Die Grundlagen der Wirtschaftwissenschaft [3. Auflage. Reprint 2018] 9783486811742, 9783486268010

Dogmengeschichte, kritische Bilanz, Infragestellung der Wirtschaftswissenschaft als reine "Güterlehre". Die Gr

246 24 16MB

German Pages 204 Year 1982

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort zur 2. Auflage
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage
1. Kapitel Zur Entwicklung der Lehre von der Wirtschaft
2. Kapitel Von der „Allgemeinen" zur „Deutschen Volkswirtschaftslehre" des Nationalsozialismus
3. Kapitel Der gegenwärtige Stand der Grundlagenforschung in der „Volkswirtschaftslehre"
4. Kapitel Das Identitätsprinzip der Wirtschaftswissenschaft
5. Kapitel Bedürfnisse, Bedarf, Verbrauch, Genuß
6. Kapitel Das Problem „Wirtschaften"
7. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre
8. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und Psychologie
9. Kapitel Individual-, Verbrauchs-, Erwerbs-, Rentabilitätswirtschaften
10. Kapitel Allgemeine Theorie des arbeitsteiligen Wirtschaftens
11. Kapitel Die Formen des arbeitsteiligen Wirtschaftens Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsgebilde Wirtschaftswissenschaft und Soziologie
12. Kapitel Reine und wirklichkeitsnahe Theorie
13. Kapitel Die historisch bedingten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen
14. Kapitel Wirtschaften und Moral
15. Kapitel Wirtschaften und Religion
16. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und materialistische oder ökonomische Geschichtsauffassung
17. Kapitel Die Folgerungen
Die Wirtschaftswissenschaft
Der Verfasser
Werke des Verfassers
Namenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Die Grundlagen der Wirtschaftwissenschaft [3. Auflage. Reprint 2018]
 9783486811742, 9783486268010

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Die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft von

Oskar Klug 3. Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Klug, Oskar: Die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft / von Oskar Klug. - 3. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 1982. 2. Aufl. im Olzog-Verl., München, Wien ISBN 3-486-26801-5

© 1982 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlages einzelne Vervielfältigungsstücke für gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach § 54 Abs. 2 Urh.G. zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren Höhe der Verlag Auskunft gibt. Gesamtherstellung: Rieder, Schrobenhausen ISBN 3-486-26801-5

Inhalt V o r w o r t zur 2. Auflage

7

A u s d e m V o r w o r t zur 1. Auflage

8

1. Kapitel Z u r Entwicklung der Lehre v o n der Wirtschaft

9

2. Kapitel V o n d e r „ A l l g e m e i n e n " zur „Deutschen Volkswirtschaftslehre" des Nationalsozialismus

42

3. Kapitel D e r gegenwärtige Stand der Grundlagenforschung in der „Volkswirtschaftslehre"

48

4. Kapitel D a s Identitätsprinzip der Wirtschaftswissenschaft a) Die „Genußlehre" Hermann Heinrich Gossens b) Uber die Unlogik der „Güterlehre" c) Von der Begriffs-Nationalökonomie zur problembewußten Wirtschaftswissenschaft

53 53 59 61

5. Kapitel Bedürfnisse, Bedarf, Verbrauch, Genuß

63

6. Kapitel Das P r o b l e m „Wirtschaften" a) Tatbestand und Objekt des Wirtschaftens b) Ist das Wirtschaften nur ein H a n d e l n ? c) Ist das Wirtschaften nur ein Erwägen? d) D a s Wirtschaften ist bestimmt orientiertes E r w ä g e n und entsprechendes Handeln e) Wirtschaften und sog. „wirtschaftliches P r i n z i p "

70 70 89 93 97 109

7. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre

112

8. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und Psychologie Vom K a m p f gegen den „haltlosen Psychologismus"

114

9. Kapitel Individual-, Verbrauchs-, Erwerbs-, Rentabilitätswirtschaften

.

.

.

.

117

10. K a p i t e l Allgemeine Theorie des arbeitsteiligen Wirtschaftens

119 5

A. Die Tausch Wirtschaft a) Wertschätzung und Wertberechnung b) Theorie der Preisbildung — Angebot und Nachfrage B. Zentrale wirtschaftliche Planung a) Bedarfsdeckungsprinzip — Planwirtschaft: ein Pleonasmus b) Der Freiraum für das Individualwirtschaften

.

.

.

11. Kapitel Die Formen des arbeitsteiligen Wirtschaftens — Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsgebilde — Wirtschaftswissenschaft und Soziologie

119 119 122 126 126 127

129

12. Kapitel Reine und wirklichkeitsnahe Theorie

134

13. Kapitel Die historisch bedingten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen A. Der Kapitalismus (als Erfahrungsobjekt der herkömmlichen Volkswirtschaftslehre) a) Der marktwirtschaftliche Sektor b) Der gemeinwirtschaftliche Sektor c) Der öffentliche Sektor: Staat, Länder, Gemeinden d) Kapitalistische Gebildetheorie B. Der orthodoxe Sozialismus C. Die marxistische Wirtschaftslehre D. Der Marxismus-Leninismus E. Der Neo-Sozialismus F. Das akademische Modell „Soziale Marktwirtschaft" G. Der bundesdeutsche „Sozialdemokratismus" als Modell H . Über die „Güterlehre" hinaus

.

.

.

143 143 143 149 149 153 159 161 163 167 170 176 179

14. Kapitel Wirtschaften und Moral

181

15. Kapitel Wirtschaften und Religion

184

16. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und materialistische oder ökonomische Geschichtsauffassung

185

17. Kapitel Die Folgerungen

195

Der Verfasser Werke des Verfassers Namenverzeichnis Sachverzeichnis

198 198 199 203

6

Vorwort zur 2. Auflage Die 1. Auflage erschien im Jahr 1950 im Verlag für Sozialwissenschaften, BerlinFrankfurt am Main. Diese Neugründung erfolgte aus bestimmten Gründen auf meine Veranlassung. D a aber der Leiter des Verlags plötzlich verstarb, konnte die Aufbauarbeit nicht fortgesetzt werden. Daher beschränkte sich die Auslieferung dieses Buches im wesentlichen auf Bibliotheken. Wenn seitdem die Überarbeitung der 2. Auflage hinausgeschoben wurde, so war es vornehmlich auf den allgemein verbreiteten Mangel an Besinnung auf die Frage nach den Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft zurückzuführen. Nach wie vor sind sie im In- und Ausland umstritten. Deshalb möchte ich mit dieser neubearbeiteten Auflage zur Bereinigung dieses wissenschaftlich, wirtschaftsund gesellschaftspolitisch nicht mehr zu verantwortenden Zustandes beitragen. Hamburg-Blankenese, im Sommer

1979

OSKAR

KLUG

7

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Die Wirtschaftswissenschaft hat seit ihrer Begründung sehr beachtliche Leistungen aufzuweisen, ohne daß es bisher gelungen ist, zu einer Übereinstimmung über ihren Ausgangspunkt zu kommen. Der Entscheid darüber ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, der gedanklichen Willkür, sondern eine Frage der an der E r fahrung orientierten Logik. In dem vorliegenden Buch habe ich midi — auch auf die Gefahr des Vorwurfes der nicht so flüssigen Lektüre — in dankbarer Würdigung der bisherigen Erkenntnisse befleißigt, meinen Gedankengang gerade durch die Auseinandersetzung mit zahlreichen Autoren zu sichern, was mir auch deswegen um so notwendiger erschien, als er von der herrschenden Auffassung über den Ausgangspunkt der Nationalökonomie oder besser der Wirtschaftswissenschaft grundsätzlich abweicht. Methodologie oder Grundlagenforschung ist keine Gedankenspielerei. Auf diesem Irrtum beruhen so viele der Erfahrung widersprechende Ansichten über die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft. Ihre lebenswahre Begründung sollte als zwingend anerkannt werden. Denn sie ist nicht nur eine wissenschaftliche Aufgabe an sich, sondern hat auch eine große praktische Bedeutung. Groß-Glienicke bei Berlin-Kladow, im

8

Oktober

1949

OSKAR

KLUG

1. Kapitel Zur Entwicklung der Lehre von der Wirtschaft Jede Wissenschaft soll der W a h r h e i t dienen u n d ist in diesem an der E r f a h r u n g orientierten Streben an die Gesetze der Logik gebunden. Sie darf nicht, soweit sie die D e u t u n g des sozialen Lebens z u m Inhalt hat, a n politischen Zwecksetzungen orientiert sein. H ä l t sie sich d a r a n nicht, so ist sie keine Wissenschaft im wahrsten Sinne des Wortes, sondern eine nicht allgemeingültige Meinungsäußerung, eine Wunsdivorstellung, eine Phantasie. D a ß eine Wissenschaft schon in den ersten Ansätzen logisch in sich geschlossen sein kann, ist unmöglich. Bis sie sich zu der allgemeingültigen Erkenntnis ihres Fachgebietes durchgerungen hat, bedarf es der Arbeit v o n Generationen. D a h e r ist es begreiflich, daß auch die Lehre von der Wirtschaft bis heute noch nicht die eindeutige Fundierung erhalten hat, wie manch andere Disziplin, insbesondere im Bereich der Naturwissenschaften. Deshalb muß man sich in gewissen Zeiträumen auf die Gültigkeit ihrer Erkenntnisse besinnen, d. h. ihre Voraussetzungen, ihren A u f b a u , ihre Ergebnisse überprüfen, u n d z w a r u n v o r eingenommen, in einer geistigen H a l t u n g , die nur Vorbild jeder Forschung und Kritik sein k a n n . N u r so ist der Fortschritt einer Wissenschaft möglich. Auf die Wirtschaftslehre der Griechen haben sich alle späteren N a t i o n a l ö k o n o m e n direkt oder indirekt berufen. D a h e r ist es wichtig, zunächst die Auffassung von Sokrates (460—399) v o n der Wirtschaft kennenzulernen. Er sagt u . a . :

Sokrates

„Wir hatten also gefunden, d a ß Hauswirtschaft der N a m e einer Wissenschaft ist u n d d a ß diese den Menschen befähigt, sein Hauswesen zu fördern. U n t e r Hauswesen aber verstanden wir das Gesamtvermögen; als solches betrachten wir das, was einem jeden nutzbringend f ü r seine Lebensführung ist; n u t z b r i n gend endlich erschien uns das, was einer zu gebrauchen versteht" 1 ). D a s w a r eine ausgesprochene Hauswirtschaftslehre, die dem H a u s v a t e r ein R a t geber in der Fürsorge f ü r die Seinen sein sollte. D e r später geborene Aristoteles (384—322) ging über diese noch sehr begrenzte Auffassung hinaus. Ich zitiere aus den Werken von Aristoteles die zusammenfassende Darstellung seiner Wirtschaftslehre in „ P o l i t i k " durch E. Szantos beziehungsweise nach dessen T o d e durch Ludwig Elster: „ I m Wirtschaftsleben unterscheidet Aristoteles die einfache G e w i n n u n g v o n Nahrungsmitteln, den unmittelbaren Zweck der P r o d u k t i o n , die sogenannte Haushaltskunst u n d die Erwerbskunst, das heißt den mittelbaren E r w e r b durch Tausch. Diese Chrematistik zerfällt selbst wieder in zwei A r t e n : in einen rechtmäßigen u n d unrechtmäßigen Erwerb. Als rechtmäßig u n d natürlich betrachtet er den einfachen Tauschhandel, sofern er das wirkliche Oeconomicus 6. Kap. deutsch von M. Hodermann, zitiert bei Werner Sombart: „Der moderne Kapitalismus, I. Halbband. Die vorkapitalistische Wirtschaft", München 1928, S. 20; siehe auch seine „Drei Nationalökonomien", München 1930, S. 13 ff. 9

Aristoteles

Bedürfnis nicht überschreitet; als widernatürlichen Erwerb bezeichnet er denjenigen Handel, der, als eigenes Geschäft betrieben, die Anhäufung entbehrlicher Schätze lediglich um des Geldes willen bezweckt (Pol. I, 3). Die Haushaltungskunst (Ökonomik) hat es nun mit der Lehre zu tun, wie die unmittelbaren Gebrauchsgüter beschafft werden können. Ihren Namen hat sie daher, weil die wirtschaftliche Einheit das Haus (oikos = Familie) ist und es sich zunächst um die Erhaltung dieser wirtschaftlichen Einheit handelt. Hierbei kommt es zuvörderst auf die Nahrung als das unentbehrlichste Gebrauchsgut an. Diese zu beschaffen, ist Sache des Hausvaters. Historisch folgen aufeinander die Wirtschaftsstufen des Nomaden, des Jägers (auch Fischers, Vogelfängers und des durch Raubzüge Erwerbenden), dann des Ackerbauers. Alle diese Erwerbsarten zielen auf Gebrauchsgüter und sind daher natürlich. Auf Grund dieser Unterscheidung zwischen Haushaltungskunst und Erwerbskunst (Chrematistik) führt Aristoteles nun folgendes aus: Die Benutzung eines jeden Besitzstückes ist eine doppelte. In beiden wird zwar das Ding als solches benutzt, aber nicht auf gleiche Weise. Die eine Benutzungsart ist der Sache eigentümlich, die andere dagegen nicht, so z. B. das Anziehen eines Schuhes und der Tausch eines solchen. In beiden Fällen wird der Schuh benutzt: das erste Mal nach der Seite der Haushaltungskunst zum Gebrauch, das andere Mal nach der Seite der Erwerbskunst als Mittel zum Gewinn. Audi der, welcher den Schuh dem, der ihn nötig hat, gegen Geld oder gegen andere Güter überläßt, benutzt zwar den Schuh als Schuh, aber nicht in der ihm eigentümlichen Weise, denn der Schuh ist nicht des Umtausches wegen gemacht. Ebenso verhält es sich mit anderen Gütern, denn der Tausch erstreckt sich auf alle. Aber dieser Tauschverkehr ist erst allmählich dadurch aufgekommen, daß Überproduktion eines Gebrauchsgutes in dem einen und Unterproduktion in dem anderen Oikos entstand und man sich gegenseitig auszuhelfen gezwungen war. Diese Art des auf zufälliger Überproduktion beruhenden Tausches und diese Art der Erwerbskunst ist auch keineswegs wider die Natur. Anders, wenn die Überproduktion mit Bewußtsein geschieht, um den produzierten Gegenstand marktfähig zu machen. Dann entwickelt sich eine künstliche Erwerbsart, deren Regeln nicht mehr Gegenstand der Ökonomik, sondern der Chrematistik sind. Diese geht nicht mehr den Hausvater als solchen, sondern nur den Kaufmann an, der Bezugs- und Absatzquellen kennen muß. Durchführbar wurde diese auf den Marktverkauf sich gründende Erwerbsart erst durch Einführung des Geldes, das übrigens nicht der Natur, sondern dem Gesetz seine Existenz verdankt, so daß es in unserer Macht steht, es umzuändern und außer Kurs zu setzen. Diese Chrematistik führt auch zur Anhäufung des illegitimen Reichtums, d. h. desjenigen, der Tauschmittel aufspeichert und daher unbegrenzt ist, während der legitime Reichtum bloß Verbrauchsgüter sammelt, daher seine natürliche Grenze hat und sich nach den Bedingungen regelt, die die Ökonomik, nicht die Chrematistik feststellt. Entstanden ist das Bestreben nach Häufung von Tauschmitteln aus der Sorge um das Leben schlechthin, während der richtige Standpunkt die Sorge um das (sittlich) gute Leben ist. Man irrt aber auch, so bemerkt Aristoteles, wenn man Reich10

tum in der Menge von Geld erblickt. Denn im Vollbesitz solchen Reichtums kann einer Hungers sterben, wie man in der Fabel vom König Midas erzählt. Dabei erwähnt er als eine lohnende Methode des Gelderwerbs, daß man sich das Monopol einer Ware zu verschaffen suche. Dies sei auch den Staatsmännern zu wissen nützlich. Denn f ü r viele Staaten sei die Beschaffung von Einkünften in hohem Grade wichtig, weshalb einige auch sich den Alleinverkauf von Waren tatsächlich angeeignet hätten. U n d im Anschluß an diese Ausführungen über das Geld wendet sich Aristoteles gegen das Wuchergewerbe, weil dasselbe aus dem Gelde selbst den Gewinn ziehe und es nicht dazu verwende, w o f ü r es eingeführt ist. Der Zins aber vermehrt es als solches, weshalb er auch seinen N a m e n Junges* erhalten hat. Der Zins ist Geld aus Geld. Deshalb ist auch unter allen Erwerbszweigen dieser der naturwidrigste. Nicht unerwähnt darf endlich die wichtige Unterscheidung bleiben, die Aristoteles im 5. Buche der Nikomachischen Ethik zwischen der austeilenden und der entgeltenden Gerechtigkeit näher begründet hat, jene in bezug auf öffentliche Dinge, diese f ü r den Tausch im Verkehr der Privaten, f ü r den Tausch der Arbeit oder der Erzeugnisse" 2 ). Wenn man bedenkt, welch ein scharfsinniger Denker Aristoteles w a r u n d um wieviel weniger kompliziert das Leben in der Antike gegenüber dem in der Zeit der nationalökonomischen Klassiker gewesen ist, so hätte man eigentlich annehmen können, daß er problembewußter an die Frage nach dem Ursprung aller Wirtschaft herangegangen wäre. Im Gegensatz zu Aristoteles befaßten sich die Römer — so Augustin (354—430) — nur wenig mit Fragen der Wirtschaft. Eine selbständige römische Wirtschaftslehre gibt es daher nicht, obgleich die Vorbedingungen f ü r eine solche im römischen Imperium viel mehr als im alten Griechenland gegeben waren. Die Lehre des Aristoteles wurde erst wieder von der mittelalterlichen Scholastik aufgegriffen; vornehmlich von Thomas von Aquin (1226—1274), da mit dem Erstarken der römischen Kirche und dem Anwachsen ihres Eigentums die Diskrepanz zwischen der bisherigen Kirchenlehre und der Wirklichkeit überbrückt werden mußte. Im Mittelpunkt seiner in seinem groß angelegten Werk „Summa theologica" zusammengefaßten Lehre steht f ü r Thomas von Aquin die Frage nach dem „gerechten Preis", dem „justum pretium", nach dem gemäß dem Alten und Neuen Testament gerechtfertigten Zinsverbot und der Notwendigkeit seiner Umgehung, ferner die Frage nach dem Wesen des Geldes u n d nach den Bestimmungsgründen seines Wertes. Während die letzten Endes auf Aristoteles u n d auf der Scholastik fußende, aber auch von der Idee des Naturrechts und dem philosophischen Rationalismus stark beeindruckte merkantilistische Lehre des 16. bis 18. Jahrhunderts eines Bernardo ¡¡^¡¡¡¿¡¡.^ Davanzati (1529—1607), Jean Bodin (1530—1596), Thomas Mun (1571—1641), sehe Lehre

2

) In Handwörterbuch der Staatswissenschaften, I. Bd., Jena 1927, S. 925/26. Dort audi die Literaturangaben über die Philosophie, Staats- und Wirtschaftslehre von Aristoteles.

11

Antonio Serra (geb. um 1580), Jean Baptiste Colbert (1619—1683), William Petty (1623—1687), ferner eines Temple, Josiah Child (1630—1699), John Locke (1632—1704), Dudley North (1641—1691), Bernard de Mandeville (1670— 1733), James Steuart (1712—1780), Belloni, Genovesi, Malynes, bedingt Sébastian Vauban (1633—1707) mit ihrer auf deutsche u n d österreichische Verhältnisse bezogenen Kameralistik: Johann Joachim Becher (1625—1682), v. Seckendorf} (1626—1692), Sonnenfels, Hörnigk (1638—1712), Johann v. Justi (1717—1771) es unternahm, sidi vornehmlich über die Bedeutung des äußeren Güterreichtums f ü r Staat und Volk Rechenschaft zu geben, ohne sich wesentliche Gedanken über seine Entstehung zu machen, und eine ihr entsprechende Wirtschaftspolitik förderte, während in gewisser Abkehr vom Merkantilismus Boisguillebert (1646— 1714), Cantillon (1680—1734), Montesquieu (1689—1755), Marquis d'Argenson, Abbé de Saint-Pierre, Vincent de Gournay (1712—1759) den gedanklichen Boden der physiokratischen Lehre vorbereiteten, stellten ihr Begründer, der H o f arzt Ludwigs X V . und der Madame de Pompadour, François Quesnay (1694— 1774), und seine Anhänger Marquis de Mirabeau (1749—1791), Mercier de la Rivière, Le Trosne, Baudeau, Dupont de Nemours und in bedingter Hinsicht Turgot (1727—1781) die Frage nach der Quelle des Reichtums. Allerdings beschränkten sich — keineswegs aus weiser Überlegung — die Physiokraten darauf, den Tauschverkehr als Kreislauf der Güter darzustellen, eine Anatomie und Physiologie zu geben, die bis zum heutigen Tage der reinen Ökonomie als Vorbild des gedanklichen Modells der statischen Wirtschaft dient. Auf Grund dieser Erkenntnis, die die Physiokraten mit dem tableau économique veranschaulichten, stellten sie — in Ablehnung der lästigen Fesseln des Merkantilismus — die Forderung nach einer dem Weltplan Gottes, dem „ordre naturel" entsprechenden, liberalistischen Daseinsführung auch auf dem Gebiete auf, das eben ihr Erkenntnisobjekt abgab. Als ob die menschliche N a t u r eine konstante, sich nicht wandelnde Größe wäre und die Menschen von N a t u r aus einander vollkommen gleich wären, so d a ß die Aufstellung einer solchen streng rationalistischen Lehre möglich sei. Im Gegensatz zu dieser mehr beschreibenden Darstellung des Güterkreislaufs zeigten Etienne de Condillac (1714—1780), Ferdinando Galiani (1728—1787) Malthus Die engli- und darauf die englischen Klassiker Adam Smith (1723—1790), Robert schen (1766—1834), David Ricardo (1772—1823), James Mill (1773—1836), Mc Klassiker Culloch (1789—1864), N. W. Senior (1790—1864), John St. Mill (1806—1877) — durch die Physiokraten beeinflußt und ebenfalls von Aristoteles, der Scholastik und der Naturrechts- und Aufklärungsphilosophie ausgehend — die Rolle der Einzelnen innerhalb des gesamten Tauschverkehrs auf und suchten ihn zu erklären und im Anschluß an die englische Moralphilosophie: Locke (1632— 1704), Shaftesbury (1671—1713), Hutcheson, Hume (1711—1776) auf ein Motiv zurückzuführen. Sie legten damit den Grundstein f ü r die Ansicht über die besondere Art der in diesem Tauschverkehr verflochtenen Menschen, die f ü r die gesamte Entwicklung der sich nunmehr herausbildenden Teildisziplin, der politischen Ökonomie, bedeutungsvoll werden sollte. 12

Den englischen Klassikern kam es auf den Nachweis an, wie Wohlstand und Frieden für alle Menschen zu erreichen seien und gewährleistet werden könnten. So entwickelte zunächst Adam Smith, der Philosoph, Nationalökonom, Soziologe und von seiner ihm besonders verbunden gewesenen Mutter her sehr religiös eingestellt war, nach der Veröffentlichung seines Werkes „The Theorie of Moral Sentiments" im Jahre 1759 3 ) seine liberale Wirtschaftslehre, die so nachhaltige Wirkung bis auf den heutigen Tag hat. Denn sie war die Lehre von der kapitalistischen Marktwirtschaft, wie sie sich in England entwickelt hatte und seiner Meinung nadi weiterentwickeln würde, ja — nicht nur zum Wohle des englischen Volkes — sich entwickeln müßte. So geht Smith vom Sinn der den Menschen geradezu angeborenen gesellschaftlichen Arbeitsteilung aus und kommt zur Theorie der Marktpreisbildung f ü r die Produktionsfaktoren: Arbeit, Kapital, Grund und Boden als Kosten f ü r die Herstellung und Anbictung von Gütern über die Grenzen der Nationen hinaus. Smith erstellte nichts weniger als eine Gleichgewichtstheorie des Preises, die dann von anderen Nationalökonomen in ihrer Auseinandersetzung mit seiner Kapital-, Spar-, Konsum- und Investitionstheorie immer mehr verfeinert wurde 4 ). Für Adam Smith war der Gegenstand der ökonomischen Wissenschaft „das ständige Streben des Menschen, sein Los in einer Welt der Knappheit und materiellen Enge zu verbessern und sich um Anerkennung unter den Mitmenschen zu bemühen, ohne dabei seine Umgebung oder seine Umwelt zu schädigen" 4a ). Nach der Ansicht Alfred Amonns „tritt uns in Ricardos ,Principles' zum erstenmal in logisch bestimmter, wenn auch nicht völlig klarer und eindeutiger Weise der Problemkreis entgegen, welchen man als wesentlichen Inhalt der Theoretischen Nationalökonomie betrachten m u ß " . U n d Amonn zitiert aus dem Vorwort des Ricardo'sehen Werkes „Principles of Political Economy and Taxation" (1817), wie folgt: „Das Produkt der Erde — alles, was von ihrer Oberfläche durch die vereinigte Anwendung von Arbeit, Maschinerie und Kapital gewonnen wird, — wird verteilt unter drei Klassen der Gemeinschaft, nämlich den Eigentümer des Landes, den Besitzer des zu seiner Kultivierung notwendigen Sachgüterbestandes oder Kapitals und die Arbeiter, durch deren Fleiß es kultiviert wird . . . Aber auf verschiedenen Stufen der Gesellschaft werden die Anteile am ganzen Produkt der Erde, welche jeder dieser Klassen unter dem N a m e n von Rente, Profit und Löhne überantwortet werden, wesentlich verschieden sein, indem sie hauptsächlich von der gegebenen Fruchtbarkeit des Bodens, von der Anhäufung von Kapital und Bevölkerung und von der Geschicklichkeit, Erfin-

s

) „Theorie der ethischen Gefühle", Deutsche Ausgabe, Leipzig 1926. ) „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations", London 1775/76; nach der fünften Auflage aus dem Englischen übertragen und mit einer Würdigung versehen von Horst Claus Recktenwald, „Adam Smith Der Wohlstand der Nationen", München 1974. 4a ) Recktenwald, ebenda S. XV. 4

13

dungsgabe und den Werkzeugen, die in der Landwirtschaft angewendet werden, abhängen. Die Gesetze zu bestimmen, welche diese Verteilung regeln, ist das Hauptproblem in der Politischen Ökonomie. Soviel die Wissenschaft auch weitergebracht worden ist durch die Schriften von Turgot, Stuart, Smith, Say, Sismondi und anderen, so gewähren diese doch sehr wenig befriedigende Aufklärung in bezug auf den natürlichen Verlauf von Rente, Profit und Löhnen" 5 ). Entsprechend den aus dem Aufkommen des Kapitalismus gewonnenen Erfahrungen nahm die Unternehmerfunktion eine besondere Stellung in den Versuchen systematischer Erkenntnis ein, für die das Privateigentum an sich und an den Produktionsmitteln, die persönliche Freiheit und die Verkehrs- und Gewerbefreiheit eine der damaligen Rechts- und Sittenlehre entsprechende Voraussetzung waren. In Anerkennung dieser Daten und der damaligen Moralphilosophie suchte man die Stellung des Unternehmers, den man noch mit dem Kapitalisten identifizierte, innerhalb des auf der Arbeitsteilung beruhenden Tauschverkehrs und seine Bedeutung für den gesellschaftlichen Fortschritt zu klären. Darauf kam es den Begründern der nationalökonomisch-klassischen Theorie insbesondere an, und man darf sich nicht zu der Behauptung verleiten lassen, daß sie im Auftrage von Interessentengruppen die frühkapitalistische Wirtschaftsordnung nachträglich zu rechtfertigen versuchten. Nein, weil die Klassiker davon überzeugt waren, daß das Allgemeininteresse dann am besten gewahrt sei, wenn jeder Einzelne seinem Eigeninteresse nachgeht — auf den hier in Frage stehenden äußeren Vorgang bezogen —, wenn jeder Einzelne bei dem Tausche danach strebt, ein möglichst Viel an äußeren Gütern oder Leistungen zu erwerben, kamen sie zu den bekannten Formulierungen. Ihre Theorie des freien Wettbewerbs ist eine ökonomische und soziale Theorie und im Hinblick auf das allgemeingesellschaftliche Ziel auch politisch orientiert, aber nicht im Sinne piner ausgesprochen politisch bezogenen Wissenschaft im eingeschränkten Sinne des Wortes. Auch betonen sie, daß ein staatlicher Eingriff in die Konkurrenz nur dann gerechtfertigt sei, wenn sich für die einzelnen Tauschpartner allzugroße Nachteile herausstellen sollten. Und daß die Klassiker die durch den empirischen Tatbestand aufgezeigten negativen Folgen des frühkapitalistischen Entwicklungsprozesses am wenigsten auf etwaige Mängel in der Unternehmerinitiative zurückführten, wird verständlich, wenn man bedenkt, daß der klassischen Theorie vornehmlich die kleinen und mittleren industriellen Unternehmer bei ihrer Analyse als Vorbild dienten, die sich ihrer Meinung nach in dem Wirkungsgrad ihrer Handlungen und ihrer Stellung in dem erweiterten Lebensraum nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Während die Physiokraten die Problemstellung auf 5

) „Ricardo als Begründer der theoretischen Nationalökonomie", Jena 1924, S. 1; siehe hierzu auch meine Schrift: „Robert Liefmanns Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. Kritik und Beweisführung", Abt. I, Heft 9 der Sozialwissenschaftlichen Forschungen, Berlin und Leipzig 1929, S. 9 ff. und meinen Aufsatz „Das Problem .Wirtschaften' als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft", i/Schmollers Jahrbuch 1944.

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den Eigentümer des Grund und Bodens zuspitzten, verlegte die klassische Lehre den Schwerpunkt auf den industriellen Unternehmer in seiner wenig differenzierten Art. N u r die Betrachtung des mittleren und kleineren industriellen Unternehmers ermöglichte den englischen Klassikern die Außerachtlassung der Tatsache, daß das Selbstinteresse bei ihnen verschieden stark ausgeprägt sein und demgemäß verschieden zum Ausdruck kommen kann. Das Selbstinteresse im Sinne des Strebens nach dem größtmöglichen materiellen oder Geld-Ertrag gemäß dem Prinzip, das gemeinhin als das „ökonomische" in der landläufigen Fassung: „einen möglichst großen Nutzen bzw. Gewinn mit möglichst geringen Kosten" zu erzielen, bezeichnet wird, ist die Triebkraft des gesamten Tausdiverkehrs und wird bei allen am Tausch Beteiligten als gleich stark angenommen, ohne damit, wie die Physiokraten in ihrem tableau économique voraussetzten, die Gleichheit der Menschen an sich behaupten zu wollen. Unter dieser Voraussetzung gingen die englischen Klassiker an den Aufbau ihrer Theorie heran, als deren Identitätsprinzip das „ökonomische Prinzip" ausgegeben wird. Sie gingen somit über die Anatomie der Physiokraten hinaus. Denn sie suchten den äußeren Güterkreislauf nicht zu beschreiben, sondern zu erklären. Kapital, Arbeit, Grund und Boden sind die „Elemente", die Produktionsfaktoren dieser ökonomischen Theorie; Profit, Lohn, Rente sind die ihnen entsprechenden, aus dem Produktions- und Verteilungsprozeß sich ergebenden Einkommenquellen, deren Ertragshöhe sich nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage richtet. Ausschließlich die an der Herstellung und dem Vertrieb äußerer materieller Güter oder an der Darbietung äußerer persönlicher Leistungen orientierten Produktionsfaktoren einschließlich der besonderen Unternehmerleistung werden zur Erklärung des Tauschverkehrs herangezogen. Aber in der Erkenntnis des Güterkreislaufs an sich wird der Unternehmer selbst in seinen möglichen mehr oder weniger mannigfaltigen und sich von seinen unmittelbaren oder mittelbaren Konkurrenten unterscheidenden Anlagen als das eigentliche Agens infolge seines streng rational gedachten Handelns — und zwar im absoluten Sinne gemeint — vernachlässigt. Daß sie mit dieser Art ihrer Kreislauftheorie das Wesen des ökonomischen, den Urgrund aller Wirtschaft: das Wirtschaften der Einzelnen in seinem Zusammenhang mit dem übrigen menschlichen Tun nicht eindeutig bestimmt hatten, übersahen die Begründer der englischen klassischen Lehre. Sie identifizierten den Tauschverkehr, die Produktion und Verteilung, mit dem wirtschaftlichen Tatbestand schlechthin. Politische Ökonomie bedeutete ihnen soviel wie Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich Angebot und Nachfrage anonymer Tauschpartner von bzw. nach Gütermengen oder Dienstleistungen auf dem Markt vollziehen. Das war die wirtschaftliche Welt des Adam Smith, des David Ricardo und der hier aufgeführten Autoren in der angegebenen Zeit. Daraus ergab sich die Fiktion des homo oeconomicus, die so entscheidend für den Aufbau der nachklassischen Theorien in ihrer Beziehung zu den anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen werden sollte. Von hier bis zur Entwicklung einer typischen 15

Geschäftsökonomie war es dann nicht mehr weit, wie die Sozialisten meinten. Damit ist festzuhalten: Aristoteles, die Scholastiker, die merkantilistische Lehre, die Kameralistik, die Physiokraten und die Lehre der englischen Klassiker, sie alle gingen von der Erfahrung des Güter- und Geldverkehrs aus. In ihm glaubten sie, das Erkenntnisobjekt der als Einzelwissenschaft zu begründenden Political Economy oder Nationalökonomie gefunden zu haben. Waren die Sozialisten, die in der Zeit der englisdien Klassiker oder Jahre später lebten, derselben Meinung? Wie dachten zunächst die vormarxistischen Sozialisten über die Begründung der Lehre von der Wirtschaft? Wenn sie sich selbst auch nicht mit der Methodologie befaßt haben, kann man doch aus ihren Werken die Antwort indirekt entnehmen. Schlagen wir die Werke auf v o n : Godwin (1756—1836), Saint-Simon (1760—1825), Owen (1770—1857), Fourier (1772—1837), Thompson (1783—1833), Cabet (1788— 1856), Rüge (1803—1880), Feuerbach (1804—1872), Weitling (1808—1871), Proudhon (1809—1865), Blanc (1811—1882), Hess (1812—1875), Buonarotti, Bazard, Dezamy, Bouret, Leroux, so erkennen wir, daß sie ohne Ausnahme den Standpunkt der „Güterlehre" vertreten. Was die marxistische

Theorie angeht, so wären zweifellos ihre Urheber:

Karl

Die marxistische Marx (1818—1883) und Friedrich Engels (1820—1895) ohne die klassische Lehre Theorie und die sie kritisierenden Sozialisten nicht zur Kritik der kapitalistischen Wirt-

schaft gekommen, deren Struktur in ihren Grundzügen von den Klassikern erkannt war. Ihre Theorie des Wertes und Preises und nicht die subjektive Wertlehre ist der Ausgangspunkt der marxistischen Wert-, Geld-, Mehrwert- und Ausbeutungslehre, der Akkumulations-, Konzentrations-, Krisen- und Verelendungstheorie. D a m i t war auch das Wesen der Wirtschaft f ü r Marx bestimmt, der sich um keine methodologische Fundierung, wohl aber um eine f ü r den damaligen Stand der Erkenntnis bedeutende soziologische Methode seiner Analyse des Kapitalismus bemühte, ihm aber auch keine schlüssige Unternehmungstheorie geläufig war. Denn er unterschied auch nicht zwischen Unternehmern und Kapitalisten. Die „Kapitalistische Gebildetheorie" w a r ihm genauso fremd wie den Klassikern. Seine Analyse ist eine Soziologie, in der zwischen der wirtschaftswissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnis nicht geschieden wird. Marx — und das ist bedeutungsvoll f ü r die Beurteilung des heuristischen Wertes seiner gesamten Theorie — unterscheidet genau so wie seine nationalökonomischen Vorgänger zwischen den „ökonomischen" oder „materiellen" und von ihnen abhängigen „ideologischen" Bedürfnissen, welch erstere nur durdi „äußere materielle G ü t e r " befriedigt werden können. Für Marx existieren nur die „materiellen" oder „ökonomischen" Verhältnisse, die in ihrer Gesamtheit die gesellschaftliche Wirtschaft ausmachen, deren kapitalistische Struktur, Fehlerquellen und vermeintliche Selbstaushöhlung er in so nachhaltiger Weise aufzuzeigen sich bemüht hat, um daraus die Notwendigkeit der durch die Revolution eingeleiteten Schaffung neuer materieller und damit auch geistiger Verhältnisse in einer „neuen" Gesellschaft mit „neuen" Mensdien abzuleiten. 16

Unzweideutig geht die Marx sehe Auffassung über den Tatbestand der „ W i r t schaft", eben nicht des „Wirtschaftens", wie sie im „ K a p i t a l " u n d in den anderen Schriften begründet wurde, noch einmal aus dem Nachruf von Friedrich Engels am G r a b e seines am 14. M ä r z 1883 verstorbenen Freundes auf dem Friedhof zu H i g h g a t e hervor, in dem er unter anderem ausführte: „ W i e Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen N a t u r , so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, daß die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können; d a ß also die P r o d u k t i o n der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnitts die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, u n d aus der sie daher auch erklärt werden müssen — nicht, wie es bisher geschehen, umgekehrt. D a m i t nicht genug. Marx entdeckte auch das spezielle Bewegungsgesetz der heutigen kapitalistischen P r o d u k t i o n s weise und der von ihr erzeugten bürgerlichen Gesellschaft. M i t der Entdeckung des Mehrwerts w a r hier plötzlich Licht geschaffen, w ä h r e n d alle früheren Untersuchungen, sowohl der bürgerlichen Ökonomen wie der sozialistischen Kritiker, im D u n k e l sich verirrt hatten" 6 ). Der immer als „vergesellschaftet", d. h. nicht primär als Einzelwesen, als das Subjekt der Geschichte zu betrachtende Mensch, oder, wie sich Marx auch ausdrückt, der „assoeiierte P r o d u z e n t " , weil er eben in bestimmte „materielle" oder „ökonomische" Produktionsverhältnisse, von denen alles Sein abhängt, hineingeboren wird, wirtschaftet nach Marx und Engels, indem er f ü r seinen materiellen Lebensunterhalt sorgt, seine Lebensfürsorge an der Beschaffung u n d an dem Verbrauch von äußeren materiellen Gütern orientiert ist. Die „ Ö k o n o m i e " als der Inbegriff aller Tätigkeiten zwecks Befriedigung der materiellen, ökonomischen Bedürfnisse ist f ü r beide die Seinsgrundlage des menschlichen Lebens. D a h e r ist nach der Auffassung v o n K a r l Marx und seiner Anhänger der Ausgangspunkt der politischen Ö k o n o m i e das „Denken in G ü t e r n " , die auf Güter bezogene Wirtschaft vergesellschafteter Menschen, genau so wie es f ü r seine nationalökonomischen Vorgänger der Fall gewesen ist. Diese Auffassung ist die G r u n d l a g e der Marx'sehen Gesellschaftslehre. Nach ihr w i r d die Vorstellung von der Vorrangigkeit der Einzelnen vor der Gesellschaft als Individualismus abgetan. Aber eine N a t i o n a l ö k o n o m i e als besondere wissenschaftliche Disziplin, wie sie bedingt von Adam Smith u n d systemhaft erst von David Ricardo — auch ohne hinreichende methodologische Vorarbeit — begründet wurde, kennt 8

) Friedrich Engels: „Das Begräbnis von Karl Marx" in Karl Marx!Friedrich Engels: „Werke", Band 19, S. 335 f. und „Einführungen in ,Das Kapital' von Karl Marx", Berlin 1970, S. 3. 17

Marx nicht. Er ist Soziologe und will den gesamt-gesellschaftlichen Ablauf, in dem die Menschen ihr materielles Leben produzieren, streng wissenschaftlich zu erklären versuchen. E r verwirft damit den Standpunkt der statischen, abstrakt rationalen Nationalökonomie mit ihrer auf der Fiktion des homo oeconomicus fußenden Preisakrobatik. Marx will aus dem praktischen Geschehen heraus die Wissenschaft von der Gesellschaft in ihrer Entwicklung begründen, weil alle sozialen Erscheinungen auf Handlungen der vergesellschafteten Menschen zurückzuführen sind, wobei die „ökonomischen" Beziehungen, die Produktionsverhältnisse, die primären u n d die übrigen — rechtlichen, religiösen, kulturellen — Beziehungen die hiervon abgeleiteten sind. Audi insofern ist er ein Kind seiner Zeit, das, von Hegels (1770—1831) Philosophie und Methode zwar ausgehend, dessen rein ideologische Auffassung, daß der Weltge'st und nicht die materiellen Verhältnisse, die lediglich die Ideen und ethischen Werte widerspiegeln, den Geschichtsverlauf bestimme, aber überwunden hatte. Der Unternehmerdurchschnitt der damaligen Epoche wurde von der marxistischen Theorie bezüglich der Motivierung tauschwirtschaftlichen Handelns inhaltlich dahin verändert, daß das Selbstinieresse als die von Smith und seinen engeren Nachfolgern angesehene gesellschaftlich nützliche Triebfeder durch die Kategorie der Selbstswc&i, als gesellschaftlich schädlich, ersetzt wurde; insofern als vornehmlich durch sie die Zurückhaltung eines Teiles des dem Arbeiter zustehenden Arbeitslohnes ermöglicht wurde. Die Ricardo'sehe Wertlehre — im Anschluß an Petty, Locke, Hume — wurde von Marx mit der Fiktion der „gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit" zur Mehrwertlehre ausgebaut. Und hierin steckt einer der entscheidenden Fehler der Marx sehen Konzeption! Damit w a r der Schritt zu einer ethischen Fundierung auch der marxistischen Theorie vollzogen, aber in einem anderen Sinne als in dem der Klassiker. U n d zwar schied die marxistische Theorie, die den gesamtsozialen Prozeß nicht weniger wissenschaftlich als die Klassiker, aber mit einer noch umfassenderen Methode zu erklären versuchte, die am Erwerbsprozeß Beteiligten in zwei große Klassen: die Besitzer der Produktionsmittel und die von ihnen abhängigen Lohnarbeiter, anders ausgedrückt: „In zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat." Marx schloß aus dem bestimmt-orientierten Verhalten, dem Profitstreben der Unternehmer-Kapitalisten auf eine Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft, die er einmal mit den Mitteln der ökonomischen Theorie — ausgehend von den Klassikern — in seiner Akkumulations-, Krisen- und Zusammenbruchstheorie und zum anderen in seiner materialistischen oder ökonomischen Geschichtsauffassung, also mit den Mitteln einer soziologischen und bedingt geschichtsphilosophischen Theorie, darzustellen versuchte. Die kapitalistische Wirtschaftsweise hatte in der ersten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts außer unbestreitbaren Erfolgen sehr offensichtliche Nöte gezeitigt, so daß schon der äußere Rahmen für methodologische Besinnung fehlte; sehr zum Schaden der gesamten sozialistischen Bemühungen, die in einer heute nicht mehr 18

zu übersehenden Literatur ihren Niederschlag gefunden haben. Was damals, als Friedrich Engels, der, über die Dialektik Hegels und die Philosophie Feuerbachs hinweggehend 7 ) und unter dem Einfluß des französischen Materialismus, sich — als der eigentliche Schöpfer des dialektischen Materialismus ( D I A M A T ) , ein Begriff, der von Marx noch nicht gebraucht wird — früher als sein Freund zum Sozialismus bekannte, „Die Lage der arbeitenden Klassen in England" (1845), ihre Leiden und Kämpfe, ihre Hoffnungen und Perspektiven aus eigenem Erleben schilderte, als Karl Marx über „Das Elend der Philosophie" (1847) und die Unzulänglichkeit des Kapitalismus schrieb, als in England die industriellen Ballungen die Elendsviertel — eine Hölle für ihre Bewohner — zur Folge hatten, als „in Berlin um 1847 etwa 10 000 Almosenempfänger und 30 000 überwachte Personen lebten, während die Zahl der wirklich leistungsfähigen Bürger nur auf 20 0 0 0 " geschätzt wurde, als die verzweifelten schlesischen Bürger offen den Aufruhr wagten, als Marx und Engels gemeinsam (1848) das „Manifest der Kommunistischen Partei" verfaßten, an wirtschaftswissenschaftlicher Methodologie nicht möglich gewesen ist, hätte seitdem längst nachgeholt werden müssen. Denn infolge des falschen Ausgangspunktes und der einfachen Übernahme der englisch-klassischen Auffassung vom Tatbestand der „Wirtschaft" seitens der Marxisten wurde eine Geschichtstheorie entwickelt, die in ihren Grundlagen der Tiefe und Unangreifbarkeit entbehrt. Weil Karl Marx in seinem Bemühen, eine bessere, gerechtere Gesellschafts- und damit Wirtschaftsordnung gedanklich vorzubereiten, es an der echten und einwandfreien wirtschaftswissenschaftlich-methodologischen Fundierung in ihrer stichhaltigen Abgrenzung von der soziologischen Methode fehlen ließ, — das heißt, das Problem „Wirtschaften" so umfassend wie möglich zu lösen, um erst darauf seine Kritik an einer historischen Erscheinung aufzubauen — ging er von der Annahme aus, daß die „Produktionsverhältnisse" alles Sein, auch den geistigen Überbau, bestimmen. In Wahrheit sind aber die jeweiligen Produktionsverhältnisse eine historische Erscheinung und machen nur einen Teil des Ausdrucks des Wirtschaftens der einzelnen Menschen aus. Denn man darf eine bestimmt geartete soziale Beziehung und die Technik mit dem Wirtschaften selbst nicht verwechseln. Das Wirtschaften ist ein rein geistiger Vorgang, genau so wie andere Erwägungen und Handlungen der Menschen, die ganz unabhängig vom Wirtschaften vorgenommen werden. Es ist daher einer der größten Denkfehler von Karl Marx, der uns im Anschluß an die Klassiker das Wesen und Funktionieren des Kapitalismus erst so recht erkennen gelehrt hat, ja, wissenschaftlich zu dem eigentlichen „Entdecker" des Kapitalismus wurde, den Urgrund des Wirtschaftens

7)

Friedrich Engels: „Ludwig Feuerbadi" (1886), ferner „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" in den „Deutsdi-Französisdien Jahrbüchern" 1844. Hierzu Karl Marx: „Das Kapital", Hamburg 1873, Band I, S. 8 2 1 / 2 2 „Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Wege/sehen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts anderes als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle."

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nicht e r k a n n t z u h a b e n . E r h a t nicht das Wirtschaften als eine ewige u n d nicht n o t w e n d i g e r w e i s e immer direkt sozialbezogene K a t e g o r i e gesehen, der gegenüber die kapitalistischen Produktionsverhältnisse eine historische Erscheinung, eine historisch begründete, besondere, abgeleitete F o r m des allgemeingültigen Wirtschaftens der Einzelnen sind, das eben über das arbeitsteilig orientierte W i r t schaften hinausgeht. U n d w a s f ü r den K a p i t a l i s m u s gilt, h a t genau so Gültigkeit f ü r den Sozialismus in seinen verschiedenen Spielarten. Auch in ihm e r f ü l l t sich n u r ein Teil des individuellen Wirtschaftens im umfassenden Sinne. Karl Marx glaubte, durch die wissenschaftliche Beleuchtung einer bestimmten geschichtlichen Phase, der kapitalistischen Gesellschaft m i t ihrer besonderen Eigent u m s - u n d Produktionsverfassung, ihrer A u f l ö s u n g „der persönlichen W ü r d e in den T a u s c h w e r t " d e m Bewegungsgesetz der Geschichte auf die Spur zu k o m m e n . Er suchte also das Allgemeine aus dem Besonderen heraus zu erklären. D a h e r beg a n n er — a n s t a t t zunächst das P r o b l e m „ W i r t s c h a f t e n " in seiner allgemeingültigen Bedeutung zu bestimmen u n d z u lösen zu versuchen, — seine „ K r i t i k der Politischen Ö k o n o m i e " , wie der U n t e r t i t e l seines epochemachenden Werkes „ D a s K a p i t a l " heißt, mit der Untersuchung des Verhältnisses v o n W a r e (Waare) u n d G e l d . „ D e r Reichthum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische P r o duktionsweise herrscht, erscheint als eine ,ungeheure W a a r e r a n s a m m l u n g ' , die einzelne W a a r e als seine E l e m e n t a r f o r m . Unsere Untersuchung beginnt d a h e r mit der A n a l y s e der W a a r e " 8 ) . Marx s t a n d völlig u n t e r dem Eindruck der „ G ü t e r l e h r e " der englischen Klassiker, also des sich aus der industriellen R e v o l u t i o n der J a h r e 1770 bis 1850 zunächst in E n g l a n d , d a n n in Frankreich u n d Deutschland h e r a u s b i l d e n d e n Kapitalismus mit den i h m eigenen P r o d u k t i o n s - u n d Verteilungsverhältnissen u n d den zweifellos d a m a l s bedeutenden Errungenschaften der jakobinisch-bourgeoisen Revolution u n d den d a r ü b e r hinausgehenden p r o l e t a r i schen Zielen der französischen Sozialisten. I h m k a m es gar nicht in den Sinn, zunächst wirtschaftswissenschaftlich-methodologische V o r a r b e i t f ü r sein g r o ß a n gelegtes W e r k , das n u r ein Torso blieb, z u leisten, sondern er w o l l t e mit seiner K r i t i k d e r kapitalistischen P r o d u k t i o n eine nach einer bestimmten M e t h o d e entwickelte Gesellschaftstheorie und eine r e v o l u t i o n ä r e T a t zugleich insofern vollbringen, als er die bisherige bürgerliche Ö k o n o m i e einer v o m S t a n d p u n k t der P r o l e t a r i e r aus gesehenen eingehenden K r i t i k u n t e r z o g u n d d a m i t die V o r a u s setzung f ü r die B e g r ü n d u n g des wissenschaftlichen Sozialismus schaffte. W a r doch Marx nicht n u r Soziologe, Geschichtsphilosoph u n d Ö k o n o m , der den Sozialismus wissenschaftlich zu begründen versuchte, sondern auch P r o p h e t u n d R e v o l u t i o n ä r zugleich. Seine Botschaft „ v o m irdischen P a r a d i e s des Sozialismus" bedeutete f ü r Millionen menschlicher H e r z e n einen neuen Lichtstrahl u n d einen neuen Sinn des Lebens, z u m a l er sie „ m i t unvergleichlicher K r a f t f o r m u l i e r t e u n d andererseits v e r k ü n d e t e , die sozialistische Erlösung v o n diesem Übel (des U n t e r d r ü c k t - u n d Schlechtbehandeltseins) sei eine r a t i o n a l beweisbare G e w i ß h e i t " . E r „ p r e d i g t e i m Kleid des Analytikers u n d analysierte m i t einem Blick auf die

8

) Karl Marx: „Zur Kritik der Politischen Ökonomie", Berlin 1859, S. 4.

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Bedürfnisse des Herzens" 9 ). Marx selbst stellte seine Absicht der wissenschaftlichen Leistung eines Darwin gleich, der „das Interesse auf die Geschichte der natürlichen Technologie gelenkt hat, das heißt auf die Bildung der Pflanzen- und Tierorgane als Produktionsinstrumente für das Leben der Pflanzen und Tiere", während es ihm darauf ankommt, die „Bildungsgeschichte der produktiven Organe des Gesellschaftsmenschen, der materiellen Grundlage jeder besonderen Gesellschaftsorganisation", zu schreiben, das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte aufzuzeigen. Aus der materialistischen Geschichtsauffassung, aus seiner Philosophie des historischen Materialismus ( H I S T O M A T ) als „der Anwendung des dialektischen Materialismus, der Basis, auf die Entwicklung der Gesellschaft" 10 ), entwickelte Marx das besondere Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktions- und Verteilungsverhältnisse als bestimmend für die bürgerliche Gesellschaftsordnung mit ihren zwei großen Klassen: den Kapitalisten, der Bourgeoisie, und den besitzlosen Lohnarbeitern, den Proletariern 11 ). Die Marx sehe Theorie ist eine Gesellschafts- und Geschieh tstheorie unter einem ganz besonderen Blickpunkt. Marx hat es sich seiner ganzen Entwicklung und wissenschaftlichen und revolutionären Zielsetzung gemäß nicht zur Aufgabe gesetzt gehabt, zunächst über die nationalökonomische Theorie der englischen Klassiker hinaus die allgemeine Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaft auf Grund methodologischer Besinnung zu begründen, um erst daran seine Kritik des sich doch erst entwickelnden Kapitalismus als einer historischen Wirtschaftsordnung in der Gesellschaft zu knüpfen. Sein und seines Freundes Engels Lebenswerk galt diesem historischen Problem, das durch die Begründung des Maschinenzeitalters in Verfolg der Entwicklung der Naturwissenschaften und dem damit aufkommenden Proletariat als viertem Stand der Gesellschaft aufgeworfen wurde. In seiner Schrift „Hermann Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" bezeichnet Engels ausdrücklich „Die politische Ökonomie im weitesten Sinne als die Wissenschaft von den Gesetzen, welche die Produktion und den Austausch des materiellen Lebensunterhaltes in der menschlichen Gesellschaft beherrschen" 12 ). Engels wollte sich ebensowenig wie Marx auf die Darstellung und Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie als Wissenschaft beschränken, sondern zur Begründung einer „politischen Ökonomie als der Wissenschaft von den Bedingungen und Formen, unter denen die verschiedenen menschlichen Gesellschaften produziert, ausgetauscht und unter denen sich demgemäß jedesmal die Produkte verteilt haben", beitragen helfen. So handelt — entsprechend der Auffassung der Klassiker — auch nach Karl Marx die politische Ökonomie von der wirtschaftlichen Versorgung der Menschen mit den Gütern, deren sie zu ihrem Lebensunterhalt bedürfen. Und zwar sind für das Maß der Versorgung mit wirtschaftlichen Gütern die aus der Preisbildung ) Joseph

A. Scbumpeter: „Kapitalismus, Sozialismus und D e m o k r a t i e " , Bern S. 2 0 / 2 1 . 1 0 ) „ D a s K a p i t a l " , H a m b u r g , I. Aufl. 1 8 6 7 , 2. Aufl. 1 8 7 3 . n ) Vgl. auch sein V o r w o r t in seinem Buch „ Z u r K r i t i k der politischen Ö k o n o m i e " , 12) 10. u n v e r ä n d e r t e Auflage. S t u t t g a r t 1 9 1 9 , S. 149. 8

1946,

1859.

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der Waren resultierenden Einkünfte der zwei Klassen ausschlaggebend, und die Frage, wonach die H ö h e der Preise sich richtet, hatte auch die politische Ökonomie von Karl Marx auf das Eingehendste beschäftigt. Die „Waare, die zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding ist, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgend einer Art befriedigt" 1 3 ), ist für Karl Marx genau so alleiniges Objekt des Wirtschaftens wie für seine Vorgänger und seine Nachfolger. Sie kennen nur einen Gebrauchs- und Tauschwert der Ware, aber kein Werten aus dem gesamten Wertungszusammenhang jedes Einzelnen heraus, der mehr oder weniger weit über die Tauschrelationen hinausgeht. Das ist auch daraus zu erklären, daß die marxistische Wirtschaftsauffassung als eine Gesellschaftslehre von Marx und Engels vor ihrer Kritik am Kapitalismus entwickelt wurde, daß also beide ihre speziell ökonomische Analyse mit vorgefaßten soziologischen Begriffen vornahmen. U n d sie verneinten, daß die arbeitsteilige Wirtschaft unbedingt eine Tauschwirtschaft sein müsse. U n d was für Marx und Engels gilt, trifft genau so zu f ü r ihren Zeitgenossen Josef Dietzgen (1828—1888) wie f ü r ihre Nachfolger: Wilhelm Liebknecht, Karl Kautsky, August Bebel, Georgij W. Plechanow, Jules Guesde, Hyndman, Antoni Labriola, Eduard Bernstein, Schippel, Heinrich Cunow, Radbruch, Vandervelde, Turoti, Mondelfo, Cole, J. A. Hobson, Bax, Otto Bauer, Karl Renner, Rudolf Hilferding (1877—1941), Max Adler, Bulgakow, Struwe, Rosa Luxemburg, Panekoek, Karl Liebknecht (1871—1919), Georg Lukacz, Kirsch, G. Sorel, Lagerdelle, Lenin (1870—1924), Trotzki (1879—1940), Stalin (1879—1953), Karl Radek, N. Bucharin. Diese der älteren Generation angehörenden N a m e n könnten um viele jüngere Anhänger der marxistischen Lehre vermehrt werden, worauf hier aber aus Platzgründen verzichtet werden muß. Sie gehen sämtlich von demselben Ausgangspunkt wie Marx in seiner kritiklosen Anerkennung der „Güterlehre" aus. Die bei aller Großartigkeit des Marxschen Gedankengebäudes mangelnde Erkenntniskritik ließen die Epigonen und die nicht streng orthodox-marxistisch orientierten Sozialisten gar nicht auf den Gedanken kommen, daß der Tatbestand des Wirtschaftens und der „Wirtschaft" viel umfassender zu sehen und zu behandeln ist. Aus der neueren und jüngsten sozialistischen Literatur — und sie ist im In- und Ausland sehr umfangreich — kenne ich keinen Versuch, schon im Ausgangspunkt der sozialistischen Theorie über die herrschende Meinung in Neuland vorzustoßen und sich die Frage nach ihrer heute noch gegebenen Gültigkeit zu stellen. Sie denken im Grunde noch genau so an den „Waren"-Wert, wie es Karl Marx und vor ihm die Klassiker getan haben. N u r in der Ansicht über den Aufbau und das Funktionieren einer sozialistischen Wirtschaftsordnung gehen sie auseinander. Auch weichen die Sozialisten neuerer Auffassung in der weltanschaulichen Orientierung von der orthodox-marxistischen Lehre insofern ab, als sie die Einseitigkeit der marxistischen Geschichtsauffassung ablehnen, aber in ihrem wirtschaftswissen-

») „Das Kapital", 2. Aufl., S. 9. 22

schaftlichen Ausgangspunkt doch in der „Güterlehre" befangen bleiben. Über das „Denken in Gütern" ist bisher keiner dieser Autoren hinausgekommen. Die besondere wissenschaftliche und revolutionäre Einstellung von Karl Marx und Friedrich Engels ist richtungweisend für ihre Anhänger bis auf den heutigen Tag gewesen. Der gegenwärtige ideologische und politische Machtkampf zwischen den führenden Großmächten: dem kommunistischen Rußland mit seinen Anhängerstaaten und dem kommunistischen China einerseits und den kapitalistisch orientierten Vereinigten Staaten von Nordamerika mit den mit ihnen sympathisierenden Völkern andererseits wird aus Erkenntnissen der Wissenschaft und des Lebens heraus geführt, die wirtschaftswissenschaftlich gesehen ihre letzte Begründung bisher nicht gefunden haben. Die spätere Theorie als die von Marx und Engels setzte bzw. setzt das Verhalten sämtlicher Wirtschafter im Sinne des homo oeconomicus zwecks exakter Erklärung des Angebot- und Nachfragespiels ebenfalls voraus, kam beziehungsweise kommt es ihr doch nur auf die Erklärung des Tausdiverkehrs von Gütern und Leistungen an. Die sich gegen diesen Typus als scheinbar wesentliche Voraussetzung „exakter" Theorie erhebenden Einwände der romantischen14), älteren 15 ) und jüngeren 16 ) historischen Richtung trugen einen nur allzu berechtigten Kern in sich. N u r vermochte ihre Kritik infolge ihrer besonderen Stellung zur reinen Theorie überhaupt keine für den fruchtbringenden Ausbau der letzteren nachhaltige Wirkung auszuüben. Und die subjektiv orientierte Grenznutzentheorie (Leon Walras, W. St. Jevons im Anschluß an Bernouilli, Laplace, Auguste Walras und die „Genußlehre" Hermann Heinrich Gossens, ferner die österreichische Grenznutzenlehre von Carl Menger, Eugen v. Böhm-Bawerk, Friedrich v. Wieser, Vilfredo Pareto, John Bates Clark) übernahmen zu kritiklos die Gestalt des homo oeconomicus, obgleidi sie ihrem Grundcharakter durchaus widerspricht. Das kam daher, weil auch die subjektiv verankerten Theorien ihre alleinige Aufgabe darin sehen, den Tauschverkehr zu erklären, wobei sie, zum Unterschied von den Klassikern und ihnen verwandten Systemen, auf die Wertung der materiellen und immateriellen Güter und Leistungen zurückgehen. Im Gegensatz zu diesen Lehren will der Katholizismus aus seinem Glauben heraus den ganzen Menschen, das ganze gesellschaftliche Sein erfassen, verstehen, nach den Richtlinien des ewig gültigen Sittengesetzes überprüfen und entsprechend handeln. Seine Wirtschaftslehre, die ebenfalls an den Gütern und Dienstleistungen orientiert ist, geht auch von keiner ausreichend fundierten Grundlage aus. Dasselbe trifft für den Protestantismus zu 17 ). u

) Adam Müller (1779—1829), Johann Heinrich Thiinen (1783—1850), Friedrich List (1789—1846), Karl Rodbertus (1805—1875). ) Bruno Hildebrand (1812—1878), Wilhelm Roscher (1817—1894), Karl Knies (1821 —

15 16 17

1898).

) Gustav v. Schmoller (1838—1917), Lujo Brentano (1844—1931) u. a.

) Hierüber siehe meine Schrift „Katholizismus und Protestantismus zur Eigentumsfrage. Eine gesellschaftspolitische Analyse" rde 153/154, Reinbek bei H a m b u r g 1966; in 2. erweiterter Auflage unter dem Titel „Der Weltkommunismus und die Weltreligionen zur Eigentumsfrage. Eine gesellschaftspolitische Analyse", München 1980.

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Othmar Spann

Othmar

Spann (1878—1950) schreibt z w a r der Grenznutzenlehre einen entsdieiFortschritt in der Erkenntnis der W e r t - und Preiserscheinung zu, meint

aber, d a ß sie „ f ü r den Gegenstand unserer Wissenschaft, f ü r die Begründung der Volkswirtschaftslehre, also einer gesellschaftswissenschaftlichen Theorie nichts geleistet h a t , so d a ß nach jahrelangem Verfahrensstreit nichts erreicht u n d jüngst sogar ratlos wieder der Ruf ,Zurück zu Ricardo* erhoben wurde, wie dies Amonn (1883) in seinem Buch ,Objekt und Grundbegriffe' getan hat" 1 8 ). Obgleich Spann es f ü r „verfehlt ansehen würde, die Verkehrstheorie gänzlich über Bord zu w e r f e n " , da „sie bei aller Künstlichkeit ihrer A n n a h m e u n d F o r t schreitungen zu einem unverlierbaren Schatz abstrakter Erkenntnis gekommen u n d in mancher Hinsicht eine Blüte des volkswirtschaftlichen Denkens ist" 1 9 ), hält er es doch f ü r notwendig, ein ganz anderes F u n d a m e n t der Volkswirtschaftslehre im Geiste A d a m Müllers, Thünens, Lists, Kants, Schellings, Hegels u n d Baaders zu schaffen. Nichts Neues will Spann sagen, nur neue Wege will er gehen, u m „im G r u n d e n u r die alte Wahrheit über Wesen u n d Begriff der W i r t schaft, wie sie im materialistisch unverdorbenen Wissen von je lebendig w a r , wieder herzustellen und ihr ihre strenge Gestalt im Verfahren u n d in der Verfahrenslehre zu geben" 2 0 ). Es gilt, „die Volkswirtschaftslehre aus der rohen Auffassung und Begriffsform einer Kausalwissenschaft herauszuheben und sie als Wissenschaft von ganz anderer begrifflicher N a t u r , nämlich als eine reine Zweckwissenschaft zu begründen, als eine Wissenschaft, welche die Zweckbeziehung ihrer Elemente zueinander als das einzig Wesentliche u n d Unterscheidende in ihrem Gegenstande ansieht. Es ist das sinnvoll sich Verhaltende, das als Mittel z u m Ziele, als niederer z u m höheren Zweck sich Verhaltende, was in aller Wirtschaft uns entgegentritt — nicht das Mechanische, nicht ,Gütermengen', nicht ,Quantitätsverhältnisse', nicht Anziehung u n d Abstoßung von Stoffen —, welche allerdings nur rein ursächlich d. h. kausalbegrifflich (ähnlich wie in der Physik und Mechanik oder wie in der mechanischen Psychologie der Assoziationsmassen) zu erforschen wäre" 2 1 ). Auch Spann sieht, d a ß die bisherige „ G ü t e r l e h r e " zu lebensfremd ist, er ist daher bemüht, a n ihre Stelle unter Berücksichtigung ihrer Erkenntnisse Wege zu einer lebensnahen Dienst- und Leistungswirtschaft in der Gesellschaft aufzuzeigen, „die Wirtschaft wieder als ein Stück des Lebens, das H a n d e l n als einen Ausdruck des Geistes, die Volkswirtschaft als Glied der Gesellschaft zu erfassen" 2 2 ) u n d schließlich den Anschluß an die philosophischen Grundlagen gesellschaftlichen Wissens zu finden. Diese neue Methode bedingt nach Spann auch ein „einheitliches Begriffsnetz", ein „geschlossenes begriffliches Gebäude". „Die Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre dürfen nicht so naiv u n d zusammenhanglos wie bisher (z. B. 1S

) ) 2 «) 21 ) 22 ) 19

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Othmar Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

Spann: „Fundament der Volkswirtschaftslehre", Jena 1923, S. 2. S. XIV. S. X. S. XI. S. XV.

durch Untersuchung des Sprachgebrauchs) festgestellt, sondern müssen als Elemente und Grundentfaltungen der Wirtschaft entwickelt werden, sie müssen ein Gebäude bilden, das sich vom Wurzelpunkt des Wirtschaftsbegriffes aus aufbaut und verzweigt. Der Begriff der Wirtschaft ist das Fundament der ganzen Volkswirtschaftslehre, das Fundament, das zuerst errichtet und befestigt werden muß" 2 3 ). Und zwar weisen nach Spann „uns alle Grundfragen der Wirtschaftsbetrachtung darauf, wie die Frage nach dem Begriff der Wirtschaft zu stellen sei. ,Alles Metall meint Gold', sagt der alte Spruch, ebenso gilt auch: alle Wirtschaft meint Gesellschaft, alle Wirtschaftsbetrachtung ist Gesellschaftsbetrachtung . . . Die Volkswirtschaftslehre muß daher von dort ausgehen, wo ihr Gegenstand entspringt und wird. Ihr Gegenstand ist die Wirtschaft, deren Ursprung und Seinsweise ist Gesellschaft — eben weil Wirtschaft als Teil jedes Einzellebens verwirklicht wird, das, wie wir sagten, ein Leben aus Gesellschaft, das seiner Seinsweise nach gesellschaftlich ist. Auf diesem Wege allein kann die Volkswirtschaftslehre davor bewahrt werden, einerseits nur zum praktischen Geschäftsleben als ihrem Gegenstand zu greifen und zur ziellosen realistischen Induktion zu werden; andererseits in unnatürlicher Verengung ihres Gebietes nur Preis- und Verkehrslehre zu bleiben, indem sie bloß den einzelnen Wirtschafter sieht. Vor beiden bewahrt sie die überreiche Fülle der Gesellschaft, die in ihrem Reichtum und ihrer allumfassenden Lebendigkeit mehr sein will, als das, was sich um einen einzigen Brennpunkt, Preis und Handelsgeschäft, herumgruppiert" 2 4 ). Für Spann gilt grundsätzlich die gleiche Objektbetrachtung, wie f ü r die herrschende Volkswirtschaftslehre. Für ihn entsteht Wirtschaft ebenfalls infolge der Knappheit der äußeren Mittel im Verhältnis zu der Unbegrenztheit der durch sie zu befriedigenden Bedürfnisse, der Ziele, nach denen die Wirtschaft gegliedert ist. Der Unterschied zwischen der Auffassung Othmar Spanns und der seine universalistische Gesellschaftslehre nicht anerkennenden Autoren liegt allein in der besonderen Eingliederung der Wirtschaft in die gesellschaftliche Ordnung im Sinne einer dinglichen Funktion f ü r höhere gesellschaftliche Ziele. Werner Sombart (1863—1941), der sich ja besonders eingehend mit der Frage Werner des Zusammenhanges von Wirtschaft, Moral und Kultur auseinandergesetzt hat, schenkte uns als Ergebnis seines reichen Gelehrtenlebens die Geschichte und das System der Lehre von der Wirtschaft in seinem schnell bekannt gewordenen Werk „Die Drei Nationalökonomien", in dem sich wiederum seine große Gabe offenbarte, die wirtschaftliche Entwicklung, wie die Wissenschaft von ihr nach bestimmten Gesichtspunkten ordnend zu erfassen und deutend zu verstehen. Hinsichtlich des Zustandes der Nationalökonomie meint Sombart — ähnlich wie Karl Diehl, Franz Oppenheimer, Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld, Robert Liefmann, Joseph Schumpeter, Othmar Spann und andere — zu Beginn seines Buches, d a ß „in der Wissenschaft, die der deutsche Volksmund seit jeher und immerdar 23 24

) Ebenda, S. 3. ) Ebenda, S. 3/4. 25

als Nationalökonomie bezeichnet hat, alles, was bestimmt sein sollte, unbestimmt ist: sogar der Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigt" 25 ). Angesichts dieses chaotischen Zustandes und der anscheinenden Unmöglichkeit, Sinn in den Wirrwarr der Meinungen zu bringen und eine Wissenschaft von der „Wirtschaft" aufzubauen, folgert Sombart resignierend, — was eben nichts mit der auf logischem und der Erfahrung gemäßen Denken beruhenden Theorie zu tun hat, — „daß wir uns mit der Tatsache abfinden müssen, daß wir es mit einem Wort zu tun haben, das in tausend Farben schillert und daß wir uns nur dadurch helfen können, d a ß wir mit diktatorischer Willkür erklären: Das wollen wir unter Wirtschaft verstehen" 2 8 ). Das ist nach Sombart „der Sachverhalt, an den wir denken, wenn wir von der ,Wirtschaft des deutschen Volkes' oder vom Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus' reden. Die Wirtschaft erscheint uns hier in materialem Sinne, als ein inhaltlich bestimmter Umkreis menschlicher Tätigkeiten und Einrichtungen. N u r in dieser materialen Auffassung kommt die Wirtschaft als Gegenstand einer besonderen Wissenschaft ernstlich in Frage. Die Aufgabe des Theoretikers ist dann zunächst die: den Sachbereich, auf den sich die Untersuchungen des Nationalökonomen erstrecken sollen, richtig abzugrenzen. Das geschieht, wie ich glaube, am besten in der Weise, in der es meistens geschieht. Die gemeine Meinung kann auch einmal die richtige sein. Die übliche Bestimmung des Gegenstandes der Nationalökonomie erfolgt aber bekanntlich im Hinblick auf die Spannung, die notwendig zwischen dem Bedarf des Menschen an äußeren Dingen der N a t u r und deren relativer Sprödigkeit obwaltet. M a n faßt dann Wirtschaft als menschliche Unterhaltsfürsorge, d. h. als die auf Besorgung (Erzeugung, Bewegung, Verwendung) von Sachgütern gerichtete menschliche Tätigkeit auf" 2 7 ). Eine Erklärung, die nicht von einer tieferen Besinnung zeugt, denn „Wirtschaft" kann sich immer nur auf den Menschen beziehen, da das Tier nicht so zweckrational vorgeht. Das braucht also nicht noch einmal besonders hervorgehoben zu werden. U n d mit der Definition, daß Wirtschaft „Unterhaltsfürsorge" heißt, ist wenig gesagt, weil sie zweifellos nicht umfassend genug ist. Ein Mensch, der sich Lebensmittel und Kleidungsstücke besorgt, ohne auf seine gesamte Bedürfnisskala Rücksicht zu nehmen, wirtschaftet nicht, sondern folgt triebhaft oder rational dem Bedürfnis, zu essen, sich zu wärmen oder gar sich zu schmücken. Denn worauf verzichten die Menschen nicht, wenn sie der Eitelkeit frönen können. Sombart bewegt sich ebenfalls in den Bahnen der herkömmlichen „Güterlehre", wenn auch nicht im Sinne der abstrakten, reinen Theorie. Vielmehr ist Sombarts H a u p t w e r k der Frage nach der Entwicklung der Wirtschaft gewidmet, die ohne die geschichtliche und soziologische Methode nicht beantwortet zu werden vermag. So bedeutend der von Werner Sombart geformte Baustein f ü r das 25

) „Die Drei Nationalökonomien", München-Leipzig 1930, S. 1. ") Ebenda, S. 16. - 1 ) Ebenda, S. 5/6. Vorher in seinem Hauptwerk „Der moderne Kapitalismus", MünchenLeipzig 1928, und in „Die Ordnung des Wirtschaftslebens", Berlin 1925, S. 15/16. 2

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gesamte wirtschaftswissenschaftliche Gebäude in seinen oberen Stockwerken ist, so sehr ist es zu bedauern, daß seine methodologische Vorarbeit im Sinne der Grundlagenforschung überaus mangelhaft ist. Gerade Sombart, dem es doch auf die wirklich lebensnahe Erklärung des Wirtschaftslebens ankam, hätte den Vorstoß unternehmen sollen, die Wirtschaft aus dem Wirtschaften der Einzelnen heraus und dieses so umfassend wie möglich zu deuten. Daran hinderte ihn seine bekannte wissenschaftliche Methode, die doch mehr auf Ordnung als auf Erklärung abgestellt war. Er ließ sich gefangennehmen von den zahlreichen Wortbedeutungen, wie sie in den einzelnen Ländern gebraucht werden und die letzten Endes alle auf das griechische Wort owovo|xia zurückgehen. Oixovo(xia heißt: die Verwaltung des Hauses, entsprechend ist der Oixog der Hausvater oder Haushalter, im lateinischen oeconomicus. So lehrreich die Worterklärungen Sombarts an sich sind, so wenig sind sie dazu angetan, aus dem Zirkel herauszukommen, wenn man immer wieder an Sokrates, Aristoteles — bedingt an Piaton — und im Anschluß an die Auffassung der Griechen von der „Wirtschaft", an die der Römer, wie Cicero und andere, anknüpft, und nicht den Versuch unternimmt, der Erfahrung gemäß streng logisch den Tatbestand der Wirtschaft aus dem besonders gearteten Erwägen und Handeln, dem Wirtschaften, heraus zu bestimmen. Mit „diktatorischer Willkür" kommen wir niemals zu dem Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft, wofür Sombarts Wirtschaftslehre ein beredtes Zeugnis ablegt. Das ist mit H i l f e der Logik möglich, die aus dem Erfahrungsobjekt das Erkenntnisobjekt einer Wissenschaft bestimmt, um damit ihr f ü r alle Menschen und Zeiten gültiges Fundament, auf dem dann die einzelnen Teile des wirtschaftswissenschaftlichen Gebäudes errichtet werden können, zu schaffen. Sombarts Vorhaben und Ansatzpunkt in seinem methodologischen Werk ist zwar richtig, wenn er schreibt: „Wenn ich es auf den folgenden Blättern unternehme, ein wenig Ordnung in dieses Chaos, das die vorstehende Skizze aufgedeckt hat, zu bringen, so bediene ich mich dabei eines Verfahrens, von dem man sich nur wundern muß, daß es in unserer Wissenschaft nicht längst zur Anwendung gebracht worden ist. Ich versuche, die verschiedenen Auffassungen, die bisher in der Nationalökonomie zutage getreten sind, auf ihre letzten Erkenntnisgrundlagen zurückzuführen. Dadurch erfassen wir nicht nur ihre Wesenheit, aus der sich alle weiteren Einzelheiten der nationalökonomischen Lehren von selbst ergeben, sondern wir gewinnen auch die Möglichkeit, die vielen Meinungen und Ansichten gleichsam auf eine Ebene zu projizieren und sie dadurch miteinander vergleichbar zu machen. Grundeinstellungen zu unserem Gegenstande — der menschlichen Wirtschaft — gibt es aber, wie zu allen übrigen Bestandteilen der Kultur, drei und nur drei: die metaphysische, die naturwissenschaftliche und die geisteswissenschaftliche, die zu drei verschiedenen Gestaltungen der Nationalökonomie geführt haben und immer wieder führen: der richtenden, der ordnenden und der verstehenden Nationalökonomie, wie ich sie nennen will", wobei Sombart sich bewußt ist, „daß sich die drei Gestalten des nationalökonomischen Denkens fast nie rein in den einzelnen Systemen ausgeprägt finden"28). Aber 28 ) Ebenda, S. 19. 27

die letzte E r k e n n t n i s g r u n d l a g e zu entdecken, versagte er sich selbst durch seine willkürliche U m g r e n z u n g des Tatbestandes der „ W i r t s c h a f t " und daher ist sein Buch mehr ein wissenschaftsgeschichtliches Buch als ein Versuch, aus den bisherigen B e m ü h u n g e n u m die Grundlagenforschung heraus ein der E r f a h r u n g entsprechend tiefes

und

breites

Fundament

der Wirtschaftswissenschaft

durch

rein

logisches

D e n k e n zu schaffen. W i e ich schon sagte, ist Sombart

eben doch m e h r H i s t o r i k e r und S o z i o l o g e ge-

wesen als T h e o r e t i k e r , der „ m i t T a l e n t u n d L e i d e n s c h a f t " auch streng m e t h o d o logisch zu arbeiten versteht. D a r a u s e r k l ä r t sich auch ein a n d e r e r grundlegender Fehler. N a c h Sombart

unterscheiden sich nämlich Wirtschaftssysteme unter

an-

derem durch die Wirtschaftsgesinnung, die entweder „ r a t i o n a l i s t i s c h " oder „ t r a ditionalistisch" sein k a n n 2 9 ) . Diese A n t i t h e s e ist o f f e n b a r falsch, wenn auch w e i t verbreitet, w o r a n die m i ß v e r s t a n d e n e F i k t i o n des h o m o oeconomicus Schuld t r ä g t . D a s W i r t s c h a f t e n entspringt der V e r n u n f t , ist also i m m e r r a t i o n a l begründet. I n seinem Vollzug,

in der T e c h n i k kann das W i r t s c h a f t e n in „ e i n g e f a h r e n e n

Bah-

n e n " , „ t r a d i t i o n a l i s t i s c h " o r i e n t i e r t sein; z u m Beispiel k a n n ein B a u e r im H i n blick auf seine gesamte B e d ü r f n i s s k a l a im S i n n e seiner V o r f a h r e n

wirtschaften,

ohne sich bezüglich der A r t e n der B o d e n b e b a u u n g u m die N e u e r u n g e n der A g r a r T e c h n i k zu k ü m m e r n oder sich ihrer ü b e r h a u p t b e w u ß t zu sein. Sombart

ver-

wechselt, w i e die meisten A u t o r e n , W i r t s c h a f t e n a n sich m i t dem fälschlich gen a n n t e n „wirtschaftlichen P r i n z i p " , das eine technische

M a x i m e ist, w o r ü b e r noch

zu sprechen sein w i r d . Sombarts

g r o ß angelegter Versuch der O r d n u n g der bisher v o r g e t r a g e n e n n a t i o -

nalökonomischen L e h r m e i n u n g e n unter dem Gesichtspunkt der „richtenden tionalökonomie",

der

„ordnenden

Nationalökonomie"

und

der

Na-

„verstehenden

N a t i o n a l ö k o n o m i e " k a n n g a r nicht hoch genug veranschlagt werden. G e h t doch aus dieser U n t e r s u c h u n g zusammenfassend h e r v o r , aus welchem B o d e n die e i n zelnen T h e o r i e n erwachsen s i n d ; mit welchen Ansprüchen sie a u f t r e t e n und o b es ihnen gelungen ist, den einzig möglichen A u s g a n g s p u n k t der W i r t s c h a f t s w i s senschaft zu b e s t i m m e n . W e n n die V e r t r e t e r der „ r i c h t e n d e n " N a t i o n a l ö k o n o m i e das, w a s sein soll, u n d nicht das, w a s ist, lehren, w e n n es für sie gilt, „die ewigen G e s e t z e zu erforschen, die die sittliche W e l t beherrschen und auch dem wirtschaftenden Menschen sein T u n v o r s c h r e i b e n " , u n d die Erforschung der „richtenden W i r t s c h a f t " , d. h. „ d e r dem Sinn der W e l t , den A u f g a b e n der Menschheit, den Lebensbedingungen

der

Gesellschaft angemessenen, , a d ä q u a t e n ' W i r t s c h a f t " 3 0 ) das H a u p t z i e l der „richtenden N a t i o n a l ö k o n o m i e "

ist, dann h ä t t e es zunächst eines eindeutigen,

logisch

nicht a n f e c h t b a r e n V e r f a h r e n s bedurft, u m den T a t b e s t a n d des Wirtschaftens a n sich b e s t i m m e n zu k ö n n e n . W i e oben ausgeführt w u r d e , h a t Aristoteles

sich eines

solchen V e r f a h r e n s nicht b e d i e n t und die sich a u f ihn beziehende

scholastische

) Wie wenig sich selbst Werner Sombart der umfassenderen Problematik des „Wirtschaftens" bewußt geworden ist, geht auch aus einem seiner letzten Werke „Deutscher Sozialismus", Berlin 1934, hervor. 3 °) A. a. O., S. 22. 20

28

Nationalökonomie (Thomas von Aquino, Antonius von Florenz, Bernhard von Siena, Nicolaus Oresmius [1323—1382], Gabriel Biel [1425—1495] u. a.), die Lehre Martin Luthers (1483—1546), die wirtschaftstheoretischen Darlegungen der Humanisten und Reformatoren, der Romantiker (Adam Müller), der katholischen Nationalökonomen Alban de Villeneuve-Bargemont, des Jesuitenpaters Matteo Liheratore, Charles Henri Xavier haben sich durch ihre Anlehnung an die damaligen theologischen Auffassungen den Weg zu einer einwandfreien Grundlagenforschung verbaut. Das gilt nicht minder für den A u f b a u der Lehre Othmar Spanns von der „körperschaftlich und ständisch gebundenen, w a h r h a f t wirklichen Wirtschaft", die in der scholastischen Philosophie ihren Ausgangspunkt nimmt. Auch die anderen Vertreter der „richtenden Nationalökonomie", die zum Teil in Sombarts Werk Berücksichtigung finden, sind durch ihre metaphysische Einstellung gehemmt worden, um unvoreingenommen eine wissenschaftliche Verfahrenslehre zu begründen, mit deren Hilfe der wahre Tatbestand zunächst des Wirtschaftens der einzelnen und dann der arbeitsteiligen Wirtschaft hätte bestimmt werden können. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei in diesem Zusammenhang lediglich vermerkt, daß die Vertreter der „ordnenden" Nationalökonomie, zu denen die schon oben erwähnten Physiokraten, die englischen Klassiker, der Begründer der Monopoltheorie Augustin A. Cournot (1801—1877), ferner Männer wie Leon Walras, W. St. Jevons, Carl Menger, Friedrich von Wieser, Alfred Marshall, ]. B. Clark, Viljredo Pareto, Francis Ysidro Edgeworth, Joseph Schumpeter, Enrico Barone und wohl der größte Teil der sozialistisch-marxistischen Theoretiker zu zählen sind, den Gesetzesbegriff entsprechend der naturwissenschaftlichen Methode in den Mittelpunkt ihrer Theorie stellen, worunter die einen Kausalgesetze, die anderen Funktionsgesetze, in denen funktionale Beziehungen von Größen zueinander ausgedrückt werden sollen, verstehen. D a ß die „ordnende" Nationalökonomie sehr viel zum Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge beigetragen hat, ist bekannt, weniger, daß ihre Vertreter den eindeutigen Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft nicht gefunden haben. D a ß es den Vertretern der „verstehenden" Nationalökonomie, zu denen sich auch Werner Sombart selbst rechnet, ihn zu finden gelungen ist, habe ich aus der Ansicht der bisher aufgeführten Autoren nicht entnehmen können. Sehen wir daher zu, ob nicht doch der eine oder andere sich mit der Grundlagenforschung mehr oder weniger befassende Wirtschaftswissenschaftler, der im Rahmen dieser Abhandlung noch erwähnt werden muß, der Frage nach dem einzig möglichen Fundament der Wirtschaftswissenschaft näher gekommen ist. Wenn Sombart am Schluß seiner geistvollen Ausführungen sagt, daß die z u k ü n f tige Theorie der Wirtschaft in der Frage der Ermittlung der Wahrscheinlichkeiten wie auf allen anderen Gebieten „aus den alten Geleisen, in denen sie nun seit 150 Jahren fährt, herauskommen muß, um fruchtbare Erkenntnis zu liefern" 3 1 ) und zweifellos mit seinem Lebenswerk einen beachtlichen Beitrag zu der Erkennt31

) „Die Drei Nationalökonomien", S. 307. 29

Ludwig M* ses

nis des Wirtschaftslebens in seiner vielgestaltigen Entwicklung geliefert hat, so hat er bei aller Anerkennung der bisherigen großartigen Leistungen der Nationalökonomie vor allem insofern Recht, als der Aufbau des wirtschaftswissenschaftlichen Systems von G r u n d auf anders als bisher vollzogen werden muß. Das wahre Fundament „eines eine geistige Einheit darstellenden Werkes von vollendeter H a r m o n i e " hat Sombart selbst aus den erwähnten Gründen allerdings auch nicht zu schaffen vermocht. In diesem Zusammenhang ist auch das bekannte Werk über „Die Gemeinwirtschaft" von Ludwig Mises (1881—1973) zu nennen. Allen denen, die, wie insbesondere Otbmar Spann, den Eudämonismus und Utilitarismus ablehnen, hält Mises — allerdings noch recht naturalistisch formuliert — sehr richtig vor: „Das vernünftige und daher allein vernunftgemäß zu begreifende Handeln kennt nur ein Ziel: die höchste Lust des handelnden Individuums. Es will Lust verlangen, Unlust vertreiben. Wer gegen diese Auffassung mit den Schlagwörtern, die im Kampf gegen Eudämonismus und Utilitarismus üblich sind, losziehen will, der sei auf die Schriften verwiesen, in denen Will und Feuerbach die Mißverständnisse, die über den Inhalt dieser Lehre verbreitet sind, aufdecken und den unwiderleglichen Nachweis erbringen, daß vernünftiges menschliches Handeln anders, als so motiviert, nicht einmal denkbar ist. Es wäre schade, daran auch nur ein weiteres Wort zu verschwenden. Wer noch immer nicht weiß, was die Ethik unter Lust und Unlust, unter Glückseligkeit und unter Nutzen verstehen will, wer noch immer dem ,gemeinen' Hedonismus die ,hehre' Pflichtethik gegenüberstellen will, der wird sich nicht überzeugen lassen, weil er nicht überzeugt werden will" 8 2 ). Wenn Mises aber dann fortfährt, seine Ansicht über den Ausgangspunkt der nationalökonomischen Theorie zu begründen, vermag ich ihm nicht zu folgen. Er sagt: „Der Mensch handelt überhaupt nur, weil er nicht voll befriedigt ist. Stünde er stets im Vollgenusse höchsten Glücks, dann wäre er wunschlos, willenlos, tatenlos. Im Schlaraffenland wird nicht gehandelt. N u r der Mangel, das Unbefriedigtsein, löst das H a n d e l n aus. H a n d e l n ist zielstrebiges Wirken nach außen. Sein letztes Ziel ist immer Beseitigung eines als mißlich erkannten Zustandes, Behebung eines Mangels, Befriedigung, Steigerung des Glückgefühls. Stünden dem handelnden Menschen alle äußeren Hilfsquellen in so reichem Maße zur Verfügung, daß er durch sein Handeln volle und höchste Befriedigung zu erlangen imstande wäre, dann könnte er mit ihnen achtlos umgehen. N u r sein persönliches Wirken, den Einsatz seiner eigenen K r ä f t e und seiner dahinfließenden Lebenszeit, hätte er, weil in einem gegenüber der Fülle der Bedürfnisse nur begrenzten Maße verfügbar, so zu verwenden, daß der größtmögliche Erfolg erzielt wird; nur mit der Arbeit und mit der Zeit, nicht auch mit den Sachgütern würde er dann wirtschaften. Da aber auch die Sachgüter im Verhältnis zum Bedarf knapp sind, werden auch sie in der Weise verwendet, d a ß zunächst die dringenderen Bedürfnisse vor den minder dringenden befriedigt werden, und daß f ü r jeden Erfolg die geringste Menge davon aufgebracht wird. 32 ) „Die Gemeinwirtschaft", 2. Aufl., Jena 1932, S. 89/90. 30

Das Gebiet des rationalen Handelns und das der Wirtschaft fallen zusammen; alles rationale Handeln ist Wirtschaften, alles Wirtschaften ist rationales H a n deln"^). Abgesehen davon, daß Mises plötzlich, voreingenommen das Wort „Wirtschaft" in die Debatte wirft, ist es nicht richtig zu sagen, daß „alles rationale Handeln Wirtschaften ist", auch wenn Wirtschaften ein allerdings bestimmt orientiertes Erwägen und Handeln ist. Wie unsicher seine Begründung ist, da auch er noch in der „Güterlehre" befangen, geht aus seinen weiteren Ausführungen hervor. Danach ist „das theoretische Denken hingegen kein Wirtschaften. Was gedacht wird, um ein Begreifen und Verstehen der Welt zu ermöglichen, trägt seinen Wert zwar nicht in sich — die moderne Wissenschaft kennt keinen valor intrinsecus mehr — , doch in der Befriedigung, die der Denker und die, die unter seiner Führung dasselbe wieder durchdenken, darob unmittelbar empfinden. Im Denken selbst ist Ökonomie kein Erfordernis, so wenig sie es im Schönen oder Schmackhaften ist. O b etwas besser oder weniger gut schmeckt, ist ganz unabhängig davon, ob es ökonomisch ist oder nicht; die Lustempfindung wird dadurch nicht beeinflußt. Erst wenn das Schmackhafte aus dem Gebiet der theoretischen E r kenntnis in das des Handelns tritt, wenn es gilt, sich Schmackhaftes zu verschaffen, dann wird es von der Ökonomie erfaßt, und es wird wichtig, einerseits für die Beschaffung dieses Genusses nichts aufzuwenden, was dringenderen Bedürfnissen entzogen werden müßte, und andererseits das der Beschaffung des Schmackhaften in Anbetracht seiner Bedeutung Gewidmete so auszunützen, daß dabei nichts verlorengeht, da sonst die Deckung anderer, wenn auch minderwichtiger Bedürfnisse verschlechtert würde. Mit dem Denken steht es nicht anders. Das E r fordernis der logischen Richtigkeit und Wahrheit ist von aller Ökonomie unabhängig. Die Lustempfindung, die das Denken auslöst, lost es durch Richtigkeit und Wahrheit, nicht durch Wirtschaftlichkeit in der Verwendung der Mittel aus. D a ß eine Definition nicht mehr enthalten soll, als notwendig ist, ist kein Erfordernis der Ökonomie, sondern der logischen Richtigkeit; würde sie mehr enthalten, dann wäre sie falsch, würde daher nicht Lust, sondern Unlust erregen. Die Forderung eindeutiger Bestimmheit der Begriffe ist nicht ökonomischer, sondern spezifisch logischer Natur. Auch dort, wo das Denken aufhört, theoretisch zu sein und ein Vorbedenken des Handelns wird, ist nicht Ökonomie des Gedachten, sondern Ökonomie der vorbedachten Handlung das Erfordernis. Das aber ist wohl etwas anderes" 3 4 ). Nicht zuletzt aus diesem Gedankengang von Mises, in dem — ähnlich, wie wir noch sehen werden, wie bei Franz Oppenheimer — das Erwägen als nicht zum Wirtschaften gehörig betrachtet wird, geht hervor, wie unerläßlich es für die Grundlegung und den Aufbau der Wirtschaftswissenschaft — eben nicht der nationalökonomischen Theorie — ist, unvoreingenommen das Problem „Wirtschaften" aus einem aus dem Leben herausgegriffenen Tatbestand herauszuschälen und zu lösen zu versuchen. Dann braucht man nicht zu Gedankensprüngen zu 33 S4

) Ebenda, S. 90. ) Ebenda, S. 90/91. 31

kommen, wie es auch in dem sonst so beachtlichen W e r k v o n Ludwig Mises Fall ist, in dem auch er unter anderem zu der unlogischen Unterscheidung „wirtschaftlichen" u n d „nicht-wirtschaftlichen" G ü t e r n k o m m t . Andererseits, nicht unbeachtet zu lassen, was der Problemlösung näher kommen könnte, m e r k t Mises, d a ß

der von um be-

„die in der N a t i o n a l ö k o n o m i e übliche Scheidung des H a n d e l n s in das Gebiet des ,Wirtschaftlichen' oder des ,Reinwirtschaftlichen' u n d in das des ,Außenwirtschaftlichen' ebenso unzulänglich ist wie die Sonderung der stofflichen und der idealen G ü t e r . D e n n das Wollen u n d H a n d e l n ist einheitlich; das Zwecksystem ist notwendigerweise ungeteilt u n d u m f a ß t nicht n u r jene Wünsche, Begehrungen u n d Bestrebungen, die durch E i n w i r k u n g auf die dingliche Außenwelt, durch äußeres H a n d e l n und Unterlassen erreicht werden, sondern gerade so auch alles das, was m a n als Befriedigung ideeller Bedürfnisse zu bezeichnen pflegt. A u d i die ,ideellen' Güter müssen in die einheitliche Wertskala eingehen, da das I n d i v i d u u m im Leben gezwungen ist, zwischen ihnen u n d den m a t e riellen' G ü t e r n zu w ä h l e n . Wer zwischen ,Ehre' u n d ,Essen', zwischen ,Treue' u n d ,Reichtum', zwischen ,Liebe' u n d ,Geld' die Entscheidung zu treffen hat, stellt beides in eine Reihe" 3 5 ). W a r u m zieht Mises aber nicht die einzig mögliche Folgerung u n d versucht nun doch das Wirtschaften der E r f a h r u n g entsprechend logisch einwandfrei von dem allgemein-rationalen H a n d e l n abzugrenzen? Einmal hat sich Mises der Erkenntnis dadurch begeben, d a ß er Denken u n d Erwägen als Teil des Wirtschaftens nicht trennt u n d nur das rationale H a n d e l n als Wirtschaften ansieht, u n d z u m anderen ist auch Mises noch zu stark von der „ G ü t e r l e h r e " beeindruckt, als d a ß er einzusehen vermag, d a ß das Wirtschaften — eben wenn die Kosten Berücksichtigung finden müssen — identisch ist mit dem Streben nach der Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse nach ihrer Dringlichkeit. W e n n Wirtschaften bedeutet: N u t z e n und Kosten im Hinblick auf alle Bedürfnisse vergleichen u n d entsprechend handeln, also ein Werten aus dem gesamten Wertungszusammenhang, so ist es sehr wohl von dem allgemein-rationalen Erwägen und H a n d e l n abzugrenzen. G a n z entgegen der Afisesschen Erkenntnis, die deswegen hier so ausführlich dargestellt wird, weil sie überaus aufschlußreich f ü r das eifrige Bemühen, zu einer einwandfreien Grundlage der Wirtschaftswissenschaft zu kommen, ist und zugleich d a f ü r zeugt, d a ß , a n s t a t t so einfach, aber so scharf wie möglich die Problematik zu erfassen, auch Mises zuletzt doch in den Fehler verfällt, ein äußerliches F a k t u m : die Geldrechnung, in seinen Gedankengang einzufügen, u m wenigstens einen Unterschied zwischen dem rein wirtschaftlichen u n d dem übrigen H a n d e l n machen zu können. E r f ä h r t nämlich f o r t : „ D a das Wirtschaftliche alles menschliche H a n d e l n umspannt, m u ß m a n große Behutsamkeit w a l t e n lassen, wenn man innerhalb seines Gebietes das ,reinwirtschaftliche' v o m übrigen H a n d e l n sondern will. Diese Sonderung, die f ü r 35

) Ebenda, S. 103/104.

32

viele A u f g a b e n der wissenschaftlichen Betrachtung unentbehrlich ist, hebt ein bestimmtes Ziel heraus u n d stellt es den anderen Zielen gegenüber. Dieses so herausgehobene Ziel — es bleibt zunächst dahingestellt, ob es ein letztes Ziel oder selbst nur ein Mittel z u anderen Zielen ist — ist die Erreichung eines möglichst hohen, in G e l d errechenbaren Ertrages, wobei unter G e l d , streng im Sinne der nationalökonomischen Theorie, das oder die z u r Zeit allgemein gebräuchlichen Tauschmittel z u verstehen sind. Eine feste A b g r e n z u n g dieses Gebietes des ,reinwirtschaftlichen' v o n den anderen Gebieten des H a n d e l n s k a n n d a h e r nicht vollzogen werden. E s hat j a auch f ü r den Einzelnen, je nach seiner Einstellung z u m Leben und H a n d e l n , einen verschiedenen U m f a n g . E s ist anders f ü r den, dem Ehre, T r e u e u n d Ü b e r z e u g u n g nicht feil sind, der diese D i n g e nicht in die Geldrechnung eingehen läßt, und ein anderes f ü r den Verräter, der seine Freunde u m G e l d oder Geldeswert verläßt, f ü r Dirnen, die ihre Liebe v e r k a u f e n , f ü r den Richter, der sich bestechen läßt. D i e Ausscheid u n g des ,reinwirtschaftlichen' aus dem größeren Gebiet des rationalen H a n delns ist weder durch die A r t des Zieles, noch durch die Besonderheit der Mittel gerechtfertigt. W a s es v o m übrigen rationalen H a n d e l n sondert, ist nur die Besonderheit des Vorgehens a u f diesem Teilgebiet des rationalen H a n d e l n s . D a ß hier zahlenmäßig gerechnet werden k a n n , das allein scheidet es v o n allem übrigen H a n d e l n . D a s , w a s m a n das ,Reinwirtschaftliche' nennt, ist nichts anderes als das Gebiet der Geldrechnung. D a ß sich aus dem Gebiete des menschlichen H a n d e l n s ein Stück aussondern läßt, auf d e m m a n die einzelnen Mittel untereinander mit aller Genauigkeit, die das Rechnen an die H a n d gibt, bis ins kleinste z u vergleichen v e r m a g , bedeutet so viel f ü r unser D e n k e n und H a n d e l n , d a ß wir leicht d a z u neigen, diesem Stücke eine vorzügliche G e l t u n g einzuräumen. M a n übersieht darüber leicht, d a ß die Sonderstellung dieses ,Reinwirtschaftlichen' nur eine denktechnische u n d handlungstechnische ist, und d a ß es ein dem Wesen nach v o n dem g a n z e n einheitlichen System der Ziele u n d Mittel nicht geschiedenes Gebiet darstellt. D a s Mißlingen aller Versuche, d a s ,Wirtschaftliche' als Sondergebiet des rationalen H a n d e l n s und im ,Wirtschaftlichen' wieder das ,Reinwirtschaftliche' als ein scharf abgegrenztes engeres Gebiet auszuscheiden, ist nicht auf die Unzulänglichkeit der geistigen Mittel, die d a r a n gewendet wurden, zurückzuführen. E s ist kein Zweifel, d a ß z u r L ö s u n g dieses schwierigen Problems der größte Scharfsinn a u f g e b o t e n w u r d e . Wenn es doch nicht gelöst werden konnte, d a n n beweist dies deutlich, d a ß es sich u m eine Fragestellung handelt, auf die eine befriedigende A n t w o r t ü b e r h a u p t nicht gegeben werden kann. D a s Gebiet der Wirtschaft f ä l l t mit d e m des rationalen menschlichen H a n d e l n s schlechthin z u s a m m e n , u n d das Gebiet des R e i n w i r t schaftlichen ist nichts anderes als das Gebiet, a u f dem Geldrechnung durchführbar erscheint" 3 6 ).

36

) Ebenda, S. 104/105. 33

Ist es nicht widersinnig, anzunehmen, daß der Mensch schon wirtschaftet, wenn er für irgendeinen Zweck Geld ausgibt, aber nicht wirtschaftet, wenn er auch die Befriedigung seiner geistigen und der anderen nicht mit äußeren materiellen Gütern und durch äußere persönliche Leistungen zu befriedigenden Bedürfnisse nach einer gewissen Reihenfolge ins Auge faßt und entsprechend vorgeht? Wirtschaftet etwa jemand, wenn er ganz instinktiv in einen Laden geht und einen Artikel nur deswegen kauft, weil er ihn besonders schön findet, weil er also seinem ästhetischen Empfinden entspricht? Kann nicht ein solcher Kauf auch rein triebhaft, irrational, aus einem Gefühlsüberschwang heraus, ohne Rücksicht auf seine anderen Bedürfnisse und sein Geldvermögen getätigt werden? Soweit Mises, der auch bezüglich seiner Fragestellung „Kapitalismus oder Sozialismus?" zu noch vertiefteren Erkenntnissen gekommen wäre, wenn er das Problem „Wirtschaften" den Tatsachen entsprechend logisch einwandfrei gelöst hätte. Walter Eucken

H a t ihn etwa darin Walter Euchen (1891—1950) übertroffen, der sich doch sehr j n einem nicht weniger beachtlichen Werk mit den Grundlagen der Nationalökonomie auseinandergesetzt hat und auf den als Mitbegründer der „Freiburger Schule" sich insbesondere seit 1948 zahlreiche Wissenschaftler, Journalisten, Politiker, Unternehmer, Verbandssyndici und Beamte in der Bundesrepublik Deutschland berufen?

e;ngehencj

„Volle, unmittelbare Anschauung der Tatsachen und entschiedenes, einfaches Fragen ist nötig, um ein festes Fundament zu gewinnen", . . . „Durchstoß zur wirtschaftlichen Wirklichkeit ist die Hauptforderung, die an die Nationalökonomie gestellt werden muß" 3 7 ), meint er sehr richtig und stellt sich damit auf den Boden der Erkenntnistheoretiker, die bemüht sind, über die Erklärungsversuche der reinen Theorie hinauszukommen. Und zwar will Eucken ganze Arbeit leisten. Es erscheint ihm daher nötig, „die Größe der Aufgabe deutlich und in ihrem ganzen Umfang zu erkennen, und es ist weiter nötig, sie von Grund aus zu bewältigen. Ein oberflächlicher Kompromiß zwischen Theorie und historischer Forschung oder rein methodologische Reflexionen über ihre Zusammenarbeit sind zwecklos" 38 ). H a t nun Eucken wirklich den Grundtatbestand des Wirtschaftens und des Wirtschaftslebens im Gegensatz zu den bisherigen, nach seiner Meinung nicht völlig geglückten Erklärungsversuchen aufzudecken und seine Theorie aus einem Guß aufzustellen vermocht? Wenn er bemerkt, daß „sein Buch kein methodologisches Buch, sondern die wirtschaftliche Wirklichkeit sein Gegenstand ist", denn „Emporwuchern methodologischer Reflexionen ist ein Krankheitszeichen für jede Wissenschaft; aber durch Methodologie allein ist noch nie eine kranke Wissenschaft geheilt worden" 3 9 ), so kann dies nicht unwidersprochen bleiben. Wissenschaft ohne Methodologie ist unmöglich. Wie sollte wohl eine Aufteilung des gesamten Wissenschaftsbereiches 37)

„Die Grundlagen der Nationalökonomie", Jena 1943, S. 1 und 26. Ebenda, S. 28. 39 ) Ebenda, S. VII. 38 )

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in einzelne von Fachdisziplinen zu untersuchende Gebiete erreicht werden, wenn man sich nicht vorher auf Grund logisch stichhaltiger, methodologischer Überlegungen über ihr Objekt im klaren sein würde? Auch kann von einem „Emporwuchern" solcher Betrachtungen in der Wirtschaftswissenschaft bestimmt nicht die Rede sein. H ä l t man die Zahl der sich mit der Methodologie beschäftigenden Autoren der den Nicht-Methodologen gegenüber, so wird man feststellen können, daß sich nur sehr wenige um die methodologische Vorarbeit zwecks Abgrenzung der Nationalökonomie, geschweige der Wirtschaftswissenschaft von den anderen Disziplinen bemüht haben. Die Wirtschaftswissenschaft ist nicht an zuviel methodologischen Reflexionen „ e r k r a n k t " — ein nicht gerade glücklicher Audsruck —, sie ist mangels wirklicher, umfassender Problemschau aus dem gesamten Lebensbereich heraus noch gar nicht fest begründet worden. Methodologie ist hierfür die zwingende Voraussetzung, und auch das Bemühen Walter Euckens ist daher methodologisch orientiert. Will er sich doch in die Reihe derjenigen Autoren stellen, denen die „Läuterung nationalökonomischen Denkens" (v. Gottl) am Herzen liegt, und die die innere Unsicherheit, Lebensferne und Zersplitterung der N a tionalökonomie, geschweige der Wirtschaftswissenschaft überwinden möchten. Sagt Eucken doch selbst, daß „der Ruf an die Sachen, zu den Dingen, wider die Herrschaft des Wortes nicht ausreicht." Ist es ihm nun gelungen, die der Erfahrung entsprechende einzig richtige, logisch stichhaltig erarbeitete Grundlage der Nationalökonomie, geschweige der Wirtschaftswissenschaft zu schaffen? Zweifellos hat er in seinem Kampf gegen die „Begriffs-Nationalökonomie" Wesentliches zur Klärung beigetragen, aber auch seine Problemschau ist nicht weit und tief genug, um die Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Gebäudes bestimmen zu können. Auch für Eucken ist die wirtschaftliche Wirklichkeit allein mit den Tatsachen gegeben, die äußerlich wahrnehmbar sind. Er sieht nicht, daß die Wirtschaftswissenschaft — und nicht die Nationalökonomie, die er untersucht, — ihren Ausgangspunkt von dem Problem „Wirtschaften" in seiner allgemeingültigen Bedeutung her nehmen muß und nicht von der äußerlich wahrnehmbaren, historisch gewordenen Wirtschaft in ihren verschiedenen möglichen Ordnungen und Wirtschaftseinheiten als durch die zunehmende Arbeitsteilung der einzelnen Wirtschafter bedingten Gestaltungen. Denn ein Gemüsegeschäft, eine Schusterwerkstatt, eine Fabrik, ein Bauernhof, eine Eisenbahn, eine Schiffahrtsgesellschaft, die man in ihrem Zusammenhang gemeinhin, aber fälschlicherweise, als „Volkswirtschaft" bezeichnet, sind nur auf der Arbeitsteilung begründete Organisationsformen, d. h. betriebstechnische Einheiten im Vollzug des Wirtschaftens der Einzelnen, das sich eben in der unmittelbaren, auf Güter- und Leistungstausch abgestellten Sozialbeziehung nicht erschöpft. Deshalb ist auch die Auffassung Walter Euckens zu eng, die zwar in „scharfem Gegensatz zu der generalisierenden Abstraktion', die in vielen Tatbeständen Gemeinsames festhalten will und mit der die Konstrukteure von Wirtschaftsstufen und Wirtschaftsstilen arbeiten" 4 0 ) und die die „pointierend hervor4

°) Ebenda, S. 86. 35

hebende" oder „isolierende" Abstraktion am einzelnen Tatbestand verficht, aber eben noch nicht zu der Problemweite des „Wirtschaftens" vordringt, wie noch dargelegt werden wird. Auch f ü r Euchen ist das Wirtschaften der Einzelnen allein an äußeren Gütern und persönlichen Leistungen orientiert. Auch für ihn ergibt sich die Notwendigkeit des Wirtschaftens aus der äußeren Lebensnot. U n d das ist, wie wir noch sehen werden, nicht richtig. Euckens Lösungsversuch ist daher auch nicht wirklichkeitsnah genug, um seinerseits die einzig möglichen, weil logisch stichhaltigen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft — nicht der Nationalökonomie — schaffen zu können. Wohl gemerkt: Grundlagen, denn von den anderen Ansichten Euckens über die bisherigen sonstigen Ergebnisse nationalökonomischer Forschung soll hier nicht gesprochen werden. Eucken betitelt ja sein Bucii auch ausdrücklich „Die Grundlagen der Nationalökonomie" und nicht „Die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft", woraus an sich schon die Problemweite des Euckensdneri Lösungsversuches erkenntlich ist. Wenn nämlich auch viele Autoren so o f t von der „Nationalökonomie", „Sozialökonomie", „Sozialökonomik", „Political Economy", „Economics", „Economie politique" u. a. und nicht von der „Wirtschaftswissenschaft" lediglich als Wortmarke, als Kennzeichen einer Disziplin sprechen, so geht doch daraus zumindest eines hervor, daß sie die allgemeingültigen, ewigen, rein logisch aus der Lebensfülle heraus gesehenen, wirklich stichhaltigen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft nicht erkannt haben, sondern in Anlehnung an die klassische Lehre oder an die Grenznutzenschule oder an die Erkenntnisse Robert Liefmanns in der Auffassung von der Aufgabe der Wirtschaft als der planmäßigen Überwindung der äußeren Lebensnot befangen geblieben sind. Eucken sagt ausdrücklich: „Wenn wir zwei Verhalten feststellen, je nachdem der Mensch ein ,bewegliches' oder ein gleichbleibendes Niveau von Bedürfnissen' hat, so handelt es sich dabei nur um die Bedürfnisse nach Sachgütern, nicht um das Bedürfnis nach Muße. Dies letztere Bedürfnis ist nicht beachtet. Der Arbeiter, der bei einer Lohnsteigerung entsprechend weniger arbeitet, befriedigt z w a r seine Bedürfnisse nach Sachgütern ebenso wie früher, aber er befriedigt sein Bedürfnis nach Muße besser und diese Aussonderung des Bedürfnisses nach Muße dürfte sich empfehlen, weil es — im Gegensatz zu anderen Bedürfnissen — gerade durch Verzicht auf wirtschaftliche Tätigkeit befriedigt wird" 4 1 ). Ganz offensichtlich entspricht diese Art der Unterscheidung der Bedürfnisse und die daraus resultierende Auffassung über wirtschaftliche Tätigkeit einer gedanklichen Willkür, aber keiner strengen Logik, die nicht nach „Empfehlungen" vorgehen darf. Eucken arbeitet immer wieder mit der eingewurzelten Vorstellung von Wirtschaft und verfällt — trotz seines eifrigen Bemühens um eine einwandfreie Grundlagenforschung — damit natürlich demselben verhänisvollen Trugschluß, wie alle seine Vorgänger. Auch Eucken hält an der sinnwidrigen Einteilung in „wirtschaftliche" und „nicht-wirtschaftliche" Bedürfnisse fest. Auch für ihn „befindet sich überall und zu allen Zeiten, Tag f ü r Tag der Mensch in der 41

) Ebenda, S. 321.

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Situation, die Spannung zwischen seinen Bedürfnissen und den Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung überwinden zu müssen. Hieran hat sich seit Anbeginn der Geschichte grundsätzlich nichts geändert. Aber nicht nur die Situation des Menschen ist in dieser Hinsicht grundsätzlich stets die gleiche, sondern auch sein Verhalten in der Lösung dieses Problems der Knappheit bleibt im Grundwesentlichen konstant: Stets nämlich und überall suchen die Menschen in ihren wirtschaftlichen Plänen und damit in ihren Handlungen einen bestimmten Zweck mit einem möglichst geringen A u f w a n d an Werten zu erreichen. Stets also folgen sie dem sog. .Wirtschaftlichen Prinzip' " 4 2 ). U n d an anderer Stelle sagt Euchen: „Ähnlich wie bei Untersuchung der mannigfaltigen Wirtschaftsformen müssen wir die üblichen, abgegriffenen Schemata über den Wirtschaftsmenschen beiseiteschieben, um den Menschen in der Wirtschaft zu sehen, wie er w a r und ist: Den K a u f m a n n zu Ypern oder Florenz im späten 13. Jahrhundert oder zu Nürnberg im 15. Jahrhundert oder den deutschen Zünftler des 18. Jahrhunderts oder den preußischen Bauern der gleichen Zeit, der so anders war als der Bauer des späten 19. Jahrhunderts. Oder den nordamerikanischen Sektierer des 18. Jahrhunderts oder den japanischen Bauern von heute. Sie alle u n d ihr wirtschaftliches Verhalten müssen in ihrer besonderen geistigen, natürlichen und politischen Umgebung verstanden werden, und wir müssen uns hüten, in rasch konstruierten Realtypen — wie zum Beispiel dem .mittelalterlichen Menschen', der nach dem Bedarfsdeckungsprinzip gewirtschaftet habe, oder dem kapitalistischen Menschen', den das Erwerbsprinzip beherrsche, •— homuneuli zu schaffen. Man muß ,auch hier auf jeden Epochal-Monismus bewußt verzichten' (A. Riistow). Wenn wir an die wirklichen Menschen der Geschichte herantreten, zeigt sich: Je anschaulicher unsere Anschauung der historischen Individualität des einzelnen Menschen ist, um so stärker wird siditbar, d a ß ihr Verhalten im wirtschaftlichen Planen und Handeln sowohl konstant wie mannigfaltig ist. Jede Beschreibung irrt, welche die eine oder die andere Seite vernachlässigt. Die Wissenschaft muß also beide Seiten deutlich madien. Sie tut es, indem sie zeigt, daß alle Menschen — soweit sie geistig gesund sind — stets und überall nach dem wirtschaftlichen Prinzip handeln und daß hierin die Konstante besteht" 43 ). Anstatt streng logisch aus dem gesamten Lebensbereich des Einzelnen heraus das Problem „Wirtschaften" zu sehen und zu lösen zu versuchen, kommt also auch Euchen in seinem ernsthaften Bemühen, die wirklichkeitsfremden Konstruktionen in der nationalökonomischen Forschung zu überwinden, zu keiner eindeutigen, wirklichkeitsnahen Klärung. Er kann es nach seiner Einstellung zur Methodologie, zur Grundlagenforschung nicht und verwechselt daher unter anderem auch das allgemeingültige, für alle Zeiten und Menschen gleiche Wirtschaften mit Ebenda, S. 254. ) Ebenda, S. 265/266.

43

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dem sogenannten „wirtschaftlichen Prinzip", das in Wahrheit eine technische Maxime ist. Was ist es anderes, als eine völlige Verkennung des Sachverhaltes, wenn Walter Euchen, wie so viele andere Autoren, schreibt: „Vielleicht Unkenntnis darüber, was ,Wirtschaftliches Prinzip' heißt, vielleicht auch Unkenntnis der Geschichte, und meist wohl beides zusammen hat zu der Meinung verführt, nach dem wirtschaftlichen Prinzip handle der Mensch nur in der sogenannten kapitalistischen' Epoche. Früher und in anderen Kulturkreisen sei das anders gewesen. — Nicht die Spur eines Beweises läßt sich aus der Geschichte hierfür erbringen. Sehen wir uns etwa den chinesischen Bauern des späten 19. und des beginnenden 20. Jahrhunders an. Er lebt in seiner Familienwirtschaft, die durch Zusammenschluß zu einem Sippenverband vergrößert ist. Sein Alltag ist beherrscht vom Geisterglauben und der auf Geisterglauben beruhenden Familienpietät. Aber so sehr er durch Glauben, Aberglauben, Tradition und Sitte gebunden ist, in diesem Rahmen — wir könnten sagen: im Rahmen dieser Daten — handelt er nach dem wirtschaftlichen Prinzip. Er opfert teilweise aus ethisch-religiösen Pflichtbewußtsein. Dann ist das Ofer Selbstzweck. Oder er opfert, um der sonst drohenden Mißernte zu entrinnen; dann ist das Opfer Mittel zum Zweck. In beiden Fällen handelt er nach dem wirtschaftlichen Prinzip. Das eine Mal, indem er sich bei Bereitung des Opfers danach richtet und den Zweck mit Aufwand möglichst geringer Werte erreichen will. Das andere Mal ist das Opfer selbst für ihn ein Mittel, um ein Maximum an Ernte zu erreichen. Magisches Denken und Handeln auf Grund magischer Vorstellungen hat die Menschen während ihrer Geschichte meist beherrscht. Man vermute aber nicht, daß sie deshalb nicht dem wirtschaftlichen Prinzip gefolgt seien. Wenn der römische Bauer der Kaiserzeit dem Gott der Saaten, Saturnus, und anderen Göttern opferte und im übrigen an der altüberkommenen Technik festhielt, so handelte er doch ganz nach dem wirtschaftlichen Prinzip. Er erwartete von den Göttern die Gegenleistung. Das Opfer geschah als Teil der wirtschaftlichen Aufwendungen. Nicht anders der römische Reeder, dessen Schiff am Schnabel auf kostspielige Art geschnitzt war, um die Götter des Windes freundlich zu stimmen und die Wellen zu beruhigen. — Reisende berichten, daß noch heute in bestimmten Dörfern Neuguineas während des Hausbaues ein Zauberer beauftragt wird, die Wolken zu beschwören und daß er dafür eine ziemlich hohe Bezahlung erhält. Uns scheint eine solche Aufwendung unwirtschaftlich zu sein; wir sehen in ihr eine unnütze Ausgabe, die dem wirtschaftlichen Prinzip widerspricht. Aber für diesen Neuguinea-Stamm handelt es sich um notwendige Kosten, deren Aufwendung im Sinne des wirtschaftlichen Prinzips erfolgt. Denn ohne sie würde nach der dort herrschenden Überzeugung der Zweck, nämlich der Hausbau, nicht in Aufwendung möglichst geringer Kosten erfolgen, sondern er würde — durch Regengüsse und Stürme zerstört — zu hohe und vermeidbare Kosten notwendig machen. 38

Man kann die Zahl der Beispiele leicht vervielfachen. Vom Heiligen, der in der Wüste lebt und sich Heusdirecken und wilden Honig nach dem wirtschaftlichen Prinzip verschafft, bis zum Kind, das — stark magisch bestimmt — nach dem gleichen Prinzip handelt. Das Planen und Handeln auf Grund des wirtschaftlichen Prinzips ist eben nicht darauf beschränkt, eine Eigenart des ,Händlers' oder gar des Händlers der europäisch-amerikanischen Neuzeit zu sein" 44 ). Unrichtig ist, daß das „wirtschaftliche Prinzip" der f ü r die Begründung der Nationalökonomie, geschweige der Wirtschaftswissenschaft als Fachdisziplin entscheidende Tatbestand ist. Richtig dagegen ist, daß das „wirtschaftliche P r i n z i p " subjektiv und objektiv orientiert sein kann, wobei es nicht ausgemacht ist, ob der Einzelne immer die Einsicht und das Vermögen besitzt, darüber zu entscheiden, welcher Vollzug unter den jeweils gegebenen Umständen die objektiv gesehen richtige Technik ist. Die bisher aufgezeigten Bemühungen um den Ausgangspunkt und damit um die Schaffung eines festen Fundamentes der Wirtschaftswissenschaft — und nicht der Nationalökonomie — sind nicht ausreichend gewesen. Wie steht es , , ,, mit dem Versuch Adolf Webers (1876—1963)? Weier Sein breit angelegtes Lehrbuch hat wohl zu seiner Zeit und darüber hinaus von allen deutschen Lehrbüchern, neben denen von Johannes Conrad (später ConradHesse) und Eugen v. Philippowich, die weiteste Verbreitung gefunden, weil er die besondere Gabe hatte, die Fülle des Materials und schwierige Probleme so allgemeinverständlich wie nur irgendmöglich — was ja die Aufgabe jeder Wissenschaft sein sollte — darzustellen. Adolf Weber ist Schüler Heinrich Dietzels gewesen und Anhänger der klassischen Theorie geblieben. Für ihn kommt es darauf an, nicht zunächst nach dem Wesen und dem U m f a n g des W i r t s c h a f t e n an sich zu forschen, sondern im Einklang mit den Erkenntnissen der herkömmlichen Theorie begrifflich zu bestimmen, was unter „Volkswirtschaft" zu verstehen ist, um die Volkswirtschaftslehre, die Wissenschaft von der Volkswirtschaft — und nicht die allgemeine, nicht-historische Wirtschaftswissenschaft — begründen zu können. Unter Volkswirtschaft soll nach ihm „das Ineinandergreifen der durch regelmäßigen Tausch miteinander verbundenen und durch gegenseitige Abhängigkeit aufeinander angewiesenen Einzelwirtschaften" verstanden werden 45 ). Nicht deren Wesen und Umfang, geschweige das Problem „Wirtschaften" als solches wird zunächst untersucht; die nur güterorientierte Einzelwirtschaft wird vielmehr als bekannt vorausgesetzt, und im Hinblick auf die absolute und relative Knappheit der Güter, 44 45

) Ebenda, S. 254/256. ) „Allgemeine Volkswirtschaftslehre" München 1929, S. 3. Dieser Titel ist in bezug auf den Inhalt des Buches nicht stichhaltig, da im Vorwort zur 1. Auflage ausdrücklich bemerkt wird, daß es „auf streng wissenschaftlicher Grundlage das Verständnis für die Eigenart der bestehenden (d. h. der kapitalistischen) Wirtschaftsordnung fördern soll". So auch in der im Jahre 1933 in 5. Auflage erschienenen „Einleitung in das Studium der Volkswirtschaftslehre".

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die entsprechend der herrschenden Theorie zum Unterschied von den „freien" Gütern „wirtschaftliche" Güter genannt werden, sieht Adolf Weber das H a u p t problem der „Volkswirtschaft in der organisatorischen Überwindung dieser Knappheit unter Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung 4 6 ), die f ü r ihn „nicht mit den Grenzen irgendeines Staates aufhört", weswegen der N a m e „Volkswirtschaft" ihm nicht ganz glücklich erscheint und durch die bessere Bezeichnung „Sozialökonomie" eigentlich ersetzt werden sollte. Das Erkenntnisobjekt der Volkswirtschaftslehre ist f ü r Adolf Weber nicht das der Erfahrung entsprechende, streng logisch von anderen Erkenntnisbereichen abgegrenzte individuelle Wirtschaften, sondern der sich im Rahmen der oben begrifflich bestimmten Volkswirtschaft vollziehende Tausch von materiellen Gütern und äußeren persönlichen Dienstleistungen. In diesem Ausgangspunkt ist also der Verzicht auf methodologische Erläuterungen im Sinne der Grundlagenforschung enthalten, womit natürlich auch eine ganze Reihe von durch Adolf Weber aufgeworfenen Fragen keine endgültige Beantwortung finden kann. Meint er doch unter anderem, daß „lange Definitionskataloge an den Anfang einer Volkswirtschaftslehre zu setzen ein U n f u g ist. Ein sehr großer Teil der Definitionskontroversen in unserer Wissenschaft sind ,Liebhabereien . . . ohne Ergebnis f ü r das Verständnis der Tatsachen' (G. Cohn)"41). Bemerkungen, die nicht zuletzt auf den langjährigen Krieg v. Gottls gegen die „Herrschaft des Wortes" bezogen sind. Adolf Webers Kritik ist insofern nur allzu berechtigt, als er die mehr oder weniger oberflächlichen Definitionen, mit denen der wirtschaftliche Tatbestand bestimmt werden soll, als wenig fruchtbringend f ü r den Fortschritt der Wissenschaft bezeichnet. Denn, anstatt das Problem „Wirtschaften" aus dem Alltagsleben heraus rein logisch zu erfassen, haben fast sämtliche Theoretiker an den Definitionen der nationalökonomischen Klassiker herumgebastelt. U n d wenn man das langwierige und zweifellos in seinem Ansatz anerkennenswerte Bemühen v. Gottls, über die herrschende naive Wirtschaftslehre hinauszukommen, berücksichtigt u n d dem die klare, unkomplizierte Art der Weber's&ien Darstellung gegenüberstellt, so kann man das Abtun der Grundbegriffslehre verstehen. U m eine solche handelt es sich aber nicht, sondern um die, wie aus dem Vorstehenden zur Genüge hervorgehen dürfte, so dringend notwendige Grundlagenforschung. Sie — auf den wirtschaftlichen Tatbestand bezogen — hat, wie gesagt, das Problem „Wirtschaften" in dem weitesten Sinne erfahrungsgemäß rein logisch zu bestimmen, um erst darauf das Erkannte in Begriffe einzufangen. N u r dieser umgekehrte Weg und nicht der von der herrschenden Theorie beschrittene f ü h r t zu der einzig möglichen Erkenntnis des Ausgangspunktes der Wirtschaftswissenschaft, deren Aufgabenbereich über die Darstellung und Erklärung der bestehenden — kapitalistischen oder sozialistischen oder kommunistischen — Wirtschaftsordnungen hinausgeht. Sie sind historisch bedingt. Dagegen muß der Aus-

46 47

) Ebenda, S. 5. ) „Einleitung", S. 19.

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g a n g s p u n k t der Wirtschaftswissenschaft allgemeingültig, f ü r alle Zeiten u n d Menschen der gleiche sein. M i t dem Nichteingehen auf die G r u n d l a g e n f o r s c h u n g begibt sich Adolf Weber selbst der Möglichkeit, „den geistigen Z u s a m m e n h a n g zwischen den E r k e n n t nissen in ein System zu bringen" 4 8 ), d e n n ein sozusagen in der L u f t hängendes System k a n n keine z w i n g e n d e Gültigkeit haben, weil es allenfalls n u r ein Teilgerüst, aber kein auf einer ewigen G r u n d l a g e begründetes System ist. W e n n Weber seine D a r s t e l l u n g ausdrücklich m i t der B e m e r k u n g , d a ß er z w a r das P r o blem „ W i r t s c h a f t e n " in seiner allgemeinsten Bedeutung kenne, sich aber auf die Untersuchung der tauschwirtschaftlichen Z u s a m m e n h ä n g e in der kapitalistischen W i r t s c h a f t beschränken will, begonnen hätte, w ü r d e m a n ihm, wie auch a n d e r e n A u t o r e n mit derselben A u f f a s s u n g — u n d das sind in dieser Beschränkung die meisten — unbedingt Verständnis entgegenbringen k ö n n e n . I n W a h r h e i t k e n n t er das Problem „ W i r t s c h a f t e n " nicht u n d seine „ V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e " ist im G r u n d e die typische Güter-Tauschlehre in m o d e r n e r D a r s t e l l u n g , die erst noch der logisch e i n w a n d f r e i e n G r u n d l e g u n g b e d a r f , will sie u n t e r Berücksichtigung ihrer A n l e h n u n g an die nationalökonomischen Klassiker die richtige E i n o r d n u n g in das einzig mögliche wirtschaftswissenschaftliche System finden, das eben w e sentlich breiter u n d tiefer zu f u n d i e r e n ist 49 ). Auf die Stellungnahme zum T a t b e s t a n d der „ W i r t s c h a f t " , geschweige zu dem P r o b l e m „ W i r t s c h a f t e n " u n d dem „wirtschaftlichen P r i n z i p " , das in W a h r h e i t ein technisches P r i n z i p ist u n d das Robert Liefmann fälschlicherweise m i t dem „Gesetz des Ausgleichs der G r e n z e r t r ä g e " identifiziert h a t , seitens ]. Steinberg, E. Kellenberger, ]. B. Esslen, O. v. Zwiedineck-Südenhorst, A. Lamprecht, R. Stolzmann, A. Kupper, K. Englis, O . Engländer, S. Heiander, M. R. Weyermann, W. Weddigen, H. Ostwalt, O. Heyn, A. W. Cohn, E. Salin, B. Josephy, C. Landauer, E. Jaffe, F. Wilken, O. Conrad, bin ich u n t e r besonderer Bezugn a h m e auf ihre K r i t i k an den „ G r u n d s ä t z e n der Volkswirtschaftslehre" Robert Liefmanns in meiner e r w ä h n t e n Schrift n ä h e r eingegangen, so d a ß ich d a r a u f u n d auf die d o r t angegebene L i t e r a t u r verweisen d a r f .

4S

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) Ebenda, S. 23; siehe auch Adolf Webers Vortrag „Stand und A u f g a b e n der Volkswirtschaftslehre in der Gegenwart", Berlin 1956. ) A u d i für Wilhelm Meinhold (1908), einen Schüler Adolf Webers, besteht „die A u f gabe aller Wirtschaft in der Beschaffung und Bereitstellung der Mittel für die Bedürfnisbefriedigung" im Sinne der „materiellen Daseinsfürsorge" in „Grundzüge der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre", München 1961, S. 9, m. a. W. auch hier wird das arbeitsteilige Wirtschaften mit der Technik verwechselt.

41

Robert Liefmann

2. Kapitel Von der „Allgemeinen" zur „Deutschen Volkswirtschaftslehre" des Nationalsozialismus Die K l u f t zwischen den theoretischen Bemühungen und den Tatsachen wurde nach dem Ende des Ersten Weltkrieges immer größer, so d a ß insbesondere angesichts der Überbetonung des Politischen im gesamtsozialen Leben nach der Durchsetzung des Faschismus in Italien und des Nationalsozialismus in Deutschland eine ganze Anzahl von Fachgelehrten — darunter auch solche von Rang — dadurch aus dem bisher unbefriedigenden Zustande der Grundlagenforschung der Nationalökonomie herauskommen zu können glaubte, daß sie sie als eine auf die Belange des Volkstums notwendigerweise abzustellende, von ihm ihren Ausgangspunkt zu nehmende Wissenschaft ausgab; also nicht im Sinne der politischen Doktrin, wie sie von den Physiokraten gemeint war; auch nicht im Sinne der „Economie politique" oder „Economie sociale" oder „Economia politica" oder „Political Economy" oder „Economics", wie sie die ihnen nachfolgenden Fachgelehrten der westlichen u n d südlichen Länder Europas und Amerikas genannt haben und nennen. Die nationalsozialistisch orientierten Autoren versuchten in ihrer entschiedenen Ablehnung der reinen, liberalen und marxistischen Theorie, die Nationalökonomie oder Volkswirtschaftslehre als eine ausgesprochen politische Wissenschaft zu begründen. Ja, einzelne gingen sogar so weit, eine auf das deutsche Volkstum allein bezogene „Deutsche Volkswirtschaftslehre" begründen zu wollen. Man zweifelte die Gültigkeit der bisherigen Objektbetrachtung und die Methode der Volkswirtschaftslehre u. a. deswegen an, weil sie zu individualistisch, zu wenig volksverbunden sei, und glaubte im Hinblick auf die geistige und politische Entwicklung insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg, von einer „Wandlung des Erkenntnisobjekts" der Volkswirtschaftslehre oder Wirtschaftswissenschaft, von dem „ P r i m a t des politischen Ideals vor der ökonomischen Theorie", von der Theorie als der „Grundlage aller Fragen über die Zweckmäßigkeit der politischen Mittel" oder als einem „Hilfsmittel, das der Erforschung der Wirtschaft als einer Funktion des Volkes dient", von der Wirtschaftswissenschaft als der „Lehre von der Wirtschaft des Volkes" sprechen zu können. Die juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fachvertreter in der „Akademie für Deutsches Recht" verstiegen sich in den von ihnen herausgegebenen „Grundzügen der Rechts- und Wirtschaftswissenschaft" zu folgendem Bekenntnis: „Die Neuordnung des Studiums der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, die in enger Zusammenarbeit mit dem B N S D J (Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen) vom Reichswissenschaftsministerium 1935 abgeschlossen wurde, dient der Herausbildung einer deutschen Wissenschaft, die bis in die letzten Einzelheiten von einer einheitlichen politischen Grundhaltung durch42

drungen ist. Den damit gegebenen völlig neuartigen Richtlinien ist die Gemeinschaftsarbeit einer einheitlichen Gruppe von jungen Kämpfern der Wissenschaft und Erziehung gefolgt." So auch die nicht folgerichtige „Allwirtsdiaftslehre" v. Gottl-Ottlilienfelds, wenn er der unpolitischen reinen Theorie seine „insbesondere an der sogenannten nationalsozialistischen Einstellung zur Aufgabe der Wirtschaft und demzufolge Wirtschaftswissenschaft orientierte, nach ihm allein mögliche Ansicht über Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft gebildetheoretischer Denkhaltung" gegenüberstellt, aber doch beabsichtigt, eine Ewigkeitscharakter habende Wirtschaftswissenschaft zu begründen. In Wahrheit ist Gottls Versuch der Erneuerung der Wirtschaftswissenschaft mehr politisch als streng theoretisch orientiert. Seine Schrift „Theorie blickt in die Zeit" 1 ), insbesondere der darin enthaltene Vortrag „Wirtschaftswissenschaft als politische Wissenschaft" und sein großes Werk „Ewige Wirtschaft" 2 ), in dem er sich die Aufgabe gesetzt hat, „an einer Wirtschaftswissenschaft zu bauen, die sich im Geiste ganz von selber als politische Wissenschaft ausgestaltet" 3 ), legen so recht Zeugnis von dieser Einstellung ab. Daher ist Gottls Auffassung von dem Problem „Wirtschaft" — und nicht „Wirtschaften" — zu eng, um die für alle Zeiten und Völker, also die ewig gültigen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft schaffen zu können, was aus meinen nachfolgenden Darlegungen erwiesen werden wird 4 ). v. Gottl war natürlich nicht der einzige deutsche Verfechter einer nationalsozialistisch ausgerichteten Grundlegung der „Volkswirtschaftslehre". Ihre Zahl und die der Nationalökonomen, die den Nationalsozialismus allgemein: durch Beitritt in die NSDAP, SA, SS, in den NS-Dozentenbund, NS-Rechtswahrerbund pp. gefördert haben, war in der Tat nicht gering. Es seien hier nur die Professoren Wilhelm Vleugels5), Georg Weippert*), Andreas Predöhl1), Friedrich Bülow8), Karl C. Thalheim9), Alfred Müller-Armack™), Karl Schiller11), Jens Jessen12) genannt. *) Jena 1939 unter Hinweis auf die „sieghaft neue Weltanschauung" und schon vorher sein in seinem geschwollenen, schwer lesbaren Stil verfaßtes Reclam-Heft „Wesen und Grundbegriffe der Wirtschaft", Leipzig 1933. 2 ) Jena 1942. 3 ) Ebenda, S. 12. 4 ) Vgl. auch die Festschrift seines Schülerkreises zu seinem 70. Geburtstag „Gegenwartsfragen der Wirtschaftswissenschaft", Berlin 1939 und seine anderen seit 1933 veröffentlichten Schriften. 5 ) U. a. „Die Volkswirtschaftslehre als politische Ökonomik und formale Wirtschaftstheorie", Stuttgart-Berlin 1936. 6 ) U. a. „Umriß der neuen Volksordnung", Hamburg 1933. 7 ) Wirtschaftswissenschaft als politische Wissenschaft „In Studien zur Auslandskunde, Politische Wissenschaft, Bd. I, abgedruckt in Europa Wirtschaftsstimmen, 1944; siehe hierzu Braune Universität Heft 6, München 1968 mit den auch darin zitierten weiteren Veröffentlichungen Predöhls seit 1933. 8 ) „Volkswirtschaftslehre", Leipzig 1934, „Der deutsche Ständestaat", Leipzig 1934, „Wörterbuch der Wirtschaft", Leipzig 1936, „Großraumwirtschaft, Weltwirtschaft und Raumordnung", Leipzig 1941; daher auch seine schnelle Ernennung vom Dozenten (1937) zum o. Professor an der Universität Berlin (1940); trotzdem wirkte Bülow seit 1948 als o. Prof. ausgerechnet an der Freien Universität Berlin.

43

Er

hatte

seine a n f ä n g l i c h e F ö r d e r u n g

des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s

in S c h r i f t

und

H a n d l u n g als e i n e n I r r t u m e r k a n n t — n i c h t z u l e t z t auch a u f g r u n d u n s e r e r l a u f e n d e n Gespräche u n d meiner ständigen Unterrichtung nach meiner Rückkehr von m e i n e n h ä u f i g e n A u s l a n d s r e i s e n — u n d g i n g i m m e r m e h r in d e n a k t i v e n W i d e r stand. Als Herausgeber 1944

meinen

Aufsatz

v o n „Schmollers „Das

Problem

J a h r b u c h " v e r ö f f e n t l i c h t e er i m ,Wirtschaften'

als

Ausgangspunkt

W i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t " . D e s s e n I n h a l t d e c k t e sich m i t m e i n e m im J a h r e e r s c h i e n e n e n Buch „ R o b e r t L i e f m a n n s G e s e t z

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Jahr der 1929

Grenzerträge.

K r i t i k u n d B e w e i s f ü h r u n g " — f ü r d i e N a t i o n a l s o z i a l i s t e n w i e d e r u m , w i e auch m e i n e a n d e r e n A r b e i t e n , eine einzige W i d e r l e g u n g i h r e r W i r t s c h a f t s l e h r e 1 3 ) . 9

) 1933 Eintritt in die SA, 1934 in die N S V und in den NS-Lehrerbund, ferner in das Deutsche Rote Kreuz (DRK), 1936 Eintritt in den NS-Dozentenbund, 1937 Mitglied der N S D A P , 1938 Leiter des Weltwirtschafts-Instituts in Leipzig, 1939 Mitglied des NS-Altherrenbundes, 1940 planmäßiger a. o. Prof. an der Handelshochschule Leipzig, 1942 o. Prof. ebendort; überdies verfügte Thalheim nach dokumentarischen Belegen über gute persönliche Beziehungen zum SD (Sicherheitsdienst der Geheimen Staatspolizei — Gestapo). 10 ) U . a. „Staatsidee und Wirtschaftsordnung im Neuen Reich", Berlin 1933, als P r i v a t dozent an der Universität Köln: Bekenner zum „nationalsozialistischen F ü h r e r t u m " u n d in Ablehnung des Parlamentarismus zum „Totalitären Staat" mit den d a r a u f h i n erfolgten Ernennungen zum nicht-planmäßigen a. o. Prof. 1934, zum beamteten a. o. P r o f . 1938, zum o. Prof. 1940 als Mitglied der N S D A P und des NS-Dozentenbundes. " ) 1933 Eintritt in die SA und in den NS-Studentenbund, 1934 Mitglied des NS-Rechtswahrerbundes (Nr. 82421), 1936 Forschungsgruppenleiter am Institut f ü r Weltwirtschaft in Kiel, 1937 Mitglied der N S D A P (Nr. 4663250), 1939 Mitglied des N S Dozentenbundes (Nr. 4981), 1944 als anerkannter Förderer des Nationalsozialismus a. o. P r o f . an der Universität Rostock; hierzu Braunbuch, Berlin-Ost 1965, graubuch, Berlin-Ost 1967, Hanns-Jochen Haust Reinhard Opitz „Zu K a r l Schillers Werdegang" i/Blätter f ü r deutsche und internationale Politik, H e f t 5, Köln 1967, Braune Universität H e f t 6, München 1968, Dokumentation vpa „der aufhaltsame aufstieg des karl august schiller", München 1968 u. 1970, mein Beitrag „Keine Schatten — oder Schreibtischregierung!" in „Bonns Graue Eminenzen", München 1970, darin auch die D a t e n über Karl Schillers Virtuosität, die Mitgliedschaft zu den politischen Parteien wie Fußballvereine zu wechseln — von der antimarxistischen N S D A P (1937) in die marxistische S P D (1946), dann in der anti-marxistischen S P D (1959: Godesberger Programm) verblieben, Austritt 1972 aus der SPD, der allein er seine Karriere verdankt, Mitglied der C D U 1974. Austritt aus der C D U , 1978 offenbar Wiedereintritt in die S P D —• ein parteipolitischer Wechsel aus Karrieregründen, der sich auch in Schillers Reden und Veröffentlichungen widerspiegelt. ,2 ) „Volk u n d Wirtschaft", H a m b u r g 1935 u n d „Grundlagen der Volkswirtschaftspolitik", H a m b u r g 1937. — Jens Jessen, der w ä h r e n d seiner Verhöre durch die Gestapo keinen seiner Freunde — auch mich nicht — verriet, mußte seinen aktiven Widerstand gegen die nationalsozialistische H e r r s c h a f t nach dem nicht gründlich vorbereitet gewesenen Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 mit dem Tode bezahlen, wie auch unser gemeinsamer Freund Wilhelm Ahlmann, Mitinhaber des Bankhauses Wilhelm A h l m a n n , Kiel, der, im Ersten Weltkrieg erblindet, sich nach dem Tode Jessens, den ich ihm verabredungsgemäß mitteilen sollte und mitgeteilt habe, dem Verhör der Gestapo durch Selbstmord entzog und damit in heroischer Weise ebenfalls seine Freunde, auch mich, vor dem H e n k e r rettete, w o midi ohnehin die Gestapo seit längerer Zeit beschattete. Dieser beiden Freunde und unserer vielen Gespräche und H a n d l u n g e n gegen die nationalsozialistischen Machthaber sei hier noch einmal ausdrücklich gedacht! ,3

) i/Sozialwissenschaftliche Forschungen, Abteilung I, H e f t 9, Berlin und Leipzig 1929, i/Schmollers Jahrbuch, Jahrgang 68, H e f t 2, Berlin 1944; siehe ferner mein Buch „ D a s Wesen der Kartell-, Konzern- und Trustbewegung. Ein wirtschaftliches u n d

44

Dagegen

glaubten

die h i e r

genannten

und

andere

Professoren

ö k o n o m i e nach d e m Z u s a m m e n b r u c h des „ D r i t t e n Reiches", i h r e

der

National-

nationalsozia-

listische „ W i s s e n s c h a f t " d u r c h d e n B e i t r i t t z u einer d e r p o l i t i s c h e n P a r t e i e n ,

die

sie w i l l f ä h r i g a u f n a h m e n u n d s t ü t z t e n , ü b e r s p i e l e n , i h r e a l t e n S t e l l u n g e n i n d e n H o c h s c h u l e n m i t allen R e c h t e n w i e d e r e i n n e h m e n , sich gegen d i e w e n i g e n

ehe-

m a l i g e n G e g n e r des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s u n t e r d e n N a t i o n a l ö k o n o m e n m i t a l l e n m ö g l i c h e n S t r a t e g i e n m e h r o d e r w e n i g e r selbstherrlich a b s c h i r m e n u n d sich w i s s e n s c h a f t l i c h u n d p a r t e i p o l i t i s c h w i e d e r in d e n V o r d e r g r u n d spielen z u k ö n n e n , u m sich d a m i t zugleich i h r e E m e r i t e n b e z ü g e z u sichern 1 4 ).

14

soziologisches Problem", Jena 1930, die Begründung der „Kapitalistischen Gebildetheorie". ) Nach seiner Befragung am 23. Mai 1945 durch einen Angehörigen der Alliierten Militärregierung in Leipzig behauptete Professor Karl C. Thalheim lt. dem von ihm vorgefertigten und unterzeichneten Bericht an diese Dienststelle — in Ergänzung des von ihm ausgefüllten Fragebogens — unter der Oberschrift „Eintritt in die SA 1933 — N S D A P 1937": „Mein Eintritt in die SA im N o v e m b e r 1933 ist nur a u f grund meiner politischen Tätigkeit als Gegner des Nationalsozialismus vor 1933 richtig zu verstehen", um daran anschließend einen längeren K o m m e n t a r zu geben. Wie damals — im Jahre 1945 — so auch später versucht Professor Thalheim sein uneingeschränktes Eintreten f ü r die nationalsozialistische Weltanschauung und Rassenlehre zu leugnen. Ja, er bekennt sich lieber zu seinem „Verrat am Geiste" als w a h r heitsgemäß zu seiner politischen Vergangenheit und seiner Mitgliedschaft in fast allen NS-Organisationen! Im J a h r e 1951 hatte Thalheim es dann wieder geschafft und w u r d e mit H i l f e der ehemaligen Nationalsozialisten Paulsen, Bülow und seines früheren K o l legen Joachim Tiburtius — sämtlich aus Leipzig — o. Prof. an der Freien Universität Berlin; hierzu Braunbach, Berlin-Ost 1965, graubuch, Berlin-Ost 1967, Braune U n i versität H e f t 4, München 1966, mein Beitrag „Braune Universität Deutsche Hochschullehrer gestern und heute" i/Freiheit und Recht, Düsseldorf 1966/67. — U n d A l f r e d Müller-Armack machte eine wissenschaftliche und politische K e h r t w e n d u n g um 180° vom nationalsozialistischen „ F ü h r e r t u m " zum Schöpfer des Begriffs „Soziale M a r k t w i r t s d i a f t " i/„Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft" 1947 und zu ihrem Verfechter in Wort und Schrift. — Dieselbe „wissenschaftliche" H a l t u n g der genannten Nationalökonomen nach dem Zusammenbruch 1945 traf auch f ü r N a t i o n a l ökonomen zu, die trotz ihrer Förderung des Nationalsozialismus erst nach 1945 Lehrstuhlinhaber geworden waren und das ausgeredinet auch an der Freien U n i versität Berlin; so u. a. Andreas Paulsen: zuerst leitender Angestellter in der I n d u strie- und Handelskammer Leipzig, dann Mitglied der SED und 1946 mit einer die Ziele der SED vertretenden, geradezu kläglichen „Habilitationsschrift" Dozent an der Universität Leipzig, 1947 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die SED-Mitgliedschaft und mit H i l f e von Professor und Dekan Richard Lange — seit 1933 engagierter Nationalsozialist gewesen — a. o. Prof. in Jena und nach 3 Monaten o. Prof. ebendort, wo er seine Naziverherrlichung verschwiegen und sich auch als „Widerstandsk ä m p f e r " im Dritten Reich ausgegeben hatte. Nach der Ü b e r p r ü f u n g dieser Angaben in seiner Personalakte an den Universitäten Leipzig und Jena durch die U n i v e r sitätsverwaltung in Jena zog Andreas Paulsen 1948 seine „Flucht" nach West-Berlin vor, wo er in Anlehnung an die SPD A n f a n g 1949 an der Freien Universität Berlin zum o. Prof. f ü r Volkswirtschaftslehre ernannt wurde. Von hier aus vertrat Paulsen nun — in Ablehnung der Vorstellungen der SED von der Wirtschaft — die „Allgemeine Volkswirtschaftslehre" im Sinne der kapitalistischen Wirtschaftsverfassung in W o r t und Schrift nach dem M o t t o „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing". I m J a h r 1955 ließ er sich zum Rektor der F U wählen, der er bei Bekanntsein der amtlichen und nichtamtlichen Belege nicht geworden w ä r e ; hierzu auch „Braune Universität", Herausgeber Rolf Seeliger, H e f t 4, München 1966, mein erwähnter Beitrag, 1966/67, ferner Dokumentation „Freie Universität Berlin 1948—1973 Hochschule im U m b r u c h " Teil I—IV, Presseverlautbarungen 1960.

45

Zwecks zusätzlicher wissenschaftlicher Absicherung schlössen sich die einen von ihnen dem Kreis der neo-liberalen Nationalökonomen an, andere lehrten, schrieben und schreiben über die „Allgemeine Volkswirtschaftslehre", für die der K a pitalismus das Erfahrungsobjekt ist, und die übrigen von den „ E h e m a l i g e n " verfochten und verfechten in Wort und Schrift den „Freiheitlichen Sozialismus". D a s w a r einer der wesentlichen Gründe für die mangelnde Besinnung auf die objektive wirtschaftswissenschaftliche Grundlagenforschung, die ohnehin bisher überwiegend von nur wenigen deutschen Autoren betrieben worden w a r . D i e hier belegten Tatbestände aus der deutschen Universitätskulisse sind nur einzelne Beispiele f ü r die Korrumpierung des Geistes an deutschen Universitäten und in anderen Bereichen in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945, die zum Zusammenbruch der alten Ordinarien-Universität und damit zu der noch lange dauernden Krise der deutschen Universität insgesamt — als besonderen Teil der Gesellschaftskrise unserer Zeit in der ganzen Welt überhaupt — führen mußte. Wissenschaft konnte und durfte nichts mit der politischen Entnazifizierungskomödie in der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben. Sie kann also nicht unter dem Blickpunkt der politischen „Vergangenheitsbewältigung" gesehen und behandelt werden. Denn in der Wissenschaft geht es international um die Suche nach Wahrheit, vor allem auch betreffs der Grundlagen jeder wissenschaftlichen Disziplin — auch der Wirtschaftswissenschaft. A n ihnen sollten daher Autoren aus allen Staaten arbeiten. Denn die allgemeingültigen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft sind zwingende Voraussetzung für die Wirtschaftstheorie wie auch für die Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik. J a , darüber hinaus: A n die allgemeingültigen Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft ist alle Politik in ihrer Zielverfolgung gebunden. Geht sie in Unkenntnis der allgemeingültigen Grundlagen über die Erkenntnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung hinweg, so werden sich die politischen Zielsetzungen in bestimmter Hinsicht auswirken; wie verhängnisvoll für das deutsche Volk, ist allen ersichtlich geworden; wie folgenschwer für die ganze Welt, hat sich aus der Politik seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges, der in dem „ K a l t e n K r i e g " seine Fortsetzung allerdings unter Umgruppierung der sich bekämpfenden Mächte gefunden hat, erwiesen und erweist sich — trotz aller Entspannungsbemühungen — weiter. Nicht die Politik kann die Wirtschaftswissenschaft begründen, sondern ihre Grundlegung kann nur das Ergebnis des an der E r f a h r u n g orientierten logischen Denkens sein. Solange die Wirtschaftswissenschaft noch eines solchen von allen anerkannten Unterbaues entbehrt, kann sie nicht als Wissenschaft im wahrsten Sinne des Wortes angesehen werden. D i e herkömmliche Nationalökonomie ist eine Theorie des Marktes, überwiegend des kapitalistisch orientierten Tausches. Sie ist eine auf bestimmte Zeiten und Völker abgestimmte historische Theorie, aber keine auf allgemeingültigen Erkenntnissen beruhende Wirtschaftswissenschaft, dessen sich anscheinend die meisten ihrer Vertreter keineswegs bewußt sind. D a s trifft auch für die marxistische b z w . marxistisch-leninistische Wirtschaftslehre zu. D a h e r gilt es, die ewig gültigen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft zu legen, die auf 46

den Einzelnen genau so Bezug haben wie auf alle, die in ihrer Gesamtheit die Menschheit bilden. Die sich in das gesamte Wissenschaftsgebäude einfügende Begründung der Wirtschaftswissenschaft als besonderer Fachdisziplin ist eine heute unerläßliche wissenschaftliche Forderung und auch deswegen zwingender denn je, weil die Völker durch die Errungenschaft der Technik mehr als früher zusammengerückt und aufeinander angewiesen sind u n d sich somit wirtschaftliche Fehlentscheidungen in einem Land mehr oder weniger nachteilig in den anderen Ländern auswirken können und weil nur durch eine solche eindeutig fundierte Wirtschaftswissenschaft die einzelnen Spezialtheorien auf ihren Wahrheitsgehalt hin erkannt und geprüft zu werden vermögen.

47

3. Kapitel Der gegenwärtige Stand der Grundlagenforschung in der „Volkswirtschaftslehre" In Kapitel 2 „Grundfragen jeder Wirtschaftsgesellschaft A. Fragen der Wirtschaftsordnung" sagt Paul A. Samuelson (1915), Nobelpreisträger 1975, unter der Überschrift „Das Gesetz der Knappheit" folgendes: „Wären die wirtschaftlichen Hilfsquellen unbegrenzt, gäbe es auch keine wirtschaftlichen Probleme. Die Frage, was, wie und für wen produziert wird, würde nie gestellt. Jedes Gut könnte in beliebiger Menge produziert werden. Die menschlichen Wünsche könnten voll befriedigt werden. Unter diesen Umständen würde es auch gar nichts ausmachen, wenn von einer Ware zuviel produziert worden wäre. Ebensowenig würde es schaden, wenn man Arbeitskraft und Material unwirtschaftlich kombiniert hätte. Jeder bekäme trotzdem, was er wolle. Es wäre daher unerheblich, wie die Güter und Einkommen auf die Glieder der Gesellschaft verteilt würden. Infolgedessen gäbe es auch keine wirtschaftlichen Güter, d. h. knappen Güter mehr. Es bestände aber auch keine Notwendigkeit eines Studiums der Wirtschaftswissenschaft oder eines Strebens nach Wirtschaftlichkeit'. Alle Güter wären freie Güter, so frei, wie heute nur Wasser und Luft" 1 ). An diesen Ausführungen, die für Samuelson die Grundlagen der Volkswirtschaftslehre — und nicht der Wirtschaftswissenschaft — bestimmen sollen, ist alles falsch! Denn nicht einmal „Wasser" und „ L u f t " sind heute „freie" Güter. Wasser wird infolge der zunehmenden Industrialisierung und Installierung von Wasch-, Geschirrspülmaschinen pp. in den Haushalten in aller Welt immer knapper, das heißt teurer, von dem großen Wasserverbrauch und den vorgesehenen Sparvorkehrungen in den zukünftigen Riesenstädten noch nicht zu sprechen! Die von den Bürgern immer mehr geforderten Vorkehrungen gegen die Umweltverschmutzung: Sauberes Wasser, reine Luft, gute Müllverwertung und Naturschutz, dazu weniger Lärmbelästigungen kosten die Industriestaaten in West und Ost jährlich hunderte von Millionen oder gar Milliarden D-Mark, unter Berücksichtigung der damit verbundenen Aufträge und Beschäftigungsmöglichkeiten. Die herkömmliche „Volkswirtschaftslehre" hat davon noch keine Kenntnis genommen, obgleich z. B. in den U S A 6 von 10 Bürgern mehr an Umweltschutz als an Steuersenkungen interessiert sind. In der Bundesrepublik Deutschland sind von 1970 bis 1976 lt. Mitteilung des Bundesinnenministeriums 108 Milliarden DM für den Umweltschutz ausgegeben worden, wovon 61 Milliarden D M auf die ') Paul A. Samuelson: „Volkswirtschaftslehre. Eine Einführung", Köln-Deutz 1955, aus der amerikanischen Originalausgabe „Economics", III. Auflage, New Y o r k 1955, übertragen und eingeleitet von Wilhelm Hankel, S. 1 6 / 1 7 , ebenso in Auflage 1973.

48

Wirtschaft und 41 Milliarden D M auf Bund, Länder und Gemeinden entfielen 2 ) Samuelson kennt das Problem „Wirtschaften" nicht. Statt von den mehr oder weniger differenziert auftretenden oder vorgestellten Bedürfnissen der einzelnen Menschen auszugehen und damit auch von ihrem Fassungsvermögen, sieht auch er nur die arbeitsteiligen Beziehungen der Menschen untereinander und verwechselt das Wirtschaften mit seinem technischen Vollzug! Auch die neoklassische „Volkswirtschaftslehre" von Paul A. Samuelson ist ein Lehrbuch wie die meisten Lehrbücher über „Volkswirtschaftslehre" oder gar „Allgemeine Volkswirtschaftslehre", in denen die kapitalistische Wirtschaft, also eine geschichtlich gewordene Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, das Erfahrungsobjekt ist. Daher sollten und müßten diese Lehrbücher heißen: „Theorie des Kapitalismus. Struktur und Ablauf", um die studierenden Leser darauf aufmerksam zu machen, daß die kapitalistische Wirtschaft eben nicht die arbeitsteilige Wirtschaft schlechthin ist. Und der Engländer und Nobelpreisträger John

R. Hicks

meint:

„Man könne erst dann angeben, wo die Grenzlinie einer Einzelwissenschaft verläuft, wenn man diese Wissenschaft bereits entwickelt hat. Wir dürfen auch nicht erwarten, daß diese Grenzen für alle Zeiten festliegen" 3 ). Daraus geht die Unsicherheit auch von Hicks hervor. Denn jede wissenschaftliche Disziplin muß ihre Fundierung und Abgrenzung von den anderen Einzelwissenschaften für alle Zeiten finden und festlegen, wenn das gesamte wissenschaftliche Gebäude nicht auf tönernen Füßen stehen soll. Wie schwerwiegend die Folgen dann sind, belegen die nachfolgenden Bemerkungen von Hicks: „In einer vorläufigen Bestimmung können wir sagen: Der Ausschnitt menschlichen Verhaltens, mit dem sich die Wirtschaftswissenschaft befaßt, ist das Verhalten des Menschen bei seinen Geschäften. Die Wirtschaftswissenschaft ist diejenige wissenschaftliche Disziplin, die geschäftliche Angelegenheiten untersucht, wobei der Ausdruck ,Geschäft' im umfassenden Sinne zu verstehen sei 4 ). „Obwohl es große Bereiche menschlichen Erlebens gibt (beispielsweise das gesamte Gebiet der Kunst und das der Religion), über die die Wirtschaftswissenschaft nichts oder nichts Wesentliches aussagen kann, füllt dennoch die wirtschaftliche Betätigung notwendigerweise einen großen Teil des Lebens fast jedes Menschen aus. Die Wirtschaftswissenschaft ist bestrebt, dieses wirtschaftliche Handeln wissenschaftlich zu untersuchen, und sie hat tatsächlich in der

) Siehe hierzu die im Auftrag des Bundesminister des Innern vom Battel-lnstitut e. V. durchgeführte Untersuchung „Schätzung der monetären Aufwendungen für Umweltsdiutzmaßnahmen bis zum Jahre 1980", 1975, „Umweltsdiutzbericht" '76 der Bundesregierung, Stuttgart 1976 und „Umweltgesetze". Herausgeber: Der Bundesminister des Innern, Bonn 1977. 3 ) i/„Einführung in die Volkswirtschaftslehre" rde Band 155/156, Reinbek bei Hamburg 2

4

1962, S. 7. Deutsche Übersetzung von Helmut Maneval.

) Ebenda, S. 8.

49

Anwendung wissenschaftlicher Methoden bei der Analyse menschlichen Verhaltens größere Fortschritte gemacht als die anderen Wissenschaften vom Menschen. D a s Studium der Wirtschaftswissenschaft trägt daher ein gut T e i l zum allgemeinen Verständnis der menschlichen Gesellschaft, d. h., des Verhaltens der Menschen untereinander, bei" 6 ). M i t diesen logisch nicht scharfen Formulierungen kann man natürlich zu keiner einwandfreien

Fundierung

der Wirtschaftswissenschaft

kommen,

zumal

Hicks

dann weiter folgert: „ D i e Lehre von der Wirtschaft hat es in erster Linie mit Begriffen zu tun, die nicht nur im Zusammenhang mit einem Industriezweig sondern mit den meisten oder sogar allen Industriezweigen vorkommen. Mit derartigen Begriffen — ,Kapital', .Einkommen', .Kosten' usw. begegnen uns bei jedem wirtschaftlichen Problem — haben wir uns vorwiegend zu beschäftigen" 6 ). Entsprechend ist die „Volkswirtschaftslehre" von Hicks Darstellung des kapitalistischen der

Wirtschaftswissenschaft

entwickelt. Sie ist eine

Wirtschaftsablaufes. Die Frage der Begründung als Einzelwissenschaft

wird

nicht

problembewußt

gesehen. Nicht anders ist die Auffassung von der Wirtschaft seitens des Marxisten Paul M. Sweezy7). Auch Daniel R. Fusjeld ist diesbezüglich zu nennen. Wenn er meint, daß „heute die Nationalökonomie die einzige Sozialwissenschaft mit einem akzeptierten Theoriegebäude, dessen Gültigkeit eigentlich jeder Praktiker anerkennen müsse, sei" 8 ) dann betrifft es den Ausbau und die Zusammenschau der nationalökonomischen Spezialtheorien, aber nicht die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft. M i t ihnen hat sich auch Ronald L. Meek9) nicht befaßt. Denn auch er geht von der herrschenden klassischen beziehungsweise neo-klassischen Ökonomie und der marxistischen Ökonomie, also von der „Güterlehre" aus. Wie wenig die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft im englischen Schrifttum entwickelt sind, beweisen auch die „Definitionen" von A. Marshall, E. Nevin und L. Robb ins10). Die Wirtschaftstheorie ist ein Teil der Wirtschaftswissenschaft, deren Grundlagen über die Analysen des arbeitsteiligen Wirtschaftens hinaus gehen. M i t ihnen be5)

Ebenda, S. 9. •) Ebenda, S. 15. 7 ) „The Theory of Capitalist Development — Principles of Marxian Political Economy", New York 1942; deutsche Übersetzung nadi der amerikanischen Ausgabe von 1956 von Gertrud Rittig-Baumhaus, Köln 1959. 8 ) „The Age of The Economist", New York 1972, deutsche Obersetzung von Rudolf Wedekind, „Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien", Frankfurt 1975. •) „Economics and Ideology and Other Essays", London 1967, deutsche Ubersetzung von Joska Fischer und Jürgen Ritsert, Frankfurt/Main 1973. 10 ) Zitiert in Artur Woll: „Allgemeine Volkswirtschaftslehre", 4. Auflage, München 1974, S. 3. 50

faßt sich die Wirtschaftstheorie im herkömmlichen Sinne ausschließlich. U n d zwar ist ihr Erfahrungsobjekt — im Anschluß an die klassische Lehre — vornehmlich das vereinfacht gedachte „kapitalistische System", sein Funktionieren, das mathematisch analysiert zu werden vermag — also nicht die viel komplexere kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. So bietet z. B. die Preistheorie nur mögliche Fälle von Angebot und Nachfrage, in denen wieder zwischen dem reinen Wettbewerb und dem oligopolistischen oder monopolistischen Verhalten der Marktparteien unterschieden wird. Der Zusammenhang des individuellen, also nicht-arbeitsteilig orientierten Wirtschaftens und des Marktwirtschaftens der Einzelnen tritt gar nicht ins Bewußtsein. Artur Woll (1923) sagt: „Die Volkswirtschaftslehre ist ein Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft, deren Erkenntnis-Gegenstand (Objekt) Erscheinungen des Wirtschaftslebens sind. Die Abgrenzung der Volkswirtschaftslehre und ihr Verhältnis zu anderen Wissenschaftsgebieten hängen davon ab, welcher Wissenschaftssystematik und Methodologie man folgt" 1 1 ). Danach unterscheidet Woll richtig zwischen „Volkswirtschaftslehre" und „Wirtschaftswissenschaft" als dem umfassenderen Begriff, den er allerdings nicht umfassend genug auslegt, wenn er weiter sagt: „Bei der Systematik der Wirtschaftswissenschaft (economics) unterscheidet man, vor allem im deutschen Sprachbereich, nach Volks- und Betriebswirtschaftslehre" . . . „Wissenschaftssystematische Probleme sollten nach Erwägungen der Zweckmäßigkeit gelöst werden. Beim gegenwärtigen Stand wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis und der methodologischen Ausrichtung eines großen Teils des Schrifttums scheint es angezeigt, die Wirtschaftswissenschaft — also Volkswirtschaftslehre (einschl. Finanzwissenschaft) und Betriebswirtschaftslehre — als einheitliche Disziplin aufzufassen" 1 2 ). Auch f ü r Woll „brauchte man sich nicht mit Wirtschaftsfragen zu befassen, wenn die Güter unbeschränkt zur Verfügung stünden, also die Verhältnisse eines Schlaraffenlandes herrschten" . . . „ N u r die Tatsache, daß die Bereitstellung von Gütern Kosten verursacht, zwingt uns zur Bewirtschaftung, zu wirtschaftlichem Handeln. Deshalb kann man auch sagen, die Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich mit Dingen, die Kosten verursachen, die einen Preis haben. Die Begriffe Kosten und Preis sind weit zu fassen" 13 ). Damit stellt sich auch Woll auf den Standpunkt, wie ihn alle bisherige „ N a t i o nalökonomie" oder „Volkswirtschaftslehre" oder „Allgemeine Volkswirtschafts») Woll, a. a. O., S. 1. 12 ) Ebenda, S. 1/2. 1S ) Ebenda, S. 29/30, ebenso in Auflage 1978.

51

lehre" vertreten h a t : in der „Güterknappheit" den Grund alles Wirtschaftens und aller Wirtschaft zu sehen, anstatt das Problem „Wirtschaften" der Wirklichkeit entsprechend zu lösen zu versuchen und nicht vom Standpunkt der „Zweckmäßigkeit" auszugehen, geschweige „Begriffskataloge" aufzustellen. A u d i das Lehrbuch von Artur Woll ist im Grunde eine Theorie des Kapitalismus, seiner Struktur und seines Ablaufes. Diese mit viel Mathematik, Kurven u n d Statistiken angereicherte und mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis versehene Analyse macht so recht deutlich, inwieweit die moderne Nationalökonomie die klassische Lehre und die vom Grenznutzen vervollkommnet hat. Das Lehrbuch von Woll ist ein Musterbeispiel dafür, daß die in ihm mit Einschränkung gebotene reine Theorie nur mit Hypothesen zu arbeiten vermag, um alle den Marktablauf bestimmenden Bedingungen in den Griff zu bekommen und eine Gesamtschau des gedanklichen Systems zu vermitteln. Dabei m u ß beachtet werden, daß sich auch dieses Lehrbuch vorwiegend an die Studierenden der Volkswirtschaftslehre wendet, die zwar auch für Woll ein Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft ist, ohne aber diese Auffassung näher zu begründen. Das wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die insbesondere von deutschen Wissenschaftlern geführte Diskussion über den Ausgangspunkt der „Volkswirtschaftslehre" — und nicht der Wirtschaftswissenschaft — seit dem Aufkommen des Nationalsozialismus jäh unterbrochen wurde und dann nicht wieder aufgenommen worden ist. Arbeitsteilung muß auch im Bereiche der Wirtschaftswissenschaft das Erfordernis der Forschung sein u n d daher sollte die Frage nach ihren Grundlagen nicht weiter vernachlässigt werden. Man kann ein Gebäude nur bedingt bewohnen, wenn m a n es nicht auf einem soliden Fundament errichtet hat. Denn sind alle diese Erklärungen über die Notwendigkeit der Wirtschaft, geschweige des Wirtschaftens für die Begründung selbst der Volkswirtschaftslehre als Einzelwissenschaft zwingend? Sehen wir zu.

52

4. Kapitel Das Identitätsprinzip der Wirtschaftswissenschaft a) Die „Genußlehre" Hermann Heinrich Gossens Der Ausgangspunkt der nationalökonomisch-klassischen Lehre entsprang praktischen Beweggründen: Volk, Staat und Fürsten durch Regierungsmaßnahmen zu Wohlstand, Reichtum und damit zu politischer Macht zu verhelfen. Für sie ist, wie Heinrich Dietzel (1857—1935) sehr richtig bemerkt, „die theoretische Erkenntnis nur deshalb betrieben und nur so weit betrieben, als sie Früchte am goldenen Baum des Lebens zu zeitigen verhieß, ist Mittel gewesen, ehe sie Selbstzweck war" 1 ). Adam Smith erkannte als erster diese Aufgabe, in dem Erfahrungsobjekt, dem Tauschprozeß, der zum Reichtum führen sollte, das Erkenntnisobjekt und das Hauptproblem der „politischen Ökonomie" zu sehen. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften in ihrer Methode zu berücksichtigen, die Gesetze zu bestimmen, nach denen sich die Produktions- und Tauschvorgänge vollziehen und sich die Verteilung auf Grund der Produktionsbeiträge in Form von Rente, Profit, Löhnen regelt, ist die wissenschaftliche Leistung David Ricardos gewesen. Mit ihr hat er sich als der eigentliche Begründer der theoretischen Nationalökonomie als Wissenschaft erwiesen, demgegenüber die Arbeiten von Quesnay, Turgot, Steuart, Smith, Say (1767—1823), Sismondi (1773—1842), John St. Mill und anderen noch die präzise Formulierung vermissen lassen, die das Wesen der Wissenschaft ausmacht. Dennoch zeugte diese Aufgabenstellung nicht von einer weisen, das heißt absichtlichen Beschränkung Ricardos, sondern ist auf seine mangelnde methodologische Vorarbeit zurückzuführen. Der Umstand, daß die Klassiker eine tiefere erkenntnistheoretische Grundlegung der nationalökonomischen Theorie unterließen und im wesentlichen die naturwissenschaftliche Methode der Aufklärungsphilosophie, der Philosophie des N a turrechts, übernahmen, war bestimmend für ihre Ergebnisse und ihre Forderung der Wirtschaftsfreiheit. Im Mittelpunkt stehen die Probleme Wert, Preis, Produktion, Geld und Kredit, Lohn, Zins, Rente, Unternehmergewinn, Konjunktur und Krisen. Das gilt zwar für die subjektive Wertlehre, die so bedeutend f ü r den Ausbau der Theorie vom Grenznutzen werden sollte, ebenfalls, aber in ihrer Grundlegung der Nationalökonomie geht sie doch von einem tieferen Standpunkt aus. Wenn die Klassiker die Ansichten der Begründer der subjektiven Wertlehre mehr berücksichtigt hätten, — soweit sie ihnen überhaupt bekannt gewesen sind — hätten sie sich vielleicht in ihrer Meinung von der einzig möglichen, weil richtigen Theorie nicht so festgelegt, und es wäre schon früher die Erkenntnis Allgemeingut geworden, daß sich klassische und subjektive Lehre, die beide von verschiedenen Ebenen ausgehen, im Grunde gar nicht widerstreiten. Es ist daher ') „Theoretische Socialökonomik", Leipzig 1895, S. 10. 53

unsinnig, von zwei verschiedenen Fundamenten, anstatt von dem tieferen und dem höheren Ausgangspunkt des wirtschaftswissenschaftlichen Gebäudes zu sprechen. Um so mehr, als die Klassiker zwecks Erklärung selbst des Tauschmedianismus — also des sich nach Marktgesetzen abwickelnden Tauschverkehrs — subjektive Gründe hatten heranziehen müssen, wenn sie sie nicht im Falle der Seltenheitsgüter als alleinbestimmend angesehen wissen wollten. Schon dieser Zwang, eine Ausnahme von dem Erklärungsprinzip machen zu müssen, hätte die Klassiker — noch mehr ihre späteren Anhänger — nachdenklicher in der Frage des Ausgangspunktes ihrer Theorie stimmen sollen. Aber weit gefehlt: die subjektiven Preisbestimmungsgründe erschienen ihnen in der Tat nur als eine Ausnahme von der Regel, wonach der „ W e r t " der Güter, das heißt „ihre Austauschverhältnisse im wesentlichen als durch äußere, ,objektive', außerhalb der tauschenden Individuen liegende und von deren subjektiven Bedürfnissen und Begehrungen unabhängige Tatsachenverhältnisse ,bestimmt' anzusehen, und die klassische Theorie in diesem Sinne ,objektivistisch' ist" 2 ). D a ß insbesondere das Werk Hermann Heinrich Gossens keine Beachtung fand, ist für die weitere nationalökonomische, besser wirtschaftswissenschaftliche Forschung zweifellos sehr nachteilig gewesen. Und wenn ihn Werner Sombart einen „genialen Idioten" 3 ) schimpft, dann ist es nur ein Zeugnis dafür, daß Sombart den tieferen Sinn und den heuristischen Wert der „Genußlehre" Gossens nicht erfaßt hat. Nach ihm ist das Grundelement die Zeit. Aus der Erkenntnis der relativ begrenzten Zeit und aus seiner teleologischen Einstellung erwächst für Gossen das Maximumprinzip: „Der Mensch richte seine Handlungen so ein, daß die Summe seines Lebensgenusses ein Größtes werde" 4 ). Und an anderer Stelle: „Die unermeßliche Güte Gottes hat die Welt so wunderbar geordnet, daß die Menschen zum höchsten Genüsse gelangen, ja geradezu wie im Schlaraffenlande leben können, wenn sie nur seine Gesetze erkennen und befolgen". Um diesen dem Menschen von dem Schöpfer gestellten Lebenszweck zu erreichen, hat nach Gossen der Mensch zu bedenken, daß jedes Bedürfnis mit zunehmender Sättigung abnimmt, damit auch der „ W e r t " des in Frage stehenden Gutes 5 ) unter Berücksichtigung des Umstandes einer fortlaufenden oder in Abständen sich wiederholenden Befriedigung und der Möglichkeit einer Steigerung des Genusses durch Übung. Doch der Lebenszweck strebt erst dann seiner vollen Erreichung zu, wenn der Mensch nicht erst mit der Sättigung eines Bedürfnisses dann aufhört, wenn es sich der Grenze, wo das Bedürfnis in Widerwillen umzuschlagen beginnt, nähert, sondern der Mensch hat vor dem Beginn der Bedürfnisbefriedigung die verschiedenen erstrebten Genüsse miteinander zu vergleichen und danach

Amonn: „Stand der reinen Theorie" in Lujo Brentano-Festgabe. Mündien 1925, S. 275. 3 ) „Die Drei Nationalökonomien", Mündien 1930, S. 4. 4 ) „Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln". 3. Aufl., Berlin 1927, S. 3; 1. Aufl. 1854. 5 ) Siehe hierzu auch die ausführliche Darstellung in meiner Liefmann-Schrift, S. 24 ff.

2)

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zu trachten, d a ß die letzte Genußeinheit, d. h. die vor dem Übergange z u der Erzielung eines anderen Genusses, bei allen Genüssen gleich groß ist. Gossen h a t diese Erkenntnis in zwei „Gesetzen" kausalen u n d teleologischen Charakters f o r m u l i e r t : 1. „Bei jedem einzelnen Genuß gibt es eine A r t u n d Weise zu genießen, die hauptsächlich von der häufigeren oder minder häufigen Wiederholung des Genusses abhängt, durch welche die Summe des Genusses f ü r den Menschen ein Größtes wird. Ist dieses G r ö ß t e erreicht, so w i r d die Summe des Genusses sowohl durch eine häufigere, wie durch eine minder häufige Wiederholung v e r m i n d e r t " . 2. „ D e r Mensch, dem die Wahl zwischen mehreren Genüssen freisteht, dessen Zeit aber nicht ausreicht, alle vollauf sich zu bereiten, muß, wie verschieden auch die absolute G r ö ß e der einzelnen Genüsse sein mag, um die Summe seines Genusses z u m G r ö ß t e n zu bringen, bevor er auch nur den größten sich vollauf bereitet, sie alle teilweise bereiten, u n d z w a r in einem solchen Verhältnis, d a ß die G r ö ß e eines jeden Genusses in dem Augenblick, in welchem seine Bereitung abgebrochen wird, bei allen noch die gleiche bleibt" 6 ). W ä h r e n d das erste sogenannte Gesetz bereits in f r ü h e r e n Lehren enthalten ist, w a r die Aufstellung des „zweiten Gesetzes" ein neuer G e d a n k e Gossens, der den Zusammenhang des menschlichen H a n d e l n s deutlich erkennen l ä ß t ; ein Gedanke, der die eigentliche Begründung einer „ n e u e n " Wirtschaftstheorie, der G r e n z n u t zentheorie, bedeutet u n d in dem gleichfalls der G r u n d g e d a n k e des Lief mann'sehen Systems enthalten ist. Wenn demgegenüber von Wilhelm Lexis7) eingewandt wird, daß „die Genüsse inkommensurabel seien", so hat er zweifellos Recht. Aber der heuristische Wert, der in der Betonung des Zusammenhanges des menschlichen H a n d e l n s liegt, w i r d damit nicht negiert. Auch ist es müßig, damit gegen die Tatsache zu polemisieren, d a ß alles menschliche H a n d e l n gewissen Bedürfnisregungen entspringt u n d daß alle Geisteswissenschaft d a v o n auszugehen h a t . Wie? ist eine Frage der erfahrungsorientierten Logik. Fügen wir noch den dritten bereits erwähnten G e d a n k e n in der Form eines „Gesetzes", wie ihn Gossen dargestellt hat, h i n z u : 3. „ D i e Möglichkeit, die Summe des Lebensgenusses zu vergrößern, w i r d unter den noch vorhandenen U m s t ä n d e n dem Menschen jedesmal d a n n gegeben, w e n n es gelingt, einen neuen Genuß, sei dieser auch an u n d f ü r sich noch so klein, zu entdecken, oder irgend einen bereits bekannten durch die Ausbildung seiner selbst oder durch E i n w i r k u n g auf die Außenwelt, z u steigern" 8 ).

«) A. a. O., S. 11/12. ) „Allgemeine Volkswirtschaftslehre", Berlin 1910 u. 1913, S. 32/33. ) A. a. O., S. 21.

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8

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Von diesem umfassenderen Standpunkt einer auf materielle und immaterielle Güter bezogenen Genußlehre (der sich bei manchen Vorläufern bereits implicite vorfindet) ging Gossen an die Bestimmung des „Wertes" der Güter der äußeren Natur heran. Er unterscheidet zu diesem Zweck zwischen 1. „Genußmitteln", 2. „Gegenständen der zweiten Klasse" (identisch mit den Aferager'schen komplementären Genuß- und solchen Produktivgütern, die vollkommen in das produzierte Genußgut eingehen), 3. „Gegenständen der dritten Klasse" (solchen, welche nur zur Erzeugung von Genußmitteln und zu ihrer Teilung behilflich sind, niemals aber selbst Genußmittel oder Teile von solchen werden) 9 ). Das entscheidende Moment ist die Zeit, die das Maximumprinzip bedingt. Als ihre Begrenztheit verstärkendes Moment tritt die Knappheit der äußeren Güter hinzu, die somit gleichfalls bei der Bestimmung ihres Wertes berücksichtigt werden muß. Im Gegensatz zu den früheren Lehren stellte Gossen gleichsam eine „verfeinerte" Mengentheorie auf, indem er jedes Gut in Atome zerlegte. Gemäß seinem ersten „Gesetz" ergab sich aus dieser Erkenntnis ein weiterer „allgemeingültiger" Satz, der eine Verengung des allgemeineren ersten „Gesetzes" bedeutet, da er sich lediglich auf die äußere Gütermenge bezieht, und als viertes Gossen'sches „Gesetz" angesehen werden darf. 4. „Daß die einzelnen Atome eines und desselben Genußmittels einen hödist verschiedenen Wert haben, und daß überhaupt für jeden Menschen nur eine bestimmte Anzahl dieser Atome, d. h. eine bestimmte Masse Wert hat, eine Vermehrung dieser Masse über dieses Maß hinaus aber für diesen Menschen vollkommen wertlos ist; daß aber dieser Punkt der Wertlosigkeit erst erreicht wird, nachdem der Wert nach und nach die verschiedensten Stufen der Größe durchgegangen ist. Betrachten wir daher ein solches Genußmittel von dem Gesichtspunkt, daß die Atommenge desselben nach und nach in der Hand eines Menschen fortwährend vermehrt würde, so folgt daraus, daß mit Vermehrung der Menge der Wert jedes neu hinzukommenden Atoms fortwährend eine Abnahme erleiden würde, bis dahin, daß derselbe auf Null herabgesunken ist" 1 0 ). Für die Art der Beschaffung der Gütermenge kommt der in dem zweiten schen „Gesetz" enthaltene Gedanke in Betracht:

Gossen'-

„Sich jedes Genußmittel soweit zu verschaffen, daß die letzten Atome bei einem jeden für den Menschen noch gleichen Wert behalten" 11 ) und mittelbar der für die Produktionsgüter geltende Satz: „Daß ihre Beschaffung in einem solchen Maße vorzunehmen ist, als die Produktion der nach dem obigen als 9) 10 )

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Die näheren Erläuterungen siehe a. a. O., S. 2 4 / 2 8 . A. a. O., S. 31. Der Begriff „Atom" entspricht der vielfach naturwissenschaftlichen Denkweise Gossens. Der Einwand Cuhels „Zur Lehre von den Bedürfnissen", Innsbruck 1907, S. 244 und 253 ist richtig, wenn er sagt, daß Gossen „Verwendungseinheiten" gemeint hat, d. h. „die kleinsten Quanten eines Befriedigungsmittels, dessen Verwendung noch das Ziel eines effektiven Verwendungsbegehrens sein kann."

vernünftig erscheinenden Quantität der Genußmittel es wünschenswert erscheinen läßt" 1 2 ). Während die Tatsache der Abhängigkeit des Menschen von der Knappheit der Güter der äußeren N a t u r für die Begründung einer besonderen Wissenschaft, der Nationalökonomie, maßgebend gewesen ist, verhält Gossen sich seinerseits der Forderung der Begründung dieser neuen Wissenschaft ablehnend gegenüber: „Zu dieser Beschränkung (cf. auf die sogenannten materiellen Güter) ist durchaus kein haltbarer Grund vorhanden, denn dem genießenden Menschen ist es ganz und gar gleichgültig, ob der Genuß durdi materielle oder immaterielle Güter zustande gebracht wird. Auch hat zu dieser Beschränkung lediglich der Umstand Veranlassung gegeben, daß es nicht gelingen wollte, die Regeln so auszusprechen, daß sie über die materiellen Güter hinaus Anwendbarkeit erlangten. Wenn wir daher hier diese Beschränkung aufheben, und den Zweck dieser Wissenschaft auf seine wahre Größe: Dem Menschen zur größten Summe des Lebensgenusses zu verhelfen, erweitern, woher dann aber die jetzt übliche Benennung f ü r diese Wissenschaft nicht mehr paßt, an deren Stelle ich daher im folgenden in Rücksicht auf ihren Zweck die Benennung ,Genußlehre' wählen werde, so haben wir dann in dem obigen Satze ihren obersten Grundsatz aufgefunden, wenn wir dabei nicht aus dem Auge verlieren, daß nicht bloß materielle Güter, sondern auch alle immateriellen Dinge, insofern sie uns Genuß gewähren, zu den Genußmitteln gehören, und daß für die letzteren die Zeit des Genießens den Maßstab des Besitzes abgibt" 1 3 ). In diesem Satz ist eine Erkenntnis enthalten, deren Beachtung zweifellos zahlreiche Streitigkeiten über die Methode der Nationalökonomie unterbunden hätte. Durch die umfassendere Betrachtung gelang es Gossen, das Phantom des absoluten „Wertes" der Genußmittel (einschließlich der zu ihrer Erlangung erforderlichen Kräfte) zu zerstören und demgegenüber die Relativität des „Wertes", des Schätzens der Mittel zu betonen. Sehr zum Nachteil der ökonomischen Theorie hat das Werk Gossens bis auf den heutigen Tag nicht die Beachtung gefunden, die es verdient. Denn ohne Frage war es im Zeitpunkt seines Erscheinens ein bedeutender Vorstoß in Richtung auf die Überwindung der zu engen „Güterlehre", die von der Knappheit der äußeren materiellen Güter ausgeht. Gossen erweitert sie zu einer reinen „Genußlehre", deren Ausgangspunkt nicht die Knappheit der Güter, sondern die der Zeit ist und in der die Kosten der Genußmittelbeschaffung stets als Müheaufwand aufgefaßt werden. Dadurch wurde selbstverständlich das „Reich" der Erwägungen des Einzelnen wesentlich erweitert. Hinzu k a m Gossens religiöse und staatspolitische Einstellung, die ihn seine „Gesetze" als die „Gesetze des allge" ) A. a. O., S. 33. ,2 ) A. a. O., S. 34. 13 ) A. a. O., S. 34. 57

meinen Genießens" des Einzelnen ansehen ließ. In Wirklichkeit ist von den religiösen und anderen Gesichtspunkten bei der Analyse des Maximumprinzips kaum die Rede. Dem Umstand, d a ß Gossens Werk den meisten Autoren unbekannt geblieben ist, ist es zuzuschreiben, d a ß sie die Tatsache der absolut oder relativ knappen äußeren Güter als die Ursache aller Wirtschaft ansehen. Insoweit bedeuten die Gedankengänge der ihm nachfolgenden Vertreter der klassischen, objektiven und der der subjektiven Theorie einen Rückschritt gegenüber der erweiterten Problemstellung Gossens. Es f r a g t sich aber, ob die „Genußlehre" die Begründung der Wirtschaftswissenschaft als einer besonderen Disziplin überflüssig macht? Um diese Frage beantworten zu können, muß zunächst die Vorfrage zu klären versucht werden, worauf alles menschliche Handeln zurückzuführen ist. Festzuhalten ist indessen schon die Antwort auf folgende Frage: K a n n man Wissenschaft genießen? Bezieht sich ein Genuß nicht nur auf materielle Güter und äußere persönliche Leistungen (Schauspiel, Verkehr u. a.)? Wissenschaftliche Arbeit bereitet Freude, viel Entsagung und auch Qual, man kann sie nicht genießen! Man kann auch nicht das Ergebnis dieser freudigen oder zeitweilig qualvollen wissenschaftlichen Arbeit, einen neuen Gedanken, genießen, wohl aber die äußeren Ehrungen und den materiellen Verdienst, die die Folge der neuen Erkenntnis sein mögen. Der Begriff „Genuß" ist stets mit dem eines „Genußmittels" verbunden, denn zum „ G e n u ß " gehört die Verwendung eines vorher beschafften nützlichen Dinges oder die Inanspruchnahme einer nützlichen persönlichen Leistung oder das Betrachten einer äußeren Erscheinung als eines Mittels der ästhetischen Empfindung. Eine geistige Tätigkeit, wie sie das wissenschaftliche Arbeiten darstellt, kann Freude bereiten, man kann sie aber nicht genießen, wie man die N a t u r , den Anblick einer dezent gekleideten, schönen Frau, einen geschmackvoll gedeckten Tisch, die stilvolle Einrichtung eines Hauses und tausend andere äußere Wahrnehmungen genießen kann. Das wissenschaftliche Arbeiten bedarf keines „Genußmittels", das beschafft werden muß, um das wissenschaftliche Bedürfnis zu befriedigen. Diese Problematik ist Gossen noch verschlossen geblieben. Seine „Genußlehre" ist genau so wie die subjektive „Güterlehre" nur an äußeren materiellen Gütern und immateriellen Dingen in Form von äußeren persönlichen Leistungen orientiert. Das geht auch aus seinen „Gesetzes"-Formulierungen hervor. Die „Genußlehre" Gossens unterscheidet sich von der bis dahin gültig gewesenen und auch heute noch herrschenden „Güterlehre" dadurch, daß sie Regeln f ü r die Erzielung eines im Verhältnis zur begrenzten Zeit möglichst großen Genusses durch Genußmittel aufzustellen sich bemüht, während die herkömmliche Nationalökonomie — gleichgültig, ob subjektiver oder objektiver Prägung — den Tatbestand der Wirtschaft in der absoluten oder im Verhältnis zum Bedarf bestehenden Knappheit materieller Güter und äußerer persönlicher Leistungen als gegeben ansieht und die Frage zu beantworten versucht, wie sich der Ausgleich von Angebot und Nachfrage solcher Güter und äußerer persönlicher Leistungen durch Tausch vollzieht. Aber auch selbst wenn wir die „Genußlehre" über die Gossew'sche In58

terpretation hinaus erweitern, ist die obige Frage, ob die „Genußlehre" die Begründung der Wirtschaftswissenschaft als einer besonderen Disziplin überflüssig macht, noch nicht stichhaltig zu beantworten, so daß es doch zunächst der Klärung der aufgeworfenen Vorfrage bedarf.

b) Über die Unlogik der „Güterlehre" Während die englisch-klassische Wirtschaftslehre über die Abbildtheorie der Physiokraten hinauskam, bei ihrer so gearteten Darstellung des Güterkreislaufes aber es nicht vermochte, denselben aus einem Grundprinzip heraus zu erklären, suchte die subjektive Wertlehre diesen Mangel durch das Zurückgehen auf die psychischen Vorstellungen, die Wertschätzungen der Einzelnen, zu beseitigen. Den Tauschwert der materiellen, knappen Güter aus ihrem Gebraudiswert zu erklären — eine Unterscheidung, die, wie bereits aufgezeigt, den Klassikern nicht ganz unbekannt gewesen ist, — galt den Begründern der Grenznutzentheorie: W. St. Jevons und Leon Walras und unabhängig von ihnen denen der sogenannten österreichischen Grenznutzenlehre: Carl Menger, Eugen v. Böhm-Bawerk und Friedrich v. Wieser als das eigentliche Fachgebiet der theoretischen Nationalökonomie. „Der wirtschaftende Mensch muß die Bedürfnisse in eine Rangordnung bringen, indem er überlegt, welche Folgen Befriedigung oder Nichtbefriedigung für sein Wohlbefinden haben. Die Wichtigkeit, die das Wirtschaftssubjekt dem Bedürfnisse zumißt, überträgt es auf die Mittel seiner Befriedigung: ,Der Wichtigkeitsgröße des Bedürfnisses entspricht die Nutzengröße des zu seiner Befriedigung geeigneten Gutes' (Rosenstein-Rodan). Dementsprechend erfolgt die Bewertung der Güter. So hat also aller Wert seine Quelle in ,Nützlichkeitserwägungen', er wurzelt in einem ,seelischen' Vorgang! Da nun die Güter zumeist teilbar sind, bedeutet der Verlust einer Teilmenge stets nur den Entgang des geringsten Bedürfnisgrades, der mit dem vorhandenen Vorrat befriedigt werden könnte. Demgemäß ist der Wert des Gutes durch den Nutzen der letzten Teilmenge, d. h. durch den ,Grenznutzen' bestimmt" 14 ). Der Grenznutzen eines Gutes ist das Grundprinzip, durch das das wirtschaftliche Problem zu lösen versucht wird. Dabei gehen die Meinungen der Grenznutzentheoretiker nicht nur in bezug auf das „Gesetz des Ausgleichs der Grenznutzen", sondern auch in vielen anderen Teilfragen auseinander. Der Kampf ist zwar in der Regel Voraussetzung zur Klärung des Sachverhaltes, doch vielfach hat die geistige und persönliche Haltung der Kämpfenden in dem Ringen um Teilerkenntnisse das Grundprinzip verschleiert und bei Andersdenkenden in Verruf gebracht. Das ist im Interesse der logisch stichhaltigen Begründung der Wirtschaftswissenschaft nur zu bedauern. 14)

Adolf Weber: S. 42.

„Einleitung in das Studium der Volkswirtschaftslehre", München 1933,

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Der Streit darüber, daß die Grenznutzentheoretiker in ihrer Voraussetzung eines gegebenen Vorrates von Gütern, einer gegebenen H ö h e der Wertschätzungen oder Preise als Geldausdruck und in der Darstellung des Angebot- u n d Nachfragespiels innerhalb der von den Grenzpaaren abgesteckten Grenzen in Wirklichkeit beschreibend, sich in einem Zirkel bewegend und nicht erklärend vorgehen, ist nicht zuletzt auf die Anwendung mathematischer Formeln zurückzuführen. Die Vertreter dieser den äußeren Allpreiszusammenhang vorhandener Gütermengen darzustellen geeigneten Arbeitsweise sind sidi o f t nur allzu wenig ihrer Symbolik bewußt. Nicht zuletzt hat der „frühere", besser der „eine" Scbumpeter, der sich selbst in seiner überlegenen D e n k a r t der Grenzen mathematischer Darstellung bewußt ist, zu der Verkennung des heuristischen Wertes des besagten Grundprinzips beigetragen, das er gleichfalls zum Ausgangspunkt seines Systems nimmt — System hier in dem eingeschränkten Sinne: Statik gemeint. In seiner damaligen Abneigung gegen eine tiefere psychologische Fundierung der Wirtschaftstheorie — aus dem damaligen Stande der Fachpsychologie, der Experimental-, wie der verstehenden und erklärenden Psychologie und ihrer sehr losen Verbindung mit den Geisteswissenschaften verständlich — glaubte Scbumpeter, den „Wertfunktionsbegriff" an Stelle der „Kausalrelation" setzen u n d lediglich die „Quantitätsverhältnisse" der Güter betrachten zu können. Nach ihm, der wirtschaftliches Handeln „als jenes H a n d e l n " definiert, „dessen Zweck Gütererwerb ist" 15 ) ist „alle reine Wirtschaftstheorie nur eine Untersuchung des Tauschproblems" 16 ). U n d daß die Ansicht, die theoretische Volkswirtschaftslehre gehöre in den Bereich der Naturwissenschaften, ernsthaft von einem Manne wie ihm vertreten werden konnte, beweist nur den damaligen Stand der Erkenntnistheorie, mit der man „Grundlagenforschung" betrieb bzw. sich um sie — etwas kraß ausgedrückt — herumzudrücken versuchte. Schließlich war man ja damals schon über den Vergleich der klassischen Lehre mit der Ansicht Isaak Newtons (1642—1727) über den Verlauf der Gestirne hinausgekommen 17 ). Andererseits hat gerade Scbumpeter — unter Berücksichtigung der bewußten Scheidung von Statik und Dynamik durdi ]. B. Clark16) und in Vertiefung und Erweiterung der Theorie von John St. Mill — eine Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung erarbeitet, die keineswegs in die Naturwissenschaft einbezogen werden kann. Die Begründung der Grenznutzentheorie ist ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Erkenntnis des wirtschaftlichen Tatbestandes gewesen, doch haben die Grenznutzentheoretiker, insbesondere die der österreichisdien Schule, nicht die einzig logische Folgerung, über die Orientierung des Grundprinzips an dem „äußeren 15

) „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", München 1926, S. 1. ) „Das Wesen und der Hauptinhalt der Theoretischen Nationalökonomie", Leipzig 1908, u. a. S. 53. 17 ) Noch im Jahr 1926 glaubte Scbumpeter „auf den Panzer methodologischer Kommentare verzichten zu können". („Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", S. 2.) 1B ) „Distribution of Wealth", N e w York 1899, und „Essentials of Economic Theory", 1907. 16

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wirtschaftlichen G u t " als dem vermeintlichen Objekt der Wirtschaft hinausgehend, gezogen und den der Erfahrung gemäßen Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft gefunden. Sie sind bei ihrer methodologischen Grundlegung doch nicht umfassend und tief genug vorgegangen. Denn die Forderung nach dem Identitätsprinzip der Wirtschaftswissenschaft schließt die Forderung nach ihrer entsprechenden Einordnung in das gesamte wissenschaftliche System in sich. Diesen Problemkreis erkenntniskritisch behandelt zu haben, ist auch das langjährige Bemühen Max Webers gewesen. Seine Erkenntniskritik beruht auf den Lehren der Badener Schule (Windelband [1848—1915], Richert [1863—1936], Münsterberg). Sie und teilweise die Marburger Philosophenschule, sogenannte „ N e u k a n t i a n e r " (Cohen [1842—1918], Natorp [1854—1924], Cassirer [1874— 1945]), haben auf die erkenntnistheoretische Grundlegung der Nationalökonomie einen nicht geringen Einfluß ausgeübt. Aber mit der Anlehnung an diese philosophischen Richtungen ist die Entscheidung bezüglich der Aufstellung und Problemweite des Identitätsprinzips noch nicht gefallen. Gehen doch aus der Badener und Marburger Schule Autoren hervor, deren Lehren sich nach ihrer Ansicht ganz oder teilweise widersprechen: Stammler (1856—1938), Diehl (1866—1943), Stolzmann, Amonn, Spann, Gottl, Max Weber, Liefmann (1874—1941), um nur einige Gelehrte zu nennen, die sich um die Grundlegung der Nationalökonomie — aber nicht der Wirtschaftswissenschaft — besonders bemüht haben.

c) Von der Begriffs-Nationalökonomie zur problembewußten Wirtschaftswissenschaft Wenn die Wissenschaft die Wahrheit erforschen soll, so kann nur das Leben in seiner reichen Mannigfaltigkeit das Erfahrungsbojekt der Wirtschaftswissenschaft wie der anderen den Sozialwissenschaften zugehörigen Disziplinen abgeben. Es kann gar nicht anders sein. Deshalb können nicht ein „Sachgut" oder eine „besonders geartete menschliche Beziehung" von vornherein den Problemkreis verengen, woraus sich dann das wirtschaftswissenschaftliche Grundproblem ableitet, sondern dasselbe ist aus dem gesamten Lebensbereich heraus zu sehen. Man m u ß sich doch immer vor Augen halten, wie der einzelne Mensch mit dem Leben fertig zu werden versucht, und d a ß es logisch unhaltbar ist, in vorgefaßter Meinung einen Tatbestand zu konstruieren, der als das wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisobjekt angesehen wird, einfach, weil man sich nicht in der Lage sieht, die Problematik der Begründung der Wirtschaftswissenschaft als Einzelwissenschaft durch an der Erfahrung orientiertes, streng logisches Denken zu lösen. Welche Verwirrung die herrschende „Güterlehre" in Nicht-Fachkreisen hervorgerufen hat, erfahren wir täglich aus Äußerungen zahlreicher Menschen, aus der Presse und aus mehr für den Laien bestimmten vulgär-ökonomischen D a r stellungen. Die in das menschliche Bewußtsein tretenden Bedürfnisse lösen rationales oder rein triebhaftes H a n d e l n aus. Im Gegensatz zum rein triebhaften, mehr oder weniger 61

instinktsicheren H a n d e l n liegt dem rationalen Handeln ein Erwägen zugrunde, mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst großen Nutzen zu erzielen, d. h. nach dem „Prinzip des kleinsten Mittels" zu verfahren. Der Zweck kann nun Vor- oder Endzweck sein, und diese Betrachtungsweise hat Autoren dazu geführt, den Problemkreis von dieser Seite her zu verengen, um so das Identitätsprinzip der „Volkswirtschaftslehre" feststellen zu können. Wenn alles rationale H a n d e l n die Setzung eines Zwecks zur Voraussetzung hat, Zwecke aber Wertvorstellungen eines lebenden Wesens sind, so kann man natürlich nicht die Gesellschaft als eine „supranaturale Potenz" dem Menschen einfach gegenüberstellen u n d behaupten, daß das „Ganze früher als sein Teil" dagewesen sei, und daraufhin Forderungen stellen. Wenn auch die gesellschaftliche Lebensführung die H a u p t f o r m ist, in der sich menschliches H a n d e l n äußert, wobei man zwischen den verschiedensten Formen gesellschaftlichen Lebens unterscheiden muß, und die politische Einheit, die Volkswirtschaft, als eine besondere A r t sozialer Beziehungen zu verstehen ist, so ist die Volkswirtschaft als Verkörperung einer bestimmten sozialen Gruppenlagerung, einer auf Arbeitsteilung ausgerichteten O r d nung, doch nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, nämlich zu der bestmöglichen Befriedigung des Gesamtbedarfes der zu einem Volk oder zu in einem Staat lebenden Völkern zusammengeschlossenen Menschen an äußeren materiellen Gütern und äußeren persönlichen Leistungen. Der Zweck aller Wirtschaftsgestaltung hat daher immer Bezug auf die Bedürfnisse der Einzelnen. Der Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft, die über die herrschende sogenannte Volkswirtschaftslehre hinausgeht, kann also nicht die abstrakte Einheit der Volkswirtschaft sein. Sie hat die Bedarfsmeldungen als Teil der Bedürfnisse der Einzelnen zur Voraussetzung. Doch ist mit der Anerkennung des Strebens der Einzelnen nach bestmöglicher Bedürfnisbefriedigung als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft noch nicht gesagt, daß das wirtschaftliche Verhalten logisch begreifbar aus dem H a n d e l n der Einzelwesen f ü r sich — wenn auch als Glied der Gesellschaft oder Gemeinschaft — oder aus der unmittelbaren Beziehung zweier oder mehrerer Einzelwesen als einer soziologischen Kategorie ist. Ebensowenig ist damit schon irgendetwas Bestimmtes hinsichtlich der Orientierung des Verhaltens der Einzelnen, das man als wirtschaftliches Verhalten bezeichnen könnte, angedeutet. Fest steht also, daß aus dem Handeln als Ausdruck von Wertvorstellungen der einzelnen Menschen das Identitätsprinzip der Wirtschaftswissenschaft zu bestimmen sein müßte, eben wenn — im Gegensatz zu Gossen — die Wirtschaftswissenschaft als besondere Fachdisziplin zu begründen ist. U m nun die zuerst aufgeworfene Frage beantworten zu können, müssen wir einen ganz bestimmten Weg einschlagen.

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5. Kapitel Bedürfnisse, Bedarf, Verbrauch, Genuß So viele Autoren, so viele Nationalökonomien gibt es, könnte man annehmen. Jedenfalls sieht es für den außerhalb dieser Wissenschaft Stehenden so aus. Nicht nur, daß man — je nach der letzten Endes weltanschaulichen, also nicht streng wissenschaftlichen Einstellung der Autoren — von der liberalen, kapitalistischen, d. h. auch „bürgerlichen" oder von der sozialistischen Nationalökonomie spricht, man hat sie mit Karl Diehl auch nach den folgenden zehn „Richtungen" unterschieden: 1. die naturgesetzlichen und naturrechtlichen Systeme (die Physiokraten), die klassische englische Nationalökonomie, der naturrechtliche Sozialismus, 2. die historische Richtung (List, Roscher, Hildebrand, Knies, Schmoller), 3. die theoretisch-abstrakte Richtung (Menger, Neumann, Dietzel), 4. die sogenannte psychologische Richtung (Wieser, Böhm-B awerk), 5. die mechanisch-mathematische Richtung (Schumpeter), 6. die psychische Richtung (Liefmann), 7. die evolutionistische Richtung (Darwin, Marx, Engels), 8. die religiöse Richtung (Pesch), 9. die ethische Richtung (Schmoller), 10. die sozial-rechtliche Richtung (Rudolf

Stammler,

Karl

Diehl).

So im Jahr 1916. Wenn man die Arbeiten der in diesem Buche genannten Autoren unter diesem Gesichtspunkt heranziehen würde, könnte man diese zehn „Richtungen" um weitere vermehren, soweit man genau so wenig tief in seiner Unterscheidung vorgeht, wie es zweifellos Karl Diehl getan hat. Denn, wie sich noch zeigen wird, ist es doch unmöglich, nationalökonomiscii bzw. wirtschaftswissenschaftlich gesehen, die Wirtschaftsauffassung von Marx und Engels nur in die sogenannte „evolutionistische Richtung" einbeziehen zu wollen. Auch Schumpeter ist Anhänger der Grenznutzentheorie und kann keineswegs unter Berücksichtigung seines Ausgangspunktes der „mechanisch-mathematischen Richtung" allein zugerechnet werden. So wenig tief begründet, wie diese Einteilung von Karl Diehl sich erweist, sind auch die Meinungen hinsichtlich der „Richtungen" der Nationalökonomie seitens anderer Autoren, die sich nicht einmal über den N a m e n unseres engeren Fachgebiets zu einigen vermochten. Um mit Werner Sombart, der seinerseits alle diese „Richtungen" in nur „Drei Nationalökonomien": die „richtende", die „ordnende" und die „verstehende" zusammenfaßt, zu sprechen, sind die wichtigsten Namen, die die Lehre von der gesellschaftlichen Wirtschaft bezeichnen sollen, im Deutschen folgende: „Nationalökonomie, Nationalökonomik, Politische Ökonomie, Sozialökonomie, Sozialökonomik, Sozialwirtschaftslehre, Volkswirt63

schaftslehre, Staatswirtschaftslehre, Nationalwirtschaftslehre; im Französischen: Economie politique (zuerst Montchrétien 1615), Economie sociale, Economie industrielle (so wurde der Lehrauftrag des Lehrstuhls genannt, den man 1819 für J. B. Say errichtete), Science économique (Cherbuliez), Chrysologie ou ploutonomie (Rob. Gttjard), Ploutologie ou ergonomie (Courcelle-Seneuil); im Italienischen: Economía política, Economia nazionale (Ortes 1713—1790), Economía sociale, Economia civile, Economia publica; im Englischen: Political Economy, Public Economy, Economic Science, Economics, Cattalactic (Whateley)"1). Dieser Zustand der Uneinheitlichkeit in der Namensgebung wie auch bezüglich der Methode und des Inhalts der Nationalökonomie hat sich bis heute im Grunde nicht geändert. Einig dagegen sind sich alle bisherigen nationalökonomischen Theorien in der Behauptung, d a ß der Z w a n g zur Wirtschaft, geschweige zum Wirtschaften, sich aus der absoluten oder relativen Knappheit der äußeren, materiellen Güter bzw. bei Gossen aus der Zeit — ebenfalls unter Bezugnahme auf die Güter — ergibt; d a ß also die Aufgabe der Wirtschaft darin besteht, eine Auswahl aus den absolut oder relativ knappen Gütern zu treffen, um die auf sie bezogenen materiellen und immateriellen Bedürfnisse gemäß ihrer „Dringlichkeit" mit ihnen zu befriedigen. In dem so verstandenen „Prinzip der Knappheit" stimmen die Vertreter der subjektiven u n d objektiven Theorien überein, ohne sich Gedanken über die Frage des Zusammenhanges aller Bedürfnisse, nicht nur der auf äußere Güter und Dienstleistungen bezogenen, zu machen. Soweit die immateriellen Bedürfnisse durch Dienstleistungen befriedigt werden können, sind auch sie stets auf Güter bezogen gedacht. Denn der Dienst der Kirche oder andere Dienstleistungen sind eben nur möglich, weil bestimmte Sachgüter in Gestalt des Gebäudes, des Altars und anderer äußerer knapper Gegenstände auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen und Handlungen beschafft worden sind. Also nur die immateriellen Bedürfnisse können nach der herrschenden Meinung in den wirtschaftlichen Tatbestand einbezogen werden, die letzten Endes auch an äußeren, materiellen, absolut oder relativ knappen Gütern als Befriedigungsmittel orientiert sind. Verschieden wiederum sind die nationalökonomischen Theorien in ihrem Ansatzpunkt. Während die Anhänger der erstgenannten Lehre nach der H ö h e des Wertes eines Gutes, das f ü r die Befriedigung irgendeines Elementar- oder weniger dringlichen Bedürfnisses in Betracht kommt, fragen, um so das Wesen und die H ö h e des Preises erklären zu können, glauben die Verfechter der objektiven Theorie, auf die Wertlehre verzichten zu dürfen. Ihnen genügt die Tatsache, daß die Güter k n a p p sind, — die sie daher auch als „wirtschaftliche" Güter bezeichnen, zum Unterschied von den „freien", „nichtwirtschaftlichen" Gütern, wobei die meisten Autoren von der absoluten Knappheit der Güter, anstatt richtiger von der relativen sprechen — und sie setzen sich zur Aufgabe, den Preiszusammenhang und die damit verbundene H ö h e — also nicht das Wesen — des Prei„Die Drei Nationalökonomien", 1930, S. 17/18. 64

ses eines Gutes darzustellen oder auch bedingt zu erklären. Die objektive Theorie geht also nicht von den Bedürfnissen, sondern von dem in Preisen ausgedrückten Bedarf, dem Marktbedarf, oder in der orthodox-sozialistischen bzw. marxistischen Theorie von dem statistisch errechneten Gesamtbedarf der Konsumenten eines Volkes, von Völkern oder der ganzen Welt aus. Das Bestehen eines solchen Bedarfs genügt. Wie es zu ihm kommt, interessiert die objektive Theorie nicht. Lediglich das Spiel des Angebots von äußeren materiellen Gütern u n d Dienstleistungen und der darauf abgestellten Nachfrage ist der Kern der klassischen Theorie, auf der ja auch die marxistische Theorie fußt, desgleichen der der neoklassischen Theorie. Mit anderen Worten, die objektive Theorie befaßt sich lediglich mit dem im Preis objektivierten Tauschwert, während der nach dem subjektiven Ermessen sich ergebende Gebrauchswert eines Gutes Gegenstand der Überlegungen der subjektiven Theorie ist. Die Lehre von den Bedürfnissen der Menschen und von der Bereitstellung der zu ihrer Befriedigung erforderlichen Mittel erfährt eine weitgehende Einschränkung dadurch, daß nur die Nachfrage Berücksichtigung findet, die kaufkräftig ist. Das ist also der Marktbedarf anonymer Kauflustiger, beziehungsweise der stastistisch ermittelte Gesamtbedarf. Ihm sollen die Produktion und Verteilung entsprechen. Mit dieser auf solchen Bedarf abgestellten Theorie, die nur auf die Quantität und nicht auf die Qualität Bezug nimmt, ist ihre Problemweite bestimmt. Die objektive Theorie bewegt sich gleichsam auf einer höheren Ebene der Untersuchung als die subjektive Theorie, die vom materiellen Bedürfnis ausgeht und von hier aus zu der Frage vorstößt, inwieweit die mit knappen, materiellen Gütern oder äußeren persönlichen Leistungen zu befriedigenden Bedürfnisse befriedigt werden können. Das kann triebhaft oder auf Grund rationaler Erwägungen und H a n d lungen geschehen. Entsprechend einer solchen Auffassung vom Sinn, von dem Bereich und der Aufgabe der Wirtschaft ist die Lehre vom Verbrauch entstanden, die unter dem Begriff „Konsum", „Konsumtion" in der Nationalökonomie einen besonderen Platz einnimmt. Das Wort „Konsumtion", „Verbrauch" im Gegensatz zur „Produktion", „Herstellung" und „Distribution", „Verteilung" unterstreicht noch einmal, daß es nach der herrschenden Meinung die Lehre von der Wirtschaft, also die Nationalökonomie oder Volkswirtschaftslehre nur mit Gütern und äußeren persönlichen Dienstleistungen zu tun hat, die eben verteilt und verbraucht bzw. entgegengenommen werden können. Insofern seien nur ganz bestimmte Bedürfnisse in die wirtschaftliche Erwägung einzubeziehen. D a ß diese Auffassung in verschiedener Hinsicht von weittragender Bedeutung ist, wird aus der nachfolgenden Untersuchung hervorgehen. Verbrauchsträger sind in der arbeitsteiligen Wirtschaft in ihren verschiedenen möglichen Formen die Konsum-Wirtschafter bzw. Konsumwirtschaften einerseits und die Betriebe als Produktions- oder Verteilungsstätten andererseits. Diese verbrauchen Güter in Gestalt von Produktionsmitteln zwecks Herstellung von f ü r die Konsumwirtschafter bzw. Konsumwirtschaften in Frage kommenden Verbrauchsgütern. Nach der herrschenden Theorie ist demnach die Hauswirt65

schaft oder der haushaltlose Konsument der Ausgangs- und Endpunkt aller wirtschaftlichen Zielsetzung. Sie soll einen Nutzen, einen Genuß vermitteln. Produktionswert, Tauschwert, Gebrauchswert, die mit der Beschaffung von Wertdingen verbundenen Kosten sind der Ausgangspunkt der herrschenden Lehre, soweit sie sich — wie gesagt — nicht auf die Darstellung und bedingte Erklärung des Preiszusammenhanges beschränkt. Es entsteht nun die Frage: Warum bleiben in ihr alle Bedürfnisse, die nicht mit kostenden Wertdingen befriedigt zu werden vermögen, unberücksichtigt? Oder anders ausgedrückt: Ist es logisch richtig, den wirtschaftlichen Tatbestand nur in der materiellen Lebensfürsorge zu sehen, wo doch die große Zahl der nicht mit Wertdingen der äußeren N a t u r oder mit äußeren persönlichen Leistungen zu befriedigenden Bedürfnisse nicht einfach instinktiv, wahllos befriedigt werden können und befriedigt werden? Einmal deswegen nicht, weil der Mensch vielen Bedürfnissen dann doch nicht entsprechen könnte, und zum anderen, weil diese Bedürfnisse infolge des Bedürfniszusammenhanges die Befriedigung der mit Wertdingen zu befriedigenden Bedürfnisse beeinflussen. Wie kommt es überhaupt, daß alle bisherige Theorie in dem Bemühen um die materielle Lebensfürsorge allein den Urgrund aller Wirtschaft sieht, wenn man — allerdings nicht stichhaltig, weil eben nur die äußeren Güter berücksichtigend — das Bedürfnis schlechthin als „Gefühl oder Empfindung oder Bewußtsein eines Mangels verbunden mit dem Streben, ihn zu beseitigen", definiert? Woher nimmt man, — nicht an der Erfahrung orientiert, nicht rein logisch gedacht — Veranlassung, das wirtschaftliche Handeln auf die Bedürfnisse bezogen zu beschränken, die mit von der N a t u r knapp bereitgestellten äußeren materiellen Gütern oder äußeren persönlichen Dienstleistungen befriedigt werden können? Ist eine solche Beschränkung nicht reine gedankliche Willkür? Geht die bisher herrschende Lehre von den „wirtschaftlichen Bedürfnissen" nicht von irrigen Voraussetzungen aus? Ist es richtig, nur die „unentbehrlichen" oder Existenzbedürfnisse und die „entbehrlichen" Bedürfnisse, worunter nach der herrschenden Auffassung besonders die „Luxusbedürfnisse" fallen, als Ausgangspunkt aller Wirtschaft zu bestimmen? Liegt darin nicht von vornherein eine gewaltsame Verengung der Frage nach dem wirtschaftlichen Tatbestand, die doch eine eindeutige, unvoreingenommene, der Erfahrung entsprechende, logische Beantwortung verlangt? U n d wenn man meint, das Bedürfnis als ein Begehren, das auf die Wiederherstellung der seelischen Gleichgewichtsstörung abzielt, definieren zu können, so läßt man die Bedürfnisse unberücksichtigt, die, wie zum Beispiel das Bedürfnis, wissenschaftlich zu arbeiten oder sich künstlerisch zu betätigen oder einer anderen geistigen, schöpferischen Beschäftigung nachzugehen, einer besonderen Fähigkeit und Leidenschaft, einem Kraftüberschwang entspringen. Wenn die herrschende Meinung bemerkt, daß „kein Bedürfnis an sich wirtschaftlich (d. i. zu wirtschaftlichem Handeln führend) oder außerwirtschaftlich ist, sondern den Charakter als wirtschaftliches erst dadurch erhält, d a ß die der Verfügung oder Verwendung erreichbaren Mengen der — näheren oder entfernteren — Befriedigungsmittel im Verhältnis zu den f ü r die Sicherung der vollen und 66

dauernden Befriedigung erforderlichen Mittelmengen k n a p p sind", u n d d a ß „die Wirtschaftstheorie, w e n n sie eine einheitliche Beschreibung der Gesamtdispositionen über alle G ü t e r a r t e n und -mengen eines Wirtschaftssubjektes geben will, noch hinter die Verwendungs- u n d Verfügungsbegehren zurückgehen u n d die ursprüngliche Bedürfniserscheinung, d. i. das Wohlfahrtsbegehren zur E r k l ä r u n g heranziehen muß" 2 ), so k a n n sie sich nicht auf logisches Denken berufen. D e n n , w e n n die Bedürfnisse a n sich nicht wirtschaftlich oder außerwirtschaftlich sind, ist, rein logisch gedacht, nicht einzusehen, d a ß sie es durch die Beziehung auf die k n a p p e n äußeren materiellen Güter werden. Diese Ansicht ist mehr auf das herkömmliche Denken, auf die bisherige Lehre von der Wirtschaft zurückzuführen, als auf einwandfreie Erkenntnis des Lebens. Auf die Wirtschaftsauffassung der Griechen haben sich, wie gesagt, alle N a t i o n a l ö k o n o m e n direkt oder indirekt berufen. Seitdem hat man sich — mit nur wenigen Ausnahmen — darauf beschränkt, Formulierungen wie die Begriffe „ W i r t schaft", „Volkswirtschaft", „Weltwirtschaft", „Staatswirtschaft" zu w ä h l e n . Die H a u p t a u f g a b e sahen u n d sehen die nationalökonomischen Theoretiker darin, eine Preistheorie zu entwickeln, durch die das Wesen und die möglichen Arten des Tauschverkehrs erklärt zu werden vermögen. U n d in der T a t ist in dieser Beziehung Großartiges geleistet w o r d e n . Auch die mehr b z w . auch wirtschaftssoziologisch u n d historisch orientierten Autoren, wie Karl Marx, Friedrich Engels, Max Weber u n d Werner Sombart, um n u r sie zu nennen, nehmen den Begriff der „Wirtschaft" als die „menschliche Unterhaltsfürsorge" z u m Ausgangspunkt f ü r ihre Darstellung der Entstehung, des Wesens, der Formen u n d der Entwicklung des Kapitalismus. D a m i t h ä t t e ich die Frage beantwortet, w a r u m alle bisherige — reine oder soziologisch-historische — Theorie in der „materiellen Lebensfürsorge", in der „menschlichen U n t e r h a l t s f ü r s o r g e " allein den U r g r u n d aller Wirtschaft sieht. Sie hat sich in ihrem Ausgangspunkt der Aristotelischen A u f f a s s u n g u n d der v o n Sokrates vom Tatbestand aller Wirtschaft angeschlossen, ohne sie mit dem Fortschritt wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. So k a m m a n einfach zu der willkürlichen Einteilung, wonach zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit, der Beschaffung von äußeren, absolut oder relativ k n a p p e n G ü t e r n oder der D a r b i e t u n g äußerer, persönlicher Dienstleistungen u n d der kulturellen, ihr übergeordneten Aufgabenerfüllung zu unterscheiden sei. D a s ist ein wenig problembewußtes Denken, das Aristoteles u n d Sokrates in gewisser Hinsicht mehr z u m V o r w u r f gemacht werden k a n n als den Begründern der N a t i o n a l ö k o n o m i e als Wissenschaft, v o n der man in der A n t i k e ja noch nicht sprechen konnte. D e r Ausgangspunkt aller bisherigen N a t i o n a l ö k o n o m i e , Volkswirtschafstlehre, Political Economy, Economics, Oeconomia Politica, Economie Politique u n d wie sie sonst noch heißen mögen, ist danach seit der A n t i k e im

So typisch für alle Äußerungen Hans Mayer: „Bedürfnis" in Handwörterbuch der

Staatswissenschaften, II. Bd. 1924, S. 451.

67

G r u n d e derselbe geblieben. E r soll daher in dem nachfolgenden Kapitel einer U b e r p r ü f u n g unterzogen und damit soll zu der oben aufgeworfenen Frage Stellung genommen w e r d e n : Wie alle die Bedürfnisse hinsichtlich ihrer Befriedigung berücksichtigt werden können oder müssen, die nicht mit äußeren materiellen G ü t e r n oder äußeren Dienstleistungen befriedigt zu werden vermögen? D e n k e n wir doch an die zahlreichen Bedürfnisse, die ein Mensch haben k a n n , der eine mehr, der andere weniger, die man grundsätzlich 1. in elementare, dem Menschen inhärente, v o n den jeweiligen P r o d u k t i o n s - und Austauschverhältnissen unabhängige, nicht durch Arbeitsteilung zu befriedigende u n d 2. in v o n den jeweiligen sozialen Beziehungen abhängige, beeinflußte Bedürfnisse einteilen m u ß . Z u m Beispiel ist das ästhetische Bedürfnis der Menschen eines, das ihnen von N a t u r aus eigen ist. D e r Mensch ist eitel, hat einen H a n g , sich zu p u t z e n und seine Umgebung seinem Schönheitssinn entsprechend, der völlig relativ ist, zu gestalten, ein Bedürfnis, dem zahlreiche menschliche H a n d l u n g e n von weittragender Bedeutung entspringen. D a s ästhetische Bedürfnis ist — was man beim K i n d e genau feststellen k a n n — ein Elementarbedürfnis, auf das der Verkehr der Menschen untereinander zweifellos beeinflussend wirken k a n n . U n d z w a r k a n n nicht jedes ästhetische Bedürfnis mit äußeren materiellen Gütern oder Dienstleistungen befriedigt w e r d e n . D e n k e n wir weiterhin a n zahlreiche geistige Bedürfnisse. Das Suchen nach W a h r heit ist ein rein geistiger Vorgang, der z w a r mit H i l f e wissenschaftlicher Bücher erleichtert w e r d e n , aber grundsätzlich ohne eine solche H i l f e vollzogen werden k a n n . Alle wissenschaftliche Betätigung entspringt einem Bedürfnis, das grundsätzlich ohne vorherige Mittelbeschaffung befriedigt zu werden vermag. D e m Bedürfnis zu Dichten k a n n ebenfalls unabhängig von einem äußeren Mittel, das k n a p p ist, entsprochen w e r d e n ; desgleichen dem Bedürfnis, spazierenzugehen, zu schwimmen, w e t t z u l a u f e n oder ähnliches. K a n n oder gar muß das Streben, auch alle diese u n d noch zahlreiche andere Bedürfnisse, die nicht durch äußere materielle Güter u n d Dienstleistungen zu befriedigen sind, nicht gegebenenfalls in den Bereich des Wirtschaftens fallen? Dies zu untersuchen, soll die K e r n f r a g e des vorliegenden Buches sein. Das heißt, es soll der Versuch unternommen werden, den Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft eindeutig u n d f ü r alle Zeiten gültig zu bestimmen.

1. Individualbereidi: In den Individualbereidi können u.a. die folgenden Bedürfnisse fallen: 1. 8 Stunden Schlaf, vor dem Frühstück schwimmen 2. Wissenschaftliche oder künstlerische Arbeit: Zeichnen, Malerei, Entwürfe verschiedener Art, Sonstiges 3. Banddiktate f ü r Sekretärin: Manuskripte, Entwürfe, Briefe 4. Religiöse Besinnung, Gang zur Kirche, Moschee, Synagoge oder zum Tempel 5. Spaziergang — Sport jeder Art — Wandern 6. Geselligkeit mit Familie, Freunden und Bekannten 7. Diskussionen über wissenschaftliche oder künstlerische Themen; gemeinsames Musizieren 68

8. Gartenarbeit, Basteln, do it yourself 9. Muße — Einsamkeit: Frühpensionierung — Rentnerdasein — Wissenschaftler — Künstler — Sonstiges 10. Schularbeit mit Kindern 11. Sonstige Fürsorge als Eltern 12. Lesen 13. Sonstige Bedürfnisse, die nicht arbeitsteilig orientiert sind. Alle diese individuellen, tatsächlich auftretenden oder vorgestellten Bedürfnisse können dann ins Wirtschaften einschlagen, wenn die Kosten zu ihrer Befriedigung und das Fassungsvermögen berücksichtigt werden müssen. Das Wirtschaften der Einzelnen f ü r sidi ist ein tägliches Planen. Es hat keine irgendwie „dienende Funktion".

1.

2. Der Bedarf (arbeitsteilig orientierte Bedürfnisse) a) + b)

IndividualBedürfnisse

2. Materielle u n d leistungsbezogene Bedürfnisse: Der materielle u n d leistungsbezogene, arbeitsteilig orientierte Bedarf kann u. a. der folgende sein: a) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

Güter: Nahrungsmittel Wohnung G ü t e r f ü r Haushalt Bekleidung Brennstoffe Genußmittel Körper-, Gesundheitspflege Bücher Persönliche Ausstattung Sportartikel verschiedener Art Sonstige

b) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Leistungsbezogene Bedürfnisse: Kino Theater Fernsehen Fußball, sonstige Sportschauen, Museumsbesuch oder sonstige Galerien, Feuerwerk, Artistik Verkehrsmittel Elektrizität, Gas Krankenhausaufenthalt Schulen, Fachschulen, Hochschulen Sonstige

69

6. Kapitel Das Problem „Wirtschaften" a) Tatbestand und Objekt des Wirtschaftens Viel ist über das Verhältnis von „Begriff" und „Problem" geschrieben worden. Aber, wie gesagt, im Grunde schwebt allen Autoren dieselbe Ableitung des Wortes „Wirtschaft" vor, wie sie seit Aristoteles und Sokrates und vor ihnen noch weniger bestimmt bei Piaton (427—347) formuliert gebräuchlich ist. Im Gegensatz zu dem Vorgehen bisheriger methodologischer Erörterungen wollen wir uns nicht von dem überkommenen Sprachgefühl leiten lassen und das Problem vorzeitig verengen, sondern irgendeinen Tatbestand dem Alltagsleben entnehmen und ihn unter Würdigung der bisherigen methodologischen Erkenntnisse streng logisch auf seinen wahren Inhalt untersuchen. Es schält sich dann ein Problemkreis heraus, der als Tatbestand des „Wirtschaftens" bezeichnet werden kann, ja, muß. Allein die Erfahrung und die an ihr orientierte Logik sind hierfür entscheidend. D a ß im Unterbewußtsein eine gewisse Vorstellung von dem erst zu bestimmenden Tatbestand vorliegt, ist eben der Vorteil, den wir durch das lange wissenschaftliche Denken und durch die bis heute geleistete Vorarbeit der nationalökonomischen Theorie erlangt haben. Sonst müßten wir stets mit der Erkenntnistheorie und der ihr entsprechenden „Katalogisierung" der Begriffe von neuem beginnen, um zunächst einmal einen vorläufigen, der Erfahrung angenäherten Überblick zu bekommen. Aber wenn auch dieses methodolgische Vorgehen nicht mehr nötig ist, so darf man sich nicht auf einen in einem bestimmten Begriffe fixierten Tatbestand mehr oder weniger unkritisch festlegen, sondern muß stets auf die durch den Fortschritt der Erkenntnis gegebene Möglichkeit der begrifflichen Revidierbarkeit des jeweiligen Tatbestandes bedacht sein. So ist auch der R u f : die Probleme zu sehen und nicht an den Begriffen herumzubasteln, zu verstehen 1 ). Der Handwerksbursche X befindet sich auf der Wanderschaft, er geht von O r t zu O r t , w o er sich seinen Lebensunterhalt verdient. (Er wird also nicht — wie Robinson Crusoe — außerhalb des sozialen Zusammenhanges gedacht, sondern befindet sich mitten drin, wenn auch nicht immer in unmittelbarer Beziehung zu seinen Mitmenschen.) Die beiden Ortschaften A und B, welch letztere X zu erreichen strebt, sind durch den Ausläufer einer Gebirgskette getrennt. Zwei Wege führen v o n A zu B: der eine Weg ist schwierig und nicht ganz ungefährlich; er f ü h r t über den Berghang hinweg; der andere ist bequemer, f ü h r t um den Ausläufer herum und ist daher auch ein größerer Umweg. X, der Erfahrungen sammeln, die N a t u r , seine Jugend genießen will, sich zeitlich nicht streng gebunden fühlt und dem kein anderes Ziel vorschwebt, als B zu erreichen, wird als erfahrener Wandersmann nicht blindlings einen der möglichen *) Werner Sombart: „Die Drei Nationalökonomien", 1930, S. 17/18. 70

Wege einschlagen, also instinktiv, ohne Überlegung seinem Ziel zustreben, sondern folgende Erwägungen anstellen: Gehe ich über den Berghang, so m u ß idi mich auf einem zwar kürzeren, dafür aber steileren Weg nicht unerheblich anstrengen, setze infolge dieser Anstrengung und der damit verbundenen G e f a h r des Absturzes womöglich mein Leben aufs Spiel, habe dagegen einen herrlichen Rundblick, der in mir ein „Lust"-gefühl aufkommen läßt, also einen N a t u r genuß vermittelt, wodurch Anstrengung und Wagnis mehr als aufgewogen werden. Gehe ich indessen den bequemeren Umweg und verzichte auf diesen N a t u r genuß, so vermeide ich den zu starken „Energie"-aufwand, spare also an K r a f t und Nervenanspannung, werde aber voraussichtlich noch bis in die späten Abendstunden wandern müssen, — eine Überlegung, die keine Einschränkung oder gar ein Widerspruch zu der Tatsache ist, daß X sich zeitlich nicht so streng gebunden fühlt. D i e Erwägung bezieht sich einmal auf den zu erwartenden N a t u r g e n u ß unter Berücksichtigung der Anstrengung und des Wagnisses, das andere Mal auf den geringeren „Energie"- und Nervenverbrauch unter Berücksichtigung der vorgestellten „Unlust"-empfindung über das längere Wandern und über den Verzicht auf das herrliche Panorama. X entscheidet sich nach reiflicher Überlegung für den Bergpfad, in der Annahme, daß er in seiner H o f f n u n g auf den großartigen Ausblick nicht enttäuscht wird. Seine Erwägung ist rein subjektiv zu werten, denn ein anderer, der weniger naturbegeistert veranlagt, dafür aber ein guter Fußgänger ist, könnte genau so gut den Umweg einschlagen. In beiden Fällen handelt es sich um ein rationales zum Unterschied von dem rein instinktiven Vorgehen. Es f r a g t sich, wie dieser Tatbestand erkenntnistheoretisch zu bestimmen ist? Nach allgemeiner Auffassung als eine rein rationale Handlung auf Grund einer Überlegung, die an keinen objektiven Maßstab gebunden ist. Der Entscheid über den einzuschlagenden Weg zu dem O r t B hin ist gänzlich dem subjektiven E r messen des X überlassen. Er will den O r t B erreichen, das ist sein Ziel, sein Bedürfnis. U n d da er infolge seines Denkvermögens nicht unüberlegt zu handeln gewohnt ist, kommt es für ihn lediglich darauf an, den ihm allein richtig erscheinenden Weg zu wählen. U n d wenn er in diese Erwägung die Möglichkeit des Ausblicks auf ein herrliches Panorama unter Berücksichtigung der besonderen Anstrengung und des Wagnisses einbezieht, so geht daraus hervor, daß er bemüht ist, noch ein zweites Bedürfnis zu befriedigen. In diesem Streben k a n n sich X von einem Wanderkollegen unterscheiden, der vor dieselbe Frage a n dem gleichen O r t gestellt wird. Die beiden Wege sind Mittel zum Zweck, zur Erreichung des Zieles B. Die Erwägung f ü h r t zu der Handlung, dem Beschreiten des einen Weges, für den X sich entschieden hat. Dieses Beschreiten — zum Unterschied von der Zurücklegung des Weges selbst — ist eine äußere, rein rationale Handlung. Dem Handwerksburschen X, der bisher nur das nach Erreichen des Ortes B voraussichtlich aufkommende Lustgefühl mit dem beim Wandern möglicherweise aufkommenden Unlustgefühl unter Berücksichtigung der H o f f n u n g auf einen herrlichen Ausblick auf dem Berge zu vergleichen hatte, steht nun aber nur noch 71

eine kleine Geldsumme zum Lebensunterhalt zur Verfügung, so daß er gezwungen ist, auch diese beschränkt gegebenen Mittel in seine rein rationale Erwägung mit einzubeziehen, bevor er ihr entsprechend handelt. Er kommt daher zu der weiteren Überlegung: Gehe ich den steilen, anstrengenden Bergpfad, so verbrauche ich derart viel K r ä f t e und die reine Bergluft erregt in mir einen so großen Appetit, daß später meine Barschaft durch die Stillung des Hungers bis auf wenige Pfennige zusammenzuschrumpfen droht; hinzu kommen die anderen Gefahrenmomente (Zerreißen der Kleidung, Unfall), denen ich midi bezüglich meiner geringen Barschaft einfach nicht mehr aussetzen kann. Bei dem Einschlagen des Umweges wird dagegen der spätere Geldverbrauch geringer sein, was im Hinblick auf die ungeklärte Frage, ob ich in der Ortschaft B die mir wirklich zusagende Gelegenheit finden werde, meine Geldbörse wieder aufzufüllen, unbedingt zu beachten ist. Sich Gedanken über den größeren Verschleiß der Stiefelsohlen zu machen, ist müßig, da unser Handwerksbursche feste, nägelbeschlagene Wanderstiefel trägt. X wird sich unter Berücksichtigung dieser Umstände — außer letzten Endes seiner geistigen und physischen Kräfte — auf ein „Wertding", die geringe Barschaft bezugnehmend, f ü r den Umweg entscheiden. In diesem Falle ist die Einschlagung des Umweges — zum Unterschied von der Zurücklegung des U m weges selbst — eine rein rationale, äußere H a n d l u n g als Folge einer rein rationalen Erwägung. Aus diesen beiden Beispielen wird ersichtlich, daß einmal diese Handlung, das andere Mal jene Handlung als Ausdruck einer allgemein-rationalen Erwägung zu betrachten ist. Ein Außenstehender könnte also nicht erkennen, welche der beiden H a n d l u n g e n : die Einschlagung des steilen Weges über den Berghang hinweg oder des Umweges rational begründet ist. Ihm könnte die Zurücklegung des steilen Weges genau so als eine rein instinktive, von jugendlicher Begeisterung für die Reize der Bergwelt getragene H a n d l u n g erscheinen. Unterstellen wir ferner, daß unser Handwerksbursche X im O r t B allenfalls mit einer Stellung rechnen kann, die seine ganze Arbeitskraft erfordert, zumal in B noch mit einem ziemlich hohen Lebenshaltungsindex zu rechnen ist, so m u ß er eine weitere Überlegung anstellen: Seine Barschaft reicht gerade noch f ü r ein Nachtquartier aus, er ist wahrscheinlich ganz auf sich angewiesen und seine K r ä f t e sind von dem langen Wandern so mitgenommen, d a ß er die Strecke A bis B mit der möglichst geringen Anstrengung zurücklegen muß, will er seinen Lebensunterhalt bestreiten können. X hat also drei Bedürfnisse: den O r t B zu erreichen, dort eine Stellung anzunehmen, aber vorher das Bergpanorama zu genießen. Er muß seine knappen K r ä f t e — unter Berücksichtigung der nur noch sehr kleinen Geldbörse — so auf diese Bedürfnisse zu verteilen bemüht sein, daß er tatsächlich in B einer Arbeit nachgehen kann. Er vergleicht einmal den Nutzen, das bei der Erreichung von B auftretende Lustgefühl mit den Kosten, der mit der Zurüdklegung des Umweges verbundenen Anstrengung, er vergleicht weiter den voraussichtlichen N u t z e n der neuen Stellung mit der voraussichtlich in ihr zu leistenden Arbeit als Kosten und schließlich das bei dem Anblick des Bergpano72

ramas aufkommende Lustgefühl mit der durch das Erklimmen des Berges besonders verbundenen Anstrengung. Das Ergebnis seines Erwägens ist, daß er auf die Befriedigung dieses lezten Bedürfnisses verzichtet, weil er sonst womöglich keine neue Stellung annehmen könnte. Zum Unterschied von der ersten Überlegung unseres Handwerksburschen X, ob er den O r t B auf dem Umweg oder über den steilen Bergpfad erreichen will, muß er nunmehr den Zusammenhang von drei Bedürfnissen beachten, will er nicht verhungern. H a t er zuerst lediglich im Hinblick auf ein Bedürfnis N u t z e n und Kosten miteinander verglichen u n d entsprechend gehandelt, so berücksichtigt er nunmehr drei Bedürfnisse und handelt entsprechend. Unser X hat nun aber nicht nur diese unmittelbare Zielsetzung ins Auge zu fassen, er hat auch noch andere Bedürfnisse, und da er, wie jeder Mensch mehr oder weniger unterschiedlich, letzten Endes eine begrenzte geistige und physische Arbeitskraft besitzt, beziehungsweise ihm, was in der Regel nicht bedacht wird, ein beschränktes Fassungsvermögen eigen ist, muß er sich bemühen, — je nach seinem Denkvermögen — Ordnung in alle seine Bedürfnisse im Sinne einer Bedürfnisskala zu bringen, um sie im Verhältnis zu ihrer Dringlichkeit, unter Berücksichtigung der d a f ü r aufzuwendenden Kosten beziehungsweise seines Fassungsvermögens zu befriedigen. Er möchte sich neue Kleidung kaufen, in B des öfteren ins Kino, Theater, K o n zert gehen, er möchte sich gegebenenfalls weiterbilden, eine höhere Fachschule besuchen, viele Bücher studieren, um sich ein möglichst großes Wissen anzueignen, und zwar nicht nur deswegen, weil er dann einen besseren Lebensstandard pflegen könnte, sondern rein aus Neigung, aus Wissensdrang, der ihm angeboren ist. Schließlich möchte er nicht immer auf einem Zimmer unter fremden Leuten wohnen, sondern sich selbst eine kleine Wohnung mieten, die nach seinem Geschmack eingerichtet werden soll. Auch wäre er nicht abgeneigt, mit einer Lebensgefährtin gemeinsam seine verschiedenen Ziele zu erreichen zu versuchen. Infolge dieser zahlreichen Bedürfnisse ist f ü r ihn das Nutzen- und Kostenvergleichen noch zwingender, will er nicht von seinem Lebensziel abkommen. Der Handwerksbursche X hat also entsprechend seinen Anlagen und Fähigkeiten sehr viele Bedürfnisse — materielle, physische und geistige —, die er alle befriedigen möchte. Seine Bedürfnisskala ist wesentlich differenzierter, als die seiner Berufskollegen seines Alters und seiner H e r k u n f t . Und durch die Bezugnahme auf diese besondere Art seiner (tatsächlich empfundenen und vorgestellten) Bedürfnisse tritt ein neues Moment auf, das unser X zu berücksichtigen hat. Mußte er im Hinblick auf die Erreichung des Ortes B schon rational vorgehen, so muß er nunmehr im Hinblick auf so viele Bedürfnisse k r a f t Vernunft danach trachten, möglichst alle Bedürfnisse zu befriedigen. Das kann eben nur dann geschehen, wenn er Nutzen und Kosten im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse miteinander vergleicht und entsprechend handelt. Dabei kommt er eben zu dem Ergebnis, daß er seine Bedürfnisse nach der Dringlichkeit unter Berücksichtigung der Kosten beziehungsweise seines Fassungsvermögens nach einer Skala zu befriedigen sich bemühen muß. 73

D i e noch herrschende N a t i o n a l ö k o n o m i e s o n d e r t nun, wie w i r gesehen nach

dem

Vorbild

von

und

Aristoteles

Sokrates



also

ohne

haben,

wiederholte

methodologische Besinnung — alle die B e d ü r f n i s s e aus dieser S k a l a aus, die m i t „ G ü t e r n der ä u ß e r e n N a t u r " und „ ä u ß e r e n persönlichen L e i s t u n g e n " zu b e f r i e digen sind, und sagt, d a ß es A u f g a b e der W i r t s c h a f t sei, die v o n der

Natur

k n a p p d a r g e b o t e n e n M i t t e l zu beschaffen u n d so auf die materiellen B e d ü r f n i s s e zu

verteilen,

daß

sie

unter

Berücksichtigung

der K o s t e n

möglichst

ganz

be-

f r i e d i g t w e r d e n k ö n n e n , d a ß also N u t z e n und K o s t e n in einem bestimmten V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r stehen müssen. D e r S i n n der W i r t s c h a f t ist für die herrschende L e h r e demnach fest b e s t i m m t und ihr Bereich genau u m g r e n z t . N a c h Franz

( 1 8 6 4 — 1 9 4 3 ) z . B . sind a b e r w i e d e r u m n u r die B e -

Oppenheimer

dürfnisse als wirtschaftlich relevant anzusehen, die m i t H i l f e „ m a t e r i e l l e r

Mit-

t e l " , „ k o s t e n d e r D i n g e nach dem P r i n z i p des kleinsten M i t t e l s " zu befriedigen sind. Zum

Unterschied

kleinsten

Mittels",

von

dem

allgemeinen

definiert Franz

Rationalprinzip,

„dem

Prinzip

das Wirtschaften, u n t e r

Oppenheimer

des Ver-

w e r f u n g der bisherigen Definitionen in ihrer Beschränkung des W i r t s c h a f t e n s als „ H a n d e l n im H i n b l i c k a u f die K n a p p h e i t der G e g e n s t ä n d e der ä u ß e r e n N a t u r " , als die „Beschaffung

und V e r w a l t u n g

k o s t e n d e r D i n g e nach dem P r i n z i p

des

kleinsten M i t t e l s " , w o b e i u n t e r kostenden D i n g e n Sachen, die nicht freie G ü t e r sind, v e r s t a n d e n w e r d e n u n d Kosten als Ü b e r w i n d u n g innerer seelischer W i d e r s t ä n d e zu betrachten sind, d. h. also als „ E n e r g i e " a u f w e n d u n g e n zur E r l a n g u n g und V e r w a l t u n g v o n Die

rationale

Wertdingen2).

Handlung

kann

nach

Oppenheimers

Ansicht

Selbstzweck,

„im

D i e n s t e eines positiven Triebes, des K r a f t ü b e r s c h w a n g e s " ( S p o r t , T a n z , wissenschaftliche B e t ä t i g u n g ) , also eine „ L u s t h a n d l u n g " sein oder eine H a n d l u n g

„im

D i e n s t e des negativen T r i e b e s " , eine „ r a t i o n e l l e L a s t h a n d l u n g , w e n n sie die V e r f ü g u n g ü b e r und die A u s n u t z u n g v o n Personen (politische H a n d l u n g ) , v o n

Sa-

chen (wirtschaftliche H a n d l u n g ) bezweckt. Seiner M e i n u n g nach ist d a h e r „ W i r t schaften das r a t i o n e l l e V e r f a h r e n mit Sachen 3 ). V o r a u s s e t z u n g für jedes H a n d e l n ist die E r w ä g u n g , die nach Oppenheimer Sachen als M i t t e l anzusehen

der Bedürfnisbefriedigung

bezogen,

als

auf

„vorwirtschaftlich"4)

ist, und h i e r a u f erst das eigentliche W i r t s c h a f t e n , „das

willkürliche,

ä u ß e r e H a n d e l n " b e g i n n t ; „alles, was nicht äußeres H a n d e l n ist, ist als nichtwirtschaftlich

auszuscheiden" 5 ).

O h n e bereits j e t z t zu der F r a g e S t e l l u n g zu nehmen, inwiefern die E r w ä g u n g über N u t z e n u n d K o s t e n als „ v o r - u n d a u ß e r w i r t s c h a f t l i c h " und nur die ä u ß e r e H a n d l u n g als das eigentliche Wirtschaften anzusehen ist, ist zu k l ä r e n , o b die

F. Oppenheimer: „System der Soziologie", Ökonomie", 1. Halbband. Grundlegung, Jena ») Ebenda, S. 35/36. 4 ) Das Erwägen dieser Art und der Akt der nach dieser Auffassung als außerwirtsdiaftlidh 5 ) Ebenda, S. 16.

2)

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I I I . Theorie der reinen und politischen 1923, S. 65. (nadiwirtsdiaftlidien) Verwendung sind anzusehen.

Kosten als letzten Endes Verausgabung von menschlichen Energien sich nur auf Wertdinge beziehen können. Wieso kommt Franz Oppenbeimer dazu, den Tatbestand der Wirtschaft derart zu bestimmen, daß „alles unmittelbare" Verfahren, d. h. solches, das überhaupt keine Sache als „Mittel" benutzt, als „nichtwirtschaftliches Handeln" anzusehen ist, daß das wirtschaftliche Handeln von dem allgemein-rationalen Handeln dadurch unterschieden werden muß, daß nach der Ordnung aller Bedürfnisse zu einer Bedürfnisskala eines Menschen nur diejenigen „Energie"aufwendungen, die der „Beschaffung oder Verwaltung von Wertdingen nach dem ökonomischen Prinzip 6 ) dienen, als zum Wirtschaften gehörig angesehen werden? Für Oppenheimer sind demnach nur die auf Wertdinge als Mittel der Bedürfnisbefriedigung bezogenen Handlungen des X als wirtschaftlich relevant anzusehen, während sämtliche anderen Bedürfnisse nach ihm nicht in den Bereich des Wirtschaftens zu rubrizieren sind. Aber in welch anderen Bereich?, darauf bleibt uns Oppenheimer genau so die Antwort schuldig, wie alle anderen Autoren, die sich mit dieser Problematik befaßt haben. Diese Art der Umreißung des Tatbestandes des „Wirtschaftens" ist aber keineswegs erfahrungsgemäß logisch begründet, sondern entspringt der reinen gedanklichen Willkür. Denn würde man sich dieser Argumentation Oppenheimers anschließen, dann müßte man audi den Sport als eine wirtschaftlich relevante Kategorie betrachten. Denn, wenn ich mir überlege, ob ich meine mir noch zur Verfügung stehende Arbeitskraft dem Sport widmen oder besser einen Artikel schreiben soll, um damit Geld zu verdienen, und bei diesem Vergleich mich zum Sporttreiben entschließe, würde der Sport dann immer ohne weiteres in die wirtschaftliche Überlegung einschlagen, wenn ich infolge der Auffrischung und Stärkung der Nerven hernach einen wesentlich besseren Artikel schreiben und somit mehr Geld verdienen würde. Daß dieser Einwand aber auf Sophisterei hinauslaufen würde und letzten Endes Kunst, Wissenschaft usw. ohne weiteres — denn darauf kommt es an — als in das Wirtschaften einbezogen werden müssen, wäre die logische Folgerung. Und nehmen wir, um bei unserem Beispiel zu bleiben, weiterhin an: X hoffe, in B schon seinen Bekannten Y zu treffen, der ihn auffordern werde, am nächsten Tage gemeinsam mit ihm weiterzuwandern, da er Geld und Essenvorräte genug hätte, und X zu der Annahme dieses Vorschlages nur imstande sein würde, wenn er die Kräfte, eigentlich zur Arbeit bestimmt, zum Weiterwandern gespart hätte, so wäre auch nach Oppenheimer die Zurücklegung des Umweges der Ausdruck des allgemein-rationalen Handelns, da nur die „Beschaffung und Verwaltung von Wertdingen nach dem ökonomischen Prinzip", ein solches Handeln, „Wirtschaften" bedeutet. Denn der Annahme eines Geschenkes in Form der freien Verpflegung geht ja die besagte Überlegung voraus, kann also nicht als zum wirtschaftlichen Handeln gehörig betrachtet werden.

•) Ebenda, S. 43 und S. 52.

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K a n n Franz Oppenheimers Meinung richtig sein? Mit welchem Recht behauptet er einfach, daß der von ihm umschriebene Sachverhalt der Tatbestand der „Wirtschaft" oder des „Wirtschaftens" ist, der keineswegs erfahrungsgemäß logisch eindeutig bestimmt worden ist? Doch offenbar nur auf G r u n d der herkömmlichen Meinung der Klassiker und ihrer wissenschaftlichen Vorgänger, die die Beschaffung und den Austausch von knapp vorhandenen Gütern als den Inhalt aller Wirtschaft bezeichneten. Aus dieser Auffassung heraus entstand die „Güterlehre" in ihren verschiedenen Abwandlungen, die, wie schon oben dargetan, das Kernproblem der nationalökonomischen Forschung gewesen und auch heute noch ist. Man sieht gar nicht, d a ß nach dieser Ansicht Millionen von Menschen ebensowenig wirtschaften würden wie die Tiere, die es mangels besonderen Denkvermögens ohnehin nicht können. Wie im Hinblick auf die Erfahrung logisch unhaltbar — denn nur um logisches Denken geht es in der Wissenschaft — die Ansicht Oppenheimers u n d der herrschenden Lehre von der Wirtschaft, geschweige von dem individuellen Wirtschaften ist, geht aus folgender Überlegung hervor: Ein Student bekommt von seinem Erziehungsberechtigten einen Monatswechsel. Nach der herrschenden Meinung wirtschaftet er, wenn er sich mit diesem Geld „materielle Mittel", also „kostende Dinge" beschafft und sie verzehrt oder verwaltet. Ein Kommilitone, der Sohn eines Landwirts, bekommt dagegen alles, was er an materiellen Gütern benötigt, von zu Hause. Auch seine Miete wird von dortaus gleich bezahlt und alles andere schenkt ihm sein in der Universitätsstadt lebender Onkel, bei dem er wohnt, so daß er gar nicht in die Lage kommt, einen Pfennig auszugeben. Dieser Student — im Gegensatz zu seinem ersterwähnten Kommilitonen — wirtschaftet nach der bisherigen Auffassung von dem Tatbestand der „Wirtschaft" oder des „Wirtschaftens" nicht. Aber einen Tag später, an seinem 21. Geburtstag, an dem sein Vater ihm zwecks Erlangung einer größeren Selbständigkeit auch einen Wechsel statt der Naturalien, die ihm nach Belieben gesandt wurden, übergibt, würde auch er nach der herrschenden Lehre plötzlich, wirtschaften müssen. D a ß sie diesen Widersinn nicht längst erkannt hat, ist auf den der Erfahrung völlig widersprechenden Ausgangspunkt zurückzuführen. Abgesehen davon, daß unser zweiter Kommilitone materiell gesehen gleichsam im Schlaraffenlande lebt, muß er selbstverständlich grundsätzlich genau solche wirtschaftlichen Erwägungen anstellen und entsprechend handeln wie der erste. Er wird sich jeden Tag überlegen, welche seiner geistigen und materiellen Bedürfnisse er befriedigen kann. D e n n würde er lediglich bezüglich der letzteren wirtschaften, so würde er Gef a h r laufen, seine geistigen Ziele nicht so zu erreichen, wie er sie im Hinblick auf die ihm gesetzte Studienzeit erreichen muß. Er wird sich jeden Tag von neuem fragen müssen, welche Bedürfnisse und in welcher Reihenfolge er sie zu befriedigen in der Lage ist, da eben seine Studienzeit und im Hinblick hierauf seine materiellen Mittel und geistigen wie physischen und seelischen K r ä f t e begrenzt sind.

76

Was für diese beiden Studenten gilt, hat für unseren Handwerksburschen X wie für alle Menschen Gültigkeit. Handelt es sich um die Berücksiditigung einer Vielzahl von Bedürfnissen — ganz gleich, ob physische oder geistige — , so müssen sie Nutzen und Kosten im Hinblick auf alle diese Bedürfnisse miteinander vergleichen und entsprechend handeln. Dieses Erwägen und Handeln ist rational, aber eben nicht nur bezüglich eines Bedürfnisses, sondern zahlreicher Bedürfnisse, so daß es notwendig wird, sie in einer bestimmten Reihenfolge, nach einem bestimmten Plan zu befriedigen. Dieses planvolle Vorgehen ist Wirtschaften. Und es ist reine gedankliche Willkür, diesen Tatbestand anders als so zu deuten. Sonst würden nämlich auch Millionen von Kindern jeglichen Alters, soweit sie schon über ein entsprechendes Denkvermögen verfügen, nicht wirtschaften. Solange ein Kind mehr dem Spieltrieb folgt, als überlegend handelt, wirtschaftet es grundsätzlich nicht, da Wirtschaften ja bestimmt-bezogenes rationales Erwägen und Handeln ist. Sobald es aber zwischen seinen verschiedenen Bedürfnissen zu unterscheiden vermag und sie in bestimmter Reihenfolge zu befriedigen trachtet, wirtschaftet natürlich auch ein Kind. Daß seine Technik des Wirtschaftens nicht so vollkommen sein kann, wie die eines Erwachsenen, ist verständlich, obgleich man auch in dieser Beziehung der Reaktion eines Kindes nicht zu wenig zutrauen soll. Das Wirtschaften eines Kindes beinhaltet genau so wenig nur das Erwägen über die nur mit materiellen Gütern und äußeren persönlichen Leistungen zu befriedigenden Bedürfnisse wie das der Erwachsenen. Denn es ist doch der Erfahrung widersprechend logisch unmöglich, das im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse ausgerichtete Erwägen und Handeln sozusagen völlig unbeachtet zu lassen, weil ein Kind in der Regel noch nicht an der Produktion von Gütern und ihrem Tausch im Geiste dauernden Einklangs von Bedarf und Deckung teilnimmt, und zwar oft nur bis zu einem gewissen Alter. Und wie sind die Überlegungen einer Frau und Mutter, die allen kleinen und großen Anforderungen des Tages gerecht werden will, zu beurteilen? Wirtschaftet sie etwa nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Haushaltsgeldes ihren Einkaufsplan aufstellt und entsprechend handelt? Doch offenbar nicht. Um so weniger, wenn man das Leben zahlreicher berufstätiger Frauen und Mütter in Betracht zieht. Sie müssen einen ganz besonders genauen Wirtschaftsplan aufstellen, um ihre geistigen und physischen Kräfte nicht zu verzetteln. Liegt es ihnen in der Regel doch ob, audi für die zahlreichen kleinen häuslichen Freuden zu sorgen, die nidit nur durch die Beschaffung und Bereitstellung äußerer, materieller Güter ermöglicht werden, aber zweifellos eine zusätzliche Anspannung auch ihrer seelisdien Kräfte erfordern 6a ). Wie widersinnig es ist, die Wirtschaftsproblematik auf die Beschaffung äußerer materieller Güter durch Produktion und Tausch oder auf die Bereitstellung

'") Siehe hierzu audi „Idi habe viel zu wenig Z e i t " in „allensbadier berichte", N r . 13, 1977.

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äußerer persönlicher Dienstleistungen beschränken zu wollen, haben die fast übermenschlichen Leistungen der Frauen im Zweiten Weltkrieg bewiesen. Sie sind möglich gewesen, weil sie, im Hinblick auf die Notwendigkeit einer dauernden Neuordnung ihrer Bedürfnisskala u n d der Berücksichtigung der sich ebenfalls infolge der Kriegsereignisse ständig verändernden Bedürfnisse ihrer Familienmitglieder, sich täglich einen genauen Wirtschaftsplan auf Grund ihrer N u t z e n u n d Kostenvergleidiungen gemadit haben, bei dem sie nicht von den k n a p p von der N a t u r dargebotenen äußeren materiellen Gütern ausgingen, sondern von den sehr knapp bemessenen Lebensmittelkarten und von ihrer sehr begrenzten geistigen, seelischen und physischen K r a f t im Verhältnis zu den materiellen und nicht-materiellen Bedürfnissen, deren Befriedigung die Widerstandskräfte stärken sollte. Der Blickpunkt ist ein anderer als der der „Volkswirtschaftslehre", „ P o litical Economy", „Economics" pp. In Ergänzung zu diesen Beispielen aus dem Alltagsleben, an denen wir das instinktive oder allgemein-rationale oder wirtschaftliche Vorgehen des einfadieren, mehr oder weniger differenzierten Mensdien erkennen, stellen wir uns einen Universitätsprofessor vor, der sich ein vielseitiges Aufgabengebiet zu bearbeiten vorgenommen und zahlreiche andere geistige Bedürfnisse hat, demgegenüber die materiellen Bedürfnisse bis auf das zur Erhaltung seines Körpers mehr oder weniger unbedingt notwendige Maß zurücktreten, obgleich seine Einkommensu n d Vermögensverhältnisse so sind, d a ß er ein Landhaus bewohnt, einen eigenen Wagen f ä h r t und sich auch die Befriedigung vieler anderer materieller Bedürfnisse leisten könnte. Unser Universitätsprofessor hat sich überdies während des Semesters zur Übernahme von Gastvorlesungen an einigen Universitäten bereit erklärt, ohne d a ß dadurch seine Vorlesungen an seiner Universität vernachlässigt werden dürfen. Außerdem will er diese Gelegenheit zu Besprechungen, Museumsbesuchen und der Teilnahme an einigen Veranstaltungen benutzen. Ihm stehen zehn Tage f ü r die Durchführung seines Gastvorlesungsprogramms zur Verfügung. D a er f ü r U n t e r k u n f t und Verpflegung nicht zu sorgen hat, aber seinen Wagen selbst fährt, m u ß er im Hinblick auf die begrenzte Zeit und sein sehr reichhaltiges Programm darauf achten, daß er seine geistigen, seelischen u n d physischen K r ä f t e besonders sparsam verausgabt. Er wird sich daher einen ganz genauen Reise- und Beschäftigungsplan machen, um allen in diesem Zeitraum zu befriedigenden Bedürfnissen entsprechen zu können. Das bedingt auch, daß, da er seinen Wagen selbst fährt, er das Tempo seiner Fahrten so bestimmt, daß er ohne allzu großen Nervenverbrauch rechtzeitig sein Ziel erreicht und im Anschluß daran seine verschiedenen, seinem Tagesplan entsprechenden Vorhaben durchführt. Seine Erwägungen und das ihnen entsprechende Handeln beziehen sich also auf den Einsatz seiner geistigen und physischen Arbeitskraft als Kostenaufwand, um die nach dem Plan aufeinander abgestimmten Zwecke erreichen zu können. Diese Erwägungen sind nötig, weil seine geistige und physische Arbeitskraft infolge der begrenzten Reisezeit knapp ist. N u t z e n - und Kostenvergleidiungen in bezug auf irgendwelche äußeren materiellen Güter braucht unser Universitätsprofessor 78

nur wegen seines begrenzten Fassungsvermögens anzustellen. U n d da er Professor der Wirtschaftswissenschaft ist, bereitet es ihm gar keine Mühe, seinen Plan so genau aufzustellen, daß er, ohne dabei f ü r seine Umgebung als besonders pedantisch zu erscheinen, sein Pensum mit der ihm eigenen Begeisterung f ü r seine wissenschaftliche Aufgabe durchführt. Nach der herrschenden Theorie k a n n man nur das güterbezogene Denken oder nur das ihm gemäße H a n d e l n als Wirtschaften bezeichnen, während alles auf nicht-materielle Bedürfnisse bezogene Erwägen bzw. Handeln als nicht in den Bereich des Wirtschaftens gehörig betrachtet wird, abgesehen davon, daß es ja schon gar nicht unter dem Gesichtspunkt des Tausches behandelt und damit nicht in die Tauschverkehrslehre einbezogen werden kann. Es ist seltsam, feststellen zu müssen, daß die Wirtschaftswissenschaftler gleichsam den Wald vor Bäumen nicht sehen und nur immer überwiegend die Unternehmerwirtschaft zum Vorbild ihrer Untersuchungen nehmen, anstatt ihr eigenes Leben und Aufgabengebiet, ihre zahlreichen geistigen Bedürfnisse und das darauf abgestellte Erwägen und Handeln zu überprüfen und die Frage aufzuwerfen, ob denn nicht auch sie wirtschaftlich relevant sein können. Gerade der Gelehrte und nicht zuletzt der Wirtschaftswissenschaftler, der sich laufend mit der Untersuchung wirtschaftlicher Tatbestände beschäftigt, muß im Hinblick auf seine zahlreichen geistigen und mehr oder weniger zahlreichen materiellen Bedürfnisse sein ganzes Leben lang immer wieder einen genauen Wirtschaftsplan auf Grund seiner N u t z e n - und Kostenvergleichungen aufstellen und ihn in mehr oder weniger kurzen Zeitabständen korrigieren, um nicht Gef a h r zu laufen, nur einen sehr geringen Teil seiner Bedürfnisse zu befriedigen, vor allem seine wissenschaftliche Lebensaufgabe nur in geringem Ausmaße zu erfüllen. D a ß er es in Wahrheit auch tut, darüber ist kein Zweifel. Daher erscheint es mehr als merkwürdig, d a ß die Wirtschaftswissenschaftler immer wieder Märchen wie die Robinsonade oder andere Fiktionen zu H i l f e nehmen, um den Tatbestand der Wirtschaft geschweige des Wirtschaftens aus der Knappheit der von der N a t u r dargebotenen Güter herleiten und darauf die — in der Regel kapitalistische — Tauschverkehrslehre aufbauen zu können. Oppenheimers Auffassung vom Tatbestand der Wirtschaft und seine Definition des „Wirtschaftens" sind nicht logisch begründet. Denn es ist zweifellos falsch, sich die Problematik dadurch zu vereinfachen, daß man nur die durch eine „Sache", ein „Wertding" zu befriedigenden Bedürfnisse als wirtschaftlich relevant bezeichnet und nicht auch alle die Bedürfnisse, die nicht durch materielle Güter befriedigt werden können, aber gegebenenfalls wegen der relativen K n a p p heit der geistigen, seelischen und physischen K r ä f t e unter dem Gesichtspunkt der Kosten gegeneinander abgewogen werden müssen. Mit Oppenheimers Auffassung ist nicht logisch einwandfrei zu bestimmen, was als allgemein-rationales u n d was als wirtschaftliches Handeln anzusehen ist. Mit seiner Definition des „Wirtschaftens" kommen wir daher nicht zu dem eindeutigen Ausgangspunkt und damit zu keinem festen Fundament der Wirtschaftswissenschaft. Ebensowenig mit der Ansicht von Joseph Schumpeter, der mit John Rae (1796—

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1872) 7 ) sagt, „daß es sich bei dem wirtschaftlichen Handeln des Menschen gegenüber der N a t u r nur darum handeln könne, den Ablauf der Naturvorgänge zu überblicken und ihn soweit wie möglich zu benützen. Die Stellung des wirtschaftenden Menschen können wir uns also, wenn es erlaubt ist, durch das Bild eines Gassenjungen verdeutlichen, der sich an einen vorüberfahrenden Wagen anklammert, um die durch denselben gebotene Möglichkeit des Zeitgewinns und der Kraftersparung auszunützen, solange dieser Wagen in der gewünschten Richtung fährt. Sodann aber kann der wirtschaftende Mensch auch das ,Arrangement' der ihn umgebenden Dinge zum Teil abändern, aber nur innerhalb der einerseits naturgesetzlich und andererseits durch sein technisches Können gegebenen Grenzen. Das besagt auch der Satz Mills, der wohl auf Rae zurückgeht: Labour, in the physical world, is always and solely employed in putting objects in motion; the properties of matter, the laws of nature do the rest. In ähnlicher Weise geht auch v. Böhm-Bawerk — in seiner ,Positiven Theorie', die ja eine Analyse des gesamten Wirtschaftsprozesses darstellt, wenngleich unter dem Gesichtspunkte der Lösung eines Problems — von solchen ,naturgesetzlichen' Daten aus" 8 ). Sie verwechseln also Wirtschaften als besonders orientiertes rationales Erwägen und Handeln mit dem allgemein-rationalen Erwägen und Handeln, das aller Technik zugrunde liegt. Festzuhalten ist zunächst folgendes: Das Wirtschaften entspringt der reinen praktischen Vernunft. Es ist ein Nutzen- und Kostenvergleichen und unterscheidet sich von dem allgemein-rationalen Nutzen- und Kostenvergleichen durch die Berücksichtigung des Bedürfniszusammenhanges. Er ist die Ursache alles Wirtschaftens. Das Nutzen- und Kostenvergleichen des Menschen ist auf die Erzielung eines möglichst großen Ertrages gerichtet. Ist es auf die Befriedigung nur eines Bedürfnisses bezogen, so spricht man von dem allgemein-rationalen Ertragsstreben. Sind viele Bedürfnisse zu berücksichtigen, so spricht man von dem wirtschaftlichen Ertragsstreben. Es ist ein bestimmt bezogenes Streben. Wenn der Mensch mehr oder weniger zahlreiche Bedürfnisse und nicht nur ein Bedürfnis befriedigen möchte und muß, so muß er sie alle in ihrem Zusammenhang würdigen. Er kann nicht nur planvoll im Hinblick auf die materiellen Bedürfnisse vorgehen. Denn dann würde er Gefahr laufen, daß für ihn sehr wichtige Bedürfnisse nicht oder ungenügend befriedigt werden würden. Der einzelne Mensch kann gar nicht anders handeln, da f ü r ihn nicht alle materiellen Bedürfnisse unbedingt vor den geistigen Bedürfnissen Vorrang haben müssen. Er wird danach trachten, letzten Endes mit seinen physischen und geistigen, auch seelischen Kräften so sparsam wie möglich zu sein, damit er alle seine Bedürfnisse möglichst vollkommen zu befriedigen vermag. Im Gegensatz zu Franz Oppenheimer und der herrschenden Nationalökonomie 7

) „Sociological Theory of Capital" zuerst 1834 unter dem Titel „Statement of Some New Principles on The Subject of Political Economy" erschienen, dann vergessen worden und 1905 unter diesem Titel von C. W. Mixter neu herausgegeben. 8 ) „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", S. 12/13. 80

komme ich zu der der Wahrheit gemäßen, einzig möglichen, weil logischen Feststellung, daß der Tatbestand des Wirtschaftens in dem Auftreten oder Vorstellen vieler Bedürfnisse und der Notwendigkeit ihrer möglichst vollkommenen Befriedigung mit den geringstmöglichen Kosten gegeben ist. Denn der Mensch verfügt nur über relativ begrenzte geistige, seelische und physische Kräfte, beziehungsweise ihm ist nur ein beschränktes Fassungsvermögen eigen. Das heißt also, daß nicht die Knappheit der von der Natur dargebotenen Güter der Urgrund des Wirtschaftens ist, wie die herrschende Lehre meint. Diese Ansicht beruht auf einem Trugschluß und wird durch das Leben in keiner Weise gerechtfertigt. Daraus ergibt sich die logische Folgerung, daß nicht nur die äußeren materiellen Güter und äußeren persönlichen Leistungen Objekt des Wirtschaftens sein können, sondern daß sämtliche Bedürfnisse — materielle, physische und geistige — ins Wirtschaften einschlagen können, wenn die absolut oder relativ begrenzten Kosten beziehungsweise das Fassungsvermögen Berücksichtigung finden müssen. Aus der Nutzen- und Kosten-Erwägung im Hinblick auf alle Bedürfnisse, eben aus der wirtschaftlichen Erwägung heraus ist das von dem allgemein-rationalen Handeln unterschiedliche wirtschaftliche Handeln zu verstehen, das Oppenheimer mit der erwähnten Einschränkung allein als Wirtschaften ansieht. Bei dem Gegenüberstellen von Nutzen und Kosten als Schätzungsbegriff im Hinblick auf tatsächlich empfundene oder vorgestellte Bedürfnisse können selbstverständlich nur „Lust- mit Lustgefühl" und „Unlust- mit Unlustgefühl" verglichen werden, und zwar wird das „Lustgefühl", das mir ein „Wertding" oder eine Tätigkeit bereitet beziehungsweise zu bereiten imstande ist, mit dem „Lustgefühl" verglichen, das sie bei der Befriedigung eines anderen Bedürfnisses zu stiften imstande ist. Oder es wird das bei Nichtbefriedigung eines Bedürfnisses erweckte „Unlustgefühl" dem „Unlustgefühl" gegenübergestellt, das mit den Aufwendungen für eine andere Bedürfnisbefriedigung verbunden sein kann. Kosten können hiernach — entgegen der noch herrschenden Meinung — Opfer von Sachgütern (einschließlich der auf die Güter zu beziehenden Geldmenge) oder aufgewandte geistige oder körperliche Arbeitskraft, ja auch seelische Kräfte sein. Aus dem Erwägen des einzelnen Menschen über den psychischen Nutzen, der nicht unbedingt auf eine Mengeneinheit bezogen sein muß, und die ebenso aufzufassenden Kosten ergibt sich der psychische Ertrag. Nutzen, Kosten und Ertrag stehen durch alle Bedürfnisse im Zusammenhang, d. h. der Ertrag, der sich aus dem Vergleichen von Nutzen und Kosten im Hinblick auf ein Bedürfnis ergibt, wird bestimmt durch das Verhältnis von Nutzen und Kosten im Hinblick auf alle anderen Bedürfnisse des Wirtschaftsplanes jedes einzelnen Wirtschafters, der nicht von knappen Gütern — im Gegensatz zu den angeblich „freien" Gütern wie Wasser und Luft — auszugehen braucht. Da von der menschlichen Psyche sämtliche Lust- oder Unlustgefühle gleichsam „registriert" werden, kann man unmöglich nur die „Güter" oder „äußeren Leistungen" als Mittel des Wirtschaftens herausgreifen, die die materiellen Bedürf81

nisse zu befriedigen vermögen, und auf diese unlogische, weil gewaltsame Weise den wahrheitswidrigen Tatbestand des Wirtschaftens konstruieren. Bisher habe ich aus ersichtlichen Gründen das Beispiel des auf der Wanderschaft befindlichen Handwerksburschen mit zunächst ganz wenigen Bedürfnissen und daher mit einer verhältnismäßig wenig differenzierten Bedürfnisskala, dann das des Studenten, des Kindes, der Frau und Mutter und des Universitätsprofessors gewählt. Nehmen w i r nun an, daß ein Unternehmer als Eigentümer eines größeren Unternehmens mit mehreren Betrieben und mit in- und ausländischen N i e derlassungen zugleich ein ernsthafter Wissenschaftler ist, so w i r d die Problematik des Wirtschaftens insofern umfassender, als die Bedürfnisskala eines solchen M a n nes natürlich noch differenzierter als die vieler anderer Menschen ist. Grundsätzlich ändert sich aber in der Problematik nichts. Die herrschende Theorie spricht davon, daß der Unternehmer wirtschaftet, indem er den in Geld ausgedrückten Nutzen und die ebenfalls in Geld errechneten Kosten bei dem A n gebot von materiellen Gütern oder äußeren Dienstleistungen in einem gewissen Zeitpunkt miteinander vergleicht, um den im Verhältnis zum investierten K a p i t a l höchstmöglichen Geldertrag zu erzielen. Das ist zweifellos richtig. N u n ist der Unternehmer aber zugleich auch selbst ein Verbraucher von soldien oder anderen materiellen Gütern und Dienstleistungen. Die herrschende Theorie erkennt auch diesen Tatbestand an und behauptet, daß sich die Notwendigkeit seines W i r t schaftens aus der absoluten oder relativen Knappheit der Güter und Dienstleistungen ergibt und sich das Wirtschaften in dem Nutzen- und Kostenvergleichen im Hinblick auf die Bedürfnisse, die mit äußeren Gütern und Dienstleistungen befriedigt zu werden vermögen, erschöpft. Daher die Unterscheidung von Erwerbs- und Konsumwirtschaften, wobei die herrschende Theorie in W a h r h e i t stets die kapitalistische Verkehrswirtschaft und nicht auch andere theoretisch und praktisch mögliche Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen zum Vorbild hat. D a m i t begibt sie sich der allgemeingültigen Erkenntnis, die auf die rein logische Lösung des wahren, immer gleichbleibenden Tatbestandes des Problems „ W i r t schaften" zielt. W e n n unser Unternehmer seinen praktischen Aufgabenkreis erfüllen, aber auch seine wissenschaftlichen Arbeiten — außer seinen anderen Bedürfnissen — nicht vernachlässigen will, muß er natürlich noch mehr als der Durchschnittsmensch bezüglich der im Hinblick auf seine Lebensdauer begrenzten Zeit oder seinem begrenzten Fassungsvermögen entsprechend mit seinen geistigen und physischen K r ä f t e n rational verfahren. Er wird das Bedürfnis des wissenschaftlichen Schaffens, das, w i e gesagt, nicht immer eine „Lust"-handlung zu sein braucht, sondern für ihn infolge der zeitweiligen Überlastung noch mehr als f ü r den Nur-Wissenschaftler eine sehr große geistige und physische Beanspruchung bedeuten k a n n oder weil das wissenschaftliche Ringen als solches mit den Problemen oft auch Q u a l und viel Entsagung, d. h. eben eine Unlustempfindung aufkommen läßt, im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse, und z w a r nicht nur auf die mit materiellen Gütern u n d durch Dienstleistungen zu befriedigenden Bedürfnisse, in seine Erwägungen einbeziehen müssen. Denn es w ä r e doch möglich, daß, wenn er wissen82

schaftlich sehr angestrengt arbeitet, die praktische Zielsetzung zu kurz käme oder umgekehrt, daß, wenn er sich den praktischen Aufgaben mehr widmen würde, die wissenschaftliche Arbeit vernachlässigt werden müßte. Unser

Unternehmer

müßte also die zeitweise wissenschaftliche Betätigung und die daraus resultierende Lust oder auch Unlust genau so bei seinem N u t z e n - und Kostenvergleichen im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse berücksichtigen wie seine eigentliche U n t e r nehmertätigkeit, auch bei dem Streben, seinen mehr oder weniger

zahlreichen

anderen, nicht nur durch materielle Güter und Dienstleistungen zu befriedigenden Bedürfnissen zu entsprechen. Andererseits muß er den N u t z e n — und z w a r nicht nur den materiellen — der praktischen Arbeit mit dem Lust- oder Unlustgefühl der wissenschaftlichen

Betätigung

vergleichen. D a er das aber immer nur

im

Zusammenhang mit dem N u t z e n - und Kostenvergleichen im Hinblick auf seine sämtlichen Bedürfnisse vermag, geht eben das Wirtschaften nach materieller

Bedürfnisbefriedigung

über das Streben

hinaus. D i e Notwendigkeit

des

Wirt-

schaftens ergibt sich aus der Zielsetzung, möglichst viele Bedürfnisse — j e nach ihrer Dringlichkeit — voll oder teilweise zu befriedigen. Wirtschaften ist also das Planen und entsprechende H a n d e l n im Hinbiidt auf die Befriedigung möglichst aller tatsächlich

auftretenden

oder vorgestellten

Bedürfnisse,

deren

Be-

friedigung Kosten verursacht. D a ß dieses Erwägen und H a n d e l n möglichst genau vorgenommen wird, ist eine Frage, die jedes rationale Erwägen und H a n d e l n angeht. D e n n , wie sollten die Bedürfnisse ohne Planen nach ihrer Dringlichkeit befriedigt werden? U n d worin sollte für den Menschen der Grund liegen, zwischen den mit materiellen Gütern und Leistungen zu befriedigenden und den geistigen bzw. zahlreichen anderen Bedürfnissen zu unterscheiden? N u r das N u t z e n - und Kostenvergleichen

und

das entsprechende H a n d e l n

im Hinblick

auf die

ma-

teriellen Bedürfnisse als Wirtschaften zu bezeichnen, widerspricht wahrlich der Logik und dem Lebensziel des einzelnen Menschen in dem von mir erläuterten Sinne. Unser Einzel-Unternehmer könnte mit der K a p a z i t ä t seiner Betriebe und seiner K a p i t a l k r a f t mehr verdienen. Ein N u r - U n t e r n e h m e r würde dieser Tatsache Rechnung tragen und den höchstmöglichen G e l d e r t r a g herauszuholen versuchen. Nicht unbedingt, weil er möglichst viel Geld „ r a f f e n " möchte, um ein besonders luxuriöses Leben führen zu können oder einem Hunger nach Macht zu entsprechen, —

das hängt von der Art, den Fähigkeiten und den Zielsetzungen, dem ge-

samten Lebensstil des einzelnen Unternehmers ab, — sondern weil er mit Lust und Liebe an seinem W e r k hängt und er es den Konkurrenzverhältnissen gemäß so rationell wie möglich gestalten möchte. Unser Unternehmer verzichtet auf diesen Mehrgewinn, weil er sonst nicht die Zeit und K r a f t

finden

aber

würde,

um seine wissenschaftlichen Arbeiten durchführen zu können, ohne die f ü r ihn das Leben viel weniger Reiz haben würde, und weil die besondere Art seines modische und Stapelware herstellenden Bekleidungsunternehmens, seiner Betriebe und Niederlassungen ihm diese seine Lebensgestaltung gestattet, er demnach nicht dem laufenden Z w a n g zur Betriebsrationalisierung unterworfen ist, soweit sie 83

branchenmäßig überhaupt möglich ist. Die herrschende Theorie muß demgegenüber folgerichtig behaupten, daß unser Unternehmer-Wissenschaftler nicht wirtschaftet, wenn er, anstatt den höchstmöglichen Geldertrag herauszuholen, Wissenschaft treibt. D a s heißt nun aber: „Wirtschaften" mit „wirtschaftlich Wirtschaft e n " — im rein geldrechnerischen Sinne — verwechseln, wie es durchweg aus der Fiktion des homo oeconomicus, „Wirtschaftssubjektes" oder „Wirtschaftsmenschen" heraus geschieht. D a ß das Streben, auch das wissenschaftliche Bedürfnis zu befriedigen, nicht unbedingt ins Wirtschaften einschlagen muß, aber kann, dürfte ohne weiteres ersichtlich sein und wird noch eingehender erläutert werden; ebenso, daß — wenn dieses Streben ins Wirtschaften einschlägt, — die wissenschaftliche Tätigkeit selbst natürlich nicht Wirtschaften bedeutet. Variieren wir das Beispiel dahin, daß unser Unternehmer, der eben nach seiner Fähigkeit, Leidenschaft und Lebensauffassung genau so Wissenschaftler ist, ein p a a r T a g e in seinem Landhaus — abseits von seinem Betrieb — verbringen will. Er wird sich dann auch jeden Morgen eine Tageseinteilung machen, um sein wissenschaftliches Pensum mit seinen anderen Bedürfnissen: z. B. spazierenzugehen oder zu schwimmen, die Mahlzeiten einzunehmen, auszuruhen, um neue K r ä f t e zu sammeln, zu musizieren, Besuche von gleichfalls wissenschaftlich interessierten Freunden zu empfangen, mit seinem K i n d zu spielen, neue Entwürfe für Modelle zu überlegen und zu skizzieren, in Einklang zu bringen und den größtmöglichen Nutzen unter Berücksichtigung der aufzuwendenden Kosten zu erzielen. Seine wissenschaftliche Zielsetzung darf nicht zu kurz kommen, wenn er nicht mit einem Unlustgefühl, einem Mißbehagen über den schlecht ausgenutzten T a g des Abends schlafen gehen will. Aber auch seine anderen geistigen und körperlichen Bedürfnisse dürfen dem wissenschaftlichen Bedürfnis zuliebe nicht teilweise oder ganz unberücksichtigt bleiben, will unser Wissenschaftler (Unternehmer) nicht diesbezüglich ein Unbehagen verspüren. Nach der herrschenden Theorie würde er, der z u m Geldausgeben gar keine Gelegenheit hat und in seinem eigenen H a u s e verpflegt wird, nachdem er das Haushaltsgeld festgelegt und ausgehändigt hatte, nicht zu wirtschaften brauchen. N u n will aber unser Wissenschaftler einen Morgenspaziergang in der Absicht machen, über sein wissenschaftliches T h e m a nachzudenken. Bei diesem Spaziergang findet er in der ihn umgebenden N a t u r sehr schöne Motive, die ihm Anregungen für eine Kollektion mit einem voraussichtlich vielversprechenden Absatz geben. Der Spaziergang kann also zugleich einen materiellen, erwerbswirtschaftlichen E r f o l g zeitigen, den zu erzielen primär nicht beabsichtigt war. D a r auf kommt es nämlich an, wenn man sich endlich darüber klar werden will, ob es reiner gedanklichen Willkür entspringt, nur die auf äußere relativ oder absolut knappe materielle Güter und äußere persönliche Leistungen bezogenen Bedürfnisse als ins Wirtschaften einschlagend zu betrachten oder nicht. Offenbar ist es widersinnig, der herrschenden Ansicht über den Urgrund aller Wirtschaft zu entsprechen, weil man dann nämlich nachträglich alle die T a t bestände in den wirtschaftlichen Bereich einbeziehen müßte, die mehr oder weniger große geldwirtschaftliche Erfolge zeitigen, aber vorher nicht Gegenstand 84

der wirtschaftlichen Erwägung und Handlung gewesen sind. Zweifellos war das Suchen nach geeeigneten Motiven in der Natur nicht in die Erwägung unseres Wissenschaftlers einbezogen worden, aber das Bedürfnis, spazierenzugehen, mußte mit sämtlichen anderen Bedürfnissen des Tages in Einklang gebracht und im Hinblick auf sie alle die Nutzen- und Kostenerwägung angestellt werden, um den Spaziergang nicht über Gebühr auszudehnen. Der Spaziergang selbst ist natürlich keine wirtschaftliche Handlung, sondern die Folge einer wirtschaftlichen Erwägung und des ihr entsprechenden inneren und äußeren Handelns. Daß ihm bei dem Spaziergang der gewinnbringende Gedanke kommen würde, konnte unser Wissenschaftler nicht wissen, wußte ihn als Unternehmer aber sofort zu nutzen. Würde er sich nun ohne Rücksicht auf seinen Tagesplan an die Auswertung der Motive heranmachen, dann würden alle seine vorherigen Überlegungen, die zu dem Spaziergang führten und die Befriedigung einer Reihe anderer Bedürfnisse bezweckten, umgestoßen werden und er müßte neue Erwägungen anstellen. Unmöglich könnte man nun sagen: J a , erst jetzt, mit der Auswertung der Motive als „Wertdinge" begänne unser Unternehmer zu wirtschaften, während seine anderen Erwägungen, auch wenn sie sich auf zahlreiche, nicht sämtlich mit „Wertdingen" zu befriedigende Bedürfnisse beziehen, nicht als wirtschaftliche angesehen werden können. Und wie ist es, wenn unser Wissenschaftler zugleich in seiner Eigenschaft als Unternehmer von vornherein im Hinblick auf seine zahlreichen Bedürfnisse des Tages und darüber hinaus einen Spaziergang machen will, um über seine wissenschaftlichen Probleme in aller Stille nachdenken zu können und zugleich nach Motiven für seine Kollektion zu suchen, die — nebenbei bemerkt — keine „knappen äußeren Güter" sind? Ohne Frage muß das Bedürfnis, spazierenzugehen, dann in die wirtschaftliche Erwägung mit einbezogen werden, wenn seine Befriedigung Kosten als Zeitund Kraftverlust im Hinblick auf sämtliche anderen Bedürfnisse verursachen würde. Was für den Unternehmer, in diesem Falle für den Inhaber einer Textilfirma gilt, — also für einen Exponenten der kapitalistischen Wirtschaftsverfassung — hat genau so für den sozialistischen Funktionär in seiner Eigenschaft als Betriebsleiter einer staatlichen oder vergesellschafteten Textilfabrik Gültigkeit. Denn das Wirtschaften in seiner allgemeingültigen Bedeutung hat es primär nicht mit den sich aus der Arbeitsteilung ergebenden Wirtschaftsordnungen und den ihnen entsprechenden Wirtschaftseinheiten zu tun, die nur arbeitsteiliges Mittel zum Zweck, zu der bestmöglichen Bedarfsbefriedigung aller sind. Der Individualb er eich und das möglicher- bzw. notwendigerweise darauf bezogene Wirtschaften der Einzelnen bleibt — entgegen der noch herrschenden Auffassung — grundsätzlich auch im Sozialismus oder Kommunismus erhalten. Bedenken wir weiter: Das Einkommen unseres Wissenschaftler-Unternehmers aus seiner Lehrtätigkeit steht in keinem Verhältnis zu dem Einkommen aus seinem praktischen Wirken, so daß, wenn er rein rechnerisch vorgehen würde, er infolge seiner zeitlichen Beanspruchung mit der Lehrtätigkeit einen mehr oder 85

weniger großen geldlichen Verlust zu verbuchen haben würde, wobei die Frage, ob und inwieweit das Einkommen aus seiner Lehrtätigkeit weggesteuert werden w i r d , zunächst ganz außer Betracht bleibt. Die begrenzte geistige und physische K r a f t z w i n g t unseren Wissenschaftler-Praktiker ständig zu dem N u t z e n - und Kostenvergleichen, dem Werten im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse und dem entsprechenden Handeln, wenn er nicht Gefahr laufen w i l l , mehr oder weniger zahlreiche Bedürfnisse unbefriedigt zu lassen. Es ist daher völlig verfehlt, diesen Tatbestand zu verkennen und die wirtschaftliche Problematik auf das „Denken in G ü t e r n " zu beschränken, w i e es gemeinhin geschieht. Geben w i r weiter zu bedenken, daß unser Unternehmer-Wissenschaftler sich die A u f g a b e gesetzt hat, die alten In- und Auslandsvertretungen seiner Firma neu zu besetzen und d a ß er — anstatt es brieflich auf Grund von eingereichten Bewerbungen und Empfehlungen zu tun — sich selbst der M ü h e persönlicher Verhandlungen in den einzelnen Städten unterzieht. Ohne Rücksicht auf irgendwelche geldlichen Kosten für seinen Unterhalt und W a g e n w i r d er im Hinblick auf die k n a p p e geistige und physische Arbeitskraft unter Berücksichtigung seiner zahlreichen anderen A u f g a b e n seine Reise nach einem ganz bestimmten P l a n antreten. Er w i l l von Berlin aus mit seinem W a g e n die Städte F r a n k f u r t am Main, Stuttgart, München, M a i l a n d , Paris, Brüssel, Amsterdam, Düsseldorf aufsuchen, um an diesen Plätzen die f ü r die Interessenvertretung seiner Firma geeigneten K r ä f t e persönlich auszusuchen. Unser Unternehmer muß also Nutzen und Kosten vergleichend im Hinblick auf seine K r ä f t e und die ihm zur Verfügung stehende Zeit die Marschroute festlegen, er wirtschaftet also auch hier mit der Arbeitskraft und der Zeit, „beschafft" und „ v e r w a l t e t " keine knappen „Wertdinge", denn das Reisegeld und die mit Geld zu bezahlenden Sachgüter und äußeren persönlichen Dienstleistungen (Hotel, Garage) sind in diesem Falle nicht Objekt seiner wirtschaftlichen Erwägung, weil sie für ihn nicht k n a p p sind. Wenn man demgegenüber die Auffassung der noch herrschenden „Güterlehre" berücksichtigt, so w ü r d e nach ihr unser Unternehmer n u r wirtschaften, wenn er Nutzen und Kosten im Hinblick auf die Bereitstellung von materiellen Gütern nud Dienstleistungen zwecks Befriedigung der auf sie zu beziehenden Bedürfnisse vergleicht, sie produziert und verteilt. D a ß auch diese Argumentation widersinning ist, geht aus der Überlegung hervor, d a ß gerade durch die Besetzung der alten Vertreterbezirke später wesentlich größere Abschlüsse getätigt werden können. Die Erwägung, ob überhaupt die Neubesetzung der Vertretungen notwendig ist, ist eine wirtschaftliche im Zusammenhang mit dem gesamten Verkaufsplan, der mit der wirtschaftlichen E r w ä g u n g bezüglich der Aufteilung der Arbeitskraft in dem Zeitraum seiner beabsichtigten Reise nicht in unmittelbarer Verbindung steht. Das eine M a l bezieht sich die wirtschaftliche E r w ä g u n g auf den zu erzielenden Geldertrag unter Berücksichtigung der auch noch f ü r zahlreiche andere Zwecke a u f z u w e n d e n d e n Kosten, das andere M a l eben nur auf die Verteilung seiner geistigen und physischen K r ä f t e auf die verschiedenen Reiseziele unter Berücksichtigung seiner zahlreichen anderen Bedürfnisse. U n d wenn w i r weiterhin überlegen, d a ß unser Unternehmer-Wissenschaftler seine Reise auch deswegen be-

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schleunigen muß, weil er an einem wissenschaftlichen Kongreß teilnehmen möchte, der geschäftlich gesehen völlig uninteressant ist, von dessen Ergebnis aber so manches für den Fortgang seiner wissenschaftlichen Arbeit abhängen kann, so wird er dieses wissenschaftliche Bedürfnis zweifellos in seine wirtschaftlichen Überlegungen mit einbeziehen müssen. Denn unser Unternehmer-Wissenschaftler kann seine N u t z e n - und Kostenvergleichungen, seine Wertungen, nur aus dem gesamten Wertungszusammenhang heraus anstellen, da er sich selbst ja nicht gleichsam aufspalten und zwischen seinen „wirtschaftlichen" und „nichtwirtschaftlichen" Bedürfnissen, wie sie die herrschende Lehre fälschlicherweise unterscheidet, zu trennen vermag. Die herrschende Theorie muß sich daher von dieser falschen Vorstellung frei machen, da sie sonst gewaltsam einen Teil aus dem gesamten Lebensbereich „herausschneidet", der niemals allein als zum wirtschaftlichen Bereich gehörend betrachtet werden kann. Das Wirtschaften ist notwendigerweise auf sämtliche Bedürfnisse bezogen, wenn eben die Kosten berücksichtigt werden müssen. Überdies kann es unserem Wissenschaftler-Unternehmer in bezug auf seine persönliche Lebensgestaltung — also nicht im Hinblick auf die zusätzlichen Belastungen seiner weniger verdienenden beziehungsweise weniger vermögenden Mitbürger — völlig gleichgültig sein, ob die „Güter" von N a t u r aus oder aus anderen Gründen „ k n a p p " sind, ob der ölpreis für die Heizung seines großen Hauses mit einem sehr großen Garten, den — gemeinsam mit seinem Gärtner — zu pflegen, aus gesundheitlichen und ästhetischen Gründen ebenfalls sein besonderes, aber Zeit kostendes Anliegen ist, teurer geworden ist und ob die Preise f ü r den Flugverkehr, die Schiffahrt oder Eisenbahn erhöht worden sind und vieles mehr. Die absolut oder relativ „knappen Güter" interessieren diesen Universitätsprofessor nicht. Für ihn ist allein die Befriedigung all der Bedürfnisse wichtig, die die Erfüllung seiner Aufgaben in der ihm gesetzten Lebensdauer ermöglicht. Sein Tagesplan wird darauf eingestellt. Nach ihm sind Zeit und weitere Kosten, das heißt, der A u f w a n d seiner geistigen, seelischen und physischen K r ä f t e ausgerichtet. Der ihm von N a t u r „auferlegte" Zwang zur schöpferisch-wissenschaftlichen Arbeit erfordert eine in jeder Hinsicht sparsame, das heißt gesunde Lebensführung. Die Zeit zum morgendlichen Schwimmen, zum abendlichen Spaziergang muß daher bei dem Erwägen und Handeln im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse als Kosten Berücksichtigung finden. An Geselligkeiten, Vorträgen oder Besuchen von Theater oder Konzert teilzunehmen, muß insbesondere bei Terminarbeiten ausgeschlossen bleiben. Ein in gewisser Hinsicht entsagungsvolles Leben, wie es meistens den schöpferisch tätigen Menschen, gleich, ob Wissenschaftler, Künstler oder Musiker durch den „ Z w a n g " zum Schaffen auferlegt wird! U n d m u ß nicht ein Nur-Wissenschaftler in seiner Eigenschaft als Univerversitätsprofessor, Rektor bzw. Universitätspräsident oder Dekan und Direktor eines Universitätsinstituts mit seinen zahlreichen, den Unterricht und die Verwaltung betreffenden Aufgaben, außer seiner eigentlichen wissenschaftlichen Tätigkeit, unter Berücksichtigung seiner übrigen, sich aus seiner Bedürfnisskala ergebenden 87

Zwecksetzungen genau so vorgehen, wie jeder andere Mensch mit einem mehr oder weniger vielseitigen Aufgabengebiet, das keineswegs nur an äußeren materiellen G ü t e r n und äußeren persönlichen Leistungen orientiert sein kann? Es ist völlig gleichgültig, um welche Bedürfnisse es sich handelt. D a s Wirtschaften des Menschen bezieht sich erfahrungsgemäß auf seine sämtlichen Bedürfnisse



und nicht a u f die (materiellen) Bedürfnisse der ganzen Menschheit, — die auf G r u n d des N u t z e n - und Kostenvergleichens zu einer Dringlichkeitsskala geordnet werden, — eben wenn die Kosten berücksichtigt werden. D i e Unlogik der herrschenden „ G ü t e r l e h r e " liegt also nicht nur in dem falschen Ausgangspunkt, in der Auffassung von der Notwendigkeit des Wirtschaftens wegen der K n a p p h e i t der äußeren G ü t e r und Dienstleistungen, — anstatt sie damit zu begründen, daß die Lebensdauer und damit die geistigen, seelischen und physischen K r ä f t e des einzelnen Menschen im Verhältnis zu der mehr oder weniger großen Zahl seiner Bedürfnisse oder sein Fassungsvermögen

im Verhältnis zu seinen Bedürfnissen

begrenzt ist, —

sondern auch darin, daß sie notwendigerweise von zwei

Be-

dürfnisgruppen:

den

Be-

„wirtschaftlichen"

und

den

„nicht-wirtschaftlichen"

dürfnissen und gegebenfalls von zwei Bedürfnisskalen sprechen muß, die es einfach nicht geben kann. D a r ü b e r kann uns die Psychologie eindeutig aufklären. D i e „ G ü t e r l e h r e " ist eine veraltete, der E r f a h r u n g widersprechende

unlogische

K o n s t r u k t i o n , die Folge gedanklicher W i l l k ü r , die nicht nur zu weiteren wissenschaftlichen Irrtümern, sondern auch zu falschen praktischen Zielsetzungen

ge-

führt hat. O b nun der Mensch in jedem Fall nutzen- und kostenvergleichend im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse vorgeht, also wirtschaftet, oder zum Beispiel ein geistiges Bedürfnis unabhängig von allen anderen Bedürfnissen rein rational zu befriedigen trachtet, — nachdem er zumindest

die elementarsten Bedürfnisse in

gewissem U m f a n g e triebhaft oder r a t i o n a l : allgemein-rational oder wirtschaftlich —

befriedigt hat, ist eine ganz andere Frage. Denn, wie wir gesehen haben,

auch unter dem Blickpunkt der „Güterlehre" braucht der Mensch mit den äußerlich k n a p p vorhandenen materiellen G ü t e r n nicht in jedem Fall zu wirtschaften, er kann sie auch triebhaft, irrational verwenden. Überwiegt doch o f t das I r r a tionale im L e b e n ! I n diesen Ausführungen dürfte der Beweis, der nachfolgend noch weitergeführt wird, erbracht worden sein, daß das Wirtschaften unabhängig v o n einer direkten Ich-Du-Beziehung als sozialer Grundkategorie der Erfahrung gemäß rein logisch von dem einzelnen Menschen aus erfaßt werden muß, ohne daß er im Sinne der Robinsonade außerhalb des sozialen Zusammenhanges gedacht zu werden braucht. Wirtschaften als Ertragsstreben im engeren Sinne — zum Unterschied vom allgemein-rationalen Erwägen und Handeln — h e i ß t : Nutzen und Kosten im H i n blick a u f alle Bedürfnisse vergleichen und entsprechend handeln. — Mit

indi-

vidualistischer Auffassung hat solches Vorgehen der Einzelnen nichts zu t u n ! D a s ist bisher der Fall gewesen und wird stets so bleiben. Das Problem „ W i r t schaften" ist zeitlos, ewig, an keine besondere Voraussetzung wie „ W e r t d i n g e " , „materielle M i t t e l " , „wirtschaftliche G ü t e r " , „besondere gesellschaftliche V e r h ä l t 88

nisse" gebunden. Deshalb kann man auch nicht zwischen dem „Wirtschaften" als solchem und der „ K u l t u r " unterscheiden, wie es die gesamte nationalökonomische Theorie, u. a. auch Andreas Voigt getan hat, wenn er sagt: „Wir dagegen definieren jedes vorsorgliche Handeln zur Erfüllung der Bedingungen des humanen und kulturellen Lebens als Wirtschaften und unterscheiden von diesem Wirtschaften schlechthin das ökonomische Wirtschaften (nach dem ökonomischen Prinzip) als eine besondere, allgemein erwünschte, aber nicht allgemein durchgeführte und durchführbare Art." Alle hier aufgeführten Beispiele des Wirtschaftens der Einzelnen könnten tausendfach und mehr vervielfältigt werden.

b) Ist das Wirtschaften nur ein Handeln? Nicht nur Franz Oppenheimer, auch fast alle anderen nationalökonomischen Theoretiker, soweit sie sich darüber Gedanken gemacht haben, sehen das wirtschaftliche Handeln als ein äußeres Handeln und dieses in der erwähnten Einschränkung allein als Wirtschaften an. Zweifel melden sich auch ob der Richtigkeit dieser Auffassung. Es steht daher in Frage, ob die äußere wirtschaftliche H a n d l u n g von der — nach der Meinung der meisten Autoren — „vorwirtschaftlichen" Erwägung, die zu dem inneren und äußeren Handeln führt, zu trennen ist, ob die Handlung nur Erfahrungsobjekt f ü r die Erkenntnis des eigentlichen wirtschaftlichen Aktes, der Erwägung über Nutzen und Kosten im Hinblick auf alle Bedürfnisse, ist oder ob wirtschaftliches Handeln und vermeintliche „vorwirtschaftliche" Erwägung das Kriterium des Wirtschaftens sind. Max Weber beschloß seine bedeutende Untersuchung über die „Objektivität der sozialwirtschaftlichen und sozialpolitischen Erkenntnis" mit den Worten: „Alle kulturwissenschaftlidie Arbeit in einer Zeit der Spezialisierung wird, nachdem sie durch bestimmte Problemstellungen einmal auf einen bestimmten Stoff hin ausgerichtet ist und sich ihre methodischen Prinzipien geschaffen hat, die Bearbeitung dieses Stoffes als Selbstzweck betrachten, ohne den Erkenntniswert der einzelnen Tatsachen stets bewußt an den letzten Wertideen zu kontrollieren, ja ohne sich ihrer Verankerung an diesen Wertideen überhaupt bewußt zu bleiben. Und es ist gut so. Aber irgendwann wechselt die Farbe: die Bedeutung der unreflektiert verwerteten Gesichtspunkte wird unsicher, der Weg verliert sich in die Dämmerung. Das Licht der großen Kulturprobleme ist weiter gezogen. D a n n rüstet sich auch die Wissenschaft, ihren Standort und ihren BegrifTsapparat zu wechseln u n d aus der H ö h e des Gedankens auf den Strom des Geschehens zu blicken" 9 ). Was hier über die kulturwissenschaftliche Erkenntnis im allgemeinen gesagt wird, gilt natürlich auch im besonderen f ü r die wirtschaftswissenschaftliche For•) „Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre", Tübingen 1922, S. 214.

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schung. Max Webers Untersuchungen sind daher auch f ü r die methodologische Bereinigung des wirtschaftswissenschaftlichen Vorfeldes, die systematische Fundierung, die ihm durch die zunehmende soziologische Betrachtungsweise immer notwendiger erschien, bedeutungsvoll. Davon zeugt vor allem sein großangelegtes Werk „Wirtschaft und Gesellschaft", in dem er sich ungemein mühevoll um die Klärung der Frage nach dem spezifisch Wirtschaftlichen und dem spezifisch Soziologischen bemüht, ohne aber zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Für ihn soll „ein H a n d e l n wirtschaftlich orientiert' insoweit heißen, als es seinem gemeinten Sinn nach an der Fürsorge für einen Begehr nach Nutzleistungen orientiert ist. ,Wirtschaften' soll eine friedliche Ausübung von Verfügungsgewalt heißen, welche primär, nationales Wirtschaften' eine solche, welche zweckrational, also planvoll, wirtschaftlich orientiert ist. ,Wirtschaft' soll ein autokephal, ,Wirtschaftsbetrieb' ein betriebsmäßig geordnetes kontinuierliches Wirtschaften heißen", wobei Weber ausdrücklich bemerkt, „ d a ß .Wirtschaften' an sich nicht schon soziales Handeln sein muß" 1 0 ). Und zwar ist „äußeres Handeln dann nicht .soziales Handeln', wenn es sich lediglich an den Erwartungen des Verhaltens sachlicher Objekte orientiert. Das innere Sichverhalten ist soziales Handeln nur dann, wenn es sich am Verhalten anderer orientiert. Religiöses Verhalten z. B. dann nicht, wenn es Kontemplation, einsames Gebet usw. bleibt. Das Wirtschaften (eines Einzelnen) erst dann und nur insofern, als es das Verhalten Dritter mit in Betracht zieht. Ganz allgemein und formal also schon: indem es auf die Respektierung der eignen faktischen Verfügungsgewalt über wirtschaftliche Güter durch Dritte reflektiert. In materialer Hinsicht: indem es z. B. beim Konsum den künftigen Begehr Dritter mitberücksichtigt und die Art des eignen ,Sparens' daran mitorientiert. Oder indem es bei der Produktion einen künftigen Begehr Dritter zur Grundlage seiner Orientierung macht usw." 1 1 ). Nach Weber bedeutet „Wirtschaft vorsorgliche Wahl gerade zwischen Zwecken, allerdings: orientiert an der Knappheit der Mittel, welche f ü r diese mehreren Zwecke verfügbar oder beschaffbar erscheinen" 12 ). Demgemäß ist für ihn „Wirtschaften" das so bezogene äußere Handeln. Im Gegensatz zu der von mir vertretenen Auffassung, d a ß die Ordnung sämtlicher Bedürfnisse zu einer Bedürfnisskala (Auswahl der Zwecke) und die A r t und Weise, wie der einzelne Zweck erreicht wird, letzten Endes auf die infolge der Lebensdauer begrenzte geistige oder physische Arbeitskraft oder das begrenzte Aufnahme- oder Fassungsvermögen der Einzelnen zu beziehen ist, meint Max Weber fälschlicherweise: „Irrig 10

) „Wirtschaft und Gesellschaft", in Grundriß der Sozialökonomik, Abt. III, Tübingen 1925, S. 31. Neue Ausgabe Köln-Berlin 1964, S. 43. ») Ebenda, S. 11. I2 ) Ebenda, S. 32. Wenn er, wie schon Franz Oppenheimer, überdies gewaltsames Handeln mit dem primären Ziel, knappe Mittel für die Verfolgung von Zwecken zu beschaffen, ebenfalls als wirtschaftlich orientiertes Handeln bezeichnet, dann geht auch daraus hervor, wie wenig logisch sdiarf das Problem „Wirtschaften" bei Max Weber erfaßt ist. „Friedliches" oder „gewaltsames" Handeln sind unter soziologischem Gesichtspunkt zu klärende Tatbestände.

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ist die Reduktion aller ,Mittel' auf letztlich Arbeitsmühe" 1 3 ). Falsch auch insofern, als der A u f w a n d von Arbeitskraft nicht unbedingt Arbeitsmühe bedeuten muß. Er kann auch Freude bereiten und trotzdem als Kosten im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala empfunden werden. Darüber weiter unten. Entsprechend sagt Weber an einer anderen Stelle: „Spezifisch ökonomische Motive — das heißt Motive, die in ihrer f ü r uns bedeutsamen Eigenart an jenem grundlegenden Tatbestand (vgl. dazu die vorhergehenden Bemerkungen) verankert sind — werden überall da wirksam, wo die Befriedigung eines noch so immateriellen Bedürfnisses an die Verwendung begrenzter äußerer Mittel gebunden ist" 14 ). Max Weber kommt es auf den „gemeinten Sinn" an, den das Subjekt seinem Tun unterstellt, um Wirtschaften von dem allgemein-rationalen Handeln unterscheiden zu können. Doch sei mit dieser Sinnbezogenheit auf die Knappheit der Mittel das Wirtschaften keineswegs als eine „psychische" Erscheinung anzusehen, denn „es fällt ja der Güterproduktion oder dem Preis oder selbst der subjektiven Bewertung' von Gütern — wenn anders sie reale Vorgänge sind — gar nicht ein, ,psychisch' zu bleiben" 15 ). Mit dieser Argumentation ist indessen die Auffassung vom „Wirtschaften" als nur psychischem oder — wenn das Handeln äußerlich ist — teilweise psychischem Vorgang nicht negiert, und Fritz Sander wendet bedingt richtig ein: „Güterproduktion ist nicht nur etwas Physisches, sondern bleibt es auch. Preis und subjektive Bewertung sind nicht nur etwas Psychisches, sondern bleiben es auch" 16 ). D a ß Max Weber mit seiner — trotz Abstreitens und nicht scharfer Formulierung — psychisch fundierten Definition des Wirtschaftens und nachherigen Beschränkung des Wirtschaftens auf das äußere Handeln in Widerspruch gerät, erhellt aus seiner analogen Ansicht vom Allgemein- und Spezifisch-Soziologischen, ein Problem, auf das ich an anderer Stelle näher eingegangen bin 17 ), u n d das von neuem Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. Auch ist schon jetzt deutlich geworden, und es wird noch deutlicher werden, daß Max Weber den Inhalt des Wirtschaftens in Anlehnung an die „Güterlehre" viel zu eng faßt. Gustav Cassel (1866—1945) sieht die Wirtschaft in der „Gesamtheit der die Bedürfnisbefriedigung ermöglichenden, aber nicht mit ihr zusammenfallenden Tätigkeit" 1 8 ), ohne zu merken, daß in derartiger Fassung die Wirtschaft auch die Technik enthält. U n d zwar steht nach Cassel diese „vorbereitende Tätigkeit, die

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) Ebenda, S. 33. ) „Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre", S. 163. Siehe audi „Soziologie — Universalgeschichtlidie Analysen — Politik" (mit einer Einleitung von Eduard Baumgarten und herausgegeben von Johannes Windeelmann), Stuttgart 1973, S. 59 ff. 15 ) „Wirtschaft und Gesellschaft", S. 31. 16 ) F. Sander: „Gegenstand der reinen Soziologie", im Arch. f. Sozw. u. Sozp. Bd. 54, S. 376. 1T ) Vgl. meine Schrift: „Das Wesen der Kartell-, Konzern- und Trustbewegung. Ein wirtschaftliches und soziologisches Problem", G. Fischer, Jena 1930 und meine sich darauf beziehenden Aufsätze.

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eine gewisse Auswahl der Zwecke" voraussetzt 19 ), unter dem „Prinzip der Knappheit" der von der Natur dargebotenen Güter. Auch er knüpft an die übliche Unterscheidung von „freien" und „wirtschaftlichen" Gütern an und engt damit das Problem „Wirtschaften" willkürlich ein. Dieses Auswählen ist eben eine bestimmt bezogene Erwägung, der erst die „vorbereitende" Tätigkeit folgt. Und wenn Oppenheimer gegen Cassel geltend macht, daß er mit der die Bedürfnisbefriedigung „ermöglichenden Tätigkeit" die „vorwirtschaftliche" Erwägung in das Wirtschaften einbezieht, da dieselbe „immerhin eine .Tätigkeit', und zwar eine innere Handlung ist" 2 0 ), so trifft diese Kritik, wenn man den Wortlaut der Cassel'schen Definition betrachtet, zu. Doch dem Inhalt seiner (Cassels) Gedankengänge nach zu urteilen, sieht er die äußere Handlung als das Wirtschaften an. Das wird aus dem von ihm gewählten Beispiel 21 ) erhärtet, besonders aber durch seine an die Klassiker anknüpfende Auffassung von dem Wesen der Theoretischen Nationalökonomie und seine Stellungnahme zum Wert der Güter, den er ganz unbeachtet wissen will. Im Mittelpunkt seiner Theorie steht der Preis als Ausdruck der drei Grundprinzipien, mit denen Cassel aber nicht das Wesen der Preislehre vollständig erschöpft. Seine Theorie ist zweifellos bestechend in ihrer Geschlossenheit und Einfachheit und hat deswegen ganz besondere Beachtung gefunden, aber sie ist in Wahrheit nur ein Ausschnitt aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Gebäude, das einer breiteren und vertieften Grundlegung bedarf. Bei dem von Cassel aufgewandten Scharfsinn ist es erstaunlich, feststellen zu müssen, daß er allen Ernstes glaubt, daß sein System den „subjektiv orientierten" Meinungen völlig entgegengesetzt sei. Wie gesagt, sein System ist nur ein „Fall" von arbeitsteiliger Wirtschaft und nicht von „Wirtschaften", und dies um so mehr, als er in seinem von dem Prinzip der Knappheit beherrschten Denken in „Gütern" von sehr einschränkenden Voraussetzungen ausgeht, ohne die er sein mathematisches Gleidiungssystem nidit hätte aufstellen können 22 ). Weder Max Weber noch Gustav Cassel haben uns infolge ihrer zu engen Problemstellung eine stichhaltige Antwort auf die Frage geben können: ob die bestimmt bezogene Erwägung oder entsprechende Handlung oder Erwägung und (innere beziehungsweise äußere) Handlung Kriterien des Wirtschaftens sind.

18) '») 20) 21)

G. Cassel: „Theoretische Sozialökonomie", Leipzig 1923, S. 1. Ebenda, S. 4. Oppenheimer, a. a. O., S. 69. A. a. O., S. 1. „Die Herstellung einer Wasserleitung zur bequemeren Wasserversorgung"- 2 ) Worte wie „nur", „Fall" usw. mögen nicht als abfälliges Urteil angesehen werden; hier wird lediglich Cassels Anspruch zurückgewiesen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang Schumpeters Kampf gegen die „großen" Worte — gleichsam ein Pendant zu Gottls oft selbst an Worte klebendem Kampf gegen die „Herrschaft des Wortes", beides „Fälle" einer „Soziologie der Kritik" — u. a. in „Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart": Art. „Deutschland", S. 24.

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c) Ist das Wirtschaften nur ein Erwägen? Wirtschaften in der allgemeingültigen Bedeutung heißt nach Robert Liefmann „eine besondere Art von Erwägungen anstellen, die auf einem Gegenüberstellen und Vergleichen von Nutzen und Kosten, rein psychisch aufgefaßt, mit dem Ziel eines möglichst großen Nutzenüberschusses, Genusses beruhen" 23 ). Das ist nach ihm das Grundprinzip der Theoretischen Nationalökonomie. „Das Einheitliche in dem Erfahrungsobjekt, das der ökonomischen Wissenschaft vorliegt, und damit das Identitätsprinzip, das ihr Erkenntnisobjekt bestimmt, ist in diesem psychischen Moment, einer besonderen Art von Erwägungen, zu finden, die an das Ziel der Bedarfsbefriedigung, Genuß, anknüpfen. Wir dürfen also nicht an dem äußerlichen, technischen Charakter der Handlungen, dem Produzieren, hängen bleiben, wie die bisherige Theorie das tat, sondern müssen in die Psyche der wirtschaftenden Menschen zurückgehen" 24 ). „Wirtschaftliche Handlungen sind dann diejenigen, die unter dem Einfluß solcher Erwägungen erfolgen, wirtschaftliche Beziehungen, Einrichtungen und Veranstaltungen, die, welche auf Grund solcher wirtschaftlichen Erwägungen und Handlungen entstehen" 25 ). Damit ist aber nicht gesagt, daß Liefmann das Handeln in das Identitätsprinzip einbeziehen will, denn er betont ausdrücklich, „daß die wirtschaftlichen Erwägungen, da ihr Ziel ja Bedarfsbefriedigung ist, zu Handlungen, die solchen dienen, führen müssen. Aber es ist logisch und psychologisch kein Zweifel, daß das Wesen des Wirtschaftlichen ausschließlich in den Erwägungen liegt, und zwar in dem Prinzip, nach dem sie erfolgen, daß es also eine besondere Art des Wollens, eine besondere Methode, Betrachtungsweise, etwas Psychisches ist. Daß diese Erwägungen, da das Ziel des Wollens Bedarfsbefriedigung ist, zu Handlungen führen müssen, ist selbstverständlich. Aber mag man noch so sehr im gewöhnlichen Sprachgebrauch und in der bisherigen Theorie das Wirtschaften nur Lief mann: „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", Bd. I, S. 121; wenn nichts anderes bemerkt wird, ist stets die 3. Auflage, Bd. I, 1923 bzw. die 2. Auflage, Bd. II, 1922, gemeint. 2 4 ) Ebenda, S. 1 2 2 / 2 3 . — Wenn Liefmann weiter fortfährt: „Das ist auch von der neueren Theorie, die ja mit der subjektiven Wertlehre schon auf dem Wege zu meiner Auffassung war, immer anerkannt worden, indem man als das Ziel der Wirtschaft Bedarfsbefriedigung bezeichnet hat. Aber wegen des überlieferten Aufbaues der ökonomischen Theorie auf technisch-materialistischer Grundlage ist an dieser nur im Eingang der Lehrbücher betonten Beobachtung nie festgehalten worden", so darf dieser Satz deswegen hervorgehoben werden, weil er viele sehr schroffe Urteile des Autors im Hinblick auf das Problem psychisch-realistisch, technisch-materialistisch, abschwächt. — Daß Liefmann sich über das Problem Erfahrungs-, Erkenntnisobjekt nicht völlig klar ist, dürfte u. a. S. 149 beweisen. — Liefmann ist selbst noch zu sehr befangen in dem Blickfeld „Tauschmechanismus", den zu erklären, er sich ebenso wie die überwiegende Anzahl der Theoretiker und Pseudotheoretiker zur Hauptaufgabe gesetzt hat. Das ist aus dem wissenschaftlichen Werdegang Liefmanns verständlich, und er selbst sagt an einer Stelle (u. a. a. a. O., S. 282), daß er zu der Grundauffassung seiner Theorie durch die Beobachtung des Tauschmechanismus, und dann erst zu seiner Verbindung mit den Bedürfnissen gekommen sei. Aus diesem Grunde erscheint auch das Identitätsprinzip zu wenig aus dem Gesamtproblem herausgesehen, zu wenig freigelegt. 23)

25)

Ebenda, S. 149.

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in den Handlungen sehen, Tatsache bleibt, daß es allein und ausschließlich die Erwägungen oder das wirtschaftliche Prinzip sind, welche, auch im Sinne des Sprachgebrauchs, die Handlungen erst zu wirtschaftlichen machen" 28 ). Man sieht also schon hier den Unterschied der Auffassungen Franz Oppenheimers, Max Webers, Gustav Cassels und Robert Liefmanns. Andererseits sind sie sich darin einig, daß das Ziel alles Wirtschaftens die materielle Bedarfsbefriedigung durch Güteraustausch ist. Kosten können nach Liefmann Opfer von Sachgütern (einschließlich der auf die Güter stets zu beziehenden Geldmenge) oder aufgewandte Arbeitsmühe sein. Das Kostenphänomen u n d damit der Ertragsbegriff ist in der Liefmann'sehen Lehre das Problem. Lief mann selbst meint: „Daher ist es nicht zu viel gesagt, daß Kosten der schwierigste und komplizierteste Begriff der ökonomischen Theorie ist" 27 ). U n d es ist nur folgerichtig, wenn nach ihm die Kosten ebenso ein Schätzungsbegriff sind, wie der Nutzen. Der Unterschied zwischen der Auffassung Liefmanns und der der Grenznutzentheoretiker liegt vor allem darin, daß f ü r ihn die zur Befriedigung der Bedürfnisse notwendigen Mittel nicht von vornherein gegeben sind, sondern daß es gerade die Aufgabe des Wirtschaftens ist, die Kosten so auf die Befriedigung der Bedürfnisse zu verteilen, daß der Ertrag — psychisch aufgefaßt — ein größter werde. In einer derartigen Fassung des Problems „Wirtschaften" ist selbstverständlich enthalten, daß das Wirtschaften sich auch lediglich auf gegebene Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen beziehen kann. Liefmanns Auffassung vom Problem „Wirtschaften" hätte bei genügender Beachtung zur wesentlichen Bereinigung zahlreicher Irrtümer der herrschenden Lehrmeinungen auf verschiedenen Gebieten beitragen können, ohne aber als das Fundament der Wirtschaftswissenschaft angesehen werden zu können. Im einzelnen darf ich auf meine einschlägige Darstellung und Kritik verweisen, um Wiederholungen zu vermeiden, da es mir im Rahmen dieser Abhandlung nur darauf ankommen kann, meinen Gedankengang durch die Ansichten der in der Methodologie besonders hervorgetretenen Autoren zu sichern und damit dazu beizutragen, daß in der Grundlagenforschung der Zustand des Aneinandervorbeiredens ein Ende findet28). Oppenheimer macht gegen Robert Liefmann geltend: „Wer weiter nichts tut, als N u t z e n und Kosten zu vergleichen, muß glatt verhungern; denn sogar das Einstreichen von Zinsen eines von jenem Vergleichen unabhängigen Vermögens und seine Verausgabung in Mittel zur Befriedigung des Hungers sind äußere H a n d lungen" 2 9 ). 26

) Ebenda, S. 298. ) Ebenda, S. 463. ) Robert Liefmanns Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. Kritik und Beweisführung", Abt. I, H e f t 9 der Sozialwissensdiaftlidien Forschungen, Berlin 1929 und „Das Problem ,Wirtschaften' als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft" in Schmollers Jahrbuch 1944. 29 ) Oppenheimer, a. a. O., S. 66, vgl. ebenfalls Leopold v. 'Wiese, „Allgemeine Soziologie". I. Teil, Beziehungslehre, Mündien-Leipzig 1924, S. 42.

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Diese Bemerkung ist falsch, denn dem Einstreichen von Zinsen aus einem ererbten oder erworbenen Vermögen liegt die Erwägung zugrunde, ob ich das Kapital in der betreffenden zinstragenden Quelle belassen oder anderweitig unterbringen, ob ich die Zinsen stehen lassen oder sie abheben soll. Und wenn ich midi zum Einstreichen der Zinsen entschlossen habe, so muß ich bei ihrer Verausgabung in bezug auf den Verwendungszweck neue Erwägungen anstellen. Diese äußeren Handlungen sind also mit einer nach der Meinung Oppenheimers „vorwirtschaftlichen" Erwägung eng verbunden und ohne sie einfach nicht möglich. Ob das eine oder das andere oder Erwägung und äußere beziehungsweise auch innere Handlung das Kriterium des Wirtschaftens sind, steht aber zur Diskussion. Diese Erwägungen, eben wenn sie als wirtschaftliche Erwägungen zu bezeichnen sind, müssen stets auf alle auftretenden oder vorgestellten Bedürfnisse Bezug haben. Daher ist schon der Ansatz der Kritik Oppenheimers unrichtig. Er unterscheidet nicht zwischen der rein psychischen Erwägung und der ihr entsprechenden inneren, also auch psychischen Handlung einerseits und der äußeren Handlung andererseits. In bezug auf die Frage, ob das Wirtschaften nur ein bestimmt orientiertes Erwägen oder etwa nur ein Handeln ist, führt Lief mann unter anderem weiter aus: „Es ist ganz klar: das Wirtschaftsleben wird zwar meist zu Handlungen führen, aber Nichthandeln kann gerade so gut wirtschaftlich sein. Ich wirtschafte nicht weniger, wenn ich mich entschließe, das Auto, das ich gerne haben möchte, doch nicht zu kaufen; der Kaufmann wirtschaftet nicht weniger, wenn er sich entschließt, eine angebotene Ware nicht zu kaufen. Das wird von allen meinen Kritikern, auch von Muhs in seiner Untersuchung, beharrlich ignoriert. Warum wohl? An allen Handlungen sind das Wirtschaftliche die Erwägungen, unter denen sie erfolgen, und zwar nicht die Zwecke selbst, die Bedürfnisse, sondern eben jenes formale Prinzip, das alle Zwecke in Beziehung, in ein Proportionalitätssystem setzt, und von dessen allgemeiner Kulturbedeutung man sprechen kann. D a ß diese abstrakte Auffassung es nicht ermöglicht, ohne weiteres eine einzelne Handlung als wirtschaftlich und nichtwirtschaftlich einzureihen, stört nur den, der von dem Streben, äußere Erscheinungen zu klassifizieren, nicht loskommt. Sieht man aber näher zu, so ist schon der Ausdruck ,wirtschaftliche Handlung' ein abgeleiteter, übertragener. Im letzten Grunde sind wirtschaftlich, wie gesagt, nur die Erwägungen. Deshalb gibt es unendlich viele Vorgänge, von denen man eigentlich nie sagen kann, daß sie wirtschaftliche Handlungen sind, während sich wirtschaftliche Erwägungen unzweifelhaft an sie knüpfen können. Künstlerischer oder Naturgenuß, Spiele, Belehrung und Erbauung, Schenken, Almosengeben usw. sind an sich keine wirtschaftlichen Handlungen, selbst wenn Aufwendungen dafür gemacht, Unlustgefühle damit in Kauf genommen werden, aber ohne Zweifel knüpfen sehr oft wirtschaftliche Erwägungen an sie an. Wenn ein Kaufmann, ein Arbeiter sich überlegt, ob er einen Spaziergang machen oder in sein Geschäft, an seine Arbeit gehen soll, wo95

durch er für seine gesamte Bedarfsbefriedigung sorgt, so wirtschaftet er, ganz einerlei, ob er zu dem Entschlüsse kommt, den Spaziergang zu machen oder nicht. Wenn er aber Sonntags oder nachdem er sich schon entschlossen hat, nicht zu arbeiten, überlegt, ob er lieber Spazierengehen oder in einem Buch lesen soll, so wirtschaftet er nidit. Er wirtschaftet auch natürlich nicht dadurch, daß er einen Spaziergang macht. Dieser ist keine wirtschaftliche Handlung, nur seine Erwägungen, die ihn zu dieser Handlung führten, waren im ersten Fall wirtschaftliche, weil sein Zweck, Gesamtbedarfsbefriedigung, dabei eine Rolle spielte. Dasselbe läßt sich zum Beispiel hinsichtlich der wissenschaftlichen Arbeit ausführen. Sie kann eine wirtschaftliche Handlung sein oder nicht. Das Wirtschaftliche daran sind aber immer die Erwägungen, ist das wirtschaftliche Prinzip, gerichtet auf das Ziel Gesamtbedarfsbefriedigung. Dabei ist zu beachten, daß immer die Kostenvorstellung, der Gedanke eines Opfers (in unserem Beispiel von Zeit) psychisch vorhanden sein muß. Das bloße Verwenden einer Gütermenge macht eine Handlung noch nicht zu einer wirtschaftlichen. Schenken zum Beispiel ist an sich keine wirtschaftliche Handlung, weil es nicht der (natürlich eigenen) Bedarfsbefriedigung dient. Aber wirtschaftliche Erwägungen werden sehr häufig daran anknüpfen, die Beurteilung der Bedeutung des Opfers für die eigene Gesamtbedarfsbefriedigung. Für die wissenschaftliche Erkenntnis ist es jedenfalls durchaus genügend, das Wirtschaftliche in der vorstehenden Weise abgegrenzt zu haben. Es liegt keinerlei wissenschaftliches Bedürfnis vor für die Erklärung der Tauschverkehrsvorgänge, ein äußeres Merkmal für jede wirtschaftliche Handlung zu haben. Denn für die ebenso wichtigen wirtschaftlichen Einrichtungen und Beziehungen würde dann auch wieder das äußere Merkmal fehlen. Da aber alle wirtschaftlichen Vorgänge im letzten Grunde auf jene individuellen Erwägungen zurückzuführen und aus ihnen zu erklären sind, genügt jenes abstrakte Auswahlprinzip nicht nur, sondern ist auch das einzige wirklich allgemeine und damit Identitätsprinzip der ökonomischen Wissenschaft" 30 ). Die erste der Bemerkungen hätte tieferes Nachdenken verbieten dürfen, die andere zu unterlassen, hinderte Liefmanns letzten Endes nicht gründliche erkenntnistheoretische Einstellung, daß er auch tatsächlich „Wirtschaften" als Problem sieht. Wenn ich Nutzen und Kosten im Hinblick auf alle meine Bedürfnisse und dann wiederum auf das einzelne Bedürfnis miteinander vergleiche, so tue ich es deswegen, weil ich eben nicht alle Bedürfnisse auf einmal, geschweige ganz zu befriedigen vermag. Das heißt nach Liefmann, unter Berücksichtigung seiner zu engen Objektbetrachtung, Wirtschaften. Mit ihm ist stets die Nichtbefriedigung eines oder mehrerer Bedürfnisse, ein „Nichthandeln" verbunden. „Nichthandeln" wäre mit „Nichthandeln" erklärt.

) Liefmann, a. a. O., S. 299/300.

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D i e anderen Bemerkungen zeigen deutlich die nicht klare Scheidung von E r fahrungs- und Erkenntnisobjekt 3 1 ). Unser obiges Beispiel hat gezeigt, daß das Bedürfnis nach einem „künstlerischen oder Naturgenuß" zugleich auch ins Wirtschaften einbezogen werden kann. D a s erste Beispiel: die Überlegung des Kaufmanns oder Arbeiters ist eine sich an die früheren Sätze vom Wesen des Wirtschaftens anschließende Behauptung, daß das wirtschaftliche Handeln — nicht mit Technik zu verwechseln — kein Kriterium des Wirtschaftens sei, aber kein Beweis. D e r „vermeintliche" Beweis wird auch nicht durch die „Sonntagserwägung" erhärtet. Denn, wenn ich mich im Hinblick auf alle meine Bedürfnisse bereits entschlossen habe, nicht zu arbeiten, und nun überlege, ob ich die mir zur Verfügung stehende Zeit mit einem Spaziergang oder der Lektüre eines Buches ausfülle, so wirtschafte ich selbstverständlich nicht, da diese Erwägung eine isolierte ist. Weder das Beispiel der „wissenschaftlichen Arbeit", die Liefmann in seinem Bemühen der „Problemschau" als Objekt des Wirtschaftens anerkennt, noch das des „Schenkens" sind Klärungen der fraglichen Behauptung. D e r letzte Fall und die Betonung der Notwendigkeit eines „äußeren Merkmals", um das W i r t schaften von anderen Erscheinungen abzugrenzen, zeigen klar die Vermengung der grundlegenden erkenntnistheoretischen Begriffe: Erfahrungs-, Erkenntnisobjekt 3 2 ). Aus diesem Grunde mußte auch der Beweis, daß das wirtschaftliche Handeln kein Wesensbestandteil des „Wirtschaftens" sei, ausbleiben. W i r mögen nun selbst sehen, ob die Handlung nur Erfahrungsobjekt ist, um die Erwägung, die Liefmann als das eigentliche Wirtschaften bezeichnet, als wirtschaftliche zu erkennen oder ob wirtschaftliche Erwägung und das innere oder äußere entsprechende Handeln das notwendige Kriterium des Wirtschaftens, des wirtschaftlichen Ertragsstrebens, sind, als engerer Form allgemein-rationalen E r wägens und Handelns. Dabei wird auch das Problem der „natürlich eigenen" Bedarfsbefriedigung des „Schenkens" geklärt werden.

d) Das Wirtschaften ist bestimmt orientiertes Erwägen und entsprechendes Handeln Wenn die Knappheit der geistigen, physischen, auch seelischen K r ä f t e bzw. das begrenzte Fassungsvermögen im Verhältnis zu den mehr oder weniger zahlreichen ) In der Besprechung des Liefmann'sthen Wirtschaftsbegriffs hat auch Amonn auf diesen Tatbestand aufmerksam gemadit, in „Objekt und Grundbegriffe der Theoretischen Nationalökonomie" 1927, S. 128/135. — Es ist das besondere Verdienst Alfred Amonns, die erwähnten grundlegenden Kategorien scharf ins Bewußtsein gerückt zu haben. In erkenntnistheoretisch-methodologischer Hinsicht möge an dieser Stelle auch auf die einleitenden Gedanken in dem Aufsatz von £ . H. Vogel: „Statik und Dynamik als Grundprobleme der Theoretischen Nationalökonomie" in Zeitschr. f. d. ges. Staatw. 84. Bd. verwiesen werden. 3a ) Uber diesen Tatbestand klären vollends die der inneren Logik seines Systems widersprechenden Äußerungen Liefmanns auf, a. a. O., S. 301/302. 31

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Bedürfnissen jedes einzelnen Menschen der sein Wirtschaften bestimmende T a t bestand ist u n d es nicht die von N a t u r k n a p p e n „wirtschaftlichen" Güter und äußeren persönlichen Leistungen sind, so ist es logisch selbstverständlich, daß alle Bedürfnisse Ausgangspunkt des Wirtschaftens sein können, weil die Kosten zwecks ihrer Befriedigung b z w . die relativ begrenzte Zeit oder das begrenzte Fassungsvermögen eine bestimmte Einteilung bedingen. D a m i t ist der w a h r e G r u n d des Wirtschaftens bestimmt u n d die Unlogik wird offenbar, wenn man das W i r t schaften auf die Bedarfsdeckung durch äußere G ü t e r u n d äußere persönliche Leistungen beschränkt, wie es die herrschende Lehre durchweg tut. D i e wirtschaftliche E r w ä g u n g kann sidi auf Güter, persönliche Leistungen u n d auf rein geistige, psychische „ O b j e k t e " beziehen. D a s heißt, auch das Bedürfnis d e r wissenschaftlichen Erkenntnis k a n n in das Wirtschaften einbezogen werden. D a s wissenschaftliche Arbeiten als solches ist natürlich kein Wirtschaften, es k a n n a b e r zugleich unter dem Blickpunkt des Wirtschaftens betrachtet u n d in die N u t z e n - u n d Kostenvergleichung im Hinblick auf alle Bedürfnisse einbezogen werden — eben w e n n die Kosten berücksichtigt werden müssen. Das hängt von d e r A r t eines Menschen u n d seinen jeweiligen Bedürfnissen ab. W e n n ich z. B. aus einer A n z a h l v o n Bedürfnissen: A, B, C in die engere W a h l einbeziehe u n d unter N u t z e n - u n d Kostenvergleichen abwäge, welches Bedürfnis u n d in welchem U m f a n g ich es zuerst befriedige, beziehungsweise befriedigen muß, und mich zunächst z u r Befriedigung von A entschließe, so werde ich (in den meisten Fällen) erst nach einer gewissen Zeitspanne der inneren oder äußeren H a n d l u n g merken, ob meine wirtschaftliche Erwägung wirklich wirtschaftlich, d. h. in bez u g auf die anderen beiden Bedürfnisse — letzten Endes auf die gesamte Bedürfnisskala, die ich aber nicht immer genau abzuschätzen vermag — angestellt w u r d e . Insoweit dient die H a n d l u n g auch gewissermaßen als Kontrolle, und erst jetzt w i r d ersichtlich, ob die Erwägungen der gesamten Bedürfnisskala gerecht geworden sind 3 3 ). D a h e r können die H a n d l u n g e n allein niemals als W i r t schaften angesehen werden und ebenfalls nicht die bestimmt-bezogenen E r w ä gungen allein. Vielmehr ist das Wirtschaften ein Erwägen, ein N u t z e n - und Kostenvergleichen im Hinblick auf alle Bedürfnisse u n d ein entsprechendes Handeln. O h n e das H a n d e l n w ü r d e es müßig sein, wirtschaftliche Erwägungen anzustellen. Wenn ein Wirtschafter sich seinen Plan gemacht hat, so handelt er innerlich, indem er genau darauf achtet, wann die Befriedigung eines Bedürfnisses abgebrochen werden m u ß , u m die größtmögliche Befriedigung aller Bedürfnisse zu erreichen. Dabei sei noch einmal betont, d a ß die Befriedigung selbst nicht in den Bereich des Wirtschaftens einschlägt. Er h a n d e l t äußerlich dann, w e n n er sich z u r Befriedigung eines durch äußere materielle G ü t e r oder Dienstleistungen zu befriedigenden Bedürfnisses entschließt u n d diese Befriedigung an einem bestimmten P u n k t der Sättigung abbricht. E r handelt weiterhin äußerlich, wenn er zum Beispiel seinen Mitarbeitern seine Wirtschaftspläne bekanntgibt, ihnen 33

) Audi C. Goumas: „Kritische und positive Beiträge zur Bedürfnislehre" in Jahrb. f. Nat. u. Stat. 1942, Bd. 155, S. 37, verkennt die Problematik des „Wirtschaftens".

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die entsprechenden Anweisungen erteilt und gegebenenfalls Korrekturen durch Umdispositionen vornimmt. Demgegenüber fällt das auf den Wirtschaftsplan bezogene äußere Handeln der Mitarbeiter in den Bereich der Technik, des technischen Vollzuges, weil sie — jeder für sich — nur eine bestimmte Aufgabe als Teil des gesamten Wirtschaftsplanes erfüllen, das heißt die Ingangsetzung der Produktion von Gütern, ihren Transport, ihre Verteilung bewerkstelligen — Vorgänge, die fälschlicherweise immer als wirtschaftliche angesehen werden, in Wahrheit aber technische sind. Innerhalb dieses ihres technischen Bereichs wirtschaften die Techniker dann, wenn sie die Möglichkeit haben, die Kosten auf die verschiedenen technischen Zwecke zu verteilen und entsprechend zu handeln. Manchen Theoretikern erscheinen die Dinge allerdings unüberwindlich, unter anderem Oppenheimer, wenn er zum Beispiel gegen Andreas Voigt, der die geistige Arbeit ebenfalls in das Wirtschaften einbezieht, die Ansicht vertritt, daß dadurch „nicht nur die Bedürfnisbefriedigung durch die innere Handlung, die nichts mit Wirtschaften zu tun hat, mit der durch die rationelle äußere Handlung verwirkt wird, die ihren Bezirk erfüllt, sondern auch die Möglichkeit verlorengeht, die nichtwirtschaftliche, und namentlich die die positiven Bedürfnisse sättigende Handlung (Sport, Spiel) von der wirtschaftlichen abzugrenzen". Auf der anderen Seite will er aber die „künstlerische und philosophischwissenschaftliche Betätigung, wenn sie durch einen Professional im Dienste des negativen Triebes" ausgeführt wird, als zur Wirtschaft gehörig ansehen. Wo ist da eine Abgrenzung möglich? Auch aus dieser Argumentation Oppenheimers wird ersichtlich, wie willkürlich die Beschränkung des Wirtschaftens als ein Handeln in bezug auf die „Beschaffung und Verwaltung von Sachgütern" ist. Gegen Oppenheimer ist folgendes geltend zu machen: Weder erkennt er in dem Bemühen des äußeren Abgrenzens das Problem: Erkenntnis-, Erfahrungsobjekt, noch den Fall: Wenn ich ein „Lustgefühl" nach geistiger Beschäftigung empfinde, so vergleiche ich die erforderlichen „Energieaufwendungen" mit den auf die Befriedigung der anderen Bedürfnisse bezogenen Kosten und handele entsprechend. Und wenn ich zwei geistige Bedürfnisse verspüre, die in mir das gleiche „Lustgefühl" erwecken können, deren Befriedigung aber verschiedene geistige Arbeitskraft bedingt, die im Hinblick auf die verschiedenen anderen Bedürfnisse knapp ist, so werde ich auf Grund meiner wirtschaftlichen Erwägung die mit der geringeren „Energieaufwendung" verbundene geistige Tätigkeit auswählen. Diese geistige Beschäftigung als solche ist der Akt der Bedürfnisbefriedigung, das wirtschaftliche Handeln erstreckt sich lediglich darauf, daß die geistige Tätigkeit gemäß der angestellten Erwägung — also vor der Befriedigung anderer Bedürfnisse — ausgeführt wird. Wie sich nun das Denken selbst vollzieht, ist wiederum eine Frage der Technik des Denkens, der Logik. Dabei sei nochmals unter Hinweis auf die zu enge Auffassung der Gcwew'schen „Genußlehre" bemerkt, daß die geistige Arbeit nicht unbedingt ein „Lustgefühl" erwecken muß. Die wissenschaftliche Arbeit kostet in der Regel viel Mühe, Entsagung und Überwindung. Sie zieht den Wissenschaftler gleichsam vorwärts, nachdem er sich ein wissenschaftliches Ziel gesteckt hat, dessen Erreichung aber

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meistens mit unendlich vielen Mühen verbunden ist. J a , wie oft bedeutet das wissenschaftliche Arbeiten Leiden und trotzdem ist es dem Wissenschaftler ein unendlich großes Bedürfnis! Diese Zusammenhänge muß man erkennen, um einsehen zu können, daß man bei an der Erfahrung orientiertem logischem Denken ohne willkürliche Ausschaltung zahlreicher Bedürfnisse und der ihnen entsprechenden Erwägungen und Handlungen aus dem wirtschaftlichen Bereich sehr wohl das allgemeinrationale von dem wirtschaftlichen Erwägen und Handeln trennen kann, und daß das Wirtschaften wiederum von der inneren und äußeren Technik, dem technischen Vollzug, zu unterscheiden ist. Man muß nur den Willen zum rein logischen Denken aufbringen und darf nicht Tatbestände konstruieren, die nicht lebenswahr sind, um sich über die Problematik mit mehr oder weniger bestechenden Formulierungen hinwegzutäuschen. Das ist nämlich der wahre Grund dafür, daß bis heute noch kein eindeutiger Ausgangspunkt bestimmt und darauf ein festes Fundament der Wirtschaftswissenschaft errichtet wurde. Alfred Amonns „Objekt und Grundbegriffe" zählen zu den beamtetsten nationalökonomischen Werken. Und doch hat er mit seiner Auffassung über das Verhältnis von „Wirtschaft und Technik" mehr Verwirrung angerichtet als Klärung gebracht, wenn er sich gegen Oppenheimer kritisch wie folgt äußert: „Von diesem Gesichtspunkte aus stellt es sich dann auch als ganz verkehrt dar, die W i r t schaft' von der ,Technik' trennen zu wollen. In aller wirklichen Wirtschaft, in der ,lebendigen', erfahrenen Wirtschaft, ist Technik unlöslich mit einbegriffen. Es gibt keine Wirtschaft ohne Technik, wenn man nicht den psychischen ,Komplex' Liefmanns ganz willkürlich mit .Wirtschaft' bezeichnen will. Wirtschaft ist eben im Leben eine Verbindung von psychischen und zielbewußt gestalteten natürlichen oder technischen Vorgängen, und wir können zwar Technik von der Wirtschaft scheiden und losgelöst denken und betrachten, aber nicht Wirtschaft von der Technik. Von der Technik losgelöste Wirtschaft ist ein reines Phantom. Eine wirkliche Betrachtung, Erkenntnis und Darstellung des Wirtschaftslebens darf also nie von der Technik abstrahieren, am allerwenigsten in der Zeit, in welcher die Art der Technik so bestimmend ist für die Wirtschaft, wie in der unseren. Das besagt wieder nicht, daß man nicht irgend etwas als rein Wirtschaftliches ins Auge fassen und betrachten könne, aber das ist dann nicht mehr das, was man im Leben und im gemeinen Sprachgebrauch unter ,Wirtschaft' versteht, sondern eine unter einem ganz willkürlich gewählten Gesichtspunkte vollzogene Abstraktion. Es kann dann eben mehrere, an sich völlig gleichberechtigte Abgrenzungen zwischen Wirtschaft und Technik geben (wie es mehrere Wirtschaftsbegriffe geben kann). Das Suchen nach einer festen, objektiv gegebenen Abgrenzung — nach ,der Abgrenzung' — zwischen Wirtschaft und Technik ist ein ebenso unsinniges Beginnen, wie das Suchen nach einem objektiven, irgendwo außer uns und unabhängig von uns, in den Dingen gegebenen WirtschaftsbegrifF" 34 ). 34

) Ebenda, S. 142.

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D a ß Amonns methodologische Ansidit über das Wesen der Theoretischen Nationalökonomie nicht minder „willkürlich" ist als die Bestimmung zahlreicher anderer „WirtschaftsbegrifFe", dürfte ersichtlich sein; ebenso wie mein Versuch die Möglichkeit zeigt, das Problem „Wirtschaften" der Erfahrung gemäß rein logisch zu erfassen. Dann ist eben Wirtschaften von Technik, vom technischen Vollzug, zu trennen. Was heißt „wirkliche Betrachtung des Wirtschaftslebens", „wirkliche, lebendige, erfahrene Wirtschaft"? Was bedeutet es für die erkenntnistheoretische Begründung einer Wissenschaft, daß „das rein Wirtschaftliche dann nicht mehr das ist, was man im Leben und im gemeinen Sprachgebrauche unter ,Wirtschaft' versteht"? Amonn, dessen Kritik gegen so manchen Systembildner ich in mancher Hinsicht beipflichten kann, verfällt nun seinerseits in den bei anderen von ihm gerügten Fehler des „Hineinschmuggeins" von logisch nicht stichhaltigen „Ansichten", die in den Rahmen seiner Auffassung von dem „spezifisch Nationalökonomischen im herkömmlichen Sinne" hineinpassen. Amonns Bemühen ist doch sonst auf eine methodologische Klarheit gerichtet; darf er dann stets den Versuch, Wirtschaften als allgemeingültiges Problem zu erfassen, gegen sein lediglich eine historische Episode kennzeichnendes System ausspielen? Diesen Tatbestand drücken die auf die gegenwärtige Bedeutung der äußeren Tcchnik abzielenden Worte klar genug aus. Außerdem betont Amonn in seinem Aufsatz: „Gegenwartsaufgaben der Nationalökonomie" S. 503 nochmals . . . „daß es doch selbstverständlich ist und gleich aus meiner Einleitung (cf. der „Grundzüge der Volkswohlstandslehre") mit ganz unzweifelhafter Klarheit hervorgeht, daß es die moderne Volkswirtschaft ist, die als Erfahrungsobjekt meiner Darstellung zugrunde liegt. Aber das hat nun wieder gar nichts mit einer grundsätzlichen Beziehung des Erkenntnisobjektes auf eine bestimmte Epoche, wie der modernen Zeit zu tun." Auf eine bestimmte Epoche sind auch Amonns „Objekt und Grundbegriffe der Theoretischen Nationalökonomie" abgestellt. Dagegen hält Amonn auf S. 513 desselben Aufsatzes hauptung" fest, daß das Ausgehen von dem Problem logisch, ohne vorzeitige einschränkende Orientierung unlösbare Schwierigkeit einer eindeutigen Bestimmung mit sich bringt.

wiederum an der „Be„Wirtschaften" — rein am „Sozialen" — „die des Wirtschaftsbegriffes"

Auch diese wie die nächsten Worte in Amonns Aufsatz vermag ich lediglich als „Behauptungen" anzusehen, nicht als zwingenden Beweis, wie unser engeres Fachgebiet zu begründen ist. D a ß das nicht-soziale Wirtschaften nicht mit der „Hauswirtschaft" beginnt und aufhört, dürften meine bisherigen Ausführungen gezeigt haben, die noch weiter erhärtet werden 35 ). Soll allen Bedürfnissen — ganz oder nur zum Teil — entsprochen werden, so müssen die Bedürfnisse dann in die wirtschaftliche Erwägung einbezogen wer33 )

Vgl. außer diesen Arbeiten seine bereits genannte Untersuchung „Ricardo als Begründer der theoretischen Nationalökonomie", Jena 1924, seine „Grundzüge der Theoretischen Nationalökonomie", Bern 1948, und sein Buch „Wirtschaftspolitik auf Irrwegen", Frankfurt am Main 1958.

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den, wenn die Kosten, die ein Lust- oder Unlustgefühl hervorrufen können, berücksichtigt werden müssen. Und ohne dem Denken Gewalt anzutun, können die wirtschaftlichen Erwägungen und Handlungen von dem allgemein-rationalen Erwägen und Handeln, von dem Motiv einer Handlung und dem Moment der Bedürfnissättigung auseinandergehalten werden. Das mag nodi an dem Problem des „Schenkens" erhärtet werden. Wenn ich eine Schenkung mache, kann diese Handlung als Kosten empfunden werden. Als Folge einer Erwägung, ob idi das Gut für mich verwende oder ohne Gegenleistung fortgebe, entschließe ich mich zur Schenkung. Dieses Gut kann für mich wertlos wie von großem Wert sein; immer bleibt die Schenkung für mich eine „Lusthandlung". M u ß ich mir das Gut mit eigener Arbeitskraft wiederbeschaffen, so ist die vorgestellte, mit der Schenkung verbundene Kostenempfindung die für die Wiederbeschaffung aufzuwendende Arbeitskraft, ohne daß diese ihrerseits eine „ U n l u s t " zu verursachen braucht, sondern mir im Gedanken an die einem Mitmenschen bereitete Freude doppelte Freude bereiten kann. D i e Kostenempfindung liegt lediglich in der Beschränkung der Arbeitskraft oder materieller Mittel, die ich sonst anderweitig für die Erreichung eines anderen „Lustgefühls" aufgewendet hätte. Die Erwägung, ob ich schenken soll oder nicht, bezieht sich auf das „Lustgefühl", das ich mit dem Schenken empfinde und auf das „Lustgefühl", das ich empfinde, wenn ich das eigentlich für die Schenkung gedachte Objekt anderweitig verwende. Kosten können ein Lust- oder ein Unlustgefühl hervorrufen. Das ist etwas grundsätzlich anderes, als es Liefmann meint, für den Kosten mit der durch die Arbeitsmühe hervorgerufenen Unlustempfindung identisch sind. Wenn Lief mann meint, daß sich das auf die Frage: ob ich schenken soll oder nicht, beziehende Nutzen- und Kostenvergleichen das eigentliche Wirtschaften ist, das Schenken selbst aber deswegen nicht, weil es nicht der „eigenen" Bedarfsbefriedigung dient, so ist diese Auffassung Liefmanns mit seiner psychischen Wirtschaftsauffassung, eben als Vergleich von „Lust- und Unlustgefühl", nicht vereinbar. Das Bedürfnis, zu schenken, kann in die wirtschaftliche Überlegung einschlagen, wenn bezüglich sämtlicher Bedürfnisse die Kosten berücksichtigt werden müssen. H a t nun Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld die herkömmliche „Güterlehre" mit ihrem Angelpunkt, dem „Güterwert", wirklich durch eine umfassendere Problemstellung zu ersetzen vermocht, wie er in scharfer Ablehnung aller bisherigen Theorien vermeint? Gottl sieht das Problem „Wirtschaften" in dem „Erwägen, ob und in welchem Umfange es (vergleiche zum Beispiel die Bestellung des Ackers als technisches Moment) geschehen soll, und darüber in umsichtiger W a h l den Entscheid treffen" 3 6 ). Inhaltlich unterscheidet sich diese Umschreibung von der herkömmlichen Theorie dadurch, daß der Tatbestand nicht durch „ M e r k m a l e " (eben durch das „Sach-

M)

F. v. Gottl-Ottlilienfeld, „Wirtschaft und Technik" in „Grundriß der Sozialökonomik", II. Abt., 2. Teil, Tübingen 1923.

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g u t " u s w . ) aus d e m Leben „ h e r a u s g e s c h n i t t e n , s o n d e r n n u r herausgesehen im Gesichtswinkel des G r u n d p r o b l e m s " 8 7 ) .

wird

D e r g a n z e Mensch s t e h t f ü r das „lebenstheoretische D e n k e n i m B l i c k f e l d " . D e r Mensch ist nicht d u r c h die „ ä u ß e r e G ü t e r k n a p p h e i t " z u m W i r t s c h a f t e n g e z w u n gen — d e n n „ a u c h b e i m W e g d e n k e n aller U n z u l ä n g l i c h k e i t e n (auf , ä u ß e r e G ü t e r k n a p p h e i t ' b e z o g e n ) aus d e r W e l t (folgerichtiger noch als es im W i r t s c h a f t s m ä r c h e n v o m S c h l a r a f f e n l a n d e a u s g e m a c h t ist) b e d ü r f t e i m m e r noch d e r V e r z e h r seiner O r d n u n g , u m unser D a s e i n z u v e r b ü r g e n , u m nicht gleichsam im Ü b e r f l u ß z u ersticken" 3 8 ) — , s o n d e r n d e r „ g r u n d s ä t z l i c h e W i d e r s p r u c h ist d a m i t gegeben, d a ß alles W o l l e n als solches u n b e s c h r ä n k t , alles K ö n n e n stets b e g r e n z t ist" 3 9 ). D a s W i r t s c h a f t e n v o l l z i e h t sich nach Gottl im menschlichen Z u s a m m e n l e b e n , aus i h m e n t s p r i n g e n die G e b i l d e verschiedenster A r t . Sie sind d e r eigentliche Blickp u n k t , w o h i n g e g e n d a s „ I n d i v i d u u m als P e r s o n n u r p e r i p h e r i s c h i m Blickfelde s t e h t " 4 0 ) . D e r Z u s a m m e n h a n g d e r G e b i l d e ist ein loses N e b e n e i n a n d e r , ein V e r flochtensein zu „ I n - u n d U m g e b i l d e n " in m e h r f a c h e n A b s t u f u n g e n . „ I m Z u g e aller dieser V e r w i c k l u n g e n b a u t sich d a s menschliche Z u s a m m e n l e b e n a u f als Wechselspiel v o n L e b e n zu L e b e n — G e b i l d e u n d P e r s o n e n . " D a s ist f ü r Gottl — v o r seinen wissenschaftlich v ö l l i g a b w e g i g e n , den N a t i o n a l s o z i a l i s m u s geistig f ö r d e r n d e n E n t g l e i s u n g e n — das n a t i o n a l ö k o n o m i s c h e G r u n d p r o b l e m . „ M a n d e n k t n a t i o n a l ö k o n o m i s c h in lebenstheoretischem Stile, s o b a l d m a n a n die Schicksalswelt l e t z t e n E n d e s die F r a g e richtet: W i e gestaltet sich menschliches Z u s a m m e n l e b e n im Geiste d a u e r n d e n E i n k l a n g s v o n B e d a r f u n d D e k kung"41)? W i e die F o r m e n des Z u s a m m e n l e b e n s i m m e r sein m ö g e n : o b „ k a p i t a l i s t i s c h " , ,-munizipalistisch", „oikistisch", „sozialistisch" u n d so f o r t , d a s „ w a h r h a f t U n w a n d e l b a r e aller W i r t s c h a f t " r u h t in d e m „ a u s Z w a n g d e r V e r n u n f t " sich v o l l z i e h e n d e n „ Z u s a m m e n l e b e n im Geiste d a u e r n d e n E i n k l a n g s v o n B e d a r f u n d D e c k u n g " . „Dieses b l o ß e V e r n u n f t g e r i p p e jeglicher W i r t s c h a f t ist o f f e n b a r ein w a h r h a f t zeitlos gültiges: die „ E w i g e W i r t s c h a f t " 4 2 ) . Ist es d e m Wesen n a d i w i r k l i c h e t w a s a n d e r e s , w e n n Gottl a n s t a t t v o n d e r K o n k u r r e n z der B e d ü r f n i s s e , v o n d e m Vergleichen v o n N u t z e n u n d K o s t e n i m H i n b i i d t auf alle B e d ü r f n i s s e , v o n d e r „ K o n k u r r e n z der Z w e c k e " , v o n d e r „ A l l z w e c k m ä ß i g k e i t " spricht u n d f o l g e n d e F o r m u l i e r u n g w ä h l t : „ H a n d l e so, d a ß D u bei d e r V e r f o l g u n g des einen Zweckes den a n d e r e n Z w e c k e n möglichst

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) „Vom Wirtschaftsleben und seiner Theorie" in „Wirtschaft als Leben", Jena 1925, S. 713. ) „Wirtschaft und Technik", S. 11. Wenn Carl Brinkmann in seiner „Wirtschaftstheorie" S. 24 sagt, daß „man auch im Schlaraffenlande für die gebratenen Tauben wenigstens den Mund öffnen müßte", so trifft diese Formulierung zweifellos nicht den Kern der Frage, ob und inwiefern auch im Schlaraffenlande gewirtschaftet werden müßte. 30 ) „Vom Wirtschaftsleben und seiner Theorie", S. 710. 40 ) Ebenda, S. 708. 41 ) Ebenda, S. 713. 42 ) Ebenda, S. 714/715. 38

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wenig Abbruch tust" 43 )? Es ist doch nur ein Streit um Worte, der mit dem Vorwurf des „Psychologismus" nicht entschieden ist. Die Formulierung des zweiten Goiierc'schen Gesetzes lautet: „Der Mensch, dem die Wahl zwischen mehreren Genüssen freisteht, dessen Zeit aber nicht ausreicht, alle vollauf sich zu bereiten, muß, wie verschieden auch die absolute Größe der einzelnen Genüsse sein mag, um die Summe seines Genusses zum größten zu bringen, bevor er auch nur den größten sich vollauf bereitet, sie alle teilweise bereiten, und zwar in einem solchen Verhältnis, daß die Größe eines jeden Genusses in dem Augenblick, in welchem seine Bereitung abgebrochen wird, bei allen noch die gleiche bleibt" 44 ). Auch bei den Klassikern ist der „Grenzgedanke" vorhanden, insofern, als der „ W e r t " der „beliebig vermehrbaren G ü t e r " sich nach den Kosten der zur Befriedigung des Bedarfs noch notwendigen Arbeitsmenge richtet. Dem klassischen System fehlte aber der einheitliche Angelpunkt, um den sich das ganze System gleichsam drehte. U n d daß der unausgesprochene „Grenzgedanke" der Klassiker sich logisch auf einer anderen, gleichsam höheren Ebene der Erkenntnis bewegt, sollte heute eigentlich Allgemeingut der Erkenntnis sein; auch daß „objektive" und „subjektive" Grundlagen der Systeme nicht sich ausschließende Gegensätze sind. So besagen auch die Formulierungen Gossens — unter Berücksichtigung der Stellung der auf äußere Güter bezogenen Kategorie „ G e n u ß " im Mittelpunkt seiner Theorie — und Gottls dem Wesen nach dasselbe, nur, daß der letztere ebenfalls von einem höheren Blickfeld aus an die Erklärung herangeht 45 ). Der Unterschied der Lehre Gottls, der subjektiven Wertlehre, der Theorie Gossens, der Grenznutzentheorie und Grenzertragslehre Liefmanns zu der von mir vorgetragenen Auffassung vom Problem „Wirtschaften" ist offensichtlich. Die herkömmliche „Güterlehre" soll überwunden werden. Aber im Gegensatz zu dem Bemühen Gottls, Wirtschaft als Leben zu sehen, ist bei meinem Versuch der Schwerpunkt in das verstehend und erklärend Psychologische verlegt. Dieses Vorgehen braucht selbstverständlich nicht die Aufgabe der physiologischen Psychologie als naturwissenschaftlichem Verfahren, seelische Prozesse in ihrem funktionellen Zusammenhang zu erklären, zu erfüllen. Denn die der Ausdruckshandlung zugrunde liegende Erwägung über die Ausführung der Motive zu klären, ist Aufgabe der verstehenden und erklärenden Psychologie als der Psychologie des Lebens, ohne die keine sozialwissenschaftliche Disziplin auskommt. Während f ü r Gottl — allem Psychologismus in seiner „unsäglich hölzernen Kontrastierung von Lust und Unlust" abhold 46 ) —, stets das bestimmt «) „Wirtschaft und Technik", S. 210. 44

) H. H. Gossen, a. a. O., S. 11/12; vgl. auch meine Liefmann-Schrift, S. 124 ff. ) A u d i Frieda Wunderlich weist in ihrem A u f s a t z : „Der Zweck der Wirtschaft" in Franz Oppenheimer-Festschrift, S. 177, auf diesen Tatbestand hin. 46 ) Bezüglich der sehr bemerkenswerten, auch heute noch nicht genügend gewürdigten Lehre Hermann Heinrich Gossens meint v. Gottl in „ D i e wirtschaftliche Dimension", Jena 1923, S. 212/214, „sie sei nur ,Allerweltserfahrung', dieses ,Gedänklein v o m Grenznutzen' sei nur ein recht bescheidener Witz, eine eigenartige Redensweise, um Einfaches schwierig auszudrücken". Diese Art der Kritik ist ebenso bedauerlich, w i e wissenschaftlich nicht stichhaltig. D e n n hinsichtlich der auf Allgemeingültigkeit abzielenden Grundlegung der Wirtschaftswissenschaft sind die Gedankengänge Gossens nicht zu übergehen. 45

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gerichtete soziale Verhalten, etwas Äußeres, — und zwar auch an äußeren Gütern und Leistungen orientiert — Tatbestand der nationalökonomischen Theorie ist, sehe ich das Problem „Wirtschaften" wesentlich umfassender und vertiefter. Denn nicht nur das Bedürfnis des Essens, des Sichkleidens, des Wohnens, des Reisens, äußere persönliche Leistungen zu irgendeinem Zweck entgegenzunehmen, um nur einige, auf äußere materielle und immaterielle Güter und Leistungen bezogene Bedürfnisse zu nennen, sondern auch die Bedürfnisse, wissenschaftlich oder sonst rein geistig zu arbeiten, zu wandern, Sport zu treiben usw. können ins Wirtschaften einschlagen 47 ). Und zwar wird jedes Bedürfnis, das f ü r sich — eben ohne Rücksicht auf die übrigen Bedürfnisse — rein rational befriedigt zu werden vermag, wenn es nämlich nicht triebhaft befriedigt wird, dann der wirtschaftlichen Erwägung unterzogen, wenn ein eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung einschränkendes Ereignis eintritt, so daß die Nichtbeachtung der notwendig gewordenen neuen Erwägung empfindliche Kosten verursachen würde. Die Dringlichkeit der übrigen ideellen und materiellen Bedürfnisse verhindert sonst die Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses, das nunmehr notwendigerweise in die auf den Bedürfniszusammenhang abgestellte Erwägung und das entsprechende (innere oder äußere) Handeln einbezogen wird. D a ß bei der gegebenenfalls notwendigen Einbeziehung sämtlicher, nicht nur der äußeren materiellen Bedürfnisse in das Wirtschaften die wirtschaftlichen Erwägungeil und Handlungen von dem allgemein-rationalen Erwägen und H a n d e l n und dem Moment der Bedürfnissättigung auseinandergehalten zu werden vermögen, ist an anderer Stelle ausführlich zu beweisen versucht worden und geht auch aus der vorliegenden Analyse hervor 4 8 ). Das Leben in seiner reichen Mannigfaltigkeit, nicht ein besonderer Teil als E r fahrungsobjekt, gibt das Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaft wie der anderen Disziplinen ab. Nicht ein „Sachgut" oder eine besonders geartete „menschliche Beziehung" (Gesellschaft, Volkswirtschaft oder ähnliches) sind von vornherein den Problemkreis verengende Momente, woraus sich dann das Problem „Wirtschaften" ableitet, sondern dasselbe ist aus dem gesamten Lebensbereich heraus zu sehen. U n d zwar anders, als es v. Gottl darzulegen versucht hat, dessen Lehre den Titel „Ewige Wirtschaft" zu Unrecht trägt. Daher ist es sinnwidrig, vom „Wirtschaftsmenschen" zu sprechen. Der Mensch kann nicht nach einzelnen Erwägungen und Handlungen aufgespalten werden, um zu klarer Erkenntnis zu kommen. Man braucht nur das „Wirtschaften" der Erfahrung gemäß logisch stichhaltig zu erkennen und als einen Teilbereich des menschlichen Lebens zu sehen. Man wird dann ohne irgendwelche der E r fahrung widersprechenden Konstruktionen den ganzen Menschen in seinem viel47

) Das ist eine grundsätzlich andere Erklärung als sie Gottl auch in seiner kleinen Reclam-Schrift „Wesen und Grundbegriffe der Wirtschaft", S. 3/4 ausdrückt unter Bezugnahme auf sein Werk „Wirtschaft und Wissenschaft" und seine früheren Arbeiten. 48 ) Vgl. meine Schrift: „Robert Liefmanns Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge", ferner meinen Aufsatz: „Das Problem .Wirtschaften' als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft" in Schmollers Jahrbuch 1944.

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fältigen Handeln — je nach seinen Bedürfnissen und Zielsetzungen — erkennen können. Nach der herrschenden Theorie wirtschaften Millionen und Abermillionen Menschen in allen Staaten nicht, "weil sie sich aufgrund ihrer hohen Einkommen und großen Vermögen über alle „Güterknappheit" hinwegzusetzen vermögen. Das können u. a. Bankiers, Manager großer Aktiengesellschaften, Einzelunternehmer, Politiker, hohe Beamte, Gewerkschaftsfunktionäre in Spitzenstellungen, Professoren sein, also gerade die Leute, die dauernd über die Wirtschaft reden, und deren Frauen und Kinder! Und im Sozialismus oder Kommunismus brauchten oder brauchen dann die hohen Funktionäre auch nicht zu wirtschaften; desgleichen brauchten oder brauchen es nicht die Bischöfe der christlichen und die hohen Würdenträger anderer Glaubensgemeinschaften. Dasselbe gilt dann auch für Millionen und Abermillionen kranke oder körperlich behinderte Mensdien, obgleich gerade sie nur ein begrenztes körperliches und seelisches Fassungsvermögen haben. Und verhält es sich mit den Millionen und Abermillionen mehr religiös als materiell veranlagten Zugehörigen zu den Entwicklungsvölkern — darunter Millionen Analphabeten — in Asien, Südamerika, Mexiko und Afrika etwa anders? Die Modell-Theorie der „Normalen" — auch ohne Unterscheidung nach ihrem Alter — hat für alle diese Millionen Menschen in der T a t keine Bedeutung und führt daher wirtschafts- und gesellschaftspolitisch oft zu mehr oder weniger verhängnisvollen Fehlschlüssen. Denn, was an Gütern, volkswirtschaftlich gesehen, knapp ist, muß für Millionen Menschen von ihrem individuellen Standpunkt aus gesehen nicht knapp sein! Der Fehler der noch herrschenden Theorie liegt darin, daß sie von der „Volkswirtschaft" anstatt von den Bedürfnissen (im weitesten Sinne) der einzelnen Menschen ausgeht. Die Wirtschaftswissenschaft ist nicht auf dem Begriff der „Volkswirtschaft" in dem gemeinhin verstandenen Sinne oder auf dem der „Wirtschaft" als einer Zusammenfassung von an knappen Gütern und persönlichen Leistungen orientierten wirtschaftlichen Tauschbeziehungen und den aus ihnen entspringenden Gebilden aufzubauen, sondern auf der Tätigkeit, dem Wirtschaften allein, das stets auf das Ich bezogen ist. Sämtliche möglichen Sozialwirtschaftsformen sind nur abgeleitet, sind Mittel zum Zweck für den einzelnen Mensdien, dessen Wirtschaften über die Sachgüterorientierung hinausgeht. Das Wirtschaften ist eine logisch-reine Kategorie, an kein bestimmtes Objekt („Gut der äußeren N a t u r " , „äußere persönliche Leistungen") gebunden, unabhängig von einer Ich-Du-Beziehung, der Ausdruck einer a priori in dem Menschen ruhenden reinen praktischen Vernunft 4 9 ). 40)

W e n n sich in dem sonst aufschlußreichen Buch von Alfred, Müller-Armack „Genealogie der Wirtschaftsstile. Die geistesgeschichtlichen Ursprünge der Staats- und Wirtschaftsformen bis z u m Ausgang des 18. J a h r h u n d e r t s " , Stuttgart 1 9 4 4 , S. 7, d e r Satz find e t : „ D i e Idee, daß sich das menschliche Wirtschaften in geschichtlich grundverschie-

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Aus dem rationalen Vergleichen des rein subjektiv aufzufassenden Nutzens und der ebenso aufzufassenden Kosten im Hinblick auf ein bestimmtes Bedürfnis ergibt sich der nicht in der Außenwelt wahrnehmbare Ertrag des Einzelnen. D a s rein rationale Ertragsstreben wird zum wirtschaftlichen Ertragsstreben durch die Berücksichtigung des Bedürfniszusammenhanges und der zur Befriedigung der einzelnen Bedürfnisse aufzuwendenden Kosten. Nutzen, Kosten und E r t r a g stehen durch alle Bedürfnisse im Zusammenhang; d . h . : der Ertrag, der sich aus dem Vergleichen von N u t z e n und Kosten im Hinblick auf ein Bedürfnis ergibt, wird bestimmt durch das Verhältnis von Nutzen und Kosten in bezug auf alle anderen Bedürfnisse des Wirtschaftsplanes. D a ß bei dieser erweiterten Fassung des Problems „Wirtschaften" ein von vornherein Gegebensein der Bedarfsmengen in F o r m v o n äußeren materiellen Gütern und Leistungen, die dann auf die einzelnen Bedürfnisse zwecks ihrer Befriedigung verteilt werden, nicht zwingend ist, dürfte ersichtlich sein. Die herrschende „Güterlehre" sieht gar nicht, zu welchen der Erfahrung widersprechenden unlogischen Folgerungen sie notwendigerweise kommt, wenn sie das Problem „Wirtschaften" auf das an der relativen oder absoluten K n a p p h e i t der äußeren materiellen Güter und äußeren Dienstleistungen orientierte E r wägen oder nur Handeln in der Bezugnahme auf die mit ihnen zu befriedigenden Bedürfnisse beschränkt, soweit nicht überhaupt nur der auf dem M a r k t z u m Ausdruck kommende Bedarf nach diesen Objekten als z u m Tatbestand der Wirtschaft gehörig angesehen wird. Wir hätten danach gleichsam zwei Bedürfnisgruppen im Menschen zu verzeichnen: die eine G r u p p e zu einer Bedürfnisskala geordnet, die an den besagten äußeren materiellen Objekten orientiert ist, und in der anderen wären alle die Bedürfnisse enthalten, die nicht mit diesen Objekten zu befriedigen sind: geistige wie physische, aber nicht materielle Bedürfnisse. Bezüglich dieser Bedürfnisse wird m a n nicht behaupten wollen, daß sie unbedingt nur triebhaft befriedigt werden, am wenigsten ein geistiges Bedürfnis. Auch diese geistigen und physischen Bedürfnisse, die nicht mit äußeren materiellen Gütern oder Dienstleistungen zu befriedigen sind, müssen nach ihrer Dringlichkeit befriedigt werden. Der Mensch muß also auch sie in ihrer G e samtheit betrachten und erwägen, welche Bedürfnisse und in welchem A u s m a ß er sie befriedigen will. Wir hätten also zwei Tatbestände zu verzeichnen: D i e Ordnung der mit äußeren materiellen Gütern und Dienstleistungen zu befrie-

denen Formen vollzieht, ja, Stilepochen kennt, wie sie uns aus der Kunstgeschichte geläufig sind, ist dem D e n k e n früherer Zeiten keineswegs so selbstverständlich erschienen", und er d a z u bemerkt, daß nur der Mensch wirtschaftet, weil nur er es k r a f t seines Verstandes vermag, so ist es zweifellos ein Pleonasmus, v o m „menschlichen" Wirtschaften z u sprechen. Z u m anderen w ä r e es meines Erachtens gerade in einer solchen Genealogie der Wirtschaftsstile als der verschiedenen möglichen Formen des Wirtschaftens angebracht gewesen, von der F r a g e auszugehen, worin sich denn nun das Wirtschaften v o n den anderen Lebensbereichen unterscheidet. Denn nur auf dieser allgemeingültigen G r u n d l a g e kann der Versuch, die verschiedenen U r s p r ü n g e unserer K u l t u r zu erklären, wirklich fest verankert werden.

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digenden Bedürfnisse zu einer Dringlichkeitsskala auf Grund des Vergleichens von Nutzen und Kosten einerseits und die Ordnung der nicht mit diesen äußeren Mitteln zu befriedigenden Bedürfnisse auch zu einer Dringlichkeitsskala auf G r u n d des Vergleichens von Nutzen u n d Kosten andererseits — eben soweit die Befriedigung dieser Bedürfnisse auch mit Kosten verbunden ist. Niemand wird behaupten können, daß die Bedürfnisse des Menschen nadi zweierlei Gesichtspunkten unterschieden und geordnet werden können und d a ß die zweite Bedürfnisskala mit der ersteren in keinem Zusammenhang steht. Die Wertungen des Menschen sind infolge der Tatsache, d a ß alle Bedürfnisse des Menschen in Zusammenhang stehen, nur unter dessen Berücksichtigung vorzunehmen. Das Nutzen- und Kostenvergleichen in bezug auf die Befriedigung eines (tatsächlich auftretenden oder vorgestellten) Bedürfnisses wirkt sich naturgemäß auf sämtliche übrigen Bedürfnisse in der Weise aus, daß ihre teilweise Nichtberücksichtigung negative Folgen haben und gegebenenfalls dadurch auch mehr Kosten verursachen würde. Die Bedürfnisse — tatsächlich empfundene und vorgestellte — treten ins Bewußtsein, und das Wirtschaften beginnt damit, daß man jedes Bedürfnis zu den zu ihrer Befriedigung notwendigen Kosten in Beziehung setzt u n d den aus dem Nutzen- und Kostenvergleichen gewonnenen Ertrag hinsichtlich einer Bedürfniskategorie mit den Erträgen hinsichtlich sämtlicher anderen Bedürfniskategorien vergleicht. U n d zwar ergibt sich erst bei dem N u t z e n - und Kostenvergleichen, dem Erwägen in bezug auf alle Bedürfnisse, wieviele Kosten f ü r die Befriedigung der einzelnen Bedürfnisarten aufgewendet und bis zu welchem Grade sie befriedigt werden können, soll der größtmögliche Gesamtertrag im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala erzielt werden. Das wirtschaftliche (innere oder auch äußere) H a n deln erstreckt sich dann darauf, d a ß entsprechend der angestellten wirtschaftlichen Erwägung vorgegangen wird. Das Wirtschaften nur als ein Erwägen, ohne das ihm entsprechende Handeln, anzusehen, oder umgekehrt, das Wirtschaften nur als ein H a n d e l n und das ihm vorausgehende Erwägen nur als „vorwirtschaftlich" zu betrachten, ist erfahrungsgemäß logisch unmöglich. Gemäß dem Prinzip der „technischen Vernunft", das fälschlicherweise immer als das „wirtschaftliche Prinzip" ausgegeben wird, wird der Wirtschafter bei seinem Erwägen und H a n d e l n im Hinblick auf alle Bedürfnisse danach trachten, ja trachten müssen, möglichst exakt vorzugehen. Das ist die Technik des Wirtschaftens im Gegensatz zum Wirtschaften selbst. Wie der Einzelne in seinem wirtschaftlichen Erwägen und Handeln vorgeht und wie die Vergleichung der verschiedenen, zu ihrer Befriedigung aufzuwendenden Kosten ermöglicht wird, ist ebenfalls in meiner erwähnten Schrift ausgeführt worden 5 0 ).

•'") Wie ungemein wichtig die wirklich stichhaltige Grundlage der Wirtschaftswissenschaft als der Lehre vom „Wirtschaften" und seinen verschiendenen möglichen Formen: Ordnungen und Einheiten ist, geht immer wieder aus neuen Lehrbüchern hervor, die ja in allererster Linie für die Studierenden bestimmt sind. Es bedeutet keineswegs einen Fortschritt, wenn weiterhin an der alten Auffassung von der Wirtschaft, geschweige

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Soweit das Wirtschaften nicht nur rein individuell, sondern auch sozial bezogen ist, hat es keine dienende Funktion. Es ist kulturellen Zwecken nicht untergeordnet. Denn es ist eine besondere Methode, allen tatsächlich aufgetretenen und vorgestellten Bedürfnissen zu entsprechen. Der Mensch — gleich, auf welcher Entwicklungsstufe — wirtschaftet oder wirtschaftet nicht. Wirtschaftet er, dann kann er als geistig höher stehender Mensch umsichtiger wirtschaften als ein weniger begabter Mensch. Das hat nichts mit Kultur zu tun, sondern mit Technik. Die Differenzierung der Bedürfnisskala ist der Ausdruck einer bestimmten Kulturstufe. Das auf sie bezogene arbeitsteilige Wirtschaften vollzieht sich dem Wesen nach genau so, wie in bezug auf eine weniger differenzierte Bedürfnisskala. Der Unterschied liegt in der Art, in welchem Geist und wie ihr entsprochen wird. Überdies darf man das Motiv einer Handlung nicht mit der Erwägung, die zu der inneren und/oder äußeren Handlung führt, verwechseln 51 ). Nunmehr ist deutlich geworden, daß und warum die Wirtschaftslehre der Griechen, der Römer, der Scholastik, der Merkantilisten, der Physiokraten, der nationalökonomischen Klassiker, der Sozialisten und Marxisten, der Grenznutzentheoretiker — in Abweichung hiervon die Genußlehre Hermann Heinrich Gossens —, ferner die Lehre Robert Liefmanns und die der Neo-Klassiker nidit ausreicht, um die Wirtschaftswissenschaft auf einer eindeutigen, für alle Zeiten und Völker — gleich, in welcher Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung sie leben — gültigen Grundlage aufbauen zu können, und daß und warum die Auseinandersetzung mit so vielen Autoren notwendig ist 52 ). e) Wirtschaften und sog. „wirtschaftliches Prinzip" Es ist erstaunlich, daß auch über das Verhältnis von Wirtschaft, geschweige Wirtschaften und Technik so wenig Klarheit besteht. Und doch ist in dieser Beziehung beinahe das abschließende Wort gesprochen worden. Nachdem im Jahre vom „Wirtschaften" festgehalten wird, weil man methodologisches Untersuchen f ü r unbrauchbar hält, „auf den Panzer methodologischer Kommentare" (Schumpeter) verzichten zu könen vermeint und einfach nach herkömmlicher Meinung davon ausgeht, daß „die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs nach Gütern Wirtschaft heißt", wie sich auch H. v. Stackelberg ausdrückt, nach dem „der Bedarf aus der Tatsache entsteht, daß Menschen f ü r ihre verschiedenen Zwecke Mittel der äußeren Welt, d. h. Güter benötigen", die relativ knapp sind (in „Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre", Stuttgart 1 9 4 3 , S. 1). Und dann kommt die übliche Einteilung in „wirtschaftliche" und „nicht-wirtschaftliche" Güter, und die ersteren wieder nach Carl Menger in Güter erster, zweiter und dritter Ordnung. Gerade in sonst beachtlichen Lehrwerken f ü r die Studierenden kann in der Grundlegung gar nicht ernst genug vorgegangen werden. Das bedingt aber immer wieder die Uberprüfung der sich aus der wissenschaftlichen A r beitsteilung ergebenden Erkenntnisse und die Angleichung an sie. 5 1 ) Hier handelt es sich um die wirtschaftswissenschaftliche und um die gesellschaftswissenschaftliche Problematik. 52 ) Über die Wirtschaftslehre der Weltreligionen siehe mein Buch „Der Weltkommunismus und die Weltreligionen zur Eigentumsfrage. Eine gesellschaftspolitische Analyse", 2. erweiterte Auflage, München 1980.

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1895 Heinrich Dietzel bemerkt hatte, „ d a ß das wirtschaftliche Prinzip nicht ein spezifisch wirtschaftliches, sondern ein allgemeines Rationalprinzip sei 53 ), hat es Arno Winter seinerseits im Anschluß an v. Gottls Kritik an den Grundbegriffen unseres Fachgebietes und seine Untersuchungen über „Wirtschaft und Technik" 54 ) unternommen, noch einmal die Unhaltbarkeit der Ansicht nachzuweisen, daß das „wirtschaftliche Prinzip" ein konstitutives Element f ü r die Begründung einer selbständigen Wissenschaft von dem Wirtschaftsleben sei, wobei er sich — sogar in gleicher Sprache — völlig auf den Boden der Lehre seines Meisters stellt 55 ). U n d ich meinerseits darf auf meine Kritik an Liefmanns irrtümliche Identifizierung des sogenannten „wirtschaftlichen Prinzips" mit dem „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge" verweisen 56 ), denn auch für ihn ist das „wirtschaftliche P r i n z i p " das Grundprinzip der Wirtschaftswissenschaft. Den Tatbestand „Wirtschaft und Technik" hat v. Gottl — unter Berücksichtigung seiner besonderen, auch nicht genügend umfassenden Auffassung von der „Wirtschaft", geschweige vom „Wirtschaften" — wie folgt formuliert: „Mithin lebt in Wirtschaft und in Technik einheitlich als ihr Grundgedanke: die Befreiung vom Zufall. Die Wirtschaft, wenn sie die Deckung des Bedarfs zu regeln sucht, die Technik, wenn sie den Vollzug der einzelnen Handlungen zu regeln sucht, sie trachten einhellig nach der segensvollen Verneinung des Zufalls: nach Ordnung. Ihrer Idee nach ist demnach Wirtschaft die Ordnung in den H a n d lungen der Bedarfsdeckung, Technik die Ordnung im Vollzuge dieses H a n delns" 57 ). Diese Formulierung reicht aber nicht aus. Denn es kommt nicht nur auf das Ordnen, sondern auch darauf an, wie der Wirtschafter am erfolgversprechendsten, das heißt unter Berücksichtigung der Kosten, im Hinblick auf die Auswahl der zu befriedigenden Bedürfnisse und damit bezüglich des von ihm ausgewählten Bedürfnisses vorgehen muß bzw. müßte, wobei es eben ganz gleichgültig ist, ob es sich um ein geistiges oder um ein physisches Bedürfnis aus der Rangordnung der zu befriedigenden Bedürfnisse handelt. Der technische Vollzug ist grundsätzlich derselbe in einem Denkvorgang wie in einer äußeren Handlung, beide Male lautet die Devise: Das vorgegebene Ziel mit möglichst geringem A u f w a n d zu erreichen! Sie hat f ü r alles rationale Vorgehen Gültigkeit. Das vermeintliche „wirtschaftliche Prinzip" ist daher nichts anderes als das Prinzip der „technischen Vernunft" insofern, als der einzelne Wirtschafter bei seinem Erwägen u n d H a n d e l n im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse danach trachten wird oder trachten müßte, möglichst genau vorzugehen. 53

) „Theoretische Socialökonomik" 1895, I, § 5. ) In „Grundriß der Sozialökonomik" II. Bd., 2. Teil, 1923. 55 ) In seiner Dissertation „Das wirtschaftliche Prinzip, ein verhülltes Dogma der Nationalökonomie. Ein kritischer Beitrag zur Läuterung nationalökonomisdien Denkens", Hamburg 1929. 5e ) A. a. O., S. 233 ff. Vergleiche auch die Schrift von Halberstaedter: „Die Problematik des wirtschaftlichen Prinzips". Berlin und Leipzig 1925. ") A. a. O., S. 10.

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Auf die Tauschwirtschaft übertragen, heißt es: D i e Fiktion des homo oeconomicus und damit die Annahme des absolut rationalen, das heißt für alle Mensdien gleichgerichteten Verhaltens unter bestimmten Umständen ist die zwingende Voraussetzung f ü r den Entwurf eines Wirtschaftsmodells, durch das das Verstehen wirtschaftlicher Vorgänge erleichtert werden soll. Dieses stets objektiv-rationale Verhalten der Wirtschafter ist nicht lebensnah gedacht, denn grundsätzlidi ist das Wirtschaften subjektiv-rational. Die Technik des Wirtschaftens dagegen kann subjektiv-, aber auch objektiv-rational bedingt sein, insofern als allen Wirtschaftern unter bestimmten Umständen die beste Methode ihres Vorgehens bekannt sein kann. Wie wichtig die endliche Klärung dieses Sachverhaltes ist, geht auch aus dem folgenden Kapitel hervor.

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7. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre Weil die „Allgemeine Volkswirtschaftslehre" im wesentlichen auf den Erkenntnissen der klassischen Lehre fußt, es ihr somit an einer einwandfreien Grundlagenforschung ermangelt und über die Preistheorie und über die mit ihr zusammenhängenden Spezialtheorien die Deutung der Einzelentscheidungen in den Betrieben, geschweige in den Unternehmen vernachlässigt wurde, kam es zu der Forderung, neben die „Volkswirtschaftslehre" die „Betriebswirtschaftslehre" als gesonderte Disziplin zu begründen. U n d das, zumal der weitaus größte Teil ihrer Vertreter — genauso wie die Vertreter der „Volkswirtschaftslehre" — keine langjährige fundierte unternehmerische und betriebliche Praxis aufweisen konnte. D a ß auch mit diesem Bemühen gewisse persönliche Komplexe der Vertreter der „Betriebswirtschaftslehre" gegenüber den „Nationalökonomen" ausgeräumt werden sollten, mag ergänzend bemerkt werden, weil auch dieser T a t bestand f ü r die Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagenforschung nicht unwichtig ist. Bei ihrem Bemühen gehen die Autoren der „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" ebenfalls von der „naturgegebenen Knappheit" der Güter und der N o t wendigkeit aus, sie nach dem „ökonomischen Prinzip" zu überwinden. U n d da auch sie den Kapitalismus als Erfahrungsobjekt der „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" anerkennen, sind für sie der Betrieb und das Unternehmen das Erkenntnisobjekt, um sich dann — völlig abwegig — darüber zu streiten, wer von beiden der Oberbegriff sein müßte 1 ). Das hat zur Folge, daß das Problem „Wirtschaften" nicht erkannt und die Wirtschaft, geschweige das Wirtschaften laufend mit dem technischen Vollzug verwechselt wird. Das Bemühen, eine eigenständige Disziplin „Betriebswirtschaftslehre" zu begründen, ist mangels der einwandfreien Grundlagenforschung von Anbeginn belastet gewesen und ist es auch heute noch. Erich Gutenberg vertritt sogar die nicht zu rechtfertigende Ansicht, daß außer der „Volkswirtschaftslehre" und der „Betriebswirtschaftslehre" die „land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Gegenstand besonderer betriebswirtschaftlicher Disziplinen seien" 2 ). Nach ihm seien ferner „die tedhnischen Vorgänge in den Betrieben Gegenstand der Betriebswissenschaft" als technischer Disziplin, in die die „Arbeitswissenschaft" einzubeziehen sei, und wiederum gebe es als besondere Disziplin die „Arbeitsphysiologie", daneben die „Betriebspsychologie" und die „Betriebssoziologie". Die Gliederung der Betriebswirtschaftslehre sieht nach Erich Gutenberg 1897) wie folgt, aus: 1

(geb.

) Siehe hierzu auch Günter Wöhe: „Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre", 12. Auflage, München 1976, S. 2 ff. 2 ) Erich Gutenberg: „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" 1958, unveränderter Nachdruck Wiesbaden 1975, S. 13.

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1. Sachleistungsbetriebe (Urproduktion, Produktionsgüterindustrie, Konsumgüterindustrie); sie seien entweder anlage- oder kapital- oder material- oder lohnintensive Betriebe. (Hierzu ist zu bemerken, daß es sich diesbezüglich um einen rein technischen Vorgang handelt); 2. Dienstleistungsbetriebe (Handel, Banken, Verkehr, Versicherungen); — auch ihre Aufgaben sind der technische Vollzug des Erwerbswirtschaftens der jeweiligen Unternehmensleitungen, von denen auch Gutenberg — im Gegensatz zum Betrieb — spricht. Deren Aufgabe sei die Führung, in der „das gesamte betriebliche Geschehen kulminiere", ferner die Planung, die die Ziele der Unternehmenspolitik festlege, und die Organisation, die „das unternehmungs- und betriebspolitisch Geplante zu konkretem betrieblichen Vollzug bringe" 3 ). Gewirtschaftet wird im Kapitalismus ausschließlich in den Unternehmen dieser oder jener rechtlichen Struktur bzw. in den verschiedenen Zusammenschlußarten wie Genossenschaften, Interessengemeinschaften, Kartellen, Konzernen, Trusts, die — im Gegensatz zu der Ansicht von Günter Wöhe (geb. 1924) — nicht in die „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" hineingehören 4 ). Denn sie sind Gegenstand der „Kapitalistischen Gebildetheorie". Die Bezeichnung „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" ist unrichtig. Sie ist keine „allgemeine", sondern in Wahrheit eine „kapitalistische" Betriebswirtschaftslehre, in der das Unternehmenswirtschaften und der technische Vollzug in den Betrieben auseinandergehalten werden müssen. Das bedeutet, daß viele Themen, die heute noch als zur Betriebswirtschaftslehre gehörig angesehen werden, in den Bereich der Betriebsorganisation fallen. Es kann sich nur darum handeln, das Unternehmenswirtschaften und den techals wesentliches, historisch oriennischen Vollzug durch die Betriebsorganisation tiertes Teilgebiet innerhalb der Wirtschaftswissenschaft — und nicht der Wirtschaftswissenschaften, wie es fälschlich heißt — darzustellen und zu klären. Die noch herrschende Ansicht, die „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" als selbständige Disziplin weiter zu entwickeln, stößt ins Leere! Die Forderung kann nur lauten: die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft als selbständige Disziplin — neben den anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen und neben den naturwissenschaftlichen Disziplinen — einwandfrei, d. h. allgemeingültig zu fundieren und von hier aus auch die verschiedenen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen als historische Gestaltungen in ihrer Struktur, in ihrem Ablauf, d. h. auch in den Betrieben, darzustellen und zu erklären. So fällt in der sozialistischen oder kommunistischen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung das Unternehmenswirtschaften fort. Und der Teilbereich „Betriebsorganisation" muß unter dem Gesichtspunkt der zentralen bzw. zentralendezentralisierten wirtschaftlichen Planung innerhalb der Wirtschaftswissensdiaft dargestellt und erklärt werden. 3)

4)

Ebenda, S. 21/22. A.a.O., S. 215 ff. 113

8. Kapitel Wirtschaftswissenschaft und Psychologie Vom Kampf gegen den „haltlosen Psychologismus" Wirtschaften ist ein Werten aus dem gesamten Wertungszusammenhang. Im Sinne der psychisch fundierten Theorie sind „Nutzen" und „Kosten" Schätzungsbegriffe, die — entgegen der herrschenden Meinung — an kein bestimmtes äußeres Objekt der Schätzung gebunden sind. Daß man dann audi nicht einem haltlosen Psychologismus zu verfallen braucht, habe ich darzulegen versucht. Dennoch erscheint es notwendig, auf die Frage, inwieweit die Wirtschaftswissenschaft sich der psychologischen Fundierung zu bedienen hat, noch einmal einzugehen. Denn nach wie vor besteht geradezu eine Scheu vor der Behandlung der Grundfragen der Wirtschaftswissenschaft. Die Erkenntnis, daß die Geisteswissenschaften durch die verstehende Psychologie zum Unterschied von der Experimentalpsychologie — aber auch unter Berücksichtigung ihrer Erkenntnisse — unterbaut werden müssen, um wirklich den Tatsachen auf den Grund zu gehen und klärende Ordnung in das mittelbar oder unmittelbar soziale Geschehen zu bringen, nimmt daher nur allmählich zu. Die psychisch fundierte Theorie argumentiert zwar mit den Begriffen „Lust-Unlust", sie sind aber primär nicht im rein naturalistischen Sinne, sondern verstehend aufzufassen, worüber uns insbesondere Wilhelm Dilthey (1833—1911), Karl Jaspers (1883—1969) und Hans Driesch (1867—1941) belehren können. Auch wenn das Nutzen- und Kostenvergleichen sich nicht nur auf gegenwärtig auftretende Bedürfnisse, sondern auch auf Vorstellungen von zukünftigen Bedürfnissen erstreckt, so haben sie nicht an sich Interesse für die psychisch fundierte Theorie. Die dabei aufkommenden Empfindungen sind für sie lediglich Vorstellungsinhalte der Schätzungen. Wenn in der psychisch fundierten Theorie zum Beispiel von Arbeitsleid gesprochen wird, so ist dieser Tatbestand ein psychisch-physisch gearteter, der mit dem Faktor „Kosten" als Schätzungsbegriff nicht identifiziert werden darf. Ein Moment, das nicht immer die notwendige Beachtung findet. Audi bei Jevons und Walras bis zu Liefmann wird dieser Tatbestand nicht scharf genug herausgearbeitet. Wenn Liefmann sich häufig der Redewendung bedient, „letzten Endes sind die Kosten auf Arbeitsmühe zurückzuführen" und im Hinblick darauf von Kosten als „Unlustgefühl" spricht, wenn er weiterhin den Nutzenüberschuß mit dem Genuß — in Anlehnung an Gossen — identifiziert, so sieht er nicht, daß die psychisch fundierte Wirtschaftswissenschaft es nicht mit Motiven der Erwägung und des Handelns und mit Gefühlen zu tun hat, die bei dem Handeln oder in Verfolg des Handelns aufkommen, sondern nur mit dem Vergleichen von Nutzen und Kosten als Schätzungsbegriff. Wenn ich jemanden etwas schenke, so bedeutet es im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala zweifellos ein Opfer, auch wenn das Schenken als solches Freude bereitet. Kosten sind im wirtschaftlichen Sinne nicht unmittelbar physischer Verlust, sondern Vorstellungsinhalte

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bei dem Erwägen, welchen von allen Bedürfnissen ich den Vorrang gebe und welche ich notwendigerweise unberücksichtigt lassen muß, um sie nach ihrer wirklichen Dringlichkeit befriedigen zu können. Das Wirtschaften ist ein Werten, und zwar ein ganz bestimmt orientiertes Werten, das nicht auf das „Wertsystem" im Sinne der herrschenden Güterlehre bezogen ist. Denn der Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Wertens ist in Wahrheit ein anderer. U n d zwar ist das Wirtschaften im Sinne der verstehenden Psychologie ein bestimmt orientiertes, rationales Vorgehen, ein Werten aus dem gesamten Wertungszusammenhang, das nicht nur an den einzelnen, in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander stehenden Güterwerten orientiert ist. Der Wertungszusammenhang des einzelnen Wirtschafters ist also grundsätzlich ein anderer als das Wertsystem der herrschenden „Güterlehre". Mit dem Vergleichen von Nutzen und Kosten im Hinblids auf alle Bedürfnisse wird eine Vielheit von Wertungen vorgenommen. Diese Erwägungen sind nichts anderes als „geteilte" Wertschätzungen, die in der Marktsphäre zu rechenhaften Wertungen werden und so die Brücke zu den „objektiven", (relativ) allgemeingültigen Werten, den Preisen, bilden. Die Wertsdiätzungen werden unter bestimmten Bedingungen zu Wenherechnungen, die ebenfalls mit dem naturalistischen Begriffspaar „Lust" und „Unlust" nichts gemein haben 1 ). Ohne eine so verstandene Fundierung ist die Wirtschaftswissenschaft als besondere Disziplin nicht möglich. Es erscheint daher zweckmäßig, „ N u t z e n " und „Kosten" ihres naturalistischen Charakters, den sie bei vielen Autoren dieses Fachgebietes gefunden haben, zu entkleiden 2 ). Bezüglich der mathematischen Illustrierung im Sinne der reinen Theorie besagt diese Erkenntnis, daß, wenn die Mathematik auch unter ganz bestimmten wirklichkeitsfremden Annahmen Preisvorgänge in ihrem funktionalen Zusammenhang beschreiben, aber nicht in ihrem ursächlichen Zusammenhang mit den Wertungen der Einzelnen erklären kann, es doch sinnlos ist, sozialwirtschaftliche Gesetze in Analogie zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen aufzustellen. Die Vorgänge in der N a t u r sind grundverschieden von denen, die das menschliche Zusammenleben ausmachen. Man denke an die Quantentheorie Max Plancks (1858— 1947) und an die Relativitätstheorie Albert Einsteins (1879—1955), um einsehen zu können, daß ihre Darstellung die Beherrschung der Mathematik voraussetzt, während die menschlichen Wertungen, von denen die wirtschaftlichen Erwägungen und entsprechenden Handlungen einen Teil ausmachen, mit mathematischen Formeln niemals zu erklären sind. Wenn die psychisch fundierte Wirtschaftswissenschaft nichts mit der Experimentalpsychologie gemein hat, so ist damit doch nicht gesagt, daß sie ohne die Erkenntnisse der Experimentalpsychologie auszukommen vermag. Denn sonst *) Vgl. hierzu auch meine Ausführungen in meiner Liefmann-Sdirift S. 115 ff., auf die ich — um Wiederholungen zu vermeiden — in Ergänzung verweisen darf. ') Vgl. hierzu u. a. die Arbeiten von Wilhelm Dilthey, Karl Jaspers, Hans Driesch, Josef Back und meine Ausführungen zu dem Bemühen W. Weddigens in meiner Liefmann-Schrift S. 230 ff.

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l ä u f t die Wirtschaftswissenschaft Gefahr, noch mehr als bisher aus verschiedenen Konstruktionen ersichtlich, mit der Wirklichkeit in Widerspruch zu geraten 3 ). U n d wenn auch die Psychologie selbst noch nicht so unumstritten ist, kann uns diese Tatsache nicht davon abhalten, uns ihrer Erkenntnisse zu bedienen. Soweit die notwendige Auseinandersetzung mit den Autoren, die sich um die Grundlagen der Nationalökonomie, Volkswirtschaftslehre, Political Economy, Economics pp. im allgemeinen und um die Bestimmung des Wirtsdiaftens der Einzelnen im besonderen bemüht haben. Die hiernach zu ziehende Bilanz ist die, daß das Problem „Wirtschaften" als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft bisher nicht erkannt worden ist, um die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft eindeutig und für alle Zeit bestimmen und ihr als Einzelwissenschaft den ihr zukommenden Platz im wissenschaftlichen Gebäude einräumen zu können.

s

) Der beachtliche Aufsatz von Edgar Schorer, „Wirtschaftspsychologie" in Schmollers Jahrbuch 1942 stellt die Ansiditen über Psychologie und ihre Bedeutung für die Begründung der Wirtschaftswissenschaft von Spann, Back, Diehl, Max Weber, Fichte, Moser, Adam Müller, List, Thünen, Gossen, Roscher, Knies, Schmoller, Adolph Wagner, Sombart, Geck, Wilhelm Weber, Fritz Giese und Münsterberger kritisch heraus, bedarf aber nodi einer Vertiefung der Gedankenführung und einer umfassenderen Schau des Problems „Wirtschaften". Sehr richtig bemerkt Schorer auf Seite 17: „Es würde an sich noch keinen Verzicht auf die Autonomie der Wirtschaftswissenschaft bedeuten, wenn man die Grundsätze selbst wiederum in einer anderen, allgemeineren Wissenschaft verankern wollte." Hinsichtlich der Versuche, die ökonomische Theorie mit der Experimentalpsydiologie unmittelbar in Verbindung zu bringen, seien noch G. Fechner (1801—1887), L. Brentano (1844—1931), F. L. Lange genannt.

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9. Kapitel Individual-, Verbrauchs-, Erwerbs-, Rentabilitätswirtschaften Das Problem „Wirtschaften" ist ein grundsätzlich auf den einzelnen Menschen bezogener Tatbestand, und es wäre verfehlt, diese Erklärung mit einer „individualistischen" Einstellung zu verwechseln. Es ist also viel umfassender, als es bisher gesehen wurde. Das Wirtschaften des Einzelnen kann unmittelbar sozial bezogen sein, muß es aber nicht, ohne daß er damit außerhalb des sozialen Lebenskreises an sich zu stehen braucht. Denn die herrschende Lehre kennt als Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft nur das auf Verbrauch bezogene Wirtschaften, das — wie wir gesehen haben — auch die Entgegennahme äußerer persönlicher Dienstleistungen einbezieht. In Wahrheit ist das auf Verbrauch bezogene Wirtschafen nur ein Teil des Wirtschaftens in seinem umfassendsten, erfahrungsgemäß allein logischen Sinn. Es ist auf die Auswahl nur der Bedürfnisse bezogen, die mittels Verbrauchsgütern oder Dienstleistungen zu befriedigen sind, wobei es von sekundärer Bedeutung ist, ob diese objektiv, absolut oder relativ k n a p p zur Verfügung stehen. D a dem Verbrauch durch die arbeitsteilige Wirtschaft wesentlich umfangreicher und besser entsprochen werden kann, als es jedem Wirtschafter für sich möglich wäre, wird die Theorie des Tausches um die Kategorie des Erwerbs Wirtschafters erweitert, der nicht erst eine Erscheinung des Kapitalismus ist. Die arbeitsteilige Wirtschaft kann nun nach verschiedenen Grundprinzipien ablaufen. Diese Möglichkeiten hat die Theorie in Wirtschaftsordnungen und ihnen entsprechende Wirtschaftsformen einzugruppieren, wie die bäuerliche, handwerkliche, kapitalistische, sozialistische Wirtschaft in ihren verschiedenen Gestaltungen oder wie die kommunistische Wirtschaft, wobei die einzelnen Wirtschaftsordnungen niemals ganz rein vorkommen. Diese Theorie der möglichen oder tatsächlich vorkommenden Wirtschaftsordnungen muß aber immer den Ausgangspunkt aller arbeitsteiligen Wirtschaft, nämlich das Wirtschaften des Einzelnen im umfassendsten Sinne, im Auge behalten, um nicht zu Konstruktionen zu kommen, die keine wahrheitsgemäße Darstellung und Erklärung sind. D a n n ergibt sich auch ohne Schwierigkeiten die Erkenntnis, daß das auf Rentabilität achtende Wirtschaften ein abgeleitetes Wirtschaften ist. Wir haben in der Wirtschaftswissenschaft zu unterscheiden zwischen 1. dem Wirtschaften des nicht außerhalb des sozialen Zusammenhanges gedachten Einzelnen, dem Nutzen- und Kostenvergleichen im Hinblick auf alle seine Bedürfnisse und dem entsprechenden Handeln, das nicht nur direkt-sozialbezogen, nicht nur arbeitsteilig orientiert ist und 2. dem arbeitsteilig orientierten Wirtschaften, das den Bedarf des Einzelnen mittels einer Wirtschaftsordnung und ihr entsprechender Formen, den Wirtschafts117

gebilden (im engeren Sinne), zu decken bemüht ist. Die Darstellung und Erklärung des arbeitsteilig orientierten Wirtschaftens ist Gegenstand a) der allgemeinen

Wirtschaftstheorie,

b) der besonderen, historisch-bezogenen Wirtschaftstheorie, in der — die Theorie des Kapitalismus, — die Theorie des Sozialismus (in seinen theoretisch und gegebenenfalls praktisch verschiedenen möglichen Gestaltungen) und — die Theorie des Kommunismus eine unvoreingenommene Darstellung einnehmen müssen. Es ist ein Grundfehler zahlreicher Autoren, sich dieser Unterscheidung zwischen der allgemeinen und besonderen, historisch-bezogenen Wirtschaftstheorie nicht bew u ß t zu sein. Während die erstere die Tauschbeziehungen als solche zu erklären versucht u n d stets darauf hinweisen sollte, d a ß alle arbeitsteilige Wirtschaft nur Mittel des Wirtschaftens der Einzelnen ist, befaßt sich die besondere, historisch-bezogene Wirtschaftstheorie mit der Frage der Entstehung, des Wesens, der Aufgabe und des Funktionierens der theoretisch und gegenbenenfalls praktisch möglichen Wirtschaftsordnungen und ihrer verschiedenen Formen in der Gesellschaft. D a ß diese Theorie ohne die Erkenntnisse der Gesellschaftswissenschaft oder Soziologie nicht auszukommen vermag, werden schon die nachstehenden Ausführungen belegen.

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10. Kapitel Allgemeine Theorie des arbeitsteiligen Wirtschaftens A. Die Tauschwirtschaft

a) Wertschätzung

und

Wertberechnung

Das individuelle Wirtschaften darf keineswegs außerhalb des sozialen Zusammenhanges gedacht werden, etwa im Sinne der „Robinsonade" 1 ). Auch k a n n man nicht eine Konstruktion im Sinne des homo oeconomicus wählen, der als lebensfremder Begriff nur eine Fiktion f ü r die reine Tauschökonomie in ihrer mathematischen u n d geometrischen Illustrierung sein kann, doch keine vollständige E r k l ä r u n g von auf das Wirtschaften der Einzelnen zurückzuführenden Tauschzusammenhängen mit den verschiedenen möglichen G r u p p e n u n d Gebilden z u geben vermag. D e n n der Einzelne e m p f ä n g t zahlreiche Anregungen aus der U m g e b u n g (im weitesten Sinne), die auf die A r t seiner Bedürfnisskala einwirkt, ohne aber immer in direktem Verkehr mit seinen Mitmenschen zu stehen. Wirtschaftlich relevant werden die sozialen Beziehungen erst durch die auf Arbeitsteilung bezogenen wirtschaftlichen Erwägungen u n d H a n d l u n g e n , die zur N a c h f r a g e u n d zu dem Angebot von zur Bedarfsbefriedigung mittel- oder unmittelbar geeigneten Dingen und Leistungen führen, soweit es sich u m eine Tauschwirtschaft handelt. Der ganze Mensch — und eben kein „Wirtschaftssubjekt", kein „Wirtschaftsmensch" — h a t nichtgüter- u n d nichtdienstleistungsbezogene sowie materielle und dienstleistungsbezogene Bedürfnisse, welch letztere er arbeitsteilig in den verschiedenen möglichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen zu befriedigen sucht. Die Theorie des Tauschverkehrs hat es nur mit Nachfragenden u n d Anbietern zu tun, wobei die Vertauschung der Rollen grundsätzlich möglich ist. D i e A n bieter können zugleich oder in einem anderen Z e i t p u n k t N a c h f r a g e n d e sein u n d umgekehrt. D i e Austausdibeziehungen der verschiedensten A r t können einen kleineren oder größeren Kreis umfassen. Erst in dem Entwicklungszustand, in dem sich unendlich viele Menschen gegenüberstehen u n d der Bedarf einen so großen U m f a n g u n d eine so starke Differenzierung angenommen hat, teilen sich — je nach der Entwicklung der Arbeitsteilung, — die Menschen in zwei H a u p t g r u p p e n : in die Erwerbswirtschafter u n d in die Nachfragenden nach Gütern u n d Dienstleistungen. D i e Erwerbswirtschafter bieten die äußeren m a teriellen Güter oder Dienstleistungen der verschiedensten A r t an. Die Nachf r a g e n d e n nehmen sie als Gegenleistung f ü r ihre Arbeitskraft, ihr Geld oder

Ihr „als Idealtyp gerade zur Erkenntnis der gesellschaftlichen Wirtschaft" mißt nicht zuletzt Walter Euchen fälschlicherweise noch so große Bedeutung bei, a.a.O., S. 185. 119

sonst irgendein Tauschobjekt in Empfang beziehungsweise an. Die Erwerbswirtschafter können als Person in eigener Sache oder als solche in fremdem Auftrag auftreten. Sie können allein oder als Gruppe oder in der Form einer Genossenschaft ihre Waren und Dienstleistungen anbieten. Wenn in der Tauschwirtschaft die Erwerbswirtschafter die Beschaffung und die Bereitstellung von Bedarfsbefriedigungsmitteln übernehmen, so sind Richtschnur ihres Erwägens und Handelns die auf dem Markte ziffernmäßig in Geld ausgedrückten Wer ¡.Schätzungen der Nachfragenden, die natürlich mit der ausgedrückten Ziffer nicht identisch sein können, da die psychischen Vorgänge niemals genau zahlenmäßig erfaßt und ausgedrückt werden können. Außerdem könnte bei gleicher Wertschätzung des Geldes und Gutes kein Tausch zustande kommen. Diese Wertschätzungen stellen in ihrer Ordnung nach der Dringlichkeit die Bedarfsskala der Sozialwirtschaft als Teil der gesamten Bedürfnisskala aller Individuen dar. Man spricht dann von dem Markt- oder Sozialbedarf, im Gegensatz zu der mehr oder weniger großen Zahl der Bedürfnisse, die zwar auch wirtschaftlich relevant sein, aber ohne den Markt, ohne die direkte Beziehung der Menschen zueinander befriedigt werden können. Dadurch, daß man lediglich den Marktbedarf untersuchte bzw. untersucht, ohne ihn als Teilinhalt der gesamten Bedürfnisskala der Menschen, auf die ihr Wirtschaften bezogen sein kann, zu kennzeichnen, kam bzw. kommt man zu der Auffassung vom Wirtschaften im Sinne der tauschwirtschaftlichen „Güterlehre". In der Übernahme der Deckung des Marktbedarfs suchen die Erwerbswirtschafter einen über ihre Gestehungskosten liegenden Nutzen zu erzielen, den Geldertrag. Unterlage ihrer Geldertragsrechnung sind zunächst die früheren Preise als der rechenhafte Ausdruck wirtschaftlicher Erwägungen und entsprechender Handlungen bisheriger Anbieter und Nachfragenden. An diese früheren Preise knüpfen gleichfalls die Nachfragenden in ihren Erwägungen über das optimale Verhältnis ihres Marktbedarfes an. Dieser Vorgang ist gleichsam die Projizierung der Wertschätzungen auf die äußere Erscheinungswelt vermittels der Zahl. Sie ist ein sozialpsychisches Phänomen. Durch dieses Verhalten der Erwerbswirtschafter und Nachfragenden entsteht ein Wechselspiel des Tastens und Sithfindens (par tâtonnement: Léon Walras) in bezug auf die wirtschaftlichste Art der Bereitstellung der Befriedigungsmittel einerseits und der Bedarfsdeckung — eben soweit der Bedarf auf dem Markte zur Geltung kommt — andererseits, dessen Folge zunächst ein gleichsam „roher" Preis für die einzelnen Arten der Befriedigungsmittel ist. Der „rohe" Preis wirkt nun seinerseits auf Angebot und Nachfrage in dem Sinne zurück, daß die Erwerbswirtschafter nach entsprechenden neuen Berechnungen ihre wirtschaftlichen Handlungen in die für sie ertragreichsten Erwerbszweige lenken und, nachdem die Auswahl getroffen worden ist, sich über ihr technisches Vorgehen zwecks Erzielung des möglichst großen Gesamtgeldertrages, des bestmöglichen materiellen Erfolges und der höchstmöglichen Produktivität schlüssig werden. Dadurch werden das Angebot und die Nachfrage so beschränkt, daß nur die verkaufkräftigsten Anbieter und kaufkräftigsten Nachfragenden zum Tausche kommen. 120

Durch die aus der Dringlichkeit des Bedarfs resultierenden, auf dem M a r k t e in Geld ausgedrückten Wert Schätzungen der N a c h f r a g e n d e n u n d der 'Wertberechnungen der Erwerbswirtschafter stehen alle Preise und damit alle Erwerbswirtschafter u n d Nachfragenden im Zusammenhang: t r i t t eine V e r ä n d e r u n g des Preises eines Gutes ein, so v e r ä n d e r t sich ceteris paribus die gesamte Preisskala, auf die P r o d u k t i o n oder D a r b i e t u n g von persönlichen Leistungen und N a c h f r a g e eingestellt sind. Diese Erkenntnis ist Allgemeingut; doch hat m a n nicht beachtet, d a ß bei dem Übergang des Individualwirtschaftens in die Sozialwirtschaftssphäre sich in der psychisch-fundierten Theorie mit N o t w e n d i g k e i t die Tatsache ergibt, d a ß das auf Arbeitsteilung u n d Tausch bezogene Erwerbswirtschaften dem Wesen nach auf einer anderen Ebene liegt, also nicht auch Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft sein k a n n , da es eben n u r Mittel des Individualwirtschaftens im weitesten Sinne ist. Das Identitätsprinzip der Wirtschaftswissenschaft bezieht sich daher ausschließlich hierauf. D e r Mensch in seiner Eigenschaft als Nachfragender bedient sich f ü r die Vergleichung der verschiedenen Bedürfnisse und der zu ihrer Befriedigung notwendigen Kosten besonderer Vergleichsmittel. U m f a ß t der Wirtschaftsplan nur zwei oder drei Bedürfnisse, so genügen die Gradunterschiede: „größer", „noch g r ö ß e r " oder ähnlich. Dagegen w i r d der Wirtschafter bei dem inneren Vergleichen von N u t z e n und Kosten in bezug auf mehrere Bedürfnisse u n d die Teilung einer jeden Bedürfnisart in einzelne zu befriedigende „ Q u a n t i t ä t e n " oder „ G r a d e " Zahlen anwenden, die ihm eine O r d n u n g und das den wirtschaftlichen Erwägungen entsprechende H a n d e l n ermöglichen. Die A n w e n d u n g der Z a h l ist um so dringlicher, je differenzierter, diskontinuierlicher die B e d ü r f nisskala ist und dementsprechend, je sprunghafter ihre Befriedigung vorgenommen werden müßte. Soweit sich das Wirtschaften in direkter Abhängigkeit von der sozialen U m w e l t vollzieht, orientiert es sich an in ihr gültigen Werten. Die rein individuelle, innere Zahlenskala des einzelnen Wirtschafters w i r d gleichsam durchsetzt mit „ o b j e k t i v e n " Zahlen, als Ausdrucksmittel innerer, in die äußere Erscheinungswelt projizierter Wertungen. Dieser Dualismus besagt, d a ß die „ ä u ß e r e n " Schätzungsmittel noch viel weniger mit der tatsächlichen Wertung des einzelnen Wirtschafters übereinstimmen als die „ i n n e r e n " Ziffern. Beide Zahlenskalen sind n u r rohe Vergleichsziffern f ü r die rein psychischen Vorgänge in den einzelnen Wirtschaftern, deren innere und äußere Wertschätzungen untereinander nur bedingt miteinander vergleichbar sind. Äußeres Schätzungsmittel ist das Geld. D e r in Geld ausgedrückte Preis ist die Manifestierung der WertSchätzungen der Nachfragenden u n d der Wert berechnungen der Erwerbswirtschafter. Durch das Geld in F o r m eines zu einer M ü n z e geprägten Metalls oder in einer anderen A r t wird die Arbeitsteilung und der in Preisen ausgedrückte, sich vollziehende Tauschverkehr ermöglicht u n d damit die Spaltung des individuellen und arbeitsteiligen Wirtschaftens in die Nachfragesphäre u n d in die Erwerbswirtschaftssphäre hervorgerufen. Beide Wirtschaftssphären unterscheiden sich voneinander. Erwerbswirtschaften heißt Erwägungen anstellen über die möglichst umfassende A r t des Gelderwerbes u n d entsprechend 121

handeln; und zwar entweder in der Produktion oder im Handel oder im Dienstleistungsgewerbe oder im Geldverkehr.

b) Theorie der Preisbildung — Angebot und Nachfrage In ihrer Eigenschaft als Vollzieher des Waren-, Geld- und persönlichen Leistungsverkehrs ist das Werten der Erwerbswirtschafter auf eine gleichsam höhere Ebene verlegt. Das Streben der Erwerbswirtschafter auf die Erhöhung, zumindest aber auf die Erhaltung der in die Erwerbswirtschaftseinheit gesteckten Geldsumme ist die Quelle nicht nur ihres Einkommens, sondern aucii des Einkommens zahlreicher von ihnen direkt oder indirekt abhängigen Personen. Der Preis ist das Barometer im Sinne eines notwendigen Anhaltspunktes, an dem sich alle Marktbeteiligten orientieren. Während der Wirtschafter als Verbraucher von Gütern oder Nachfragender nach Dienstleistungen in seiner Orientierung an den sozial-gültigen Wertausdrücken, den Preisen, Fehlgriffe in seinen Nutzen- und Kostenvergleichungen durch entsprechende Veränderungen in seinem Wirtschaftsplan beheben kann, zumal er ja aus seinem gesamten Wertungszusammenhang abwägt — eben weil sich das Wirtschaften nicht nur an äußeren, absolut oder relativ knappen Gütern und Leistungen orientiert —, ist der Erwerbswirtschafter in seiner Orientierung am Preis in der Regel an ein oder einige wenige „Wertobjekte" gebunden. Sein Ausgleichen einer Fehlkalkulation beschränkt sich auf die Frage: wie viele Artikel und Sorten er in seiner Tätigkeit vereinigt. Gegebenenfalls vermag er sich einen Risikoausgleidi in seiner Marktbeziehung und seiner Stellung innerhalb des sich um jedes Bedarfsobjekt bildenden Wirtschaftskreises mit den konkurrierenden Wirtschaftseinheiten — aus einer Person oder einer von mehreren Personen gebildeten Gruppe bestehend — zu verschaffen. Wenn ein Erwerbswirtschafter aber eine Vielzahl von Waren- und Dienstleistungsarten in seiner Verfügungsmacht hätte, so könnte er gleichsam ein für sich amüsantes „Arbitragespiel" betreiben. In seinem Belieben stünde es, die Waren da- und dorthin, zu dem einen oder einem anderen Preis zu verkaufen und zu versenden. Wesentlich bei dem Spiel unseres Arbitrageurs wäre nur, daß der Geldertrag seiner Erwerbswirtschaftseinheit in jeder Wirtschaftsperiode zumindest der gleiche bleibt. Ferner: Während die Nachfragenden durch die Dringlichkeit ihres Bedarfs und durch ihre jeweilige Kaufkraft einen Einfluß auf die Preisgestaltung zunächst eines Produktes auszuüben vermögen, haben die Erwerbswirtschafter die Möglichkeit, seinen Preis neben ihren möglichst scharf kalkulierenden Erwägungen bei der Beschaffung der entsprechenden Produktionsmittel durch die betriebstechnische und organisatorische Rationalisierung der Produktion und durch eine geschickte Verkaufsstrategie zu beeinflussen. Dann wird sich auf Grund der rein wirtschaftlichen Erwägungen der Preis eines Gutes nadi den Kosten des Erwerbswirtschafters richten, der noch zur Bedarfsbefriedigung notwendig ist, des Grenzerwerbswirtschafters, dessen Geldgrenzertrag den Preis des jeweiligen 122

Produktes bestimmt. Durch die Gesamtmarktbedarfsskala stehen sämtliche Produkte in einem Preiszusammenhang, so daß die Nutzen- und Kostenvergleichungen bezüglich eines Gutes sich gleichzeitig auf sämtliche anderen Bedarfsobjekte beziehen müssen. Entsprechend ergeben sich bei allen Nutzen- und Kostenvergleichungen hinsichtlich sämtlicher Bedarfsobjekte die Grenzerträge: f ü r die Nachfragenden letzten Endes die psychischen Grenzerträge, für die Erwerbswirtschafter die Geldgrenzerträge. Und was f ü r die äußeren, materiellen Güter gilt, hat auch f ü r die Dienstleistungen Gültigkeit. Aus dem gesamten Preisbildungsvorgang resultieren die Einkommen der beteiligten Wirtschafter auf Grund ihres jeweiligen Beitrages zum produktionsund tauschwirtschaftlichen Prozeß. Und zwar bildet sich der Preis der einzelnen Produktionsfaktoren ebenfalls bei freier Konkurrenz von Anbietern und Nachfragenden so, daß sich bezüglich aller Produktionsbeiträge ein Ausgleich der Geldgrenzerträge ergibt. Die Tendenz zum Geldgrenzertragsausgleich, der sich im Hinblick auf dieselben Einkommensfaktoren in ihren verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten ergibt, besteht auch bezüglich der verschiedenen Einkommensfaktoren in ihren verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten. Die dem Preise des jeweiligen Produktionsfaktors, seinem jeweils in den tauschwirtschaftlichen Prozeß eingegliederten Quantum, letzten Endes dem Erlös des Produktes entsprechende H ö h e der Einkommen der einzelnen Wirtschafter ist ihrerseits wiederum bestimmend f ü r die Artung des nächstfolgenden Marktbedarfs und f ü r die Preisbildung, wobei die Preisbildung der Produktionsfaktoren von dem Einkommensbezug der Träger der Produktionsfaktoren zu trennen ist. Nachdem der Erwerbswirtschafter seine Erwägungen und entsprechenden H a n d lungen über das Wie und Wo der Erzielung des Geldertrages in dem dargelegten Sinn abgeschlossen hat und der Produktionsprozeß beginnt, hört die subjektive Bewertung der Geldeinheit auf, an ihre Stelle tritt die Zahlentechnik. Das Geld ist reiner Rechnungsfaktor. Daher ist die Meinung nicht richtig, d a ß es ein gleichartiges Identitätsprinzip für alle Stufen des Wirtschaftens in seiner psychischen Fundierung gibt. Die rein psychischen Erwägungen liegen auf einer anderen Ebene als die Erwägungen der eigentlichen Erwerbswirtschafter. Die letzteren sind von dem allgemeingültigen Wirtschaften der Einzelnen abgeleitet. Beide Arten von Erwägungen sind wesensverschieden. Das kann gar nicht anders sein, wenn man die Problematik der verschiedenen möglichen Wirtschaftsordnungen überdenkt, die eben alle nicht Selbstzweck, sondern arbeitsteiliges Mittel zum Zweck, zu der Deckung des Bedarfs, soweit er auf diesem Wege gedeckt zu werden vermag, sind. Eine Tatsache, die von vielen Organisatoren, Politikern und Demagogen nur zu o f t vergessen wird. So, wie die Menschen in ihrer Eigenschaft als nicht an der Arbeitsteilung und dem Tausch orientierte Wirtschafter danach trachten, in ihren Erwägungen und Handlungen möglichst genau vorzugehen, verhalten sie sich auch in ihrer Eigenschaft als Tauschpartner. Ihr Streben nach einer wirkungsvollen Monopolstellung ist der Ausdruck des möglichst optimalen wirtschaftlichen Erwägens und H a n 123

delns in der arbeitsteiligen Wirtschaft. Die Monopolpreisfestsetzung ist daher vom Standpunkt des Monopolisten aus der Ausdruck des höchst genauen Wirtschaftens innerhalb der Tauschwirtschaft und ist somit grundsätzlich anders zu betrachten, als es vielfach geschieht. H a t der Monopolist sich unter Beachtung des Bedarfs und der Kaufkraftsdiichten einerseits und seiner Kosten andererseits genau errechnet, welchen höchstmöglichen Gesamtgeldertrag er durch seine Monopolpreisfestsetzung erlangen kann, so ist es eine Frage der Technik, eben der Monopolpreistechnik (und im Kapitalismus einer besonderen Kampftechnik), wie, das heißt, mit welcher Methode er am zweckmäßigsten vorgeht, um das erstrebte Ziel auch wirklich — nicht nur auf dem Papier — zu erreichen. Welche sozialen und politischen Folgen sich aus der Monopolpreistedhnik ergeben können, ist eine Frage, die der Monopolist im Hinblick darauf zu berücksichtigen hat, daß sich seine wirtschaftlichen Überlegungen und Handlungen nicht als fehlerh a f t erweisen. Die Monopolpreistechnik ist dann am besten vollzogen worden, wenn sich die Geldgrenzerträge der Tauschparteien (Anbieter von und Nachfragende nach Gütern und Dienstleistungen) so gut wie ausgleichen, mit anderen Worten, wenn sich keine Störung des Gleichgewichts ergibt oder es wiederhergestellt ist. Das sog. „wirtschaftliche P r i n z i p " enthüllt sich also auch in der Tauschwirtschaft bezüglich der Monopolpreisfestsetzung als das technische Prinzip. An der Theorie des Monopolpreises erkennt man so redit, wie sehr man auch im Bereich des unmittelbar sozialbezogenen Wirtschaftens zwischen dem Wirtschaften an sich und dem technischen Vollzug des Wirtschaftens unterscheiden kann, also wie wenig fundiert man vorgeht, wenn man das sog. „wirtschaftliche Prinzip" nicht als technisches Prinzip würdigt. Worauf es im Rahmen dieser Untersuchung ankommt, ist folgendes: Es soll hier nicht die gesamte Preistheorie bei vollständiger Konkurrenz entwickelt, sondern lediglich der Zusammenhang zwischen dem Wirtschaften der Einzelnen im weitesten Sinne und dem auf Arbeitsteilung und Tausch bezogenen Wirtschaften aufgezeigt werden. Auch dieses Wirtschaften ist ein Erwägen und Handeln, ein Verfahren, das, wie bemerkt, nichts mit dem technischen Vollzuge, der Produktion, dem Vertrieb u n d der Buchhaltung zu tun hat. Es ist daher auch falsch, in der „Allgemeinen Volkswirtschaftslehre" bzw. in der „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" diese technischen Fragenbereiche als wirtschaftliche zu behandeln, wie es in fast allen Lehrbüchern geschieht. Sie gehören zum Thema „Wirtschaft und Technik". H a t man erkannt, daß die wirtschaftlichen Erwägungen und Handlungen auf den gesamten Wertungszusammenhang der Einzelnen Bezug haben, hat man des weiteren erkannt, wie es zu den in Geld ausgedrückten Wertschätzungen und zum Austausch der Wertungsobjekte kommt und wie in der arbeitsteiligen Wirtschaft das Verhältnis von Wertschätzung und Wertberechnung zu erklären ist, dann kann man die Bedeutung ermessen, die die arbeitsteilige Wirtschaft in Gestalt der Sippen-, Gruppen-, Volks- oder Weltwirtschaft f ü r die Einzelnen haben kann. Das hängt davon ab, was die Menschen aus den jeweils möglichen Wirtschaftsordnungen und den ihnen entsprechenden Einheiten zu machen vermögen. 124

In diesem Zusammenhang ist es von Belang, die Tatsache zu erwähnen, daß alle bisherige „Güterlehre" in ihrem Aufzeigen der Preisbildung auf dem Markte die verschiedenen möglichen Angebots- und Nachfragekonstellationen unter Vernachlässigung der nicht auf materielle Objekte und Dienstleistungen bezogenen, also nicht zum sozial-bezogenen Bedarf gehörenden Bedürfnisse — da nach ihrer Meinung überhaupt nicht in den Bereich der Wirtschaft oder des Wirtschaftens fallend — untersucht und damit die allgemein verbreitete Ansicht bestärkt, daß sich der wirtschaftliche Tatbestand im Austausch von Gütern und Dienstleistungen erschöpft und auf ihn jede Wirtschaftsverfassung ohne Einschränkung zu beziehen ist. Wie wenig aber das Wirtschaften der Menschen in seinem umfassendsten Sinn mit dieser Art der Darstellung erkannt wird, dürfte aus der vorliegenden Untersuchung zu entnehmen sein. Unter diesem Gesichtspunkt kann nur die Wirtschaftstheorie vorgehen, die es sich zur Aufgabe setzt, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in seinen verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen. Sie sind Gegenstand ihrer Analyse, aber nicht die sich daraus ergebenden Auswirkungen in bezug auf Produktion und Vertrieb der Güter selbst, die als zur Technik gehörend einer anderen Fragestellung unterliegen. Die farblose Tauschwirtschaft ist das Feld der reinen Theorie, für die der Name „Economics" oder „Allgemeine Wirtschaftslehre" zutreffend ist. Ihre Analyse setzt erst bei der in Geld ausgedrückten „Haushaltsnachfrage" auf dem Markt in der statischen Wirtschaft ein. Diese Theorie differenziert die nachfragenden Haushalte nidit. Vielmehr werden sie als „7Vo>7Wij/"-Verbraucher von kurzund langlebigen Gütern dargestellt. Auch betreffs der Anbieter von Gütern und Dienstleistungen werden in der Modell-Theorie als zwingend vorausgesetzt: Gleichheit der Chancen, genauer Überblick für jeden über den Markt bzw. über die Märkte für Güter, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren, ferner Freizügigkeit und gleiches Marktverhalten. Nur deshalb kann die reine Theorie von mehr oder weniger zahlreichen Hypothesen ausgehen und sich zwecks einwandfreier Erklärung des Zusammenhanges von möglicher Nachfrage und möglichen Angeboten der mathematischen und geometrischen Darstellung bedienen. Den Einkaufsplänen der Haushalte werden die Verkaufspläne der Anbieter gegenübergestellt. So kommt man unter der Überschrift „Mikroökonomische Theorie" zu einer Theorie der Marktformen: Konkurrenz, Teiloligopol, Oligopol, Teilmonopol, Monopol hinsichtlich der Kosten der Produktionsfaktoren: Arbeit und Kapital wie des Preises der verkaufsreifen Güter und Dienstleistungen. Die reine Theorie der Marktformen ist nur möglich, weil die nidit-marktorientierten Individualbedürfnisse der Einzelnen unberücksichtigt bleiben, obgleich sie ihren Marktbedarf dauernd mehr oder weniger beeinflussen und dieser wieder die Individualbedürfnisse beeinflußt. Die reine Theorie geht auch davon aus, daß alle Warenarten und Dienstleistungen diesem Spiel von Nachfrage und Angebot entsprechen. So wird eine sehr

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anschauliche Theorie der möglichen Marktformen in Anlehnung an Cournot, Leon Walras u n d Jevons und ihrer Nachfolger: Amoroso, Bowley, Chamberlin, Edgeworth, Marshall, Nichol, Pigou, Schumpeter, Wickseil und Zeuthen entwickelt. Die „Makroökonomische Theorie" befaßt sich mit der Frage der Einkommensverteilung, des Geldverkehrs, d. h. der Geldnachfrage und des Geldangebotes und damit mit der Frage der Auswirkungen von Inflation und Deflation und schließlich mit der der grundsätzlichen Möglichkeit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

B. Zentrale wirtschaftliche Planung

a) Bedarfsdeckungsprinzip

— Planwirtschaft:

ein

Pleonasmus

N u n kann die arbeitsteilige Wirtschaft auch anders als eine Tauschwirtschaft gestaltet sein. Je nach den soziologischen, technischen und anderen Voraussetzungen kann der Zwang zur zentralen wirtschaftlichen Planung vorliegen. Die — wie man sagt — „Planwirtschaft" entspringt der Idee von der Wirtschaft, wie sie seit der Begründung der Nationalökonomie — und nicht der Wirtschaftswissenschaft — verbreitet ist. Die Wirtschaft habe die Aufgabe, die Menschen nach dem sogenannten „wirtschaftlichen Prinzip" mit Sachgütern und Dienstleistungen zu versorgen, wobei man fälschlicherweise zwischen „wirtschaftlichen" und „nichtwirtschaftlichen", „freien" Gütern unterscheidet. Die Wirtschaft könne nur planlos oder nach einem bestimmten Plan vor sich gehen, heißt es weiter. Diese Ansicht beweist eben die nicht richtige Methode aller bisherigen Theorien, von der Volks- oder Weltwirtschaft auszugehen, anstatt von dem Wirtschaften der Einzelnen, das ein planvolles Vorgehen, ein Nutzen- und Kostenvergleichen im Hinblick auf alle ihre Bedürfnisse und ein entsprechendes Handeln ist. Wirtschaften heißt doch planen zum Unterschied von dem nur auf ein jeweils gestecktes Ziel ausgerichteten, allgemein-rationalen Vorgehen. Daher kann es grundsätzlich keine Plan-Wirtschaft, aber einen Wirtschaftsplan geben. Das Wort „Planwirtschaft" ist ein Pleonasmus und f ü h r t bezüglich der verschiedenen möglichen Formen des Wirtschaftens dann zu völlig verkehrten und verhängnisvollen Vorstellungen, wenn man die Voraussetzungen, von denen die Hypothesen der reinen Theorie ausgehen, nicht berücksichtigt. Und zwar dergestalt, daß nur in der „Planwirtschaft" geplant, d. h. richtig gewirtschaftet werde, während in der freien Marktwirtschaft — denn nur an sie denkt man als Gegensatz — alles mehr oder weniger dem nackten Zufall überlassen bleibe. D a nun Wirtschaften ein bestimmt orientiertes Erwägen und Handeln, ein N u t zen- und Kostenvergleichen und entsprechendes Handeln im Hinblick auf alle Bedürfnisse ist, ist es das umfassendste Planen überhaupt — im Gegensatz zum technischen, nur auf einen bestimmten Zweck nach einer bestimmten Methode abzielenden Planen. Das individuelle wirtschaftliche Planen, das über das un126

mittelbar-soziale Wirtschaften hinausgeht, ist daher der Ausgangspunkt aller arbeitsteiligen Wirtschaft. Geplant wird grundsätzlich in allen Wirtschaftsordnungen und -einheiten, also in den handwerklichen, kapitalistischen (in liberaler oder gemischtwirtschaftlicher oder in staatskapitalistisdier Form), sozialistischen (orthodoxsozialistischen und neo-sozialistischen), wie kommunistischen Wirtschaftsordnungen. Es fragt sich nur, wer in der arbeitsteiligen Wirtschaft — außer den einzelnen Wirtschaftern als Nachfragenden — plant und in welchem Umfange. Das hängt von den jeweiligen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen, von der Bedürfnis- und damit von der Bedarfsskala der Einzelnen ab; ferner von der Frage, ob sie frei befriedigt werden kann oder ob keine freie Bedarfsbefriedigungswahl zugelassen wird, und ob und in welcher Weise die erforderlichen Mittel dargeboten werden können, mit anderen Worten, ob die Freiheit der Persönlichkeit gewährleistet werden soll oder nicht. Das Wort „Planwirtschaft" sollte, weil ein Pleonasmus und nicht genügend substanziiert, aus Literatur und Politik verschwinden und dem Begriff der zentralen wirtschaftlichen Planung — zum Unterschied von dem technischen Planen — Platz machen. Hiervon ist wiederum die Technik der wirtschaftlichen Planung zu unterscheiden, die darauf abzielt, sie so genau und gründlich wie nur möglich vorzunehmen. Das betrifft also vor allem die Organisation und Wirtschaftsrechnung der einzelnen Wirtschaftseinheiten. Wirtschaftliche Planung und ihre Technik sind nun wiederum nicht gleichbedeutend mit der Wirtschafts-Le«&»ng, die erst auf Grund der wirtschaftlichen Planung einsetzt. Entsprechend den einzelnen aufeinander abgestimmten Planungszielen muß die auf sie abgestellte Lenkung erfolgen, damit der wirtschaftlichen Planung im ganzen zum Erfolg verholfen wird. Das ist die Aufgabe der von der Gesellschaft beauftragten Funktionäre. Dieser ganze Fragenbereich, der mit dem Begriff der zentralen wirtschaftlichen Planung, ihrer Technik, der Wirtschaftslenkung und des technischen Planens umrissen wird, kann nicht weiter behandelt werden, da es sich in der vorliegenden Untersuchung nur darum handeln kann, den Begriff der zentralen wirtschaftlichen Planung in der arbeitsteiligen Wirtschaft im Verhältnis zum Wirtschaften der Einzelnen schlechthin zu klären.

bj Der Freiraum für das Individualwirtschaften Er ist unabdingbar! Darüber vermag auch jede Art zentraler wirtschaftlicher Planung nicht hinwegzugehen, wie es allerdings in allen einschlägigen Untersuchungen und in der politischen Praxis — zwar hier ohne Erfolg — geschieht. Die den Menschen angeborene und entwickelte Freiheit des individuellen Wirtschaftens ist in keiner Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung auszulösdien. Kann man denn wirklich noch die Fiktion aufrechterhalten, wonach die Bedürfnisse gerade der Menschen, die sich in ihrer Leidenschaft zur Wissenschaft, Belle-

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tristik, Musik, Malerei, Plastik oder zu einer anderen geistig-schöpferischen Betätigung, ja auch als praktische Mediziner oft fast verzehren, wirtschaftswissenschaftlich unberücksichtigt bleiben können, weil sie nicht auf mehr oder weniger knappe äußere materielle Güter und Dienstleistungen bezogen sind? Sind nicht bei diesen Menschen in der Regel die durch solche Objekte zu befriedigenden Bedürfnisse auf das mindeste beschränkt u n d müssen sie nicht im Hinblick auf ihre mehr oder weniger zahlreichen geistigen und physischen Bedürfnisse, die aber nicht auf diese besagten Objekte Bezug haben, sehr sparsam ihre geistigen und physischen K r ä f t e einsetzen? Es ist dodi der Wahrheit widersprechend, wollte man sich dieser Erkenntnis verschließen. Denn die Wirtschaftswissenschaft u n d die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik müssen doch die volkswirtschaftliche Problematik der absoluten oder relativen Knappheit von Gütern und P r o d u k tionsmitteln und das Problem „Wirtschaften", wie es sich f ü r die einzelnen Menschen stellt, unterscheiden; und zwar für alle Menschen ohne Unterschied in ihrem Individualbereich und — arbeitsteilig orientiert — sowohl f ü r sie als Nachfragende nach Gütern und Dienstleistungen als auch für sie als Anbieter von solchen in ihrer Eigenschaft als Erwerbswirtsdiafter oder sozialistische Funktionäre und zugleich ihrerseits als Nachfragende nach Gütern und Dienstleistungen.

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11. Kapitel Die Formen des arbeitsteiligen Wirtschaftens Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsgebilde Wirtschaftswissenschaft und Soziologie Das Wirtschaften, das Nutzen- und Kostenvergleichen im Hinblick auf alle tatsächlich auftretenden und vorgestellten Bedürfnisse und das entsprechende Handeln, ist ein für alle Zeiten und Menschen gleicher Tatbestand. Das Problem „Wirtschaften" in seiner Abgrenzung zur Technik kann nur so gesehen werden, und nur so ist die Errichtung des wirklich fest und breit fundierten wirtschaftswissenschaftlichen Gebäudes und die objektive Erkenntnis und nicht wunschgemäße Darstellung des wirtschaftlichen Geschehens möglich. Nur so wird die Meinung als unbegründet hingestellt, als ob es mehr als eine Wirtschaftswissenschaft geben kann. Wenn aus einsichtigen Gründen die Begründer der Nationalökonomie — also nicht der Wirtschaftswissenschaft — als besonderer Disziplin diese Grundlagenforschung nicht betrieben, sondern sich nur mit der Beschreibung und Erklärung der liberal-kapitalistischen Marktwirtschaft, also einer historischen Form des arbeitsteiligen Wirtschaftens, befaßt haben, so sollte ihnen nachträglich daraus kein Vorwurf gemacht werden. Andererseits sollten die Erkenntnisse der auf einem historischen Vorgang begründeten klassischen Theorie nicht höher gewertet werden, als sie gewertet werden können. Die auch an der relativen oder absoluten Güterknappheit orientierte subjektive Wertlehre, Grenznutzentheorie und in gewisser Hinsicht die über sie hinausgehende Grenzertragslehre Robert Liefmanns sind zwar in der Erkenntnis der Ursache des Wirtschaftslebens tiefer vorgedrungen, ohne aber für den der Erfahrung gemäßen logisch einwandfreien Unterbau der Wirtschaftswissenschaft ausreichend zu sein. Alle bisherige Theorie von der Wirtschaft, also nicht des Wirtschaftens, ist auf eine bestimmte Ordnung abgestellt, anstatt zunächst das Allgemeingültige, den für alle Zeiten und Menschen gleichen Tatbestand des Wirtschaftens aufzuzeigen und erst daraufhin die Frage nach der besonderen Struktur der jeweils geltenden Wirtschaftson/rc««g und den ihr entsprechenden Wirtschaftseinheiten und nach den theoretisch und praktisch möglichen Wirtschaftsordnungen überhaupt aufzuwerfen. Geht man nämlich von dem allgemeingültigen Wirtschaften aus, so kommt man auch hinsichtlich der kritischen Stellungnahme zu den einzelnen möglichen Wirtschaftsordnungen und -einheiten zu ganz bestimmten Schlußfolgerungen, die von großer praktisch-wirtschaftlicher, gesellschafts- und rein politischer Tragweite sind. Die wesentliche Erkenntnis ist dann die, daß alle Wirtschaftsordnungen als Ausdruck und Struktur der Arbeitsteilung immer nur Mittel des allgemeingültigen Wirtschaftens der Menschen, also niemals Selbstzweck sind und niemals dauernd Bestand haben können. Demnach kann man auch kein eindeutiges Urteil darüber abgeben, daß eine bestimmte Wirtschaftsordnung absolut besser und gerechter als eine andere ist — ohne Rücksicht auf

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die sie selbst jeweils bedingenden Voraussetzungen. Es ist daher sinnlos, eine bestimmte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung als die f ü r alle Menschen wünschenswerte zu erklären, womöglich ihre Existenz in der Antike nachzuweisen, um daraus den Anspruch auf ihre dauernde allgemeine Verbreitung abzuleiten. Der heuristische Wert aller Methodologie sollte nunmehr Gemeingut der Erkenntnis werden. Sie ist Voraussetzung f ü r die genaue Untersuchung wirtschaftlicher Einzelvorgänge wie des gesamtwirtschaftlichen Ablaufes. Das Problem „Wirtschaften" im weitesten Sinne des Wortes ist Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft. N u r so vermag der wirtschaftliche Tatbestand von anderen Tatbeständen geschieden zu werden, die von wieder anderen erkenntnistheoretischen Standpunkten aus zu betrachten sind. Aber die Theorie des Tauschverkehrs muß ihre Ergänzung durch die wirtschaftliche Gebildetheorie erhalten. Inwiefern? Das Wirtschaften der Einzelnen ist zwar aus ihrem gesamten Lebensbereich heraus zu sehen, kann sich aber unabhängig von einer Ich-Du-Beziehung — als einer spezifisch soziologischen Kategorie —, also von einem unmittelbaren Kontakt zweier oder mehrerer Menschen vollziehen. Das ist wichtig, festgehalten zu werden, und bedarf noch einiger grundsätzlicher Erläuterungen. Gewöhnlich wird in wirtschaftstheoretischen Untersuchungen unter dem Worte „soziologisch" die allgemein-soziale Verumständung verstanden, aus der sich spezifisch wirtschaftliche Phänomene durch die gemeinsame Überwindung der Güterknappheit ergeben, soweit überhaupt eine strenge Scheidung beider Probleme ins Bewußtsein gerückt ist. Das Problem des soziologischen Tatbestandes ist aber doch nicht so einfach zu sehen und zu lösen, wie es zunächst den Anschein haben mag. Nach Max Weber „soll soziale .Beziehung' ein seinem Sinngehalt aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen. Die soziale Beziehung besteht also durchaus und ganz ausschließlich in der Chance, d a ß in einer (sinnhaft) angebbaren Art sozial gehandelt wird, einerlei zunächst: worauf diese Chance beruht. 1. Ein Mindestmaß von Beziehung des beiderseitigen Handelns aufeinander soll also Begriffsmerkmal sein. Der Inhalt kann der allerverschiedenste sein: Kampf, Feindschaft, Geschlechtsliebe, Freundschaft, Pietät, Marktaustausch, ,Erfüllung* oder ,Umgehung* oder ,Bruch' einer Vereinbarung, ökonomische oder erotische oder andere ,Konkurrenz', ständische oder nationale Klassengemeinschaft (falls diese letzteren Tatbestände über bloße Gemeinsamkeiten hinaus .soziales H a n d e l n ' erzeugen, — wovon später). Der Begriff besagt also nichts darüber: ob .Solidarität' der Handelnden besteht oder das gerade Gegenteil" 1 ). Die unmittelbare soziale „Beziehung" ist also etwas anderes als das soziale Dasein schlechthin. Dieses ist wissenschaftlich als ein allgemein-soziologisdier Tatbestand anzusehen, während die unmittelbare soziale „Beziehung" ein spezifisch soziologisches Phänomen ist, wobei Max Weber unter Soziologie die Wissen») „Wirtschaft und Gesellschaft", Köln-Berlin 1964, S. 19.

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schaft versteht, „welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ,Handeln' soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ,Soziales' Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist" 2 ). Max Weber, der sich, wie wir gesehen haben, bewußt ist, daß das Wirtschaften (eines Einzelnen) erst dann und nur insofern äußeres soziales Handeln ist, als „es das Verhalten Dritter mit in Betracht zieht", befaßt sich aber doch nur mit den soziologischen Grundkategorien des Wirtschaftens. Seine Ausführungen in seinem genannten Standardwerk stellen einen Beitrag zu einer soziologischen Theorie der Wirtschaft oder zur Wirtschaftssoziologie als besonderen Teil der Gesellschaftslehre dar. Max Weber verkennt aber nicht, daß es neben der Wirtschaftssoziologie die Wirtschaftstheorie gibt, „deren theoretische Einsichten für jene — so sehr sie nötigenfalls sich eigene Gebilde schaffen müßte — die Grundlage bilden" 3 ). Wenn Max Weber, der, wie Sombart, mehr Historiker und Soziologe war, nicht auch im „Güterdenken" befangen gewesen wäre, hätte er möglicherweise einen entscheidenden Schritt zur Begründung der Wirtschaftswissenschaft als einer besonderen Disziplin tun und das Verhältnis von Wirtschaftswissenschaft und Gesellschaftswissenschaft — als Soziologie und nicht Sozialwissenschaft — eindeutig bestimmen können. Diese Tatsache mag nachfolgend noch mehr verdeutlicht werden. Das arbeitsteilige Wirtschaften kann — wenn es sich um eine freie Verkehrswirtschaft handelt — die einzelnen Wirtschafter von der losesten Berührung, dem Tauschakte, auf Grund der Konkurrenz- oder Monopolstellung zu festeren Verbindungen in der Verfolgung des gleichen Zweckes, der Erzielung des größtmöglichen Gesamt(geld)ertrages, führen. Während die Wirtschaftstheorie die Konkurrenz und das Monopol unter dem Gesichtspunkt der Erzielung des größtmöglichen Gesamt(geld)ertrages erklärt, sucht die Soziologie diese Phänomene unter dem Gesichtspunkt des Sichfindens im Tausche und des Sichtrennens nach dem Tausche der Marktparteien, ihres Stärkeverhältnisses zueinander, ihrer Einordnung in den wirtschaftlichen und übrigen sozialen Gesamtzusammenhang zu deuten. Das heißt also die Art der Beziehungen an sich, in diesem Falle die Konkurrenz- und Monopolbeziehungen, werden beschreibend dargestellt und zunächst nach bestimmten Gesichtspunkten zu Massen, Gruppen, Gebilden geordnet. Diese allgemeine Soziologie als Analogon zur ordnenden naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise kann aber nur als Vorstufe für die tiefere Deutung zwischen2)

Ebenda S. 3 und in „Methodische Grundlagen der Soziologie", Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, S. 503 ff. 3 ) Ebenda, S. 46.

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menschlicher Beziehungen gelten. Sie ist gleichsam das Sieb, durch das die spezifisch-soziologischen Phänomene ausgesondert werden, deren Sinndeutung uns zu der Quantifizierung im engeren Sinne führt, d. h. eben zu der Statuierung reiner genereller Formen, die die wesentlichen Fakta des gesamtsozialen Prozesses darstellen. Mit dem oberflächlichen, wenn auch notwendigen Ordnen des sozialen Prozesses gewinnen wir keinen Einblick in das Woher?, Warum? eines gesetzmäßigen Verlaufes beziehungsweise der einzelnen Beziehungen und Gebilde und in ihre jeweilige Struktur. Dieses Problem vermag nur die verstehende und erklärende Soziologie in ihrer psychischen Fundierung zu lösen. Der Problemkreis wird nunmehr auf die Art einer Wechselbeziehuig im H i n blick auf einen bestimmten Zweck verengt. Eine Methode, die uns erst die Kenntnis des Grades der Differenzierung des Idi, des Zwanges zum Eingehen einer dieser Verschiedenartigkeit entsprechenden Form der zwischenmenschlichen Beziehung verleiht und so auf einen der menschlichen N a t u r inhärenten Verlauf schließen läßt. Die allgemein-soziologische, den sozialwirtschaftlichen Prozeß zergliedernde „Betrachtungsweise" ist von der verstehend- und erklärend-soziologisdien Analyse, der Soziologie im engeren Sinne, zu unterscheiden. Die Verschiedenartigkeit der Wirtschafter in ihren Anlagen, ihren Fähigkeiten, Bedürfnissen u n d Zielsetzungen und in ihrer Stellung zueinander und zu anderen Lebenssphären wird untersucht. Es wird das Ursächliche der jeweils bestimmt gearteten zwischenmenschlichen Beziehung dargelegt — zum Unterschied von dem Motiv des Eingehens einer Beziehung überhaupt. Die Frage: Warum gehen die einzelnen Wirtschafter bei dem Vorliegen wirtschaftlicher Notwendigkeit eine bestimmte Verbindungsart ein? wird zu beantworten versucht. Der Blickpunkt wird nach innen verlegt. Aus den einzelnen Menschen heraus sucht die verstehende und erklärende Soziologie ihr Verhalten zueinander, ihre Bindungen untereinander usw. zu begreifen. Das arbeitsteilige Wirtschaften ist im Falle der Verkehrswirtschaft auf den direkten Austausch von Gütern und Leistungen zwischen einzelnen Wirtschaftern oder Gruppen von ihnen bezogen. Diese „ G r u p p e n " können nun losere oder festere Gestalt in Form von Gebilden annehmen. Innerhalb des wirtschaftstheoretischen Systems werden sie bei der Erklärung des Preises als gegeben angenommen, sie werden als „ G r u p p e " oder „Gebilde" ebenso wie der einzelne Wirtschafter als Tauschpartner betrachtet. Die Erklärung des Tauschverkehrs an sich zwischen einzelnen oder verbundenen Wirtschaftern ist ein ganz anderes Problem als das des Entstehens der Verbindungen der einzelnen Wirtschafter zu einheitlich ausgerichteten Gruppen oder Gebilden innerhalb des tauschwirtschaftlichen Prozesses aus dem Konkurrenzkampf der Marktbeteiligten heraus. Bei dem Vorliegen bestimmter Marktdaten ist die Möglichkeit des Eingehens verschiedener Zusammenschlußarten zu bedenken, ein Problem, das ganz anders zu erklären ist als im Sinne der allgemeinen Tauschverkehrstheorie. Die Verbindungen werden nun nicht mehr als gegebene Gruppen oder Gebilde des 132

Tauschverkehrs angenommen, die formal durch besondere Merkmale äußerlich voneinander abgegrenzt werden. Dadurch, daß man die einzelnen Gebilde als gegeben annahm bzw. annimmt und nach bestimmten Merkmalen äußerlich voneinander abgrenzte bzw. abgrenzt, also die Gebilde nicht aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang heraus auf ihre tiefere Ursache hin untersuchte bzw. untersucht, kam oder kommt man zu der Unterscheidung von kausaldynamischer Erklärung des Wirtsdiaftsablaufes als solchem, die der Wirtschaftstheorie vorbehalten ist, und statisch-struktureller Gebildebetrachtung in beschreibendem Sinne, welch letztere Methode man für die einzig mögliche hinsichtlich der Deutung der verschiedenen möglichen Gebildeformen hält. M a n stellt sie dar, grenzt sie voneinander ab, aber erklärt nicht ihr Entstehen und ihre besondere A r t aus dem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang heraus 4 ). Nicht zuletzt, weil die herrschende Meinung von einer zu engen Problemstellung des „Wirtschaftens" ausgeht und den Tauschverkehr als solchen, und zwar vornehmlich in seiner liberal-kapitalistischen Struktur, als das wissenschaftliche Denkobjekt der ökonomischen Theorie ansieht und ihre eigentliche Aufgabe darin sieht, den Geld- und Warentauschverkehr an sich aus dem Identitätsprinzip, dem an den äußeren materiellen Gütern und Dienstleistungen orientierten wirtschaftlichen Handeln, heraus zu erklären, wurde und wird das Problem der GebW&eentstehung und -bewegung in seiner methodologischen G r u n d legung vernachlässigt und ohne Zusammenhang mit dem theoretischen Tauschsystem betrachtet. Zu der farblosen Lehre vom Tausch gehört aber die ebenso farblose wirtschaftliche Gebildelehre.

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) Siehe hierzu auch meine Schrift: „Das Wesen der Kartell-, Konzern- und Trustbewegung. Ein wirtschaftliches und soziologisches Problem", Jena 1930, S. 201 ff.

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12. Kapitel Reine und wirklichkeitsnahe Theorie N u r wenige Fachgelehrte haben sich der M ü h e der methodologischen Forschung unterzogen, das heißt zunächst das Problem „ W i r t s c h a f t e n " zu sehen u n d zu lösen zu versuchen, u m d a n n die Frage nach dem Tatbestand der arbeitsteiligen Wirtschaft zu stellen. Dieses Bemühen ist die Voraussetzung f ü r die allgemeine und besondere Preistheorie, die doch sonst im luftleeren R a u m schwebt. U n d in dieser Beziehung d ü r f t e die vorliegende Untersuchung dargetan haben, worin bisher die Verschiedenheit der Auffassungen über das „Wirtschaften", die „ W i r t schaft" u n d das sog. „wirtschaftliche P r i n z i p " besteht. Nicht zuletzt ist aber die Feststellung des Ausgangspunktes der Wirtschaftswissenschaft Voraussetzung f ü r die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, die sich die Klärung der Frage zur Aufgabe setzt, w o r i n der Grund f ü r eine besondere A r t der Entwicklung zu suchen ist u n d w o r i n der Unterschied zwischen den auf Arbeitsteilung abgestellten Gesellschafts- u n d Wirtschafts Ordnungen mit den verschiedensten Gebilden besteht? Festzuhalten ist zwecks endlicher Bereinigung fruchtloser Debatten folgendes: In fast allen Systemen der Wirtschaftstheorie stand u n d steht die Analyse des Tauschverkehrs im Mittelpunkt, u n d z w a r überwiegend des kapitalistischen Tauschverkehrs als eines historischen Tatbestandes. Aus ihm suchte u n d sucht man das I d e n t i t ä t s p r i n z i p der Wirtschaftswissenschaft, den wirtschaftlichen T a t bestand als solchen, zu bestimmen. Dieses Vorgehen ist natürlich erkenntnistheoretisch unmöglich. Überdies wurde u n d w i r d das Hineinleuchten in die W e r t sphäre nicht weiter betrieben, als es f ü r die D e u t u n g v o n Tausch u n d Preis notwendig erschien oder erscheint. I m G r u n d e ist man über Ricardos Bestimmung des Gegenstandes u n d der A u f gabe der Theoretischen Nationalökonomie nicht hinausgekommen, w e n n auch d a n n mit wesentlichen „Verfeinerungen" des theoretischen Gebäudes. Die englische klassische Theorie war erkenntnistheoretisch gesehen der erste Versuch, eine neue Fachdisziplin zu begründen. Schon ihre Bezeichnung als Political Economy läßt aber darauf schließen, d a ß sich ihre Begründer und die ihnen folgenden Anhänger hinsichtlich der erkenntnistheoretischen Abgrenzung dieses neuen Wissenschaftszweiges von anderen Wissenschaftsgebieten nicht im klaren waren, weil sie es eben noch nicht gewesen sein konnten. Bei ihnen w u r d e n die ausgesprochen gesellschaftswissenschaftlichen Fragestellungen noch mit den rein wirtschaftswissenschaftlichen Problemen vermengt. Wie der N a m e N a t i o n a l ökonomie sind auch die Begriffe Volk, Staat, Fürsten, Volkswohlstand, U n t e r nehmer, Arbeiter Bezeichnungen für ausgesprochen gesellschaftliche Tatbestände. Weil sich die Klassiker dieser Problematik nicht bewußt waren, vermochten sie den Vorstoß zu der eindeutig fundierten Wirtschaftswissenschaft als einer besonderen, neben die Gesellschaftslehre tretenden Wissenschaft nicht zu u n t e r nehmen. 134

Was f ü r die englischen Klassiker gilt, trifft auch f ü r Karl Marx und seine Anhänger zu. Audi seine Lehre weist keine eindeutige, von den Bedürfnissen der Einzelnen — und nicht von den Gütern, den „ W a a r e n " — ausgehende Fundierung auf. N u r sehr wenige Autoren haben, wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, versucht, das Problem „Wirtschaft", geschweige „Wirtschaften" in eine von dem historischen Sachverhalt des Tauschverkehrs abstrahierte Vorstellung zu bringen und die logische Ableitung zunächst in den Vordergrund zu stellen; aber auch sie in starrer Orientierung an Gütern und äußeren Leistungen. U n d eine andere Frage ist es, ob es ihnen immer gelungen ist, eine richtige Verfahrenslehre zu betreiben, die sich nicht den Anschein einer nur Wenigen zugänglichen Geheimwissenschaft gibt, sondern auf Grund rein logischen Denkens in einer klaren und möglichst einfachen Sprache aus der Erfahrung heraus das Erkenntnisobjekt bestimmt. H ä t t e man schon früher versucht, das Problem „Wirtschaften" aus dem Verhalten der einzelnen Menschen im Hinblick auf die Befriedigung aller ihrer Bedürfnisse heraus zu entwickeln, so wäre man schneller zu der eindeutigen Bestimmung des Problems „Wirtschaften" und zur strengen Scheidung dieses Problembereichs von dem sog. „wirtschaftlichen Prinzip", das nur eine alles menschliche Vorgehen bestimmende rationale, technische Maxime ist, auf der sich keine fachliche Fragestellung begründen läßt, und den anderen Lebensgebieten gelangt. Das Wirtschaften in seiner allgemeinsten Bedeutung geht weit über den Austausch von Gütern und die Darbietung von Dienstleistungen hinaus. Der Tauschverkehr übt nur eine Mittlerfunktion aus. Und zwar ist bei der Klärung des Tausches stets zwischen dem Begriff des reinen und des historisch bedingten Tausches zu unterscheiden. Daher muß ihnen auch eine reine Theorie und eine wirklichkeitsnahe, historische Theorie — nicht zu verwechseln mit Wirtsdiaftshistorie, Wirtschaftsgeschichte — entsprechen. Man braucht sich nur 'Werner Sombarts „Modernen Kapitalismus" vorzunehmen, um zu erkennen, daß die Entwicklung des Wirtschafts- u n d sonstigen Gesellschaftslebens mit den Mitteln der reinen Theorie nicht gedeutet zu werden vermag. Der Kapitalismus ist eine Lebensform, die überhaupt nicht vom Standpunkt der Fachdisziplin aus allein erklärt werden kann, denn es sind zahlreiche Faktoren, die durch ihr Zusammenwirken den Kapitalismus hervorgebracht haben, worunter die Persönlichkeit des in seinen Anlagen, Fähigkeiten und Zielsetzungen verschieden gearteten Unternehmers der bedeutendste Faktor ist. U n d diese Tatsache, die kein wirtschaftliches, sondern ein soziologisches Phänomen ist, wird bei der Klärung der Ursachen des Entstehens der verschiedenen kapitalistischen Gebilde völlig außer acht gelassen. Was Sombart über die Entstehung der Unternehmerschaft an sich geschrieben hat und was Schumpeter zum Aufstellen einer besonderen „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" veranlaßte, sollte nicht bedeutsam f ü r die Frage nach der Ursache und dem Sinn der kapitalistischen Gebilde, der einzelnen Unternehmungs- und ihrer Zusammenschlußformen sein? Diese Frage ist aber in ihrem tieferen Zusammenhang von anderen Autoren — soweit mir bekannt — weder gestellt noch geahnt worden. U n d 135

was f ü r die kapitalistischen Gebilde gilt, muß natürlich grundsätzlich auch f ü r andere, nichtkapitalistische, also für alle Wirtschaftsformen Gültigkeit haben 1 ). Wir sprechen von Arbeitern, unterschieden nach qualifizierten und nichtqualifizierten Arbeitern, von Handwerkern, leitenden und lediglich nach Anweisungen ihren Aufgabenkreis versehenden Angestellten, von Kaufleuten und Großkaufleuten, von kleinen, mittleren und Groß-Industriellen, des weiteren von Managern. Wir sprechen weiter von Angehörigen freier Berufe, von Adligen, dem Mittelstand, den Kleinbürgern, sozial-ethisch gesehen, sprechen wir von Emporkömmlingen, Parvenues, die erwerbsgierig und genußsüchtig oder auch in ihren Ansprüchen bescheiden sind. Des weiteren unterscheiden wir die Menschen in ihrer Entwicklung nach dem Ausmaß ihrer Fähigkeiten und Stellung in der jeweiligen Gesellschaft, gruppieren sie nach „Ständen" und stellen eine „Hierarchie der Stände" auf. Max Weber hebt die Bedeutung des Calvinismus f ü r die H e r ausbildung der kapitalistischen Wirtschaft hervor, Sombart und andere betonen wiederum das Aufkommen eines bestimmten Zeitgeistes und seinen Einfluß auf das wirtschaftliche Geschehen (siehe auch die sich auf den damaligen Stand der Moralphilosophie in England beziehende Lehre der nationalökonomischen Klassiker). U n d alles das sollte in der Wirtschaftstheorie, die doch das Wirtschaftsleben so umfassend wie nur irgend möglich nach seinem ursächlichen Zusammenhang erklären will und soll, keine Bedeutung haben? Es muß Wunder nehmen, d a ß zahlreiche Theoretiker glauben, es mit der Fiktion des homo oeconomicus bewenden lassen zu können, um auf ihr das theoretische Gebäude aufzubauen, das sich auf die mathematische und geometrische Darstellung des Preisverlaufes und des Preiszusammenhanges beschränkt, und unter dieser Voraussetzung auch die verschiedenen möglichen Formen des Wirtschaftslebens einfach als Daten einsetzen, anstatt sie in ihrer Entstehung und ihrem Wesen zu erklären zu versuchen. Dieses Beginnen muß notwendigerweise zur Konstruktion eines sehr lebensfremden wirtschaftstheoretischen Gebäudes führen und der Wirtschaftstheorie die Anerkennung versagen, die ihr bei richtiger Deutung des Lebens seitens der Praktiker und Politiker zukommen müßte. Alle diese aufgeworfenen Fragen sind mit der reinen, wert- und weltanschauungsfreien Theorie nicht zu beantworten, sie müssen schon von einem anderen Gesichtspunkt aus beleuchtet werden. Voraussetzung hierfür dürfte aber das bisherige Ergebnis der vorliegenden Untersuchung sein: nämlich daß der Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaft n u r das Wirtschaften in der hier aufgezeigten Problemweite und nicht die „Wirtschaft" oder das sog. „wirtschaftliche Prinzip", das in Wahrheit das „Prinzip der tedinisdien V e r n u n f t " ist, sein kann; das Wirtschaften, das Menschen verschiedener Geisteshaltung und Seelengröße, unterschiedlichen Blutes u n d Alters täglich üben und nicht Menschen, die alle gleich sind und deren rein subjektive Erwägungen man bei der Darstellung des Angebot- und Nachfragespiels und dessen mathematischer Illustrierung einfach

») Klug, a. a. O., S. 214 ff. 136

vernachlässigen kann. U n d wenn man das Wirtschaften nicht nur auf einen gegebenen Gütervorrat bezogen sieht, sondern grundsätzlich auf alle Bedürfnisse, auf die geistigen, seelischen, physischen genau so wie auf die materiellen, eben wenn ihre Befriedigung Kosten verursachen würde, die die Befriedigung sämtlicher anderen Bedürfnisse, dazu das Fassungsvermögen jedes Einzelnen, in mehr oder weniger hohem Grade beeinflussen, erhält die Wirtschaftswissenschaft die Lebensnähe, die auch eine eindeutige, logisch stichhaltige Abgrenzung von den anderen Fachdisziplinen ermöglicht. In ihr nehmen die reine Tauschverkehrstheorie und die auf einen historischen Tatbestand bezogene Theorie einen bestimmten, aber nicht mehr, wie bisher, den zentralen Platz ein, woraus sich in mancherlei Hinsicht Folgerungen in der Erkenntnis des sozialen Lebens ergeben. Denken wir an die auf dem „Denken in Gütern" aufgebaute Lehre des wirtschaftlichen Wertes, den man glaubte, aus der Nationalökonomie, sprich Wirtschaftswissenschaft, ganz eliminieren zu können, an den im Verhältnis zu dem Wirtschaften aus dem gesamten Lebenszusammenhang heraus doch begrenzten Geltungsbereich der Preistheorie, insofern als der in Geld ausgedrückte Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung, der Preis, nicht nur mit allen anderen Preisen in Zusammenhang steht, sondern letzten Endes auf Grund der auch nicht auf Arbeitsteilung und Tausch bezogenen Wertungen aller Individuen zustande kommt. Denken wir ferner an die marxistische Theorie der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse als dem Kern der materialistischen oder ökonomischen Geschichtsauffassung, schließlich an den vermeintlichen Gegensatz von Wirtschaften und Moral, Wirtschaften und Kultur oder Wirtschaften und Religion, wie er im allgemeinen gesehen wird. Die Vertreter der reinen, rationalen Theorie, die von ihnen vielfach auch als die Wirtschaftstheorie ausgegeben wird, verkennen dann, d a ß sie nur ein Abbild des güterwirtschaftlichen, also nicht des gesamtwirtschaftlichen Geschehens geben kann und daß man mit ihren Mitteln eben nur das Angebot- und Nachfragespiel von Gütermengen — nicht der Güter schlechthin — darzustellen und zum Teil zu erklären vermag. Denn niemals kann man mit dieser Theorie das Wirtschaften der Menschen erschöpfend und in allen seinen verschiedenen möglichen Formen erklären. Das ist nur durch eine Theorie möglich, die das Wirtschaften viel umfassender als bisher aus dem gesamten Lebensbereich des oder der einzelnen Menschen heraus zu deuten versucht und den Menschen sieht, wie er wirklich ist. Die Knappheit der äußeren Güter als den Grund aller Wirtschaft, geschweige allen Wirtschaftens anzugeben, ist dann nämlich nicht mehr zu vertreten. D a ß man dann auch einen besseren, der Erfahrung gemäßen, logisch richtigen Anschluß an die weiteren Stufen der Erkenntnis findet, ist die zwingende Folgerung. Auch in der Hinsicht, d a ß man die kapitalistische, also eine historisch bedingte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht als das Erfahrungsobjekt der doch letzten Endes auf Allgemeingültigkeit abzielenden Wirtschaftswissenschaft — eben nicht der Nationalökonomie oder Political Economy oder Economics — ausgeben kann, anstatt zunächst die Frage zu untersuchen, ob mit der bisherigen Deutung Tatbestand und Wesen des Wirtschaftens an sich hinreichend bestimmt 137

sind. Denn doch erst darauf kann die Frage nach den grundsätzlich möglichen Formen des arbeitsteiligen Wirtschaftens gestellt werden. Die Vertreter der reinen, rationalen Verkehrstheorie machen aber, wie bemerkt, in ihrer Erklärung der arbeitsteiligen Wirtschaft, der Tauschwirtschaft an sich, keinen Unterschied zwischen den einzelnen Wirtschaftern: Anbietern und Nachfragenden hinsichtlich ihrer Arteigenheit — was f ü r die statische Theorie mit ihrer Fiktion des homo oeconomicus und ihrer mathematischen Illustrierung richtig ist, — aber sie nehmen dennoch die moderne Unternehmerwirtschaft, die auf der Verschiedenartigkeit gerade der Unternehmer beruht, zum Vorbild. U n d wenn man sidh dann der Untersuchung der Fragen des Warum? und Wie?, also der Fragen: W a r u m begründen die Wirtschafter verschiedene Wirtschaftseinheiten, und warum in einem bestimmten Falle gerade diese, in einem anderen jene? zuwendet, Fragen, die nicht mit den Erkenntnismitteln der reinen, rationalen Theorie, sondern nur mit denen der Entwicklungsund Gebildetheorie, also wirtschaftlich und soziologisch zu klären sind, dann hätte man die Inkonsequenz einsehen und noch mehr erkennen müssen, daß die Ausschließlichkeit, mit der die reine, rationale Theorie vielfach auftritt, nicht zu rechtfertigen ist. Über die Entstehung und das Wesen z. B. des Kapitalismus sind so manche ausgezeichnete Werke geschrieben worden, d a ß ich hier auf die Frage des Warum? nur kurz einzugehen brauche. Den Patrizier, Bourgeois, Proletarier, Protestanten, Katholiken, Juden kennt die reine Theorie nicht; ebensowenig den Unternehmer, Arbeiter, Angestellten, Bauern, Handwerker in ihren verschiedenen Veranlagungen und sonstigen Wesensunterschieden. Sie ist nur geeignet, gleichsam einen Querschnitt durch den wirtschaftlichen, und zwar nur tauschwirtschaftlichen Zusammenhang zu ziehen. Er ist farblos, ohne Tiefenkontraste, lediglich eine Momentaufnahme. Angebot und Nachfrage werden nur nach U m f a n g und Intensität festgestellt, nicht die jeweils besondere Art und Differenzierung der Wirtschafter wird zu ergründen und darzulegen versucht. Aus ihnen entsteht aber die wirtschaftliche Entwicklung, der besondere Grad und das Ausmaß der Verflechtung der einzelnen Wirtschafter. Sie unterscheiden sich in Wahrheit durch ihren jeweils besonderen Geist wie dem kapitalistischen oder sozialistischen oder kommunistischen Geist, ihren Sinn f ü r Gemeinschaft, ihre Fähigkeiten, ferner durch Rasse, ihren Stand, Glauben, ihr ästhetisches Empfinden, dem — unter dem Blidkpunkt der Freiheit — das f ü r das Problem „Kapitalismus und Sozialismus" so sehr wichtige Modebedürfnis entspringt, Momente, die eine ganz andere Vielfalt des wirtschaftlichen Ablaufes hervorrufen, als sie die reine Theorie zu sehen und zu erklären vermag. Die reine, ein Wirtschaftsmodell konstruierende Theorie ist zwar in ihrer Aufzeigung der Grundlinien des wirtschaftlichen Kreislaufes so wesentlich wie die Anatomie f ü r die Darstellung des Blutkreislaufes. Aber so wenig wie diese das durch den Blutkreislauf bewirkte Leben in seinem geistigen, seelischen und körperlichen Gehalt zu deuten vermag, so wenig ist die reine Theorie geeignet, das sozialwirtschaftliche Leben in der bunten Fülle seines Inhalts, seiner Formen und der ihnen entsprechenden Gebilde zu erklären. Die reine Theorie ist in der Tat mehr 138

ein lediglich auf den Tauschverkehr bezogenes Denkschema als der Versuch, das Wirtschaftsgeschehen in seiner gesamten Problematik zu deuten. Wenn Joseph Schumpeter (1883—1950) in seiner „ E i n f ü h r u n g " in das Buch über die „ G r u n d z ü g e der theoretischen N a t i o n a l ö k o n o m i e " von Enrico Barone (1859—1924) meint, d a ß „ w i r lange genug — im G r u n d e seit jenem Wiedererwachen des Interesses an ökonomischer Theorie am Beginn dieses J a h r h u n d e r t s — nach Wegen gesucht, philosophische H i n t e r g r ü n d e erörtert, um Methoden gestritten, prinzipielle S t a n d p u n k t e u n d Richtungen vertreten u n d b e k ä m p f t , kurz, die Wirtschaftslehre so betrieben haben, wie wenn sie eine Philosophie wäre, die grundverschiedene u n d letztlich unvergleichbare Systeme kennt, von denen jedes seine Dogmen hat, — statt in der Theorie das zu sehen, was sie ist, eine Denktechnik, die man einüben muß wie eine Sprache, u m mitreden zu können" 2 ), dann gibt er — wie auch an anderer Stelle — damit nur seine Abneigung gegen methodologische Erörterungen und seinen H a n g zur reinen, abstrakten Theorie zu verstehen, ohne aber überzeugend zu wirken. Denn Schumpeter selbst, der zweifellos zu den schärfsten und geachtetsten Denkern des Faches zählt, h a t mit seinen wissenschaftlichen Werken den Beweis erbracht, d a ß die Wirtschaftswissenschaft nicht willkürlich auf das Gebiet der reinen Theorie beschränkt werden kann, sondern daß sie wesentlich umfassender und tiefer zu fundieren ist. Typisch f ü r die Vertreter der reinen Theorie ist der Beginn der Darstellung Enrico Barones. Keine Grundlegung, keine methodologische Erörterung über die Frage der Möglichkeit der Wirtschaftswissenschaft als Einzelwissenschaft. D e r I. Teil seines Buches beginnt mit dem „wirtschaftlichen Gleichgewicht" u n d lautet: „Auf einem M a r k t e w i r d getauscht u n d produziert. W e n n wir uns die A r beiter, die Eigentümer von Kapitalien (worunter wir auch das ersparte Geldkapital einbegreifen), die Grundbesitzer und U n t e r n e h m e r getrennt vorstellen, können wir den Vorgang im Wege einer ersten A n n ä h e r u n g etwa so beschreiben: D i e verschiedenen, dem M a r k t e angehörenden Individuen v e r k a u f e n bei gewissen f ü r die einzelnen W a r e n und p r o d u k t i v e n Dienste gegebenen Preisen (wobei wir die Preise in Q u a n t i t ä t e n eines Gutes ausdrücken) ihre Leistungen (Arbeit, V e r w e n d u n g der verschiedenen Kapitalien und Böden) an Unternehmer. Diese stellen daraus, indem sie in geeigneter Weise kombinieren, die verschiedenen nachgefragten Waren her; mit einem Teil dessen, was die verschiedenen Individuen aus dem Verkauf ihrer Dienste erlösen, k a u f e n sie die angebotenen Produkte, w ä h r e n d sie den Rest ihres Einkommens ersparen" 3 ). O h n e entsprechende U b e r leitung gleitet Barone von der reinen, rationalen Theorie in die kapitalistische, also historische Tauschverkehrslehre ab. Das ist der zweite H a u p t f e h l e r dieser nationalökonomischen „Richtung". Die Theorie der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n — des Bodens u n d der Arbeit (als den ursprünglichen P r o d u k t i o n s f a k t o r e n ) u n d des Sach- u n d Geldkapitals (als dem 2 3

) Bonn 1927, S. 7 (übersetzt von H. Stachle). ) Ebenda, S. 15. 139

abgeleiteten Produktionsfaktor) — und der Einkommensverteilung nimmt in allen nationalökonomischen Lehrbüchern den breitesten Raum ein. Die Preisbildung für Boden unter Berücksichtigung seiner besonderen Eigenschaften und Lage, das agrare und industrielle Standortproblem (Johann Heinrich v. Thiinen und Alfred Weber (1868—1958), die sich daraus ergebenden Differentialrenten (Qualitäts-, Intensitäts-, Lagerenten), der Zusammenhang von Bodenertrag (Gesetz des abnehmenden Bodenertrages) und Bevölkerungszahl (Malthus'sdies Gesetz), die städtische Bodenrente, — die Preisbildung auf dem Arbeitsmarkt für ungelernte und gelernte Arbeit, das Recht auf den vollen Arbeitsertrag, die Lohnfondstheorie der englischen Klassiker, das eherne Lohngesetz Lassalles (1825— 1864), die marxistische Arbeitswertheorie, — die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt, die einzelnen Zinstheorien, die Frage der Berechtigung des Zinses, die Knappheitstheorie, kurzfristige und langfristige Zinssätze, Geldzins und Realzins, die Frage der Mannigfaltigkeit der Kapital- und Geldmärkte, die Funktion des Zinses in der Verkehrswirtschaft, Zinspolitik und Kreditschaffung, statischer und dynamischer Zins, die Rolle des Sparens, Zins und Risikoprämie, Produktivität und Rentabilität, das Messen der Produktionsveränderungen, das Wesen des Unternehmergewinns, das Verhältnis von Profit und Unternehmerlohn, der Zusammenhang von Lohn, Rente und Profit, der Unterschied zwischen dem Durchschnittsunternehmer und dem schöpferischen Unternehmer, die marxistische Mehrwertlehre, die einzelnen konjunkturtheoretischen Probleme, sie alle und noch viele mehr sind Fragen der am Erfahrungsobjekt „Kapitalismus" orientierten Spezialtheorien — zum Unterschied von der allgemeinen Theorie des Tauschverkehrs —, die in oft meisterhafter Form vorgetragen werden. Die zentrale Bedeutung, die sie in der Nationalökonomie bekommen haben, hat die meisten Autoren dazu verleitet, die Frage ihres Fundaments ganz aus den Augen zu verlieren oder gar nicht zu sehen. Ihre Beantwortung hätte zu der Erkenntnis führen müssen, daß zunächst einmal die Vorfrage geklärt werden muß, wie denn eigentlich das Problem „Wirtschaften" zu sehen und dann der Tatbestand der „Wirtschaft" zu bestimmen ist. Dann wäre aus der Nationalökonomie schon früher die eindeutig bestimmte Wirtschaftswissenschaft geworden. Die reine Theorie hat seit den englischen Klassikern erhebliche Fortschritte gemacht. Aber ihre Aussagekraft hat wegen des mangelnden Zusammenhanges von Individualbedürfnissen der Einzelnen und ihrem Marktbedarf nicht zugenommen. Daher kann auch die Konjunkturtheorie nur sehr bedingte Aussagen machen, was die Fiskal- und Beschäftigungspolitik — ob mit oder ohne Inflation — zur Kenntnis nehmen muß. Wer kann einigermaßen präzise Voraussagen über das Marktverhalten der verschiedenen Jahrgänge machen, deren Bedürfnisskalen eben doch anders sind, als in der reinen Theorie angenommen wird, weil sie eben nur von dem Güter- und Leistungsbedarf der „Normal"-Bürger oder ,jVo>7mi/"-Haushalte ausgeht, wobei sie die Bedürfnisskalen der Menschen, die verschiedenen Völkern angehören, ebenfalls unbeachtet läßt? Die zunehmenden Fehldiagnosen der Regierungen und wissenschaftlichen In140

stitute und die Arbeitslosigkeit in der westlichen Welt sind ein Beweis dafür, daß die „Modell"-Hypothesen nur sehr bedingt praktikabel sind und — wenn übertrieben angewandt — zu Lasten des Ansehens der Wirtschaftswissenschaft in den verschiedenen Bevölkerungskreisen führen können. Die rein abstrakte Preistheorie kann nur die Aufgabe haben, in die Theorie des Tauschverkehrs in seinen verschiedenen möglichen Formen einzuführen, ohne in mathematisch illustrierte Gedankenspielereien ausarten zu müssen. Ihr Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt kann und darf jedoch nicht an einer Geschichtsepoche orientiert sein. Gegen diesen Grundsatz verstoßen aber die meisten nationalökonomischen Lehrbüdier. Der Bruch in der reinen, farblosen Theorie ist offenbar! Denn sie spricht zwar von Anbietern in Konkurrenz- oder Monopolstellung, meint jedoch Unternehmer oder spricht ausdrücklick von Unternehmern. Die reine Theorie bedient sich also einer historischen Gestalt, die doch nur für eine bestimmte Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung Gültigkeit haben kann. Für die reine Theorie ist der sog. liberale, doch in dieser Art vergangene Kapitalismus das Erfahrungsobjekt. An ihm sind alle weiteren Hypothesen über das Verhalten der am Tauschverkehr Beteiligten orientiert. Auch die „makro-ökonomische Theorie" entlehnt ihre Vorstellungen und Ableitungen dem kapitalistisch-orientierten Tauschverkehr. Und wenn die reine Theorie nur von Unternehmern spricht, so unterscheidet sie u. a. nicht zwischen Klein-, Mittel- und Großunternehmern, auch nicht zwischen Unternehmer-Kapitalisten und Managern. Sie vernachlässigt auch tausenderlei Warenarten, darunter solche, für die — wie z. B. bei textilen Modeartikeln, Werksanlagen, Schiffen, Kraftwerken, Kinderspielzeug, Sportartikeln — die Zahlenspielereien der reinen Theorie keine Gültigkeit haben können. Ebenso werden Großanlagen, wie ganze Fabriken, nicht nach dem Angebot- und Nachfragespiel dieser Theorie verkauft. Die reine Theorie klammert auch die klimatischen Bedingungen, die Traditionen u. a. m. aus. Erfahrungsobjekt dieser Theorie können überwiegend nur die Waren-, Effekten- und Devisenbörsen sein. Das alles ist nur zu oft vergessen worden oder gar nicht ins Bewußtsein getreten. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man die formale, reine Theorie im Sinne der bisherigen quantitativen Güterlehre, besser Gütermechanik, betreibt, oder ob man sich von vornherein des Ausgangspunktes der Wirtschaftswissenschaft bewußt ist. Dann kann man getrost mit der reinen rationalen Theorie als einem Denkschema arbeiten und verfällt nicht unversehens in den Fehler, ihr mehr Wirklichkeitsgehalt zuzuschreiben, sie für mehr auszugeben, als daß sie nur einen begrenzten Inhalt der umfassenderen Wirtschaftswissenschaft unter ganz bestimmten Voraussetzungen darstellen kann. Nach der eindeutigen Bestimmung des Problems „Wirtschaften" aus dem gesamten Lebensbereich heraus — unter Ablehnung aller Begriffs-Nationalökonomie oder der gedanklichen Willkür im Sinne Werner Sombarts — und damit nadi der Begründung der Wirtschaftswissenschaft als einer von den anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen abgegrenzten Fachdisziplin kann man auf diesem 141

festen Fundament das wirtschaftswissenschaftliche System erriditen, d. h., die auf das Wirtschaften der Einzelnen im weitesten Sinne stets bezogene Einordnung der Teilgebiete in das System vornehmen. Der ganze Streit um die Wertlehre u n d ob subjektive oder objektive Theorie erübrigt sich dann unter dem Gesichtspunkt, daß das Wirtschaften ein Werten aus dem gesamten Wertungszusammenhang der Einzelnen ist, der über die Orientierung an den äußeren Gütern und Dienstleistungen hinausgeht, so daß von einer nur auf sie bezogenen Wertskala keine Rede sein kann. D e r Aufbau der Wirtschaftswissenschaft ergibt sich dann ohne Vornahme willkürlicher Konstruktionen u n d somit ohne Schwierigkeiten, nicht natürlich die theoretische Durchleuchtung der einzelnen Teilgebiete als solche in den theoretisch u n d praktisch unter bestimmten Voraussetzungen möglichen verschiedenen Wirtschaftsordnungen in der Gesellschaft. Wie geht nun in ihnen das auf den Individualbereich bezogene und das arbeitsteilige Wirtschaften vor sich? Diese Problematik steht hier zur Diskussion; nicht die Frage, welcher der nachfolgend in ihrer Struktur und Zielsetzung aufgef ü h r t e n Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen die Menschen den Vorzug geben sollten.

142

13. Kapitel Die historisch bedingten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen A. Der Kapitalismus (als Erfahrungsobjekt der herkömmlichen Volkswirtschaftslehre)

a) Der marktwirtschaftliche

Sektor

1. Ausgehend v o n i h r e m I n d i v i d u a l b e r e i c h orientieren sich die einzelnen

Men-

schen a m M a r k t , d. h. sie wirtschaften ü b e r ihn, soweit a u f ihm für sie b e n ö t i g t e materielle Güter

und Dienstleistungen

durch U n t e r n e h m e n

angeboten

D i e s e wirtschaften zwecks E r w e r b s durch Austausch. E s herrscht

werden.

Arbeitsteilung

Marktbedarf und Als-ObPlanung

zwischen den U n t e r n e h m e n u n d den N a c h f r a g e n d e n . D u r d i diesen U m w e g entsteht der W a r e n c h a r a k t e r der B e d a r f s b e f r i e d i g u n g s o b j e k t e , soweit sie eben a u f die M a r k t b e d a r f s s k a l a und nicht a u f die rein individuellen, nicht a u f den M a r k t bezogenen Bedürfnisse Bezug h a b e n . Es gibt k e i n e z e n t r a l e P r o d u k t i o n s - u n d V e r teilungslenkung, statt dessen die A l s - O b - P l a n u n g über die einzelnen M ä r k t e . 2. P r o d u k t i o n (im weitesten S i n n e ) u n d V e r t e i l u n g v o l l z i e h e n sich durch das v e r t r a g s m ä ß i g geregelte Z u s a m m e n w i r k e n z w e i e r G r u p p e n , deren eine im E i g e n t u m b z w . i m Besitz sämtlicher erforderlicher P r o d u k t i o n s m i t t e l

(Güter-Kapital)

ist,

Privateigentum

w ä h r e n d die a n d e r e lediglich oder ü b e r w i e g e n d ihre persönliche A r b e i t s k r a f t besitzt und einschießt. Es herrscht im wesentlichen ungleiche E i g e n t u m s - b z w . B e sitzverteilung. E i n e genügende Z a h l v o n p r i v a t e n , selbstverantwortlichen

Unter-

n e h m e r n ( K a p i t a l e i g e n t ü m e r n oder M a n a g e r n b z w . bei B a n k k r e d i t oder persönlichen D a r l e h e n K a p i t a l b e s i t z e r n ) und v o n ihnen abhängigen, u n t e r e i n a n d e r k o n kurrierenden A r b e i t n e h m e r n ist V o r b e d i n g u n g f ü r diese A r t arbeitsteiliger W i r t schaft, wobei die Z a h l der U n t e r n e h m e r erheblich geringer ist als die der A r b e i t nehmer. D i e I n i t i a t i v e , R i s i k o b e r e i t s c h a f t u n d K o n t r o l l e des kapitalistischen

Marktwirt-

schaftens liegt allein bei den U n t e r n e h m e r n . S i e sind auch frei in der A u s w a h l u n d im E i n s a t z der technischen Möglichkeiten a u f g r u n d der ebenfalls frei gemach-

Risiko und Erwerbschance

ten E r f i n d u n g e n . 3. D i e U n t e r n e h m e r haben freie V e r f ü g u n g s g e w a l t über die sich in ihrem E i g e n tum oder Besitz befindenden Produktionsfaktoren: K a p i t a l , G r u n d - und Boden u n d auch hinsichtlich des E i n s a t z e s der v o n ihnen beschäftigten

Arbeitskräfte.

D e r e n P r e i s : Zins, R e n t e , L o h n o d e r G e h a l t ergibt sich aus dem jeweiligen A n g e bot

und

der N a c h f r a g e

auf

dem K a p i t a l - ,

Grund und Boden-

und

freie Verfügungsgewalt

Arbeits-

markt. 4. A n g e b o t u n d N a c h f r a g e w e r d e n durch den P r e i s a u f den verschiedenen M a r k ten

reguliert.

Die

Wirtschaftsrechnung

ist G e l d r e c h n u n g

und

ist f ü r

alle

am 143

Geldre

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