäres" Zentrum 275 - auszukommen, so unbeeindruckt zeigte sich die Rechtswissenschaft gegenüber der Behauptung einer generellen Unmöglichkeit staatlicher Fremdsteuerung durch Recht. Inzwischen ist der propagierte Abschied vom steuerungsunfahigen Staat dann auch eher einer mehr oder weniger prononcierten Rückkehr zum steuerungs mächtigen Staat gewichen. 276 Dies geschieht allerdings unter der Beobachtung eines sich immer stärker entfaltenden
271 So etwa R. Wolf, Zur Antiquiertheit des Rechts in der Risikogesellschaft, Leviathan 15 (\ 987), S. 357 ff.; ähnlich Nocke, Rechtsproduktion der Juristen im Umweltrecht, in: Bryde/Hoffmann-Riem (Hg.), Rechtsproduktion und Rechtsbewußtsein, 1988, S. 81 ff. 212 Grundlegend Luhmann, Soziale Systeme, 1984; besonders deutlich ders., Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1989, S. 324; Willke, Entzauberung des Staates, 1983; S. 9 ff. Im Ergebnis finden die modernen Abschiedsvorstellungen vom Staat ihre Anknüpfung in den kulturpessimistischen Einschätzungen u. a. von Ernst Forsthoff mit seiner "Erinnerung an den Staat" (in: Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 11 ff.). Auch earl Schmitt (in: Der Begriff des Politischen, Ausgabe 1963, S. 10) hatte zuletzt mit dem Blick auf die Folgen der staatlich kaum noch zu beherrschenden Technikentwicklung kurz und bündig konstatiert: "Die Epoche der Staatlichkeit geht jetzt zu Ende. Darüber ist kein Wort mehr zu verlieren." 273 Vgl. Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989; Willke, Gesellschaftssteuerung, in: Glagow (Hg.), Gesellschaftssteuerung zwischen Korporatismus und Subsidiarität, 1984, S. 29 ff. - Zur Selbststeuerung von Systemen allgemein Vester, Unsere Welt - ein vernetztes System, 1987, S. 117 ff. 274 Statt vieler Scharpf, PVS 30 (1989), S. 10 (\ 2 ff.). 275 Zur Kritik Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 73 ff.; in der gleichen Richtung auch Schuppert, Grenzen und Alternativen von Steuerung durch Recht, in: D. Grimm (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfahigkeit des Rechts, 1990, S. 217 (223 ff.). 276 Vgl. R. Voigt (Hg.), Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, 1993; Willke, Ironie des Staates, 1992, S. 29 ff.; Ladeur, DV 1993, 137 ff.; Schuppert, Der Staat 28 (1989), S. 91 ff.; ders., DÖV 1995, 761 ff.; zur Diskussion im angloamerikanischen Raum, speziell zu England: Ridley, DÖV 1995, 569 ff.
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"kooperativen Staates",277 der unter veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen das klassische Ordnungsrecht häufig nur noch in der Reserve hält bzw. als Drohpotential einsetzt und im übrigen nicht auf die Intervention in, sondern Beeinflussung von gesellschaftlichen Problemlösungsmöglichkeiten zielt, um durch die Rücknahme der staatlichen Leistungstiefe seine Aufgaben über eine vermehrte "Steuerung privater Selbststeuerung" zu realisieren. 27M Mit der Aufuahme nicht regulatorischer Steuerungs aspekte staatlichen Handelns nimmt das Verwaltungsrecht mehr und mehr die Konzeption eines allgemeinen Steuerungsrechts an. Trotz seiner Unschärfe hat der Steuerungsbegriff im rechtswissenschaftlichen Schrifttum schon frühzeitig eine starke Verbreitung gefunden. 279 In den 60er und 70er Jahren ging es im wesentlichen um die vor 277 Grundlegend H. Krüger, Von der Notwendigkeit einer freien und auf lange Sicht angelegten Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, 1970; klassisch bereits E. H. Ritter, AöR 1979, S. 389 ff.; zu korporatistischen oder neokorporatistischen Steuerungsansätzen v. Beyme, Theorie der Politik im 20. Jahrhundert, 1991, S. 129 ff.; beispielhaft zur Techniksteuerung Voelzkow, Private Regierung in der Techniksteuerung, 1995; die modernen Entfaltungstendenzen zusammenfassend R. Voigt (Hg.), Der kooperative Staat, 1995. m Grundlegend Teubner/Willke, Kontext und Autonomie: Gesellschaftliche Selbststeuerung durch Recht, ZfRSoz 5 (1984), S. 4 ff.; zusammenfassend Pitschas (FN 256), S. 152 ff. (m.w.N.). Die Zauberworte "Dezentrale Kontextsteuerung" und "Reflexives Recht" sollen dabei den Ausweg aus der vielbeschworenen "Krise des regulativen Rechts" weisen. Unter Kontextsteuerung kann die staatliche Installation selbstregulativer Systeme verstanden werden, die den Privaten die Freiheit überläßt, ob sie sich hieran beteiligen und wie sie die systeminternen Ziele und Anforderungen verwirklichen wollen. Dabei werden die Verhaltensalternativen strukturell vorgeprägt und die privaten Wirtschaftssubjekte einem motivationalen Systemdruck ausgesetzt, der - wie bei der Verpackungsverordnung - ordnungsrechtlicher, oder - wie beim Umweltaudit - ökonomischer Natur sein kann. Demgegenüber zeichnet sich reflexive Steuerung dadurch aus, daß der Staat private Wirtschaftssubjekte internen Informations-, Lern- und Selbstkontrollprozessen aussetzt, die sie in freier Einsicht zu den erwünschten Gemeinwohlbeiträgen veranlassen sollen. Verhaltensinduzierend wirkt hier die Selbsterkenntnis, nicht die Fremdbestimmung. Erste Ansätze einer solchen Steuerung sind bereits frühzeitig in der - vor allem gewerberechtlich vorgesehenen - Eigenüberwachung sowie in der obligatorischen Selbstkontrolle durch Betriebsbeauftragte - vor allem im Wasserund Immissionsrecht - erkennbar geworden, zeigen sich nunmehr besonders deutlich aber auch am fakultativen Umweltaudit, das die Selbststeuerungsfähigkeit der Unternehmen im Umweltschutz erhöhen soll. Zum Ganzen Schmidt-Preuß (FN 235), S. 185 ff. 279 Zur Herkunft des Steuerungsbegriffs aus der Kybernetik R. Voigt, Zu den Grenzen regulativer Umweltpolitik. Von der direkten zur indirekten Umweltsteuerung, in: ders. (Hg.), Regulative Umweltpolitik, 1991, S. 173 tT.; bereits die alte Metapher von einem Staatsschiff, das ohne Steuermann nicht durch die Untiefen der Zeit zu steuern ist, läßt plastisch Steuerungsvorstellungen erkennen: Klages, Steuerung des Wohlfahrtstaates als Aufgabe, in: v. ArnimlKlages (Hg.), Probleme der staatlichen Steuerung und Fehlsteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 23 ff.; zu den unterschiedlichen Inhalten des vor allem sozialwissenschaftlich geprägten Steuerungs begriffs Mayntz, Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme. Anmerkungen
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allem durch die Planungsdiskussion ausgelösten Probleme sowie die staatlichen Möglichkeiten und Grenzen zum steuernden Eingreifen in die Wirtschaftspolitik. Schon damals wurde deutlich, daß staatliche Steuerung nicht mit (rechtsförmlicher) Regelung gleichzusetzen ist, dem Staat vielmehr ein sehr viel größeres Spektrum an rechtlichen Gestaltungsmitteln zur Verfügung steht. 2KO Umgekehrt stelle sich aber eine (staatlich bezweckte) gesellschaftliche Selbststeuerung nicht - wie häufig angenommen281 - als echte Alternative zu rechtlicher Steuerung dar. 2K2 Vielmehr bilden hier die rechtsförmigen Regeln maßgebliche Rahmen- und Eckdaten, unter denen sich eine staatlich inspirierte Selbststeuerung oftmals überhaupt erst erfolgreich realisieren läßt. 283 Der Steuerungsbegriff - und hierin liegt seine Stärke - erlaubt neben dem Steuerungshandeln auch die Steuerungswirkung und Wirkungsbeziehung zwischen Steuerungsaktivitäten und -ergebnissen verstärkt in das Blickfeld zu nehmen. Mit dem Blick auf die Folgenebene von staatlichen Entscheidungen gewinnen neue Maßstäbe des Verwaltungshandeln jenseits der Rechtmäßigkeit an Bedeutung. 284 Ein weit verstandener Steuerungs begriff öffnet nicht nur das Verwaltungsrecht für die Steuerungs/unktionen von Recht und offenbart damit die disparate Vielfalt der Steuerungsansätze. 285 Erfaßt wird auch der Wandel der Handlungs-
zu einem theoretischen Paradigma, in: Ellwein/Hesse/MayntzJScharpf (Hg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, 1987, S. 89 (91 ff.); dagegen muß ein spezifisch rechtswissenschaftlicher Steuerungsbegriff erst noch gefunden werden, vgl. Hoffmann-Riem (FN 244), S. 122 (Fn. 19). 280 Systematisierend aus rechtswissenschaftlicher Sicht Scheuner (FN 43), S. 4 ff., 14ff., 40ff.; deutliche Worte findet bereits Stern, DÖV 1961, 328ff. (329): "Die Fremdlenkung der staatlichen Herrschaftsmacht, die allerdings nicht durchwegs mit dem Einsatz von Hoheitsgewalt erfolgen muß, sondern auch mit den Mitteln der Aufklärung, der Beratung, der Empfehlung, der Seelenmassage, dem Anreiz zu freiwilliger Übereinkunft usw. arbeitet, ist heute aus dem Wirtschaftssystem der gesamten freien Welt nicht mehr zu verdrängen." 281 Siehe etwa R. Voigt (FN 279), S. 175. 282 Besonders eindringlich Schuppert (FN 275) S. 234 ff.; vgl. auch E. H. Ritter (FN 78), S. 100 ff.; Schulze-Fielitz, Der Leviathan auf dem Weg zum nützlichen Haustier?, in: R. Voigt (Hg.), Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, 1993, S. 95 ff.; zusammenfassend Deckert ZRP 1995,63 (66 ff.). 283 Vgl. vor allem Schuppert (FN 275), S. 237 f. (m.w.N.). Zu den notwendigen Differenzierungen der vom Ordnungsrecht abgeleiteten Steuerungswirksamkeit staatlicher Anreize unten, S. 96 f. 284 So vor allem HojJmann-Riem (FN 244), S. 130 ff., 147; siehe auch SchmidtAßmann (FN 43), S. 155; zum Verlust der Trennschärfe des binären Codes von "Recht" und "Unrecht" E. H. Ritter (FN 2), S. 646. 285 Eine Auflistung der Steuerungsansätze findet sich etwa bei Schuppert (FN 257), S. 93 ff. Das einseitig hoheitliche, an feste Tatbestandsstrukturen und an eine bürokratische Umsetzung gebundene Vollzugsrecht bildet hier nur einen kleinen, wenn auch unverzichtbaren Ausschnitt aus dem Arsenal der verftigbaren Steuerungsmodi.
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fonnen, der unbeschadet mancher Überzeichnungen286 auf besonders spürbare Weise die Prozeßhaftigkeit des Verwaltungsrechts vor dem Hintergrund einer sich ständig verändernden gesellschaftlichen und ökonomischen Wirklichkeit zum Ausdruck bringt. Angesichts der Steuerungsprobleme, denen sich der modeme Staat im Zuge der fortschreitenden Autonomisierung der gesellschaftlichen Teilsysteme ausgesetzt sieht, wird eine stärker .. ex ante" orientierte Betrachtung der staatlichen Handlungsformen erforderlich, um auf diese Weise das verwaltungsrechtliche Instrumentarium besser auf den jeweiligen Steuerungsbedarf und die realen Steuerungsmöglichkeiten abzustimmen. 287 Soll das Verwaltungs recht auch die bloße Verhaltensbeeinflussung bzw. die Erzielung von erwünschten oder unerwünschten, aber nicht gebotenen oder verbotenen Folgen durch Verhaltensbeeinflussungen in seinen nonnativen Ordnungsauftrag einbeziehen, müsse es Schmidt-Aßmann zufolge als "Recht der Systemsteuerung" verstanden werden. 2MK Verwaltungsrechtliche Steuerung nehme als Steuerungsobjekte nicht nur die Verwaltung selbst, sondern auch andere Systeme der Gesellschaft in den Blick. Zugrundezulegen sei eine systematische Steuerung, die sich um den geordneten und abgestiinmten Einsatz ihrer Handlungsmöglichkeiten bemüht. Erste Schritte in dieser Richtung weisen der Professorenentwurf - und abgeschwächt auch der Kommissionsentwurf - zum Umweltgesetzbuch auf. 289
2M6 Exemplarisch R. Voigt (FN 279), S. 173 ff. - Im Bereich der traditionellen Gefahrenabwehr arbeitet der Staat nach wie vor mit dem klassischen Instrumentarium von Befehl und Zwang. Auf den Feldern der Sozialgestaltung und Risikovorsorge ist dagegen eine Zunahme "weicher" Steuerungstechniken unverkennbar. Im Hinblick auf das Gesamtspektrum staatlicher Aufgaben wird mit dem diagnostizierten Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht folglich nur eine "selektive Erkenntnis" formuliert, vgl. M Schulte (FN 48), S. 74 f.; zum Zusammenhang zwischen staatlicher Präventionsorientierung und indirekter Steuerung unten, S. 80 ff. lM7 In diese Richtung zielen etwa die jüngeren Vorschläge einer stärker prospektiv ausgerichteten Rechtswissenschaft, um hierdurch dem Recht einen verbesserten Zugang für Zukunftsbewältigungen zu eröffnen, Kloepfer, Zukunft und Recht, in: FS für Lendi 1998, S. 253 ff. 288 Schmidt-Aßmann (FN 43), S. 151. 2M9 SO unterscheiden die §§ 50 ff. und §§ 77 ff. UGB-ProfE zwischen direkter und indirekter Verhaltenssteuerung: siehe dazu auch die Begründung in Kloepferl Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig (FN 97), S. 252 ff.; weniger deutlich der Kommissionsentwurf mit den Vorschriften über die Vorhabengenehmigung und staatliche Überwachung (§§ 80 ff. UGB-KomE) einerseits, den Vorschriften insbesondere über den betrieblichen Umweltschutz, die Umwelthaftung und sonstige ökonomische Instrumente (§§ 151 ff. UGB-KomE) andererseits: dazu EMU (Hg.), Umweltgesetzbuch (UGBKornE), 1998, S. 87 f.
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c) Abkehr vom Maschinenmodell Der modeme Staat läßt sich nicht als Maschine begreifen. Er kann nicht mehr lediglich als Ordnungsmacht verstanden werden, der eine vorausgesetzte Ordnung mit begrenzten Mitteln wiederherstellt. 290 In dem Maße, wie der demokratische Rechts- und Sozialstaat dazu übergegangen ist, unmittelbar an den Bewegungen der Gesellschaft teilzunehmen, erweist sich die Vorstellung einer in sich geschlossenen staatlichen Einheit als kaum noch tragfahig, wenn nicht sogar als überholt. 291 Mit dem Funktionswandel des Staates, der sich nicht zuletzt gerade in der sozialstaatlichen Ausweitung seiner Mittel bemerkbar gemacht hat, geht eine weitgehende Pluralisierung des Staates einher. Dieser wohl kaum noch umzukehrende Prozeß erschöpft sich nicht in der schon früh beobachteten Abhängigkeit von externen Einflüssen, die mit der zunehmenden Pluralisierung der politischen Willensbildung durch private Verbände das Gesetzgebungsverfahren als gruppenpluralistischen Prozeß und das Gesetz als "pluralistisches Abkommen" erscheinen lassen. 292 Es läßt sich auch eine hohe Binnendifferenzierung der Verwaltung feststellen, die als Netzwerk arbeitsteiliger und verselbständigter Verwaltungseinheiten immer weniger dem überkommenen Leitbild hierarchischer Verwaltungsorganisation entspricht. 29J Diesem Vorgang, der mit der Etablierung von kooperativen Verhandlungssystemen zwischen Staat und Gesellschaft in eine weitgehende "Pluralisierung des öffentlichen Interesses"294 mündet, wird man unter dem pauschalen Hinweis auf ein bestimmtes verfassungsrechtlich vorgegebenes Organisations- und Legiti-
290 Siehe oben, S. 32 ff. 291 Statt vieler 1. 1. Hesse, Aufgaben einer Staatslehre heute, in: Ellwein/Hessel
MayntzJScharpf(Hg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Bd. 1, 1987, S. 55 ff. (61); vorsichtiger Bryde, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, VVDStRL 46 (1988), S. 181 ff.; Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HdStR Bd. 3, 1988, § 69 Rn. 11 ff. (m.w.N.). Zum ordnungsstiftenden Grundgedanken, daß der Zusammenhalt von Staat und Gesellschaft auf dem repräsentativen höchsten Willen in der Einheit des Ganzen beruht: Vesting, Politische Einheitsbildung und technische Realisation, 1990. 292 Badura, Parlamentarische Gesetzgebung und gesellschaftliche Autonomie, in: ders./Kaiser (Hg.), Parlamentarische Gesetzgebung und Geltungsanspruch des Rechts, 1987, S. 9 ff.; zur "Regierung durch Verbände" siehe auch Voelzkow/Hilbert/Heinze, PVS 28 (1987), S. 80 ff.; pointiert kritisch zum "Sachverstand als vierte Gewalt" H. P. Vierhaus, NVwZ 1993, 36 ff. 293 Grundlegend Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, 1981, S. 78 ff.; aus jüngerer Zeit auch ders., DV 1995, 137 ff.; vgl. ferner H. Dreier (FN 4), S. 22 ff., 211 ff. (m.w.N.); Trute, Die Funktionen der Organisation und ihre Abbildung im Recht, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 251 f., 271, 276 f. 294 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S,,708 ff.
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mationsmodell kaum sachgerecht begegnen können. 295 Neben institutionellen Sicherungen der Gemeinwohlorientierung dürfte vielmehr eine aufgabenadäquate Verwaltungsorganisation erforderlich sein,296 aus dessen Notwenigkeit sich die in jüngerer Zeit beobachtete Aufwertung des Verwaltungs organ isationsrechts erklärt. 297 Der modeme Staat ist ebensowenig bloß der Garant subjektiver Rechtspositionen. Staatliches Handeln läßt sich nicht auf den Schutz subjektiver Rechte reduzieren, die auf die punktuelle Abwehr oder lnpflichtnahme staatlicher Gewalt gerichtet sind. In den Vordergrund staatlichen HandeIns rückt vielmehr der zukunftsbezogene Steuerungsgedanke, der über die klassische Eingriffs- und Leistungsverwaltung hinausgeht und dem Verwaltungsrecht in seinem Bewirkungs- und Begrenzungsauftrag eine funktionale Dimension eröffnet. 298 Es geht nicht mehr allein um die Steuerung von formalen Grenzziehungen zwischen staatlichem Eingriff und gesellschaftlicher Eingriffsfreiheit, sondern um die nicht nur material verstandene - Sicherung von Handlungsabläufen schlechthin. 299 Daß hiermit keine Rückkehr zum liberalen Regelungsmodell indiziert ist,
m Vgl. schon Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 253 ff; zu erweiterten Legitimationsmodellen für das Zusammenspiel von staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbtregulierung Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.329 (376 ff.); Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 382 ff.; zur Legitimationssicherung durch Effizienz Hoffmann-Riem, DÖV 1997,433 ff. (438). 296 Vgl. Schuppert (FN 293), S. 350 ff. 297 Siehe zuletzt etwa Schmidt-AßmanniHoffmann-Riem (Hg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997; ferner Schmidt-Aßmann (FN 27), S. 51; zur "Organisation" von Umweltgenossenschaften Endres/Marburger, Umweltschutz durch gesellschaftliche Selbststeuerung, 1993; auch das aus den USA bekannte und in der Bundesrepublik Deutschland derzeit erprobte Konzept der Konfliktmittlung (Mediation) läßt sich als verfahrensrechtliches Organisationsmodell für unkontrolIierte Aushandlungsprozesse zwischen Staat und Privaten (Negotiation) begreifen; siehe aus der Fülle der Literatur Holznagel, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, 1990; ferner Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, 1990. Aufgegriffen wird die Idee in § 5 Abs. 2 UVPG und - de lege ferenda - in §§ 54 Abs. 4 UGB-ProfE, 89 UGB-KomE. 29H Siehe oben, S. 60 ff., 68 f, 72 ff 299 Nur begrenzt lassen sich paradigmatische Entwicklungsschritte unter Zuhilfenahme von evolutionären Dreischrittmodellen umschreiben, vgl. für die Veränderungen der Staatlichkeit im Sinne einer vermeintlich linearen Abfolge vom Rechtsstaat über den Sozialstaat zum Umweltstaat H. Hofmann (FN 182), S. I ff; krit. Wahl/Appel (FN 78), S. 19 ff - Im Hinblick auf Rechtsentwicklungen greifen diese Entwicklungsmodelle regelmäßig zu kurz, so aber für die Rechtsentwicklung von der formalen über die materiale Rationalität zu prozeduralen Formen der Rationalität etwa K. Günther, Der Wandel der Staatsaufgaben und die Krise des regulatorischen Rechts, in: D. Grimm (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 51 ff; für das Verfahren und einen Entwicklungsschub vom "repressiven" zum "autonomen" Recht Nonet/Selznick, Law and Society in Transition: Toward Responsive Law, 1987, S. 29 ff; ähnlich Pitschas (FN 256), S. 15 I ff; in dieser zu einfachen Richtung auch
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zeigt vor allem die aktuelle Schutzpflichtendiskussion: Während die Begründung von staatlichen Schutzpflichten letztlich nicht ohne eine Anknüpfung an den liberalen Staatszweck der Sicherheitsgewährleistung auskommt, macht die ErfUllung der Schutzpflichten unter der gestiegenen Präventionsverantwortung des Staates fUr den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und seine gesellschaftlichen Folgen vermehrt die Suche nach neuen - gleichermaßen effektiven wie insgesamt freiheitsschonenden - Handlungsformen im Recht notwendig. 30o Insbesondere das sich immer stärker entfaltende Verwaltungs inform ationsrecht301 erhält hierdurch wirkungsmächtige Impulse. Die Bausteine des überkommenen Maschinenmodells - Legalität, Rechtsförmlichkeit und Individuairechtsschutz302 - haben als Steuerungsmittel auf dem Weg ihrer jüngeren Entwicklung eine deutliche Relativierung erfahren. Weil die Institute des Verwaltungs rechts aber keine statische Geltung beanspruchen, vielmehr einem ständigen Wandel unterworfen sind, wäre es verfehlt, sie mit einem konkreten Inhalt dergestalt zu verabsolutieren, daß die in ihnen prinzipiell angelegten Freiräume fUr die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen verloren gingen. So wie sich eine "Herrschaft der Gesetze" nicht von selbst einstellt, sondern in der Dynamik sich wandelnder Akzeptanzbedingungen immer wieder neu geschaffen werden muß, kann der Bedeutungsverlust rechtsförmlicher Entscheidungen über funktionale Äquivalente - etwa im vorgelagerten Verfahrensrecht - kompensiert werden. Schließlich steht auch die Fortentwicklung des Individualrechtsschutzes unter dem Vorbehalt seiner Ergänzung durch objektive Elemente der Rechtskontrolle und der Anpassung an sich immer stärker entfaltende Gruppeninteressen. Steuerung hebt diese Institute nicht auf, sondern knüpft im Vorfeld an die anspruchsvollen Bedingungen an, unter denen sie in einer komplexen Umwelt zur Geltung kommen. Die funktionale Betrachtung rechtlicher Steuerungsleistungen löst sich dabei von dem mechanischen Weltbild, wie es dem ordnungsrechtlichen Modell der erfahrungsgestützten Fremdsteuerung grundsätzlich reversibler Entscheidungen zugrundeliegt. Zwar verrät auch der Blick auf die erweiterten Steuerungsfunktionen von Recht noch einen technizistischen Kern. Weil sich ein mecha-
R. Schmidt, DÖV 1994, 749 ff. und Henke (FN 159), S. 546 f.; sehr weitgehend ferner HöjJe, Gerechtigkeit als Tausch?, 1991, S. 16: "Man kann von einem Drei-Stadien-
Gesetz sprechen: Die Antike fragt nach der gerechten Herrschaft, die Moderne, ob eine Herrschaft überhaupt gerecht sein kann, die Postmoderne, ob es denn das, was gerecht sein soll, die Herrschaft, wirklich noch gibt." 300 Siehe - von unterschiedlichen Positionen aus - Di Fabio (FN I), S.49, 395 ff.; Gramm, JZ 1990, 905 ff.; ferner - mit dem Blick auf privatrechtliche Schutzpotentiale Enders (FN 197), S. 364 ff.; Köck (FN 182), S. 16 ff. 301 Dazu Pitschas, Allgemeines Verwaltungsrecht als Teil der öffentlichen Informationsordnung, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann/Schuppert (Hg.) Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 219 ff. 302 Siehe oben, S. 32 ff., 38 ff., 64 ff.
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nistisches Steuerungsdenken jedoch zunehmend in der Eigenlogik der zu steuernden Teilsysteme verfängt, darf Steuerung - um erneut eine Formulierung von Schmidt-Aßmann aufzugreifen - nicht als "Vorgang mißverstanden werden, der nur in einer Richtung" wirkt. 103 Steuerung sei vielmehr "nach dem Gegenstromprinzip organisiert" und fuhre daher notwendig zu Übergängen, zu Überlagerungsphasen und Kooperationsbereichen. 304 Damit entfernt sich das Verwaltungsrecht - so läßt sich festhalten - von der paradigmatischen Vorstellung einer linearen Ordnung staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Steuerungsbedürftigkeit. Hatten die älteren ordnungsrechtlichen Steuerungs instrumente "die gesellschaftliche Umwelt lediglich als steuerungsbedürftige Größe" behandelt/o l zielen die neueren Instrumente der indirekten - rechtlich nicht zwingenden - Verhaltenssteuerung auf die Steigerung gesellschaftlicher Selbststeuerungsflihigkeit. Auf diesen Steigerungseffekt kommt es an: Nicht erst dann, wenn die Selbststeuerung mißlingt, soll der Staat auf den Plan treten. Vielmehr setzt staatliche Steuerung schon im Vorfeld ein, um mit positiven oder negativen Anreizen jenseits der klassischen, auf die direkte Verhaltenssteuerung zugeschnittenen Steuerungsmittel eine eigenverantwortete Selbststeuerung anzustoßen oder doch wesentlich zu erleichtern.
B. Prävention im Umweltrecht Den beschriebenen Veränderungsdruck im verwaltungsrechtlichen System verursachte vor allem der Umweltschutz, an dessen Beispiel der Steuerungsgedanke in das Verwaltungsrecht hineingetragen worden ist. In weiten Teilen aus dem Recht der Gefahrenabwehr entstanden/0 6 hat das Umweltrecht im Verlauf seiner jüngeren Geschichte eine Eigenständigkeit als Rechtsgebiet erfahren, die es mehr und mehr von den älteren verwaltungsrechtlichen Prägungen abkoppelte. 107 Heute stellt das bereits als "Regelungslaboratorium der gesamten
Schmidt-Aßmann (FN 43), S. 155 f. Schmidt-Aßmann, ebd. ](I; SchimankiGlagow, Formen politischer Steuerung: Etatismus, Subsidiarität, Delegation und Neokorporatismus, in: Glagow (Hg.), Gesellschaftssteuerung zwischen Korporatismus und Subsidiarität, 1984, S. 4. 306 Zu anderen Vorläufern, die - wie insbesondere das Wasserrecht - weniger durch den Gedanken der punktuellen Gefahrenabwehr, sondern stärker vom flächendeckenden Bewirtschaftungsgedanken geprägt sind: Kloepjer (FN 2), S. 15 ff., 58 ff., 84 ff. 307 Hierzu Kloepjer/Franzius, Die Entwicklung des modernen Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hg.). UTR 27 (1994), S. 179 (200 ff.). 303 304
B. Prävention im Umweltrecht
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Rechtsordnung"308 apostrophierte Umweltrecht ein maßgebliches Referenzgebiet rur die Abbildung und rechtliche Erfassung staatlichen HandeIns dar. 309 Umgekehrt wirken jedoch die auf vielfältige Weise erst durch das Umweltrecht angestoßenen Veränderungen verwaltungsrechtlicher Vorgaben auf das Umweltrecht und seine Fortentwicklung zurück. In dem Maße, wie sich Steuerungskonzepte mittelbarer Verhaltens beeinflussung als Ausdruck struktureller Veränderungen der Verwaltungspraxis im Verwaltungsrecht verallgemeinern ließen, konnten sie auch in den umweltrechtlichen Teilmaterien nicht mehr ignoriert werden. 3lO Das aktuelle Kodifikationsvorhaben des Umweltrechts 311 belegt dies auf eindrucksvolle Weise: Es dient nicht nur der Bestandsaufuahme und hamonisierenden Vereinheitlichung umweltrechtlicher Vorschriften, sondern strebt seine Anpassung an veränderte gesellschaftliche und ökonomische Ausgangsbedingungen moderner Staatlichkeit an. Dies äußert sich vor allem in dem Vorschlag einer behutsamen Normierung derjenigen Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung, die sektoral bereits vielfach praktiziert werden, aber rechtlich bisher nicht näher oder jedenfalls nicht zusammenfassend geregelt sind. Als hauptverantwortlich rur diese wechselseitige Prägungen hat sich der im Umweltrecht bereits frühzeitig konkretisierte Vorsorgegedanke erwiesen. Er verleiht dem modemen Umweltschutz nicht nur als staatlicher Aufgabe eine besondere Akzentuierung, sondern gibt im Hinblick auf dessen Umsetzung auch instrumentelle Weichenstellungen vor.
308 Kloepjer, Zur Rechtsumbildung durch Umweltschutz, 1990, S. 1 ff.; ders. (FN 2), S. 737; ebenso auch Hoffmann-Riem (FN 244), S. 117. 309 Zum Umweltrecht als Referenzgebiet des Allgemeinen Verwaltungsrechts begriffsprägend Schmidt-Aßmann (FN 27), S. 26 ff; ders. (FN 43), S. 148 f 310 Dies gilt insbesondere für die mannigfaltigen Spielarten des informalen Verwaltungshandeins, die noch in den 80er Jahren in die "Dunkelkammer des Rechtsstaates" verwiesen wurden, vgl. etwa Püttner, DÖV 1989, 137 ff. (140); eine Generalisierung der Steuerungsfrage läßt sich vor allem im Bereich der gesellschaftlichen Selbststeuerung durch staatlich flankierte Selbstorganisation ausmachen, vgl. etwa Schmidt-Preuß (FN 235), S. 211 ff.; zur Bedeutung der hierdurch neu akzentuierten Diskussion über die private Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht Kloepjer/Elsner, DVBI. 1996, 964 ff. - Dagegen stand der Einführung von Lenkungsabgaben nach dem Vorbild bestehender Abgaben die relativ strikte Sonderabgabenjudikatur des Bundesverfassungsgerichts entgegen, vgl. nun aber BVerfGE 93, 319 (338 ff.) und - auf eine nähere finanzverfassungsrechtliche Einordnung von Abgaben verzichtend - BVerfGE 98,83 (100 f); zu den Schwierigkeiten bei der Einführung von Umweltabgaben A. Schmidt, Probleme bei der Rechtfertigung von Umweltabgaben, in: ders. (Hg.), Das Umweltrecht der Zukunft, 1996, S. 185 ff. (m.w.N.). 311 Vgl. Kloepjer/Durner, DVBI. 1997, 1081 ff; zum aktuellen Stand des Kodifikationsvorhabens A. Schmidt, ZUR 1998, 277 ff
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1. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
I. Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge
1. Atomrecht Der Gedanke vorbeugender Prävention zeichnet sich dadurch aus, daß er ein zukünftiges Ereignis mittels einer Prognose zu erfassen versucht. Insoweit wurzelt die Vorsorge von Umwelt- und Technikrisiken im Recht der Gefahrenabwehr. Hier hat sich die klassische Prognoseentscheidung herausgebildet, die an den zentralen Begriff der Gefahr anknüpft und damit auf der Kenntnis von Umständen beruht, aus denen mittels einer Erfahrungsregel auf einen Rechtsgüter schädigenden Geschehensablaufmit - wie es in den klassischen Formulierungen heißt - hinreichender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. 312 Maßgeblich ist das auf Erfahrungen gestützte Wahrscheinlichkeitsurteil, das allerdings nicht statisch verstanden werden darf, sondern auf einer "gleitenden Skala" unterschiedliche Stufen der Beurteilungssicherheit zum Ausdruck bringt. So hat das Preußische Oberverwahungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1929 die normative Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit an die Größe der Schadenspotentialität geknüpft. 3IJ Je größer und folgenreicher danach der zu beftirchtende Schaden, desto geringer braucht die Schadenswahrscheinlichkeit zu sein, die sich von der denkbaren bis zur "entfernten Möglichkeit" verflüchtigen kann. 314 Dies erlaubt freilich die Konstruktion von Schadensmöglichkeiten, die im Extremfall mit dem Einstieg in das klassische Modell der Gefahrenabwehr zugleich den Ausstieg aus modemen Großtechnologien bedeuten könnte. Denn ist es ftir den Anlageninhaber praktisch nicht möglich, ein theoretisch denkbares Ereignis auszuschließen, kornrnt nur noch der Verzicht auf die Anlage in Betracht. Im Atomrecht sind derartige Szenarien angesichts des hohen Schadenspotentials kerntechnischer Anlagen besonders augenfällig geworden. JlS Obwohl das 312 Vgl. nur PrOVGE 16, 126 ff; 77, 333 ff. (338); aus der neueren Rechtsprechnung etwa OVG Münster, NVwZ 1985,355 f. 313 PrOVG, PrVBI. 51 (1930), S. 743 f. 314 Zum Ganzen v. Müller, PrVBI. 51 (1930), S. 92 ff.; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 224; zur flexiblen Handhabung der Wahrscheinlichkeitsprognose Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im Technischen Sicherheitsrecht, 1982, S. 39 ff.; krit. im Hinblick auf die sprachlogischen und erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten, von der bloßen Möglichkeit auf die Wahrscheinlichkeit zu schließen: Darnstädt (FN 84), S. 35 ff. 315 So vor allem im ersten Wyhl-Urteil des VG Freiburg, NJW 1977, 1648: Weil das Bersten des Reaktordruckbehälters nicht auszuschließen sei, könne eine Anlage ohne Berstschutz nicht genehmigungsfahig sein. Dagegen aber - mit dem Hinweis auf eine in den Fällen geringer Eintrittswahrscheinlichkeit proportional zur Schadenshöhe steigende Störfallvorsorge - die heute ganz überwiegend vertretene Auffassung im Schrifttum und in der Rechtsprechung, vgl. die Entwicklungen im Atomrecht nachzeichnend H. Wagner, NVwZ 1989, 1105 ff.; Bertrams, DVBI. 1993,687 ff. (692).
B. Prävention im Umweltrecht
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1959 erlassene Atomgesetz den Förderzweck - entsprechend der gesetzgeberischen Intention, den damaligen wirtschaftlichen Rückstand der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den anderen Industrienationen aufzuholen 316 - an erster Stelle der Zweckbeschreibung nennt, ist dem Schutzzweck der präventiven Gefahrenabwehr schon bald ein unbedingter Vorrang eingeräumt worden. 317 Die vor allem in den 70er und 80er Jahren geflihrten Auseinandersetzungen über die Anforderungen an die in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG normierte Schadensvorsorge versinnbildlichen auf anschauliche Weise den Konflikt zwischen technischem Fortschritt und Umweltschutz, der vor dem Hintergrund einer sensibilisierten Risikowahrnehmung in der Öffentlichkeit Rechtsprechung und Rechtswissenschaft veranlaßten, zunächst das Atomrecht, später aber auch weite Teile des übrigen Umwelt- und Technikrechts nach und nach aus der engen Umklammerung durch den Gefahrenbegriff zu lösen. In der insoweit wegweisenden KalkarEntscheidung aus dem Jahr 1978 hat das Bundesverfassungsgericht unter dem Hinweis auf den zunehmenden Verlust an Beurteilungssicherheit von Gefahrprognosen eine begriffliche Dreigliederung vorgenommen, wonach ausgehend vom Schutzzweck des Atomgesetzes die vom Betreiber zu verlangende Schadensvorsorge einerseits über die herkömmliche Gefahrenabwehr hinausgeht, andererseits aber die Gefahrenabwehr und Schadensvorsorge gegenüber dem nach dem Maßstab der "praktischen Vernunft" als sozialadäquat hinzunehmenden Restrisiko abzugrenzen sind. 3IK Maßgeblich flir die Zuordnung bleibt die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden. Läßt sich der Ursachen zusammenhang im Wahrscheinlichkeitsurteil rational nachvollziehbar belegen, ist eine Gefahr gegeben. Dagegen ist in den Fällen verminderter Eintrittswahrscheinlichkeit eine Risikovorsorge geboten, die Schäden praktisch ausschließt. Jenseits dieser tatbestandlichen Grenze beginnt das Restrisiko, dem sich die Behörde nur noch im Rahmen von Ermessenserwägungen annehmen kann. 319 Das hierdurch geHierzu Kloepjer/Franzius (FN 307), S. 208 ff. Vgl. bereits BVerwG, DVBI. 1972,678 ff. (680). 318 BVerfDE 49, 89 (137 ff.). Das Gericht entnimmt der Schadensvorsorge einen normativen Grundsatz der "bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge". Die Schadensvorsorge knüpft demnach an die Gefahrenabwehr an, erfaßt aber gerade auch die Fälle der noch nicht erkennbaren Gefahr. Die Abgrenzung zwischen der gebotenen Schadensvorsorge und dem hinzunehmenden Restrisiko ist daher mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Zur Problematik sozialadäquater Restrisiken ausflihrlich Lawrence, Grundrechtsschutz, technischer Wandel und Generationenverantwortung, 1989, S. 37 ff., 86 ff. 319 Vgl. zu den Relativierungsbemühungen im Sinne einer kategorisch ohne Einschränkung gebotenen Gefahrenabwehr und einer relativierten Vorsorge, die unter dem Vorbehalt der technischen Realisierbarkeit und der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen stehe: Breuer, DVBI. 1978, 829 ff. (837). Im Atomrecht wird jedoch die erforderliche Vorsorge nicht durch das technisch gegenwärtig machbare begrenzt, vgl. BVerfGE 49, 89 ff. (136). Di Fabio (FN I), S. 91 Fn. 105, weist ferner darauf hin, daß anders als in § 5 Abs. I Nr. 2 BImSchG der Verweis auf den Stand von Wissenschaft und Technik in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nicht die "praktische Möglichkeit, sondern die 316
317
6 Franzius
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I. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
schaffene Stufenmodell der Erkenntnisgewißheit bildet die tragende Säule rur die ordnungsrechtliche Konzeption des technischen Sicherheitsrechts: Die Antwort auf die Frage, ob Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder Maßnahmen der Gefahrenvorsorge zu ergreifen sind, beurteilt sich nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit und der prognostizierten Schadenshöhe. J2O Damit verbleibt das technische Sicherheitsrecht im ordnungsrechtlichen Kern zweidimensional strukturiert. 321 In seiner Wyhl-Entscheidung aus dem Jahr 1985 hat das Bundesverwaltungsgericht dem Vorsorgebegriffschärfere Konturen verliehen. J22 Die nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG erforderliche Schadensvorsorge sei nicht als Aufgabe zu verstehen, die vollständig unter die "Gefahren abwehr im Sinne des klassischen Polizeirechts" subsumiert werden könne. l2J So müssen bei der Beurteilung von Schadenswahrscheinlichkeiten auch "solche Schadensmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, die sich nur deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können und daher insoweit noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein 'Besorgnispotential' besteht".324 Indem sich das Gericht von einer engen kausalanalytischen Betrachtungsweise löst, stellt es die kognitiven Erkenntnisdefizite bei der Risikoermittlung in Rechnung. Zugleich wird mit der Einbeziehung theoretisch denkbarer Schadensmäglichkeiten der Rechtsgüterschutz weit nach vorne verlagert. Dies schlägt sich in einer erhöhten und heute das gesamte Umweltrecht prägenden Wissens- und Wissenschaftsabhängigkeit der Risikoabschätzung nieder. Fehlt theoretische Notwendigkeit von Schadensvorsorge" meint. Auch das Bundesverwaltungsgericht erklärte in seiner Wyhl-Entscheidung, daß es im Atomrecht unerlaubt sei, bis exakt an die Gefahrengrenze zu gehen, vgl. BVerwGE 72, 300 ff. (315). Zur Aufspaltung in eine kategorisch gebotenen (tatbestandlich gebundene) Vorsorge und eine optimierende (ermessensgeleitete) Vorsorge gegenüber Restrisiken E. Rehbinder, Prinzipien des Umweltrechts in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: das Vorsorgeprinzip als Beispiel, in: FS für Sendler, 1991, S. 269 ff. (274). 320 Während das technische Sicherheitsrecht einerseits den Erweiterungen folgt, die zunächst auf die - insoweit singuläre - atomrechtliche Schadensvorsorge begrenzt waren, löst es sich andererseits von dem atomrechtlichen Vorbild, in dem es zwischen der strikten Gefahrenabwehr und einer nur im Rahmen der jeweils bestehenden technischen Möglichkeiten sowie durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzten Gefahrenvorsorge unterscheidet. Verantwortlich dafür ist aber nicht eine andere Interpretation der Vorsorge, sondern das tatbestandliche Auseinanderfallen von Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, wie es etwa in § 5 BImSchG geschehen ist. Noch deutlicher jetzt § 7a WHG, wonach bereits die Anforderungen nach dem Stand der Technik im wirtschaftlichen Sinne verhältnismäßig sein müssen. J2J Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), S. 484 ff. (492). 122 BVerwGE 72, 300 ff. 323 BVerwGE 72, 300 ff. (314). 324 BVerwGE 72, 300 ff. (315).
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die praktische Erfahrung rur die Abbildung oder Vorhersage von Kausalverläufen, tritt an die Stelle des empirisch gesicherten Erfahrungswissens die theoretische Abschätzung von Risiken anband von "Modellen, die mögliche Schadensverläufe konstruieren".l2l Es müssen nicht nur alle wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisressourcen ausgeschöpft werden, um Schadensmöglichkeiten vorauszusehen, die als Ereignisse mit Erfahrungswert schlechterdings nicht eintreten dürfen. Auch die Grenzziehung für die Frage, welches Gefahrdungspotential rechtlich dann nicht mehr hinzunehmen ist, kommt ohne den Rekurs auf außerrechtliche Wissensbestände nicht aus. Darin äußert sich das grundlegende Paradox staatlicher Vorsorge: Mit der Abkoppelung des Schutzauftrags von typisierbaren Erfahrungen stößt der Gesetzgeber an die Grenzen des traditionell Normierbaren. Wenn der Verweis auf den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik deshalb auch unvermeidbar ist, so bleibt die zu treffende Entscheidung eine Entscheidung unter Unsicherheit. Sie ist daher um so mehr von einer Wertung abhängig, die jedoch weder allein dem externen Sachverstand noch vollständig der Exekutive überlassen bleiben darf. 326 Hieraus beziehen die "großen" Debatten über die staatliche Letztverantwortung und die Anerkennung administrativer Beurteilungspielräume ihren Konfliktstoff. Die notwendige Inkorporation und rechtliche Rezeption von Sachverstand in den staatlichen Entscheidungsprozeß hat das Bewußtsein für neue instrumentale Wege zur Beurteilung komplexer Technologien geschärft. Deutlich wird dies etwa in der Forderung, die bisher überwiegend deterministischen Sicherheitskonzepte durch probabilistische Methoden sachverständiger Risikoermittlung zu ergänzen. 327 Hieran anknüpfende Risikoanalysen, deren Bewertung durch die Exekutivem erst die maßgebliche Grundlage rur die Konkretisierung der gesetzlichen Vorsorgeanforderungen bildet, sollen - worauf insbesondere Rüdiger
325 Di Fabio (FN I), S. 79; zum Wandel von der Erfahrungsbildung zur Konstruktion von Störfallszenarien Birkhofer, Das Risikoproblem in der Technik: Möglichkeiten und Grenzen der Beurteilung technischer Risiken, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1981, S. 61 ff. (66). 326 Zutreffend Kloepfer, Art. "Risiko/Risikoanalyse/Risikoforschung", in: Lexikon der Bioethik, Bd. 3, 1998, S. 210 ff.: "In dem Maße, wie die kognitive Beurteilungssicherheit sinkt, steigt die evaluative Wertungsabhängigkeit der Risikoentscheidung ( ... ), die nicht dem naturwissenschaftlichen Sachverstand überantwortet werden darf, sondern im demokratischen Rechtsstaat von den gesetzlich legitimierten und gebundenen Staatsorganen zu verantworten ist." 327 Vgl. Rengeling, Probabilistische Methoden in der atomrechtlichen Schadensvorsorge, 1986; Trute, Staatliches Risikomanagement im Anlagenrecht, in: E. Riedel (Hg.), Risikomanagement im öffentlichen Recht, 1996, S. 55 (95 f.); zu den verbleibenden Lücken bei der Erfassung aller - z. B. auf menschlichem Fehlverhalten beruhenden Risikofaktoren Roßnagel, DÖV 1997,801 ff. 328 Zur Trennung von Risikoermiulung und -bewertung, um spezifische Rechtmäßigkeitskriterien flir die Bewertung der Risikoanalyse durch die Exekutive zu gewinnen: Wahl (FN 250), S. 412; Murswiek (FN 176), S. 217 ff.
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1. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
Breuer hingewiesen hae 29 - einer vergleichenden Risikobewertung ausreichenden Raum lassen, um technische Alternativen und Optionen auf staatlicher und privater Seite offenzuhalten. 330 Solche komplexen Wertungen mit nonnativen, wissenschaftlichen und soziokulturellen - damit aber inhomogenen - Entscheidungsfaktoren kann der Genehmigungs- und Eingriffstatbestand aber nur begrenzt rezipieren. 331 Wenn es darum geht, betriebliche Verhaltensalternativen nicht zu versperren, sondern zu ennöglichen, kann dies nicht allein im Vollzug einer vorgefertigten Ordnung (etwa durch die Anlagengenehmigung) geschehen, sondern muß "gleichsam von innen heraus dirigiert werden".332 So hat sich mit dem Institut des Strahlenschutzbeauftragten (§ § 29 f. StrSch V)333 im Atom- und Strahlenschutzrecht schon frühzeitig ein Instrument des betrieblichen Umweltschutzes auf der Schnittstelle zwischen staatlichen und privaten Umweltschutz etabliert. Seine besondere Stellung und Aufgabe besteht darin, auf der einen Seite zwar selbständige Infonnations- und Mitteilungspflichten gegenüber der staatlichen Überwachungsbehörde zu erfüllen, auf der anderen Seite jedoch den innerbetrieblichen Umweltschutz ohne nähere gesetzliche Regelungen auf freiwilliger Basis wahrzunehmen. 334 Welche Bedeutung neben einer adäquaten, den Umweltschutz aufgreifenden und integrierenden Betriebsorganisation (staatlichen) Umweltinfonnationen zukommt, zeigte sich besonders drastisch im Zusammenhang mit den widersprüchlichen Infonnationen über die Strahlenbelastung im Anschluß an die Nuklearkatastrohe im ukrainischen Tschernobyl. In § 9 StrVG findet sich eine der ersten Nonnierungen behördlicher Infonnationstätigkeit, wonach es in bestimmten Fällen von überregionaler Bedeutung der Bundesregierung ausdrücklich erlaubt ist, Empfehlungen gegenüber der Bevölkerung zum Schutz vor einer erhöhten Strahlenexposition auszusprechen. Breuer, NV wZ 1990, 211 (215 ff.). Risikovergleiche erstrecken sich nicht nur auf den Vergleich unterschiedlicher Risiken, sondern bilanzieren auch die Risiken und den Nutzen einer risikobegründenden Tätigkeit sowie den Nutzen und die Kosten einer Risikobegrenzung. Damit sollen sie eine rationale Vorsorge ermöglichen: Di Fabio, Voraussetzungen und Grenzen des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips, in: FS fur W. Ritter, 1997, S. 807 (824 ff.). Zu den Problemen einer Rationalisierung der Vorsorge unter dem Aspekt der Selbstbeobachtung und der Erhaltung staatlicher und privater Lernfähigkeit Ladeur, UPR 1993, 121 ff. 331 Risikovergleiche spielen im Atomrecht bisher lediglich eine untergeordnete Rolle. Erklären läßt sich diese Zurückhaltung mit dem gefahrbezogenen Charakter der atomrechtlichen Schadensvorsorge, der solche Vergleiche nicht zuläßt. Im übrigen Anlagenzulassungsrecht wie im Immissionsschutzrecht erfolgt die Begrenzung der Vorsorge in erster Linie über den Stand der Technik. Dort, wo auch dieses Begrenzungsmerkmal wegfällt, gewinnen Risikovergleiche dagegen zunehmende Bedeutung, so vor allem in Gestalt der Alternativenprüfung im Stoffrecht (vgl. etwa §§ 15 ff. PflSchG). 332 Pitschas, DÖV 1989, 785 ff. (793). 333 Vgl. auch §§ 13 Abs.3, 14 RöV und § 2 der atomrechtlichen Sicherheits- und Meldeverordnung, wonach fUr Anlagen nach § 7 Abs. I AtG ein kerntechnischer Sicherheitsbeauftragter zu bestellen ist. 334 Vgl. Kloepfer (FN 177), § 5 Rn. 321 ff. 329
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2. Immissionsschutzrecht Bleibt die atomrechtliche Schadensvorsorge intentional gefahrbezogen und damit noch im Modell der Gefahrenabwehr, so geht das Immissionsschutzrecht mit der gesetzlichen Verselbständigung des Vorsorgetatbestandes in § 5 Abs. I Nr. 2 BImSchG einen anderen Weg. Bereits das Umweltprogramm der Bundesregierung vom 21. September 1971 hatte das Vorsorgeprinzip als vielschichtige Leitmaxime der Umweltpolitik formuliert. J35 Zentraler Beweggrund rur den Gesetzgeber des 1974 verabschiedeten Bundes-Immissionsschutzgesetzes war es, eine neue Richtung im Hinblick auf die vielerorts fur verbesserungsbedürftig gehaltene Gefahren- und Risikovorsorge einzuschlagen. JJ6 Die nunmehr generell im Vorfeld von Gefahren ansetzende Vorsorge bekam eine vom erfahrungsgestützten Gefahrentatbestand abgekoppelte Qualität. Gegenüber der atomrechtlichen Schadensvorsorge zeichnet sich das Vorsorgegebot im Immissionsschutzrecht durch seine praktische Relativierungsbedürftigkeit und rechtliche Relativierbarkeit aus. Wo auf unsicherer Tatsachengrundlage und mangelnder Kenntnis der kausalen Ursachenzusamenhänge bereits einem bloßen Schädlichkeitsverdacht vorgebeugt werden soll, kann dies ohne einen Verstoß gegen das Willkürverbot nicht grenzenlos sein. Maßnahmen der Vorsorge sind daher im Gegensatz zu solchen der Gefahrenabwehr nur insoweit geboten, wie die Emissionsbegrenzung technisch und - wirtschaftlich betrachtet - praktisch möglich ist. Sie sollen - wie es das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum Mannheimer Heizkraftwerk exemplarisch ausgeruhrt hae 37 - unter dem Vorbehalt eines angemessenen Verhältnisses von Vorsorgeaufwand und -ertrag stehen. Staatliches Handeln zielt hier nicht wie bei der Gefahrenabwehr auf einen kategorisch gebotenen Ausschluß, sondern lediglich auf die Zurückdrängung und Minimierung von Risiken. m Deutlicher wird die neue Qualität der von der Schutzpflicht (§ 5 Abs. I Nr. I BlmSchG) normativ abgekoppelten Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. I Nr.2 BImSchG) in der Auflockerung des die Gefahrenabwehr prägenden Kausalnexus zwischen der einzelnen Anlage und dem Schaden. Vorsorgemaßnahmen können bereits dann gerechtfertigt sein, wenn der Verursachungsbeitrag der BT-Drs. VII2710. V gl. den Bericht des zuständigen Innenausschusses, wonach die "heutigen Probleme des Umweltschutzes nicht mehr mit den Mitteln der polizeilichen Gefahrenabwehr allein gelöst werden können. Dem bedrohlichen Anstieg der Umweltgefahren kann auf Dauer nur wirksam begegnet werden, wenn rechtzeitig und umfassend Vorsorge getroffen wird. Von dieser neuen Zielsetzung ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz gepägt" (BT -Drs. 7II 513, S. 320). 337 BVerwGE 69,37 ff. (45). 338 Der Gesetzgeber kann Risiken den Gefahren gleichstellen. Dort, wo er dies nicht tut, ist die Risikoproduktion als solche erlaubt. Hieraus folgt für den Staat keine Einwirkungssperre, aber für den Bürger auch noch kein risikofreies Leben. 335
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emittierenden Anlage gering oder überhaupt nicht nachgewiesen ist. J39 Angesichts summierter Luftschadstoffe und synergetischer Effekte zwischen verschiedenen Schadstoffen scheint eine solche Entindividualisierung der Verantwortlichkeitszurechnung kaum vermeidbar zu sein. Der über die Absenkung der Wahrscheinlichkeitsschwelle (und gleichzeitigen Vorverlagerung der Eingriffsschwelle) bereits erheblich ausgeweitete Bereich der Gefahrenabwehr ist damit endgültig verlassen. Noch einen Schritt weitergehend, wird die gefahrenunabhängige Funktion der Vorsorge in der sog. Freiraum-These bekräftigt, wonach die immissionsschutzrechtliche Vorsorge im Sinne einer planenden Ressourcenökonomie auch der Erhaltung von Belastungsreserven für die Zukunft dient. 340 Mit dem ergänzend neben die "risikobezogene" Vorsorge tretenden Ansatz einer stärker "raumbezogenen" Vorsorge entfernt sich das inzwischen aus der Gewerbeordnung herausgewachsene Immissionsschutzrecht341 vom klassischen Typus staatlicher Gefahrenabwehr und nimmt an sich systemfremde Elemente der aus dem Gewässerschutzrecht bekannten Ressourcenbewirtschaftung auf.l 42 Obwohl in der Zielsetzung der Vorsorge, Rechtsgüter Dritter vor Schäden zu bewahren (§ 3 Abs. I BImSchG), der alte intentionale Gefahrenbezug noch erkennbar ist, erfolgt die instrumentelle Umsetzung der immissionsschutzrechtlichen Vorsorgeanforderungen vielfach durch Instrumente jenseits des klassischen ordnungsrechtlichen Instrumentariums von Befehl und Zwang. Verfahrensrechtlich sind hier vor allem informale Vorverhandlungen zu nennen, die der Erteilung einer Anlagengenehmigung vielfach vorausgehen und deren Inhalt in nicht nur unwesentlichen Fragen bestimmen. 343 Auch die Sanierung von Altanlagen scheint angesichts der Entscheidungsunsicherheiten und der Komplexität der zu klärenden Fragen nicht selten einfacher und effektiver durch informale Absprachen als durch entsprechende Verträge zu erreichen sein. 344 Dieser im Ergebnis wohl unausweichliche Hang zur Informalität als dem Versuch, die vom Ordnungsrecht kaum noch einzufangende Komplexität auf rechtlich unverbindliche Weise zu reduzieren, wird ergänzt durch neue ökonomische Instrumente, die im Immissionsschutzrecht vor allem in den raumbezogenen (und damit indirekt die bisher umstrittene Freiraum-These rechtfertigenden) Kompensationslösungen Gestalt angenommen haben. Nach entsprechenden Vorläufern in der TA Luft sieht nunmehr insbesondere § 17 Abs. 3a BImSchG ein Absehen von nachträglichen Emissionsbegrenzungen vor, wenn andere Anlagen BVerwGE 69, 37 ff. 340 Vgl.Kloepjer(FN 177),§4Rn.19. 341 A. A. Führ, IUR 1990, 54 ff. 342 Zur Angleichung dieser umweltrechtlichen Teilmaterien Sendler, UPR 1983, 339
33 ff.
343 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 48 ff. 344 Ausführlich Tomerius, Informelle Projektabsprachen, 1995, S. 32 ff.
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des Betreibers Emissionen unterhalb der festgelegten Grenzwerte aufweisen (Kompensation).345 Schließlich hat auch die interne Betriebsorganisation im Immissionsschutzrecht eine erhebliche Aufwertung erfahren. Das Immissionsschutzrecht begnügt sich nicht mit der bloßen Statuierung einer Organ isationspflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten filr Immissionsschutz (§§ 53 ff. BImSchG). Vielmehr wird mit den Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisation (§ 52 a BlmSchG) ein weitergehender Anreiz zur Schaffung bzw. Optimierung umweltfreundlicher Betriebsstrukturen gesetzt. Hierdurch - und noch stärker durch die europarechtlich inspirierte Einfilhrung des UmweltAudits, das über die Zertifizierung geprüfter Betriebsstandorte dem Auf- und Ausbau von betriebsinternen Umweltmanagementsystemen dienen so1l346_ bezweckt der Gesetzgeber eine Stärkung der unternehmer ischen Eigenverantwortlichkeit. 347 Soweit es gelingt, mit dieser Regulierungsstrategie eine betriebsinterne Vorsorge zu etablieren, könnte die herkömmliche staatliche Überwachung entlastet und auf eine inhaltlich reduzierte Kontrolle der privaten Selbstkontrolle beschränkt werden. 348
3. Entwürfe für ein Umweltgesetzbuch Mit der zunehmenden Bedeutung vorsorgender Eindämmung von Umweltrisiken ist eine Entwicklung in Gang gesetzt worden, die zunächst mit dem BlmSchG, später vor allem mit dem ChemG, dem UVPG und schließlich dem GenTG die Risikovorsorge vom herkömmlichen Leitbegriff der Gefahrenabwehr abgelöst haben. Diese Entwicklung haben der 1990 vorgelegte Professorenentwurf zum Umweltgesetzbuch (UGB-ProtE)349 sowie der seit 1998 vorliegende Kommissionsentwurf (UGB-KomE)350 zum Anlaß genommen, die Minderung von Umweltrisiken bereits in der gesetzlichen Zweckformulierung aufzunehmen. 3lI In beiden Entwürfen kommt das Bemühen zum Ausdruck, den Siehe unten, S. 142 ff. Siehe unten, S. 208 ff. Vgl. Kloepfer (FN 177), § 5 Rn. 333. Einen ersten vorsichtigen Schritt in diese Richtung markiert § 4 Abs. I S. 2 der 9. BlmSchV, wonach zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nur diejenigen Antragsunterlagen einzureichen sind, deren Angaben nicht bereits in einer der Genehmigungsbehörde vorliegenden Umwelterklärung nach Art. 5 der EG-Umweltauditverordnung enthalten sind. 349 KloepferIRehbinderiSchmidt-AßmanniKunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, UBA-Berichte 7/90, 1991. 350 EMU (Hg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), 1998. 351 Nach § lAbs. 2 UGB-ProfE umfaßt der Zweck des Gesetzes "die Minderung von Umweltrisiken und die Abwehr von Umweltgefahren". § lAbs. 2 UGB-KomE formuliert weniger deutlich: "Der Schutz der Umwelt dient der vorsorgenden und dauerhaften Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen."
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Risikobegriff als Leitbegriff des Umweltrechts zu etablieren. Vor allem der Professorenentwurf zeichnet sich durch einen systematisierenden Ansatz aus: § 2 Abs. 6 UGB-ProfE definiert das Umweltrisiko in der Gegenüberstellung zur Umweltgefahr schlicht als "die Möglichkeit des Eintritts einer Umweltbeeinträchtigung, soweit sie nicht aufgrund praktischer Vernunft ausgeschlossen erscheint". Dagegen ist die "Umweltgefahr dasjenige Umweltrisiko, welches unter Berücksichtigung des Grades der Eintrittswahrscheinlichkeit und des möglichen Schadensumfanges nicht mehr hinnehmbar ist". Bemerkenswert an dieser Unterscheidung ist weniger die terminologische Anknüpfung an die atomrechtliche Dogmatik, deren Aussagen zum Restrisiko erstmals festgeschrieben und allgemeine Geltung beanspruchen sollen. Nicht nur, daß die Wahrscheinlichkeitsschwelle immer weiter in den Verdachtsbereich abgesenkt (so vor allem im Atornrecht 352) und der kausale Nexus zwischen Ursache und Wirkung erheblich aufgelockert worden ist (so vor allem im Immissionsschutzreche53 ). Mit dem neuen Begriff der "Umweltbeeinträchtigung" wird darüber hinaus auch die Schadensfixiertheit als letztes Merkmal der Gefahrenabwehr aufgegeben. Nach § 2 Abs.3 UGB-ProfE umfaßt der Begriff der Beeinträchtigung auch Veränderungen, die (noch) keine Schadensqualität aufweisen. Ausweislich der Entwurfsbegründung soll unter Umweltbeeinträchtigung ,jede nachteilige Veränderung der Umwelt" zu verstehen sein, wobei die Verfasser als Nachteil jede Wirkung ansehen, welche "die natürliche Beschaffenheit des Einwirkungsgegenstandes verändert".354 Mit dem Verzicht auf diesen letzten Gefahrenbezug werden Maßnahmen jenseits des Gefahrenverdachts möglich, also Maßnahmen, die sich nicht mehr auf hinreichend verfestigte Verdachtsmomente stützen und damit nur noch erschwert überprüfen lassen können. 355 Konsequenterweise formulieren die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch das Risiko nunmehr als Oberbegriff zur Gefahr. Der das staatliche Handeln seit dem Beginn des modemen Verwaltungsrechts umklammernde, disziplinierende und eingrenzende Begriff der Gefahr büßt damit seine zentrale Stellung im Umweltrecht ein. Die Gefahr stellt sich nur noch als ein "Unterfall des Risikos" dar. 3% Gefahren sind also nur noch besonders verdichtete Risiken, die eine von der Rechtsordnung definierte Schwelle überschreiten, weshalb sie als nicht mehr hinnehmbar (im Sinne von inakzeptabel) bewertet werden. Die Schwelle zur Gefahr werde erst dann überschritten, wenn die Befiirchtung eines Schadenseintritts über die bloß entfernte Möglichkeit hinaus begründet sei. J57 Dane-
352 Siehe oben, S. 80 ff. 353 Siehe oben, S. 85 ff. 354
KloepferiRehbinderlSchmidt-AßmanniKunig (FN 349), S. 118.
355 Kritisch R. Schmidt (FN 299), S. 753; Di Fabio (FN 1), S. 103. 3;r,
KloepferiRehbinderlSchmidt-AßmannlKunig (FN 349), S. 119.
357 So auch Kloepfer (FN 326), S. 211.
B. Prävention im Umweltrecht
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ben - und unabhängig von dem nonnativ besonders vertypten Fall der Gefahr erfasse staatliches Handeln aber auch diejenigen Risiken, die von der Rechtsgemeinschaft als hinnehmbar, aber unerwünscht bewertet werden. Der Umstand allein, daß sich ein Risiko rechtlich als hinnehmbar darstellt, bildet demnach keine Sperre mehr rur staatliches Einwirken. Auch wenn das hinzunehmende Risiko nicht bekämpft werden muß, darf es doch Gegenstand vorsorgender Risikosteuerung sein. 358 Auf diese Weise sprengt die erweiterte Vorsorge den alten ordnungsrechtlichen Zusammenhalt von Zweck und Mittel. Das imperative Handlungsinstrumentarium des Staates hatte seine tiefere Rechtfertigung durch den hinreichend klar konturierten Zweck der Gefahrenabwehr erhalten. Hierauf waren die rechtsstaatlichen Eingriffsennächtigungen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zugeschnitten. Je weiter die Risikovorsorge ausgedehnt wurde, um schließlich neben die Gefahrenabwehr zu treten, desto schwerer wurde die Handhabung des klassischen Begrenzungsinstrumentariums. Die Erweiterung der Zwecke von der engen und punktuellen Gefahrenabwehr zur vorverlagerten und flächendeckenden Risikovorsorge verlangte einen neuen instrumentellen Ansatz. Dieser Konnex zwischen erweiterter Vorsorge und erweiterten, ausgebauten oder neu kreierten Vorsorgeinstrumenten wird in den Entwürfen zum Umweltgesetzbuch deutlich. Risiken machen eine Regulierung durch das herkömmliche Ordnungsrecht zwar nicht entbehrlich. Dies schon deshalb nicht, weil Risiken tatsächlich in einem zeitlichen Kontinuum stehen, sich also jederzeit zu Gefahren verdichten können. Um rechtlich hinzunehmende, aber gleichwohl unerwünschte Risiken bereits unter Unsicherheit eindämmen zu können, bedarf es den beiden vorliegenden Entwürfen zum Umweltgesetzbuch zufolge zusätzlicher Instrumente, die besser auf den staatlichen Handlungs- und freiheitlichen Begrenzungsbedarf zugeschnitten sind. So verbindet sich mit der Einruhrung resp. rechtlichen Anerkennung indirekter Instrumente die Hoffnung, im Bereich der Vorsorge gegenüber unerwünschten Risiken schneller, effektiver und freiheitsschonender tätig werden zu können. Dem Adressaten wird ein Verhalten nicht einseitig vorgegeben, sondern rechtlich freigestellt, sein Verhalten an einer staatlich gesetzten, aber rechtlich unverbindlichen Option auszurichten. 359 Dabei werde der Einsatz vorsorgender Instrumente - so die Begründung
m Der Professoren entwurf verpflichtet den Staat zum Handeln, soweit eine Gefahr vorliegt (§ 74 Abs. I S. I UGB-ProfE). Zum Handeln berechtigt ist der Staat, wenn ein Umweltrisiko gegeben ist (§ 72 UGB-ProfE). 359 Indirekte Instrumente ökonomischer, informaler oder organisatorischer Prägung zeichnen sich dadurch aus, daß sie ein Verhalten nicht gebieten oder verbieten, sondern für erwünscht oder unerwünscht erklären. Sie sind rechtlich unverbindlich, strukturieren aber Verhaltensalternativen und geben diese Alternativen vor. In ihrer tatsächlichen Wirkungsweise stehen sie dem Ordnungsrecht häufig nicht nach, wenngleich sie rechtlich eine andere - differenzierte - Beurteilung erfahren müssen. Insofern kommt es entscheidend darauf an, welches Gewicht der Gewährung eigenverantworteter Freiräume
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I. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
zum Professorenentwurf sybillinisch - desto eher zu billigen sein, je weniger ihren Modalitäten Eingriffscharakter zukomme. 36o Während der Professorenentwurf jedoch noch eine entsprechende Vorrangregel formuliert (§ 6 Abs.3 UGB-ProfE), der weiterhin unverzichtbaren "direkten Steuerung" (§§ 50 ff. UGB-ProfE) die sie ergänzende "indirekte Steuerung" (§§ 77 ff. UGB-ProfE) systematisch gegenüberstellt und einen Schwerpunkt auf die Einruhrung neuer ökonomischer Instrumente sowie die Flexibilisierung des verwaltungsbehördlichen Vollzugs setzt, relativiert der Kommissionsentwurf den Vorrang indirekter Steuerung (§ 7 Abs. 2 UGB-KomE) und wählt einen konzeptionell anderen Ansatz. 361 Ein neuer Schwerpunkt wird auf die Erweiterung der privaten Normsetzung (§§ 22 ff. UGB-KomE) sowie den vorsichtigen Ausbau der betriebsorganisatorischen Instrumente (§§ 153 ff. UGB-KomE) gelegt. Mit dem Umweltgesetzbuch scheinen die bereits seit längerer Zeit beobachteten Züge eines Präventionsstaates 362 endgültig Realität zu werden. Neben die Staatsaufgabe der Gefahrabwehr schiebt sich mehr und mehr die neue Staatsaufgabe der Risikovorsorge, die eine nachhaltige Veränderung des staatlichen HandeIns zur Folge hat. Statt mit dem herkömmlichen Eingriffsinstrumentarium die gestiegenen Anforderungen an das risikosetzende Verhalten einseitig und hoheitlich festzuschreiben, versucht der Staat unter seiner vielfach bereits als erdrückend empfundenen Aufgabenlast der Risikovorsorge gemeinsam mit den Steuerungsadressaten gerecht zu werden. Unter den komplexen Bedingungen der Risikogesellschaft scheint die staatliche Verantwortung rur die vielfältigen Risiken der Technik immer mehr darin zu bestehen, Rahmenvorgaben rur eigenverantwortete Gemeinwohlbeiträge zu setzen. Ihre instrumentale Umsetzung erfolgt über Anreize rur selbstregulative Maßnahmen, die sich - wie auch in den Entwürfen zum Umweltgesetzbuch - auf das umweltrechtliche Kooperationsprinzip stützen lassen, demzufolge der Umweltschutz Staat und Bürgern anvertraut ist. 363 Mit dem Rekurs auf das als eigenständige Leitmaxime der
zugebilligt wird. Zu den hierdurch aufgeworfenen Rechtsfragen zwischen (voraussetzungsvoller) Freiheit und (verstecktem) Zwang Kloepfer (FN 123), S. 200 ff. 360 KloepferiRehbinderlSchmidt-AßmannlKunig (FN 349), S. 142. 361 Die §§ 80 ff. UGB-KomE schaffen mit der neuen Vorhabengenehmigung eine integrierte Einheitsgenehmigung, welche die sektorale Zergliederung des Umweltrechts aufheben soll. Hieran orientiert sich ein erster amtlicher Entwurf, der als Umweltgesetzbuch I die Vorschriften über die Genehmigung von Vorhaben auch zur Umsetzung der IVU-Richtlinie realisieren will und ein Inkrafttreten für das Jahr 1999 vorgesehen hatte. 362 Die Bezeichnungen variieren. So ist neben dem Präventionsstaat - vgl. Denninger, KJ 1998, I ff. - oder Schutzstaat - vgl. J. A. Hesse, JZ 1991, 744 ff. - auch die Rede vom Umweltstaat: Kloepfer, Auf dem Weg zum Umweltstaat?, in: ders. (Hg.), Umweltstaat, 1989, S. 39 ff. Der Sache nach ist stets dasselbe gemeint: Ein signifikantes Anwachsen der Mittel vorsorgender Risikosteuerung. 363 Zum Inhalt des Kooperationsprinzips: Kloepfer (FN 177), § 4 Rn. 45.
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weltpolitik proklamierte 364 und inzwischen als Rechtsprinzip anerkannte 365 Kooperationsprinzip wird aber letztlich nur die Konsequenz aus den im Vorsorgeprinzip selbst angelegten Grenzen einer umfassend verstandenen Risikovorsorge gezogen. Denn in dem Maße, wie sich die Vorsorge unter den Ungewißheitsbedingungen moderner Techniksteuerung ausgedehnt hat, stoßen hierachische Steuerungskonzepte an die Grenzen ihrer Tauglichkeit und rechtsstaatlichen Zulässigkeit. Soll das Gefahrdungspotential riskanter Technologien trotz fehlender oder unzureichender Kenntnisse über die zugrunde liegenden Kausalverläufe gering gehalten werden, kann dies durch herkömmliche staatliche Interventionen (z. B. den Erlaubnisvorbehalt) ohne gravierende Freiheitsgefährdungen nur in bereichsspezifischen Kombinationen mit Rahrnenvorgaben für eine selbstregulative Normsetzung und die Vollziehung umweltschützender Vorsorgeanforderungen geschehen.
11. Risikovorsorge J. Qualitativer Bezug
Mit der quantitativen Ausweitung der Gefahrenvorsorge in den Verdachtsbereich geht ein qualitativ neues Verständnis des Risikobegriffs einher. Der Risikobegriff umschreibt mehr als bloß die Fälle einer modifizierten Gefahrenabwehr unterhalb der gesetzlich definierten Eingriffsschwellen. Es geht um evaluative Festlegungen dessen, was sich kognitiv nicht verläßlich bestimmen läßt. Gerade das Umweltrecht hat die paradoxe Einsicht zu Tage gefördert, daß sich mit der Erweiterung der Wissensbasis der bewußte Bereich des Nicht-Wissens nicht nur verkleinern, sondern auch signifikant vergrößern kann. 366 Je feiner die technisch-naturwissenschaftlichen Meßinstrumente und Analysen wurden, desto unsicherer fiel die Beurteilung der gewonnenen Erkenntnisse aus. Das NichtWissen prägt eine inzwischen typische Entscheidungssituation, die sich dadurch auszeichnet, daß es eine hinreichend verläßliche Prognosesicherheit auch unter Heranziehung des naturwissenschaftlichen Sachverstandes nicht mehr gibt. Das Umwelt- und Technikrecht hat sich deshalb nicht allein an der - gegebenenfalls herabgesetzten - Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden zu orientieren, son-
364 Zum steuerungspo!itischen Umfeld Meßerschmidt, Das Kooperationsprinzip, Habilitationsvortrag, gehalten am 3. Dezember 1998 an der Humboldt-Universität zu Ber!in (ersch. demnächst). 365 Siehe Art. 34 Abs. 1 EV. 366 Vgl. Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rn. 15; Wahl/Appel (FN 78), S. 88 f., 92 f.; prägnant auch Di Fabio (FN I), S. 111.
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I. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
dem muß zunehmend auch den Umgang mit Ungewißheit strukturieren. 367 Der Risikobegriff trägt dem Rechnung und bezeichnet heute mehr als bloß eine Lage, in der die zur Annahme einer Gefahr nonnativ festgelegte Größe (noch) nicht erreicht ist. Erfaßt werden durch ihn auch und gerade Situationen der Erkenntnisunsicherheit und Unsicherheit, in denen gleichwohl eine Entscheidung (sei es für das Tätigwerden oder Untätigwerden) getroffen werden muß.368 Auf diese Weise gewinnt die Risikovorsorge eine gestaltende Komponente, die sich über die Auswahl der zu bekämpfenden Risiken und das gebotene Maß der Risikominimierung bis zum lediglich erwünschten oder unerwünschten Umgang mit hinzunehmenden Risiken erstreckt. Mit diesem qualitativen Umschlag greift der Risikobegriff nicht nur den gestiegenen Erwartungsdruck einer risikosensibilisierten Öffentlichkeit an die vorbeugende Risikosteuerung auf. Vollzogen wird auch der sich abzeichnende Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften, der das von der Wiederholbarkeit der Phänomene ausgehende deterministische Weltverständnis einer feststehenden linearen Ordnung durch ein neues Konzept komplexer Dynamik ersetzt hat. 369 Danach lassen sich in komplexen Systemen wie dem Wetter, dem menschlichen Gehirn oder dem Ökosystem natürliche Abläufe nicht als lineare Abfolge von Gesetzmäßigkeiten begreifen. Kann die Zukunft grundsätzlich nicht als verläßliche Fortschreibung der Vergangenheit verstanden werden, sind sichere Prognosen und Wahrscheinlichkeitshypothesen nur noch in Ausnahmesituationen möglich. 370 Will das Recht eine zukunftsflihige Risikosteuerung gewährleisten, muß es also den "Überraschungseffekt" seines Regulierungsgegenstandes ebenso akzeptieren wie hinreichend überschaubar machen. 371 Der Risikobegriff flingt diese Prognoseunsicherheiten auf und wird auf diesem Wege zu einer mehrdimensionalen Größe. Neben das Ausmaß der prognostizierten Gefahr und dem von der Erkenntnisdichte abhängigen Unsicherheitsfaktor sollen auch die "Folgekosten einer Fehlprognose" in die Risikobewertung einfließen. Gefragt wird nach den Konsequenzen eines Untätigbleibens für die
367 Durchgängig Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft, 1995, S. 9 ff. 368 Vgl. Kloepfer (FN 326), S. 211. 369 Dazu Scherzberg (FN 321), S. 493 ff. 370 Dazu Kloepfer (FN 287), S. 262 ff. 371 Dies reicht von Einschränkungen des Bestandsschutzes (mit der Öffnung ftir Maßnahmen der direkten Steuerung) und der Bildung funktionaler Steuerungsäquivalente (mit der Öffnung ftir vorgeschaltete Maßnahmen der indirekten Steuerung) bis zur Erprobung gesellschaftlicher Selbststeuerung, wobei die erwarteten Lemeffekte von gesetzlichen Rückholrechten flankiert werden, um den Staat in die Lage zu versetzen, im Notfall mit harten Maßnahmen Unsicherheit zu bewältigen.
B. Prävention im Umweltrecht
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Erhaltung der Handlungsrnacht des Staates. Ein Handeln sei bereits dann geboten, wenn das Zuwarten mit einem überproportionalen Risiko des Fehlschlags späterer Abwehrbemühungen verbunden ist. J72 Mit dem Verzicht auf die Feststellung einer Rechtsgutbeeinträchtigung und dem neuen Kriterium der Reversibilität des Geschehens wird die Wertungsabhängigkeit des RisikobegrifJs noch erhöht. 373 Während die Öffentlichkeit dazu neigt, Gefahren und Risiken gleichzusetzen, ermittelt die Risikoforschung eine deutliche Diskrepanz zwischen objektiv begründeten Risiken und der - in hohem Maße selektiven - gesellschaftlichen Risikowahrnehmung. 374 Vor dem Hintergrund subjektiver Risikowahrnehmungen muß das Recht eine (freilich kaum noch vermittelbare) wertende Grenze zwischen nicht mehr hinzunehmenden und hinnehmbaren Risiken ziehen. Diese Aufgabe kann mit dem Begriff des Risikomanagements umschrieben werden. Hiermit wird der Prozeß bezeichnet, der den Vorgang der überwiegend naturwissenschaftlich geprägten Erkenntnisgewinnung mit rechtlich strukturierten Handlungsentscheidungen verbindet. Neben der weitgehend normativ vorgeprägten Antwort auf die Frage, weIche Risiken nicht mehr hinzunehmen sind,375 umfaßt das Risikomanagement auch den normativ nur schwach vorgeprägten Umgang mit hinzunehmenden Risiken. Immer wichtiger wird dabei die Implementierung einer umfassenden Risikokommunikation 376 zwischen dem risikosetzenden Unternehmen und der Überwachungsbehörde oder privater Kontrollgremien,l77 aber auch innerhalb von Unternehmen bzw. Unternehmensverbänden. 378
J72 So Darnstädt (FN 84), S. 94; befürwortend Scherzberg (FN 321), S. 497 f.; siehe auch Wahl/Appel (FN 78), S. 92 f. 373 Zur Wertungsabhängigkeit des Risikobegriffs Di Fabio (FN I), S. 108 ff; Kloepfer (FN 326), S.21O; die vorzunehmende Wertung ist nach Wahl/Appel (FN 78), S. 108 f., nichts anderes, als "in ein Kontinuum, in eine gleitende Skala hinein eine künstliche Zäsur zu legen und damit einen Punkt zu bestimmen, von dem ab nicht mehr (oder nur unter erhöhten Sicherheitsanforderungen) gehandelt werden darf'. 374 Aus jüngerer Zeit Bayerische Rück (Hg.), Risiko ist ein Konstrukt. Wahrnehmungen zur Risikowahrnehmung, 1993; Bechmann (Hg.), Risiko und Gesellschaft. Grundlagen und Ergebnisse interdisziplinärer Risikoforschung, 1993. 375 Vorbildlich das System der Sicherheitsstufen in § 7 GenTG, das an die Einschätzung des Risikos und die Einstufung in die jeweilige Sicherheitsstufe das Erfordernis bestimmter Vorsorgemaßnahmen knüpft. Zur Verlagerung der Risikobewertung über "Vertretbarkeitsprüfungen" an die im Einzelfall sachnähere Verwaltung Wahl/Appel (FN 78), S. 95. 376 Allgemein H.-P. Peters, Durch Risikokommunikation zur Technikakzeptanz? Die Konstruktion von Risikowirklichkeit durch Experten, Gegenexperten und Öffentlichkeit, in: Krüger/Ruß-Mohl (Hg.), Risikokommunikation, 1991, S. 11 ff. 377 Zur Versicherungswirtschaft als privatwirtschaftlicher Kontrollinstanz betrieblicher Vorsorge C. Herbst, Risikoregulierung durch Umwelthaftung und Versicherung, 1996. 378 Siehe etwa Kloepfer, NuR 1993, 253 ff.
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\. Teil: Staatliches Handeln im Wandel der Zeit
2. Indirekte Steuerung a) Vom Ordnungsrecht zur indirekten Steuerung Die Instrumente eines wirksamen Risikomanagements sind vielfältig. Obwohl das herkömmliche Ordnungsrecht erheblichen Wandlungsprozessen ausgesetzt ist,J79 die von der Aufnahme lediglich finaler Programmierungen380 bis zur Anerkennung vorläufiger Regelungen 381 und eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielräume 3K2 reichen, hat es seinen ehemaligen Modellcharakter fur die Ausgestaltung des staatlichen Handlungsinstrumentariums weitgehend verloren. Ein Festhalten am Ordnungsrecht müßte unter den gestiegenen Anforderungen an die Risikovorsorge den erhofften Rationalitätsgewinn mit beträchtlichen Freiheitseinbußen erkaufen. Jedes Scheitern des Ordnungsrechts, das seine Ausrichtung und Wirkungsweise zu einem großen Teil von der Zielvorgabe herleitet, soziales Verhalten direkt und ergebnisorientiert zu steuern, hätte zudem eine tiefgreifende Legitimationskrise des Staates zur Folge. 383 Nicht zuletzt in dieser nicht unberechtigten Sorge mag ein Grund dafür liegen, warum der Staat zunehmend auf Instrumente der indirekten und stärker handlungsorientierten Verhaltenssteuerung ausweicht bzw. ausweichen soll. Trotz der weiten Vorverlagerung des Ordnungsrechts in die Konstruktionsund Projektphase umweltbelastender Vorhaben ist immer deutlicher geworden, daß es letztlich private Entscheidungen des Konsumenten sind, die maßgeblich zum Erfolg (oder Mißerfolg) umweltschützender Anstrengungen beitragen. Insbesondere dort, wo sich der Verbraucher für oder gegen den Erwerb und die Konsumtion eines bestimmten Produktes entscheiden darf, erstreckt sich das Risikomanagement des Staates zunehmend auf bewußtseinsbildende und -lenkende Maßnahmen, die ihren Verpflichtungsgrund für den Bürger nicht im erzwingbaren Recht, sondern in sozialmoralischen Überzeugungen finden. 384 So versucht der Staat den Bürger durch den Einsatz von Informationen für allgemeine Belange des Umweltschutzes ebenso erst zu sensibilisieren 385 wie er unter
379 Statt vieler Breuer, Verwaltungsrechtliche Prinzipien und Instrumente des Umweltschutzes, 1989, S. \8 ff. 380 Statt vieler Hoffmann-Riem (FN 293), S. 434. 381 Zur Figur des vorläufigen Verwaltungsaktes Di Fabio (FN 101), S. 629 ff. 382 Zur Bedeutung der Lehre vom Beurteilungsspielraum als dem "geeigneten Gehäuse flir die ausgleichende Zusammenflihrung von Gesetzmäßigkeitsanforderungen, Rechtsschutzgarantie und Funktionserfordernissen der Risikoverwaltung": Di Fabio (FN I), S. 460 ff. (464). 383 Vgl. Wahl/Appel (FN 78), S. 30. 384 Vgl. Gramm, Der Staat 1991, S. 5\ ff. (62). 385 Zur Bewußtseinsbildung durch den Staat sehr kritisch H. P. Vierhaus (FN 56), S. 236 ff.
B. Prävention im Umweltrecht
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Ausnutzung des inzwischen erheblich gestiegenen Umweltbewußtseins 3H6 in Gestalt von behördlichen Warnungen, Empfehlungen und kritischen Hinweisen auf die konkrete Kaufentscheidung gezielt Einfluß nimmt. 387 Neben das Informationshandeln des Staates treten andere informale sowie ökonomische Instrumente, deren Wirkungsweise ebenfalls durch den Verzicht auf die Ausübung von rechtlichem Zwang gekennzeichnet ist. Weil die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionsbereiche eine grundrechtIich gesicherte Autonomie genießen und ihren eigenen Rationalitätskriterien folgen, kann sich der Staat bei der Errullung seiner Steuerungsaufgaben nicht mehr allein "der spezifisch staatlichen Mittel von Befehl und Zwang bedienen, sondern muß mit indirekt wirkenden Motivationsmitteln die Folgebereitschaft der gesellschaftlichen Akteure zu erringen suchen". 388 Geworben wird aber nicht nur fur ein Verhalten, das rechtlich ohnehin geboten ist. Ihre besondere Bedeutung erfahrt die indirekte Verhaltenssteuerung in der erwünschten Vermeidung rechtlich prinzipiell erlaubter Verhaltensformen. Darin äußert sich zweierlei: Zum einen der Antwortcharakter indirekter Steuerung. Erfaßt werden gerade auch diejenigen Freiheitsausübungen, die sich als grundrechtlich geschützte Betätigung darstellen. Andererseits zielt die indirekte Steuerung nicht bloß auf die Minimierung von Risiken um ihrer selbst willen. Sie strukturiert den Umgang mit erlaubten Risiken, deren Beherrschung letztlich vom Bürger abhängt, der sich das erwünschte Handeln selbst zur Pflicht machen muß. Dabei spielt die Akzeptanzsicherung rur das gegenwärtige oder zukünftige Handeln des Staates eine wichtige Rolle. So kommt dem Haftungsrecht, flankiert durch das Versicherungsrecht, neben der zum Opferschutz ergänzend hinzutretenen risikominimierenden Präventivfunktion 389 in Gestalt der Umweltgefahrdungshaftung 390 auch eine akzeptanzsichernde Funktion ZU. 391 Die Haftung fur erlaubte Risiken fördert auf 386 Zur Bedeutung des Umweltbewußtseins flir die moderne Umweltrechtsentwicklung K/oepjer (FN 56), S. 92 ff. 387 Bisher existieren lediglich punktuelle und gegenständlich begrenzte Ermächtigungsgrundlagen, vgl. §§ 6 Abs. 1 S. 2 GSiG, 6a der 22. BlmSchV, 8 ProdSG. Eine allgemeine Ermächtigung flir Warnungen und Empfehlungen sehen dagegen die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch vor, vgl. § 107 UGB-ProfE und § 215 UGB-KomE. Zur Verrechtlichung behördlicher Produktinformationen K/oepjer, Staatliche Informationen als Lenkungsrnittel, 1998, S. 20 ff. 388 D. Grimm, Art. "Verfassung", in: Staatslexikon, Bd. 1, 7. Aufl., 1989, Sp. 633 ff.
(641).
Vgl. Herbst (FN 377), S. 29 ff. §§ 22 WHG, 25 ff. AtG, 32 ff. GenTG und allgemein § 1 UmwHG. Teilweise weitergehende Regelungsvorschläge enthalten jetzt die §§ 172 ff. UGB-KornE. Zur Regulierungsfunktion von Haftungsrecht E. Rehbinder, Haftpflichtrecht und Verhütung von Umweltschäden aus juristischer Sicht, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung flir Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992, S. 34 ff. 391 Vgl. K/oepjer (FN 177), § 6 Rn. 136. 3H9
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diese Weise das Vertrauen in staatliche Zulassungsentscheidungen moderner Technologien. Ebenfalls akzeptanzfördernd wirkt die zwischen Bürger und Staat getroffene informale Absprache. J92 Das rechtlich unverbindliche Angebot des Bürgers zu überobligationsmäßigen Leistungen wird mit dem staatlichen (ebenfalls rechtlich unverbindlichen) Verzicht auf die Illegalisierung risikoverursachender Verhaltensweisen "belohnt". Zur weitgehenden Untätigkeit im Zwang verdammt, unternimmt der Staat politisch "wenigstens etwas".393 Mit dem gegenwärtigen Regelungsverzicht schafft er zugleich ein "positives Klima" fiir den rechtlichen Zugriff im Falle des Scheiterns der Absprache. 394
b) Von der Gegenüberstellung zur Verzahnung der Steuerungsansätze Die Gegenüberstellung von Ordnungsrecht und indirekter Steuerung hat im Bereich der Risikovorsorge pauschale Einschätzungen provoziert, die indirekte Steuerung könne das Ordnungsrecht ersetzen oder dürfe es lediglich ergänzen. Dabei ist zu wenig bedacht worden, daß die Anreize der indirekten Steuerung ihre erhoffte Steuerungswirksamkeit nicht selten vom bestehenden Ordnungsrecht und seinem Vollzug ableiten. 395 Dies betrifft insbesondere die informalen Instrumente. So setzt etwa der Flexibilitätsgewinn einer informalen Projektabsprache voraus, daß der Verursacher von Umweltbeeinträchtigungen ernsthaft mit der Möglichkeit eines ordnungsrechtlichen Ge- oder Verbotes rechnen muß.
392 Von rechtsgeschäftlichen Absprachen sind nach dem Grad ihrer normativen Durchdringung diejenigen informalen Absprachen zu unterscheiden, die normvollziehender (projektbezogener) oder normersetzender bzw. normabwendender (regulativer) Natur sind. Regulative Absprachen (Selbstverpflichtungen) können ihrerseits danach unterschieden werden, ob sie lediglich durch den Druck über Verordnungsermächtigungen oder - zusätzlich - über programmatische Zielvorgaben (Zielfestlegungen) zustandekommen. Eine behutsame Formalisierung informaler Absprachen sehen die §§ 34 ff. UGB-KomE vor: Während die von den Beteiligten gewollte Unverbindlichkeit der Selbstverpflichtungen anerkannt, aber transparenter gemacht wird (§ 35 UGB-KomE), bietet der Entwurf mit dem normersetzenden Vertrag nunmehr den Schritt in die Verbindlichkeit an (§§ 36 f. UGB-KomE). 393 Vgl. aus ökonomischer Sicht Cansier, Erscheinungsformen und ökonomische Aspekte von Selbstverpflichtungen, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 105 (115 ff.). 394 So sind dem Erlaß der Verpackungsverordnung rechtlich unverbindliche Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zur Reduzierung des Abfallvolumens vorausgegangen. Das Scheitern der Absprache dürfte dem Staat für den verordnungsrechtlichen Zugriff einen größeren Rechtfertigungsspielraum gegeben haben, der sich letztlich auch auf die rechtliche Beurteilung der Verpackungsverordnung ausgewirkt haben dürfte; in dieser Richtung Di Fabio, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Grenzgänger zwischen Freiheit und Zwang, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 119 ff. (124). 395 Bohne, Instrumente, in: Böhret/Hill (Hg.), Ökologisierung des Rechts- und Verwaltungssystems, 1994, S. 128 (129 f.).
B. Prävention im Umweltrecht
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Fehlt dieses Risiko, sind auch die finanziellen Anreize einer Subvention oder die Kostenvorteile einer Kompensationsregelung ohne Biß. Die lange Zeit von der Umweltökonomie 396 favorisierten Umweltabgaben und die Umweltgefahrdungshaftung entfalten dagegen eine vom Vollzug der ordnungsrechtlichen Anforderungen unabgeleitete Steuerungswirksarnkeit. 397 Der finanzielle Anreiz zur abgabenrechtIich gelenkten Emissionsbegrenzung oder zur präventiven Verminderung von haftungsrechtlich erfaßten Schadens potentialen besteht auch dann, wenn ordnungs rechtliche Anforderungen nicht bestehen oder nicht vollzogen werden. Gleichwohl haben sich diese ökonomischen Instrumente in der Realität bisher nur unvollkommen durchsetzen lassen. m So ist der Lenkungszweck der insoweit wegweisenden Abwasserabgabe in den jüngeren Novellierungen des Abwasserabgabengesetzes immer mehr verwässert worden. 399 Auch die neu geschaffenen umweltrechtlichen Gebührentatbestände wie der "Wasserpfennig" verzichten auf eine besondere Hervorhebung von wirkungsvollen Lenkungszielen. 4011 Ähnliches gilt für das Umwelthaftungsgesetz. Dessen
396 Zur Entwicklung der Umweltökonomie aus ökonomischer Sicht Gawe/, ZAU 1994, 37 ff. (unter Berücksichtigung ordnungsrechtlicher Anforderungen an die allokative Verteuerung der Umweltnutzung) und aus juristischer Sicht Köck, NuR 1992, 412 ff. (mit dem Hinweis auf pragmatische Annäherungen zwischen Wirtschafts- und Rechtswissenschaften ). 397 Vgl. Bohne (FN 395), S. 130. m Zur Diskrepanz zwischen abgabenpolitischer Theorie und abgabenrechtlicher Wirklichkeit K/oepjer (FN 177), § 5 Rn. 255 ff. Zum Umwelthaftungsgesetz als "Zwischenschritt" auf dem Weg zu einem sehr viel tiefer greifenden europäischen Umwelthaftungsrecht Taupitz, JURA 1992, 113 ff.; zur Verbesserung des Haftungsrechts wird insbesondere die Einführung kollektiver Schadensausgleichssysteme für die Bewältigung nicht zurechenbarer Umweltrisiken vorgeschlagen, sehr weitgehend etwa die Anregungen im sog. Grünbuch der europäischen Kommission über die Sanierung von Umweltschäden, KOM (93) 47 v. 14.5.1993, Ratsdok. 7092/93, S. 23 ff.; dazu Friehe, Europäische Tendenzen der Umwelthaftung, in: Nicklisch (Hg.), Umweltrisiken und Umweltprivatrecht im deutschen und europäischen Recht, 1994, S. 47 (61 ff.). 399 Vgl. §§ 9 ff. AbwAG n.F. Vor allem die jüngste Novellierung und Neubekanntmachung des Abwasserabgabengesetzes vom 3.11.1994 (BGBI. I S. 3370) ist aus ökonomischer Sicht bereits als vorläufiger Höhepunkt "im schleichenden Prozeß der fortlaufenden Entkernung des Lenkungsgedankens" bezeichnet worden: Gawe//Ewringmann, VÖW-Informationsdienst 1993, Nr. 3, S. 1 ff. (4). Zur Entwicklung des Abwasserabgabenrechts K/oepjer/Franzius (FN 307), S. 219 ff. 400 Vgl. etwa §§ 17a ff. WG BW; zur Verfassungsmäßigkeit von Wassernutzungsgebühren BVerfGE 93, 319 ff. Dagegen sind die kommunale Verpackungssteuer (der Stadt Kassel) und die landesrechtlichen Abfallabgaben vom Bundesverfassungsgericht unter dem Hinweis auf die hierdurch entstandene Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung infolge des bundesgesetzlich im Abfall- bzw. Bundes-Immissionsschutzgesetz verfolgten Kooperationskonzeptes für verfassungswidrig erklärt worden, vgl. BVerfGE 98, 106 ff.; 98, 83 ff. - Eine Rückkehr zum Finanzierungsgedanken offenbart auch die Abfallverbringungsabgabe nach § 8 AbNerbrG. Sie statuiert jedoch eine "Branchenhaftung für illegale Abfallexporte" und dürfte insoweit ebenfalls verfassungswidrig sein, vgl. K/oepjer, UPR 1997, 81 ff.
7 Franzius
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theoretisch beschriebene Anreizfunktion muß sich vor allem in der Versicherungspraxis erst noch erweisen. 401 Außerdem drohte die vermeintliche Überlegenheit monetärer Lösungen den Blick fur "dritte Wege" zwischen imperativer und monetärer Steuerung zu versperren. 402 Mit der Verrechtlichung der Organisation umweltschützender Anstrengungen wird inzwischen ein solcher Weg beschritten, der die verschiedenen Steuerungsansätze miteinander vermischt und verzahnen soll. Schon die Verpakkungsverordnung statuiert direkte (abwendbare) Rücknahmepflichten mit dem Ziel der indirekten Etablierung einer privatwirtschaftlichen Organisation der Abfallentsorgung. 403 Bewährt hat sich auch der Organisationszwang zur unternehmensinternen Installierung von Umweltschutzbeauftragten, die den betrieblichen Umweltschutz auf freiwilliger Basis verbessern sollen. 404 Noch einen Schritt weiter geht die EG-Verordnung über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem fur das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung. 401 Die Verordnung verzichtet auf rechtlichen Zwang, erzeugt aber einen faktisch-ökonomischen Druck, sich unter Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an dem System fur den betrieblichen Aufbau 406 und die private Kontrolle 407 eines unternehmensinternen V gl. Herbst (FN 377), S. 222 ff. Vgl. Köck, DVBI. 1994,27 (29 ff.). 403 § 6 Abs. 3 VerpackV. Die Verpackungsverordnung wurde maßgeblich auf § 14 Abs. 2 S. 3 AbfG gestützt, wo noch unter dem Verhältnismäßigkeitsaspekt der Erforderlichkeit ein "Junktim" zwischen Verordnungserlaß und einer gegebenenfalls vorzuziehenden Zielfestlegung bestand. § 25 Abs. I KrW-/AbfG enthält eine solche Einschränkung nicht mehr und § 32 Abs. 2 UGB-KomE sieht für den Fall, daß die in der Zielfestlegung genannten Ziele innerhalb der vorgegebenen Zeit nicht erreicht werden, eine Prüfungspflicht der Bundesregierung vor, welche Maßnahmen durch Rechtsverordnung zu ergreifen sind. 404 Vgl. insbesondere §§ 53 ff. BImSchG, 21a ff. WHG, 54 f. KrW-/AbfG und §§ 29 ff. StrlSchV sowie die weitergehenden Vorschläge in §§ 94 ff. UGB-ProfE und §§ 154 f. UGB-KomE. 405 ABI. L 168/2 vom 10.7.1993. Zur Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft Wägenbaur, EG-Umweltschutz im Zeichen der Deregulierung: verbesserte Rechtsetzung oder Einsatz sonstiger Instrumente, in: Rengeling (Hg.), Beschleunigung von Planungsund Genehmigungsverfahren, 1996, S. 19 ff. 406 Herzstück der Verordnung ist das Umweltmanagementsystem (Art. 1 EG-UA VO i.V.m. Anhang I B) zur Bewertung, kontinuierlichen Verbesserung und internen Selbstkontrolle des betrieblichen Umweltschutzes; allgemein zu betrieblichen ManagementSystemen Schmidt-Salzer, WiB 1996, 1 ff. 407 Maßgeblich ist die Validierung der Umwelterklärung (Art. 5 EG-UA VO) durch einen externen, aber privatrechtlich verpflichteten Umweltgutachter, die der öffentlichrechtlichen Registrierung des geprüften Standortes (Art. 8 EG-UA VO) durch die Industrie- und Handelskammer (§ 32 UAG) vorausgeht. Zur ursprünglichen Idee interner Umweltaudits, betriebliche Haftungsrisiken exakter zu ermitteln: Feldhaus, UmweltAudit und Betriebsorganisation im Umweltrecht, in: Kormann (Hg.), Umwelthaftung und Umweltmanagement, 1994, S. 9 (10 ff.). 401
402
B. Prävention im Umweltrecht
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Risikomanagements zu beteiligen. 40H Von staatlicher Seite wird die Teilnahme dadurch honoriert, daß es dem Unternehmen nunmehr möglich ist, über die Verwendung der Teiinahmeerklärunt09 eine rur den Erfolg am Markt bedeutsame Imagewerbung zu betreiben. Hier wird ein neuer Regulierungstyp erkennbar, der mit der Induzierung eigenverantworteteter Gemeinwohibeiträge 4lO die herkömmlichen Grenzen zwischen grundrechts gebundener staatlicher Steuerung und prinzipiell grundrechtsungebundener privater Selbststeuerung verschwimmen läßt. Sucht der Staat die Aktivierung von Privatinteressen fur die Erftillung öffentlicher Aufgaben zu nutzen, wird die Zurechnung der privaten, aber staatlich bezweckten Steuerungs impulse zur öffentlichen Gewalt zweifelhaft. 411 Diese Zweifel erhalten ein umso stärkeres Gewicht, als sich mit der Idee einer gesteuerten Selbststeuerung die Hoffuung verbindet, die ordnungsrechtliche Präventivkontrolle zurückzunehmen, um die behördliche Prüftiefe zu verringern. 412 Soll dies ohne eine Verringerung der materiellen Schutzanforderungen geschehen, müßte zumindest eine "funktionale Äquivalenz" zum Ordnungsrecht und der staatlichen Kontrolle festgestellt werden. 413 Ein solcher Nachweis dürfte aber schwer fallen, solange die Prüfmaßstäbe und die Prüfdichte der externen Umweltgutachter vage und umstritten sind. 414 Der Umstand jedoch allein, daß 408 Die Beteiligung ist damit zwar freiwillig, aber nicht voraussetzungslos. Zu den rechtlichen Zertifizierungsvoraussetzungen Kohte, Das neue Umweltauditrecht, 1997, S. 21 ff.; zur hierdurch angestoßenen Internalisierung des Risikomanagements Koenig, NVwZ 1994,937 (940 ff.). 409 Art. 10 EG-UAVa. Zur eingeschränkten Werbewirksamkeit der Teilnahmeerklärung Feldhaus, Das Umweltaudit-Verfahren als Wettbewerbs instrument?, in: MarburgerlReinhardtiSchröder (Hg.), UTR 38 (1997), S. \3 5 (143 ff.). 410 Vgl. Schmidt-Preuß (FN 235), S. 165 ff. 411 Vgl. Di Fabio (FN 235), S. 252 ff. 412 Vgl. BMU (Hg.), Verhältnis von Öko-Audit und ordnungsrechtlichen Kontrollen, Berichte der Bundesrepublik Deutschland für die 5. Plenarsitzung des Netzwerks der Europäischen Union für die Umsetzung und den Vollzug von Umweltrecht (IMPEL), 1994. Sehr weitgehend etwa der Vorschlag der sog. Schlichter-Kommission, eine "Rahmengenehmigung" für Anlagen an Standorten mit validierter Umwelterklärung einzuführen, vgl. den Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren: BMWi (Hg.), Investitionsf6rderung durch tlexible Genehmigungsverfahren, 1994, Tz. 541 ff. Danach soll eine Genehmigung nur noch zur Festlegung des Anlagengegenstandes, der Verfahren und der materiellen Schutzpflichten erforderlich sein, während die Detailausftihrung des Vorhabens dem Unternehmen überlassen bleibt. 413 In dieser Richtung die 1995 unterzeichnete freiwillige Vereinbarung zwischen der Bayerischen Staatsregierung und Verbänden der bayerischen Industrie und des bayerischen Handwerks, vgl. Bayerische Staatskanzlei (Hg.), Umweltpakt Bayern, o. J. Zur Substitution ordnungsrechtlicher Überwachungskontrollen durch das Ptlichten- und Kontrollsystem der EG-UA va und des UAG auf der Grundlage funktionaler Äquivalenz, d. h. einer zumindest möglichen Gleichwertigkeit in Zielsetzung und Steuerungswirksamkeit: Böhm-Amtmann, ZUR 1997, 178 ff. 414 Zum Streit über den Prüfungsumfang des Umweltgutachters zwischen bloßer Systemprüfung (in dieser Richtung etwa Müggenborg, DB 1996, 125 ff.) und materieller
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die private Kontrolle hinter der staatlichen Kontrolle zurückbleibt, braucht der angestrebten Verzahnung mit dem Ordnungsrecht nicht entgegenzustehen. Schutzlücken könnten durch eine Verschärfung der privatrechtlichen Haftung (mit seinen präventiven Potentialen) vermieden werden. 415
Vollprüfung, welche die Einhaltung aller Umweltvorschriften am Standort umfaßt (so Lübbe-Wolff, DVBl. 1994,361 ff.) vermittelnd Köck, JZ 1995,643 ff. (648). Dafür, daß die richtige Lösu~g "in der Mitte" liege: Schmidt-Preuß, Umweltschutz ohne Zwang Das Beispiel des Oko-Audit, FS für Kriele, 1997, S. 1157 ff. (1174); zum Ganzen jetzt auch Franzius, NuR 1999, 601 (603 ff.). 415 Dabei wäre eine verschärfte Haftung des Umweltgutachters nach dem Vorbild der Haftung des Wirtschaftsprüfers ebenso zu erwägen wie eine versicherungsrechtliche Verschärfung der betrieblichen Haftung indem Maße, wie der ordnungsrechtliche PTÜfungsumfang zurückgenommen wird. Zur Verknüpfung von Ordnungsrecht und privatem Haftungsrecht Bohne, Aktuelle Ansätze zur Reform umweltrechtlicher Zulassungsverfahren, in: BlümellPitschas (Hg.), Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, 1994, S. 41 ff.
Zweiter Teil
Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung Eingezwängt zwischen rechtsstaatIichen Stabilitätsvorgaben und umweltpolitischem Flexibilisierungsdruck l hat das deutsche Umweltrecht die Entwicklung indirekter Steuerungsinstrumente begleitet,2 zum Teil rezipierend aufgenommen 3 und teilweise (wenngleich bisher auch eher punktuell) kodifiziert. 4 Maßgebliche Impulse kamen dabei von außen. 5 Waren kräftige Aufmerksamkeitsschübe zunächst aus den USA zu verzeichnen,6 so sind die Verrechtli-
Siehe oben, I. Teil. Den Instrumenten indirekter Verhaltenssteuerung liegt regelmäßig eine politische Idee (so insbesondere bei der Einführung ökonomischer Instrumente) und die Bewertung eines empirischen Befundes (so etwa bei informalen Aushandlungsprozessen) zugrunde. Sie sind zunächst politischer, nicht rechtlicher Natur: vgl. Hartkopf/Bohne, Umweltpolitik, Bd. I, 1983, S. 172 ff. 3 So etwa in Gestalt von Umweltabgaben (im Gegensatz zu ihrem ökonomischen Gegenspieler, den Zertifikaten) oder in der vorsichtigen Anerkennung informaler Gesetzesvollziehung, der ein rechtlicher Flexibilitätsgewinn zugesprochen wird: zusammenfassend Kloepfer, JZ 1991,737 (738 ff.). Als Meilenstein für (marktwirtschaftliche) Abgabenlösungen gilt das Abwasserabgabengesetz vom 13.9. I 976 (BGBI. I S. 2721). In jüngerer Zeit haben auch informale Vorverhandlungen eine Aufwertung erfahren, verfahrensrechtlich etwa durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12.2. I 990 (BGB!. I S. 205), das für die Festlegung des vorausssichtlichen Untersuchungsrahmens in § 5 UVPG i.V.m. Ziff. 0.4 UVPVwV das sog. "scoping" vorsieht. Zur Kodifizierung der Instrumente indirekter Steuerung im Allgemeinen Teil eines Umweltgesetzbuchs §§ 77 ff. UGB-ProfE und KloepferIRehbinderISchmidt-AßmanniKunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, UBA-Berichte 7/90, 1991. Hier sind neben der Umweltpolitik vor allem die Impulse aus den Wissenschaften zu nennen. Waren es zunächst überwiegend die Wirtschaftswissenschaften (zur Entwicklung der ökonomischen Instrumente) und die Sozialwissenschaften (zur Entwicklung der informalen Instrumente), kommen heute zunehmend wichtige Impulse unmittelbar aus der Rechtswissenschaft. Deutlich wird dies etwa in den neuen Vorschlägen zur Recht- und Regelsetzung nach §§ I I ff. UGB-KomE, vg!. BMU (Hg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE). Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998. Zu ökonomischen Anreizen etwa HojJmann-Riem, WiVerw. 1983, 120 ff.; zur amerikanischen Diskussion und rechtswissenschaftlichen Rezeption externer Konfliktmittlung (Mediation) als einem möglichen Ausweg aus dem Dilemma informaler Vorverhandlungen (Negotiation): Holznagel, Konfliktbewältigung durch Verhandlun-
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
chungsschübe der jüngeren Zeit überwiegend auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben und Einflüsse zurückzuflihren. 7 Die Idee selbst, individuelle Verhaltenspräferenzen zum Anknüpfungspunkt einer ohne Ge- und Verbote arbeitenden staatlichen Steuerung zu machen, ist hingegen alles andere als ein aufgedrängter Import. Ulrich Scheuner unterscheidet schon 1954 zwischen unmittelbaren Eingriffen und lediglich "mittelbaren Einwirkungen" des Staates. 8 Letztere umfassen - unter Hervorhebung der Steuer- und Kreditpolitik sowie von Subventionen und Begünstigungen - diejenigen staatlichen Mittel, mit denen der Staat sein Ziel "entweder durch einen wirtschaftlichen Anreiz, eine Verlockung oder umgekehrt eine Diskriminierung unerwünschter Verhaltensweisen" zu erreichen versucht. 9 Diese Unterscheidung liegt auch der 1977 erschienenen Monographie von Paul Kirchhof zum "Verwalten durch mittelbares Einwirken" zugrunde. lo Materielle Anreize zeichnen sich danach ebenso wie die "geistige Einwirkung des Staates" durch das Ziel aus, Verhaltenswirkungen dadurch zu erreichen, daß der Bürger "auch ohne eine Rechtspflicht seine Verhaltensweisen den VerhaItenserwartungen des Staates anpaßt".11 Der Sache nach nichts anderes meint die aus der Wirtschaftspolitik
gen, 1990; zu den amerikanischen Impulsen im Hinblick auf eine Verbesserung der umweltschutzbezogenen Information der Öffentlichkeit: Gur/it, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, 1989, S. 20 ff. So etwa im Hinblick auf den Einsatz von Umweltinformationen, vgl. zur Verrechtlichung staatlicher Informationspolitik (insbesondere behördlicher Warnungen) die Richtlinie 92/59 EWG des Rates vom 29.6.1992 über die allgemeine Produktsicherheit, ABI. Nr. L 228/24 und deren Umsetzung durch das Gesetz zur Regelung der Sicherheitsanforderungen an Produkte und zum Schutz der CE-Kennzeichnung (Produktsicherheitsgesetz - ProdSG) vom 30.4.1997, BGBI. I S. 934. Das gleiche gilt für den privaten Zugang zu Umweltinformationen, vgl. die Richtlinie 90/313 EWG des Rates vom 7.6.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABI. Nr. L 158/56 und deren Umsetzung durch das Umweltinformationsgesetz (UIG) vom 19.5.1994, BGBI. I S. 1490. Noch deutlicher wird der gemeinschaftsrechtliche "Durchgriff" auf die nationalen Rechtsordnungen im Umweltaudit erkennbar, vgl. EGVerordnung Nr. 1836/93 des Rates vom 29.6.1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABI. Nr. L 168/1 und das deutsche Ausftihrungsgesetz (Umweltauditgesetz- UAG) vom 7.12.1995, BGBI. S. 1591. Zum instrumentalen "Modernisierungsschub" durch das europäische Umweltrecht Henneke, WiVerw. 1995, 80 ff.; kritisch zur hierdurch hervorgerufenen Vielgestaltigkeit der Instrumente Breuer, NVwZ 1997,833 ff. 8 Scheuner, Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, VVDStRL 11 (1954), S. 26 ff. 9 Scheuner (FN 8), S. 27: Zum "mittelbaren Staatseinfluß" wird bereits die Anwendung von Mitteln gezählt, die an sich "fur einen anderen Zweck bestimmt sind (z. B. Steuern), aber ftir wirtschaftslenkende Zwecke herangezogen werden". 10 P. Kirchhof, Verwalten durch mittelbares Einwirken, 1977; so jetzt auch in der Entscheidung zur kommunalen Verpackungssteuer BVerfGE 98, 106 ff. (121). II P Kirchhof(FN 10), S. 39.
A. Allgemeine Merkmale
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stammende Klassifizierung zwischen direkter und indirekter Verhaltenssteuerung. 12 Fritz Scharpfhat diese Unterscheidung nach der Eingriffsintensität zum Anlaß genommen, die jeweils maßgeblichen instrumentellen Elemente hervorzuheben: Während die direkte Verhaltenssteuerung "im Extremfall mit sanktionierten Ge- und Verboten" arbeite, setze die indirekte Verhaltenssteuerung auf positive oder negative Anreize. 13 Diese naturgemäß erst sehr grobe (und simplifizierende) Unterscheidung ist heute auch zur Klassifizierung der umweltrechtlichen Instrumente üblich geworden. 14 Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß der Staat gerade im Umweltrecht sein Handeln vielfach nach Steuerungsmitteln ausrichtet, die sich in der Wirkungsweise und rechtlichen Beurteilung vom herkömmlichen ordnungsrechtlichen Instrumentarium signifikant unterscheiden.
A. Allgemeine Merkmale I. Steuerungsmittel
1. Anreize Die indirekte Verhaltenssteuerung ist im Umweltrecht durch die Formulierung von Anreizen gekennzeichnet, aus eigenem Antrieb mehr für den Umweltschutz zu tun. Statt auf Ge- und Verbote setzt der Staat auf finanzielle oder sonstige Anreize, mit denen auf die autonome Willensbildung der Bürger einzuwirken versucht wird. Der Bürger behält grundsätzlich die Wahl, ob er dem positiven Anreiz (etwa in Gestalt von Subventionen rur umweltschonendes Verhalten) oder negativen Anreiz (etwa in Gestalt von Lenkungsabgaben zur Vermeidung potentiell umweltschädlichen Verhaltens) folgen will oder nicht. l ; Staatliche Anreize versprechen daher vor allem einen (gegenüber dem Ordnungsrecht) nicht unbeträchtlichen Flexibilitätsgewinn: Ökonomisch insoweit, als zunächst die effizientesten Vermeidungsmaßnahrnen ergriffen werden können. Und rechtlich (wenngleich unverbindlich) insoweit, als ein flexibler Rechtsvollzug (etwa in Gestalt von informalen Projektabsprachen) oder sogar ein administrativer Regelungsverzicht (etwa in Gestalt von Selbstverpflichtungen) angeboten wird. 12 Zur Problematik der direkten oder indirekten Investitionslenkung Steger, DNG 1973, 751 ff.; von der "vis indirecta" spricht bereits Köttgen, JöR N.F. 3 (1954), S. 142. 13 Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, 1974, S. 4. 14 Vgl. bereits E. Rehbinder, RabelsZ 40 (1976), S. 369 (386 ff.); Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., 1998, § 5 Rn. 153 ff.; auch dem Professorenentwurf zum Umweltgesetzbuch liegt die in Kapitel systematisch gegenübergestellte Klassifizierung direkter und indirekter Steuerung zugrunde, vgl. hierzu auch die Entwurfsbegründung KloepferlRehbinderiSchmidt-AßmanniKunig (FN 4), S. 252 f. 15 Kloepfer(FN 14), § 5 Rn. 155.
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
2. Tausch Anreize steuern Verhalten durch Tausch. 16 Statt ein Verhalten durch Befehl und Zwang einseitig vorzugeben, belegt der Staat das erwünschte Verhalten mit einem Vorteil. Dieser Vorteil wird als staatliche Gegenleistung fur ein umweltschonendes Verhalten gewährt. Vorteile sind hier in einem weiten Sinn zu verstehen und umfassen neben finanziellen Zuwendungen (wie z. B. Steuererleichterungen und Subventionen) auch die Vermeidung von Nachteilen (wie z. B. die Verminderung von Abgaben entsprechend der Emissionsbegrenzung) sowie alle vom Verursach er gewünschten sonstigen Begünstigungen (wie z. B. Imageverbesserungen in der Öffentlichkeit durch die Verleihung von Umweltzeichen). Hiervon zu unterscheiden sind diejenigen staatlichen Verhaltensempfehlungen, die (wie z. B. behördliche Warnungen) unabhängig von dem angestrebten umweltschonenden Verhalten angeregt werden und daher allein auf der informativen, wertenden und bisweilen erdrückenden Überzeugungskraft des Staates beruhen. 17
3. Selbststeuerung Tauschbezogene Anreize und sonstige tauschunabhängige Verhaltensimpulse knüpft der Staat an das Ziel und die Erwartung einer hierdurch gesteigerten gesellschaftlichen Selbststeuerung. Dahinter steht die Vorstellung, das Umweltrecht so auf die Interessenstrukturen seiner Adressaten auszurichten, das es im RegelfaJl auch aus ökonomischen Nutzenerwägungen "freiwillig" befolgt wird. Neben der auf diese Weise erhöhten Normbefolgungsbereitschaft sollen überobligationsmäßige Anstrengungen über das gesetzlich gebotene Maß hinaus angeregt werden, um dem Umweltschutz bisher verschlossene Bereiche zu erschließen, in denen das ordnungsrechtliche Instrumentarium faktisch versagt (oder rechtlich versagen muß).IS Hierfur werden nicht bloß punktuelle und technikbezogene Vermeidungsanreize gesetzt (wie z. B. durch Umweltabgaben), sondern sehr viel weitergehend selbstregulative Anreizsysteme geschaffen, die 16 Bohne, Instrumente, in: BöhretIHill (Hg.), Ökologisierung des Rechts- und Verwaltungssystems, 1994, S. 128 (129 f.). 17 Die Rubrizierung unter den Begriff der Leistungsverwaltung erweist sich als zu eng, um die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen der Verhaltenssteuerung herauszustellen. Da die indirekte Verhaltenssteuerung auf Verhaltensänderungen abzielt, stellt sie nicht bloß ein Leistungsangebot des Staates dar. Zum Eingriffscharakter von final auf private Verhaltensänderungen gerichteten Informationsakten BVerwGE 90, 112 ff. IS Dies gilt zum einen für die weite Vorverlagerung der Gefahrenabwehr zur gestaltenden Risikovorsorge, der Grenzen durch die rechtlich erlaubten Risiken gezogen werden. Zum anderen aber greift das Umweltrecht mehr und mehr in betriebliche Abläufe über, die grundSätzlich unter dem Schutz der Untemehmensautonomie stehen, mithin zwangsweise nicht umfassend geregelt werden können.
A. Allgemeine Merkmale
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medienübergreifend dynamische und organisationsbezogene Strukturanreize setzen (wie z. B. durch das Umweltaudit). So verknüpft das Umweltaudit den innerbetrieblichen Aufbau und die periodisch zu wiederholende Überprüfung einer den Anforderungen der EG-Umweltauditverordnung entsprechenden Betriebsorganisation mit Wettbewerbs- und Imagevorteilen, die einen beträchtlichen Sogeffekt - etwa in Gestalt von Vergünstigungen bei Zulieferern, Versicherungen und Banken - auslösen können. Diese Anreize übersetzen den staatlichen Steuerungsimpuls in die Sprache der Wirtschaft. Sie "leben" daher von dem Eigeninteresse und dem Maß an Freiwilligkeit, die dem Adressaten überlassen bleibt. In einem ordnungsrechtlich geprägten Umfeld gilt dies auch rur die herkömmlichen Überwachungs- und Kontrollpflichten, deren kontrollierte Rücknahme im Einzelfall noch eine zusätzliche Anreizverstärkung darstellen kann. 19
11. Wirkungsweise
1. Motivation
Der indirekten Verhaltenssteuerung ist eine influenzierende und motivierende Wirkungsweise inhärent. Bestimmte Verhaltensweisen werden nicht durch Rechtsbefehl verbindlich vorgegeben, sondern lediglich als erwünscht oder unerwünscht betrachtet. Für die Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung ist nach Michael Kloepfer typisch, "daß der Staat dabei entweder bestimmte Verhaltensfonnen seiner Bürger als erwünscht betrachtet und darauf hinwirkt, diese jedoch nicht gebietet oder aber diese für unerwünscht hält und gegen sie wirkt, sie aber nicht verbietet". 20
Die indirekte Verhaltenssteuerung beziehe sich ausschließlich auf gleichermaßen rechtmäßige Verhaltensformen und suche nur, beim Betroffenen eine be-
19 Daß es sich dabei um kein Nullsummenspiel handeln kann, in dem das Ordnungsrecht verliert, was eine Anreizpolitik dazugewinnt, ergibt sich schon aus der unerläßlichen Reservefunktion des Ordnungsrechts: Kloepfer, ZAU 1996, 200 ff. (207). Staatliche Anreize werden durch ordnungsrechtliche Pflichten flankiert und erfordern Verbundlösungen, in denen die zum Einsatz kommenden Instrumente aber so aufeinander abgestimmt werden müssen, daß (auch) subsidiärer Zwang die intendierte Anreizwirkung nicht versperrt. Dort, wo Anreize aus sich selbst heraus wirken, also eine vom Ordnungsrecht unabgeleitete Steuerungswirksamkeit entfalten, sind etwa Doppelkontrollen kontraproduktiv, soweit sie sich auf denselben Gegenstand beziehen. Zu Entlastungsbestrebungen des Ordnungsrechts Hirche, Mehr Umweltschutz durch mehr Eigenverantwortung?, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 163 ff. 20 Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 153.
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
stimmte Verhaltensfonn anzuregen. 21 Ähnlich heißt es in der Begründung zum Professorenentwurf eines Umweltgesetzbuchs: "Die Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung nehmen ausschließlich auf die Motivation der Adressaten Einfluß und lassen diesem einen entsprechend (mehr oder weniger) weiten Entscheidungsspielraum. Der Staat formuliert dort gegenüber dem Bürger lediglich eine (häufig mit Anreizen versehene) Verhaltenserwartung, wobei das erwartungswidrige Verhalten rechtmäßig Uedoch aus staatlicher Sicht unerwünscht) bleibt".22
So schiebt sich mit der indirekten Verhaltens steuerung "zwischen das rechtlich nicht vorgeordnete freie Wollen und das die individuelle Handlungsfreiheit beschränkende rechtliche Dürfen im Feld des rechtlich Erlaubten unwillkürlich ein Drittes: die staatlicherseits empfohlende und erwünschte Freiheitsausübung"Y Dies ennöglicht zwar differenzierte Reaktionen der Nonnadressaten, die sich im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen selbst entscheiden (können), wie sie sich verhalten wollen. Insoweit wirkt die indirekte Verhaltenssteuerung im rechtlichen Kern freiheitsschonend. Soweit aber ein tatsächlicher Verhaltensdruck erzeugt wird, der Entscheidungsalternativen - intentional oder intensiv24 - letztlich bis auf eine verbleibende, nämlich die erwünschte Entscheidung einschränkt, dürfen faktisch freiheitsmindernde Wirkungen resp. Auswirkungen nicht aus dem Blickfeld geraten. 25 Ambivalent, um nicht zu sagen janusköpfig, stellt sich daher auch die insbesondere den ökonomischen Instrumenten zugesprochene Vollzugsautomatik indirekter Verhaltenssteuerung dar. Die sofortige Wirksamkeit lenkender Verhaltensbeeinflussung wird durch Rechtsschutzverkürzungen für den betroffenen (und drittbetroffenen) Bürger erkauft. Unmittelbar läßt sich die Beeinflussung
21 22
23
Kloepfer (FN 14), ebd. KloepferiRehbinderiSchmidt-AßmannlKunig (FN 4), S. 339. Gramm, Der Staat 1991, 51 ff. (67).
Auf die Intensität (des faktischen Zwangs) kommt es jedenfalls nicht entscheidend an, wenn Verhaltenswirkungen (auch freiwilliger Art) zum Nachteil grundrechtlich geschützter Interessen intentional beabsichtigt sind: Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff. (190) und für staatliche Umweltinformationen Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, 1998, S. 30. Damit wird die schwierige Frage nach dem Vorliegen eines Grundrechtseingriffs nicht nach dem Maß der verbleibenden Freiwilligkeit empirisch, sondern unter Rückgriff auf die neue Steuerungsidee dogmatisch beantwortet. Differenzierungen werden hierdurch nicht entbehrlich, aber stärker handlungsorientiert vorgenommen; zum entsprechenden Wandel in der Betrachtung der staatlichen Handlungsformen oben, S. 64 ff. 25 Vgl. Kloepfer, Droht der autoritäre ökologische Staat?, in: Baumeister (Hg.), Wege zum ökologischen Rechtsstaat, 1994, S. 42 ff. (44); pointiert etwa auch Leisner, Verfassungsgrenzen privater Selbstregulierung, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 151 ff. 24
A. Allgemeine Merkmale
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als solche kaum effektiv angreifen. 26 Diese Lücke wiegt um so schwerer, je kleiner der tatsächlich verbleibende Entscheidungsspielraum rur die selbststeuemde Verwirklichung staatlich vorgegebener Ziele im Einzelfall ist. 2. Induzierte Selbststeuerung Im Bereich der indirekten Verhaltens steuerung kommt es auf diese Weise zu einer zunehmenden Relativierung der klassischen Bausteine direkter Verhaltenssteuerung (Legalität, Rechtsförmlichkeit und Individualrechtsschutz)Y Überwölbt werden diese durch andere, neue Steuerungsmittel (Anreiz, Tausch und induzierte Selbststeuerung).28 Der Bürger kann den Staat durch legales Betragen allein nicht mehr auf Distanz halten. Auf sein Verhalten wird durch staatliche Anreizinstrumente eingewirkt, deren Steuerungseffekte in den herkömmlichen Rechtsschutzformen 29 nur unvollkommen abgewehrt werden können. 30 Auch der pauschale Verweis auf den verbleibenden Privatrechtsschutz31 26 In Betracht kommt regelmäßig nur eine Inzidentkontrolle über den nachgeschalteten Bescheid (z.B. Abgabenbescheid) oder gegen die letztlich motivationsauslösende Norm (z.B. Abgabennorm), vgI. Kloepfer (FN 19), S. 206. Zur Rechtssatzverfassungsbeschwerde als verbleibender Möglichkeit, den Motivationsdruck unmittelbar anzugreifen: Schmidt-Preuß (FN 24), S. 191 f. 27 Siehe oben, S. 32 ff. 28 Siehe oben, S. 103 ff. 29 Soweit hinreichende Entscheidungsspielräume vorhanden sind, kann es keinen Rechtsschutz gegen sich selbst geben (volenti non fit iniuria). Die bestehenden Entscheidungsalternativen werden jedoch staatlich bewertet (so etwa bei der Verhaltenssteuerung durch Informationen) und rechtlich oder faktisch strukturell vorgeprägt (deutlich etwa bei der Verhaltenssteuerung durch Organisationsvorgaben). Unter welchen Voraussetzungen in der staatlichen Bewirkung erwünschter Verhaltensweisen bereits ein "Erwirkungseffekt" und damit ein rechtsschutzauslösender Eingriff gesehen werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Wird aber ein Eingriff abgelehnt, sind wegen der häufig eingriffsgleichen Auswirkungen ("ökonomischer oder moralischer Zwang") gegebenenfalls neu zu entwickelnde Rechtsschutzformen in Stellung zu bringen. Vorgeschlagen wird die Einführung einer "Beeinflussungsabwehrklage" etwa im Wege der verbesserten Kontrolle von Legislativakten: Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich, in: König/Dose (Hg.), Instrumente und Formen staatlichen HandeIns, 1994, S. 329 (352 f.). 30 Daß eine Neuakzentuierung des Rechtsschutzes not tut, zeigt vor allem der drohende Ausschluß des Drittschutzes: Was für den Adressaten die Erweiterung seiner Freiheitssphäre bedeute, stelle sich als Verlust rur den Dritten dar, das Verhalten des Adressaten als staatliche Einwirkung anzugreifen, rur die ökonomischen Instrumente Kloepfer, ZAU 1989, 355 ff. (358); für die informalen Instrumente in Gestalt von Selbstverpflichtungen Di Fabio, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Grenzgänger zwischen Freiheit und Zwang, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im ökologischen und technischen Bereich, 1998, S. 119 ff. (125); zum Rechtsschutz gegenüber dem Organisationszwang durch die Verpackungsverordnung ders., NVwZ 1995, I ff. 31 Allgemein: Marburger, Ausbau des Individualschutzes gegen UmweItbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und öffentlichen Rechts, Gutachten C zum 56. Deut-
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
greift hier zu kurz. Denn Selbststeuerung, so vielfältig ihre Erscheinungsformen auch sein mögen, ist nicht mehr der erklärte Gegenbegriff zu staatlicher Lenkung,J2 sondern ihr modaler Inhalt. 33 Sie kann daher auch nicht bloß als ein tatsächlich eintretender (und selbst gewollter) Lenkungserfolg oder lediglich als dessen Folge verstanden werden, sondern ist ungleich mehr, nämlich eine instrumentale (und Verhaltensänderungen voll beabsichtigende) Steuerungstechnik in der Hand des Staates. 34 Man mag diese Instrumentalisierung als geboten ansehen, sei es aus der Sicht des Bürgers mit der staatlichen Aktivierung von Selbststeuerung als einem freiheitsrechtlichen Postulae 5 oder aus der Sicht des Staates mit dem Staatsentlastungszweck zur Rechtfertigung staatlich aktivierter Selbststeuerung. 36 Ob sich der eine wie der andere Ansatz fiir die rechtliche Beurteilung jedoch als tragfähig erweist, ist zweifelhaft. Denn hinter ihnen verbirgt sich der vernebelnde Deregulierungsgedanke, gleichsam durch mehr Eigenverantwortung zu einem Rückgewinn an Freiheit zu kommen. Freiheit, die der Staat in der historischen Entwicklung nahm, scheint er gegenwärtig wieder zurückzugeben. 37 Das klingt
schen Juristentag, 1986, C 16 ff. Der autonomiewahrende Staat provoziert einen Austausch der Rechtsschutzformen: In den Fällen echter Aufgabenprivatisierung mag dies angehen, nicht aber dort, wo das autonome Verhalten des Adressaten zum Anlaß genommen wird, belastende Wirkungen bei anderen zu erzielen. Hier gilt es, SchutzskaIen zu entwickeln, in denen die Rolle des Privatrechtsschutzes zwischen staatlich imperativer (also verwaltungsrechtlich abzuwehrender) Regulierung und privater (zivilrechtlich abzuwehrender) Selbstregulierung neu abgesteckt wird: Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen - Systematisierung und Entwicklungsperspektiven, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 26 I (300 ff). 32 So noch E. R. Huber, DVBI. 1952, 456 ff. 33 So der gemeinsame Befund der Berichte von Schmidt-Preuß und Di Fabio auf der Dresdner Staatsrechtslehrertagung zum Thema: Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (162 ff), 235 ff (238); zum Wandel staatlicher Steuerung unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Selbststeuerung oben, S. 99 f 34 Anders als der Rekurs auf die Intensität tatsächlicher Auswirkungen erlaubt die Intentionalität staatlicher Bewirkungen die Zurechnung von drittvermittelten Verhaltensänderungen zum Staat und damit auch eine Abschichtung des Rechtsschutzes gegenüber der staatlich angeregten, d. h. grundrechtsgebundenen und privaten, d. h. staatsund grundrechtsungebundenen Selbststeuerung. Der private Rechtsschutz kann und darf jedenfalls nicht für Drittbeeinträchtigungen von letztlich hoher Hand umgewidmet werden; zur Zurechnung von drittvermittelten Beeinträchtigungen oben, S. 56 f J; So etwa Schmidt-Preuß (FN 33), S. 170 f 36 Vgl. Trute, DVBI. 1996, 950 ff.; zur Staatsentlastungsidee als legitimatorischer Grundlage für rechtliche Konzepte der Selbststeuerung Kloepfer, Einführung, in: ders. (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 11 ff; siehe dazu auch Franzius, NVwZ 1998, 1164 ff 37 Vgl. in der Aussprache zur Dresdner Staatsrechtslehrertagung (FN 33) Geis, S. 288 f. und Badura, S. 305.
A. Allgemeine Merkmale
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sympathisch, ist aber problematisch, weil es sich hier nicht um eine echte Rückverlagerung von Freiheit, sondern um dessen Mediatisierung zu staatlichen Zwecken handelt. Es ist nicht etwa so, daß mit der indirekten Steuerung von Selbststeuerung individuelle Eigenverantwortung deregulierend zurückgegeben wird. Vielmehr wird Eigenverantwortung staatlich bestimmt und "reregulierend" zum Anlaß genommen, neue, die Eigenlogik der gesellschaftlichen Handlungssysteme respektierenden Einwirkungsmechanismen auf- und auszubauen. Die staatlicherseits durch die Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung angeregte und flankierte Selbststeuerung gesellschaftlicher Kräfte ist daher rur sich genommen mehr als nur eine Forderung der Freiheitsrechte und noch nicht durch die Staatsentlastung als solche gerechtfertigt. 38 III. Folgerungen
1. Öffentliches Recht und Privatrecht Der modeme Verfassungsstaat westlicher Prägung basiert auf konstruktiven Unterscheidungen, die - wie die vorgegebene Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft - heute mehr denn je vor dem Hintergrund wechselseitiger Annäherungen zwischen den gegensätzlichen Polen gesehen werden müssen. Relativiert im Grunde schon der Gemeinwohlbegriff die künstliche Trennung von Staat und Gesellschaft,39 so lassen die übergreifenden Steuerungswirkungen der indirekten Steuerung nunmehr auch die Systemzäsuren zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht unscharfwerden. 40 38 So etwa Di Fabio (FN 33), S. 258 ff. - Di Fabio geht noch einen Schritt weiter und sieht in jeder hoheitlich auferlegten Eigenverantwortung einen rechtfertigungsbe· dürftigen Freiheitseingriff. Damit wird zwar in der Tat eine rationalitätsstiftende Rechtskontrolle ermöglicht, Innovationen aber frühzeitig verspielt und eine differenzierende Betrachtung auf die Rechtfertigungsebene verlagert, wo selbst die strukturelle Verhältnismäßigkeit indirekter Steuerungsmittel in Frage gestellt wird. Im Ergebnis nivelliert die pauschale Behauptung eines Grundrechtseingriffs jeden angestrebten Internalisierungseffekt, der zur Rückverlagerung der Kosten von der Allgemeinheit auf den Risikoerzeuger auch die Verpflichtung zur Wahrnehmung von Eigenverantwortung enthalten kann. Denn ist das risikoerzeugende Unternehmen zur Einhaltung materieller Standards verpflichtet, muß es hierzu strukturell auch tatsächlich imstande sein. Insoweit könnte die gezielte Stärkung von Eigenverantwortung, etwa durch Organisationspflichten und Anreize zum Aufbau interner Managementstrukturen, als mehr oder weniger notwendiger Annex zu den jeweils auferlegten materiellen Pflichten der Gefahrenabwehr und Risikovorsorge verstanden werden. 39 Ist der Staat zur Gemeinwohlverwirklichung verpflichtet, so bedeutet dies nicht, daß nicht auch die Gesellschaft privatnützig inspirierte Gemeinwohlbeiträge hervorbringen kann. Hiervon geht implizit auch das Kooperationsprinzip mit seiner wechselseitigen Verantwortung für den Umweltschutz aus: Kloepfer (FN 14), § 4 Rn. 45 ff. 40 Der Verzicht auf Befehl und Zwang geht mit dem Verlust an innerer Kohärenz des öffentlichen Rechts einher, das im Zuge seiner Entpublifizierung die Steuerungswir-
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
Die indirekte Steuerung knüpft an die unterschiedlichen Steuerungsleistungen beider Teilrechtsordnungen an. Steht auf der einen Seite die grundsätzliche Fremdbindung der öffentlichen Gewalt, die unter dem gerade im Umweltschutz beobachteten Wechsel von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung des Staates41 verstärkt Handlungsspielräume für die Einbeziehung Privater in die staatliche Gemeinwohlverwirklichung eröffuet, so steht auf der anderen Seite die spontane Selbstorganisation privater Wirtschaftssubjekte, die unter der gedachten Eigenverantwortung des Bürgers lediglich einer staatlichen Rahmenordnung für das privatautonome Handeln bedarf. Soweit diese prinzipiell eigennützige Interessenverfolgung gesamtgesellschaftlich akzeptable Ergebnisse ermöglicht, können Lücken und auftretende Regelungsbedürfuisse der öffentlich-rechtlichen Ordnungsgestaltung von den Regelungsstrukturen der Privatrechtsordnung aufgefangen werden. 42 In diesem Sinne kommt es zu einer funktionalen Verknüpfung der Teilrechtsordnungen: Der Staat macht sich das privatrechtliehe Steuerungsregime zunutze 43 und richtet das privatautonome Handeln auf die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen aus. 44
kungen indirekter Steuerung nicht mehr allein bewältigen kann. Umgekehrt fUhrt die voraussetzungsvolle Idee der gesteuerten Selbststeuerung zu einer Aufwertung und Publifizierung des Privatrechts, das zunehmend in den Dienst öffentlicher Gestaltungszwecke gestellt wird, krit. Mestmäcker, RJ 10 (1991), S. 177 ff. Zur wechselseitigen Ergänzung der Teilrechtsordnungen Hoffmann-RiemISchmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996; für das private Umweltrecht auch Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 10 f. 41 Statt vieler Hoffmann-Riem, DÖV 1997,433 (441 f.). 42 V gl. Hoffmann-Riem (FN 31), S. 271 ff. Dies reicht von der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Umweltpflichten (etwa durch das private Nachbarrecht, vgl. BGHZ 122, I ff. - Ballettschule) und einer entsprechenden Präventionsverstärkung dieser Pflichten (etwa durch das Wettbewerbsrecht, das sich begrenzt auch für die Sanktionierung von öffentlich-rechtlichen Pflichtverstößen eignet, vgl. BrandneriMichael, NJW 1992, 128 ff.) bis zur selbständigen Präventionswirkung privatrechtlicher Pflichten, etwa durch das Vertrags- und Haftungsrecht mit der Statuierung risikobezogener Informations- und Organisationspflichten; vgl. zur Eigenständigkeit und Öffnung des Privatrechts für seine präventiven Steuerungsleistungen Hart (Hg.), Privatrecht im "Risikostaat", 1997. Insoweit dient das Privatrecht der dynamischen Anpassung und Fortentwicklung öffentlich-rechtlicher Standards, weshalb ihm teilweise auch eine innovative Funktion für das Umweltrecht zugesprochen wird: Herbst, Risikoregulierung durch Umwelthaftung und Versicherung, 1996, S. 222 ff. 43 Wobei das öffentliche Recht den Sachbereich nicht selten strukturell vorprägt (so besonders deutlich bei der privatwirtschaftlichen Abfallentsorgung durch die Verpackungsverordnung, vgl. § 6 VerpackV) und seinerseits ein Auffangnetz subsidiärer Einstandspflichten fUr den Staat bereithält (etwa durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, vgl. §§ 24 f. KrW-/AbfG). - Beispielhaft insoweit auch die private Normsetzung, die der Staat zunächst abwartet, um im Hintergrund als "Ausfallbürge" bereitzustehen, wenn sie nicht zeitig oder nur suboptimal zustande kommt, vgl. zur entsprechenden Verrechtlichung nunmehr §§ 31 ff. UGB-KomE. - Das Privatrecht übernimmt daher vor allem die Aufgabe der (durch das öffentliche Recht ermöglichten und die Rücknahme der staatlichen Leistungstiefe bedingten) Nach- und Feinsteuerung, vgl.
A. Allgemeine Merkmale
III
In der Abkehr vom überkommenen Trennungsdenken läßt sich der indirekten Verhaltenssteuerung daher auch das private Haftungsrecht zuordnen, das nicht mehr allein vom Gedanken des nachträglichen Opferschutzes beherrscht wird, sondern unter den gestiegenen Vorsorgeanforderungen auch für vorbeugende und über das rechtlich gebotene Maß hinausgehende Anstrengungen im betrieblichen Umweltschutz eingesetzt wird. 45 Ähnliches ist für das Wettbewerbsrecht zu beobachten, das einen privatrechtlichen Ordnungsrahmen für die Umweltwerbung46 bereitstellt, aber auch in Sachbereichen zur Anwendung gelangt, die in hohem Maße durch das öffentliche Recht vorgeordnet sind. 47 So setzt der Staat mit ökonomischen und organisatorischen Anreizen wie dem Umweltaudit auf die Ausfüllung öffentlich-rechtlicher Rahmenvorgaben durch wettbewerbsrechtliche Schutzprinzipien. 2. Direkte und indirekte Steuerung a) Unterscheidungen Läßt die indirekte Steuerung die rechtstechnische Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht auch brüchig werden, so werden die Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung doch ihrerseits vor dem Hintergrund einer
Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht: Ihre Funktionen als wechselseitige Auffangordnungen, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 7 ff. (27). 44 Dies geschieht über den Einbau von materiellen Schutzvorschriften in Sonderprivatrechten wie dem Haftungs- und Versicherungsrecht oder dem Wettbewerbsrecht, vgl. H. P. Westermann, AcP 178 (1978), S. ISO ff.; Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 167 ff. (175). Ergänzend tritt die Implementierung von stärker prozedural ausgelegten Anreizstrukturen hinzu, etwa durch das Haftungsrecht, das sich nicht nur verstärkt dem Schlüsselproblem der Information zuwendet (z. B. über die culpa in contrahendo mit einer quasi vertragliche Informationshaftung oder über Auskunftsansprüche nach dem Umwelthaftungsgesetz mit gesetzlichen Erleichterungen der Informationsbeschaffung), sondern durch Organisationspflichten (z. B. nach § 831 BGB) auch wichtige Impulse zum Aufbau risikosteuernder Betriebsorganisationen setzt, die ihrerseits unternehmensinterne Anstrengungen im Umweltschutz bewirken sollen: dazu Spind/er, Unternehmensorganisationsrecht als Beitrag zur zivilrechtlichen Risikoregulierung, in: Hart (Hg.), Privatrecht im "Risikostaat", 1997, S. 99 ff. Erst so gewinnt das Privatrecht eine selbständige Anreizfunktion, die es rechtfertigt, auch mögliche Entlastungs- und Substitutionspotentiale fur die öffentlich-rechtliche Steuerung in den Blick zu nehmen. 45 Zur Umweltgefahrdungshaftung K/oepjer (FN 14), § 6 Rn. 64 f., 158. 46 Zur restriktiven Linie der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung K/oepjer (FN 14), § 6 Rn. 225, 237 ff.; demgegenüber - insbesondere zur Ermöglichung vergleichender Umweltwerbung - jetzt aber §§ 108 UGB-ProfE, 124 UGB-KomE. 47 Zur Aufwertung des Wettbewerbsrechts Trute (FN 36), S. 959 f.
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
konstruktiven Unterscheidung und der Abgrenzung zur direkter Steuerung verstanden. Vorteilhaft ist diese Unterscheidung insoweit, als mit ihr das Erfassungsspektrum staatlicher Steuerung erweitert und rechtlich einer differenzierenden Beurteilung unterworfen werden kann. Neben ökonomischen Anreizen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur erfaßt die indirekte Steuerung insbesondere auch infonnale Handlungsweisen, die vielfach vor oder neben das ordnungsrechtliche Instrumentarium direkter Steuerung treten. 48 In der pointierten Gegenüberstellung zur direkten Steuerung beläßt die indirekte Steuerung durch Anreize und sonstige Verhaltensempfehlungen ihren Adressaten das Letztentscheidungsrecht, ob sie dem Steuerungsziel folgen wollen oder nicht. Kloepfer zufolge mögen dem Bürger zwar auch die klassischen Ge- und Verbote der direkten Verhaltenssteuerung häufig nur noch wie staatliche Handlungsangebote erscheinen, deren Ausschlagung gewisse Nachteile (z. B. Geldbußen) mit sich bringen kann. Gleichwohl sei diese "Wahl" zwischen verbotenem und gebotenem Verhalten "rechtlich deswegen etwas entscheidend anderes, weil dabei der Rubikon der Rechtswidrigkeit überschritten wird und das rechtswidrige Verhalten stets auch eine Unrechts-Vorstellung ( ... ) in sich birgt".49 Für die indirekte Steuerung, die sich demgegenüber durch den Verzicht auf die strikte (und regelmäßig zwangsbewehrte) Detennination privater Verhaltensweisen zugunsten eigenverant-
48 Der Staat macht sich privates Engagement zunutze, indem er gegenüber Privaten schon im Vorfeld ordnungsrechtlicher Steuerung die Bereitschaft zum Konsens zeigt. Im projektbezogenen Umweltschutz geschieht dies vor allem in Gestalt von Vorverständigungen und Vorverhandlungen sowie normvollziehenden Absprachen mit dem Anlagen betre iber, denen auch das (bisher erst erprobungsweise genutzte) Instrument der Konfliktmittlung (Mediation) durch einen neutralen Dritten zugeordnet werden kann; vgl. zu diesen Formen der "Interaktion" und ihrer dogmatischen Einordnung zum schlichten Verwaltungshandeln M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 40 ff. Daneben geraten in jüngerer Zeit umweltbezogene Selbstverpflichtungen der Wirtschaft verstärkt in den Blickpunkt einer das Kooperationsprinzip ernst nehmenden Umweltpolitik. Hierbei handelt es sich regelmäßig um normersetzende Absprachen zwischen dem Staat und Unternehmen oder Unternehmensverbänden mit dem Ziel der Vermeidung regulativer Maßnahmen; zur besonderen Konstellation gouvermentaler Absprachen Dempfle, Normersetzende Absprachen, 1994, S. 18 ff. Trotz mancher Unterschiede im einzelnen ist diesen Erscheinungsformen staatlich inspirierter "Zusammenarbeit" die (gewollte) rechtliche Unverbindlichkeit gemeinsam, weshalb sie nicht dem vertraglichen, sondern informalen Handeln staatlicher Stellen zuzurechnen sind: Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 340 ff. 49 Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 155. Die Illegalisierung riskanten Verhaltens fällt in Zeiten wachsender Unsicherheitsbewältigungen immer schwerer und darf nicht vorschnell mit politischer Handlungsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Vielmehr können gerade die timiden Handlungsweisen indirekter Umweltpolitik auch als adäquate Ausdrucks- und Gestaltungsformen des modernen Staates verstanden werden, der in der (begrifflich überstrapazierten) "Risikogesellschaft" die gesellschaftliche Vernunft kaum noch allein abbilden kann und daher zunehmend vor das Phänomen gestellt wird, in der Gesellschaft das Objekt und zugleich das Subjekt von Steuerung zu sehen.
A. Allgemeine Merkmale
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worteter Handlungsspielräume auszeichnet, ist daher eine rechtliche Beurteilung angezeigt, welche die maßgeblichen Unterschiede zur direkten Steuerung nicht übermäßig nivelliert. Positiv gewendet: Die indirekte Verhaltenssteuerung durch Anreize zur Selbststeuerung erfordert angesichts ihrer ambivalenten Wirkungsweise zwischen Freiheitsschonung und -gefahrdung im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Selbststeuerung und staatlicher Steuerung eine behutsame und vorsichtige Einbindung durch das rechtsstaatliche Begrenzungsinstrumentarium. so Sind gesetzliche Lösungen danach auch regelmäßig unverzichtbar,s1 so braucht deren inhaltliche Ausgestaltung und eine maßvolle Verrechtlichung
50 Insbesondere die Postulate der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit sowie der Klarheit staatlichen Handeins unterliegen keiner disponiblen Abschwächung durch die Wahl der Mittel. Gleichwohl wird für die Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung eine differenzierende Betrachtung unter Beachtung unterschiedlicher Vorgaben und Rechtsbindungen für geboten gehalten: So brauchen Umweltlenkungsabgaben, wenn und weil sie Handlungsspielräume für den Adressaten belassen, nicht den strengen Anforderungen für Finanzierungssonderabgaben genügen, vgl. zu verhaltenslenkenden Abgaben BVerfGE 57, 139 ff. (167) und für eine Unterscheidung gegenüber den Finanzierungsabgaben BVerfGE 98, 83 ff.; Breuer, DVBI. 1992, 485 ff. (494); ausführlich Köck, Die Sonderabgabe als Instrument des Umweltrechts, 1991, S. 141 ff. (m.w.N.). Wegen der finanziellen Belastungswirkungen muß aber eine hinreichende Distanz zum Finanz- und Finanzverfassungsrecht gewahrt bleiben, vgl. Kloepjer (FN 14), § 5 Rn. 288; eher zurückhaltend auch §§ 77 ff. UGB-ProfE und §§ 190 ff. UGB-KomE. Aus dem gleichen Grund unterliegen staatliche Informationsakte wie behördliche Warnungen und Empfehlungen regelmäßig nicht den vergleichsweise strengen inhaltlichen Anforderungen für Verbotsverfügungen, vgl. zu verhaltenslenkenden Informationen BVerwGE 90, 112 ff. (120) und für eine behutsame Verrechtlichung Pitschas, Staatliches Management für Risikoinformationen zwischen Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gesetzlichem Kommunikationsvorbehalt, in: Hart (Hg.), Privatrecht im "Risikostaat", 1997, S. 215 ff. Ist der Informationsinhalt obiektiv nicht erweislich wahr, soll die Veröffentlichung aber zumindest durch sorgfältige Ermittlungen hinreichend gesicherte Erkenntnisse abgesichert sein, vgl. Kloepjer (FN 24), S. 29; in Fortführung der Verfahrensregelungen des § 106 Abs. 4 UGB-ProfE jetzt auch § 214 Abs. 2 UGBKornE. - Den Bedenken gegenüber informalen Absprachen, wie sie vor allem im Hinblick auf die Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Absenkung normativer Regelungsanforderungen vorgetragen werden, könnte insbesondere durch die Schaffung hinreichender Transparenz begegnet werden, vgl. zum Diskussionsstand M. Schulte (FN 48), S. 82 ff.; unter Berufung auf das umweltrechtliche Kooperationsprinzip haben informale Vereinbarungen eine vorsichtige instrumentelle Präferenz in § 6 Abs. I S. 4 UGB-ProfE und nunmehr eine differenzierte Aufnahme im Vorschlag einer Neuregelung der Recht- und Regelsetzung durch die §§ 34 ff. UGB-KomE gefunden, dazu KloepjeriElsner, DVBI. 1996, 964 (970 ff.) sowie Sendler, Selbstregulierung im Konzept des Umweltgesetzbuchs, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 135 ff. 51 Der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt avanciert mehr und mehr zur Achillesferse indirekter Umweltpolitik. Kommt er selbstredend für Eingriffe durch Abgaben zum Zuge, so ist seine Anwendung für das staatliche Informationshandeln in Zweifel gezogen worden, vgl. insbesondere BVerwGE 87, 37 ff. (49). Demgegenüber ist für konkrete Lenkungsinformationen, die über die allgemeine Aufklärungstätigkeit des Staates
8 Franzius
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
unter besonderer Beachtung verfahrensrechtlicher Sicherungen 52 den angestrebten Selbststeuerungseffekt doch nicht auszuschließen. 53 Der Rechtsschutz und die Kontrolle indirekter Steuerung54 wird dadurch zwar keineswegs ent-
ausgehen, wegen der regelmäßig final bezweckten Belastungswirkungen mit dem überwiegenden Schrifttum am Erfordernis gesetzlicher Eingriffsermächtigungen festzuhalten, vgl. im Anschluß an BVerwGE 90, 112 ff. Di Fabio, JuS 1997, 1 ff. (3); Murswiek, DVBI. 1997, 1021 ff. (1025); Kloepfer (FN 24), S. 26 ff. Spezialgesetzliche Ermächtigungen finden sich im Bundesrecht vor allem in den §§ 69 Abs. 4 AMG, 6 Abs. 1 S.2 GSiG, 6a der 22. BImSchV und § 8 ProdSG, siehe hierzu unten, S. 158 ff. - Ausgehebelt zu werden droht der Gesetzesvorbehalt schließlich im Bereich informaler Umweltabsprachen, denen zwar formal freiwillige Entscheidungen des Bürgers zugrundeliegen, nicht selten aber erst durch den sanften Druck des Staates zustandekommen und deshalb für weniger machtvolle Akteure eine grundrechtliche Gefährdungslage entstehen lassen. Normersetzende Absprachen sind vor allem für die nicht beteiligten Dritten, insbesondere für die Lieferanten und Abnehmer der Absprachepartner, fast zwangsläufig mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden und können daher mangels gesetzlicher Grundlage einen nicht zu duldenden Eingriff in die geschützten Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG darstellen, vgl. P. Kirchhof(FN 10), S. 206; M Schulte (FN 48), S. 98 ff. (m.w.N.). Zur demokratischen Komponente des Gesetzesvorbehaltes für normersetzende (regulative) Absprachen, die als zumeist wesentliche Weichenstellungen wirtschaftsund umweltpolitischer Art einer gesetzlichen Grundlage bedürfen: Brohm, DÖV 1992, 1025 ff. (1033). Erste Ansätze einer gesetzlichen Regelung finden sich in den Ermächtigungen nach §§ 24 f. KrW-/ AbfG und für normvollziehende (projektbezogene) Absprachen vor allem in §§ 25 VwVfG, 2 Abs. 2 der 9. BImSchV sowie § 5 UVPG; zur Verrechtlichung von Absprachen unten, S. 171 ff. 52 Im technisch überdeterminierten Umweltschutz lasse sich - wie das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren anmerkte - wahrscheinlich nur über Verfahrensrecht verhindern, daß der Bereich zwischen Recht und Technik "zum juristischen Niemandsland" wird, vgl. BVerfGE 53, 30 ff. (76). Der Bedeutungsanstieg von Verfahren reicht über die bloße Erleichterung der behördlichen Entscheidungsfindung und die partielle Kompensation materieller Entscheidungsunsicherheiten bis zum Vorschlag einer Ergänzung materieller Richtigkeitsgewähr durch prozedurale Garantien, vgl. R. Wolf, Der ökologische Rechtsstaat als prozedurales Programm, in: RoßnagellNeuser (Hg.), Reformperspektiven im Umweltrecht, 1997, S. 59 ff.; zur Vielschichtigkeit des Verfahrensgedankens LerchelSchmidt-AßmanniSchmitt Glaeser, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984; allgemein zur Aufwertung von Verfahren ausführlich Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 60 ff.; zu aktuellen Tendenzen der Verfahrensprivatisierung und der zunehmenden Bedeutung von Privatverfahrensrecht (etwa für den vom privaten Vorhabenträger weitgehend in eigener Regie entworfenen Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 12 BauGB) HoffmannRiemlJ. -Po Schneider (Hg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996. 53 Vgl. die Verrechtlichungsbemühungen der Entwürfe zum Umweltgesetzbuch und die hiermit verbundenen Erwartungen der Entwurfsverfasser, mit dem Schwerpunkt auf der kooperativen Aufgabenwahrnehmung noch KloepferlRehbinderiSchmidt-Aßmanni Kunig (FN 4), S. 14, 155 ff., 377 ff.; die Selbstverantwortung des Bürgers schärfer akzentuierend BMU (FN 5), S. 88, 506 ff., 730 ff.; siehe ferner Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im ökologischen und technischen Bereich, 1998. 54 In dem Maße, wie der Anknüpfungspunkt und damit auch der Begrenzungszweck des Ordnungsrechts wegfallen, müssen indirekte und rekursiv angelegte Steuerungsmodelle vor allem den rechtsstaatlich elementaren Begrenzungen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genüge tun. Abgaben und andere "weiche" Steuerungsmittel können
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behrlich, muß aber den vielfach experimentellen Charakter motivationeller Systemanreize und längerfristig erst entstehende (häufig noch nicht abschließend zu bewertende) individuelle Verhaltensreaktionen sowie kollektive Marktreaktionen in der Zeit berücksichtigen. 55 b) Überschneidungen Ebensowenig wie ein dialektisches Verständnis von Staat und Gesellschaft übersehen darf, daß der öffentlich-rechtlich überforderte Staat in der Gesellschaft seine maßgebliche Entlastungsressource und die privatrechtlich verfaßte Gesellschaft im Staat ihren herausgehobenen Schutzgaranten findet, kann die dichotomische Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Steuerung über die Tatsache hinwegtäuschen, daß es sich in beiden Fällen um staatliche Steuerung handelt, sei es auf rechtlich verbindliche (aber vielfach faktisch unverbindliche) oder rechtlich unverbindliche (aber vielfach faktisch verbindliche) Weise.
danach geeignet und erforderlich zur Erreichung der umweltpolitischen Ziele sein, zumal ihr Einsatz regelmäßig im Vorsorgebereich erfolgt. U. U. sind sie gegenüber dem imperativen Vorgehen des Staates auch als das mildere Mittel zu werten, so flir Lenkungsabgaben Kloepfer, Grundrechtsfragen der Umweltabgaben, FS flir Hansmeyer, 1994, S. 161 ff. (171) und de lege ferenda § 6 Abs. 3 UGB-ProfE mit der gesetzlichen Anordnung eines Vorrangs solcher (flexibler) Instrumente, die dem Bürger hinreichende Möglichkeiten eigenverantwortlicher Entscheidungen belassen. Staatliche Lenkungsinformationen in Gestalt von behördlichen Warnungen und Empfehlungen sind jedenfalls dann als milderes Mittel gegenüber vergleichsweise "harten" Befehlen vorrangig geboten, wenn das private Verhalten bereits einem ordnungsrechtlichen Verbot unterliegt. Daß umgekehrt ein fehlendes Verbot das indirekte Vorgehen des Staates aber noch nicht unverhältnismäßig macht, zeigen insbesondere die Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, deren Entgegennahme durch den Staat milder als der unter Unsicherheitsbedingungen (und unzureichenden Kenntnissen über Umweltbelastungspfade) häufig problematische Verordnungserlaß sein kann. Zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen "Bruchs" der Absprache unter Vertrauensgesichtspunkten Di Fabio (FN 30), S. 123. 55 Von der "Temporalisierung des Rechtmäßigkeitsurteils" spricht plastisch Di Fabio (FN 30), S. 8. So ist das Duale System zur Erfassung und Verwertung gebrauchter Einwegverpackungen kartellrechtlich "vorerst nicht beanstandet" worden, wenngleich sich das Bundeskartellamt eine erneute Überprüfung ausdrücklich vorbehalten hat, vgl. KartteIStahl-Hoepner, Artikel "Wettbewerbsrecht", in: Kimminich/v. LersnerlStorm (Hg.), HdUR Bd. 2, 2. Aufl., 1994, Sp. 2763 ff. (2769). Ähnliches dürfte flir staatlich inspirierte Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu gelten haben, wobei in vertikaler Hinsicht die Anwendbarkeit des GWB (und damit auch das Kartellverbot nach § I GWB) wegen der öffentlich-rechtlichen Vorprägung zwar bezweifelt werden kann, der Staat aber gerade deshalb (d. h. nicht der Wirtschaftsminister, sondern zunächst der Umweltminister) in der Pflicht steht, in horizontaler Hinsicht kartellrechtswidrige Ergebnisse zu verhindern (und d. h. wiederum nicht allein der Ermessensentscheidung der Kartellbehörde zu überlassen): so im Ergebnis auch Grewlich, DÖV 1998,54 (56 ff.).
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
aa) Flexibilisierungen Überschneidungen zwischen direkter und indirekter Steuerung ergeben sich vor allem in der zunehmenden Flexibilisierung des ordnungsrechtlichen Vollzugs. Das Aushandeln von Verwaltungsakten,s6 aber auch die staatliche Duldung rechtswidrigen Handelns 57 gehören hierzu und stellen das Umweltrecht vor Herausforderungen von neuer Qualität. 5! Normierungen müssen sich in diesem Bereich vom ordnungsrechtlichen Regelungsmuster klassischer Prägung lösen und behördliche Spielräume offenhalten, soll das Recht nicht in einen sich verschärfenden Konflikt mit der Rechtsanwendung treten, in dem es gleich dem Hasen im Wettlauf mit dem Igel (immer) zu spät kommen muß.
56 Siehe bereits Schmidt-Salzer, VerwArch. 62 (1971), S. 135 (141 ff.). Problematisch ist dies im Vorfeld formalisierter Verfahren, wenn und weil der Verwaltungsakt zum "notariellen Beurkundungsakt" zu verkümmern droht: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 57; unter Hervorhebung des faktischen Ausschlusses von Drittbeteiligungsrechten HofJmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), S. 187 ff. Ob sich als Ausweg die analoge Anwendung der Vorschriften über die Beteiligung und Anhörung im Verwaltungsverfahren (§§ 13 Abs. 2,28 Abs. I VwVfG) für derartige Aushandlungsprozesse anbietet, erscheint zweifelhaft. In einem frühen Verhandlungsstadium dürfte kaum erkennbar sein, wer als Dritter in Betracht kommt. Zudem läßt sich schon der gesetzlichen Wertung des § 45 VwVfG entnehmen, daß es auf den Zeitpunkt der "Drittbeteiligung" jedenfalls nicht entscheidend ankommt. Es reicht daher aus, Dritte erst im Verwaltungsverfahren zu beteiligen: Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 91; M. Schulte (FN 48), S. 104 ff. (m.w.N.). Hierdurch wird ein Nachdenken über behutsame "Reformalisierungen" einvernehmlicher Vorverhandlungen aber nicht entbehrlich, vgl. etwa §§ 36 ff., 54 Abs. 1 S. I, 64 UGB-ProfE, 132 UGB-KomE. Die Entwürfe geben auch der weiteren Erprobung einer gerade auch Drittinteressen einbeziehenden Konfliktmittlung (Mediation) zur Strukturierung von unkontrollierten Vorverhandlungen (Negotiation) eine Chance, vgl. §§ 54 Abs. 4 UGBProfE, 89 UGB-KomE. 57 Vgl. RandelzhoferiWilke, Die Duldung als Form flexiblen Verwaltunsghandelns, 1981, S. 51 ff.; wie - und ob - sich eine derartige Praxis rechtfertigen läßt, ist nach wie vor umstritten. Insbesondere aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz läßt sich ein Absehen behördlichen Einschreitens im Wege der Duldung jedenfalls nicht rechtfertigen: M. Schulte (FN 48), S. 48 ff, 152 ff. (m.w.N.). 5i Erst die massive Verrechtlichung unter dem Grundgesetz hat die Lücken erkennen lassen, die zuvor als Flexibilitätsreserven des Staates für notwendig gehalten oder doch als mehr oder weniger selbstverständlich hingenommen wurden. Obgleich die indirekte Steuerung keine vom klassischen Gesetzes- und Maßnahmenvollzug vollständig getrennte Instrumentenschicht darstellt, ist der Vollzugsbegriff heute immer weniger imstande, die realen Erscheinungsformen staatlich angeregter Selbststeuerung angemessen einzufangen; rur ein Festhalten am Leitbegriff des Gesetzesvollzugs aber Di Fabio (FN 33), S. 241 ff.
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bb) Stabilisierungen Allerdings stehen die faktischen Wirkungen der indirekten Steuerung den rechtlichen Wirkungen von Ge- und Verboten häufig nicht nach und drohen diese bisweilen sogar zu übertreffen. Im Einzelfall (etwa für "verbotsgleich" wirkende Lenkungsabgaben59 oder Informationsakte) kann es zur rechtlichen Beurteilung indirekter Steuerung durchaus geboten sein, strengere Maßstäbe disziplinierend 60 und damit vor allem auch stärker stabilisierend anzulegen. 61
59 Ist der Abgabentatbestand so ausgestaltet, daß er das der Abgabepflicht unterworfene Verhalten unterdrückt und das Entstehen eines Abgabeaufkommens regelmäßig ausschließt, handelt es sich um eine erdrosselnde Abgabe, die in Gestalt einer Steuer nach überwiegend vertretener Auffassung unzulässig ist, vgl. etwa BVerfGE 8, 222 ff. (228); 38, 61 ff. (81); ebenso - zur kommunalen Verpackungssteuer - BVerfGE 98, 106 ff. (118). 60 Dies beschreibt das Dilemma indirekter Umweltpolitik: Sollen Informationen und andere Mittel der indirekten Verhaltenssteuerung wirkungsvoll eingesetzt werden, müssen sie den Adressaten in einer ähnlichen Weise von der Umweltbelastung abhalten wie ein sanktionsbewehrtes Verbot. Läßt das staatliche Handeln aber keine privaten Handlungspielräume, besteht kein Grund, es anders als ein (administratives) Verbot zu behandeln, vgl. zur grundrechtlich gebotenen Gleichbehandlung Murswiek (FN 51), S. 1025 ff. 61 Soweit verbotsgleiche Wirkungen erzielt werden, fordert das Bundesverwaltungsgericht für steuerliche Lenkungsabgaben neben der finanzverfassungsrechtlichen Steuerkompetenz die zusätzliche Abstützung auf die Sachgesetzgebungskompetenz nach Art. 73 ff. GG, vgl. BVerwGE 96, 272 ff. (290). Auch lenkende, aber verbotsgleich wirkende Gebühren können danach ebenso wie Informationsakte mit Verbotscharakter nur unter zusätzlichen Anforderungen gerechtfertigt sein, da sie ordnungsrechtlichen Maßstäben standhalten müssen. Umso schärfer stellt sich dann die Frage, ob das direkte Verbot nicht den verfassungsrechtlich geringeren Eingriff bedeuten würde. - Umstritten ist jedoch, ob die zusätzlichen Anforderungen lediglich in den Fällen verbotsgleicher Wirkungen erfüllt sein müssen. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Sachkompetenz für den außerfiskalischen Lenkungszweck nur dann zusätzlich erforderlich, wenn das Steuergesetz in seiner konkreten Ausgestaltung einem "unmittelbaren, gezielten sachlichen Gebot oder Verbot nach Gewicht und Auswirkung" gleichkommt. vgl. BVerwGE 96, 272 (287 ff.). Das Bundesverfassungsgericht geht nunmehr einen anderen Weg und sucht die Begrenzungen nicht mehr in der Sachkompetenz für steuerrechtliche Regelungen mit Lenkungswirkungen. Ausreichend sei vielmehr allein die Steuergesetzgebungskompetenz, deren Ausübung zur Entfaltung von Lenkungswirkungen in einem anderweitig geregelten Sachbereich aber nur zulässig sein könne, wenn dadurch die "Rechtsordnung nicht widersprüchlich" werde, vgl. BVerfGE 98, 106 ff. (118). Offen bleibt jedoch der Inhalt eines solchen Gebotes, dessen Charme darin liegen mag, der Frage nach einer verbotsgleichen oder doch verbotsnahen Wirkung nicht mehr nachgehen zu müssen. Praktikabel dürfte ein solches Gebot dagegen kaum sein, stellt sich doch bereits grundsätzlich die Frage, welche Dichte die Regelungen aufweisen müssen, um ein Tätigwerden des Landesgesetzgebers oder der Kommunen auszuschliessen. Erscheint das Erfordernis der Sachkompetenz bei jedem nicht nur peripheren Übergreifen des lenkenden Steuergesetzgebers auf Regelungsmaterien des Sachgesetzgebers auch zu eng, so geht der generelle Verzicht auf die (positive) Sachregelungskompetenz und deren Ersatz über Begrenzungen durch das (negative) Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung doch zu weit, da es letztlich jede - und wegen der Herleitung
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Vor dem Hintergrund der wechselseitigen Überschneidungen zwischen direkter und indirekter Steuerung62 fuhrt die fortschreitende Verrechtlichung neuer Handlungsformen indirekter Steuerung zu einer stärkeren Verzahnung mit dem bestehenden Ordnungsrecht: Schon heute zeigt sich dies in dem Rekurs auf ordnungsrechtliche Pflichten im Haftungs- und Versicherungsrecht,63 aber auch in der EG-Umweltauditverordnung, weIche die Zertifizierung von geprüften Standorten an die Einhaltung der umweltrechtlichen Pflichten knüpft. 64 Umge-
aus dem Rechtsstaatsgebot wohl nicht einmal auf Kompetenzabgrenzungen beschränkte - Ergänzungslösung des Gesetzgebers zur Disposition des Verfassungs gerichts stellt. 62 Während das herkömmliche Ordnungsrecht eine zunehmende Flexibilisierung erfährt und indirekte Steuerungswirkungen entfaltet, wird durch den geschickten Einsatz indirekter Steuerungsmittel die Gefahr direkter Steuerungswirkungen heraufbeschworen. Aber auch ohne eine solche "überschießende Tendenz" drohen durch den grundsätzlichen Ergänzungscharakter indirekter Steuerung freiheitsgefährdende Belastungskumulationen. Soweit die indirekte Steuerung neben das Ordnungsrecht tritt (und vielfach treten muß, weil auch durch den Einsatz indirekter Steuerungsmittel direkte Standardisierungen kaum entbehrlich werden dürften), sind die einzelnen Instrumente nicht jeweils ftir sich, sondern in einem Instrumentenverbund zu sehen. Das öffentliche Recht basiert mit seinen Begrenzungsmitteln wie dem Übermaßverbot jedoch auf der Grundannahme, jede staatliche Maßnahme allein ftir sich rechtlich angemessen betrachten zu können. So ist gerade das Übermaßverbot auf Einzeleingriffe ausgerichtet, kommt aber nicht ftir die Eingriffs- und Einwirkungsgesamtheit zum Zuge. Hierzu und dem Vorschlag, deshalb entindividualisierte Varianten des Übermaßverbotes zu entwickeln Kloepfer (FN 19), S. 208. Zur Verzahnung durch Entlastung unten, S. 120 (Fn. 68). 63 Vgl. § 6 Abs. 2 UmweltHG, wonach die Ursachenvermutung zugunsten des Geschädigten durch den Nachweis des bestimmungsgemäßen Betriebes, d. h. der Einhaltung der maßgeblichen ordnungsrechtlichen Vorschriften (§ 6 Abs.3 UmweltHG), erschüttert werden kann. Vor allem § 6 Abs. 4 Nr. 1 UmweltHG erleichtert den Nachweis durch die Vermutung der Einhaltung der Betriebspflichten, wenn ordnungsgemäß durchgeftihrte Eigenkontrollen keine näheren Anhaltspunkte ftir einen Pflichtenverstoß ergeben haben. Diese Verknüpfung mit dem Ordnungsrecht nimmt auch Ziff. 6.2 Abs. 2 des für die Versicherung von Umwelthaftungsrisiken zentralen Umwelthaftpflichtmodells auf, wonach Risiken aus dem bestimmungsgemäßen Betrieb nur gedeckt sind, soweit der Versicherungsnehmer nachweisen kann, daß er im Zeitpunkt der schadensursächlichen Umwelteinwirkung nach dem damaligen Stand der Technik den eingetretenen Schaden nicht erkennen mußte, vgl. dazu und der privatwirtschaftlichen Risikovorsorge durch die Versicherungswirtschaft Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 169 f. 64 Vgl. Art. 3a EG-UA VO, wonach sich die am Audit-System teilnehmenden Unternehmen selbst verpflichten, die geltenden Umweltvorschriften einzuhalten. Die Validierung der u. a. hierauf beruhenden Umwelterklärung durch den Umweltgutachter erfolgt nach Maßgabe des im Betrieb etablierten Umweltmanagementsystems, erfordert also keine "Rundum"-Kontrolle, sondern ist primär darauf gerichtet, die Geeignetheit der Betriebsorganisation zur Gewährleistung der Umweltrechtskonformität festzustellen, vgl. Art. 3c EG-UA VO. Anhand von erkennbaren Umweltrechtsverstößen kann dann (vor allem - aber nicht nur - in Fällen der Organisationsrelevanz) auf die Ungeeignetheit der Betriebsorganisation geschlossen werden: KloepferlBräcker, Evaluierung von Umweltmanagementsystemen zur Vorbereitung der 1998 vorgesehenen Überprüfung des gemeinschaftlichen Öko-Audit-Systems (UFO-Plan-Vorhaben 10103198), MS 1998, S. 13 f. Darüber hinaus berechtigt das Bekanntwerden von Umweltrechtsverstössen durch Mitteilungen der zuständigen Vollzugsbehörde die Industrie- und Handels-
A. Allgemeine Merkmale
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kehrt wird die Verknüpfung von direkter und indirekter Steuerung in den betrieblichen Organisationspflichten erkennbar, die zwar rechtsverbindlichen Charakter aufweisen, aber zugleich einen Anreiz darstellen, von sich aus mehr für die Erfiillung umweltschützender Regelungs- und Steuerungsziele zu unternehmen. So dienen traditionelle Eigenüberwachungspflichten 65 ebenso wie die in modernen Umweltgesetzen statuierte Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten 66 der Stärkung von Eigenverantwortung im Unternehmen."7 Vorliekammer zur Ablehnung der flir die Zeichen verwendung erforderlichen Registrierung, vgl. § 8 Abs. 4 EG-UAVO i.V.m. § 32 UAG. 65 Die umweltrechtlichen Wurzeln der Eigenüberwachung liegen zu einem großen Teil in der Gewerbeordnung, vgl. zur Selbstkontrolle im Rahmen des § 24c Abs. 1 S. 1 GewO a. F. Steiner, DVBI. 1987,1133 ff. (1136); zur Eigenprüfung bei überwachungsbedürftigen Anlagen nach dem Gerätesicherheitsgesetz Peine, Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz), 2. Aufl. 1995, § 14 Rn. 2. Daneben ist die Eigenüberwachung schon seit längerer Zeit vor allem im Wasserrecht bekannt, vgl. Kloepfer (FN 14), § 13 Rn. 186 ff.; zu den landesrecht lichen Eigenüberwachungspflichten Reinhardt, AöR 118 (1993), S. 617 (641 ff.). Weitergehend i. S. einer Ausweitung der Eigenüberwachung durch private Dritte: §§ 26 ff. BImSehG, 19i WHG sowie das europäische "Neue Harmonisierungskonzept" mit einem abgestuften System der betrieblichen Eigenüberwachung und durch Dritte kontrollierter Selbstüberwachung: Di Fabio, Produktharmonisierung durch Normung und Selbstüberwachung, 1996, S. 10 ff. Den Gedanken der (kontrollierten) Eigenüberwachung flir das Umweltrecht verallgemeinernd §§ 11,70 UGB-ProfE, 133 Abs. 2, 143 ff. UGB-KomE. 66 Die im Bergrecht schon früh aufgegriffene Idee einer obligatorischen Selbstkontrolle durch unternehmens interne Betriebsbeauftragte (§§ 58 Abs. 1 Nr. 2, 59 f. BBergG sowie §§ 53 ff., 58a ff. BImSchG i.V.m. der 5. BImSchV, 21a ff. WHG, 54 f. KrW-/ AbfG, 29 ff. StriSchV) bildet nur einen kleinen, wenn auch zentralen Ausschnitt aus dem Arsenal staatlicher Instrumente, die betriebliche Organisationsstruktur stärker auf die Beachtung von gesetzlichen Umweltbelangen auszurichten. So bezwecken auch die Offenlegungspflichten der umweltbelastungsvermeidenden Betriebsorganisation nach §§ 52a BImSehG, 53 KrW-/AbfG eine Überwindung der betrieblichen Hürden gegenüber den gewachsenen Anforderungen durch das Ordnungsrecht. In einem weiteren Sinne können· hierher die betrieblichen Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen nach §§ 19, 20 KrW-/AbfG gezählt werden, deren Erstellung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben im Wege der Selbsterkenntnis auch verbesserte Lern- und Organisationsprozesse anzuregen imstande sein dürften. Weiter ausgebaut wird der Gedanke eines betrieblichen Umweltorganisationsrechts schließlich in den Entwürfen zum Umweltgesetzbuch mit der Schaffung eines auf der Leitungsebene von Kapitalgesellschaften angesiedelten "Umweltschutzdirektors" (§§ 94 UGB-ProfE, 154 UGB-KomE), der Stärkung der Position des Umweltschutzbeauftragten (§§ 96 UGB-ProfE, 155 ff. UGB-KomE) und neuen umweltbezogenen Rechnungslegungspflichten (§§ 14 UGB-ProfE, 170 UGB-KomE); vgl. BMU (FN 5), S. 730 ff. 67 Statt vieler Kloepfer, Umweltschutz und Unternehmen, in: Coing u.a (Hg.), Staat und Unternehmen aus der Sicht des Rechts, 1993, S. 329 ff. Der staatliche Appell, Eigenverantwortung zu übernehmen, findet nicht nur im einzelnen Unternehmen Anklang. Ganze Wirtschaftszweige sehen sich inzwischen zur (staatlich angebotenen) Abwendung eines (staatlich angedrohten) schärferen Vorgehens veranlaßt, selbständige Organisationseinheiten zu bilden, deren primäre Gründungsidee - wie das Beispiel der "Duales System Deutschland AG" zeigt - in der eigenverantwortlichen Erflillung öffentlicher Zwecke liegt (§ 14 AbfG a.F. i.V.m. § 6 Abs. 3 VerpackV). Der jüngste Entwurf zum
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gend wird daher von organisatorischen Instrumenten gesprochen, die unabhängig von dem jeweiligen Formalisierungsgrad insoweit der indirekten Verhaltenssteuerung zugerechnet werden können, als sie im Kern das Eigeninteresse fur die Etablierung einer umweltschützenden Betriebsorganisation und deren das Ordnungsrecht entlastenden 68 - Kontrolle zu mobilisieren versuchen.
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung I. Ökonomische Instrumente Die Umweltökonomie begreift Umweltprobleme als Knappheitsprobleme und die gestiegene Umweltbelastung im Grundsatz als Überbeanspruchung knapper Ressourcen. Der Markt kann diese Knappheitsverhältnisse nicht ausdrücken und über Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringen, weil Umweltressourcen herkömmlich als "freie Güter" behandelt und kostenlos in An-
Umweltgesetzbuch greift in Anlehnung an die §§ 24 f. ff. KrW-/AbfG den Gedanken verbandsgesteuerter Organisation auf (§§ 34 f. UGB-KomE) und geht mit dem Angebot an den Landesgesetzgeber, neue Selbstverwaltungseinheiten in Gestalt von regionalen Umweltgebietsverbänden mit autonomen Rechtsetzungsbefugnissen zu schaffen (§ 40 UGB-KomE), noch einen Schritt weiter. Zur Kollektivierung der Eigenverantwortung durch Organisationsbildungen im intermediären Bereich von Staat und Gesellschaft Di Fabio (FN 33), S. 252 ff. 68 Daß eine Entlastung durch die Verminderung des Eingriffspotentials geboten ist, ergibt sich nicht von selbst, sondern insbesondere daraus, daß der instrumentale Wirkungsmix in seiner Gesamtheit von dem auf Einzelakte zugeschnittenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend diszipliniert werden kann. Das Problem liegt freilich im Detail und der Frage, wie das Zusammenspiel von direkter und indirekter Steuerung strukturiert werden soll: Neben dem im Umweltrecht bereits teilweise verwirklichlichten Gedanken der Subsidiarität staatlicher Aufgabenwahrnehmung (vgl. etwa §§ 6 Abs. 1 S. 3 GSG, 7 Abs. 3 ProdSG; de lege ferenda i. S. einer Übertragung der staatlichen Aufgabenerfüllung auf nichtstaatliche Träger bei unverhältnismäßigen Belastungen für die Betroffenen § 6 Abs. 4 UGB-ProfE) bietet sich hier vor allem eine Stärkung des gerade im Organisationsrecht schon lange praktizierten staatlichen Rückgriffs auf die private Normungstätigkeit im Wege der steuernden Rezeption an, vgl. Schmidt-Preuß, Private technische Regelwerke. Politische und rechtliche Fragen, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 89 ff. (95); Feldhaus, Umweltnormung und Deregulierung, in: Rengeling (Hg.), Umweltnormung, 1998, S. 137 (139 ff.); de lege ferenda i. S. einer rechtlichen Vermutungswirkung privater Normen §§ 161 UGB-ProfE, 33 UGB-KomE. Daneben kommt aber auch eine kontrollierte Rücknahme der ordnungsrechtlichen Prüfdichte in Betracht, sei es punktuell- wie bereits für auditierte Betriebe etwa §§ 2 der 9. BlmSchV, 8 Abs. 6 AbfKoBiV und im Landesrecht z. B. § 4 BWAbfG - oder generell im Wege einer inhaltliche Detailfragen ausklammernden Rahmengenehmigung für selbstkontrollierte Betriebe, in dieser Richtung die Vorschläge der sog. Schlichter-Kommission: BMWi (Hg.), Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, 1994, Tz. 274, 541 ff.
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spruch genommen werden können (Allokationsproblem). Statt auf Ge- und Verbote setzen umweltökonomische Politikempfehlungen daher auf den Preis, mit dem eine (künstliche) Verteuerung der Umweltnutzung angestrebt wird. Idealtypisch kommt es hierdurch zu einer Internalisierung der externen Effekte, also der Rückverlagerung der (bisher von Dritten oder der Allgemeinheit getragenen) Kosten von UmweItnutzungen auf den Verursacher (in dessen betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung sie bisher nicht erschienen sind).69 Über diesen Ausgangspunkt ließ sich in der wohlfahrtstheoretisch begründeten Umweltökonomie vergleichsweise schnell ein breiter Konsens erzielen. Umstritten waren (und sind abgeschwächt auch noch heute) demgegenüber die Aussagen darüber, wie - und vor allem auf welchem instrumentalem Wege eine solche Kostenanlastung beim Verursacher durch Politik und Recht umzusetzen ist. Mit der gebotenen Vorsicht lassen sich drei umweltökonomische Entwicklungsphasen erkennen, die von (eher wirklichkeitsfremdem) Modellen des theoretischen Optimums über (wirklichkeitsnähere) Aussagen zur ökonomischen Effizienz schließlich in (deutlich wirklichkeitsbezogenere) pragmatische Mischstrategien mündeten. 7o Diese Pragmatisierung hat die rechtswissenschaftliche Rezeption und rechtliche Realisierung bzw. Realisierbarkeit ökonomischer Instrumente nicht unmaßgeblich beeinflußt. J. Abgaben
a) Ökonomische Idee Das Vorhandensein externer Effekte (d. h. nicht bezahlter Umweltnutzungen mit Nutzungseinbußen bei Dritten und damit verbundenen Wohlfahrtsverlusten) nahm die neoklassische Theorie anfänglich zum Anlaß, ein Marktversagen zu konstatieren, das durch staatliche Regulierung zu korrigieren sei. Hierfür boten sich Abgaben und Steuern grundsätzlich an, erlauben sie es doch, ein flexibles Preissystem für belastende und weniger belastende Umweltnutzungen einzurichten. 71 Gleichwohl ließe sich gegenüber der Internalisierungsidee und seiner 69 Anschaulich Hansmeyer, Umweltpolitische Ziele im Steuer- und Abgabensystem aus finanzwissenschaftlicher Sicht, in: Breuer/KloepferlMarburger/Schröder (Hg.), UTR 16 (1992), S. 1 (2 tI); zum Ausgangspunkt der Umweltökonomie auch Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, 1986, S. 55 ff. (m.w.N.). 70 Statt vieler Hansmeyer/Schneider, Umweltpolitik. Ihre Fortentwicklung unter marktsteuerenden Aspekten, 2. Aufl., 1992, S. 14 fI Zu den Entwicklungslinien der umweltökonomischen Theorie Gawel, ZAU 1994, 37 (45 ff.); zusammenfassend auch Köck, Umweltökonomie, Umweltpolitik und Umweltrecht, in: Roßnagel/Neuser (Hg.), Reformperspektiven im Umweltrecht, 1996, S. 141 (144 fI). 71 Zur "theoretisch adäquaten Möglichkeit" einer auf diesem Wege bezweckten Internalisierung externer Effekte Feess-Dörr, Mikroökonomie, 1991, S.334; allgemein zur Steuerung durch Umweltabgaben Hansjürgens, Umweltabgaben im Steuersystem,
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maßgeblichen Ausformung durch Arthur Cecil Pigou 72 einwenden, die kognitive und evaluative Problematik der Monetarisierung von Umweltschäden mache es dem Staat nahezu unmöglich, den (richtigen) Preis zu finden und zu setzen (Informations- und Bewertungsproblem).73 Diese Schwierigkeiten versucht der von William J. Baumol und Wallace E. Gates entwickelte und sich in den frühen 70er Jahren verbreitende sog. "Standard-Preis-Ansatz"74 insoweit zu vermeiden, als das Umweltschutzniveau nicht mehr als das Resultat ökonomischer Prozesse (auf der Basis individueller Präferenzen), sondern als exogene Vorgabe (politischer Grundentscheidungen) begriffen wird. In diesem Rahmen gehe es ökonomisch lediglich darum, die Zielvorgaben in möglichst effizienter Weise zu erreichen. 7; Mit dem Verzicht auf den Versuch einer Allokationsoptimierung (im Sinne einer gesamtwirtschaftlich optimalen Kosteninternalisierung) rückten fur die Abgabenerhebung und -bemessung die zur Erreichung des Standards erforderlichen Vermeidungskosten (im Sinne einer kostenminimalen Qualitätszielerreichung) in den Vordergrund umweltökonomischer Betrachtungen. Werde die Abgabe oberhalb dieser Vermeidungskosten festgesetzt, gebe sie einen (dynamischen) Anreiz zu umweltverträglichen Verhaltensweisen und schaffe zugleich einen finanziellen Ausgleich zwischen Umweltnutzern, die Vermeidungsmaßnahmen (unter Abwendung der Abgabepflicht) ergreifen und solchen, die ihre umweltbelastende Tätigkeit (unter Erfullung der Abgabepflicht) uneingeschränkt fortsetzen. Diese "Wahlfreiheit" fuhre im Unterschied zum starren Ordnungsrecht dazu, daß Vermeidungsmaßnahmen vorrangig dort ergriffen würden, wo sie den (ökonomisch) höchsten oder doch höheren, weil individuelle Kostenstrukturen berücksichtigenden Effizienzgrad erreichen. 76
b) Rechtliche Realisierung Auf dieser Grundlage trafen die von der Umweltökonomie vorgeschlagenen Abgabenlösungen in der Rechtspolitik zunehmend auf Resonanz und ließen sich 1992, S. 23 fr; H. Zimmermann (Hg.), Umweltabgaben. Grundsatzfragen und abfallwirtschaftliche Anwendung, 1993. 72 Pigou, The Economics ofWelfare, 1920. 7J Die Einführung eines modellgerechten Systems von Pigou-Steuern erscheine daher als Utopie: Hansmeyer, ZfU 1987,251 ff. (253); vgl. zur Kritik auch Dickertmann, Erscheinungsformen und Wirkungen von Umweltabgaben aus ökonomischer Sicht, in: P. Kirchhof (Hg.), Umweltschutz im Abgaben - und Steuerrecht, 1993, S. 33 (36 ff.). 74 Baumol/Oates, The Use of Standards and Prices for Protection of the Environment, Swedish Journal ofEconomics 73 (1971), S. 42 ff. 75 Zur aus der Sicht der Wohlfahrtsökonomie "zweitbesten Lösung" siehe Bonus, Vergleich von Abgaben und Zertifikaten, FS für Hansmeyer, 1994, S. 287 ff. (294). 76 Zum Ganzen siehe auch Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 268 ff.
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vor allem in Gestalt der Abwasserabgabe im Umweltrecht realisieren. Hierfür war maßgeblich das Reformklima nach dem Regierungswechsel 1969 17 verantwortlich, das eine intensive Auseinandersetzung mit dem 1971 im ersten Umweltprogramm der Bundesregierung78 proklamierten Verursacherprinzip auslöste und - begleitet vom rechtswissenschaftlichen Schrifttum 79 - 1976 zur Verabschiedung des Abwasserabgabengesetzes fuhrte. 80 Einen zweiten Aufmerksamkeitsschub löste 1982 der Antritt der Bundesregierung unter Helmut Kohl aus. 81 Ist es in der Folgezeit auf Bundesebene auch nicht zur Einführung weiterer Umweltlenkungsabgaben gekommen,82 so sind doch von einem Teil der Länder seit 1988 insbesondere Wassemutzungsentgelte K3 und Sonderabfallabgaben 84 eingefuhrt worden, deren Zulässigkeit freilich ebenso wie die
17 Der Auf- und Ausbau von Umweltpolitik und Umweltrecht in den frühen 70er Jahren wird nicht nur auf die gewachsenen Umweltprobleme, sondern zu einem großen Teil auch auf das verbreitete Reformklima der frühen sozialliberalen Koalition zurückgefiihrt: Kloepfer, Umweltrechtsentwicklungen in Deutschland nach 1945, in: ders. (Hg.), Schübe des Umweltbewußtseins und der Umweltrechtsentwicklung, 1995, S. 91 (100 ff.); zur Reformbereitschaft der sozialliberalen Bundesregierung H. P. Vierhaus, Umweltbewußtsein von oben. Zum Verfassungsgebot der demokatischen Willensbildung, 1994, S. 122 f.; E. Müller, Sozial-liberale Umweltpolitik. Von der Karriere eines neuen Politikbereichs, APuZ Beilage 47-48 v. 17.11. 1989, S. 3 ff. 78 Umweltprogramm der Bundesregierung vom 2 I. September 1971, BTDrs.6/271O. 79 Wegweisend Salzwedel, Die Erhebung von Abwassergebühren, 1972; zum damaligen Meinungsstand Kloepfer, DÖV 1975, 593 ff.; E. Rehbinder, Wirtschaftsordnung und Instrumente des Umweltschutzes, FS für F. Böhm, 1975, S. 499 ff. 80 Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz) v. 13.9.1976 (BGBI. I S. 2721, 3007) i. d. F. der Bek. v. 3.11.1994 (BGBI. I S. 3370); zur Wirkungsweise der Abwasserabgabe Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Aufl., 1995, S. 19 ff.; krit. M. Böhm, Die Wirksamkeit von Umweltlenkungsabgaben am Beispiel des Abwasserabgabengesetzes, 1989. 81 Aus dem Schrifttum etwa SchneideriSprenger (Hg.), Mehr Umweltschutz durch weniger Geld?, 1984; Deutsche Stiftung für Umweltpolitik (Hg.), Umweltpolitisches Gespräch: Ökonomische Instrumente der Umweltpolitik. Neuer Weg oder Sackgasse?, 1984; repräsentativ auch Feldhaus, DVBI. 1984, 552 ff. Zur weitgehenden Kontinuität der Umweltpolitik Weidner, Die Umweltpolitik der konservativ-liberalen Regierung, APuZ Beilage 47-48 v. 17.11.1989, S. 16 ff. 82 Zu den Gründen Benkert, Warum sind Umweltabgaben ebenso populär wie selten?, FS rur Hansmeyer, 1994, S. 47 ff. und S. 56: Der Kollektivgutcharakter von Umweltgütern bringe den Anreiz mit sich, Qualitätsverbesserungen nur mit solchen Finanzierungsregelungen zu fordern, die jeweils "die Anderen" belasten. 83 Siehe §§ 17a ff. WG BW, 13a BWG, 47 ff. NdsWG und Art. 4 Abs. 2 BayWG sowie die Regelungen im Brem GruwEG, GruwaG Hmb, HGruwAG und GruWAG SH. Zur Rechtslage in den neuen Bundesländern, wo an das Wassernutzungsentgelt im DDR-Wasserrecht angeknüpft werden konnte: Sanden, UPR 1994, 424 ff. und §§ 40 BbgWG, 16 ff. WG MV, 47 WG LSA, 23 SächsWG, 31 ff. ThÜrWG. 84 Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachsen erhoben bis 1998 eine Erzeugerabgabe, Schleswig-Holstein teilweise auch eine Deponieabgabe auf Sonderabfall. Hessen sah ursprünglich zwar ebenfalls die Erhebung einer Sonderabfallabgabe vor. Die
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kommunale Verpackungssteuer lange Zeit umstritten war K5 bzw. noch heute 86 ist. 87 Ihren ökonomischen Gegenspieler, die das Gemeinlastprinzip verwirklichenden Subventionen, haben Umweltabgaben zudem nicht verdrängen können. Vor allem in der Gestalt von steuerlichen Verschonungssubventionen K8 kann jedoch auch dem Instrument der Subventionierung umweltfreundlicher Verhaltensweisen eine nicht unbeträchtliche Lenkungsfunktion zukommen. K9
hessische Landesregierung vereinbarte jedoch mit der Vereinigung hessischer Unternehmerverbände, die Erhebung der Abgabe vorerst auszusetzen (Gesetz v. 16.12.1996, GVBI. I S. 535: "wird zwischen 1997 und 1999 nicht erhoben"), da sie sich als Investitionshemnis erwiesen habe. Im Gegenzug verpflichtete sich die Wirtschaft zur Verringerung der produktionsspezifischen Abfalle um 15 % bis Ende 1998, vgl. SZ Nr. 287/96, S. 5. Lediglich Nordrhein-Westfalen erhebt für die gewerbliche Sonderabfallentsorgung ein sog. Lizenzentgelt, vgl. §§ 11 ff. LAbfG NW. 85 Die Verfassungsbeschwerden gegen die Erhebung einer Abgabe auf die Entnahme von Wasser durch die Länder Baden-Württemberg und Hessen sind zurückgewiesen worden, vgl. BVerfGE 93, 319 ff.; das Schrifttum hat der Entscheidung trotz mancher Detailkritik überwiegend zugestimmt, vgl. etwa Murswiek, NuR 1996, 417 ff.; Heimlich, DÖV 1997, 996 ff. Dagegen sind die Bestimmungen des baden-württembergischen Landesabfallabgabengesetzes, des niedersächsischen und des schleswig-holsteinischen Abfallabgabengesetzes sowie des Sonderabfallabgabengesetzes in Hessen für verfassungswidrig erklärt worden, vgl. BVerfGE 98, 83 ff.; das Schrifttum hat der Entscheidung im Ergebnis teilweise zugestimmt, aber die Begründung nahezu ausnahmslos als verfehlt, wenn nicht sogar als überschießend und unheilanrichtend bezeichnet: statt vieler Sendler, NJW 1998, 2875 ff.; siehe auch Kloepjer, Abfallrecht im Bundesstaat, in: ders. (Hg.), Abfallrecht und Föderalismus, 1999, S. 13 ff. Ähnliches gilt für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur kommunalen Verpackungssteuer, welche die Erhebung von örtlichen Verbrauchssteuern nach der "Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer in Kassel" v. 16.12.1991 (NVwZ 1992,961 f.) rur unvereinbar mit dem vom Bundesgesetzgeber im Abfallgesetz bzw. KrW-/AbfG verfolgten "Kooperationskonzept" und damit für verfassungswidrig erklärte: BVerfGE 98, 106 ff. 86 Die nordrhein-westfälische Regelung zum Lizenzentgelt ist vom OVG Münster dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden, da sie aufgrund fehlender Gesetzgebungsbefugnis des Landes verfassungswidrig sei: OVG Münster, ZUR 1996, 208 ff. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird in Kürze gerechnet. Ein allgemeiner Überblick zum abgabenrechtlichen Streitstand findet sich bei Kloepjer, Verfassungsrechtliche Probleme von Abfallabgaben unter besonderer Berücksichtigung der Abfallverbringungsabgabe, in: Deutsches Anwaltsinstitut e.V. (Hg.), Brennpunkte des Verwaltungsrechts, 1997, S. 82 ff. 87 Es scheint heute kaum noch eine Abgabe zu geben, die nicht auf den Prüfstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehoben wird. Dies mag freilich auch ein Anzeichen darur sein, wie schwer sich neue Lenkungsabgaben akzeptierend in das bestehende Umweltrecht einrugen lassen. Bezeichnenderweise ist die Abwasserabgabe aus der legislativen Aufbauphase des modernen Umweltrechts wegen ihres spezifischen Lenkungsgehalts nicht vor die Gerichte gebracht worden, vgl. aber OVG Münster, DVBI. 1984, 348 (250 f.) und jetzt - allerdings nur zu einem Detailproblem - BVerwG, DÖV 1997, 1046 ff. 88 Vgl. Rodi, Stu W 1994, 204 ff. 89 Vgl. Kloepjer (FN 14), § 5 Rn. 232 ff., 245 ff.
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Inzwischen ist anerkannt, daß Lenkungsabgaben grundsätzlich in jeder Rechtsfonn erhoben werden können. Neben Sonderabgaben90 eignen sich auch Steuem91 und Vorzugs lasten (Gebühren und Beiträge)92 zur Aufnahme von verhaltenssteuernden Lenkungszwecken. Allerdings hat der Lenkungszweck in den Abgabetatbeständen eine unterschiedliche Ausgestaltung erfahren. Ist die Abwasserabgabe Uedenfalls in ihrer ursprünglichen Konzeption) noch überwiegend nach Lenkungsaspekten ausgestaltet, so tritt der Lenkungszweck bei den Wassernutzungsentgelten neben den Finanzierungszweck. 93 Noch deutlicher werden von den übrigen derzeit erhobenen UmweItabgaben lenkungsfremde Zwecke in den Vordergrund gerückt. So dienen etwa die nach Landesrecht erhobenen Naturschutzausgleichsabgaben 94 in erster Linie der "Wiedergutmachung" von Eingriffen in den NaturhaushaIt95 und die Abfallverbringungsabga90 BVerfGE 67, 256 (275 ff.). Je stärker der Lenkungszweck in den Vordergrund gestellt wurde, desto mehr schien sich das Schrifttum auf die Behandlung von Umweltabgaben als Sonderabgaben zu konzentrieren, bei denen die Verfolgung rein fiskalischer Zwecke ausgeschlossen ist. Nicht selten wurde zur Rechtfertigung von lenkenden Umweltsonderabgaben die vergleichsweise strenge Sonderabgabenjudikatur des Bundesverfassungsgerichts kritisiert, die es jedoch zum einen überhaupt erst erlaubt hatte, gleichsam neben der bundesstaatlichen Finanzverfassung eigenständige Abgaben zu erheben, zum anderen aber auch den Ausnahmetatbestand der Sonderabgabe nicht als strikten Ausschlußtatbestand begreift, der jede weitere Lenkungsabgabe neben der Sonderabgabe unzulässig macht, vgl. BVerfGE 82, 159 ff. (181). 91 BVerfGE 55, 274 ff. (299); 67, 256 ff. (282); aus dem Schrifttum statt vieler v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 286 (281 ff.); zu den finanzverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen Köck, JZ 1991, 692 ff. 92 BVerfGE 50, 217 ff. (226); 93, 319 ff.); aus dem Schrifttum Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 232 (238 ff.); F. Kirchhof Die Höhe der Gebühr, 1981, S. 131 ff.; S Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, 1995, S. 42 ff.; Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, 1996, S. 212 ff. (m.w.N.); zur Zu lässigkeit lenkender Beiträge Meßerschmidt (FN 69), S. 35 ff.; Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 292. 93 In einem weiteren Sinne lenkt jeder Preis (rationales Verhalten). Bei der Umweltabgabe mit Lenkungsfunktion ist die Abgabenerhebung und ihre Wirkung beim Abgabenpflichtigen jedoch selbst das Steuerungsmittel, während bei der Umweltabgabe mit einer stärker ausgeprägten Finanzierungsfunktion die gewünschte umweltpolitische Steuerung erst über die Verwendung des Abgabenaufkommes erreicht wird. Ohne Zweckbindung fließt das Abgabenaufkommen freilich in den Landeshaushalt, vgl. § 17a Abs.3 S.2 WG BW. Teilweise dient das Abgabenaufkommen auch zur Finanzierung von Ausgleichszahlungen an Landwirte nach § 19 Abs. 4 WHG, so etwa § 47h Abs. 3 NdsWG. Eine ausdrückliche (und umweltpolitisch sinnvolle) Zweckbestimmung insbesondere für Maßnahmen der Gewässersanierung enthält dagegen § 6 Abs. 2 HGruwAG. Das Bundesverfassungsgericht hat die Wassernutzungsentgelte indessen nicht vor dem Hintergrund ihrer Lenkungs- und/oder Finanzierungsfunktion betrachtet, sondern die Vorteilsabschöpfungsfunktion im Rahmen der rechtlichen Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit in den Vordergrund gestellt: BVerfGE 93, 319 ff. (345). 94 Exemplarisch § 11 Abs. 5 NatSchG BW; zur Rechtslage in den Ländern Martikke, NuR 1996,387 (391 ff.). Baden-Württemberg und Hessen erheben außerdem Walderhaltungsabgaben, vgl. §§ 9 Abs. 4 LWaldG BW, 11 Abs. 5 HessForstG. 95 BVerwGE 74, 308 ff. (310).
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be primär der Finanzierung des Solidarfonds Abfallrückführung. 96 Für die finanzverfassungsrechtliche Einordnung und die (keineswegs abgeschlossene) rechtliche Beurteilung von Umweltabgaben hat das Maß der Lenkung eine entscheidende Rolle gespielt. Zum einen machte es die Lenkungsunschärfe verhaltensinduzierend wirkender Abgaben notwendig, auf die das herkömmliche Ordnungsrecht lediglich ergänzende Funktion dieser Abgaben hinzuweisen. 97 Dies betrifft vor allem die Abschichtung zwischen der sich einer abgabenrechtlichen Steuerung prinzipiell entziehenden Abwehr von Gefahren und der abgabenrechtliche Lösungen grundsätzlich ermöglichenden Vorsorge gegenüber Risiken. 9H Zum anderen gilt es aber wegen der Lenkungswirkung von Abgaben festzuhalten, daß die rechtliche Ermöglichung einer marktlichen Bewirtschaftung durch Umweltabgaben in unterschiedlichem Umfang eine staatliche Bewirtschaftung des abgabenrechtlich erfaßten Umweltmediums voraussetzt. 99 Das Bundesverfassungsgericht hat sich einer finanzverfassungsrechtlichen Qualifizierung von Umweltlenkungsabgaben zuletzt entzogen lOO und mit dem freilich erst in Ansätzen erkennbaren - Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung einer rechtsstaatlichen Betrachtungsweise breiten Raum gegeben. lol Damit werden die Handlungsspielräume des Staates für den Bürger aber nicht klarer, sondern unter dem bemühten Rückgriff auf ein fragwürdiges und kaum praktikables Gebot eher verunklart. 102 Eröffnet schon die Widerspruchs96 § 8 Abs. I S. 5 und 6 AbNerbrG - Gesetz über die Überwachung und Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungsgesetz) v. 30.9.1994, BGBI. I S. 2771. 97 So bereits Kloepfer (FN 79), S. 593 ff. 9K Da Abgaben ein flexibles Verhalten des Adressaten ermöglichen (und durch die Erfüllung der Abgabepflicht ein umweltschützendes Handeln auch unterbleiben kann), kommt der Einsatz von Umweltabgaben erst jenseits der Gefahrengrenze zum Zuge, vgl. zur gebotenen Grundsicherung durch das Ordnungsrecht Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 280. Auch in der Umweltökonomie dürfte der eingeschränkte Anwendungsspielraum von Umweltabgaben nunmehr weitgehend akzeptiert sein: Cansier, NVwZ 1994, 642 ff. 99 Dort, wo der Gesetzgeber - wie im Gewässerschutz - den Freiheitsgebrauch eingeschränkt bzw. aus dem grundrechtlichen Schutzbereich herausgenommen hat, schöpft die Lenkungsabgabe den wirtschaftlichen Nutzungsvorteil der - bisher kostenlosen Inanspruchnahme eines Allgemeingutes ab: so für die Wassernutzungsentgelte BVerfGE 93, 319 ff. (346). Solange der Gesetzgeber für die Luft und den Boden am überkommenen Konzept der kostenlosen Ressourcennutzung festhält, kann jedoch in der durch die Genehmigung eröffneten Nutzungsmöglichkeit dieser Umweltmedien kein (geleisteter) individueller Vorteil gesehen werden. Die Nutzung dieser Umweltgüter ist - jedenfalls nach derzeit überwiegend vertretenen Auffassung - nicht Teilhabe, sondern Freiheitsgebrauch und damit keiner freien Vergabe von Nutungsrechten zugänglich. Zum Meinungsstand Kloepfer (FN 54), S. 172 ff.; unter dem Aspekt ökologischer Grundpflichten zuletzt auch Führ, NuR 1998, 6 ff. 100 BVerfGE 93,319 ff.; BVerfGE 98, 83 ff. 101 BVerfGE 98, 106 ff. - Verpackungssteuer. Hierauf verweist BVerfGE 98, 83 (97 f.) - Abfallabgaben. 102 Von einer "Reise nach Absurdistan" spricht Sendler (FN 85), S. 2875.
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freiheit der Rechtsordnung - ähnlich wie das immer wiederkehrende, aber jüngst als Scheinprinzip entlarvte Postulat der Einheit der Rechtsordnung lO ) beliebige Interpretationsmöglichkeiten, so noch viel mehr der in den Entscheidungen zur kommunalen Verpackungssteuer und den landesrechtlichen Sonderabfallabgaben gewählte Maßstab ihrer Vereinbarkeit mit dem Kooperationsprinzip, wie es im Bundesabfallgesetz (1986) bzw. im Bundes-Immissionsschutzgesetz nach der Auffassung des Gerichts zum Ausdruck gekommen sein soll.104 Die (ökonomische) Lenkung sei mit der Offenheit der Handlungsmittel, die das "Kooperationskonzept" des Abfallgesetzes präge, grundsätzlich unvereinbar. 105 Der Steuertatbestand stehe dem abfallrechtlichen Prinzip kooperativer Verantwortung entgegen, weil dieses lediglich den Vermeidungerfolg als Ziel vorgebe, den Weg zu diesem Ziel aber dem sachkundigen Einvernehmen überlasse. 106 So gesehen, durchkreuze die Verpackungssteuer die Verwirklichung des nunmehr auch in der Verpackungsverordnung vorgegebenen Modells. 107 Ähnlich argumentiert das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Unvereinbarkeit der landesrechtlichen Abfallabgaben, welche dem Kooperationsprinzip des Bundes-Immissionsschutzgesetzes widersprechen sollen, da sie dem Anlagenbetreiber nicht die bundesgesetzlich vorgegebene Wahl über die Art und Weise der Erfüllung der abfallrechtlichen Pflichten ließen. IOK Sicherlich wird man einer bundesgesetzlichen Konzeption im Einzelfall entsprechende Sperrwirkungen gegenüber dem kommunalen Satzungs- oder auch Landesgesetzgeber zugestehen können. 109 Ebenso richtig und notwendig ist das Bemühen, die indirekte Steuerung durch Abgaben nicht nur gegenüber dem Ordnungsrecht, sondern auch gegenüber anderen indirekten Instrumenten abzuschichten. Nur: Der Bedeutungsinhalt, den das Gericht dem "Kooperationskonzept" des Bundesgesetzgebers beimißt, sprengt seine ohnehin unklaren Konturen und droht einseitig überbetont zu werden. Wenn beispielsweise auf die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten kooperativer Aufgabenwahmehmung abgestellt wird, übersieht das Gericht das faktische Drohpotential der ab fa 11 rechtlichen Verordnungsermächtigungen und den System druck als dem eigentlichen (die Wahlfreiheit ebenfalls einschränkenden) Prinzip staatlicher Steuerung in der Verpackungsverordnung. Deshalb sind die Steuerungswirkungen der Ver-
Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998, S. 399 ff Aus umweltrechtlicher Sicht kritisch Sendler, NJ 1998, 365 ff (366); Bothe, NJW 1998, 2333 ff; Schrader, ZUR 1998, 152 ff; teilweise zustimmend dagegen Weidemann, DVBI. 1999, 73 ff 105 BVerfGE 98, 106 ff (130). 106 BVerfGE 98, 106 (131 f.). 107 BVerfGE 98, 106 (132). lOK BVerfGE 98,83 (102 ff). 109 Zur Sperrwirkung von bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigungen Böhm, DÖV 1998,234 ff.; Kloepfer (FN 85), S. 30 ff 10)
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packungsverordnung eher einem organisatorischen Verbundkonzept zuzuordnen. llo Kooperation - soll das strahlende Leitbild nicht der Beliebigkeit anheimfallen - bedeutet vollzugs- oder auch normersetzende Zusammenarbeit zwischen Staat und Gesellschaft, wird aber nur dort ordnungsrechtliche oder ökonomische Steuerungsimpulse ausschließen können, wo eine solche Ausschlußwirkung gesetzlich angeordnet ist. Dies hat der Gesetzgeber mit Aufnahme kooperativer Gestaltungselemente weder im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch im Abfallgesetz getan, wenngleich nicht zu übersehen ist, daß die dortigen Regelungen auch als Entscheidung gegen eine Abfallabgabe überhaupt hätten interpretiert werden können, um damit eine bewußte - und vom Landesgesetzgeber zu akzeptierende - Nicht-Regelung auf Bundesebene anzunehmen. 111
c) Weiterentwicklung Die Weiterentwicklung der Umweltlenkungsabgaben ist von dem Bekenntnis zur grundsätzlichen Bewährung bestehender Abgaben 112 sowie einer weitgehenden Ernüchterung l13 im Hinblick auf den zu erwartenden Steuerungseffekt zukünftiger Abgaben und deren politischen wie rechtlichen Realisierbarkeit gekennzeichnet. So ist die anfangliche Kritik der Umweltökonomie am Ordnungsrecht erheblich korrigiert worden und von pragmatischen Modellen anwendungsreifer und bereichsbezogener (d. h. im bestehenden Umweltrecht integrierbaren) Abgaben weitgehend abgelöst worden. 114 Der nunmehr auch von der Umweltökonomie favorisierte Instrumentenmix relativiert die Auffassung, Umweltabgaben müßten als effizientere Maßnahmen dem Ordnungsrecht (immer) vorgezogen werden. Ordnungsrecht und Abgabeeinsatz stünden vielmehr in einem wechselseitigen Ergänzungsverhältnis und seien aufeinander abzustimmen, so daß vor allem Lücken der ordnungsrechtlichen Steuerung durch Abgaben geschlossen werden können. In diesem Sinne sind die lenkenden Anreize der AbwasserabSiehe unten, S. 191 ff. SO Kloepfer (FN 85), S. 29 f. 112 So die Verfasser des Kommissionsentwurfs zum UmweItgesetzbuch, vgl. BMU (FN 5), S. 781 f. und S. 1142 f. (Abwasserabgabe), S. 1154 f. (Wasserentnahmeentgelte), aber auch S. 1635 (Abfallabgaben). 113 So Köck, JZ 1993,59 ff. (60). Als einer der profiliertesten Verfechter von Abgabenlösungen sehr zurückhaltend heute auch Hansrneyer (FN 69), S. 5 ff. 114 Die Umweltökonomie verhält sich in ihren Empfehlungen zum Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente gegenüber ordnungsrechtlichen Lösungen nicht nur zurückhaltender, sondern beginnt, sich dem Ordnungsrecht selbst als flexiblem und in Teilbereichen ökonomisch effizienten Instrument zuzuwenden: Gawel, Umweltallokation durch Ordnungsrecht, 1994, S. 1I f., 24 f., 33 ff. sowie S. 75 ff., 101, 109 ff. 110
III
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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gabe in der jüngsten NovelIierung des Abwasserabgabengesetzes l15 auf eine vollzugsunterstützende Funktion und den Bereich der legalen Restverschmutzung reduziert worden. 116 Den Weg zu einer komplementären Verzahnung mit dem Ordnungsrecht droht der vorgeschlagene Umbau des Abgaben- und Steuersystems durch eine große "Ökosteuer-Reform"l17 zu versperren. 1I8 Eine solche Reform kann nicht primär der vorsorgepolitisch motivierten Lenkung dienen, da sie hiermit das staatliche Steueraufkommen zwangsläufig (wenn auch nicht vollständig) minimieren würde, dem Staat aber die (effektive) Erhaltung seiner Steuerquellen aufgegeben ist. 119 Deshalb wird auch eher eine weitere Verwässerung des umweltökonomischen Lenkungsgedankens befurchtet, der unter dem neuen Leitbild demeritorisierender, also reduktions- und nicht effizienzbezogener Ansätze l20 zugunsten der bloßen Finanzmittelbeschaffung in den Hintergrund zu treten scheint. 121 Angesichts dieser letztlich jeder Lenkungsabgabe innewohnenden Gefahr, opportunistisch eingesetzt zu werden, macht es kaum einen Sinn, eine umfassende Besteuerung von (umweltbelastenden) Gütern vorzunehmen, zumal sich das Verhältnis von ordnungsrechtlicher Grundsicherung und ergänzendem Abgabeneinsatz gewissermaßen umkehren würde. 122 Im Grunde käme nur noch 115 Viertes Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes v. 5.7.1994 (BGB\. I S. 1453). Die Erweiterung von Verrechungsmöglichkeiten der Abgabe sowie die Kappung der ursprünglich vorgesehenen Steigerung des Abgabensatzes flihrten zu einer deutlichen Verminderung der Abgabenlast. 116 Im Restverschmutzungsbereich, also den Emissionen, die trotz der Einhaltung sämtlicher Umweltstandards entstehen, liegt ein originäres Anwendungsfeld von Lenkungsabgaben, die über das Ordnungsrecht hinausgehende Vorsorgefunktionen übernehmen können. Unter dem deutlich reduzierten Abgabensatz der Abwasserabgabe lohnen sich Vermeidungsmaßnahmen jedoch immer weniger und die Abgabe droht zum Finanzierungsinstrument (notorisch knapper Landeshaushalte) zu verkümmern, vg\. zur Kritik und der ökonomischen "Logik" der Restverschmutzungsabgabe Gawel/Ewringmann, Stu W 1994, 295 ff. 117 Vg\. E. U. v. Weizsäcker u.a., Ökologische Steuerreform, 1992; hierauf aufbauend Bach u.a, Wirtschaftliche Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform, 1995. Zum Meinungsstand auch Binswanger u.a., Ökologische Steuerreform - Argumente pro und contra, 1995. Kritisch gegenüber den bisherigen Vorschlägen BDI (Hg.), Umsteuern mit Ökosteuern?, BDI-Drs. Nr. 278; Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 252. IIS Statt vieler Ewringmann, Umweltsteuern - Konzeptioneller Wandel des Abgabensystems und instrumentelle Folgen, FS flir Hansmeyer, 1994, S. 273 (276 ff). Zurückhaltend - freilich eher aus systematischen Gründen - auch §§ 77 ff UGB-ProfE, 190 ff UGB-KomE. 119 Vg\. Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 252 (m.w.N.). 120 Hierzu kritisch Hansmeyer (FN 69), S. 4 f; Gawel (FN 70), S. 39; fur die ökologische Steuerreform vor allem Linscheidt/Truger, Beurteilung ökologischer Steuerreformvorschläge vor dem Hintergrund des bestehenden Steuersystems, 1995, S. 29 f; siehe aber auch Köck (FN 70), S. 154 f, 163 f 121 Zu Recht kritisch Trzaskalik, StuW 1992, 135 f 122 Vg\. Ewringmann (FN 118), S. 278. 9 Franzius
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
dort, wo der Abgabenimpuls nicht den erwünschten Anpassungsdruck erzeugen würde, ein vorsorgender Einsatz des imperativen Ordnungsrechts in Betracht. Bisher konzentrierten sich die realistischen Vorschläge daher zu Recht auf eine Eliminierung umweltbelastender Effekte aus dem geltenden Steuerrecht (z. B. die Kilometerpauschale nach § 9 EStG)123 sowie den Ausbau und Einsatz einzelner vermeidungsorientierter Umweltsteuem (z. B. Energiesteuer).124 Aber auch punktuelle Abgabenlösungen haben es schwer, im bestehenden Umweltrecht integriert zu werden. Dies zeigte sich zuletzt in den Diskussionen über die EinfUhrung einer bundesrechtlichen Abfallabgabe 125 und im Streit über die CO 2-Abgabe l26 besonders deutlich. Ist auf der einen Seite auch klar, daß Abgaben nicht einfach auf das Ordnungsrecht "draufgesattelt" werden können, so wächst doch auf der anderen Seite der politische Begründungsaufwand gegenüber der NichteinfUhrung von Abgaben gerade dort, wo das Regelungsfeld keine oder nur geringe ordnungsrechtliche Vorprägung erfahren hat. 127 Die (alte) Bundesregierung gab gleichwohl das ehrgeizige Projekt einer COrAbgabe zugunsten europäischer Lösungen 128 auf'29 und versuchte statt dessen, über 123 Vgl. v. Lersner, Bestehende und geplante Umweltabgaben, in: P. Kirchhof (Hg.), Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, 1993, S. \03 (109 f.). 124 Statt vieler J. Lang, Verwirklichung von Umweltschutzzwecken im Steuerrecht, in: P. Kirchhof (Hg.), Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, 1993, S. 115 (132 ff.). Zwischenzeitlich gab es in Politik und Wissenschaft über 100 Vorschläge zur Einführung neuer Umweltabgaben, vgl. die Auflistung bei Jüttner, Umweltpolitik mit Umweltabgaben - Ein Gesamtkonzept, 2. Aufl., 1992, S. 25 ff. Diese verwirrende Vielfalt hat einem halbwegs zufriedenstelIenden Konsens über den zu verfolgenden Weg zur Durchsetzung der propagierten "Marktlösungen" freilich eher geschadet als genützt. 125 Zum damaligen Diskussionsstand Arndt, BB 1992, Beilage 8, S. I ff.; Käck, IUR 1991, 186 ff.; Kloepfer, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Abfallabgabengesetztes, Rechtsgutachten im Auftrag des BMU, 1991 (MS). Der jüngste Gesetzesentwurf, den Baden-Württemberg am 15.8.1995 im Bundesrat einbrachte (BRDrs. 5\0/95), wurde am 3.3.1997 zurückgezogen (BR-Drs. 181/97). 126 Zur Konzeption einer auf den Klimaschutz ausgerichteten CO 2-Abgabe BMU, Umwelt 1991, 349 ff. sowie die Vorschläge der vom Deutschen Bundestag eingerichteten Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre", in: Deutscher Bundestag (Hg.), Schutz der Erde, 1991, Bd. 1, S. 139 ff.; aus ökonomischer Sicht Ewringrnann/Hansrneyer, ZfU 1991, 115 ff.; zu den Rechtsproblemen einer (grundsätzlich möglichen) CO 2-Abgabe KloepferiThull, DVBI. 1992, 195 ff. (m.w.N.). 127 Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hebt die Bereiche Landwirtschaft, Klimaschutz und Verkehr hervor. Hier sei der Einsatz "reiner Preisinstrumente" empfehlenswert, vgl. RSU, Umweltgutachten 1994, Tz. 52, 363. In dieser Richtung auch Gawel (FN 114), S. 23. 12H Das Gemeinschaftsrecht läßt jedoch nur begrenzt gemeinschaftliche Umweltabgaben zu, vgl. Hilf, NVwZ 1992, 105 ff. (\08); Breuer (FN 50), S. 496. Dagegen sind die Spielräume der Mitgliedstaaten zur Flankierung der ordnungsrechtlichen Umweltvorschriften der Gemeinschaft vergleichsweise groß, vgl. hierzu Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, 1995, S. 156 f., 207, 264 f.; Pieper, DÖV 1996, 232 (234 ff.). Zum Ganzen siehe auch C. Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung durch Abgaben im Umweltrecht, 1994, S. 25 ff., 91 ff.
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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"freiwillige" Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu einer Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes zu gelangen. 13o Ob sich hieran etwas ändert, ist derzeit noch offen. Auch die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch beschränken sich im wesentlichen auf die punktuelle NeueinfUgung von Umweltabgaben (Stickstoffabgabe, 131 Luftverkehrsabgabe 132) bzw. sehen entsprechende Angebote an die Exekutive vor (Straßenverkehrsabgabe 133 ), konzentrieren sich aber im übrigen darauf, die bereits bestehenden oder von einem Teil der Länder bis zuletzt erhobenen UmweItabgaben (insbesondere Abfallabgaben) auf rechtsstaatlich "sicherere Füße" zu stellen. 134
2. Haftungsrecht
a) Grundlagen Ein anderer - konkurrierender - Weg zur Lösung des Externalitätenproblems rückt das Zivilrecht fUr die "Internalisierung durch Verhandlungen" in den Vordergrund ökonomischer Betrachtungen. 135 Nicht Abgaben, sondern Verhandlungen sollen die gebotene Kostenanlastung beim Verursacher ermöglichen. 129 In der Kabinettssitzung vom 11.12.1991 beschloß die Bundesregierung, nur im Einvernehmen mit einer Gemeinschaftsregelung Klimaschutzabgaben zu erheben, vgl. KloepferlThull (FN 126), S. 197. Der Versuch der Einftihrung einer CO 2-Abgabe auf Gemeinschaftsebene - im Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Einftihrung einer Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie, KOM (92), 226 v. 3.8.1992, ABI. EG Nr. C 196 - blieb allerdings zunächst erfolglos. Skeptisch wird auch der geänderte Vorschlag - KOM (95), 172 v. 10.5.1995 - beurteilt, vgl. BMU (FN 5), S. 782 (Fn. 165). Kritisch zur Verlagerung der abgabensystematischen und finanzwirtschaftlichen Verantwortung auf die Gemeinschaft M Schröder, Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht auf dem Gebiet der Umweltabgaben, in: P. Kirchhof (Hg.), Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, 1993, S. 87 ff. (94). 130 BDI, Aktualisierte Erklärung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge vom 27.3.1996. Hierin verpflichteten sich 19 Verbände, die ca. 80% des Endenergieverbrauchs und über 99% der öffentlichen Stromversorgung abdecken, gegenüber der Bundesregierung zur Reduzierung ihrer spezifischen CO 2-Emissionen bzw. des spezifischen Energieverbrauchs bis zum Jahr 2005 um 20% gegenüber dem Jahr 1990. Aus ökonomischer Sicht hierzu Cansier, Erscheinungsformen und ökonomische Aspekte von Selbstverpflichtungen, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im ökologischen und technischen Bereich, 1998, S. 105 (\ 15 ff.). 131 § 336 UGB-KomE, vgl. zur Begründung BMU (FN 5), S. 1003 ff. 132 § 439 UGB-KomE, vgl. zur Begründung BMU (FN 5), S. 1202 ff. 133 § 438 UGB-KomE, vgl. zur Begründung BMU (FN 5), S. 1199 ff. 134 Dies betrifft etwa die auf Landesebene ftir verfassungswidrig erklärten Sonderabfallabgaben, die auf Bundesebene "hochgezont" werden sollen. Zur Ausgestaltung der ökonomischen Instrumenten im Kommissionsentwurf Michaelis, ZUR 1998, 300 ff.; nüchtern zur Zukunft von Umweltabgaben Meßerschmidt, Ökonomisch rationale Umweltpolitik - rechtswidrig? Die juristische Sicht, ZiF 13/99 (1998/99), S. 11 ff. 135 V gl. Feess-Dörr (FN 71), S. 327 ff.
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Ronald H. Coase hatte 1960 nachgewiesen, daß unter bestimmten Bedingungen die Preisbestimmung durch Verhandlungen zwischen den einzelnen konkurrierenden Umweltgüternutzern immer wohlfahrtsgerechte Ergebnisse liefern würde. 136 Waren seine Modellannahmen, zu denen insbesondere die Festlegung von Verfiigungsrechten und das Fehlen von Transaktionskosten (insbesondere vollständige Informationen) gehören, auch viel zu eng formuliert mit der Folge, daß sie sich in der umweltpolitischen Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit nicht finden ließen, so erwies sich der Hinweis auf die institutionellen Rahmenbedingungen für Märkte doch als wirkungsmächtiger Impuls zur Entdeckung (neuer) marktbezogener Internalisierungsstrategien. Insbesondere die Notwendigkeit einer Spezifizierung von Verfiigungsrechten erlaubte nach der sich zunächst in den USA (Chicago) entfaltenden Property-Rights-Doktrin eine Rückbesinnung auf die Selbststeuerungskräfte des Marktes. '37 Schaffe der Staat nur die Voraussetzungen und Bedingungen fiir ein marktmäßiges Handeln, werde der Markt und mit ihm die zivilrechtlichen Institute des Marktes - schon fiir die richtigen Ergebnisse sorgen. Täte er dies nicht, liege nicht etwa ein (interventionistisch) zu korrigierendes Marktversagen, sondern ein (marktkonform) zu korrigierendes Staatsversagen vor. In der Tradition der Property-Rights-Theorie ist dem privatautonomen System der Verfügungsrechte ein gesteigertes Augenmerk gewidmet worden. Gerade der zivilrechtliehe Entwicklungsprozeß - so mehr das Postulat als das Ergebnis - habe effiziente Rechtsstrukturen hervorgebracht. 138 Deren Ausbau sei daher neuen ordnungsrechtlichen Regulierungen grundsätzlich vorzuziehen. Mit dem Verzicht auf die bloße Kritik an fehlenden Verfiigungsrechten gewann die ökonomische Analyse des Rechts '39 auch in Deutschland zunehmenden Einfluß und begann, sich auf die Interpretation von Rechtsnormen und die Rechtspolitik auszuwirken. '40 Vor allem das Haftungsrecht ist eingehenden Untersuchungen
136 R. H. Coase, The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economics 3 (,1960), S. 1 ff Eine deutsche Übersetzung findet sich in: AssmanniKirchneriSchanze, Okonomische Analyse des Rechts, 1978, S. 146 ff 137 Hierzu J Frank, Markt versus Staat. Zur Kritik einer Chicago-Doktrin, in: Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 1 (1983), S. 247 ff; siehe zum Ganzen Köck, NuR 1992,412 (414 ff), der den Property-Rights-Ansatz der Internalisierung durch Abgaben gegenüberstellt und deren Einflüsse auf die Umweltrechtsentwicklung untersucht. 138 Statt vieler R. Posner, Economics Analysis ofLaw, 3. Aufl., 1986, S. 20 ff 139 Vgl. H.-B. Schäfer/Olt, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 1986; zur hierdurch angestoßenen Überwindung des älteren wohlfahrtsökonomischen Ansatzes siehe auch Kirchner, Regulierung durch öffentliches und/oder Privatrecht aus der Sicht der ökonomischen Theorie des Rechts, in: Hoffmann-RiernlSchmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 63 (74 ff.). 140 Siehe Köck (FN 137), S. 417.
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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zu seiner Effizienz unterzogen worden. 141 Im Gegensatz zur traditionellen staatlichen Standardsetzung, die vielfältigen Einflußnahmen ausgesetzt sei und an den individuellen Präferenzen vorbeigehe, eigne sich das Haftungsrecht als dezentraler und marktbezogener Entscheidungsmechanismus sehr viel besser, den Umweltqualitätsbedürfnissen der Individuen effizient Rechnung zu tragen. Eine entsprechende Kostenanlastung verbessere nicht nur den Opferschutz, sondern fUhre bereits im Vorfeld von Schäden zu präventiven Verhaltensänderungen auf der Basis von Kosten- und Nutzenerwägungen. 142 Gerade im Bereich der Schadensvorsorge, der weitgehend durch Unsicherheit l43 gekennzeichnet ist, könne das private Haftungsrecht einen dynamischen Modernisierungsdruck erzeugen und betriebliche Umweltschutzmaßnahmen anregen, die auf ordnungsrechtlichem Wege nicht oder nur unvollkommen durchzusetzen wären. 144
141 Siehe etwa Adams, Ökonomische Analyse der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung, 1985; OU/Schäfer, Unternehmenspublizität, Umweltschadensbilanz und Haftung rur Umweltschäden, in: dies. (Hg.), Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, 1993, S. 217 ff.; Panther, Haftung als Instrument einer präventiven Umweltpolitik, 1992; skeptischer Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung und Lösungen aus ökonomischer Sicht, 1996; ders., Prävention von Umweltschäden durch Umwelthaftung? Eine empirische ökonomische Analyse des Umwelthaftungsgesetzes, 1998, S. 10 ff.; ein guter Überblick findet sich bei Endres/RehbinderiSchwarze, Haftung und Versicherung rur Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992. 142 Vgl. Adams (FN 141), S. 17 ff. - Ist die Präventivfunktion der betrieblichen Haftung in der ökonomischen Theorie und der Umweltökonomie auch weitgehend anerkannt, so bleibt der Präventivzweck haftungsrechtlicher Regeln im juristischen Schrifttum doch umstritten: zum Streitstand E. Rehbinder, Haftpflichtrecht und Verhütung von Umweltschäden aus juristischer Sicht, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung rur Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992, S. 34 (41 ff.). Insbesondere der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung wird ein präventiver Zweck abgesprochen, da sie eine Haftung für erlaubtes Verhalten begründe und somit nicht gleichzeitig verbieten könne: Medicus, NuR 1990, 145 ff. (148). Ob jedoch das rechtliche Erlaubtsein auch die generelle Erlaubnis zur Schädigung anderer enthält, ist zweifelhaft. Denn ist ein Verhalten erlaubt, ist damit richtigerweise noch nichts über die Handlungsmöglichkeiten gesagt, die dem haftungsunterworfenen Akteur zur Vermeidung des erfaßten Schadens verbleiben und insoweit zulässiger Gegenstand einer Haftungsandrohung sein können. Die Gefährdungshaftung setzt hier an und sucht (im Verbund mit Versicherungslösungen) einen Anreiz zu schadensvermeidenden Verhaltensweisen zu setzen. Davon geht ausweislieh der Gesetzesbegründung jetzt auch das Umwelthaftungsgesetz aus, das neben dem Ausgleichszweck insbesondere einen (sekundären) Präventivzweck verfolgen soll, vgl. BT-Drs. 11/7104; wie hier Herbst (FN 42), S. 29 ff. (m.w.N.) 143 Kloepfer, Handeln unter Unsicherheit im Umweltstaat, in: ders./Gethmann, Handeln unter Risiko im Umweltstaat, 1995, S. 56 ff. Zur Internalisierung von Unsicherheit, die schon als solche - jenseits monetärer Anreize - die Ergreifung von Vermeidungsmaßnahmen nahelegen soll: Herbst (FN 42), S. \05 ff. und dazu Franzius, ZRP 1997, 460 f. 144 Zum Ganzen siehe auch Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 64 ff.
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b) Rechtliche Umsetzung Erschwert durch den die Aufbauphase des modernen Umweltrechts nach 1970 prägenden Vorrang öffentlich-rechtlicher Lösungen, aber auch infolge der
Konzentration des umweltrechtlichen Schrifttums auf Möglichkeiten und Grenzen einer abgabenrechtlichen Preissetzung, spielten privatrechtliche und insbesondere haftungsrechtliche Instrumente fur den Umweltschutz zunächst eine eher untergeordnete Rolle. 145 Hier kam es in erster Linie der Rechtsprechung zu, das Deliktsrecht fiir Belange des Umweltschutzes zu öffnen, entsprechende Beweiserleichterungen einzufiihren 146 und die haftungsrechtliche Institute zum einen vermehrt fiir die privatrechtliche Sanktion von öffentlich-rechtlichen Pflichtverstößen einzusetzen, zum anderen aber auch von öffentlich-rechtlichen Vorgaben (teilweise) zu lösen, um auf diese Weise einen (begrenzt) eigenständigen Steuerungsgehalt des Haftungsrechts fiir die Vermeidung von Umweltschäden anzuerkennen. 147 Richterrechtlich geschaffene Verkehrssicherungspflichten traten an die Stelle (noch) nicht vorhandener '48 oder (auch) neben, aber das erlaubte Verhalten nicht abschließend bestimmender Risikosteuerungstatbestände öffentlich-rechtlicher Natur. '49 Sie ließen das überkommene Haftungsrecht umso eher risikoregulierende Funktionen übernehmen, je weiter das einschränkende Korrektiv subjektiven Verschuldens durch Elemente objektiver Pflichtwidrigkeit ersetzt wurde. 150 In die Nähe einer verschuldensunabhängigen Gefahrdungshaftung rückte schließlich auch der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs.2 S.2 BGB, mit dessen Gewährung die zivilgerichtliche Rechtsprechung
145 Vgl. Kloepjer/Franzius, Die Entwicklung des Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hg.), UTR 27 (1994), S. 179 ff. (182); zum historischen Spannungsverhältnis zwischen privatem und öffentlichem Umweltrecht Gerlach, Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts, 1989, S. 24 ff. 146 Siehe vor allem BGHZ 92, 143 ff. (Kupolofen). 147 Zur Korrekturfunktion des Privatrechts vor allem BGH, NJW 1983, 751 f. (Tennisplatz); zur Entkoppelung des Haftungsrechts von der öffentlich-rechtlichen Genehmigung G. Wagner, Offentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, 1989, S. 203 ff.; Sach, Genehmigung als Schutzschild?, 1994, S. 196 ff. 14K Zur gesetzesvertretenden Funktion von Verkehrssicherungspflichten siehe Trute (FN44),S.187. 149 Vgl. Versen, Die zivilrechtliche Haftung für Umweltschäden, 1994, S. 115 ff.; Gerlach, JZ 1988, 161 ff. (171); krit. zur richterlichen Rechtsfortbildung unter dem Aspekt legitimatorischer Defizite E. Rehbinder, Anpassung an veränderte Daten als Pflicht oder Obliegenheit im Zivilrecht, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandeins, 1994, S. 355 (362 f.). 150 Vgl. G. Brüggemeier, Unternehmenshaftung für "Umweltschäden" im deutschen Recht und nach EG-Recht, FS für Gemhuber, 1993, S. 223 (227 ff.).
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seit Alters her die Härten der zivilrechtlichen Duldungspflichten im Nachbarschaftsverhältnis zu kompensieren hilft. 151 Die Mitte der 80er Jahre zunehmend in das allgemeine Bewußtsein tretende Waldschadensproblematik, spektakuläre Störfälle wie der Brandunfall bei Sandoz 1986 und die beklagte Insuffizienz des bestehenden Individualrechtsschutzes l52 machten filr das Haftungsrecht und seine bisher nur punktuelle Modemisierung legislativen Reformbedarf deutlich, der - verbunden mit der vor allem gemeinschaftsrechtlich verfolgten Idee, den Bürger stärker für den Umweltschutz zu mobilisieren l53 - 1990 zur Verabschiedung des Umwelthaftungsgesetzes filhrte. 154 In Anlehnung an die schon seit 1957 bestehenden Gefährdungshaftung nach § 22 WHG griff der Gesetzgeber die umwelthaftungsrechtlichen Grundsätze der zivilgerichtlichen Rechtsprechung auf und statuierte eine anlagenbezogene Umweltgefährdungshaftung, die mit der Haftung für den Normalbetrieb einer Entkoppelung von öffentlich-rechtlichen und privaten Verhaltenspflichten resp. -obliegenheiten breiten Raum gibt. 155 Obgleich sich insbe151 Besonders deutlich BGH, NJW 1990, 1910. Das legislatorische Prinzip, wonach dem gesetzlich präkludierten Abwehranspruch ein Entschädigungsanspruch zur Seite gestellt wird, findet sich schon in § 26 RGewO. Zur Verallgemeinerung des Ausgleichsgedankens durch das Reichsgericht Ogorek, Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Coing/Wilhelm (Hg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 4, 1979, S. 40 (56 ff.). Der Bundesgerichtshof erweiterte die erst 1959 in § 906 BGB aufgenommene Ausgleichspflicht für nicht zu duldende wesentliche Einwirkungen, die vom Nachbarn aber nicht abgewehrt werden konnten und leitet den Ausgleichsanspruch bei negativen Beeinträchtigungen des Grundstücks inzwischen aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ab, vg\. BGHZ 113, 384 (388 f.); dazu Schlechtriern, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche und Schadensersatzhaftung, FS für Gernhuber, 1993, S. 407 ff. 152 Zur Leistungsfähigkeit des Deliktsrechts G. Hager, NJW 1986, 1961 ff. 153 Vg\. insbesondere die Richtlinie des Rates über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (Umweltinformationsrichtlinie) v. 7.6.1990, AB\. Nr. L 158/56; allgemein zu dem Prinzip, den Bürger für die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts einzusetzen: 1. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 50 ff. 154 Umwelthaftungsgesetz v. 10.12.1990 (BGB\. I S. 2634). Zum Inhalt G. Hager, NJW 1991, 134 ff.; insbesondere die Regelungen über die Auskunftsansprüche (§§ 8 ff. UmweltHG) sind gemeinschaftsrechtlich inspiriert, vg\. Sautter, Beweiserleichterungen und Auskunftsansprüche im Umwelthaftungsrecht, 1996; zur vorangegangenen Reformdiskussion E. Rehbinder, NuR 1989, 149 ff.; zu den Gründen für das gesteigerte Interesse am Ausbau des Umwelthaftungsrechts Schrnidt-Salzer, NJW 1994, 1305 ff. 155 Die Pflicht, trotz Einhaltung der öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten, Schädigungen zu unterlassen, ist Ausdruck des umweltpolitischen und zunehmend im Umweltrecht anerkannten Leitprinzips, Selbstverantwortung zu übernehmen. Das Umwelthaftungsgesetz privilegiert zwar den bestimmungsgemäßen Dauerbetrieb von Anlagen mit dem Ausschluß der Ursachenvermutung (§ 6 Abs.2 UmweltHG), kehrt insoweit aber die Beweislast um: Nicht der Geschädigte muß einen rechtswidrigen oder störfallbezogenen Betrieb, sondern der Schädiger den bestimmungsgemäßen Betrieb, also die Einhaltung der ordnungsrechtlichen Betriebspflichten (§ 6 Abs. 3 UmweltHG) nachweisen. Hierdurch wird der Anlagenbetreiber angehalten, betriebliche Anstrengungen zu
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sondere die Versicherungswirtschaft anfangs vehement gegen eine Versicherbarkeit von Normalbetriebsrisiken und Allmählichkeitsschäden ausgesprochen hatte,156 liegt seit 1993 mit den "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen rur die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkung (Umwelthaftpflicht-Modell)"157 ein Bedingungswerk vor, das einen Deckungsschutz insbesondere auch rur solche Umwelthaftpflichtrisiken vorsieht, die zum Zeitpunkt der schadensursächlichen Umwelteinwirkung zwar behördlich genehmigt waren, deren (allmähliche oder kumulative) Realisierung im Schaden zu diesem Zeitpunkt vom versicherten Anlagenbetreiber aber nachweisbar nicht erkannt werden mußteY~ Für den Versicherungsnehmer bedeutet der Einschluß von unvorhersehbaren Risiken aus dem Normalbetrieb zwar eine Entlastung bei der eigenen Risikoforschung, die bis zur Senkung von betriebliunternehmen, um die Ermittlung und Einhaltung der relevanten Vorschriften sicherzustellen. Da der Nachweis des bestimmungsgemäßen Betriebes lediglich die Ursachenvermutung, nicht aber die Haftung entfallen läßt, wächst das Bedürfnis nach umfassendem Versicherungsschutz (zur gesetzlichen Deckungsvorsorgeverpflichtung § 19 UmweItHG), dem die Versicherungswirtschaft schon im eigenen wirtschaftlichen Interesse nur durch eine risikoadäquate Prämiengestaltung und ein effektives Risikomanagement entsprechen kann. Damit werden von der Privatwirtschaft für den versicherten Betrieb neue Obliegenheiten geschaffen, die jenseits der öffentlich-rechtlichen Pflichten Präventionsanreize zu setzen imstande sind. 156 Statt vieler Breining, ZVersWiss 79 (1990), S. 193 ff. Anders als beim Störfallso das die Kritik tragende Hauptargument - sei der Normalbetrieb durch Risiken gekennzeichnet, die der Betreiber erlaubterweise, daher bewußt und gewollt gesetzt habe. Deshalb könne der Schadenseintritt nicht zufallig sein. Hierdurch wird jedoch übersehen, daß dem Betreiber einer Anlage auch durch die öffentlich-rechtliche Genehmigung keineswegs eine Schadensfreiheit garantiert wird. Typischerweise realisiert sich die Schadensgewißheit erst in der Zeit, nämlich zu dem Zeitpunkt, wo dem Versicherungsnehmer Umstände bekannt werden, die auf eine Schadensträchtigkeit der genehmigten Anlage hinweisen (irrtümliche Risikobewertung durch die Behörde, neue Erkenntnisse der internen oder externen Risikoforschung etc.). Beim Abschluß des Versicherungsvertrags bleibt der (konkrete) Schadenseintritt daher zufallig, vgl. Alsleben, Zufall und subjektives Risiko, 1993, S. 156 ff. 157 Abgedruckt in: Vogel/Stockmeier, Umwelthaftpflichtversicherung, 1997, S. 3 ff. (Stand September 1996). Zur vorangegangenen Reformdiskussion und zur Versicherbarkeitsproblematik G. Wagner, VersR 1991, 249 (254 ff.); Schmidt-Salzer, Zur Versicherbarkeit von Umweltschäden nach dem Umwelthaftungsgesetz unter besonderer Berücksichtigung von Allmählichkeitsschäden, in: Breuer/K10epfer/Marburger/Schröder (Hg.), UTR 17 (1992), S. 35 ff.; ferner aus der Sicht der Versicherungswirtschaft Schilling, Das Umwelthaftpflichtmodell: Das Angebot der Versicherer, in: Nicklisch (Hg.), Umweltrisiken und Umweltprivatrecht im deutschen und europäischen Recht, 1995, S. 137 ff.; aus der Sicht der Industrie Rohde-Liebenau, Umwelt-Haftpflichtversicherung. Bedarf der Industrie, ebd., S. 147 ff. Zur derzeitigen Versicherungspraxis Herbst (FN 42), S. 223 ff., 243 ff. 158 Ziff. 6.2 Abs. 2 Umwelthaftpflicht-Modell. Zur überaus umstrittenen (wenngleich aus der Gewässerschadenshaftpflichtversicherung seit 1965 bekannten, dort aber wegen der negativen Erfahrungen mit dem anfanglich "übersehenen" Altlastenrisiko für bedenklich gehaltenen) Einbeziehung von Normalbetriebsrisiken in die Umwelthaftpflichtversicherung Vogel/Stockmeier (FN 149), Ziff. 6 UHV, Rn. 103 ff. (m.w.N.).
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chen Sorgfaltsanforderungen und damit zu einer Abschwächung der unmittelbaren Anreizwirkung des Haftungsrechts fuhren kann. 159 Auf der anderen Seite stehen der Versicherungswirtschaft jedoch vielfach eigene Risikoinformationen und Instrumente zur Verfiigung, mit denen sie die Aktivierung von betrieblichen Sorgfaltsanstrengungen fördern und die tendenziell anreiznivellierende Wirkung der Versicherung wieder aufheben kann. 160 Deshalb geht es in Wirklichkeit auch weniger um die Grenzen der haftungsrechtlichen Präventionswirkung, sondern eher um die Frage, von wem die maßgeblichen Präventionsanreize zu setzen sind. Daß hierzu in erster Linie der Staat berufen ist, kann aus legitimatorischen und rechtsvereinheitlichenden Gründen kaum zweifelhaft sein. 161 Gleichwohl sollte aber das selbstregulative Potential einer privatwirtschaftlichen Standardsetzung mit seiner kompensatorischen und daher auch die staatliche Kontrolle entlastenden Wirkung nicht übersehen werden. 162
c) Weiterentwicklung Die Weiterentwicklung des Umwelthaftungsrechts ist zunächst von dem Bemühen gekennzeichnet, die Lücken zwischen den verbleibenden Möglichkeiten einer Haftungsfreizeichnung (einschließlich der Versicherung von Risiken mit der Folge der entgeltlichen Risikoabwälzung) und einer drohenden Übermaßhaftung (sowie der Unversicherbarkeit von Risiken mit der Folge falscher Verhaltenssignale und fehlender Effizien]:) zu schließen. 163 Im Gentechnikgesetz konnten 1990 zwar noch Regelungen aufgenommen werden, die eine Gefährdungshaftung fiir Schäden anordnen, welche infolge gentechnisch veränderter Organismen entstanden sind (§§ 32 ff. GenTG). Vorschläge einer weitergehenden Haftungserweiterung, wie sie etwa der Entwurf einer Richtlinie über die Abfallhaftung lM mit einer umfassenden Gefährdungshaftung fur alle Schäden und Umweltbeeinträchtigungen durch gewerbliche Abfälle vorsieht, werden derzeit jedoch nicht weiterverfolgt. Auch die Konvention des Europarates von
Kritisch Geisendörfer, VersR 1988,433 ff. V gl. Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 65, 158, 170, 182 ff.; E. Rehbinder, Risikomanagement von Versicherungen, Schadensfonds und Umweltgenossenschaften zur Verhütung von Umweltschäden aus juristischer Sicht, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung für Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992, S. 151 ff.; ähnlich Herbst(FN 42), S. 271 ff. 161 Zur Ergänzungsfunktion des Umwelthaftpflichtrechts Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 185. 162 Vgl. Bohne, DVBI. 1994, 195 ff. 163 So auch Köck (FN 137), S. 417. 164 KOM (91) 219, ABI. Nr. C 192 v. 23.7.1991. 159
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1993 (sog. Lugano-Übereinkommen),165 die im Gegensatz zur bisher "geschlossenen" Anlagenhaftung das Konzept einer "offenen" Umwelthaftung fiir gefährliche Stoffe verfolgt, dürfte von der Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit wohl nicht gezeichnet werden. 166 Die sich trotz des unverkennbaren Bedeutungsanstiegs haftungsrechtlicher Lösungsvorschläge zur marktwirtschaftlichen Bewältigung von Umweltproblemen einstellende Skepsis an der Leistungsfähigkeit des privaten Haftungsrechts, individuelle Interessen stärker an Umweltbelangen auszurichten, nehmen die Entwürfe fiir ein Umweltgesetzbuch zum Anlaß, am bestehenden Konzept des (zweispurigen) Haftungsrechts weitgehend festzuhaIten, die einzelnen Haftungstatbestände aber zu harmonisieren und bescheidene Vorschäge fiir die Fortentwicklung haftungsrechtlicher Anreize zu unterbreiten. 167 Die Entwürfe verzichten auf die Einführung einer Generalklausel, erweitern aber den Kreis der haftungsunterworfenen Anlagen und dehnen die Haftung in unterschiedlichem Umfang aus. 168 Soll fiir die Ursachenvermutung zwar schon die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (§§ 121 Abs. 1 UGB-ProfE, 176 Abs. 1 UGB-KomE), so wird die Haftung in den typischen, aber problematischen Fällen bei mehreren Verursachern (summierte Immissionen)169 doch auf eine Anteilshaftung beschränkt (§§ 120 UGB-ProfE, 177
165 Convention on Civil Liability for damage resulting from activities on the environment, European Treaty Series 150. Der Text ist abgedruckt in: Nicklisch (Hg.), Umweltrisiken und Umweltprivatrecht im deutschen und Europäischen Recht, 1995, S. 215 ff. 166 Vgl. BMU (FN 5), S. 766. 167 Während der Professorenentwurf 1990 für die Umweltgefährdungshaftung jedoch noch die Einführung von Schmerzensgeldansprüchen und den Wegfall der Haftungshöchstgrenzen empfiehlt (§ 129 UGB-ProfE), verzichtet der Kommissionsentwurf von 1998 auf diese Erweiterungen und verbleibt in der "Tradition der deutschen Gefahrdungshaftung" (§§ 182, 184 UGB-KomE): BMU (FN 5), S. 770. 16K Anders als der Professorenentwurf, der eine Ausdehnung der Haftung für bodengefahrdende Handlungen (§ 115 UGB-ProfE), für den Transport umweltgefährlicher Stoffe (§ 116 UGB-ProfE) und insbesondere auch für Produktentwicklungsrisiken (§ 117 UGB-ProfE) vorsieht, beschränken sich die Vorschläge einer Haftungserweiterung im Kommissionsentwurf auf Anlagen mit einem besonderen Gefährdungspotential, wozu neben immissionsschutzrechtlichen und - hinsichtlich nicht-nuklearer Risiken kerntechnischen Anlagen insbesondere Abwasserbehandlungsanlagen, Abfalldeponien und Leitungsanlagen zählen sollen, vgl. zu §§ 173 ff. UGB-KomE auch BMU (FN 5), S. 768 f. 169 Das Umwelthaftungsgesetz hat sich insoweit einer Regelung entzogen und wirft nicht zuletzt bedingt durch den Einschluß dieser Fälle im Rahmen der Ursachenvermutung bei mehreren Anlagen (§§ 6 f. UmweltHG) - teilweise erhebliche Fragen auf, vgl. zur gesamtschuldnerischen Haftung bei Unklarkeiten über die Anteilsverursachung Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 128 ff. (m.w.N.). Zur Kritik an einer gesamtschuldnerischen Haftung für die nicht vorhersehbaren Tatbeiträge von unbekannten Dritten unter dem vor allem in den USA praktisch bedeutsamen Aspekt fehlender Versicherbarkeit G. Hager (FN 154), S. 140 (m.w.N.).
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UGB-KomE).170 Der Kommissionsentwurf verallgemeinert indessen die gewässerhaftungsrechtliche Rechtsprechung zur Erstattungfahigkeit von Rettungskosten und sieht nunmehr einen über die Fälle der Gewässerverunreinigung hinausgehenden Kostenersatz rur Maßnahmen zur Verhütung oder Minderung unmittelbar drohender Schäden vor (§ 183 UGB-KomE).171 Weitere Fragen bleiben jedoch offen. Die häufig fehlende Individualisierbarkeit und Zurechnungsproblematik insbesondere der emittentenfern auftretenden Distanz- und Summationsschäden, zu deren Entstehung erst eine Vielzahl von Groß- und Kleinemittenten beigetragen hat, läßt eine Kollektivierung der Haftung unausweichlich erscheinen. Dort, wo eine individualrechtliche Inanspruchnahme der Schädiger ausscheidet, könnten aus Abgaben der gegebenenfalls in Umweltgenossenschaften 172 zusammengefaßten Verursacher gespeiste Schadensausgleichssysteme (Umweltfonds)l73 die verbleibenden Restitutionslücken
170 § 177 UGB-KomE folgt damit nicht den jüngeren Vorbildern in § 22 Abs. I S. 2 WHG und § 32 Abs. 2 S. I GenTG, die eine gesamtschuldnerische Haftung vorsehen, sondern der tradierten Rechtsprechung zur Mitverursachung bei Ausgleichsansprüchen nach § 906 BGB, vgl. BMU (FN 5), S. 775 (m.w.N.). Kritisch zur Herleitung der Anteilshaftung aus der Rechtsprechnung zu § 906 BGB und für eine an § 22 WHG angelehnte solidarische Verantwortlichkeit der Schädiger zumindest in den Fällen, wo die Verursachungsanteile auch nach § 287 ZPO nicht geschätzt werden können: G. Wagner, NuR 1992, 20 I ff. (207). 171 Ist somit die Anteilshaftung geeignet, die Versicherungsproblematik zu entschärfen, wird mit der Ausweitung des Rettungskostenersatzes die Versicherungswirtschaft für die Gewährung von Versicherungsschutz vor neue Probleme gestellt: zum versicherungsrechtlichen Rettungskostenersatz unter Präventionsgesichtspunkten umfassend Herbst (FN 42), S. 104 ff. 172 Zum Modell einer auf der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung (§§ 537 ff. RVO, jetzt §§ I ff. SGB VII) aufbauenden genossenschaftlichen Umwelthaftung G. Wagner, Kollektives Umwelthaftungsrecht auf genossenschaftlicher Grundlage, 1990, S. 104 ff., 195 ff.; skeptischer Marburger/Gebhard, Umweltgenossenschaften, in: Endres/Marburger (Hg.), Umweltschutz durch gesellschaftliche Selbststeuerung, 1993, S. 116 ff. (\ 58). Das eine abgrenzbare, homogene und überschaubare Mitgliederstruktur voraussetzende, damit aber allenfalls kleinräumig Sinn machende Genossenschaftsmodell für den Ausgleich von weiträumigen Luftverschmutzungsschäden ablehnend: Reiter, Entschädigungslösungen für durch Luftverunreinigungen verursachte Distanz- und Summationsschäden, 1998, S. 183 ff. 173 Zum internationalen Ölverschmutzungsfonds, der durch das "Internationale Übereinkommen über die Errichtung eines internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungschäden" vom 18.12.1971 (i.d.F. der Änderungsprotokolle v. 27.11.1992, BGBI. 1995 11 S. 1152 ff.) gleichsam zur "Geburtsstunde" der modernen Umweltpolitik eingerichtet wurde: zuletzt Rinio, NuR 1997, 22 ff. (25); zu den Entschädigungsfonds aus rechtsvergleichender Perspektive Hohlach, Entschädigungsfonds auf dem Gebiet des Umwelthaftungsrechts, UBA-Berichte 1/94, 1994, S. 115 ff. - Die Idee einer Fondslösung für Umweltschäden hat sich im deutschen Umweltrecht aber trotz einer intensiven Reformdiskussion - vgl. etwa den sog. "Hamburger Entwurf' aus dem Jahr 1990 (BR-Drs. 127/90), dazu Salje, KritV 1991, 324 ff. - und verschiedener Gesetzesanträge im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Umwelthaftungsgesetz - vgl. insbesondere den Entwurf der Fraktion DIE GRÜNEN für ein Umweltschadensfondsge-
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des Haftungsrechts zu schließen helfen. 174 Auch eine vorrangig Finanzierungszwecken dienende Abgabe würde den Lenkungseffekt der Abgabe und die Präventivfunktion eines kollektiven Entschädigungssystems nicht vollständig in den Hintergrund drängen (müssen).175 Gleichwohl erscheint die Etablierung einer gruppenverantworteten "Sozial versicherungs lösung" fiir technische Risiken angesichts des aufgelaufenen Schadensvolumens und der politisch kaum durchzusetzenden Finanzierung über neue Abgaben derzeit kaum praktikabel. Während der Professorenentwurf zum Umweltgesetzbuch in Anlehnung an das die Entschädigungsbedürfigkeit von Distanz- und Summationsschäden grundsätzlich anerkennende Waldschadensurteil des Bundesgerichtshofs l76 jedoch noch eine staatliche Billigkeitsentschädigung fiir bestimmte Schadensbilder vorschlägt (§ 130 UGB-ProfE), sieht der Kommissionsentwurf demgegenüber auch von einer solchen (den Staatshaushalt belastenden) Entschädigungsregelung fiir individuell nicht erfaßbare Schäden ab. 177 Ungeklärt ist ferner die Problematik ökologischer Schäden. Das sind solche Schäden, welche die nicht eigentumsfahigen Teile des Naturhaushalts (öffentliche Güter) betreffen oder den Naturhaushalt infolge einer Eigentumsverletzung (private Rechtsgüter) beeinträchtigen. 178 Im System des deutschen Privatrechts setzt die Ersatzfahigkeit ökologischer Schäden die Verletzung eines geschützten Individualrechts l79 voraus. Hieran ändern auch die Regelungen in § 16 Abs. 1 setz (BT-Drs. 11/4247), dazu Köck, Finanzierungsprobleme eines staatlichen Umweltschadenshaftungssystem, in: Donner u.a. (Hg.), Umweltschutz zwischen Staat und Markt, 1989, S. 337 ff. - bisher nur rudimentär in Gestalt des nach § 9 DüngeMG zu errichtenden "Klärschlammfonds" verwirklichen können: siehe zum Ganzen auch Reiter (FN 172), S. 189 ff. (m.w.N.). - Keine Entschädigungsfunktion verfolgt der primär zur Finanzierung einer staatlichen Ersatzvornahme ftir die Rückftihrung illegaler Abfallexporte eingerichtete "Solidarfonds Abfallrückflihrung" gemäß § 8 AbNerbrG i.V.m. §§ 13, 17 ff. der Verordnung über die Anstalt Solidarfonds Abfallrückflihrung v. 20.5.1996 (BGBL I S. 694), dazu Kloepfer, UPR 1997, 81 ff. 174 Zur "Lückenftillungsfunktion" ftir einen verbesserten Opferschutz Knebel, Art. "Umweltfonds", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hg.), HdUR Bd. 2, 2. Aufl., 1994, Sp. 2164 (2168 f.). 175 Vgl. E. Rehbinder, Der Beitrag von Versicherungs- und Fondslösungen zur Verhütung von Umweltschäden aus juristischer Sicht, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Haftung und Versicherung ftir Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992, S. 120 (143 ff.); die Etablierung effektiver Schadenstragungssysteme wird bereits der "Staatsaufgabe Risikovorsorge" zugeordnet: Köck, AöR 121 (1996), S. I (21 f.). 176 BGHZ 102, 350 ff. (362). Der Staat ist jedoch nicht verpflichtet, Schadensausgleichssysteme zu schaffen: BVerfG, NJW 1998, 3264 ff. 177 Vgl. BMU (FN 5), S. 95, 770. 178 Vgl. Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 109 ff. 179 Von daher kann es auch nicht verwundern, daß zur Bewältigung ökologischer Schäden vorgeschlagen worden ist, bestimmte Umweltgüter zu "sonstigen Rechten" als Schutzobjekte der deliktischen Haftung (z. B. saubere Luft) zu erheben: etwa Köndgen, UPR 1983, 345 (349 ff.). Eine solche Privatisierung öffentlicher Güter aber zu Recht ablehnend die h. M., statt vieler Taupitz, JURA 1992, 113 ff. (118).
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UmweltHG und § 32 Abs. 7 GenTG nichts, nach denen das Interesse des Sacheigentümers an der Wiederherstellung beeinträchtigter Naturgüter im Wege der Naturalrestitution (§ 249 BGB) Berücksichtigung finden soll.ISO Gleichwohl verbleiben Schutz lücken, deren Schließung durch das private Haftungsrecht den nur reflexartigen Schutz von Naturgütern über individuelle Rechtspositionen lKI sowie die Wiederherstellungsgrenzen (§ 251 Abs. 2 BGB) gerade der schwersten Beeinträchtigungen lSZ zu überdenken hat. Diese sind ohne eine (pauschalisierende) Monetarisierung einzelner Schadensposten im Geldersatz an den Geschädigten fiir den Verursacher immaterieller Schäden finanziell weitgehend folgenlos. 183 Die urnweltpolitische Bewertung der kaum zu übersehenen Effektivitätsgrenzen des am Individualinteresse orientierten Haftungsrechts für die Regulierung übergreifender ökologischer Schäden fallt allerdings unterschiedlich aus: Während zum Teil an einer privaten Anspruchszuständigkeit durch den Ausbau der privatrechtlichen Verbandsklage festgehalten wird,184 sehen andere den Schutz der Allgemeininteressen vor Beeinträchtigungen des Naturhaushalts (nur) durch eine staatliche Anspruchsberechtigung hinreichend gewährleistet. IK5 Neben einer im privaten Haftungsrecht verorteten, nur mittelbaren Anspruchsberechtigung des Staates, den Verursacher zur "Wiederherstellung" sowie zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu verpflichten (so § 118 UGB-ProtE), ließe sich nach dem Vorbild der polizei- und naturschutzrechtlichen Störerhaftung auch an eine öf-
180 Siehe auch §§ 127 UGB-ProfE, 182 Abs. 2 UGB-KomE. IKI Die Erfassung und der Ausgleich ökologischer Schäden scheidet nicht nur aus, wenn das geschädigte Objekt keinem Rechtssubjekt zugeordnet ist (wie etwa die Meere), sondern bereits dann, wenn der Inhaber des Rechts (wie etwa der Eigentümer eines Grundstücks) kein Interesse an der Wiederherstellung hat. 182 Ökologische Schäden machen regelmäßig nicht an der Grundstücksgrenze halt. Nicht selten stellen sie schwerwiegende Beeinträchtigungen des Naturhaushalts dar, deren Wiederherstellung bzw. realer Ausgleich dem einzelnen Verursacher wenn nicht unmöglich, so doch unzumutbar ist. Ein kompensatorischer Anspruch in Geld setzt aber voraus, daß der Geschädigte einen (meßbaren) Vermögensschaden erlitten hat. Derzeit dürfte dies angesichts der Schwierigkeiten für den nach ökonomischen oder normativen Maßstäben zu bestimmenden Geldwert beeinträchtigter Naturgüter regelmäßig zu verneinen sein. 183 Es ist nicht einzusehen, warum die entfallende Automobilnutzung, nicht aber die entgangene Garten- sowie sonstige Nutzung der Natur und Landschaft einen Schaden darstellen soll. Die Bewertungsprobleme allein rechtfertigen jedenfalls keinen Unterschied, zumal hier wie dort eine Pauschalisierung vorgenommen werden muß bzw. müßte. Insbesondere der von administrativen Präventivregelungen nicht hinreichend erfaßte Restschaden rechtswidriger oder störfallbedingter Umweltbelastungen sollte einer Monetarisierung und damit auch einer Internalisierung zugänglich gemacht werden: im Hinblick auf die Rheinverschmutzung infolge des Sandoz-Unfalls Ladeur, NJW 1987, 1236 (1238 ff). 184 Ausführlich Kadner, Der Ersatz ökologischer Schäden, 1995, S. 136 ff 185 Statt vieler E. Rehbinder, NuR 1988, 105 (108 f).
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fentlich-rechtliche Berechtigung des Staates zur Anordnung der "Wiedergutmachung" rechtswidrig verursachter Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft denken (so § 131 UGB-KomE).186 Dies würde freilich eine Rückkehr zum Ordnungsrecht mit seinen bekannten Vollzugsproblemen bedeuten und den Ausbau neuer haftungsrechtlicher Anreize erschweren. Allerdings sollen ökologische Schäden auch über den Rettungkostenersatz fiir Private eine vermeidungs- und anreizorientierte Regelung erhalten (§ 131 Abs. 6 UGB-KomE).187
3. "Neue" ökonomische Instrumente Unter den "neuen" ökonomischen Instrumenten l88 versteht man die überwiegend aus der Umweltökonomie stammenden Modelle, in der Abkehr vom klassischen Ordnungs recht eine zielorientierte und zugleich marktkonforme umweltpolitische Steuerung zu ermöglichen. Abgaben- und haftungsrechtlichen Lösungen treten insbesondere Zertifikats- und Kompensationsmodelle zur Seite, die auch "flexible Instrumente" genannt werden. '89 Ihnen liegt (wie Abgaben) 186 Während sich ein an die privatrechtliche Gefährdungshaftung gekoppelter (subsidiärer) Anspruch des Staates auch auf den Bereich der durch "legale" Emissionen verursachten, aber unvorhersehbaren Schäden aus dem bestimmungsgemäßen Normalbetrieb erstrecken könnte, knüpft die öffentlich-rechtliche Eingriffslösung nach § 131 UGBKornE allein an die Verantwortlichkeit des Schädigers ftir einen Verstoß gegen umweltrechtliche Pflichten oder Störfälle bzw. Unfälle an und umfaßt lediglich den Bereich rechtswidriger Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Ersatzzahlungen ftir den Fall nicht in natura kompensierbarer Beeinträchtigungen - dagegen noch Kloepfer/ RehbinderiSchmidt-AßmanniKunig (FN 4), S. 425 f., daftir jetzt die im öffentlichen Recht verortete Lösung nach BMU (FN 5), S. 710 - bedürfen freilich eines Wertungsmaßstabs, der aus § 8 BNatSchG oder gegebenenfalls neu zu entwicklenden Qualitätsstandards entnommen werden könnte. Neben der ökologischen Regenerationsfähigkeit der Natur wäre jedoch auch eine ökonomische Kosten-Nutzen-Relation zwischen dem Aufwand und dem zu erwartenden Erfolg ftir das geschädigte Naturgut zu berücksichtigen, so mit dem Hinweis auf die Entschädigungspraxis des internationalen Ölverschmutzungsfonds E. Rehbinder (FN 185), S. 114. 187 Eine solche Regelung ermöglicht es beispielsweise den Verbänden, ftir die Rettung und Pflege kontaminierter Vögel einen angemessenen Aufwendungsersatz zu erhalten. Zur Abwendung drohender ökologischer Schäden bietet sich der (vorgezogene) Rettungskostenersatz mit der vollen Ersatzfähigkeit der Kosten selbst ftir den Fall der Erfolglosigkeit der Aufwendungen an, soweit der Eintritt des Schadensereignisses ohne Einleitung von Schadensmaßnahmen als unvermeidbar angesehen werden durfte. Auch die Gewährung von Versicherungsschutz macht den Ersatz von Rettungskosten jedenfalls nicht von vornherein präventiv wirkunglos. Sind die in beträchtlicher Höhe anfallendenen Kosten in der Versicherungsprämie monetarisiert, leistet das Haftpflichtrecht auch jenseits der versicherten Schäden einen wichtigen Ergänzungsbeitrag zur Verhütung von Umweltschäden: Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 177 (m.w.N.). 188 Vgl. Kloepfer (FN 3), S. 738. 189 So der Professoren entwurf im Sechsten Kapitel, Dritter Abschnitt (§§ 87 ff. UGB-ProfE) und die Entwurfsbegründung zum Kommissionsentwurf: BMU (FN 5), S. 799. Der Komissionsentwurf ordnet diese Instrumente aber in einem gemeinsamen
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die ökonomische Grundidee einer Steuerung über den Preis zugrunde, der sich jedoch (wie unter Zuhilfenahme des Haftungsrechts) in der Tradition von Coase unter bestimmten Bedingungen durch marktförmige Verhandlungen und Tauschvorgänge von selbst herausbilden solle. '90 Mit der Vergabe von "Emissionsrechten" in Höhe der zulässigen Umweltnutzungen - so das umweltökonomische Credo - könnten die institutionellen Rahmenbedingungen als Voraussetzung rur das Entstehen von Märkten und das Auffinden effizienter Umweltnutzungsverteilungen geschaffen werden. 191 Nach der modellprägenden Zertifikats/äsung werden Trägem umweltbelastender Vorhaben aus einem festgelegten Gesamtkontigent handelbare Berechtigungen zur Vorhabenverwirklichung (z. B. Emissionszertifikate oder Produktlizenzen) zugewiesen. Dem Unternehmen bleibt die Wahl zwischen Entlastungsmaßnahmen und dem Erwerb von Belastungszertifikaten. Wie das Abgabenmodell hat aber auch das Zertifikatsmodell in der Umweltökonomie erhebliche Abwandlungen erfahren. Daß übertragbare und gegebenenfalls an der Börse zu handelnde Umweltzertifikate keine "Selbstläufer" sind, zeigt sich
Sechsten Kapitel (§§ 15 I ff. UOB-KomE) unter den vorangestellten betrieblichen Umweltschutz (Erster Abschnitt) sowie die in der Nähe zum Umweltbetriebsrecht sicherlich richtig plazierte Umwelthaftung (Zweiter Abschnitt) als - wie es in der Kapitelüberschrift schlicht heißt - "sonstige" ökonomische Instrumente, worunter neben Abgaben (Dritter Abschnitt) und Subventionen (Vierter Abschnitt) "Kompensation, Benutzungsvorteile und Mitbenutzung" (Fünfter Abschnitt) gerechnet werden. Hierin kommt nicht nur zum Ausdruck, daß auch von Anreizen für den betrieblichen Umweltschutz ökonomische Internalisierungseffekte ausgehen können (z. B. durch das Umweltaudit). Den noch im Professorenentwurf vorgesehenen (normativen) Vorrang "neuer" ökonomischer Instrumente gegenüber dem Ordnungsrecht - vgl. §§ 6 Abs. 3, 87 ff. UOB-ProfE sowie K/oepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig (FN 4), S. 163 - läßt der Kommissionsentwurf nunmehr wegfallen - vgl. §§ 7, 202 ff. UOB-KomE sowie BMU (FN 5), S. 458 (m.w.N.) - und deutet stattdessen eine (systematische) Nachrangigkeit der "sonstigen" ökonomischen Instrumente gegenüber dem betrieblichen Umweltschutz an, der als Scharnier zwischen den ordnungsrechtlichen Vorgaben und ökonomischen Verhaltensimpulsen vielfach erst die betrieblichen Voraussetzungen fur den erfolgreichen Einsatz flexibler Instrumente schafft, sie gegebenenfalls aber auch ersetzen kann (z. B. durch das Umweltaudit, das eine Kompensation am geprüften Standort auszuschließen scheint). 190 Die Rede ist von "echten" Knappheitspreisen, die sich über den Markt bilden und nicht - wie im Oegenmodell der Abgaben - als "künstliche" Preise vom Staat festgesetzt würden: statt vieler Bonus, Emissionsrechte als Mittel der Privatisierung öffentlicher Ressourcen aus der Umwelt, in: Wegehenkel (Hg.), Marktwirtschaft und Umwelt, 1981, S. 53 ff. Zum Streit in der Umweltökonomie zwischen dem neoklassischen Ansatz der Emissionsabgabe und der neueren institutionenökonomischen Theorie von Emissionsrechten Gawel, Zur Neuen Politischen Ökonomie der Umweltabgabe, in: Benkertl BundelHansjürgens (Hg.), Wo bleiben die Umweltabgaben? Erfahrungen, Hindernisse und neue Ansätze, 1995, S. 78 ff.; zu den Traditionsgrundlagen auch Köck (FN 70), S. 146 ff. 191 V gl. aus ökonomischer Sicht Bonus (FN 75), S. 291; zu den rechtlichen Funktionsbedingungen zuletzt Enders, DÖV 1998, 184 ff.
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
bereits in der notwendigen Grundannahme staatlich fixierter Qualitäts- und Mengenziele, deren Formulierung nicht allein dem Markt überlassen sein darf. Inzwischen ist weitgehend anerkannt, daß fortschreitende Erkenntnisse über die Schädlichkeit von Umweltnutzungen sowie reale Umweltverbesserungen eine Abwertung der Zertifikate durch den Staat erforderlich machen. l92 Die modelltheoretische Überlegenheit gegenüber dem Ordnungsrecht, jenseits der behördlichen Kontrollerlaubnis "durch mehr Markt" auch großräumige (globale) Umweltbelastungen wie den COrAusstoß besser in den Griff zu bekommen,193 weicht damit der Einsicht in die voraussetzungsvollen Grundannahmen und Bewertungsprobleme, die eine praktische Überlegenheit der Zertifikate gegenüber dem Ordnungsrecht "und weniger Staat" zweifelhaft erscheinen lassen. 194 Während Zertifikats lösungen in den USA jedoch pragmatisch entwickelt und zum Teil auch (regional) eingefilhrt wurden,195 warfen sie in der Bundesrepublik 192 Zur Abwertung unter Vorsorgeaspekten E. Rehbinder, Übertragbare Emissionsrechte aus juristischer Sicht, Teil 11: Umweltlizenzen (Zertifikate) im Bereich der Luftreinhaltung, in: Endres/RehbinderlSchwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1994, S. 92 (111 ff.); in Form eines Ankaufsrechts des Staates mit Kontrahierungszwang auch Blankenagel, Umweltzertifikate. Die rechtliche Problematik, in: WenziIssinglHofmann (Hg.), Ökologie, Ökonomie und Jurisprudenz, 1987, S. 71 (84 f); zur Überlegenheit einer generellen Abwertung der Zertifikate gegenüber dem ordnungsrechtlichen Modell einer einzelfallbezogenen Durchsetzung der Vorsorgeanforderungen Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 304. 193 Vor allem der ordnungsrechtlich nur schwach vorgeprägte Klimaschutz bietet sich für die Umsetzung des Zertifikatsmodells an, vgl. Heister/Michaelis u.a., Umweltpolitik mit handelbaren Emissionsrechten, 1991, S. 55 ff So sieht das auf der Dritten Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto unterzeichnete Klimaschutzprotokoll vom 11. Dezember 1997 neben konkreten Emissionszielen auch die Handelbarkeit von Emissionsrechten vor, von deren zufriedenstelIender Regelung auf der Klimaschutzkonferenz in Buenos Aires die Bundesrepublik Deutschland ihre Ratifikation abhängig machen wollte, vgl. FAZ v. 12.12.1997, S. 7. Das Modell handelbarer Emissionsrechte wird inzwischen aus ökonomischer Sicht für den Klimaschutz zwar befürwortet (vgl. FAZ v. 26.8.1998, S. 16), dürfte aber mit den Beschlüssen von Buenos Aires noch nicht überzeugend auf den Weg gebracht worden sein. 194 An der Durchführbarkeit des Zertifikatsmodells zweifelnd aus ökonomischer Sicht Cansier, Artikel "Zertifikate", in: Kimminich/v. LersnerlStorm (Hg.), HdUR, Bd. 2, 2. Aufl., 1994, Sp. 2541 (2543 f); aus juristischer Sicht mit der Einschätzung, daß die Festsetzung der Abwertungsrate und -zeit ebenso voraussetzungsvoll sei wie die Intervention im Rahmen des Ordnungsrechts: Ladeur, ZfU 1987, I ff. (11); skeptisch auch Meßerschmidt (FN 134), S. 9 f Positiver (im Sinne eines Erprobungsbedarfs) dagegen Koenig, DÖV 1998, 943 ff. 195 So besteht seit 1994 im Großraum Los Angeles ein regionaler Markt für den Handel mit Emissionszertifikaten für SOx und NOx (Regional Clean Air Incentives Market). Die Zertifikate werden für die Verringerung der Luftverschmutzung in dieser Region bis zum Jahr 2010 an die Emittenten vergeben und jährlich verringert, dazu Bader/Rahmeyer, ZfU 1996, 43 ff; für S02-Emissionen von Kraftwerken der öffentlichen und privaten Energieversorgung schreibt auch das Acid-Rain-Program auf Grund der Novelle zum Clean Air Act 1990 die Vergabe von Lizenzen vor, dazu Wasmeier, NuR 1992, 219 ff; Endres/Schwarze, Das Zertifikatsmodell vor der Bewährungsprobe? Eine ökonomische Analyse des Acid Rain-Programms des neuen US-Clean Air Act, in: End-
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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Deutschland immer wiederkehrende Grundsatzfragen auf, fanden aber (bisher) keine Aufnahme im Umweltrecht. 196 Vor allem das Schutzprinzip und seine (staatliche) Sicherstellung resp. Umsetzung fiir die Abwehr von Gefahren hat dem Zertifikatsmodell mit seiner die ordnungsrechtliche Überwachung ersetzenden (oder doch verringernden) Bedeutung deutliche Grenzen gesetzt. Kann das "lizensierte Recht auf Umweltbelastung" wegen zu vermeidender örtlicher Belastungskonzentrationen regelmäßig aber nur im Rahmen des jeweiligen Genehmigungsverfahrens vergeben werden,197 sind die erhofften Entlastungs- und Einsparungspotentiale fiir den Staat eher gering. Nicht zuletzt aus diesem Grund verzichten die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch auf Regelungen über die Erprobung und Einfiihrung von Emissionszertifikaten. 19K Ob sich diese Zurückhaltung als richtig erweist, wird sich zeigen. Immerhin hatte bereits die alte Bundesregierung ein Pilotprojekt zur Einfiihrung eines Systems handelbarer Umweltlizenzen fiir die Reduzierung der Emissionen von leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffen beim Lösemitteleinsatz in nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen vorbereitet und fiir die Umsetzung der Europäischen Lösemittelrichtlinie in Teilbereichen ein Lizenzsystem vorgesehen. 199 In der abgeschwächten Form von Kompensations/ösungen hat der Gedanke einer flexiblen und situationsangepaßten Minderung von Umweltbelastungen jedoch Eingang in das deutsche Umweltrecht (lmmissionsschutzrecht) gefunden. Im Unterschied zu Zertifikaten geht es den - zunächst in der TA Luft fiir die Sanierung von Altanlagen verwirklichten 2110 - Kompensationsmöglichkeiten
res/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1994, S. 137 ff 196 In dem Spannungsverhältnis zwischen der Ökonomisierung umweltschützender Instrumente und der gebotenen Verteilungsgerechtigkeit knapper Umweltgüter konnte sich die Idee einer fortschreitenden Privatisierung von Umweltgütern nicht durchsetzen, vgl. zum Verteilungsproblem der Umweltgüter KloepferiReinert, ZfU 1995, 273 ff; M. Wolf, Privatisierung oder Sozialisierung von Umweltgütern, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hg.), UTR 12 (1990), S. 243 ff Hinter dieser Ablehnung verbirgt sich nicht nur das verfassungsrechtliche Gebot eines staatlichen Mindestschutzes und der grundsätzlichen Verantwortung des Staates für die Verteilung knapper Gemeinschaftsgüter, sondern auch der in diesem Rahmen verbleibende Konflikt zwischen ökonomischer Markt- und sozialstaatlicher Gerechtigkeitsvorstellung. Das eine sei mit dem jeweils anderen nicht zu haben. 197 So Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 305. 19K Vgl. KloepferlRehbinderiSchrnidt-AßrnanniKunig (FN 4), S. 364 f; jetzt auch EMU (FN 5), S. 808. 199 Vgl. EMU, Umweltbericht 1998, S. 33 f. 200 Bereits nach Nr. 2.212 der TA Luft 1964 (GMBI. S. 433) konnte für Anlagengenehmigungen nach § 16 GewO die Einhaltung von Immissionswerten durch Kompensation, d. h. durch Minderung der Emissionen aus Altanlagen sichergestellt werden, vgl. Rehbinder, Übertragbare Emissionsrechte aus juristischer Sicht. Teil I: Herkömmliche Kompensationen im Bereich der Luftreinhaltung, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, 10 Franzius
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
lediglich darum, den Unternehmen innerhalb des ordnungsrechtIichen Rahmens nach marktwirtschaftlichen Kriterien Entscheidungsspielräume fiir kosteneffiziente Umweltschutzmaßnahmen zu eröffnen. Entsprechende Vorbilder aus der in den USA verstärkt seit 1977 betriebenen Luftreinhaltepolitik mit dem Ziel eines "kontrollierten Umwelthandels" aufgreifend,20I ermöglicht die auf § 48 Nr. 4 BImSchG gestützte und § 7 Abs. 3 BImSchG konkretisierende Sanierungsregelung in Nr. 4.2.10 der TA Luft vom 27. Februar 1986 202 die Zusammenfassung mehrerer Emittenten unter einer "Emissionsglocke" (sog. Bubble-Prinzip), innerhalb derer Altanlagen von ordnungsrechtlichen Vorsorgeanforderungen abweichen dürfen, sofern durch technische Maßnahmen an anderen Anlagen des Betreibers oder Dritter in demselben Beurteilungsgebiet weitergehende Emissionsminderungen als bei Beachtung der Vorsorgeanforderungen erreicht werden (sog. Offset-Prinzip). Der Verpflichtete erhält demnach bei der überobligationsmäßigen Minderung von Emissionen ein Guthaben, das er oder ein Kompensations-Partner rur eine andere Anlage zur Errullung der rur diese geltenden Anforderungen verwenden können (sog. "emissions-banking").20J Während sich jedoch die hierdurch geschaffenen Anreize auf die Übererrullung rechtlich geforderter Emissionsminderungen ("Emissionskompensation") im Rahmen der Altanlagensanierung beschränken (so jetzt auch § 17 Abs. 3a BImSchG),204 ermöglicht die anlagenübergreifende Sanierungsklausel des § 67a Abs. 2 Nr. 2 BImSchG in Anlehnung an die immissionsbezogenen Kompensationsmöglichkeiten durch Nr. 2.2.1.1. lit. b sowie Nr. 2.2.3.2 der TA Luft 20S nunmehr auch eine Überschreitung der Immissionswerte ("Immissionskompensation") fiir Neu- und Änderungsgenehmigungen in den neuen Bundesländem. 206 Danach ist 1994, S. 28 (29 f.). Auch die geänderte TA Luft von 1974 (GMBI. S. 426) enthielt ausdrückliche Kompensationsregelungen für Emissionsquellen, die von der gleichen Person betrieben wurden, weshalb dem deutschen Umweltrecht für Kompensationen ein "Erstgeburtsrecht" attestiert wird: Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 307. 201 Dazu Benkert, NuR 1983,295 ff.; Sprenger, Die "Emissions Trading Policy" in den USA: Beobachtungen und Bewertungen aus deutscher Sicht, in: Schneider/Sprenger (Hg.), Mehr Umweltschutz durch weniger Geld, 1984, S. 493 ff; zur Rezeption dieser Ansätze in Deutschland E. RehbinderiSprenger, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit neuer Konzepte der US-amerikanischen Luftreinhaltepolitik in den Bereich der deutschen Umweltpolitik, 1985. 202 GMBI. S. 95. 203 Vgl. Kothe, Marktwirtschaftliehe Instrumente der Luftreinhaltung als Mittel situationsgerechten Verwaltungshandeins, 1990; Enders, Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht, 1996, S. 19 ff. 204 Zu den bisherigen - eher ernüchternden - Erfahrungen mit emissions bezogenen Regelungen Ewringmann/Gawel, Kompensation im Immissionsschutzrecht, 1994, S.106ff. 20S Hierzu BVerwGE 55, 250 (267 ff.). Zu den - überwiegend positiven - Erfahrungen mit immissionsbezogenen Kompensationsmöglichkeiten in Belastungsgebieten E. Rehbinder (FN 200), S. 43 ff. 206 Dazu E. Rehbinder (FN 200), S. 47 ff.
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eine Kompensation auch im Gefahrenbereich möglich und eine gebietsbezogene Vorbelastung kein Genehmigungshindernis, wenn durch Verbesserungen oder Stillegungen von anderen Anlagen eine Verminderung der Immissionsvorbelastung herbeigefiihrt wird, die im lahresmittel mindestes doppelt so groß ist wie die Zusatzbelastung durch die zu genehmigende Anlage. Obgleich Kompensationen bisher lediglich im Bereich der Luftreinhaltung eine Rolle spielen und sich im Klimaschutz ein zukünftiges Anwendungsfeld "internationaler Kompensationsgeschäfte" eröffnet,207 sind die Einsatzmöglichkeiten für Flexibilisierungen des umweltrechtlichen Instrumentariums nicht auf den Immissions- und Klimaschutz beschränkt. Insbesondere im Wasserrecht (in dem viele "neue" Instrumente ihre Erprobung fanden) könnten mit der Abkehr von einer Betrachtung der Einzeleinleitung verbesserte Verrechnungsmöglichkeiten für Direktund Indirekteinleiter geschaffen werden, um auf diese Weise eine ökologische Bewirtschaftung der Gewässer unter ökonomisch sinnvollen Spielräumen zu erlauben. 208 Die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch greifen die grundsätzlich positiven Einschätzungen hinsichtlich einer Erweiterung von Kompensationsmöglichkeiten auf und sehen die behördliche Anerkennung von freiwilligen Kompensationsmaßnahmen vor, deren Anwendungsbereich über emissionsverursachende Anlagen hinaus auch auf sonstige Tätigkeiten - etwa im Produktbereich - erstreckt werden sol1.209 Rechtliche Anerkennung haben ferner Benutzungsvorteile rur die Verwender umweltfreundlicher Produkte gefunden. Darunter versteht man solche Regelungen, die allgemein angeordnete Beschränkungen hinsichtlich der Verwendung umweltbelastender Produkte aufheben oder lockern, soweit sie bestimmten ge-
207 Das Konzept der "Joint Implementation" nach Art. 4 Abs. 2 lit. a) der Klimakonvention von 1992 (vgl. Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen vom 9.5.1992 über Klimaänderungen sowie Gesetz vom 13.9.1993, BGBI. II S. 1783) erlaubt gemeinsame Klimaschutzmaßnahmen mit anderen Staaten. Danach ergibt sich die Möglichkeit, eigene Reduktionsverpflichtungen durch eine Emissionsreduktion, die in anderen Staaten verwirklicht worden ist, zu kompensieren. Eine erste Pilotphase wurde 1995 auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz in Berlin beschlossen, vgl. BMU (Hg.), Gemeinsam umgesetzte Aktivitäten zur globalen Klimavorsorge, 1996. 20S Vgl. aus ökonomischer Sicht Gawel, ZfW 1994,253 (255 ff.) sowie aus juristischer Sicht E. Rehbinder, Übertragbare Emissionsrechte aus juristischer Sicht. Teil 111: Kompensationen und Umweltlizenzen außerhalb des Bereichs der Luftreinhaltung, in: EndreslRehbinderlSchwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1994, S. 216 (223 ff.). Zur Einfligung von Kompensationsmöglichkeiten in das Wasserrecht jetzt auch Reichert, Flexible Instrumente im Abwasserrecht, 1997, S. 51 ff. 209 Während der Professorenentwurf zwischen Anlagen und Tätigkeiten tatbestandlieh differenziert, Kompensationen aber auch im Gefahrenbereich generell zulassen will (§§ 89 f. UGB-ProfE), faßt der Kommissionsentwurf alle kompensationseröffnenden Vorhaben in einem Vorsorgetatbestand zusammen (§ 202 UGB-KomE), schafft flir den Bereich der Gefahrenabwehr aber eine Spezialregelung flir Kompensationen in Belastungsgebieten (§ 203 UGB-KomE).
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
setzlich zwar nicht zwingend vorgeschriebenen, aber als wünschenswert deklarierten Beschaffenheitanordnungen entsprechen und damit ein höheres Maß an Umweltverträglichkeit aufweisen als andere Produkte derselben Art. 2IO Die freiwillige Übererfullung von Umweltstandards wird auf diese Weise mit einem naturalen, aber durchaus geldwerten Vorteil belohntYI So nimmt § 40c BImSchG Kraftfahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß vom Verkehrsverbot bei erhöhten Ozonkonzentrationen aus. Ähnlich befreit § 6 Abs. 2 der 8. BImSchV (Rasenmäherlärmverordnung) Betreiber von Rasenmähern mit geringen Geräuschemissionen teilweise von zeitlichen Betriebsbeschränkungen. Verallgemeinerungen dieser bisher nur punktuellen Regelungen sehen die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch vor (§§ 88 UGB-ProfE, 204 UGB-KomE). Der Kommissionsentwurf regelt außerdem das aus dem Abfall- und Wasserrecht bekannte Instrument der Mitbenutzung von Anlagen (§ 205 UGB-KomE), das der Behörde die Möglichkeit eröffnet, unter näher bestimmten Voraussetzungen den Anlagenbetreiber zur Gestattung der Mitbenutzung zu verpflichten. 212 11. Informale Instrumente
Neben die ökonomischen Instrumente ist im Umweltrecht die Informalisierung des staatlichen Entscheidungsprozesses getreten. Damit wird zunächst das reale Phänomen umschrieben, daß der Staat umweltrelevante Entscheidungen (auch) außerhalb formalisierter Entscheidungsverfahren und jenseits präzise normierter rechtlicher Handlungsvoraussetzungen trifft. 213 Der Begriff des "informalen Verwaltungshandeins" stammt aus der amerikanischen Organisationssoziologie und bezeichnet die fur Organisationen häufig lebensnotwendige Existenz nichtförmlicher Beziehungen neben bzw. unterhalb der formalen Organi-
Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 227. Siehe auch Wicke, Umweltökonomie, 4. Aufl., 1993, S. 261 ff. 212 Zur (entgeltlichen) Mitbenutzung von Anlagen als Instrument der Ressourcenschonung BMU (FN 5), S. 812. 21J Das informale Handeln im Schatten formaler Entscheidungsvorgaben ist schon seit längerer Zeit bekannt, siehe bereits Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 168; Quaritsch, Über formelle und informelle Wege der Entscheidung, FS rur Ule, 1977, S. 135 ff; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1989, 533 ff (?41); krit. zur begrifflichen Gegenüberstellung lsensee, DVBI. 1986, 955 f; Bulling, DOV 1989,277 ff (278). Charakteristisch rur informale Handlungsweisen ist der funktionale Bezug zu den formalisierten Rechtsakten des Staates, deren Erlaß vorbereitet (ergänzt) oder vermieden (ersetzt) wird. In rechtlicher Hinsicht ist entscheidend, das die beteiligten Akteure eine unmittelbare rechtliche Bindung im Sinne der Einklagbarkeit von Erfullungsansprüchen zu vermeiden suchen, weshalb ihnen auch die Rückzugsmöglichkeit vom informalen zum formalen Handeln - Einsatz des Ordnungsrechts und Inanspruchnahme von Rechtsschutz - offensteht: H. Dreier, StaWissPrax. 1993, S. 647 (648 ff). 210
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sationsregeln. 214 In der Zwischenzeit hat der Begriff des "informalen Verwaltungshandeln" zur Bezeichnung der tatsächlichen Handlungsweisen des Staates eine erstaunliche Karriere gemacht und ist auch in der deutschen Rechtswissenschaft heimisch geworden. 2Il Das "informale Verwaltungshandeln" avancierte zum rechtswissenschaftlichen Schlüssel- und Oberbegriff fur die Erfassung und Problematisierung einer Vielzahl von disparaten Steuerungsformen, die sich wie das staatliche Informationshandeln oder Absprachen jenseits vertraglicher Bindungen - durch rechtlich im einzelnen nicht näher geregelte Handlungsvoraussetzungen und den Verzicht auf die Setzung einer verbindlichen Rechtsfolge auszeichnen. 216 Wie mit ökonomischen Instrumenten versucht der Staat auch mit
214 Grundlegend Woll, Administrative Law. The Informal Process, 1963, S. 24 ff., 48 ff., 186 ff.; zur "informalen Organisation" siehe auch Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, 3. Aufl., 1976, S. 244 ff. 215 Auf empirischen Untersuchungen aufbauend Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981. Aus dem kaum noch zu überschauenden Schrifttum die vielseitigen Facetten beleuchtend Hoffmann-RiemISchmidt-Aßmann (Hg.) Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, 1990; M. Schulte (FN 48), S. 25 ff.; Kloepfer (FN 3), S. 738 ff.; zusammenfassend Henneke, NuR 1991, 267 ff. (m.w.N.). Auch die Rechtsprechung befaßt sich zunehmend mit dem Phänomen informaler Verständigungen, vgl. für den Strafprozeß BVerfG, NStZ 1988,419 ff.; BGH, N1W 1989,2270 f.; zu den Möglichkeiten und Grenzen informaler Vorausbindungen in der Bauleitplanung bereits BVerwGE 45, 309 (315 ff.). Mittlerweile stützen sich sogar Begründungen zu Gesetzesentwürfen auf den Begriff, so etwa im Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Heimgesetzes vom 19.9.1995, BT-Drs.13/2347: Mit dem vorgeschlagenen Wegfall der Erlaubnis (fur den Heimbetrieb) und der gleichzeitigen Stärkung der Beratungsptlicht finde ein "Ubergang vom formellen Verwaltungsverfahren zum sog. informellen Verfahren" statt. 216 Nach dieser negativen Begriffsbestimmung umfaßt das informale Verwaltungshandeln auch das (einseitige) Informationshandeln des Staates: Ossenbühl, Informelles Hoheitshandeln im Gesundheits- und Umweltschutz, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/ Schröder (Hg.), UTR 3 (1987), S. 27 (30 ff.); ebenso M. Schulte, DVBI. 1988, 512 ff.; vorsichtiger Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 166 ff. - Teilweise wird mit der Tauschförmigkeit des Handeins ein zusätzliches positives Begriffselement zur Definition informaler Instrumente verlangt, wonach hierunter lediglich (zweiseitige) Verhandlungen und Absprachen subsumiert werden könnten, vgl. Bohne, Informales Verwaltungshandeln, in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hg.), HdUR Bd. I, 2. Aufl., 1994, Sp. 1046 (1050 f.); ebenso H. Dreier (FN 213), S. 649 ff. - Zuzugeben ist, daß in einer allein negativen Abgrenzung zu den formalen Handlungsweisen des Staates der Begriff des informalen Handeln wie schon zuvor der Begriff des schlichten Verwaltungshandelns konturen los zu werden droht. Das weite (heuristische) Begriffsverständnis informaler Instrumente unter Einschluß staatlicher Informationsakte zielt aber darauf ab, eine Komplementärerscheinung rechtlicher Formalisierungen sichtbar und das gemeinsame Spannungsverhältnis zur Rechtsstaatlichkeit hoheitlichen Handeins erkennbar zu machen. Inzwischen hat sich das einseitige Informationshandeln des Staates durch Warnungen, Empfehlungen und Hinweise von seiner informalen Ausrichtung weitgehend gelöst und nimmt als eigenständige Handlungsform der Exekutive zunehmend Gestalt an. Zu den Rechtsfolgen staatlicher Informationsakte Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 442 ff.; siehe auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1995, § 15 Rn. 15; zusammenfassend Kloepfer (FN 24), S. 35.
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infonnalen Instrumenten lediglich influenzierend und motivierend, dadurch aber möglicherweise effektiver und flexibler als mit herkömmlichen ordnungsrechtlichen Mitteln, auf das umweltrelevante Verhalten des Bürgers einzuwirken. Vor allem die rechtswissenschaftliehe Rezeption der systemtheoretischen Einsicht in die Grenzen traditioneller Ordnungsvorstellungen hat die Herausbildung informaler Instrumente nicht unmaßgeblich beeinflußt. Systemtheoretisch gesprochen ist der Weg (nicht unbedingt die Flucht) in die InfonnaIität durch eine Reduktion von Komplexität gekennzeichnet: Die Kompliziertheit und Vielschichtigkeit des umweltrechtli~hen Nonnenbestandes sowie die zunehmende Offenheit, aber auch Vollzugsunfreundlichkeit insbesondere vorsorgeorientierter Nonntatbestände machen die Rechtsanwendung zu einem mit vielen Unsicherheiten behafteten Unterfangen und rufen erhebliche Rechtsunsicherheiten hervor. Ist der Ausgang von problembeladenen, gerade im Umweltrecht nicht selten langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahren ungewiß, wächst auf staatlicher Seite die Bereitschaft zur infonnalen Rechtsfolgenvermeidung, zur lediglich infonnativen Bewußtseinslenkung und Beratung, zum tauschförmigen Arrangement und damit zum interessenausgleichenden, aber konfliktvermeidenden Kompromiß. 217 Der überaus dynamische Charakter komplexer, sich pennanent ändernder Vorsorgeanforderungen verlangt vom Staat in hohem Maße eine gestalterische Umsetzungskreativität und läßt nicht nur die Bedeutung eines behördlichen, bisweilen gouvernementalen Infonnationshan-
217 Vor allem die in den 70er Jahren einsetzende Problematisierung von Vollzugsdefiziten im Umweltrecht hat die zunehmende Beschäftigung mit den informalen Steuerungsinstrumenten des Staates ausgelöst, vgl. Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, 1978; Bohne, Informales Verwaltungshandeln im Gesetzesvollzug, in: BlankenburglLenk (Hg.), Organisation und Recht, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, 1980, S. 20 ff. - Dieser Zusammenhang erzeugt Kritik am informalen Verwaltungshandeln, weise deren zunehmende Verbreitung und Instrumentalisierung doch auf Defizite des Rechts hin: statt vieler Sendler, DÖV 1989, 482 ff. (486); Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 ff. Als defizitär erweist sich aber regelmäßig nur der regulative Typus von Recht, der auf eine befehlsförmige und zwangsbewehrte Durchsetzung angewiesen ist. Informale Instrumente müssen trotz der in ihnen angelegten Gefahren für die Rechte und Interessen Dritter sowie der Abschmelzung normativer Handlungsanforderungen noch keinen Abschied vom Recht darstellen, das gerade in Gestalt des Umweltrechts staatliches Handeln nicht zwangsläufig in hoheitlichen Rechtsformen erfaßt, häufig nur Rahmenvorgaben für die gemeinsame Umsetzung der umweltschützenden Ziele durch Staat und Gesellschaft bereitstellt und die motivationeIle Einwirkung auf das erlaubte Verhalten des Bürgers als Ausweg aus dem Dilemma begreifen muß, Komplexität auf dem klassischen Weg durch Ge- und Verbote nicht mehr allein hinlänglich reduzieren zu können, vgl. zur Kompensation unzureichender oder fehlender Zwangs- und Erzwingungsmittel durch staatliche Informationen Kloepfer (FN 24), S. 9 f.; zur Reduktion von Komplexität durch informale Verhandlungslösungen H. Dreier (FN 213), S. 659. Informalität wird daher auch nicht selten als weitgehend unvermeidbar betrachtet, vgl. Maurer (FN 215), § 15 Rn. 13, 17; hierdurch wird deren Verrechtlichung jedoch nicht obsolet, vgl. Kunig/Rublack, Jura 1990, I ff. (6); a. A. Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 196 f.
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delns hervortreten, das aufklärend oder auch lenkend staatliche Verhaltenssignale in die Sprache der Adressaten übersetzt, um auf diese Weise deren "freiwillige" Folgebereitschaft fiir Zwecke des Umweltschutzes zu mobilisieren. Vielseitige Dauerkontakte zwischen Aufsichtsbehörde und Unternehmen begünstigen informale Vorverhandlungen im Vorfeld von Verwaltungsverfahren und lassen in diesem Stadium einvernehmliche Lösungen zur wechselseitigen Verbesserung der Informationslage, zur Akzeptanzerhöhung und damit gegebenenfalls sogar zur tatsächlichen Unterstützung des Gesetzesvollzugs vielfach unerläßlich erscheinen. Komplexitätsreduzierend wirken ferner auch solche Absprachen, die ihren Kerngehalt in einer (rechtlich unverbindlichen) Selbstverpflichtung der Wirtschaft finden, aber unter dem mehr oder weniger latenten Druck staatlicher Stellen zustandekommen und im Vor- bzw. Umfeld in Aussicht gestellter bzw. angedrohter regulativer Maßnahmen diese zugunsten einer häufig ebenso schnelleren wie effektiveren, weil einvernehmlichen Lösung entbehrlich machen sollen. 218 Informalität erzeugt damit fiir die Gegenwart (und den Normalfall) eine stabilisierende Selbstbindung, die den Beteiligten die Option offenhält, sich in Zukunft (und in wirtschaftlich oder politisch schlechteren Zeiten) ohne größere Schwierigkeiten hiervon wieder zu lösen (können). Gerade die im umweltrechtlichen Kooperationsprinzip ihre tiefere Legitimation erfahrenden informalen Instrumente tragen somit zur Erhaltung des formalen Rechts- und Verwaltungssystems bei. 219 Sie zeichnen den für das Umweltrecht 218 Hier - wie auch andernorts im Umweltrecht - scheint die Umweltpolitik auf der Suche nach neuen instrumentalen Wegen zur Ausrichtung der Verbraucher- und Herstellerinteressen am Umweltschutz auf reichhaltige Erfahrungen aus der Wirtschaftspolitik und dem gewachsenen Wirtschaftsrecht zurückgreifen zu können. Dies wird besonders deutlich in der umweltbezogenen Informationstätigkeit des Staates, die sich auf der einen Seite als Fortführung einer wirtschaftslenkenden Gestaltungspolitik mit subtilen Motivations- und Einwirkungsformen darstellt, auf der anderen Seite aber im Umweltrecht wegen seiner öffentlichkeitsbezogenen Breiten- und nicht selten beabsichtigten Doppelwirkung zu Lasten des Umweltbelasters ein zunehmendes Gewicht erhält, vgl. Di Fabio (FN 51), S. 1 ff.; erste Umrisse eines Umweltinformationsrechts sind schon erkennbar, vgl. Kloepfer (FN 24), S. 21 f. - Auch regulative Absprachen sind aus dem Wirtschafts- und Kartellrecht schon seit lärlgerer Zeit bekannt, vgl. zu den KohleErdölkartellen aus dem Jahr 1958, den Heizöl-Selbstbeschränkungsabkommen 1965 und den Selbstbeschränkungen der Zigarettenindustrie v. Zezschewitz, JA 1978, 497 ff.; in der Umweltpolitik gewinnen sie derzeit ein gesteigertes Augenmerk zur Substitution schärferer ordnungs- und abgabenrechtlicher Fremdregulierungen, vgl. Di Fabio (FN 30), S. 120 f. Unter dem kontrollierten Rückzug des Staates aus seiner ordnungsrechtlichen Alleinverantwortung beginnt sich mehr und mehr ein Selbstregulierungsrecht für die eigenverantwortete Wahrnehmung von Umweltschutzaufgaben herauszubilden, vgl. zu den rechtsstaat Iichen Anforderungen an ein Recht der gesellschaftlichen Selbstregulierung KloepferiElsner (FN 50), S. 963. 219 Nicht nur die Handlungsfahigkeit des Staates scheint im ausgehenden 20. Jahrhundert auf Kooperation und die Nutzung von Verhandlungssystemen angewiesen zu sein, vgl. Scharpf, PVS 1991, 621 ff. Auch das formale Recht setze für seine Aufrechterhaltung, Stützung und Belebung das Vorhandensein informaler Verhaltensweisen voraus. Bestimmtheit verlange nach informalen Öffnungsmöglichkeiten wie umgekehrt das
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beobachteten Wandel vom normierenden zum paktierenden Staat nach und stellen einen Rechtsverwirklichungsmodus bereit, der zwischen den Polen normativer Verbindlichkeit (Zwang) und selbstauferlegter Bindung (Freiheit) eine behutsame Verrechtlichung unter Erhaltung der unverzichtbaren Freiräume tur die beteiligten Akteure notwendig macht. 220
1. Informationen a) Idee Schon zu Beginn der modemen Umweltpolitik in den frühen 70er Jahren spielten staatliche Informationen der Öffentlichkeit tur die Verbreitung des Umweltschutzes eine wichtige Rolle. Der von staatlicher Seite zu jener Zeit als legislative Reformaufgabe verstandene Umweltschutz bedurfte der Vermittlung von Einsichten in die Notwendigkeit einer Fülle von Gesetzesvorhaben, deren gezielte Verwirklichung im Umweltprogramm der Bundesregierung von 197 pli angekündigt wurde. Eine Vielzahl der zum Teil erst sehr viel später in der Umweltgesetzgebung realisierten Problemlösungen läßt sich auf dieses - fur den Unbestimmte nicht ohne fonnalisierte Verhaltenserwartungen denkbar sei: Hili, DÖV 1987, 885 ff. (892). - Mit der rechtlichen Strukturierung einer funktionsgerechten und differenzierten Nutzung beider Seiten könnten die informalen Instrumente den Staat und seine fonnalen, personell wie finanziell knappen Rechtsdurchsetzungsressourcen entlasten, vgl. bereits J Becker, DÖV 1985, 1003 (1004 f.). Als wichtiger Nebeneffekt mag hier die Erschwerung einer gerade ftir den Umweltschutz und seine freiheitliche Instrumentalisierung problematischen Dogmatisierung und Versteinerung autoritärer Problemlösungen genannt sein: H. Hofmann, Technik und Umwelt, in: BendaiVogel/Maihofer (Hg.), HdVertR, 2. Aufl., 1994, § 21 Rn. 50. 220 Unter Hinweisen auf die differenzierten Verrechtlichungsvorschläge in den Entwürfen zum Umweltgesetzbuch Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 166 ff. (171, 173), 189 ff. (190, 205, 217) sowie § 6 Rn. 245 ff. - Während sich das Verrechtlichungsbedürfnis ftir das staatliche Infonnationshandeln im wesentlichen in der Sicherstellung des Gesetzesvorbehaltes und der Schaffung von hinreichenden Ennächtigungsgrundlagen erschöpft (siehe aber auch §§ 103 ff. UGB-ProtE, 206 ff. UGB-KomE), werfen konsensuale Verhandlungslösungen und Absprachen unter dem Kooperationsprinzip vor allem die Frage nach dem inhaltlichen Maß an Verrechtlichung auf: Kooperation ist - wie sich unschwer an der Möglichkeit "formaler" Vertragsabschlüsse erkennen läßt - nicht gleichbedeutend mit Informalität und auch nicht nur auf informalem Wege zu verwirklichen, fördert aber informale (nicht zwingend illegale) Vorgehensweisen und gebietet unter rechtsstaatlichen Erfordernissen eine maßvolle Verrechtlichung dieser Erscheinungsformen, sollen die erhofften Vorteile ftir beide Seiten nicht (wieder) verloren gehen; zur normativen Einhegung informaler Instrumente zwischen einem kaum realistischen Verbot und ihrer pragmatischen, aber rechtlich nur begrenzt hinzunehmenden Tolerierung Brohm, DVBI. 1994, 133 ff. (139); in dieser Richtung auch § 6 UGB-ProfE sowie vor allem §§ 34 ff. UGB-KomE mit der Normierung von Kontroll-, Unterrichtungs- und Publizitätspflichten im Rahmen der Anforderungen an eine regulative Absprachen aufgreifende Recht- und Regelsetzung. 22\ BT-Drs. VI/271O.
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legislativen Aufbau des Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland wegweisende - Programm und seine politische sowie publizistische Wirkung zurückfuhren. 222 Infonnationen des Staates (etwa durch breitenwirksame Werbekampagnen, symbolische Aktionen oder politisch-moralische Appelle zu umweltfreundlichem Verhalten) bezogen sich nicht allein auf die Aufklärung über die bestehenden Rechtspflichten und das zukünftig zu schaffende Umweltrecht sowie die Akzeptanzförderung staatlicher Umweltschutzmaßnahmen (aus heutiger Sicht besonders drastisch etwa das sog. Sonntagsfahrverbot auf dem Höhepunkt der Ölkrise 1973 223 ). Für die zunächst weitgehend exekutiv geprägte Umwelt- und das hieß gerade auch Umweltinfonnationspolitik des Bundes stand - wie es mit dem damaligen Staatssekretär beim SMI Günter Hartkopf einer der Hauptakteure resümiert - die "Weckung des Umweltbewußtseins" im Vordergrund. ZN Bevor die Öffentlichkeit und später die Parteien (insbesondere DIE GRÜNEN) den Umweltschutz als Thema fur sich entdeckten, hatten Bundesregierung und Ministerialbürokratie das neue zukunftsträchtige Politikfeld besetzf2; und mit
222 Insbesondere die umfassenden Neuregelungen durch das Abfallbeseitigungsgesetz (\ 972), das Bundes-Immissionsschutzgesetz (1974) und das Bundesnaturschutzgesetz (J 976) sowie die wichtigen Novellierungen des Wasserhaushaltsgesetzes und des Atomgesetzes (J 976) haben maßgebliche Impulse durch das Umweltprogramm der Bundesregierung erfahren. Dabei soll nicht verkannt werden, daß schon in den 60er Jahren eine punktuelle Umweltgesetzgebung einsetzte, u.a. mit der noch auf die Gewerbeordnung gestützten TA Luft (J 964), dem Gesetz zum Schutz gegen Baulärm (1965), der TA Lärm (1968) und des Altölgesetzes (J 968). Gleichwohl gilt das Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 aus heutiger Sicht mit seinen teilweise geradezu prophetischen Aussagen (so etwa mit dem Hinweis auf die Verantwortung für künftige Generationen, BT-Drs. VI/271O, S. 7) als deutlicher Ausgangspunkt auf dem Weg zum modernen Umweltrecht: Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S.100. 223 Vg!. die Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge vom 19. November 1973, BGB!. I S. 1676. 224 Hartkopf, Bild der Wissenschaft 4/1980, S. 114 f.; zur Initiierung des Umweltbewußtseins durch die Exekutive rückblickend auch der damalige Bundesinnenminister Genseher, Anmerkungen zum Umweltbundesamt, FS für v. Lersner, 1990, S.17; ausführlich, aber unter dem Aspekt der Umkehrung des demokratischen Prinzips der Willensbildung von unten nach oben kritisch H. P. Vierhaus (FN 77), S. 139 ff.; zur Bedeutung des Umweltbewußtseins für die modernen umweltrechtlichen Entwicklungsschübe Kloepfer (FN 77), S. 96 tT. und hierzu Franzius, DVBI. 1995, 453 ff. 225 Die FDP sah in der Institutionalisierung des Umweltschutzes ein geeignetes Mittel, die Kompetenzen des seit dem Regierungswechsel 1969 von ihr geleiteten Bundesinnenministeriums zu erweiteren und ihren Einfluß innerhalb der sozialliberalen Bundesregierung zu stärken. Selbst der zur einprägsamen Benennung des neuen Politikfeldes gefundene Leitbegriff "Umweltschutz" stammt aus diesem Ministerium, vg!. v. Lersner, Zur Entstehung von Begriffen des Umweltrechts, FS für Sendler, 1991, S. 259 ff. (263). Dabei darf freilich nicht übersehen werden, daß eine Reihe wichtiger umweltpolitischer Vorstöße bereits in den 50er und 60er Jahren erfolgten, vor allem von der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft (lPA),
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der infonnationellen Anregung umweltschutzbetonter Werthaltungen das gesellschaftliche Augenmerk gleichsam "von oben" auf den Umweltschutz gelenkt. 226 Schon zur Geburtsstunde der modernen Umweltpolitik trug das Infonnationshandeln des Staates daher die typischen "Fonnen geistiger Einflußnahme" (Roman Herzog). Es diente nicht bloß der Überzeugungsbildung beim Bürger und seiner inneren Zustimmung zum Staat, seinen Institutionen und konkreten Maßnahmen, sondern war und ist bis heute in vielen Fällen ersichtlich mehr, nämlich ein Steuerungsinstrument des Staates zur bewußten und gewollten Beeinflussung gesellschaftlicher Meinungs- und Verhaltensstandards. Als Lenkungsmittel eingesetzt, sind staatliche Informationen alles andere als nur eine Episode oder modische Randerscheinung der deutschen Umweltpolitik geblieben. Vielmehr haben sie einen wahren Boom erlebt und sind mit der Erkenntnis, daß in einer Infonnationsgesellschaft das reale Verhalten mehr und mehr über die Verftigbarkeit von Wissen gesteuert wird, aus der Umweltpolitik kaum noch wegzudenken. Typischerweise verbindet das staatliche Informationshandeln die reine Wissensmitteilung (über das erwartete Verhalten) mit einer Wertung (wie sich der Bürger verhalten soll). Bewertet wird aber nicht nur ein Verhalten, das rechtlich ohnehin geboten oder verboten ist (z. B. Ermunterung zur Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen). Seine besondere Bedeutung erhält das Infonnationshandeln des Staates vielmehr dadurch, daß es über die erwünschte Einhaltung der rechtlichen Minimalstandards gerade hinausgeht und auf das rechtlich prinzipiell erlaubte (weder ge- noch verbotene) Verhalten einzuwirken versucht. Geworben wird letztlich rur die Schaffung und Einhaltung von sozialmoralischen Verhaltensstandards, die sich der Adressat selbst zur Pflicht machen muß, soll die Infonnation ihre intendierte Wirkung er-
einem 1952 gegründeten Arbeitskreis von Abgeordneten überwiegend aus Landesparlamenten. 226 Nach Meinungsumfragen konnten sich bereits 92% der Befragten im November 1971 unter Umweltschutz etwas vorstellen, während es ein knappes Jahr zuvor nur 41 % waren, vgl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (RSU), Umweltgutachten 1978, BT-Drs. 8/1938, Tz. 1423 ff. Wesentlichen Anteil an diesem Umschwung und der Etablierung des Umweltschutzes in der öffentlichen Meinung hatte die umweltbezogene Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, die - wie es im Umweltprogramm von 1971 heißt - zu den "Hauptzielen staatlicher Umweltpolitik" gehört (BT-Drs. VI/27 \0, S. 9) und zur Vertiefung des wachsenden Umweltbewußtseins eingesetzt werden sollte (BTDrs. VI/27 I 0, S. 21), um auf diese Weise das Interesse am Umweltschutz wachzuhalten: zur regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit BM! (Hg.), Bundesministerium des Inneren. Geschichte - Aufbau - Aufgaben, Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums des Inneren, Bd. 18, 1973. Organisatorisch-normativen Ausdruck fand dieses Bemühen 1974 in der Errichtung des Umweltbundesamtes, zu dessen Aufgaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes v. 22.7.1974 (BGBI. I S. 1505) die "Aufklärung der Öffentlichkeit in Umweltfragen" gehört. Siehe zum Ganzen H. P. Vierhaus (FN 77), S. 139 ff., 147 ff., 151 ff. und (zur gezielten administrativen Förderung gesellschaftlicher Umweltschutzverbände) S. 166 ff.
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zielen. 227 Es ist dieser Akt der Anerkennung, also die innere Einsicht in den wertmäßigen Vorrang des nahegelegten Verhaltens, der das Informationshandeln des Staates in der Umweltpolitik zu einem ebenso reizvollen (weil freiheitsschonenden) wie gefährlichen (weil freiheitsbewertenden und eingriffsverdunkelnden) Instrument gemacht hat. m Denn zieht die individuelle Nichtbefolgung der erwünschten Verhaltensanpassung auch keine zwangsbewehrten Folgen nach sich, so können die faktischen Wirkungen hoheitlicher Informationstätigkeit - wie es sich in den 80er Jahren am Beispiel behördlicher Warnungen und Empfehlungen eindrucksvoll zeigte 229 - doch rechtlich erheblich sein. Ausgehend VOn ihrer Zweckrichtung und besonderen Wirkungsweise ist das öffentlichkeitsbezogene Informationshandeln neben das individualbezogene In-
Vgl. Gramm (FN 23), S. 61 f. m Die Bewertungen staatlicher Informationspolitik gehen z. T. weit auseinander: Einerseits wird dessen Unverzichtbarkeit herausgestellt, vgl. etwa De HaaniKuckarts, UmweItbewußtsein, 1996, S. 282 ff.; Pitschas (FN 50), S. 218; andererseits wird auf die demokratischen und rechtsstaatlichen Gefahren einer beliebigen Einflußnahme auf geselIschaftlicher Verhaltensweisen aufmerksam gemacht, vgl. etwa Vierhaus (FN 77), S. 357 f.; Di Fabio, JZ 1993, 689 ff.; für ein vermittelndes Verständnis staatlicher Informationspolitik E. Müller, DÖV 1996, 44 und jetzt auch BMU (FN 5), S. 816. 229 Ein in seinen Konsequenzen weitreichendes Beispiel lieferte die vom Pressedienst des Bundesgesundheitsamts 1985 verbreitete Stellungnahme zur Vermeidung der Anwendung von Paradichlorbenzol im Toilettenbereich, Bundesgesundheitsblatt 28 (3/1985), S. 86. Obgleich mit den paradichlorbenzolhaltigen Toilettensteinen ein Produkt vorlag, das den gesetzlichen Anforderungen entsprach, wurde die Benutzung für umweltbelastend und überflüssig erklärt. Die bisher in nahezu alIen öffentlichen, aber auch zahlreichen privaten Toilettenanlagen verwandeten Toilettensteine verschwanden daraufhin vom Markt. Beweist dies auf der einen Seite die umweltpolitische Wirksamkeit derartiger Äußerungen, so sind auf der anderen Seite doch die regelmäßig eintretenden, teilweise gravierenden und von staatlicher Seite in Kauf genommenen Umsatzeinbußen auf der Seite der HerstelIer zu bedenken: statt vieler Kloepfer (FN 24), S. 19 f. Von daher wundert es nicht, daß sich die Rechtsprechung mit Warnungen und Empfehlungen in erhöhtem Maße zu beschäftigen hatte, vgl. zum Erfolg der zivilrechtlichen Schadensersatzklage eines süddeutschen Teigwarenherstellers, der nach einer Verlautbarung des Regierungspräsidiums Stuttgart mikrobielI verdorbene Teigwaren auf den Markt gebracht haben solIte (sog. "Birkel-Fall") OLG Stuttgart, NJW 1990, 2690 ff. Auch in der öffentlich-rechtlichen Abwehr- und verwaltungsgerichtlichen Perspektive spiegelt sich der Bedeutungszuwachs und die Problematik dieser Informationsakte wider: Insbesondere das Bundesverwaltungsgericht konnte zunächst keine erkennbare Linie finden, wie dem Phänomen verhaItenssteuernder Informationsakte im typischen Dreiecksverhältnis zwischen informierender Exekutive, Informationsadressaten und Informationsbetroffenen eingriffsdogmatisch zu begegnen ist, vgl. BVerwGE 71, 183 ff.Transparenzliste; 82, 76 ff. - Transzendentale Meditation; 87, 37 ff. - Glykol; jetzt aber BVerwGE 90, 112 ff. - Osho. Diese anfänglichen Aporien - vor alIem im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt - haben zu keinem unmaßgeblichen Anteil überhaupt erst die Aufmerksamkeit des rechtswissenschaftlichen Schrifttums auf das Thema gelenkt und zum Teil außerordentlich scharfe Kritik an der Rechtsprechung hervorgerufen, vgl. zur Glykol-Entscheidung etwa Schoch, DVBI. 1991,667 ff. (669). 227
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formationshandeln insbesondere durch behördliche Auskünfte (vgl. etwa § 25 VwVfG) und Beratungen (vgl. etwa § 2 der 9. BImSchV) getreten und von diesem zu unterscheiden. 230 Der Staat beschränkt sein Informationshandeln gegenüber der Öffentlichkeit nicht auf Rechenschaftsberichte über die Umweltpolitik und die "Umweltberichterstattung" (etwa durch die von der Bundesregierung gemäß § 11 UIG vorgelegten Umweltberichte).231 Auch unter den Begriff der Öffentlichkeitsarbeit, der die selbstdarstellende (und primär akzeptanzfördernde) Information des Staates umfaßt, läßt sich die öffentlichkeitsbezogene Informationstätigkeit hoheitlicher Stellen nur begrenzt subsumieren. So dürfte die "Umwelterziehung" (also in erster Linie pädagogisch ausgerichtete Verhaltensgebote und Werthaltungen) kaum unter den Bereich der sicherlich unverzichtbaren, aber nicht grenzenlosen Öffentlichkeitsarbeit fallen. 2l2 Noch deutlicher, wenngleich nicht immer trennscharf, sind hiervon diejenigen Informationen abzugrenzen, die der Staat nicht zur Selbstdarstellung oder in Ausübung seiner Erziehungsgewalt (Lehrpläne usw.), sondern als Steuerungsinstrument zur mehr oder weniger gezielten Beeinflussung gesellschaftlicher Verhaltensweisen einsetzt. Soweit diese "informationelle Steuerung" auf eine allgemeine Bewußtseinssteuerung zielt, kann sie als Aufklärung bezeichnet werden. Aufklärungsmaßnahmen (z. B. das Schalten von Umweltspots im Fernsehen) kommt im Bereich der Vorsorge nicht selten eine wichtige Vorreiterrolle rur gesetzliche Normierungen zu. Es wird zunächst abgewartet, ob sich ein umweltgerechtes Verhalten nicht ebenso wirkungsvoll über Maßnahmen der "Umweltaufklärung" einstellt. 211 Fassen staatliche Informationen dagegen ein bestimmtes Verhalten 230 Hierzu und zur typologischen Ausdifferenzierung staatlichen Informationshandelns unter Berücksichtigung der Unterscheidungen in den Entwürfen zum Umweltgesetzbuch Kloepfer (FN 26), S. 11 ff. Auch wenn sich eine klare Abgrenzung nicht immer vornehmen lassen wird, sind typologische Differenzierungen des Informationshandelns rur die rechtliche Aufarbeitung unentbehrlich. 231 Vorgaben über den Inhalt der zu veröffentlichenden Informationen sehen nunmehr die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch vor: §§ 106 UGB-ProfE, 213 Abs. 3 UGBKornE. Aktive und passive Informationspflichten staatlicher Behörden gewinnen durch die EG-Umweltinformationsrichtlinie an Bedeutung, nach deren Art. 7 die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um der Öffentlichkeit allgemeine Informationen über den Zustand der Umwelt (z. B. durch die regelmäßige Veröffentlichung von Zustandsberichten) zur Verfügung zu stellen. Dahinter steht die auch das Umweltinformationsgesetz tragende Vorstellung, gerade eine informierte Öffentlichkeit könne zum Abbau von Umweltbelastungen beitragen. Eine erste fachgebietsbezogene Regelung hat die Umweltberichterstattung in § 39 KrW-/AbfG gefunden, wonach die Länder zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über den erreichten Stand der Vermeidung und Verwertung von Abfallen sowie die Sicherung der Abfallbeseitigung verpflichtet sind. 212 Nahezu alle Landesverfassungen erkennen den Umweltschutz ausdrücklich als Erziehungsziel an, vgl. etwa Art. 28 BbgVerf.: Erziehung und Bildung haben die Aufgabe, (... ) Verantwortung für Natur und Umwelt zu fördern. 233 Eine eigenständige Regelung erhält die "Umweltaufklärung" in den bei den Entwürfen zum Umweltgesetzbuch, vgl. §§ 109 UGB-ProfE, 215 UGB-KomE. Als Ziele
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konkret ins Auge und erklären dieses für erwünscht oder unerwünscht, kann einheitlich von verhaltenssteuernden "Lenkungsinfonnationen" gesprochen werden. Hierunter fallen alle Fonnen behördlicher Äußerungen von der Tatsachenbehauptung (z. B. Hinweis auf die Ungeeignetheit eines Produkts zu einem bestimmten Zweck) über Werturteile (z. B. Einstufung eines Produktes als gefährlich) bis zu konkreten Verhaltensappellen (z. B. durch ausdrückliches Abraten vom Benutzen bestimmter Produkte für bestimmte Zwecke)Y4 Als besondere Handlungsfonnen schälen sich dabei behördliche "Warnungen und Empfehlungen" heraus, die sich zweckmäßigerweise nach der Intensität der intendierten Willensbeeinflussung unterscheiden lassen. 2J5 Erzeugt die Warnung der Öffentlichkeit einen infonnationellen Druck zu einem bestimmten Verhalten, der dem Adressaten faktisch keine andere Wahl läßt, als sich in dem erwünschten Sinne zu verhalten, so bezieht sich die an die Öffentlichkeit gerichtete Empfehlung demgegenüber regelmäßig auf eine von mehreren Verhaltensalternativen mit der Folge, daß dem Handlungsadressaten ein Entscheidungsspielraum für die zu ziehenden Verhaltenskonsequenzen verbleibt. Hiervon sind wiederum öffentliche Hinweise abzugrenzen, die verhaltenssteuerende Wissenserklärungen darstellen, aber noch keine bestimmte Verhaltensweise für den Adressaten aufzeigen wollen.
b) Verrechtlichung In rechtlicher (und insbesondere rechtsdogmatischer) Hinsicht wurde dem staatlichen Infonnationshandeln lange Zeit erstaunlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Angesichts der starken Fixierung auf das rechtsfönnliche Handeln erregte es kaum Aufsehen und verschwand im konturenlosen Begriff des "schlichten Verwaltungshandeln" nahezu vollständig. Erst im Zuge der grundrechtlichen Sensibilisierung für die faktischen Beeinträchtigungen des ge-
sind dort genannt: die allgemein verständliche Information der Öffentlichkeit über Gefahren und Risiken für die Umwelt, die Verdeutlichung der Folgen des Verhaltens einzelner für die Umwelt sowie die Vennittlung von Einsichten in die gesellschaftlichen Bedingungen und Folgen von Umweltproblemen und Umweltschutzmaßnahmen. 234 So die Entwurfsbegündung zu § 214 UGB-KomE, vgl. BMU (FN 5), S. 825. Mit dem Wortpaar "Information und Beratung" wird ein einheitlicher Begriff gewählt, um die zuständigen Behörden unter bestimmten Voraussetzungen in den Stand zu versetzen, in einem weiten Sinne (produktinformierend) tätig werden zu können. Der Bürger - so das erklärte Ziel des Vorschlags - soll aus behördlichen Verlautbarungen ftihlbare Folgerungen für das eigene Verhalten ziehen können, z.B. indem er ein bestimmtes Produkt nicht oder seltener kauft; zust. Kloepfer (FN 24), S. 16. 235 So Gröschner, DVBl. 1990,619 ff. (621); Leidinger, DÖV 1993,925 (926 f.); Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 165; ders. (FN 26), S. 16 f.; ähnlich Heintzen, Die staatliche Warnung als Handlungsform der Verwaltung, in: Becker-Schwarze u.a. (Hg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 167 (174 ff.).
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schützten Freiheitsgebrauchs und der damit einhergehenden Auflösung des klassischen Eingriffsbegriffs änderte sich dieses Bild. Mit der zunehmenden rechtlichen Bedeutung staatlicher Informationstätigkeit236 wuchsen die Zweifel, ob sich diese in toto der "gesetzesfreien" Verwaltung zuge ordnen lassen könne oder nicht teilweise dem Gesetzesvorbehalt mit dem Erfordernis hinreichender Ermächtigungsgrundlagen unterworfen werden müßte. Die Charakterisierung als "informales Verwaltungshandeln" faßte diese Zweifel begrifflich zusammen und lenkte das Augenmerk auf eine mögliche Formalisierung und disziplinierende Verrechtlichung hoheitlicher Informationstätigkeit. Erste übergreifende Ermächtigungsgrundlagen finden sich nunmehr vor allem im Bereich lenkender Informationsakte fur Produktwarnungen, so in § 6 Abs. 1 S. 2 GSiG 237 und in § 8 ProdSG.m Dieser Verrechtlichungsprozeß im Sinne einer gesetzlichen Einbindung staatlichen Informationshandelns trägt dem Umstand Rechnung, daß sich der klassischen Öffentlichkeitsarbeit ein eigenständiger Bereich informationeller Verhaltenssteuerung herausgebildet hat. Soweit Informationen allgemein an die Öffentlichkeit gerichtet sind, braucht zwar keine belastende Wirkung gegenüber dem Adressaten oder Dritten eintreten. Ohne einen spezifischen Grundrechtsbezug im Sinne einer möglichen Belastung einzelner liegt dann auch kein gesetzlich zu disziplinierender Eingriff vor. Dagegen ist die Belastungs- und Eingriffsqualität von verhaltenssteuernden Informationsakten unverkennbar, wenn die Behörde vor namentlich genannten Produkten warnt, indem sie den Kauf als moralisch verwerflich oder sozial- bzw. umweltschädlich bewertet (so insbesondere bei konkreten Lenkungsinformationen durch behördliche Warnungen). Problematisch ist die Eingriffsfeststellung und damit das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage fur die Rechtmäßigkeit des Informationshandelns in den Fällen, in denen Zielsetzung und Wirkung influenzierender Informationsmaßnahmen diffus bleiben, also eine konkrete Lenkungsabsicht mit spürbaren Folgen fur den betroffenen oder nur drittbetroffenen Bürger nicht erkennbar zu Tage tritt. 239 Im hier vor allem interessierenden Bereich der behördlichen Produktempfehlungen (etwa durch Umweltzeichen) wird die Freiheitsausübung nicht unmöglich gemacht, da der Bürger selbst entscheiden kann, ob er dem Verhaltensimpuls folgt oder nicht. Gleichwohl erfolgt durch die von staatlicher
236 In den Mittelpunkt des rechtliches Interesses rückten zu Beginn der 70er Jahre vor allem die Verlautbarungen des Bundeskartellamtes über laufende Bußgeldverfahren, denen Züge einer anprangernden Vorverurteilung nachgesagt wurden: Kloepfer, Information als Intervention in die Wettbewerbsaufsicht, 1973, S. 5 ff. (m.w.N.). 237 Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz) i. d. F. der Bek. v. 23.10.1992, BGBI. I S. 1793. m Gesetz zur Regelung der Sicherheitsanforderungen an Produkte und zum Schutz der CE-Kennzeichnung (Produktsicherheitsgesetz) vom 30.4.1997, BGBI. I S. 934. 239 Kloepfer (FN 24), S. 27.
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Seite ausgesprochene und mit hoheitlicher Autorität versehene Information eine Freiheitsbewertung dergestalt, unerwünschte Freiheitsausübungen wie den Kauf eines bestimmten umweltbelastenden Produktes zu unterlassen. In der bloßen Erschwerung der Freiheitsausübung aber einen Eingriff (und damit den Gesetzesvorbehalt) zu erblicken, machte vor dem Hintergrund der auf imperative Staatsakte zugeschnittenen Eingriffsdogmatik erhebliche Schwierigkeiten. Von daher wundert es nicht, daß die Eingriffs- und Gesetzesvorbehaltsproblematik informationeller Verhaltenssteuerung seit den 80er Jahren den Drehund Angelpunkt staatlicher Informationspolitik darstellt. Das Bundesverwaltungsgericht hielt sich anfanglich zurück, den Gesetzesvorbehalt zur Illegalisierung oder doch Zurückdrängung staatlichen Informationshandelns in Stellung zu bringen. Auf der Suche nach Auswegen zur Rechtfertigung lenkender Informationsakte drohte der Konnex zwischen Eingriffsfeststellung und konkreter, aber nicht vorhandener Befugnisnorm24o durch den Rekurs auf die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit241 oder auf verfassungsrechtliche Schutzpflichten 242 überspielt zu werden. Wo spezielle Lenkungswirkungen über das Verhalten einzelner erzielt werden sollen, stieß die Relativierung der Anwendbarkeit und Reichweite des Gesetzesvorbehaltes auf Kritik. 241 Meßbar, voraussehbar und kontrollierbar könne die Lenkungsinformation nur sein, wenn sich die entsprechende Befugnis positiv aus einer gesetzlichen Ermächtigung ableiten lasse. Eine negative Beschränkung und Eingrenzung durch die Grundsätze der sachlichen Richtigkeit und Verhältnismäßigkeit sowie die Grundrechte der Betroffenen und die Kompetenzen anderer Hoheitsträger reiche nicht aus. 244
240 In der polizeilichen Generalklausel läßt sich allenfalls die Befugnis zur gefahrabwehrenden, nicht aber zur risikovorsorgenden Information erkennen. Berechtigt werden hierdurch zudem lediglich die Länder und nicht - wie fUr behördliche Warnungen der Bundesregierung - der Bund, a. A. Brohm (FN 220), S. 135. 241 BVerwGE 82, 76 (80 f.) - Transzendentale Meditation. Das Gericht stützt sich hier auf die verfassungsrechtliche AufgabensteIlung der Bundesregierung (Art. 62 ff. GG) und leitet aus der allgemeinen Aufgabenzuweisung fUr die Öffentlichkeitsarbeit die spezielle Befugnis zur lenkenden Information und Aufklärung ab. 242 BVerwGE 82, 76 (82 f.); 87, 37 ff. (49) - Glykol. Auch das Bundesverfassungsgericht verwies im Kammerbeschluß vom 15.8.1989 u. a. auf die Schutzptlicht des Staates, welche "die Bundesregierung im Rahmen ihrer vom Grundgesetz vorausgesetzten AufgabensteIlung zur Beobachtung und Vorsorge ( ... ) und damit auch zur Wahrnehmung dieser Befugnisse" berechtige, ohne daß es dafUr einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe: BVerfG, NJW 1989,3269 (3270). 243 Die Annahme einer Eingriffsbefugnis aus der Verfassung fUhre "hinter das rechtsstaatliche Niveau der Kreuzberg-Entscheidung" zurück: Di Fabio (FN 216), S. 420 f. Weniger drastisch, aber doch von "Aporien" spricht Kloepfer (FN 19), S. 201. Eine mühevolle, schon begrifflich strapaziöse Rechtfertigung der Rechtsprechung unter dem Rückgriff auf den "verfassungsrechtlichen Ptlichtenstatus der kommunikativen Risikosteuerung" findet sich bei Pitschas (FN 50), S. 238 ff. 244 Zum Meinungsstand Heintzen (FN 235), S. 169, 178 ff.; Diseher, JuS 1993, 463 (468); zusammenfassend Leidinger (FN 235), S. 931: Fehlt es an einer entsprechenden
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Auch das Bundesverwaltungsgericht verlangt inzwischen rur den gezielten Einsatz von Lenkungsinfonnationen eine gesetzliche Grundlage, die selbst dann nicht entbehrlich wird, wenn der öffentlichen Gewalt durch verfassungsrechtliche Schutzpflichten objektive Handlungspflichten auferlegt sind. 245 Hinter dieser Neuakzentuierung des Gesetzesvorbehaltes verbirgt sich die tiefere Einsicht, den Interessenkonflikt im Dreiecksverhältnis zwischen informierendem Staat, infonnationssuchendem Adressaten und infonnationsbetroffenen Dritten auf Dauer nur durch das Gesetz überzeugend lösen zu können. Der Umstand allein, daß es sich um faktische, erst über die Entscheidung des Adressaten vennittelte Grundrechtsbeeinträchtigungen handelt, steht - wie das Bundesverwaltungsgericht in der sog. Osho-Entscheidung dargelegt haf 46 - der Annahme eines finalen Grundrechtseingriffs in die geschützten Grundrechtspositionen des Dritten nicht entgegen. Hierin kommt zweierlei zum Ausdruck: Zum einen die seit längerem bekannte, aber durch die Konzentration des Rechtsschutzes auf den Verwaltungsakt verdeckte Tatsache, daß faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen regelnden Grundrechtseingriffen gleichgestellt sein können. Zum anderen aber - und dies wird auch im Schrifttum zunehmend deutlicher247 - könne auf das Eingriffskriterium der "Schwere" von Belastungswirkungen rur die Zurechnung mittelbarer Grundrechtsbeeintächtigungen zum Staat und damit rur die Eingriffsfeststellung verzichtet werden, wenn die Entscheidung des Adressaten vom Staat zum Anlaß genommen wird, das Verhalten Dritter (etwa des Herstellers umweltbelastender Produkte) gezielt zu beeinflussen. Auf die Mittelbarkeit der Einwirkung kommt es nicht an, wo der maßgebliche Wirkungszusammenhang zwar nur ein mittelbarer ist, aber vom Staat insgesamt beherrscht wird. 248 Staatliche Infonnationsakte wie behördliche speziellen oder allgemeinen Befugnisnorm, haben Grundrechtseingriffe auch in Form hoheitlicher Äußerungen zu unterbleiben; ebenso Lege, DVBI. 1999, 569 ff. 245 BVerwGE 90, 112 ff. (122) - Osho. 246 BVerwGE 90, 112 (118 tr). Gegenstand der Entscheidung war die staatliche Förderung eines privaten Anti-Sektenvereins, der die Warnung vor "Jugendsekten" zum Ziel hatte. 247 Ausführlich A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 208 tr; für Lenkungsinformationen in Gestalt von Warnungen und Empfehlungen Di Fabio (FN 216), S. 427 ff. (430); Murswiek (FN 51), S. 1025 ff.; Kloepfer (FN 24), S. 27 ff.; instruktiv auch lsensee, VVDStRL 57 (1998), S. 110. 248 BVerwGE 90, 112 ff. (120). Die Verlängerung der Kausalkette um das Glied des Adressaten ist für die grundrechtliche EingriffsfesteIlung ohne Bedeutung, soweit sich der Eingriff schon aus der zielgerichteten Vereitelung grundrechtlich geschützter Interaktionschancen ergibt, so Murswiek (FN 51), S. 1025. Damit wird der Weg frei für eine materielle Schutzgutbestimmung, die den Kommunikationsprozeß zwischen Hersteller und Verbraucher selbst als grundrechtlich geschütztes Gut begreift, vgl. etwa Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, 1989, S. 150 ff. Insoweit folgerichtig rücken private Informationen durch Unternehmen und Verbände in den Vordergrund einer umweltpolitischen Instrumentalisierung, siehe sogleich im Text und unten, S. 210 ff.
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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Warnungen und Empfehlungen sind demnach (schon) als Eingriff zu qualifizieren, wenn sie final auf die Verwirklichung eines Verhaltenserfolges im Schutzbereich eines Freiheitsrechts gerichtet sind. Oder noch deutlicher in den Worten von Kloepfer: Bereits die gezielte Instrumentalisierung der Entscheidungsfreiheit des einen Grundrechtsträgers zu Lasten der Entscheidungsfreiheit des anderen Grundrechtsträgers unterfallt dem Gesetzesvorbehalt. 249 Inwischen nimmt die Zahl der gesetzlichen Ermächtigungen für gezielte Informationsakte stetig zu. Neben dem Lebensmittelrecht, wo insbesondere behördliche Warnungen durch die landesrechtlichen Ausführungsgesetze zum Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) gesetzlich geregelt sind,250 ist im Bundesrecht an §§ 6 Abs. 1 S. 2 GSiG, 69 Abs. 4 AMG oder § 6a der 22. BImSchV sowie an die fachgesetzübergreifende Befugnisnorm in § 8 ProdSG für behördliche Produktinformationen zu denken. Mit der Schaffung von speziellen Rechtsvoraussetzungen für Lenkungsinformationen werden die Spielräume behördlicher Informationstätigkeit zwar eingeschränkt und dem informierenden Staat deutliche Handlungsgrenzen gesetzt. Zu bedenken ist jedoch, daß Informationen keineswegs ein exklusives Steuerungs instrument des Staates darstellen, vielmehr gerade auch von privaten Beratungs- und Aufklärungsvereinen sowie von Unternehmen genutzt werden, um sich in der Öffentlichkeit als umweltfreundlich darzustellen. Vor allem die europarechtlich inspirierte Verrechtlichung informationeller Steuerung zeigt eine erhebliche Aufwertung privater Informationstätigkeit.251 So ist die Stärkung der umweltbezogenen Informationspolitik von Unternehmen ein zentrales Element der EGUmweltauditverordnung, welche die erfolgreiche Teilnahme am Audit an die Abgabe einer Umwelterklärung an die Öffentlichkeit knüpft (Art. 5 EGUA VO). Noch deutlicher ist in diesem Zusammenhang das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), mit dem die EG-Produktsicherheitsrichtlinie vom 29. Februar 1992 252 in nationales Recht umgesetzt wurde. § 8 ProdSG stellt klar, daß behördliche Warnungen Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind, macht deren Einsatzmöglichkeit aber von dem Bestehen einer Gefahr im Verzug abhängig. m 249 Kloepfer (FN 24), S. 29. 250 Siehe etwa das Baden-Württembergische Ausftihrungsgesetz zum Lebensmittelbedarfs- und Bedarfsgegenständegesetz i. d. F. vom 9.7.1991 (GVBI. S. 473): Nach § 13 setzen behördliche Produktwarnungen den Verdacht voraus, daß die Gesundheit der Verbraucher durch das Produkt geschädigt oder beeinträchtigt wird und nicht durch andere ebenso wirksame Maßnahmen abgewehrt werden kann. 251 Vgl. Kloepfer, NuR 1993,353 ff. 252 AbI. L 22811992, S. 24. Zu den europäischen Impulsen Joerges, Rationalisierungsprozesse im Recht der Produktsicherheit: Öffentliches Recht oder Haftungsrecht unter dem Einfluß der europäischen Integration, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/ Schröder (Hg.), UTR 27 (1994), S. 141 (147 ff.). 253 Anders eine Reihe landesrechtliche Regelungen, die - wie z. B. § 13 BadWürttAGLMBG - das Vorliegen einer konkreten Gefahr ausreichen lassen.
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Infonnative Maßnahmen des produzierenden Unternehmens bzw. des Händlers haben vor behördlichen Warnungen einen Vorrang, soweit die Gefahr durch Eigenmaßnahmen des Herstellers oder Vertreibers genauso wirksam beseitigt werden kann. In den übrigen Fällen infonnativer Lenkung, also vor allem im wichtigen Bereich der Risikovorsorge, wird die Behörde durch § 8 i.V.m. § 7 Abs. 3 ProdSG lediglich ermächtigt, den Hersteller, Händler oder Dritten durch Verwaltungsakt zu verpflichten, der Öffentlichkeit Gefahrenhinweise zu erteilen. Insoweit fugt sich das Produktsicherheitsrecht in den modemen umweltrechtlichen Trend ein, das staatliche Tätigwerden unter den Vorbehalt privater Selbstverantwortung und -beherrschung 254 zu stellen.
c) Weiterentwicklung Infonnationen können den Einsatz und die Verschärfung ordnungsrechtlicher Zwangsmittel entbehrlich machen, bedürfen aber einer Nonnierung, mit der infonnalen Handlungsweisen aufklärender oder lenkender Art das Stigma des halb legalen, rechtsstaatlich anrüchigen und nicht kontrollierungsbedürftigen Anscheins genommen werden kann. Denn so wenig die Grundrechte unter einem allgemeinen Umwelt- oder Gemeinwohlvorbehalt stehen, lassen sie sich unter einen allgemeinen Öffentlichkeitsvorbehalt stellen, der auf eine uneingeschränkte Ermächtigung zum infonnationellen Grundrechtseingriff unter dem Deckmantel der Öffentlichkeitsarbeit hinausliefe. 255 Es macht einen Unterschied, ob der Staat im Zeichen präventiver Aufklärung nur allgemein vor Produkten mit FCKW warnt oder ein konkretes Produkt unter namentlicher Benennung des Herstellers als FCKW-haltig bezeichnet. Hier können weder die Richtigkeit noch die Erfolglosigkeit der Infonnation den Staat entlasten und - soweit sich die öffentliche Information gegen konkrete Grundrechtsträger richtet - über einen schutz- und kontrollbedürftigen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des betroffenen Unternehmens hinwegtäuschen. 256 Daraus einen über den Gesetzesvorbehalt hinausgehenden Regelungsvorbehalt 257 in dem Sinne zu fordern, die grundsätzliche Freiheit des Staates in der Wahl der Mittel zu begrenzen und die Vgl. Franzius (FN 36), S. 1165 f Gramm (FN 23), S.79. Zu den Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, 1992, S. 119 ff, 240 ff 256 Vgl. Philipp (FN 248), S. 144 f; a. A. Lübbe-WoljJ, NJW 1987,2710 ff; zum Ganzen auch Heintzen (FN 226), S. 180 (mit dem Hinweis, daß es auf die beabsichtigten, nicht auf die tatsächlichen Folgen ankomme) sowie umfassend Spaeth, Information als Grundrechtseingriff, 1995 (m.w.N.). 257 Zur rechtsstaatlichen Fundierung eines Regelungsvorbehaltes mit dem Ziel, den Schutz vor Formumgehungen sicherzustellen: Pauly, DVBI. 1991, 521 ff; ders., Grundlagen einer Handlungsformenlehre im Verwaltungsrecht, in: Becker-Schwarze u.a. (Hg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 26 (41 ff). 254 255
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Zulässigkeit staatlicher Infonnationen - etwa für behördliche Warnungen 2;K - an die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit einer hoheitlichen Regelung zu knüpfen, dürfte indessen zweifelhaft sein. Auch wenn sich aus Verhältnismässigkeitsaspekten im Einzelfall eine Präferenz für das rechtsförmliche Handeln m ergeben kann, läßt sich ein genereller Vorrang des vollstreckbaren Verwaltungsaktes gegenüber der vollstreckungsunfahigen Warnung des Staates nicht überzeugend darlegen. Dort, wo eine Verbots verfügung ergehen könnte, muß diese nicht zwangsläufig gegenüber der öffentlichen Information vorgezogen werden. Diese kann sich vielmehr auch in Gestalt der behördlichen Warnung im Falle nicht verbotsgleicher Wirkungen als das mildere Mittel gegenüber ordnungsrechtlichen Beschränkungen oder Verboten erweisen. 2w Erforderlich ist somit eine gesetzliche Nonnierung, die dem rechtsstaatlich begründeten Informations- und Infonnationseingriffsschutz des Bürgers über die Festlegung von speziellen Rechtmäßigkeitsanforderungen für staatliche Infonnationen ebenso hinreichend Rechnung trägt wie dem Flexibilitätsbedarf des Staates, von nivellierenden Überdeterminierungen seines Informationshandelns verschont zu bleiben und differenziert auf umweltgefahrdende Sachlagen mit nur berichtenden oder auch aufklärenden, lediglich beratenden oder schon wertenden, teilweise empfehlenden oder eben - in der Nähe eines Verbotes - warnenden Infonnationen reagieren zu können. 261 Die bisherige Verrechtlichung hat gezeigt, daß infonnale Instrumente in Gestalt der infonnationellen Steuerung eine "Durchlaufphase" auf dem Weg zu ihSo Heintzen (FN 226), S. 182 f. Der rechtsförmlichen Einzelfallentscheidung kommt eine rechtsstaatlich klärende Funktion zu. Regelungen wirken verhältnismäßig, wenn sie den Betroffenen den Weg weisen, staatlichen Zwang zu vermeiden. Hieraus aber generelle Sperrwirkungen fur die informalen Instrumente zu entwickeln, strapaziert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der flir die typischerweise angestrebten Verbundlösungen nur unvollkommen zum Zuge kommt; siehe aber auch Kloepfer (FN 24), S. 34: Die Freiheit des Bürgers sei beim imperativ handelnden (und kontrollierten) Staat nicht selten besser aufgehoben als beim weichen, nur influenzierenden Staat. 260 Hiervon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen die behördliche Information wie ein staatliches Verbot wirkt, also keine Handlungsalternativen ftir den Bürger offenläßt. In der Tat ist hier zu fragen, ob ftir eine staatliche Warnung dann nicht nur die Verbotsvoraussetzungen (etwa eine gewichtige Gefahr) vorliegen müssen, sondern zusätzliche Rechtmäßigkeitskriterien zu erftillen sind (etwa die Anknüpfung an eine konkrete Gefahr oder im Falle des unbestätigten Gefahrenverdachts die Pflicht zur Entwarnung), um im Ergebnis als vorzugswürdiges Mittel gegenüber einer Verbotsverftigung gelten zu können. 261 Das Argument, Flexibilität nicht mit einer Absenkung rechtsstaatlicher Anforderungen erkaufen zu dürfen, läßt sich auch umkehren: Überzogene rechtsstaatliche Normierungen höhlen den Schutz aus, der mit dem staatlichen Tätigwerden zur Realisierung der grundrechtlichen Werte ordnung intendiert ist. Zu enge Handlungsbindungen der informationeIl tätigen Verwaltung lähmen deren Handeln und werden dem grundrechtlichen Schutzauftrag des Staates nicht gerecht, in diesem Sinne ftir die AIDS-Kampagne der Bundesregierung BVerfG, NJW 1987,2287 (2288). 258
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rer rechtlichen Bewältigung darstellen. Sie bilden das Vorstadium ihrer handlungsleitenden und handlungsbegrenzenden Normierung, mit der - wie es sich im Produktsicherheitsgesetz und dem hier angelegten Prinzip der grundsätzlichen Subsidiarität staatlicher Informationen gegenüber privaten Informationen offenbart - das Dreiecksverhältnis zwischen eingreifendem Staat, Verbraucher und betroffenem Hersteller auf ein zweiseitiges Verhältnis reduziert wird. Warnungsadressat und -petroffener werden auf diese Weise (wieder) identisch. Es ist der Verbraucher, der dem informierenden Unternehmen gegenübersteht, sich mit diesem auseinanderzusetzen hat und im Falle fehlender, unzureichender oder überzogener Informationen zivilrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen muß.262 Diese "Privatisierung des Eingriffs" mag sich als legislative Bewältigungsstrategie staatlichen Informationshandelns grundsätzlich anbieten, kann aber keinen vollständigen Rückzug des Staates aus seiner Informationsverantwortung bedeuten, deren rechtliche Umrahmung gerade im Bereich der noch nicht die Schwelle zur Gefahr überschreitenden Risikovorsorge weiterhin aufgegeben ist. 263 Die vorliegenden Entwürfe zum Umweltgesetzbuch greifen das gewachsene Normierungsbedürfnis staatlicher Informationstätigkeit jeweils in einem eigenem Kapitel "Umweltinformationen" auf.2 64 Getragen sind die Vorschläge von dem Ziel, zusammenhängend den staatlich vermittelten Fluß von Umweltinformationen zu regeln, und zwar von der Gewinnung solcher Informationen über ihre Aufbereitung bis zur aktiven Verbreitung und zum Informationszugang einzelner. 265 Die informationelle Steuerung durch allgemeine Aufklärung (§§ 109 UGB-ProtE, 215 UGB-KomE) und konkrete Lenkung (§§ 107, 106 Abs.4 UGB-ProtE, 214 UGB-KomE) bildet dabei nur einen kleinen, wenn auch zentralen Ausschnitt der gesetzlichen Einbindungsbemühungen öffentlichkeitsbezogener Informationstätigkeit. Konkrete Lenkungsinformationen sollen danach in Gestalt von staatlichen Warnungen, aber auch durch behördliche Kloepfer (FN 24), S. 35. Auch das Produktsicherheitsgesetz mit seinen gefahrenabwehrrechtlichen Regelungen schließt Lenkungsinformationen (insbesondere behördliche Empfehlungen) des Staates im Breich der Risikovorsorge nicht aus. Deren Rechtmäßigkeit richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen, zu denen neben einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung insbesondere die Wahrung der Zuständigkeitsordnung, das Übermaß- und das Willkürverbot gehören; vgl. zum eingeschränkten Anwendungsbereich der bestehenden Regelungen des ProdSG, die sich auf nachträgliche Warnungen über eine erst nach Inverkehrgabe des Produkts auftretende Gefahr beschränken: Kloepfer (FN 24), S. 32 f. 264 §§ 103 ff. UGB-ProfE, §§ 207 ff. UGB-KomE. 265 So die Entwurfsbegründung zum Kommissionsentwurf, vgl. BMU (FN 5), S. 8 I 5. Während der Informationszugang des Bürgers eine Regelung in diesem Kapitel findet (vgl. §§ 2 I 7 ff. UGB-KomE), wird die direkte Informationsbeziehung zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit im Kapitel über den betrieblichen Umweltschutz geregelt (vgl. §§ 170 f. UGB-KomE). 262
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B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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Empfehlungen und Hinweise grundsätzlich möglich sein. 266 Die Befugnis zu solchen Maßnahmen der "Information und Beratung" wird nicht an den Grad der Gefahrverwirklichung, sondern lediglich an das Erfordernis überwiegender Gründe des Allgemeinwohls geknüpft (§§ 107 UGB-ProfE, 214 Abs.2 UGBKornE). Ist der zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelbar, so reiche es in den Fällen fehlender Erweislichkeit aus, daß die Information auf sachkundigem Wege gefunden wurde. 267 Mit dieser" Prozeduralisierung der Entscheidungsjindung" dürften vor allem im Bereich der Risikovorsorge behördliche Empfehlungen an Bedeutung noch gewinnen. Insbesondere ihr gezielter, aber behutsamer Einsatz könnte die Lücken und Grenzen ordnungsrechtlicher Verhaltenssteuerung erfolgreich zu überwinden helfen. Wo mit herkömmlichen Ge- und Verboten nicht (mehr) wirksam gehandelt werden kann oder darf, hilft die auf eine weite, gegebenenfalls konkretisierungsbedürftige, aber doch hinreichende gesetzliche Ermächtigung abgestützte, ebenso objektive wie neutrale und ausreichend offen formulierte Empfehlung, das private Verhalten an der staatlichen Information und dem hiermit verbundenen Verhaltensanreiz auszurichten. 2. Absprachen
a) Kooperation als Leitmaxime Die zweite Gruppe informaler Instrumente bilden Absprachen zwischen Staat und Privaten. Umweltpolitischer Motor für die zunehmende Verbreitung informaler Absprachen ist das Kooperationsprinzip, wie es sich der Sache nach bereits im Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 findet und im Umweltbericht 1976 26K zum Ausdruck gekommen ist. Danach erfordere der Umweltschutz die frühzeitige Beteiligung der gesellschaftlichen Kräfte am umweltpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß, bedürfe vermehrt einvernehmlicher Lösungen zur Verwirklichung der umweltpolitischen Ziele und
266 Der wichtigste Fall behördlicher Empfehlungen, das produktbezogene Umweltzeichen, wird im Professorenentwurf als "Umweltsiegel" noch im Anschluß an die allgemeine Befugnisnorm zu konkreten Lenkungsinformationen geregelt (§ 108 UGBProfE). Der Kommissionsentwurf verlagert die Ermächtigungsgrundlage mit den speziellen Vergabeanforderungen demgegenüber in das neu geschaffene Kapitel "Produkte" (§ 124 UGB-KomE). 267 Der Kommissionsentwurf verlangt - strenger als der Professorenentwurf nach dem Vorbild der Emissionserklärung gemäß § 27 Abs.3 BImSchG (§ 106 Abs.4 UGB-ProfE) - für die Veröffentlichung von durch Unternehmen verursachte Umweltbeeinträchtigungen sowie seine Emissionen und Abfalle "gesicherte behördliche Erkenntnisse" (§ 214 Abs. 2 Nr. 2 UGB-KomE). Sind lediglich Verdachsmomente erkennnbar, soll eine Veröffentlichung ausgeschlossen sein: BMU (FN 5), S. 825. 26K BT-Drs. 7/5684.
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sei - hier liegt die eigentliche Sprengkraft des Kooperationsprinzips - nicht allein Aufgabe des Staates, sondern auch dem Bürger anvertraut. Das eigenverantwortliche Handeln des Bürgers kann zu Entlastungen der Umwelt beitragen, läßt sich aber unter dem Kooperationsprinzip auch von staatlicher Seite gezielt fiir umweltpolitische Gemeinwohlzwecke einsetzen. 269 Wie schon zuvor in der Wirtschaftspolitik mit den deutlichen Ausprägungen einer Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft u. a. in Gestalt sog. gentlemen's agreements 270 setzt der Staat seit dem Beginn der modemen Umweltpolitik in den frühen 70er Jahren auf das zunächst weitgehend fiir unproblematisch gehaltene Instrument "freiwilliger" Absprachen und "Selbstbeschränkungsabkommen" zur bewußten Lenkung umweltgerechter VerhaltensweisenYI Beispielhaft erwähnt seien hier nur die frühen Vereinbarungen im Stoffrecht, etwa über die Kennzeichnung enzymhaltiger Waschmittel aus dem Jahr 1971. 272 Die Konzentration auf das ursprünglich im Vordergrund stehende umweltpolitische Leitbild des Verursacherprinzips und der weite, nur wenig konkrete Charakter des Kooperationsprinzips erschwerten jedoch eine begriffliche und inhaltliche Auseinandersetzung mit Absprachen zwischen Staat und Privaten im Umweltschutz. Immerhin seien hier zwei wesentliche Erkenntnisse aus den 80er Jahren genannt: Zum einen wurde klar, daß der Staat zur Realisierung des Kooperationsprinzips nicht allein zum rechtsverbindlichen Vertrag greift, sondern in Verhandlungen mit Privaten zunehmend das rechtlich unverbindliche Instrument der informalen Absprache 273 wählt, um auf diese Weise 269 Kooperation darf weder mit dem (älteren) Partizipationsgedanken, noch mit der Uüngeren) Privatisierungsidee gleichgesetzt werden. Während das Kooperationsprinzip einerseits mehr als nur die bloße Beteiligung des Bürgers am staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß beeinhaltet, stellt es andererseits noch kein Privatisierungsgebot dar. In seinem doppelten, sehr weiten Bedeutungsgehalt - kooperative Aufgabenwahrnehmung durch den Staat und Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft - liegt die besondere Bedeutung und Problematik des Kooperationsprinzips flir die Umweltpolitik, der es unter dieser Leitmaxime lediglich aufgegeben sein kann, private Verantwortung flir den Umweltschutz klarzulegen und gegebenenfalls auch zu stärken, nicht aber grenzenlos - d. h. ohne einen rechtlichen Rahmen, insbesondere unter Beachtung der staatlichen Einstandsverantwortung flir den Fall privatwirtschaftlicher Schlechterflillung, vgI. Schmidt-Preuß (FN 33), S. 205 - neu zu begründen. Zum Konnex zwischen Kooperationsprinzip und reduzierter, aber nicht aufgegebener staatlicher Steuerung: Paefgen, GewArch. 1991, 161 ff. 270 Hier hat der Wandel vom befehlenden zum paktierenden Staat eine frühe Bestätigung gefunden, vgI. grundlegend H. Krüger, Von der Notwendigkeit einer freien und auf lange Sicht angelegten Zusammenarbeit zwischen Staat und Gesellschaft, 1966. Zu frühen Lenkungstechniken kooperativer Wirtschaftspolitik v. Zezschwitz (FN 218), S. 497 ff. 271 An der Freiwilligkeit bereits zweifelnd Kaiser, NJW 1971, 585 ff. (586). 272 Eine Fülle an Beispielen findet sich bei Rengeling (FN 217), S. 18 ff. 273 Als informal lassen sich diese Absprachen bezeichnen, weil ihr Zustandekommen weder an bestimmte rechtlichen Voraussetzungen gebunden ist noch unmittelbare Rechtswirkungen von ihnen ausgehen, zum fehlenden Rechtsbindungswillen Bohne
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umweltpolitische Ziele zu erreichen, die er mit dem klassischen Instrumentarium nicht verfolgen kann oder will, sei es, daß dies rechtlich nicht möglich, ökonomisch nicht hinreichend effizient oder politisch nicht opportun erscheint. Zum anderen führte die allgemeine Kennzeichnung informaler Absprachen als "tauschförmige Arrangements" zwischen Staat und Bürger jenseits von unmittelbaren ordnungs- und vertragsrechtlichen Bindungen (und damit außerhalb der herkömmlichen rechtlichen Einordnungsmöglichkeiten) die Notwendigkeit einer typologischen Differenzierung vor Augen. Durchgesetzt hat sich eine funktionale Betrachtung, wonach auch rechtlich unverbindliche Absprachen stets auf das Recht bezogen sind, dies aber normvollziehend wie bei Vorverhandlungen und Projektabsprachen (z. B. Sanierungsabsprachen auf dem Gebiet des Immissionsschutzrechts)274 oder norm vertretend bzw. -ersetzend wie bei regulativen Absprachen (z. B. zur Reduzierung der Verpackungs- und sonstiger Abfälle auf dem Gebiet des Abfallrechts)275 der Fall sein kann. 276 Letztere bilden nur einen kleinen (wenngleich zentralen) Ausschnitt aus der Fülle umweltpolitisch motivierter Absprachen und zeichnen sich ihrerseits durch mannigfaltige Strukturunterschiede aus (z. B. abfall-, produkt- oder emissionsbezogene Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, auf deren Abgabe und Inhalt der Staat nach Maß(FN 215), S. 140. Bestehen danach auch keine Erflillungsansprüche, so kann ein Bruch der Absprache doch das "gute Verhältnis" beeinträchtigen und faktische Sanktionen heraufbeschwören, vgl. Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 206. Die fehlgeschlagene oder gegen Rechtsvorschriften verstoßende Absprache löst zudem - wie jedes tatsächliche Handeln - als Rechtsfolgen u. U. Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche aus, vgl. Kunig, DVBI. 1992, 1193 ff. (1201). 274 Hierzu Tornerius, Informelle Projektabsprachen im Umweltrecht, 1995, S. 23 ff. Unter diesen geradezu "klassischen" Anwendungsbereich informalen Verwaltungshandelns fallen eine Reihe disparater Einwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Staates wie z. B. die Vorabzuleitung von Bescheidentwürfen oder die Nichtbescheidungsabsprache bzw. Duldung eines von der Behörde als rechtswidrig erkannten Handelns des Bürgers. Vor allem in der immissionschutz- und gewässerschutzrechtlichen Praxis überlagern vorhabenbezogene Absprachen das gesetzliche Instrumentarium, treten bisweilen aber auch an deren Stelle. Sie sind insoweit Ausdruck einer zunehmenden Flexibilisierung des Ordnungsrechts und seines Vollzugs. 275 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen Dernpjle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 3 ff. Im produkt- und abfall bezogenen Umweltschutz handelt es sich überwiegend um verordnungsvertretende Absprachen zwischen der Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden, die das exekutive Ausnutzen einer entsprechenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung vermeiden oder verzögern, bisweilen aber auch fordern und in "schlanke" Verordnungen münden. Sie sind Ausdruck einer zunehmenden Verfeinerung des umweltpolitischen Instrumentariums, das - je weiter in den wirtschaftlichen Produktionsprozeß vorstoßend - auf selbstregulative Eigenmaßnahmen der Wirtschaft im Vorfeld von Rechtsverordnungen zielt, um den Erlaß klassischer Zwangsmaßnahmen auf das mögliche und nötige zu beschränken. 276 Vgl. Hartkopf/Bohne (FN 2), S. 222; ausflihrIich Bohne, VerwArch. 75 (1984), S.343 (344 ff.); zu den Mischformen zwischen Normvollzug und Normersetzung Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 210 ff.; die Unterscheidung als überflüssig ablehnend Schulte (FN 48), S. 43 f.
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gabe des jeweiligen politischen und rechtlichen Umfelds nicht selten, aber häufig verdeckt 277 mit dem Angebot auf den Verzicht eines möglicherweise schärferen ordnungsrechtlichen Vorgehens hinwirkt). Die umweltpolitische Erfolgsbilanz und Bewertung informaler Absprachen ist gemischt. Lange Zeit überwogen die eher skeptischen Stimmen, die in den faktischen Vorausbindungen, vor allem aber in den fehlenden rechtlichen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten schwerwiegende Nachteile hoheitlich inspirierter Verhandlungen und Absprachen sahen. 278 Das mögliche - und von staatlicher Seite einzukalkulierende - Scheitern insbesondere regulativer Absprachen wurde exemplarisch an den Absprachen mit der Getränke- und Verpackungsindustrie sowie dem Getränkehandel aus dem Jahr 1977 aufgezeigt, deren Hauptziel, die Stabilisierung des Verhältnisses von Einweg- und Mehrwegverpackungen, seinerzeit bekanntlich nicht erreicht wurde. 279 Kritisch wird eingewandt, das Unternehmen oder die entsprechende Wirtschafts branche benutze das Instrument der Absprache, um ordnungsrechtliche Anforderungen abzumildern oder zu ersetzen. In der Abschwächung und Ersetzung normativer Handlungsbindungen liege aber eine Gefahr nicht nur rur den Umweltschutz, sondern auch rur den Rechtsstaat. 280 Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicher277 Selbstverpflichtungen, die einseitig von der Wirtschaft abgegeben werden, bilden regelmäßig nur die Vorstufe zu einer erwarteten, gegebenenfalls im Verhandlungswege stillschweigend erklärten Zusage staatlicher Stellen, auf den Erlaß von Normen zunächst zu verzichten bzw. auf die einseitige Verpflichtungserklärung abzustimmen. Die Bundesregierung neigte in der Vergangenheit jedoch dazu, die mehr oder minder intensive Staatsbeteiligung im Hinblick auf Umweltabsprachen zu kaschieren: Bohne (FN 216), Sp. 1058 f. (m.w.N.). Allerdings soll nicht übersehen werden, daß Selbstverpflichtungen auch ohne erkennbare Staatsbeteiligung denkbar und in der Praxis verbreitet sind, vgl. BMU (FN 5), S. 501. 278 Vgl. Hoffmann-Riem (FN 56), S. 193 ff. Der (zweiseitige) Tauschcharakter von Absprachen erweist sich vor dem Hintergrund der drohenden Ausblendung von Drittbeteiligungsrechten als problematisch. Die gerade für den Erfolg des Umweltrechts so wichtige Informations- und Kontrollfunktion der Beteiligung Drittbetroffener bleibe wirkungslos, wenn die wesentlichen Fragen längst informell vorentschieden sind. Ähnliches gilt fur gesetzes- oder verordnungssubstituierende Absprachen mit der Gefahr einer Aushöhlung der Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat, soweit diese im Falle des Normeriasses zu beteiligen wären. Umweltabsprachen dürfen jedenfalls nicht zu einer Auflockerung zwingender Rechtsbindungen fUhren und unter dem selbst auferlegten Zwang zum Konsens die notfalls autoritative Durchsetzung des Umweltrechts' in Frage stellen: Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 212. 279 Versteyl, in: KunigiSchwermer/V ersteyl, Abfallgesetz, 2. Aufl., 1992, § 14 Rn. 24. Lassen sich umweltpolitische Ziele durch Absprachen mit der Wirtschaft nicht allein erreichen, kann durch staatliche Zielfestlegungen der faktisch-ökonomische Druck auf die entsprechende Branche erhöht werden. Der Bundesregierung bleibt es freilich unbenommen, rechtsverbindliche Ziele in einer Rechtsverordnung festzuschreiben, wie es z. B. in der Verpackungsverordnung mit den Verwertungsquoten fUr das duale System geschehen ist. Zum Organisationsaspekt dieser Instrumente unten, S. 191 ff. 2KO Besonders eindringlich 1. Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 190 (193 ff.).
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heit, Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen HandeIns bleibt informalen Absprachen daher in Teilen des umweltrechtlichen Schrifttums das Verdikt der Verfassungswidrigkeit nicht erspart. 281 Zu den unbestrittenen Vorzügen informaler Absprachen gehört demgegenüber ihre erhöhte Flexibilität, da sie ohne größere Schwierigkeiten an sich verändernde ökonomische oder ökologische Rahmenbedingungen angepaßt werden können. m Daß einem Instrumentenvergleich mit dem "starren" Ordnungsrecht jedoch mit Vorsicht zu begegnen ist, zeigt die verbreitete Ansicht, jede vom Staat herbeigefiihrte Absprache bliebe schon aus Gründen des Konsensprinzips hinter dem einseitig regulativerzielbaren Ergebnis zurück. m Die rechtliche Möglichkeit allein wird jedenfalls rur die vergleichende Bewertung nicht ohne weiteres auch mit der entsprechenden Durchsetzbarkeit gleichgesetzt werden dürfen. Zudem gibt es regelmäßig ein Kontinuum von Lösungen, wobei der Staat kaum besser als die Wirtschaft abschätzen kann, welche Lösung am effektivsten sein wird. 2H4 Absprachen ermöglichen insoweit ein frühes Interessenclearing, nutzen den vorhandenen oder potentiellen Sachverstand der Unternehmen rur den Umweltschutz und verringern durch den fortlaufenden Kontakt sowie den entsprechenden Informationsaustausch die Gefahr, daß der Staat bei seinen Entscheidungen von falschen oder unrealistischen und damit den Vollzug gefährdenden Voraussetzungen ausgeht. 285 Umgekehrt kann sich der Anlagenbetreiber oder das Unternehmen auf die Absichten und Pläne der Behörde bzw. der Bundesregierung einstellen, auf der Grundlage der getroffenen Absprache kalkulieren und den staatlichen Überwachungs bedarf sowie behördlichen Zwang im Einzelfall reduzieren. Rechtlich unverbindliche, also nicht einklagbare Absprachen helfen Konflikte zwischen den Beteiligten zu verringern, 281 So etwa Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 120 ff. 281 Kloepjer (FN 14), § 5 Rn. 216. Der Umstand, daß sich beide Seiten von der Absprache wieder lösen können, ohne auf Erflillung gerichteten Ansprüchen ausgesetzt zu sein, ist plastisch als "Sicherheit im Normalfall, aber Chance zur Flexibilität bei Krisen und Pathologien" bezeichnet worden: Hoffmann-Riem (FN 56), S. 203. 283 Zur Abmilderung der Regelungsschärfe Bohne, Absprachen zwischen Industrie und Regierung in der Umweltpolitik, in: Gessner/Winter (Hg.), Rechtsformen der Verflechtung von Staat und Wirtschaft, 1982, S. 266 ff. (275); H. Bauer, VerwArch. 1987, S. 241 ff. (254); zuletzt etwa auch Rennings/Brockmann/Bergmann, GAlA 5 (1996), S.152ff.(153). 284 Vgl. Di Fabio (FN 30), S. 121 (Fn. 15). Zu den Bewertungsproblemen der Umweltwirksamkeit von Selbstverpflichungen RSU, Umweltgutachten 1998, Tz. 278 ff. 285 Dies betrifft auch die nicht unberechtigte Kritik, Absprachen könnten der Industrie zur Verzögerung einer längst überfalligen Regulierung dienen. Zu fragen ist freilich ebenso, welchen Nutzen eine u. U. vollzugsunfahige oder letztlich von den Beteiligten ignorierte einseitig-hoheitliche Regelung haben soll. Ein abgestimmtes Vorgehen kann sich gegebenenfalls als vorteilhafter erweisen, zumal dadurch Ziele erreicht werden können, die sich politisch und/oder rechtlich in absehbarer Zeit möglicherweise überhaupt nicht oder nur eingeschränkt realisieren lassen.
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zeit- und kostenintensive, im Ausgang nicht selten ungewisse Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und erhöhen die Akzeptanz. 286 Insbesondere die von staatlicher Seite inspirierten Selbstverpflichtungen der Wirtschaft in Gestalt regulativer Absprachen werden daher auch als das tendenziell mildere und freiheitsschonendere Mittel gegenüber der Rechtsverordnung bezeichnet287 und im Schrifttum zum Teil als Mittel der Deregulierung ausdrücklich begrüßt. m Es sind vor allem die letztgenannten Vorzüge bzw. deren zunehmende Hervorhebung, welche die Bundesregierung in jüngerer Zeit zum Anlaß nimmt, verstärkt auf Absprachen mit der Wirtschaft zu setzen, so etwa im Klimaschutz zur Reduzierung der CO T Emissionen 289 oder in der Abfallpolitik zum Aufbau von flächendeckenden Rücknahme- und Verwertungsystemen 290 z. B. von Personenkraftwagen. 291 Dabei handelt es sich keineswegs um eine spezifisch deutsche Entwicklung. Vielmehr beginnt man auch in den übrigen Mitgliedstaaten der EU 292 und auf europäischer Ebene 293 - angestoßen vor allem durch entspre-
Statt vieler Henneke (FN 215), S. 271 f (m.w.N.) m So Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 216. m So bereits E. H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (409 f); J Becker (FN 219), S. 1011. Für einen vorsichtigen Umgang plädiert demgegenüber der Sachverständigenrat flir Umweltfragen in seinem jüngsten Gutachten, vgl. RSU (FN 284), Tz. 321 ff 289 Vgl. BMU, Umwelt 1997,102 ff. 290 Nach der Koalitionsvereinbarung zur 13. Legislaturperiode besaßen im Bereich der zu regelnden Produktverantwortung nach § 22 KrW-IAbfG Selbstverpflichtungen der Wirtschaft einen Vorrang vor Verordnungen, vgl. BMU, Umwelt 1995, S. 7. Auch in der 14. Legislaturperiode soll nach dem erklärten Willen der neuen Bundesregierung auf Selbstverpflichtungen gesetzt werden. 291 Vgl. die "Verordnung über die Überlassung und umweltverträgliche Entsorgung von Altautos (Altauto-Verordnung)" vom 4.7.1997 (BGBI. I S. 1666). In der amtlichen Begründung nimmt der Verordnungsgeber ausdrücklich auf die Selbstverpflichtung der Automobilindustrie vom Februar 1996 Bezug, in der sich der Verband der Automobilindustrie und 14 nahestehende Branchenverbände verpflichten, eine flächendeckende Infrastruktur zur Annahme und Verwertung von Altautos in Deutschland aufzubauen. Die Automobilindustrie sagte ferner zu, neu in den Verkehr gebrachte Personenkraftwagen bis 12 Jahre nach der 1998 erfolgenden Erstzulassung kostenlos zurückzunehmen und zu entsorgen, vgl. BT-Drs. 13/5998, S. 13. Hierzu und anderen Beispielen aus der Abfallpolitik Schmidt-Preuß, Duale Entsorgungs-Systeme als Spiegelbild dualer Verantwortung, in: Schuppert (Hg.), Jenseits von Privatisierung und "schlankem" Staat. Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privaten Sektor (i. E.). 292 Ein Überblick findet sich im Anhang zur Mitteilung der EG-Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über Umweltvereinbarungen, KOM (96) 561 v. 27.11.1996. In den Ländern der Gemeinschaft sind aber auch rechtlich bindende Vereinbarungen anzutreffen, vgl. Grewlich (FN 55), S. 55. 293 Siehe etwa die Empfehlung der Kommission über Umweltvereinbarungen zur Durchflihrung von Richtlinien der Gemeinschaft (96/733/EG), ABI. L 333 v. 21.12.1996, S. 59. Von der Frage, ob es den Mitgliedstaaten offen steht, Gemeinschaftsrichtlinien durch (gegebenenfalls rechtsverbindliche) Absprachen mit den betroffenen Industriezweigen auf nationaler Ebene umzusetzen, ist die Frage zu unterscheiden, ob 2R6
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chende Empfehlungen im 5. Aktionsprogramm rur eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung294 - mit Selbstverptlichtungen und Absprachen ("Umweltvereinbarungen") zu arbeiten.
b) Rechtliche Bewältigung Die rechtliche Bewältigung informaler Umweltabsprachen steht erst am Anfang und konzentriert sich im wesentlichen auf die Frage nach dem gebotenen Maß ihrer verrechtlichenden Einbindung in den Kanon der zulässigen Handlungsformen des Staates. Lange Zeit dominierten Extrempositionen, wobei der "legalistischen" Betrachtung mit dem Ziel, informale Absprachen unter normative Verbotskriterien zu stellen (und damit einzugrenzen), eine "pragmatische" Sichtweise mit dem Ziel gegenübergestellt wurde, Absprachen als unvermeidliche (wenn nicht sogar unentbehrliche) Erscheinungsformen moderner Umweltstaatlichkeit hinzunehmen und letztlich als das zu betrachten, was sie nach dem Willen der Beteiligten regelmäßig sind - allenfalls moralisch verpflichtende, nicht aber rechtlich verbindliche Kontaktaufuahmen und Verständigungen im Vorhof des Rechts. 29ö Informale Absprachen entzögen sich deshalb einer umfassenden Verrechtlichung bzw. würden immer wieder von neuem faktische Bindungen produzieren, gegen die normative Festlegungen (mit dem Ziel der Zurückdrängung oder Eindämmung) macht- und wirkungslos blieben. 296 In der Tat erscheint ein Verbot wenig realistisch, soweit es durch erneute Verhandlungen im Vorfeld des normierten Bereichs konterkariert zu werden droht. Umgekehrt hängt der Erfolg von Absprachen aber von voraussetzungsvollen Bedingungen ab, die gerade auch rechtlicher Art sein können. Eine vorsichtige, die Interessen der Absprachepartner sowie Dritter berücksichtigende Verrechtlichung beseitigt die rechtlichen Unsicherheiten rur die beteiligten Akteure im die Gemeinschaft selbst als Absprachepartner bestimmter Gemeinschaftsindustrien auftreten kann, um gemeinschaftsweit geltende Umweltvereinbarungen - etwa zur Verringerung des CO 2-Ausstoßes in einzelnen Industriezweigen oder von Kraftfahrzeugen abzuschließen, vgl. hierzu Wägenbaur, EG-Umweltschutz im Zeichen der Deregulierung, in: Rengeling (Hg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsentscheidungen, 1997, S. 19 (35 f.). 294 KOM (92) 0023 v. 3.4.1992, ABI. C 138 v. 17.5.1993. Die Industrie habe danach nicht nur einen wesentlichen Anteil am Umweltproblem, sondern müsse auch Teil der Problemlösung sein. Die grundsätzliche Anerkennung "freiwilliger Vereinbarungen" erfolgte vor dem Hintergrund der neuen Idee geteilter Verantwortung ("shared respons ibility") und soll neben den "klassischen" ökonomischen Instrumenten der Umweltabgaben und der Umwelthaftung zu einer Priorität der Gemeinschaft ftir die Umweltpolitik gemacht werden, vgl. die Anregung der EG-Kommission für die Überarbeitung des 5. Aktionsprogramms, ABI. Nr. 140 v. 11.5.1996, S. 5. 295 Vgl. H Dreier (FN 213), S. 662. 296 In dieser Richtung etwa Bulling (FN 213), S. 277 ff.; siehe auch BMU (Hg.), Denkschrift ftir ein Umweltgesetzbuch, 1994, S. 43 f.
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Umgang mit diesem Instrument und schafft Transparenz rur die Öffentlichkeit. Unter dem Eindruck der bisher kaum mehr als nur tastenden Annäherungsversuche des Umweltrechts zur Bewältigung informaler Verhaltensabreden - in Gestalt regulativer Absprachen gern als marktwirtschaftliches Instrument bezeichnet und von der Umweltpolitik mit entsprechenden Vorschußlorbeeren belegen - sind die Verrechtlichungsbemühungen der letzten Jahre von dem Bestreben gekennzeichnet, der Exekutive nicht vorschnell Fesseln anzulegen, um Absprachen generell zu unterbinden. Maßgeblich ging es vielmehr darum, den rechtlichen Rahmen rur ihre Rechtmäßigkeit und Bewertung abzustecken, Gesetzliche Anknüpfungspunkte für die rechtliche Bewältigung informaler Absprachen finden sich im Verwaltungsverfahrensgesetz von 1976, dessen Regelungen - insbesondere über die Verfahrensgrundsätze (§§ 9 ff. VwVfG) und vertragliche Absprachen (§§ 54 ff. VwVfG) - analog anzuwenden sind, soweit sie nicht die Förmlichkeit des Verwaltungshandelns zum Gegenstand haben. 29K Eine entsprechende Vorwirkung verfahrensrechtlicher Schutzgarantien legt schon das polygonale Verwaltungsrechtsverhältnis nahe, das durch die Kontaktaufnahme und ein "gesteigertes Näheverhältnis" der Verhandlungspartner begründet wird. 299 Bis heute ist die Reichweite vorwirkender Schutzpflichten insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung von Dritten aber zweifelhaft und umstritten. 30o Für die Bauleitplanung hat das Bundesverwaltungsgericht in der Flachglas-Entscheidung vorbereitende Gespräche und Vorverständigungen ausdrücklich als nützlich und geboten bezeichnet, um einen sachgerechten Verfahrensablaufzu gewährleisten. 301 Dem Problem behördlicher Vorabbindungen und selbstbindender FestIegungen als notwendiger Basis rur den ungestörten Fortgang der Verhandlungen näherte sich das Gericht aus der klassischen Kontrollperspektive, indem es sachliche Kriterien für ein abwägungsfehlerfreies Nachvollziehen von deren Inhalten in der einseitig-hoheitlichen Entscheidung auf-
297 Vgl. etwa Merkei, Umwelt 311997, S. 88 ff. Kritisch zur ordnungspolitischen Bewertung als marktwirtschaftliches Instrument Rennings/Brockmann/Bergmann (FN 283), S. 152 ff.; ähnlich auch Cansier (FN 130), S. \09 f. 298 Vgl. Kunig/Rublack (FN 217), S. 4 ff. (m.w.N.). Die Analogie (bzw. der zugrundeliegende Rechtsgedanke) ist hier freilich sehr weit, wird doch der fehlende oder zumindest eingeschränkte Rechtsbindungswillen der Beteiligten mit der Anwendung der verfahrensrechtlichen - auf die Rechtsbindung (bzw. eine höhere Bindungsintensität) abstellenden - Vorschriften ftir unbeachtlich erklärt. 299 Siehe Beyerlin, NJW 1987,2713 (2718 ff.). 300 Dazu oben, S. 52 ff. 301 BVerwGE 45,309 ff. (321); ähnlich BVerwG, NJW 1987, 1273 f. - Der Gesetzgeber hat den Gedanken kommunaler Vorabbindungen im Vorhaben- und Erschliessungsplan nach § 12 BauGB großzügig aufgegriffen und damit zu formalisieren versucht. Verbesserte Möglichkeiten zügiger Abklärung und Information schafft im Hauptverfahren nunmehr auch das Institut der Antragskonferenz nach § 71e VwVfG unter Einschluß nicht-staatlicher Träger öffentlicher Belange und privater Stellen.
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stellte. 302 Als grobe Richtschnur gilt seitdem: In dem Maße, wie Absprachen im Vorfeld nonnativ stark detenninierter Verwaltungsentscheidungen getroffen werden, dürfen sie jedenfalls nicht entscheidungsersetzend die Beteiligung privater Dritter (§§ 13 Abs.2, 58 Abs. 1 VwVfG analog) sowie die rechtlich verbindliche Letzt- und d. h. eben auch mögliche Korrekturentscheidung des entscheidungsbefugten Organs (§ 54 S. 1 VwVfG analog) im Verwaltungsverfahren in Frage stellen. Absprachen sind im Rahmen des Verfahrensennessens (§ 10 VwVfG) und der Spielräume, wie sie der Exekutive fiir vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten überlassen bleiben (§§ 54 ff. VwVfG), grundsätzlich zulässig, unterliegen insoweit aber den allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen entsprechend der Grundsätze fiir das vertragliche Handeln (z. B. Rechtswidrigkeit knebelnder Absprachen nach § 59 Abs. I VwVfG analog i. V. m. § 138 BGB). Daß dies auch für normvertretende Absprachen gilt, folgt schon aus ihrer Zielrichtung. Sie begründen keine unzulässige (die Entscheidungsfreiheit des Nonngebers inhaltlich präjudizierende) Verpflichtung zum Nonnerlaß, sondern erstrecken sich lediglich auf die Beibehaltung bzw. den Nichterlaß einer Nonn. Solche Vereinbarungen werden nach § 54 S. 1 VwVfG fiir zulässig gehalten, soweit sie auf einem entsprechenden Beschluß des zur Nonnsetzung befugten Organs beruhen (unechter Nonnsetzungsvertrag).303 Der vereinbarte Verzicht auf den Erlaß einer Rechtsverordnung fiihre nicht zum Verlust exekutiver Hoheitgewalt, weil die Behörde durch die Anpassung und Kündigung der Absprache analog § 60 VwVfG die Möglichkeit behalte, ihre Nonnsetzungsinitiative zurückzuerlangen. Zweifelhaft wird die Tragfähigkeit der Unterscheidung zwischen echten (auf den Nonninhalt bezogenen) und unechten (lediglich die Nonnsetzungsinitiative einschränkenden) Absprachen
302 BVerwGE 45, 309 (317 ff.). Die rechtliche Relevanz faktischer Vorausbindungen dürfte sich nur selten in objektiver Weise feststellen lassen und gerade bei komplexen Entscheidungen ein optimales, weil alle Interessen und Gesichtspunkte berücksichtigendes Ergebnis verfehlen, ohne daß die abschließend gefällte Entscheidung eindeutig als rechtwidrig bezeichnet werden könnte: H Dreier (FN 213), S. 667. Verhandlungen ohne faktische Selbstbindung sind kaum vorstellbar und präjudizieren notwendigerweise die rechtliche Entscheidung, vgl. Schulze-Fielitz, DVBI. 1994, 657 ff. (667). Deren Rechtmäßigkeit wird somit umso eher anzunehmen sein, je offener die Verhandlungen von den Akteuren geführt werden, um der Behörde eine hinlänglich distanzierte Letztentscheidung zu ermöglichen. 303 Vgl. Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 230 (m.w.N.). Neuen Auftrieb gewinnt die alte Idee von Normenverträgen zwischen Staat und Bürgern - als Mittel der Rechtsetzung im Technikrecht bereits Krüger, NJW 1966, 617 (622 f.) - im sog. Vertragsnaturschutz, wo an die Stelle der UnterschutzsteIlung durch Rechtsverordnung der Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrags tritt, vgl. Di Fabio, DVBI. 1990, 338 ff. (340). Im Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch werden die rechtlich erst rudimentär entwikkelten Ansätze einer kooperativen Normsetzung aufgegriffen und neben den rechtlich unverbindlichen Selbstverpflichtungen (§ 35 UGB-KomE) einer allgemeinen umweltrechtlichen Kodifizierung zugeführt (§ 36 f. UGB-KomE), siehe auch BMU (FN 5), S.507.
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allerdings dort, wo die Vereinbarung auf die Einrahmung durch eine "schlanke" Verordnung abzielt. Hier wird man für die rechtliche Beurteilung in Rechnung stellen müssen, daß regulative Absprachen im Vorfeld von Rechtsverodnungen gerade keine vertragliche Bindung, sondern regelmäßig nur "Bemühungszusagen" der Exekutive enthalten, entgegengenornrnene Selbstverpflichtungen der Wirtschaft in der Verordnung nicht unberücksichtigt bleiben zu lassen. Als rechtmäßig können aber auch "entscheidungssteuernden Zusagen" nur angesehen werden, wenn die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers im Normsetzungsverfahren J04 tatsächlich gewahrt bleibt. Inzwischen mehren sich die Reaktionen des Gesetzgebers, der informale Absprachen in spezialgesetzlichen Vorschriften aufuirnrnt und rechtlich einzufangen versucht. Dies geschieht - wie z. B. § 5 UVPG, § 2 Abs.2 oder § 2a der 9. BImSchV zeigen - z. T. mit dem Ziel der Formalisierung. So haben Vorverhandlungen im Rahmen von behördlichen Zulassungsverfahren für UVPpflichtige Vorhaben und im Vorfeld von irnrnissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ihren informalen Charakter weitgehend verloren. 305 Außerhalb dieser Verfahren wird man die Beurteilung informaler Vorverhandlungen nach § 10 VwVfG unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 5 UVPG vorzunehmen haben. J06 Z. T. schafft der Gesetzgeber aber auch nur flankierende Rahmenregelungen für den Erlaß von Rechtsverordnungen, die - wie z. B. die Verordnungsermächtigungen in §§ 17 ChemG, 5, 9 WRMG oder §§ 23 f. KrW-/AbfG und die "formalisierten Drohgebärden" staatlicher Zielfestlegungen nach § 14 Abs. 2 AbfG oder jetzt § 25 Abs. I KrW-/AbfG deutlich machen - normvertretende Absprachen überhaupt erst ermöglichen bzw. in ihrer Funktionsfähigkeit erhöhen. J07 Im Abfallrecht, das sich insoweit mehr und mehr als die instrumentelle Innovations- und maßgebliche Erprobungsmaterie des Umweltrechts erweist, kornrnt dies nunmehr auch durch Rechtsverordnungen zum Ausdruck, die - wie zuletzt die bereits erwähnte Altautoverordnung auf vorausgegangene Selbstverpflichtungen der Wirtschaft ausdrücklich abgestirnrnt sind. 30K Angesichts der unverkennbaren Verrechtlichung mag es naheliegen, gleichsam im Urnkehrschluß die Zulässigkeit informaler Absprachen in den zukünftig gesetzlich nicht näher geregelten Fällen zu verneinen. So wenig sich jedoch
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Zu den Spielräumen der Ermächtigungsnorm für den Inhalt der Rechtsverordnung
v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 161 ff., 187 ff.
Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 231. SO Bohne (FN 216), Sp. 1753. 307 Informale Absprachen werden insoweit negativ durch das Recht (und das Nichtausschöpfen der exekutiven Normsetzungsmöglichkeiten) gefördert wie sie umgekehrt erst unter dem Recht (und dem verbleibenden rechtlichen Drohpotential) positiv wirksam werden. J08 Siehe oben, S. 170 (Fn. 291). JO;
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verfassungsrechtlich eine Rechtspflicht zum informalen Handeln begründen läßt/ 09 kann ein genereller Vorrang ordnungsrechtlicher Lösungen gegenüber der staatlichen Steuerung durch Absprachen überzeugend dargelegt werden. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Formalisierung (im Sinne eines Rechtsformvorbehaltes) besteht nicht. 3lO Auch die generelle Überfiihrung rechtlich unverbindlicher Absprachen in das rechtsverbindliche Vertragsregime ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Verfassungsrechtliche Grenzen ergeben sich jedoch vor allem aus der grundgesetzlichen Kompetenzordnung311 sowie
309 Insbesondere aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist eine Verpflichtung des Staates zum informalen Handeln nicht ableitbar. Zum einen kann es im Hinblick auf den Rechtsschutz, die Rechtsklarheit und die Rechtsbeständigkeit gerade das imperative Vorgehen sein, welches im konkreten Einzelfall dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eher entspricht: Brohm (FN 51), S. 1033. Zum anderen wird derjenige, der dem Staat ein bestimmtes Verhalten verspricht, nicht unzumutbar belastet, wenn die Abgabe des Versprechens in rechtsverbindlicher Form verlangt wird: Bohne (FN 216), Sp. 1756 (m.w.N.). 310 Dies würde die unverzichtbaren Handlungsspielräume der Exekutive über Gebühr einschränken und der grundsätzlichen Instrumentenfreiheit des Staates widersprechen. Allerdings kann sich aus dem Gesetzeszweck der Ermächtigungsgrundlage eine Rechtsetzungspflicht ergeben, z. B. nach §§ 44 ff. BImSchG n. F. für die Ausweisung von Untersuchungsgebieten zur Erstellung eines Emissionskatasters. Dieser Zweck dürfte von Absprachen - wie unter der früheren Rechtslage der Verzicht des zuständigen Landesministers auf den Erlaß einer Belastungsgebietsverordnung gegenüber der Zusage der IHK, ihre Mitglieder zur freiwilligen Abgabe von Emissionserklärungen zu veranlassen - nicht mehr erfullt werden können. Normierungspflichten können sich ferner aus EGRichtlinien ergeben, soweit sie durch Rechtsvorschriften in nationales Recht umzusetzen sind (Art. 189 EGV). Anzumerken bleibt auch, daß sich ein Vorrang ordnungsrechtlicher Normierung für den Fall der effektiven Abwehr von ernsten Umweltgefahren ergeben kann, vgl. BVerfGE 49,89 ff. (142); 77,170 ff. (214); 79,175 ff. (202); 88, 203 ff. (254). Zum - eingeschränkten - Konnex zwischen verfassungsrechtlicher Schutzpflicht und ordnungsrechtlicher Steuerung oben, S. 59, 63 f. 311 Absprachen rufen Zentralisierungstendenzen hervor. Die Wirtschaft sucht sich im Zweifel nicht mehrere, sondern einen - nach Möglichkeit allzu ständigen - Partner für das gemeinsame Vorgehen. Hierbei droht die Zuständigkeitsordnung aus den Angeln gehoben zu werden. So mag man mit der wohl überwiegend vertretenen Auffassung für normvertretende Absprachen eine Annexkompetenz des zur ordnungsrechtlichen Gesetzgebung berufenen Bundes annehmen, der mit dem Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Droh- und Tauschmittel diese ausfüllt: Oebbecke, DVBI. 1986, 793 ff. (795); Schulte (FN 48), S. 148 f.; zweifelnd Di Fabio (FN 30), S. 127. Leerzulaufen drohen aber die Mitwirkungszuständigkeiten anderer Instanzen, die - wie die Zustimmungspflicht des Bundesrats zu Rechtsverordnungen der Bundesregierung nach Art. 80 Abs. 2 GG - den Vollzugsinteressen der Länder Rechnung trägt. Da jedoch der eigentliche Vollzug einer verordnungsvertretenden Absprache durch die Landesverwaltung entfallt, wird man es für ausreichend ansehen können, wenn der Bundesrat über den Inhalt der Absprache informiert wird: Brohm (FN 51), S. 1030. Ähnliches dürfte auch für die Beteiligungsrechte des Bundestags gelten, soweit die Bundesregierung im Anwendungsbereich oder Rahmen von Verordnungsermächtigungen handelt. Transparenz- und [nformationspflichten der Bundesregierung ersetzen insoweit die Mitwirkungsrechte von Bundesrat und Bundestag und dürften im Regelfall die geeigneten Mittel sein, um den
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aus der Ptlicht zur Beachtung der Grundrechte, die verfahrensrechtliche und materielle Vorkehrungen zum Schutz der Absprachebeteiligten und der nicht beteiligten Dritten erfordern. 312 Problematisch - und angesichts der Zweifel an einer wirklich autonomen Entscheidung des Grundrechtsträgers mit dem Grundrechtsverzicht als Grundrechts- bzw. Freiheitsgebrauch 313 bisher kaum bewältigt - ist dabei nicht nur das vertikale Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern - in der Logik jeder Selbststeuerung angelegt - auch die horizontale Ebene verbands gesteuerter Grundrechtsbeeinträchtigungen. Regulative Absprachen trifft regelmäßig der private Verband, der gegenüber dem Staat als Verptlichtungssubjekt in Erscheinung tritt und im Rahmen der Kooperation mit dem Staat, seinen offen ausgesprochenen Wünschen und versteckten Begehrlichkeiten 314 durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützt ist. J15 Das einzelne Unternehmen sieht sich seinerseits dem "sanften" Einwirkungsdruck des Verbandes ausgesetzt, der - soll die Absprache nicht bloß einen schnell verpuffenden Werbeeffekt erzeugen - seinen Mitgliedern den Inhalt und die Umsetzung der Absprache plausi- . bel machen und u. U. nahelegen muß.J16 Unmittelbarer Schutz ist gegenüber
grundgesetzlichen Anforderungen für nicht selten im Dunkeln bleibende Absprachen genüge zu tun; siehe auch RSU (FN 284), Tz. 309 (m.w.N.). 312 Es ist geradezu ein Wesenszug der Grundrechte, gegenüber neuen staatlichen Instrumenten ihre diziplinierende Kraft zu entfalten. Das Schutzinstrumentarium zugunsten des Bürgers reicht von vergleichsweise weichen Publizitäts- und Anhörungspflichten des Staates bis zum scharfen Schwert des Gesetzesvorbehaltes, setzt aber in casu die Feststellung eines Eingriffs voraus, dessen Konturen durch das informale Handeln des Staates verschwimmen, vgl. für staatlich inspirierte Absprachen Di Fabia (FN 30), S. 122 ff. 313 Absprachen, in denen sich der Bürger zu einem bestimmten Handeln selbstverpflichtet, können als Ausübung grundrechtlicher Freiheiten begrüßt werden. Die Selbstverpflichtung suggeriert jedoch häufig nur eine autonome freiwillige Entscheidung, obgleich der Grad staatlicher Fremdbestimmung die selbst eingegangene Verpflichtung lediglich als das kleinere Übel gegenüber der möglichen, in Aussicht gestellten oder sogar konkret angedrohten hoheitlichen Regelung erscheinen läßt. Zum Grundrechtsverzicht bei normersetzenden Absprachen Schulte (FN 48), S. 102 f. (m.w.N.). Weniger Beachtung hat dagegen die Frage gefunden, inwieweit es überhaupt der Willenserklärung einzelner Grundrechtsträger überlassen sein darf, den gemeinwohlorientierten Wirkungsbereich der Exekutive in der Umweltpolitik selbst zu bestimmen. 314 Absprachen fördern korporatistische Entwicklungen. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Staat setzt auf starke Verbündete. In dem Maße, wie sich der staatliche Zugriff auf das Unternehmen erschwert, wird die Nähe zum Verband gesucht, um diesen für umweltpolitische Steuerungsziele zu gewinnen und einzusetzen. 315 Im Falle wirklich freiwilliger Kooperation verzichtet der Verband demgegenüber auf einen Teil seiner Freiheit zur Grundrechtsausübung. Die Kooperation nötige dem Staat einen Teilverzicht auf imperative Herrschaftsmittel ab. Im Gegenzug müsse die in der Gesellschaft wurzelnde Organisation auf Freiheit verzichten, soweit sie Staatszwekke als verbindlich anerkennt: Di Fabia (FN 33), S. 256. 316 Zu den innerverbandlichen Anreizmechnanismen und der Verteilung der Finanzierungslasten Hilbert/Vaelzkaw, Umweltschutz durch Wirtschaftsverbände. Das Problem verbandlicher Verpflichtungsfähigkeit am Beispiel umweltschutzindizierter Selbst-
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dem privaten Verband zu suchen, der als Grundrechtsträger jedoch in die Nähe des Staates rückt und von diesem mehr oder weniger geschickt zum Instrument grundrechtsgebundener staatlicher Steuerung gemacht wird. Auf diese Weise entsteht - wie beim staatlichen Infonnationshandeln 317 - eine Mehrpoligkeit der grundrechtlichen Wirkungsbeziehungen, die eine Zurechnung des maßgeblichen Steuerungseffektes zum Staat erschweren. Kann die bloße Nicht-Beteiligung von Dritten an der Absprache noch vergleichsweise unproblematisch als möglicher Grundrechtseingriff des Staates gewertet318 und abgewehrt werden, so erzeugt die von staatlicher Seite einkalkulierte oder in Kauf genommene Verbandseinwirkung im Hinblick auf die Umsetzung der Absprache durch das nicht "mitmachende" oder nicht zur Kooperation bereite Unternehmen keine geringere grundrechtliche Gefahrdungslage, die die Frage aufwirft, ob im Einzelfall nicht eine Zurechnung der Steuerungswirkungen als Eingriff oder eingriffsgleiche Einwirkung zum Staat angezeigt sein könnte. 3J9 Schutz bietet freilich auch das nationale und europäische Wettbewerbsrecht, das von umweltpolitisch motivierte Absprachen unter Privaten zwangsläufig auf den Plan gerufen wird. Allerdings sind hier viele Fragen offen. In welchem Umfang etwa nonnersetzende Absprachen dem Kartellverbot nach §§ 1, 25 GWB mit dem Erfordernis einer Ausnahmerlaubnis durch den Bundeswirtschaftsminister gemäß § 8 GWB 320 unterfallen, ist ebenso wie die grundrechtliche Eingriffsfeststellung letztlich eine nonnative Zurechnungsfrage. Der kartellrechtlichen Kontrolle und Erlaubnis unterliegt - jedenfalls im RegeifalP21 - nicht das öf-
beschränkungsabkommen, in: Glagow (Hg.), Gesellschaftssteuerung zwischen Korporatismus und Subsidiarität, 1984, S. 149; Hansjürgens, WiD 1994,35 (40 ff.). 317 Siehe oben, S. 160 f. 318 Dies betrifft insbesondere die Lieferanten oder Abnehmer des staatlichen Absprachepartners, die - wie z. B. die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem Wirtschaftsverband Asbestzement zur Reduzierung des Asbestgehalts in Asbestzementprodukten zeigte - aufgrund des Nachfragerückgangs erhebliche wirtschaftliche Verluste erleiden können, vgl. Schulte (FN 48), S. 103. 319 Die fehlende Rechtsverbindlichkeit (und mögliche Freiwilligkeit auf der Seite des Verbandes) steht dem nicht entgegen. Ist der Verband als Absprachepartner des Staates ebenso wie der Staat auch imstande, sich jederzeit von der Vereinbarung zu lösen, so bedeutet dies noch nicht, daß der faktische Druck über den "dazwischengeschalteten" Verband und sein Einwirkungspotential im Einzelfall keine (grund-)rechtlichen Auswirkungen auf den geschützten Freiheitsbereich des Unternehmens haben kann. Eine ganz andere Frage ist es, ob der Abwehranspruch mit dem Ziel, dem Staat normvertretende Absprachen und ein Hinwirken auf deren Erflillung über "Dritte" zu untersagen, nicht unter Zugrundelegung des grundrechtlichen Schutzpflichtgedankens auf einen entsprechenden Verordnungserlaß gerichtet sein müßte. Der "Schutz durch Verordnung" mag rur das Unternehmen zwar ein wirksamer Weg sein, dem subtilen Einwirkungssog der informalen Absprachepraxis zu entgehen, dürfte aber nur in eklatanten Ausnahmefallen auch subjektiv-rechtlich einklagbar sein. 320 Zur Systematik Kloepjer, JZ 1980, 781 ff. (m.w.N.). 321 Zu den Ausnahmen GmS-OBG, NJW 1988,2297 ff. 12 Franzius
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fentlich-rechtliche Handeln des Staates. Trifft der Staat Absprachen mit Privaten, so handelt er - was den Abschluß der Absprache betrifft - im Rahmen der Ausübung seines öffentlich-rechtlichen Nonnsetzungsennessens. 122 Ob sich angesichts der z. T. massiven Regelungsandrohungen die öffentlich-rechtliche Vorprägung aber auch auf die privatrechtliehe Umsetzung durch Binnenabsprachen oder horizontale Verhaltensabstimmungen zwischen den betroffenen Verbänden und einzelnen Unternehmen erstreckt, ist dagegen zweifelhaft. J23 Der Anwendungsvorrang des öffentlichen Rechts (im Sinne einer Sperrwirkung rur das Kartellrecht) erfaßt lediglich die in den gesetzlichen Verordnungsennächtigungen zum Ausdruck kommenden Steuerungswirkungen. So betrachtet, schränkt zwar bereits der Ermächtigungszweck (nicht erst der Verordnungserlaß) den Geltungsbereich des Wettbewerbsrechts ein. 324 Gegenstand der Prüfung nach § 8 Abs. 1 GWB kann daher nicht die prinzipielle Zulässigkeit der Absprache, sondern nur die Kontrolle sein, ob die konkrete Ausgestaltung der Binnenabsprachen zur Umsetzung der nonnersetzenden Absprache mit den Belangen der Wettbewerbs ordnung vereinbar ist. 325 Weitergehenden Freistellungen 322 Gegen eine Anwendung des Kartellverbots auf "vertikale" Absprachen bereits Oldiges, WiR 1970, 1 ff. (10); zutreffend ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Verordnungsgeber und dem Wirtschaftsverband ablehnend Baudenbacher, JZ 1988, 689 ff. (694); Scherer, DÖV 1991, 1 ff. (5); Bohne (FN 216), Sp. 1754 f. 323 Dafür Brohm (FN 51), S. 1028; ähnlich im Sinne einer KlarsteIlung der umweltpolitischen Verantwortung für die u. U. kartellrechtswidrigen Ergebnisse "horizontaler" Absprachen Grewlich (FN 55), S. 58; in dieser Richtung wohl auch Di Fabio (FN 30), S. 131. Dagegen spricht jedoch, daß mit dem veränderten staatlichen Steuerungsansatz zur gezielten Hervorbringung gesellschaftlich eigenverantworteter Umweltschutzbeiträge letztlich auch die Vorstellung einer Exemtion des Kartellrechts gegenüber lenkenden Maßnahmen staatlicher Politik fragwürdig wird. Dies umso mehr, als das Wettbewerbsund Kartellrecht eine bewußte Instrumentalisierung durch die Umweltpolitik erfährt und öffentlich-rechtliche Schutzlücken zu kompensieren hilft: Trute (FN 36), S. 960. 324 Die Situation ist hier nicht anders als im Bereich der föderalen Aufgabenerledigung durch Bund und Länder. Schon die gesetzliche Ermächtigung zum Verordnungserlaß durch den Bund schränkt den Aktionsradius der Länder weitgehend ein, vgl. zur Sperrwirkung umweltrechtlicher Verordnungsermächtigungen Kloepfer (FN 85), S. 30 f., 40 f. - Nimmt der Normgeber die Steuerung durch Absprachen in seinen Willen auf, so läßt die spezielle Vorordnung des Sachbereichs die Korrektur- und Legalisierungsmöglichkeiten des Kartellrechts zurücktreten. Hier wie dort kommt es aber nicht zur vollständigen Ausgrenzung i. S. einer Ausschlußwirkung. Verzichtet der Bund auf das Ausschöpfen der Verordnungsermächtigungen zugunsten marktlicher Lösungen, so bleibt auch das Wettbewerbsrecht mit seinen allgemeinen Kontroll- und Schutzmechanismen zumindest insoweit anwendbar, als es Vorgaben und Maßstäbe für die wett bewerbsneutrale Umsetzung der Absprache liefert. 325 Dem Bundeswirtschaftsminister steht im Rahmen des kartellrechtlichen Erlaubnisverfahrens nach § 8 GWB keine Universalkompetenz über die Umweltpolitik zu. Wettbewerbsbelange hat vielmehr zuvor der Umweltminister im Rahmen der Ausübung des Normsetzungsermessens zu beachten, vgl. Bohne (FN 216), Sp. 1751. Seine nachträglichen Legalisierungsmöglichkeiten wettbewerbsbeschränkender Absprachen sind jedoch im wesentlichen auf den flankierenden Verordnungserlaß beschränkt. Fehlt für horizontale Binnenabsprachen eine die Kartellbildung verwaltungsrechtlich anordnende
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vom Kartellverbot fur private Verhaltensabreden - mögen sie auch zur Erfullung öffentlich-rechtlicher Ptlichten oder rechtlich unverbindlicher Lenkungsmaßnahmen angezeigt sein - ist jedoch mit Vorsicht zu begegnen. 326 Dies legt auch das EG-Kartellrecht nahe, welches wie das deutsche Kartellrecht einen generellen Vorbehalt öffentlicher Interessen nicht kennt J27 und fur die umweltbezogene Suspendierung vom Kartellverbot eine Freistellungsentscheidung der Kommission voraussetzt (Art. 85 Abs. 3 EGV). Auch der neue § 7 GWB 32K enthält nunmehr einen (der europäischen Lösung nachgebildeten) ergänzenden Freistellungstatbestand fur selbstregulative Unternehmensabsprachen, insbesondere zur Erreichung der Zwecke des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. 129 Einen ähnlichen Weg beschreitet § 39 UGB-KomE, der die Freistellung von kartellrechtlichen Bestimmungen an besondere Voraussetzungen knüpft, aber nur fur solche Vereinbarungen anerkennt, die der Erflillung normativer Anforderungen dienen (§ 39 Abs.2 UGB-KomE). Insbesondere fur private Vereinbarungen zur Umsetzung rechtlich unverbindlicher Selbstverptlichtungen der Wirtschaft verbleibt es bei einer speziellen Ministererlaubnis, die jedoch - insoweit klarstellend - bereits aus überwiegenden Gründen des Umweltschutzes und - die Fachkompetenzen stärkend - im Benehmen mit dem fur den Umweltschutz zuständigen Bundesministerium ergehen kann (§ 39 Abs.4 UGBKornE).
c) Selbstverptlichtungen als "Königsweg" der Umweltpolitik? Das Kooperationsprinzip hat in den gesetzlich nicht näher geregelten Bereichen (wie z. B. im Klimaschutz), aber auch infolge gesetzgeberischer Entscheidungen (etwa mit der Ermöglichung von "freiwillig" zu befolgenden Zielfestlegungen im Abfallrecht) Selbstverpflichtungen der Wirtschaft in das Zentrum der Umweltpolitik gerückt. J30 Erfolgreich von der Politik akzeptiert oder initiiert,
Verordnung, hilft insoweit nur die kartellrechtliche Erlaubnis weiter. Abhilfe schafft ferner die Duldungspraxis des Bundeskartellamtes, das im Rahmen des Einschreitensermessens den hoheitlichen Induktionseffekt umweltpolitisch motivierter Binnenabsprachen berücksichtigen kann: Schmidt-Preuß, Verpackungsverordnung und Kartellrecht, FS für Lieberknecht, 1997, S. 549 (561 ff); Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 248, siehe auch oben, S. 115 (Fn. 55). 326 Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 246. 327 V g\. Pernice, EuZW 1992, 139 ff. (141). 328 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 26.8.1998, BGB\. S. 2547 ff 329 So die Begründung im Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9720, S. 48. 330 V g\. Hirche (FN 19), S. 164 ff; zu Beispielen aus der Praxis FluckiSchmitt, VerwArch. 89 (1998), S.220 (222 f.); zur Struktur von Selbstverpflichtungen RSU (FN 284), Tz. 272. Schon der Begriff ist ebenso nebulös wie euphemistisch: Die Verpflichtung beinhaltet regelmäßig nur ein Versprechen. Und "selbstverpflichtet" ist
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regelmäßig aber auch inhaltlich mitbestimmt, beschränkt sich die Rolle des Staates auf die eines "Wächters" über die selbstregulativen Kräfte des Marktes, die dem Staat eigene Regelungen und Ressourcen ersparen sollen. J31 Dem kooperativen - auf Selbsterfullung durch den Markt zielenden - Handeln des Staates hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zur kommunalen Verpackungs steuer und zu den landesrechtlichen Abfallabgaben 332 fiir das Abfallrecht, aber wohl auch fur das Immissionsschutzrecht bereits einen Quasi-Vorrang gegenüber ökonomischen Lenkungsinstrumenten zugesprochen. 333 Auch im Rahmen der europäischen Umweltpolitik gewinnen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. 334 So hat die Europäische Kommission durch Empfehlungen auf (die Einhaltung von) Selbstverpflichtungen hingewirkt, die auf europäischer Ebene die Einstellung der Verwendung von FCKW oder die Kennzeichnung von Wasch- und Reinigungsmitteln zum Ziel hatten. 335 Zugleich gibt die Kommission aber zu verstehen, daß fiir den Fall der Umsetzung von umweltbezogenen EG-Richtlinien durch die Mitgliedstaaten nur verbindliche Umweltvereinbarungen in Betracht kommen sollen. 336 Auch der Europäische Gerichtshof verlangt verbindliche Regelungen, soweit die Richtlinie nicht selbst rechtlich unverbindliche Maßnahmen zu ihrer Umsetzung vorsieht. 337 Weite Teile der Wirtschaft messen ihren im Prinzip ein Handeln, das mehr oder weniger auf die Abwehr potentiell einschneidenderer Zwangsmittel des Staates gerichtet ist. 331 Vor dem Hintergrund der Deregulierungsdebaue handelt es sich um einen Tausch im Sinne wechselseitiger Selbstbeschränkung oder - modern gesprochen - um eine winwin-Situation, in der beide Teile gewinnen, weil die Wirtschaft strengere Regelungen verhindert und der Staat seine überspannten Kräfte schont. 332 Siehe oben, S. 126 ff. 333 Zu klären war zwar die kompetentielle Zulässigkeit von Landesregelungen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts lassen aber vermuten, daß es unter dem Kooperationsprinzip bzw. dem angenommenen "Kooperationskonzept" des BundesImmissionsschutzgesetzes auch auf Bundesebene lenkende Abgaben nur noch eingeschränkt für zulässig erachten will. Damit fugt sich die Rechtsprechung zwar einem aktuellen umweltpolitischen Trend an, schießt aber insoweit über das Ziel hinaus, als es das Kooperationsprinzip verabsolutiert und eine auf das gleichrangige Verursacherprinzip rekurriende bereits erprobte Steuerungstechnik des Staates durch eine andere, jedoch noch mit vielen Unsicherheiten behaftete Steuerungstechnik ersetzt. Zur Kritik oben, S.126ff. 334 Zur Praxis in Belgien und in den Niederlanden FlucklSchmitt (FN 330), S. 249 fT.; zur gemeinschaftsrechtlichen Problematik Frenz, EuR 1999, 27 ff. 335 89/349/EWG und 90/438/EWG, ABI. L 144 v. 27.5.1989, S. 56 und ABI. L 227 v. 21.8.1990, S. 26; 89/542/EWG, ABI. L 291 v. 10.10.1989, S. 55. Zur kompetentiellen Problematik solcher Empfehlungen Pommerenke, RdE 1996, 131 ff. 336 961733/EWG, ABI. L 333 v. 9.12.1996, S. 59. Bindend ist die Empfehlung der Kommission jedoch nicht, für die Zu lässigkeit der Umsetzung durch normersetzende Absprachen nach Art. 189 Abs. 3 EGV Dempfle (FN 275), S. 134 ff. 337 Richtlinien, die Rechte und Pflichten des Einzelnen begründen, bedürfen der normativen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten. Verwaltungsvorschriften genügen
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Verpflichtungserklärungen jedoch gerade keine Rechtsverbindlichkeit zu bzw. lehnen rechtsverbindliche Zusagen gegenüber dem Staat ab. 338 Der Verzicht auf Rechtsverbindlichkeit erlaubt es dem Unternehmen, sich lediglich rur das zu verpflichten, was unter ökologischen und ökonomischen Aspekten gegenwärtig als errullbar angesehen wird. Jl9 Die Korrekturmöglichkeit in der Zukunft bedeutet fiir das Unternehmen einen beträchtlichen Freiheitsgewinn, wirft rur den Staat aber eine Reihe von Kontroll- und Maßstabsfragen auf. Wie läßt sich z. B. die Einhaltung der Selbstverpflichtung überwachen, wenn an diese der Verzicht auf eine normative Regelung geknüpft wird? Welcher Maßstab ist der Verpflichtung und ihrer eigenverantwortlichen Errullung zugrundezulegen? Und wie weit reicht die Freiheit, von der Selbstverpflichtung des Verbandes zu profitieren, aber nichts rur die versprochene Erreichung der Ziele zu unternehmen (sog. Trittbrettfahrerverhalten). Nicht zuletzt diese - jeder kollektiv organisierten Eigenvornahme zugrundeliegende, aber unterschiedlich bewertete340 - Gefahr sowie der Schutz unbeteiligter Drittinteressen erfordern die Sicherstellung des staatlichen Einflusses und seiner Einwirkungsmöglichkeiten. Dies kann jedoch in unterschiedlichem Ausmaß erfolgen und reicht - von Berichts- und insbesondere Monitoringerfordernissen gegenüber dem Staae41 bis zum Hinwirken des Staates auf den Einsatz öffentlicher Kontrolle, diesen Anforderungen nicht, vgl. EuGH, NVwZ 1991, 866 ff. Selbstverpflichtungen und Absprachen kommen dagegen als Umsetzungsform ohne weiteres in Betracht, wenn sie gemeinschaftsrechtlich - wie z. B. Art. 6 Abs. I und 4 der Richtlinie über Verpackungsabflille (RL 94/63/EG) oder Art. I der Richtlinie über die Vermeidung von CO zEmissionen durch Energieeffizienz (RL 93/76/EG) - ausdrücklich zugelassen sind, vgl. RSU (FN 284), Tz. 310. 338 Vgl. FluckiSchmitt (FN 330), S. 229, 254 f. 339 Im Klimaschutz auch bekannt als sog. "no regrets"-Strategie: Nur solche Maßnahmen werden ergriffen, die sich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zumindest als kostendeckend erweisen, vgl. BrockmanniRennings/Bergmann (FN 283), S.156f. 340 Vgl. einerseits Rennings/BrockmanniBergmann (FN 283), S. 162 f.; andererseits RSU (FN 284), Tz. 284. Je größer die Gruppe, desto verbreiteter ist häufig die Auffassung der Gruppenmitglieder, durch das eigene Verhalten nicht das Scheitern der Selbstorganisation auszulösen. Die sich hierdurch erhöhenden Lasten und Kosten der einzelnen Mitglieder mindern aber deren Vorteile und die Bereitschaft der gesamten Gruppe zur Eigenvornahme von Umweltschutzmaßnahmen nimmt ab: Cansier (FN 130), S. 107. 341 Hierbei handelt es sich primär um eine Selbstbeobachtung der Verpflichtungssubjekte, vgl. etwa BDI, COz-Monitoring. Konzept für die Erstellung von regelmäßigen Fortschrittsberichten zur transparenten und nachvollziehbaren Verifikation der Erklärung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge vom 10. März 1995, 1996. Der Staat kann jedoch die Entgegennahme von Selbstverpflichtungen vom Aufbau effektiver Monitoring-Systeme abhängig machen. Dazu gehört u. U. die Errichtung eines Überwachungs- oder Beratungsgremiums, in dem neben der Wissenschaft auch die Behörden vertreten sind.
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- von der stärkeren Ausschöpfung der Verhandlungsspielräume zur gemeinsamen Formulierung von Zielen 342 bis zur staatlichen Festlegung von Zielen, dessen Nichterreichen durch die Wirtschaft den Verordnungserlaß zu legitimieren hilft sowie - von der lediglich flankierenden Verordnung zur Abdeckung des Marktes 343 und Verhinderung von Effizienzverlusten durch sog. "Trittbrettfahrer" bis zur verordnungsrechtlichen Steuerung der Selbststeuerung des Marktes, wie dies im Abfallrecht beispielsweise durch die Verpackungsverordnung geschehen ist. 344 Jede Verstaatlichung birgt freilich das Risiko, die Vorzüge zu schmälern, um derentwillen Selbstverpflichtungen eingegangen werden. Dies betrifft vor allem die schematische Übertragung der für das förmliche Verfahren entwickelten Partizipationserfordernisse in das Stadium informaler Verhandlungslösungen. 345 Das Normsetzungsverfahren mit der in zahlreichen Umweltgesetzen vorgesehenen Anhörung der beteiligten Kreise bzw. anerkannter Naturschutzverbände ist einseitig auf die staatliche Entscheidungsfindung ausgerichtet. Demgegenüber zielen Aushandlungsprozesse bei Selbstverpflichtungen auf den Konsens unter den Verhandlungsakteuren. Eine gesprächsbegleitende Öffentlichkeitsbeteiligung und andere Mitwirkungspflichten würden die Einigung erschweren und den Zeitvorteil von Selbstverpflichtungen gegenüber Rechtsverordnungen deutlich relativieren. 346 Auf der anderen Seite kann die Einbeziehung der Öffentlichkeit aber auch akzeptanzfördernd wirken und Selbstverpflichtungen stärken bzw. vor ihrem Scheitern bewahren. Dies erscheint umso wichtiger, als die Wirtschaft für den Fall gescheiterter Selbstverpflichtungen nicht ohne Grund eine "Interventionsspirale" befürchtet, die bereits getätigte Investitionen (z. B. 342 Der Zielfindungsprozeß ist nicht allein Sache des Staates, unterliegt aber der staatlichen Letztverantwortung. Die private Teilhabe am Zielfindungsprozeß für Selbstverpflichtungen wird durch den verbesserten Zugang des Staates zur knappen Ressource Information ausgeglichen, vgl. RSU (FN 284), Tz. 280, 290. Auf diese Weise erhält der Staat auch Informationen für normative Regelungen, die ihm anderenfalls möglicherweise verwehrt worden wären. 343 Vgl. Schmidt-Preuß (FN 291), S. 9 fT. Die ordnungsrechtliche Flankierung könnte indirekt auch den gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsbereich freiwilliger Selbstverpflichtungen zur EG-Richtlinienumsetzung eröffnen, vgl. RSU (FN 284), Tz. 320; nur für vertragliche Vereinbarungen Grewlich (FN 55), S. 60. 344 Dazu Finckh, Regulierte Selbstregulierung im Dualen System, 1998, S. 48 ff. 345 Dafür Troge, Erfolgs- und Problemfalle umweltbezogener Selbstverpflichtungen aus der Sicht des Umweltbundesamtes, in: Wicke (Hg.), Umweltbezogene Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. UmweItpolitischer Erfolgsgarant oder Irrweg?, 1997, S. 133 ff. (149); dagegen Brohm (FN 51), S. \030 f. 346 Siehe auch RSU (FN 284), Tz. 308, 319 f., 326. Von einem Zeitvorteil kann ohnehin nur die Rede sein, wenn die Verhandlungsakteure die angestrebte Selbstverpflichtung nicht als Mittel zur Verzögerung einer überfaIligen Rechtsverordnung einsetzen. Scheitert die zustandegekommene Selbstverpflichtung, wird der entsprechende Zeitverlust aber möglicherweise durch einen zügigen Verordnungserlaß aufgeholt werden können.
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für die Umstellung der Produktpalette) zunichte macht und das Vertrauen in den Staat und den Schutz der eigenen Anstrengungen zu untergraben droht. 347 Eine vorsichtige Verrechtlichung der Selbstverpflichtung könnte dem Instrument dagegen für die Wirtschaft und den Staat insbesondere das Stigma bloßer Scheinaktivitäten nehmen. Dabei braucht deren Unverbindlichkeit nicht aufgehoben werden. Dort, wo nach dem Willen der Wirtschaft keine rechtliche Bindungswirkung erzielt werden soll, kann indessen auch nur ein begrenzter Vertrauensschutz bestehen. 34K Einen stärkeren "Interventionsschutz" vermag insoweit nur eine rechtliche Selbstbindung erzeugen, wie dies etwa durch den Abschluß eines normersetzenden Vertrags geschehen könnte. Hiervon geht auch der Kommissionsentwurf für ein Umweltgesetzbuch aus, der die Selbstverpflichtung als eigenständiges Instrument des Umweltschutzes anerkennt und zwischen staatlicher Zielfestlegung und vertraglicher Normersetzung plaziert. §§ 36 f. UGB-KomE ermächtigen die Bundesregierung zur vertraglichen Selbstbindung und ermöglichen es ihr unter näher bestimmten Voraussetzungen, die vertragliche Regelung im Wege der Verbindlicherklärung durch Rechtsverordnung auf Nichtverbandsmitglieder zu erstrecken. 349 Demgegenüber läßt § 35 UGB-KomE den rechtlich unverbindlichen Charakter von Selbstverpflichtungen unberührt und statuiert in dem erkennbaren Bemühen, eine hinreichende Erfolgskontrolle von Selbstverpflichtungen zu ermöglichen, lediglich bestimmte inhaltliche Erfordernisse, Publizitäts- und Informationspflichten sowie staatliche Kontrollbefugnisse. 35o Neben Angaben über den Kreis der Verpflichteten sowie über die Art und den Umfang der innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllenden Anforderungen sollen Selbstverpflichtungen auch Angaben über die Modalitäten der regelmäßigen Berichterstattung gegenüber der Bundesregierung und die Art und Weise der Nachweisführung enthalten (§ 35 Abs. 2 UGBKornE). Die Entwurfsverfasser sehen in der Schaffung von Transparenz sowie entsprechenden Informationspflichten gegenüber der Bundesregierung und der Öffentlichkeit geeignete Mittel der begleitenden Kontrolle. 351 Für die zu erbringenden Nachweise im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen ist in erster
Vgl. Rennings/Brockmann/Bergmann (FN 283), S. 160. Gegen einen Wegfall des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes Di Fabio (FN 30), S. 123. 349 Vorbild ist insbesondere der Tarifvertrag, den der Bundesminister für Arbeit nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklären kann, um damit auch die nicht organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sog. Außenseiter, in die tarifvertraglichen Regelungen einzubinden: zur Vorbildfunktion des Tarifvertrags BMU (FN 5), S. 50 I, 512. 350 Vgl. BMU (FN 5), S. 503, 507, 509. 351 Insbesondere die Ergebnisse des Monitorings sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies kann de lege lata nicht aufgrund des Umweltinformationsgesetzes gesehen, da § 7 Abs. 4 UIG solche Informationen vom Zugangsrecht ausschließt, die ein Unternehmen freiwillig der Behörde gegeben hat. 347
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Linie an eine externe private Kontrolle gedacht. J52 Gleichwohl erhält der Staat die Möglichkeit einer Überprüfung der Nachweise durch die Befugnis zur Durchführung von Überwachungsmaßnahmen (§ 35 Abs. 3 i.V.m. §§ 134 ff. UGB-KomE). Schließlich wird die Bundesregierung verpflichtet, im Falle fehlgeschlagener Selbstverpflichtungen zu prüfen, weIche Maßnahmen nunmehr durch Rechtsverordnung zu ergreifen sind (§ 35 Abs. 4 i.V.m § 34 Abs. 2 UGBKornE). Wie der Verweis auf § 34 Abs. 2 UGB-KomE klarstellt, bleibt die Befugnis, auch vor Ablauf der erklärten Frist Maßnahmen durch Rechtsverordnung zu ergreifen, davon unberührt. Für Selbstverpflichtungen, deren Inhalt auch Gegenstand einer Rechtsverordnung sein könnte, dürfte mit der jeweiligen Verordnungsermächtigung bereits nach geltendem Recht eine legislative Entscheidung im Sinne des Gesetzesvorbehaltes für die staatliche Mitwirkung vorhanden sein. 353 Selbstverpflichtungen werden - wie insbesondere das Stoff- und Abfallrecht zeigt - nicht im rechtsfreien Raum abgegeben, sondern bleiben auf das Ordnungsrecht ersetzend oder verändernd bezogen. Verändernd insoweit, als die staatliche Entgegennahme von Selbstverpflichtungen den klassischen ordnungsrechtlichen Steuerungsansatz durch Befehl und Zwang selbstregulativen Modifikationen unterwirft und um eine organisatorische Zielrichtung ergänzt. So bildet die Altautoverordnung mit den organisatorischen Vorgaben für den Aufbau und die Überprüfung von Verwertungsbetrieben den maßgeblichen Steuerungsrahmen für das "Funktionieren" der zuvor abgegebenen Selbstverpflichtung, in der sich die Automobilindustrie zur Vermeidung einer verordnungsrechtlichen VoIlregelung verpflichtete, eine flächendeckende Infrastruktur zur Annahme und Verwertung von Personenkraftwagen aufzubauen. 354 Daß umgekehrt ein "Fehlschlagen" von Selbstverpflichtungen noch keine Rückkehr zu alten ordnungsrechtlichen Mustern bedeuten muß, zeigt die Verpackungs verordnung mit dem organisatorischen Rahmen für das während der Verordnungsentstehung abgegebene Versprechen der Wirtschaft, ein privatwirtschaftliches Sammlungs- und Verwertungs system zu installieren. J55 Aber auch dort, wo spezielle Verord352 Die Entwurfsbegründung nennt z. B. Gutachten unabhängiger Wirtschaftsprüfer, vgl. BMU (FN 5), S. 509. 353 So Bohne (FN 215), S. 367; Brohm (FN 51), S. 1033; zuletzt auch Fluck/Schmitt (FN 330), S. 237 f.; von einem "aliud" spricht dagegen Oebbecke (FN 311), S. 789 f. 354 Siehe oben, S. 170 (Fn. 291). 355 Die Zusage aus den 80er Jahren zur Reduzierung von Verpackungsabfallen konnte von der Wirtschaft nicht eingehalten werden. Erst mit dem privatwirtschaftlich organisierten, aber staatlich durch die Verpackungsverordnung mit seinen ordnungsrechtlichen Rücknahme-, Verwertungs- und Pfanderhebungspflichten (§ 6 Abs. I, Abs. la und Abs. 2 sowie § 7 VerpackVa. F. ) eingerahmten Aufbau eines dualen Entsorgungssystems - hier der Duales System Deutschland AG - ist eine Wende im Bereich der Verpackungsabfalle ereicht worden. Der Verpackungsmüll ist zwischen 1991 und 1996 um mehr als I, 4 Mio to. - fast 10 % - zurückgegangen. Instrumentell ist diese Wende als Vorgang "von der Kooperation zur staatlich flankierten Selbstorganisation"
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nungsennächtigungen fehlen, sind Selbstverpflichtungen allein kein "Königsweg" der Umweltpolitik. Zwar mag die gesetzliche Alternative - wie im Klimaschutz etwa die Emissionsabgabe - in weiter Feme liegen und mit umweltbezogenen Selbstverpflichtungen nach dem Vorbild der Klimaschutzerklärung der deutschen Wirtschaft zur Reduzierung der COz-Emissionen "wenigstens etwas" erreicht werden. Ihre Wirksamkeit ist jedoch beschränkt, weil das staatliche Drohpotential sich in politischen Absichtserklärungen verflüchtigt und wettbewerbsrechtliche Bedenken nicht von der Hand zu weisen sind. 356 Selbstverpflichtungen erfordern - sollen sie innerbetrieblich zum Tragen kommen - das "richtige" Umfeld durch die individuelle Übernahme von Eigenverantwortung und dessen staatlicher Einrahmung. m Daß dies nicht zur nonnativen Überreglementierung fuhren muß, zeigt die betriebliche Selbstverpflichtungen kodifizierende EG-Umweltauditverordnung und ihre Umsetzung durch das Umweltauditgesetz mit der Verknüpfung durch rechtliche Vorgaben fur den Aufbau und die Kontrolle einer umweltschützenden Betriebsorganisation. m Umweltbezogene Selbstverpflichtungen der Wirtschaft stehen damit an der Schnittstelle zwischen der ökonomischen Leitvorstellung eines Umweltschutzes "durch weniger Kosten" und seiner organisatorischen Rahmensteuerung durch den Staat.
111. Organisatorische Instrumente Die indirekte Steuerung des Staates erschöpft sich nicht in den ökonomischen und infonnalen Instrumenten. Hinzutreten - wie bereits mehrfach erwähne 59 - organisatorische Instrumente, mit denen der Staat in jüngerer Zeit verstärkt auf erkannte Defizite direkter Überdeterminierung und indirekter - nur wenig determinierten - Steuerung reagiert. Dabei handelt es sich um einen strukturellen Steuerungs ansatz, der das Zusammenspiel von staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbststeuerung in der Organisation als Steuerungsbezeichnet worden: Spies, StaWissPrax. 5 (1994), S. 267 ff. Zur organisatorischen Steuerung sogleich unter III. 356 Je geringer die öffentlich-rechtliche Vorprägung kollektiv gestalteter Selbstregulierung durch den Gesetzgeber ist, desto nachhaltiger stellt selbstregulatives Verhalten die Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung in Frage. Zum Spannungsverhältnis zwischen kollektiver Selbststeuerung und Kartellrecht sowie den kartellrechtlichen Lösungsmöglichkeiten oben, S. 177 ff. 357 Dahinter steht die Vorstellung, insbesondere im Klimaschutz keinen "großen Wurf' erwarten zu können, sondern über eine "Politik der kleinen Schritte" umweltschützende Beiträge der Betriebe anzuregen, die - mit entsprechenden Vorteilen belohnt - von ihnen selbst ausgehen und summiert die Gesamtsituation im Immissions- und Klimaschutz längerfristig verbessern sollen. Zur Entdeckung des Unternehmens als Subjekt umweltschützender Steuerung Kloepfer, DB 1993, 1125 ff. m Zur betriebsorganisatorischen Steuerung unten, S. 200 ff. 359 Siehe oben, S. 87, S. 98 ff., 118 ff.
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gegenstand erfaßt, zugleich aber auch ein Steuerungshandeln bereitstellt, das rekursiv auf die interne Geschlossenheit privater Organisationen abstellt, um diese "von innen heraus" beeinflussen und bestimmten rechtlichen Anforderungen unterwerfen zu können. 36o Der Begriff umschreibt somit ein doppeltes: Zum einen die Schaffung und Förderung von (privaten) Organisationen für Zwecke des Umweltschutzes sowie zum anderen das organisationsbezogene Einwirken und die institutionelle Rahmenbildung für die umweltschützende Organisation ("Organisation der Organisation"). Organisatorische Instrumente - also Instrumente, deren Ziel der Auf- und Ausbau umweltschutzbezogener Organisationen unter Erhaltung staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten ist - gestalten den intermediären Bereich zwischen Staat und Gesellschaft. Sie gehen einerseits über Ausprägungen der staatlichen Letztverantwortung hinaus, da ihnen ein substantielles Gestaltungspotential und nicht bloß eine - faktisch häufig leerlaufende - Ereignisbeherrschung zukommt. 361 Andererseits braucht jedoch die Statuierung von gemeinwohlsichernden Anforderungen fur private Umweltschutzorganisationen, die den staatlichen Steuerungsimpuls aufnehmen und weitervermitteln, noch nicht als Ausdruck einer versteckten Etatisierung der privaten Akteure (miß-)verstanden werden, wenn und weil deren (grundrechtlich gebotene) Eigenständigkeit und (umweltpolitisch gewollte) Handlungsrationalität gewahrt bleiben. Dort, wo die Zurechenbarkeit zum Staat - wie beim DIN e. V. für die private Normsetzung oder bei der Duales System Deutschland AG für die private Abfallverwertung - endet, kann die staatliche Nutzung privater Organisationen unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Legitimationsverantwortung abgestufte Anforderungen für die handelnden Akteure zu begründen helfen. 362 Ihre Grenzen finden solche
Zur Idee der "Kontextsteuerung" oben, S. 72 (Fn. 278). Wo der Staat private Akteure in den Steuerungszusammenhang einbezieht, wird die aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abgeleitete staatliche Letztverantwortung für das gemeinsam erzielte Steuerungsergebnis bereits als gewahrt angesehen, wenn der Sachbereich von staatlicher Seite ohnehin abschließend einseitig-hoheitlich (z. B. durch behördlichen Genehmigungsbescheid) zu regeln ist oder doch zumindest (z. B. in Ausflillung bestehender Verordnungsermächtigungen) geregelt werden könnte. Jede "Verantwortungsteilung" zugunsten privater Eigenverantwortung - d. h. autonomer Entscheidungen, allenfalls im Sinne selbst auferlegter Bindungen - geht jedoch mit einem faktischen Teilverlust an inhaltlicher Entscheidungsbeherrschung des Staates einher: Trute (FN 36), S. 955. - Organisatorische Instrumente zielen deshalb auf die Mobilisierung von Privatinteressen zur Hervorbringung von Gemeinwohlergebnissen und versuchen auf diese Weise die Defizite staatlicher Ergebnisverantwortung zu kompensieren. Zur "Gestaltungsaufgabe" des Staates im Bereich gesellschaftlicher Selbststeuerung Kloepfer (FN 36), S. 12 f. 362 Entscheidend kommt es unter der staatlichen Legitimationsverantwortung darauf an, die "Selbststeuerungsfähigkeit privater Akteure so überzudeterminieren, daß gemeinwohlverträgliche Ergebnisse ihres Handelns erwartet" werden können: Trute, Funktionen der Organisation und ihre Abbildung im Recht, in: Schmidt-Aßmannl Hoffmann-Riem (Hg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1998, 360 361
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legitimatorischen Vor- und Nachwirkungen allerdings im Bereich der (vollständigen) Aufgabenprivatisierung. 363
I. Organisation kollektiver Eigenvornahme a) Zielvorgaben Eine "schwache" Organisationssteuerung erfolgt zunächt bereits über staatliche Zielvorgaben. 364 Die Erfiillung der Ziele bleibt "freiwilligen" Entscheidungen der Unternehmen überlassen. Der Staat übt aber einen gewissen Druck auf die entsprechenden Wirtschaftsbranchen aus, die gesetzten Ziele zur Verhinderung weitergehender Regelungen zu erreichen. Die kollektive Eigenvornahme ist als solche staatlich gewollt, weil die Ziele nicht individualisiert werden und nur von der Wirtschaft gemeinsam erreicht werden können. Ihren normativen Platz haben Zielvorgaben im Abfallrecht gefunden, wo sie unter Hervorhebung des Kooperationsprinzips auch Zielfestlegungen genannt werden und eine "mögliche Alternative zu Rechtsverordnungen" darstellen (§§ 14 Abs.2 S. 1 AbfG, 25 Abs. 1 KrW-/AbfG).365 Zielfestlegungen überlassen ihren Adressaten die Wahl der Mittel und ermöglichen auf diese Weise eigenverantwortliche - betriebswirtschaftlich verträgliche - Maßnahmen der Wirtschaft. 366 §§ 14 Abs.2 AbfG, 25 Abs. 1
S. 249 tT. (294). Gelingt dies, kann das private Handeln vom Staat legitimationserhaltend und staatsentlastend eingesetzt werden. Wo die Sicherung der Gemeinwohlfähigkeit an der Handlungsrationalität, dem Eigennutz und der Willkür privater Akteure scheitert oder auch nur zu scheitern droht, bedarf es dagegen einer wirksamen Ereignisbeherrschung durch den Staat. Dies kann und braucht angesichts der geradezu notorischen Vollzugsschwäche ordnungsrechtlicher Kontrollen und Sanktionen im Umweltschutz weder allein noch zwingend in den klassischen Formen der imperativen Steuerung geschehen. Vielmehr verlagert sich die staatliche Überwachung umweltschutzbezogener Organisationen zunehmend auf die Schaffung von maßstabsbildenden Vorgaben fur die private Selbstkontrolle. Soweit die Überwachung privaten Kontrolleuren überlassen ist (wie z. B. dem Umweltgutachter fur den betrieblichen Umweltschutz im Rahmen des Umweltaudits), reduziert sich die staatliche Fremdüberwachung auf eine dem Risiko- und Gefahrenpotential adäquate Kontrolle der Kontrolle (z. B. über die Akkreditierung der Umweltgutachter durch den nach § 22 UAG plural besetzten Umweltgutachterausschuß). Damit wird dem Schutz- und Legitimationsauftrag des Grundgesetzes für die staatsentlastende Gemeinwohlerbringung durch privatautonomes Handeln bereichsspezifisch Rechnung getragen, vgl. Schmidt-Preuß (FN 33), S. 221 ff.; zum Wandel der Staatsaufsicht Schuppert, DÖV 1998, 831 ff. 363 Vgl. Trute (FN 36), S. 956. 364 Siehe auch Lange, VerwArch. 82 (1991), S. I (5 ff.). 365 BT-Drs. 12/5672, S. 48. 366 Der Verzicht auf verbindliche Mittelvorgaben soll die Wirtschaftssubjekte anhalten, nach eigenen Wegen zu einer wirksameren Abfallverminderung Ausschau zu halten.
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
KrW-/AbfG und jetzt auch § 32 UGB-KomE regeln Zielfestlegungenjedoch im "Kontext" weitreichender Verordnungs ermächtigungen. Bereits Systematik und Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 AbfG - dem Kernstück der abfallrechtlichen Novelle von 1986 367 - weisen Zielfestlegungen als "Zwischenschritt" oder "Vorstufe" zu Rechtsverordnungen aus. 368 Die Ermöglichung eigenverantwortlicher Zielerreichung kann daher nicht nur weitergehende staatliche Regelungen erübrigen, sondern schafft praktisch auch wichtige Rahmenbedingungen fur den Verordnungserlaß im Falle der Zielverfehlung. Denn die im Wege der Kooperation mit den betroffenen Wirtschaftsbranchen gewonnenen Informationen über das Maß privater Zielerreichung bzw. -verfehlung können fur die Entscheidung über den verordnungsrechtlichen Zugriff ebenso fruchtbar gemacht werden wie eine durch die Praxis nachgewiesene Diskrepanz zwischen staatlicher Zielvorgabe und privater Mittelauswahl. Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung des § 14 Abs. 2 S. 1 AbfG lediglich in zwei Fällen Gebrauch gemacht und Zielfestlegungen zur Abfallvermeidung bekanntgemacht. 369 Wie die beiden Fälle zeigen, beschränkt sich der Staat im Wege von Zielfestlegungen nicht auf reine Mengenvorgaben (etwa zum Verhältnis der Einweg- und Mehrwegverpackungen oder im Hinblick auf Recyclingquoten), sondern setzt auch instrumentelle Ziele (Mehrwegvorgaben) und Systemvorgaben, die bis zum Aufbau von privaten Rücknahmesystemen reichen. 37D Letzteres nahm die Wirtschaft freilich erst in Angriff, nachdem die Dabei soll insbesondere deren "Ideenreichtum" und "Innovationskraft" zur Entfaltung kommen, vgl. BT-Drs. 10/5656, S. 74. 367 V gl. Jekewitz, DÖV 1990, 51 ff. 368 Zielfestlegungen können nicht den informalen Instrumenten zugerechnet werden, da sie formal geordnet sind. Sie sind aber noch keine Rechtsverordnung, zumal deren Verbindlichkeit von den Beteiligten gerade abgewendet werden soll. Verfehlt ist daher auch die zu § 14 Abs.2 AbfG insbesondere vom Bundesrat vertretene Auffassung, Zielfestlegungen seien "allenfalls als rein formale Hürde auf dem Weg zum Verordnungserlaß" zu betrachten, vgl. BR-Drs. 292/86, S. 3. Richtigerweise wird man in der "formalisierten Drohgebärde" staatlicher Zielfestlegungen einen eigenständigen, wenngleich nur programmatischen Charakter zu sehen haben: Kloepfer (FN 14), § 18 Rn. 66. 369 Zielfestlegungen der Bundesregierung zur Vermeidung, Verringerung und Verwertung von Abfällen aus Verpackungen für Getränke v. 26.4.1989 (BAnz. v. 6.5.1989, S.2237); Zielfestlegungen der Bundesregierung zur Vermeidung, Verringerung und Verwertung von Abfällen von Verkaufsverpackungen aus Kunststoff für Nahrungs- und Genußmittel sowie Konsumgüter v. 17.1.1990 (BAnz. v. 30.1.1990, S. 513). Weitere Zielfestlegungen sind bisher über die Entwurfsphase nicht hinausgekommen, vgl. BMU (FN 5), S. 502. Auch unter der Geltung des § 25 Abs. 1 KrW-/AbfG sind derzeit keine neuen Zielfestlegungen konkret geplant. 370 Hieran entzündet sich die Kritik, der Staat würde Ziele und Instrumente verwechseln und über Zielvorgaben instrumentell in den Produktbereich vorstoßen, wo doch gerade die Wirtschaft die geeigneten Instrumente herausarbeiten solle, vgl. bereits die Stellungnahmen von Industrie und Handel zur "BMU-Konzeption zur Umsetzung des § 14 AbfG v. 3.11.1986", in: Bericht der Bundesregierung über den Vollzug des Abfallgesetzes, BT-Drs. 11/756, S. 96 ff. Abfallrechtlichen Zielfestlegungen wird in Teilen
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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Bundesregierung den Druck erhöht und einen entsprechenden Verordnungsentwurfvorgelegt hatte. Auf diese Weise manifestieren sich bereits im Vorfeld von Rechtsverordnungen Verantwortlichkeiten bestimmter Wirtschaftsgruppen nach außen, werden Handlungsbindungen als selbst auferlegte Bindungen respektiert und der Vertrauensschutz weitgehend aufgehoben. Denn in dem Maße, wie der Adressat eigene Anstrengungen zur Zielerreichung unternimmt, erkennt er deren Notwendigkeit oder Bedeutung an, ist also die Einsicht in das eigene Tun vorhanden, die - wird das kollektiv zu realisierende Ziel innerhalb der gesetzten Frist nicht erreicht - einem verordnungsrechtlichen Vorgehen des Staates nicht entgegenstehen kann. 371 Dies setzt freilich voraus, daß sich die Bundesregierung durch den Erlaß von Zielfestlegungen nicht an ein bestimmtes Handeln rechtlich gebunden hat. Dagegen spricht ihre Einordnung unter politische Gestaitungsakte, die eine Rechtsbindung gegenüber dem Adressaten nicht zu begründen vermögen. J72 Ob auch der Normgeber rechtlich ungebunden bleibt, ist dagegen zweifelhaft. Durch die im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vorgenommene Entkoppelung von der Verordnungsermächtigung (§ 24 KrW-/AbfG) und der Verknüpfung mit der freiwilligen Rücknahme {§ 25 KrW-/AbfG) wurde klargestellt, daß die Zielfestlegung keine Voraussetzung zum Erlaß von Rechtsverordnungen über Rücknahmepflichten ist. 373 Ein Primat der Zielfestlegung im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung zum vorrangigen Einsatz gegenüber verordnungsrechtlichen Zwangsmaßnahmen besteht nicht. 374 Hiervon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob das Angebot freiwilliger Zielerreichung nicht jedenfalls zeit-
des Schrifttums ein prinzipieller Vorrang privater Eigeninitiative zugesprochen, der Inhalt und Ausmaß staatlicher Einwirkung begrenze und Sperrwirkungen gegenüber imperativen - unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit (§ 14 Abs. 2 S. 3 AbfG) grundsätzlich nachrangigen - Zwangsmaßnahmen entfalte: siehe etwa Atzpodien, UPR 1990, 7 (10 ff.). 37\ Nicht bloß das Ignorieren und "Nichtstun" zur Erreichung der festgelegten Ziele, sondern auch das eigene, aber kollektiv nicht hinreichende Handeln eröffnet die verordnungsrechtlichen Handlungsspielräume der Bundesregierung, deren Gestaltungs- und Handlungsfreiheit § 14 Abs. 2 S. 3 AbfG und jetzt noch deutlicher § 25 Abs. I KrW-1 AbfG bestenfalls im Sinne einer politischen Selbstbindung zu begrenzen imstande sind, vgl. zur alten Rechtslage Jekewitz (FN 367), S. 54 ff.; zum Rechtsbindungsgehalt nach der neuen Rechtslage sogleich im Text. J72 Vgl. Fluck, in: ders. (Hg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 1998, § 25 Rn. 39 ("schlichter Regierungsbeschluß"); Versteyl, in: Kunig/PaetowN ersteyl, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 1998, § 25 Rn. 8 (m.w.N.); zur faktisch-influenzierenden Außenwirkung von Zielfestlegungen aber auch Kloepfer (FN 14), § 18 Rn. 66. 373 Fluck (FN 372), § 25 Rn. 40 (m.w.N.). 374 So auch Versteyl (FN 372), § 25 Rn. 8. A. A. - allerdings zur alten Rechtslage, wo mit dem Erforderlichkeitsnachweis noch ein "Junktim" zwischen Zielfestlegung und Verordnungserlaß bestand -Atzpodien (FN 370), S. 10 ff.; flir einen generellen Vorrang privater Norrnzweckerflillung ders., DVBI. 1990, 559 (560 f.).
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
weise imperativen Zwang sperrt. 375 Dafur spricht unter dem Rückgriff auf die Systemgerechtigkeit von Nonnen eine begrenzte Selbstbindung des Nonngebers, der ohne Änderungen der Sachlage an die von ihm selbst geschaffene Systematik gebunden sei, um sich nicht dem Vorwurf willkürlichen Verhaltens auszusetzen. 376 Allerdings bleibt fraglich, welche Rechtsfolgen sich anschließen. Wie lange müßte z. B. die Bundesregierung (unter anderen politischen Vorzeichen - möglicherweise über die Legislaturperiode hinaus?) an Zielfestlegungen festhalten, obgleich die freiwillige Zielerreichung innerhalb der gesetzten Frist zu scheitern droht? Soll einer unzumutbaren Verzögerung zwingender Vorschriften hinreichend Einhalt geboten werden, wird man den Verordnungserlaß jedenfalls nicht vom Scheitern vorangegangener Zielfestlegungen abhängig machen können. J77 Davon geht auch § 32 Abs. 2 UGB-KomE aus, der die Befugnis des Verordnungsgebers, vor Ablauf der vorgegebenen Frist Maßnahmen durch Rechtsverordnung zu treffen, ausdrücklich unberührt läßt. Dazu treten Prüfpflichten des Nonngebers, welche Maßnahme zur Erreichung der angestrebten Anforderungen das gleich geeignete, aber mildere Mittel ist. 378 Mithin dürfte der Umstand allein, daß der Nonngeber mit dem Instrument der Zielfestlegungen schon ein bestimmtes Konzept verfolgt, das klassische Instrumentarium ordnungsrechtlicher Provinienz nicht verdrängen können. Ähnliches wird auch fur andere indirekte Instrumente - etwa Lenkungsabgaben - zu gelten haben, die sich unter dem Rückgriff auf einen allgemeinen Systemgedanken ebensowenig verdrängen lassen wie nach Maßgabe des vom Bundesverfassungsgericht fur die Beurteilung der kommunalen Verpackungssteuer und der Landesabfallabgaben herangezogenen Grundsatzes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. 379
Beflirwortend Schmidt-Preuß (FN 33), S. 188. So bereits C Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote als Prinzipien des Abfallrechts, 1991, S. 77; zustimmend flir die neue Rechtslage Fluck (FN 372), § 25 Rn. 56; siehe auch Schmidt-Aßmann (FN 43), S. 32. 371 Gegen eine Rechtsbindung der Bundesregierung Jekewitz (FN 367), S. 57; ebenso flir die neue Rechtslage Versteyl (FN 372), § 25 Rn. 8; etwas abgeschwächter auch Kloepfer (FN 14), § 18 Rn. 66. 378 Dies gilt nicht nur flir den Verordnungserlaß nach gescheiterten Zielfestlegungen, sondern ausweislich der Entwurfsbegründung auch flir den Fall, wo die Bundesregierung sogleich die Verordnung erlassen will, aber zu prüfen verpflichtet ist, ob eine vorausgehende Zielfestlegung nicht das mildere Mittel darstellt, vgl. BMU (FN 5), S. 508. Insoweit kann u. U. auch eine Fristverlängerung und selbst das Festlegen neuer Ziele dem Verordnungserlaß vorzuziehen sein. 379 Dazu oben, S. 126 ff. 375 376
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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b) Duale Entsorgungssysteme
aa) Modell: Verpackungsverordnung Noch vor Ablauf der in den Zielfestlegungen festgesetzten Fristen erließ die Bundesregierung am 12. Juni 1991 auf der Grundlage des § 14 AbfG die Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfallen (Verpackungsverordnung).380 Dabei macht sich der Staat in den Worten von Matthias SchmidtPreuß eine besondere Variante der "Kontextsteuerung" mit erheblichen - über ZielfestIegungen hinausgehenden - Steuerungseffekten zunutze. lKI Die Anordnung von Rücknahme-, Verwertungs- und Pfanderhebungspflichten auf der Primärebene (§ 6 Abs. 1, Abs. 2 sowie § 8 VerpackV) wird mit einer Abwendungsbefugnis auf der Sekundärebene zugunsten derjenigen Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen verknüpft, die sich an einem System beteiligen (§ 6 Abs.3 S. 1 sowie § 9 Abs. 1 VerpackV), das die gewünschte Reduzierung von Verpackungsmüll unter maximaler Wiederverwertung als Sekundärrohstoffe in "selbstregulativer Eigenregie" bewirkt. lR2 Schon im Vorfeld des Verordnungserlasses, aber in- Kenntnis des geplanten Regelungsgehaltes gründeten Verpackungshersteller, abfiillende Industrie und Handel mit der "Duales System Deutschland GmbH" ein solches - 1997 in eine AG umgewandeltes - System. Hierin sieht Di Fabio eine "selbständige Erfiillungsorganisation" und damit eine Form des selbstregulativen Gesetzesvollzugs. 3KJ Erkannte Schwächen des Systems, das in dieser Form einen neuen - auch vom Gemeinschaftsrecht aufgegriffenen 384 - Weg im Umweltrecht markiert, sollen durch die Novellierung der Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 3Kl beseitigt werden. 380 BGBI. I S. 1234. Es sei - so die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der Verpackungsverordnung - zu besorgen, daß "ohne einen bestimmten ordnungsrechtlichen Rahmen nicht alle beteiligten Wirtschaftskreise zum Aufbau und zur Beteiligung an freiwilligen Rücknahmesystemen" bereit sind, vgI. BR-Drs. 817/90, S. 24. Zum Zustandekommen der Verpackungsverordnung Hirschfeld, Staatlich initiierte Monopole und Verfassungsrecht - das Beispiel Verpackungsverordnung, 1997, S. 38 ff.; siehe auch Scholz/Aulehner, Umweltstrategien im Verpackungsrecht, 1998, S. 23. 381 Schmidt-Preuß (FN 33), S. 185 f. 382 Schmidt-Preuß (FN 29\), S. 5. 383 Di Fabio (FN 33), S.249. Zur Entstehung des Dualen Systems siehe ThomeKozmiensky, Die Verpackungsverordnung, 1994, S. 88 ff.; inzwischen kann insgesamt von einem Dualen System der deutschen Abfallentsorgung nach der Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gesprochen werden: Kahl, DVBI. 1995, 1327 ff. (1329). 384 Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpakkungen und Verpackungsabfälle v. 20.12.1994, AB!. Nr. L 365, S. 10. Dazu und dem hierdurch ausgelösten Anpassungsdruck auf die deutsche Verpackungsverordnung Kloepfer, EWS 1995, Beilage 2 zu Heft 7/1997, S. 2 ff. 385 BGB!. I S. 2379. Die Funktionsfähigkeit eines dualen Systems - so die Bundesregierung in der Entwurfsbegründung - sei noch "nicht allein aus dem Zusammenspiel
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
Der Systembeitritt ist freiwillig und unterliegt der Dispositionsfreiheit des Adressaten der ordnungsrechtlichen Primärpflichten. Rechtlich kommt es zu einer Ablösung der belastenden Pflichten, wenn sich der Hersteller bzw. Vertreiber an einem flächendeckenden System beteiligt, wobei dessen ordnungsgemäße Errichtung und Funktionsweise - wie beim Dualen System nach § 6 Abs. 3 S. 8 VerpackVa. F. geschehen 386 - auf Antrag des Systembetreibers behördlich festgestellt wird (§ 6 Abs.3 S. 11 VerpackV n. F.).387 Die Verpakkungswirtschaft wird auf diese Weise einem nicht unerheblichen Druck über das System ausgesetzt, das bestimmte - im Anhang 1 zur Verpackungsverordnung niedergelegte - Verwertungsquoten zu erfüllen hat. Das "Überleben" des Systems - und damit auch die Pflichtenfreistellung fur das sich beteiligende Unternehmen - steht und fällt mit der Erfullung dieser Quoten, die im Gegensatz zu Zielvorgaben verbindlichen Charakter aufweisen und deren Nichteinhaltung zum Widerruf der Feststellungserklärung gemäß § 6 Abs. 4 VerpackV berechtigen. 388 Um die Vorgaben zu erreichen, muß das Duale System einen dauerhaften Recycling-Prozeß in Gang halten. Dies geschieht über Leistungsordnungsrechtlicher Handlungspflichten und der entsprechenden Freistellungsmöglichkeit" gewährleistet. Vielmehr bedürfe es "zusätzlicher rechtlicher Vorkehrungen, um eine Aushöhlung der Rücknahmepflichten und die mißbräuchliche Inanspruchnahme endverbrauchernaher Erfassungssysteme" weitgehend auszuschließen, vgl. BT-Drs. 13/ 7761, S. 24. 386 Dazu Weidemann, DVBI. 1992, 1568 (1574 ff.). 387 Der System betreib er ist Antragsteller des feststellenden Verwaltungsakts, der nach § 6 Abs. 3 S. 12 VerpackV n. F. nunmehr ausdrücklich - auch nachträglich - mit Nebenbestimmungen versehen werden kann, um die Voraussetzungen der behördlichen Feststellung während des Systembetriebs dauerhaft sicherzustellen, abI. zur alten Rechtslage VG Potsdam, NVwZ 1994,925 (926 f.). Hiervon zu unterscheiden - und zu verneinen - ist die Frage, ob der Systembetreiber allein begünstigter Adressat der Feststellung ist, vgl. zur alten Rechtslage Wolnicki, NVwZ 1994,872 ff. (874). Obgleich § 6 Abs.3 S. 11 VerpackV n. F. im Gegensatz zur alten Rechtslage keinen klarstellenden Konnex zwischen Systemfeststellung und Pflichtenfreistellung enthält, dürfte Gegenstand der behördlichen Feststellung nicht vorrangig die öffentlich-rechtliche Einbindung des Systembetreibers, sondern die Erzeugung der rechtsgestaltenden Freistellung der Hersteller und Vertreiber von den Primärpflichten sein. Die öffentlich bekanntzugebende AllgemeinverfUgung verknüpft die Feststellung der Rechtstatsache, daß ein "flächendeckendes System" vorliegt, mit Rechtsfolgen fUr diejenigen, die sich an dem System beteiligen. Dies sind in erster Linie die Systemteilnehmer, nicht der Systembetreiber. )KM Schon die Anordnung der Rücknahmepflichten übt ein fUhlbaren - und vom Verordnungsgeber gewollten - Druck auf die Wirtschaft aus, sich der Mittel und Organisationsformen zu bedienen, welche die Verpackungsverordnung zur Abwendung der individuellen Pflichten durch den Aufbau eines kollektiven Systems bereitstellt. Ist ein solches System aber erst errichtet, verstärkt sich dieser Druck noch. Denn der Adressat individueller Rücknahme- und anderer Primärpflichten hat ein eigenes Interesse daran, das Duale System vor dem Scheitern zu bewahren, da dies zum Wiederaufleben der direkten Verhaltenspflichten fUhrt - genauer: fUhren kann. Hierzu bedarf es eines Widerrufs, der jedoch nunmehr auf Verpackungen bestimmter Materialien zu beschränken ist, soweit nur fUr diese die vorgegebenen Verwertungsquoten nicht erreicht werden (§ 6 Abs. 4 S. 3 VerpackV n. F.).
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verträge an ausgewählte Vertragspartner, welche die Erfassung und Sortierung gebrauchter Verkaufsverpackungen durchfuhren. Die sich anschließene Verwertung obliegt privaten Entsorgungsunternehmen, die unter der Regie des Dualen Systems als Garantiegeber tätig werden. Insgesamt erfordert der Aufbau einer privaten Entsorgungsinfrastruktur erhebliche Investitionen und fUhrt zur Schaffung neuer Kostenstrukturen. Den Finanzierungsbedarf deckt das Duale System über Zeichennutzungsverträge und Lizenzentgelte der Zeichennehmer aus der Verbrauchsgüterindustrie für das Recht zur Verwendung des "Grünen Punktes".389 Das sich beteiligende - und zahlende - Unternehmen wälzt die Mehrkosten in der Regel, aber nicht immer in voller Höhe auf den Endverbraucher ab. Dieser Einwirkungsmechanismus durch motivationelle Vorgaben und ökonomische Sogeffekte rückt die (mittelbaren) Steuerungswirkungen der Verpakkungsverordnung in die Nähe des Organisationszwangs. Allerdings läßt die bloße Einschaltung einer privaten Organisation durch den Staat diese noch nicht in den staatlichen Funktionsbereich treten. Die Verpackungsverordnung trägt zwar mit der Anordnung abwendbarer Rücknahme- und Verwertungspflichten zum Aufbau einer Organisationsstruktur bei, die für einen Teilbereich der Abfall entsorgung der bestimmende Faktor mit der Folge ist, daß die betroffenen Unternehmen nunmehr auf die faktische Koordination mit dem eingerichteten Dualen System angewiesen sind. 390 Dessen Errichtung ist jedoch nicht das Ergebnis einseitig-hoheitlichen Handeins, sondern Resultat der Wirtschaft auf das Angebot der Verpackungsverordnung, selbst über die Wahrnehmung der ihr obliegenden Pflichten zu entscheiden. 391 Das Duale System ist - auch im Hinblick auf seine bisherige Alleinstellung - privatwirtschaftlichen Kosten- und 389 Der Grüne Punkt ist, da nicht behördlich vergeben, kein Umweltzeichen. Als besonderes "Insider-Outsider-Kennzeichen" hat er über die Finanzierungsfunktion hinaus aber vergleichbare Lenkungswirkungen und sichert den Zeichennehmern den Verbleib ihrer Produkte in den Regalen des Handels, vgl. Spies (FN 355), S. 285. Gilt die hinreichende Beteiligung am System auch als gesichert, bleibt die Finanzierung vor dem Hintergrund nicht entrichteter Lizenzentgelte und steigender Entsorgungskosten doch unsicher. Hinzu tritt das nur schwer zu kalkulierende Verhalten der Verbraucher, die ihre neu entdeckte Sammelleidenschaft schnell wieder zugunsten der alten "Wegwerfmentalität" aufgeben könnten. Der Erfolg dualer Systeme hängt damit von Voraussetzungen ab, die das Duale System selbst nicht garantieren kann. Allerdings mag gerade in diesen Unsicherheiten ein Vorteil liegen, auf denen letztlich auch die Steuerungswirkungen der Verpackungsverordnung basieren. Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dualer Systeme ist so betrachtet eine permanente Herausforderung an die beteiligten Wirtschaftskreise und den Staat. 390 Von einem "Teilnahmezwang" spricht Spies (FN 355), S. 285; ähnlich auch Trute (FN 36), S. 954 ("staatlich erzwungene Selbstregulierung"); flir eine Zurechnung des Dualen Systems zum Staat Scho/z-Au/ehner, BB 1993, 2151 (2152 ff.) 391 Es handelt sich somit nicht um einen staatlichen Organisationsakt, der dem institutionellen Gesetzesvorbehalt unterfällt. Zur Problematik des Gesetzesvorbehaltes Di Fabio (FN 30), S. 4.
13 Franzius
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
Nutzenkalküls entsprungen. 392 Seine Funktionsweise beruht auf privatrechtlichen Regeln. Dies gilt auch fur die Erhebung der Lizenzentgelte, denen keine öffentlich-rechtlichen Normen, sondern privatrechtliche Vereinbarungen zugrundeliegen. J93 Hierin liegen die Nachteile, aber auch die Vorteile des Dualen Systems. Weil das Duale System nicht selbst über Hoheitsbefugnisse verfugt und mangels Zuordnung seiner Tätigkeit zum staatlichen Aufgabenbereich der Rückgriff auf die Hoheitsbefugnisse öffentlich-rechtlicher Körperschaften zur Erfiillung der betroffenen Aufgaben ausscheidet, kann es die Mitwirkung der Hersteller und Vertreiber, aber auch der Verbraucher nicht erzwingen. 394 Mithin bleibt seine Finanzierung unsicher. Dem Dualen System liegt jedoch mit gutem Grund kein Beleihungsakt zugrunde, der es dem System zwar ermöglichen würde, hoheitlich gegenüber dem systernnutzenden Unternehmen aufzutreten, jedoch öffentlich-rechtlichen und damit auch grundrecht lichen Bindungen unterwerfen würde. Denn hierdurch entfiele ein Teil des Handlungsspielraums, der dem System gerade deshalb offensteht, weil sein Tätigkeitsbereich nicht zur staatlichen Sphäre gehört. Dies schließt eine Zurechnung der privat vermittelten Steuerungswirkungen zum Staat freilich nicht aus. Subjektiv-rechtlich läßt sich insoweit über den Finalitätsgedanken zwar ein Eingriff in die geschützten Grundrechtspositionen der Hersteller und Vertreiber von Verpackungsmaterial (Art. 12 Abs. I GG) sowie der Endverbraucher (Art. 2 Abs. I GG) infolge der mittelbaren Kostenbelastung konstruieren. Die Mittelbarkeit der Beeinträchtigung steht der Annahme eines Eingriffs nicht entgegen, soweit die Belastungswirkung trotz fortbestehender Entscheidungsfreiheit zum Nachteil grundrechtlieh geschützter Interessen vom Ziel staatlichen Handeins umfaßt ist. 195 Dies wird man im Ergebnis fur die
392 Die Verpackungsverordnung ist nicht auf die Anlegung eines einzigen Systems ausgerichtet. Das Duale System kann damit auch nicht als "Staatsmonopol" bezeichnet werden, vgl. Frenz, GewAreh. 1994, 145 ff, (150); a. A. ScholzlAulehner (FN 390), S. 2254 f Zur kartellrechtlichen Problematik Becker-Schwarze, Steuerungsmöglichkeiten des Kartellrechts bei umweltschützenden Unternehmenskooperationen. Das Beispiel Verpackungsverordnung, 1997. 393 Angesichts fehlender öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten liegt keine Sonderabgabe oder Beitragserhebung vor, vgl. KloepferiWimmer, UPR 1993, 409 (410 ff); a. A. Scholz-Aulehner (FN 390), S. 2255. 394 Vgl. Frenz (FN 392), S. 152 395 Vgl. Trute (FN 36), S.958. Die Problematik ähnelt dem staatlichen Informationshandeln und anderer indirekt wirkender Steuerungsinstrumente, mit denen der Staat nicht nur relativ freiheitsschützend (weil nicht rechtsförmlich zwingend) auf sachliche und rechtliche Grenzen der imperativen Steuerung reagieren kann. Ein lediglich formal verstandener Freiheitsschutz verdeckt die prinzipiell in jeder indirekten Steuerung angelegte Instrumentalisierung von Freiheit, mithin das freiheitsgefahrdende Potential, dessen Einbindung durch die rechtstaatliche Eingriffsdogmatik - hier verstanden als
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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Berufsausübungsfreiheit der Hersteller und Vertreiber mit der strukturellen Vorprägung ihrer Abwendungsbefugnis von den ordnungsrechtlichen Primärpflichten 396 ebenso zu bejahen haben wie fiir die Konsumfreiheit der Endverbraucher mit der von staatlicher Seite zumindest in Kauf genommenen Kostenabwälzung über den Produktpreis. 397 Letzteres zeigt jedoch, wie sehr sich der eingriffsrechtliche Bezugspunkt im Zusammenspiel von staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbststeuerung verflüchtigt. Je weiter das staatliche Ziel und die private Mittelauswahl zur Zielverwirklichung auseinanderfallen, desto schwerer fcillt die Konturierung der staatlichen Verantwortung fur das private Steuerungsergebnis. Immerhin dürften die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit durch den öffentlichen Zweck, der "Verpackungsmüll-Lawine" in Kooperation mit der Wirtschaft hinreichend Einhalt zu gebieten, gerechtfertigt sein. m Zulässig ist auch die Einschränkung der Handlungs- und Konsumfreiheit der Verbraucher, da mit § 6 VerpackV und der hierdurch bezweckten lastengerechten Indienstnahme des Verbraucherverhaltens zur Minimierung und Steuerung von Verpackungen bzw. Verpackungsstoffen ein verfassungsmäßiges Gesetz im materiellen Sinne voriiegt. J99 In einer weniger eingriffszentrierten Betrachtung kommen demgegenüber die Handlungsspielräume, aber auch objektiven Grenzen gesteuerter Selbststeue-
grundrechtliche Zurechnungsmaxime - im sich zunehmend entindividualisierenden Umweltrecht weiterhin aufgegeben ist. 396 Die Primärpflichten sind insofern das Vehikel, um eine "freiwillige" Teilnahme am Dualen System zu erreichen: Di Fabio (FN 30), S. 5; ähnlich auch Kloepfer (FN 14), § 18 Rn. 72. Anknüpfungspunkt für die Eingriffsfeststellung kann nicht allein die Pflichtenbegründung sein, sondern muß in die Kontrolle einbeziehen, was der Verordnungsgeber tatsächlich, wenn auch nur indirekt will: Die Mitgliedschaft in einem leistungsstarken und staatlich kontrollierbaren System. Intentional beabsichtigt - und rechtfertigungsbedürftig - sind deshalb auch die Belastungswirkungen, die in Gestalt der Zahlung von Lizenzgebühren an das Duale System berufsspezifischen Charakter aufweisen, da hierüber nicht allein die Finanzierung kollektiver Entsorgungssysteme sichergestellt, sondern verhaltenslenkend auf den Produktionsprozeß zugunsten der Vermeidung und Minderung von Verpackungsmaterial Einfluß genommen wird. 397 Zusätzlich eine gewisse "Schwere" der Beeinträchtigung fordern Kloepferl Wimmer (FN 393), S. 415 f. Ob man diese verneinen kann, ohne die soeben angesprochenen Steuerungswirkungen in Frage zu stellen, ist jedoch zweifelhaft. Vielmehr wird die Belastungsintensität um so eher anzunehmen sein, je erfolgreicher das System einen Gesamteffekt erzeugt, dem sich der Verbraucher durch den Verzicht auf den Erwerb "teurer" Waren faktisch nicht entziehen kann. Schon heute sind über 80% der Verkaufsverpackungen mit dem "Grünen Punkt" versehen. Daß der Erfolg des Dualen Systems dem Verbraucher auch Kosten ersparen kann, steht demgegenüber auf einem anderen Blatt. Denn der Verbraucher ist - wiederum ein Kennzeichen gesteuerter Selbststeuerung - nicht verpflichtet, gebrauchte Verkaufsverpackungen mit dem "Grünen Punkt" in die - kostenlose - gelbe Tonne oder in den gelben Sack zu werfen, um auf diese Weise die individuelle Abfallgebührenlast für den Hausmüll selbst zu mindern. 39K Vgl. Di Fabio (FN 30), S. 5 f. 399 Vgl. KloepferiWimmer (FN 393), S. 416.
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2. Teil: Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
rung klarer zum Ausdruck. Die staatliche Einrahmung des Dualen Systems ermöglicht und begrenzt seine Tätigkeit unter besonderen Anforderungen, die der PflichtensteIlung von Hoheitsträgern teilweise recht nahe kommen. So verpflichtet die novellierte Verpackungsverordnung - nicht zuletzt auf Drängen der Kartellbehörden - das Duale System nunmehr zur Ausschreibung von Entsorgungsleistungen. 4oo Neben dem Gebot gleichmäßiger Interessenbeliicksichtigung dürfte das Duale System ein Mindesmaß an Neutralität gegenüber der Erprobung und Entfaltung anderer - konkurrierender - Systeme401 zu wahren haben. Hieraus folgt zwar kein Gebot der Mitarbeit, aber ein Verbot der Blockade (etwa durch ökologisch nicht gerechtfertige Herabsetzungen der Lizenzentgelte ). Das Lizenzentgelt schließlich dient der ökologischen Preisbildung und muß deshalb in seiner Höhe von den Unterschieden abhängig sein, die sich zwischen Verwendern ökologisch unterschiedlich zu bilanzierender Verpackungstypen und -materialien ergeben. 402 Aus dem Gebot der sach- und lastengerechten Aufgabenwahrnehmung folgt, daß sich die Senkung von Verwertungskosten durch die Wahl ökologisch verträglicher Verpackungen im Lizenzentgelt hinreichend widerspiegeln muß. Anderenfalls wäre der Staat - z. B. im Wege der kartellrechtIichen Mißbrauchsaufsicht (§ 12 GWB n. F.) - zum Einschreiten gegenüber dem Dualen System nicht nur berechtigt, sondern im Sinne einer Einstandsverantwortung gegenüber den beteiligten Unternehmen und in den Steuerungszusammenhang einbezogenen Verbrauchern u. U. auch verpflichtet. 403
Anhang I Nr. 3 Abs. 3 Nr. 2. So will der hessische Lahn-Dill-Kreis einen anderen Weg gehen und die getrennte Erfassung von Verkaufsverpackungen sowie deren stofflicher Verwertung zugunsten neuer Verfahren weitgehend abschaffen, um die Kosten flir den "Grünen Punkt" zu senken, krit. Col/et, Föderalistische Fragen des Abfallrechts in der betrieblichen Praxis aus der Sicht des Dualen Systems, in: Kloepfer (Hg.), Abfallrecht und Föderalismus, 1999, S. 105 (I \0 f). Das Umweltbundesamt hat kostensenkende und ökologische Vorteile des präferierten sog. Trockenstabilatverfahrens mit anschließender Verbrennung des Verpackungsmülls nicht erkennen können, vgl. FAZ v. 9.9.1998, S. 19. 402 Die DSD ist ein "Non-profit-Unternehmen" und muß die material bezogenen Kosten flir die Entsorgungsteilbereiche offenlegen, vgl. Frenz (FN 392), S. 151 f; K/oepjer/Wimmer (FN 393), S. 414. 403 Zur möglichen Reduzierung des behördlichen Entschließungsermessens K/oepjer/Wimmer (FN 393), S. 415; zu den kartell rechtlichen Bedenken gegenüber der Konstituierung der DSD StreckeriBerndt, Verpackungsverordnung, 1992, S. 92 ff; ausführlich Becker-Schwarze (FN 392), S. 123 ff. Die Erhaltung staatlicher Verantwortung hat sich am Einfluß der Kartellbehörden auf die Ausgestaltung des Dualen Systems bisher am nachhaltigsten gezeigt. Freilich erscheint dies auch nur konsequent: Denn in dem Maße, wie der Staat im Umweltschutz auf Privatautonomie setzt, muß er die Funktionsbedingungen privatautonomen HandeIns schützen. Dazu zählt der Wettbewerb. Insoweit übernimmt das Wettbewerbs- und Kartellrecht eben jene Aufgaben, die einst das Ordnungsrecht flir das "eigenhändige" Handeln des Staates erflillte. Zum Wandel der Ordnungsansätze Trute, Vom Obrigkeitsstaat zur Kooperation - Zur Entwicklung des umweltrechtlichen Instrumentariums zwischen klassischem Ordnungsrecht und moder400
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Daß der Staat - über die Kontrolle des Marktmachtmißbrauchs hinaus nicht aus seiner Verantwortung gedrängt wird, zeigt die Verpackungsverordnung insbesondere auch mit dem Abstimmungserfordernis zwischen dem Dualen System und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (§ 6 Abs.3 S.4 VerpackV) sowie der Ermächtigung zu nachfolgenden Begleitkontrollen durch die Länder (§ 6 Abs. 3 S. 12 VerpackV), die - gleichsam als ultima ratio - die Systemfeststellung rur den Fall privater Schlechterfüllung404 widerrufen können (§ 6 Abs. 4 S. 1 VerpackV). So hat die Novelle das ursprünglich für unreichend gehaltene, eher grobe Kontrollinstrumentarium des Staates erheblich verfeinert und ermöglicht nunmehr ausdrücklich die Beifügung von Nebenbestimmungen zur Systemfeststellung (§ 6 Abs.3 S. 12 VerpackV n. F.). Hierdurch wird es den zuständigen Behörden erleichtert, ihrer Beobachtungspflicht (z. B. durch die Vorlage von Mengenstromnachweisen) nachzukommen. 405 Sind die Vermeidungs- und Verwertungsziele der Verpackungsverordnung nicht durch behördliche Nebenbestimmungen sicherzustellen, kommt der Widerruf der Feststellungserklärung nach § 6 Abs. 4 VerpackV n. F. in Betracht. Regelmäßig wird es dabei weniger um den nachträglichen Wegfall eines "flächendeckenden" Systems,406 sondern um die Sanktionierung der - nicht nur geringfügigen - Nichteinhaltung von Verwertungsanforderungen rur bestimmte Verpackungsmaterianer Verwaltung, 14. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht: Rückzug des Ordnungsrechts im Umweltschutz (ersch. demnächst). 404 I. S. einer Gewährleistungsverantwortung des Staates Schmidt-Preuß (FN 33), S. 172 ff.; zuvor bereits Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts - Reformbedarf und Reformansätze, in: Hoffmann-RiemJSchmidt-Aßmannl Schuppert (Hg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 11 ff. (44). 405 Werden Nebenbestimmungen - wie in der Praxis üblich - gegenüber dem Systembetreiber formuliert, müßte ein Rechtsverhältnis zu diesem bestehen. Bejaht man ein solches vor dem Hintergrund der Antragsberechtigung des Systembetreibers, so wird die Akzessorietät belastender Nebenbestimmungen zur Begünstigung - der PflichtenfreisteIlung zugunsten der Systemteilnehmer (siehe oben, Fn. 387) - in Frage gestellt. Die Lösung dürfte in der normativen Anordnung einer Vertretung der Systemteilnehmer durch den Systembetreiber zu finden sein. So wird der Systembetreiber fur die Systemteilnehmer zur Vorlage von Nachweisen u. ä. mit der Folge verpflichtet, daß diese auch selbst auf die Erfüllung der Nachweis- und Dokumentationspflichten Einfluß nehmen können. 406 Bringt die kommunale Körperschaft in ihrem Gebiet das eingerichtete System zu Fall, kann die zuständige Landesbehörde die Feststellung, daß ein "flächendeckendes" System vorliegt, zwar widerrufen und die Kommune vor einem Zurückfallen der Entsorgungsaufgabe bewahren, vgl. Frenz (FN 392), S. 153. Dabei wird allerdings zugunsten der Systembeteiligten zu beachten sein, daß sog. "weiße Flecken" für den Widerruf der Systemfeststellung mit Wirkung fur das gesamte Einzugsgebiet außer Betracht bleiben können, vgl. Rummler/Schutt, Verpackungsverordnung, 1991, S. 71, 120. Die Länder dürfen auf diese Weise nicht ein Konzept des Bundes konterkarieren, das auf die Systemeinrichtung durch die Wirtschaft zielt, wobei ein "Wettbewerb der Systeme" jedoch nicht ausgeschlossen ist: Wanieck, Föderalistische Probleme des Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzes aus der Sicht der Länder, in: Kloepfer (Hg.), Abfallrecht und Föderalismus, 1999, S. 45 ff.
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lien gehen, auf die in diesem Falle der Widerruf zu beschränken ist. 407 Rechtsfolge des Widerrufs, der als Korrelat der Allgemeinverfugung ebenfalls öffentlich bekanntzumachen ist (§ 6 Abs.4 S.2 VerpackV n. F.), ist die Neubegründung individueller PflichterfUllung. Der Verwaltungsakt erhält damit eine unerläßIiche Bedeutung fur das "Funktionieren" der indirekten Steuerung dualer Systeme. Er bestimmt in Nachzeichnung der staatlichen Letztverantwortung konstitutiv - den "Erfullungsmodus" privater Produktverantwortung. Je weiter die vom Gesetz- und Verordnungsgeber inittierte oder respektierte Selbstorganisation gesellschaftlicher Kräfte reicht und je weitreichender die sich hieran anknüpfenden Rechtsfolgen sind, desto stärker trifft den Staat gerade im Bereich "neuer Wege" in der Umweltpolitik die Pflicht, die gesellschaftliche Organisationsbildung und -effizienz zu beobachten, Erfahrungen zu sammlen und die zugrundeliegenden Regelungsstrukturen bei Bedarf entsprechend anzupassen. 408 Dieser Anpassungspflicht ist der Verordnungsgeber nunmehr auch im Hinblick auf das Problem der sog. "Trittbrettfahrer" nachgekommen. Hersteller und Vertreiber, die nicht dem Dualen System beitreten und damit Lizenzgebühren sparen, sollen sich ihrer Produktverantwortung nicht dadurch entziehen können, daß der Verbraucher die Verpackung - z. B. eine Plastikeinkaufstüte - dem privaten Entsorgungssystem zufUhrt. Um eine Inanspruchnahme der Entsorgungsleistungen des Dualen Systems ohne entsprechende Gegenleistung auszuschließen, werden die sog. Selbstentsorger verpflichtet, im Prinzip dieselben Verwertungsquoten zu erfullen, die dem Dualen System auferlegt sind (§ 6 Abs. 2 VerpackV n. F.).409 Können sie dies nicht entsprechend dokumentieren und nachweisen, müssen sie dem Dualen System beitreten (§ 6 Abs. 1 S. 9 VerpackV n. F.).410 Auch die Sicherung von Mehrwegsystemen hat eine Verschärfung gefunden. So gilt die Befreiung von der Pfandpflicht fUr bestimmte Einwegverpackungen (§ 8 VerpackV n. F.) gegenüber den Systembeteiligten im Sinne des § 6 Abs. 3 (§ 9 Abs. 1 S. 1 VerpackV n. F.) nach einer Beobachtungsfrist als widerrufen, wenn die festgelegte Mehrwegquote von 72%
407 Dabei dürfte es sich um eine abschließende - § 49 VwVfD verdrängende - Regelung handeln. Anders zur alten Rechtslage Frenz (FN 392), S. 153. 408 Zur Nachbesserungspflicht von Gesetzen mit zeitlichem Anpassungsspielraum BVerfGE 85, 80 ff. (91); wie hier für die Anpassungspflicht der Verpackungsverordnung Di Fabio (FN 30), S. 7. 409 Zur Justierung der Rahmenbedingungen für die Realisierung der Systemziele Schmidt-Preuß (FN 291), S. 12; Koch, NVwZ 1998, 1155 ff. 410 Eine Ausnahme besteht für die Vertreiber von Serviceverpackungen, die in Ladengeschäften des Lebensmittelhandels abgegeben werden (z. B. Bäcker und Metzger). Diese - nicht aber die Hersteller - sind von den Dokumentations- und Nachweispflichten (Anhang I Nr. 2 Abs. 1) befreit (§ 6 Abs. 5 S. 1 VerpackV n. F.)
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zu einem bestimmten Zeitpunkt unterschritten wird (§ 9 Abs.2 VerpackV n. F.).411
bb) Andere Entsorgungssysteme Duale Entsorgungssysteme können auch anders organisiert werden. 412 Dies zeigt bereits die Altautoverordnung mit den Rahmenregelungen für die Entsorgung von Altautos durch einen vom Hersteller oder Vertreiber eingerichteten und anerkannten Verwertungsbetrieb (§ 3 Abs. I AltautoV) sowie dessen Überwachung durch private Sachverständige, welche die Einhaltung der Verwertungs anforderungen entsprechend bescheinigen (§ 4 AltautoV). Einer stärkeren Reglementierung bedurfte es nach Auffassung der Bundesregierung nicht, da die Automobilindustrie den Aufbau einer Verwertungsinfrastruktur mit der "Freiwilligen Selbstverpflichtung zur umweltgerechten Altautoverordnung (Pkw) im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes" öffentlichkeitswirksam zugesagt hatte. 413 Einen anderen Weg geht dagegen die "Verordnung über die Rücknahme und Entsorgung gebrauc~ter Batterien und Akkumulatoren" (Batterieverordnung) vom 27. März 1998. 414 Sie verpflichtet die Hersteller von schadstoffhaItigen Batterien, diese kostenlos zurückzunehmen und zu verwerten bzw. zu beseitigen (§ 4 Abs. 1 BatterieV). Anders als die Verpackungsverordnung und auch die Altautoverordnung zwingt die Batterieverordnung die Hersteller zur Sicherstellung der Rücknahme durch die Einrichtung eines gemeinsamen Rücknahmesystems (§ 4 Abs. 2 BatterieV). Auch im Batteriesektor hatten Hersteller, Importeure und Einzelhandel gegenüber dem Bundesumweltminister zwar erklärt, durch eigene Anstrengungen eine schadlose Verwertung bzw. gemeinwohlverträgliche Beseitigung gebrauchter Batterien sicherzustellen. Diese Selbstverpflichtungen strebten nach dem Muster des Dualen Systems der Verpackungswirtschaft zum Zweck der Batterieentsorgung die Gründung einer GmbH an, die von allen Pool-Mitgliedern anteilig finanziert werden sollte. An der Selbstverpflichtung beteiligte Handelsunternehmen versprachen, nur solche Batterien im Sortiment zu führen, für die Batteriehersteller und -vertreiber
411 Dies ist insbesondere bei Getränkeeinwegverpackungen (z. B. Bierdosen) derzeit nicht der Fall. Hier dürfte das Wiederaufleben der Pfandregelungen zu erwarten sein, vgl. Der Spiegel Nr. 48 v. 23.11.1998, S. 20. 412 Zum "Angebot einer organisatorischen Sonderform" in § 17 KrW-/AbfG, der Herstellern und Besitzern von Abfällen die Bildung von Verbänden ermöglicht, auf die sie unter näher bestimmten Voraussetzungen ihre Entsorgungspflichten - mit befreiender Wirkung - übertragen können: Schmidt-Preuß (FN 33), S. 221. 413 Siehe oben, S. 170, 184. Zur Verknüpfung von Rechtsverordnung und Selbstverpflichtung A. Kopp, NJW 1997, 3292 ff.; Schrader, NVwZ 1997, 943 ff.; Giesbertsl L. Hilf, NVwZ 1998, 1158 f. 414 BGBI. I S. 658.
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Beiträge zur Entsorgungsfinanzierung geleistet haben. Nicht zuletzt angesichts der hiergegen erhobenen kartellrechtlichen Bedenken wurde die Selbstverpflichtung jedoch noch vor dem Verordnungserlaß wieder fallengelassen. 4J5 Immerhin wird es dem Hersteller durch die Batterieverordnung nunmehr ermöglicht, dem verordnungsrechtlichen Zwang zur Kartellbildung zu entgehen, wenn er ein herstellereigenes Rücknahmesystem fur die von ihm in Verkehr gebrachten schadstofthaltigen Batterien einrichtet und dabei dieselbe Rücklaufquote erzielt wie das gemeinsame Rücknahmesystem (§ 4 Abs. 3 BatterieV). Andere Produktsektoren - wie der Bereich des sog. Elektronikschrotts sollen eine ähnliche Regulierung erfahren. Bisher konnte man sich jedoch noch nicht auf einen entsprechenden Verordnungsinhalt einigen. 416 Dies gilt auch fur den Bereich der Getränkeverpackungen, wo die Menge der ökologisch fur nachteilig befundenen Einwegverpackungen durch handelbare Lizenzentgelte ökonomischen Vermeidungsanreizen ausgesetzt werden sollte. 417 Die Vorschläge zur Aufnahme des Lizensierungsgedankens im Bereich der Kreislaufwirtschaft scheiterten jedoch bisher am Widerstand der betroffenen Wirtschaftskreise. Ob sich durch den vollzogenen Regierungswechsel hieran etwas ändert, ist derzeit noch offen. Immerhin sieht der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN zur Abfallvermeidung und Stärkung der Produktverantwortung die Einfuhrung ökonomischer Anreizinstrumente vor. 4IK
2. Organisation individueller Eigenverantwortung a) Von der Eigenüberwachung zum Umweltbeauftragten Zu den indirekten Instrumenten des Umweltrechts können ebenfalls die Instrumente gerechnet werden, mit denen der Staat umweltschützend auf die Betriebsorganisation und deren Kontrolle einwirkt. 419 Handelt es sich dabei auch vielfach um Pflichten, die ein bestimmtes Verhalten zwingend ge- oder verbieten, so zielen diese Pflichten doch über ihren eigentlichen Pflichtengehalt hinaus auf eigenverantwortliche Verbesserungen des Umweltschutzes im
m Vgl. Di Fabio (FN 30), S. 129. 416 Vgl. Schmidt-Preuß (FN 291), S. 12. 417 Zu Einzelheiten Di Fabio, Vereinbarkeit einer Lizenzregelung für ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen mit Verfassungs- und Europarecht, Rechtsgutachten (BMU), 1996, S. 9 ff.; abI. ScholzlAulehner (FN 380), S. 127 ff.; allgemein zur Instrumentendiskussion im Bereich der Getränkeverpackungen ifo-lnstitut für Wirtschafsforschung, Förderung ökologisch sinnvoller Getränkeverpackungen, 1996. m Koalitionsvertrag vom 20.10.1998 (http://www.spd.de/aktuell/programmatisches/ vertrag.htm), S. 22. 419 Vgl. BMU (FN 5), S.730; KloepferiRehbinderlSchmidt-AßmanniKunig (FN 4), S. 339; siehe auch Kloepfer (FN 357), S. 1127.
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Betrieb. 420 Das direkte Instrumentarium rechtsverbindlicher Pflichten wird hier zum Anlaß genommen, die Normadressaten internen Lern- und Selbstkontrollprozessen auszusetzen, die sie aus eigenem Antrieb im Wege der Selbsterkenntnis zur erwünschten Ausrichtung der betrieblichen Interessen am Umweltschutz veranlassen sollen.421 Anknüpfend an die gewerberechtlichen und zivilrechtlichen Traditionslinien der technischen Eigenüberwachung422 hat das Umweltrecht eine Fülle an Eigenüberwachungspflichten hervorgebracht. 423 Wichtiges Anschauungsmaterial liefert das Landesrecht, wo sich bis heute - vor allem im Wasser- und Abfallrecht - detaillierte Eigenüberwachungspflichten zur Erleichterung des behördlichen Vollzugs finden. 424 Unter Eigenüberwachung werden hier die Überwachungsmaßnahmen des Normadressaten verstanden, die er durch eigenes Personal oder durch selbständige Sachverständige vornehmen kann oder muß. 425 Einen qualifizierten Fall der Eigenüberwachung stellt die Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten fur Umweltschutz dar. Eigenüberwachungspflichten können die behördliche Fremdüberwachung unterstützen und entlasten. 426 Dies umso mehr, als der Überwachungspflichtige vielfach nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, auf seine Kosten einen "Dritten" mit der Durchführung von Überwachungsmaßnahmen zu beauftragen (z. B. §§ 26 ff. BImSchG). Um korrekte Überwachungsergebnisse zu gewährleisten, wird die freie Wahl bei der Auftragserteilung auf eine Auswahl zwischen verschiedenen, aber vom Staat bestimmten Prüfstellen oder Sachverständigen beschränkt. 427 Im Bereich des Immissionsschutzes sind es vor allem die
Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 320. 421 Zur reflexiven Steuerung durch Eigenüberwachungspflichten, betriebliche Umweltbeauftragte und das Umweltaudit Schmidt-Preuß (FN 33), S. 192 ff. 422 Zur gewerberechtlichen Eigenüberwachung Steiner (FN 65), S. 1135 ff.; ferner Ronellenfitsch, Selbstverantwortung und Deregulierung im Ordnungs- und Umweltrecht, 1995, S. 20 ff. Auf die zivilrechtlichen, vor allem im Deliktsrecht angelegten Wurzeln der Eigenüberwachung hinweisend Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 140. 423 Z. B.§§ 7 Abs. I Nr. 3, 26 ff. BImSchG, §§ 19i, 19k WHG. 424 Z. B.§§ 60 Abs. I S. 1,61 Abs. I S. I LWG NW, dazu Sanden, Art. Eigenüberwachung, in: Kimminich/v. LersnerlStorm (Hg.), HdUR Bd. I, 2. Aufl., 1994, Sp. 447 ff. (448); aus dem Landesabfallrecht z. B. §§ 16 Abs. 2 S. I AbfG BW, 20 Abs. I S. I BerlAbfG, 6 Abs. I HessAbfG, 25 AbfG NW, 27 Abs. 2 AbfG LSA. Zur landesrechtlichen Eigenüberwachung Lübbe-WoljJ1Steenken, ZUR 1993,263 ff. (265). 425 Vgl. BMU(FN 5), S. 712. 426 Vgl. BMU (FN 5), S. 716. Problematisch und umstritten ist jedoch die Verwertbarkeit von Ergebnissen der Eigenüberwachung für die behördliche Fremdüberwachung: Kloepfer (FN 14), § 13 Rn. 188. 427 Weil der Auftrag zur Überwachung von Privaten erteilt, handelt es sich um einen Fall der Eigenüberwachung. Von staatlicher Überwachung ist dagegen auszugehen, wenn der Dritte mit der Überwachung durch den Staat beauftragt wird. Dort, wo der Überwachungspflichtige nicht frei unter den betriebsfremden Prüfern auswählen kann, 420
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Technischen Überwachungsvereine, die seit dem Beginn der gewerberechtlichen Schutzgesetzgebung für die Selbstüberwachung durch Private eingesetzt werden 42K und manchen bereits als Vorbild für einen "Umwelt-TÜV" erscheinen, dem die Überprüfung der im Betrieb einzuhaltenen sicherheitstechnischen und sonstigen umweItrechtIichen Anforderungen übertragen werden könnte. 429 Sind in Anlehnung an gewerberechtliche Vorläufer (§ 25 Abs. 2 GewO a. F.) eigene Ermittlungen durch den Anlagenbetreiber zunächst häufig ausgeschlossen worden (so etwa § 26 BImSchG), ermöglichen neuere Regelungen demgegenüber vielfach auch die behördliche Anordnung der Eigenüberwachung durch unternehmensinterne, besonders qualifizierte Personen (so etwa §§ 26, 28 S.2 BlmSchG für den Immissionsschutzbeauftragen). Hinsichtlich der Anordnung sicherheitstechnischer Prüfungen erweitert § 29a Abs. I S. 2 BImSchG den Kreis einsetzbarer Sachverständiger und läßt neben der externen Überprüfung auch die behördliche Gestattung betriebs interner Überprüfungen durch den StörfaIIbeauftragten (§ 58a BImSchG) und andere betriebseigene Überwachungskräfte zu (§§ 14 Abs. I S. I, II GSG i.V.m. §§ 16 Abs.2 VbF, 15 Abs. I S. 2 EIexV), soweit diese für die konkrete Prüftätigkeit die erforderliche Fachkunde, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung besitzen. 43o Ähnliche Internalisierungsbemühungen finden sich im Gewässerschutzrecht. Für den Betreiber von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (§ 19h Abs. I und Abs. 2 WHG) knüpfen § 19i Abs. I und Abs. 2 S. 2 WHG die gesetzliche Verpflichtung bzw. behördliche Anordnung zur vertraglichen Beauftragung von Fachbetrieben (§ 191 WHG) mit der Durchführung von Überwachungsmaßnahmen an die Voraussetzung, daß eine hinreichende Überder Staat vielmehr über die Beleihung oder besondere Bekanntgabe und Zulassung diese auswählt, einsetzt und beaufsichtigt, verlieren die Kategorien privater Eigenüberwachung und staatlicher Fremdüberwachung ihre Trennschärfe. Vorgeschlagen wird daher, diese Fälle unter die neue Kategorie der "privaten Fremdüberwachung" zu subsumieren: Reinhardt (FN 65), S. 625. 428 Zu den gesellschaftlichen Wurzeln der Technischen Überwachungsvereine, die im Zuge der gewerberechtlichen Schutzgesetzgebung auf Anregung und Eigeninitaitive der Normadressaten entstanden sind: Wiesenack, Wesen und Geschichte der Technischen Überwachungsvereine, 1971. Insbesondere die Dampfkessel-Überwachungsvereine sind ein frühes Beispiel für die Übernahme industrieller Eigenverantwortung, dem gleichzeitigen Rückzug des Staates aus dem Bereich der sicherheitstechnischen Bestimmungen und der bereits im 19. Jahrhundert gefundenen Kooperation zwischen Staat und technischer Selbstverwaltung: Kloepfer (FN 222), S. 52 f. 429 Vgl. HerkommeriKressellWollenschläger, UPR 1988, 252 ff.; abI. mit dem zutreffenden Argument der im Bereich der überwachungsbedürftigen Anlagen nach dem Gerätesicherheitsgesetz zu beobachtenden, aber nicht gerechtfertigten Monopolisierung privater Überwachungstätigkeiten bei den Technischen Überwachungsvereinen LübbeWoljflSteenken (FN 424), S. 268. 430 Zum Ganzen Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, 1998, S. 226 ff.; zur Entstehungsgeschichte des § 29a BImSchG Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. 1, § 29a Rn. 2.
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wachung durch den Anlagenbetreiber nicht selbst, d. h. durch eigene organisatorische Einheiten als anerkannter Fachbetrieb (nach § 191 Abs. 2 WHG) oder durch sonstiges sachkundiges Personal im Betrieb sichergestellt ist. Noch deutlicher verfolgen die Mitteilungspflichten der Betriebsorganisation (§§ 52a BImSchG, 53 KrW-/AbfG) das Ziel, den Umweltschutz und die entsprechende Kontrolle als "eigenes Firmenziel" in die Unternehmenspolitik zu integrieren.431 Auf der einen Seite dient die Offenlegung innerbetrieblicher Vorgänge zwar auch der Verbesserung und Verfeinerung behördlicher Zugriffsmöglichkeiten. Über die herzustellende Transparenz betrieblicher Umweltverantwortung wird der Staat in die Lage versetzt, die behördlichen Überwachungsmaßnahmen besser auf betriebliche Maßnahmen und den Auf- und Ausbau umweltadäquater Unternehmensstrukturen abzustimmen. Hiermit verbindet sich auf der anderen Seite zugleich die Hoffnung auf eine Beschränkung und Reduzierung staatlicher Kontrolle. 4JZ Intendiert ist weniger ein Ausbau der externen Betriebsüberwachung, sondern die Stärkung interner Eigenverantwortung durch die Einflihrung betrieblicher Selbstkontrollen. 4lJ Auf autonomiewahrende Selbstkontrolle und betriebliche Innovationsförderung sowie innerbetriebliche Information setzen schließlich auch die Institutionalisierungen des Betriebsbeauftragten für Umweltschutz (§§ 53 ff. BlmSchG, 21a ff. WHG, 54 f. KrW-/AbfG und §§ 2 ff. AtSMV, 16 ff. GenTSV, 1 GbV). Als betriebliches Instrument entstanden 434 hat der Gesetzgeber auf ihre Einbindung in die staatliche Verwaltungsorganisation verzichtet. Der Umweltschutzbeauftragte steht in keinem Beleihungs- oder Auftragsverhältnis zum Staat und hat - mit Ausnahme des Strahlenschutzbeauftragen (§§ 29 ff. StrlSchV, 13 f. RöV) - keine öffentlich-rechtliche Ptlichtenstellung. Weder ist er gegenüber der zuständigen Behörde auskunftsverptlichtet noch mit betrieblichen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. 4J5 Dem Unternehmen wird im Wege des Organi-
431 Vgl. für den Umweltbeauftragten Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 322. 432 Vgl. Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 333. Der autonomiewahrende Verzicht auf Dirigismus bildet jedoch keine Grundlage für eine autonomiestärkende Deregulierung, da die Offenlegungsptlichten auf die Grundptlichten und ihre Erfüllung durch die umweltschützende Betriebsorganisation bezogen sind. 433 Grundsätzlich bleibt es dem Anlagenbetreiber freigestellt, auf welche Weise organisatorisch und personell sichergestellt ist, daß die umweltrechtlichen Anforderungen beim Betrieb der Anlage beachtet werden. Organisationsptlichten ergeben sich nicht aus der Offenlegungspflichten, sondern aus den materiellen Grundpflichten, z. B. nach §§ 5, 7 BImSehG. Der Offenlegungszwang dient hier als Anreiz, sich über die betriebliche Organisation zur Einhaltung der Pflichten Gewißheit zu verschaffen. 434 Vgl. Steiner (FN 65), S. 1134. 435 Zum Rechtsstatus des Beauftragten als Funktionsträger des Unternehmens E. Rehbinder, ZGR 1989,305 (318 ff.); siehe allgemein zur den Verantwortlichkeiten des Umweltschutzbeauftragten Fischer, Der Betriebsbeauftragte im Umweltschutzrecht, 1996, S. 192 ff. Zu Reformvorstellungen S. 206 ff.
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sationszwangs lediglich aufgegeben, einen Betriebsbeauftragten436 zu bestellen, der - zumeist auf der mittleren Managementebene angesiedelt437 - über die notwendige Sachkunde und Zuverlässigkeit zur Erfüllung der gesetzlich unterschiedlich ausgestalteten Aufgaben verfugt (z. B. §§ 55 Abs. 2 S. 1, 58c Abs. 1 BImSchG i.V.m. §§ 7 ff. der 5. BImSchV). Abgesehen von einem Benachteiligungsverbot und dem besonderen Kündigungsschutz, die den unabhängigen Status des Umweltschutzbeauftragten absichern sollen (z. B. §§ 58, 58d BImSchG), setzt der Staat im übrigen auf das reflexive Potential angeregter Selbststeuerung. 4J8 Diese basiert weitgehend auf dem betrieblichen Vertrauen, das der Umweltschutzbeauftragte als nicht weisungsbefugter Berater im Betrieb genießt. Erwartet wird deshalb eine wirkungsvolle tatsächliche Einflußnahme auf betriebliche Entscheidungen. Hinter diesen Bestrebungen tritt mehr und mehr die Instrumentalisierung des umweltpolitischen Leitprinzips "kontrollierter Eigenverantwortlichkeit .. hervor. 439 Schon das 1980 in Kraft getretene Chemikaliengesetz verpflichtet den Hersteller oder Einführer zur Selbsteinstufung eines gefährlichen Stoffes nach den Gefährlichkeitsmerkmalen des § 3a ChemG und den hieran anknüpfenden Prüfungs-, Verpackungs- und Kennzeichnungspflichten (§ 13 Abs. 1 S.2 ChemG). Zugunsten eines nachvollziehenden Unterlagenprüfverfahrens 440 wurde auf die Einführung eines vor allem praktisch aufwendigen Zulassungsverfahrens für gefährliche Stoffe verzichtet.441 Im Bereich der europäischen Produkthannonisierung442 wird ebenfalls auf den Hersteller gesetzt, der im Wege der eigenverantwortlichen Selbstbescheinigung die Richtlinienkonfonnität seines Produkts bekundet und sich im übrigen dem Risikopotential entsprechend der Eigenüberwachung durch ein betriebliches Qualitätssicherungsystem oder durch privatrechtlich agierende Prüfstellen zu unterziehen hat. 443 Aber auch außerhalb des Stoff- und Produktrechts werden eigenverantwortliche Selbstkontrollen gefördert und mit punktuellen Freistellungen von präventiven Genehmigungs-
436 Zur Bestellung eines Mehrfachbeauftragten, eines gemeinsamen Betriebsbeauftragten oder eines Betriebsbeauftragten fur Konzerne: Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 337. 437 Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 326. 438 Vgl. E. Rehbinder, Jb. für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 13 (1988), S. 109 ( 117ff.).
439 Vgl. Kloepfer (FN 14), § 4 Rn. 55. 440 Dazu Di Fabio (FN 33), S. 242 f. 441 Zur Entstehungsgeschichte des gemeinschaftsrechtlich geprägten Chemikaliengesetzes Kloepfer, Chemikaliengesetz, 1982, S. 26 ff. 442 Beschluß des Rates vom 13 .12.1990 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren (90/683/EWG), ABI. Nr. L 380, S. 13. 443 Der fortschreitende gemeinschaftsrechtliche Normgebungsprozeß fuhrt in weiten Teilen des Umweltproduktrechts inzwischen zu einer Verdrängung der mitgliedstaatlichen Ex-ante-Kontrolle, vgl. Schmidt-Preuß (FN 33), S. 210 f.
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erfordernissen verknüpft. So benötigen Entsorgungsfachbetriebe, die von einer anerkannten privaten Entsorgergemeinschaft zertifiziert sind oder einen Überwachungsvertrag mit einer technischen Überwachungsorganisation abgeschlossen haben, keine Transport- und Vermittlungsgenehmigung (§ 51 KrW-/AbfG). Damit erhält die Eigenüberwachung ein zunehmend die präventive Eröffnungskontrolle herabsenkendes oder sogar substituierendes Gewicht. In dem Maße, wie die Sachverhaltsermittlung, Informationsgewinnung und Überwachungsverantwortung auf Private verlagert werden, rückt der Staat mit seinem öffentlichrechtlichen Befugnisinstrumentarium in eine Reserveposition. Die verbleibende Aufsicht beschränkt sich idealtypisch auf institutionelle Vorkehrungen für die Kontrolle derjenigen, die mit der Kontrolle der Selbstüberwachung betraut sind. Dabei kommt es zu einer Neugestaltung der administrativen Aufsicht unter Austausch des Adressaten: Für die neben das repressive Eingriffsinstrumentarium tretende private Selbstkontrolle und die Prüftätigkeit privater Kontrolleure werden vom Staat fachlich-qualitative Maßstäbe normativ vorgegeben und erstens im Wege der öffentlichen Zulassungs- oder Akkreditierungskontrolle dauerhaft abgesichert. 444 In solchen mehrstufigen Kontrollsystemen obliegt zweitens die Zertifizierung - also die Dokumentation der Einhaltung vorgeschriebener Anforderungen nach außen - unabhängigen, zumeist privaten oder zumindest privatrechtlich tätig werdenden Stellen. 445 Diese erteilen vielfach 444 Diese Kontrollen gehen - wie die Akkreditierung von Prüfstellen nach § 9 GSG zeigt - über die herkömmlichen Bekanntmachungen von privaten Prüfstellen oder Sachverständigen im technischen Sicherheits- und Immissionsschutzrecht (§§ 26 ff. BlmSchG) hinaus. Sie sind gemeinschaftsrechtlich inspiriert - z. B. durch die Maschinen-Richtlinie und andere nach dem europäischen "Neuen Harmonisierungskonzept" erlassene Richtlinien, vgl. Marburger/R. Enders, Technische Normen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: BreuerlKloepfer/Marburger/Schröder (Hg.), UTR 27 (1994), S. 333 ff. - und risikoadäquate Ausprägungen des sich vor allem in der konkreten Ausgestaltung der Kontrolleinrichtungen niederschlagenden grundrechtlichen Schutzpflichtgedankens. Zur Verzahnung der gemeinschaftsrechtlichen Selbststeuerungsvorgaben mit der mitgliedstaatlichen Steuerung und Kontrolle Di Fabio (FN 65), S. 31 ff., 45 ff., 57 ff. - Dabei kann der Staat bestehende Kontrolleinrichtungen nutzen (z. B. im bautechnischen Bereich die Berufskammern für die Anerkennung von Sachverständigen) oder im Sinne einer gesteigerten Gewährleistungsverantwortung gehalten sein, neue Kontrollorgane einzurichten und mit Hoheitsbefugnissen auszustatten, wie dies etwa fur die Zulassung von Umweltgutachtern durch die "Deutsche Akkreditierungsund Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mbH" (DAU) mit der Verordnung über die Beleihung der ZulassungsteIle nach dem Umweltauditgesetz (UAGBV) vom 18. 12.1995 (BGBI. I S. 2013) geschehen ist, vgl. zur Kontrolle der Kontrolle SchmidtPreuß (FN 33), S. 196 f., 201. 445 Vorreiter ist die europäische Produktnormung mit den sog. Zertifizierungsmodulen, deren Verwendung von Prüflaboratorien bzw. Zertifizierungsstellen überprüft wird: Dazu der Beschluß des Rates v. 22.7.1993 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module fur die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CEKonformitätskennzeichnung, ABI. Nr. L 220 S. 23; dazu Tünnes-Harmes, DVBI. 1994, 1334 ff.; Ränck, Technische Normen als Gestaltungsmittel des Europäischen Gemein-
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ihrerseits Prüfaufträge 446 oder haben Prüfergebnisse von Dritten ihrer Entscheidung zugrundezulegen. 447 Im übrigen überläßt es der Staat drittens privatrechtlicher, insbesondere haftungs- und versicherungsrechtlicher Regulierung, motivations- und innovationsfördernd auf die innerbetriebliche Organisation und deren Kontrolle unter Umweltaspekten hinreichend Einfluß zu nehmen. 448 Die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch sehen im Ausbau der Eigenüberwachung ein zentrales rechts- und umweltpolitisches Anliegen. Unter grundsätzlicher Beibehaltung der ordnungsrechtlichen Befolgungskontrolle und des fur die Umweltvorsorge maßgeblichen Opportunitätsprinzips setzen die Vorschläge zur Verbesserung des Vollzugs umweltschützender Vorsorgepflichten nicht auf die im Schrifttum teilweise geforderte Einführung des insbesondere aus dem Steuerrecht bekannten Legalitätsprinzips, sondern weiterhin auf die flexible Handhabung des Überwachungs instrumentariums durch die zuständigen Behörden unter verstärkter Berücksichtigung der Eigenüberwachung und des betrieblichen Umweltschutzes. 449 Neben der Verallgemeinerung und vorsichtigen Erweiterung der bestehenden Eigenüberwachungspflichten nach dem Vorbild der §§ 26 ff. BimSchG (§§ 70 UGB-ProfE, 143 ff. UGB-KomE) sieht insbesondere der Kommissionsentwurf fur die Hersteller, Vertreiber und gewerblichen Verwender eines Produkts die normative Festlegung der in Ansätzen bereits von der
schaftsrechts, 1995, S. 52 ff. Die mitgliedstaatlich eingerichteten Zertifizierungstellen haben bestimmte Anforderungen zu erfüllen, die in den jeweiligen Produktrichtlinien festgelegt bzw. aus DIN-Normen (45000 ff.) zu erschließen sind: Loch, DIN-Mitt. 75 (1996), S. 345 ff. 446 So etwa im Fall der Überwachungsgemeinschaften (siehe etwa § 6 Abs. 2 der Richtlinie fur die Tätigkeit und Anerkennung von Entsorgergemeinschaften vom 9.9.1996, BAnz. Nr. 178 S. 10909), die im Falle der erfolgreich durchgeführten Fremdüberwachung durch einen neutralen, sachverständigen Dritten dem Mitglied das Recht zur Verwendung eines Überwachungszeichens verleihen. Überwachungsgemeinschaften finden im Bereich des Abfallrechts (§ 52 KrW-/AbfG), des Wasserrechts (§ 191 Abs. 2 WHG) und des Produktrechts (siehe etwa § 11 Abs. I S. I des Bauproduktengesetzes vom 10.8.1992, BGB\. I S. 1495) zunehmende Verbreitung: dazu Buhck, Uberwachungsgemeinschaften im Umweltrecht, 1997, S. 60 ff. 447 So beispielsweise für die Überwachung von Entsorgungsfachbetrieben nach § 13 Abs. 4 der Entsorgungsfachbetriebeverordnung v. 10.9.1996 (BGB\. I S. 1421), wonach die technische Überwachungsorganisation zur Überprüfung der verordnungsrechtlichen Anforderungen Ergebnisse von Prüfungen berücksichtigen muß, die durch einen unabhängigen Umweltgutachter im Rahmen des Umweltaudits nach der EG-Umweltauditverordnung oder durch eine akkreditierte Prüfstelle im Rahmen der Zertifizierung eines Qualitätssicherungssystems vorgenommen wurden. 448 Auch im haftungs- und versicherungsrechtlichen Bereich kommt es mit der Liberalisierung der Versicherungsaufsicht zu Verschiebungen der staatlichen Kontrolle, vg\. Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 21.7.1994, BGB\. I S. 1630. Tarifanderungen in der Umwelthaftptlicht unterliegen jetzt nicht mehr dem präventiven Genehmigungsvorbehalt. 449 Zum Streit über die Neuorientierung des Umweltrechts und der Überwachung BMU (FN 5), S. 717 f., 720 (m.w.N.).
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Rechtsprechung im Zivilrecht entwickelten450 allgemeinen Produktbeobachtungsptlicht vor (§ 123 Abs. 1 UGB-KomE). Deren Nichteinhaltung soll nicht unmittelbar sanktionierbar sein, aber mittelbare Auswirkungen im Haftungsrecht haben können. 451 Der betriebliche Umweltschutz findet darüber hinaus eine Stärkung in der Schaffung einer umweltrechtlichen Publizitätsptlicht (§§ 14 UGB-ProfE, 170 UGB-KomE) und der Erweiterung des Adressatenkreises der Mitteilungsptlichten zur Betriebsorganisation (§ 153 UGB-KomE), die um die Verpflichtung für Kapitalgesellschaften zur Bestellung eines Umweltschutzdirektors auf der Leitungsebene des Unternehmens (§§ 94 UGB-ProfE, 154 UGB-KomE) ergänzt werden. 452 Leitgedanke der Vorschläge ist die verbesserte Klarlegung und Stärkung, nicht aber die Neubegründung betrieblicher Umweltverantwortung auf der Geschäftsführungsebene. 453 Vorrangige Aufgabe des Umweltschutzdirektors soll nach § 154 Abs. 2 S. 1 UGB-KomE die Leitung der umweltbezogenen Betriebsorganisation sein. Entsprechend müssen seine internen Zuständigkeiten und Befugnisse nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Vertretungsorgans ausgestaltet sein. Ferner sehen die Entwürfe bereichsübergreifende Regelungen zum Umweltbeauftragten vor (§§ 95 ff. UGB-ProfE, 155 ff. UGB-KomE). Während jedoch noch der Professorenentwurf den Umweltbeauftragten in Anlehnung an die Stellung des Strahlenschutzbeauftragten (§ 29 Abs. 2 und Abs. 3 StrlSchV) mit eigenen Entscheidungsbefugnissen ausstattet und gesetzlich zu Auskünften gegenüber der zuständigen Behörde verptlichtet (§ 96 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 UGB-ProfE), hält der Kommissionsentwurf an der bestehenden Konzeption des Umweltbeauftragten nach dem Vorbild des Immissionschutzbeauftragten (§ 53 BlmSchG) mit lediglich beratender
450 Zur Bedeutung des Privatrechts für die Fortentwicklung umweltverwaltungsrechtlicher Normen Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 185. 451 Vgl. BMU (FN 5), S. 687. Zum Zusammenhang zwischen öffentlich-rechtlichen Pflichten und privatrechtlicher Durchsetzung Kloepfer (FN 14), § 6 Rn. 23. 452 Zu den zugrundeliegenden Reformvorstellungen E. Rehbinder, Ein Umweltschutzdirektor in der Geschäftsführung der Großunternehmen?, FS für Steindorff, 1990, S. 215 ff. 453 § 154 Abs. 3 S. 2 UGB-KomE läßt die Gesamtverantwortung und das Letztentscheidungsrecht beim Gesamtorgan bzw. der Geschäftsführung bestehen. Damit geht die Verpflichtung zur Bestellung eines Umweltschutzdirektors einereits über die bestehenden Mitteilungspflichten zur Benennung eines Vertretungsberechtigten hinaus, da nunmehr mit dem Umweltschutzdirektor auf der Ebene der Unternehmensleitung eine bestimmte Person für den betrieblichen Umweltschutz zuständig ist. Andererseits wird dem Umweltschutzdirektor keine Alleinentscheidung und kein Weisungsrecht zugewiesen. Da insoweit das Letztentscheidungsrecht des Gesamtorgans mit der verbleibenden Restverantwortlichkeit der übrigen Mitglieder der Unternehmensleitung gewahrt bleibt, erscheint der Eingriff in die innerbetriebliche Kompetenz- und Verantwortungszuordnung in der Tat nicht unverhältnismäßig: BMU (FN 5), S. 738.
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und kontrollierender Funktion fest (§ 155 Abs. 1 UGB-KomE).454 Soweit zur Abwehr von Störfällen eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf den Umweltbeauftragten zweckmäßig erscheint, soll dies nicht behördlich vorgegeben, sondern dem Verpflichteten im Rahmen der Organisationsfreiheit überlassen bleiben (§ 155 Abs. 4 UGB-KomE).
b) Umweltaudit Mit der EG-Umweltauditverordnung (EG-UA VO) vom 29. Juni 1993 455 hat die Instrumentendiskussion im deutschen Umweltrecht vor dem Hintergrund der zunehmenden Konzentration auf den betrieblichen Umweltschutz eine neue Dimension erhalten. 456 Das im Titel der Verordnung als "Gemeinschaftssystem" bezeichnete Organisations- und Kontrollinstrument des Umweltaudits verbindet das Ziel der eigenverantwortlichen Durchleuchtung betrieblicher Schwachstellen und Verbesserungspotentiale rur den Vollzug und die Optimierung des Umweltschutzes 457 mit einer Reihe theoretischer SteuerungsvorsteUungen, die auf Freiwilligkeit basieren, jedoch über faktisch-ökonomischen Druck und den implementierten Prozeß der Selbsterkenntnis umweltschützende Anstrengungen
454 Die Begründung verweist auf die anzustrebende Kompatibilität mit den Anforderungen der EG-Umweltauditverordnung für den internen Umweltbetriebsprüfer, dessen Aufgaben vom Umweltbeauftragten übernommen werden sollen: BMU(FN 5), S. 743. 455 Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29.6.1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABI. Nr. L 168, S. 1. Zu den Novellierungsbestrebungen aufgrund des in der Verordnung selbst enthaltenen (Art. 20 EGUA VO) Revisionsauftrags Storrn, NVwZ 1998, 341 ff.; zum Reformbedarf Franzius, NuR 1999,601 ff. 456 Das Schrifttum hat den neuen Steuerungsansatz geradezu begierig aufgenommen, vgl. etwa Scherer, NVwZ 1993, 11 ff.; Führ, NVwZ 1993, 858 ff.; Seltner! Schnutenhaus, NVwZ 1993, 928 ff.; Lübbe-WoljJ, DVBI. 1994, 361 ff; Wiebe, NJW 1994, 289 ff.; Köck, JZ 1995, 643 ff.; Waskow, Betriebliches Umweltmanagement, 1994; Kothe, Das neue Umweltauditrecht, 1997; EwerlLecheltlTheuer (Hg.), Handbuch Umweltaudit, 1998; Feldhaus, Öko-Audit, in: Rengeling (Hg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), Bd. I, 1998, § 36. 457 Zur Doppelfunktion des Umweltaudits, neben dem innerbetrieblichen Gesetzesvollzug und dem Abbau von standortbezogenen Vollzugsdefiziten - vgl. Köck (FN 456), S. 647 - den gesetzesunabhängigen Umweltschutz in unternehmerischer Eigeninitative und -verantwortung zu stärken: Feldhaus, Umwelt-Audit und Betriebsorganisation im Umweltrecht, in: Kormann (Hg.), Umwelthaftung und Umweltmanagement, 1994, S. 9 ff. (19). Die neue Zielrichtung macht der 4. Erwägungsgrund der Verordnung deutlich, wonach die Industrie Eigenverantwortung für die Bewältigung der Umweltfolgen ihrer Tätigkeiten trage und daher in diesem Bereich zu einem aktiven Konzept kommen solle.
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im Betrieb anregen sollen. 458 Flankiert und institutionell abgesichert durch das Umweltauditgesetz (UAG) vom 7. Dezember 1995 459 ist das Umweltaudit damit ebenso Ausdruck der fortschreitenden und weitgehend auf verhaltenssteuernden Zwang verzichtenden Europäisierung des Umweltrechts 460 wie der Schwierigkeit, es im traditionell durch ordnungsrechtliche Vorstellungen und Zwang geprägten deutschen Umweltrecht einzufiigen461 und zur effizienten Anwendung zu bringen. Entstehungsgeschichtlich stammen Idee und Konzept des Umweltaudits aus den USA. 462 Dort werden seit den frühen 70er Jahren unter dem Begriff "environmental audit" die betrieblichen Organisationsbemühungen zur Zusammenstellung und Bewertung der umweltbezogenen Informationen im Betrieb verstanden. Solche Untersuchungen haben in erster Linie eine interne Bedeutung, um dem Unternehmen vermeidbare Schwachstellen bei der Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften aufzuzeigen, Haftungsrisiken zu verringern und das "Umweltimage" des Unternehmens gegenüber der Öffentlichkeit zu verbessern. Neben "compliance audits" zur Überprüfung der Einhaltung der umweltrelevanten Anforderungen im Betrieb finden sich "management audits" mit dem Ziel, lediglich die Effizienz des jeweils praktizierten Umweltmanagementsystems zu untersuchen. Letzteres hebt auch die Regel des British Standard (BS) 7750 hervor, nach der Unternehmen selbständig und eigenverantwortlich über die Durchfiihrung sowie über die Mittel und Wege des "controlling" zu entscheiden haben. 463 Nach britischem Verständnis dient das Umweltaudit nicht der Einhaltung des einschlägigen Umweltrechts. Es wird auch nicht in die staatliche Regelungs- und Kontrollverantwortung einbezogen.
458 Zur Anreizfunktion des gemeinschaftsrechtlichen Umweltaudits Schmidt-Preuß, Umweltschutz ohne Zwang - das Beispiel Öko-Audit, FS flir Kriele, 1997, S. 1157 (1166 ff.); siehe auch oben, S. 104 f. 459 Gesetz zur Ausflihrung der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftsystem flir das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, BGBI. I S. 1591. Ergänzt werden die Regelungen durch die am 18.12.1995 erlassene UAGZulassungsverfahrensverordnung (BGBI. I S. 1841), die UAG-Beleihungsverordnung (BGBI. I S. 2013) und die UAG-Gebührenverordnung (BGBI. 1 S. 2014), ferner durch die UAG-Fachkunderichtlinie vom 27.6.1996 (BAnz. Nr. 211 S. 11985) und zuletzt die UAG-Erweiterungsverordnung vom 3.2.1998, BGBI. I S. 338. Zum Umweltauditgesetz Lütkes, NVwZ 1996,230 ff.; krit. Lübbe-WoljJ, NuR 1996,217 ff. Zu den stärker privatrechtlich organisierten Zulassungssystemen in anderen Mitgliedstaaten Falk, NVwZ
1997, 144 ff. 460 Vgl. Breuer (FN 7), S. 836 ff. 461 Vgl. Schottelius, BB 1997, Beilage 2 zu Heft 8, S. 4 ff. 462 Vgl. Bartsch, ZUR 1995,14 ff.; zur Situation im US-amerikanischen Recht Vierhaus. RIW 1996, 393 ff.
463 Zu den unterschiedlichen Wurzeln des angesächsisch inspirierten Umweltaudits
Lechelt, in: Ewer/Lecheltffheuer, Handbuch Umweltaudit, 1998, Teil A, Rn. 64 ff. 14 Franzius
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Im gemeinschaftsrechtlichen Normgebungsprozeß wurden die bestehenden Konzeptionen aufgegriffen, aber insbesondere auf Drängen der Bundesrepublik Deutschland in der schließlich verabschiedeten EG-Umweltauditverordnung erheblich modifiziert. 464 In zentralen Fragen der Betriebsprüfung durch das Unternehmen und den externen Umweltgutachter tragen die Regelungen der Verordnung deutlichen Kompromißcharakter und bleiben fragmentarisch. 465 Entstanden ist ein "hybrides" Geflecht mit kooperativen, sich wechselseitig ergänzenden Verantwortlichkeiten der Unternehmen, der Mitgliedstaaten mit ihren zuständigen Stellen insbesondere zur Beaufsichtigung der externen Umweltgutachter und der Europäischen Gemeinschaft mit ihren übergeordneten Regelungs-, Kontroll- und Entwicklungskompetenzen. 466 aa) Wirkungsweise Die EG-Umweltauditverordnung überläßt es der freiwilligen Entscheidung des Unternehmens, sich am Umweltaudit zu beteiligen. Hierfiir hat das Unternehmen jedoch besondere Organisations- und Prüfvorgaben zu beachten, die sich im einzelnen in ein dreiphasiges Ablaufschema aufteilen lassen. 467 Die erste Phase hat unternehmens internen Charakter und beinhaltet zunächst die Festlegung einer betrieblichen Umweitpolitik46H sowie die Umweltprüfung als erste umfassende Untersuchung der umweltbezogenen Fragestellungen, Auswirkungen und des betrieblichen Umweltschutzes im Zusammenhang mit der Tätigkeit an einem Standort (Art. 2 lit. b EG-UA VO). Hieran schließt sich die Schaffung eines Umweltprogramms und Umweltmanagementsystems an (Art. 3 lit. c EGUAVO. Das geforderte Umweltmanagementsystem ist der zentrale Baustein im
464 Vor allem in der konkreten Ausgestaltung der materiellen Anforderungen an die Durchflihrung des betrieblichen Umweltaudits hat sich der deutsche Einfluß bemerkbar gemacht, vgl. Feldhaus (FN 457), S. 19. Aus dem internen Instrument der betrieblichen Risikoanalyse ist damit ein Instrument der extern orientierten Verhaltenssteuerung geworden: Wagner/lanzen, BFuP 1994,573 ff. 465 Dies betrifft insbesondere die fehlende Korrespondenz zwischen den innerbetrieblichen Anforderungen an den internen Teil der Auditierung (Art. 3 Iit. a EGUA VO) und den Vorgaben flir die Reichweite der Prüfpflicht und -dichte des Umweltgutachters bei der externen Verifizierung und der Validierung der Umwelterklärung (Art. 4 Abs. 6 EG-UA VO), dazu unten S. 212 ff. 466 So Breuer (FN 7), S. 841 f. 467 In Nachzeichnung des Art. 3 S. 2 EG-UA VO Breuer (FN 7), S. 840 f. 46H Rechtstechnisch handelt es sich um eine Selbstverpflichtung, auf welche die anschließenden Verfahrensschritte bezogen sind. Nur das, was entsprechend den inhaltlichen Vorgaben nach Art. 3 lit. a EG-UA VO in die betriebliche Umweltpolitik aufzunehmen ist, kann auch Gegenstand der externen Überprüfung durch den Umweltgutachter sein.
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Wirkungsablauf des gemeinschaftsrechtlichen Systems469 und wird als Teil des gesamten übergreifenden Managementsystems verstanden, der die Organisationsstruktur, Zuständigkeiten, Verhaltensweisen, förmliche Verfahren, Abläufe und Mittel fi1r die Festlegung und Durchfilhrung der Umweltpolitik einschließt (Art. 2 lit. e EG-UA VO). Es muß den Anforderungen des Anhangs I Teil B der EG-Umweltauditverordnung entsprechen. Sodann folgt im Rahmen der Managementkontrolle von umweltbezogenen Verhaltensweisen die interne Umweltbetriebsprüfung gemäß den Anforderungen des Anhangs I Teil C und des Anhangs 11 der EG-Umweltauditverordnung (Art. 4 EG-UA VO). Aufgrund der Ergebnisse der Umweltbetriebsprüfung hat das Unternehmen auf der höchsten darur geeigneten Managementebene Ziele festzulegen, die auf eine kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes gerichtet sind (Art. 3 lit. e EGUA VO). Abschließend ist eine Umwelterklärung zu erstellen, die in knapper und verständlicher Form die Öffentlichkeit über die betrieblichen Umweltschutzanstrengungen unterrichten soll (Art. 5 EG-UAVO). Die zweite Phase besteht in der unternehmensexternen Prüfung und Validierung des unternehmensinternen Audits durch einen zugelassenen unabhängigen Umweltgutachter (Art. 4 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 lit. m EG-UA VO), der im Auftrag des Unternehmens tätig wird (Art. 3 lit. g EG-UAVO). Das Prüfprogramm erstreckt sich nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 3 EG-UA VO auf die Übereinstimmung der untemehmensintemen Maßnahmen mit den Bestimmungen der EGUmweltauditverordnung (Art. 4 Abs. 5 EG-UA VO) einschließlich der Frage, ob die Angaben in der Umwelterklärung zuverlässig sind und ob die Erklärung alle wichtigen Umweltfragen, die rur den Standort von Bedeutung sind, in angemessener Weise berücksichtigt (Art. 4 Abs. 5 lit. d EG-UA VO). Sind diese gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen errullt, erklärt der Umweltgutachter die Umwelterklärung auf der Grundlage des Anhangs III der EG-Umweltauditverordnung rur gültig (Art. 4 Abs. 3 und Abs. 6 EG-UA VO). Die dritte Phase zielt auf unternehmensexterne Publizität des durchgeruhrten Audits. Sie um faßt die Eintragung des Standorts durch die nach Art. 18 EG-UAVO i.V.m. §§ 32 ff. UAG als zuständige Registrierungsstellen benannten Industrie- und Handelskammern in ein Verzeichnis (Art. 8 EG-UAVO), dessen Veröffentlichung durch die EG-Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Art. 9 EG-UA VO) und die Befugnis des Unternehmens, rur den eingetragenen Standort oder die eingetragenen Standorte eine der im Anhang IV der EGUmweltauditverordnung aufgeruhrten Teilnahmeerklärungen zu verwenden (Art. 10 EG-UA VO).470
469 Dazu Theuer, in: EwerlLecheltffheuer (Hg.), Handbuch Umweltaudit, 1998, Teil B, Rn. 77 ff.; siehe auch Schmidt-Salzer, WiB 1996, 1 ff. 470 Zur umweltschützenden Betriebsprüfung und dem betriebswirtschaftlichen Managementansatz tritt ein informationeller marketingorientierter Aspekt hinzu, insoweit von einer Trias ausgehend Schmid, RdE 1997, 9 ff. (10).
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Die EG-Umweltauditverordnung beschränkt sich nicht auf einen Rahmen rur die interne Selbstorganisation, sondern setzt anspruchsvolle Maßstäbe, deren Beachtung im privaten Auditierungs- und Verifizierungsprozeß und anschliessenden Registierungsverfahren zwingend vorgegeben sind. Hierzu zählt ausweislich der Vorgaben rur die festzulegende Umweltpolitik auch die Selbstverpflichtung zur Einhaltung aller einschlägigen Umweltvorschriften (Art. 3 lit. a EG-UA Va), mit der das freiwillige Audit an die durch das Umweltrecht geschützten Dritt- und Gemeinwohlbelange rückgebunden wird. 471 Ungeklärt und umstritten ist aber bis heute, ob sich die vorgesehene Umweltrechtskonformität auf die Validierungsvoraussetzungen mit der Folge erstreckt, daß der Umweltgutachter auch die tatsächliche Einhaltung der umweltrechtlichen Vorschriften überprüfen muß.472 Art. 4 Abs. 6 EG-UA va knüpft die Validierung der abgegebenen Umwelterklärung an die Errullung,der Voraussetzungen der Absätze 3 (mit Anhang III), 4 und 5 (mit Anhängen I und II). Aus ihnen läßt sich weder eine reine "Systemprüfung" noch eine materielle Voll- und "Leistungsprüfung" ableiten. Letzteres folgt auch nicht zwingend aus Art. 8 Abs. 4 EG-UA va, der gerade den zuständigen Umweltbehörden die Entscheidung beläßt, ob sie wegen eines erkannten Umweltrechtsverstoßes die an ihr Votum gebundene RegistersteIle unterrichten und dadurch die Eintragung verhindern. 47J Andererseits kann bzw. darf der Umweltgutachter eine Umwelterklärung nicht rur gültig erklären, wenn ein Umweltrechtsverstoß bekannt und die zu testierende Eintragungsfähigkeit nicht gegeben ist. 474 Die Prüfpflicht bezieht sich zwar lediglich auf die Systemanforderungen und die Fähigkeit des Umweltmanagementsystems einschließlich der Betriebsprüfungen, Verstöße gegen das einzuhaltende Umweltrecht feststellen und vermeiden zu können. Hierdurch kommt es aber zur impliziten Beachtung der Umweltrechtsnormen, deren Ermittlung dem Umweltgutachter schon deshalb aufgegeben ist, um die Angaben der Umweltbe-
Vgl. J.-p. Schneider, DV 28 (1995), S. 361 ff. (376). Der Wortlaut ist nicht eindeutig. Für den systemprüfenden Charakter der Verifizierung, wonach sich die Überprüfung durch den Umweltgutachter lediglich auf die im Rahmen des Umweltmanagements anzustrebende Umweltrechtskonformität zu erstrekken habe, siehe etwa Förschle/Hermann/Mandler, OB 1994, 1093 ff. (1099); Müggenborg, OB 1996, 125 ff. (127). Dagegen eine materielle Vollprüfung verlangend: LübbeWolff(FN 456), S. 369; Waskow (FN 456), S. 62. Nach der letztgenannten Auffassung bleibt fraglich, nach welchen Maßstäben der Umweltgutachter einer umfassenden Prüfungspflicht nachkommen soll. Ob zudem in der Praxis die Umweltrechtskonformität durch den Umweltgutachter besser oder schneller als durch die Umweltbehörden festgestellt werden kann, erscheint angesichts der Kenntnisse, die eine Behörde vielfach bereits über das Genehmigungsverfahren und die langjährigen Kontakte zum Unternehmen erlangt, zumindest zweifelhaft. Zum Streit über die Prüfungspflicht des Umweltgutachters siehe auch Kothe (FN 456), S. 92 ff. 473 Von einem institutionalisierten Zusammenspiel staatlicher und privaten Stellen ausgehend: Schneider(FN 471), S. 378. 474 Vgl. Köck (FN 456), S. 648; a. A. Schneider (FN 471), S. 378. 471
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triebsprüfung und der Umwelterklärung auf ihre "Stimmigkeit" mit der betrieblichen Selbstverpflichtung zur Einhaltung des Umweltrechts hinreichend abgleichen zu können. Ein Umweltrnanagementsystem, das sich in der Mißachtung des geltenden Umweltrechts niederschlägt, erfullt nicht die Voraussetzungen der EG-Umweltauditverordnung und kann deshalb auch nicht mit der Validierung der Umwelterklärung durch den Umweltgutachter honoriert werden. 47ö Hiervon zu unterscheiden ist die Prüftiefe im Hinblick auf die vom Umweltgutachter zu überprüfende Umwelterklärung und die ihr zugrundeliegenden internen Untersuchungen des Unternehmens. Kann und soll der Umweltgutachter nach der EG-Umweltauditverordnung auch keine "Schatteninstanz" zur Ersetzung und Entlastung der Umweltbehörden sein, so wäre ein unbesehenes Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen des Unternehmens doch ebenfalls nicht von der EG-Umweltauditverordnung gedeckt. 476 Analog § 24 VwVfG wird man den Umweltgutachter fur verpflichtet halten müssen, allen erkennbaren Anhaltspunkten fur einen Verstoß gegen die EG-Umweltauditverordnung nachzugehen und im Falle einer sich etwa im Wege von Stichproben477 andeutenden fehlenden Umweltrechtskonformität in u. U. detaillierte Einzelprüfungen einzutreten. 478 Die Intensität der Prüfungen kann dabei nicht weiter reichen als bei der behördlichen Überwachung, wo Umständen, die sich nach Lage der Dinge nicht aufdrängen, auch nicht nachgegangen werden muß. 479 Bezogen auf das einschlägige Umweltrecht wird es flir ausreichend angesehen werden können, daß sich der Umweltgutachter die Überzeugung von der Erfullung der umweltrechtlichen Anforderungen durch das Unternehmen verschafft. Ein funktionsfähiges Managementsystem, dessen Kontrolle durch ein internes und externes Prüfverfahren nach der EG-Umweltauditverordnung keine Anhaltspunkte flir einen Umweltrechtsverstoß geliefert hat, indiziert nach dem prozeduralen Grundzug der Verordnung die Einhaltung der Vorschriften des materiellen Umweltrechts. 480 Eine entsprechende Wirkung wird man auch der Teilnahmeerklärung zuerkennen können, die über den Nachweis der externen Validierung und
475 In dieser Richtung KloepferlBröcker (FN 64), S. 13 ff.; differenzierend auch Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1174. 476 So Breuer (FN 7), S. 844. 477 Vgl. Feldhaus (FN 457), S. 17; Kothe (FN 456), S. 99. Für eine detaillierte Sachprüfung aller umweltrelevanten Faktoren dagegen Falk/Frey, UPR 1996, 58 tf. (60); Schottelius (FN 461), S. 21. 478 Im Sinne eines gestuften Umfangs der Prüftiefe Ewer, in: ders./LecheltiTheuer, Handbuch Umweltaudit, 1998, Teil E, Rn. 16; ähnlich auch Hansmann, Umwelt-Audit: Verhältnis der Eigenüberwachung zur behördlichen Kontrolle, in: Rengeling (Hg.), Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, 1996, S. 207 ff. (211). 479 V gl. Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl., 1993, § 24 Rn. 16. 4HO Vgl. auch Ewer (FN 478), Teil E, Rn. 16.
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Registrierung eine Vermutung für die Erfüllung der materiellen Umweltrechtsanforderungen zum Ausdruck bringt. Die Funktionsfähigkeit des Umweltauditsystems hängt damit maßgeblich von der Qualität der Umweltgutachter ab, deren Zulassung und Beaufsichtigung nach der EG-Umweltauditverordnung den Mitgliedstaaten überlassen ist (Art. 6 EG-UAVO). Hierzu hat das Umweltauditgesetz die private Prüftätigkeit unter maximaler Ausnutzung und Stärkung gesellschaftlicher Eigenverantwortung in die Gewährleistungs- und Reserveverantwortung des Staates gestellt. Dies geschieht durch ein nur wenig übersichtliches, auf komplizierte Weise verschachteltes Organisationssystem, das im Ergebnis jedoch ein hinreichendes Kontrollniveau der privaten Selbstkontrolle erkennen läßt.481 So ist die Zulassung unabhängiger, zuverlässiger und fachkundiger Umweltgutachter bzw. Umweltgutachterorganisationen (Art. 2 lit. m EG-UA VO i.V.m. §§ 9 f. UAG) nach den §§ 4 ff. UAG der "Deutschen Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mbH" (DAU) übertragen worden, die als juristische Person des Privatrechts den Status eines Beliehenen hat (§ 28 UAG i.V.m. § 1 UAG-Beleihungsverordnung).482 Organisationsrechtlich ist die DAU der mittelbaren Bundesverwaltung zuzurechnen. 4R3 Sie spricht die Zulassung oder Ablehnung durch Verwaltungs akt aus und ist mit einer Reihe von Aufsichtsbefugnissen gegenüber dem Umweltgutachter ausgestattet (§§ 15 ff. UAG). Ihrerseits eingebunden ist die Tätigkeit der DAU in die Richtlinien und Kontrollen des beim Bundesumweltminister nach § 21 UAG gebildeten Umweltgutachterausschusses (UGA). Organisationsrechtlich handelt es sich dabei um eine teilrechtsfahige Körperschaft des öffentlichen Rechts. 484 Gekennzeichnet ist der UGA durch seine vom Staat ernannten, aber weisungsungebundenen Mitglieder und die relative Autonomie der Aufgabenwahrnehmung insbesondere im Hinblick auf die verwaltungs interne Lenkungsfunktion gegenüber der Zulassungsstelle (§ 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 UAG). Die pluralistische Struktur des
481 Vgl. Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1170 ff. 482 Damit folgte der Gesetzgeber weder dem sog. Behördenmodell mit der Zustän-
digkeit des Umweltbundesamtes noch dem von der Wirtschaft favorisierten Selbstverwaltungsmodell mit der Zuständigkeit der Industrie- und Handelskammern; vgl. zu den Organisationsmodellen Rhein, Das Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, 1996, S. 132 ff.; zum Ganzen auch Staber, Die Zulassung von Umweltgutachtern nach der Öko-Audit-VO. Umsetzungskonzepte zwischen Zentralismus, Föderalismus und Selbstverwaltung der Wirtschaft, in: J. Ipsen (Hg.), Verfassungsrecht im Wandel: Wiedervereinigung Deutschlands, Deutschland in der Europäischen Union, Verfassungsstaat und Föderalismus, Festgabe zum 180jährigen des earl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 639 ff. 483 Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1170 (m.w.N.). 484 So die Begründung zum Gesetzesentwurf, BT -Drs. 1311192, S. 22, 31; ebenso Mayen, in: Ewer/LecheltiTheuer (Hg.), Handbuch Umweltaudit, 1998, Teil G, Rn. 7 ff. (m.w.N.). Generell Maurer (FN 216), § 21 Rn. 10.
B. Systematisierung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
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Gremiums 485 soll es erlauben, die staatliche Aufsicht zu entlasten und auf eine Rechtsaufsicht über die beiden Institutionen zu beschränken (§§ 27 Abs. I, 29 UAG).486 Damit wird das aufsichtsrechtliche Kontrollinstrumentrium der beleihenden Stelle gegenüber der beliehenden DAU weit zurückgeschraubt. 481 Allerdings sind die Vertreter des Bundes und der Länder im UGA bei Beschlüssen über Richtlinien zur Zulassung und Beaufsichtigung von Umweltgutachtern (§ 21 Abs. 1 S.2 Nr. I UAG), die eine 2/3 Mehrheit erfordern (§ 23 Abs.3 Nr. 1 UAG), mit einer faktischen - einheitliches Abstimmungsverhalten voraussetzenden 488 - Sperrminorität vertreten. Zudem bedürfen diese Beschlüsse der Genehmigung durch den Bundesumweltminister (§ 27 Abs. 3 S. I i.V.m. § 21 Abs. 1 S.2 Nr. 1-3 und §§ 4 ff. UAG). Ob mit der Rückbindung an die staatliche Letztkontrolle, ergänzt durch ministerielle Zwangsbefugnisse nach § 27 Abs. 3 UAG, alle verfassungsrechtlichen Zweifel an der Zu lässigkeit der Aufgabenverlagerung auf ein weisungsfreies Gremium ohne generelles Veto der staatlichen Vertreter ausgeräumt sind, erscheint jedoch fraglich. 4K9 Immerhin lassen die Regelungen des Umweltauditgesetzes in den offenen Fragen hinreichend Spielräume fur eine verfassungskonforme Auslegung. 49o Bei der Standortregistrierung kommt es schließlich zu einer Verzahnung privater und staatlicher Kontrolle. Die mit den registerfuhrenden Aufgaben betrauten Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern (§ 32 Abs. I UAG) nehmen keine eigenständige materielle Prüfung im Hinblick auf den Standort vor, sondern legen der Entscheidung über die Eintragung in das Standortregister die Prüfergebnisse des Umweitgutachters zugrunde. 491 Zuvor muß die
485 Dem Umweltgutachterausschuß gehören nach § 22 Abs. 1 S. 1 UAG mehrheitlich Vertreter gesellschaftlicher Gruppen an, nämlich aus der Wirtschaft (sechs), den Umweltgutachtern (vier), den Gewerkschaften (drei) und den Umweltverbänden (drei). Dem stehen aus den Umwelt- und Wirtschaftsverwaltungen des Bundes und der Länder insgesamt neun Mitglieder gegenüber. So ist der UGA für das Umweltaudit als strategisch entscheidendes Gremium und als "Scharnier zwischen Verwaltung und privater Selbstorganisation" bezeichnet worden: Schneider (FN 471), S. 371. 486 Zur Aufsicht über den UGA Vetter, DVBI. 1996, 1223 ff. (1225). Zur Einschränkung der Fachaufsicht über die DAU Mayen (FN 484), Teil G, Rn. 12; anders aber Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1170 f 487 Zur Zulässigkeit der Beschränkung der Aufsicht über den Beliehenen auf die Rechtsaufsicht Wo/fflBachojlStober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., 1987, § 104 Rn. 7. 488 Vgl. Lütkes (FN 459), S. 234. 489 Vgl. Lübbe-Wolf/ (FN 459), S. 220 f; für die Unbedenklichkeit der Regelung Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1176. 490 Vgl. Mayen, NVwZ 1997,215 ff 491 Vgl. Waskow (FN 456), S. 149. Nach Art. 8 Abs. I EG-UAVO kommt es darauf an, daß die Erfüllung der Bedingungen der Verordnung glaubhaft gemacht sind. Zu den Möglichkeiten der Registrierungsstelle, bei Zweifeln über die Verordnungskonformität des Standorts nähere Aufklärung zu verlangen: Hüwels, in: Ewer/LecheltiTheuer (Hg.), Handbuch Umweltaudit, 1998, Teil H, Rn. 17 ff
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Regierungsstelle jedoch den zuständigen Umweltbehörden Gelegenheit geben, sich innerhalb von vier Wochen zu der beabsichtigten Eintragung zu äußern (§ 33 Abs. 2 S. I UAG). Hält die Umweltbehörde einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften am Standort für gegeben, kann sie durch entsprechende Unterrichtung der RegistersteIle die Eintragung in das Register verhindern (Art. 8 Abs. 4 EG-UA VO). Die RegistersteIle ist bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Unternehmen an die Stellungnahme der Behörde gebunden und muß die Eintragung aussetzen (§ 33 Abs. 2 S. 2 UAG) oder nach bereits erfolgter Eintragung vorläufig aufheben (§ 34 S. I Nr. 2 UAG).492 Der Streit über die Umweltrechtskonformität des Standorts soll demnach von den Fachbehörden administrativ bewältigt werden, gegen deren Maßnahmen das Unternehmen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Gegenüber dem Umweltgutachter ist dagegen der Privatrechtsschutz zu wählen, der - über die bloße Kontrollfunktion hinaus - in den Gesamtsteuerungszusammenhang des Auditsystems einbezogen wird und insbesondere haftungsrechtliche Anreize zur verordnungskonformen Prüfung durch die systembeteiligten Akteure setzt. 493 Schutz gegenüber Haftungsansprüchen bietet dem Unternehmen nur ein "strenges" Audit und somit auch nur die effektive Kontrolle durch den beauftragten Umweltgutachter. 494 Der Umweltgutachter wird sein eigenes Haftungsrisiko - insbesondere gegenüber Dritten, die fur ihn erkennbar auf die Gültigkeitserklärung vertrauen wie z. B. Versicherungen, Kreditgeber oder Unternehmenskäufer"'95 - gering zu halten interessiert sein. Nach § 30 UAG ist die Haftung jedoch entsprechend der Haftung des Wirtschaftsprüfers auf eine eher niedrig bemessene Obergrenze (§ 323 Abs.2 HGB) fur alle einschlägigen Schadensersatzpflichten496 beschränkt. Verstärkt werden die Kontroll- und Anreizmechanismen fur das Umweltaudit schließlich durch die einbezogene Öffentlichkeit, aber u. U. auch durch Wettbewerber, die nach §§ 3, 13 Abs.2 UWG gegen Unternehmen vorgehen können, weIche die Teilnahmeerklärung verwenden, obwohl sie die Anforderungen der EG-Umweltauditverordnung nicht erfullen. Da die Einhaltung der gesetzlichen Umweltvorschriften lediglich vermutet, nicht aber wie beim Umweltzeichen vorausgesetzt werden kann,
Vgl. Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1177. Zum wechselseitigen Zusammenspiel von öffentlichem Recht und Privatrecht im Umweltaudit Schneider (FN 471), S. 380 ff. 494 Auf das Umweltaudit dürfte sich eine Übertragung des § 6 Abs. 4 UmweltHG, wonach die Einhaltung der Betriebspflichten bei der Durchführung behördlich vorgeschriebener Eigenkontrollen vermutet wird, angesichts seiner anreizschwächenden Wirkung kaum anbieten, genügte dem Unternehmen doch bis zum Beweis des Gegenteils schon die formale Validierung nach den Mindestanforderungen der EG-Umweltauditverordnung. Zur umwelthaftungsrechtlichen Bedeutung des Umweltaudits Falk, Die EG-Umwelt-Audit-Verordnung und das deutsche Umwelthaftungsrecht, 1998, S. 102 ff. 495 Zur Expertenhaftung gegenüber Dritten Höland, ZEuP 1998,30 (51 ff.). 496 Schneider (FN 471), S. 383 (m.w.N.). 492 493
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dürfte das Lauterkeitsrecht die vollständige Umweltrechtskonfonnität unter Bezugnahme auf die Verwendung der Teilnahmeerklärung nicht fordern können. 497
bb) Deregulierung und Rücknahme der behördlichen Präventivkontrolle Als weitgehend unstreitig gilt, daß sich das neue Instrument des Umweltaudits zur Ergänzung des Umweltordnungsrechts dauerhaft etablieren könnte. Dort, wo das herkömmliche Ordnungsrecht nicht greift (wie im Bereich der internen Betriebsorganisation498 ) oder an seine Grenzen stößt (wie im Bereich vollzugsunfreundlicher Optimierungsziele499 ), stellt das freiwillige Umweltaudit einen gelungenen Versuch zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes dar. 50o Dies setzt allerdings - auch insoweit besteht große Einigkeit - eine Verzahnung mit den bestehenden Umweltnonnen und -verfahren voraus. Ob jedoch zugunsten des UmweItaudits der deregulierende Abbau bzw. die entsprechende Öffnung ordnungsrechtlicher Überwachungsvorschriften und seiner InstrumenteSOl möglich oder sogar geboten ist, wird im Schrifttum dagegen überaus kontrovers beurteilt. 502
497 Vgl. Wiebe (FN 456), S. 292 f. Die Werbewirksamkeit der Teilnahmeerklärung ist begrenzt, da sie lediglich zu erkennen gibt, daß Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften nicht bekannt geworden sind, vgl. Feldhaus, Das Umweltaudit-Verfahren als Wettbewerbsinstrument?, in: MarburgerlReinhardtlSchröder (Hg.), UTR 38 (1997), S. 135 (150 f.). 49K Von einem Black-Box-Denken des Ordnungsrechts spricht Breuer (FN 7), S.842. 499 Breuer, ebd. 500 Im Gegensatz zu einem Großteil anderer Instrumente, die im modernen Umweltrecht neben das Ordnungsrecht gestellt wurden, fällt die schnelle Anerkennung und grundsätzlich positive Bewertung des Umweltaudits durch das Schrifttum auf. Dies umso mehr, als mit dem Umweltaudit in Deutschland weitgehend juristisches Neuland betreten wurde: Kloepfer (FN 14), § 5 Rn. 341. 501 In einem weiteren Sinne bedeutet Deregulierung im Umweltrecht die Vereinfachung und Reduzierung von Umweltgesetzen, von umweltrechtlichen Standards sowie von staatlicher Aufsicht und Kontrolle. Zur erhofften Reduzierung administrativer und gerichtlicher Kontrolle Ronellenjitsch (FN 422), S. 48. Zur Vermeidung und Verringerung von Regelungen ftir die effektivere Gestaltung von Recht Stober, Rückzug des Staates im Wirtschaftsverwaltungsrecht. Zur Deregulierungsdebatte in Deutschland, 1997, S. I ff. Zu den wirtschaftlichen Hintergründen der Deregulierungsansätze Molitor, Deregulierung in Europa, 1996, S. 17 f. 502 Aus dem Schrifttum einerseits Bähm-Amtmann, GewAreh 1997, 353 ff.; dies., ZUR 1997, 178 ff.; Schmidt-Preuß (FN 33), S. 199 ff.; ders. (FN 458), S. I 178 ff.; andererseits Moormann, ZUR 1997, 188 ff.; Lübbe-Wolff, ZUR 1996, 173 ff.; differenzierend RSU (FN 284), Tz. 352 ff.; zum Stand der Diskussion E. RehbinderlHeuvels, DV8l. 1998, 1245 (1247 ff.).
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Nach der EG-Umweltauditverordnung sollen unnötige Doppelkontrollen vermieden werden. 50 ) Ausdrückliche Entlastungen des Unternehmens sieht die Verordnung aber nur fur solche Umweltmanagementsysteme und Umweltbetriebsprüfungen vor, die nach einzelstaatlichen, europäischen oder internationalen Normen zertifiziert sind (Art. 12 Abs. 1 EG-UAVO). Soweit die angewandte Norm und das Zertifizierungsverfahren durch die EG-Kommission nach Art. 19 EG-UA va sowie die Zulassung des Normzertifizierers durch den Mitgliedstaat, in dem sich der zertifizierte Standort befindet, anerkannt worden sind, ersetzt der anerkannte Norminhalt die Prüfung des Umweltgutachters. 504 Dies ist inzwischen für eine Reihe an Normen, insbesondere die allein auf betriebliche Verfahrensvorkehrungen abstellende ISO 14001, geschehen. 505 Hierdurch wird es den nach ISO 14001 zertifizierten Unternehmen ermöglicht, unter geringeren Anforderungen an die Umweltpolitik und die Umweltbetriebsprüfung 506 den Auditierungs- und Zertifizierungsprozeß nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 2 EG-UA va durchfuhren zu lassen. Während auf der gemeinschaftsrechtlichen Ebene die Bemühungen um eine Vereinheitlichung der Managementsysteme darauf abzielen, das Umweltaudit nach der EG-Umweltauditverordnung stärker auf die Zertifizierungen nach ISO
50) Vgl. für den Umweltgutachter etwa Anhang III Teil B Nr. 1 Abs.3 EG-UAVO. Zum Abbau doppelter Kontrollen von Holleben, Normung und Umwelt, FS für W. Ritter, 1997, S. 859 (871 f.). Deutlich auch das Abschlußgutachten des Sachverständigenrates "Schlanker Staat" (BAnz. Nr. 29a v. 12.2.1997, S. 13 f.): "Wenn ein Privater über die eigene Qualifikation oder über bestimmte allgemeinere Vorsorgemaßnahmen im eigenen Betrieb den Nachweis dafür geführt hat, daß von ihm die Einhaltung bestimmter ökologischer Standards in allgemeiner Form erwartet werden kann, so rechtfertigt sich gerade im Lichte des Übermaßverbotes, solche Unternehmer nicht noch zusätzlichen (Projekt-)Kontrollen zu unterwerfen." 504 Nach § 9 Abs. 3 UAG darf derjenige mit der in Art. 12 Abs. 1 EG-UA VO enthaltenen Fiktionswirkung zertifizieren, der als Umweltgutachter zugelassen ist. Hierdurch wird nicht - wie in Art. 12 Abs. 1 Iit. b EG-UAVO vorgesehen - eine Zulassung als Zertifizierer anerkannt, sondern die Akkreditierung des Umweltgutachters als Zertifizierer von Umweltmanagementnormen selbst ausgesprochen. Folglich dürften die etablierten Zertifizierstellen aus dem Bereich des Qualitätsmanagements, die von der Trägergemeinschaft für Akkreditierung (TGA) nach strengen Vorgaben akkreditiert und auditiert werden, in Deutschland nicht für Zertifizierungen im Rahmen des Art. 12 EGUAVO anerkannt werden können: Mittelstaedt, in: EwerlLecheltiTheuer (Hg.), Handbuch Umweltaudit, 1998, Teil K, Rn. 32. Krit. zu den entstehenden Verwerfungen hinsichtlich der Qualitätssicherung und deren Überprüfung durch die DAU bzw. die TGA RSU (FN 284), Tz. 339. 505 ABI. Nr. L 104 v. 22.4.1997, S. 35 ff 506 Zu den Unterschieden zwischen ISO 14001 und der EG-Umweltauditverordnung Dyllick, ZfU 1995, 299 (329 ff); Mittelstaedt (FN 504), Teil K, Rn. 76 ff; kritisch Breuer (FN 7), S. 845; E. RehbinderiHeuvels (FN 502), S. 1255; auch der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen betrachtet die ISO-Zertifizierung als weniger anspruchsvoll und nicht geeignet, Maßnahmen der Deregulierung und Substitution zu begründen, vgl. RSU (FN 284), Tz. 342.
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14001 abzustimmen, gehen die vor allem in Deutschland durch die Standortdebatte beeinflußten Deregulierungsbemühungen dahin, auditierten Unternehmen einen allgemeinen Vertrauensvorschuß zu gewähren und von vergleichbaren ordnungsrechtlichen Anforderungen zu befreien. Getragen sind diese Bemühungen freilich nicht nur von akzeptanz- und teilnahmefördernden Anreizsteigerungen, sondern auch - wenn nicht sogar überwiegend - vom geradezu allgegenwärtigen Gedanken der Staatsentlastung. Die zunächst auf Landesebene erarbeiteten Substitutionsvorschläge507 begnügen sich nicht mit zu erwartenden faktischen Erleichterungen des ermessensgeleiteten Überwachungsvollzugs. Vielmehr soll - wie etwa § 20a Abs. 3 des baden-württembergischen Abfallgesetzes vorsieht508 - die Reduzierung der behördlichen Überwachung auf der Vollzugsebene durch Verwaltungsvorschriften zugunsten des gemeinschaftsrechtlichen Umweltaudits festgeschrieben werden. Bereits erlassene Verwaltungsvorschriften - wie insbesondere in Bayern, das mit den im Umweltpakt Bayern zugesagten Erleichterungen 509 eine Vorreiterrolle einnimmt - knüpfen an bestimmte Inhalte der validierten Umwelterklärung an und gewähren nur solchen Unternehmen entsprechende Vollzugserleichterungen, die sich erkennbar zur Einhaltung und externen Überprüfung ordnungsrechtlich vorgegebener Anforderungen verpflichtet haben. 110 So betrachtet gehen die bereits umgesetzten oder angestrebten bundesrechtlichen Deregulierungsaktivitäten zum Teil wesentlich weiter. Pars pro toto ist hier rur verfahrens rechtliche Erleichterungen § 4 Abs. 1 S.2 der 9. BImSchV zu nennen, wonach im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren die Umwelterklärung eines Unternehmens als Bestandteil der genehmigungsrechtlichen Antragsunterlagen
507 Siehe etwa die in Berlin geschlossene Umweltallianz zwischen dem VCI-Landesverband und dem Land Berlin, in dessen Rahmen sich das Land zu Vollzugserleichterungen und zur pauschalen Verringerung der Überwachungshäufigkeit um die Hälfte verpflichtet hat. Für Aufsehen sorgte der 1995 unterzeichnete "Umweltpakt Bayern" zwischen der bayerischen Staatsregierung und Bayerischen Industrie- und Handwerksverbänden. Bestandteil dieser Vereinbarung ist die Entlastung registrierter Standorte insbesondere von Berichts- und Dokumentationspflichten sowie von Überwachungsmaßnahmen. Die Vorschläge sehen jedoch keine materielle Deregulierung, sondern lediglich die Ersetzung der ordnungsrechtlichen Pflichten durch die äquivalente Wahrnehmung dieser Pflichten durch das Unternehmen vor; daher grundsätzlich befürwortend RSU(FN 284), Tz. 356. 508 BadWürttAbfG v. 8.1.1990 (GBI. S. I), zuletzt geänd. durch Art. I des Gesetzes v. 7.2.1996 (GBI. S. 116). 509 Dazu Böhm-Amtmann (FN 502), S. 354 ff. 510 So sieht die Bayerische Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Anlagenverordnung (VVAwS) in Ziffer 23.8.2 beispielsweise vor, daß der Betreiber zur Erfüllung der Eigenüberwachung nach § 19i Abs. 2 S. 3 WHG einen Auszug aus der Umwelterklärung für den registrierten Standort vorzulegen hat, aus der sich ergibt, daß die Anlage den wasserrechtlichen Anforderungen entspricht.
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berücksichtigt werden kann. 511 Ob das Abstellen auf die Umwelterklärung, die nach der EG-Umweltauditverordnung ohne Vorgaben an deren Inhalt für die Öffentlichkeit verfaßt wird, die Vorlage von Unterlagen im Rahmen der präventiven Eröffnungskontrolle entbehrlich macht, ist im Schrifttum zu Recht bezweifelt worden. 512 Das Grundproblem jeder Deregulierung zugunsten auditierter Standorte ist die mit erheblichen Unsicherheiten behaftete Feststellung funktionaler Äquivalenz, d. h. einer Gleichwertigkeit von Ziel und Steuerungswirksarnkeit zwischen ordnungsrechtlichen Überwachungsvorschriften und dem gemeinschaftsrechtlichen Auditsystem. Insoweit wird man zwar insbesondere die gegenüber der behördlichen Anlagenüberwachung verminderte Prüfdichte der Kontrolle 513 durch den Umweltgutachter in Rechnung zu stellen haben. Maßgeblich kommt es für die Gleichwertigkeit jedoch auf den erzielten Gesamtsteuerungseffekt an, der im Hinblick auf das Umweltaudit auch über dessen Öffentlichkeitsbezug und die betriebs interne Schwachstellenanalyse mit entsprechenden Lern- und Selbsterkenntnisprozessen vermittelt wird. 514 Derartige Kompensationseffekte mögen aufgrund der Manipulationsgefahren nur schwer abschätzbar sein. Gleichwohl wird ein mißbrauchsbehaftetes Auditinstrument nicht einseitig zugunsten idealisierter ordnungsrechtlicher Genehmigungsinstrumente und deren Verfahren verglichen werden können. 515 Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Überwachungsbehörden angesichts der nur schmalen Erfahrungsbasis mit dem Umweltaudit bereits zum jetzigen Zeitpunkt auf die Gewährleistung der weitgehenden Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten durch das Auditsystem vertrauen können. 516 Ein solches Vertrauen dürfte sich - über die antragsunabhängige Überwachung und den konkreten Einzelfall hinaus - nur begrenzt auf einen
511 Gefolgt sind § 5 Abs. 2 S. 3 und § 13 Abs. I S.3 der Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise v. 10.9.1996 (BGBI. I S. 1382), § 13 Abs. 4 der Verordnung über Entsorgungsfachbetriebe v. 10.9.1996 (BGBI. I S. 1421) sowie § 8 Abs. 6 der Abfallwirtschaftskonzept- und -bilanzverordnung v. 13.9.1996 (BGBI. I S. 1447). Siehe ferner § 4 Abs. 2 S. 4 Iit. a AltautoV, wonach bei der Überprüfung, ob Verwertungsbetriebe die Entsorgungspflichten einhalten, von den Sachverständigen Prüfergebnisse berücksichtigt werden müssen, die z. B. im Rahmens eines Umweltaudits der Umweltgutachter gewonnen hat. 512 Vgl. etwa Lübbe-WolJJ(FN 502), S. 178 f. 513 Siehe oben, S. 213 ff. 514 In dieser Richtung Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1179; skeptischer Kloepferl Bräcker (FN 64), S. 22; abI. RSU, Umweltgutachten 1996, Tz. 92 ff. 515 Bohne, Die integrierte Genehmigung als Grundlage der Vereinheitlichung und Vereinfachung des Zulassungsrechts und seiner Verknüpfung mit dem Umweltaudit, in: Rengeling (Hg.), Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, 1996, S. 105 ff. (156). 516 Zum Vertrauensgedanken Waskow (FN 456), S.34; Lübbe-WolJJ (FN 502), S. 178; ausführlich Schmalholz, Deregulierung durch Öko-Audit und die Vorschläge des Kommissionsentwurfs zum Umweltgesetzbuch, in: Marburger/ReinhardtiSchröder (Hg.), UTR 45 (1998), S. 331 (351 ff.).
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generellen Verzicht oder die kontrollierte Rücknahme der behördlichen Eröffnungskontrolle umweltbelastender Vorhaben erstrecken. 517 Problematisch sind daher die Vorschläge, die staatliche Eröffnungskontrolle rur auditierte Unternehmensstandorte im Wege einer bloßen Rahmengenehmigung 518 oder eines sog. Genehmigungsaudits 519 auf die Prüfung der wesentlichen gesetzlichen Anforderungen zu verkürzen. Dies nicht deshalb, weil damit der Charakter der Genehmigung als Instrument der Kontrolle und Verleihung eines mit besonderem Bestandsschutz versehenen subjektiven-öffentlichen Rechts aufgeweicht würde. 520 Gerade hierin mag der umweltpolitischer Vorteil anreizorientierter Zulassungsysteme liegen, die latente Innovationsträgheit der Unternehmen zugunsten eines andauernden Modernisierungsdrucks über das Umweltaudit abzubauen. 521 Aber es liegt auf der Hand, daß die Erhöhung der standort- oder organisationsbezogenen522 Leistungskontrolle des betrieblichen Umweltschutzes nicht mit einer Absenkung des Umweltschutzniveaus durch den Teilverzicht auf eine anlagenbezogene Rechtmäßigkeitskontrolle erkauft werden darf. Weitgehend ungelöste und nicht durch Öffentlichkeitsdruck kompensierbare Drittschutzprobleme treten erschwerend hinzu. 523 So setzen denn auch die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der IVU-Richtlinie524 einer ReduWarnend auch RSU (FN 284), Tz. 352. So in Anlehnung an Forderungen des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) etwa die Unabhängige Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Bundesministerium fur Wirtschaft (sog. "Schlichter-Kommission"), vgl. BMWi (Hg.), Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, 1994, Tz. 541 ff. Die Bundesregierung wurde anläßlich der Verabschiedung des Umweltauditgesetzes am 22.6.1995 in einer Entschließung durch den Bundestag aufgefordert, die sich abzeichnende Einrichtung von Umweltmanagementsystemen und Umweltbetriebsprüfungen zur Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs- und Genehigungsverfahren zu nutzen, vgl. BR-Drs. 368/95, S. I. 519 Vgl. Bohne (FN 515), S. 139 ff. 520 So aber Hansmann (FN 478), S. 215. 521 Vgl. Bohne (FN 515), S. 152. 522 Der enge Standortbegriff der EG-Umweltauditverordnung s01l im Rahmen der Novellierung zugunsten des weiten Organisationsbegriffs der ISO 14001 aufgegeben werden, zustimmend RSU (FN 284), Tz. 358. m Im Bauordnungsrecht, wo mit der Freistellung vom Genehmigungserfordernis fur einfache plankonforme Wohnbauvorgaben (z. B. § 67 BauO NW) bereits Erfahrungen gesammelt werden konnten, erweist sich die Verkürzung des öffentlichen-rechtlichen Nachbarschutzes als die Crux selbstregulativer Verantwortung. Ob Modifikationen der einstweiligen Anordnung - siehe etwa Degenhart, NJW 1996, 1433 (1437 ff.) - die Rechtsschutzlücken auszugleichen vermögen, dürfte fraglich sein. Der Privatrechtsschutz mag zwar ungeschmälert zur Verfügung stehen, belastet Dritte aber mit einem Schadensersatzrisiko, vgl. Schmidt-Preuß (FN 33), S. 198; zum Ganzen auch Preschel, DÖV 1998, 45 ff. 524 Zur am 30.11.1996 in Kraft getretenen Richtlinie 96/611EG des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. EG 1996 Nr. L 257, S. 26) Dolde, NVwZ 1997, 313 ff. 517 518
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zierung der behördlichen Kontrolle deutliche Grenzen. Unter dem Aspekt der anlagenbezogenen Sicherheit schreiben Art. 8 und 9 der IVU-RL die Überprüfung des Vorhabens im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens vor, das - die Grundpflichten des Art. 3 IVU-RL konkretisierend - der Festlegung von Emissionsgrenzwerten nach den besten verfugbaren Techniken dient. Nur fur die nicht im Anhang I erfaßten Projekte ist daher eine Öffuung des Kontrolltatbestandes möglich. Immissionsschutzrechtlich betrifft dies lediglich diejenigen Anlagen, die etwa den Zuschnitt der in Spalte 2 der 4. BlmSchV genannten Anlagen aufweisen. 525 Der Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch hält ebenfalls am Erfordernis der umfassenden Eröffuungskontrolle fest. Gegenüber Erleichterungen fur auditierte Unternehmen auf der materiellen und verfahrensrechtlichen Ebene ist Skepsis unverkennbar. m Allerdings wird - und insoweit weist der Entwurf einen neuen Weg - das Umweltaudit mit anderen indirekten, insbesondere organisatorischen Instrumenten verknüpft. Sehr weitgehend erscheint jedoch diesbezüglich die Möglichkeit der Überwachungsbehörde, den Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach § 143 Abs. 4 S. 2 UGB-KomE auf Antrag ganz oder teilweise von der Eigenüberwachung nach § 143 Abs. 1 UGB-KomE freizustellen, sofern der Verpflichtete am Auditsystem teilnimmt und die validierte Umwelterklärung bestimmte Angaben zur Eigenüberwachung enthält. 527 Vergleichbare Erleichterungen enthält § 153 S.2 UGB-KomE fur die § 52a BlmSchG nachempfundenen Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisation. Auch hier soll die Übersendung der Umwelterklärung ausreichen, sofern dort die erforderlichen - wohl über die Informationsvorgaben des Art. 5 EG-UA VO hinausgehenden 528 - Angaben enthalten sind. 529 § 170 Abs. 1 S.2 UGB-KomE verweist schließlich für die Offenlegung betrieblicher Umweltinformationen auf
V gl. Schmidt-Preuß (FN 458), S. 1179. Vgl. die Entwurfsbegründung: BMU (FN 5), S. 755. 521 Kritisch mit dem Hinweis auf die drohende Überfrachtung der Umwelterklärung Schmalholz (FN 516), S. 345 f; siehe insoweit auch Spindler, ZUR 1998,285 (290 ff). m Der latente Konflikt zwischen Information der Öffentlichkeit und selbstregulativer Entlastung tritt hier offen zu Tage. Soll die Umwelterklärung ein taugliches Mittel für die Information der Öffentlichkeit sein, darf und muß sie auf detaillierte Beschreibungen und Erläuterungen verzichten, vgl. zum Inhalt der Umwelterklärung nach der EG-Umweltauditverordnung Falk, DB 1995, 2\01 ff Deregulierende Effekte können dagegen nur dort gerechtfertigt sein, wo die ordnungsrechtlichen Anforderungen nachweisbar auch selbst erfüllt werden. Wird allein auf die Umwelterklärung (und nicht auf die Umweltbetriebsprüfung) abgestellt, erhält diese für Entlastungs- und Deregulierungsbestrebungen einen Charakter, der von Art. 5 EG-UA VO nicht mehr umfaßt ist. Hieran zeigt sich einmal mehr, daß das gemeinschaftsrechtliche Umweltaudit nicht als Instrument der Deregulierung entstanden und konzipiert worden ist. m Ferner soll der Umweltbeauftragte gemäß § 155 Abs. I Nr. 4 UGB-KomE auch als interner Betriebsprüfer im Sinne des EG-Umweltauditverordnung eingesetzt werden können. 525 526
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die inhaltlichen Anforderungen an die Umwelterklärung. Weitergehende Befreiungsmöglichkeiten sieht insoweit § 732 S. 4 UGB-KomE in Anlehnung an § 4 des baden-württembergischen Abfallgesetzes530 fiir die Verpflichtung zur Erstellung von Abfallbilanzen vor. Dieser Verpflichtung genügt der Abfallerzeuger, wenn er fiir den Standort eine Umwelterklärung mit den bilanzrelevanten Angaben erstellt hat.
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Dazu kritisch Lübbe-Woljf(FN 502), S. 176 f.
Dritter Teil
Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung Läßt man die Entwicklung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung unvoreingenommen Revue passieren, fallt eine abschließende Bewertung ihrer historischen Steuerungsleistungen schwer. Zu unterschiedlich sind die Steuerungsansätze und der jeweilige rechtliche Entfaltungsrahmen, um generelle Aussagen zur Entwicklungsgeschichte der indirekten Steuerung im deutschen Umweltrecht machen zu können. Die rechtsstaatlich begründete Konzentration auf das ordnungsrechtliche Modell' verdeckte oder verengte lange Zeit die vorhandenen Ansätze indirekter Steuerung, deren Ausbau ein prägendes Gestaltungselement des modemen Umweltrechts geworden ist. 2 Je komplexer die Regelungsfelder und begrenzter - hierauf bezogen - die ordnungsrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten wurden, desto attraktiver erschien der Lenkungs- und Anreizgedanke indirekter Steuerung als Alternative zu Befehl und Zwang. Jedoch greift die Annahme einer linearen Entwicklung "vom Ordnungsrecht zur indirekten Steuerung" zu kurz.) Tatsächlich wird man eher von einer wellenförmigen Entwicklung auszugehen haben, in dessen Verlauf indirekte Instrumente mit breiter Steuerungswirkung neben das Ordnungsrecht gestellt wurden und gegenüber punktuellen Eingriffen durch das Ordnungsrecht mal eine schwächere, mal aber auch stärkere Rolle gespielt haben. Im Umweltschutz, der nach dem Regierungsantritt der sozial-liberalen Koalition unter dem damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher zu Beginn der 70er Jahre einen gewaltigen Bedeutungszuwachs erfuhr, konnte vielfach auf indirekte Instrumente des bereits weitgehend etablierten Wirtschaftsrechts zurückgegriffen werden. Und doch liegen die Wurzeln der indirekten Steuerung zum Teil wesentlich tiefer. Vielfach reichen sie bis weit in das 19. Jahrhundert, dem Aufbruchzeitalter rur Verrechtlichungen der Gewerbefreiheit und des Umweltschutzes. Ursprünglich hatte es den lokalen Polizeibehörden oblegen, teils praeter legern, teils im rechtsfreien Raum, gegen die umweltbelastenden Folgen
Siehe oben, 1. Teil. Siehe oben, 2. Teil. ) Für die Aufgabenentwicklung auch Wahl, Die Aufgabenabhängigkeit von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-RiemJSchmidt-Aßmann/Schuppert (Hg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 177 ff. (189). 2
3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
225
der Industrialisierung in den deutschen Staaten vorzugehen. 4 Mit der vereinheitlichenden Schutzgesetzgebung durch die Gewerbeordnungen - 1845 in Preußen, 1871 im Reichs - wurde zwar insbesondere fiir die gravierenden Probleme der Luftreinhaltung das formale Instrumentarium der Präventivkontrolle eingefilhrt. Dies hinderte die Verwaltung jedoch nicht, gleichsam im Schatten des kodifizierten Rechts 6 beratend, motivierend oder auch stigmatisierend auf Unternehmen unter sozialen und umweltschützenden Aspekten einzuwirken, Arrangements mit umweltbelastenden Unternehmen zu suchen 7 und die Selbstorganisation der Umweltbelaster zu fördern oder - wie im Falle der wasserrechtlichen Genossenschaften8 - gesetzlich anzuordnen. Das indirekte - abfiillig der Fürsorge zugeordnete 9 - Handeln des Staates konnte durch den Ausbau des direkten Instrumentariums nie vollständig zurückgedrängt werden. Im Gegenteil: Der direkte Eingriff wurde im Vollzug neuer Vorschriften durch indirekte Einwirkung abgemildert oder angesichts der teilweise erheblichen Vollzugswiderstände gegenüber dem umweltschützenden Interventionismus lo überhaupt erst vollzugsfiihig und vielfach auf die Inhalte beschränkt, die sich erfolgreich gegenüber dem Normadressaten durchsetzen ließen. Auf diese Weise scheint der Staat die Immunbarrieren der Wirtschaft gegenüber dem Umwelt-
4 V gl. G. Heine, Umweltschutzrecht aus historischer Sicht, in: SchubertlHerrmann (Hg.), Von der Angst zur Ausbeutung. Umwelterfahrung zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1994, S. 157 ff. (163); zum Immissionsschutz in Preußen Mieck, Technikgeschichte 34 (1967), S. 36 ff. S Den Weg zur preußischen Gewerbeordnung von 1845 nachzeichnend F.-J. Brüggemeier, Das unendliche Meer der Lüfte. Luftverschmutzung, Industrialisierung und Risikodebatten im 19. Jahrhundert, 1996, S. 95 ff. Die Allgemeine Gewerbeordnung rür Preußen vom 17.1.1845 (PrGS S. 41) wurde mehrfach ergänzt, aber in ihrer Gesamtkonzeption und den meisten Einzelregelungen zunächst für das Gebiet des Norddeutschen Bundes in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21.6.1869 (BGB!. S. 245) und später rur das Deutsche Reich übernommen: Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 44. Instrumentell werden in der Gewerbeordnung die maßgeblichen Grundlagen rur die staatliche Technikermöglichung und -Kontrolle gelegt, deren Impulse bis weit in das 20. Jahrhundert reichen und letztlich auch prägend für die Ausgestaltung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wurden. 6 Vgl. Treiber, Regulative Politik in der Krise, in: ders., Vollzugskosten des Rechtsstaates, 1989, S. 189 ff. (191). 7 Vgl. G. Winter, Bartering Rationality in Regulation, Law and Society Review 1985, S. 219 ff.; Ellwein, Kooperatives Verwaltungshandeln im 19. Jahrhundert, in: VoigtiDose (Hg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 43 ff. 8 Dazu Kloepfer (FN 5), S. 66 ff. 9 Der weitgehenden Ausblendung indirekter Lenkungstechniken lag die Selbstüberschätzung des mechanistischen Vollzugsmodells zugrunde, welches bereits die Leistungsverwaltung und ihr Instrumentarium als Fremdkörper begreifen mußte. Noch heute ist man geneigt, das indirekte Handeln des Staates in den überkommenen Kategorien von Leistung oder Eingriff zu behandeln. Daß es uno actu bei des darstellen kann, scheint demgegenüber nur erstaunlich wenig Beachtung zu finden. 10 Zu den Konflikten F.-J. Brüggemeier (FN 5), S. 275 ff.
15 Franzius
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
schutz überwunden zu haben, der - wenngleich überwiegend technisch verstanden - in der Folgezeit auch durch Selbstkontrollen der Unternehmen wahrgenommen und zum Teil bereits als "eigene Angelegenheit" verstanden wurde.
A. Historische Anknüpfungspunkte I. Ökonomische Instrumente
Trotz der fiskalischen Tradition des Steuer- und Abgabensystems sind Abgaben im modemen Staat immer auch zu nichtfiskalischen Lenkungszwecken eingesetzt worden. 11 Im Bereich der Wirtschaftspolitik tritt seit der Jahrhundertwende die Absicht des Steuersouveräns, mittels Abgaben die Bürger zu einem bestimmten Handeln anzuhalten, immer offener zu Tage. 12 Auch im Bereich des Umweltschutzes wird der Finanzierungsgedanke, wie er im 19. Jahrhundert vor allem in kommunalem Gebühren und Beiträgen rur die Benutzung und Modernisierung der Anlagen zur Wasserversorgung zum Ausdruck gekommen war, durch spezifische Lenkungsaspekte ergänzt. So entstanden im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in stark belasteten Industrieregionen des rheinisch-westfälischen Raums die ersten Umweltgenossenschaften zur Bewältigung der sog. Flußverunreinigungsfrage. 13 Emscher, Ruhr und Wupper waren derartig verschmutzt, daß sich die Gewässer vielfach selbst rur die Industrie nicht mehr nutzen ließen. 14 Auf der Grundlage einer Zwangsmitgliedschaft schlossen sich Kommunen und Industrieunternehmen daraufhin zusammen, um vor Ort gemeinsam die geeigneten Maßnahmen zur Abwasserreinigung zu treffen. Dabei wurde der Anteil des jeweiligen Emittenten am gesamten Emissionsaufkommen des Gebietes errechnet und zur Grundlage seines zu zahlenden Anteils an der Gesamtheit der Reinigungskosten gemacht. IS Der Kostendruck dürfte eigene Maßnahmen des Unterrl.ehmens zur Vermeidung und Verringerung von Umweltbelastungen nicht unmaßgeblich gefördert haben. Konnte sich der Anreiz11 Vgl. Schmölders, Finanzpolitik, 2. Aufl., 1965, S. 368; ders., Bart und Hochzeit, Fenster und Pelze - kein Ende der Steuerbelastung in Sicht. Kuriosa der Steuergeschichte, in: U. Schultz (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an, eine Kulturgeschichte der Steuer, 1986, S. 245 ff.; siehe auch Bach, StuW 1995, 264 (267 ff.). 12 Vgl. D. Schmidt, Nichtfiskalische Zwecke der Besteuerung, 1926; zur Entwicklungsgeschichte der Abgabenlenkung Mohr, Die Lenkungssteuer - ein Instrument zur Induzierung sozialorientierten Verhaltens im Wohlfahrtsstaat, 1976, S. 64 ff.; zum Lenkungsgedanken siehe auch Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, 1986, S. 55 ff. 13 Dazu näher von Simson, Die Flußverunreinigungsfrage im 19. Jahrhundert, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 65 (1978), S. 370 ff. 14 Kloepfer (FN 5), S. 60 f. IS Vgl. Wysocki, Probleme beim Eindringen von Umweltaspekten in historische Abgabensysteme, FS für Hansmeyer, 1994, S. 147 ff. (155).
A. Historische Anknüpfungspunkte
227
gedanke von Umweltabgaben - diese Traditionen gewissermaßen aufgreifend nach 1970 im Gewässerschutzrecht auf Landes- und Bundesebene (z. B. in Gestalt der landesrechtlichen Wassemutzungsentgelte und im Bundesrecht durch die Abwasserabgabe) auch punktuell durchsetzen, so erwiesen sich die übrigen Umweltrechtsmaterien - sieht man einmal von der Fülle ökologisch fragwürdiger Steuerbefreiungen ab (z. B. die Kilometerpauschale im Einkommensteuerrecht) - für die Verwirklichung von Umweltlenkungsabgaben politisch und rechtlich als vergleichsweise sperrig (z. B. Abfaliabgaben).16 Inzwischen schiebt sich angesichts leerer Kassen in den öffentlichen Haushalten die klassische Finanzierungsfunktion neben Lenkungsaspekten wieder in den Vordergrund (z. B. Abfallverbringungsabgabe) und droht den Anreizgedanken von Umweltabgaben für "fremde" politische Ziele zu instrumentalisieren und damit zu überfordern. 11 Eine große Rolle spielte für den Umweltschutz im 19. Jahrhundert auch das Schadensersatz- und Haftpflichtrecht. Dies umso mehr, als die ursprünglich von der Rechtsprechung gewährten zivilrechtlichen Abwehransprüche l8 infolge der fortschreitenden Überlagerung des privaten Nachbarrechts durch die öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahren und schließlich durch § 26 der Reichsgewerbeordnung von 1871 ausgeschlossen wurden. 19 Die umstrittene Legalisierungswirkung der Genehmigung bezog sich aber lediglich auf den privaten Abwehrschutz und ließ Ansprüche auf Schutzvorkehrungen bzw. subsidiär auf Schadensersatz unberührt. 20 In dem Maße, wie Risiken von staatlicher Seite zugelassen und erlaubt wurden, wuchs die praktische Bedeutung des Haftungsrechts für den - primär freilich über das Grundeigentum vermittelten - Umweltschutz. 21 Dies kam nicht nur in verschuldensunabhängigen GeHihrdungs16 Siehe oben, S. 122 ff. 11 Entweder die Abgabe ist wirkungslos oder sie erzielt kein Aufkommen. Daher werden an die geplanten bzw. von der neuen Bundesregierung umgesetzen Ansätze einer ökologischen Steuerreform über eine Verteuerung des Energieverbrauchs zur Senkung der Lohnnebenkosten keine überzogenen Erwartungen gestellt werden können. 18 Siehe Ogorek, Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Coing/Wilhelm (Hg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, 1979, S. 40 ff.; zusammenfassend Gerlach, Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts, 1989, S. 24 ff. 19 Zur Entstehungsgeschichte und Inhalt der Präklusionsregelungen der Reichsgewerbeordnung Gallenkamp, Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeßrecht 1 (189 I), S. 705 ff.; Preu, Die historische Genese der öffentlich-rechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen (1800-1970), 1990, S. 35 ff.; zur weitgehenden Zurückdrängung und Überlagerung des privaten Nachbarrechts durch das öffentliche Recht Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl., 1998, § 2 Rn. 14; siehe auch Uwer, Zur Entwicklungsgeschichte des öffentlichen und privaten Nachbarrechts bis zum Sachenrechtsänderungsgesetz, in: Marburger/ReinhardtiSchröder (Hg.), UTR 40 (1997), S. 303 ff. 20 Kloepfer (FN 5), S. 45. 21 Zur Debatte über die (umstrittene) Reichweite des privaten Nachbar- und Schadensersatzrechts F.-J. Brüggemeier (FN 5), S. 142 ff., 224 ff., 302 ff.; zum seinerzeit viel Aufsehen erregenden "Freiberger Hüttenrauch" Andersen/Ott/Schramm, Der Frei-
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
tatbeständen 22 zum Ausdruck, sondern auch in einer allmählichen Loslösung des Deliktsrechts vom Sanktionsgedanken für den Mißbrauch der HandlungsfreiheitY Der stattdessen in den Vordergrund gestellte gerechte Schadensausgleich aus der Sicht des Opfers hat jedoch die präventiven Funktionen des Haftpflichtrechts - obgleich im Schrifttum nicht unbekannt2 4 - nur unvollkommen in Erscheinung treten lassen. 25 Der in Kontinentaleuropa und insbesondere Deutschland normativ verfestigte Vorrang des öffentlichen Rechts scheint erst in jüngerer Zeit einem zunehmenden Nebeneinander von öffentlichem Recht und Privatrecht mit jeweils eigenständigen und wechselseitig aufeinander bezogenen Funktionen zu weichen. 26 Damit soll nicht gesagt werden, das öffentliche Recht habe keinen Schutz geboten oder doch zumindest bieten können. Obgleich insbesondere die Gewerbeordnung und deren Ermessensspielräume das Einschreiten der Behörden gegenüber umweltbelastenden Anlagen ermöglichten, wurden die aufbrechenden Konflikte zwischen Industrie und Nachbarschaft im 19. Jahrhundert tatsächlich häufig eher zu Lasten des Umweltschutzes gelöst. Und die gezahlten Entschädigungssummen erwiesen sich als zu gering, als daß von ihnen ein entsprechender Lenkungsdruck hätte ausgehen können. Allerdings ist aus der heutigen Perspektive schwer zu beurteilen, inwieweit nicht die verbreitete Unsicherheit über die Geltendmachung und den Erfolg von privatrechtlichen Haftungsansprüchen betriebliche Modernisierungsanstrengungen angeregt haben. Das Auseinanderfallen der ständischen Ordnung mit dem Aufziehen des Industriezeitalters hat Franz-Josej Brüggemeier jedenfalls veraniaßt, die entstehende bürgerliche Gesellschaft vor dem Hintergrund der ungelösten Verantwortungsfrage filr die Folgen individuellen Handeins bereits als "Risikogesellschaft" zu
berger Hüttenrauch 1849-1865. Umweltauswirkungen, ihre Wahrnehmung und Verarbeitung, Technikgeschichte 53 (1986), S. 169 ff. n Siehe wegen der "außerordentlich gefährlichen Natur" der Eisenbahnen bereits das preußische Gesetz über Eisenbahnunternehmungen vom 3.11.1838, GS S. 505. An die in § 25 des Eisenbahngesetzes statuierte Gefährdungshaftung für Personen- und Sachschäden knüpften das Reichshaftpflichtgesetz vom 7.6.1871 (RGBI. S.207) und schließlich das Kraftfahrzeuggesetz vom 3.5.1909 (RGBI. S. 437) an. 23 Vgl. Ogorek, Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, 1975, S. 23 ff.; instruktiv die Übersicht bei E. Rehbinder, Haftpflichtrecht und Verhütung von Umweltschäden aus juristischer Sicht, in: EndreslRehbinderl Schwarze, Haftung und Versicherung für Umweltschäden aus ökonomischer und juristischer Sicht, 1992, S. 34 (38 ff.). 24 Siehe etwa Marton, AcP 162, I ff. (46). 25 Rehbinder (FN 23), S. 38, 41 ff. 26 Kloepfer, Umweltpolitik und Umweltrecht: Privatrecht und insbesondere "Öffentliches Recht", in: H.-W. Rengeling (Hg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), Bd. I, 1998, § 7 Rn. 52 ff.
A. Historische Anknüpfungspunkte
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bezeichnenY Mag der Staat zur Unterstützung und Förderung des Leitbildes einer marktwirtschaftlich verfaßten Ordnung auch den Umweltschutz als Aufgabe an sich gezogen haben, um mit einheitlichen Eröffnungskontrollen einen konfliktbewältigenden Interessenausgleich zu schaffen. Die Unzulänglichkeit lediglich punktueller Eingriffe trat immer offener zu Tage. Ohne die gesellschaftliche Akzeptanz und Mitwirkung ließen sich Verbesserungen kaum erzielen. 2M Von daher wundert es nicht, daß gerade in den besonders betroffenen Regionen nach instrumentellen Verbesserungen gesucht wurde. So ist etwa 1916 in Sachsen - seit dem Konfikt um den sog. "Freiberger Hüttenrauch" ein Zentrum umweltschützender Innovationen 29 - erwogen worden, den forstwirtschaftlichen Rauchschäden mit der Errichtung einer Kohlen- und Säureverbrauchssteuer zu begegnen. 3o Gleichwohl schreckte der Staat vor weitreichenden Instrumentalisierungen marktwirtschaftlicher Bewältigungsstrategien und Kosteninternalisierungen zurück. Dies betraf vor allem privatrechtliche Lösungsvorschläge wie etwa den Rudolph von Iherings, die Fabriken "mögen von den benachbarten Grundeigentümern die erfoderlichen Servituten acquirieren und dieselben rur die Nachteile, die sie ihnen zurugen, entschädigen oder endlich in dem Umkreise ihres Entwicklungsgebietes das Land ankaufen".31 Der vorgeschlagene Erwerb von Verschmutzungsrechten - seinerzeit noch auf die engere Nachbarschaft bezogen - erinnert in frappierender Weise an das aktuelle Modell der Emissionszertifikate, welches vor allem in den USA praktikabel gemacht worden ist und im Klimaschutz zu einem internationalen Instrument ausgebaut werden soll.32 Ob der fortschreitenden Externalisierung von Umweitkosten aber hierdurch Einhalt geboten werden kann und die "ungleichen Brüder" Ökonomie und Ökologie in der Praxis stärker zusammenfinden, ist angesichts der Schwierigkeiten, sich auf überregionaler Ebene auf einem hohen ökologischen Niveau zu einigen, derzeit noch offen.
27 Brüggemeier (FN 5), S. 136 f.; in ähnlicher Richtung ders., Natur, Gesundheit, Eigentum. Zur Entwicklung des Umweltbewußtseins im 19. und 20. Jahrhundert, in: Kloepfer (Hg.), Schübe des Umweltbewußtseins und der Umweltrechtsentwicklung, 1995, S. I tT. (19): Danach sei gerade das Umweltbewußtsein kein neuartiges Phänomen, das erst durch die heutigen Probleme oder postmateriellen Wertvorstellungen hervorgebracht worden sei. Industriegesellschaft, Umweltprobleme und Umweltbewußtsein gehörten vielmehr von Beginn an eng zusammen. 28 Zur Bedeutung der Moral Rittner, Umweltschutz zwischen Staat, Markt und Moral, FS für Helmrich, 1994, S. 1003 (1017 ff.). 29 V gl. Brüggemeier (FN 5), S. 152 ff., 192 fT. 30 Brüggemeier (FN 5), S. 233 (Fn. 51). 31 v. [hering, Zur Lehre von den Beschränkungen der Grundeigentümer im Interesse des Nachbarn, Iherings Jahrbücher 6 (1863), S. 81 ff. (127). 32 Siehe oben, S. 143.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
11. Informale Instrumente
Auch der Verzicht auf zwangsbewehrte Rechtsförmlichkeit durch informale Handlungsweisen ist keine neue Erscheinung zurückgezogener Staatlichkeit. 33 Neu ist weder die selbstdarstellende Öffentlichkeitsarbeit des Staates noch die lenkende Informationstätigkeit staatlicher Stellen, wenngleich eine Zunahme überzeugungsbildender und anreizorientierter Informationsmaßnahmen unverkennbar ist. Auch die Effizienz informationeller Steuerung ist nicht erst seit der Problematisierung ordnungsrechtlicher Steuerungs grenzen bekannt. 34 Neu sind vielmehr die rechtlichen Beschränkungen öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen 35 und die zunehmende Verrechtlichung von Lenkungsinformationen vor dem Hintergrund ihrer potentiell freiheitsgefährdenden Zielrichtung. 36 Letztere kristallisieren sich in Gestalt von behördlichen Warnungen und Empfehlungen als neue - eigenständige - Handlungsform der Verwaltung heraus. 37 Über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg sind die immer drängender in Erscheinung tretenden Probleme des Umweltschutzes von der Verwaltung nicht allein nach dem unmittelbar wirkenden Muster von Befehl und Zwang bewältigt worden, sondern auch durch allmähliche Gewöhnung und Anpassung an neue Vorgaben und Dienstanweisungen. 38 Für den Landrat vor Ort sahen die Verhältnisse, wie sie dem hoheitlichen "VoIlzugsmodeIl" von der Regierung zugrundegelegt wurden, häufig ganz anders aus. Die Gewerbefreiheit - 1807 aus der Not geboren und nur zögerlich angenommen 39 - war schon wenige Jahre später polizeilichen Beschränkungen unterworfen 40 und in eine Gewerbeaufsicht einge-
Siehe oben, S. 44 f., 153 f., 165 f. Siehe oben, S. 43 f. 35 Zum Verbot der staatlichen Wahlwerbung BVerfGE 44, 125 ff.; VerfGH NW, NVwZ 1992,467 ff., siehe auch Vierhaus, Umweltbewußtsein von oben. Zum Verfassungsgebot demokratischer Willensbildung, 1994, S. 291 ff., 418 ff. 36 Siehe oben, S. 157 ff. 37 Siehe oben, S. 164 f. 38 Siehe Ellwein (FN 7), S. 51. 39 Durch das sog. Oktober-Edikt vom 9.10.1807, PrGS, S. 170. Preußen hatte den Krieg gegen Frankreich verloren und stand vor der Reorganisation des Staates. Die Gewerbefreiheit wird daher auch als neuer Staatsverwaltungsgrundsatz bezeichnet, dazu und zum Verlust bisheriger Privil~gien B. Vogel, Allgemeine G~.werbefreiheit, 1980, S. 135 f.; siehe auch den knappen Uberblick bei Gräschner, Das Uberwachungsrechtsverhältnis, 1994, S. 15 ff. 40 Durch das "Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe" vom 7.9.1811, PrGS S. 263. Über die historische FUl1ktion der Gewerbefreiheit besteht bis heute Uneinigkeit. Gegen eine echte wirtschaftspolitische Wende spricht vor allem das Gewerbesteueredikt vom 2.11.1810 (PrGS S. 79), in dessen Präambel auf die Notwendigkeit einer Vermehrung der Staatseinnahmen hingewiesen wird, im Sinne einer "Kompensation ftir die Steuererhebung" Ziekow, GewArch. 1985,313 ff. (314). Vieles mag aber auch daftir sprechen, den eigentlichen Wandel in der Ablösung subjektiver 33
34
A. Historische Anknüpfungspunkte
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bunden worden, die in den Gewerbeordnungen der Folgezeit als Kehrseite zur "Befreiung von den Fesseln der Vergangenheit" überkommene Vorstellungen behördlicher Lenkung und Beeinflussung lebendig blieben ließen. 41 Einerseits scheint das aufsichtsrechtliche Zwangsinstrumentarium von den Behörden keineswegs immer ausgeschöpft worden zu sein, da sie mit der Beschwerde beim Minister oder mit der Nichtbeachtung behördlicher Anordnungen durch das betroffene Unternehmen rechnen mußten. 42 Andererseits gab ihnen insbesondere das 1878 eingefiihrte Institut der obligatorischen Fabrikinspektion durch besondere Aufsichtsbeamten 43 die Möglichkeit, im Vorfeld der Zwangs anwendung in Verhandlungen mit dem Unternehmen zu treten, um mit der unverhohlen ausgesprochenen Drohung polizeilicher Zwangsmaßnahmen auf einvernehmliche Weise den gewerbe- und umweltrechtlichen Vollzug sicherzustellen. Nach § 139b der novellierten Reichsgewerbeordnung vom 17. Juli 1878 standen den Fabrikinspektoren alle den Ortspolizeibehörden nach Landesrecht zustehenden Befugnisse zur Verfiigung. Diese Bestimmung war gegen den erklärten Willen der Regierung44 in die Gewerbeordnung aufgenommen, aber fur den Vollzug durch Normen des Bundesrates45 auf den administrativen Einsatz zwangloser Mittel reduziert worden. So heißt es dort: "Den anzustellenden Beamten stehen nach § 139b Abs. I der Gewerbeordnung die amtlichen Befugnisse der Ortspolizei behörden zu. Sie sollen indessen, sofern in diesen Befugnissen das Recht zum Erlasse von Strafmandaten oder das Recht zum Erlasse polizeilicher, eventuell im Wege des administrativen Zwanges durchzuführender Verfügungen enthalten ist, von diesen Rechten keinen Gebrauch machen."
Exklusivrechte durch die Gewerbefreiheit als einem objektiven Rechtsgrundsatz zu sehen: Gröschner (FN 39), S. 17 f. 41 Siehe bereits Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 52 tf.; ein guter Überblick findet sich bei Drexler, Alte und neue Fürsorglichkeit. Gewerbeförderung von 1800 bis heute, 1989, S. 66 ff. 42 Fallbeispiele in Andersen/Ott, Risikoperzeption im Industrialisierungszeitalter am Beispiel des Hüttenwesens, AfS 28 (1988), S. 75 (78 ff.). 43 Hierzu Anton, Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung bis zu ihrer Aufnahme in die Reichsgewerbeordnung, 1891; Poerschke, Die Entwicklung der Gewerbeaufsicht in Deutschland, 2. Aufl., 1913; zur Aufsichtsproblematik aber auch Treiber, Kooperatives Verwaltungshandeln der Gewerbeaufsicht (Fabrikinspektion) im 19. Jahrhundert, in: Voigt/Dose (Hg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 65 ff. 44 Siehe Buck-Heilig, Die Gewerbeaufsicht. Entstehung und Entwicklung, 1989, S. 137. Wegen "der Ordnung des Rechtsstaates" - so die Kritik - habe die obligatorische Einführung von Fabrikinspektoren zu warten, bis für die betroffenen Unternehmer ein Beschwerdeverfahren geschaffen sei; zit. nach Benöhr, ZfA 1977, 187 ff. (194). 45 "Normen für die Regelung des Dienstes der nach Maßgabe des § 139b der Gewerbeordnung anzustellenden besonderen Aufsichtsbeamten", in: Bittmann, Die badische Fabrikinspektion im ersten Vierteljahrhundert ihrer Tätigkeit 1879 bis 1903, 1905, S. 96 ff.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
In den daraufhin ergangenen Dienstanweisungen wird die beratende und vermittelnde Tätigkeit der Gewerbeaufsichtsbeamten besonders herausgestellt. So erklärt § 4 der preußischen Dienstanweisung für die Gewerberäthe vom 24. April 1879: "Dabei sollen sie ihre Aufgabe vornehmlich darin suchen, durch ihre wohlwollend kontrollierende, beratende und vermittelnde Tätigkeit nicht nur den Arbeitern die Wohltaten des Gesetzes zu sichern, sondern auch die Arbeitgeber in der Erftillung der Anforderungen, welche das Gesetz an die Einrichtung und den Betrieb ihrer Anlagen stellt, taktvoll zu unterstützen, zwischen den Interessen der GewerbeUnternehmer einerseits, der Arbeiter und des Publikums andererseits auf Grund ihrer technischen Kenntnisse und amtlichen Erfahrungen in billiger Weise zu vermitteln und sowohl den Arbeitgebern als den Arbeitern gegenüber eine Vertrauensstellung zu gewinnen, welche sie in den Stand verstetzt, zur Erhaltung und Anbahnung guter Beziehungen zwischen bei den mitzuwirken." 46
Den Gewerbeaufsichtsbeamten war es danach ausdrücklich erlaubt, durch Beratungsgespräche den Unternehmer davon zu überzeugen, daß die Behebung von Mängeln auch in seinem Interesse lag. Ohne Hilfe der Polizei konnte mittels der Fabrikinspektion jedenfalls nur dann etwas durchgesetzt werden, wenn sich die Unternehmer einsichtig zeigten. 47 Obgleich in den folgenden Jahren die Sanktionsmöglichkeiten der Gewerbeaufsicht ausgedehnt48 und den Gewerbeaufsichtsbeamten in Preußen durch Ministerialerlaß vom 7. Januar 1914 schließlich in einigen Bereichen die Befugnis zum Erlaß polizeilicher Verrugungen zugestanden wurde, sollten sich auch in Zukunft die Gewerbeaufsichtsbeamten zunächst darum "bemühen ( ... ), die Betriebsleiter durch gütliche Einwirkung von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der erforderlichen Maßnahmen zu überzeugen und sie zu deren freiwilligen Ausftihrung zu bestimmen".49
Kooperation - so stellt Thomas EI/wein fest 50 - habe den Vollzugsalltag stärker geprägt als es die auf den einseitig-hoheitlichen Vollzugsbefehl orientierte Staatsrechts lehre des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts glauben ließ. So dürften informale Aushandlungsprozesse und Absprachen rur die Implementierung des Umweltschutzes keine geringe Rolle gespielt haben. 51 Gerade Umweltschutzaufgaben, deren Bewältigung durch den Staat noch nicht auf eine breite Akzeptanz stieß, erforderten Zeit und Geduld rur ihre Realisierung und zwangsweise Durchsetzung. Verhandlungen vor Ort erlaubten es den Behörden 46 MBliV 1879, S. 152. Buck-Heilig (FN 44), S. 139. 48 So ftir die Fälle von Gefahr im Verzug, vgl. Buck-Heilig (FN 44), S. 142. 49 So der Minister ftir Handel und Gewerbe in einem Schreiben an die Regierungspräsidenten vom 8.1.1914, zit. bei Buck-Heilig (FN 44), S. 145. 50 EI/wein (FN 7), S. 54; zur Orientierung der Verwaltung an "Land und Leuten" auch ders., Sta WissPrax. 1 (1990), S. 89 ff. (98). 51 Vgl. Treiber (FN 6), S. 204 ff. 47
A. Historische Anknüpfungspunkte
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vielfach, schnelle Ergebnisse unter Mitwirkung der Betroffenen zu erzielen. Lob und Tadel höherer Stellen traten steuernd hinzu. 52 Sicherlich: Mit der im 20. Jahrhundert zunehmenden Fonnalisierung und umfassenden Verrechtlichung staatlichen Handeins rückten die infonnalen Handlungsweisen des Staates vennehrt in ein rechtsstaatliches Zwielicht. 53 Die Schaffung fonnaler Zwangsbefugnisse machte infonnale Verhandlungen und Absprachen aber nicht entbehrlich, sondern steigerte eher noch ihre - im umweltrechtlichen Schrifttum dann auch erkannte54 - Bedeutung. Erst in jüngerer Zeit setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, daß dem infonnalen Handeln des Staates weder mit der Leugnung ihrer praktischen Relevanz noch mit rechtlichen Verboten hinreichend begegnet werden kann. Die einsetzenden Verrechtlichungsbemühungen setzen daher auf behutsame Refonnalisierungen unter Schaffung spezieller Ermächtigungsgrundlagen und rechtsstaatlicher Transparenz. 55 III. Organisation
Für den Organisationsgedanken im Umweltschutz finden sich historische Anknüpfungspunkte vor allem im technischen Sicherheitsrecht des 19. Jahrhunderts. Wirkungsgeschichtlich wegweisend ist insoweit der Bereich des Dampfkesselwesens. Der Staat hatte die periodische Überwachung der Dampfkessel ("Dampfkesselrevision") zunächst an sich gezogen, um den zunehmenden Gefahren durch Dampfkesselexplosionen besser begegnen zu können. 56 Ob hierzu aber gerade der Staat durch die Baubeamten imstande sei, wurde vom 1856 gegründeten Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in Zweifel gezogen. Entsprechend seinem Selbstverständnis, ein "inniges Zusammenwirken der geistigen 52 Sozial- oder umweltpolitisch engagierte Behördenleiter, aber auch vorbildliche Unternehmen fanden nicht selten eine lobende Erwähnung durch den Minister. Umgekehrt sind Vollzugsmängel häufig zum Gegenstand von öffentlichkeitswirksamen Aktionen gemacht worden. So wird etwa von dem ersten badischen Fabrikinspektor Woerishofer berichtet, er habe nicht davor zurückgeschreckt, in den zur Veröffentlichung bestimmten Jahresberichten Mißstände zur Erörterung zu bringen, um die öffentliche Meinung darauf hinzulenken: R. Fuchs, Friedrich Woerishofer. Vorstand der Großherzoglichen Badischen Fabrikinspektion von 1879-1902, 1903, S. 57. 53 Siehe oben, S. 38 ff., 60 ff. 54 Siehe oben, S. 165 ff. 55 Siehe oben, S. 174 f., 183 ff. 56 Eine generelle Genehmigungspflichtigkeit für Dampfkessel hatte Preußen bereits mit der "Allerhöchsten Kabinettsorder die Anlagen und den Gebrauch der Dampfmaschinen" vom 31.1.1831 eingeführt worden, dazu und zum legislatorischen Umfeld Kloepfer (FN 5), S. 39 f. Dennoch häuften sich die Unfalle und der preußische Staat sah sich mit dem Dampfkesselgesetz vom 7.5.1856 veranlaßt, eine regelmäßige Dampfkesselüberwachung anzuordnen: zum Ausbau der Dampfkesselüberwachung Sonnenberg, Hundert Jahre Sicherheit, Beiträge zur technischen und administrativen Entwicklung des Dampfkesselwesens in Deutschland 1810-1910, 1968, S. 193 ff.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
Kräfte deutscher Technik zur gegenseitigen Anregung und Fortbildung im Interesse der gesamten Industrie Deutschlands" herbeizuruhren, plädierte der Verein rur die Gemeinwohlsicherung durch den technisch-wissenschaftlichen Sachverstand in den - mit einer unverkennbar antibürokratischen Stoßrichtung entstandenen57 - privaten Vereinigungen. So wurde im Hinblick auf die zentrale Revisionsfrage geäußert, "daß die jetzt in den meisten deutschen Staaten vorgeschriebene Kesselkontrolle nur mangelhaft den Zweck erfüllt, den Kesselbesitzern und dem Publikum eine hinreichende Sicherung vor Kesselexplosionen zu gewähren und daß deshalb eine anderweitige Organisation derselben angestrebt werden müsse".58
Seit 1866 entstanden mit den Dampfkessel-Überwachungsvereinen (DÜV)59 private Kontrolleinrichtungen, denen sich die Kesselbesitzer zunehmend anschlossen, um die staatliche Kontrolle zu reduzieren. Diesem Anliegen kam das preußische "Regulativ, die periodische Untersuchung der Dampfkessel betreffend" vom 24. Juni 1872 60 mit der staatlichen Anerkennung der Überwachungsvereine und ihrer Einbeziehung in die Dampfkesselrevision nach. Danach konnten Dampfkessel, deren Besitzer Vereinen angehörten, welche eine regelmäßige und sorgfältige Überwachung der Kessel vornehmen ließen, von der amtlichen Revision befreit werden. 61 Neben die ebenfalls zugelassene (aber praktisch nicht bedeutsame) Eigenüberwachung durch die Betriebe und die behördliche Fremdüberwachung durch den Staat trat die Kontrolle durch Selbstverwaltungsorganisationen der Industrie, denen in der Folgezeit auch die Aufsicht über andere überwachungspflichtige Anlagen übertragen wurde. Im Jahr 1900 hatte sich der Staat schließlich rur die Dampfkessel aus der Überwachungstätigkeit durch eigene Kräfte weitgehend zurückgezogen und den Überwachungsvereinen ein entsprechendes Monopol konzediert. Diejenigen Kesselbesitzer, die sich nicht freiwillig einem solchen Überwachungsverein angeschlossen hatten, verpflichtete der Staat, ihre Anlagen durch Ingenieure des Vereins überwachen zu lassen. Anträge auf Gewährung der Eigenüberwachung
57 Zum Selbstverständnis des VDI Lundgreen, Die Vertretung technischer Expertise "im Interesse der gesamten Industrie Deutschlands" durch den VDI 1856 bis 1890, in: Ludwig (Hg.), Technik, Ingenieure und Gesellschaft: Geschichte des Vereins Deutscher Ingenieure 1856-1981, 1981, S. 67 (68 ff.). 58 Zit. bei Lundgreen (FN 57), S. 78. 59 Zunächst in Baden, wo mehrere Dampfkesselexplosionen den Anstoß bildeten, eine "Gesellschaft zur Überwachung und Versicherung von Dampfkesseln mit Sitz in Mannheim" zu gründen; zu Einzelheiten HojJmann, Organisation der technischen Überwachung in Deutschland, 1980, S. 31; Johann, Selbstregulierungen in unterschiedlichen Unternehmen und Institutionen, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 67 (68 f.). 60 PrGS S. 183. 61 Sonnenberg (FN 56), S. 223.
A. Historische Anknüpfungspunkte
235
wurden mit dem Hinweis abgelehnt, der Antragsteller möge sich einem Dampfkessel-Überwachungs verein anschließen. 62 Eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich im Bereich der Normung ab. Der preußische Reformstaat griff für die Formulierung der Anforderungen in der Dampfkesselfrage zunächst auf Forschungsergebnisse und Vorschläge der 1819 neu organisierten "Technischen Deputation für Handel und Gewerbe" zurück, verzichtete seit 1861 aber auf konkrete Bauvorschriften in den Dampfkesselregulativen. Wie der Kesseibetreiber etwa die Wandstärke des Kessels entsprechend dem beabsichtigten Dampfdruck bestimme, sei ihm selbst überlassen. 63 Es bestand weitgehender Konsens darüber, daß die in der Gewerbeordnung 1869 64 aufgenommene und durch das Dampfkesselgesetz von 1872 65 konkretisierte Verpflichtung des Unternehmers, in seinen Betrieben für die notwendigen Einrichtungen zur Sicherung gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zu sorgen, ausreichend sei. Der hierüber vermittelte Druck zur Selbstkontrolle schlug sich in der Übernahme von Normungsaufgaben durch die technischen Überwachungsvereine nieder. 66 Als nach der Jahrhundertwende einer "Technikkontrolle durch Technik" nicht mehr grenzenlos zugestimmt wurde, der Staat vielmehr verlorenes Terrain im Bereich der Regelsetzung wieder zu gewinnen versuchte, sahen die Anlagenbetreiber hierin eine nicht sachgerechte Reglementierung und Bevormundung der Überwachung. Die Einflußnahmen auf den Staat verstärkten sich und es entstanden neue Beteiligungsformen kooperativer Normsetzung, deren Institutionalisierung aber erst in jüngerer Zeit Gegenstand rechtlicher Regelungen geworden ist. 67 So hat sich das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) 1975 gegenüber der Bundesrepublik Deutschland vertraglich zur Berück-
62 Vgl. Hoffmann (FN 59), S. 80. Damit hatte sich für die technische Überwachung im Grunde ein Überwachungsmodell zwischen staatlicher Fremdüberwachung und individueller Eigenüberwachung durchgesetzt. Dessen Elemente werden gegenwärtig im auf Entlastung der staatlichen Kontrolle setzenden Umweltrecht aufgegriffen und verfeinert. Wurde aber seinerzeit die Prüforganisation noch selbst mit hoheitlichen Befugnissen beliehen (so für die technischen Überwachungvereine), verlagert sich der Anknüpfungspunkt für die staatliche Sicherstellung der privaten Überwachungstätigkeit zunehmend auf die Beleihung derjenigen Organisation, deren Aufgabe die Zulassung und Kontrolle der privaten Prüfer ist (so beim Umweltaudit). 63 Lundgreen (FN 57), S. 87. 64 § 107 der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21.6.1869, BGBI. S.270. 65 § 1 des Gesetzes, den Betrieb der Dampfkessel betreffend, vom 3.5.1872, PrGS S.515. 66 Vgl. Weber, Zur Geschichte der deutschen Dampfkesselbestimmungen. Hundert Jahre Ringen um eine industrielle Selbstverwaltung, VDI-Informationen Nr. 8, 1983. 67 Siehe etwa Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, 1995, S. 72 ff.
236
3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
sichtigung von Gemeinwohlbelangen verpflichtet. 68 Ferner wird dem Staat gleichsam als Kehrseite zur Berücksichtigung privater Normen in der hoheitlichen Rechtsetzunt 9 - in privaten Normungsorganisationen ein Platz eingeräumt, der es ihm erlaubt, auf den privaten Normungsprozeß ebenfalls Einfluß zu nehmen. 70 Der Kritik demokratischer Defizite 71 wird der staatsentlastende Effekt (wieder) gegenübergestellt. 72 Hiervon ist freilich nur etwas zu erwarten, wenn die Selbstorganisation der Wirtschaft in - mittlerweile verstärkt auch Minderheitsinteressen darstellenden und gesellschaftliche Eigeninitative bündelnden - Normungsverbänden ihrerseits von weitgehenden Normungen verschont bleibt. 73 Auch anderswo liegen die Wurzeln des Organisationsgedankens rur den Umweltschutz tiefer als es nach den oben beschriebenen Instrumenten74 den Anschein haben könnte. So hatten im Gewässerschutz des 19. Jahrhunderts wegen der unzureichenden Behördenorganisation und fehlenden Sachkenntnis der lokalen Vollzugsbehörden spezielle Einrichtungen wie in Preußen die "Königliche Wissenschaftliche Deputation rur das Medizinalwesen" die Aufgabe übernommen, auf die Ursachen der Flußverunreinigung hinzuweisen und entsprechende Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Auch die 1901 eingerichtete "Königlich Preußische Versuchsanstalt rur Wasser und Bodenhygiene" diente der Forschung und Beratung auf dem Gebiet der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. 75 Obgleich es hier zu einer engen Zusammenarbeit von Wis68 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN Deutsches Institut für Normung e.V. vom 5.6.1975, in: DIN-Normenheft 10, Grundlagen der Normungsarbeit des DIN, 6. Aufl., 1995, S. 43 ff. 69 Private Normen sind rechtlich unverbindlich, entfalten aber faktische Bindungswirkungen für die hoheitliche Rechtsanwendung. Von daher ist der immer wieder gegenüber der privaten Normgebung erhobene Einwand, der Staat liefere sich Partikularinteressen aus, nicht von der Hand zu weisen. 70 Vgl. Kloepfer/Elsner, DVBI. 1996,964 (970 f.). 71 Verfehlt wäre es, das allein gegen den Staat gerichtete Demokratieprinzip unbesehen auf die privaten Normungsorgansiationen zu erstrecken und deren Tätigkeit daran messen zu wollen. Die Frage kann nur sein, ob die staatliche Entscheidung noch demokratisch legitimiert ist, wenn sie auf "privatem Wege" letztlich zustandegekommen ist. Darf oder muß sogar der Staat von der privaten Norm abweichen (können), liegt es freilich schon im eigenen Interesse der privaten Normungsverbände, demokratischrechtsstaatliehe Mindestanforderungen zu erfüllen, um über die Gebote der Transparenz und Publizität sowie der ausgewogenen Beteiligung interessierter Kreise dem Staat die Rezeption der privaten Norm zu ermöglichen: so i. S. einer prozeduralen Richtigkeitsgewähr Schmidt-Preuß, Private technische Regelwerke - Rechtliche und politische Fragen, in: Kloepfer (Hg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich, 1998, S. 89 (95 f.). 72 So etwa Schmidt-Preuß (FN 71), S 93. 73 So auch Schmidt-Preuß (FN 71), S. 99 f. 74 Siehe oben, S. 200 ff. 75 Zum Ganzen Kloepfer (FN 5), S. 61 ff.
A. Historische Anknüpfungspunkte
237
senschaftlern, Behörden und Industrie kam, ließ sich die Situation im Gewässerschutz nicht entscheidend verbessern. 76 Es stellte sich zunehmend die Frage, ob mit den herkömmlichen Mitteln der Eröffnungskontrolle und Flußüberwachung die teilweise gravierenden Nutzungskonflikte - z. B. zwischen Industrie und Landwirtschaft - einer akzeptablen Lösung zugefiihrt werden könnten. Im heutigen Ruhrgebiet sahen sich einige Zechen bereits gezwungen, die Erlaubnis zur Abfilhrung der Grubengewässer gegen hohe Abfindungen an die betroffenen Landwirte zu erkaufen. 77 Nicht zuletzt deshalb drangen vor allem die Kommunen auf die Stärkung der Selbstverwaltung und die kollektive Bewältigung der Gewässerschutzaufgaben durch die Schaffung von Wassergenossenschaften. 78 Mit der sondergesetzlich gebildeten Emscher-Genossenschaft aus dem Jahr 1904 79 entstand - auf der Basis der Zwangsmitgliedschaft - der erste Wasserverband, an dessen Arbeit und Finanzierung alle Beteiligten ein Interesse zeigten. so Hierdurch gelang es, die Nutzungskonflikte im Emschergebiet weitgehend zu entschärfen und die Sanierung einzuleiten. 81 Ihre Vorbildfunktion rur die weiteren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts errichteten Wassergenossenschaften82 reicht bis heute und beeinflußt die Diskussion über Umweltgenossenschaften als Modell, die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Umweltschutzaufgaben durch Selbstverwaltungskörperschaften in staats entlastender Weise zu stärken. 13 Über die bestehende Satzungsbefugnis der Wasser- und Bodenverbände hinaus soll regionalen Umweltverbänden in Anlehnung an das Modell der Berufsgenossenschaften ein - auf den Aufgabenbereich beschränktes - Recht zur Normsetzung und Überwachung der verbands internen Normen übertragen werden können. 84 Flankierend könnte die solidarische Haftung des Verbandes rur Schäden hinzutreten, die durch seine Mitglieder verursacht werden. Der hierüber vermittelte Präventionsanreiz soll - so die Begründung des 76 Zur tatsächlichen Situation Romme/spacher, Das natürliche Recht auf Wasserverschmutzung, in: BrüggemeierlRommelspacher (Hg.), Besiegte Natur, 1987, S. 42 tT.; zur rechtlichen Entwicklung K/oepjer (FN 5), S. 62 ff. 77 Midde/dorj, Entwurf zur Regulierung der Vorflut und Abwasserreinigung im Emschergebiet, 1904, S. 4. 78 Rückblickend Ramshorn, Die Emschergenossenschaft, in: Emschergenossenschaft (Hg.), 50 Jahre Emschergenossenschaft, 1957, S. 31 ff. 79 Durch das Gesetz betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwasserreinigung im Emscher Gebiet vom 14.7.1904, PrGS S. 175. 80 Vgl. Wey, Umweltpolitik in Deutschland: Kurze Geschichte des Umweltschutzes in Deutschland seit 1900, 1982, S. 55. 81 Vgl. K/oepjer (FN 5), S. 67. 82 Nachweise bei K/oepjer, ebd. 13 Vgl. - eher skeptisch - MarburgerlGebhard, UmweItgenossenschaften, in: EndreslMarburger, Umweltschutz durch gesellschaftliche Selbststeuerung, 1993, S. 116 ff.; optimistischer G. Wagner, Kollektives Umwelthaftungsrecht auf genossenschaftlicher Grundlage, 1990, S. 115 ff. S4 So § 40 UGB-KomE.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
Kommissionsentwurfs zum UmweItgesetzbuch85 - durch ein Beitragssystem, das nach Schadenshäufigkeit und -anfälligkeit differenziert, noch verstärkt werden können. Daß schließlich auch die betriebliche Umweltschutzorganisation auf eine längere Geschichte zurückblicken kann, wird man angesichts der organisationsfördernden Eigenüberwachungspflichten aus dem technischen Sicherheitsrecht des 19. Jahrhunderts kaum in Frage stellen können. Vor allem der chemischen Industrie - dem späteren Vorreiter fur das Konzept des responsible care 86 wurde von den Behörden die Eigenüberwachung technischer Anlagen zugestanden. Dies konnte vielfach auch durch betriebseigene Sachverständige geschehen. Allerdings erfolgte die Anordnung der Eigenüberwachung - von den Betrieben seinerzeit weniger als Last denn als Selbstverständlichkeit empfunden häufig unter dem Vorbehalt, daß sich ein Revisionsverein durch Stichproben davon überzeugen konnte, ob die Anlagen "den Bestimmungen der Verordnung entsprechen und die Überwachung ordnungsgemäß erfolgt".87 In den Betrieben mag sich der Umweltschutz zwar erst in jüngerer Zeit als eigenes Firmenziel herausbilden, der sie gleichsam aus eigenem Antrieb zu Kontrollen und Verbesserungen der Umweltschutzorganisation anhält. Gleichwohl knüpfen Instrumente wie der Umweltbeauftragte oder das Umweltaudit an originär betriebliche Institutionen an, versuchen diese zu stärken und behutsam auf Gemeinwohlanforderungen auszurichten. 88 Hieraus beziehen die Instrumente der Betriebsorganisation ihre tiefere Rechtfertigung und das erforderliche Entfaltungspotential, aber auch ihre Grenzen. Denn in dem Maße, wie die betriebliche Organisationsfreiheit durch staatliche Organisationseinwirkung verloren ginge, würde der historische Kontext zur Eigenüberwachung gesprengt, Vollzugswiderstände zunehmen und der staatsentlastende Erfolg betrieblicher Eigeninitiative und Selbststeuerung in Frage gestellt werden.
B. Entwicklungseckpunkte Es fehlt nicht an Erklärungsversuchen fur den beschriebenen Zuwachs indirekter Steuerungsmittel neben dem Ordnungsrecht. 89 Letztlich beruht das stärke-
85 EMU, Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), 1998, S. 518. 86 Zu diesem aus den USA übernommenen Verhaltenskodex, der in Deutschland vor
allem vom Verband der chemischen Industrie (VCI) programmatisch verfolgt wird: Feldhaus, Öko-Audit, in: H.-W. Rengeling (Hg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), Bd. 1, 1998, § 36 Rn. 4. 87 Hoffmann (FN 59), S. 79. 88 Siehe oben, S. 203 f., 209 f. 89 Siehe etwa Kloepfer, JZ 1991,737 ff. (737); Hoffmann-Riem, DV 1995,425 ff.; Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulie-
B. Entwicklungseckpunkte
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re Hervortreten indirekter Instrumente auf dem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel, der mit dem Aufkommen des modemen Umweltschutzgedankens an die Stelle von Befehl und Rechtsgehorsam ein erhöhtes Bedürfnis nach Dialog, Kooperation und privater Selbsterledigung in Eigenverantwortung treten ließ. Dieser Wandel läßt das staatliche Handeln nicht unberührt, scheinen die komplexen Lebensverhältnisse doch die staatliche Steuerung immer langsamer und vor allem teurer bzw. unbezahlbar zu machen. Vor dem Hintergrund knapper Kassen wird eine Nutzung privater Ressourcen somit unausweichlich. Das Umweltrecht reagiert auf diesen Befund und wandelt sich selbst, indem es vermehrt indirekte Steuerungstechniken des Staates akzeptiert und aufnimmt. Dieser Prozeß scheint unurnkehrbar zu sein, erweist sich die Rückkehr zum Ordnungsrecht klassischer Prägung doch in vielen Bereichen angesichts der Grenzen, an die es gestoßen ist (und stoßen mußte), als eine kaum realistische und wohl auch nicht erwünschte Alternative. Zusammenfassend lassen sich drei markante Entwicklungseckpunkte aufzeigen, die für die Herausbildung indirekter Instrumente im deutschen Umweltrecht eine zentrale Rolle gespielt haben: I. Öffnung der Dogmatik
Die Ablösung von mechanistischen Steuerungsvorstellungen90 geht mit der zunehmenden Fragwürdigkeit bipolarer Frontstellungen - hier der Staat, dort der Bürger - einher. Spürbar wurde dies mit dem grundrechtlichen Schutzpflichtgedanken, der einen gesteigerten Handlungsbedarf des Staates, nicht aber eine generelle Vorprägung seiner Mittel erkennen ließ.91 Der Staat kann seiner Verantwortung für den Schutz der Grundrechte vielmehr auch durch Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung nachkommen. 92 Mit der Auflösung der grundrechtlichen Eingriffsfigur war es zunächst gelungen, indirekte Steuerungstechniken als grundrechtliche Belastung sichtbar zu machen. Der Eingriff als solcher wurde grundrechtsdogmatisch aber nicht entbehrlich. 93 Inzwischen scheint insbesondere das klassische Eingriffsmerkmal der Finalität die traditionell vom Subjektivitätsparadigma beherrschte und vorrangig auf die Wirkungsintensität von grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen abstellende Eingriffsdogmatik für die Bewältigung indirekter Verhaltenssteuerungen des Staates stärker sensibilisieren und damit auch für stabilisierende rung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 121 (122 f.); Schmidt-Preuß, FS für Kriele, 1997, S. 1157 (1159 0. 90 Siehe oben, S. 23 ff. 91 Siehe oben, S. 52 ff. 92 Siehe oben, S. 59 f. 93 Siehe oben, S. 60 ff.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
Verantwortungsstrukturierungen öffnen zu können. So darf die grundsätzlich gewahrte Wahlfreiheit zwischen bestimmten Entscheidungsalternativen nicht formal verstanden werden. Deren staatliche Vorprägung - sei es durch ökonomischen Druck, informale Überredungskünste oder ge zielte Organisationseinwirkung - macht die Grundrechtsausübung zwar nicht unmöglich, kann sie aber doch in erheblicher Weise erschweren. Dabei scheinen Freiwilligkeit und Zwang als Kriterien für die Frage nach dem Vorliegen eines Grundrechtseingriffs wenig geeignet zu sein. Die indirekte Steuerung positiv erwünschter oder negativ unerwünschter, jedenfalls staatlicher Bewertung unterliegender Verhaltensweisen entzieht sich einer solchen Einordnung mehr oder weniger bewußt und erschwert vor dem Hintergrund der nicht vollständig autonomen Entscheidungsbildung eindeutige Zuordnungen. 94 Vielmehr können bereits nach der objektiv-finalen Logik indirekter Verhaltensbeeinflussung ökonomische, informale oder auch organisatorische Steuerungseffekte einen staatlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Autonomiebereiche darstellen. 95 Und dort, wo es dem Staat erkennbar darauf ankommt, das tatsächlich autonome Verhalten des Adressaten zum Nachteil grundrechtlieh geschützter Interessen eines Drittbetroffenen zu steuern, kann auf die Mittelbarkeit und besondere Intensität der Beeinträchtigung für die Eingriffsfeststellung verzichtet werden. 96 Der Umstand allein, daß erst das private Handeln des Adressaten beeinträchtigend wirkt, steht der Annahme eines zielgerichteten Eingriffs in die geschützten Rechte des betroffenen Grundrechtsträgers jedenfalls nicht prinzipiell entgegen. Gleichwohl sind die Grenzen einer solchen Neubestimmung unverkennbar. Schon der Schutzpflichtengedanke um faßt in seiner subjektivierten Prägung nur einen Teilausschnitt (neuer Herleitungen) staatlicher Handlungspflichten und kann weder direkte Eingriffe noch indirekte Einwirkungen unmittelbar rechtfertigen. Auch die Finalisierung indirekter Verhaltenssteuerung unterliegt Grenzen, soll der Eingriffsbegriff - über seine unverzichtbare Filterfunktion hinaus nicht aufgebläht und zum alleinigen Maßstab grundrechtsrelevanten Handeins des Staates gemacht werden. 97 Wo kein finaler Eingriff vorliegt, kann eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung sehr wohl feststellbar sein. 98 Andererseits kann der Zurechnungszusammenhang durch das private Handeln unterbrochen werden, wenn z. B. der Steuerungsadressat von staatlicher Seite nicht für
94 Vgl. Kloepfer, ZAU 1996, S. 205 f.; ders., Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, 1998, S. 28; rur das Umweltaudit auch Schmidt-Preuß (FN 89), S. 1169. 95 Siehe oben, S. 106 ff., 160 f., 177 f., 194 f. 96 Siehe oben, S. 160 f. 97 Vgl. Kloepfer, VVDStRL (57) 1998, S. 121. 98 Die Finalität ist letztlich nur ein grober Filter, der intentionale Verhaltensänderungen durch den Staat unter einen besonderen grundrechtlichen Rechtfertigungszwang stellt.
B. Entwicklungseckpunkte
241
Einwirkungen auf den Steuerungsbetroffenen eingesetzt werden sol1.99 Immerhin: Das Finalitätskriterium lenkt den Blick auf den maßgeblichen Zweck bzw. die Intention staatlichen Handeins und bietet einen vorgelagerten Schutz, ohne daß hierrur eine - wie auch immer zu bestimmende - Schwere festgestellt werden müßte. Damit wird aber zugleich auch der rechtsschutzzentrierte Blickwinkel verlassen, objektive Handlungsbindungen erkennbar und der Weg rur die Entwicklung alternativer - kompensatorischer - Schutzmechanismen frei. Denn es steht außer Frage, daß sich die Rechtsordnung gegenüber noch nicht eingreifenden, aber dennoch grundrechtsrelevanten Maßnahmen des Staates nicht einfach verschließen kann. Das subjektiv-rechtliche Eingriffsdenken stößt hier unweigerlich an seine Grenzen. Zu fragen ist deshalb, ob Schutz und Kontrolle nicht auch jenseits der herkömmlichen Abwehrreaktionen gesucht werden und zu suchen sind. lOo Wo der Staat nur ein Akteur unter vielen ist, als Partner auftritt und Rahmenbedingungen rur eine gesellschaftliche Selbststeuerung schafft, mag ein wirksamer Schutz gerade auch in der öffentlichen Auseinandersetzung, im Dialog und der Aktivierung privatrechtlicher Schutzmechanismen liegen. Dort, wo der Staat sich zurücknimmt, entfallt zwar nicht die Kontrolle zurückgenommenen Handeins. Aber die Kontrolle muß sich der veränderten Staatlichkeit anpassen und mehrdimensional- vor allem unter Einbeziehung der Öffentlichkeit als wichtiger Kontrollinstanz - ausgerichtet werden. 11. Wandel der Handlungsformen
Einen weiteren Entwicklungseckpunkt markiert der durch die gestiegene Präventionsausrichtung des Umweltrechts maßgeblich bedingte Wandel seiner Handlungsfonnen. 101 Je weiter die Gefahrenabwehr nach vorne verlagert wurde, um durch die Risikovorsorge ergänzt und schließlich (begrifflich) überlagert zu werden, desto deutlicher traten die Grenzen der befehlsfönnigen Steuerung zu Tage. 102 Der in Teilbereichen des Umweltrechts zu beobachtende Verzicht des Staates auf den Einsatz imperativer Steuerungsinstrumente ruhrt aber nicht zur Aufgabe staatlicher Steuerung, sondern zum vennehrten Einsatz solcher Instrumente, deren Steuerungsimpulsen die staatliche Erwartung privater Folgebereit-
99 Das intendierte Verhalten des Adressaten muß sich aber nicht spiegelbildlich als Nachteil auf seiten des Betroffenen tatsächlich niederschlagen. Als Folge des Eingriffs wird der konkrete Umfang der Nachteile erst bei der Eingriffsrechtfertigung oder der Staatshaftung relevant, so für staatliche Lenkungsinformationen Kloepfer (FN 94), S.31. 100 101 102
So Kloepfer (FN 97), S. 121 f. Siehe oben, S. 78 ff. Siehe oben, S. 91 ff.
16 Franzius
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
schaft zugrundeliegt. \03 Die hervortretenden, durchaus wirkungsvollen Handlungsfonnen ökonomischer, infonnaler oder auch organisatorischer Lenkung lösen die überkommenen Handlungsfonnen nicht ab, stellen im Bereich der Risikovorsorge aber eine Handlungsalternative oder sogar einen Handlungsersatz dar. Nicht immer "mehr" Instrumente, sondern "bessere" Instrumente sollen den Staat in die Lage versetzen, flexibler und effektiver die gewachsenen Aufgaben im Umweltschutz zu erfiillen. Der europäische Integrationsprozeß hat sich diesem Wandel nicht entgegengestellt, sondern durch entsprechende Anstöße eher noch gefördert. Mit den indirekten Handlungsfonnen reagiert der Staat auf die sinkende Steuerungsfahigkeit fonnaler Regelungen, tritt aber gleichzeitig überzogenen Steuerungserwartungen an den Staat entgegen und versucht dem gestiegenen Erwartungsdruck an neue Konzepte der Risikobewältigung durch Mobilisierung von gesellschaftlicher Eigenverantwortung gerecht zu werden. Substantiell geht es darum, "den Defiziten des Formalrechts und des materialen Rechts gleichermaßen zu begegnen, d. h. jenseits von Gleichgültigkeit auf der einen und ergebnisorientiertem Eingriff auf der anderen Seite Einfluß zu nehmen durch abstraktere Formen der Steuerung - Formen insbesondere, die eine begrenzte gesellschaftliche Selbststeuerung einräumen". 104
Die Anerkennung und Verrechtlichung indirekter Handlungsfonnen stellt das Umweltrecht vor große Herausforderungen, muß vor dem Hintergrund ihrer tatsächlichen Entwicklungsgeschichte aber im Grunde als selbstverständlicher Vorgang betrachtet werden. Selbstverständlich insoweit, als es schon immer die Aufgabe des Rechts gewesen ist, geeignete Handlungsfonnen dem Staat zur Verrugung zu stellen, diese hinreichend zu strukturieren und in die gewachsene Rechtsordnung einzupassen. Sicherlich mögen manche Instrumente nicht die erhoffte Aufnahme im Umweltrecht gefunden haben. So hat sich der Lenkungsgedanke ökonomischer Instrumente angesichts der vergleichsweise strikten Vorgaben der finanzverfassungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur rudimentär durchsetzen können. Politische Hindernisse traten und treten erschwerend hinzu. \0; Dies muß jedoch kein Mangel sein, da erst das verbreitete Unbehagen gegenüber staatlichen Preisdirigismen den Weg rur neue Konzepte über andere Handlungsfonnen eröffnet hat. Dazu zählen haftungsrechtliche Anreize lo6 ebenso wie informale, insbesondere stärker auf Kooperati103 Vgl. D. Grimm, Der Wandel der Staatsaufgaben und die Krise des Rechtsstaates, in: ders. (Hg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfahigkeit des Rechts, 1990, S. 291 ff. (298); M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 3. 104 So Becker-Schwarze/Köck/Kupkalv. Schwanenjlügei, Einruhrung, in: dies. (Hg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 9. 105 Siehe oben, S. 130, 145. 106 Siehe oben, S. 131 ff.
B. Entwicklungseckpunkte
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on setzende Instrumente, deren Formlosigkeit - historisch betrachtet - vielfach nur als "Durchgangsstadium" ihrer verrechtlichenden Formalisierung erscheint. 107 Daß der Staat auch ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage informiert und faktischen Konsens anstrebt, braucht zwar keinen Rechtsverstoß darstellen. Aber in dem Maße, wie der zwischen Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit changierende Staat die Information oder den Konsens als Steuerungsmittel flächendeckend einsetzt, um die nur schwachen Handlungsbindungen zu eingriffsverunklarenden Zielverwirklichungen auszunutzen, wird die Aufdeckung und stärker in das Recht einbindende Formalisierung dieser Steuerungsmittel unauswdchlich. Für den Flexibilität suchenden Staat kann dies wiederum kein Mangel sein, da eine stärkere Verrechtlichung die rechtlichen Einsatzbedingungen dieser Instrumente offenzulegen hilft. Die Schaffung von inhaltlichen Mindestrnaßstäben, von Transparenz und Publizitätspflichten - insbesondere filr regulative Absprachen J08 - könnte insoweit spielraumerhaltend die rechtsstaatlichen Unsicherheiten in der Anwendung der auf Konsens gerichteten Instrumente reduzieren. Sollen die Vorteile der rechtlichen Unverbindlichkeit nicht geschmälert werden, dürfte der generelle Rückgriff auf weitreichende Analogien zum Verwaltungsverfahrensgesetz mit seinen Anforderungen für verbindliches Handeln des Staates jedenfalls ausscheiden. Normiert der Gesetzgeber aber indirekte Verhaltens impulse, kann er den Erfolg dieser Maßnahmen häufig noch nicht absehen. Insoweit ist dem legislativen Akt mit lediglich indirekt~ Steuerungswirkung - wie etwa im Falle der Förderung privatwirtschaftlieher Abfallentsorgungsysteme J09 - eine experimentelle, auf die mehr oder weniger autonome Verhaltensmitwirkung der Steuerungsadressaten gerichtete Entscheidung immanent und die Temporalisierung des Rechtmäßigkeitsurteils letztlich unvermeidbar. Dies zeigt bereits die Verpackungsverordnung mit den Impulsen filr den Aufbau und die Beteiligung am Dualen System, läßt sich aber möglicherweise auch als allgemeiner Grundzug einer - nach und nach strengeren - Verfassungskontrolle indirekter Verhaltenssteuerung begreifen. 111. Integration im Recht
Schließlich tritt problemlenkend und -lösend die Integrationsmöglichkeit indirekter Steuerungsformen im Umweltrecht hinzu. Der seit 1970 in Deutschland vorgenommene Auf- und Ausbau eines gegenüber dem Ausland vergleichsweise umfassenden ordnungsrechtlichen Instrumentariums zum Umweltschutz erschwert die Einfilgung indirekter Steuerungstechniken in das Umweltrecht. War es in der "legislativen Aufbauphase" der 70er Jahre noch gelungen, die Abwas-
107 108 109
Siehe oben, S. 157 ff., 171 ff. Siehe oben, S. 183 ff. Siehe oben, S. 191 ff.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
serabgabe als ökonomisches Lenkungsinstrument einzufuhren, so scheinen heute eine Fülle indirekter Instrumente - wie z. B. selbst punktuelle Lizenzlösungen liO - im bestehenden Umweltrecht nur sehr schwer integrierbar zu sein. Entweder es besteht eine gewisse Tradition auch zu unkonventionellen Maßnahmen (wie gerade im Wasserrecht, der wohl ältesten Materie des deutschen Umweltrechts) oder der Sachbereich ist weitgehend ohne eigenständige Regelungen geblieben (wie im Klimaschutz, der nicht zuletzt deshalb von den Selbstverpflichtungen der Wirtschaft erfaßt werden kann). Der gemeinschaftsrechtliche Anpassungsdruck verschärft die Integrationsprobleme noch, werden doch nicht selten auf das bestehende Umweltrecht neuartige Instrumente "aufgepropft" (wie z. B. im Fall der EG-Umweltinformationsrichtlinie). Und in dem Maße, wie der nationale Gesetzgeber zur Aufnahme "neuer" Instrumente gezwungen wird, stellt sich die Frage nach ihrer Integration durch den kontrollierten Abbau oder die Substitution "alter" Instrumente. Da dies naturgemäß schwerfällt (und auch nur begrenzt möglich ist), wächst die Skepsis gegenüber Selbststeuerungsmodellen gerade in Unternehmen, also denen, auf die solche Lösungsvorschläge maßgeblich abstellen. Das ordnungsrechtlich geprägte Umfeld indirekter Steuerungs instrumente läßt einen generellen Vorrang kooperativer Lösungen kaum zu, setzen Vereinbarungen und andere auf dem Konsens der Beteiligten beruhenden Maßnahmen des Umweltschutzes - Heinrich von Lersner zufolge - doch gerade den "Knüppel im Sack" voraus. III Der Staat ist auch als Partner ein primus inter partes, der - will er motivierende Anreize setzen - das Ordnungsrecht in der Hinterhand behalten muß. Einer legislativen Präferenz fur Kooperation und Selbststeuerung - wie es der Professorenentwurf zum Umweltgesetzbuch in § 6 Abs. I S. 3 und 4 sowie Abs. 3 UGB-ProfE vorsieht - ist daher mit Vorsicht zu begegnen. ll2 Die Instrumentenwahl bleibt aus staatlicher Sicht eine Frage umweltpolitischer Opportunität und einzelfallbezogener Ermessensentscheidung. IIJ Hiervon geht auch der Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch aus, der in § 7 Abs. 2 UGB-KomE fur Maßnahmen aufgrund umweltrechtlicher Vorschriften eine Prüfpflicht der Behörden statuiert, ob "die Zwecke des Gesetzes in gleicher Weise durch Vereinbarungen mit den Betroffenen" erreicht werden können. Ähnlich legt in Anlehnung an § 215 UGB-ProfE fur vertragliche Vereinbarungen zum Naturschutz § 3a BNatSchG II4 keinen einklagbaren Vorrang, sondern
110 111
S.23.
Siehe oben, S. 144 f. v. Lersner, VerwaltungsrechtIiche Instrumente im Umweltschutzrecht, 1983,
V gl. Sendler, DVBl. 1992, 1113 ff. (1120). So M. Schräder, NVwZ 1998, 1011 ff. (1014). 114 Bundesnaturschutzgesetz i. d. F. vom 21.9.1998, BGBl. I S. 2994. Auch nach der alten Fassung bestand kein allgemeiner Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor einseitig hoheitlichen Schutzmaßnahmen: BVerwG, NuR 1998,37 ff. (38). 112 113
B. Entwicklungseckpunkte
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lediglich die Prüfung solcher Maßnahmen fest. Gilt es, darüber hinaus ein beziehungsloses Nebeneinander direkter und indirekter Instrumente zu vermeiden, müßten die jeweils einsetzbaren Instrumente im Sinne von gesamtverhältnismäßigen Verbundlösungen stärker abgeschichtet werden. Insoweit ist es im Kern ein berechtigtes Anliegen, über das Ordnungsrecht die unverzichtbaren Basisanforderungen rur umweltbelastende Tätigkeiten festzulegen und im übrigen stärker auf Anreizinstrumente zu setzen. Damit könnte das Ordnungsrecht im Bereich der Ausgestaltung der Vorsorgepflichten entlastet und der Raum fur eine effektive Risikovorsorge durch flexible Anreizinstrumente eröffnet werden. ll ) Ob sich hierdurch auch ein "Beschleunigungseffekt" einstellen läßt, hängt maßgeblich davon ab, inwieweit es gelingt, den Dienstleistungscharakter des Umweltrechts stärker herauszustellen. Denn die Vereinfachung von Zulassungsverfahren zugunsten privatwirtschaftlicher Selbststeuerung geht mit der Eingrenzung des Bestandsschutzes einher. Liegt es im Interesse des Anlagenbetreibers, möglichst früh die Zulassung zu erhalten, ist seine Rechtsposition wegen der verminderten behördlichen Prüfdichte weniger stark abgesichert und läßt somit auch vermehrt lenkende Einwirkungen durch staatliche Anreize und privatwirtschaftliche Risikovorkehrungen zu. Umgekehrt mag das einzelne Unternehmen aber auch an "klaren Verhältnissen" interessiert sein, um betriebliche Risiken überschaubar und kalkulierbarer zu halten. Hierzu bleiben die umfassenden (bisweilen eben auch zeitintensiven) ordnungsrechtlichen Präventivkontrollen und insbesondere die behördliche Überprüfung der Vorsorgeanforderungen unerläßlich. Deregulierung zugunsten einer durch indirekte Verhaltensanreize flankierten eigenverantwortlichen Selbststeuerung kann demnach letztlich nur ein staatliches "Angebot" sein, das im Einzelfall durch den Bürger angenommen oder auch abgelehnt werden kann. Nicht minder schwierig erweist sich die Abschichtung der indirekten Instrumente untereinander. So ist das indirekte Einwirkungsinstrumentarium der Umweltpolitik rur den Bürger immer unübersichtlicher geworden. Ob sich jedoch mehr Übersichtlichkeit mit dem vom Bundesverfassungsgericht in den Urteilen zur kommunalen Verpackungssteuer und den landesrechtlichen Abfallabgaben entwickelten Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung herstellen läßt, erscheint zweifelhaft. 116 Es liegt weitgehend in der Hand des Gesetzgebers, mit welchem Inhalt er die Leitmaximen der Umweltpolitik instrumentell ausrullt. Dysfunktionale Steuerungwirkungen werden dabei u. U. in Kauf genommen werden müssen. Über ein einzelnes Prinzip oder auch eine Konzeption - wie es das Bundesverfassungsgericht zuletzt fur den im Bundes-Immissionsschutzgesetz und im Abfallgesetz zum Ausdruck kommenden Kooperationsgedanken angenommen hat - läßt sich der abgabenrechtliche Gestaltungsspielraum weder
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So Kloepfer (FN 94), S. 208 f. Siehe oben, S. 126 ff.
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3. Teil: Praktische Kontinuität und rechtliche Entwicklung
des Landes- noch des Bundesgesetzgebers nicht überzeugend einschränken. Der Umstand allein, daß sich der Gesetzgeber fiir mehr Kooperation entscheidet, schließt die Steuerung über ökonomische Lenkungsinstrumente nicht aus. Dies gilt auch umgekehrt, wenngleich nicht zu übersehen ist, daß trotz der Verschiedenartigkeit der Steuerungsansätze diese auch instrumentell miteinander verbunden sein können. So mag der Aufmerksarnkeitserfolg des Umweltaudits nicht zuletzt auf der Verbindung ökonomischer und organisatorischer Steuerungsansätze mit ordnungsrechtlichen Vorgaben beruhen. Gerade hier scheinen die Entlastungspotentiale der ordnungsrechtlichen Kontrolle noch nicht ausgereizt zu sein.
Zusammenfassung Die Arbeit widmet sich den Instrumenten indirekter Verhaltenssteuerung, deren Bedeutungszuwachs im Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland unter einem die rechtshistorischen Entfaltungsbedingungen aufgreifenden, stärker entwicklungsdogmatischen und einem die jüngere Rechtsentwicklung nachzeichnenden, in erster Linie entwicklungssystematischen Blickwinkel betrachtet werden. Den Abschluß bilden Kontiniuität und Wandel in der Darstellung maßgeblicher Entwicklungseckpunkte fiir die Herausbildung und Fortentwicklung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung. Der in Aufbau und Methode verfolgte mehrdimensionalen Ansatz ist der Breite und Erklärungsbedüftigkeit des Untersuchungsgegenstandes geschuldet. Unter umweltrechtlichen Instrumenten werden über die generellen und einzelfallbezogenen Regelungen des öffentlichen und privaten Rechts hinaus alle rechtsbezogenen Maßnahmen verstanden, die umweltschonendes Verhalten bewirken oder umweltbeeinträchtigendes Verhalten verhindern sollen. Den Instrumenten indirekter Verhaltenssteuerung sind nicht nur die ökonomischen und infonnalen Instrumente des Umweltrechts zuzuordnen, sondern auch die hier als organisatorische Instrumente bezeichneten Maßnahmen, die (wie die Verpakkungsverordnung) auf die Abwendung oder (wie das Umweltaudit) auf die Unterstützung und Übererfiillung ordnungsrechtlicher Pflichten gerichtet sind. Eingebettet in die historischen Entwicklungszusammenhänge der gesamten Rechtsordnung ist das staatliche Handeln auch im Umweltrecht durch den zu suchenden Ausgleich zwischen Stabilität und Flexibilität geprägt. Die rechtsstaatliehe Durchdringung des Verwaltungsrechts, als dessen Teil- und Referenzmaterie sich das Umweltrecht bis heute im wesentlichen darstellt, ließ im Kaiserreich die weitgehend autonomen und wirkungsmächtigen Grundprinzipien der verwaltungsrechtlichen Systembildung entstehen, fiihrte aber zu einer nachhaltigen "Blickverengung" hinsichtlich der tatsächlichen Erscheinungsfonnen staatlicher Herrschaftsausübung. Das nur motivierende, beratende oder auch partnerschaftliehe Handeln des Staates fand im System des Verwaltungsrechts keinen Platz, lag diesem doch das tief verwurzelte Bild des Staates als Maschine zugrunde. Prägend fiir das bis weit in das 20. Jahrhundert reichende und in Einheitsvorstellungen des Staates noch heute virulente Maschinenmodell staatlicher Verhaltenssteuerung war die Reduzierung der Steuerungsaufgaben des Rechts auf die Festlegung von verbindlichen Regeln fiir den obrigkeitlich auftretenden Staat und die mechanistische Umsetzung von (Gesetzes-)Befehlen. Soweit auf das Verhalten der Bürger ohne obrigkeitliche Ge-
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waltausübung einzuwirken versucht wurde, verlor das insoweit gesetzesfreie Handeln der Verwaltung seinen rechtlichen Bezugspunkt und erschien als Nicht-Recht. Die imperative Verhaltenssteuerung basiert mit ihren zentralen Bausteinen Legalität und rechtsförmlicher Zwang auf Prämissen, die im 19. Jahrhundert noch relativ stabil waren. Hierzu zählt zum einen die binäre Ausrichtung des Ordnungsrechts auf Ge- oder Verbote in den vorgegebenen Kategorien von Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit individuellen Verhaltens. Zum anderen ist es der herausgehobene Zweck staatlicher Gefahrenabwehr, dessen Freilegung im Gefahrenbegriff die Legitimations- und Begrenzungsgrundlage für Eingriffe in gesellschaftliche Abläufe rechtsstaatlich erneuert. Unter dem Leitbild der "ungehinderten Entfaltung der freien Kräfte" konnte sich der Staat prinzipiell auf formelle Regelungen der direkten Verhaltenssteuerung individueller Handlungen beschränken. Die Handlungsfolgen und -ergebnisse blieben der gesellschaftlichen Selbststeuerung durch den Marktmechanismus und freier individueller Entfaltung überlassen, bildeten insoweit aber die notwendige Ergänzung zu den beschränkten Handlungsmöglichkeiten des Staates und stellten Zusatzbedingungen dar, auf denen die Leistungsfähigkeit ordnungsrechtlicher Verhaltenssteuerung letztlich auch heute noch beruht. Es nimmt daher nicht wunder, daß dritte Wege zwischen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbststeuerung im Kaiserreich weitgehend verdeckt blieben. Die ohne rechtsförmlichen Zwang auftretende Staatsgewalt wurde in der Weimarer Republik dogmatisch nur unzureichend bewältigt, obwohl in den Formen "schlichter Hoheitsverwaltung" die zwanglose, aber dennoch lenkende Einwirkung des Staates immer deutlicher in Erscheinung trat und unter dem Grundgesetz schließlich auch eine rechtliche Einbindung verlangte. Der das verwaltungsrechtIiche System erfassende Subjektivierungstrend fing die zunehmende Komplexität der zu bewältigenden Lebenssachverhalte in subjektiven öffentlichen Rechten auf, die immer stärker unter den Einfluß der Grundrechte gerieten und zunehmend die generelle Frage aufwarfen, welche Vorkehrungen der Staat zum Schutz der Grundrechte zu treffen habe. Obgleich die Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche durchaus gesehen wurden, haben die Schutzpflichten einen gesteigerten Handlungsbedarf des Staates erkennen lassen. Ihre Fundierung in den Freiheitsrechten schwächt die Begrenzungskraft der auf die bipolare Abwehrsituation zugeschnittenen Grundprinzipien des Verwaltungsrechts und läßt neue Handlungsformen hervortreten, mit denen der Staat ebenso effektiv wie insgesamt freiheitsschonend auf die gestiegenen Sicherheitsbedürfnisse reagieren soll. Infolge der zunehmenden Kritik an der überkommenen Rechtsschutzfixierung des Verwaltungsrechts und den wachsenden Zweifeln an der Steuerungsfahigkeit des Rechts erfuhren die Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung einen breiten Aufrnerksamkeitsschub, der sie unter dem in den Vordergrund rückenden Gestaltungs- und Bewirkungsauf trag der Verwaltung als Antwort, wenn nicht sogar als Ausweg aus der vielbe-
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schworenen Krise des regulativen Rechts erscheinen läßt. Hatten die älteren ordnungsrechtIichen Instrumente die gesellschaftliche Umwelt lediglich als steuerungsbedürftige Größe behandelt, so zielen die neueren Instrumente der indirekten - rechtlich nicht zwingenden - Verhaltenssteuerung auf die Steigerung gesellschaftlicher Selbststeuerungsfähigkeit. Hierin wird die Distanz zum liberal-rechtsstaatlichen Regelungsmodell deutlich: Nicht erst dann, wenn die Selbststeuerung mißlingt, soll der Staat auf den Plan treten. Vielmehr setzt staatliche Steuerung schon im Vorfeld ein, um mit positiven oder negativen Anreizen jenseits der klassischen, auf die direkte Verhaltenssteuerung zugeschnittenen Steuerungsmittel eine eigenverantwortliche Selbststeuerung anzustoßen oder zu erleichtern. Als hauptverantwortlich für den vermehrten Einsatz der ökonomischen, informalen und organisatorischen Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung erwies sich der umweltrechtliche Vorsorgegedanke. In dem Maße, wie es es darum ging, theoretisch nur denkbare, kausal nicht hinreichend zurechenbare und nicht einmal schadens gerichtete Umweltbeeinträchtigungen zu bewältigen, stießen die gefahrenabwehrrechtliche Konzeption und die ordnungsrechtliche Umsetzung der Vorsorgeanforderungen an Grenzen ihrer Tauglichkeit und rechtsstaatlichen Zulässigkeit. Der das staatliche Handeln seit dem Beginn des modemen Verwaltungsrechts umklammernde und disziplinierende Begriff der Gefahr büßt im Umweltrecht seine zentrale Stellung ein und wird zu einem Unterfall des Risikos. Staatliches Handeln erfaßt gerade auch diejenigen Risiken, die von der Rechtsgemeinschaft als rechtlich hinnehmbar, aber unerwünscht bewertet werden. Hiervon gehen nunmehr auch die Entwürfe zum Umweltgesetzbuch aus, in denen der Konnex zwischen der erweiterten Risikovorsorge und dem Ausbau geeigneter Instrumente für Unsicherheitsbewältigungen unter der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung sind durch Steuerungsmittel gekennzeichnet, die sich vom Ordnungsrecht signifikant unterscheiden: Nicht Legalität, Rechtförmlichkeit und Individualrechtsschutz prägen das auf Motivationsbeeinflussung setzende Instrumentarium des Staates, sondern Anreizwirkung, Tauschprinzip und induzierte Selbststeuerung. Der Bürger behält das Letztentscheidungsrecht und die Wahl, ob er dem staatlichen Steuerungsimpuls folgt oder nicht. Jedoch dürfen der verbleibende Entscheidungsspielraum und der Verzicht auf befehlsförmigen Zwang in der Gegenüberstellung zum Ordnungsrecht nicht über die staatliche Vorprägung der Entscheidungsalternativen und die faktisch freiheitsmindernden Wirkungen indirekter Steuerung hinwegtäuschen. Diese sind nicht selten vom Staat beabsichtigt und ihm deshalb auch zuzurechnen. Im übrigen erweist sich die grundrechtliche Zurechnung zum Staat als problematisch, wird mit den übergreifenden Steuerungswirkungen der indirekten Verhaltenssteuerung doch die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft brüchig und die Systemzäsuren zwischen öffentlichem und privatem Recht un-
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scharf. Die Schutzlücken lassen sich indessen nicht allein durch den bestehenden Privatrechtsschutz schließen. Als Ausweg bietet sich eine stärkere Verzahnung mit dem Ordnungsrecht an, das die unverzichtbaren Basisanforderungen statuiert und freiwillige Selbststeuerung durch staatliche Zugriffsoptionen flankiert. Dies schließt ordnungsrechtliche Entlastungen und eine stärkere Aktivierung des Privatrechts rur die eigenverantwortliche Erbringung von Beiträgen zum Umweltschutz nicht aus. Ökonomische Instrumente des Staates zeichnen sich durch das Ziel einer Rückverlagerung der bisher von der Allgemeinheit getragenen Kosten von Umweltnutzungen auf den Verursacher aus, in dessen betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung sie bisher nicht erschienen sind. Die von der Umweltökonomie ursprünglich favorisierten und gegenüber dem Ordnungsrecht als überlegen empfundenen Umweltlenkungsabgaben haben sich im Umweltrecht aber nur begrenzt - vor allem in der Abwasserabgabe und den landesrechtlichen Wassernutzungsentgelten - realisieren lassen. Obgleich anerkannt ist, daß Lenkungsabgaben grundsätzlich in jeder Rechtsform erhoben werden können, haben die nicht unberechtigten Sorgen einer "apokryphen Finanzverfassung" und die vergleichsweise strikten Vorgaben der finanzverfassungsrechtIichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen "Siegeszug" der Umweltabgaben verhindert. Den insbesondere auf Bundesebene inzwischen eingeschlagenen Kurswechsel zugunsten kooperativer Lösungen naIun das Bundesverfassungsgericht zuletzt mit weit überschießenden und einen gemischten Instrumenteneinsatz in Zukunft erschwerenden Begründungen zum Anlaß, die kommunale Verpackungssteuer sowie die landesrechtlichen Abfallabgaben als mit dem Kooperationskonzept des Bundesabfallrechts bzw. Bundesimmissionsschutzgesetzes rur unvereinbar und damit rur verfassungswidrig zu erklären. Konkurrierende Verhandlungsmodelle, wie sie in der ökonomischen Theorie des Rechts rur Kostenanlastungen und präventive Verhaltensänderungen insbesondere durch das private Haftungsrecht diskutiert werden, haben das Umwelthaftungsrecht zwar wissenschaftlich befruchten können, ließen in der Praxis aber keine echte Alternative zum Ordnungsrecht erkennen. Ob sich die Lücken des Umwelthaftungsgesetzes - insbesondere hinsichtlich der Erfassung von Distanz- und Summationschäden sowie ökologischer Schäden - durch individualrechtliehe Lösungen schließen lassen, ist zweifelhaft. Das gleiche gilt rur Zertifikatslösungen, wenngleich nicht zu übersehen ist, daß der Grundgedanke einer flexiblen und situationsangepaßten Minderung von Umweltbelastungen in der Form von Kompensationsläsungen Eingang in das Umweltrecht gefunden hat. Auch die Herausbildung und Bewältigung informaler Instrumente ist von der Einsicht in die Erhaltung flexibler Handlungsspielräume rur die Akteure geprägt. Damit wird eine verrechtlichende Stabilisierung aber nicht entbehrlich. Dies betrifft vor allem das informationelle Handeln des Staates, das in Gestalt behördlicher Warnungen und Empfehlungen trotz verbleibender Entscheidungs-
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freiheit des "Informationsadressaten" einen Grundrechtseingriff in geschützte Rechtspositionen des von der Information betroffenen Grundrechtsträgers darstellen und deshalb dem Gesetzesvorbehalt unterfallen kann. Neben die grundrechtliche, durch den Schutzpflichtgedanken jedoch bisweilen ver-unk Iarte Eingriffsrelevanz tritt rur hoheitlich inspirierte Umweltabsprachen unter dem sie fOrdernden, aber rechtlich nicht allein legitimierenden Kooperationsprinzip die kartellrechtIiche Einbindung. Diese reicht umso weiter, je geringer die staatliche Vorprägung von Inhalt und Ausgestaltung der Absprache ausfällt. Insbesondere regulative Absprachen werfen in ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit erhebliche Rechtsfragen auf: Für den Bürger stellt sich die Frage nach den Grenzen (eines Wegfalls) des rechtsstaatlichen Vertrauenschutzes gegenüber dem von staatlicher Seite stillschweigend erklärten Verzicht normativer Regelungen. Und rur den Staat tritt die Notwendigkeit hinreichend transparenter Erfolgskontrollen und funktionsgerechter Rahmenvorgaben eigenverantwortlicher Umweltmaßnahmen hervor. Letzteres kann - wie die umweltbezogenen Selbstverpjlichtungen der jüngeren Zeit zeigen - durch einen kontinuierlichen Ausbau der Selbstbeobachtung der Verpflichtungssubjekte ("Monitoring"), aber auch durch den flankierenden Erlaß "schlanker" Rechtsverordnungen (so etwa bei der Altautoverordnung, die auf Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie Bezug nimmt) geschehen. Selbstverpflichtungen der Wirtschaft bilden insoweit häufig nur die Vorstufe formaler Regelungen, in denen der Verpflichtungsinhalt aufgegriffen werden kann, aber nicht muß. Hierdurch können sich weitergehende staatliche Regelungen erübrigen, aber im Falle der Nichteinhaltung des Versprechens auch leichter rechtfertigen lassen. Die indirekte Steuerung des Staates erschöpft sich freilich nicht in ökonomischen und informalen Instrumenten. Hinzutreten organisatorische Instrumente, mit denen der Staat auf die erkannten Defizite direkter Überdeterminierung und indirekter - nur wenig determinierten - Verhaltenssteuerung reagiert. Der Organisation kollektiver Eigenvornahme lassen sich staatliche Zielvorgaben, aber auch die Steuerungswirkungen der Verpackungsverordnung zuordnen. Diese knüpft der Staat an das Ziel, ein privatwirtschaftlich organisiertes Erfassungsund Verwertungssystem unter staatlichen (Quoten-)Vorgaben durch die Wirtschaft in selbstregulativer Eigenregie aufzubauen. Mit der Anordnung abwendbarer Rücknahme- und Verwertungspflichten trägt die Verpackungs verordnung zwar zum Aufbau einer Organisationsstruktur bei, die rur einen Teilbereich der Abfallentsorgung der bestimmende Faktor mit der Folge ist, daß die betroffenen Unternehmen auf die faktische Koordination mit dem eingerichteten Dualen System angewiesen sind. Dessen Errichtung ist jedoch nicht das Ergebnis einseitig-hoheitlichen Handeins, sondern Resultat der Wirtschaft auf das Angebot der Verpackungsverordnung, selbst über die Wahrnehmung der ihr obliegenden Pflichten zu entscheiden. Je weiter freilich die vom Normgeber initiierte oder respektierte Selbstorganisation gesellschaftlicher Kräfte reicht und je weitrei-
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chender die sich hieran anknüpfenden Rechtsfolgen sind, desto stärker trifft den Staat im Bereich "neuer Wege" in der Umweltpolitik die Pflicht, die gesellschaftliche Organisationsbildung und -effizienz zu beobachten, Erfahrungen zu sammeln und - wie mit der Novelle zur Verpackungsverordnung geschehen die zugrundeliegenden Regelungsstrukturen bei Bedarf entsprechend anzupassen. Dies gilt auch für die Organisation individueller Eigenverantwortung und die hierauf bezogenen Instrumente, mit denen der Staat umweltschützend auf die Betriebsorganisation und deren Kontrolle einwirkt. Das direkte Instrumentarium rechtsverbindlicher Pflichten wird dabei zum Anlaß genommen, die Normadressaten internen Lern- und Selbstkontrollprozessen auszusetzen, die sie aus eigenem Antrieb im Wege der Selbsterkenntnis zur erwünschten Ausrichtung der betrieblichen Interessen am Umweltschutz veranlassen sollen. Neben den Pflichten zur Eigenüberwachung und den Mitteilungspflichten der Betriebsorganisation verfolgt vor allem die Institutionalisierung des Betriebsbeauftragten filr Umweltschutz das Ziel autonomiewahrender Selbstkontrolle und betrieblicher Innovationsförderung. Unter dem Leitbild kontrollierter Eigenverantwortung steht schließlich auch das gemeinschaftsrechtlich inspirierte Umweltaudit, mit dem der Staat - ähnlich wie zuvor mit der Verpackungsverordnung - ein auf die selbstregulative Hervorbringung von Gemeinwohlbeiträgen gerichtetes System installiert, den Unternehmen aber die Freiheit läßt, ob sie sich daran beteiligen und wie sie die systeminternen Anforderungen verwirklichen wollen. Das Umweltaudit erzielt seine maßgeblichen Verhaltenswirkungen nicht durch rechtlichen Zwang, sondern über den motivationellen Systemdruck, dem Private in ihrem Handeln ausgesetzt werden. Die EG-Umweltauditverordnung setzt insoweit auf ein Bündel von Steuerungseffekten, die von der internen Selbsterkenntnis über faktisch-ökonomische Anreize bis zu rechtlichen Vorgaben filr die angestrebte Selbstkontrolle einschließlich des externen Validierungs- und Registrierungsverfahren reichen. Erst im Zusammenspiel, den sich ergänzenden Wechselwirkungen und in der Gesamtheit von privater Eigeninitiative, interner und externer Selbstüberprüfung sowie staatlicher Qualitätssicherung und umweltrechtlichen Vorgaben entfaltet das Umweltaudit seine. konkrete Steuerungswirkung und -tiefe. Hierdurch eröffuet sich die Möglichkeit, die Teilnahme am Auditsystem mit der Entlastung von umweltbehördlichen Kontrollen zu verbinden. Von einer Neuartigkeit der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung kann indessen nur begrenzt die Rede sein. Historische Anknüpfungspunkte finden sich bereits im 19. Jahrhundert, wenngleich nicht zu übersehen ist, daß sich weder der Umweltschutzgedanke in seiner heutigen Bedeutung noch ein besonderes umweltrechtliches Instrumentarium zu dieser Zeit herausgebildet hatten. Aber so wenig die teilweise gravierenden Folgen der Industrialisierung unbeachtet blieben, so wenig ließ sich durch den Ausbau des direkten Instrumentariums - insbesondere im Bereich der Gewerbeordnungen - das indirekte Handeln
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des Staates vollständig verdrängen. Fast scheint es, als habe erst das direkte, auf enge Begrenzung und autonome Beherrschung gerichtete Staatshandeln indirekte Lenkungsstrategien als Alternative zur Verbesserung - oder auch Umgehung - des Vollzugs aufgezeigt. Mag das indirekte Handeln den Vollzugsalltag auch stärker geprägt haben als es die auf den einseitig-hoheitlichen Vollzugsbefehl orientierte Staatsrechtslehre des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts glauben ließ: Fortschreitende Formalisierung und Verrechtlichung staatlichen HandeIns rückten indirekte Handlungsweisen des Staates vermehrt in ein rechtsstaatliches Zwielicht und vergrößerten die Kluft zwischen formaler Systemstrenge und informalen Öffnungsmöglichkeiten. Hatte die Dogmatik des öffentlichen Rechts die vorhandenen Ansätze indirekter Verhaltenssteuerung zunächst verdrängt, sei es, daß sie keine rechtliche Relevanz besaßen oder daß ihre Bedeutung neben dem Ordnungsrecht nur gering war, so gelang es unter dem Grundgesetz, indirekte Steuerungstechniken insbesondere als grundrechtliche Belastung sichtbar zu machen. Der hierdurch angezeigte Bewältigungsbedarf wird jedoch über die Stigmatisierung indirekter Verhaltenssteuerung hinausgehen müssen und verstärkt den Blick auf die Entwicklung alternativer Kontrollmechanismen jenseits der subjektiv-rechtlichen Eingriffskategorien zu lenken haben. Damit ist bereits die Fortentwicklung der Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung angesprochen. Jede Öffnung und Neuakzentuierung der verwaltungsrechtlichen Dogmatik gegenüber motivationellen Einwirkungen des Staates wird zu bedenken haben, daß sich der diagnostizierte Wandel der Handlungsformen nur im Recht vollziehen kann und darf. Dies braucht keinen flächendekkenden Verrechtlichungsschub auslösen und sollte selbst einem punktuellen Abbau ordnungsrechtlicher Kontrollen nicht entgegenstehen. Mag das Ordnungsrecht einerseits häufig unverzichtbar sein, kann es doch andererseits in den umfassend geregelten Bereichen des Umweltschutzes die gesellschaftliche Akzeptanz und Integration indirekter Verhaltenssteuerung im Umweltrecht auch erschweren. Es hilft aber nur wenig, die erforderlichen Abschichtungen auf die rechtliche Verzahnung von (Entlastungen) direkter und (Belastungen) indirekter Steuerung zu beschränken. Den Instrumenten indirekter Verhaltenssteuerung droht vielmehr ihrerseits die innere Konsistenz verloren zu gehen. Abhilfe wird hier nur ein Umweltgesetzbuch schaffen können.
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Audits - Compliance Audits 209 - Genehmigungsaudit 221 - Management Audits 209
Absprachen 165 - informale 86, 171 - normvollziehende 167 - regulative 174, 176, 243 - vertragliche 172
Beschleunigungseffekt 245
Abwasserabgabengesetz 97, 123, 129 AIDS 59 Akzeptanz - förderung 153 - sicherung 95 Altautoverordnung 174, 184, 199, 251 Anreize - faktisch-ökonomische 98 - haftungsrechtliche 134,216,242 - Präventionsanreize 137 - Strukturanreize 105 - Systemanreize 115 - Vermeidungsanreize 104, 200 Anstalt 41 Anwendungsvorrang des öffentlichen Rechts 178 Atomrecht 80
Batterieverordnung 199 Baumol, William J. 122 Befehl und Zwang 41, 44, 61, 86, 95, 104,184,224,230 Beleihung 194, 203, 214 Benutzungsvorteile 147 Betriebsbeauftragte 87,119,201, 203 f., 252 Betriebsorganisation 64,84,87, 105, 185,200,207,217,238,252 - Mitteilungspflichten zur 87, 203, 207,222 Bewirkungs- und Rechtsschutzauftrag 67,248 Bewirtschaftung, staatliche 126 Binärer Maßstab 33,248 Bipolare Abwehrsituation 60, 248 Bruggemeier, Franz-Josef 228 Bundesabfallrecht 250 Bundes-Immissionsschutzgesetz 85, 127 f, 245, 250 Chemikaliengesetz 204 Coase, Roland H. 132, 143 Controlling 209 Dampfkessel - -gesetz von 1872 235
Sach- und Personenverzeichnis - -revision 233 - -überwachungsvereine 234
- Filterfunktion 240 - Privatisierung des Eingriffs 164
Deregulierung 108, 170, 217, 219 f., 245
Ellwein, Thomas 232
Deutsches Institut für Normung e. V. 235 Di Fabio, Udo 35
293
Entscheidungsspielraum 106 f., 157, 249 Ermessen 28, 58, 81, 173, 178, 244 Externe Effekte 121
Direkte und indirekte Steuerung 111 - Überschneidungen 115 - Unterscheidungen 111
Fabrikinspektion 231
Distanz- und Summationsschäden 139 f., 250
Flachglas-Entscheidung 172
Finalität 61, 194,239
Doppelte Amputation 22
Fleiner, Fritz 65
Dreier, Horst 25
Flexibilisierung des Vollzugs 90, 116
Drittschutz siehe Rechtsschutz
Flexibilität - des Verwaltungshandelns 67 - flexible Instrumente 142 - und Verrechtlichung 172 von Absprachen 96, 169
Duale Entsorgungssysteme 191 Duales System Deutschland AG 186 - Systembeitritt 192 - Systemfeststellung 197 Effizienz - der Vermeidungsmaßnahmen 103, 122 - des Haftungsrechts 138, 141 - informationeller Steuerung 156 von Abgaben 128 EG-Umweltauditverordnung 105, 118, 161, 185,208,2JOJ.T. Eigeninteresse 105, 120 Eigenüberwachung - Begriff 200 - Eigenüberwachungspflichten 119, 201,238 - kontrollierte Eigenverantwortlichkeit 204 Eigenverantwortung 109 f., 119, 185, 200,242,252 Eingriff - Begriff 41,56,60,76, 102, 158, 177,239,251 - Eingriffsfeststellung 159,240 - Eingriffsinstrumentarium 61, 90, 205 - Eingriffsrelevanz 251
Flußverunreinigungsfrage 226 Formalisierte Drohgebärden 174 Freiberger Hüttenrauch 229 Freiheit und Zwang 45 Freiwilligkeit 45, 61, 208, 240 Funktionale Äquivalenz 99 Ge- und Verbote 102 f., 112, 121 Gefahr - Begriff 34, 36, 80 f. Gefahrenabwehr 34, 44, 80 f., 161, 241,248 Gefahrenvorsorge 80,91 Gemeinwohl 45 Genscher, Hans-Dietrich 224 Gerber, earl Julius von 48 Gesellschaft - bürgerliche 228 - Risikogesellschaft 90, 228 Gesetz - Gesetzesbindung der Verwaltung 26, 50
294
Sach- und Personen verzeichnis
- Gesetzesgehorsam 33 - Gesetzesvollzug 26, 28, 151 - Gesetzesvorbehalt 31, 60, 158, 251 Gewaltmonopol 46, 52 - und Schutzpflicht 52 Gewässerschutzrecht 86, 202, 227 Gewerbefreiheit 224, 230 Gewerbeordnung 228, 252 - preußische 225 - Reichsgewerbeordnung 23 I Grundrechte 48, 51, 61, 159, 162, 176,239,248 - Abwehrrechte 53, 56, 63 - Grundrechtseingriff siehe Eingriff - Grundrechtsverzicht 176 - Schutzpflichten siehe Schutzpflichten Grundrechtsbeeinträchtigungen 53, 62 - faktische 160 - mittelbare 61 - verbandsgesteuerte 176 Grundrechtseingriff siehe Eingriff Haftungsrecht 133 ff. - Anreizwirkung 133 - Kollektivierung der Haftung 139 - Opferschutz 95, 133 Handlungsformen 12,38 f., 60, 64, 241 - Sichtbarmachung neuer 157,242 - Wandel der 74,241 Hartkopf, Günther 153 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 29 Hermes, Georg 59 Ihering, Rudolph von 229 Immissionsschutzrecht 85, 145 Informationen 152 ff. - informationelle Steuerung 156, 164 - informationeller Grundrechtseingriff 162 - Informations- und Informationseingriffsschutz 163
- Informationshandeln 95, 151, 154 - Informationspflichten 183 - Lenkungsinformationen 157 f., 160 f., 165,230 - Risikoinformationen 137 - staatliche Informationen 152, 163 - Warnungen und Empfehlungen 155,157,161,230,250 Instrumente 11 ff. - informale 164 - Instrumentenmix 128 - Instrumentenwahl 244 - ökonomische 142,226,250 - organisatorische 185,247,251 Integration 243 - europäischer Integrationsprozeß 242 Intensität 157,213,240 Internalisierung - durch Verhandlungen 131 - externer Effekte 121 Interventionsspirale 182 IVU-Richtlinie 221 Justi, Johann Heinrich Gottlob von 24 Jellinek, Georg 49 Jellinek, Walter 43 Kaiserreich 23,25,47,247 Kant, Immanuel 19 Kartell verbot 177, 179 Kirchhof, Paul 102 Kloepfer, Michael 105, 112, 161 Kompensationslösungen 86, 145 ff., 250 - Emissionskompensation 146 - Immissionskompensation 146 Komplexität 32, 86, 150, 248 - Reduktion von 32, 150 Konsens 169, 182, 243 f. - als Steuerungsmittel 243 Kontextsteuerung 72, 19 I
Sach- und Personen verzeichnis Kontrolle - der Kontrolle 187,205 - Doppelkontrollen 105,218 - Eröffnungskontrolle siehe Präventivkontrolle - private Selbstkontrolle 187,205 Kooperation 78, 128, J65 ff., 176, 177,188,195,232,239,243ff. - Begriff 166 - Kooperationskonzept 127,250 - Kooperationsprinzip 90 f., 127, 151,165 f., 179, 187,251 Konnan, Karl 42 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 179, 189 Kreuzberg-Urteil 36 Kreuzotter 43 Krise des regulativen Rechts 72, 249 Laband, Paul 42, 48 Legalität 32,34,44 f, 77, 107,206, 248 f Lersner, Heinrich von 244 Letztverantwortung, staatliche 83, 186, 198 - Legitimationsverantwortung 186 Lizenzentgelt 193 f, 196, 200 Lob und Tadel 233 Lugano-Übereinkommen 138 Markt 15,47,99, 120, 132, 144, 180, 182 - -reaktionen in der Zeit 115 - -versagen 121,132 Maschinenmodell 23,75,247 - Begriff 24 ff. - Gesetzgebungsmaschine 26 - Staatsmaschine 25, 27 Mayer, F. F. 44
295
Normbefolgungsbereitschaft 104 NS-Gewaltherrschaft 66 Oates, Wall ace E. 122 Öffentlichkeit 81,92, 104, 152 f, 162, 172,183,209,220,241 - Öffentlichkeitsarbeit 156, 158, 230 - Öffentlichkeitsbeteiligung 182 Ökologische Schäden 140 ff. - Begriff 140 - Private Anspruchszuständigkeit 141 - Staatliche Anspruchsberechtigung 141 Ökonomie und Ökologie 229 Ökosteuer-Reform 129 Ordnungsrecht 33 ff. - Grenzen des 70, 150, 165, 217, 230,239,241 - in der Hinterhand 244 - Scheitern des 94 - Verzahnung mit dem 100 Organisation 15, 185 ff. - der Organisation 186 - individueller Eigenverantwortung
200ff.
- kollektiver Eigenvornahme 187 ff. - Organisationssteuerung 187 - Organisationszwang 98,107,193, 204 - Selbstorganisation der Wirtschaft 236 - Selbstorganisation gesellschaftlicher Kräfte 198, 251 Pigou, Arthur Cecil 122 Polizei - -befehl 38 - -staat 21 - -verwaltung 37,44 - -wissenschaften 22
Mayer,Otto 21,26,37,39,41 jJ, 49, 65
Präventiv- bzw. Eröffnungskontrolle
Modernisierungsdruck 133, 221
Private Schlechterflillung 166, 197
Monitoring 181, 251
99,205,217,220ff.,229,237,245
296
Sach- und Personen verzeichnis
Privatrecht 18,47,50,107, 109/f., 140,228,250 Produkt - -informationen 95, 161 - -sicherheitsgesetz 161, 164 - -warnungen 158 Produktharmonisierung, europäische 204 - Akkreditierungskontrolle 205 - Zertifizierung 205 Prognose 80,91 f.
Responsible care 238 Risiko 91/f. - als Oberbegriff zur Gefahr 88 -informationen siehe Informationen - Leitbegriff des Umweltrechts 88 - -management 93, 94, 99 - -vorsorge siehe Vorsorge Rücknahme staatlicher Leistungstiefe 72, 110 Rückverlagerung von Freiheit 109
Property-Rights-Doktrin 132
Scharpf, Fritz 103
Prozeduralisierung der Entscheidungsfindung 165
Scheuner, Ulrich 102
Rahmengenehmigung 99, 120, 221 Recht, Moral und Politik 18 Rechtliche Unverbindlichkeit 13, 86, 89,96, 105/f.. 115,151,167,170, 175,179 f. Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit 34,248 Rechtsformen 27, 38/f., 77, 107,230 Rechtsschutz 40,47,64 /f., 107, 114, 160,216,241,248 - Drittschutz 107,221 - Hypertrophie der Rechtsschutzgewährung 67 - Individualrechtsschutz 65, 77, 135, 249 - Privatrechtsschutz 216, 221 - Rechtsschutzverkürzungen 106
Schlichte Hoheitsverwaltung 248 Schmidt-Aßmann, Eberhard 39, 74, 78 Schmidt-Preuß, Matthias 191 Schutzpflichten 52/f., 159, 172,240, 248 - Gesetzesmediatisierung 50, 58 - Schutzmittel 59 Selbsterkenntnis 201,208,220,252 Selbstregulative Eigenregie 191, 251 Selbstregulativer Gesetzesvollzug 191 Selbststeuerung 46,57,71,78,104 /f., 109, 176, 196, 204, 238, 244 f. - des Marktes 182 - gesellschaftliche 73, 113, 185, 195, 241,248 - induzierte 107/f., 249 - Steigerung von Selbststeuerungsflihigkeit 78, 249
Rechtsstaat - Begrenzungsinstrumentarium 89, 113 - Begriff 18/f. - Durchdringung des Verwaltungsrechts 247
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft 131, 168, 170, 174, 179, 244, 251 - Umweltvereinbarungen 171,180
Rechtsverordnungen 174, 182, 187, 189,251
Sozialmodell verwaltungsrechtlicher Systembildung 37
Rechtsverwirklichungsbezug 14
Staat und Gesellschaft 18,75, 109, 115, 128, 186,249
Rechtsverwirklichungsmodus 152 Reformen von oben 23 Regelungsvorbehalt 162
Sonderabgaben 125
Staatliche Preisdirigismen 242 Staatsentlastungszweck 108
Sach- und Personen verzeichnis Staatspflege 41 Staatsversagen 132 Stabilität 25 - und Flexibilität 17, 101,247 Stahl, Friedrich Julius 20 Standard-Preis-Ansatz 122 Standortdebatte 219 Statuslehre 49 Steuerung - Begriff 73 privater Selbststeuerung 72 Steuerungsdefizite 70 Steuerungserwartungen 242 Steuerungspessimismus 71 Steuerungsrecht 72 Systemsteuerung 74 Steuerungsflihigkeit des Rechts 69, 70 jJ., 248 - formaler Regelungen 242 - rechtlicher Regelungen 39 Steuerungsfunktionen 57 jJ. Steuerungsfunktionen des Rechts 73, 77 Stigmatisierung indirekter Verhaltenssteuerung 253 Subjektive öffentliche Rechte 48 - als Selektionskriterium 65 - Grenzen des subjektiv-rechtlichen Eingriffsdenkens 241 - sui generis 56 - Umwidmung objektiver Rechtspositionen 66 Subjektivierung des Verwaltungsrechts 49jJ. Subjektivitätsparadigma 62, 239 Subventionen 69, J02jJ., 124 System - -bildung 22,26,38,49,247 - -druck 252 - -druck, motivationeller 72, 127 - -feststellung siehe Duales System - friderizianischer Prägung 29
-
297
-gerechtigkeit 190 -strenge 253 -theorie 71, 150 -zäsuren zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht 109,249
Tausch 104,143,249 Technikkontrolle durch Technik 235 Technische Überwachungsvereine 202,234 f. Temporalisierung des Rechtmäßigkeitsurteils 243 Transparenz 172, 183, 203, 233, 243 Trittbrettfahrer 181 f., 198 Umweltabgaben siehe Abgaben Umweltaudit 105,111, 208jJ., 246, 247,252 - -gesetz 185, 209, 214 f. - siehe auch Audits - Umweltbetriebsprüfung 211 - Umwelterklärung 161,211 - Umweltgutachter 99, 210 f. Umweltaufklärung 156 Umweltbeauftragte siehe Betriebsbeauftragte Umweltbetriebsprüfung siehe Umweltaudit Umweltbewußtsein 95, 153 Umwelterklärung siehe Umweltaudit Umweltfonds 139 Umweltgenossenschaften 139,237 - Emscher-Genossenschaft 237 Umweltgesetzbuch 87 jJ., 131, 138, 145, 148, 164,206,249,253 - Kommissionsentwurfzum 74,87, 139 f., 148, 183,206,222,238,244 - Professorenentwurfzum 74,87,90, 106,140,207,244 Umwelthaftung 97, J34 jJ. - siehe auch Haftungsrecht - Umwelthaftpflicht-Modell 136 - Umwelthaftungsgesetz 135, 250
298
Sach- und Personen verzeichnis
Umweltlenkungsabgaben siehe Abgaben
Vertrag 42,166,173,175,205 - normersetzender 183
Umweltökonomie 97, 120jJ., 128, 142 f., 250
Vertrauensschutz 29, 183, 189
Umweltpakt Bayern 219 Umweltprogramm der Bundesregierung 85, 123, 152, 165 Umweltrecht - als Referenzgebiet 79 - Dienstleistungscharakter des Umweltrechts 245 - Kodifikationsvorhaben des Umweltrechts 79 Umweltrechtskonformität 212 f, 216 f - Leistungsprüfung 212 - Systemprüfung 212 Umweltschutzdirektor 207 Ungewißheit 91 - Umgang mit 92 Verein Deutscher Ingenieure 233 Verhaltenssteuerung 11, 17,22 f., 31 jJ., 94, \03, 106, 113, 165,247 f - direkte 46,78,103, \07,248 f indirekte 43,78,79,95, laI jJ., 103,224,239 f., 243, 247, 253 Verhältnismäßigkeit 37,59,89, 159 gesamtverhältnismäßige Verbundlösungen 245 - Präferenz für das rechtsförmige Handeln 163 Vermeidungskosten 122 Verpackungssteuer, kommunale 124, 127,180,190,245,250 Verrechtlichung - der Gewerbefreiheit 224 - der Organisation 98 - hoheitlicher Informationstätigkeit 155,158jJ.
- indirekter Handlungsformen 118, 242 Verschmutzungsrechte 229 Verstaatlichung 182
Verwaltungsakt 42, 116, 160, 162 f, 198,214 - Funktionen 40 Verwaltungsgerichtsbarkeit 65 Verwaltungshandeln 60,65,68, 73, 172 - informales 62, 148 jJ. Verwaltungsrecht 17, 18jJ., 39, 68, 78 - Verwaltungsinformationsrecht 77 - Verwaltungsorganisationsrecht 76 Verwaltungsrechtsdogmatik 38,45, 50,65,253 Verwaltungsverfahrensgesetz 172, 243 - Analogien 172 VoIlzug - GesetzesvoIlzug siehe Gesetz - VoIlzugsautomatik 106 - VoIlzugsbefehl 232,253 - VoIlzugswiderstände 225,238 Vorsorge 80 jJ. - für das AIItägliche 41 - Paradox staatlicher 83 - prinzip 85,91 - Risikovorsorge 81,87,89,91 jJ., 162, 164, 241 f., 245, 249 Vorverständigungen 172 Vorwirkungen - legitimatorische 187 - verfahrensrechtlicher Schutzgarantien 172 Vorzugslasten 125 Wahlfreiheit 122, 127,240 Warnungen und Empfehlungen siehe Informationen Wasser- und Bodenverbände 237 Wasserpfennig siehe Abgaben Weber, Max 46 Wettbewerbsrecht 111,177
Sach- und Personen verzeichnis Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 126,190,245 Wirtschaftspolitik 73, 102, 166,226 Zertifikatsmodell 143, 145 - Emissionszertifikate 143, 145,229 Zielfestlegungen, staatliche 174, 179, 187Jf.,191
299
Zugriffsoptionen 250 Zwang 21,34,43,61,96,98, 112, 152, 162, 170, 184, 200, 209, 224, 231,240,248,252 - als Erfiillungsmodus 44 Jf.