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German Pages 408 [409] Year 2015
Studien zu Umweltökonomie und Umweltpolitik Herausgegeben von Prof. Dr. Erik Gawel
Band 11
Die Governance der Wasserinfrastruktur Band 1: Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Optionen
Herausgegeben von
Erik Gawel
Duncker & Humblot · Berlin
ERIK GAWEL (Hrsg.)
Die Governance der Wasserinfrastruktur Band 1
Studien zu Umweltökonomie und Umweltpolitik Herausgegeben von Professor Dr. Erik Gawel
Band 11
Die Governance der Wasserinfrastruktur Band 1: Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Optionen
Herausgegeben von
Erik Gawel
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Meta Systems GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0238 ISBN 978-3-428-14777-9 (Print) ISBN 978-3-428-54777-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84777-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Auf langlebige technische Infrastrukturen gestützte Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung sind ökologisch, ökonomisch und sozial eine Schlüsselherausforderung für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft. Die traditionellen zentralen Infrastruktursysteme in Deutschland und Europa geraten angesichts steigender gesellschaftlicher Anforderungen an Ressourceneffizienz und Wirtschaftlichkeit sowie als Folge globaler wie regionaler Wandlungsprozesse (Klima, Demografie, Konsummuster) zunehmend unter Veränderungsdruck. Gesucht sind flexiblere und anpassungsfähige Systemlösungen, die sich auch an kleinräumige und schnell wechselnde demografische und klimatische Veränderungen anpassen lassen, um die Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und „Erschwinglichkeit“ der Versorgungssysteme zu sichern. Technisch-ökonomische „Systeminteressen“ (Kapazitätsauslastung, Anschluss- und Benutzungszwang, Kostendeckung) müssen an Nachhaltigkeitsinteressen (Flexibilisierung, Dezentralisierung, Ressourcenschonung, Affordability) ausgerichtet werden. Die traditionellen Lösungen sind jedoch eingebettet in ein System sozio-ökonomischer „Garantie- und Steuerungsinstitutionen“ und bilden dadurch zugleich Pfadabhängigkeiten aus (Transformationsproblem). Als „Institution“ gelten dabei in der Neuen Institutionenökonomik sämtliche Regeln, die individuelles Verhalten steuern und begrenzen. Diesem Regelwerk gilt hier das Hauptaugenmerk: Wie müssen Regeln für Wasserdienstleistungen der Ver- und Entsorgung ausgestaltet werden, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen und anzustoßen? Die in den beiden vorgelegten Bänden1 zur „Governance der Wasserinfrastruktur“ zusammengestellten interdisziplinären Beiträge aus Wissenschaft und Praxis analysieren die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung in Deutschland und Europa im Hinblick auf regional diversifizierte demografische und sozio-ökonomische Prozesse, unterschiedliche Auswirkungen des Klimawandels sowie systemische Nachhaltigkeits-Zielkonflikte und entwickeln auf dieser Grundlage Überlegungen zur Gestaltung von „Institutionen“ zur Sicherung einer nachhaltigen Steuerung langfristiger Infrastrukturentscheidungen. Die Beiträge gehen zurück auf das vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderte Forschungsvorhaben InfraWass („Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Governance langlebiger technischer Infrastruktursysteme am Beispiel der europäischen 1 Siehe auch den zweiten Band: Gawel, E. (Hrsg.): Die Governance der Wasserinfrastruktur, Band 2: Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Steuerung von Wasserinfrastruktursystemen, Berlin: Duncker & Humblot 2015. ISBN 978-3-428-14778-6.
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Vorwort
Wasserver- und Abwasserentsorgung unter den Bedingungen des klimatischen und demographischen Wandels“: www.ufz.de/infrawass). Das im Rahmen des Programms „Wirtschaftswissenschaft für Nachhaltigkeit 2“ geförderte Projekt (FKZ: 01UN1013, Laufzeit 2010 – 2013) wurde in Kooperation des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), Department Ökonomie (Prof. Dr. Erik Gawel (Leitung)) und Department für Umwelt- und Planungsrecht (Dr. Moritz Reese), des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig (Prof. Dr. Holländer) und der Universität Kassel, Institut für Wirtschaftsrecht (Prof. Dr. Laskowski), durchgeführt. Das Forschungsteam wurde mit dem KompetenzNetzwerk HAMBURG WASSER und der KWL – Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH durch zwei hochkompetente Praxispartner unterstützt, denen die Forschungsnehmer viele wertvolle Anregungen verdanken. Besonderer Dank gilt hierbei Herrn Dr.-Ing. Uwe Winkler (KWL Leipzig) und Dr.-Ing. Axel Waldhoff (Hamburg Wasser), die das Projekt persönlich begleitet und durch vielfältige Impulse überaus befruchtet haben. Die nunmehr vorgelegten Bände fassen die wesentlichen Ergebnisse des Forschungsvorhabens zusammen. Dabei ist es gelungen, nicht nur die wissenschaftlichen Beiträge aus dem Kreis der Forschungsnehmer zu versammeln, sondern auch zahlreiche weitere Beiträge aus Wissenschaft und Praxis einzubeziehen, die im Rahmen mehrerer Projekt-Workshops sowohl von unseren Praxispartnern als auch von externen Experten aus dem In- und europäischen Ausland beigesteuert wurden. Einige aktuelle Aufsätze aus anderen Projektzusammenhängen, doch in enger Verknüpfung mit dem Generalthema, runden die Bände ab. Diese beiden Werke wären nicht zustande gekommen ohne die engagierte und tatkräftige Mitwirkung aller Projektbeteiligten weit über die eigentliche Projektlaufzeit hinaus. Für die stets angenehme Zusammenarbeit ist der Herausgeber allen Beteiligten sehr zu Dank verpflichtet. Dies schließt auch die sehr zahlreichen helfenden Hände ein, die bei der Endredaktion und beim Layout mitgewirkt haben. Mein besonderer Dank gilt allerdings Herrn Dipl.-Volksw. Norman Bedtke, der nicht nur das Projekt selbst, sondern auch die Buchpublikationen mit großer Umsicht, Hartnäckigkeit und Kompetenz fachlich und organisatorisch koordiniert hat. Mögen die beiden Bände einen Beitrag zur gegenwärtig so intensiv geführten Debatte um eine zukunftsfähige Wasserwirtschaft in Deutschland und Europa leisten, indem Wissenschaft und Praxis sowie die verschiedenen Disziplinen und Diskursstränge künftig noch enger miteinander verbunden werden. Leipzig, im August 2015
Erik Gawel
Inhaltsverzeichnis I. Zur Einführung Erik Gawel und Norman Bedtke Infrastrukturtransformation und Nachhaltigkeitsinstitutionen – eine Problemskizze für die deutsche Wasserwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Wasserwirtschaft Norman Bedtke Netzgebundene Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss globaler und regionaler Wandlungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wolfgang Köck Zur Entwicklung des Rechts der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung . . . .
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Silke Ruth Laskowski Flexibilisierung der Wasserwirtschaft – Öffentliche Abwasserentsorgung unter Anpassungsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Abwasserinfrastrukturen – eine integrierte Betrachtung lokaler und regionaler Entwicklungsperspektiven . . . . . . . . . . . . . 117 Jan Bondaruk and Marta Wiesner Wastewater System in Poland – Current Trends and Development Challenges . . . . . . . . 139
III. Nachhaltigkeitsziele und -herausforderungen Moritz Reese und Norman Bedtke Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“? Allgemeine Nachhaltigkeitskonzeptionen und Ableitungen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Moritz Reese, Erik Gawel und Stefan Geyler Die Nachhaltigkeitsgebote der Siedlungswasserwirtschaft – Kernziele, Grundvoraussetzungen und institutionelle Ansatzpunkte nachhaltiger Wasserver- und Abwasserentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Stefan Geyler und Norman Bedtke Anpassungserfordernisse und Herausforderungen für netzgebundene Wasserinfrastruktursysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
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Inhaltsverzeichnis IV. Der Alternativenraum: Technologische und institutionelle Handlungsoptionen
Stefan Geyler und Sabine Lautenschläger Technische Konzepte und Optionen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung 327 Norman Bedtke und Erik Gawel Institutionelle Reformoptionen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Infrastrukturtransformation und Nachhaltigkeitsinstitutionen – eine Problemskizze für die deutsche Wasserwirtschaft Von Erik Gawel und Norman Bedtke
I. Problemstellung Langlebige, technisch bestimmte Infrastruktursysteme, wie sie für die Wasserverund Abwasserentsorgung hochentwickelter Länder typisch sind, stellen für die Steuerung unter dem Postulat einer nachhaltigen Entwicklung besondere Herausforderungen: Als komplexe sozio-technische Systeme zielen sie auf die Erbringung einer Vielzahl von Dienstleistungen, die von der Versorgungssicherheit bei der Bereitstellung von Trink- und Löschwasser über die Ableitung von Schmutz- und Regenwasser bis zur Siedlungshygiene und zum Gewässerschutz reichen. Dabei sind sie gekennzeichnet durch z. T. extreme technologische und ökonomische Langlebigkeit bei gleichzeitiger Leitungsgebundenheit. Dies impliziert aus ökonomischer Sicht eine hohe Kapital- und Anlagenintensität der Dienstleistungen, eine Dominanz fixer Kosten sowie die Herausforderungen natürlicher Monopole im Netzbetrieb – all dies bei gleichzeitig hoher ökologischer Relevanz der abgegebenen Ver- und Entsorgungsdienstleistungen. Die ökonomischen Produktionsbedingungen sind daher durch die Problematik gemischt-öffentlicher Gutsbereitstellung und umweltrelevanter Externalitäten sowie von Skaleneffekten und natürlichen Monopolen bestimmt. 1 Konventionelle Infrastruktursysteme der Wasserwirtschaft haben sich vor diesem Hintergrund unter der Prämisse langfristig stabiler Rahmenbedingungen einer zentralen Bedienung von wasserwirtschaftlicher Daseinsvorsorge in Verdichtungsräumen entwickelt und sind in einen Kranz begünstigender Institutionen eingebettet, die in Kombination mit den technologischen Eigenschaften ausgeprägte pfadabhängige Entwicklungsverläufe ausbilden. Andererseits geraten leitungsgebundene Ver- und Entsorgungssysteme der Wasserwirtschaft gegenwärtig zunehmend unter Veränderungsdruck.2 Neben fortlaufend höheren Ansprüchen an die Ressourceneffizienz bzw. die ökologische Nachhaltig1 Zu den ökonomischen Besonderheiten von Netzsektoren siehe u. a. Oelmann (2005), S. 24 ff.; Winkler (2005), S. 77 ff.; Knieps (2008), S. 21 ff. 2 Einen allgemeinen Überblick geben u. a. Kluge et al. (2003); Hillenbrand / Hiessl (2006), dies. (2007).
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keit wasserwirtschaftlicher Dienstleistungen – hier sind beispielhaft die Behandlung von anthropogenen Mikroverunreinigungen3 und die Rückgewinnung von Nährstoffen und Energie aus Abwasserströmen zu nennen4 – und einer breiten Diskussion um Effizienz, Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge5 bestimmen vor allem langfristige Wandlungsprozesse der wasserwirtschaftlicher Rahmenbedingungen das Problemfeld: – Der Klimawandel berührt die Wasserwirtschaft regional höchst unterschiedlich sowohl durch Probleme der Wasserbereitstellung (Trockenheit) als auch durch Bewältigung von Starkregenereignissen, was regional differenzierte Konzepte erfordert. Bei Starkregen werden neue Entwässerungskonzepte für das Niederschlagswasser erforderlich, um einen kostenintensiven Ausbau der Infrastruktur – und entsprechende Beitrags- und Gebührenerhöhungen – zu vermeiden. Im Falle von Trockenperioden sind neuartige Konzepte der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung notwendig, um den Ressourceneinsatz der traditionellen frischwassergespeisten Schwemmwasserkanalisation zu senken.6 – Auch demografische Veränderungen (Migrationsbewegungen, Geburtenrückgang) haben für das Wassermanagement gravierende Folgen – zum Teil finden gegenläufige Prozesse von Schrumpfung und Wachstum direkt nebeneinander statt. Der Wasserverbrauch wird jedoch auch von anderen sozio-ökonomischen Einflussgrößen bestimmt, etwa von Veränderungen in der angewendeten Haushaltstechnologie oder in Verhaltensmustern (Körperpflege, Hausarbeit). Erste Auswirkungen des demografischen Wandels auf die netzgebundenen Systeme der Wasserversorgung machen sich zusammen mit einem drastischen Rückgang des gewerblichen Wasserbedarfs in den neuen Bundesländern bereits heute als Unterauslastung der Versorgungssysteme und Anstieg der Entgelte bemerkbar. Unzureichende Abwassereinleitungen stellen zugleich technisch das Konzept der Schwemmwasserkanalisation in Frage.7
Die zentrale Herausforderung für eine künftige Planung und Gestaltung des Wassersektors liegt demnach darin, flexible Versorgungskonzepte zu entwickeln, die sich auch an kleinräumige und schnell wechselnde demografische und klimatische Veränderungen anpassen lassen, um die Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und
3 Allgemein zur Problematik der Mikroverunreinigungen Kümmerer (2010); DWA (2010); zur jüngeren rechtlichen Entwicklung Kern (2014). 4 So wird vor allem die Rückgewinnung von Phosphor verfolgt – vgl. Esemen / Dockhorn (2009); Roskosch / Rechenberg (2015); Everding / Montag / Pinnekamp (2012); weiterhin stellt die Energierückgewinnung einen Schwerpunkt dar, siehe dazu statt vieler DWA (2009); Lofrano (2012). 5 Hierzu stellvertretend für viele andere Monstadt / Schlippenbach (2005); Schenner (2006); Scheele (2009). 6 Vgl. Pinnekamp et al. (2008); LAWA (2010); Castell-Exner / Zenz (2010). 7 Vgl. Hillenbrand et al. (2012); Bedtke (2015a); Dittrich-Wesbuer / Mayr / Schulwitz (2015).
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„Erschwinglichkeit“ der Versorgungssysteme dauerhaft zu sichern. Hierfür stehen bereits eine Vielzahl an vielversprechenden neuartigen technologischen Lösungen bereit, welche jedoch höchst unterschiedliche institutionelle Anpassungen, u. a. der technischen Regelwerke, des Kommunalrechts oder der benötigten Finanzierungslösungen erforderlich machen.8 Unter Unsicherheitsgesichtspunkten ist zugleich ein neuer Umgang mit schwer vorhersehbaren Entwicklungen erforderlich. Bisher standen die technisch-ökonomischen „Systeminteressen“ (Kapazitätsauslastung, Anschluss- und Benutzungszwang, Kostendeckung) den Nachhaltigkeitsinteressen (Flexibilisierung, Dezentralisierung, Ressourcenschonung, Affordability) oftmals entgegen. Dies spiegelt sich gegenwärtig beispielsweise in bislang ungelösten Konflikten zwischen Wasser- und Kommunalrecht zum Anschluss- und Benutzungszwang wider, die zwischen kommunalen Trägern und Anschlussnehmern gegenwärtig ausgetragen werden.9 Vor diesem Problemhintergrund stellt sich folglich die Frage, wie langfristig die Bereitstellung von Wasserdienstleitungen institutionell so organisiert werden kann, dass die Qualität und Versorgungssicherheit bei gestiegenen ökologischen und Effizienzanforderungen gewährleistet bleiben kann, die Preise unter sozialen Gesichtspunkten gleichwohl Vertretbarkeitsgrenzen wahren, dabei die für die Nutzung dieser Dienstleistung notwendigen Systemkosten gedeckt werden können und den Betreibern der Einrichtungen zugleich Anreize vermittelt werden, in die Funktionsfähigkeit der Systeme effizient zu investieren. Wie kann das System so offen gestaltet werden, dass es in der Lage ist, sich flexibel an veränderte Rahmenbedingungen unter Bewältigung von Unsicherheit anzupassen? Und unter welchen institutionellen Bedingungen kann ein solcher komplexer Transformationsprozess initiiert und erfolgreich implementiert werden, der nicht nur zusätzliche finanzielle Ressourcen bindet, sondern auch in konfliktäre wasserwirtschaftliche Interessen eingreift? Diesen Fragestellungen widmen sich die Beiträge der hiermit vorgelegten beiden Sammelbände zur „Governance der Wasserinfrastruktur“. Sie tun dies mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung im Hinblick auf regional diversifizierte demografische und sozio-ökonomische Prozesse, unterschiedliche Auswirkungen des Klimawandels und systemische Nachhaltigkeits-Zielkonflikte zu analysieren und darüber Institutionen zur Steuerung langfristiger Infrastrukturentscheidungen zu gestalten.
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Vgl. Koziol et al. (2006); Staben (2008); Geyler / Lautenschläger (2015). Dazu etwa Laskowski (2012); dies. (2015).
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II. Hintergrund 1. Das Forschungsprojekt InfraWass Die hier versammelten Beiträge gehen zurück auf das vom BMBF geförderte Forschungsvorhaben InfraWass („Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Governance langlebiger technischer Infrastruktursysteme am Beispiel der europäischen Wasserver- und Abwasserentsorgung unter den Bedingungen klimatischen und demographischen Wandels“ – www.ufz.de / infrawass). Das Projekt wurde vom HelmholtzZentrum für Umweltforschung – UFZ, Departments Ökonomie und Umwelt- und Planungsrecht, zusammen mit der Universität Kassel und der Universität Leipzig sowie den Praxispartnern Kommunale Wasserwerke Leipzig und Hamburg Wasser in der Zeit von 2010-2013 durchgeführt. Die Forschungsleitfrage lautete dabei, wie leistungsfähige Nachhaltigkeitsinstitutionen zukunftsfähige Entwicklungspfade der Wasserwirtschaft ermöglichen und sichern können. Zu derartigen „Garantieinstitutionen“ einer nachhaltigen Entwicklung zählen insbesondere Entgeltmodelle, Marktnähe und Wettbewerbsintensität von Bereitstellungsverfahren, Kompetenznormen sowie gesellschaftliche Attitüden und Implementationsbedingungen. Die Ablösung von Infrastrukturentscheidungen von traditionellen technischen Systeminteressen und ihre konzeptionelle Neuausrichtung an vielschichtigen ökologischen wie sozioökonomischen Nachhaltigkeitserfordernissen erfordern einen komplexen Prozess des institutionellen Wandels. Nur durch institutionellen Wandel, der politisch und sozial abgesichert ist, rechtliche Zulässigkeitsschranken beachtet und ökonomisch den Entscheidungsträgern zieladäquate Innovationsanreize vermittelt, kann dieser Umbau gesellschaftlich umgesetzt und zugleich gesichert werden, dass dieser auch komplexen Nachhaltigkeitsanforderungen entspricht. Unter Beachtung von Normen, Werthaltungen und Interessen sind Anreize, Entscheidungsverfahren und Organisationsstrukturen so zu gestalten, dass auch und gerade langfristige kapitalintensive Produktionsprozesse auf die Veränderungen der wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die zum Teil deutlich rascher ablaufen als die kapazitären und systemischen Anpassungsprozesse konventioneller Infrastruktursysteme, angemessen reagieren und erfolgreich fortentwickelt werden können. Die Frage nach den „Garantieinstitutionen“ zur Governance einer nachhaltigen Infrastrukturentwicklung erörtert zugleich ein gesellschaftlich drängendes Anwendungsproblem der Nachhaltigkeitsökonomik (Wasserinfrastruktursteuerung und -entwicklung) in einem komplexen Set an Bedingungen (Demografie, Klimawandel, nachhaltige Entwicklung) und Steuerungsinstitutionen. Die Analysen umfassen dabei institutionen- und umweltökonomische, finanzwissenschaftliche, betriebswirtschaftliche, rechtliche und siedlungswasserwirtschaftliche bzw. technische Fragestellungen. Die konkrete anwendungsorientierte Zielsetzung dieser Betrachtung liegt in der Bereitstellung relevanter „Stellschrauben“ (Nachhaltigkeitsinstitutionen) zur Siche-
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rung einer regional angepassten nachhaltigen Steuerung langfristiger Infrastrukturentscheidungen. Mit der Flexibilisierung von Wasserinfrastruktursystemen wird zugleich ein Beitrag zur Minderung gesellschaftlicher Anfälligkeit, insbesondere durch die erhöhte Toleranz in Bezug auf unvorhergesehene Ereignisse (exogene Schocks) geleistet. Die wissenschaftliche Zielsetzung besteht demgegenüber in der interdisziplinären Analyse und Beschreibung von Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Sicherung zukunftsfähiger Entwicklungspfade. Dabei wird besonderer Wert auf das Zusammenspiel verschiedener institutioneller Bedingungen (Anreize, Entscheidungsverfahren, Organisationsform, Normen) und die Einbeziehung der sozialen Nachhaltigkeitsdimensionen (Akzeptanz, Erschwinglichkeit) gelegt. Am Beispiel des Anwendungsfeldes technischer Infrastruktursysteme der Wasserver- und -entsorgung wird so ein Beitrag zur interdisziplinären Konzeption staatlicher und gesellschaftlicher Governance und ihrer langfristigen Dynamik unter Unsicherheitsbedingungen geleistet. Das Vorhaben möchte damit zudem die institutionenökonomische Fundierung von Nachhaltigkeitsprozessen am Beispiel gesellschaftlich hochrelevanter Infrastrukturprozesse weiterentwickeln und trägt so zugleich zur Konturierung einer Nachhaltigkeitsökonomik bei. 2. Praxisbezug und Praxisrelevanz Im Rahmen des InfraWass-Projekts wurde großer Wert auf den Einbezug von Praxisakteuren gelegt, die im Rahmen der Bestandsaufnahme die jeweils regionalspezifischen Probleme konkret darlegen sowie wertvolle Beiträge bei der Erarbeitung von Nachhaltigkeitsinstitutionen und Erstellung der Szenarien beisteuern konnten. Hierzu wurden neben den ständigen Praxispartnern des Projekts (Hamburg Wasser, Kommunale Wasserwerke Leipzig) auch regelmäßig weitere externe Gäste aus Wissenschaft und Praxis eingeladen. Der Austausch erfolgte insbesondere im Rahmen mehrerer Workshops: – Am 9. Februar 2012 fand ein Experten-Workshop am UFZ in Leipzig statt, bei dem Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS), Erkner, Thesen zur „Infrastruktur für die Raumentwicklung“ vorstellten und aktuelle Fragen der sozial- und raumwissenschaftlichen Infrastrukturforschung mit Forschern des gesamten Fachbereichs Sozialwissenschaften am UFZ, Vertretern der Universität Leipzig und Praxisakteuren diskutierten. – Im Rahmen eines Workshops am 28. November 2012 am UFZ in Leipzig zum Thema „Nachhaltige Entgelte“, der unter Einbezug verschiedener regionaler Praxisakteure (Vertreter kommunaler Ver- und Entsorger und Abwasserzweckverbände) stattfand, wurden aktuelle entgeltrelevante Themen im Spannungsfeld von Theorie und Praxis erörtert. – Zum Thema „Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Governance der Wasser-Infrastruktur“ fand am 27. März 2013 in Leipzig ein Experten-Workshop statt, bei dem die thematischen Schwerpunkte nachhaltige Entgelte, Niederschlagswasser-
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bewirtschaftung sowie die die Integration von Siedlungsplanung und Siedlungswasserwirtschaft diskutiert wurden. Zu diesem Zweck kamen Praxisakteure aus Leipzig, Hamburg sowie dem Ruhrverband mit Forschern des Fachbereichs Sozialwissenschaften am UFZ sowie Vertretern verschiedener Wissenschaftsdisziplinen (Ingenieuren, Ökonomen und Juristen) der Universitäten Leipzig und Kassel zusammen. – Am 27. September 2013 kamen in Leipzig auf der Abschlusstagung „Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Governance von Wasserinfrastruktur – Verknüpfung deutscher und europäischer Perspektiven“ internationale Experten zusammen, um insbesondere die Einbindung nationaler Steuerungsansätze in einen internationalen (europäischen) Kontext aufzuzeigen und dabei deren Pluralität ebenso aufzuzeigen wie wichtige Parallelen.
Aus den Workshops konnten einige Beiträge der Praxispartner sowie von Praxis-Akteuren der Wasserwirtschaft für die Sammelbände gewonnen werden. So diskutiert Winkler aus Sicht der kommunalen Wasserwerke Leipzig praktische Fragen einer zielgerichteten anreizorientierten Entgeltgestaltung im Fall der Niederschlagswasserbewirtschaftung.10 Waldhoff und Ziegler erörtern Lösungsansätze einer zukunftsfähigen Regenwasserbewirtschaftung für Hamburg aus Sicht eines kommunalen Entsorgungsunternehmens.11 Bondaruk / Wiesner schließlich diskutieren zentrale Herausforderungen im Sektor der Abwasserentsorgung am Beispiel von Polen.12 Die hier zusammengestellten Ergebnisse sind – nicht zuletzt vor diesem Hintergrund – in vielfältiger Weise unmittelbar praxisrelevant: – Die Analysen bieten wichtige interdisziplinäre Einsichten in das Interplay von institutionellen und technischen Optionen13 für die Ordnung der Wasserwirtschaft und ihre jeweilige Relevanz für Nachhaltigkeitsziele bzw. deren Zielkonflikte. Für die rechtspolitische Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens werden so wesentliche Impulse gegeben, die auf einer integrierten Problemschau und nicht auf isolierter Diskussion von Einzelaspekten beruhen. Bisher getrennte Diskurse werden praxisnah zusammengeführt. – Mit der spezifischen institutionenökonomischen Analyse zentraler Steuerungsinstitutionen der Regenwasserbewirtschaftung14 werden den Praxisakteuren die multiplen Wirkungen institutioneller Regelungen und die Notwendigkeit einer konsistenten Abstimmung aufgezeigt. Zugleich werden diese Befunde mit den empirischen Verhältnissen der deutschen Wasserwirtschaft direkt abgeglichen.
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Vgl. Winkler (2015). Vgl. Waldhoff / Ziegler (2015). Vgl. Bondaruk / Wiesner (2015). Dazu Geyler / Bedtke / Gawel (2015). Siehe Geyler / Bedtke / Gawel (2012); dies. (2014a); dies. (2014b).
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– Durch modellbasierte Szenarien15 lassen sich ferner Entwicklungen sichtbar machen, die ansonsten für die Aufgabenträger sowie regelsetzende Akteure nur mit extrem hohem Aufwand nachverfolgt werden können und daher gegenwärtig nur in geringem Maße diskutiert werden. Zudem bieten derartige Forschungsansätze die Gelegenheit, das Praxispartner und Wissenschaftler gemeinsam Annahmen und Vermutungen zu relevanten Einflussfaktoren überprüfen und hinterfragen. Demnach stellen die modellbasierten Szenarien ein bedeutsames Kommunikationsinstrument dar. Darüber hinaus erlauben es die qualitativ-abstrakten Szenarien, die gesellschaftliche Diskussion zu Institutionen zu strukturieren und hierbei eine zu große Komplexitätsreduktion bzw. eine ausschließliche Fokussierung auf einzeln herausgetrennte Problembereiche zu vermeiden.
III. Garantieinstitutionen für eine nachhaltige Wasserinfrastrukturentwicklung 1. Ziele für nachhaltige Wasserinfrastruktursysteme Um die Herausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft generell bestimmen und die Eignung bestimmter technischer und institutioneller Optionen bewerten zu können, sind zunächst die wesentlichen Ziele einer nachhaltigen Wasserver- und Abwasserentsorgung klarzulegen. Eine besondere Rolle spielt dabei naturgemäß der rechtliche Rahmen,16 der zugleich die gesellschaftlichen Zielstellungen kodifiziert. Eine auch mit Blick auf die wissenschaftliche Debatte durchgeführte allgemeine Bestandsaufnahme zur wasserwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsdebatte 17 lässt freilich erkennen, dass ein Kernbestand zentraler Leistungsziele und Grundvoraussetzungen zukunftsfähiger Wasserwirtschaft heute weitgehend Anerkennung findet, sei es auch unter verschiedenen Begrifflichkeiten und mit unterschiedlichen Akzentuierungen. Diese Schnittmenge aus den Nachhaltigkeitsdiskursen und rechtlichen Kodifikationen wird hier zu einem Katalog von wasserwirtschaftlichen „Nachhaltigkeitsgeboten“ verdichtet,18 der die zentralen Elemente einer nachhaltigen Wasserwirtschaft bündelt und zugleich die übrigen Analysen anleitet. 2. Institutioneller Wandel im Wassersektor Unter Nutzung der ökonomischen Theorie des institutionellen Wandels19 wird ferner ein Analyserahmen erarbeitet, um die stabilisierenden und flexibilisierenden Siehe dazu etwa Geyler (2015b). Vgl. Laskowski (2010); dies. (2015); Köck (2015). 17 Stellvertretend für viele weitere Kahlenborn / Kraemer (1999); Hiessl et al. (2012); hierzu auch Reese / Bedtke (2015) m. w. Nachw. 18 Vgl. Reese / Gawel / Geyler (2015). 15 16
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Elemente eines institutionellen Wandels im Wassersektor aufzuzeigen.20 Diese Heuristik dient einerseits als Grundlage für eine positive Analyse der institutionellen Rahmenbedingungen des Sektors und zur Erklärung institutioneller Pfadabhängigkeiten und Beharrungstendenzen, die letztendlich in der Festigung des bestehenden Technologieregimes münden. Andererseits können auf Basis des Analyserahmens bedeutende Stellschrauben institutionellen Wandels ausgemacht werden, welche die bestehende institutionelle Gleichgewichtssituation überwinden und eine nachhaltigkeitsorientierte Anpassungsdynamik (Transformation) des Sektors induzieren können.21 Dies erlaubt eine neue dynamische Perspektive bei der Beurteilung ökonomischer Reformoptionen, die nicht länger ausschließlich auf eine zu kurz greifende statische / effizienzorientierte Zielstellung fokussiert. Unter Zuhilfenahme dieses dynamischen Bewertungskriteriums wurden bereits in der Umsetzung befindliche Reformmaßnahmen, wie die sog. „Modernisierungsstrategie“ der Bundesregierung, aber auch der ökonomische Alternativenraum (u. a. Verfahren der Anreizregulierung) hinsichtlich ihrer Eignung bewertet.22 Hierbei wird ersichtlich, dass wettbewerbsorientierte Reformvorschläge insbesondere auch unter den Gesichtspunkten der Zielstellung einer zukünftigen Anpassungseffizienz23 des Sektors aus theoretischer Sicht bedeutende Wirkungen entfalten und damit die Beurteilung nicht ausschließlich auf Aspekte der Kosteneffizienz reduziert werden sollte. Weiterhin wird die Notwendigkeit einer Integration der im Wassersektor bisher weitgehend unabhängig geführten Diskurse aufgezeigt. So findet die Diskussion einer nachhaltigen Systemtransformation bisher überwiegend in der Wissenschaft statt, während politische Reformbemühungen auf eine Steigerung der Effizienz konventioneller Systeme abzielen. Die dabei bestehenden ambivalenten Wechselwirkungen (u. a. die Suche nach kostenoptimalen (innovativen) Systemlösungen unter Effizienzdruck, aber auch mangelnde Finanzierungsbasis für Ansätze einer Systemtransformation) werden hier näher dargelegt.24 Unter der Nutzung institutionenökonomischer Methoden wird ferner das Konzept flexibler Wasserinfrastruktursysteme näher bestimmt. Die vor dem Hintergrund von Unsicherheit und Wandel erhobenen Forderungen nach Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind oftmals vage und stark disziplinär geprägt. Im Rahmen der hier zusammengestellten Beiträge werden Optionen, die eine zukünftige Flexibilität / Anpassungsfähigkeit begünstigen, aufgear19 Hierbei sollen vor allem die Arbeiten von Douglass C. North im Fokus stehen, welcher seit Jahrzehnten institutionsökonomische Ansätze zur Erklärung von institutionellen Wandlungsprozessen erarbeitet und in einer Theorie des institutionellen Wandels verdichtet, siehe dazu North (1992); ders. (1995); ders. (2005). 20 Vgl. Bedtke / Gawel (2015a); dies. (2015b). 21 Vgl. Bedtke (2015b). 22 Vgl. Bedtke / Gawel (2015a), hierzu auch ausführlich Janda (2012), S. 135 ff. 23 Unter Anpassungseffizienz wird dabei im Sinne von North ein Effizienzmaß verstanden, welches für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Institutionen im Zeitablauf und im Umgang mit Unsicherheit herangezogen werden kann. Dazu North (1992), S. 96 f. 24 Vgl. Bedtke / Gawel (2015a).
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beitet und damit verbunden institutionelle Ansatzpunkte der Steuerung und Reformnotwendigkeiten dargelegt.25 Es werden dabei sowohl Ansätze zur Erhöhung der Flexibilität des konventionellen Systems als auch die Flexibilisierungspotenziale neuartiger Systemlösungen dargelegt. Das Bewertungskriterium der Anpassungseffizienz von Institutionen erweitert diese Sichtweise erneut, und zwar um eine für langlebige technische Infrastrukturen angemessene langfristige Perspektive.
3. Die Garantieinstitutionen der Nachhaltigkeit a) Nachhaltige Entgelte Regelungen über die Entgelte der Wasserdienstleistungen von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung nehmen bei der Steuerung wasserwirtschaftlicher Prozesse der Daseinsvorsorge eine Schlüsselrolle rein. Über eine einzige Variable, den Preis, wird sowohl im Ver- als auch in Entsorgungssektor eine Reihe von Zielstellungen adressiert, die für eine nachhaltige Entwicklung eine zentrale Bedeutung haben (Refinanzierung, effiziente Produktion, Nachfragsteuerung, ökologische Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit).26 Das Konzept der „nachhaltigen Entgelte“ berücksichtigt bei allen Gestaltungsfragen beim Entgeltsystem diese Zielpluralität und die jeweils auftretenden Zielkonflikte. Im Rahmen einer komparativen Leistungsfähigkeitsanalyse zwischen den Regimen des Gebühren- und Kartellrechts wird zunächst gezeigt, dass beide Regime, Gebühren- wie Kartellrecht, für sich genommen jeweils weder suffizient noch äquivalent in der Zielerfüllung zur Begrenzung von Monopolmacht erscheinen. Vielmehr bestehen signifikante Wirkunterschiede und Leistungsdefizite. Umgekehrt besteht mangels Äquivalenz aber auch keine perfekt substitutive Beziehung, so dass insbesondere das Gebührenrecht in seiner gegenwärtigen dogmatischen Gestalt und einfachgesetzlichen Ausprägung eine wirksame Effizienzkontrolle durch wettbewerbspolitische Maßnahmen keineswegs erübrigen kann.27 Die Analyse der Entgeltkontroll-Regime macht zudem deutlich, dass auch keine bruchlose Komplementarität beider Systeme besteht, sondern im Falle paralleler Anwendung Ingerenz zu besorgen ist, die zu einer sogfältigen Abstimmung der preisrechtlichen Wertungen der verschiedenen entgeltrechtlich relevanten Rechtsbereiche des Gebühren-, Zivil-, Tarif-, Kartell- und Gemeinschaftsrechts Veranlassung gibt. So darf etwa eine explizit anreizorientierte Preisgestaltung nach Art. 9 WRRL oder die Nutzung von kommunalabgabenrechtlichen Kalkulationsspielräumen nicht 25 Vgl. Bedtke / Gawel (2015b); Bedtke (2015b); Laskowski (2012); dies. (2014); dies. (2015). 26 Zu den Zielkonflikten der Wasserpreispolitik Rogers et al. (2002); Massarutto (2007); OECD (2010), S. 24 ff.; Gawel / Bedtke (2013a), S. 97 ff. 27 Vgl. Gawel (2012a); ders. (2013); ders. (2015a).
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bereits deshalb als missbräuchlich indiziert werden, weil andere Dienstleister darauf verzichten und so die Benchmark im Vergleichsmarktkonzept setzen.28 Die derzeitige Priorisierung in erster Linie auf (betriebswirtschaftliche) Effizienz der Produktion ausgelegter Entgelt-Kontrollregime birgt die Gefahr, dass aufgrund des Kostendrucks konkurrierende preispolitische Zielsetzungen (Substanzerhalt, Gewässerschutz etc.) nicht länger ausreichend berücksichtigt werden können. Es wurde dargelegt, dass Entgelte weitere preispolitische Ziele wie Anreize zum Schutz natürlicher Wasserressourcen sowie auskömmliche Refinanzierung für die Dienstleister adressieren, Zielstellungen, die gegenwärtig geringe Berücksichtigung erfahren.29 Es wird ferner gezeigt, dass wesentliche Aspekte der Erfüllungspflichten aus Art. 9 zur Umsetzung erst noch anstehen, so insbesondere der ursprünglich bis 2010 umzusetzende Auftrag des Art. 9 der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die nationalen Anforderungen an die Entgelte für Wasserdienstleistungen am Prinzip der Kostendeckung einschließlich Umwelt- und Ressourcenkosten auszurichten, um effiziente Anreize für die Nutzung knapper Wasserressourcen zu setzen. Zur kritischen Prüfung des gegeben Kostendeckungsgrads erfolgte zuvor bereits die Aufarbeitung nahezu flächendeckender empirischer Studien zur Erfassung der faktischen Kostendeckungsgrade der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in Deutschland.30 Es werden ferner konkrete Vorschläge unterbreitet, in welcher Weise die praktischen Umsetzungsschwierigkeiten, die mit der Ermittlung von Umwelt- und Ressourcenkosten (im Zuge der Berücksichtigung von Art. 9 EU-WRRL bei der Preissetzung) verbunden sind,31 pragmatisch umgangen werden können.32 Auch bei der weitergehenden Abwasserbehandlung mit Blick auf Risiken durch Mikroverunreinigungen stellen sich Fragen der Finanzierungsverantwortung sowie der Effizienz und der Fairness einer „Wasserpreispolitik“. Ein Vergleich des Vorgehens zur Finanzierung der vierten Reinigungsstufe in der Schweiz mit einem möglichen Vorgehen in Deutschland (sog. Leipziger Modell) leuchtet diese Facetten der Wasserpreispolitik am Beispiel kommunaler Abwasserbehandlung näher aus.33 Am Beispiel der Niederschlagswasserbewirtschaftung werden schließlich die multiplen preispolitischen Ziele sowie die Bedeutung von Niederschlagswasserentgelten als Steuerungsinstrument für die Infrastrukturentwicklung vertiefend betrachtet. Die Tarifsysteme wirken dabei komplexer als nur über die bloße Entgelthöhe: Ursächlich hierfür ist u. a., dass über die gängigen Bemessungsgrundlagen, z. B. 28 29 30 31 32 33
Vgl. Gawel (2013); ders. (2015a). Vgl. Gawel / Bedtke (2013a); dies. (2013b); Gawel (2013). Vgl. Gawel (2012b); hierzu auch ders. (2011); ders. (2015d); ders. (2015e). Siehe dazu auch Desens (2008); Palm et al. (2011); Gawel / Unnerstall (2014). Vgl. Gawel (2015b); ders. (2014); ders. (2015e). Dazu Gawel (2015c).
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der versiegelten Fläche, nicht alle technologischen Optionen angesteuert werden. Es bedarf spezieller Entgeltermäßigungsregelungen in den Tarifmodellen, die dann zielgerichtet andere, nicht flächenwirksame Technologien ansprechen. Es konnte gezeigt werden, dass die Lenkungswirkung von Entgeltsystemen unterschätzt wird und Entgelte bisher nicht immer auf satzungsrechtliche Vorgaben zum Anschlussund Benutzungszwang für Niederschlagwasser konsistent abgestimmt werden. 34 b) Wettbewerb und Daseinsvorsorge Die Zuweisung von Allokationskompetenz zwischen Staat und Markt stellt ebenfalls eine zentrale Herausforderung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Wassersektors dar. Hierzu werden bisherige Bemühungen zur wettbewerblichen Öffnung des Sektors analysiert und Optionen im Hinblick auf die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen bewertet.35 Es kann dabei aufgezeigt werden, dass der Wassersektor keineswegs einen effizienzfreien Ausnahmebereich darstellt, für den ambitionierte Bemühungen um wirtschaftliche Leistungserstellung keine Bedeutung entfalteten oder grundsätzlich anders umzusetzen wären als in den übrigen Netzsektoren. Daher sind die zögerlich begonnenen Bemühungen um die Hebung anerkannter Effizienzpotenziale sowie den Abbau evidenter institutioneller Defizite konsequent weiterzuverfolgen. Der bisher in Deutschland verfolgte Ansatz der „Modernisierung“ sowie die Anpassungen des Wettbewerbsrechts im Rahmen der jüngsten GWB-Novelle 2013 können weder das (statische) Effizienzproblem lösen36 noch leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Anpassungseffizienz des Bedingungsrahmens der Wasserwirtschaft. Vielmehr zeigen diese Entwicklungen, dass vielfach Ressourcen lediglich dazu aufgewendet werden, um die „Spielregeln“ im Wassersektor („Institutionen“) zu den eigenen Gunsten zu verändern bzw. zu bewahren (rent seeking). Vorliegend sind sich offenbar die Akteure der Wasserwirtschaft sowie Bund und Länder weitgehend einig, den bislang bestehenden Ordnungsrahmen im Wesentlichen unverändert auch unter den neuen Rahmenbedingungen erhöhter Effizienzforderungen beizubehalten. Umgekehrt kann aber ebenfalls gezeigt werden, dass auch eine eindimensionale Effizienzperspektive sowie der Verweis auf die Anreizregulierung bei Strom und Gas (wie durch die Monopolkommission) unter Nachhaltigkeitsvorzeichen unzureichend erscheint. Die Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlicher Kosteneffizienz und gesamtwirtschaftlichen Nachhaltigkeitszielstellungen müssen gerade im Wassersektor spezifisch gelöst werden. Auch ist die Eignung einer Anreizregulierung nach dem Modell Strom / Gas kritisch zu prüfen, um die Konsequenzen eines 34 35 36
Vgl. Geyler / Bedtke / Gawel (2014a); so auch Winkler (2015). Vgl. Gawel / Bedtke (2013a); dies. (2015a); dies. (2015b). Vgl. Gawel / Bedtke (2015a); dies. (2015b).
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simulierten Kostendrucks für die Nachhaltigkeitsgebote37 zu klären. Oelmann leistet hierfür einen Beitrag durch die Entwicklung ökonomischer Kriterien zur Beurteilung des wasserwirtschaftlichen Ordnungsrahmens, die nicht ausschließlich auf Effizienz fokussieren sondern bei denen Umwelt- und Qualitätsstandards ebenfalls Berücksichtigung erfahren.38 Quesada geht einen ähnlichen Weg und schlägt aus europäischer Sicht Kriterien zur Beurteilung von Organisationsformen wasserwirtschaftlicher Unternehmen, um hierdurch die oftmals verkürzte Debatte (öffentlich vs. private Bereitstellung) zu erweitern.39
c) Die Governance-Architektur der Wasserwirtschaft: Kompetenzordnung, Planung, Organisation Ferner wird untersucht, ob in Bezug auf die Gestaltung der siedlungswasserwirtschaftlichen Entwicklung die Kompetenzen denjenigen Akteuren zugewiesen sind, von denen die sachgerechtesten Lösungen im Sinne der Nachhaltigkeitsgebote zu erwarten sind.40 Im Fokus steht dabei die Zuteilung der „öffentlichen“ Kompetenzen, d. h. der Regelungs- und Vollzugskompetenzen innerhalb des staatlichen Bereichs einschließlich der Kommunen und Kommunalverbände. Hier geht es zum einen um die vertikale Kompetenzverteilung im gouvernementalen Mehrebenensystem, die juristisch im Wesentlichen nach dem Maßstab der Subsidiarität 41, ökonomisch hingegen nach Effizienzgesichtspunkten42 zu beurteilen ist. Zum anderen geht es um die horizontale Verteilung und Abstimmung von Ressort- und Verwaltungszuständigkeiten. Die bestehenden Systeme sind insoweit ökonomisch (Föderalismustheorie) und juristisch vor allem darauf zu überprüfen, ob sie den in der Sache begründeten Erfordernissen der integrierten Problembewältigung gerecht werden. Die Analyse der bestehenden Kompetenzstrukturen auf „kompetenzielle Nachhaltigkeitshindernisse“ hat dabei die nachfolgend genannten, wesentlichen Befunde ergeben. Die vertikale Kompetenzverteilung, so wie sie sich nach dem geltenden Recht darstellt, erzeugt wohl keine gravierenden Nachhaltigkeitshindernisse. EU-seitig ist dafür von Bedeutung, dass sich die Unionsrechtssetzung an das Subsidiaritätsprinzip zu halten und folglich in solchen Regelungsfragen zu enthalten hat, in denen regionalspezifische Regelungen nachhaltigere Lösungen erwarten lassen bzw. einheitliche Lösungen nicht durch Spillover- oder Skaleneffekte bzw. Synergiepotenziale veranlasst sind. Nachhaltigkeitshindernisse entstehen insoweit erst, wenn die EU
37 38 39 40 41 42
Vgl. Reese / Gawel / Geyler (2015). Vgl. Oelmann (2015). Vgl. Quesada (2015). Vgl. Wickel (2015). Dazu statt vieler etwa Braun (2012). Vgl. Hulten / Schwab (2007).
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das Subsidiaritätsprinzip missachtet und zu Einheit zwingt, wo im Namen der Nachhaltigkeitsgebote dezentrale Lösungen erforderlich wären. Ein solcher unangemessener Einheitszwang ist jedoch dem geltenden Recht nicht zu entnehmen, insbesondere bei der Frage zentraler oder dezentraler Konzepte. Die EU-Kommunalabwasser-RL belässt den Mitgliedstaaten explizit, auf dezentrale Lösungen zu setzen, sofern dies aus Umwelt- und Kostengründen gerechtfertigt ist. Auch im Verhältnis von Bund und Ländern sowie von Ländern und Kommunen kann ein unangemessener Einheitszwang nicht festgestellt werden. Dies gilt insbesondere wiederum für die Systementscheidung zwischen zentralen oder dezentralen Infrastrukturgestaltungen. Schließlich ist auch bei den technischen Anforderungen des EU-Rechts an Trinkwasserqualität und Abwasserentsorgung kein unangemessener, nachhaltigkeitshinderlicher Zwang zu (de-)zentralen Techniken auszumachen. Dezentrale Techniken werden vielmehr sogar hinsichtlich der zulässigen Nährstoffemissionen teilweise privilegiert. Diese emissionsseitige „Flexibilisierung“ erscheint mit Blick auf wirtschaftliche Gründe, geringere Gesamtemissionen in außerstädtischen Gebieten sowie die absolut zu wahrenden Gewässerqualitätsstandards gerechtfertigt. Sachgerecht erscheint auch die dezentrale Erfüllungszuständigkeit der Kommunen, die der hohen Spezifität der Infrastrukturanpassung und dem engen Zusammenhang mit der (kommunalen) Stadtplanung entspricht. Bei grundsätzlicher Problemadäquatheit der dezentralen Erfüllungszuständigkeiten ist allerdings eine partielle Überforderung der kommunalen Ebene durch zunehmend anspruchsvolle kognitive Nachhaltigkeitsvoraussetzungen zu konstatieren. Verbandsmodelle mit unterstützender Aufgabenübernahme können sich in dieser Hinsicht als „nachhaltigkeitsfähiger“ erweisen. Gravierender als die Probleme der vertikalen Kompetenzverteilung dürfte der Befund einzuschätzen sein, dass die horizontale Zuständigkeitsordnung stark segmentiert und nicht etwa problemadäquat in einer Weise integriert ist, dass nachhaltige Lösungen zu erwarten sind. Dies gilt in besonderer Weise mit Blick auf das nötige Zusammenwirken von Siedlungsentwicklung / Bauplanung und Siedlungswasserwirtschaft. Verbreitet unterliegen diese Aufgaben getrennten Verwaltungsressorts, und es fehlt an institutionellen Sicherungen dafür, dass eine regelmäßige, frühzeitige und substanzielle Abstimmung stattfindet. Hier wird ein entscheidender, gerade auch institutioneller Entwicklungsbedarf für eine nachhaltige und effiziente Siedlungswasserwirtschaft gesehen. Anknüpfend an diesen Befund werden die institutionellen Optionen zur besseren vertikalen Integration der relevanten Kompetenzen analysiert. Als zentraler, von den föderalen Verwaltungsstrukturunterschieden weitgehend unabhängiger Integrationsansatz, werden die Instrumente der Planung bzw. des Planungsrechts in den Mittelpunkt dieser institutionellen Optionenanalyse gestellt. 43 In einem ersten 43
Vgl. Wickel (2015).
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Schritt sind noch einmal die Integrationsdefizite, namentlich vor allem zwischen Siedlungswasserwirtschaft, Siedlungsentwicklung und allgemeiner Gewässerbewirtschaftung detailliert herausgearbeitet worden,44 um daran anschließend aufzuzeigen, dass nur über eine integrierte Planung bzw. einen integrierenden Planungsprozess die wirksame Abstimmung im Sinne der formulierten Nachhaltigkeitsgebote45 gelingen kann. Klare, transparente Planungen sind zudem die notwendige Grundlage für eine effektive Beteiligung der Bürger und Unternehmen, die ihrerseits als Nachhaltigkeitsbedingung zu gelten hat. Von diesem Befund ausgehend sind Praxis und Recht der siedlungswasserwirtschaftlichen und städtebaulichen Planung sowie der Gewässer-Bewirtschaftungsplanung eingehend ermittelt und auf Integrationsansätze, -potenziale und -defizite analysiert wurden. Hier zeigt sich u. a., dass die siedlungswasserwirtschaftliche Planung in der föderalen Regelungszuständigkeit der Länder sehr unterschiedliche planungsrechtliche Flankierungen gefunden hat. Nur ein Teil der Länder hat überhaupt formelle Planungspflichten eingeführt, und von Ausnahmen abgesehen, zielt dieses Planungsrecht auf eine rein technische, ingenieursmäßige Planung ab. Weder sind wirksame materielle Integrationspflichten, noch werden effektive Abstimmungsverfahren mit der Siedlungsplanung vorgesehen. Hier liegt ein zentraler Ansatzpunkt für institutionelle Neuerungen, die eine nachhaltige Entwicklung der Wasserverund Abwasserentsorgung erheblich befördern könnten. Davon ausgehend werden Eckpunkte und erste Konzeptentwürfe für ein integratives Planungsrecht der Siedlungswasserwirtschaft entwickelt.46 Die Vorschläge werden dabei auch kursorisch hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes und der administrativen Umsetzbarkeit reflektiert. Die Entwicklung eines detaillierteren Vorschlags für ein Wasserinfrastrukturplanungsrecht muss weiteren Forschungen vorbehalten bleiben, wobei die genauere Einpassung in den rechtlichen Steuerungskontexte zu analysieren bleibt, aber auch die Grenzen der Planbarkeit und die prekäre Balance zwischen planerischer Fixierung und flexibler Anpassung eingehender weiter zu untersuchen und zu justieren sind. d) Herausforderung Implementation Schließlich sind unter Zuhilfenahme verschiedener Theorieansätze (insbesondere Theorie des institutionellen Wandels) Chancen und Barrieren einer konkreten wasserpolitischen Implementation der Nachhaltigkeitsinstitutionen zu betrachten. 47 Insbesondere bietet das Analysetool auf Basis der Theorie des institutionellen Wandels eine Heuristik, um die Implementationschancen institutioneller Reformoptionen in
44 45 46 47
Vgl. Wickel (2015). Vgl. Reese / Gawel / Geyler (2015). Vgl. Wickel (2015). Vgl. Bedtke (2015b).
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das bestehende hierarchische Institutionengefüge besser bewerten zu können. Die Wichtigkeit einer Abstimmung (gestaltbarer) sekundärer Institutionen mit langlebigen fundamentalen Institutionen (wie Einstellungen und Werten) zeigte sich jüngst illustrativ beim Scheitern des ursprünglichen Entwurfs einer EU-Konzessionsrichtlinie.48
4. Techno-ökonomische Entwicklungsszenarien und modellgestützte Analysen der Wasserinfrastruktur a) Technologisch-institutionelles Interplay Im Zuge der technologischen Infrastrukturanalyse wurden die Wechselwirkungen zwischen den Nachhaltigkeitszielstellungen, dem technologischen Optionenraum sowie den sich wandelnden soziodemografischen, naturräumlichen und institutionellen Rahmenbedingungen untersucht. Insbesondere wurden – das Konzept der Herausforderungen als Ansatz zur vergleichenden Charakterisierung von Aufgabenträgern anhand deren Handlungserfordernisse erarbeitet und mit den Praxispartnern getestet;49 – der Lösungsbeitrag von technischen Optionen zum Umgang mit den Herausforderungen als Literaturstand erörtert;50 – die Wechselwirkungen zwischen technologischen und institutionellen Optionen zur Lösung von Herausforderungen umrissen und in Bezug auf die Niederschlagsentwässerung tiefgehend analysiert.51
Hierauf aufbauend wurde eine deutschlandweite empirische Ist-Stand-Analyse zur Situation und Entwicklungstendenzen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung in Deutschland durchgeführt. Mit Hilfe eines komplexen Bewertungsansatzes zum technologisch-institutionellen Interplay konnte gezeigt werden, dass die Gemeinden höchst unterschiedliche Strategien der Regenwasserbewirtschaftung verfolgen, aber Dezentralisierungsansätze auch im Siedlungsbestand mittlerweile verbreitet sind.52 Gerade die Niederschlagswasserbewirtschaftung erlaubt es, stellvertretend für die anderen Infrastrukturdienstleistungen die Problematik einer Dezentralisierung von bestehenden Systemen im urbanen Raum zu analysieren und Lösungsvorschläge zu diskutieren.
48 49 50 51 52
Hierzu u. a. Laskowski (2013); Mosters (2013); Boschek et al. (2014). Vgl. Geyler / Bedtke (2015). Vgl. Geyler / Lautenschläger (2015); Geyler / Bedtke / Gawel (2014a), S. 99 f.; dies. (2015). Vgl. Geyler / Bedtke / Gawel (2012); dies. (2014a), dies. (2014b); dies. (2015). Vgl. Geyler / Bedtke / Gawel (2014b); dies. (2015).
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b) Szenarienbezogene Bewertung Szenarienbezogene Analysen ermöglichen es, zukünftige Entwicklungen komplexer Systeme auf gleichwohl analytisch kohärentem Wege abzuleiten und so eine systematische Wirkungsanalyse vorzubereiten.53 Im Rahmen von InfraWass dienten die Szenarien der Bewertung von Institutionen, wobei modellbasierte Szenarien Anwendung fanden. Diese modellbasierten Szenarien beschreiben die Systementwicklung der Regenwasserbewirtschaftung in Wohnsiedlungen als Wechselspiel von Haushaltsentscheidungen zur Adoption von grundstücksbezogenen Regenwasseranlagen einerseits sowie von institutionellen Entscheidungen des Aufgabenträgers andererseits. Im Ergebnis lassen sich Diffusionspfade dezentraler Technologien darstellen und das Interplay des technologischen Optionenraums mit Schlüsselinstitutionen (Anschluss- und Benutzungszwang, Entgeltsysteme), raumstrukturellen Größen (Bodeneignung, Grundstückseigenschaften) sowie gruppenspezifischen Merkmalen (z. B. Lebensstile) diskutieren. Die Modellumsetzung erfolgte mittels eines agentenbasierten Modells. Zur empirischen Fundierung wurde eine schriftliche Befragung von Haushalten in Leipzig durchgeführt und der Rücklauf von knapp 250 Haushalten statistisch ausgewertet.54 Erste Modellergebnisse versprechen wichtige Erkenntnisgewinne zur Effektivität von Governance-Ansätzen, zum Einfluss des Entscheidungsverhaltens der Haushalte und somit zur der Prognosefähigkeit von Dezentralisierungstendenzen.55
IV. Weiterer Forschungsbedarf Naturgemäß kann auch eine beeindruckende Gesamtschau von verschiedenen interdisziplinären Beiträgen zu institutionellen Fragen der Wasser-Governance die damit zusammenhängenden wissenschaftlichen und praktischen Herausforderungen allenfalls anreißen und dabei jedenfalls nicht ansatzweise erschöpfen. Vor diesem Hintergrund zeigen die Einzelbeiträge in erheblichem Umfange weiteren Forschungsbedarf zu Governance-Fragen auf, von denen hier nur vier prominente Stränge genannt seien:
53 Im Zusammenhang mit einer strategischen Infrastrukturplanung sei insbesondere auf die Methode des „Regional Infrastructure Foresight“ verwiesen, ein partizipativer Planungsprozess mit Akteuren der Abwasserwirtschaft unter Nutzung möglicher Zukunftsszenarien und neuer Systemkonfigurationen (technische und organisatorische Lösungsoptionen), siehe dazu u. a. Störmer / Truffer (2009); Störmer et al. (2009). 54 Vgl. Geyler (2014); Geyler / Krohn (2015). 55 Vgl. Geyler (2015); Grundlagen und Modellansatz wurden auf zwei Konferenzen (International Conference on Sustainability Transitions 2012 und 2013) vorgestellt und weiterhin im Rahmen der 4th Summer School of the European Social Simulation Association (ESSA) an der TU Hamburg-Harburg zusammen mit Experten für agentenbasierte Modellierung diskutiert.
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– Die weitere Erforschung von Anwendungsvoraussetzungen und Konsequenzen eines durch simulierten Wettbewerb erzeugten Kostendrucks auf Ver- und Entsorger sowie eine komparative Institutionenanalyse des dazu eingesetzten Regulierungsverfahrens sind unabdingbar. Insbesondere bleiben konzeptionelle und verfahrenspraktische Bemühungen um das Verhältnis von Wirtschaftlichkeitsdruck und Erfüllung anderer Ziele ebenso auf der Agenda wie die rechtspolitische Abstimmung verschiedener preisrechtlicher Wertungen (Gebühren-, Tarif-, Zivil- und Wettbewerbsrecht, WRRL). Eine derartige Analyse würde wohl auch die Konsensfähigkeit rechtspolitischer Reformvorhaben deutlich verbessern, soweit nämlich weitreichende politische Gestaltungsempfehlungen nicht länger allein auf der Grundlage allgemeiner ordnungspolitischer Grundsätze („mehr Wettbewerb!“, „Monopolpreise begrenzen!“), sondern vielmehr in Kenntnis der institutionellen Voraussetzungen und mutmaßlichen Wirkungen differenziert abgeleitet und dabei die übrigen Diskursstränge zum Entgeltrecht angemessen berücksichtigt werden. – Wichtige Ergebnisse der Modellarbeiten müssen als Hypothesen über institutionell-technologische Wechselwirkungen verstanden werden, deren empirische Überprüfung noch ansteht. Dies betrifft insbesondere die Wirkung von Anreizinstrumenten sowie die Implikationen, die sich durch die zu treffenden Annahmen zum Entscheidungsverhalten der Haushalte ergeben. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem Einfluss von Akteuren mit Multiplikatorfunktionen (z. B. Planungsbüros, Baumärkte) auf das Adoptionsverhalten von Haushalten. Dieser Aspekt muss sowohl konzeptionell als auch empirisch näher beleuchtet werden. – Auch aus Gründen des Umwelt- und Ressourcenschutzes erscheint eine Flexibilisierung der kommunalen Abwasserentsorgung durch eine konzeptionelle Öffnung auch für dezentrale Entsorgungslösungen zumindest prüfwürdig.56 Wie solche konzeptionellen Öffnungen im Einzelfall aussehen können, hängt stark von den konkreten örtlichen Umständen ab. Diesbezüglich besteht weiterhin erheblicher Klärungsbedarf für die konkrete Implementation. – Die weitere Konkretisierung planerischer Lösungen einer Ebenen-, Ressort- und Zielintegration von Nachhaltigkeitsbelangen, aber auch eine kritische Würdigung der Grenzen planerischer Gesamtlösungen sowie ihre Einbindung in einen Policy Mix gestalterischer Steuerungsinstitutionen erfordert weitere intensive Forschungsanstrengungen.
Die vorliegenden beiden Bände sollen gleichwohl dazu beitragen, die Problemlandschaft zu strukturieren und interdisziplinäre Perspektiven einer Weiterentwicklung in Richtung nachhaltiger wasserwirtschaftlicher Strukturen aus Sicht von Wissenschaft und Praxis aufzuzeigen.
56
Vgl. Laskowski (2012); dies. (2015).
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Netzgebundene Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss globaler und regionaler Wandlungsprozesse Von Norman Bedtke
I. Einleitung Die Bereitstellung der Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung wird heutzutage in Deutschland, wie auch den meisten Industrienationen, vorwiegend durch großtechnische netzgebundene Infrastruktursysteme sichergestellt. Die historisch gewachsenen Systeme weisen Eigenschaften auf, die lange Nutzungsdauern und eine geringe Anpassungsfähigkeit implizieren. Hierzu gehören Charakteristika wie die Langlebigkeit der verwendeten Baumaterialien, eine aufwändige – meist unterirdische – Verbauung der Netzkomponenten, aber auch eine hohe ökonomische Belastung durch zumeist langfristig fixe Kosten bei überwiegend sehr langen Abschreibungsdauern. Folglich werden Wasserinfrastruktursysteme üblicherweise für lange Planungshorizonte ausgelegt. Dabei kommen Planungsansätze zur Anwendung, mit denen die Systemanforderungen unter der Annahme weitgehend konstanter Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung der zum Entwicklungszeitpunkt erwartenden Entwicklungen definiert werden. Die letztlich realisierten Systeme zeichnen sich durch eine Leistungsfähigkeit aus, die diesen konkreten Anforderungen gerecht wird. Um unvermeidbare Abweichungen von der Planungsgrundlage abzufangen, werden die prognostizierten Ver- und Entsorgungsmengen mit Sicherheitsaufschlägen versehen, wodurch größere Schwankungen abgedeckt werden können. Auf erhebliche Abweichungen zwischen Planungsgrundlagen und den tatsächlich eintretenden Anforderungen können die Systeme jedoch nur eingeschränkt reagieren. Hieraus kann eine Palette von Problemen erwachsen, die von einer wirtschaftlich suboptimalen Auslastung bis hin zum Verlust technischer Funktionalitäten reicht. Gegenwärtig können diverse Veränderungen der Rahmenbedingungen beobachtet werden, welche den Anforderungen früherer Planungen nicht unerheblich zuwiderlaufen. Hierzu zählen insbesondere die Megatrends eines klimatischen und demografischen Wandels und damit verbundene weitreichende Veränderungen der Bedarfsstrukturen, aber auch der technologische Fortschritt oder veränderte gesellschaftliche Zielstellungen für die Bereitstellung von Wasserdiensten.
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Norman Bedtke
Ziel dieses vorliegenden Beitrags ist es, einen Überblick über wichtige Umfeldveränderungen zu geben, aus denen für die Zukunft gravierende Herausforderungen für konventionelle Wasserinfrastruktursysteme resultieren können. Dabei kommen Wandelprozesse auf globaler, internationaler, nationaler sowie regionaler und kommunaler Ebene in Betracht – ebenso wie naturräumliche, technische, ökonomische und institutionelle Prozesse. Aus der Fülle relevanter Wandelprozesse werden nachfolgend Klimaänderungen (II.), der Wandel der Bedarfsstruktur (III.) sowie technologischer Fortschritt, Entwicklungen der öffentlichen Finanzen sowie veränderte gesellschaftliche Zielstellungen für Wasserdienstleistungen (IV.) in den Blick genommen.
II. Klimawandel und Wasserinfrastruktursysteme Wasserinfrastruktursysteme stellen künstliche, technisch konstruierte Wasserkreisläufe dar, die in den natürlichen Wasserkreislauf eingebettet sind. Da die Prozesse des natürlichen Wasserkreislaufs maßgeblich durch das Klima beeinflusst werden, gibt es auch vielfältige Berührungspunkte zwischen Klima und Wasserinfrastruktursystemen. So werden die im Sektor der Trinkwasserversorgung für eine Entnahme zur Verfügung stehenden lokalen Wasserressourcen, welche die möglichen Arten der Wassergewinnung und adäquaten technischen Systemlösungen vorgeben, vom Klima qualitativ und quantitativ beeinflusst. Auch die an Grund- und Spitzenbedarf orientierte Dimensionierung des Verteilungsnetzes und der Vorhaltekapazitäten hängt maßgeblich von den vorherrschenden Temperaturen und der Dauer von Trockenperioden ab. Die Menge und Verteilung des Niederschlags definiert zudem die kapazitären Anforderungen an die Entwässerungssysteme. Folglich sind Klimavariablen wie Temperatur sowie Menge und Verteilung der Niederschläge in hohem Maße für die Ausgestaltung und Dimensionierung von Wasserinfrastruktursystemen bedeutsam. Im Folgenden sollen die bisherige sowie die prognostizierte Klimaentwicklung dargelegt und mögliche Folgen für die deutsche Wasserwirtschaft skizziert werden.
1. Klimaentwicklung: Temperaturzunahme und veränderte Niederschlagsregime Es ist gegenwärtig bereits abzusehen, dass der globale Klimawandel und seine Folgen veränderte Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Wasserinfrastruktursystemen stellen werden. Im Rahmen der Diskussionen zum Klimawandel wird jedoch regelmäßig darauf verwiesen, dass die Prognosen der heutigen Klimamodelle aufgrund ihrer unzureichenden zeitlichen und räumlichen Auflösung vor allem bei konkreten lokalen Vorhersagen mit Unsicherheiten behaftet sind.1 Aus diesem 1
Vgl. Schmitt (2009), S. 129; LAWA (2010), S. 10 f.; Storch / Claussen (2011), S. 1 f.
Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss von Wandlungsprozessen
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Grund gestalten sich genaue Aussagen zu den Folgen des Klimawandels für die Wasserwirtschaft als schwierig. Festzuhalten ist allerdings, dass sich das Klima in Deutschland in den letzten Jahrzehnten bereits merklich verändert hat, wobei dies dem Trend einer globalen Erwärmung zugeschrieben wird. Da die Szenarien im jüngsten IPCC-Klimabericht von einer weiteren globalen durchschnittlichen Temperaturzunahme bis zum Jahr 2100 ausgehen, die im Bereich von 0,3 bis 4,8° C liegt,2 ist auch zukünftig mit Veränderungen des Klimas in Deutschland zu rechnen, wobei die Veränderungen jedoch höchst unterschiedlich ausfallen werden. Ein Strategiepapier der Bund / Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) fasst den gegenwärtigen Wissensstand zu den klimatischen Entwicklungen in Deutschland zusammen.3 Die jährliche Durchschnittstemperatur in Deutschland liegt danach momentan bei rund 8,2° C. Dies ist gleichbedeutend mit einem Temperaturanstieg von 1° C seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wobei diese im globalen Vergleich überdurchschnittliche Temperaturzunahme in den letzten zwei Jahrzehnten besonders stark ausfiel. 4 Aktuelle Klimaprojektionen gehen von einem weiteren Anstieg der mittleren Jahrestemperatur bis zur Mitte des Jahrhunderts von 1 bis 2° C aus und erwarten darüber hinaus im Zeitraum von 2071 bis zum Ende des Jahrhunderts eine nochmalige Temperaturerhöhung im Bereich von 1,5 bis 3,5° C.5 Weiterhin sind zukünftig Veränderungen der Niederschlagsregime zu erwarten. Der mittlere Jahresniederschlag liegt in Deutschland gegenwärtig bei 800 mm, wobei das regionale Minimum von 550 mm (Brandenburg) und das Maximum von 980 mm (Baden-Württemberg) deutlich voneinander abweichen. Zwar kann bisher nur eine absolute jährliche Zunahme der durchschnittlichen Niederschlagsmenge von ca. 10 Prozent beobachtet werden, zugleich erfolgte aber eine innerjährliche Verschiebung der Niederschlagsregime, bei welcher die Niederschlagsmenge im Winterhalbjahr deutlich zunimmt, während sie im Sommer gleichbleibend bis rückläufig ausfällt. Für die Zukunft wird eine Zunahme der Niederschlagsmenge in den Wintermonaten von durchschnittlich bis zu 40 Prozent bis hin zu regionalen 70 Prozent für möglich gehalten. Der Rückgang der Sommerniederschlagsmenge kann hingegen zwischen 40 und 55 Prozent betragen. Durch die erwartete Verschiebung der Niederschläge von den Sommer- in die Wintermonate fallen die Veränderungen der durchschnittlichen Jahresniederschlagsmenge vermutlich nur gering aus.6 Zugleich kann es auch zu merklichen Veränderungen der Niederschlagsintensitäten kommen. Von besonderem Interesse für die Siedlungswasserwirtschaft ist die Vgl. IPCC (2013), S. 20. Die Daten basieren hierbei auf den Messungen des Deutschen Wetterdienstes sowie den globalen (ECHAM) und regionalen Klimaprojektionen (STAR, WETTREG, REMO, CLM), vgl. LAWA (2010), S. 5 ff. 4 Vgl. LAWA (2010), S. 5. 5 Vgl. LAWA (2010), S. 8. 6 Vgl. Schmitt (2009), S. 29; LAWA (2010), S. 6. 2 3
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Entwicklung von Starkregenereignissen, da diese in Hinblick auf Dauer oder Intensität besonders ausgeprägten Wetterereignisse zu einer Überlastung der Systeme führen können. Bisher kann eine insbesondere für den süd- und südwestlichen Teil Deutschlands deutliche Zunahme großräumiger Starkniederschläge, die eine Dauer von 24 Stunden und länger aufweisen, beobachtet werden.7 Eine statistisch signifikante Zunahme von Starkregenereignissen kürzerer Dauer (bis eine Stunde) kann bisher nicht beobachtet werden.8 Bezüglich der zukünftigen Entwicklung herrscht hohe Unsicherheit, da wie oben dargelegt, die Prognosen zur Niederschlagsentwicklung nur begrenzt belastbar sind. Dennoch gibt es Hinweise, die vermuten lassen, dass extreme Regenereignisse zukünftig häufiger auftreten und die Regenintensitäten zunehmen.9
2. Auswirkungen des Klimawandels für die Wasserwirtschaft Die Einschätzungen zu den Konsequenzen des Klimawandels für den deutschen Wassersektor gehen merklich auseinander. Zum Teil werden erhebliche Herausforderungen bei der Ausgestaltung der Wasserinfrastruktursysteme als Folge der gravierenden Klimaveränderungen gesehen, die langfristig auf teilräumlicher Ebene ebenso bedeutsam sein können wie die Folgen des demografischen Wandels.10 Andere Studien erachten eine Anpassung des Sektors an die Folgen des Klimawandels insgesamt als unkritisch, da eine Reihe geeigneter Anpassungsoptionen existieren, merken jedoch zugleich Defizite bei den existierenden Anpassungsstrategien an. 11 Auch die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) bewertet in ihrem Strategiepapier die Konsequenzen des Klimawandels für den Sektor der Wasserversorgung in Deutschland insgesamt als vergleichsweise moderat.12 Neben einer noch unzureichenden Kenntnis der konkreten Klimaentwicklung und -folgen könnte die Breite der Betrachtung eine Ursache für die unterschiedlichen Einschätzungen sein. In der Literatur werden regelmäßig nur direkte Anpassungsmaßnahmen (Adaption) an die Folgen des Klimawandels betrachtet, während nur vergleichsweise wenige Arbeiten den Beitrag des Wassersektors zum Klimaschutz (Mitigation) in die Beurteilung einbeziehen.
Vgl. LAWA (2010), S. 6. Vgl. Schmitt et al. (2006), S. 758; Schmitt (2009), S. 129; Bendel et al. (2014), S. 2. 9 Vgl. LAWA (2010), S. 14; Pinnekamp et al. (2008), S. 6; Bendel et al. (2014), S. 2. 10 Vgl. Hillenbrand / Hiessl (2006), S. 1268; EUWID (2009); Pinnekamp (2009); Kluge / Libbe (2010), S. 25. 11 Vgl. Zebisch et al. (2005), S. 46. 12 Vgl. LAWA (2010), S. 4. 7 8
Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss von Wandlungsprozessen
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a) Veränderungen des Wasserdargebots Anpassungsnotwendigkeiten im Sektor der Trinkwasserversorgung ergeben sich insbesondere dadurch, dass zunehmende Temperaturen und veränderte Niederschlagsregime das Wasserdargebot beeinflussen. Deutschland ist ein wasserreiches Land, welches insgesamt keinen Wassermangel aufweist,13 da vom potenziellen jährlichen Wasserdargebot von 188 Mrd. Kubikmetern nur in etwa 17 Prozent überhaupt genutzt werden. Mit 5,1 Mrd. Kubikmetern pro Jahr entfallen dabei lediglich 2,7 Prozent des jährlich verfügbaren Wasserdargebots auf die öffentliche Wasserversorgung.14 Die Vulnerabilität des Versorgungssektors im Hinblick auf Wasserverfügbarkeit wird dementsprechend in den meisten Regionen nur als mäßig erachtet. 15 Allerdings muss bei diesen Betrachtungen angemerkt werden, dass das potenzielle Wasserdargebot als alleiniges Maß für die Wasserverfügbarkeit ungeeignet ist. Vielmehr ist zu beachten, dass die Verfügbarkeit des Wassers sowohl zeitlich, räumlich als auch hinsichtlich der Qualität stark variiert.16 Der umfangreiche Aufbau von Fernwasserversorgungssystemen zeigt, dass unabhängig von der zukünftigen Entwicklung des Klimas und der insgesamt komfortablen Wassersituation in Deutschland bereits heute zahlreiche Regionen ihren lokalen Wasserbedarf aus Wasserüberschussgebieten decken müssen. Die Ursachen hierfür liegen in ungeeigneten Grundwasservorkommen oder auch einem hohen regionalen Trinkwasserbedarf, bspw. in Ballungsgebieten begründet. Nach jetzigem Kenntnisstand wird der Klimawandel vielfältigen Einfluss auf Qualität und Menge der verfügbaren Wasserressourcen17 ausüben (siehe Tabelle 1), so dass auch erhebliche qualitative Verschlechterungen des Rohwassers und temporäre quantitative Engpässe nicht ausgeschlossen werden können.18 Dies gilt insbesondere für Regionen, in denen eine negative klimatische Wasserbilanz19 vorherrscht und für die zugleich die Klimaprojektionen einen weiteren Rückgang der Niederschlagsmenge erwarten lassen.20 In diesen Regionen wird von einer „hohen“ Vulnerabilität in Bezug auf Wassermangel ausgegangen, sofern keine adäquaten Anpassungsmaßnahmen erfolgen.21 13 Dabei ist der Begriff „Wassermangel“ klar von der „ökonomischen Wasserknappheit“ zu trennen, der keine Mangelsituation voraussetzt – so wie auch an anderen Versorgungsgütern in Deutschland kein Mangel herrscht, diese aber im ökonomischen Sinne gleichwohl durchweg knapp sind – dazu Gawel / Fälsch (2011). 14 Vgl. ATT et al. (2015), S. 68. 15 Vgl. Zebisch et al. (2005), S. 46. 16 Vgl. Gawel / Fälsch (2011), S. 840 f. 17 Die öffentliche Wassergewinnung verteilt sich in Deutschland auf Grundwasser (61,1%), See- und Talsperrenwasser (12,4%), angereichertes Grundwasser (9,2%), Quellwasser (8,5 %), Uferfiltrat (7,8 %) und Flusswasser (1%), siehe Statistisches Bundesamt (2013b). 18 Vgl. Pinnekamp et al. (2008), S. 15. 19 Unter der klimatischen Wasserbilanz wird die Differenz zwischen der Niederschlagshöhe und der Höhe der potenziellen Verdunstung verstanden. 20 Vgl. Werner / Gerstengarbe (2007), S. 58 f.
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Norman Bedtke Tabelle 1 Auswirkungen des Klimawandels auf das Wasserdargebot Veränderungen des Wasserdargebots Sinkende Grundwasserstände In Folge saisonal verringerter oder ausbleibender Grundwasserneubildung können insbesondere Regionen mit geringem Grundwasservorkommen mit dauerhaft sinkenden Grundwasserständen konfrontiert sein. Steigende, mittlere Grundwasserstände Aufgrund der erwarteten Zunahme von Niederschlägen im Winterhalbjahr besteht für Regionen, in denen die Grundwasserneubildung vorwiegend im Winter stattfindet, die Gefahr steigender Grundwasserstände und Vernässungsschäden. Änderung der Grundwasserqualität Bei ausbleibender Verdünnung können sich Konzentrationsanstiege bei belasteten Rohwasservorkommen ergeben.
Grundwasser
Funktionsprobleme und Austrocknung von Brunnen Sinkende Grundwasserspiegel bringen geringere Vordrucke mit sich, verursachen dadurch möglicherweise Funktionsstörungen bei Brunnenpumpen (Kavitation) und führen im Extremfall zum Trockenfallen von Brunnen. Grundwasserversalzung In den Küstenregionen kann es durch den erwarteten Meeresspiegelanstieg zu einem Eindringen salzhaltigen Wassers in küstennahe Grundwasserleiter (Aquifere) kommen. Verbesserung der Dargebotssituation In einigen Regionen kann es aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen zu einer zunehmenden Grundwasserneubildung und größeren Grundwasservorkommen kommen. Beeinträchtigung der Rohwasserqualität Durch Extremereignisse (Starkregen, Hagel, Dürren) verursachte Missernten können zur Folge haben, dass ausgebrachte Düngemittel nicht verbraucht werden und zu erheblichen Nitrateinträgen ins Grundwasser führen.
Seen und Talsperren
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Verringerung der Rohwasserverfügbarkeit Aufgrund saisonal und episodisch sinkender See- und Talsperrenspiegel kann es zu einem Rückgang des für eine Wasserentnahme geeigneten Speichervolumens, einem geringeren Anteil kalten Tiefenwassers und einem abnehmenden Druck an den Entnahmestellen kommen. Auch bei einer erhöhten Hochwassergefährdung in Folge zunehmender Starkregenereignisse wird die Bewirtschaftung von Talsperren den Hochwasserschutz stärker berücksichtigen müssen, was den für die Trinkwassernutzung verfügbaren Speicher ebenfalls verringern kann.
Vgl. Zebisch et al. (2005), S. 46.
Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss von Wandlungsprozessen
Seen und Talsperren
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Beeinträchtigung der Rohwasserqualität Eine mögliche Minderung der Rohwasserqualität kann als Folge von Starkregenereignissen durch erosive Oberflächenabflüsse und einer Zunahme von Überflüssen aus der Trenn- und Mischwasserkanalisation sowie höheren Einträgen sediment- und partikelgebundener Stoffe und Mikroorganismen auftreten. Qualitätsminderung kleiner Wasservorkommen Die Qualität kleiner und flacher Gewässer sowie Gewässer höherer Trophie weist eine stärkere Anfälligkeit gegenüber den Folgen klimatischer Veränderungen auf. Qualitative und quantitative Folgen von Hochwasserereignissen Neben der Beeinträchtigung der Grundwasserqualität kann es in Folge von Überschwemmungen auch zu Überstauungen von Uferfiltratgewinnungsanlagen und damit verbundenen Einträgen belasteten Oberflächenwassers kommen.
Fließgewässer
Beeinträchtigung der Rohwasserqualität Eine mögliche Minderung der Rohwasserqualität kann als Folge von Starkregenereignissen durch erosive Oberflächenabflüsse und einer Zunahme von Überflüssen aus der Trenn- und Mischwasserkanalisation sowie höheren Einträgen sediment- und partikelgebundener Stoffe und Mikroorganismen auftreten. Qualitative und quantitative Folgen von Niedrigwasser Extremes Niedrigwasser bei Flüssen kann zu einer Einschränkung bis hin zur Einstellung von Wasserentnahmen führen. Zugleich bewirkt eine Abnahme der Wasserführung tendenziell erhöhte Stoffkonzentrationen und damit die Beeinträchtigung der Rohwasserqualität.
Quelle: eigene Zusammenstellung auf Basis der Inhalte von Castell-Exner / Zenz (2010), S. 21 ff.
Neben den Folgen für das Wasserdargebot wirkt sich der Klimawandel auf die Wertschöpfungsstufe der Wasserverteilung aus, da höhere Luft- und Bodentemperaturen eine Erhöhung der Wassertemperaturen im Verteilungsnetz bewirken, wodurch tendenziell die Gefahr einer Wiederverkeimung des Trinkwassers steigt.22 Die erwarteten höheren Temperaturen gehen zudem mit einer erhöhten Nachfrage und größeren Nachfragespitzen einher, da der Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft, aber auch die Haushaltsnachfrage während Hitze- und Trockenperioden zunimmt.23
b) Steigende Anforderungen an Entwässerungssysteme Im Sektor der Abwasserentsorgung sind es vor allem die erwarteten Veränderungen des Niederschlagsverhaltens, die bedeutende Herausforderungen für die Ab22 23
Vgl. Castell-Exner / Zenz (2010), S. 22; Rohn / Mälzer (2010), S. 2. Vgl. Roth et al. (2011d), S. 94 ff.
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wasserinfrastruktur mit sich bringen können. Durch die erwartete Zunahme von Starkregenereignissen und erhöhte Niederschlagsintensitäten können die Systeme vermehrt an ihre technischen Funktionsgrenzen und auch zur Überlastung kommen. Eine der originären Aufgaben der Abwasserentsorgung, die Sicherstellung des Überflutungsschutzes im Siedlungsgebiet, kann hierdurch womöglich weniger zuverlässig gewährleistet werden. Die Folge sind innerstädtische Überflutungen, die regelmäßig mit hohen Schäden, aber auch der Gefahr für Leib und Leben einhergehen.24 Aus Sicht des Umwelt- und Gewässerschutzes muss ferner eine Zunahme von Kläranlagenüberläufen (Mischwasserentlastung) als problematisch erachtet werden, da diese eine erhebliche hydraulische und stoffliche Belastung von Oberflächengewässern bewirken.25 Dabei ist festzuhalten, dass Überlastungsereignisse kein neues Phänomen als Folge des Klimawandels darstellen und bereits früher regelmäßig auftraten. Dennoch deutet sich aufgrund der Klimaprognosen an, dass mit der Zunahme außergewöhnlicher Wettereignisse und der damit verbundenen negativen Folgen zu rechnen ist. Wenngleich keine konkreten Vorhersagen bezüglich ihres Auftretens von Starkregenereignissen möglich sind, zeigen allgemeine Klimatrends den Handlungsbedarf auf. So wird beispielsweise für Hamburg im Jahr 2100 eine Zunahme klimawandelinduzierter Mischwasserüberläufe von 50 Prozent gegenüber 2000 erwartet.26 Wasserinfrastruktursysteme können einen Beitrag leisten, um die negativen Folgen abzudämpfen. Ein Ansatz ist die bauliche Anpassung der konventionellen Systeme durch den Aufbau von Regenrückhaltebecken, eine optimierte Nutzung der Kanalstauräume (Kanalnetzsteuerung) oder auch die Vergrößerung der Rohrdurchmesser. Aufgrund des gegenläufigen Trends einer zunehmenden Unterauslastung von Abwasserinfrastrukturen kommt ein erheblicher Ausbau der Kapazitäten jedoch an seine Grenzen (siehe III.2.), zumal es unmöglich ist, die infrastrukturellen Kapazitäten für alle denkbaren Wettereignisse vorzuhalten. So fielen bei einem besonders außergewöhnlichen Unwetterereignis in Dortmund am 26. 07. 2008 innerhalb von vier Stunden Niederschlagsmengen von 200 l / m² (Jahresdurchschnitt 750 l / m²). Folglich wird auch ein veränderter Umgang mit Niederschlagswasser erforderlich, der auf die Reduzierung abflusswirksamer Flächen und Ansätze einer ortsnahen Bewirtschaftung setzt.27 Neben der Überlastungsproblematik kann aufgrund veränderter Niederschlagsregime der Rückgang der sommerlichen Niederschlagsmengen eine Verschärfung der Herausforderung der Unterauslastung für Mischwassersysteme bedeuten.
24 Alleine im Jahr 2007 wurden über 40 erhebliche innerstädtische Überflutungen in Deutschland gezählt, vgl. Castro et al. (2008); Illgen (2013). 25 Vgl. Sieker / Sieker (2009), S. 922; DWA (2013). 26 Vgl. Kuchenbecker et al. (2010). 27 Vgl. Geiger et al. (2009); Geyler / Bedtke / Gawel (2015).
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c) Wasserinfrastruktursysteme und Klimaschutz Vielfältiger werden die Konsequenzen des Klimawandels für Wasserinfrastruktursysteme, wenn neben den Anpassungsnotwendigkeiten an die Folgen veränderter klimatischer Bedingungen auch Klimaschutzmaßnahmen betrachtet werden, die regelmäßig mit einer Reduzierung des Energieverbrauchs und der Erhöhung der Energieeffizienz einhergehen. Wenngleich gegenwärtige rechtliche Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene den Wassersektor nicht explizit als Handlungsfeld für Energieeinsparung benennen, lassen die ambitionierten Zielstellungen der Programme vermuten, dass zunehmend auch die energieintensiven Infrastruktursysteme der Wasserwirtschaft in den Fokus rücken werden.28 So fordert die europäische Energieeffizienzrichtlinie von den EU-Mitgliedsstaaten eine jährliche Energieeinsparung von 1,5 Prozent für die Jahre 2014 bis 2020.29 Auch das Energiekonzept der Bundesregierung sieht im privaten und öffentlichen Bereich erhebliche Einsparpotenziale für Energie, welche zukünftig verstärkt genutzt werden sollen. 30 Nicht zuletzt auch aufgrund der ambitionierten Zielstellungen der deutschen Energiewende werden sich Auswirkungen auf die Ausgestaltung der zukünftigen Wasserinfrastruktur ergeben, da die Wasserwirtschaft in vielfältiger Weise einen Beitrag zu deren Gelingen leisten kann.31 Zum einen werden dem Sektor der Wasserwirtschaft, der einen Energieverbrauch von 38,6 Terrawattstunden (TWh / a)32 aufweist, bedeutende Energieeinsparpotenziale insbesondere im Entsorgungssektor attestiert. Alleine im Bereich der Kläranlagen, welche die größten kommunalen Stromverbraucher darstellen, wird ein Einsparpotenzial von 25 Prozent gesehen.33 Zudem werden erhebliche Energieeinsparungen im Kanalnetz bei der Niederschlagsbehandlung aber auch im Versorgungsbereich durch Effizienzsteigerungen insbesondere im Bereich der Pumpen für möglich erachtet.34 Weiterhin bestehen im Bereich der Wasserwirtschaft Optionen zur Energieerzeugung. Der Großteil der Energiezeugung erfolgt hierbei durch Wasserkraftanlagen. 35 Im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft können Klär- und Faulgase aus Kläranla28 Für eine Übersicht zu Rechtsnormen und Programmen mit der Zielstellung höherer Energieeffizienz für Siedlungswasserwirtschaft und Haushalte, siehe Kluge / Libbe (2010), S. 18 f. 29 Siehe hierzu RL 2012 / 27 / EU vom 25. Oktober 2012. 30 Vgl. BMWi (2010), S. 11. 31 Vgl. Flasbarth (2012), S. 560 ff.; DWA (2011); Pinnekamp (2012) mit weiteren Quellen. 32 Vgl. Statistisches Bundesamt (2013a), hiervon entfallen ca. 2,4 TWh / a auf den Bereich der Wasserversorgung, siehe Plath / Wichmann (2009), S. 55. 33 Vgl. DWA (2010); dies. (2011). 34 Vgl. DWA (2011), S. 3; Löhner (2014); Prognosen aus der Schweiz sehen Einsparpotenziale von Energie im Sektor der Wasserversorgung im Mittel bei ca. 30 Prozent, siehe hierzu Schmid et al. (2004); Plath / Wichmann (2011). Siehe zum Ganzen auch EUWID (2007); Nisipeanu (2013). 35 Vgl. DWA (2011), S. 3.
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gen, auch in Kombination mit einer Vergärung von Bioabfällen, zur Stromerzeugung genutzt werden.36 Ein weiteres bedeutendes Handlungsfeld wird im Bereich der thermischen Energie gesehen. Durch eine Senkung des Wärmeverbrauchs von Abwasseranlagen, eine Wärmerückgewinnung aus Abwässern aber auch durch die Bereitstellung von thermischer Energie durch Klärschlammverbrennung bestehen zahlreiche Ansatzpunkte zur Energieeinsparung / -gewinnung.37
III. Veränderungen der Bedarfsstrukturen Wasserinfrastruktursysteme werden für bestimmte Gebrauchs- und Entsorgungsmengen ausgelegt. In Deutschland wurde in den siebziger Jahren und 1980 ein mittlerer Wasserbedarf zwischen 190 und 220 Litern pro Kopf und Tag erwartet, wobei in der längeren Frist noch weiter ansteigende Bedarfsmengen unterstellt wurden. 38 Um den veränderten Bedarf ohne Systemumbau abzufangen, wurden die prognostizierten Kapazitäten mit Sicherheitsaufschlägen versehen. Diese auf Wachstum und eine Zunahme der Bedarfsmengen ausgelegte Herangehensweise bei der Konzeption von Infrastrukturen kommt zukünftig aufgrund mehrerer gegenläufiger Entwicklungen an ihre Grenzen.
1. Rückgang der Wassernachfrage a) Abnehmende Nutzerzahlen als Folge des demografischen Wandels und Binnenwanderung Im Zuge des demografischen Wandels kommt es in den nächsten Jahren zu starken Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in Deutschland.39 Hierzu zählen ein bedeutender Rückgang und die zunehmende Alterung der Bevölkerung, die aus einem geringen Geburtenniveau in Deutschland resultieren. Seit vier Jahrzehnten genügt die durchschnittliche Anzahl der geborenen Kinder nicht, um deren Elterngeneration zahlenmäßig zu ersetzen, wodurch die aufeinanderfolgenden Generationen stetig kleiner werden.40 Die Zuwanderungen aus dem Ausland sowie die gestiegene durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung konnten die Folgen dieser Entwicklung in der Vergangenheit abmildern. Allerdings kann seit 2003 die Zahl der 36 Die gegenwärtige Stromerzeugung von 1,1 TWh / a könnte unter Ausschöpfung aller Potenziale (einschl. Bioabfällen) auf ca. 5 TWh / a gesteigert werden, siehe DWA (2011), S. 3. 37 Vgl. DWA (2011). 38 Vgl. BDEW (2014), S. 4. 39 Siehe dazu auch Dittrich-Wesbuer et al. (2015). 40 Gegenwärtig liegt die durchschnittliche Kinderzahl je Frau bei weniger als 1,4 Kindern, während für eine Erhaltung des Bevölkerungsbestands 2,1 Kinder je Frau notwendig wären, siehe Statistisches Bundesamt (2011), S. 10 f.
Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss von Wandlungsprozessen
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Zuwanderungen den Überschuss der Sterbefälle über die Geburten nicht mehr ausgleichen, so dass seit einem Jahrzehnt die Bevölkerung in Deutschland abnimmt. Es ist abzusehen, dass die Differenz zwischen der Anzahl Geborener und den Gestorbenen auch zukünftig nicht mehr durch Zuwanderungen kompensiert werden kann, da hierfür weit höhere Wanderungszuschüsse als in der Vergangenheit notwendig wären. Folglich prognostiziert das Statistische Bundesamt für das Jahr 2060 einen deutlichen Bevölkerungsrückgang in Deutschland auf 65 bis 70 Millionen Einwohner (siehe Abbildung 1). Unabhängig von den getroffenen Annahmen der Prognosen zeigt sich, dass sich die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen damit deutlich unter der heutigen Einwohnerzahl liegen wird.
Millionen Einwohner
Entw icklung der Bevölkerungszahl in D eutschland 1950 bis 2060 85 80 75 70 65 60 1950
1960
1970
1980
1990
2000
„Mittlere“ Bevölkerung Untergrenze
2010
2020
2030
2040
2050
2060
„Mittlere“ Bevölkerung Obergrenze
Quelle: eigene Erstellung nach Daten des Statistischen Bundesamtes (2009).
Abbildung 1: Entwicklung und Prognose der Bevölkerungszahl in Deutschland von 1950 bis 2060
Vor dem Hintergrund des allgemeinen Bevölkerungsrückgangs, erfolgen Binnenwanderungen, also die Zu- und Fortzüge innerhalb Deutschlands, bei denen mindestens eine Kreisgrenze überschritten wird.41 Binnenwanderungen führen dazu, dass die (zukünftige) Entwicklung regional höchst unterschiedlich verläuft und Wachstum und Schrumpfung in enger räumlicher Nähe beobachtbar sind (siehe Abbildung 2). Während in prosperierenden Regionen vorerst keine oder lediglich moderate Bevölkerungsverluste zu erwarten sind, wird in strukturschwachen Regionen die abnehmende Bevölkerungsentwicklung durch Abwanderungen erheblich beschleunigt. Insbesondere in einigen Regionen der neuen Bundesländer werden hier41
Vgl. Schlömer (2004), S. 96.
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Norman Bedtke
durch die Folgen der Unterauslastung von Infrastrukturen bereits heute sichtbar. 42 Wanderungsbewegungen können kleinräumig oder interregional erfolgen und zeichnen sich regelmäßig durch Umbrüche sowie zeitliche Unstetigkeit aus, weshalb sie innerhalb der demografischen Prognosen den Teilaspekt darstellen, dessen Vorhersagbarkeit mit den größten Unsicherheiten verbunden ist. 43 Dies bedeutet eine erhebliche Herausforderung für die Konzeption von Wasserinfrastruktursystemen.
Quelle: http://www.demografie-portal.de (10. 04. 2015).
Abbildung 2: Bevölkerungswachstum nach Kreisen (1990 – 2013)
42 43
Vgl. Koziol (2008), S. 176 f. Vgl. Schlömer (2004), S. 107.
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45
b) Rückgang des spezifischen Wassergebrauchs Zusätzlich zu einem abnehmenden Wassergebrauch in Folge des Bevölkerungsrückgangs kommt es zu einem deutlichen Rückgang der relativen nachgefragten Wassermenge. Insbesondere der seit Mitte der 80er Jahre stetig sinkende spezifische Wassergebrauch bei den Haushalten und im Kleingewerbe ist hierfür verantwortlich.44 Zwischen 1990 und 2012 sank der durchschnittliche Pro-Kopf-Wassergebrauch in Deutschland von 147 auf 120 Liter pro Tag (siehe Abbildung 3), wobei deutliche regionale Unterschiede bestehen (Sachsen: 84 Liter, Nordrhein-Westfalen: 135 Liter).45 Der Rückgang des Wassergebrauchs in den Haushalten hat mehrere Ursachen. Ent wicklung des Pr o-Kopf-Wasser gebra uchs in Deutschland 150 147
Pro-Kopf-Verbrauch in Litern pro Tag
145
140
135
130
144 140
134
133
132 130 130
129
130
131 129
128 127
125
126 126 125 122
123
122
120
121 121
120
Quelle: eigene Darstellung nach BDEW (2014), S. 3.
Abbildung 3: Entwicklung des Wassergebrauchs in Deutschland
– Der technologische Fortschritt bewirkte eine stetige Verbesserung der Wassereffizienz bei Haushaltsgeräten, so dass moderne Varianten wasserintensiver Haushaltsgeräte wie Spülmaschine und Waschmaschine heutzutage bedeutend weniger Wasser benötigen.46 Durch wassersparsame Haushaltsgeräte konnte der durchschnittliche Wassergebrauch pro Tag und Einwohner seit 1978 um ca. 15 Liter re44 Etwa 80 Prozent der Wasserabgabe in Deutschland entfallen auf die Kundengruppe „Haushalte und Gewerbe“, siehe ATT et al. (2015), S. 37. 45 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012). 46 Während der Wasserbedarf einer Waschmaschine in den 70er Jahren noch bei 145 Liter pro Waschgang lag, sind heute 60 Liter pro Waschgang üblich, siehe hierzu Stamminger et al. (2005), S. 124 ff.; Roth et al. (2011a), S. 738 f.
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duziert werden.47 Zugleich reduzierten innovative Lösungen, insbesondere im Sanitärbereich, den täglichen Pro-Kopf-Gebrauch. Die Einsparungen der Wasserspartasten bei Toilettenspülungen sowie der schon früher eingeführte 6-LiterSpülkasten (ab 1984 / 85) führten zu einem Rückgang des Wasserbedarfs von Toilettenspülungen pro Einwohner und Tag von 45 Liter (1985) auf 34 Liter (2006). Dieser Wert soll Prognosen zufolge durch die flächendeckende Anwendung sparsamer Toilettenspülungen bis etwa 2030 oder 2050 auf circa 18 – 25 Liter pro Einwohner und Tag weiter reduziert werden.48 – Neben den technologischen Faktoren waren auch institutionelle Aspekte für den Rückgang der Verbräuche mitverantwortlich. Insbesondere in den neuen Bundesländern trug etwa die Einführung von Wasserentgelten zu einer Konsumreduktion der Haushalte maßgeblich bei.49 – Weiterhin wurden private Haushalte durch Wassersparkampagnen seit den 1980er Jahren für einen bewussteren Umgang mit der Ressource Wasser sensibilisiert, so dass auch ein verändertes Konsumverhalten zum Rückgang des Wassergebrauchs beiträgt.50
Einige Entwicklungen dämpfen freilich den anhaltenden Rückgang des spezifischen Wasserbedarfs. Der seit 1950 anhaltende Trend einer Abnahme der Haushaltsgröße51 bewirkt eine Zunahme des durchschnittlichen Pro-Kopf-Bedarfs, da kleinere Haushaltsgrößen einen höheren durchschnittlichen Wassergebrauch pro Kopf aufweisen.52 Weiterhin werden eine durch den Klimawandel bedingte Erhöhung der Temperaturen und die Zunahme längerer Hitze- und Trockenperioden die Wassernachfrage saisonal ansteigen lassen.53 c) Rückgang der industriellen Wassernachfrage Auch die Wasserabgabe an die Industrie reduzierte sich seit Mitte der 90er Jahre in erheblichem Maße, wodurch auch die relative Bedeutung der Industrie als Kundengruppe merklich abnahm.54 Zwischen 1990 und 2008 ging die industrielle Was47 Vgl. Roth et al. (2011), S. 163. Allerdings zeigen Studien, dass in Folge der erhöhten Wassereffizienz auch Rebound-Effekte auftraten, wodurch die tatsächlichen Einsparungen geringer ausfielen, siehe zu diesem Punkt Roth et al. (2011a), S. 743. 48 Vgl. Roth et al. (2011b), S. 257 ff. 49 Vgl. Moss (2008), S. 124 f. 50 Vgl. ATT et al. (2015), S. 37. 51 Vgl. Statistisches Bundesamt (2011), S. 28 ff. 52 Frühere Studien weisen einen durchschnittlichen Bedarf von ca. 150 Liter pro Kopf und Tag (l / E*d) in Ein-Personen-Haushalten aus, während mit zunehmender Personenzahl der Haushalte die durchschnittlichen Verbräuche abnehmen (2 Personen: 125 l / E*d, 3 Personen: 118 l / E*d, 4 Personen: 106 l / E*d, 5 und mehr Personen: 98 l / E*d, siehe Björnsen / Roth (1993), S. 155 ff. 53 Vgl. Roth et al. (2011c).
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sernachfrage von jährlich 1,15 Mrd. m³ um annähernd die Hälfte auf 624 Mio. m³ zurück. Ursächlich hierfür ist zum einen ein wirtschaftlicher Strukturwandel Deutschlands, der sich durch einen Rückgang von altindustriellen und wasserintensiven Branchen (u. a. Stahlindustrie, Bergbau) auszeichnet. Weiterhin konnte auch im industriellen Bereich der Wassergebrauch durch die gesteigerte Effizienz bei der Wassernutzung sowie durch eine zunehmende Eigengewinnung des Wassers reduziert werden.55 Die erwartete Entwicklung des spezifischen Wasserintensitätsfaktor,56 der branchenübergreifend in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückging, deutet an, dass der generelle Trend des industriellen Nachfragerückgangs auch in den nächsten Jahren noch weiter anhalten wird (siehe Tabelle 2). Tabelle 2 Entwicklung des spezifischen Wassereinsatzes nach Industriebranchen Branche
Entwicklung des Wasserintensitätsfaktor von 1991 bis 2003
Erwartete Entwicklung bis 2020
Chemische Industrie
Gleichmäßiger Rückgang seit 1991; Veränderungen Rückgang um 30 bis 40% im letzten Erfassungszeitraum (2001 bis 2004): – 3,4% pro Jahr
Metallerzeugung und -verarbeitung
Sehr starker Rückgang bis 2001; danach geringer Rückgang; für den gesamten Zeitraum (1991 bis 2004) Rückgang um 3,6% pro Jahr
Papierindustrie
Bezogen auf die produzierte Papiermenge erfolgte Rückgang um 40 bis 50% ein gleichmäßiger Rückgang seit 1991; Veränderungen im letzten Erfassungszeitraum (2001 – 2004): – 4% pro Jahr
Ernährungsindustrie
Gleichmäßiger Rückgang; Veränderung im letzten Erfassungszeitraum (2001 – 2004): – 2,1% pro Jahr
Rückgang um 20 bis 30%
Mineralölverarbeitung
Bezugsmenge: Rohölmenge, gleichmäßiger Rückgang seit 1991; Veränderungen im letzten Erfassungszeitraum (2001 – 2004): – 3,7% pro Jahr
Rückgang um 20 bis 30%
Textilindustrie
Starke Veränderungen in der Branche: Rückgang der Rückgang um 30 bis 40% Wertschöpfung um 52 %; Rückgang der Zahl der Betriebe seit 1995 um 43%; bis 1998 Anstieg, danach starker Rückgang des Wasserintensitätsfaktors; Veränderungen im letzten Erfassungszeitraum (2001 – 2004): – 6,1% pro Jahr
Rückgang um 20 bis 30%
Quelle: Hillenbrand / Böhm (2008), S. 881.
Vgl. ATT et al. (2015), S. 37. Vgl. Moss / Hüesker (2010), S. 26. 56 Der spezifische Wasserintensitätsfaktor kann branchenspezifisch die Entwicklung des Wassereinsatzes abbilden und berücksichtigt dabei die die technische sowie strukturelle Veränderungen der Branche. 54 55
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2. Folgen der abnehmenden Infrastrukturauslastung Jeder der genannten Faktoren, der Bevölkerungsrückgang, die Verringerung des spezifischen Wassergebrauchs und der Einbruch der industriellen Wassernachfrage führen zu einem Rückgang der absoluten Nachfrage. Insgesamt ging die abgegebene Wassermenge an alle Kundengruppen zwischen 1990 und 2010 von 5,99 auf 4,5 Mrd. Kubikmeter im Jahr zurück.57 Wenngleich die Unterschiede regional höchst unterschiedlich ausfallen, kann ein solch bedeutender Nachfragerückgang zu einer Unterauslastung der Systeme und damit verbundener Herausforderungen wie dem Erhalt der technischen Funktionsfähigkeit und der Refinanzierung der Systeme führen. Dies gilt insbesondere in Regionen wie den neuen Bundesländern, die von der Abwanderung der Bevölkerung besonders betroffen sind. Seit 1990 ist der Wassergebrauch in den neuen Bundesländern um 40 Prozent gesunken, in einigen größeren Städten weisen die Wasserinfrastrukturen im Mittel Auslastungsquoten von weniger als 30 Prozent der ursprünglich angedachten Kapazitäten aus.58 Das für die einstmals prognostizierten Entwicklungen konzipierte System wird in Folge derart veränderter Bedarfsstrukturen in ein Ungleichgewicht gebracht. Dies schlägt sich mannigfaltig auf unterschiedlichen Ebenen der Wertschöpfungskette nieder und entfaltet im gekoppelten System der Wasserinfrastruktursysteme sowohl direkte Folgen für den Sektor der Versorgung als auch Entsorgung. So führt der bedeutende Rückgang der Wassernachfrage zu überlangen Verweildauern des Trinkwassers im Verteilnetz, wodurch sich technische und hygienische Probleme wie Ablagerungen, Rostbildung oder die Gefahr einer Wiederverkeimung des Trinkwassers ergeben können. Darüber hinaus bewirkt dieser Nachfragerückgang zugleich einen deutlichen Rückgang der zu entsorgenden Abwassermengen, wodurch wiederum technische Probleme im Abwasserkanalnetz (u. a. Ablagerung, Geruchsbelästigung) erwachsen.59 Diesen Ungleichgewichten kann kurzfristig mit betrieblichen Maßnahmen wie Netzspülungen begegnet werden, mittel- bis langfristig können aber auch weitergehende Anpassungen (u. a. Rückbau, Anpassung der Netze) notwendig werden. Weiterhin ist in dem Zusammenhang die Komplexität der Konsequenzen veränderter Bedarfsstrukturen problematisch. Neben der Funktionsfähigkeit des Systems (betriebliche Ebene) sind es weiterhin ökonomische sowie ökologische Probleme, die als Folge von Bedarfsveränderungen auftreten können (siehe Tabelle 3). So fallen zusätzliche Betriebskosten für das Sicherstellen der Funktionsfähigkeit oder die Beseitigung negativer Folgen der Unterauslastung an. Darüber hinausgehende Maßnahmen der Kapazitätsanpassung verursachen Kapitalkosten, die insbesondere als problematisch zu erachten sind, wenn die angedachten Nutzungsdauern für die Systeme nicht erreicht wurden. Zugleich ist es problematisch, dass aufgrund des Rück57 58 59
Vgl. ATT et al. (2015), S. 37. Vgl. Koziol (2007), S. 25; Kempmann (2008), S. 159 ff. Vgl. Hillenbrand et al. (2010); Koziol (2008), S. 176.
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49
gangs der Auslastung eine Erosion der Refinanzierungsbasis erfolgt. Infrastruktursysteme zeichnen sich durch einen hohen Fixkostenanteil aus, so dass trotz geringerer Nachfrage die Betriebs- und Unterhaltungskosten auf einem ähnlich hohen Niveau bleiben (Kostenremanenz). Zugleich bedingen die meist in hohem Maße verbrauchsabhängigen Wasserpreise, dass die Einnahmen in Folge des Nachfragerückgangs erheblich zurückgehen. Die notwendige Anpassung der Wasserpreise führt zu einer erhöhten Pro-Kopf-Belastung und kann in der Verstärkung des Nachfragerückgangs resultieren.60 Durch den Nachfragerückgang ergeben sich auch ökologische Folgen. Hierzu zählen ein geringerer Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt, aber auch eine veränderte Abwasserzusammensetzung in Folge einer abnehmenden Verdünnung der Abwasserströme. Die konkreten Herausforderungen erwachsen oftmals erst aus der Überlagerung der Dimensionen. So stellt der Umbau der Systeme an veränderte Bedarfe ohne wirtschaftliche Restriktionen eine vergleichsweise geringe Herausforderung dar. In der Praxis stehen sich jedoch die Zielstellung der Erschwinglichkeit der Entgelte und der kommunale Finanzierungsspielraum konfligierend gegenüber, eine Situation, die sich vor dem Hintergrund steigender spezifischer Wasserentgelte und einem daraus resultierenden Rückgang des Wassergebrauchs stetig verschärft. Zugleich sind die regionalspezifischen Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich, so dass von einer Verallgemeinerung der Problemlagen abzusehen ist.61 Tabelle 3 Auswirkungen rückläufiger Infrastrukturauslastung Kategorie
Problemfeld
Problembeschreibung
Trinkwassernetz
Verlängerte Verweilzeiten des Trinkwassers in den Leitungsnetzen, hierdurch: – Erhöhte Ablagerungsbildung, verbunden mit einem Zuwachsen der Leitungen, – Problematische Erwärmung des Trinkwassers (insbesondere in Sommermonaten), verbunden mit einem erhöhten Sauerstoffverbrauch und der Gefahr der Bakterienentwicklung und Verkeimung des Trinkwassers, – Verstärkte Bildung von Rostwasser.
Kanalnetz
Abnahme der zu entsorgenden Abwassermengen, hierdurch: – Ablagerungen und Verstopfungen im Kanalnetz unerwünschter Vorabbau organischer Substanz („angefaultes“ Abwasser),
Betrieblich
Fortsetzung nächste Seite 60 Zu der Problematik der „Fixkosten-Falle“ siehe Kluge (2005), S. 8 f.; Oelmann / Gendries (2012). 61 Zur räumlichen und zeitlichen Differenzierung von Herausforderungen siehe Geyler / Bedtke (2015).
50
Norman Bedtke
Fortsetzung Tabelle 3 Kategorie
Betrieblich
Ökonomisch
Problemfeld
Problembeschreibung
Kanalnetz
– Bildung korrosiver Gase (H2S), die neben der Gefahr der Betonkorrosion auch Geruchsprobleme verursachen können.
Kläranlagen
Veränderung der Abwassermenge und -beschaffenheit; hierdurch: – Verschlechterung der Abwasserbeschaffenheit (ungünstiges C:N-Verhältnis, Gefahr von Blähschlammbildung u. a.), – Hydraulische und stoffliche Unterauslastung von Anlagenkomponenten (z. B. Belebungsbecken, Faultürme, etc.).
Betriebskosten
Zusatzaufwand für Aufrechterhaltung des Betriebs bei Unterauslastung, z. B. Kosten für: – Netzspülungen, Reinigungsmaßnahmen, – Maßnahmen gegen Geruch (u. a. chemische Zusätze), – Reparaturmaßnahmen.
Kapitalkosten
Zusatzaufwand (Investitionskosten) für langfristige Systemanpassung bei Unterauslastung, z. B., – Kapazitätsanpassungen der Kanalisation, – Kapazitätsanpassungen von Kläranlagen, – Stilllegung bzw. Rückbau von Anlagen (u. a. im Rahmen des Stadtumbaus), – Zudem buchhalterische Zusatzkosten (vorgezogene Abschreibungen).
Sicherstellung der Refinanzierung der hohen und überwiegend fixen Kosten der Infrastruktursysteme, Folgen: – ggf. höhere-Pro-Kopf Belastung als Folge abnehmender Nutzerzahlen (Erschwinglichkeitsproblematik), Re-finanzierung – selbstverstärkende Effekte steigender spezifischer Kosten (z. B. weitere Nachfragereduzierung), – Verlagerung notwendiger Investitionen in die Zukunft.
Ökologisch
Schadstoffe
Veränderung der Abwassermenge und -beschaffenheit hierdurch: – eine Zunahme von Ablagerungen im Kanal kann zu erhöhten Frachten bei Mischwasserentlastungen führen, – höhere Arzneimittelkonzentrationen aufgrund geringerer Verdünnung (und als Folge zunehmenden Konsums).
Wasserressourcen
Ggf. geringerer Eingriff in den nat. Wasserhaushalt
Quelle: eigene Erstellung auf Basis der Inhalte von Hillenbrand et al. (2010), S. 66 ff.
Neben dem Bevölkerungsrückgang wird auch eine Veränderung der Altersstruktur prognostiziert, da den geburtenstarken Jahrgängen zahlenmäßig deutlich geringer ausfallende Jahrgänge folgen. Mit dem fortschreitenden Altern der früheren Generationen wird die Bevölkerung Deutschlands letztlich im Durchschnitt älter sein,
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wobei dieser Effekt durch die ansteigende Lebenserwartung noch verstärkt wird. Hierdurch wird ein Anstieg der Arzneimittelkonzentrationen im Abwasser erwartet, der möglicherweise neue Behandlungstechnologien erforderlich macht.62 Auch sind alters- und generationenspezifisch veränderte Bedarfsstrukturen bei der Wassernachfrage möglich.
IV. Weitere Einflussfaktoren Wie gezeigt wurde, können Megatrends wie der demografische und klimatische Wandel in ihren regionalen Auswirkungen einen bedeutenden Veränderungsdruck für Wasserinfrastruktursysteme bewirken. Daneben gibt es eine Reihe von weiteren Entwicklungen, deren direkte Konsequenzen für die technische Infrastruktur relativ betrachtet weniger schwerwiegend sind. Gleichwohl können sie den Veränderungsdruck, der aus Klimawandel und demographischen Wandel resultiert, in seiner Intensität beeinflussen.
1. Technologischer Fortschritt Grundsätzlich basieren die heutigen Infrastruktursysteme des Wassersektors auf den mittlerweile jahrhundertalten Prinzipien der ersten Systeme: Über Leitungssysteme wird der Wassertransport von den Vorkommen zu den Abnehmern sichergestellt; die Ableitung von Abwässern erfolgt über großflächig ausgebaute Kanalsysteme, um diese nach einer Behandlung in Klärwerken wieder gereinigt dem Wasserkreislauf zuzuführen. Die technischen Neuerungen im Rahmen dieses Ansatzes waren jahrzehntelang gradueller Natur und äußerten sich in verbesserten Verfahren der Trinkwasser- und Abwasseraufbereitung, der Verwendung modernerer Werkstoffe oder effizienteren Pumpensystemen. Durch eine Reihe technischer Weiterentwicklungen sowohl in den Kernbereichen der Ver- und Entsorgung (u. a. Filtration, Ressourcenrückgewinnung) als auch den Technikbereichen mit wichtigen Querbezügen (u. a. Informations- und Kommunikationstechniken, Sensorik, Feuerlöschtechnik) änderte sich dieses Bild. Die Gesamtheit der graduellen Technologiefortschritte ermöglicht es, dass heute insbesondere im Sektor der Entsorgung zahlreiche Systemalternativen zur Bereitstellung der Dienstleistungen im Wassersektor bestehen, die zugleich mit einer partiellen Abkehr vom Paradigma leitungsgebundener Infrastruktursysteme einhergehen und damit als radikale Innovationen des Sektors angesehen werden können. Hierzu zählen insbesondere innovative (semi-)dezentrale Systemlösungen, bei denen verschieden weit gehende Ansätze einer Stoffstromtrennung und das Schließen von Kreisläufen verfolgt werden.63 62
Vgl. Hillenbrand et al. (2010), S. 1134; Tränckner / Koegst (2011), S. 136.
52
Norman Bedtke
Bedeutsam sind diese Systemalternativen deshalb, da ihnen im Hinblick auf die Erfüllung zukünftiger Anforderungen an Wasserinfrastruktur zahlreiche Vorteile gegenüber den konventionellen Systemlösungen attestiert werden, die insbesondere in den Bereichen zukünftiger Anpassungsfähigkeit und Ressourceneffizienz / -rückgewinnung gesehen werden.64 Zugleich weisen konventionelle Technologien in urbanen Ballungsräumen ebenfalls unbestreitbare wirtschaftliche Vorteile gegenüber kleineren Systemlösungen auf,65 so dass eine generelle Vorzugswürdigkeit bestimmter Systemlösungen nicht gegeben ist. Festzuhalten ist jedoch, dass konventionelle Systeme nicht länger alternativlos sind, so dass zukünftig die Wahl der Technologielösungen regionalspezifisch unter Berücksichtigung aller entscheidungsrelevanten Aspekte erfolgen muss. Vor dem Hintergrund sich ändernder Rahmenbedingungen ist dabei gegenwärtig von insgesamt steigenden Opportunitätskosten auszugehen, die aus dem Beibehalten bestehender Technologiepfade resultieren. Folglich setzen neuartige Technologien die bestehenden Akteure, Strukturen und Institutionen unter Veränderungsdruck und müssen als weitere Treiber des Wandels gesehen werden.66
2. Kommunale Finanzsituation Wasserwirtschaftliche Infrastruktursysteme zeichnen sich durch lange Nutzungsdauern aus und erfordern fortwährende Investitionen in die Instandhaltung, Erneuerung und Anpassung der Systeme. Hierfür wurden seit der Jahrtausendwende jährlich Investitionen im Mittel von 4,6 Mrd. Euro im Sektor der Abwasserbeseitigung und 2,2 Mrd. Euro im Versorgungssektor getätigt (siehe Abbildung 4). Es wird geschätzt, dass auch dieses hohe Investitionsvolumen nicht genügt, um die Altersstruktur der Systeme zu erhalten und einen damit verbundenen schleichenden Substanzverlust zu vermeiden.67 Allein im Entwässerungsbereich weisen ein Fünftel aller Kanalhaltungen gegenwärtig Schäden auf, die eine kurz- bis mittelfristige Sanierung erforderlich machen.68
63 Für eine Übersicht technologischer Optionen siehe Geyler / Lautenschläger (2015); Koziol et al. (2006), S. 95 ff.; DWA (2008). Im Zusammenhang mit diesen weitreichenden Veränderungen technologischer aber auch damit verbundener institutioneller Aspekte wird regelmäßig von einer Transformation von Wasserinfrastruktursystemen gesprochen, vgl. Kluge / Libbe (2006); dies. (2010); Koziol et al. (2006). 64 Vgl. Kluge / Libbe (2006); Koziol et al. (2006). 65 Zentrale Infrastruktursysteme zeichnen sich durch Größen-, Verbund- und Dichteeffekte aus, die sinkende Durchschnittskosten bewirken und somit regelmäßig eine kostengünstigere Bereitstellung begründen. 66 Vgl. Dolata (2011), S. 10. 67 Vgl. Hillenbrand et al. (2010), S. 41; Koziol et al. (2006), S. 73. 68 Vgl. Berger / Falk (2011), S. 32.
Wasserinfrastruktursysteme unter dem Einfluss von Wandlungsprozessen
53
Investitionen in die kommunale Wasser wir tschaft (2000-2012) 10
Investitionen in Mr d. Eur o
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Abwasserbeseitigung
Wasserversorgung
Quelle: eigene Erstellung nach BDEW (2012).
Abbildung 4: Entwicklung der jährlichen Investitionen in die kommunale Wasserwirtschaft
Zunehmend fehlen in vielen Städten und Gemeinden in Deutschland die notwendigen Finanzmittel für Investitionen in den Infrastrukturerhalt. Die schlechte Finanzsituation führt bereits seit den 1990er Jahren zu einem Rückgang der kommunalen Investitionstätigkeit, so dass in verschiedenen Bereichen seit längerer Zeit ein bedeutender Investitionsrückstand festzustellen ist.69 Zwar sind alle Investments in die Infrastruktur über kommunale Gebühren bzw. Entgelte uneingeschränkt refinanzierbar; die Kommunen scheuen jedoch die politischen Widerstände entsprechender Entgelterhöhungen.70 Zugleich führen konkurrierende Ausgabenzwecke dazu, dass über Gebühren hereinfließende und nicht zweckgebundene Mittel aus dem Wassersektor abgezogen und für andere Mittelbedarfe verausgabt werden.71 Konkret wird der kommunale Investitionsbedarf für die Siedlungswasserwirtschaft im Zeitraum 2006 bis 2020 im Sektor der Abwasserbeseitigung auf 58 Mrd. Euro und im Sektor der Trinkwasserversorgung auf 29 Mrd. Euro geschätzt, wobei der Großteil hierbei für Ersatzinvestitionen aufgewendet werden muss (siehe Tabelle 4).72 69 70 71 72
Vgl. Reidenbach et al. (2008), S. 13. Siehe dazu Gawel (2015). Hierzu Gawel (2012). Vgl. Reidenbach et al. (2008), S. 20.
54
Norman Bedtke Tabelle 4 Schätzungen des Investitionsbedarfs in der Siedlungswasserwirtschaft von 2006 bis 2020 Investitionsbedarf kommunale Trinkwasserversorgung
Angaben in Mrd. Euro
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
Deutschland gesamt
Nachholbedarf
-
-
-
Erweiterungsbedarf
5,9
1,6
7,5
Ersatzbedarf
12,6
5,9
21,5
Summe
21,5
7,5
29,0
Investitionsbedarf kommunale Abwasserbeseitigung Nachholbedarf
-
1,8
1,8
Erweiterungsbedarf
7,8
5,1
12,9
Ersatzbedarf
38,1
5,5
43,6
Summe
45,9
12,4
58,3
Quelle: Reidenbach et al. (2008), S. 126 und S. 157.
Zukünftig wird sich die finanzielle Situation vieler Kommunen vermutlich alleine durch die vielerorts stattfindende Abnahme der Bevölkerung weiter verschärfen, da eine zunehmend geringere Bevölkerungsanzahl für die Kosten der Wasserver- und Abwasserentsorgung aufkommen muss. Die Kosten für Wasserinfrastruktursysteme zeichnen sich jedoch auch bei abnehmender Nutzerzahl durch ein weitgehend gleiches Niveau aus (Kostenremanenz), da der überwiegende Teil fixe Kosten sind und zugleich das Netz auch bei einer geringeren Anschlussdichte vorgehalten werden muss. Eine Refinanzierung bestehender Systeme bei Abnahme der Bevölkerung resultiert folglich in steigenden Pro-Kopf-Ausgaben. Diese „Fixkostenfalle“ verstärkt die Problematik der Unterauslastungen, da ein höheres Preisniveau einen weiteren Rückgang der Nachfrage bewirkt oder aber auch u. U. Standortentscheidungen von Gewerbe und Industrie negativ beeinflusst. Im Sektor der Wasserwirtschaft kommt erschwerend hinzu, dass eine hohe Fremdverwendung von Investitionsmitteln erfolgt. Über die Wasser- und Abwasserentgelte realisierte kommunale Einnahmen werden regelmäßig zur Quersubventionierung defizitärer kommunaler Bereiche (u. a. ÖPNV) verwendet.73 Ein Sanierungsstau bei Wasserinfrastrukturen verursacht zukünftig höhere Investitionsbedarfe, da in Folge vernachlässigter Substanzpflege ein stärkerer Verschleiß der Systeme eintritt. Die Folge sind teure Ersatzinstallationen und Neubauten, die wesentlich frühzeitiger erfolgen müssen, wenn man das qualitative Niveau der Systeme aufrechterhalten möchte.74 73 74
Vgl. Haug (2003), S. 299 ff. Vgl. Koziol et al. (2006), S. 71; Reidenbach et al. (2008).
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Die zunehmend auseinandergehende Schere zwischen Investitionsbedarf und getätigten Investitionen, dies vor dem Hintergrund weitgehender Anpassungsbedarfe der Systeme in Folge von Klimawandel, demografischem Wandel und gesteigerten ökologischen Anforderungen, stellt die Kommunen zukünftig vor neue Herausforderungen. 3. Veränderte Zielstellungen Wasserinfrastruktursysteme entwickeln sich nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der sich ändernden gesellschaftlichen Zielstellungen und Ansprüche, die an die Wasserdienste gerichtet werden.75 Aufgrund der Vielfalt dieser Entwicklungen sollen diese hier nur exemplarisch angerissen werden.76 Besonders bedeutsam ist die seit mehreren Jahrzehnten bestehende Diskussion zur kosteneffizienten Bereitstellung der Dienstleistungen von Netzsektoren, die in den Sektoren Strom, Gas und Telekommunikation bereits zur Etablierung wettbewerblicher Strukturen führte. Die Debatte erfasste auch die Wasserwirtschaft und entfachte eine kontroverse Diskussion zum Für und Wider einer wettbewerblichen Öffnung.77 Letztendlich entschied man sich in Deutschland gegen die Liberalisierung des Sektors und setzte auf einen Ansatz der Modernisierung.78 Aus heutiger Sicht muss davon ausgegangen werden, dass eine weitgehende wettbewerbliche Öffnung des Sektors analog dem Vorgehen in anderen Netzsektoren in Deutschland kurz- bis mittelfristig nicht erfolgen wird. Trotz dessen lassen die anhaltende Effizienzkritik,79 eine zunehmende Kommerzialisierung des Sektors80 sowie die Zunahme von Transparenz und Wettbewerbselementen (Benchmarking) für die Zukunft erwarten, dass die Unternehmen des Sektors vermehrt Maßnahmen anstrengen werden, um Effizienzpotenziale zu heben. Vor diesem Hintergrund wird vermutlich auch der Einsatz neuartiger Technologieoptionen in wachsendem Maße diskutiert werden, da diese unter bestimmten Rahmenbedingungen wirtschaftliche Vorteile gegenüber konventionellen Systemlösungen bieten.81 Auch im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeitszielstellungen veränderten sich die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Neben den gesteigerten Anfor75 Zur systematischen Trennung zwischen erweiterten Zielstellungen und veränderten Rahmenbedingungen siehe Geyler / Bedtke (2015). 76 Siehe dazu Scheele (2006); Pinnekamp (2011) mit weiteren Quellen. 77 Zentral waren hierbei zwei Gutachten, die zu gänzlich verschiedenen Ergebnissen hinsichtlich einer Bewertung des Sektors kamen, vgl. Ewers et al. (2001); Brackemann et al. (2000). 78 Siehe dazu Gawel / Bedtke (2015). 79 Vgl. Monopolkommission (2010), Tz. 1 – 25; Monopolkommission (2012), Tz. 601 – 625. 80 Vgl. Wissen / Naumann (2006), S. 20 ff. 81 Vgl. Tauchmann et al. (2006), S. 276.
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derungen im Hinblick auf den Klimaschutz [siehe II.2.c)] kann der Paradigmenwechsel bei der Niederschlagswasserbewirtschaftung als Beispiel angebracht werden, welcher sich in den Forderungen nach einer ortsnahen Bewirtschaftung im Wasserhaushaltsgesetz (§ 55 Abs. 2 WHG) widerspiegelt und konventionelle Ansätze einer Mischwasserkanalisation für Neubaugebiete ausschließt. Weiterhin könnten rechtliche Vorgaben zur Ressourcenrückgewinnung einen Veränderungsdruck erzeugen und auf die Technologiewahl der siedlungswasserwirtschaftlichen Unternehmen einwirken.82
V. Fazit: Anpassungsdruck für Wasserinfrastruktursysteme aufgrund veränderter Rahmenbedingungen Durch den annähernd flächendeckenden Ausbau von überwiegend zentralen Wasserinfrastrukturen in Deutschland ist die Bereitstellung von Dienstleistungen der Siedlungswasserwirtschaft hierzulande auf einem sehr hohen Niveau sichergestellt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass durch eine Reihe sich verändernder Rahmenbedingungen die Sicherstellung dieses hohen Ver- und Entsorgungsniveaus zukünftig erschwert wird, da die Systeme Rahmenbedingungen ausgesetzt sein werden, die den ursprünglichen Planungsgrundlagen massiv zuwiderlaufen. Als besonders bedeutsam werden dabei die Konsequenzen des Klimawandels angesehen, da diese einerseits durch eine mögliche Beeinflussung des Wasserdargebots den Trinkwassersektor betreffen. Andererseits können auch die Veränderungen der Niederschlagsregime und insbesondere eine mögliche Zunahme von Extremwettereignissen die Leistungsfähigkeit bestehender Entwässerungssysteme herausfordern. Als weitere bedeutsame Veränderung der Rahmenbedingungen wurden veränderte Bedarfsstrukturen ausgemacht. Vor allem die sich aus der Überlagerung des Bevölkerungsrückgangs, einer Abnahme des spezifischen Wassergebrauchs und dem Rückgang der industriellen Wassernachfrage ergebende deutliche Abnahme des Gesamtwassergebrauchs kann zu einer Unterauslastung sowohl der Ver- wie auch Entsorgungssysteme führen. Es ist festzuhalten, dass massive Veränderungen der Rahmenbedingungen erhebliche negative Auswirkungen auf Wasserinfrastruktursysteme entfalten können. Hierdurch kann sich ein erheblicher Anpassungsdruck ergeben.83 Da jedoch sowohl die regionalspezifischen Ausgangsbedingungen als auch die Konsequenzen der be82 Beispielhaft sind hierfür die Bemühungen im Bereich der Phosphor-Rückgewinnung, siehe dazu u. a. Rechenberg (2014). 83 Siehe hierzu auch Kluge et al. (2003); Rothenberger (2003); Koziol / Walther (2006); Geyler / Bedtke (2015) m. w. Nachweisen.
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schriebenen Veränderungen regional höchst unterschiedlich ausfallen, sollte von verallgemeinernden Aussagen hinsichtlich der Problemlagen abgesehen werden. Zugleich sind die Probleme, die aus den Veränderungen resultieren, vielfältig und überlagern sich regelmäßig. Die konkreten lokalen Herausforderungen für Wasserinfrastrukturbetreiber entstehen erst aus dem Zusammenspiel veränderter Rahmenbedingungen und Zielstellungen sowie der Leistungsfähigkeit der bestehenden Infrastruktursysteme.
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Zur Entwicklung des Rechts der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung* Von Wolfgang Köck
I. Einführung Wasserwirtschaft ist die Bewirtschaftung der Wasserressourcen in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Diese Aufgabe schließt den Schutz der Wasserressourcen vor Verschmutzung und Verschlechterung ein. Wasser ist ein öffentliches Gut, das zu seiner dauerhaften gemeinwohlverträglichen Nutzung der Bewirtschaftung durch den Staat bedarf.1 Der deutsche Gesetzgeber hat der Angewiesenheit auf das Wasser dadurch Rechnung getragen, dass er bereits durch sein Wasserhaushaltsgesetz (WHG) aus dem Jahre 1957 2 eine öffentlich-rechtliche Bewirtschaftungsordnung etabliert hat, die prinzipiell jede Wassernutzung unter einen staatlichen Erlaubnisvorbehalt stellt (§§ 8, 68 WHG). 3 Die Gestattung einer Wassernutzung liegt im Bewirtschaftungsermessen des Staates (§ 12 II WHG). Einen Rechtsanspruch des Einzelnen auf Wassernutzung gibt es nicht (§ 12 WHG), und auch das Grundeigentum berechtigt nicht zu einer Gewässerbenutzung, die einer behördlichen Zulassung bedarf (§ 4 III WHG). Lediglich Bagatellbenutzungen sind erlaubnisfrei (§ 46 WHG) und unterfallen dem sog. „Gemeingebrauch“ (§ 25 WHG). Die gesetzgeberische Entscheidung für eine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung ist durch das Bundesverfassungsgericht schon Anfang der 80er Jahre bestätigt und sogar als verfassungsrechtlich geboten bewertet worden, weil die haushälterische Bewirtschaftung der Wasserressourcen ein überragendes Allgemeininteresse bildet.4 Der Staat hat seine Bewirtschaftungskonzeption an gesetzlich geregelten * Ergänzter und korrigierter Nachdruck des gleichnamigen Beitrages in der Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR), Heft 1 / 2015, S. 3 – 15. 1 Davon geht auch die EU aus. Im Erwägungsgrund (1) zur Wasserrahmenrichtlinie heißt es: „Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“ 2 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) v. 27. 7. 1957, BGBl. I, S. 1110. 3 Die Angaben zu den Paragraphen beziehen sich auf das aktuelle Wasserhaushaltsgesetz v. 31. 7. 2009, soweit nicht ausdrücklich anders ausgewiesen.
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Grundsätzen auszurichten (§ 6 WHG), wobei die Erhaltung bzw. Schaffung der öffentlichen Wasserversorgung (Trinkwasserversorgung) vom Gesetzgeber ausdrücklich hervorgehoben worden ist (§ 6 I Nr. 4 WHG). Spezifische Grundsätze sind zudem für die Wasserversorgung und für die Abwasserbeseitigung gesetzlich verankert worden (§§ 50 II–IV und 55 WHG). Damit sind wichtige rechtliche Grundlagen geschaffen, um das in jüngster Zeit auch in Deutschland diskutierte sog. „Menschenrecht auf Wasser“5 gewährleisten zu können. Die öffentliche Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung sind durch das Wasserhaushaltsgesetz als Aufgabe der Daseinsvorsorge bzw. als öffentliche Aufgabe rechtlich verankert worden (§§ 50 I, 56 I WHG), die gemäß landesrechtlicher Zuständigkeitszuweisungen i. d. R. den Gemeinden bzw. eigens dafür eingerichteten öffentlichen Zweckverbänden obliegen und unter bestimmten Voraussetzungen privaten Dritten übertragen werden dürfen (§ 56 I 3 WHG; siehe für das Landesrecht etwa die Regelung in Sachsen: §§ 57 III, 63 IV SächsWG). Die Erfüllung beider Aufgaben, und auch die Übertragung von Aufgaben auf Dritte (einschließlich Privater), unterliegen der staatlichen Überwachung. Die rechtlichen Anforderungen an die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung finden sich in bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, sowie darüber hinaus auch in fachlichen Leitlinien, insbesondere technischen Regelwerken, aber auch in orts- und verbandsrechtlichen Bestimmungen (Satzungsrecht). Sowohl die Bewirtschaftung der Wasserressourcen im Ganzen, als auch die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung im Besonderen sind mittlerweile in hohem Maße von europarechtlichen Vorgaben überformt. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die wichtigsten europarechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen gegeben und danach auf die nationalen Vorschriften eingegangen.
4 Siehe das Urteil des BVerfG v. 15. 7. 1981, in: BVerfGE 58, 300, 332 ff. – Nassauskiesung. 5 Dieses Recht wird abgeleitet aus Art. 11 und 12 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte v. 19. 12. 1966 und ist in verschiedenen sog. „soft law“-Dokumenten weiter ausgeformt worden; siehe dazu aus der Literatur etwa Moosdorf (2007); Rudolf (2007); Laskowski (2010a); dies. (2012a). Mag im Einzelnen die Reichweite dieses Rechts auch noch umstritten sein, kann für Deutschland jedenfalls gesagt werden, dass die zentralen Elemente dieses Rechts gewährleistet sind: nach deutschem Verfassungsrecht ist klar, dass die Trinkwasserversorgung als Element der Daseinsvorsorge und als Ausprägung des Sozialstaatsprinzips unter der Gewährleistungsverantwortung des Staates steht. Durch einfachgesetzliche Vorschriften ist sowohl der Versorgungsauftrag und der Zugang des Einzelnen zur Trinkwasserversorgung geregelt; Sozialhilfesysteme sorgen dafür, dass Trinkwasser auch für diejenigen verfügbar ist, deren Einkommen zum Leben nicht reicht; siehe zu alldem etwa Kahl (2010), S. 733, 756 ff.; Laskowski (2010a), S. 307 ff., 474 ff. Siehe für weitergehende Interpretationen auch Laskowski (2012a), S. 164, 167 ff.; gegen eine allzu extensive Auslegung aber Gawel / Bretschneider (2012), S. 321.
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II. Zur Entwicklung der europarechtlichen Vorgaben für die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung Die Bewirtschaftung der Wasserressourcen und der Gewässerschutz in Deutschland sind heute in hohem Maße durch die rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union geprägt. Standen dabei am Anfang eher punktuelle Regelungen für einzelne gewässerbezogene Nutzungen, Schadstoffe bzw. Vorhaben im Vordergrund,6 ist mit der Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahre 20007 ein umfassender europäischer Rechtsrahmen, insbesondere mit Blick auf den Gewässerschutz, geschaffen worden, der elementare Rahmenbedingungen auch für die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung setzt.
1. Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Charakterisierend für die WRRL ist der qualitätsorientierte (immissionsbezogene) Ansatz:8 Art. 4 I WRRL bestimmt, dass die Oberflächengewässer (einschließlich der Übergangs- und der Küstengewässer) sowie das Grundwasser so zu bewirtschaften sind, dass ein guter Gewässerzustand9 erhalten bzw. bis Ende 2015 erreicht wird. Was gute Gewässerzustände sind, ist z. T. in Anhängen der WRRL geregelt, 10 aber auch in Tochter-Richtlinien, wie etwa der Umweltqualitätsnorm- bzw. „Prioritäre Stoffe“-Richtlinie11 oder der Grundwasser-Richtlinie.12 Unter strengen Voraussetzungen lässt die WRRL Fristverlängerungen für die Zielerreichung (Art. 4 IV WRRL) sowie die Festlegung von Minderzielen (Art. 4 V WRRL) bzw. abweichenden Zielen (Art. 4 VII WRRL) zu. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie erschöpft sich nicht darin, Qualitätszielfestlegungen zu treffen, sondern legt auch bewirtschaftungsunabhängige Pflichten fest, wie insbesondere die Pflicht, den Grundsatz der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten zu berücksichtigen (Art. 9 WRRL),13 sowie die Pflicht, den sog. „kombinierten Ansatz“ anzuwenVgl. Breuer (1995). Richtlinie 2000 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 10. 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik. 8 Siehe dazu auch Epiney (2013), S. 436 f. 9 Dabei wird mit Blick auf die Oberflächengewässer und die Küstengewässer unterschieden zwischen dem chemischen Zustand und dem ökologischen Zustand. Für die Grundwasserkörper unterscheidet die WRRL den chemischen und den mengenmäßigen Zustand. 10 Siehe insbesondere den Anhang V der WRRL. 11 Siehe die Richtlinie 2008 / 105 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik. 12 Siehe die Richtlinie 2006 / 118 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12. 12. 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung. 6 7
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den, also die europäischen Emissionsnormen bestimmter anderer europarechtlicher Vorschriften zu beachten (Art. 10 WRRL), unabhängig davon, ob diese Emissionsstandards für die Erreichung guter Zustände benötigt werden. Zu den Emissionsnormen, die unabhängig von der bestehenden Gewässergüte eingehalten werden müssen, gehören auch die für die öffentliche Abwasserbeseitigung besonders bedeutsamen emissionsbezogenen Vorgaben der Richtlinie über die kommunalen Abwässer (Art. 10 II lit. c WRRL). Mit Blick auf die qualitätszielorientierte Bewirtschaftung schreibt die WRRL den Mitgliedstaaten vor, die Gewässerbewirtschaftung auf der Ebene von Flusseinzugsgebieten vorzunehmen und die Gewässer entsprechenden Flussgebietseinheiten zuzuordnen (Art. 3 I WRRL). Innerhalb der Flussgebietseinheiten sind alle Bewirtschaftungs-, Schutz- und Verbesserungsmaßnahmen räumlich und sachlich zu koordinieren (Art. 3 IV WRRL)14 und in flussgebietsbezogenen Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen (Art. 11 und 13 WRRL) darzustellen bzw. festzulegen.15 Ausdrücklich bestimmt die WRRL auch, dass die Mitgliedstaaten in jeder Flussgebietseinheit die Wasserkörper zu ermitteln haben, die gegenwärtig und zukünftig für die Trinkwasserversorgung benötigt werden (Art. 7 WRRL). Die Maßnahmenprogramme haben bestimmten inhaltlichen Anforderungen zu genügen (grundlegende und ggf. ergänzende Maßnahmen, Art. 11 III und IV WRRL). So sind u. a. Maßnahmen zur Erreichung bzw. Sicherung der Trinkwasseranforderungen festzulegen (Art. 11 III lit. d), und bei Einleitungen über Punktquellen, die Verschmutzungen verursachen können, sind Genehmigungserfordernisse vorzusehen (Art. 11 III lit. g). Solche Maßnahmen erfordern i. d. R. das Tätigwerden des Gesetzgebers und sind nicht allein durch den Plan und die plangebende Stelle zu legitimieren.16 Neue Wege geht die WRRL auch in der Partizipation, indem sie bestimmt, dass die Öffentlichkeit in die Ziel- und Maßnahmenplanung einzubeziehen ist (Art. 14 WRRL). Ausdrücklich verlangt die Richtlinie von den Mitgliedstaaten, die aktive Beteiligung interessierter Stellen an der Aufstellung, Überprüfung und Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne zu fördern (Art. 14 I WRRL). Den Verbänden der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung als Träger öffentlicher Belange wird auf diese Weise schon durch europäisches Recht zu einem frühen Zeitpunkt Gelegenheit gegeben, auf die Berücksichtigung der Interessen der Siedlungswasserwirtschaft bei der Erarbeitung der Bewirtschaftungspläne, insbesondere auch der Maßnahmenprogramme, hinzuwirken.17
13 Ob Art. 9 WRRL allein der Erreichung der Umweltziele des Art. 4 WRRL dient oder darüber hinaus eine bewirtschaftungsunabhängige Funktion hat, ist umstritten; vgl. dazu näher Gawel et al. (2014b), S. 89 f.; Gawel / Unnerstall (2014), S. 963. 14 Dazu näher Köck (2013). 15 Näher dazu: Faßbender (2014); Raschke (2014). 16 Vgl. dazu auch Köck (2013), S. 844, 848. 17 Vgl. dazu auch Guckelberger (2010a), S. 835, 839 f.
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Ziele und Aufgaben der WRRL stellen die Mitgliedstaaten der EU, und insbesondere auch Deutschland, vor große Herausforderungen,18 die – wenn überhaupt – nur unter erheblicher Nutzung der Ausnahmemöglichkeiten gemeistert werden können. Die Wasserversorgungs- und die Abwasserentsorgungswirtschaft wird durch die WRRL, wie bereits angedeutet, in vielfacher Hinsicht berührt. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die bereits erwähnte Verpflichtung, den Grundsatz der kostendeckenden Wasserdienstleistungen zu berücksichtigen, die mit Blick auf Deutschland Diskussionen dahingehend ausgelöst hat, ob dadurch die Erhebung neuer Wassernutzungsabgaben19 bzw. die Anpassung bestehender Wassernutzungsabgaben20 notwendig geworden ist.21 Zu Recht betont aber der EuGH in seinem Urteil vom 11. 9. 2014,22 in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur,23 den großen Spielraum, den Art. 9 WRRL den Mitgliedstaaten überlässt.
2. Andere bedeutsame europarechtliche Vorgaben a) Überblick Neben der WRRL mit ihren Tochter-Richtlinien sind mit Blick auf die Siedlungswasserwirtschaft insbesondere auch die folgenden EU-Richtlinien bedeutsam, die größtenteils ausdrücklich über den bereits erwähnten „kombinierten Ansatz“ in das Konzept der WRRL einbezogen worden sind: die KommunalabwasserRichtlinie,24 die Trinkwasser-Richtlinie,25 die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,26 die kürzlich durch die Industrieemissions-Richtlinie27 abgelöst worden ist, sowie die Düngemittel-Verord18 Siehe die Berichte des BMU (2010a) und der Europäischen Kommission (2012a, 2012b) zur Implementation der WRRL. Siehe aus der Literatur die (zwischen-)bilanzierenden Berichte von Holzwarth (2005); Köck (2009); ders. (2012); Durner (2010); und jüngst: Reinhardt (2013). 19 Vgl. dazu Gawel et al. (2011). 20 Vgl. Gawel et al. (2014b). 21 Siehe dazu auch Gawel / Köck (2014), S. 1212. 22 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 9. 2014, Rs. C-525 / 12, Rn. 47 ff. 23 Vgl. statt Vieler: Köck (2011). 24 Richtlinie 91 / 271 / EWG des Rates v. 21. 5. 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser. 25 Richtlinie 1998 / 83 / EG des Rates v. 3. 11. 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch. 26 Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates v. 4. 9. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung; neugefasst durch die Richtlinie 2008 / 1 / EG v. 15. 1. 2008. 27 Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen.
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nung,28 die Nitrat-Richtlinie,29 die Pflanzenschutzmittelzulassungs-Richtlinie30 (mittlerweile abgelöst durch die EU-Pflanzenschutzmittel-Verordnung) 31 und die Pflanzenschutzmittelverwendungs-Richtlinie.32 Relevant für die Siedlungswasserwirtschaft ist auch die Umwelthaftungs-Richtlinie,33 weil sowohl die Einleitung von Abwässern als auch die Entnahme von Wasser zu den beruflichen Tätigkeiten gehören, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie unterliegen. In vergaberechtlicher Hinsicht verdient zudem Erwähnung, dass der Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssektor nicht dem Anwendungsbereich der sog. Konzessionsrichtlinie34 unterliegt.35 Frühere Überlegungen, den Wassersektor hier einzubeziehen, sind letztlich nicht weiter verfolgt worden, weil nicht zuletzt auch die europäische Bürgerinitiative36 „Right2Water“ für einen Umdenkprozess bei den europäischen Gesetzgebungsorganen gesorgt hat.37 Aus Raumgründen können im Folgenden nicht alle genannten Richtlinien angesprochen, sondern nur kurz auf die Kommunalabwasser-Richtlinie sowie auf die Trinkwasser-Richtlinie eingegangen werden, die die EU-Kommission neben der Wasserrahmenrichtlinie selbst als wichtigste rechtliche Grundlagen des europäischen Gewässerschutzes bezeichnet hat.38 b) Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser Die Richtlinie 91 / 271 / EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser vom 21. 5. 1991 war die in den 90er Jahren wohl am weitesten reichende Gewässerschutzrichtlinie. Sie legt Anforderungen an die Sammlung, Behandlung und Einleitung von häuslichen bzw. industriellen Abwässern fest und erfasst dabei auch das Niederschlagswasser. Zu den Anforderungen gehört u. a. die Verpflichtung, dass Verordnung (EG) Nr. 2003 / 2003 v. 13. 10. 2003 über Düngemittel. Richtlinie 91 / 676 / EWG des Rates zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. 30 Richtlinie 91 / 414 / EG v. 15. 7. 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. 31 Verordnung (EG) Nr. 1107 / 2009 v. 21. 10. 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und über die Aufhebung der Richtlinien 79 / 117 / EWG und 91 / 414 / EG. 32 Richtlinie 2009 / 128 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden. 33 Richtlinie 2004 / 35 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. 4. 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden. 34 Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. 2. 2014 über die Konzessionsvergabe. 35 Vgl. den Erwägungsgrund 40 der Konzessionsrichtlinie (RL 2014 / 23 / EU). 36 Die Europäische Bürgerinitiative beruht auf der Verordnung Nr. 211 / 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 2. 2011 über die Bürgerinitiative. 37 Siehe die Mitteilung der Kommission über die Europäische Bürgerinitiative „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware“, COM (2014) 177 final v. 19. 3. 2014, insbes. S. 6. 38 Vgl. die Mitteilung der EU-Kommission v. 19. 3. 2014, COM (2014) 177 final, S. 4. 28 29
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alle Gemeinden, zeitlich gestaffelt nach der Gemeindegröße („Einwohnerwerte“) die häuslichen und industriellen Abwässer bis zu einer bestimmten Frist (Ende 2000 bzw. 2005) mittels einer Kanalisation zu sammeln und abwassertechnisch zu behandeln haben. Dabei ist neben der physikalischen bzw. chemischen Behandlung („Erstbehandlung“) grundsätzlich auch eine biologische Behandlung („Zweitbehandlung“) vorgeschrieben, die bestimmten Standards zu genügen hat (Anhang I Teil B) und für bestimmte Parameter Konzentrationswerte vorschreibt. Lediglich für weniger empfindliche Gebiete, gibt sich die Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Erstbehandlung zufrieden (Art. 6). Für „empfindliche Gebiete“, die von den Mitgliedstaaten bis Ende 1993 auszuweisen waren, sind grundsätzlich Abwasserbehandlungen vorgesehen, die über die Standards der Zweitbehandlung hinausgehen (Art. 5 II). Die Richtlinie sieht darüber hinaus auch Anforderungen an die Wiederverwendung von Klärschlamm (Art. 14) und an nicht über kommunale Abwasserbehandlungsanlagen laufende Industrieabwässer (Art. 13) vor. In formeller Hinsicht sind durch die Richtlinie Erlaubnisvorbehalte für das Einleiten von Abwässern in Gewässer vorgeschrieben worden (Art. 11). Die Anforderungen der Kommunalabwasser-Richtlinie sind in Deutschland erst mit der Abwasserverordnung aus dem Jahre 1997, also vier Jahre später als durch das europäische Recht vorgeschrieben, in nationales Recht transformiert worden. Dies lag nicht nur an unterschiedlichen Auffassungen über die Erfordernisse der Umsetzung europäischen Rechts in das nationale Recht,39 sondern auch an Sachproblemen der Anpassung nationaler Reinigungsstandards an das neue europäische Konzept.40 Die Anforderungen der kommunalen Abwasserrichtlinie sind auch heute noch geltendes europäisches Recht und nicht durch die Wasserrahmenrichtlinie verdrängt.
c) Trinkwasser-Richtlinie Die Richtlinie 98 / 83 / EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch vom 3. 11. 1998 hat die alte Trinkwasserrichtlinie aus dem Jahre 1980 41 abgelöst, deren Regelungsansatz aber beibehalten und lediglich punktuelle Verschärfungen, Straffungen und Vollzugsvereinfachungen vorgenommen.42 Die Richtlinie regelt Pflichten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Gewährleistung einer genusstauglichen und Reinheitserfordernissen genügenden Qualität des Trinkwassers (Art. 4) und schreibt insbesondere strenge Mindest-Qualitätsgrenzwerte für eine Reihe von Parametern (mikrobiologische, chemische sowie Indikatorparameter) vor (Art. 5 i. V. m. Anhang I), die großenteils gesundheitsbezogen ausgewählt worden Siehe EuGH, Urt. v. 12. 12. 1996, Rs. C-297 / 95. Vgl. dazu Breuer (2003a), Rn. 33. 41 Richtlinie 80 / 778 / EWG des Rates v. 15. 7. 1980 über die Qualität von Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch. Diese Richtlinie ist mit Wirkung zum 25. 12. 2003 aufgehoben worden (Art. 16 RL 98 / 83 / EG). 42 Dazu näher Breuer (2003b), Rn. 10 ff. 39 40
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sind, teilweise aber auch nicht-gesundheitsbezogene Qualitätsanforderungen stellen.43 Gemäß der allgemeinen Verpflichtung aus Art. 4 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das Trinkwasser Mikroorganismen, Parasiten und Stoffe jedweder Art nicht in einer Anzahl oder Konzentration enthält, die eine potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellt (Art. 4 I lit. a). Die Parameterwerte des Anhangs I (insbesondere die Teile A und B) konkretisieren die allgemeine Verpflichtung; sie müssen an bestimmten Stellen, z. B. mit Blick auf die Letztverbraucher an den Zapfstellen in den Haushalten (Art. 6 I lit. a) eingehalten werden, so dass vermittelt über die Umsetzungsgesetzgebung nicht nur der Staat als Garant der Umweltqualität und die Wasserversorger als Verantwortliche für Produktion und Transport, sondern auch private Haushalte über ihre Verantwortung für die häusliche Trinkwasserleitung (z. B. Ersetzung von Bleileitungen) zu verpflichten sind [siehe unten III.5.b)]. Durch Art. 5 III wird klargestellt, dass die allgemeine Verpflichtung durchaus noch weiter reichen kann, als durch die Konkretisierung vorgegeben, weil den Mitgliedstaaten durch diese Regelung vorgeschrieben wird, Werte für zusätzliche, in Anhang I nicht enthaltene Parameter festzusetzen, wenn der Schutz der menschlichen Gesundheit in ihrem Hoheitsgebiet oder in einem Teil davon dies erfordert. Oberste Maxime ist daher stets die rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genusstauglichkeit zu gewährleisten. Die Richtlinie regelt darüber hinaus auch, wie die Mitgliedstaaten zu verfahren haben, wenn die Parameterwerte nicht eingehalten werden und schreibt vor, dass so bald wie möglich die notwendigen Abhilfemaßnahmen zur Wiederherstellung der vorgeschriebenen Wasserqualität getroffen werden und dass mit Blick auf die Erfordernisse des Gesundheitsschutzes darüber hinaus die Wasserverwendung zu untersagen oder einzuschränken ist (Art. 8). Beschränkungen können etwa darin bestehen, dass bis zur Wiederherstellung der vorgeschriebenen Wasserqualität lediglich noch sog. „Brauchwassernutzungen“ für den menschlichen Gebrauch zugelassen werden, nicht aber die Nutzung als Trinkwasser.44 Die Richtlinie lässt in gewissem Maße Abweichungen von den Parameterwerten zu, allerdings nur, sofern die Abweichungen keine potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellen und die Wasserversorgung für den menschlichen Gebrauch in dem betroffenen Gebiet nicht auf andere zumutbare Weise erhalten werden kann (Art. 9 I). In nationales Recht transformiert worden ist die Trinkwasser-Richtlinie durch die Trinkwasserverordnung vom 21. 5. 2001, die auf entsprechenden Ermächtigungen im Bundesseuchengesetz und im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz beruht (siehe näher unten C.V. 2.). Die europäischen Trinkwasserrichtlinien haben den deutschen Gesetzgeber, aber auch die öffentliche Verwaltung und die Wasserversorgung vor große Probleme ge43 Dies gilt insbesondere für eine Reihe der sog. Indikatorparameterwerte des Anhangs I, Teil C, wie etwa die Werte für Chlorid, für die Färbung oder den Geruch. 44 Vgl. dazu auch Breuer (2003b), Rn. 8 f.
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stellt. Dies gilt insbesondere für den Paradigmenwechsel, der durch die erste Trinkwasser-Richtlinie aus dem Jahre 1980 für die deutsche Wasserwirtschaft begründet worden ist.45 Die strengen europarechtlich verankerten Standards sind mit den Handlungsmöglichkeiten, die den Wasserversorgern zur Verfügung stehen, vielerorts nur durch aufwendige Aufbereitungstechniken einzuhalten; dies liegt auch daran, dass EU-weite zielführende umweltrechtliche und agrarrechtliche Flankierungen zwar vorhanden, aber insgesamt noch nicht ausreichend entwickelt sind.46 Dies zeigt sich insbesondere an der Nitratbelastung des Grundwassers.47 Die bereits erwähnte Nitrat-Richtlinie,48 die bindende Vorgaben für den Wirtschaftsdüngerauftrag pro Wirtschaftseinheit gemacht hat, soll zwar helfen, das Problem der Grund- und Oberflächenwasserbelastung mit Nitraten in den Griff zu bekommen, lässt aber Spielräume, erfasst in ihren quantitativen Festlegungen zudem nur den sog. „Wirtschaftsdünger“ und nicht den Handelsdünger,49 und ist schon deshalb nur schwer kontrollierbar, weil sie – in Deutschland – nicht mit den Cross-Compliance-Verpflichtungen bei Direktzahlungen verzahnt ist. Da zentrale Hebel für die Steuerung der Landwirtschaft auf der Ebene der EU liegen, ist eine bessere Abstimmung der Politikbereiche Umwelt und Landwirtschaft schon auf dieser Ebene dringend erforderlich, aber bislang nur eingeschränkt gelungen.50 Größere Erfolge sind demgegenüber infolge der strengen Pflanzenschutzmittelzulassung auf der EU-Ebene bei der Pestizidbelastung festzustellen: Die Grenzwertüberschreitungen im Grundwasser gehen kontinuierlich zurück und sind nun in Deutschland bei unter 5 Prozent angelangt.51
III. Zur Entwicklung des Rechtsrahmens im deutschen Recht 1. Einleitung Die folgenden Ausführungen dienen nicht dazu, die Rechtsumsetzung von EURecht in nationales Recht im Einzelnen nachzuzeichnen, weil insoweit schon der europarechtliche Abschnitt elementare Informationen enthält. Vielmehr soll die Entwicklung der Rechtsgrundlagen der deutschen Siedlungswasserwirtschaft jenseits Dazu näher Breuer (2003b), Rn. 10 ff. Siehe zur Gewässerbelastung durch die Landwirtschaft insbesondere BMU (2010a), S. 36. 47 Immer noch sind bei 15 Prozent der für die Trinkwassernutzung vorgesehenen Grundwasserreservoire Nitratbelastungen oberhalb des Grenzwertes von 50 mg / l gemessen worden; vgl. UBA (2010), S. 53 f. 48 Richtlinie 91 / 676 / EWG des Rates v. 12. 12. 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. 49 Dazu Möckel et al. (2014), S. 166 ff. 50 Vgl. dazu näher Köck (2012), S. 140, 147 ff. Siehe auch Möckel et al. (2014), S. 215 ff. 51 Vgl. UBA (2010), S. 53 f. 45 46
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eindeutiger europarechtlicher Vorgaben in das Zentrum gestellt werden. Begonnen wird mit der Rechtsentwicklung im Bereich der Organisation der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung (2.). Eingegangen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Debatte um mehr Wettbewerb und um Privatisierung, wobei es hier bei wenigen Stichpunkten bleiben muss. Im Anschluss daran erfolgt ein kurzer Abriss über die Entwicklung des Wasserhaushaltsgesetzes und die Auswirkungen auf die Landeswassergesetze (3.), die insbesondere durch die Föderalismusreform bedingt sind. Abschnitte über Entwicklungen im Abwasserrecht einschließlich der Klärschlammthematik (4.) und im Wasserversorgungsrecht / Trinkwasserrecht (5.) schließen sich an. Dabei werden auch instrumentelle Entwicklungen, insbesondere die Steuerung durch wassernutzungsbezogene Abgaben, angesprochen.
2. Organisation der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung Wie bereits einführend mitgeteilt (siehe oben I.), sind die öffentliche Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung durch das Wasserhaushaltsgesetz als Aufgabe der Daseinsvorsorge bzw. als öffentliche Aufgabe rechtlich verankert worden (§§ 50 I, 56I WHG). Gemäß landesrechtlicher Zuständigkeitszuweisungen obliegt diese Aufgabe i. d. R. den Gemeinden bzw. eigens dafür eingerichteten öffentlichen Zweckverbänden.52 Mit Blick auf die Wasserversorgung schreibt § 50 II WHG überdies vor, dass der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken ist (§ 50 II WHG).
a) Zentralität und Dezentralität Die Gemeindeordnungen der Länder ermöglichen es den Gemeinden, auf satzungsrechtlicher Grundlage einen Anschluss- und Benutzungszwang für die öffentliche Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung zu verfügen,53 wobei § 55 I 2 WHG für die Abwasserbeseitigung einschränkend bestimmt, dass dem Wohl der Allgemeinheit auch durch Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprochen werden kann. Die Gemeinden haben daher zu prüfen, ob der Anschluss- und Benutzungszwang dem öffentlichen Wohl entspricht, oder ob im Einzelfall dezentralen Lösungen Raum zu geben ist.54 Teilweise finden sich zu diesem Problemzusammenhang auch spezifische Regelungen in den Landeswassergesetzen, wie etwa in Sachsen, wo § 57 I Nr. 1 SächsWG bestimmt, dass die Versor52 Siehe für das Landesrecht etwa §§ 47 a und 53I LWG NRW; §§ 57 III und 63 IV SächsWG. 53 Vgl. etwa Art. 24 I Nr. 2 BayGemO; § 11 GemO B.-W.; § 9 GemO NRW; § 14 SächsGemO. 54 Dazu näher Laskowski (2012b), S. 597, 601 f.
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gungspflicht der Gemeinden nicht für Grundstücke außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile besteht, für die ein wirtschaftlich vertretbarer Anschluss nicht möglich ist. Die gesetzgeberischen Aktivitäten zeigen, dass die Eigenversorgung und die dezentrale Abwasserbeseitigung immer noch (bzw. angesichts der demografischen Entwicklung besser: wieder) aktuell sind. Es dominieren aber ganz eindeutig zentrale Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen: 99 Prozent der Haushalte in Deutschland sind an die öffentliche Wasserversorgung und 95 Prozent der Haushalte an die Kanalisation und Abwasserbehandlungsanlagen angeschlossen.55 Ob künftig unter dem Druck des demografischen Wandels dezentrale Lösungen wieder an Bedeutung gewinnen werden, bleibt abzuwarten. Schon heute wird in den dünn besiedelten Gebieten des Bundesgebiets aber nicht nur darüber gestritten, ob die Gemeinde zentral versorgen bzw. entsorgen muss, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen Einzelne das Recht haben, sich gegen den Anschluss- und Benutzungszwang zur Wehr zu setzen und nach kostengünstigeren individuellen (dezentralen) Lösungen zu suchen.56
b) Stärkung des Wettbewerbs; Privatisierung In organisatorischer Hinsicht ist neben der Diskussion um Zentralität und Dezentralität noch ein zweites Thema in den Vordergrund gerückt: Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird in Deutschland – ausgehend von den Entwicklungen in England und in Wales,57 aber auch vermittelt durch Überlegungen auf EU-Ebene (siehe oben I.) – politisch und rechtlich intensiv über Möglichkeiten der Stärkung des Wettbewerbs und über die Privatisierung der Wasserwirtschaft debattiert.58 Einen ersten Niederschlag im Recht haben diese Debatten im 6. WHG-Änderungsgesetz aus dem Jahre 1996 bekommen. Damals ist den Ländern die Möglichkeit eingeräumt worden, die Pflicht zur Abwasserbeseitigung auf private Rechtsträger zu übertragen (§ 18a IIa WHG a. F.). Von diesen Möglichkeiten ist allerdings aus unterschiedlichen Gründen nicht wirksam Gebrauch gemacht worden. 59 Im gegenwärtigen WHG sind daraus insofern Konsequenzen gezogen worden, als § 56 I 3 WHG zwar immer noch bestimmt, dass die zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten sich zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen können, die veränderte Gesetzesformulierung zeigt aber, dass die Gemeinden bzw. die ZweckverVgl. BMU (2010b), S. 75, 86. Vgl. Laskowski (2012b), S. 597 ff.; dies. (2014), S. 597 ff. 57 Vgl. dazu Kahl (2010), § 14 Rn. 13 f. 58 Siehe statt Vieler: Burgi (2001); Kahl (2010); siehe auch SRU (2002), S. 295 ff. (zur Wasserversorgung). 59 Vgl. dazu auch Reinhardt (2007), S. 9, 34 f. 55 56
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bände bundesrechtlich zur Abwasserbeseitigung verpflichtet bleiben, auch wenn sie private Dritte in die Aufgabenerfüllung einbinden dürfen. Die Letztverantwortung als sog. Gewährleistungsverantwortung trägt die Gemeinde.60 Wettbewerb bei der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung beinhaltet in Deutschland ganz wesentlich „Wettbewerb um den Markt“,61 der mittels Ausschreibung bzw. Konzessionierung unter Nutzung der Instrumente des Gewährleistungsverwaltungsrechts erfolgt,62 wenn sich die aufgabenpflichtige Gemeinde dazu entschließt, diese Aufgabe künftig nicht selbst, sondern durch Dritte erfüllen zu lassen. Dieses Wahlrecht (Eigenerfüllung oder Erfüllung durch Dritte) hat sie, und es wird ihr auch in absehbarer Zukunft durch europäisches Recht nicht genommen (siehe oben I.). Ein deutlich weitergehender „Wettbewerb im Markt“ setzt effektive Netzverbundstrukturen voraus, die Durchleitungen unterschiedlicher Anbieter ermöglichen. Diese Verbundstrukturen sind bei weitem nicht flächendeckend vorhanden, u. a. auch deshalb, weil der bereits erwähnte Nähegrundsatz bei der Wasserversorgung (§ 50 II WHG) die Errichtung dezentraler Netze nahelegt. Auch die Durchleitung von Wasser unterschiedlicher Herkunft bereitet – anders als im Bereich der Energieversorgung (Strom, Gas) und der Telekommunikation – besondere Schwierigkeiten, die in der Natur der Sache liegen und einer Intensivierung des Wettbewerbs Grenzen setzen. Die intensive wissenschaftliche und fachliche Befassung mit dem Thema Wettbewerb im Wassersektor hat den vorläufigen Befund hervorgebracht, dass das deutsche Modell der im Kern öffentlichen Ver- und Entsorgung nicht nur unter Qualitätsgesichtspunkten eine Spitzenstellung einnimmt,63 sondern sich auch in preislicher Hinsicht sehen lassen kann.64 Da die Kosten insbesondere der Wasserversorgung ganz wesentlich Fixkosten des Netzbetriebes sind,65 wird ein „Wettbewerb um den Markt“ für den Verbraucher voraussichtlich keine spürbaren Vorteile haben, sondern allenfalls den Kommunen eine Einnahmequelle verschaffen. Auf entsprechend wenig Bürgerakzeptanz dürfen die Kommunen daher hoffen, wenn sie sich dem Wettbewerb um den Markt im Sinne einer „funktionalen Privatisierung“ öffnen wollen. Demgemäß ist die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung bis heute ganz wesentlich in der Hand kommunal organisierter öffentlicher Unternehmen66 (Regiebetriebe; Eigenbetriebe) bzw. in der Hand von Unternehmen, die zwar 60 Siehe zu den Problemen, diese Letztverantwortung wahrzunehmen, wenn Aufgabenübertragungen erfolgt sind: Laskowski (2011), S. 185, 192 ff. 61 Dazu näher Kahl (2010), Rn. 9; SRU (2002), Rn. 667 ff. 62 Dazu näher Kahl (2010), Rn. 63 ff. 63 Siehe mit Blick auf die Trinkwasserqualität in Deutschland: BGM / UBA (2012); siehe mit Blick auf die Qualität der Abwasserentsorgung: BDEW (2010), S. 10. 64 Vgl. dazu insbesondere SRU (2002), Rn. 680 ff.; BDEW (2010). 65 Der SRU beziffert in seinem Umweltgutachten 2002 die Fixkosten auf 80 Prozent, siehe SRU (2002). 66 Vgl. Burgi (2001), S. 101, 110, 113.
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in Privatrechtsform betrieben, aber weiterhin von der Gemeinde gehalten und gesteuert werden (Eigengesellschaften). Werden Ver- bzw. Entsorgungsleistungen von privaten Unternehmen bzw. von Eigengesellschaften erbracht, beruhen die dafür fälligen Leistungsentgelte nicht auf kommunalem Abgabenrecht (Benutzungsgebühren nach dem Kostendeckungsprinzip), sondern auf privatrechtlichen Verträgen. Eine „Preiskontrolle“ findet dabei auf zwei Ebenen statt: zum einen bei der Leistungserbringung durch Private auf der Ebene der Ausschreibung und Konzessionierung durch die Gemeinde, zum anderen durch die kartellbehördliche Missbrauchskontrolle (§ 31 III und IV GWB).
3. Entwicklung des Wasserhaushaltsgesetzes, Föderalismusreform und Landeswassergesetze a) Die Föderalismusreform und das Wasserhaushaltsgesetz Das Wasserhaushaltsgesetz als „Grundgesetz“ des deutschen Wasserrechts gibt es seit 1957.67 Seit 1976 ist es geprägt durch die Umweltpolitik und mehrfach novelliert worden. Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dienten die weiteren Gesetzesnovellen im Wesentlichen der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Erst die jüngste Novelle, das Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts aus dem Jahre 2009, war wieder in erster Linie durch nationale Entwicklungen motiviert; sie zieht die Konsequenzen aus der Föderalismusreform, die im Jahre 2006 erfolgt ist, und die dem Bund die Befugnis gegeben hat, die Bewirtschaftung und den Schutz der Wasserressourcen vollständig zu regeln (konkurrierende Gesetzgebung; Art. 74 I Nr. 32 GG). Bis zur Föderalismusreform hatte der Bund für den Wasserhaushalt nur eine eingeschränkte Gesetzgebungsbefugnis. Er durfte lediglich einen Rahmen setzen, war aber im Übrigen auf eine rechtliche Umsetzung und Ausfüllung durch die Länder angewiesen. Diese aufwendige und zeitzehrende Gesetzgebungstechnik war mit der zunehmenden Europäisierung der Wasserpolitik zu einem Problem geworden, weil die Umsetzung europarechtlicher Vorschriften eine Gesetzgebung nicht nur auf der Bundesebene, sondern auch auf der Ebene aller 16 Bundesländer erfordert hatte. Durch die Zuerkennung der konkurrierenden Befugnis ist dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit verschafft worden, die Sachmaterie des Wasserhaushalts vollumfänglich zu regeln. Einer Landeswassergesetzgebung bedarf es nicht mehr, soweit der Bund von seinen Befugnissen abschließend Gebrauch gemacht hat. Der Kompetenzzuwachs des Bundes im Bereich der Wasserbewirtschaftung war aber nur durch einen Verfassungskompromiss zu bekommen. Dieser Kompromiss lautet, dass das Grundgesetz den Ländern im Bereich der Bewirtschaftung und des Schutzes der Wasserressourcen seit der Föderalismusreform beschränkte Abweichungs67
Siehe zum Folgenden: Reinhardt (2010a), S. 4 – 20c.
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rechte einräumt (Art. 72 III Nr. 5 GG), d. h., die Länder dürfen Regelungen treffen, die im Gegensatz zu Bundesregelungen stehen.68 „Stoff- oder anlagenbezogene Regelungen“ fallen demgegenüber in die Kernkompetenz des Bundes und sind insofern abweichungsfest.69 Von den Abweichungsrechten ist bisher nur in geringem Maße bzw. in sehr speziellen Bereichen Gebrauch gemacht worden, die die Grundkonzeption des Bundesrechts nicht berühren. Gerichtliche Entscheidungen zu den Grenzen der Abweichungsrechte70 liegen gegenwärtig noch nicht vor. Von seinen neuen Gesetzgebungskompetenzen hat der Bund Gebrauch gemacht durch das erwähnte Gesetz aus dem Jahre 2009. Das neue WHG des Bundes enthält nun unmittelbar geltende Regelungen, die die bisherigen Landesregelungen verdrängen. Das WHG regelt aber nicht alle Aspekte der Bewirtschaftung und des Schutzes abschließend, sondern enthält Verweise auf das Landesrecht, Ermächtigungen für die Länder und auch Lücken, so dass die Landeswassergesetze, die nahezu vollständig zwischenzeitlich an die neue Rechtslage angepasst worden sind, auch künftig – und jenseits möglicher abweichender Regelungen – eine wesentliche Bedeutung behalten werden.
b) Landeswassergesetze, insbesondere Wasserentnahmeentgelt Es ist hier nicht der Raum, um auf spezifisches Landesrecht einzugehen. Erwähnt werden soll aber jedenfalls eine für die Siedlungswasserwirtschaft bedeutsame Landesregelung: das Wasserentnahmeentgelt, das gegenwärtig auf landesrechtlicher Grundlage in 13 Bundesländern für die Entnahme von Grund- bzw. Oberflächenwasser erhoben wird.71 Zusammen mit der Abwasserabgabe des Bundes (dazu unten 4.c) sind die Wasserentnahmeentgelte umweltökonomisch motivierte Instrumente zur Anlastung von Ressourcenkosten.72 Das Bundesverfassungsgericht hat die Erhebung dieser Abgabe als verfassungsrechtlich zulässig angesehen, weil die Wasserentnahme eine besondere Teilhabe an einem Allgemeingut beinhaltet, deren Vorteil abschöpfungsfähig ist.73
Siehe dazu näher Degenhart (2010). Dazu näher Ginzky / Rechenberg (2006); siehe auch Gawel et al. (2011), S. 98 ff. 70 Grenzen ergeben sich zum einen aus den explizit in Art. 72 III Nr. 5 GG verankerten Restriktionen (anlagen- und stoffbezogene Regelungen), zum anderen aber auch aus allgemeinen Verfassungsgrundsätzen, wie insbesondere dem Grundsatz der Bundestreue; siehe aus der Literatur etwa Reinhardt (2010b), S. 459, 486 – 490. 71 Derzeit nicht erhoben wird ein Wasserentnahmeentgelt in Bayern, Hessen und in Thüringen. 72 Dazu näher Gawel et al. (2011). Kritisch zum Ökonomisierungsansatz: Reimer (2013), S. 445 ff. 73 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1995, in: BVerfGE 93, 319, 345 ff. – Wasserpfennig. Dazu ausführlich: Gawel et al. (2011), S. 53 ff. 68 69
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c) Öffentlich-rechtliche Bewirtschaftungsordnung Wie bereits erwähnt, ist durch das WHG eine öffentlich-rechtliche Bewirtschaftungsordnung etabliert worden, die prinzipiell jede Wassernutzung unter einen Erlaubnisvorbehalt stellt (§§ 8, 68 WHG) (siehe oben I.). Als Benutzung nennt das Gesetz u. a. das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, das Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern, das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer und das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser (§ 9 I Nrn. 1, 2, 4 und 5 WHG), also alle Vorgänge, die für die Siedlungswasserwirtschaft essentiell sind. Die Gestattung solcher Benutzungen liegt im Bewirtschaftungsermessen des Staates (§ 12 II WHG). Für die Ausübung seines Bewirtschaftungsermessens hat die zuständige Behörde die Bewirtschaftungsziele zu beachten, die das europäische Gewässerschutzrecht, insbesondere die Wasserrahmenrichtlinie, vorgibt (§ 12 i. V. m. § 3 Nr. 10 und §§ 27, 44, 47 WHG). Die Bewirtschaftung muss daher so erfolgen, dass ein guter Gewässerzustand innerhalb bestimmter Fristen erreicht werden kann (Verbesserungsgebot) 74 und darüber hinaus jedenfalls keine erhebliche Verschlechterung des bestehenden Zustandes erfolgt.75 Die Ausübung des Bewirtschaftungsermessens erfolgt üblicherweise durch die europarechtlich vorgeschriebene Bewirtschaftungsplanung und das Maßnahmenprogramm (§§ 82 f. WHG). Durch diese Pläne werden u. a. die Einzelentscheidungen auf der Gestattungsebene vorbereitet. Nur wenn ein Bewirtschaftungsproblem durch den nun europarechtlich vorgeschriebenen Bewirtschaftungsplan nicht adressiert worden ist, wird das Bewirtschaftungsermessen – wie bisher üblich – auf der Ebene der konkreten Einzelentscheidung ausgeübt.76
d) Erlaubnisformen, insbesondere die gehobene Erlaubnis Mit Blick auf die öffentliche Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung enthält das WHG grundlegende Regelungen, auf die sogleich noch ausführlicher einzugehen ist (siehe unten 4. und 5.). Von hoher Bedeutung für die Wasserver- und Abwasserentsorgung ist auf der instrumentellen Ebene auch das bundesrechtlich
74 Bei erheblich veränderten Wasserkörpern ist die Bewirtschaftung weniger anspruchsvoll; hier genügt es, die Bewirtschaftung so auszurichten, dass ein „gutes ökologisches Potenzial“ erreicht wird. 75 Über den Inhalt des Verschlechterungsverbotes wird in Deutschland mittlerweile sehr intensiv juristisch gestritten; siehe dazu näher: Köck (2009), S. 227 ff. m. w. N.; Faßbender (2013). Eine abschließende Klärung der Streitfragen durch Gerichte ist bisher noch nicht erfolgt; siehe aber OVG Hamburg, Urt. v. 18. 1. 2013, ZUR (2013), 357 und VG Cottbus, Urt. v. 23. 10. 2013, ZUR (2013), 374 ff.; dazu näher: Ginzky (2013). Durch einen zwischenzeitlichen Vorlagebeschluss des BVerwG an den Europäischen Gerichtshof (BVerwG, Beschl. v. 11. 7. 2013, Az. 7 A 20.11) ist sichergestellt, dass der EuGH in absehbarer Zeit zu den Streitfragen Stellung nehmen wird. 76 Vgl. Hasche (2005), S. 236 ff., 277 ff.; siehe auch Köck et al. (2011), S. 55 f.
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neu eingeführte Gestattungsinstitut der gehobenen Erlaubnis (§ 15 WHG). 77 Voraussetzung für die Erteilung einer gehobenen Erlaubnis ist ein öffentliches Interesse bzw. ein berechtigtes Interesse des Gewässerbenutzers. Ein öffentliches Interesse besteht insbesondere an Erlaubnissen für die öffentliche Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung.78 Die gehobene Erlaubnis schützt den Erlaubnisinhaber vor privatrechtlichen Abwehransprüchen Dritter. Das Verfahren der Erlaubniserteilung gibt Dritten die Gelegenheit, auf mögliche Verletzungen privater Rechte schon im Verwaltungsverfahren hinzuweisen (§ 15 II WHG).
4. Abwasserrecht a) Abwasserreinigung nach dem Stand der Technik Das WHG verlangt ergänzend zu den Bewirtschaftungsanforderungen und insbesondere auch zu den allgemeinen Anforderungen, die an die Erteilung von Benutzungs-Erlaubnissen zu stellen sind (§ 12 WHG), dass eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Direkteinleitung) nur erteilt werden darf, wenn die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist (§ 57 I Nr. 1 WHG), und wenn Abwasserbehandlungsanlagen errichtet und betrieben werden, um die Einhaltung dieser Anforderungen sicherzustellen (§ 57 I Nr. 3 WHG). Der „Stand der Technik“ wird in § 3 Nr. 11 WHG als „der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen […] insgesamt gesichert erscheinen lässt“ definiert. Im Anhang 1 zum WHG sind darüber hinaus Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik genannt, die helfen sollen zu ermitteln, was jeweils Stand der Technik ist. Mit der Bezugnahme auf den Stand der Technik und dessen Umsetzung in Emissionsgrenzwerten verfolgt das Abwasserrecht seit 1996 einen konsequenten Vorsorgeansatz,79 der zu den großen Errungenschaften des deutschen Wasserrechts zählt.80
77 Die gehobene Erlaubnis war bisher nur auf landeswasserrechtlicher Grundlage in Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen eingeführt. 78 Siehe näher dazu Guckelberger (2010b), S. 139, 155. 79 Siehe dazu das Sechste WHG-Änderungsgesetz v. 11. 11. 1996 (BGBl. I, S. 1690). Auch das Fünfte WHG-Änderungsgesetz aus dem Jahre 1986 enthielt schon entsprechende Ansätze, setzte den Stand der Technik aber noch nicht umfassend, sondern nur partiell als Maßstab ein. Dazu näher etwa Breuer (2004), Rn. 12. 80 Vgl. Köck (2012), S. 140, 143 f. Siehe auch Reinhardt (2006), S. 65 f.; Ruchay (1988), S. 499, 500 ff.
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b) Die Abwasserverordnung: Anforderungen an Direkt- und Indirekteinleiter Durch das WHG ist die Bundesregierung dazu ermächtigt worden, konkretisierte Anforderungen für das Einleiten von Abwasser festzulegen, die dem Stand der Technik entsprechen (§ 57 II i. V. m. § 23I Nr. 3 WHG).81 Dies hat die Bundesregierung in der Abwasserverordnung (AbwV) getan,82 die allgemeine Anforderungen (§ 3 AbwV) enthält, Analyse- und Messverfahren bestimmt (§ 4 AbwV und Anlage 1) und in ihren 57 Anhängen abwasserherkunftsbereichsbezogene konkrete Emissionsnormen festlegt.83 Zu den allgemeinen Anforderungen, die für alle Abwasserherkunftsbereiche gelten, soweit in den spezifischen Anhängen nichts anderes bestimmt ist, gehört u. a. die Verpflichtung, dass die Anforderungen nicht durch Verfahren erreicht werden dürfen, bei denen es entgegen dem Stand der Technik zu Umweltbelastungsverlagerungen in andere Umweltmedien kommt (§ 3II AbwV), und dass als Konzentrationswerte festgelegte Anforderungen nicht entgegen dem Stand der Technik durch Verdünnung erreicht werden dürfen (§ 3III AbwV). § 3V AbwV verlangt zudem, dass bei Abwässern, für die Anforderungen für den Ort des Anfalls festgelegt worden sind, eine Vermischung der Abwasserströme erst dann zulässig ist, wenn diese Anforderungen erfüllt sind. Ob solche Anforderungen bestehen, ergibt sich aus den abwasserherkunftsbezogenen Vorschriften in den Anhängen zur Abwasserverordnung. Soweit Abwässer in öffentliche Abwasseranlagen eingeleitet werden sollen und herkunftsbereichsbezogene Anforderungen schon für den Ort des Anfalls des Abwassers oder vor seiner Vermischung mit anderen Abwässern im jeweiligen Anhang festgelegt worden sind,84 ist zudem die Einholung einer vorherigen sog. Indirekteinleiter-Genehmigung vorgeschrieben, die dafür sorgen soll, dass eine präventive Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben stattfindet (§ 58 I 1 WHG). 85 Durch Dazu näher Reinhardt (2006). Verordnung über die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer, in der Fassung der Bekanntmachung v. 17. 6. 2004 (BGBl. I, S. 1108, ber. S. 2625), zuletzt geändert durch Art. 6 der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen v. 2. 5. 2013 (BGBl. I, S. 973). 83 Die Anhänge reichen vom Herkunftsbereich der häuslichen und kommunalen Abwässer (Anhang 1) bis hin zu sehr unterschiedlichen industriellen Herkunftsbereichen, wie etwa Braunkohle-Brikettfabrikation (Anhang 2), Milchverarbeitung (Anhang 3), Fischverarbeitung (Anhang 7) oder Brauereien (Anhang 11). 84 Beispielhaft sei hier auf den Anhang 13 (Holzfaserplatten), den Anhang 18 (Zuckerherstellung), den Anhang 19 (Zellstofferzeugung) oder den Anhang 20 (Verarbeitung tierischer Nebenprodukte) verwiesen. 85 Im alten Wasserhaushaltsgesetz, das auf Rahmenrecht beruhte, wurde den Ländern die Regulierung von Abwassereinleitungen in öffentliche Abwasseranlagen überantwortet (§ 7 aIV WHG a. f.). In den meisten Bundesländern bestanden auch bisher schon Genehmigungspflichten für die Einleitung von Abwasser in öffentliche Abwasserbehandlungsanlagen und in NRW ebenso für die Einleitung von Abwasser in private Abwasserbehandlungsanlagen. Auch heute existieren in den meisten Bundesländern die Regelungen für Indirekteinleiter fort – entweder 81 82
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Rechtsverordnung kann festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen auf eine Genehmigung verzichtet und ein bloßes Anzeigeverfahren durchgeführt werden darf (§ 58 I 2 WHG). Auf der Bundesebene ist von dieser Ermächtigung bislang kein Gebrauch gemacht worden, so dass gem. § 23II WHG die Länder zu entsprechenden Regelungen ermächtigt sind. Die Länder haben allerdings auf der Basis der alten länderseitigen Indirekteinleiterverordnungen bzw. auf gesetzlicher Grundlage teilweise andere Regelungsansätze entwickelt, wie etwa Sachsen, das mit einer Genehmigungsfiktion arbeitet und die Indirekteinleitergenehmigung unter bestimmten Voraussetzungen als erteilt ansieht (§ 53 SächsWG). Neben den Indirekteinleiteranforderungen, die helfen sollen, dass problematische Abwässer,86 die in die öffentliche Kanalisation geleitet werden, in bestimmter Weise vorbehandelt sind, ist für die Siedlungswasserwirtschaft der Anhang 1 der AbwV von besonderer Bedeutung. Anhang 1 regelt die Anforderungen für häusliches und kommunales Abwasser und legt – differenziert nach fünf Größenklassen kommunaler Kläranlagen – konkrete Emissionsgrenzwerte für den chemischen Sauerstoffbedarf (CSB), den biochemischen Sauerstoffbedarf in fünf Tagen (BSB5), Ammoniumstickstoff (NH4-N), Stickstoffgesamt (Nges) sowie Phosphor-gesamt (Pges) an der Einleitungsstelle in das Gewässer fest, wobei für Kläranlagen der Größenklassen 1 – 2 lediglich für die Parameter CSB und BSB5 und für Anlagen der Größenklasse 3 darüber hinaus auch Grenzwerte für NH4-N festgelegt worden sind.
c) Die Abwasserabgabe Jenseits der skizzierten ordnungsrechtlichen Anforderungen wird seit mehr als 30 Jahren auch eine bundesweit einheitliche Abwasserabgabe gemäß dem Abwasserabgabengesetz (AbwAG)87 erhoben. Die Abwasserabgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers (§ 3 I AbwAG), die auf der Grundlage bestimmter Schadparameter88 beurteilt wird, und ihre konkrete Höhe wird grundsätzlich auf der Basis der Einleitungsgenehmigung („Bescheidlösung“) bestimmt (§ 4 I AbwAG), soweit nicht von den Möglichkeiten der sog. „Heraberklärung“ (§ 4 V AbwAG) Gebrauch gemacht worden ist. Letzteres ist allerdings mit hohen Risiken
in speziellen Indirekteinleiterverordnungen (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen), in Landeswasser- bzw. Abwassergesetzen (Bayern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, SchleswigHolstein, Hamburg) oder in Ortsentwässerungsgesetzen (Bremen). 86 Siehe näher zu den inhaltlichen Gründen der Anforderungen an Indirekteinleiter: Nisipeanu (2004), S. 169 ff. 87 Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz – AbwAG), in der Fassung der Bekanntmachung v. 18. 1. 2005 (BGBl. I, S. 114). 88 § 3 AbwAG nennt oxidierbare Stoffe, Phosphor, Stickstoff, organische Halogenverbindungen, bestimmte Metalle (Quecksilber, Cadmium, Chrom, Nickel, Blei, Kupfer) und die Giftigkeit gegenüber Fischeiern.
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verbunden, weil die Nichteinhaltung des heraberklärten Wertes Sanktionen zur Folge hat.89 Die Abwasserabgabe ist ein im Ansatz umweltökonomisch motiviertes Instrument zur verursachergerechten Anlastung der volkswirtschaftlichen Kosten der Abwassereinleitung. Ihr liegt das Konzept der „Demeritorisierung“, also eine Kostenanlastung im Interesse einer allgemeinen Mindernutzung ohne definiertes Punktziel, zugrunde, und sie wird erhoben für die Restverschmutzung, die trotz Einhaltung der ordnungsrechtlich festgelegten Reinigungsstandards noch verbleibt.90 Die Abwasserabgabe verfolgt neben ihrem grundlegenden Ziel der Demeritorisierung aber auch andere Zwecke. Viele Jahre lang stand die Unterstützung des ordnungsrechtlichen Vollzugs im Vordergrund,91 denn der abgabepflichtige Direkteinleiter kann seine Abgabelast halbieren, wenn er die ordnungsrechtlichen Anforderungen einhält, also eine Abwasserreinigung nach dem Stand der Technik vornimmt (§ 9 V AbwAG). Diese besondere Lenkungsfunktion ist zwischenzeitlich infolge vielfältiger Investitionen in die Abwasserreinigung immer weiter in den Hintergrund gerückt, so dass teilweise mittlerweile die Abschaffung der Abgabe wegen behaupteter Zielerreichung gefordert wird.92 Solche Forderungen verkennen allerdings die grundsätzliche Konzeption der Abwasserabgabe. Gegenwärtig wird intensiv über eine Novellierung der Abwasserabgabe diskutiert.93 Ein kürzlich erschienener Forschungsbericht im Auftrag des UBA liefert dafür wichtige Grundlagen und spricht sich für eine Stärkung der Lenkungsfunktion aus.94
d) Die Klärschlammverordnung In einem engen Zusammenhang mit abwasserrechtlichen Vorgaben stehen die Anforderungen der Klärschlammverordnung (AbfKlärV),95 die sich allerdings auf eine abfallrechtliche Grundlage stützen. Die Klärschlammverordnung enthält u. a. Vorgaben für die Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen, die Klärschlamm zum Aufbringen auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden abgeben oder abgeben wollen (§ 1 I Nr. 1 AbfKlärV). Da Klärschlamm regelmäßig Stickstoff bzw. Phosphor enthält, ist er eine grundsätzlich nutzbare Ressource. Allerdings sind die Stickstoffeinträge vielerorts in Deutschland bereits so hoch, dass die Klärschlammaufbringung für die Landwirtschaft kaum noch attraktiv ist.96 Eine Abgabe an die Land- und Gartenwirtschaft kommt überdies nur dann in Betracht, wenn der
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Dazu näher Nisipeanu (1997), S. 177 ff. Vgl. Gawel et al. (2014a). Siehe dazu auch Breuer (2004), Rn. 23. Vgl. etwa Nisipeanu (2006). Vgl. z. B. Palm et al. (2013). Vgl. Gawel et al. (2014b). Klärschlammverordnung (AbfKlärV) v. 15. 4. 1992, zuletzt geändert am 24. 2. 2012.
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Klärschlamm nicht mit gefährlichen Stoffen in schutzgutrelevanten Mengen kontaminiert ist. Um sicherzustellen, dass keine unangemessenen Risiken entstehen, legt die AbfKlärV Grenzwerte für bestimmte Schwermetalle und andere Schadstoffe fest (§ 4 VIII-XII AbfKlärV) und schreibt vor, dass Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen den Klärschlamm nur dann an die Land- und Gartenwirtschaft abgeben dürfen, wenn er zuvor auf das Vorhandensein bestimmter Schwermetalle (Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink) durch eine von der zuständigen Behörde bestimmten Stelle untersucht worden ist (§ 3 II AbfKlärV). Darüber hinaus hat der Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen auch Untersuchungen mit Blick auf andere Stoffe, wie AOX oder polychlorierte Biphenyle sowie polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane, durchzuführen (§ 3 III – VII AbfKlärV) und den Anfall, die Untersuchungsergebnisse sowie den Verbleib von Klärschlämmen zu dokumentieren (§ 7 VII AbfKlärV).
5. Recht der öffentlichen Wasserversorgung; Trinkwasserrecht Wasserversorgung hat unterschiedliche Dimensionen – je nachdem, ob es um die öffentliche (Trink-)Wasserversorgung oder um sonstige Wasserversorgung geht. Zur sonstigen Wasserversorgung gehört die Eigenversorgung der Industrie, etwa durch Wasserentnahmen zu Kühlwasserzwecken, die die quantitativ bedeutsamste Wassernutzung in Deutschland ist,97 oder die Eigenversorgung der Landwirtschaft zu Bewässerungszwecken, die allerdings in Deutschland von eher untergeordneter Bedeutung ist.98 Die Eigenversorgung durch die Industrie, insbesondere den Kraftwerksbetrieb, wird durch das (materiellrechtlich europäisch überformte) Erlaubnissystem des WHG und durch das landesrechtlich etablierte ökonomische Instrument des Wasserentnahmeentgelts gesteuert sowie ggf. durch Bewirtschaftungspläne vorbereitet [siehe oben 3.c)]. Zum Recht der öffentlichen Wasserversorgung gehören die Vorschriften der §§ 50 ff. WHG, das einschlägige Landesrecht, insbesondere das Organisations- und Gebührenrecht [siehe oben 2.b)] sowie die spezifischen Vorschriften für das Trinkwasser, die in der Trinkwasserverordnung zusammengefasst sind [siehe unten 5.b)]. Da die öffentliche Wasserversorgung in Deutschland zu über 70 Prozent aus dem Grund- und Quellwasser erfolgt,99 sollen im Folgenden zunächst der Rechtsrahmen und die Instrumente des Grundwasserschutzes erläutert werden [siehe sogleich unter a)]. 96 Das UBA spricht davon, dass Klärschlämme heute zumeist thermisch verwertet werden, nicht aber stofflich; vgl. UBA (2010), S. 90. 97 Vgl. UBA (2010), S. 16. 98 Vgl. UBA (2010), S. 75. 99 UBA (2010), S. 75.
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a) Die Sicherung der Trinkwasserressourcen: Grundwasserschutzrecht und Ausweisung von Wasserschutzgebieten Wichtigster materieller Rechtsmaßstab für den Schutz des Grundwassers ist der Besorgnisgrundsatz des § 48 WHG, der vorschreibt, dass eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser nur erteilt werden darf, wenn eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung nicht zu besorgen ist. Durch die negative Gesetzesfassung („nicht zu besorgen ist“) hat der Gesetzgeber einen sehr strengen Zulassungsmaßstab verankert. Schon bei Zweifeln darüber, ob eine nachteilige Veränderung herbeigeführt werden kann, darf eine Erlaubnis nicht erteilt werden.100 Auch für die Lagerung und Ablagerung von Stoffen sowie die Beförderung von Flüssigkeiten und Gasen durch Rohrleitungen gilt dieser Maßstab (§ 48II WHG). Über die Tatbestände des § 48 WHG hinaus wird der Besorgnisgrundsatz von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur als materielle Grundentscheidung verstanden, die bei jeder Verwaltungsentscheidung mit Grundwasserbezug zu beachten ist.101 Er ist in seiner Anwendung insbesondere nicht auf den Schutz des Trinkwassers beschränkt.102 Die wasserrechtliche Anwendung des Besorgnisgrundsatzes vollzieht sich im Rahmen der vorhandenen Zulassungs-, Eingriffs- und Planungsinstrumente, die für die Erteilung von Erlaubnissen bzw. Bewilligungen von Gewässerbenutzungen (§§ 8, 10 ff., 15 WHG) und für die Planfeststellung bzw. Plangenehmigung von Gewässerausbauten (§ 67 WHG) vom Gesetzgeber geschaffen worden sind. Für die Verhinderung bzw. Minimierung der diffusen Einträge aus der Landwirtschaft, die ganz wesentlich zur Belastung des Grundwassers beitragen,103 taugt § 48 WHG allerdings nicht, weil das fachgerechte („gute fachliche Praxis“) Aufbringen von Düngemitteln und Pestiziden auf landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht als erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung qualifiziert wird104 und § 48 WHG insoweit nicht anwendbar ist. Auch die Grundwasserverordnung (GrwV) vom 9. 11. 2010,105 die die europäische Grundwasser-Richtlinie (Tochter-Richtlinie der WRRL) umsetzt (siehe oben 100 Siehe aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts etwa die Urteile v. 10. 12. 1978, BVerwGE 55, S. 220 – 232 und Urt. v. 12. 9. 1980, Zeitschrift für Wasserrecht 1981, 87 – 90. 101 Siehe vorhergehende Fußnote. Siehe aus der Literatur etwa Delfs (2004). 102 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 24. 8. 1989, NVwZ 9 (1990), Heft 5, 474 f. 103 Der Bericht des BMU zu den Ergebnissen der Bewirtschaftungsplanung 2009 hat den Befund erbracht, dass die Zielverfehlung für das Erreichen des guten chemischen Grundwasserzustandes ganz wesentlich auf die Nitratbelastung durch die Landwirtschaft zurückzuführen ist; vgl. BMU (2010a), S. 36. 104 Vgl. Czychowski / Reinhardt (2014), zu § 9 Rn. 89; Köck (2012), S. 140, 148. 105 Verordnung zum Schutz des Grundwassers (Grundwasserverordnung – GrwV), BGBl. I, S. 1513.
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II.1.), hilft diesbezüglich nicht weiter: zwar bestimmt § 13 II GrwV, dass zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele für eine Reihe von Schadstoffen Maßnahmen zur Begrenzung festzulegen sind, u. a. auch für Nitrat (Anlage 8 zur GrwV). Allerdings sind „Einträge“ nur solche Vorgänge, die als Gewässerbenutzung im Sinne von § 9 I Nr. 4 und II Nr. 2 WHG anzusehen sind, so dass im Ergebnis auch hier die gute fachliche Praxis den Bezugspunkt dafür bildet, ob eine Benutzung im wasserrechtlichen Sinne vorliegt.106 Die GrwV enthält Schwellenwerte für eine Reihe von Schadstoffen (Anlage 2), die als Grundlage der Beurteilung des Grundwasserzustandes dienen und den Ausgangspunkt für Managementmaßnahmen im Rahmen der Gewässerbewirtschaftung gem. der WRRL bilden.107 Darüber hinaus enthält die GrwV eine Liste gefährlicher Stoffe (Anlage 7), für die im Bewirtschaftungsplan zwingend Maßnahmen festzulegen sind (§ 13 I GrwV). Überdies dürfen Einträge der Anlage-7-Stoffe nicht zugelassen werden (§ 13 II 2 und 3 GrwV). Dem Schutz des Wassers, insbesondere auch des Grundwassers, dienen darüber hinaus spezifische Anforderungen des Düngemittel- und des Pestizidrechts, 108 auf die hier aus Raumgründen nicht näher eingegangen werden kann.109 Erwähnt werden soll an dieser Stelle lediglich, dass es einzig mit Blick auf den Nitrateintrag durch die Landwirtschaft in Erfüllung der Vorgaben aus der europäischen Nitrat-Richtlinie – konkrete Grenzwertsetzungen gibt: 170 kg / ha bei Ackerland, 230 kg / ha bei Grünland), die allerdings nur als Betriebsdurchschnitt ausgestaltet sind. Außerdem werden die Landwirte verpflichtet, jährlich einen betrieblichen Nährstoffvergleich für Stickstoff und für Phosphat in Form einer Flächenbilanz bzw. einer aggregierten Schlagbilanz zu erstellen mit dem Ziel, den betrieblichen Stickstoffüberschuss bis 2011 auf 60 kg / ha im Jahr zu begrenzen (§ 5 DüV).110 Gelungen ist das bisher nicht. Als wichtigstes Instrument des Grundwasserschutzes steht den Landesregierungen die Möglichkeit zur Verfügung, durch Rechtsverordnungen Wasserschutzgebiete auszuweisen, u. a. „um Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder 106 Kritisch dazu Laskowski (2010b), S. 449 f., die die Auffassung vertritt, dass der deutsche Verordnungsgeber damit den Maßstab der europäischen Grundwasser-Richtlinie verfehlt hat. 107 Gemeint ist die Beurteilung der chemischen Qualität; zur Beurteilung des mengenmäßigen Zustandes bestimmt § 4 II Nr. 1 GrwV, dass der mengenmäßige Grundwasserzustand gut ist, wenn die Entwicklung der Grundwasserstände zeigt, dass die langfristige mittlere jährliche Grundwasserentnahme das nutzbare Grundwasserdargebot nicht übersteigt. 108 Wichtige Rechtsakte sind das Düngemittelgesetz und die Düngemittelverordnung sowie das Pflanzenschutzgesetz und die Pflanzenschutzmittelanwendungsverordnung. Das Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelrecht sind wegen ihres Stoff- / Produkt- und Binnenmarktbezugs in hohem Maße europäisiert; auch das hierauf bezogene Anwendungsrecht wird mittlerweile schon deutlich durch europarechtliche Steuerungen beeinflusst. 109 Siehe zu diesem Themenbereich ausführlich Gawel et al. (2011), S. 226 – 232. 110 Vgl. Gawel et al. (2011), S. 228.
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künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen“, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert (§ 51 I Nr. 1 WHG). Von dieser Ermächtigung ist vielfach Gebrauch gemacht worden. Bei den Erhebungen zur Bestandsaufnahme gem. Art. 5 WRRL im Jahre 2005 ist ermittelt worden, dass über 13.000 Wasserschutzgebiete in Deutschland ausgewiesen sind, die eine Gesamtfläche von über 43.000 km2 einnehmen. Dies entspricht ca. 12 Prozent der Landesfläche Deutschlands.111 § 51 II WHG bestimmt, dass Trinkwasserschutzgebiete nach Maßgabe der allgemein anerkannten Regeln der Technik in Zonen mit unterschiedlichen Schutzbestimmungen unterteilt werden. „Durch die Bezugnahme auf die allgemeinen Regeln der Technik werden die Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete des deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW-Richtlinien) beachtlich. Die Unterteilung in differenzierte Schutzzonen entspricht der bisherigen Länderpraxis“. 112 Üblicherweise werden drei unterschiedliche Schutzzonen (am Beispiel Sachsen: weitere Schutzzone, engere Schutzzone, Fassungszone)113 ausgewiesen, für die unterschiedliche Schutzbestimmungen gelten. In Wasserschutzgebietsverordnungen dürfen, soweit der Schutzzweck dies erfordert, u. a. „bestimmte Handlungen verboten oder für nur eingeschränkt zulässig erklärt werden“ (§ 51 I Nr. 1 WHG). Regelmäßig werden in Verordnungen zum Schutz von Trinkwasserreservoiren Verbote bzw. Beschränkungen mit Blick auf Düngung und Pestizidanwendung der Landwirtschaft erklärt. Soweit dabei allerdings gemessen am Maßstab der ordnungsgemäßen land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung erhöhte Anforderungen verlangt werden, ist für die dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteile ein angemessener Ausgleich zu leisten (§ 51 V WHG). Die landesrechtliche Erhebung von Wasserentnahmeentgelten (sog. „Wasserpfennig“), die u. a. auch von den öffentlichen Wasserversorgern zu zahlen ist, ist wesentlich damit begründet worden, dass auf diese Weise eine Geldquelle für Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft geschaffen wird.114 Vermittelt über das staatliche System von Abschöpfung und Ausgleich zahlen somit die Wasserversorger dafür, dass die Landwirte das Grundwasser nicht verschmutzen. Die Durchbrechung des umweltrechtlichen Verursacherprinzips wird damit gerechtfertigt, dass den Landwirten im Hinblick auf die Bodenbearbeitung nicht mehr als eine ordnungsgemäße bzw. „gute fachliche Praxis“ zugemutet werden kann. Vielfach ist landesrechtlich auch ein direktes Ausgleichsverhältnis geregelt worden. So bestimmt beispielsweise § 48 VII SächsWassG, dass der Ausgleich von dem durch die Festsetzung des Wasserschutzgebietes Begünstigten zu leisten ist.
111 112 113 114
Vgl. UBA (2010), S. 76 f. Vgl. Laskowski / Ziehm (2014), § 5 Rn. 98. § 48 III SächsWassG. Vgl. Breuer (2004), Rn. 900 ff., siehe dazu auch Köck (2012), S. 140, 148.
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b) Die Trinkwasserverordnung Die Trinkwasser-Verordnung (TrinkwV) legt Anforderungen an die Beschaffenheit des Trinkwassers, die Aufbereitung des Wassers und die Beschaffenheit von Wasserversorgungsanlagen fest. Darüber hinaus statuiert sie Pflichten für Inhaber von Wasserversorgungsanlagen (z. B. Anzeige- und Untersuchungspflichten) und regelt Pflichten und Befugnisse für die behördliche Überwachung. Die TrinkwV ist erstmals 1975 auf der Grundlage des Bundes-Seuchengesetzes erlassen worden.115 Diese erste Verordnung beruhte noch auf dem Konzept der hygienischen und polizeilichen Gefahrenabwehr und Seuchenbekämpfung.116 Sie verlangte, dass das Trinkwasser keimfrei sein muss und setzte für elf verschiedene Schadstoffe Grenzwerte fest, u. a. für Arsen, Blei, Nitrate und Quecksilber. 117 Das Sicherheitskonzept und die Pflichten änderten sich grundlegend durch zwei europäische Richtlinien aus den Jahren 1980 und 1998 (siehe oben II. 2. c), die durch die Neufassung der Trinkwasserverordnung in den Jahren 1986118 bzw. 1990119 und 2001120 in das nationale Recht transformiert worden sind. Die jüngste Rechtsentwicklung ist die Änderungsverordnung vom 5. 12. 2012,121 die auf mögliche Gesundheitsgefährdungen durch Legionellen reagiert und hierauf bezogene spezifische Untersuchungs- und Überwachungspflichten regelt.122 Die Trinkwasserverordnung enthält allgemeine Anforderungen, mikrobiologische Anforderungen, chemische Anforderungen und Anforderungen mit Blick auf ausgewählte Indikatorparameter (§§ 4 – 7 TrinkwV i. V. m. Anlagen 1 – 3), die sicherstellen sollen, dass die Gesundheit bei lebenslanger Aufnahme nicht beeinträchtigt und zudem auch sonstigen (ästhetischen) Ansprüchen an das Trinkwasser genügt wird. Zu den allgemeinen Anforderungen gehört, dass bei der Wasseraufbereitung und -verteilung unabhängig von den konkreten Grenzwertanforderungen mindestens die Vorgaben der allgemeinen Regeln der Technik eingehalten werden müssen. Damit sind deutsche Techniknormen, wie etwa DIN-Normen oder Normen des DVGW und des VDI, aber auch europäische (CEN) und internationale Techniknormen (ISO) einbezogen, deren Beachtung auch vorsorgende Effekte hat, weil sie vielfach dafür sorgen, dass Grenzwerte weit unterschritten werden.
115 Vgl. die Verordnung über Trinkwasser und über Brauchwasser für Lebensmittelbetriebe (Trinkwasser-Verordnung) v. 31. 1. 1975, BGBl. I, S. 453. 116 Vgl. Breuer (2003b), Rn. 16. 117 Siehe die Anlage 1 der TrinkwV 1975. Der Grenzwert für Nitrate betrug damals 90 mg / l. 118 Trinkwasserverordnung v. 22. 5. 1986, BGBl. I, S. 760. 119 Neubekanntmachung der Trinkwasserverordnung am 5. 12. 1990, BGBl. I, S. 2612. 120 Siehe die Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserwasserverordnung – TrinkwV) v. 21. 5. 2001, BGBl. I, S. 959. 121 BGBl. I, S. 2562. 122 AVBWasserV v. 20. 6. 1980.
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Gegenüber der ursprünglichen Trinkwasserverordnung aus dem Jahre 1975 sind eine Reihe weiterer Schadstoffparameter und Grenzwerte festgelegt bzw. verschärft worden. Die Anlagen zur TrinkwV enthalten nun neben den mikrobiologischen Anforderungen der Keimfreiheit insgesamt 27 chemische Parameter und elf sog. Indikatorparameter mit spezifischen Grenzwerten. U.a. ist der Grenzwert für Nitrat von einstmals 90 mg / l auf mittlerweile 50 mg / l gesenkt worden. Ebenfalls von großer praktischer Bedeutung sind die europarechtlich veranlassten Grenzwertfestlegungen für Pestizide, insbesondere der Summengrenzwert für alle Arten von Pestiziden, der 0,00050 mg / l beträgt. Sowohl die Einhaltung des Nitratwertes als auch die Einhaltung der Pestizidwerte haben die öffentliche Wasserversorgung über viele Jahre vor erhebliche Probleme gestellt.123 Mittlerweile aber sind Grenzwertüberschreitungen im Trinkwasser äußerst selten geworden,124 so dass die Trinkwasserqualität in Deutschland insgesamt als hervorragend beurteilt wird. Dieser positive Befund liegt allerdings nur teilweise in der Verbesserung der Ressourcensituation (Grundwasserschutz). Insbesondere mit Blick auf Nitrat sind vielerorts weiterhin Aufbereitungstechniken notwendig.125 Für die Aufbereitung des Trinkwassers dürfen nur solche Stoffe verwendet werden, die in einer Positivliste des Bundesministeriums für Gesundheit enthalten sind (§ 11 TrinkwV). Die Nichteinhaltung der Vorgaben der §§ 5 – 7 TrinkwV führt nicht ausnahmslos dazu, dass die Wasserversorgung einstweilen einzustellen ist. Vielmehr entscheidet die zuständige Gesundheitsbehörde auf der Grundlage differenzierter Vorgaben der §§ 9 und 10 TrinkwV darüber, ob und ggf. unter welchen Auflagen die Wasserversorgung aufrechterhalten werden kann und in welcher Frist den Defiziten abzuhelfen ist. Die Behörde darf auch abweichende Grenzwerte für bestimmte Zeiträume festlegen, allerdings nur mit Blick auf chemische Parameter und nicht für die mikrobiologischen Parameter, weil bei Keimen stets von Gesundheitsgefährdungen auszugehen ist. Der Abweichungszeitraum soll so kurz wie möglich bestimmt werden und darf die Dauer von drei Jahren nicht überschreiten, allerdings sind Verlängerungen möglich (§ 10 III und V TrinkwV). Oberste Entscheidungsmaxime bei allen Verstößen gegen die Normalanforderungen ist stets der Gesundheitsschutz, wobei allerdings auch die gesundheitlichen Wirkungen einer Unterbrechung der Wasserversorgung mit zu berücksichtigen sind, wenn andere zumutbare Wege der Wasserversorgung nicht verfügbar sind (§ 9I 2 TrinkwV). Die Praxis der Abweichungsentscheidungen zeigt, dass hierbei in einigen Bundesländern (insbesondere in Bayern) immer noch Pflanzenschutzmittel, z. B. das Vgl. Breuer (2003b), Rn. 3 ff. Siehe den Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes über die Trinkwasserqualität in Deutschland in den Jahren 2008 – 2010 (BMG / UBA 2011): von den 15.589 Kontrollmessungen im gesamten Wasserversorgungsbereich ergaben nur 15 Messungen eine Überschreitung der Grenzwerte; ähnlich war der Befund bei den Pestiziden insgesamt: 4.920 Kontrollmessungen und 17 Überschreitungen (siehe die Tabelle 5 auf S. 18 des Berichts). 125 Vgl. dazu auch die Zusammenfassung des Berichts BMG / UBA (2011), S. 2. 123 124
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seit langem verbotene – aber wegen seiner Persistenz immer noch nachweisbare – Atrazin bzw. seine Abbauprodukte, eine Rolle spielen.126 Für den Berichtszeitraum 2008 – 2010 weist der nationale Trinkwasserqualitätsbericht mit Blick auf die großen Wasserversorgungsanlagen (≥ 1000 m3 pro Tag) 37 Abweichungsentscheidungen für chemische Grenzwerte aus, deren Beginn schon aus der Berichtsperiode 2005 – 2007 stammt; 32 dieser alten Abweichungsentscheidungen betreffen die Länder Baden-Württemberg127 und Bayern. Für die aktuelle Berichtsphase (2008 – 2010) kommen 16 weitere Abweichungsentscheidungen hinzu, die sich im Wesentlichen auf Schleswig-Holstein konzentrieren.128 Die Stoffpalette reicht von den schon erwähnten Pflanzenschutzmitteln bis hin zu Giften (Arsen) und Metallen (Kupfer, Nickel). Die Wasserversorgungsunternehmen haben Wasser in der vorgeschriebenen Trinkwasserqualität bis zur Hausanschlussleitung zu liefern. Dies wird durch die §§ 4 und 5 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser bestätigt. Mit Beginn der Hausanschlussleitung wechselt die Verantwortlichkeit. Insbesondere bei Mehrfamilienhäusern mit Wasserversorgungsanlagen und eigenen Hausleitungen ergeben sich jedenfalls für nicht selbst durch die Eigentümer genutzte Häuser demgemäß Pflichten, dafür Sorge zu tragen, dass die vorgeschriebene Wasserqualität auch beim Endabnehmer, dem Wohnungsmieter, ankommt. Praktische Probleme erwuchsen in diesem Zusammenhang lange Zeit aus der Installation von Bleileitungen in Altbauten; der Verordnungsgeber hat darauf reagiert, indem er für Blei einen Übergangsgrenzwert bis zum 31. 12. 2013 festgelegt hat (§ 6 II 2 TrinkwV); erst dann muss der strengere Grenzwert der Anlage 2, Teil II, eingehalten sein. Kupferleitungen bereiten auch heute noch in vereinzelten Fällen Probleme. Für die Legionellenproblematik, die in jüngster Zeit Aufmerksamkeit erlangt und den Verordnungsgeber zu Regelungen veranlasst hat, ergeben sich Untersuchungs- und Überwachungspflichten für Hauseigentümer mit Wasserversorgungsanlagen, wenn das Eigentum nicht selbst genutzt wird.
IV. Fazit und Ausblick Das Recht der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung ist eingebunden in ein integriertes Wasserressourcenmanagement auf der Ebene von Flusseinzugsgebieten und bildet insoweit einen wichtigen Teilsektor der Wasserwirtschaft. Sowohl das Wasserressourcenmanagement im Ganzen wie auch die
BMG / UBA (2011), S. 60 f. Baden-Württemberg hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern N, N-Dimethylsulfamid (DMS) als relevanten Metaboliten eingestuft. Die häufige Nennung von Baden-Württemberg bei den Abweichungsentscheidungen lässt daher nicht den Schluss auf eine besondere Problemlage zu; siehe dazu auch BMG / UBA (2011), S. 61. 128 BMG / UBA (2011), Tabellen 8 a und 8 b. 126 127
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Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung im Besonderen sind in hohem Maße durch europarechtliche Vorgaben geprägt. Gleichwohl weist das nationale Recht noch eine Reihe von Eigenarten auf. Dazu gehört in organisatorischer Hinsicht die Einbindung in die kommunale Daseinsvorsorge und die wesentlich kommunale bzw. zweckverbandliche Struktur der Siedlungswasserwirtschaft. Besonderheiten finden sich auch in der konsequenten Orientierung am Stand der Technik bei Direkteinleitungen und in der Steuerung der Indirekteinleitungen sowie insbesondere im abwasserherkunftsbereichsbezogenen Ansatz der Konkretisierung von Emissionsnormen. Auch das neben die herkömmlichen Gebühren gestellte Abgabensystem der Abwasserabgabe und des (landesrechtlichen) Wasserentnahmeentgelts ist bemerkenswert. Die Qualität der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung ist in Deutschland sehr hoch, bei insgesamt moderaten Preisen. Zukunftsherausforderungen dürften insbesondere in der Bewältigung des demografischen Wandels (Stichwort: mehr Dezentralisierung), aber auch des Klimawandels (Extremwetterereignisse und Einflüsse auf die Abwasserbeseitigung, insbesondere die Regenwasserbeseitigung) liegen. Zudem sind die Infrastrukturen alt und damit in hohem Maße erneuerungsbedürftig. Ob die gegenwärtige Debatte um neue Kontaminanten (Mikroverunreinigungen) im Abwasser, wie insbesondere Arzneimittel,129 dazu führen wird, neue Abwasserreinigungstechniken verpflichtend vorzuschreiben (Stichwort: vierte Reinigungsstufe), lässt sich gegenwärtig noch nicht absehen. Zwar existieren technische Reinigungsverfahren, deren praktische Eignung gegeben ist, aber ob es sich dabei gemäß einer Kosten-Nutzen-Betrachtung um „vernünftige“ technische Lösungen im Sinne des Stand-der Technik-Ansatzes handelt,130 wird gegenwärtig noch kontrovers diskutiert. Allerdings verpflichtet eine Tochter-Richtlinie der WRRL, die Richtlinie 2013 / 39 / EU zur Änderung der sog. „Prioritäre Stoffe-RL“ (2008 / 105 / EG), die am 12. 8. 2013 verabschiedet worden ist, die Europäische Kommission dazu, möglichst bis zum 13. 9. 2015 einen strategischen Ansatz gegen die Verschmutzung von Gewässern durch pharmazeutische Stoffe zu entwickeln und bis zum 14. 9. 2017 Maßnahmen vorzuschlagen (Art. 8c).131 Aus dieser Verpflichtung könnten sich möglicherweise auch europäische Vorschläge für eine Novellierung der Richtlinie über kommunale Abwässer ergeben. Auch die Zukunft der Wassernutzungsabgaben ist gegenwärtig noch ungewiss; Art. 9 WRRL wird nach dem Urteil des EuGH vom 11. 9. 2014132 vermutlich nicht der Treiber für eine Reform des Wassernutzungsabgabenrechts sein; gleichwohl erscheint es sinnvoll, über eine Reform der Abwasserabgabe nachzudenken und auch das Wasserentnahmeentgelt bundesrechtlich zu verankern. Eine stetige Herausfor-
129 130 131 132
Dazu grundlegend: Kern (2010); dies. (2011), S. 9 ff. Dazu schon Feldhaus (1981). Vgl. dazu näher Kern (2014). Rs. C-525 / 12, Rn. 47 ff.
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derung wird auch der Aspekt der Ressourcennutzung bei der Abwasserbeseitigung sein. Der Umgang mit Klärschlamm, aber auch sonstige energetische Nutzungen seien hier erwähnt. Literatur BDEW (2010): Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Vergleich europäischer Wasser- und Abwasserpreise, online verfügbar unter: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/ DE_VEWA-Studie_Kurzfassung_Vergleich_Europaeischer_Wasser-_und_Abwasserpreise/ $file/_12_seiter_vewa_studie_bdew_DEUTSCH_V1.pdf, abgerufen am 12. 05. 2015. BMG / UBA (2011): Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes an die Verbraucher und Verbraucherinnen über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) in Deutschland (2008 – 2010), Bonn / Dessau-Roßlau. BMU (2010a): Die Wasserrahmenrichtlinie – auf dem Weg zu guten Gewässern, Berlin. BMU (Hrsg.) (2010b): Wasserwirtschaft in Deutschland, Teil 1: Grundlagen, Berlin. Breuer, R. (1995): Gewässerschutz in Europa – Eine kritische Zwischenbilanz, in: Wasser & Boden 47 (11), S. 10 – 14. – (2003a): Gewässerschutzrecht, Grundlagen und allgemeine Regelungen. in: Rengeling, H.-W. (Hrsg.): Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 1. Teilband, § 65, 2. Auflage, Köln u. a. O., S. 769 – 849. – (2003b): Trinkwasser, in: Rengeling, H.-W. (Hrsg.): Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 1. Teilband, § 69, 2. Auflage, Köln u. a. O., S. 937 – 960. – (2004): Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl., München. Burgi, M (2001): Privatisierung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, in R. Hendler / Marburger, P. / Reinhardt, M. / Schäfer, M. (Hrsg.): Wirtschaft und kommunale Selbstverwaltung, 16. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, Band 55, Berlin, S. 101 – 137. Czychowski, M. / Reinhardt, M. (2014): Wasserhaushaltsgesetz-Kommentar, 11. Aufl., München. Degenhart, C. (2010): Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Abweichungsgesetzgebung, in: Die öffentliche Verwaltung 63 (10), S. 422 – 430. Delfs, S. (2004): Grundwasser: Rechtlicher Schutz von Qualität und Quantität, 1. Aufl., Hamburg. Durner, W. (2010): Zehn Jahre Wasserrahmen-Richtlinie – Bilanz und Perspektiven, in Deutschland, in: Natur und Recht 32 (7), S. 452 – 464. Epiney, A. (2013): Umweltrecht der Europäischen Union, 3. Aufl., Baden-Baden. Europäische Kommission (2012a): Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (2000 / 60 / EG), COM (2012) 670 final v. 14. 11. 2012, Brüssel.
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– (2004): Rechtliche Anforderungen an Indirekteinleitungen, in: Recht der Abfallwirtschaft (AbfallR) 3 (4), S. 169 – 177. – (2006): 30 Jahre Abwasserabgabenrecht, in: Zeitschrift für Wasserrecht 45 (3), S. 125 – 150. Palm, N. / Wermter, P. / Grunebaum, T. / Lemmel, P. / Nisipeanu, P. / Pehl, B. / Amrath, N. (2013): Modifizierung der Abwasserabgabe unter wasserwirtschaftlichen Aspekten, in: W+B Zeitschrift für Wasser-, Abwasser und Bodenschutzrecht 2 (2), S. 85 – 91. Raschke, M. (2014): Aktuelle Entwicklungen der wasserwirtschaftlichen Fachplanungen, in: Zeitschrift für Deutsches und Europäisches Wasser-, Abwasser- und Bodenschutzrecht (W+B) 3 (1), S. 14 – 17. Reimer, F. (2013): Effiziente Wassernutzung durch Wasserentnahmeentgelte?, in: Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht (LKRZ) Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland 7 (11), S. 445 – 450. Reinhardt, M. (2006): Stand der Technik und Branchenansatz in der Abwasserbeseitigung, Zeitschrift für Wasserrecht 45 (2), S. 65 – 74. – (2007): Das neue Wasserrecht zwischen Umweltrecht und Wirtschaftsrecht, in: Reinhardt, M. (Hrsg.): Wasserrecht im Umbruch, Berlin. – (2010a): Recht der Wasserwirtschaft, in: von Lersner, H. / Berendes, K. / Reinhardt, M. (Hrsg.): Handbuch des Wasserrechts, Lieferung 7 / 2005, C 9, Berlin. – (2010b): Gesetzgebungskompetenzen im Wasserrecht, in: Archiv des öffentlichen Rechts 135 (4), S. 459 – 497. – (2013): Inventur der Wasserrahmenrichtlinie, in: Natur und Recht 35 (11), S. 765 – 773. Ruchay, D. (1988): Zum Vorsorgekonzept im Gewässerschutz, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 7 (6), S. 499 – 502. Rudolf, D. (2007): Menschenrecht auf Wasser?, Frankfurt a. M. SRU [Sachverständigenrat für Umweltfragen] (2002): Umweltgutachten – Für eine neue Vorreiterrolle, Berlin. UBA [Umweltbundesamt] (2010): Wasserwirtschaft in Deutschland. Grundlagen: Teil 1, Dessau-Roßlau.
Flexibilisierung der Wasserwirtschaft – Öffentliche Abwasserentsorgung unter Anpassungsdruck Von Silke Ruth Laskowski
I. Einleitung Die kommunale Siedlungswasserwirtschaft steht aufgrund des demografischen und klimatischen Wandels, aufgrund erhöhter Anforderungen an den Gewässerschutz und wegen der Überalterung hergebrachter Kanalisations- und Leitungsnetze sowie den damit verbundenen Investitionserfordernissen unter enormem Anpassungsdruck. Dies gilt vor allem für ländliche Gemeinden, in denen die Bevölkerung seit langem rückläufig ist und die zentralen Ver- und Entsorgungssysteme zunehmend unterausgelastet sind. Hier stellt sich die dringende Frage, wie Modelle der dezentralen, semizentralen und zentralen Abwasserbehandlung zukunftsfähig ausbalanciert werden können, um langfristig nachhaltige Lösungen zu etablieren. Neue Lösungen sind offensichtlich erforderlich, denn der Klimawandel wirkt sich schon jetzt auf die Quantität und Qualität der Gewässer aus: Erwärmung, verringerter Sauerstoffgehalt, verstärkte Eutrophierung, Trockenheit im Sommer und extreme Niedrigwasserperioden führen zu erhöhten Schadstoffkonzentrationen, zudem erhöht die Zunahme von Niederschlägen vor allem im Winter die Hochwassergefahr. In den Sommermonaten sind – vor allem in Ostdeutschland1 – Dürreperioden mit Wasserknappheitsproblemen zu erwarten. Neue Konzepte sind auch deshalb gefordert, weil die Bevölkerungszahl in Deutschland von derzeit knapp 81 Mio. auf etwa 65 bis 70 Mio. im Jahre 2060 zurückgehen wird.2 Bevölkerungsrückgang und innerdeutsche Binnenwanderungen zugunsten städtischer Zentren führen bereits heute zur räumlichen Entleerung von strukturschwachen, ländlichen Gebieten. Auf gleicher Fläche leben außerhalb der Ballungsräume immer weniger Menschen, denen alle kommunalen Daseinsvorsorgeleistungen einschließlich der Abwasserentsor1 Stark betroffen ist z. B. Brandenburg: Die Sommerniederschläge werden ab- und die Winterniederschläge zunehmen, aber die Jahresniederschlagsmenge wird sinken, die Vegetationszeit wird sich um mind. drei Wochen weiter ausdehnen, die Zahl der Sommertage, heißen Tage, Tage mit Schwüle und tropische Nächten werden teilweise sehr deutlich zunehmen, vgl. dazu Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (2015). 2 Statistisches Bundesamt (2015a).
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gung zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt werden müssen.3 So leben etwa die wenigsten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern pro km – 69 Personen / km² –, gleich gefolgt von dem durch den Klimawandel stark betroffenen Brandenburg – 83 Personen / km² –, zum Vergleich: in Deutschland wohnen durchschnittlich 229 Personen / km².4 Eine flächendeckende Entsorgung in gering besiedelten Räumen und verstreuten Siedlungsstrukturen ist für die Bevölkerung im hergebrachten zentralen System nur mit sehr großen finanziellen Anstrengungen möglich. 5 Im Übrigen führt die abnehmende Bevölkerungszahl zu einer Überdimensionierung bestehender Abwasserkanäle und Abwasserbehandlungsanlagen, bei sinkenden Abwassermengen – mit der Konsequenz zunehmender Ablagerungen im Kanalsystem, größeren Durchspülfrequenzen und einem erhöhten Betriebsaufwand. Hier sind innovative Lösungen gefordert! Während die wissenschaftlich-technische Diskussion dieser Fragen bereits in vollem Gange ist und schon vielfältige Optionen aufgezeigt hat, fängt die Diskussion auf der Ebene der kommunalpolitischen Entwicklungsplanung gerade erst an. Auch die rechtliche Diskussion hinkt hinterher. Erst langsam öffnet sich hier der umweltund kommunalrechtliche Blick für eine langfristige, mit dem kommunalen Planungsgefüge abgestimmte Umweltinfrastrukturplanung. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden unter Einbezug des Sächsischen Landesrechts6 untersucht werden, welche rechtlichen Handlungsspielräume bereits bestehen7, um die kommunale Abwasserentsorgung flexibler und nachhaltiger zu gestalten.8 Die Sächsische Gesetzgebung hat bereits auf die gewandelten Lebensbedingungen reagiert.
Hillenbrand et al. (2010), S. 8 ff. Statistisches Bundesamt (2015b). 5 Beispiel Sonnewalde / Brandenburg: Hier müssen die Bürgerinnen und Bürger ab 2015 2,26 Euro / m3 für Trinkwasser und 9,31 m3 für Schmutzwasser zahlen, zudem wurden im März 2015 vom zuständigen Wasser- und Abwasserverband Niederlausitz – rückwirkend, z. T. wohl bis 1991 – Abwasseranschlussbescheide i. H. v. 4.000 bis 174.000 Euro gegenüber Privathaushalten erlassen, Bescheide, die z. T. allein wegen ihrer Höhe Zweifel an der Verhältnismäßigkeit aufwerfen, i. Ü. ergeben sich angesichts des Beschlusses des BVerfG v. 05. 03. 2013 – 1 BvR 2457 / 08 („Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.“, vgl. http://www.bundesverfassungsgericht.de/Shared Docs/Entscheidungen/DE/2013/03/rs20130305_1bvr245708.html, 09. 04. 2015) Zweifel an der Rechtmäßigkeit insgesamt. Hier erscheint ein neues Abwasserentsorgungskonzept für Sonnewalde sehr viel zielführender, vgl. dazu Lausitzer Rundschau (2015); s. auch Laskowski (2008), S. 527 ff. 6 Zum hessischen Landesrecht vgl. Laskowski (2012), S. 597 ff. 7 Dazu bereits Laskowski (2008), S. 527 ff. 8 Vgl. BMU / UBA (2010), S. 19 ff. 3 4
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II. Öffentliche Abwasserentsorgung Die öffentliche Abwasserversorgung zählt als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zum Aufgabenbereich der kommunalen Daseinsvorsorge i. S. v. Art. 84 Abs. 1 SächsVerf, Art. 28 Abs. 2 GG.9 Gleichzeitig fällt sie in den umweltrechtlich geprägten Bereich der Wasserwirtschaft, die sich in erster Linie an den Vorgaben des Wasserhaushaltsrechts orientiert. Hier kommt es zu einer komplizierten und bislang in der juristischen Diskussion nur schwach beleuchteten Überschneidung des bundesrechtlichen Wasserhaushaltsgesetzes, (ergänzenden) Landeswasserrechts und des Art. 28 Abs. 2 GG konkretisierenden Kommunalrechts.10 Daher bedarf es einer „kohärenten Lesart“ dieser unterschiedlichen Regelungsregime, die zum Teil unterschiedlichen Rationalitäten folgen. Interessant ist vor allem, ob den Kommunen nach geltendem Recht – in kohärenter Interpretation – auch dezentrale sanitäre „Insellösungen“ möglich sind. Dabei geht es aus Sicht der Gemeinden (und der Kommunalaufsicht als Rechtsaufsichtsbehörde) darum, ob und inwieweit bislang etablierte zentrale Entsorgungskonzepte zugunsten flexibler Konzeptionen aufgegeben oder zumindest abgeändert werden dürfen. Aus Sicht der betroffenen Bevölkerung wird relevant, ob sie von der Gemeinde die Beibehaltung etablierter zentraler Entsorgungsstrukturen verlangen – oder umgekehrt – sogar ein gewisses Maß an dezentraler Entsorgung unter Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang einfordern kann. Im Vordergrund stehen hier neben den Formen der herkömmlichen zentralen Abwasserbeseitigung – d. h. Entsorgung über ein zentrales Netzsystem: Schmutzwasser wird in der Ortskanalisation gesammelt und i. d. R. einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage zugeführt; bei Trennkanalisation wird das Regenwasser gesondert, aber zentral abgeleitet – zwei dezentrale Modelle.11 Dazu zählt das sog. semi-zentrale Modell: Die Abwasserbehandlung erfolgt für benachbarte Grundstücke oder ein kleinräumiges Siedlungsgebiet in einer Orts- oder Gemeinschaftskläranlage, ggf. auch durch mehrere Kleinkläranlagen, die über ein Leitungsnetz verbunden sind. Darüber hinaus ist das sog. dezentrale Modell zu nennen: Das gesamte Schmutzwasser wird grundstücksbezogen in Einzelanlagen gereinigt; Niederschlagswasser wird vor Ort zurückgehalten, versickert oder abgeleitet.
9 Vgl. auch BVerwGE 98, 273 (275) („Energieversorgung“); BVerwGE 122, 350 (354 f.) („Wasserversorgung“); Jarass / Pieroth (2014), Art. 28 Rn. 11, 13a; vgl. auch Brehme (2010), S. 146 ff. 10 Erst in jüngerer Zeit finden sich dazu Publikationen, vgl. Köck (2015); Laskowski (2012), S. 597; ausf. dazu dies. (2010), S. 719 ff., S. 762 ff. 11 Vgl. Hahne / Laskowski (2012), S. 39.
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III. Gewässerschutz- und kommunalrechtliche Vorgaben Unklar ist, welchen Spielraum das geltende Recht den Kommunen für die Entwicklung flexibler Entsorgungskonzepte mit dezentralen Komponenten eröffnet. Anknüpfungspunkte sind zunächst § 56 WHG und § 50 Abs. 1 SächsWG, die den Gemeinden die öffentliche Abwasserentsorgung für ihr Gebiet als kommunale Pflichtaufgabe im Rahmen der örtlichen Daseinsvorsorge zuweisen. Die Verschränkung zwischen ökologischer Wasserwirtschaft und kommunaler Abwasserdaseinsvorsorge kommt in § 56 WHG deutlich zum Ausdruck (ähnlich zuvor § 18a WHG a. F.) Danach ist „Abwasser […] von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu beseitigen, die nach Landesrecht dazu verpflichtet sind (Abwasserbeseitigungspflichtige)“. § 50 Abs. 1 SächsWG greift diese Regelung landesrechtlich auf und bestätigt die öffentliche Abwasserentsorgung in Sachsen als kommunale Pflichtaufgabe. Beide Regelungen weisen letztlich dem Staat die Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu.12 Weitere Vorgaben zur Aufgabendurchführung finden sich in den §§ 54 ff. WHG, die vor allem unterschiedliche Beseitigungskonzeptionen für die Entsorgung von Schmutzwasser und Niederschlagswasser vorsehen. Gerade für das Niederschlagswasser sollen künftig dezentrale Entsorgungsmodelle Anwendung finden, vgl. § 55 Abs. 1 WHG. Ergänzende Regelungen treffen die §§ 48 ff. SächsWG13 und die SächsGemO14. 1. Wasserrechtliche Abwassereinleitungserlaubnis und „Erforderlichkeit“ von Anlagen, §§ 12, 57 Abs. 1 Nr. 3 WHG Ein Anknüpfungspunkt für eine Flexibilisierung der Abwasserentsorgung findet sich zunächst in § 57 Abs. 1 Nr. 3 WHG. Danach „darf“ eine Erlaubnis für das (direkte) Einleiten von Abwasser gem. § 12 WHG „nur“ dann erteilt werden, wenn sie dazu dient (gerade solche) Abwasseranlagen oder sonstige Einrichtungen zu errichten und zu betreiben, die „erforderlich“ sind, um die Einhaltung der Anforderungen nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sicherzustellen. Während § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG fordert, Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering zu halten, wie es verfahrenstechnisch nach dem „Stand der Technik“ möglich ist, fordert § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG, dass Abwassereinleitungen „mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaften und sonstigen rechtlichen Anforderungen“ vereinbar sein müssen. Demnach dürfen Abwassereinleitungen, die mit den Zielsetzungen der GewässerbewirtEbenso Czychowski / Reinhardt (2014), § 56 Rn. 29 („hoheitlicher Natur“) m. w. N. Sächsisches Wassergesetz i. d. F. v. 12. 07. 2013, SächsGVBl. S. 503, zul. geänd. d. Art. 1 G. v. 02. 04. 2014, SächsGVBl. S. 234. 14 Sächsische Gemeindeordnung i. d. F. d. Bek. v. 03. 03. 2014, SächsGVBl. S. 146, zul. geänd. d. Art. 4 G. v. 02. 04. 2014, SächsGVBl. S. 234. 12 13
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schaftung nach Maßgabe der §§ 27, 44, 47 WHG i. V. m. den Vorgaben der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmeprogramme gem. §§ 83, 82 WHG nicht zu vereinbaren sind, gar nicht erlaubt werden. (Zentrale) Abwasseranlagen, die solche Einleitungen ermöglichen, sind daher nicht im Sinne von § 57 Abs. 1 Nr. 3 WHG „erforderlich“. Dementsprechend müssen kommunale Entsorgungskonzepte auf Errichtung und Betrieb solch nicht erforderlicher Abwasseranlagen, über die die Direkteinleitung des (vorgereinigten) Abwassers in die Gewässer erfolgt,15 verzichten und auf andere Anlagen bzw. Entsorgungsmodelle zurückgreifen.
2. Kommunale Daseinsvorsorgepflicht „öffentliche Abwasserentsorgung“ In Sachsen obliegt die Abwasserbeseitigung den Gemeinden, in denen das Abwasser anfällt, als kommunale Pflichtaufgabe, soweit die Aufgabe nicht anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften übertragen wurde, § 50 Abs. 1 SächsWG, § 2 Abs. 2 SächsGemO (§ 56 WHG). Die jeweilige Aufgabenträgerin muss gem. § 50 Abs. 1 SächsWG unter Beachtung der gewässerschützenden Vorgaben von WHG und SächsWG in ihrem Gebiet die sanitäre Entsorgung für die örtliche Bevölkerung bereitstellen.16 Einzelheiten zur Durchführung der Abwasserbeseitigung finden sich in den Satzungen der Gemeinden bzw. öffentlich-rechtlichen Körperschaften, z. B. Art, Umfang und Ausgestaltung der Abwasserbeseitigungsanlage, auch Umfang des Anschluss- und Benutzungszwangs (s. u.).17 Betrachtet man das Modell der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigung i. S. v. § 56 WHG, § 50 Abs. 1 SächsWG, so zählen dazu regelmäßig Kanalisation und zentrale Kläranlagen, unabhängig von der jeweiligen (privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen) Organisations- und Handlungsform, flankiert durch einen entsprechenden Anschluss- und Benutzungszwang der Gemeindeangehörigen. 3. Kommunale Gestaltungsfreiheit nutzen Im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit können die Gemeinden mittels satzungsrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwangs (ABZ) die kommunalen Entsorgungsstrukturen flankieren und sichern. § 14 Abs. 1 SächsGemO eröffnet Gemeinden die Möglichkeit („kann“), im Rahmen der ihnen zustehenden Gestaltungsfreiheit per Satzung für die Grundstücke in ihrem Gemeindegebiet einen Anschluss-
Vgl. Czychowski / Reinhardt (2014), § 57 Rn. 26. Kommunale öffentliche Einrichtungen sind solche, die Gemeinden im öffentlichen Interesse unterhalten und durch einen Widmungsakt (z. B. Satzung, Verwaltungsakt, std. Praxis, konkludent) ihren Einwohnerinnen und Einwohnern zugänglich machen, vgl. VG Arnsberg, U. v. 22. 06. 2010 – 8 K 201 / 09. 17 Vgl. Czychowski / Reinhardt (2014), § 56 Rn. 13. 15 16
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und Benutzungszwang (ABZ) zu verhängen. Dadurch werden die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer zum Anschluss an die öffentliche Kanalisation und zur Benutzung der kommunalen Entsorgungseinrichtung verpflichtet. Angesichts der damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Einwohnerinnen und Einwohner (Art. 14 GG „Eigentum“; Art. 2 Abs. 1 GG „allgemeine Handlungsfreiheit“) bedarf es dafür jedoch ausdrücklich eines rechtfertigenden „öffentlichen Bedürfnisses“, § 14 Abs. 1 SächsGemO. Dieses wird angenommen, wenn durch den ABZ nach objektiven Maßstäben das Wohl der örtlichen Bevölkerung gefördert wird. Eine solche Gemeinwohlförderung lässt sich etwa bejahen, wenn die betreffende Einrichtung darauf gerichtet ist, den örtlichen Gewässerschutz, die Volksgesundheit (durch den Schutz der Gewässer), die Entsorgungssicherheit oder die örtliche Umweltsituation zu verbessern.18 Allerdings ist die Gemeinde nach dem Wortlaut auch dann nicht gezwungen, den ABZ zu verhängen; fehlt jedoch ein „öffentliches Bedürfnis“, so kommt der satzungsrechtliche ABZ mangels Rechtfertigung nicht in Betracht. Im Hinblick auf die hier unter dem Aspekt der „Flexibilisierung“ interessierenden dezentralen Entsorgungsmodelle folgt daraus: Wenn das Wohl der Bevölkerung gerade nicht durch den Anschluss an zentrale Entsorgungseinrichtungen und die Benutzung von zentralen Entsorgungsleistungen gefördert wird – etwa weil dies im Hinblick auf die genutzte Schwemmwasserkanalisation zu einer Überbeanspruchung der ortsnahen Wasserressourcen (§ 50 Abs. 2 WHG) und zu örtlichen Gewässerbelastungen mit drohender Zielvereitelung der §§ 27, 44, 47 WHG oder der Maßnahmenprogramme, § 82 WHG, und / oder zu einer Überlastung der örtlichen Kanalisation führen würde –, sondern vielmehr durch dezentrale oder semi-zentrale Entsorgungsstrukturen, so darf in solchen Fällen kein (uneingeschränkter) ABZ an zentrale Entsorgungsanlagen verhängt werden. Denn insoweit fehlt es gerade an einem „öffentlichen Bedürfnis“. 4. Wasserrechtliche Ausnahmen von der Entsorgungspflicht, § 50 SächsWG Die Entsorgungspflicht gem. § 50 Abs. 1 SächsWG besteht im Übrigen nicht uneingeschränkt. Sie entfällt beispielweise gem. § 50 Abs. 3 SächsWG für Niederschlagswasser, das auf dem Grundstück, auf dem es anfällt, „verwertet oder versickert werden kann“ (Nr. 2) sowie für „Abwasser, dessen Einleitung in ein Gewässer wasserrechtlich erlaubt ist, im Umfang der Erlaubnis“ (Nr. 4). In den in § 50 Abs. 3 Nr. 1 – 5 SächsWG genannten Fällen bleiben diejenigen, auf deren Grundstück das Abwasser anfällt, selbst zur Beseitigung verpflichtet, § 50 Abs. 6 SächsWG. Darüber hinaus kann die Entsorgungspflicht gem. § 50 Abs. 5 SächsWG auf Antrag der Abwasserbeseitigungs- oder Überlassungspflichtigen durch Entscheidung der zu18 BVerwGE 125, 68 ff. („Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des Klimaschutzes“); VGH Mannheim, NuR 2004, 668 ff.
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ständigen Wasserbehörde in bestimmten, umweltrechtlich unbedenklichen Fällen entfallen.19 5. Wasserrechtliche Abwasserentsorgungskonzepte, § 51 SächsWG Weitere Anknüpfungspunkte finden sich in § 51 Abs. 1 und Abs. 2 SächsWG. Danach müssen Gemeinden als Abwasserbeseitigungspflichtige für ihre Entsorgungsgebiete Abwasserbeseitigungskonzepte aufstellen, die mit den Vorgaben des WHG und EU-Rechts in Einklang stehen. Im Vordergrund stehen hier die Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme gem. §§ 83, 82 WHG, die Grundsätze der Abwasserbeseitigung gem. § 49 Abs. 2 SächsWG20 und die übrigen Grundsätze des Gewässerschutzes. § 51 Abs. 1 S. 4 SächsWG nennt die Mindestvorgaben, die das kommunale Entsorgungskonzept enthalten muss. Danach sind u. a. vorhandene und geplante Anlagen der öffentlichen Abwasserentsorgung zu benennen, diejenigen Teile des Entsorgungsgebiets, die „über öffentliche Anlagen“ entsorgt werden sowie diejenigen, die über „nicht öffentliche Anlagen, Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben“ entsorgt werden. Auch Angaben zum bereits angeordneten und geplanten ABZ und zur Niederschlagswasserbeseitigung muss das Abwasserbeseitigungskonzept enthalten. Es ist schließlich der zuständigen Wasserbehörden gem. § 51 Abs. 2 S. 1 SächsWG zur Prüfung vorzulegen. Aus § 51 Abs. 1 S. 4 SächsWG lässt sich schließen, dass kommunale Abwasserentsorgungskonzepte in Sachsen dezentrale Elemente enthalten dürfen und den Kommunen Spielraum für die Etablierung flexibler Entsorgungslösungen lassen. Zudem bemerkenswert: Die Entsorgungskonzepte müssen ausdrücklich die demografische Entwicklung sowie eine Kostenbegrenzung für die Abwassererzeugerinnen und -erzeuger berücksichtigen. Diese Kombination aus Gewässerschutz, Anpassung an den umweltbezogenen und demografischen Wandel sowie finanziellem Schutz der Bevölkerung bietet den Rahmen für regional angepasste, ökologisch-soziale Entsorgungskonzepte. Auf diese Weise wird dem Allgemeinwohlinteresse an einer ökologisch verträglichen Abwasserentsorgung und dem individuellen Interesse der Gemeindemitglieder an einer umweltgerechten Entsorgung zu erschwinglichen Preisen gleichermaßen Rechnung getragen.
19 Dies gilt für „Schlamm aus Kleinkläranlagen, der unter Beachtung der dünge-, abfallund bodenschutzrechtlichen Bestimmungen weiter verwendet werden soll“ (Nr. 1) oder aber „wenn eine anderweitige Beseitigung des Abwassers, des Schlamms aus Kleinkläranlagen oder des Inhalts abflussloser Gruben aus Gründen des Gewässerschutzes oder wegen eines ansonsten unvertretbar hohen Aufwands zweckmäßig ist“ (Nr. 2). 20 s. dazu die vom Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft als oberster Wasserbehörde gem. § 49 Abs. 2 SächsWG erlassene Verwaltungsvorschrift über die Grundsätze für die Abwasserbeseitigung im Freistaat Sachsen 2007 – 2015 v. 05. 12. 2013, die am 01. 01. 2014 in Kraft trat, SächsGVBl. 2013, S. 503.
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6. Kleinkläranlagen, § 52 SächsWG Ergänzend ist auf die Regelung über dezentrale Kleinkläranlagen in § 52 SächsWG hinzuweisen.21 Nach der in § 52 Abs. 2 SächsWG vorgesehene Erlaubnisfiktion (§§ 8, 57 WHG) gilt die Erlaubnis für 15 Jahre als erteilt, sofern die im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich ist u. a., dass der Betrieb der Kleinkläranlagen in das gemeindliche Abwasserkonzept integriert ist und mit diesem übereinstimmt. Nur wenn die weiterhin abwasserbeseitigungspflichtige öffentlich-rechtliche Körperschaft i. S. v. § 50 Abs. 1 SächsWG dies bescheinigt, ist diese Voraussetzung gem. § 52 Abs. 2 Nr. 4 SächsWG erfüllt. Die Erlaubnis wird nach § 52 Abs. 3 SächsWG auflösend bedingt erteilt. Im Übrigen gilt § 10 S. 1 SächsWG, wonach die Erlaubnis für die Einleitung von Abwasser aus Kleinkläranlagen, die nicht den Anforderungen der Abwasserverordnung22 entsprechen, mit Ablauf des 31. 12. 2015 erlöschen. Das Entsorgungsmodell „Kleinkläranlage“ stellt also nach dem SächsWG keine separierte „Insellösung“ einzelner Gemeindemitglieder dar, sondern eine konzeptionell integrierte, dezentrale Ergänzung des (zentralen) Abwasserbeseitigungskonzepts der Gemeinde, das mit den wasserhaushaltsrechtlichen Vorgaben des § 51 SächsWG übereinstimmen muss. Anderenfalls dürfte die entsorgungspflichtige Körperschaft die Bescheinigung nach § 52 Abs. 2 Nr. 4 SächsWG nicht ausstellen. Festgehalten lässt sich an dieser Stelle, dass das sächsische Wasserrecht verschiedene Anknüpfungspunkte für dezentrale Entsorgungsmodelle enthält, mit deren Hilfe eine Flexibilisierung zentraler kommunaler Entsorgungskonzepte ermöglicht wird, sofern die Vereinbarkeit mit dem Gewässerschutzrecht gegeben ist.
IV. Normatives Leitbild sozialer, ökologisch-nachhaltiger Abwasserentsorgung Der oben skizzierte landesrechtliche Rahmen folgt dem normativen Leitbild der ökologisch-nachhaltigen Abwasserentsorgung, das durch die wasserhaushaltsrechtlichen Vorgaben der EU und des Bundes vorgegeben wird. In diesen rechtlichen Kontext ist die kommunale Abwasserentsorgung eingebunden. Maßgeblich sind die Vorgaben des 2010 als bundesrechtliche Vollregelung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG) in Kraft getretenen WHG.23 Es zielt auf eine „ökologisch-nachhaltige Wasserwirt21 Vgl. auch Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft zu den Anforderungen an Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben, über deren Selbstüberwachung und Wartung sowie deren Überwachung, SächsGVBl. 2007, S. 281. 22 AbwV i. d. F. d. B. v. 17. 06. 2004, BGBl. I, S. 1108, zul. geänd. d. Art. 1 Verordnung v. 02. 09. 2014, BGBl. I, S. 1474. 23 Artikel 1 Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts v. 31. 07. 2009, BGBl. I, S. 2585, zul. geänd. d. Art. 2 G. v. 15. 11. 2014, BGBl. I, S. 1724.
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schaft“ i. S. v. § 1 WHG, um die wasserhaushaltsrechtlichen Ziele zu erreichen, die durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000 / 60 / EG (EU-WRRL) vorgegeben werden (s. u.). Nach § 1 WHG sind alle Gewässer sind mit Blick auf bestehende und künftige Nutzungsinteressen durch eine „nachhaltige Gewässerbewirtschaftung […] als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als nutzbares Gut zu schützen.“ 24 Dabei stellt die nachhaltige Sicherung der Abwasserentsorgung einen hervorgehobenen Belang des wasserrechtlichen Allgemeinwohls25 dar, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, §§ 54 ff. WHG. 1. Unionsrecht Durch Implementierung der EU-WRRL haben nachhaltige Ressourcenschonung und langfristig vorsorgende wasserwirtschaftliche Planung mittels Bewirtschaftungs- und Maßnahmenprogrammen (§§ 82, 83 WHG; § 87 SächsWG i. V. m. dem Maßnahmenprogramm Sachsen 2009 – 201526), die der Verwirklichung eines guten Gewässerzustands dienen (vgl. Art. 4 EU-WRRL; §§ 27, 44, 47 WHG), an Gewicht gewonnen. Gewässerbenutzungen, zu denen nach Art. 2 EU-WRRL ausdrücklich auch Wasserdienstleistungen wie die Abwasserentsorgung (und die Wasserversorgung) zählen, müssen in diesen Planungsrahmen integriert werden. Hinzu treten die Vorgaben der (älteren) Kommunalabwasser-Richtlinie 91 / 271 / EWG. Sie dient dem Schutz der Umwelt vor schädlichen Auswirkungen kommunalen Abwassers (Sammeln, Behandeln, Einleiten) und industriellen Abwassers bestimmter Branchen (Behandeln, Einleiten), vgl. Art. 1, Art. 2 RL. Die Mitgliedstaaten sind gehalten, insbesondere die Wiederverwendung gereinigten Abwassers in ihre Entsorgungskonzepte zu integrieren, vgl. Art. 12 Abs. 1 RL („soll“). Unter dem Aspekt der „Dezentralisierung“ erlangt Art. 3 RL Bedeutung. Denn die danach grundsätzlich bestehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstattung der Gemeinden mit einer Kanalisation gem. Art. 3 Abs. 1 RL (bis 31. 12. 2000: Gemeinden mit mehr als 15.000 EW, bis 31. 12. 2005: Gemeinden von 2.000 – 15.000 EW), besteht erst ab Einwohnerwerten von 2.000 EW. Zudem sieht Art. 3 RL selbst eine Ausnahme vor, wenn die „Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt (ist), weil sie entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringen würde oder mit übermäßigen Kosten verbunden wäre“. In solchen Fällen sind gerade aus Gründen des Umweltschutzes „individuelle Systeme oder andere geeignete Maßnahmen erforderlich, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten“.
Näher Laskowski / Ziehm (2014), § 5 Rn. 57 ff.; vgl. auch Laskowski (2011a), S. 277. Dazu Laskowski (2011b), S. 106 ff. 26 Zu den aktuellen Bewirtschaftungsplänen / Maßnahmenprogrammen siehe http://www.um welt.sachsen.de/umwelt/wasser/14706.htm (zuletzt aufgerufen am 16. 04. 15). 24 25
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2. Wasserhaushaltsgesetz Betrachtet man vor diesem Hintergrund das 2010 novellierte WHG, so fällt das gesteigerte Bewusstsein für den anhaltenden Klimawandel und dessen negative Folgen für die Umwelt- und Lebensbedingungen auf. Hervorzuheben ist § 6 Abs. 1 Nr. 5 WHG, der solche Umweltveränderungen in die wasserwirtschaftliche Planung einbezieht und die Klimawandelfolgen klar im Blick hat. Auch demografische Entwicklungen können als Folge des Klimawandels berücksichtigt werden.27 Die allgemeinen und besonderen Bewirtschaftungsziele und -grundsätze in den §§ 6, 27, 44, 47 WHG, vor allem das Verschlechterungsverbot, leiten das wasserbehördliche Bewirtschaftungsermessen in Bezug auf die Frage, ob eine bestimmte Gewässerbenutzung i. S. v. § 9 WHG gem. §§ 12, 8 WHG gestattet wird – etwa die für die öffentliche Abwasserentsorgung notwendige Erlaubnis zur Einleitung gereinigten Abwassers in Oberflächengewässer gem. §§ 12, 57 WHG. Gewässerbenutzungen unterliegen hier einem zwingenden Gestattungserfordernis („repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt“).28 Sofern keine Versagungsgründe gem. § 12 WHG Abs. 1 i. V. m. § 57 WHG greifen, entscheidet die Wasserbehörde im Rahmen des ihr eröffneten Ermessens, § 12 Abs. 2 WHG. Dabei hat sie die speziellen Vorgaben der Abwasserbeseitigung in den §§ 54 ff. WHG zu beachten, insb. die Grundsätze gem. § 55 WHG und die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser gem. § 57 Abs. 1 bis 3 WHG. Hervorzuheben ist dabei die Dezentralisierungsoption in § 55 Abs. 1 S. 2 WHG. Es gilt der Grundsatz der schadlosen Niederschlagswasserentsorgung gem. § 55 Abs. 2 WHG und § 57 Abs. 1 Nr. 3 WHG, welcher ausdrücklich nur „erforderliche“ Abwasseranlagen oder sonstige Einrichtungen voraussetzt. Hier finden sich die maßgeblichen Anknüpfungspunkte für dezentrale nachhaltige Entsorgungsmodelle: § 55 WHG regelt die Grundsätze der Abwasserbeseitigung. Nach § 55 Abs. 1 S. 1 WHG gilt der allgemeine Grundsatz Abwasser so zu beseitigen, dass das Allgemeinwohl nicht beeinträchtigt wird. Dazu heißt es ergänzend in § 55 Abs. 1 S. 2 WHG, auch die „Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen“ könne dem Allgemeinwohl entsprechen. Eine wichtige Regelung für das Niederschlagswasser findet sich in § 55 Abs. 2 WHG. Der dort normierte neue Grundsatz der schadlosen Beseitigung von Niederschlagswasser war vor der WHG-Novelle 2010 bundesrechtlich nicht geregelt.29 Nunmehr „soll“ Niederschlagswasser ortsnah versickern, verrieseln oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden, sofern keine wasserrechtlichen, sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften oder wasserwirtschaftlichen Be-
27 Zum Stand der Maßnahmenumsetzung vgl. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (2012). 28 Vgl. BVerfGE 93, 319 (349); 58, 300 (344); 10, 89 (113). 29 Näher dazu Czychowski / Reinhardt (2014), § 55 Rn. 16.
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lange entgegenstehen. Wird demnach eine gewässerschutzverträgliche Rückführung des Niederschlagswassers gewährleistet, so ist im Regelfall Niederschlagswasser in einer der vier in § 55 Abs. 2 WHG genannten Varianten zu beseitigen; davon darf nur in atypischen Fällen abgewichen werden. § 55 Abs. 2 WHG klärt damit bundesweit, dass auch eine von der kommunalen Zentralkanalisation unabhängige Beseitigung des Niederschlagswassers zulässig ist, sofern dessen umweltverträgliche Beseitigung außerhalb der gemeindlichen Anlagen möglich ist.30 Auf diese Weise trägt die dezentrale Beseitigung des nur gering verschmutzten Niederschlagswassers neuen ökologischen Erkenntnissen Rechnung. So kann z. B. durch Versickerung in das Grundwasser der Abfluss in Oberflächengewässer im Interesse des vorbeugenden Hochwasserschutzes verringert werden. Gleichzeitig werden zentrale kommunale Entsorgungssysteme entlastet. Eine Einleitung in die Kanalisation kommt nur noch dann in Betracht (vierte Variante), wenn die Beseitigung des Niederschlagswassers im sog. Trennsystem erfolgt, d. h. über eine Abwasseranlage, die nicht zugleich der Schmutzwasserbeseitigung i. S. v. § 54 Abs. 1 Nr. 1 WHG dient; eine Beseitigung in Mischkanälen scheidet nach dem klaren Wortlaut des § 55 Abs. 2 WHG hingegen aus.31 Diese bundesrechtlichen Vorgaben des WHG werden durch die §§ 49 ff. des 2013 und 2014 novellierten SächsWG32 effektiv ergänzt (s. C.). Hinzu treten die Regelungen der sächsischen KommunalabwasserVO33, die die Kommunalabwasser-RL 91 / 271 / EWG umgesetzt hat.
V. Flexibilisierung zur Sicherung sozial-ökologischer Entsorgungskonzepte Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Kommunale Abwasserentsorgungskonzepte müssen langfristig auf „ökologisch-nachhaltige“ Abwasserentsorgungsleistungen ausgerichtet sein, die in den oben skizzierten wasserhaushaltsrechtlichen Rahmen passen. Dies erfordert kommunale Konzepte, die insbesondere klimabezogene Umweltveränderungen und (damit verbundene) demografische Entwicklungen vorausschauend einbeziehen. Gemeinden, die im Hinblick auf die ortsnahen Wasserressourcen künftig mit einem klimabedingten Rückgang des Wasserspiegels und einer entsprechend eingeschränkten Nutzung des örtlichen Wasserdargebots rechnen Czychowski / Reinhardt (2014), § 55 Rn. 17. Czychowski / Reinhardt (2014), § 55 Rn. 22. 32 Sächsisches Wassergesetz vom 12. 07. 2013, SächsGVBl., S. 503, zul. geänd. d. Art. 1 G. v. 02. 04. 2014, SächsGVBl. S. 234. 33 Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Umsetzung der Richtlinie 91 / 271 / EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Sächsische Kommunalabwasserverordnung – SächsKomAbwVO), SächsGVBl. 1996, S. 180, rechtsbereinigter Stand v. 13. 07. 2014. 30 31
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müssen oder aber mit starken Niederschlägen und einer Überbeanspruchung der Kanalisation – solche Szenarien können spezielle Gebiete in Sachsen, aber z. B. auch in Hessen34, betreffen –, müssen diese Veränderungen vorausschauend in ihre Entsorgungskonzepte einbeziehen. Je nach regionalem Szenario muss sich die jeweilige Entsorgungseinrichtung z. B. darauf einstellen, dass die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung von Abwasser künftig aus Gründen des Ressourcenschutzes nur noch in beschränktem Umfang erteilt wird, §§ 12, 57 WHG (so führt z. B. der Rückgang der Wasserstände von Oberflächengewässern zu einer erhöhten Konzentration des eingeleiteten Schmutzwassers, wenn die eingeleitete Menge und Schädlichkeit gleich bleibend hoch ist). Bereits erteilte Einleitungserlaubnisse können nachträglich hinsichtlich der Einleitungsmenge beschränkt werden, § 13 WHG. Um gleichwohl eine angemessene kommunale Entsorgung sicherzustellen, sind alternative Entsorgungsoptionen zu prüfen, die sich auch auf bestimmte Ortsteile beschränken können. Ergänzend lassen sich demografische und ökonomische Aspekte in die Alternativenprüfung einbeziehen (vgl. § 51 Abs. 1 S. SächsWG). Lässt sich erkennen oder prognostizieren, dass die herkömmlichen Konzepte der zentralen Abwasserentsorgung mit den gewandelten Umweltbedingungen (künftig) kollidieren – z. B. Gefahr der Übernutzung örtlicher Wasserressourcen durch die verbreitete, Frischwasser nutzende Schwemmwasserkanalisation und dadurch (drohender) Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gem. §§ 27, 47 WHG –, so besteht die Notwendigkeit, das überkommene zentrale Entsorgungskonzept aus Gründen des Umwelt- bzw. Gewässer- und Ressourcenschutzes zu modifizieren und an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Ein am Leitbild der ökologisch-nachhaltigen Abwasserentsorgung (s. o. D.) orientiertes Entsorgungskonzept, das auch für den demografischen Wandel offen ist – insofern vorbildlich § 51 Abs. 1 SächsWG („demografische Entwicklung“) –, kann eine Änderung der herkömmlichen zentralen Entsorgung erfordern. Dementsprechend bedarf es einer konzeptionellen Öffnung insb. für (semi-)dezentrale Entsorgungslösungen und einer entsprechenden Ergänzung des kommunalen Entsorgungsmodells.
VI. Probleme der kommunalen Flexibilisierung Nachhaltige dezentrale Entsorgungslösungen kommen nur dann in Betracht, wenn das kommunale Abwasserbeseitigungskonzept den Einbezug privater Selbstentsorgungsmodelle zulässt und in die kommunale Aufgabenerfüllung integriert. Dies ist Gemeinden im Rahmen der sog. funktionalen Privatisierung ohne Verlust der ihnen zufallenden materiellen Verantwortung für die umweltgerechte Abwasserentsorgung möglich. Sie können gem. § 56 S. 3 WHG unter Beibehaltung ihrer Entsorgungspflicht private Dritte in die Durchführung der Entsorgung einbeziehen und sich ihrer zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedienen („funktionale Privatisierung“). 35 34
Vgl. Hahne / Laskowski (2012), S. 13 f.
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Im Rahmen der funktionalen Privatisierung ist es durchaus möglich, nicht nur private Entsorgungsunternehmen in die Aufgabendurchführung einzubeziehen, sondern auch einzelne Gemeindemitglieder und deren individuelle Entsorgungsmodelle („Kleinkläranlage“).36 Hier kommen prinzipiell ganz unterschiedliche rechtliche Konstruktionen der „Indienstnahme Dritter“ (Verwaltungshilfe, Mandat, Konzession) in Betracht.37 Notwendig erscheint ein kommunales Entsorgungskonzept, das private Eigenentsorgung in die „öffentliche Einrichtung“ der Abwasserentsorgung einbezieht, z. B. per Widmung mit Zustimmung des betroffenen Gemeindemitglieds auf vertraglicher Grundlage. Allerdings müsste, so das SächsOVG (2004), „die Möglichkeit jederzeitiger Einwirkung durch Erlass von Weisungen an den Dritten und dessen Kontrolle“ möglich sein, denn nur dann liege eine „öffentliche Einrichtung der Gemeinde“ vor.38 Derartige Konzeptionen werden aktuell vor allem in kleineren Kommunen diskutiert, die vor der Frage stehen, ob sie ihre zentrale Entsorgungsinfrastruktur sanieren oder – angesichts der gewandelten Umweltbedingungen – besser neu konzipieren sollen. Neue Konzepte der kommunalen Abwasserentsorgung stoßen jedoch in der Rechtsprechung bislang eher auf Skepsis und im Ergebnis auf Ablehnung, wie das aktuelle Urteil des OVG NRW vom 12. März 2013 deutlich macht.39 Gegenstand des Rechtsstreits war ein neues Abwasserbeseitigungskonzept der Gemeinde Welver, die insgesamt 13.500 Einwohnerinnen und Einwohner zählt – im Zentralort: 5.500, in den übrigen 20 Ortsteilen: 8.000. Das Abwasserkonzept sah für vier Ortsteile mit jeweils 290, 200, 300 und 250 Einwohnerinnen und Einwohnern aus demografischen, ökologischen und ökonomischen Gründen eine dezentrale Abwasserbeseitigung vor („Sonderentwässerungsgebiete“). Die Beseitigung des Schmutzwassers sollte dort vollständig dezentral erfolgen, ohne äußere Erschließung der Ortsteile, aber mit differenzierter Regenwasserbeseitigung. Geplant war, das häusliche und gewerbliche Schmutzwasser vor allem durch geeignete Kleinkläranlagen – z. T. auch durch abflusslose Gruben – für ein oder mehrere Grundstücke zu entsorgen. Die Kleinkläranlagen waren als Einzelanlagen auf Privatgrund zur Entsorgung jeweils eines Grundstücks, als Gruppenanlagen auf Privatgrund (Entsorgung von zwei bis fünf Grundstücken) oder als Gemeinschaftsanlagen auf Privatgrund (Entsorgung von vier bis 11 Grundstücken) vorgesehen. Eine (materielle) Übertragung der gemeindlichen Beseitigungspflicht war nicht beabsichtigt. Die Kleinkläranlagen Näher dazu Czychowski / Reinhardt (2014), § 56 Rn. 3 f.; Laskowski (2010), S. 378 ff. Zu den technisch möglichen dezentralen Entsorgungsmodellen vgl. Hahne / Laskowski (2012), S. 13 ff.; vgl. auch Hillenbrand et al. (2010), S. 189 ff. 37 Vgl. SächsOVG, U. v. 24. 09. 2004 – 5 BS 119 / 04, ZNER 2004, 379. 38 Vgl. SächsOVG, ZNER 2004, 379 („öffentliche Einrichtung Wasserversorgung“). 39 OVG NW, U. v. 12. 03. 2013 – 20 A 1564 / 10, ZUR 2013, 547 ff.; Bestätigung von VG Arnsberg, U. v. 22. 06. 2010, 8 K 201 / 09 (gescheitertes, dezentral modifiziertes kommunales Abwasserkonzept). 35 36
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bzw. abflusslosen Grundstücke sollten vielmehr „öffentliche Abwasserbehandlungsanlagen“ darstellen und so in die kommunale „öffentliche Abwasserentsorgung“ integriert werden. Beabsichtigt war eine privatrechtliche Integration der privaten Grundstücke in die öffentliche Abwasserentsorgung mittels vertraglicher Vereinbarung mit den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern sowie einer zusätzlichen Eintragung von Grunddienstbarkeiten zugunsten der Gemeinde, durch die auch umfassende Zugriffsmöglichkeiten der (weiterhin entsorgungspflichtigen) Gemeinde auf die betroffenen Grundstücke gesichert werden sollten. Zudem wurde ein Abwasserverein (e. V.) für die Durchführung der Abwasserentsorgung gegründet. Allerdings problematisch: nicht alle Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer unterzeichneten diese Vereinbarung. Die Rechtsaufsichtsbehörde verweigerte daher dem neuen „dezentralen“ Abwasserbeseitigungskonzept letztlich die notwendige Zustimmung. Denn sie sah den für eine öffentliche Einrichtung erforderlichen umfassenden Zugriff der Gemeinde („umfassende Sach- und Rechtsherrschaft“) auf die privaten Grundstücke flächendeckend und dauerhaft nicht gesichert. Spätestens im Rahmen der Rechtsnachfolge im Grundeigentum sah sie Probleme mit Blick auf die vertragliche Lösung. 40 Das VG Arnsberg bestätigte diese Auffassung und sah insbesondere die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung mit Blick auf die Zukunft durch das gemeindliche Abwasserbeseitigungskonzept nicht gewährleistet. Allerdings wäre ein konzeptioneller Einbezug dezentraler privater Entsorgungsmodelle auf privatem Grund in die öffentliche Abwasserentsorgung durchaus denkbar, sofern alle betroffenen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer einer entsprechenden Widmung ihres Eigentums zustimmen.41 Das OVG NRW bestätigt das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis, es befasst sich aber vor allem mit der umweltrechtlichen Vereinbarkeit der beabsichtigten dezentralen Entsorgungskomponenten. Daran scheitert das Entsorgungskonzept letztlich. Gleichwohl zeigt das OVG-Urteil bei genauerer Betrachtung eine neue Offenheit für flexiblere, ökologisch motivierte kommunale Abwasserentsorgungskonzepte (i. S. v. § 53 NRW WG). Dabei hält es zwar im Grundsatz an der gefestigten Recht40 Zudem überzeugte die Wirtschaftlichkeitsberechnung der dezentralen Entsorgung nicht. Danach war mit der dezentralen Lösung ein Kosteneinsparpotenzial von etwa 10 % gegenüber einer zentralen Lösung (Ausstattung der vier Ortschaften mit einer Kanalisation) verbunden. 41 Auch rechtliche Bedenken hinsichtlich der Rechtsnachfolge müssten dann nicht entgegenstehen. Denn die Widmung konstituiert grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung in Bezug auf alle der Einrichtung zuzurechnenden Anlagen im Rahmen des Einrichtungszwecks öffentlich-rechtliche Nutzungs- und Zulassungsrechte, so dass ein etwaiger Eigentumswechsel daran nichts ändern würde, sofern die Voreigentümerin oder der Voreigentümer dem Widmungsakt zuvor zugestimmt hätte. Denn sie oder er könnte das Eigentum anschließend nur als öffentlich-rechtlich beschränktes Eigentum übertragen. Da in dem vom VG Arnsberg entschiedenen Fall jedoch nicht alle betroffenen Personen der Widmung ihres Eigentums zugestimmt hatten, war auch keine wirksame Widmung erfolgt. Daran musste das dezentrale Entsorgungskonzept der klagenden Gemeinde letztlich scheitern, vgl. SächsOVG, ZNER 2004, 379 m. w. N.
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sprechung fest, wonach „eine Kanalisation mit Anschluss an eine zentrale Kläranlage […] im Verhältnis zu Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben das im Allgemeinen bessere und vorzugswürdigere System zur anforderungsgerechten Beseitigung von kommunalem Abwasser“ sei.42 Allerdings räumt es die Möglichkeit atypischer Konstellationen durchaus ein und erkennt an, dass nach der bundesrechtlichen Regelung in § 55 Abs. 1 S. 2 WHG dem Allgemeinwohl durchaus „auch (durch) die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen“ entsprochen werden kann. Zudem sieht es, dass § 55 Abs. 1 S. 2 WHG insoweit ausschließlich den Zweck verfolgt, „den Gemeinden einen größeren Spielraum für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte zu eröffnen“.43 Allerdings stellt es klar, dass die umweltrechtlichen Anforderungen „identische Beachtung“ finden.44 Zu Recht fordert es daher in diesem umweltrechtlichen Kontext von der Kommune „wirkungsvolle Maßnahmen“ zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht zu ergreifen, die danach vor allem dem Gewässerschutz Rechnung tragen müssen.45 Nach Ansicht des OVG blieben die von der Gemeinde geplanten dezentralen Anlagen jedoch ebenso wie die vorgesehenen Kleinkläranlagen „was ihr Umweltschutzniveau anbelangt, deutlich hinter demjenigen einer Kanalisation“ zurück, es würde nicht einmal ein „einer Kanalisation gleichwertiges Umweltschutzniveau“ erreicht. Das Konzept scheiterte letztlich aus Gründen des Gewässerschutzes. Das aber heißt im Umkehrschluss: Wenn ein kommunales Abwasserentsorgungskonzept mit dezentralen Elementen angesichts der spezifischen örtlichen Gegebenheiten nachweisbar einem zentralen Entsorgungskonzept mittels Kanalisation in umweltrechtlicher Hinsicht zumindest gleichwertig ist und zusätzliche – demografische und / oder finanzielle – Gründe gegen ein rein zentrales Entsorgungskonzept sprechen, wird sich das semi-zentrale bzw. dezentrale Konzept gegenüber dem zentralen Konzept durchsetzen. Nichts anderes gilt, wenn solche flexiblen semi-zentralen oder dezentralen Konzepte einem rein zentralen Entsorgungskonzept aus Gründen des Umweltschutzes sogar überlegen sind.
VII. Einwohnerperspektive Ändert die Gemeinde ihr Entsorgungskonzept und beabsichtigt, zumindest in bestimmten Gemeindeteilen die bisherige zentrale Entsorgung zugunsten einer semizentralen oder dezentralen Entsorgung (insb. für Niederschlagswasser) einzustellen, ergeben sich für die Einwohnerinnen und Einwohner Veränderungen.
OVG NW, ZUR 2013, 547 (549). OVG NW, ZUR 2013, 547, (551); vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 14. 01. 2009 – 8 B 37.08, Juris, und Beschl. v. 19. 12. 1997 – 8 B 234 / 97, NVwZ 1998, 1080. 44 OVG NW, ZUR 2013, 547 (550). 45 OVG NW, ZUR 2013, 547 (551). 42 43
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1. Änderung des Entsorgungskonzepts und (teilweiser) Wegfall zentraler Entsorgung Die ökologisch und oder demografisch motivierte Änderung eines Entsorgungskonzepts steht nicht im Widerspruch zu den Regelungen der §§ 14, 10 SächsGemO. Denn bereits ein Anspruch auf Aufrechterhaltung (oder Erweiterung) einer bestehenden öffentlichen Einrichtung lässt sich daraus regelmäßig nicht herleiten. 46 Zwar könnte sich die Frage stellen, ob durch eine jahrelange etablierte zentrale Entsorgung im Rahmen eines gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwangs nicht eine Art „Bestandsschutz“ der betroffenen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer i. S. v. Art. 14 GG („Eigentumsfreiheit“) geschaffen wird, der den späteren „Entzug“ der zentralen Versorgung als unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 14 GG erscheinen lassen könnte.47 Dagegen spricht jedoch bereits, dass der Bestandsschutz in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich ausfällt und gerade im Hinblick auf den Umweltschutz in der Regel solchen gesetzlichen Vorschriften nicht entgegen steht, „die die Umwelt belastende Nutzung von Eigentum verbieten oder beschränken“.48 Daher muss ein dem Baurecht vergleichbarer passiver Bestandsschutz weder im Immissionsschutzrecht49 noch im hier interessierenden Wasserrecht50 gewährt werden. Im Übrigen spricht dagegen, dass der Anschluss- und Benutzungszwang selbst einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff in Art. 14 GG darstellt („Inhaltsund Schrankenbestimmung“). Dieser findet mit Blick auf die öffentliche Abwasserentsorgung regelmäßig seine Rechtfertigung in den verfassungsrechtlich geschützten Interessen Entsorgungssicherheit, Gewässerschutz, Trinkwasserschutz („Volksgesundheit“), Umweltschutz (Art. 20a GG) und entsprechenden Schutzpflichten des Staates aus Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG („körperliche Unversehrtheit“, „Leben“, „existentielle sanitäre Grundversorgung“ i. S. d. Grund- und Menschenrechts auf Wasser51). Gerade darin liegt neben dem Interesse an einer solidarischen Finanzierung der Infrastruktur als Ausfluss der Bindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG, das nach § 14 Abs. 1 SächsGemO erforderliche „öffentliche Bedürfnis“, das den Anschluss- und Benutzungszwang überhaupt ermöglicht. Entfällt jedoch die Rechtfertigung für den Anschluss- und Benutzungszwang und für den damit einhergehenden Grundrechtseingriff in Art. 14 GG, so ist der Eingriff zu unterlassen, der Anschluss- und Benutzungszwang folglich aufzuheben. Angesichts der dann eintretenden Änderung der Eigentumsnutzung durch die Umstellung auf ein neues Selbstentsorgungsmodell entfallen die Benutzungsgebühren für die 46 47 48 49 50 51
Vgl. VG Gießen, Beschl. v. 26. 08. 2008 – 8 L 1642 / 08.GI, Juris, Rn. 23. Zum Bestandsschutz vgl. Jarass / Pieroth (2014), Art. 14 Rn. 59 m. w. N. BGHZ 99, 262 (269); Jarass / Pieroth (2014), Art. 14 Rn. 61. BVerwGE 65, 313 (317); BGHZ 99, 262 (268). BGHZ 140, 291 f.; BVerwG, NJW 1978, 2311 f.; Jarass / Pieroth (2014), Art. 14 Rn. 61. Laskowski (2010), S. 540 f., S. 835 f.
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zentrale Abwasserentsorgung des Grundstücks, so dass insoweit eine finanzielle Entlastung eintritt. Das neue Modell ist jedoch mit anderen (finanziellen) Belastungen für die Betroffenen verbunden, so dass die Umgestaltung unter sorgfältiger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen muss. Bei einer Umgestaltung der Versorgungsstrukturen erscheint es daher ratsam, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für die betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner schonende Übergangsregelungen zu treffen.52 Ob darüber hinaus auch Ausgleichszahlungen erforderlich werden, bleibt der Einzelfallprüfung vorbehalten.53 2. Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang Anders gelagert sind diejenigen Sachverhalte, in denen die Einwohnerinnen und Einwohner gegenüber der Gemeinde eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zugunsten einer individuellen (dezentralen) Entsorgungslösung – aus ökologischen und / oder wirtschaftlichen Gründen – begehren. Betrachtet man dazu die einschlägigen Judikate, so zeigt sich die Rechtsprechung bislang eher restriktiv. Befreiungsansprüche werden häufig aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes („Volksgesundheit“) und zwecks Sicherung einer solidarischen Kostenverteilung verneint.54 Danach können Gemeinden, die sich für ein zentrales Abwasserbeseitigungskonzept entschieden haben, einen Anschluss- und Benutzungszwang für Anlagen zur Ableitung und Reinigung von Abwasser grundsätzlich auch für solche Grundstücke vorschreiben, die über eine Kleinkläranlage verfügen.55 Dies soll selbst dann gelten, wenn landesrechtliche Regelungen die Gemeinden von der Abwasserbeseitigungspflicht befreien (s. o. zu § 50 Abs. 3 – 5 SächsWG), da darin keine die Bürgerinnen und Bürger schützenden („drittschützenden“) Bestimmungen gesehen werden.56 Dies soll nach der Rechtsprechung auch in Hinblick auf die Ausnahmeregelung in Art. 3 der Kommunalabwasser-Richtlinie 91 / 271 / EWG gelten 57, und auch unter Beachtung des Art. 20a GG.58
Vgl. BVerfGE 58, 300 (351); 71, 137 (144); BVerwGE 81, 49 (55). Schonende Übergangsregelungen können in bestimmten Fällen selbst gravierende Eigentumsbeschränkungen ohne finanziellen Ausgleich rechtfertigen, vgl. Jarass / Pieroth (2014), Art. 14 Rn. 46 f. 54 BVerwG, Beschl. v. 19. 12. 1997 – 8 B 234 / 97, ZfW 1998, 494, 495; SächsOVG, U. v. 16. 10. 2007 – 4 B 507 / 05, NJ 2008, 187, 188; SächsOVG, Beschl. v. 08. 08. 2007 – 4 B 321 / 05, ZUR 2008, 537. 55 BVerwG, NVwZ 1998, 1080; SächsOVG, NJ 2008, 187, 188; SächsOVG, Beschl. v. 8. 8. 2007 – 4 B 321 / 05. 56 Vgl. VG Köln U. v. 23. 09. 2008 – 14 K 2393 / 06, Juris Rn. 23 („dezentrale Kanalisation durch Einzelklärgruben“). 57 Vgl. VG Köln U. v. 23. 09. 2008 – 14 K 2393 / 06, Juris Rn. 25. 58 Vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1080. 52 53
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Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei dem Instrument des Anschluss- und Benutzungszwangs um einen belastenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, dessen tatbestandliche Voraussetzungen grundsätzlich sowohl bei seinem Erlass als auch in der Folgezeit vorliegen müssen. Daher müssen auch Änderungen der Sachund Rechtslage berücksichtigt werden, weil sich Dauerverwaltungsakte nicht auf ein einmaliges Handlungsgebot beschränken („fortwährender Regelungsgehalt“). 59 Entfallen die tatbestandlichen Voraussetzungen und wird der den Anschluss- und Benutzungszwang anordnende Verwaltungsakt später rechtswidrig, so ist er aufzuheben. Allerdings führt nach der Rechtsprechung ein Mangel des Abwasserbeseitigungskonzepts nicht zur Rechtswidrigkeit von Satzungsregelungen, die den Anschluss- und Benutzungszwang für Anlagen zur Ableitung und Reinigung von Abwasser vorschreiben.60 Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung lassen jedoch inzwischen erkennen, dass eine ökologisch-nachhaltige Perspektive im Bereich der Abwasserentsorgung langsam an Gewicht gewinnt.61 So können nach einer Entscheidung des SächsOVG aus dem Jahre 2007 gerade die Umweltstandards einer dezentralen Anlage durchaus zur Annahme eines atypischen Falls und damit zur Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führen, wenn der Umweltstandard der dezentralen Anlage über dem der zentralen Anlage liegt.62 Dabei soll es darauf ankommen, dass die dezentrale Anlage bereits vorhanden war, bevor eine zentrale öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung errichtet wurde. Nicht ausreichen soll jedoch der Einwand, das kommunale Abwasserbeseitigungskonzept sei ökologisch verfehlt und eine dezentrale Konzeption ökologisch geeigneter. 63 Diese Rechtsprechung zielt bereits auf eine ökologisch-nachhaltige Abwasserbeseitigung, sie bleibt jedoch angesichts der weitgehenden Einschränkungen (noch) hinter dem normativen Konzept der ökologisch-nachhaltigen Abwasserbeseitigung (s. o. D.) zurück. Es ist aber zu erwarten, dass die Rechtsprechung künftig dem nachhaltigen Umwelt- und Ressourcenschutz auch im Rahmen der Abwasserentsorgungskonzepte stärkeres Gewicht einräumen wird.64
59 BVerwG, NJW 1988, 2056; NdsOVG, NVwZ 1993, 1017; OVG NW, NVwZ-RR 1994, 174; Kopp / Schenke (2012), § 113 Rn. 43. 60 SächsOVG, U. v. 18. 12. 2007 – 4 B 541 / 05, Juris Rn. 28. 61 Vgl. auch OVG NW, ZUR 2013, 547 (551). 62 SächsOVG, Beschl. v. 08. 08. 2007 – 4 B 321 / 05, Juris Rn. 7; s. auch BayVGH, Beschl. v. 02. 04. 2014 – 4 ZB 13.2496 („Anspruch auf Befreiung v. ABZ, geänd. Abwasserkonzept, Aufwendungen für Kleinkläranlage“), Juris. 63 SächsOVG, Beschl. v. 08. 08. 2007 – 4 B 321 / 05, Juris Rn. 7; OVG Bbg, U. v. 31. 07. 2003 – 2 A 316 / 02, ZfW 2004, 232; vgl. auch Laskowski (2008), S. 527 ff. 64 Vgl. Laskowski / Ziehm (2014), § 5 Rn. 83 ff.; s. auch Scheidler, BayVBl. 2008, 166 ff.
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VIII. Ökologisch-nachhaltige Abwasserentsorgung und Trinkwasserschutz Eine ökologisch-nachhaltige Abwasserentsorgung wirkt sich schließlich auch auf die Trinkwasserversorgung aus. Denn sie dient dazu, die menschliche Gesundheit vor den nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreinigung von Wasser ergeben, das für den menschlichen Gebrauch bestimmt ist, zu schützen und entspricht damit der Zielsetzung des § 1 TrinkwasserVO. Die TrinkwasserVO zielt darauf, die öffentliche Trinkwasserversorgung möglichst ohne den Einsatz von Aufbereitungsstoffen und Desinfektionsverfahren (§§ 11, 12 i. V. m. Anlage 6) zu sichern. Dies erfordert vor allem einen nachhaltigen Schutz der Grund- und Oberflächengewässer vor Verunreinigung durch Schmutzwasser.
IX. Gemeindliche Erschließungslast Die gemeindliche Entschließungslast gem. § 123 BauGB steht dezentralen Entsorgungskonzepten nicht entgegen. Inhalt und Umfang der gemeindlichen Erschließungspflicht nach § 123 Abs. 2 BauGB sind eng mit dem näher zu definierenden Begriff der Erschließungsanlage verbunden. Der Begriff „Erschließung“, der alle im Erschließungsgebiet liegenden Grundstücke erfasst, wird vom BauGB nicht definiert. Allerdings ergibt sich aus § 127 Abs. 4 BauGB, dass Anlagen zur Abwasserentsorgung den in § 127 Abs. 1 BauGB genannten Anlagen gleich gesetzt werden. Sie sind folglich dem Begriff der Erschließungsanlagen zuzurechnen. Eine weitere Konkretisierung ist damit jedoch nicht verbunden,65 so dass der Begriff prinzipiell auch für Erschließungskonzepte mit dezentralen Erschließungsmodellen offen ist. Da die Erschließungsanlagen gem. § 123 Abs. 2 BauGB ausdrücklich „kostengünstig“ erstellt werden sollen, um eine aus Sicht der Gemeinde möglichst wirtschaftliche Erschließung zu gewährleisten66, ließe sich hier ein weiterer Anknüpfungspunkt für Erschließungskonzepte mit dezentralen Elementen finden, sofern die Wirtschaftlichkeit der Erschließung gerade durch eine solche Konzeption gesichert wird. Im Übrigen ermöglicht § 124 BauGB, im Rahmen eines Erschließungsvertrages privaten Dritten die Erschließung zu übertragen. Durch diesen öffentlich-rechtlichen Vertrag entfällt die gemeindliche Erschließungslast gem. § 123 Abs. 1 BauGB jedoch nicht67 – also keine Form der „materiellen Privatisierung“. Durch den Einbezug Privater in die Durchführung der Entschließung – eine Form der „funktionalen 65 Ausgenommen werden jedoch – mit Blick auf Erschließungsanlagen zur Abwasserentsorgung – Kläranlagen, die allein der Beseitigung von Niederschlagswasser dienen, vgl. BVerwG, NVwZ 1987, 143. 66 Rechtsansprüche Dritter gegenüber der Gemeinde auf eine möglichst kostengünstige Erschließung lassen sich daraus indes nicht herleiten, vgl. Jaeger (2013), § 123 Rn. 16. 67 Vgl. BVerwG, NJW 1976, 819; Jaeger (2013), § 124 Rn. 1.
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Privatisierung“ – trifft sie eine „Regimeentscheidung“, indem sie sich gegen die öffentlich-rechtliche Refinanzierung der Kosten für die Herstellung einer Erschließungsanlage durch Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB entscheidet. Denn durch die Übertragung der Erschließung entfallen sowohl die Vorfinanzierung durch die Gemeinde als auch die Nachfinanzierung über die klassische Form der Erhebung von Beiträgen, da der Gemeinde kein Erschließungsaufwand entsteht. Als Vertragspartnerinnen und Vertragspartner der Gemeinde kommen neben privaten Unternehmen als Erschließungsträger auch die Eigentümerinnen und Eigentümer der zu erschließenden Grundstücke in Betracht. Folglich steht die kommunale Erschließungspflicht gem. § 123 Abs. 1 BauGB flexiblen wasserwirtschaftlichen Entsorgungskonzepten nicht entgegen; erforderlich sind jedoch auf einander abgestimmte Konzepte.
X. Fazit und Ausblick Das 2010 novellierte WHG und das novellierte SächsWG enthalten bereits Anknüpfungspunkte für flexiblere kommunale Abwasserentsorgungskonzepte, die umweltrechtskonform und langfristig planend auf den anhaltenden Wandel der Lebensbedingungen reagieren. Hervorzuheben ist, dass das SächsWG bereits den demografischen Wandel und die nur eingeschränkte finanzielle Belastbarkeit der Bevölkerung in die gewässerschützenden Vorschriften einbezieht. Diese Regelungen zielen auf ökologisch-nachhaltige Abwasserentsorgungssysteme, die bei der Erfüllung der kommunalen Daseinsvorsorgeaufgabe „Abwasserbeseitigung“ im Rahmen des Kommunalrechts durch die Kommunen zu beachten ist. Zur Etablierung flexibler kommunaler Entsorgungskonzepte, die adäquat auf ökologische und demografische Veränderungsprozesse reagieren können, aber auch zur Stärkung des eigenverantwortlichen Engagements der lokalen Bevölkerung, bedarf es zudem einer Anpassung der satzungsrechtlichen Regelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang. Erforderlich wird eine Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten, die auch vollständige Befreiungen aus Gründen des Umwelt- und Ressourcenschutzes unter Berücksichtigung des demografischen Wandels einschließt („ökologisch-nachhaltige Abwasserentsorgung“). Der Klarheit würde sicherlich eine Regelung in den Gemeindeordnungen dienen, z. B. in Form einer Ergänzung des § 14 Abs. 1 SächsGemO – etwa eine Regelung, wonach ein „öffentliches Bedürfnis“ i. S. v. § 14 Abs. 1 SächsGemO dann „nicht besteht, wenn Belange des Umwelt- und Ressourcenschutzes entgegenstehen“. Dies würde § 14 Abs. 1 SächsGemO, der schon jetzt nach seinem Wortlaut richtigerweise auf „dem Umweltschutz dienende Anlagen“ abstellt, sinnvoll ergänzen. Es wäre nur konsequent, wenn eine zusätzliche Ergänzung regeln würde, „dass Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang insbesondere aus Gründen des Umweltund Ressourcenschutzes zulässig sind“. Schließlich erscheint unter dem Aspekt „Good Water Governance“ eine rechtliche Stärkung der demokratischen Partizipa-
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tion der Bevölkerung „vor Ort“ zielführend, um Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sozial-ökologische Entsorgungskonzepte gegenüber der für die Abwasserentsorgung zuständigen Gemeinde (Zweckverband, Wasserverband) anzustoßen und einzufordern; hilfreich wäre sicherlich auch ein gesetzlicher Anspruch auf (Teil-) Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des Umwelt- und Ressourcenschutzes.
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Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Abwasserinfrastrukturen – eine integrierte Betrachtung lokaler und regionaler Entwicklungsperspektiven Von Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz
I. Einleitung Lokale und regionale demografische Veränderungen, Siedlungsentwicklung sowie die Nutzung und Entwicklung von Abwasserinfrastrukturen sind in hohem Maße miteinander verbunden. Zahlreiche Forschungsarbeiten der letzten Jahre haben gezeigt, welche Herausforderungen aus dem demografischen Wandel, aber auch aus wirtschaftsstrukturellen und klimatischen Veränderungen für die Infrastruktursysteme resultieren, insbesondere im Hinblick auf die Kostenfolgen.1 Deutlich wird dabei, dass bei einer abnehmenden Nutzung der Abwasserinfrastrukturen die Kosten nicht im gleichen Maße sinken wie die Nachfrage. Dieses Phänomen wird als Remanenzkosteneffekt bezeichnet und ist als eine zentrale Problemlage der Infrastrukturkosten unter den sich wandelnden demografischen Voraussetzungen zu sehen. Um die lokale und regionale Standortattraktivität zu sichern, sind hochwertige und zugleich finanzierbare Infrastrukturen unerlässlich. Erforderliche, schrumpfungsbedingte Gebührensteigerungen sind deshalb von besonderer Brisanz in den Kommunen. Vor diesem Hintergrund muss den Abwasserinfrastrukturen in der Stadtentwicklung mehr Beachtung geschenkt werden.2 Die Siedlungsplanung kann durch kostensparende Raum- und Siedlungsstrukturen unnötige Mehrbelastungen und Anpassungen bei den Infrastruktursystemen vermeiden. Umgekehrt muss die Infrastrukturplanung die räumlichen Entwicklungen stärker in den Blick nehmen. Die erforderliche integrierte Betrachtungsweise und Abstimmung von Raum- und Infrastrukturplanung findet in der Regel noch nicht in ausreichendem Maße statt. Wissen über die Zusammenhänge zwischen Bau- und Siedlungsstruktur und Infrastrukturkosten oder konkrete Handlungshilfen können für eine integrierte Planung eine nützliche Hilfestellung bieten. Bestehende Ansätze konzentrieren sich bislang 1 Siehe unter anderem Schiller / Siedentop (2005); Siedentop et al. (2006); Dittrich-Wesbuer et al. (2010a); Hillenbrand et al. (2010); Dittrich-Wesbuer / Mayr (2013). 2 Siehe unter anderem Dittrich-Wesbuer et al. (2010b); Klemme / Selle (2010); Schiller (2010); Libbe et al. (2010).
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jedoch meist auf neu zu planende Wohngebiete und nur selten auf andere Nutzungen oder Herausforderungen, die im Siedlungsbestand und im Bereich der bereits verbauten Infrastrukturen zu erwarten sind. Der vorliegende Beitrag stellt Interdependenzen von Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung vor dem Hintergrund demografischer Veränderungen dar. Neben den zu erwartenden Auswirkungen auf die Kostenbelastung werden bestehende und neue Ansätze zur besseren Integration von Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung aufgezeigt.
II. Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Infrastruktur Die grundlegenden Trends des demografischen Wandels – ausgedrückt in der gängigen Kurzformel „weniger, älter, bunter“ – sind bekannt und Gegenstand vieler Forschungsarbeiten. Sie konstatieren übereinstimmend eine erhebliche Brisanz des demografischen Wandels für die Infrastruktur, insbesondere in der Überlagerung der Teilprozesse. Allerdings beschränken sich die Aussagen zu oft auf pauschale und räumlich nur grob differenzierte Betrachtungen, die sich für die konkrete Entwicklung der Abwasserinfrastruktur auf der kleinräumigen Ebene als zu ungenau erweisen. Zudem ist in einzelnen Teilbereichen ein erhebliches Wissensdefizit festzustellen, was in den Diskussionen zu wenig beachtet wird.
1. „Weniger“ – lokal und regional heterogene Entwicklung Zentrales Kennzeichen des demografischen Wandels ist die abnehmende Bevölkerungszahl. Die Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahrzehnte und die derzeit gültigen Prognosen der künftigen Entwicklungen zeigen, dass die Einwohnerzahl in Deutschland im Jahr 2002 mit 82,5 Millionen Einwohnern einen Maximalwert erreicht hat und seitdem rückläufig ist. Es wird trotz derzeit steigender Einwanderungszahlen insgesamt ein Rückgang auf etwa 70 Millionen Einwohner bis zum Jahr 2060 erwartet (siehe Abbildung 1). Für die Abwasserwirtschaft bedeutet das: Bereits bis Mitte des Jahrhunderts muss selbst im positiven Szenario von einem Rückgang der Nutzerzahl vorhandener Abwasserinfrastrukturen um zehn Prozent ausgegangen werden. Die Auswertung der Bevölkerungsverluste als Gesamtbetrachtung für Deutschland vermittelt nur einen ersten Eindruck über die zu erwartenden Folgen des demografischen Wandels. Weitaus entscheidender für die Abwasserinfrastrukturen sind die Entwicklungen auf kleinräumiger Ebene und die dort wirksam werdenden Veränderungen, die sich äußerst heterogen gestalten. In Abbildung 2 wird beispielhaft für Nordrhein-Westfalen die Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Kommunen dargestellt. So zeigen sich gerade im Nordosten, im Osten und in der Mitte des
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Quelle: eigene Darstellung (Datengrundlage: Statistisches Bundesamt (www.genesis.destatis.de)).
Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 2000 – 2060
Landes überwiegend rückläufige Bevölkerungszahlen, während andere Regionen noch überwiegend von Wachstum geprägt waren. Es wird deutlich, dass sich keine eindeutigen Muster herauskristallisieren. Die derzeit intensiv geführte Debatte um Metropolen und Großstädte als neue „Gewinner“ und dem ländlichen Raum als „Verlierer“ der Bevölkerungsentwicklung kann somit in Nordrhein-Westfalen allenfalls als grobe Trendaussage Gültigkeit beanspruchen. In der differenzierten Betrachtung sind sehr konträre Entwicklungen von Großstädten gleicher Größenordnung zu verzeichnen. Wachsende und schrumpfende Kommunen liegen oftmals unmittelbar nebeneinander. Heterogen ist auch die kleinräumige Entwicklung innerhalb von Einzelstädten, wie hier am Beispiel der wachsenden Stadt Düsseldorf und der schrumpfenden Stadt Dortmund dargestellt (vgl. Abbildung 2). Trotz der unterschiedlichen Entwicklungspfade sind in beiden Städten wachsende und schrumpfende Quartiere vorzufinden. Für die Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung bedeutet dies, dass gerade in wachsenden Räumen neue Siedlungsflächen und Infrastrukturen geschaffen werden, während in schrumpfenden Quartieren die vorhandenen Siedlungsstrukturen und Abwasserinfrastruktursysteme nicht mehr vollständig ausgelastet sind. Das Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung ist einer der Gründe für die anhaltende Inanspruchnahme von Flächen und den stetigen Ausbau der Kanalnetze, wie in Abbildung 3 nachgezeichnet ist. Während zwischen 1998 und 2010 in Deutschland die Bevölkerungszahl um etwa 285.000 Einwohner sank, wurden im
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Abbildung 2: Nebeneinander von Bevölkerungswachstum und -schrumpfung in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf und Dortmund
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gleichen Zeitraum täglich circa 107 Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche neu in Anspruch genommen. Das entspricht einem Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche um rund 11%. Das Abwasserkanalnetz hat im selben Zeitraum sogar um 26% zugenommen, was circa 115.000 km Leitungslänge entspricht. Damit ist der Erschließungsaufwand für die Abwasserentsorgung von 1998 bis 2010 von 5,4 m je Einwohner um 26 % auf 6,9 m gestiegen.3 Konsequenz der beständigen Ausweitung des Siedlungsraumes und des Ausbaus der Infrastrukturnetze bei gleichzeitig negativer Bevölkerungsentwicklung ist ein fortdauernder Anstieg des Erschließungsaufwandes.
Quelle: eigene Darstellung und Berechnung (Datengrundlagen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (www.regionalstatistik.de)).
Abbildung 3: Entwicklung von Einwohnerzahl, Abwasserkanalnetz und Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland
2. „Älter“ – starke Veränderung der Bevölkerungsstruktur mit Folgen für den Siedlungs- und Infrastrukturbestand Die Alterung der Bevölkerung ist der zweite große Trend des demografischen Wandels, der im Gegensatz zum Bevölkerungsrückgang alle Räume betrifft, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Die schon seit Jahrzehnten rückläufigen Gebur3 Eigene Berechnungen, Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (www.regionalstatistik.de).
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tenzahlen und die gleichzeitig steigende Lebenserwartung haben dazu geführt, dass sich das Verhältnis der älteren zur jüngeren Bevölkerung deutlich verändert hat. Abbildung 4 zeigt die derzeitige Altersstruktur sowie deren Prognose für die Bundesrepublik. Es fällt auf, dass den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er Jahre keine entsprechend personenstarken jüngeren Jahrgänge gegenüberstehen. Während die Zahl der Menschen der Generation 60+ von 2010 bis 2060 um ein Viertel zunehmen wird, wird die Gruppe der „Familiengründer“ um fast ein Drittel kleiner sein. Die Zahl der Menschen in der (möglichen) Familiengründungsphase unterliegt damit einem drastischen Rückgang.
Quelle: eigene Darstellung und Berechnung (Datengrundlage: Statistisches Bundesamt (www-genesis. destatis.de), Mittlere Variante der Vorausberechnung 2009, Mittelwerte der Ober- und Untergrenze).
Abbildung 4: Veränderung der Altersstruktur und Wohnungsnachfragesegmente in Deutschland 2010, 2035 und 2060
Diese Verschiebung der Altersstruktur und die damit zusammenhängende Zunahme kleinerer Haushalte verschlechtern die Voraussetzungen einer effizienten Infrastrukturvorhaltung, indem das Verhältnis der Infrastrukturmenge zur Nachfrage (dichte) ungünstiger wird. Dies ist für einzelne Siedlungsbestände besonders evident: Die Einfamilienhausgebiete der 1960er und 1970er Jahre sind hier ein derzeit viel diskutiertes Beispiel.4 Durch den starken Rückgang der Nachfragegruppe der Familiengründer, aber auch durch geänderte Ansprüche an Gebäude und Quartiere,
4
Vgl. u. a. Berndgen-Kaiser et al. (2012).
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bleibt der zum Erhalt von Siedlungsbeständen notwendige Generationswechsel häufig aus; dies gilt insbesondere für Räume mit stagnierender oder rückläufiger Bevölkerungszahl. Aber auch in Regionen mit noch zunehmender Bevölkerungszahl darf diese Entwicklung nicht unterschätzt werden, zumal in diesen Gebieten auch wachsende Notwendigkeiten in der Instandhaltung und Erneuerung der meist schon mehrere Jahrzehnte alten Abwasserinfrastruktur zu verzeichnen sind. Ein besonderer Handlungsdruck ist gerade dort zu erwarten, wo sich ein hoher Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern der Nachkriegszeit und ein hoher Anteil älterer Menschen räumlich überlagern (siehe Abbildung 5).
Quelle: geänderte Darstellung nach Dittrich-Wesbuer et al. (2010b), S. 4.
Abbildung 5: Anteil von Einfamilienhäusern und Altenquotient in den Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen
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3. „Bunter“ – Wissenslücken im demografischen Wandel Die Ausdifferenzierung der Gesellschaft – das Bunterwerden – ist als dritter Trend des demografischen Wandels zu nennen. Neben der zunehmenden Internationalisierung der Gesellschaft wird hierunter vor allem eine Ausdifferenzierung der Lebensstile verstanden. Waren noch Mitte des 20. Jahrhunderts die klassische Familienbiographien in Form des verheirateten Zusammenlebens mit durchschnittlich rund zwei Kindern in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet, 5 so nahm in den letzten Jahrzehnten die Pluralisierung von Familien- und Haushaltsformen zu. Treiber dieser Entwicklung sind vor allem die Veränderungen in der Arbeitswelt, die u. a. mit steigenden Mobilitätsanforderungen und häufigeren Wechseln des Arbeitsplatzes und Arbeitsortes einhergehen sowie durch zunehmende Frauenerwerbstätigkeit gekennzeichnet sind.6 Die Relevanz des Bunterwerdens für die Abwasserwirtschaft liegt hier zunächst nicht auf der Hand, ist aber gerade vor dem Hintergrund sehr langfristiger Planungszeiträume von Bedeutung. So führt die zunehmende Ausdifferenzierung der Lebensstile zu Veränderungen der Wohnstandortwahl sowie der gewünschten Qualitäten von Wohnungen und Umfeld und hat hierüber Einfluss auf die Infrastruktursysteme. Eine erhöhte Nachfrage nach flexibleren Wohnformen, der Trend zur Zweitwohnung, veränderte Ansprüche an die Wohnungszuschnitte durch geringere Haushaltsgrößen wie auch eine wachsende Zahl von Single-Haushalten können in diesem Zusammenhang als Beispiele angeführt werden. Hervorzuheben ist, dass die quantitativ und qualitativ veränderte Nachfrage vielerorts nicht durch die bestehende Bestandstruktur gedeckt werden kann. Daher wird auch in schrumpfenden Räumen mit größerem Wohnungsüberhang die Entwicklung neuer Wohnungsangebote erforderlich bleiben, um den skizzierten qualitativen Neubaubedarf zu decken, was sich wiederum auf den Flächenverbrauch und die Leitungslängen auswirkt. 7 Bislang sind nur wenig aussagekräftige Voraussagen über den Wandel der Lebensstile und die zukünftigen Entwicklungen verfügbar, die sich zudem z. T. deutlich widersprechen. Hält der Trend zum Wohnen in den Städten an? Wie wird sich unser Verbrauchsverhalten auch vor dem Hintergrund einer Verknappung von Ressourcen verändern? Sicher scheint allerdings, dass deutliche Veränderungen in der Infrastrukturnachfrage auftreten werden und die Resilienz der Abwassernetze auf dem Prüfstand steht.
5 6 7
Vgl. Pötzsch (2012), S. 14. Vgl. Dittrich-Wesbuer et al. (2010c); Häußermann et al. (2012). Vgl. Empirica ag (2010).
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III. Kosten der Abwasserinfrastruktur im demografischen Wandel Die dargestellten demografischen Entwicklungen können sich in unterschiedlicher Form auf Infrastrukturkosten auswirken. Dafür müssen die Teilprozesse gemeinsam betrachtet und ihre Überlagerungen sowie kleinräumig variierenden Ausprägungen berücksichtigt werden. Für das Verständnis der Folgewirkungen sind dabei die bestehenden Kostenstrukturen der Abwasserinfrastrukturen von erheblicher Bedeutung. 1. Dominanz fixer Kosten Die Kosten der Stadtentwässerung werden durch verbrauchsunabhängige Kosten dominiert. Nach Angaben der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) können rund zwei Dritteln aller Kosten als verbrauchsunabhängige Kosten gelten.8 Andere Untersuchungen gehen für die Abwasserbeseitigung von einem Fixkostenanteil zwischen 75% und 85% aus.9 Alleine auf Investitionen und die zugehörigen Zinsen entfallen fast die Hälfte aller Kosten (vgl. Abbildung 6). Daneben sind auch die Personalkosten weitgehend unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Systeme.
Quelle: eigene Darstellung (Datengrundlage: DWA (2011), S. 4).
Abbildung 6: Kostenstruktur der Abwasserbeseitigung in Deutschland 2011 8 9
Vgl. DWA (2011), S. 4. Vgl. Sander (2003), S. 235.
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Ein weiteres Drittel der Kosten ist grundsätzlich als variabel bzw. verbrauchsabhängig zu beschreiben. Dabei handelt es sich um Kosten, die im Wesentlichen mit dem Betriebsaufwand für die Abwasserableitung und -aufbereitung im Zusammenhang stehen. Auch diese Kosten können allerdings nicht äquivalent zu den rückläufigen Nutzerzahlen und Abwassermengen gesenkt werden. Hintergrund sind die notwendigen Betriebsaufwände zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Netzes, wie etwa Spülungen zur Beseitigung vermehrter Ablagerungen oder erhöhte Kosten der Abwasserreinigung durch zunehmende Belastungen mit Arzneimittelrückständen infolge der veränderten Altersstruktur.10 Darüber hinaus sind aufgrund klimatischer Veränderungen vielerorts zusätzlich investive Anpassungsmaßnahmen erforderlich, um eine zeitweise Überlastung der Systeme zu verhindern (z. B. Zwischenschaltung eines Regenüberlaufbeckens, Umleitung des Wassers). Deutliche Kosteneinsparungen aufgrund rückläufiger Einwohnerzahlen sind im Bereich der verbrauchsabhängigen Kosten deshalb nicht zu erwarten. Die erforderliche Anpassung der Netze und damit die Senkung der verbrauchsunabhängigen Kosten werden vor allem durch zwei Faktoren erschwert. Zum einen bilden die Abwassernetze sowie für den Betrieb und die Klärung erforderliche Einrichtungen in den deutschen Städten und Gemeinden ein enormes Anlagevermögen. Die DWA schätzte den Wiederbeschaffungswert der Kanalisation in Deutschland auf 687 Milliarden Euro11, das entspricht rund 8.400 Euro je Einwohner. Aufgrund der hohen Investitionskosten und der angestrebten langen Nutzungsdauern werden auch die Abschreibungen über entsprechend lange Zeiträume vorgenommen. Zum anderen wird ein Systemwechsel durch die Pfadabhängigkeiten im Abwassernetz selber, aber auch durch die Abhängigkeiten zwischen Siedlungsraum und Infrastruktur erschwert. So sind bauliche Anpassungen gerade bei dispersen Schrumpfungsprozessen problematisch, wenn der Anschluss der Nutzer am zentralen System gewährleistet werden soll. Umbaumaßnahmen müssten vor allem an den Netzenden ansetzen. Gerade diese Bereiche am Siedlungsrand weisen vielerorts die jüngste Bebauung und das geringste Alter der Kanäle auf. Anpassungen des Netzes sind damit insgesamt sind nur sukzessive und sehr langfristig möglich. Strategisch angegangen werden müssen sie jedoch bereits heute (vgl. hierzu Kapitel V.).
2. Steigende Pro-Kopf-Kosten Können die Kosten nicht im gleichen Maße gesenkt werden wie die Nachfrage, so wird vom Remanenzkosteneffekt gesprochen. Dieser Effekt betrifft alle kommunalen Infrastrukturen, besitzt aber bei der Abwasserinfrastruktur eine besondere Brisanz. In Abbildung 7 wird die Schere, die sich zwischen den Kosten der Stadtentwässerung und der Einwohnerentwicklung öffnet, am Beispiel eines Einfami10 11
Vgl. Hillenbrand et al. (2010), S. 189, S. 210. Vgl. Berger / Falk (2009), S. 11.
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lienhausgebietes der 1960er und 1970er Jahre dargestellt. Berücksichtigt wurden dabei quartiersintern anfallende Kosten für Bau, Instandhaltung und Betrieb der Kanalisation. Für die inzwischen in die Jahre gekommenen Kanäle muss mit zunehmenden Instandhaltungsmaßnahmen gerechnet werden, während für die Einwohnerzahl eine weiterhin rückläufige Entwicklung zu erwarten ist. In der Folge laufen die Bevölkerungszahl und die Kosten auseinander. Aus den in der Summe nur geringfügig steigenden Gesamtkosten resultiert vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen ein deutlicher Anstieg der Pro-Kopf-Kosten um 27 % innerhalb von 25 Jahren. Aus Sicht der Stadtentwässerung sind neben den steigende Pro-Kopf-Kosten auch sinkende Einnahmen von Relevanz. In der Konsequenz müssen die Gebühren angehoben werden, wovon alle Nutzer im Stadtgebiet betroffen sein werden.
Quelle: eigene Darstellung nach Dittrich-Wesbuer et al. (2012), S. 53 f.
Abbildung 7: Entwicklung der quartiersinternen Kosten für die Abwasserinfrastruktur am Beispiel eines Einfamilienhausgebietes der 1960er und 1970er Jahre
IV. Bau- und siedlungsstrukturelle Einflüsse auf die Kosten der Abwasserinfrastruktur Die Problematik der steigenden Pro-Kopf-Kosten im demografischen Wandel trifft insbesondere in der längerfristigen Betrachtung nahezu alle Räume in Deutsch-
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land. Allerdings ist die konkrete Kostenentwicklung auch mit der jeweiligen Charakteristik der Bebauungs- und Siedlungsstruktur verknüpft.12 Dieser Zusammenhang ist bei den technischen Netzen aufgrund der direkten physischen Verbindung der Nutzer mit den Netzinfrastrukturen höher als für Punktinfrastrukturen wie beispielsweise Schulen, für die weitere Parameter eine hohe Relevanz haben. 13 Grundsätzlich besitzt für die Ebene des Quartiers und der Stadt vor allem die Dichte sowie das Erschließungskonzept und die Anschlussfähigkeit des Bauvorhabens an den Siedlungskörper eine wichtige Rolle. Auf regionaler Ebene werden in der Literatur die Ortsgröße und die Siedlungsstruktur als zentrale Faktoren angeführt.14
1. Identifikation relevanter Bebauungs- und Nutzungstypen In der Stadtforschung war der Zusammenhang zwischen stadttechnischer Infrastruktur und Siedlungsdichte bereits Grundlage zahlreicher Untersuchungen, die sich weit überwiegend auf Wohnnutzungen konzentrieren.15 Dabei wird in Wohnquartieren die Dichte in der Regel über die Zahl der Wohneinheiten oder der Einwohner je Fläche gemessen. Wesentliche Erkenntnis der genannten Arbeiten ist, dass in dichteren Quartieren das Verhältnis der Nutzer zum Infrastrukturaufwand kleinräumig günstiger ist. Stark pauschalisiert wird oftmals von der Faustformel ausgegangen, dass durch eine Verdoppelung der Dichte die Infrastrukturkosten je Nutzer halbiert werden können. Bei einer differenzierteren Betrachtung können für verschiedene Bebauungstypologien jeweils charakteristische Dichten und Netzlängen benannt werden (vgl. Abbildung 8). Beziehen sich die bisherigen Arbeiten auf Wohn- und Mischnutzungen, wurden entsprechende Untersuchungen für gewerblich und industriell genutzte Flächen bislang kaum vorgenommen, so dass vergleichbare Orientierungswerte fehlen. Auch in diesem Siedlungstyp ist aber davon auszugehen, dass unterschiedlich strukturierte Gebiete in Abhängigkeit ihrer Parzellengröße und -anordnung sowie der jeweiligen Nutzungsarten Auswirkungen auf die Kosteneffizienz der quartiersinternen Netzinfrastruktur haben. Aufbauend auf bestehenden Typisierungen von Gewerbegebieten16 hat das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) daher eine erste abwasserinfrastrukturbezogene Charakterisierung und damit eine Erweiterung der bestehenden Ansätze vorgenommen (vgl. Abbildung 8), die in laufenden Forschungsarbeiten weiter verfeinert werden.
12 Siehe u. a. Schiller / Siedentop (2005); Siedentop et al. (2006); Westphal (2008); DittrichWesbuer / Mayr (2013). 13 Vgl. Libbe et al. (2010), S. 232, S. 308 ff.; Siedentop (2011), S. 16. 14 Vgl. Schiller / Siedentop (2005), S. 84; Libbe et al. (2010), S. 232 ff. 15 Siehe u. a. Siedentop et al. (2006); Westphal (2008); Dittrich-Wesbuer et al. (2009); Schiller (2010); Hillenbrand et al. (2010). 16 Vgl. Zwicker-Schwarm et al. (2010).
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GFZ: EwD: NA: lfm/Ew:
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Lo c ke re Ein - u n d Zwe ifa m ilie n h a u s b e b a u u n g GFZ: EwD: NA: lfm/Ew:
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hoch s e hr hoch Wohne n ge ring
Ge s c h o s s wo h n u n g s b a u na c h 1990
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Do rfke rn / Orts la g e
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Ab kü rzu n g e n: GFZ = EwD = NA = lfm/Ew =
129
GFD: P G: NA: lfm/ha :
ge ring s e hr ge ring Wohne n/La ndw. s e hr hoch
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mitte l mitte l Die ns tl. (FuE) hoch
PG
=
Ø P a rze lle ngröß e
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=
Ø Le itungs me te r je Hekta r
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Siedentop et al. (2006).
Abbildung 8: Leitungsaufwand der Wasserinfrastruktur in unterschiedlichen Bebauungs- und Nutzungsstrukturtypen
130
Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz
Neben baustrukturellen Charakteristika hat die Lage von Quartieren im Siedlungskörper eine hohe Bedeutung. Da die Kosten der äußeren Erschließung mit dem Abstand zur nächsten Siedlung steigen, ist eine integrierte Lage im Grundsatz kosteneffektiver. Allerdings werden diese Vorteile im Einzelfall durch spezifische Sonderbedingungen wie bestehende Vornutzungen und bautechnisch oder organisatorisch schwierige Gemengelagen bei der Herstellung überlagert und oft erst in der längerfristigen Perspektive erkenntlich.17 Letztlich trägt die Integration neuer Standorte in den Siedlungskörper zur Förderung kompakter Siedlungsstrukturen auf gesamtstädtischer und regionaler Ebene dazu bei, im Vergleich zu dispersen Strukturen generell eine höhere Infrastruktureffizienz aufweisen.18 Auch für die Abwasserinfrastruktur entscheidet die Lage und der Zusammenhang der Siedlungsflächen letztlich darüber, wie im demografischen Wandel Auslastungsrückgänge und damit verbundene Remanenzkosten aufgefangen oder abgeschwächt werden können.
2. Identifikation quartiersspezifischer Einflüsse auf die Kosten der Abwasserinfrastruktur Die vorgenannten Entwicklungen und Einflüsse geben bereits gute Hinweise hinsichtlich des Zusammenhangs von Infrastruktur und Siedlungsentwicklung. Bezogen auf die Quartiersebene sind neben den dargestellten, unmittelbaren baulichsiedlungsstrukturellen Einflüssen auf die Infrastrukturkosten weitere demografische Faktoren oder Alter und Zustand der Abwasserkanäle relevant. In einer Untersuchung für die Stadt Iserlohn wurden beispielhaft fünf Quartiere hinsichtlich der zukünftig zu erwartenden Kostenbelastungen für die Abwasserinfrastruktur untersucht.19 Die Quartiere weisen bezüglich der Nutzung, Bebauung und Abwasserinfrastruktur unterschiedliche Eigenschaften auf. Um die quartiersspezifische Kostenintensität besser darstellen zu können, wurden fiktive, quartiersspezifische Gebührensätze ermittelt. Der Ansatz der „fiktiven, quartiersspezifischen Gebühren“ beschreibt denjenigen Gebührensatz, der unter den gegebenen Bedingungen – etwa bezogen auf Nutzerzahl und Verbrauchsverhalten oder Alter und Menge der Infrastruktur – zur Deckung der Kosten erforderlich wäre. Als „fiktiv“ wird dieser Gebührensatz bezeichnet, da die Gebühren auch im Untersuchungsraum weiterhin einheitlich erhoben werden, die Betrachtung hier aber auf Ebene der Quartiere vorgenommen wird. Zu berücksichtigen ist dabei, dass keine Grundgebühren oder Erschließungsbeiträge erhoben werden, es sich also um rein verbrauchsabhängige Gebühren handelt. 17 Vgl. Schiller / Siedentop (2005), S. 84; Dittrich-Wesbuer et al. (2009), S. 19 f.; Siedentop (2010), S. 102. 18 Vgl. Schiller / Siedentop (2005), S. 84 ff. 19 Siehe Dittrich-Wesbuer et al. (2012); Dittrich-Wesbuer / Mayr (2013).
Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Abwasserinfrastrukturen
131
Quelle: Dittrich-Wesbuer / Mayr (2013), S. 5.
Abbildung 9: Quartiersspezifische, fiktive Gebührensätze für die Abwasserkanalisation
Abbildung 9 zeigt die ermittelten, quartiersspezifischen Schmutzwassergebührensätze. Es werden sowohl hinsichtlich der Höhe der jeweiligen Gebührensätze als auch ihrer Veränderung innerhalb des Betrachtungszeitraumes markante Unterschiede zwischen den Quartieren deutlich. Zurückzuführen sind diese Differenzen auf verschiedene Faktoren. Für das Kostenniveau ist die Höhe der Abschreibungskosten, die für die Herstellung und Verlegung der Kanäle über Jahrzehnte hinweg anfallen, im Verhältnis zum Abwasseranfall von entscheidender Bedeutung. Die Niveauunterschiede resultieren maßgeblich aus den bereits dargestellten baustrukturellen Einflüssen – insbesondere der Dichte der Quartiere – aber auch aus demografischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen, die sich in den vergangenen Jahren in den Quartieren vollzogen haben. Darüber hinaus sind das Alter und der Zustand der Kanäle bzw. des Entwässerungssystems einzubeziehen. Ist ein erheblicher Teil der Kanäle nach vollzogener Abschreibung in den „goldenen Jahren“, sinken die verbrauchsunabhängigen Kosten deutlich. Gleichzeitig muss aufgrund des Alters des Netzes davon ausgegangen werden, dass die Kanäle in absehbarer Zeit kostenintensiven Instandhaltungs- oder Erneuerungsmaßnahmen unterzogen werden müssen. Dies erklärt den Kostensprung des Quartiers im Zentrum, das einen starken Anteil an Altbaubeständen besitzt. In einzelnen Quartieren schlagen zudem noch spezifische Besonderheiten wie die Bodenbeschaffenheit zu Buche.20 20
Vgl. Sander (2003), S. 271 f.
132
Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz
Aus demografischer Perspektive wird das Verhältnis von Infrastrukturangebot und -nachfrage durch Zu- und Fortzüge sowie Geburten und Sterbefälle auf der Nachfrageseite relativ kurzfristig beeinflusst, während die Angebotsseite nur langfristig angepasst werden kann. Dies gilt im Prinzip auch für gewerbliche Flächen. Standortentscheidungen und demografische Prozesse können die aufgezeigten baustrukturelle Unterschiede angleichen oder verstärken, nur selten jedoch ausgleichen. In Quartieren mit homogener Bebauungsstruktur und jüngerem Baualter lassen sich dabei vielfach klar nachvollziehbarere Entwicklungszyklen und daraus resultierende Auslastungs- und Dichteschwankungen aufzeigen, während ältere Quartiere bereits stärker durchmischt sind und einen heterogeneren Entwicklungsverlauf vorweisen.21 Deutlich heterogener erweisen sich gewerblich genutzte Bereiche. Hier variieren der Wasserbedarf und der Abwasseranfall nicht nur zwischen einzelnen Betrieben deutlich. Auch schwankt die Wassernachfrage gerade bei produzierenden Betrieben in Abhängigkeit von der Auftragslage bzw. Konjunktur. Für verschiedenen Faktoren, etwa die Flächenintensität von Betrieben, die Parzellengröße, den Produktionsanteil oder die Beschäftigtendichte, ist von einer Relevanz für die Wasserinfrastrukturbedarfe auszugehen. Durch die starken Unterschiede zwischen Betrieben und den kostenrelevanten Folgen für die Stadtentwässerung können die quartiersspezifischen Kosten stark voneinander abweichen. Das zeigt sich auch in den beiden betrachteten Quartieren (vgl. Abbildung 9). Durch oftmals lange und nicht absehbare Aufsiedlungszeiten von Gewerbegebieten, die nicht selten über Dekaden hinweg andauern, und die Abhängigkeit von vergleichsweise nur wenigen Nutzern, zeigt sich für die Situation in diesen Quartierstypen eine besondere Einzelfallabhängigkeit.
V. Wege zu einer integrierten Infrastrukturund Stadtentwicklung Trotz vorhandener Erkenntnisse und Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Siedlungsstruktur und der Effizienz der Abwasserinfrastruktur ist eine Distanz zwischen Raum- und Fachplanung erkennbar.22 Als Gründe dafür können sicher die Heterogenität und Komplexität der Entwicklung und die vielschichtigen Zuständigkeiten genannt werden. Wenn auch Patentrezepte für den Umgang mit der Abwasserinfrastruktur im demografischen Wandel nicht zu erwarten sind, lassen sich einzelne übergreifende strategische Vorgehensweisen für eine integrierte Planung und Bewirtschaftung benennen.
21 22
Vgl. Bizer et al. (2008), S. 25; Berndgen-Kaiser et al. (2012). Vgl. Libbe et al. (2010), S. 79 ff.
Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Abwasserinfrastrukturen
133
1. Identifikation von Problem- und Risikobereichen In Kapitel IV. wurden zahlreiche Auswirkungen von demografischen, wirtschaftlichen sowie bau- und siedlungsstrukturellen Gegebenheiten und Entwicklungen auf die Kosteneffizienz von Abwasserinfrastrukturen aufgezeigt. Die Ausprägungen dieser Faktoren können mittels vereinfachender Indikatoren etwa auf Quartiersoder Stadtteilebene erhoben und verarbeitet werden, wie dies in Abbildung 10 für die untersuchten Quartiere in Iserlohn vorgenommen wurde. Dabei muss den Indikatoren hinsichtlich ihrer Relevanz als auch der Unsicherheiten, die hier bezogen auf die zukünftige Situation bestehen, unterschiedliches Gewicht eingeräumt werden. Im Ergebnis bietet dieses abstrahierenden Verfahren einen nützlichen Einstieg zur Identifikation potenziellen Handlungsbedarfs. Zwar ist anschließend die spezifische Situation in jedem Teilgebiet individuell und differenziert zu analysieren und zu bewerten, doch lassen sich potenzielle Brennpunkte, auch aufgrund der besseren Datenverfügbarkeit auf übergeordneter Ebene, auf diesem Wege schneller und einfacher identifizieren.
Quelle: Dittrich-Wesbuer / Mayr (2013), S. 6.
Abbildung 10: Einflussfaktoren für die Kosteneffizienz von Abwasserinfrastrukturen
2. Frühzeitiges Ausloten von Handlungsfenstern Die tatsächlichen Handlungsoptionen hängen gerade vor dem Hintergrund der Rentabilität und Finanzierbarkeit stark von Alter, Abschreibungsstand und Zustand der Netze ab. Daneben sind, mit besonderem Blick auf alternative Anpassungsoptionen, gerade die bauliche Struktur bzw. der siedlungsräumliche Kontext und die
134
Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz
Lage im Abwassernetz entscheidend. Meist erfolgt die Planung sowohl der räumlichen Entwicklung als auch der Erneuerung und Sanierung der Abwasserinfrastruktur jedoch sektoral isoliert. Sollen Stadt- und Infrastrukturplanung aufeinander abgestimmt werden, müssen gerade unter Schrumpfungsbedingungen und den sehr langfristigen Nutzungsdauern der Infrastruktur mögliche Handlungsfenster identifiziert und für alle relevanten Akteure veranschaulicht werden. In Abbildung 11 werden für Iserlohn beispielhaft Siedlungsräume mit zeitlich gestaffelten Handlungsfenstern dargestellt. Dabei wurde die zeitliche Einordnung in Abhängigkeit von Alter und Material der Kanalisation und erhöhten Instandhaltungs- und Erneuerungsbedarfen vorgenommen. Die Darstellung kann eine hilfreiche Unterstützung für die Stadtentwicklungsplanung sein, um eine an den Zustand der Infrastruktur angepasste räumliche Entwicklung zu unterstützen. So wird in dem gewählten Beispiel der große Umfang der in die Jahre gekommenen Kanäle erkennbar, für die in den nächsten 20 Jahren die Abschreibungszyklen auslaufen. Dabei gilt es gerade in schrumpfenden Städten, Optionen zum Rückbau bzw. dem Rückzug aus zentralen Abwassersystemen zu diskutieren und hier vor allem die Randlagen bzw. Netzenden in den Blick zu nehmen.23
3. Baunutzungstypenspezifische Lösungswege Neben dem Aufzeigen der grundlegenden zeitlichen und räumlichen Handlungsfenster gilt es konkrete Gestaltungs- und Finanzierungsperspektiven auszuloten. Zur besseren und vorausschauenden Berücksichtigung von Infrastrukturfolgekosten wurden in den vergangenen Jahren verschiedene IT-Werkzeuge, sogenannte „Kostenrechner“ 24, entwickelt, die in der Praxis vermehrt angewendet werden. Sie lassen sich vor allem zur Abschätzung der siedlungs- und baustrukturellen Zusammenhänge nutzen (siehe Kapitel IV.). Allerdings beziehen sich diese Ansätze und praxisbezogene Hilfestellungen in der Regel auf neu zu planende Räume. Es fehlen konkrete Handlungshilfen für Anpassungsoptionen im Bestand, die Bau- und Siedlungsstruktur ebenso berücksichtigen wie in langfristigen Szenarien abgebildete demografische, klimatische, technische und wirtschaftliche Veränderungen. Diesen Wissensdefiziten geht das ILS aktuell in einem Projekt zusammen mit dem Fraunhofer ISI und der KommunalAgenturNRW nach.25 Ansatz ist dabei die Kombination bestehender und bereits erweiterter Kenntnisse über Bebauungs- und nutzungsorientierte Quartierstypen (vgl. Abbildung 8) mit Wasserver- und Abwasserentsorgungsinfrastrukturen sowie relevanten Randbedingungen. Die wesentliche Neuerung liegt hier darin, dass die 23 Zu Anpassungsstrategien in Verbindung mit Stadtumbau- bzw. Rückbaumaßnahmen siehe auch Westphal (2008). 24 Siehe u. a. Dittrich-Wesbuer / Osterhage (2010); MKULNV (2012). 25 Siehe dazu Website www.ils-forschung.de (Stichwort „ZukoWIS“).
Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Abwasserinfrastrukturen
Quelle: eigene Darstellung.
Abbildung 11: Darstellung von infrastrukturbezogenen Handlungsfenstern zur Anpassung von Siedlungsraum und Abwasserinfrastruktur
135
136
Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz
bestehenden Ansätze um Langfristszenarien ergänzt, dynamische Entwicklungen also berücksichtigt werden. Das Projekt zielt darauf ab, sowohl spezifische Problemlagen als auch konkrete, finanzierbare Zukunftsoptionen aufzuzeigen. Über die Kopplung von Stadt- und Infrastrukturentwicklung sowie den Ansatz der Typenbildung sollen konkrete Lösungswege für die Planung neuer und die Anpassung bestehender Siedlungsräume entwickelt werden.
VI. Schlussfolgerungen Aus den sich verändernden Rahmenbedingungen ergeben sich umfassende Anpassungserfordernisse der Abwasserinfrastruktur. Da sich die bestehenden zentralen Infrastrukturen und Abwassernetze unflexibel gegenüber kurzfristigen Veränderungen zeigen und entsprechende bauliche Anpassungsmaßnahmen kostenintensiv sind, kommt dem vorausschauenden planerischen Umgang mit den veränderlichen Rahmenbedingungen eine zentrale Bedeutung zu. Eine nachhaltige Entwicklung der Abwasserinfrastrukturen kann nur erreicht werden, wenn bei künftigen Flächenentwicklungen bereits frühzeitig die langfristigen infrastrukturellen Folgekosten berücksichtigt und die im Bestand entstehende Potenziale und Handlungsfenster genutzt werden. Eine engere Verknüpfung von Stadtentwicklung und Infrastrukturplanung birgt hier Potenziale. Zentralisierte Abwassernetze sollten nicht mehr pauschal als Standardlösung zur Erschließung aller Siedlungsflächen gewertet und alternative Systeme stärker in den Blick genommen werden. Nachverdichtungsmöglichkeiten und Baulückenschließungen im Innenbereich sind nicht nur aufgrund einer verstärkten Innenentwicklung und flächensparsamen Bauweise anzustreben, sondern auch um demografiebedingt rückläufigen Abwassermengen entgegenzuwirken und Funktionsbeeinträchtigungen überdimensionierter Abwasserinfrastrukturen zu vermeiden. Das Thema Rückbau sollte dabei nicht ausgespart bzw. mit dem Verweis auf das Gesamtsystem und bestehenden Vorschriften vorschnell beiseite gelegt werden. Dies gilt auch für die in diesem Beitrag nicht näher thematisierte Frage der Tarifgestaltung. Hier können die vorliegenden Erkenntnisse über die unterschiedliche Kostenintensität von Siedlungstypen als Anstöße für die Diskussion über eine räumlich differenzierte Gebührengestaltung genutzt werden. Räumlich und zeitlich lassen sich Stadt- und Abwasserinfrastrukturentwicklung enger miteinander verknüpfen. Dazu ist ein verbesserter und strategisch angelegter Informationsaustausch anzustreben, der letztlich in integrierten Strategien mündet. Einer Studie der DWA zufolge werden bis zum Jahr 2030 deutlich mehr als 15% der Abwasserleitungen in Deutschland ihre maximale Nutzungsdauer erreicht haben und Erneuerungsbedarf entstehen.26 Der daraus entstehende Handlungsbedarf sollte als Möglichkeit interpretiert werden, die Abwasserinfrastruktur an die Erfordernisse des demografischen Wandels anzupassen. 26
Vgl. Berger / Falk (2009), S. 5.
Demografischer Wandel, Siedlungsentwicklung und Abwasserinfrastrukturen
137
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138
Andrea Dittrich-Wesbuer, Alexander Mayr und Martin Schulwitz
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Wastewater System in Poland – Current Trends and Development Challenges By Jan Bondaruk and Marta Wiesner
I. Introduction Poland as member of the European Union is committed to meet the requirements established by EU regulations. The fundamental document forming European water management is the Water Framework Directive. Overarching objective is to achieve a good qualitative and quantitative status of all water bodies till 2015. Therefore, various investments regarding the sewerage system as well as wastewater treatment plants and sewage sludge management have been conducted during the previous years in Poland. The total amount of treated wastewater in Poland has significantly increased during last year and overall improvement of the wastewater sector can be observed. Dynamic changes are especially noticeable in rural areas, where the connection rate to the sewerage system is relatively high. At present, the necessity to adjust the Polish wastewater sector to the European Union’s standards led to the development and implementation of innovative solutions in wastewater treatment and sewage sludge disposal technologies.
II. Diagnosis of the Current Status of Wastewater Management in Poland 1. Current Situation in Wastewater System in Poland The legacy of the centrally planned economy in the past has an influence on the composition of the wastewater management sector in Poland. It comprises of a vast number of public owned entities which operate in the local markets. In effect, there are various rate payer fees as well as the large variety of technical solutions applied and wastewater management conditions. The private ownership of water companies and Public Private Partnerships are not common, but recently they are more often perceived by local communities as an option to capitalize the necessary investments. Water and the sewerage sector may become attractive targets for private investors and their participation could result in the inflow of capital necessary to maintenance and develop the infrastructure.
140
Jan Bondaruk and Marta Wiesner
The National Water Management has come to a conclusion, that during the past seventeen years there has been visible progress in the wastewater sector. 1 In result, there has been a reduction in the released pollution loads and a noticeable improvement in the quality of surface waters.2 According to Central Statistical Office data the share of the population exploiting wastewater treatment plants increased over the last ten years (see Figure 1).3 In 2012 the urban area population exploiting the municipal wastewater system reached 91,7% of the total urban area population, whilst the rural area population reached only 33,1 %. The asymmetry in the percentage between the urban and rural sewerage system development level is caused by scattered housing and lack of spatial planning restrictions. This economic and technical obstacle increases the application of an individual solution for wastewater treatment. Nonetheless, since 2002 the percentage of households connected to the municipal sewerage system has doubled. 100 90 80 70
[%]
60 50 40 30 20 10 0
2002
2003
2004
2005 total
2006
2007
urban areas
2008
2009
2010
2011
2012
rural areas
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
Figure 1: Population Connected to Wastewater Treatment Plants in% of Total Population in Poland, 2002 – 2012
Basing on statistical data concerning environmental investments to wastewater system, it can be concluded that during the years, the level of expenditures spend on the sewerage system, municipal wastewater treatment and the total length of the sewerage network has significantly risen. In 2011 the overall length of the sewerage system measured approx. 9 000 kilometres and amounted to 4 billion PLN4 (see Table 1). 1 2 3 4
See Krajowy Zarząd Gospodarki Wodnej (2013), p. 7. See Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus). See Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus). See Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
Wastewater System in Poland
141
Table 1 Expenditure on Fixed Assets Serving Wastewater Management in Poland
Length of the sewerage system network [km] Sewerage management system expenditure [000’s EUR] Expenditure on municipal wastewater treatment [000’s EUR]
2003
2005
2007
2009
2011
6477.3
5416.7
4426.1
5338.0
8901.4
473 463
542 497
727 475 1 087 458 1 066 804
170 375
209 833
210 381
362 732
306 222
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
In total 260 new wastewater treatment plants were established during the period between 2005 and 2012 as indicated in the Local Data Bank of Central Statistical Office. The quantity of municipal wastewater treatment plants divided into types are presented in Figure 2. 2500
2000
1500
1000
500
0
2002
2003
2004
2005
mechanical
2006 biological
2007
2008
2009
2010
2011
2012
with increased biogene removal
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
Figure 2: Treatment Plant Types in Poland, 2002 – 2012
The reduction of the amount of pollution loads in treated wastewater confirms operational improvement in the wastewater system.5 The decreasing tendency of 5
See Wałęga et al. (2009).
142
Jan Bondaruk and Marta Wiesner
BOD5, suspended solids, total nitrogen and total phosphorus in the sewage after treatment is presented in Figure 3. 120000000
100000000
kg/y
80000000
60000000
40000000
20000000
0
2002
2003
biochemical oxygen demand
2004
2005
2006
chemical oxygen demand
2007
2008
2009
total suspension
2010
total nitrogen
2011
2012
total phosphorus
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
Figure 3: Pollutant Loads in Treated Wastewater in Poland, 2002 – 2012
a) Sewage Sludge Management According to the estimation made by Werle and Wilk, by the year 2018, the amount of municipal sewage dry weight will reach 706,6 thousand tons6. According to the National Plan of Waste Management forecast the mass of generated municipal sewage sludge in 2022 will reach 746,0 (Mg thousand in dry matter).7 Due to the increasing amount of sediment and associated risk the management of sewage sludge has become an important ecological issue. The Figure 4 presents the amount of generated sewerage sludge during the period 2003 – 2012. The increasing tendency of the amount of generated sewage sludge is caused by the expansion of the sewerage system as well as the consequently increasing capacity of municipal wastewater treatment plants and application of advanced technologies increase effectiveness of nutrients removal. The Polish wastewater system requires further development in order to reduce the number of infrastructure and technical drawbacks and to fulfil national and EU requirements. The investment activities in this field should be supported in the new financial perspective. In the following years the complex solutions and new system 6 7
See Werle / Wilk (2010). See National Plan of Waste Management (2014).
Wastewater System in Poland
143
600000
500000
tonnes
400000
300000
200000
100000
0
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus)
Figure 4: Sewage Sludge Generated in Poland, 2003 – 2012
approach regarding sewage sludge management are required. The identified current challenges in wastewater sector in the field of sewage sludge management are as follows: – insufficient analysis of the possibilities of sewage sludge reuse at the stage of designing wastewater treatment plants, – application of thermal treatment is limited and no perceived as an option to construct sewage sludge regional treatment hubs, – as waterworks companies are not predisposed to self-create complicated and expensive installations in municipal sewage sludge management regional systems need to be implemented, – applied solutions for the management of municipal sewage sludge are not scalable so in other words do not take into account the future development of sewage systems and possible integration processes.
Subsequently, the management of sewage sludge in Poland was assessed negatively by the Supreme Audit Office.8 The results of inspection reveal that the basic method of sewage sludge management in the recovery process was the landfill applications. Similarly, according to Central Statistical Office data the generated sewerage sludge has been in most cases used for agricultural purposes (Figure 5). The controlled entities have used almost all (over 98 %) of the generated sludge, however some of them have violated regulations. The Figure 6 presents the share of 8
See Najwyższa Izba Kontroli (2013).
144
Jan Bondaruk and Marta Wiesner 140000
tons of dr y mass of waste
120000 100000 80000 60000 40000 20000 0
used in agriculture used for land used reclamation, including to grow plants lands for agricultural for compost purposes production
thermically treated
deposited total temporarily deposited
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
Figure 5: Disposal of Sludge from Municipal Wastewater Treatment Plants
30 25
%
20 15
below 20000 pe above 20000 pe
10 5 0
fertilizer production
remediation
storage in waste water treatment plants
exported to landfill
Source: Local Data Bank, Central Statistical Office (http://www.stat.gov.pl / gus).
Figure 6: The Share of Generated Sewage Sludge in Inspected by Supreme Audit Office Wastewater Treatment Plants and Their Use for Selected Targets in Poland, 2011 – 2012
generated sewage sludge in controlled wastewater treatment plants and their use for selected targets. The low share of sewage sludge exported to the municipal landfill serves as evidence for the optimistic changes that have occurred during the last years. However, the obtained results confirmed that other appropriate methods of sewage
Wastewater System in Poland
145
sludge management should be explored to reduce the high impact on the environment. The defined potential of thermal installations in Poland is supported by the fact that there are about 60 thermal facilities (11 mono-incineration, 15 thermal dryers of sludge, 12 thermal dryers of sludge planned for construction, 20 solar dryers), which could reprocess approximately 67,6% of total production of sludge in 2011.9 2. Legislation in Wastewater Sector In the Polish law there are three acts which impose obligations on local governments. The major one is the Act of 7 June 2001 on the Collective Water Supply and Collective Wastewater Disposal, which establishes requirements and conditions of collective supply of water intended for human consumption and mass disposal of sewage. Another document is the Act of 8th March 1990 on Commune Local Government. It constitutes that water and sewage systems are in the direct responsibility of the communes and should be resolved by them independently. The third document is the Act of 20th December 1996 on Municipal Services which sets out the principles and forms of the municipal services performed by local government units. Therefore, local communities (e.g. gminas) are responsible for development of the water and wastewater networks by managing local water and wastewater companies, as well as defining the tariffs for water supply and wastewater discharge within the rules defined by the legislation. a) Tariff Policy Water companies establish annual tariffs based on customer income, volumetric pricing and their long-term investment plan. The revenue from fees should cover the cost of the water intake, treatment, distribution, maintenance and infrastructure development. The variation of sewage prices based on data obtained from a survey conducted by the Chamber of Commerce Polish Waterworks on 1 – 31 March 2013 is presented in Table 2. Wastewater and water supply companies independently select the structure and type of tariffs depending on:10 – type of tariff: – uniform tariff – containing uniform prices and uniform fees for all tariff customer groups, – heterogeneous tariff – containing different prices for water supply and sewage disposal or the fees vary in tariff customer groups, 9 10
See Bieniowski (2014). See Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (2011), p. 29 – 30.
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Jan Bondaruk and Marta Wiesner
– structure of tariff: – tariffs cubicle – containing price relative to supply 1 m3 of water or 1 m3 of sewage collection, no subscription fee rates, – multiple values tariff – containing prices and rates, consisting of a constant monthly fee, covering part of the fixed costs and variable charges, – variability of water prices within particular water consumption or wastewater disposal rates: – seasonal tariff, – progressive tariff. Table 2 Variation in Sewage Fees on 1 – 31 March 2013 User – sector
Sewage fees [EUR / cub m] min
max
Households and public institutions
0.45
8.57
Industry
0.58
4.60
Services (incl. Trade)
0.45
4.60
Source: http://www.igwp.org.pl / informacje-ekonomiczne.
A fundamental document which establishing rules for construction of fees for sewage disposal is the Act of 7th June 2001 on collective water supply and collective wastewater disposal. The methodology constitutes differences in the level of these fees. Therefore tariffs are calculated to cover the cost of all necessary investments in the municipality, including sewage system as well as wastewater treatment plants concerning “polluter pay” principle. b) Regulations of Wastewater Disposal The fulfilment of the requirements of the Directive 91 / 271 / EEC concerning urban wastewater treatment is carried out through the implementation of the National Programme for Municipal Waste Water Treatment (NPMWWT). On 16th December 2003 the NPMWWT was approved and incorporated into the Polish national legal framework through the Act on Water Law. This Programme contains a list of agglomerations exceeding 2 000 PE in size and appoints the assumptions concerning the required construction, expansion as well as modernization investments of the sewage treatment plants and the construction and modernization of sewerage systems which should be achieved by the end of 2015. Currently the updated form of the NPMWWT is being prepared. The project of this document concerns 1 647 agglomerations in which 1 848 municipal sewage treatment plants are located.
Wastewater System in Poland
147
The scope of planned investments for agglomerations includes: – the construction of 40 617 km of new and the modernization 2 200 km of sewerage networks, – the construction of 221 new wastewater treatment plants, – the modernization of 125 wastewater treatment plants, – the development of 107 wastewater treatment plants, – the development and modernization of 347 wastewater treatment plants, – the modernization of a sewage sludge section in 211 wastewater treatment plants.
The document also regulates the management of sewage sludge as well as the utilization methods in the near future. In accordance with the Act of 14 December 2012 on waste the holder of the waste is the one who is in first place obligated to its recovery. According to the latest updated draft of NPMWWT, the amount of dry mass sludge resulting in 1 848 municipal wastewater treatment plants included in agglomerations will increase to 754 thousand tonnes in 2015 (Figure 7).
Source: Krajowy Program Oczyszczania Ścieków Komunalnych, IV Aktualizacja, Roboczy projekt (2013).
Figure 7: Distribution of Agglomerations in the Working Draft of the IV Updated National Programme for Municipal Waste Water Treatment
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Jan Bondaruk and Marta Wiesner
It is assumed that the thermal methods will be chosen as the main techniques of sewage sludge utilization (see Figure 8). Additionally there are more specific EU and national regulations associated with the management of the sewage sludge, which stimulate further development of thermal methods. In particular, the 86 / 278 / EEC Directive, which introduces significant limitations for agricultural and natural use of sewage and the 99 / 31 / EC Directive which supports the restrictions of sludge disposal. These documents are reflected in national laws, such as the Waste Management Act that introduces important requirements in case of a natural or agricultural use of sludge, as well as the Regulation of the Minister of Economy of 8th January 2013. The aforementioned Regulation includes criteria and procedures for obtaining permission to store waste in specific landfills and establishes prohibition of sludge storage until 01. 01. 2016
other goals 25%
agriculture 17%
remediation, including land for agricultural purposes 9% cultivation of plants for compost 6% thermal methods 24% time storage in the treatment 8%
disposal on landfills 11%
Source: Krajowy Program Oczyszczania Ścieków Komunalnych, IV Aktualizacja, Roboczy projekt (2013).
Figure 8: Methods of Sewage Sludge Utilization in 2015
The impact of legal requirements forces the development of thermal methods in frame of sewage sludge utilization. Bień11 emphasizes a need for the development of a National Program of Sewage Sludge Management which will complement the National Waste Management Plan 2014 and National Programme for Municipal Waste Water Treatment. The prospective program should commence the strategy for direction of sludge management and include legal conditions for storage. The identification of optimal methods for their development in the near and longer term perspective should also be introduced. 11
See Bień (2014).
Wastewater System in Poland
149
III. Current and Future Research The European regulations contributed to the development of innovative solutions in the field of wastewater treatment and utilization processes. The undertaken actions are especially important due to the better implementation of current water legislation indicated by EU in “Water Blueprint“. The main aims are to maximize the energy utilization and maintenance the management capabilities of the non-thermal sewage sludge. Therefore the equipment of the wastewater treatment plants with the most effective treatment technologies is an important challenge. Processes based on membrane separation and membrane reactors have a wide range of application. Recently, the membrane bioreactor technologies play an increasingly important role in the field of municipal and industrial wastewater treatment. The increasing use of polymeric and inorganic membranes as well as the recovery of valuable components from wastewater (e.g. mixtures of organic compounds) can be observed. Due to the potential threats posed to the environment the management of sewage sludge is an issue of great importance. The increasing amount of sewage sludge begins to cause huge problems due to the fact that storage of unprocessed sewage sludge from 1 January 2016 will be forbidden. Therefore, the generated sludge from wastewater treatment should be properly utilized. Currently, the development of new technologies allowing effective stabilization, hygienisation and dehydration of sewage sludge deriving from municipal and industrial plants has been observed. The areas of research focus on the new utilization technologies which improve the efficiency of anaerobic stabilization as well as the creation of innovative solutions for drying and combustion processes. The new challenges imposed by EU requirements contributed to the development of thermal utilization methods. Many wastewater treatment installations and prototypes based on a cogeneration system producing electricity and heat have been implemented. What is more, research studies dedicated to the process of the sewage sludge pyrolysis with recovery of the liquid and gaseous fuels are being conducted. According to the Bień12 the dynamic growth of thermal methods regarding drying and mono-combustion processes is especially noticeable in a vast agglomerations. Moreover, the non-technical methods based on water quality modelling started to play an important role in management of water protection in river catchment. According to the Gromiec,13 the mathematical models and geographic information systems integrated with the remote sensing methods will become a new practical tool in the process of the river catchment management. Therefore, the strong emphasis is put on the comprehensive solutions which involving the application of the new technologies as well as the nontechnical methods. This complex and systemic ap12 13
See Bień (2012). See Gromiec (2014).
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Jan Bondaruk and Marta Wiesner
proach to the wastewater management could be a prospective area for research cooperation which allows to meet the challenges posed by EU regulations. Subsequently collecting data and provide information about new and innovative solutions are so important in the creation of sustainable wastewater management systems. The Regional Network of Specialist Observatories was created as a response to the specific needs of stakeholders in Silesian Voivodeship to monitor the effects of innovative development in the region. Observatory for the Environmental Protection Technologies is a component of the regional network, which aims to collecting and processing expertise and innovative knowledge in the research area of environmental protection.
IV. Conclusions The commitments included in the Treaty of Accession regarding wastewater treatment should be implemented till the end of 2015. The observed improvement in wastewater sector aims to fulfil the requirements imposed by 2000 / 60 / EC, 91 / 271 / EEC, 99 / 31 / EC Directives. Although the development rate of the wastewater infrastructure is significant achievement of required limits are questionable. Therefore the better planned and complex solutions should be investment priorities in following years. A development of new wastewater treatment technologies and the implementation of smart and scalable sewage sludge systems are emerging issue. The innovative and effective wastewater treatment technologies should be investigated and widely applied in a way to reduce the negative impact on the water bodies. In addition to the development of biological wastewater treatment systems, the development of membrane technologies has been observed. A new trend concerning the recovery of water from sewage has appeared and number of SCADA based control processes in the wastewater sector is still growing. Moreover, due to multidimensional research activities and intensive international collaboration implementation of advanced knowhow and best practices in wastewater sector have already been undertaken. Due to an increasing amount of sludge, sewage sludge management is currently an issue of the highest importance. The National Waste Management Plan and the National Program for Municipal Waste Water Treatment determine the fundamental direction of the management of municipal sewage sludge generated in large urban agglomeration as to apply thermal processing in separate facilities. Therefore, a National Programme of Sewage Sludge Management should be forthwith developed. Trends in the wastewater sector put emphasis on maximizing energy utilization of sewage sludge and the collection of products of combustion for recovery of phosphorus and metals. Sludge thermal stations should comply with requirements of environmental protection resulting from EU regulations, which define the Best Available Techniques (BAT) for waste processing.
Wastewater System in Poland
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To meet the European Union standards the development of the comprehensive approach to implement the innovative solutions regarding the complex management of the sewage sludge are intensively conducted. The complexity of wastewater issues creates a research area to exchange experience and transfer of knowledge concerning suitable technologies and applicable innovative solutions. It is also an appropriate space for international cooperation which could cover wastewater treatment-energy-water management nexus. Therefore, in order to be able to address the European wastewater challenges and effectively absorb the EU funds the interdisciplinary research studies and innovative technologies testing should be developed and successfully implemented.
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Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“? Allgemeine Nachhaltigkeitskonzeptionen und Ableitungen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung Von Moritz Reese und Norman Bedtke
I. Einleitung „Nachhaltigkeit“ ist heute allgegenwärtiges Leitbild von Politik und Gesellschaft. Vor allem diejenigen Politiken und Programme, die den Umgang mit natürlichen Lebensgrundlagen betreffen, nehmen regelmäßig auf das Leitbild der Nachhaltigkeit Bezug, und so sind auch das Forschungsprogramm und das Forschungsprojekt, aus dem dieses Buch hervorgeht, geradezu selbstverständlich der Nachhaltigkeit gewidmet. Bei aller Einigkeit über das Ziel der Nachhaltigkeit, und obwohl der Nachhaltigkeitsbegriff inzwischen vielfältig sogar im Recht – und auch im Wasserrecht1 – rezipiert wird, ist allerdings nicht zu verkennen, dass darüber, was Nachhaltigkeit konkret bedeuten und ausmachen soll, keinesfalls Klarheit besteht. Die Vagheit des Begriffs ist offenkundig,2 eine allgemeine Konvention oder gar rechtliche Definition zum Konzept der Nachhaltigkeit gibt es nicht, und drei Jahrzehnte intensiver Nachhaltigkeitsdebatten haben eine Vielfalt von Nachhaltigkeitskonzepten hervorgebracht, die durchaus relevante Unterschiede aufweisen. Wer zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsmaxime beitragen möchte, muss daher zunächst einmal bestimmen, welche Deutung der Nachhaltigkeit zugrunde liegen soll und welche Kriterien danach nachhaltiges Handeln zu erfüllen hat. Demgemäß ist Ziel dieses Kapitels, den Maßstab der Nachhaltigkeit für die o. g. Forschungszwecke zu präzisieren und aus der bisherigen Nachhaltigkeitsdebatte ein Kriterien-Set zur nachhaltigen Entwicklung von Wasserinfrastrukturen zu extrahieren.
1 s. § 1 WHG: „Zweck dieses Gesetzes ist es, durch eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die als Bestandteile des Naturhaushaltes, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als nutzbares Gut zu schützen.“ Ferner § 6 Abs. 1 „Die Gewässer sind nachhaltig zu bewirtschaften“, so auch Art. 1 (b) WRRL: Ziel ist die „Förderung einer nachhaltigen Wassernutzung auf der Grundlage eines langfristigen Schutzes der vorhandenen Ressourcen“. 2 Stellvertretend für viele Mitcham (1995), S. 311; Balkema et al. (2002), S. 154; Steger et al. (2002), S. 13.
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Moritz Reese und Norman Bedtke
Zu diesem Zweck wird zunächst auf die allgemeine Rezeption des Nachhaltigkeitsprinzips in Politik und Wissenschaft geblickt (II.). Anschließend werden die besonderen, speziell für die Wasserwirtschaft entwickelten Nachhaltigkeitskonzepte gesichtet (III.) und schließlich wird aus alledem ein Kriterienbündel für die nachhaltige (Steuerung der) Siedlungswasserwirtschaft geschnürt, das alle anerkannten und anzuerkennenden Grundbedingungen der Nachhaltigkeit in ihrer Relevanz für die Wasserinfrastruktur wiedergeben soll (IV.). Besondere Bedeutung wird dabei der Unterscheidung zwischen den Zielen und Grundbedingungen der nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft einerseits und Strategien, Handlungszielen und Instrumenten andererseits zugemessen. Denn im Hinblick auf die weiteren Analysen zur Umsetzung der Nachhaltigkeit, und um den Optionenraum der Nachhaltigkeit vollständig zu erfassen, ist es wesentlich, Ziele und Mittel der Nachhaltigkeit möglichst klar zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist mitunter schwierig und wird von den zu erörternden Nachhaltigkeitskonzeptionen oft nicht klar vollzogen. Gerade die sektoralen Nachhaltigkeitskonzepte präsentieren sich durchweg als eine Mischung aus Zielkriterien, aber auch Handlungszielen und strategischen Empfehlungen.
II. Der allgemeine Nachhaltigkeitsdiskurs und generelle Zielableitungen für die Wasserwirtschaft Im Folgenden geht es nicht darum, Entwicklung und Facetten der Nachhaltigkeitsidee ein weiteres Mal umfassend und detailliert darzustellen. Hierzu sind zahlreiche Schriften verfügbar, auf die insoweit verwiesen und zurückgegriffen wird. 3 Die hiesige Auswertung erfolgt mit gezieltem Blick auf den Zweck, ein Anforderungsprofil zur nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft zu entwickeln, das alle wesentlichen Zielaspekte bündelt, die dem Nachhaltigkeitsprinzip plausibel und mit breiterer Anerkennung zugeschrieben werden. Dazu gehen wir zunächst auf das – gleichsam am Ursprung der Nachhaltigkeitsidee stehende – Gebot zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ein (II.1.). In Anlehnung an das grundlegende, „Drei-Säulen-Modell“ der Nachhaltigkeit4 nehmen wir sodann die wirtschaftliche (II.2.) und die soziale (II.3.) Dimension in Betracht, und prüfen auch alternative Konzeptionen der Nachhaltigkeit darauf, welche (weiteren) Ziele und Grundbedingungen nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft ggf. daraus abzuleiten sind (II.4.II.6.).
Siehe statt vieler: Renn et al. (2007); Grunwald / Kopfmüller (2012); Hauff / Kleine (2014). Dieses Modell liegt sinngemäß bereits dem Brundtland-Bericht zugrunde und wurde maßgeblich v. a. von der Enquete-Kommission (1994) verwendet, dies. (1998). 3 4
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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1. Die Kernforderung nach dauerhaftem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen Der Kern des modernen Nachhaltigkeitsgedankens liegt zweifellos in der Forderung nach einem dauerhaft tragfähigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Im englischen Begriff des „sustainable“ Development kommt dies noch besser zum Ausdruck. Es geht um eine dauerhaft fortsetzungsfähige Wirtschaftsweise, die ihre natürlichen Grundlagen nicht aufzehrt, sondern im Einklang mit Trage-, Regenerations- und Substitutionspotenzialen nutzt und erhält. Diese Erhaltungslogik liegt bereits dem forstwirtschaftlichen Ursprung des Nachhaltigkeitsbegriffs zugrunde, wonach der Holzeinschlag den Zuwachs nicht übersteigen soll.5 An dem forstwirtschaftlichen Beispiel wird auch bereits deutlich, dass die Nachhaltigkeitsidee keinesfalls eine ökozentrische Idee ist, sondern in erster Linie auf die Erhaltung der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen für kommende Zeiten und Generationen abzielt. Das politische Nachhaltigkeitskonzept verallgemeinert und überträgt dieses Erhaltungsziel auf den Umgang mit natürlichen Ressourcen insgesamt. Eine Formel, die diese verallgemeinerte Erhaltungsregel klar zum Ausdruck bringt ist die Definition der World Commission on Environment and Development, wonach nachhaltige Entwicklung eine Entwicklung ist, die „die Bedürfnisse der heutigen Generation erfüllt, ohne künftige Generationen der Möglichkeit zu berauben, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“6 Diese Definition bringt insbesondere auch die langfristige, generationenübergreifende Verantwortungsperspektive zum Ausdruck, die weithin auch als Gebot der „intergenerationellen Gerechtigkeit“ bezeichnet wird. Diese langfristige, Generationen übergreifende Nachhaltigkeitsperspektive hat breite politische Anerkennung gefunden und ist verschiedentlich auch rechtlich verankert worden, wie insbesondere in Artikel 20a GG: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen (…).“ Das hier bereits verfassungsrechtlich verankerte Gebot zur langfristigen Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen beruht auf der in den siebziger und achtziger Jahren gereiften Einsicht, dass Wirtschaft und Wohlfahrt wesentlich von Umweltressourcen abhängen und daher gefährdet sind, wenn diese Ressourcen übernutzt und vernichtet werden. Dem Meadows-Bericht ist es vor allem zu verdanken, erstmalig die globale Aufmerksamkeit darauf gezogen zu haben, dass das Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand an Verfügbarkeits- und Belastungsgrenzen natürlicher Ressourcen stößt und dass dauerhafte Wohlstandssicherung daher eine an
5 Der Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz formulierte bereits im Jahr 1713 die Idee nachhaltiger Waldbewirtschaftung in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“. 6 Hauff (1987), S. 46; im Original: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ WCED (1998), S. 43. Hierzu auch Sieben (2003), S. 1173 f.; Kahl (2002), S. 111, 117.
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Moritz Reese und Norman Bedtke
diese Verfügbarkeits- und Belastungsgrenzen angepasste Wirtschaftsweise erfordert.7 Brundtland-Bericht8, Rio-Deklaration9 und Agenda 2110 haben alsdann diese Forderung nach ökologischer, die Umweltressourcen betreffender Dauerhaftigkeit in das Zentrum des Nachhaltigkeitspostulates gestellt, bekräftigt und präzisiert. Aus der Umweltverträglichkeitsforderung sind insbesondere die bekannten, bereits im Brundtland-Bericht angelegten11 Managementregeln abgeleitet worden:12 – Nutzung und Verbrauch erneuerbarer Ressourcen sollen sich an der Regenerationsfähigkeit orientieren. – Nicht erneuerbare Ressourcen sollen schonend und sparsam genutzt werden, damit sie auch zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen. – Die Freisetzungen von Stoffen und Energie dürfen – auch unter Berücksichtigung der Anpassungsfähigkeit – nicht über die Belastbarkeit der Umweltmedien hinausgehen.
Diese Managementregeln bringen ersichtlich notwendige Voraussetzungen für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen zum Ausdruck. Ihre Anwendung ist indes insofern begrenzt, als der anzupeilende Erhaltungszustand selten sinnvoll aus einer bloßen Momentaufnahme des Umweltzustands abgeleitet werden kann.13 Um die Bezugspunkte der „Anpassungsfähigkeit“ und „Belastungsfähigkeit“ zu bestimmen, ist zunächst zu entscheiden ist, auf welche Art von anthropogen (mit-)geprägtem Ökosystem die Erhaltungsgrundsätze überhaupt Anwendung finden sollen. Denn im Widerstreit von Umweltnutzungsinteressen und Umweltbelastungsgrenzen sind regelmäßig ganz unterschiedliche Stabilitätszustände denkbar und der Erhaltungsehrgeiz kann sich auf nahezu unberührte Zustände mit entsprechend hohen Restriktionen für die menschlich Nutzung richten, aber auch auf wesentlich belastbarere, aber ggf. rudimentäre Ökosysteme. Zur Anwendung der Erhaltungsforderung ist es deshalb regelmäßig erforderlich, die ökologischen Erhaltungsziele unter Berücksichtigung der anthropogenen Nutzungsinteressen und der unterschiedlichen Gleichgewichtsoptionen zunächst normativ zu bestimmen. Insoweit setzt die Erhaltungsforderung auch eine Abwägung und Präferenzentscheidung über die konfligierenden gesellschaftlichen Nutzungs- und Schutzinteressen voraus. Nicht der Abwägung unterliegt freilich die Stabilitätsbedingung. Handlungspfade, die die Stabilitätsbedingung nicht erfüllen, sondern voraussichtlich zu Vgl. Meadows et al. (1972). Vgl. Hauff (1987). 9 Vgl. http://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/rio.pdf, abgerufen am 14. 07. 2015. 10 Vgl. BMU (o. J.). 11 Vgl. Hauff (1987), S. 47 und 63. 12 Grundlegend Pearce / Turner (1990); Daly (1990), vgl. auch Enquete Kommission (1994). 13 Siehe dazu sowie zu weiterer Kritik und m. w. Nachweisen: Kopfmüller et al. (2002), S. 64 ff. 7 8
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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einer fortschreitenden Degradation der Umweltressourcen führen, kommen nicht als nachhaltige Wege in Betracht. In der ökologischen Dimension geht also die Nachhaltigkeitsforderung dahin, dass ein unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu bestimmender Umweltbestand dauerhaft erhalten wird. 14 Freilich genügt es dem herrschenden Nachhaltigkeitsverständnis nicht, wenn der zu erhaltende Umweltbestand ohne Notwendigkeit auf einem rudimentären Niveau angesetzt wird. Mit dem Nachhaltigkeitsgebot wird nicht nur irgendeine Stabilisierung des Mensch-Umwelt-Verhältnisses verlangt, sondern eine Stabilisierung auf dem – der Prioritätenlage entsprechenden – höchst möglichen Niveau. Die „nachhaltigste“ Lösung ist demzufolge diejenige Gleichgewichtslösung, die vorhandene Optimierungs- und Effizienzpotenziale am besten ausnützt. Ökologische Nachhaltigkeit setzt in diesem Sinne zwangsläufig auch voraus, dass die wirtschaftlichen und sozialen Belange näher bestimmt und zu den ökologischen – bestmöglich – ins Verhältnis gesetzt werden. Dies ist wesentlich auch Zweck des sog. Drei-Säulen-15 und des Dreieckskonzepts der Nachhaltigkeit, die insoweit einen dauerhaft tragfähigen und möglichst optimalen Ausgleich von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen propagieren. So verstanden umfasst das Nachhaltigkeitsprinzip also nicht nur ein Erhaltungs-, sondern auch ein Optimierungsgebot, wonach ein höchstmögliches Nachhaltigkeitsniveau anzustreben ist. 2. Die wirtschaftlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit Die wirtschaftliche Dimension beinhaltet zunächst die mannigfaltigen Interessen an Gütern und Dienstleistungen, deren Befriedigung ggf. die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen erfordert. Das Nachhaltigkeitsprinzip würdigt diese wirtschaftlichen Interessen als ein Teilziel, das allerdings mit dem ökologischen Erhaltungsgebot nach Maßgabe der beschriebenen, die o. g. Erhaltungs- und Optimierungsgebote respektierenden Abwägung zu versöhnen sind. Je nach Gewichtung kommen mehr oder weniger (ökologisch) „anspruchsvolle“ Nachhaltigkeitslösungen in Betracht. Nicht als nachhaltig darf indes – wie schon dargelegt – eine Verwirklichung wirtschaftlicher Interessen gelten, die zu fortschreitender Degradation der Umweltressourcen führt, denn solche Lösungen halten die grundlegende Erhaltungsbedingung nicht ein. Nicht als nachhaltig dürfen ferner Lösungen gelten, die keinen effizienten Ausgleich zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Belangen erreichen, denn solche Lösungen widersprechen dem der herrschenden Nachhaltigkeitsidee innewohnenden Optimierungsgebot. 14 Einige Arbeiten heben die Dimension Umwelt als alleinige Säule hervor, während ökonomische und soziale Aspekte nur im Zusammenhang als Ursache oder Folge von Umweltproblemen Relevanz haben, vgl. Karger et al. (2006), S. 24 m. w. Nachweisen. 15 Dieses sogenannte „Drei-Säulen-Modell“ ist die heute politisch fest verankerte Grundlage der Nachhaltigkeitskonzepte der EU und der Bundesregierung, vgl. u. a. SRU (2008), Kapitel 1, Tz. 1; Enquete-Kommission (1994); dies. (1998); Der Lissabonner Aktionsplan (1996).
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In diesem Zusammenhang ist auch auf die vieldiskutierte Unterscheidung von „starker“ und „schwacher“ Nachhaltigkeit einzugehen. Das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit geht davon aus, dass sich ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit gegeneinander aufwiegen lassen mit der Folge, dass Naturkapital grundsätzlich unbegrenzt durch Human- und Sachkapital substituierbar ist. 16 In einem System der schwachen Nachhaltigkeit kann also der Verbrauch von Umweltressourcen durch den Nachweis entsprechender Zugewinne im Human- oder Sachkapital gewissermaßen „gerechtfertigt“ werden. Demgegenüber liegt der starken Nachhaltigkeit der Gedanke zugrunde, dass Naturkapital durch Human- oder Sachkapital nur beschränkt bis gar nicht ersetzbar ist und als solches auf einem konstanten Level zu halten ist.17 Das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit ist aus einer Reihe guter Gründe erheblich in Zweifel gezogen worden, denen hier nicht weiter nachzugehen ist. 18 Unumgänglich erscheint jedenfalls, denjenigen Bestand von natürlichen Ressourcen konstant zu erhalten, der unbedingt benötigt wird, um die regierenden Bedürfnisse der Menschen dauerhaft befriedigen zu können. Ob und inwieweit dieser Bestand an „kritischem Naturkapital“19 lediglich unmittelbar gesundheits-, versorgungs- und produktionsrelevante Umweltressourcen / -qualitäten umfasst oder darüber hinaus Erholungsfunktionen und ästhetische (Eigen-)Werte von Landschaft und Biodiversität, ist wesentlich durch die oben beschriebene Abwägung zu entscheiden. Auch das Konzept der starken Nachhaltigkeit kommt – wie dargelegt – nicht ohne diese Abwägung aus, denn es setzt voraus, dass zunächst – abwägend – bestimmt wird auf welchem Level das Naturkapital konstant zu erhalten ist. Soweit hier über mehr oder weniger naturnahe Nachhaltigkeitslösungen abzuwägen ist, lässt sich durchaus auch von einer Ersetzbarkeit von Naturgütern durch Sach- und Humankapital sprechen. Dagegen kann eine Ersetzung von Naturkapital, das zur weiteren Unterhaltung des Sach- und Humankapitals benötigt wird, kaum als nachhaltig gelten. Jedenfalls ist dies mit dem grundlegenden Erhaltungsgebot nicht vereinbar. Eine weitere wirtschaftliche Nachhaltigkeitsdimension kann in der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit im weiteren volks- und betriebswirtschaftlichen Sinne gesehen werden.20 Wirtschaftliche Nachhaltigkeit im volkswirtschaftlichen Sinne wird mitunter als „Bedingung einer nicht nachlassenden ökonomischen Wohlfahrt“ verstanden, was voraussetzt, „dass die zur Erreichung einer bestimmten Wohlfahrt benötigten Ressourcen auch weiterhin und mindestens in gleichwertiger Güte vorhanden sind.“21 Dazu zählen zweifellos die notwendigen natürlichen Ressourcen, von denen Hierzu SRU (2008), Kapitel 1, Tz. 7 ff. m. w. Nachweisen. Vgl. SRU (2008), Kapitel 1, Tz. 4, 20 ff. 18 Vgl. SRU (1994); dies. (2002); Ott (2009). 19 Siehe SRU (2002), Tz. 25 mit Verweis auf Lerch / Nutzinger (1998). 20 Siehe dazu umfassend z. B. Bardt (2011). 21 Gabler Wirtschaftslexikon, online unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de / Archiv / 21339691 / oekonomische-nachhaltigkeit-v2.html, abgerufen am 14. 07. 2015. 16 17
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oben die Rede war. Ökonomische Nachhaltigkeit schließt also die oben beschriebene Erhaltung der ökologischen Wirtschaftsfaktoren mit ein. Voraussetzung der ökonomischen Nachhaltigkeit ist aber darüber hinaus auch die fortgesetzte Bereitstellung des Kapitals bzw. der Güter und Dienste, die erforderlich sind, um die zur Wohlfahrt beitragenden Leistungen – etwa die Wasserdienstleistungen – wirtschaftlich dauerhaft aufrecht zu erhalten. Wird eine entsprechende Diskontierung und Refinanzierung nicht gewährleistet, so wird zu Lasten künftiger Generationen gewirtschaftet und die künftige Wohlfahrt gefährdet. Die Staatsverschuldung wird deshalb u. a. in den Nachhaltigkeitsstrategien Deutschlands, des Vereinigten Königreichs und der OECD als zentraler volkswirtschaftlicher Nachhaltigkeitsindikator geführt.22 Auf die (für die Wasserdienstleistungen wesentliche) Unternehmensebene gewendet bedeutet dies, dass die Unternehmen so zu organisieren und zu betreiben sind und dass auch die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten sind, dass eine dauerhafte, volle Refinanzierung aller Leistungen gesichert ist. Über die Refinanzierung von Abschreibungen hinaus wird auch die wirtschaftliche Zukunftsvorsorge als Bedingung der ökonomischen Nachhaltigkeit genannt.23 Diese umfasst die Bildung ausreichender Rückstellungen zur Überwindung unvorhergesehener Investitionsbedarfe, die Förderung von Innovationen und Anpassung an gewandelte Bedarfe und Rahmenbedingungen. Schließlich werden auch Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz als Ziele der wirtschaftlichen, aber auch ökologischen Nachhaltigkeit genannt. Wirtschaftliche Effizienz trägt zur Steigerung von Wohlfahrt, Unternehmenserträgen und Wettbewerbsfähigkeit bei, ist aber keine zwingende Bedingung für ökonomische oder ökologische Stabilität. Effizientes Wirtschaften setzt allerdings Ressourcen für sonstige Ziele der Nachhaltigkeit frei, die ggf. notwendig sind, um wirtschaftliche oder ökologische Stabilitätsbedingungen zu erfüllen, oder um das Nachhaltigkeitsniveau zu steigern. Im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge ist effizientes Wirtschaften überdies erforderlich, um die betreffenden Infrastruktur- und Versorgungsleistungen zu möglichst niedrigen Preisen / Gebühren erbringen zu können, und dies mag nicht zuletzt aus sozialen Gesichtspunkten gefordert sein. 3. Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit umfasst vor allem Ziele der gerechten Ressourcenverteilung und der Gewährleistung elementarer Infrastruktur- und Versorgungsleistungen.24 Schon dem Nachhaltigkeits-Kernziel der dauerhaften Um22 Vgl. Bundesregierung (2002), S. 103 f.; Department for Environment, Food & Rural Affairs (2011), S. 19; OECD (2006), S. 18. 23 Vgl. Bundesregierung (2002); Bardt (2011), S. 11. 24 Zur sozialen Nachhaltigkeit z. B. Hans-Böckler-Stiftung (2002); Spangenberg (2002).
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weltressourcenerhaltung liegt vor allem auch ein sozialer Gerechtigkeitsgedanke, nämlich der intergenerationellen Gerechtigkeit, zugrunde. Zudem wird das Nachhaltigkeitsprinzip mit der Forderung nach intragenerationeller bzw. räumlicher Verteilungsgerechtigkeit verbunden. Damit ist vor allem gemeint, dass nicht eine Region oder ein Kollektiv derart „auf Kosten“ Anderer wirtschaften soll, dass Letzteren keine angemessene Ressourcenausstattung mehr verbleibt, um ihre elementaren Bedürfnisse nachhaltig zu befriedigen. Soziale Nachhaltigkeit gebietet daher eine gerechte Ressourcenverteilung zwischen Individuen, Regionen und Staaten. Freilich beantwortet sich aus dem abstrakten Nachhaltigkeitsprinzip nicht die Folgefrage, was denn als gerechte Ressourcenverteilung zu gelten hat. Klar ist aber, dass es in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft nicht um absolut gleiche Verteilung, sondern allein um die Gewährleistung bestimmter Mindestausstattungen mit wichtigen Leistungen, Gütern und Infrastrukturen gehen kann. Das Gewicht dieser sozialen Mindestausstattung im Dreieck der Nachhaltigkeitsdimensionen muss selbstverständlich umso höher eingestuft werden, je mehr es dabei um elementare Bedürfnisse geht, wie insbesondere auch die Verfügbarkeit hinreichender Trinkwassermengen und Abwasserhygieneleistungen. Es ist daher festzuhalten, dass die Deckung des sozialen Bedarfes an Wasser und Abwasserentsorgungsleistungen zweifellos als ein gewichtiges Ziel der Nachhaltigkeit zu würdigen ist, wobei der elementaren Mindestversorgung höchste Priorität zukommt. Mit dieser sozialen Forderung nach gleicher Verfügbarkeit essentieller Ressourcen und Versorgungsleistungen verbindet sich – gleichsam als weiteres Teilziel der Nachhaltigkeit – die Notwendigkeit, diese Ressourcen und Leistungen erschwinglich zu machen.25 Der geforderte Zugang zu elementaren Versorgungsleistungen ist offenkundig nicht gegeben, wenn die (Gegen-)Leistungen, von denen er abhängt, nicht allseits zumutbar sind. Das aus diesem Zusammenhang abzuleitende „Erschwinglichkeitsgebot“ besagt allerdings nicht auch, dass die Zugangspreise auf ein für alle erschwingliches Niveau zu senken sind; vielmehr kann die Erschwinglichkeit auch durch Instrumente der sozialen Sicherung bzw. Mittelzuwendungen erreicht werden. Preisbegrenzungen sind also lediglich eine Option, nicht aber ein Gebot der sozialen Nachhaltigkeit.26 Als weitere soziale Bedingung der Nachhaltigkeit wird regelmäßig eine hinreichende Bildung genannt.27 Durch Bildung soll zum einen gewährleistet werden, dass die kognitiven Voraussetzungen der nachhaltigen Entwicklung erfüllt werden. Insoweit sind Bildung und Wissensgenerierung vor allem Voraussetzungen der ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit. In sozialer Hinsicht bedeutender ist – zum anderen – der Beitrag von Bildung zur Chancengleichheit, und auch
25 26 27
Zum Konzept der Erschwinglichkeit siehe Gawel / Bretschneider (2014). Vgl. Gawel / Bretschneider (2012). Vgl. Döring / Ott (2002).
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diese wird vielfach als ein Teil und Ziel der nachhaltigen Entwicklung angesehen.28 Dieser Aspekt entfaltet allerdings für den Bereich der Siedlungswasserwirtschaft keine größere Bedeutung und darf daher im hiesigen Zusammenhang vernachlässigt werden. Gleiches gilt für weitergehende sozialpolitische Zielsetzungen, wie z. B. die in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung genannten Ziele, der „Armut und sozialen Ausgrenzung“ vorzubeugen und eine „Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer“ zu verhindern.29 Hiermit legt die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ersichtlich ein sehr weites, im Grunde jeden gewichtigen Gemeinwohlbelang einbeziehendes Nachhaltigkeitskonzept zugrunde. Unabhängig von der Frage, ob diese weite Konzeption Gefolgschaft verdient, können die betreffenden sozialpolitischen Zielsetzungen hier außer Betracht bleiben, weil sie für den Bereich der Siedlungswasserwirtschaft über die erwähnten Versorgungsziele hinaus keine Relevanz haben.
4. Erweiterungen und Modifizierungen des Drei-Säulen-Konzepts Die Erstreckung der Nachhaltigkeitskonzeption auf die drei o. g. Dimensionen der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit ist in Literatur und Praxis viel rezipiert worden und prägt bis heute weite Teile der Nachhaltigkeitsdebatte auch in den Bereichen der Wasserversorgung30 und Abwasserentsorgung.31 Allerdings ist an diesem „Drei-Dimensionen-Konzept“ auch Kritik geübt worden und es sind teils abweichende, feiner unterscheidende oder ergänzende Dimensionen vorgeschlagen und teils auch alternative Konzepte verfolgt worden, die sich vom Drei-Säulen-Konzept – jedenfalls äußerlich – deutlich unterscheiden. Auf diese Vorschläge zur Ergänzung und Modifizierung des Drei-Säulen-Konzepts wird im Folgenden aber nur insoweit eingegangen, als sie für das Feld der Siedlungswasserwirtschaft von Bedeutung sind. Eine Ergänzung, die u. a. von der UN Commission on Sustainable Development vorgeschlagen wurde, geht dahin, dem Drei-Säulen-Konzept eine institutionelle Dimension hinzuzufügen.32 Überdies wurde auch die Ergänzung einer technischen Di-
28 Vgl. http://www.bundesregierung.de / Webs / Breg / DE / Themen / Nachhaltigkeitsstrategie / 1-die-nationale-nachhaltigkeitsstrategie / leitbild / _node.html#doc506672bodyText3, abgerufen am 14. 07. 2015. 29 Ebenda. 30 Vgl. Brackemann et al. (2001). 31 Vgl. Balkema et al. (2002), S. 158 m. w. Nachweisen; Hiessl et al. (2003); Herbst (2008). 32 So insbesondere die HGF-Nachhaltigkeitsstrategie, s. Kopfmüller et al. (2001), S. 102 ff., auch Jörissen et al. (1999); Schaller et al. (2008), S. 196.
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mension33 vorgeschlagen, ein Ansatz, den u. a. auch Kluge und Libbe im Rahmen ihres speziell auf die Wasserwirtschaft zugeschnittenen Indikatorensets aufgreifen. 34 Diese Ergänzungsvorschläge beachten indes nicht hinreichend das Zweck-MittelVerhältnis zwischen den originären Nachhaltigkeitssäulen und den – „dienenden“ – technischen und institutionellen Erfordernissen ihrer optimalen Umsetzung. Es steht zwar außer Frage, dass Institutionen und Technologien entscheidend für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sind. Ebenso klar ist, dass aus den technischen und institutionellen Gegebenheiten Pfadabhängigkeiten und Sachzwänge entstehen, die bei der weiteren Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele zu beachten sind. Gleichwohl stellen Technik und Institutionen im Unterschied zu den substanziellen ökologischen, ökonomischen und sozialen Erhaltungs- und Optimierungszielen lediglich Mittel der Umsetzung dar. Da es vorliegend aber gerade darum geht, Nachhaltigkeitsmaßstäbe für die institutionelle und technologische Gestaltung zu entwickeln, kann die institutionelle und technologische Gestaltung nicht ihrerseits Maßstab gebend neben die substanziellen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse der Nachhaltigkeit gestellt werden. Ein anderer Ergänzungsvorschlag nimmt auf die – in der langfristigen Nachhaltigkeitsperspektive besonders relevanten – Probleme des Handelns unter Unsicherheit Bezug und empfiehlt, ergänzend zu den drei materiellen Dimensionen noch den rationalen Umgang mit Unsicherheiten als zentrale Grundbedingung und notwendiges Ziel der Nachhaltigkeitspolitik hervorzuheben.35 Der Umgang mit Unsicherheit ist zweifellos eine zentrale Herausforderung der Nachhaltigkeit, die sich in allen drei substanziellen Säulen stellt und insoweit darin implizit enthalten ist. Allerdings bringt das Säulenmodell diese Herausforderung und insbesondere ihre Dimensionen übergreifenden Erfordernisse und Zusammenhänge nicht hinreichend zum Ausdruck. Deshalb erscheint es in der Tat zweckmäßig, den rationalen Umgangs mit Unsicherheit neben den substanziellen Zieldimensionen als eine eigene allgemeine Nachhaltigkeitsbedingung auszuweisen.
5. „Trans-dimensionale“ und „Integrative“ Konzepte der Nachhaltigkeit Neben den o. g. Ergänzungsvorschlägen zum Drei-Säulen-Modell sind – wie schon erwähnt – auch grundlegendere Kritik und erheblicher abweichende Alternativkonzepte zu vermelden. Die grundlegende Kritik an dem Drei-Säulen-Konzept geht insbesondere dahin, dass es – die ökologische Ursprungsorientierung der Nachhaltigkeitsidee durch die gleichrangige Einbeziehung wirtschaftlicher und sozialer Aspekte der Nachhaltigkeit zu 33 34 35
Vgl. Sahely et al. (2005); Makropoulos et al. (2008). Vgl. Kluge / Libbe (2006), S. 38. Vgl. Köck (2007).
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stark relativiere, dem Nachhaltigkeitsprinzip mithin seine ökologische Stoßkraft raube und es stattdessen zu einem grenzenlosen, „dreispaltigen Wunschzettel“ 36 von Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik überdehne.37 – suggeriere, dass die Nachhaltigkeitsziele der einzelnen Säulen je für sich und in der Logik der Sektorpolitiken abgearbeitet und erfüllt werden könnten. Die entscheidende Integrationsaufgabe38 komme daher nicht hinreichend zum Ausdruck.39
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat aus diesen Erwägungen heraus empfohlen, zu einem ökologisch orientierten, engeren Nachhaltigkeitsverständnis „zurückzukehren“ und dieses zu konkurrierenden Belangen anderer Politiksektoren in Form einer grundlegenden Forderung zur Integration der ökologischen Nachhaltigkeitsbelange ins Verhältnis zu setzen. So würde u. a. verhindert, dass der Topos der Nachhaltigkeit selbst gegen ökologische Belange gewendet werde. Dem Standpunkt des SRU ist jedenfalls darin zu folgen, dass die Integration der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange zu einem insgesamt nachhaltigen Ziel- und Handlungsprogramm als besondere Herausforderung, Ziel und Grundvoraussetzung der Nachhaltigkeit zu gelten hat. Das Drei-Säulen-Modell wendet sich – recht verstanden – keinesfalls gegen diese Integrationsbedingung, sondern stellt vielmehr nur eine Kategorisierung der zu integrierenden Belange dar. Wenn es allerdings darum geht, Ziele und Grundbedingungen einer nachhaltigen Governance zu bestimmen, erscheint es geboten, das Integrationserfordernis als Kernbedingung der Nachhaltigkeit eigens herauszustellen, denn die Integration erfordert insbesondere prozedurale und organisatorische Koordinierungen, die durch die bereichsbezogenen Zielsetzung auch dann nicht hinreichend deutlich angesprochen sind, wenn die substanziellen Konflikte mit gegenläufigen Zielen berücksichtigt werden. Über eine bloße Hervorhebung des Integrationserfordernisses hinausgehend versuchen einige alternative Nachhaltigkeitskonzeptionen die Integration insbesondere dadurch zu befördern, dass sie nicht an erster Stelle auf die drei Sektoren, sondern – jedenfalls auch – auf übergreifende Prinzipien und Ziele abstellen, wie insbesondere das Prinzip der Generationengerechtigkeit oder das Ziel guter Lebensqualität. Zu den wichtigsten „deutschen“ Vertretern dieser integrativen Nachhaltigkeitskonzepte zählen zweifellos die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und das „Integrative Konzept nachhaltiger Entwicklung der Helmholtz-Gemeinschaft“ (nachfolgend kurz „HGF-Konzept“). Diese Konzepte werden im Folgenden gleichsam stellvertretend für eine Reihe ähnlicher Ansätze kurz dargestellt und mit Blick auf das angestrebte Nachhaltigkeitsprofil zur Siedlungswasserwirtschaft ausgewertet. 36 37 38 39
Vgl. Brand / Jochum (2000), S. 75. Vgl. SRU (2002), S. 68. Vgl. Grunwald / Kopfmüller (2007), S. 5. So insb. Jörissen et al. (1999), S. 37, und SRU (2002), S. 68.
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6. Das Nachhaltigkeitskonzept der Bundesregierung Ein Nachhaltigkeitskonzept, das sich von dem Drei-Säulen-Konzept – jedenfalls dem ersten Eindruck nach – recht stark abhebt, ist die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung.40 Diese ist nämlich zunächst nicht an den Kategorien von Umwelt, Wirtschaft und Sozialem ausgerichtet, sondern an sog. „Leitlinien“, namentlich der – Generationengerechtigkeit, – Lebensqualität, – sozialer Zusammenhalt und – internationale Verantwortung.
Interessant ist im hiesigen Zusammenhang, ob im Lichte dieser „Leitlinien“ noch andere, zusätzliche Zielbedingungen der Nachhaltigkeit aufscheinen, die auch für die Gestaltung des siedlungswasserwirtschaftlichen Sektors relevant sind und insofern in ein Zielbündel zur nachhaltigen Wasserinfrastruktur aufgenommen werden sollten. Unter den Leitlinien werden namentlich folgende Nachhaltigkeitsaspekte aufgerufen (siehe Tabelle 1). Tabelle 1 Leitlinien nachhaltiger Entwicklung im Nachhaltigkeitskonzept der Bundesregierung Generationengerechtigkeit – Ressourcenschonung
– Staatsverschuldung
– Klimaschutz
– Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge
– Erneuerbare Energien
– Innovation
– Flächeninanspruchnahme
– Bildung
– Artenvielfalt Lebensqualität – Wirtschaftlicher Wohlstand
– Luftqualität
– Mobilität
– Gesundheit
– Ernährung
– Kriminalität Sozialer Zusammenhalt
– Beschäftigung
– Gleichberechtigung
– Perspektiven für Familien
– Integration ausl. Mitbürger
Quelle: eigene Darstellung nach Bundesregierung (2002).
40
Vgl. Bundesregierung (2000); Statistisches Bundesamt (2014).
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Auffällig ist, dass dieser Ansatz der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie eher noch weiter gefasst ist als das Drei-Säulen-Modell, das ja doch eine gewisse Fokussierung auf – ökologische, wirtschaftliche und soziale – Aspekte der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen jedenfalls zulässt.41 Demgegenüber stellt die Nachhaltigkeitsstrategie die äußerst breiten Zielsetzungen der „Lebensqualität“ und des „sozialen Zusammenhalts“ noch neben das zentrale Ziel der Generationengerechtigkeit. Damit wird das Nachhaltigkeitsprinzip im Grunde als ein Prinzip der dauerhaften Gemeinwohloptimierung ausgelegt, dass alle anerkennenswerten Faktoren des Gemeinwohls gleichbedeutend nebeneinander stellt. Gleichwohl ist unter den genannten Zielaspekten der Nachhaltigkeitsstrategie keiner zu erkennen, der nicht auch dem Drei-Säulen-Modell zugeordnet werden kann. Allerdings erfahren einzelne Aspekte insbesondere der Lebensqualität eine stärkere Akzentuierung als unter den Kategorien des Drei-Säulen-Modells. Zu diesen Aspekten zählt vor allem der Faktor „Gesundheit“, der zweifellos auch für die Siedlungswasserwirtschaft einen zentralen Nachhaltigkeitsfaktor darstellt und insoweit eine prioritäre Stellung im Zielprofil verdient. 42 Mit Blick auf die einzeln genannten Erfordernisse des Umweltschutzes stellt sich nebenbei noch die Frage, ob und in welcher Form die hier gewählten spezifischen Zielaspekte auch in ein Nachhaltigkeits-Anforderungsprofil zur Siedlungswasserwirtschaft übernommen werden sollten. Für die Siedlungswasserwirtschaft sind insofern Ressourcenschutz, Klimaschutz und auch Flächeninanspruchnahme von Bedeutung. Auf die Frage, wie diese Aspekte im Zielbündel zweckmäßig abzubilden sind, wird zum Ende des Beitrags noch einmal zurückzukommen sein.
7. Das Helmholtz-Konzept für eine nachhaltige Entwicklung (HGF-Konzept) Das Helmholtz-Konzept43 geht von den zentralen Gerechtigkeitspostulaten des Nachhaltigkeitsprinzips aus und zielt erklärtermaßen darauf ab, diese Postulate der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit „in der ökologischen, sozialen, ökonomischen und institutionellen Dimension zu operationalisieren. Dabei wird nicht von der beschränkten Perspektive der einzelnen Dimensionen ausgegangen, sondern es werden – in integrierender Sichtweise – drei generelle dimensionenübergreifende Nachhaltigkeitsziele auf die Dimensionen projiziert und mit den – in verschiedenen Diskursen verkörperten – Eigenlogiken der einzelnen Dimensionen vermittelt.
41 Eine solche Deutung war auch jedenfalls von der Enquete-Kommission beabsichtigt (1998), S. 19. 42 Gesundheit wird u. a. von Hellström et al. (2000) sowie Karger et al. (2006), S. 87 ff., auch als ein zentrales Nachhaltigkeitsziel der Siedlungswasserwirtschaft herausgehoben. 43 Vgl. Kopfmüller et al. (2001); s. a. Jörissen et al. (1999).
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Das Ergebnis sind Operationalisierungen der generellen Ziele hinsichtlich nachhaltigkeitsrelevanter konstitutiver Elemente der einzelnen Dimensionen in Form von Regeln“ 44
die „als global gültige Mindestanforderungen einer nachhaltigen Entwicklung“45 konzipiert sind. Die drei generellen, explizit anthropogen ausgerichteten Nachhaltigkeitsziele sind – die Sicherung der menschlichen Existenz, – die Erhaltung des gesellschaftlichen Produktivpotenzials und – die Bewahrung der Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten.
Die zu diesen generellen Zielen abgeleiteten „substanziellen Regeln“ sind in der folgenden Tabelle ausgewiesen: Tabelle 2 Leitziele und substanzielle Regeln des HGF-Konzeptes Generelle Nachhaltigkeitsziele Sicherung der menschlichen Existenz
Erhaltung des gesellschaftlichen Produktivpotenzials
Bewahrung der Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten
Substanzielle Regeln Schutz der menschlichen Gesundheit
Nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen
Chancengleichheit hinsichtlich Bildung, Beruf, Information
Gewährleistung der Grundversorgung
Nachhaltige Nutzung nicht Partizipation an gesellschaftlierneuerbarer Ressourcen chen Entscheidungsprozessen
Selbständige Existenzsicherung
Nachhaltige Nutzung der Umwelt als Senke
Gerechte Verteilung von Umweltnutzungsmöglichkeiten
Vermeidung unvertretbarer Erhaltung der kulturellen Funktechnischer Risiken tion der Natur
Ausgleich extremer Einkommens- und Vermögensunterschiede
Nachhaltige Entwicklung des Sach-, Human- und Wissenskapitals
Erhaltung des kulturellen Erbes und der kulturellen Vielfalt
Erhaltung der sozialen Ressourcen
Quelle: Kopfmüller et al. (2001), S. 172.
Zu diesen substanziellen Regelungen fügt das Helmholtz-Konzept folgende instrumentelle Regeln hinzu (Tabelle 3).
44 45
Jörissen et al. (1999), S. 3. Ebenda.
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Tabelle 3 Instrumentelle Regeln innerhalb des HGF-Konzeptes Instrumentelle Regeln – Internalisierung externer sozialer u. ökologischer Kosten – Angemessene Diskontierung – Staatsverschuldung – Faire weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen – Förderung der internationalen Zusammenarbeit
– – – – –
Resonanz der Gesellschaft Reflexivität der Gesellschaft Steuerungsfähigkeit Selbstorganisation Machtausgleich
Quelle: Kopfmüller et al. (2001), S. 273 ff.
Mit diesen generellen Nachhaltigkeitszielen und -regeln stellt das HGF-Konzept sehr viel deutlicher als die zuvor dargestellten Ansätze auf das zentrale Dauerhaftigkeits- bzw. Erhaltungselement des Nachhaltigkeitsprinzips ab. Das Konzept akzentuiert vor allem die Erhaltung der für Mensch und Gemeinwohl elementaren Güter und die diesbezüglichen Teilziele und notwendigen Zielvoraussetzungen. Die mit Blick auf diese elementaren Erhaltungsziele hergeleiteten Nachhaltigkeitsregeln weisen erwartbare Überschneidungen mit dem drei-Säulen-Konzept auf, akzentuieren aber darüber hinaus auch eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitserfordernissen, die durch die Kategorien des Drei-Säulen-Modells nicht klar reflektiert werden, weil es sich um Querschnittsbedingungen handelt, die nicht (nur) einer dieser Kategorien klar zuzuordnen sind. Von diesen durch das HGF-Konzept besonders hervorgehobenen Querschnittsbedingungen der Nachhaltigkeit haben die Folgenden erkennbare Relevanz für die Siedlungswasserwirtschaft und sind daher bei der Konzipierung eines sektoralen Nachhaltigkeits-Anforderungsprofils mit in Betracht zu ziehen: – Schutz der menschlichen Gesundheit: Leben und Gesundheit sind höchste Güter und ihr dauerhafter Erhalt muss zweifellos im Zentrum eines Nachhaltigkeitskonzeptes stehen. Dieses Kernziel der Nachhaltigkeit wird zwar – wie bereits oben dargelegt – durch die Kategorien Umwelt, Wirtschaft und Soziales auch mittelbar erfasst, kommt aber in seiner vorrangigen Bedeutung nicht hinreichend zum Ausdruck. – Gewährleistung der Grundversorgung: Durch den Begriff der Grundversorgung ist sicherlich auch die Wasserver- und Abwasserentsorgung angesprochen. Fraglich ist indes, was – jenseits des aus Gesundheitsgründen gebotenen – noch zur Grundversorgung zu zählen ist. Mit dem Aspekt der Grundversorgung ist zugleich das Erfordernis der Versorgungssicherheit angesprochen, die im Bereich der kritischen Infrastrukturen gleichsam zu den Nachhaltigkeitsbedingungen zählen muss.46 46
Vgl. Karger et al. (2006), S. 87 ff.
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– Die gerechte Verteilung von Umweltnutzungsmöglichkeiten: Fragen der gerechten Verteilung von Umweltnutzungsmöglichkeiten sind hinsichtlich der Verteilung von Wasserressourcen und von Senkenkapazitäten auch für die Siedlungswasserwirtschaft von erheblicher Bedeutung. Die Gerechtigkeitsforderung stellt sich allerdings als ein sehr vages, höchst konkretisierungsbedürftiges Kriterium dar, das wasserwirtschaftlich in erster Linie auf die Forderung nach einer für alle zugänglichen, erschwinglichen Grundversorgung hinausläuft. – Die nachhaltige Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen ist für die Siedlungswasserwirtschaft in mehrfacher Hinsicht relevant, nämlich in Bezug auf die verfügbaren Wasserressourcen, Energie und im Wasser / Abwasser enthaltene Wertstoffe. Konkretisierungsbedürftig ist hier freilich, was mit „nachhaltiger“ Nutzung gemeint ist. Im Sinne der Erhaltungsbedingung werden jedenfalls eine auskömmliche Nutzung der Wasserressourcen und ein möglichst effizienter Umgang mit knappen Wasser-, Energie- und Phosphorressourcen zu fordern sein. – Die nachhaltige Nutzung der Umwelt als Senke ist eine v. a. für die Abwasserentsorgung bedeutende, wiederum konkretisierungsbedürftige Nachhaltigkeitsbedingung. Grundsätzlich muss es hier um den Erhalt eines zu definierenden (Mindest-)Qualitätsniveaus der betroffenen aquatischen Umwelt gehen. – Die Vermeidung unvertretbarer technischer Risiken: Diese ebenfalls bereits angesprochene Nachhaltigkeitsbedingung umfasst zum einen den (auch im Grundversorgungsgebot enthaltenen) Aspekt der Versorgungssicherheit und stellt überdies den rationalen Umgang mit Risiken – m. a. W. die Risikovorsorge – als Nachhaltigkeitserfordernis heraus. – Die nachhaltige Entwicklung des Human- und Sachkapitals umfasst ist insbesondere das oben bereits beschriebene ökonomische Erfordernis einer Kapital erhaltenden und auch Wagnisse und Innovationsbedarfe abdeckenden (Re-)Finanzierung. – Partizipation wird als eine originäre, nicht lediglich instrumentelle Nachhaltigkeitsbedingung genannt. Die Beteiligung der betroffenen Kreise an der Entscheidungsfindung erscheint jedenfalls als eine notwendige Voraussetzung insbesondere dafür, die zur Entwicklung nachhaltiger Pfade erforderlichen Zielkonkretisierungen und Gewichtungen i. S. der Präferenzen der Betroffenen und mit größtmöglichem Gemeinnutzen vornehmen zu können. Dieser Zusammenhang kann durchaus auch für Systementscheidungen zur Wasserinfrastruktur relevant sein.
Auch die instrumentellen Regeln markieren wichtige, aus der Gerechtigkeitsund Erhaltungsmaxime folgende Nachhaltigkeitsbedingungen, die überwiegend auch für die Siedlungswasserwirtschaft relevant sind. „Instrumentelle“ Vorgaben können allerdings nur insoweit auch als Maßstäbe der Nachhaltigkeit gelten, wie sie nicht in die Auswahl alternativer Umsetzungsmittel hineinregieren, sondern unab-
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dingbare, alternativlose Voraussetzungen nachhaltiger Entwicklung darstellen. Dies ist bei den „instrumentellen Regeln“ des HGF-Konzeptes allerdings durchweg der Fall. Die Folgenden sind auch für die Siedlungswasserwirtschaft von hervorzuhebender Bedeutung: – Internalisierung externer sozialer und ökologischer Kosten – Die Preise müssen die im Wirtschaftsprozess entstehenden externen ökologischen Kosten reflektieren.47 Das HGF-Konzept beschreibt die verursachergerechte Kostenanlastung nachvollziehbar als ein unverzichtbares, zentrales Gebot der inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit. Es liegt auf der Hand, dass Lasten ungerecht verteilt werden und auch Ressourcen nicht effizient i. S. des Gemeinwohls genutzt werden, wenn die Kosten nicht bei anderen als den Verursachern und Profiteuren anfallen. – Angemessene Diskontierung – Durch Diskontierung dürfen weder künftige noch heutige Generationen diskriminiert werden.48 Die angemessene Diskontierung einschließlich der Bildung hinreichender Rückstellungen für substanzerhaltende Reinvestitionen ist ebenso wie die Internalisierung externer Kosten ein Gebot der gerechten Lastenverteilung auf Verursacher und Profiteure, das auch unter dem Begriff der Lastenäquivalenz zusammengefasst werden kann. – Maßvolle Verschuldung – Um zukünftige Handlungsspielräume nicht einzuschränken, müssen die laufenden konsumtiven Ausgaben des Staates im Prinzip aus den laufenden Einnahmen finanziert werden.49 In dem Kriterium der Staatsverschuldung bildet sich abermals das Nachhaltigkeitserfordernis der verursacher- bzw. vorteilsgerechten Kostenanlastung ab. Für die Infrastrukturen bedeutetet dies – wie bereits dargelegt dass sie angemessen zu erhalten und zu erneuern sind und dass die hierfür anfallenden Kosten vollständig durch die Nutznießer aufgebracht werden müssen. – Resonanzfähigkeit und Reflexivität der Gesellschaft – Es sind geeignete institutionelle Bedingungen zu schaffen, um die Resonanzfähigkeit der Gesellschaft gegenüber den Problemen der Natur- und Anthroposphäre und die Reflexion von Handlungsoptionen zu steigern.50 Mit dem Kriterium der Reflexivität wird das dem Nachhaltigkeitsgebot innewohnende Erfordernis zum Ausdruck gebracht, die relevanten gesellschaftlichen System folgenorientiert und „lernend“ so zu gestalten, dass sie notwendiges Nachhaltigkeitswissen generieren, die Einhaltung des Nachhaltigkeitspfads laufend prüfen und erforderlichenfalls Kurskorrekturen vornehmen.
Die genannten substanziellen und instrumentellen Regeln sollen nach Vorstellung der Autoren des HGF-Konzeptes als Mindestanforderungen möglichst so ausgelegt 47 48 49 50
Vgl. Kopfmüller et al. (2001), S. 273. Vgl. Kopfmüller et al. (2001), S. 279. Vgl. Kopfmüller et al. (2001), S. 284. Vgl. Kopfmüller et al. (2001), S. 303, 305.
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werden, dass sie keiner weiteren Relativierung durch Regelkonflikte unterliegen. Um gleichwohl auftretende Regelkonflikte lösen zu können, sollen für die Regeln noch mehrere „Erfüllungsbereiche“ definiert und so gewichtet werden, dass die Kernbereiche – wie z. B. die Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern – Vorrang erhält vor peripheren Erfüllungsbereichen anderer Regeln.
8. Zwischenbilanz Im Vergleich der allgemeinen Nachhaltigkeitskonzepte zeigen sich durchaus grundlegende Unterschiede in der Ausrichtung, die auch für die Ableitung von Unterzielen und Indikatoren relevant sind und zu denen sich daher jede künftige Nachhaltigkeitskonzeption erklären muss. Zu diesen Grundlegungen gehört zunächst die Frage, ob vorrangig auf ökologische Nachhaltigkeit abgestellt werden soll oder auch auf ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Diese Frage ist für den vorliegenden Untersuchungszusammenhang in letzterem Sinne zu beantworten, nicht nur weil hier ein breites, integrierendes Nachhaltigkeitsprofil beabsichtigt ist, sondern auch aus der Überzeugung heraus, dass eine eindimensionale Nachhaltigkeitsperspektive nicht geeignet ist, um die Herausforderungen der nachhaltigen Gestaltung von Wasserinfrastrukturen abzubilden, die in vieler Hinsicht offenkundig gerade darin liegt, ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeitserfordernisse zum Ausgleich zu bringen. Eine weitere Grundlegung betrifft die Frage, ob mit dem Nachhaltigkeitsprinzip ausschließlich die dauerhafte Sicherung ökologischer, ökonomischer und sozialer Mindestniveaus intendiert ist oder aber auch eine Optimierung dieser Gemeinwohldimensionen gefordert sein soll. Auf diese Frage ist für die hiesige Zielstellung zu antworten, dass dem Kernziel der dauerhaften Erhaltung elementarer ökologischer, ökonomischer und sozialer Wohlfahrtsgrundlagen zweifellos Priorität zukommen muss, dass aber das Nachhaltigkeitsprinzip darüber hinaus auch als Optimierungsgebot verstanden werden soll und dass das Prinzip auch die Forderung nach einem möglichst hohen „Nachhaltigkeitsniveau“ einschließt. Dafür spricht bereits der Umstand, dass ein Mindesterhaltungs- bzw. Stabilitätsniveau für die meisten Nachhaltigkeitsaspekte gar nicht eindeutig und wertungsfrei feststellbar ist und dass die konkreten Nachhaltigkeitserfordernisse insofern notwendig in Abwägung mit den übrigen Nachhaltigkeitszielen zu bestimmen sind – z. B. darüber, welches Grundversorgungsniveau in Ansehung des Ressourcenaufwands und etwaiger Umweltkosten mindestens gewährleistet werden soll. Dass die Nachhaltigkeitsschwelle nicht empirisch, sondern nur durch Abwägung bestimmbar ist, gilt auch für viele Aspekte der Umwelterhaltung. Die „Managementregel“, dass die „Tragekapazitäten“ der Umwelt nicht überschritten werden sollen, suggeriert zwar, dass die Nachhaltigkeitserfordernisse gewissermaßen aus den Funktions- und Gleichgewichtsbedingungen der Natur abzulesen seien. Praktisch
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
171
ist dies allerdings nur selten und allenfalls annäherungsweise der Fall. 51 In der Regel sind die Tragekapazitäten nicht klar erkennbar. Vor allem aber muss allererst bestimmt werden, welche Art von Umwelt und Umweltdienstleistung überhaupt erhalten und in ihrer Tragfähigkeit geschützt werden sollen. Es stellt sich mithin die Frage, ob namentlich ein hohes Stabilitätsniveau mit entsprechend niedrigen Belastbarkeitsschwellen oder eher geringeres Erhaltungsniveau mit hohen Belastbarkeitsschwellen zu wählen ist. In dieser Frage dürfte es weder möglich noch sinnvoll sein, punktgenau zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Lösungen zu unterscheiden. Jedenfalls insofern erscheint es angemessen, den Nachhaltigkeitsmaßstab auch als ein Optimierungsgebot zu begreifen und von einem höheren oder niedrigeren Nachhaltigkeitsniveau zu sprechen. Dies gilt entsprechend für die – ggf. konkurrierenden – wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeitserfordernisse bzw. Nachhaltigkeitsniveaus. Dem Einwand, dass ein solcher, in Richtung Gemeinwohlmaximierung erweiterter Nachhaltigkeitsmaßstab keine Orientierungs- und Sicherungsfunktion mehr leisten könne und das Kernziel der dauerhaften Existenz- und Ressourcensicherung aus dem Blick verliere, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Sicherung basaler Bedürfnisse und der Einhaltung von bestimmbaren Dauerhaftigkeitsbedingungen besonderes Gewicht zugemessen und insoweit auch eine „untere Grenze“ der Nachhaltigkeit angenommen wird. Den „transdimensionalen“ Nachhaltigkeitskonzepten ist schließlich darin zu folgen, dass sich mit der Forderung nach einer ökologisch, ökonomisch und sozial gerechten und dauerhaft tragfähigen Ressourcennutzung auch „transdimensionale“ Nachhaltigkeitserfordernisse verbinden, die neben den rein ökologischen, ökonomischen oder sozialen Aspekten gleichsam in die Maßstäbe für eine nachhaltige Systemgestaltung zu integrieren sind. Diese dimensionenübergreifenden Nachhaltigkeitsbedingungen werden auch durch das Säulenkonzept nicht bestritten, sondern lediglich nicht unmittelbar zum Ausdruck gebracht. Der Verdienst der transdimensionalen Konzepte liegt mithin vor allem darin, diese übergreifenden Systembedingungen nachhaltiger Gesellschaft klarer herausgestellt zu haben. Unter diesen Prämissen entnehmen die Verfasser den ausgewerteten Nachhaltigkeitskonzeptionen die in der nachstehenden Tabelle 3 aufgeführten Zielkriterien. Diese Synthese fokussiert auf die für die Siedlungswasserwirtschaft relevanten Nachhaltigkeitserfordernisse und strebt eine Aggregation an, die das Anforderungsprofil möglichst kompakt, aber nicht ohne die erforderlichen Differenzierungen zum Ausdruck bringt. Im Anschluss wird uns interessieren, wie diese Kriterien in den sektorspezifischen Nachhaltigkeitskonzeptionen für die Siedlungswasserwirtschaft aufgegriffen und konkretisiert werden und ob sich daraus ggf. noch Ergänzungsbedarf ergibt (dazu sogleich Abschnitt III.).
51 So wurde beispielsweise mehrfach der Versuch unternommen, die maximale Population zu bestimmen, welche die Tragfähigkeitsgrenzen der Erde nicht übersteigt, siehe dazu Fremlin (1964); Cohen (1995).
172
Moritz Reese und Norman Bedtke Tabelle 4 Ziele und Grundbedingungen nachhaltiger Entwicklung – Synthese
Ziel / Grundbedingung
Hauptinhalt hinsichtlich Erhaltungs- und Optimierungsprinzip
Ausreichende (Grund-)Versorgung
Die Deckung der elementaren Grundversorgung an Wasserver- und Abwasserentsorgungsleistungen ist ein primäres Ziel der Existenzsicherung, das dauerhaft zu gewährleisten ist. Darüber hinaus ist im Interesse der Lebensqualität und wirtschaftlichen Optimierung eine Deckung des tatsächlichen Bedarfs anzustreben, soweit diese mit den übrigen Nachhaltigkeitszielen in Einklang steht.
Gesundheitsverträglichkeit
Dauerhafte Einhaltung zu definierender Mindestanforderungen der Trinkwasser- und Abwasserhygiene; Optimierung soweit im Einklang mit übrigen Nachhaltigkeitszielen.
Umweltverträglichkeit
Umfasst das HGF-Ziel der nachhaltigen Nutzung der Umwelt als Senke, aber auch die Vermeidung umweltschädlicher baulicher Eingriffe. Erhaltung zu definierender Mindestqualitätsziele und Belastbarkeitsgrenzen unter besonderer Beachtung des Vorsorgegebotes (s. u.). Weitergehende Qualität / Vorsorge soweit im Einklang mit übrigen Nachhaltigkeitszielen.
Ressourcensicherung / Ressourceneffizienz
Sicherung der dauerhaften Auskömmlichkeit durch eine an die natürlichen Verfügbarkeitsgrenzen angepasste Angebots- und Nachfragesteuerung. Umfasst die nachhaltige Nutzung erneuerbarer und nicht erneuerbarer Ressourcen i. S. der HGF-Konzeption und als Optimierungsforderung den effizienten, verschwendungsfreien Umgang mit diesen Ressourcen.
Wirtschaftlichkeit / Kosteneffizienz
Umfasst den verschwendungsfreien Umgang mit wirtschaftlichen Ressourcen durch allokative und technische Effizienz.
Lastenäquivalenz
Bezeichnet die intra- und intergenerationell gerechte Kostentragung nach Gegenleistungs- und Verursacherprinzip einschließlich der Internalisierung externer Kosten, der angemessenen Diskontierung und auskömmlichen Finanzierung.
Gerechte Verteilung von Umweltnutzungsmöglichkeiten / Erschwinglichkeit
Umfasst im Wassersektor v. a. die ausreichende Möglichkeit, Wasserver- und Abwasserentsorgungsleistungen zu angemessenen und – jedenfalls im Grundversorgungsbereich – erschwinglichen Preisen beziehen zu können.
Reflexivität / Wissen
Bezeichnet die Notwendigkeit möglichst tragfähiger Wissens- und Prognosegrundlagen über Nachhaltigkeitsbedingungen und -risiken als Voraussetzung für nachhaltige Lösungen.
Rationaler Umgang mit Risiken / Risikovorsorge
Zielt auf Vermeidung unvertretbarer Risiken und angemessene Risikovorsorge ab. Als Teil einer Vorsorge im weiteren Sinne sind ferner Flexibilität und Adaptivität als Grundbedingungen der Nachhaltigkeit hervorzuheben (s. u.).
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
173
Flexibilität / Adaptivität
Bezeichnet die Notwendigkeit, in Anbetracht von Entwicklungsunsicherheiten Lösungen zu implementieren, die sich in unterschiedlichen Szenarien bewähren und auf unvorhergesehene Entwicklungen eingestellt werden können.
Integration
Akzentuiert die Notwendigkeit zur Berücksichtigung, Gewichtung und Optimierung aller berührten Nachhaltigkeitsbelange.
Partizipation
Fordert die Beteiligung relevanter Interessens- und Wissensträger als notwendige Vorbedingung der durch das Nachhaltigkeitsprinzip gebotenen Optimierung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Gemeinwohlbelange.
Quelle: eigene Erstellung.
III. Sektorspezifische Nachhaltigkeitskonzepte Zur Operationalisierung des Nachhaltigkeitsprinzips in der Wasserwirtschaft liegen bereits verschiedene Konzeptionen vor, von denen hier stellvertretend drei betrachtet werden, die nach Ansicht der Verfasser die sektorale Nachhaltigkeitsdiskussion – jedenfalls in Deutschland – gut spiegeln und deutlich geprägt haben: Die Agenda-21-Leitlinien zur nachhaltigen Wasserversorgung, das UBA-Programm zur nachhaltigen Wasserwirtschaft, das „Fünf-Säulen-Modell“ und das „REFINA“Konzept für einen Nachhaltigkeitscheck zur Wasserver- und Abwasserentsorgung. Auf die zahlreichen Modernisierungs- und Entwicklungskonzepte, die der Bund52 und insbesondere die Länder53 insbesondere zur Wasserversorgung und – vereinzelt – auch zur Abwasserentsorgung aufgelegt haben, sei lediglich hingewiesen. Für eine umfassende Auswertung dieser Konzepte und Programme ist hier nicht der Raum. Diese Programme stellen auch regelmäßig nicht speziell auf die Operationalisierung der Nachhaltigkeitsmaxime ab und entwickeln dazu keine umfassenden Ziel- und Kriterienbündel. Freilich können den politischen Sektorprogrammen durchaus Hinweise auf gewichtige Erfordernisse und Optionen zur Erfüllung maßgeblicher Nachhaltigkeitsbedingungen entnommen werden, und insofern wird darauf an anderer Stelle zurückzukommen sein, wenn es namentlich um die Umsetzung einzelner Zielaspekte geht.54
Vgl. BMU (2002), S. 104. Z. B. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (2000), S. 6 ff.; Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (2001), S. 3 ff.; Niedersächsisches Umweltministerium (2002). 54 Vgl. Reese et al. (2015). 52 53
174
Moritz Reese und Norman Bedtke
1. Die Leitlinien zur nachhaltigen Wasserversorgung aus der Agenda 21 (Kapitel 18) Als das global bekannteste Nachhaltigkeitskonzept zur Wasserwirtschaft darf wohl Kapitel 18 der „Agenda 21“ gelten, die auf der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Kapitel 18 ist dem Schutz der Süßwasserressourcen gewidmet55 und umfasst eine Reihe von Zielen und Handlungsempfehlungen zur Entwicklung, Bewirtschaftung und Nutzung der Wasserressourcen. Als oberstes Ziel formuliert die Agenda „die gesicherte Bereitstellung von Wasser in angemessener Menge und guter Qualität für die gesamte Weltbevölkerung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der hydrologischen, biologischen und chemischen Funktionen der Ökosysteme, Anpassung der Aktivitäten des Menschen an die Belastungsgrenzen der Natur und Bekämpfung der Vektoren wasserinduzierter Krankheiten“ (18.2). Ausführlich werden Nachhaltigkeitsziele und Maßnahmenempfehlungen beschrieben, und zwar in sieben Programmbereichen: 1. Integrierte Erschließung und Bewirtschaftung der Wasserressourcen, 2. Beurteilung der Wasserressourcen, 55 Dieses Kapitel der Agenda 21 basiert auf den vier Dubliner Prinzipien für eine nachhaltige Entwicklung in der Wasserwirtschaft, welche 1992 auf der Internationalen Konferenz zu Wasser und Umwelt (ICWE) in Dublin beschlossen wurden und entscheidenden Einfluss auf die internationale Wasserpolitik haben. Die vier Prinzipien, die ökologische, soziokulturelle und ökonomische Grundsätze umfassen, lauten: – Trinkwasser ist ein endliches und anfälliges Gut, das zur Aufrechterhaltung von Leben, Entwicklung und Umwelt unverzichtbar ist. – Wassererschließung und Wassermanagement müssen von einem partizipatorischen Ansatz ausgehen, der alle Verbraucher, Planer und Entscheidungsträger auf allen Ebenen einschließt. – Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei der Beschaffung, der Bewirtschaftung und dem Schutz von Wasser. – Bei allen seinen konkurrierenden Nutzungsformen hat Wasser einen wirtschaftlichen Wert und sollte als wirtschaftliches Gut betrachtet werden. Obwohl das vierte Prinzip mit dem Abstellen auf den wirtschaftlichen Wert des Wassers eine ökonomische Zielsetzung ausdrückt, ist es nicht allein auf diese – wie dies wiederholt geschieht – zu reduzieren. Denn der erklärende Zusatz zum vierten Prinzip stellt klar, dass es zunächst unerlässlich ist, das Grundrecht aller Menschen auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen zu einem angemessenen Preis anzuerkennen. Erst in einem zweiten Schritt wird der Hintergrund für die geforderte Betrachtung der Ressource Wasser als Wirtschaftsgut erläutert, die in der Annahme besteht, dass die bisherige Missachtung des wirtschaftlichen Wertes von Wasser zu einem verschwenderischem und umweltschädlichen Umgang mit der Ressource Wasser geführt hat. Durch die Betrachtung als Wirtschaftsgut erhoffte man sich eine effiziente, sparsame und gerechte Wassernutzung und die Förderung von Erhalt und Schutz der Wasserressourcen. Die ökonomische Zielsetzung des vierten Prinzips hat damit eindeutig eine soziale (menschenrechtliche) und ökologische Komponente, die bei der Auslegung mitgedacht werden muss. Vgl. http://www.wmo.int / pages / prog / hwrp / documents / english / icwedece.html, abgerufen am 14.07.2015; hierzu auch Laskowski (2010), S. 67 f.
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
175
3. Schutz der Wasserressourcen, der Wassergüte und der aquatischen Ökosysteme, 4. Trinkwasserversorgung und Abwasserhygiene, 5. Wasser und nachhaltige städtische Entwicklung, 6. Wassernutzung für die nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung und ländliche Entwicklung, 7. Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Wasserressourcen. Die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 21 sind erkennbar v. a. darauf ausgerichtet, die „Grundbedürfnisse und elementaren Anforderungen an eine Wasserver- und Entsorgung in Entwicklungsländern sicherzustellen“.56 Gleichwohl benennt die Agenda auch universale Kriterien nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft, die gleichsam bei der Fortentwicklung der Wasserversorgung in einem industrialisierten und wasserreichen Land wie Deutschland zu berücksichtigen sind: Tabelle 5 Agenda-21-Leitlinien zur nachhaltigen Wasserversorgung (Kapitel 18) Nachhaltigkeitsziel
Wesentliche Aussage
Mindestversorgung
Für die städtische Trinkwasserversorgung stellt Kapitel 18 eine konkrete Mengenvorgabe von mindestens 40 Litern hygienisch unbedenklichen Wassers pro Kopf und pro Tag auf (18.58). Bezüglich der ländlichen Versorgung erfolgt keine genaue Quantifizierung. Dennoch soll auch hier sichergestellt werden, dass ländliche Gemeinden Zugang zu hygienisch unbedenklichem Wasser in ausreichender Menge haben, damit sie ihre Gesundheitsbedürfnisse decken und das Wesen ihrer örtlichen Umgebung bewahren können (18.73).
Gewässerhygiene und Ökosystemschutz
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit soll die Bereitstellung von hygienisch unbedenklichem Wasser bei gleichzeitiger Bewahrung der Unversehrtheit der Ökosysteme erreicht werden (18.38).
Der Schutz des Grundwassers ist ein wesentlicher Bestandteil der Schutz des Grundwassers Trinkwasser- Bewirtschaftung der Wasserressourcen (18.37). Im Hinblick auf den Trinkwasserschutz wird die Einrichtung von Schutzgebieten für schutz Quellen der Trinkwasserversorgung nahegelegt. Häusliche und industrielle Abwässer sollen behandelt und bei hygienischer Unbedenklichkeit wiederverwendet werden. Wiederverwendung von Brauchwasser
Wiederverwendung von Brauch- und Abwasser sollen forciert werden (18.50). Fortsetzung nächste Seite
56
Vgl. Brackemann et al. (2001), S. 107.
176
Moritz Reese und Norman Bedtke
Fortsetzung Tabelle 5 Nachhaltigkeitsziel
Wesentliche Aussage
Systemsanierung
Die Sanierung defekter Systeme und die Verminderung von Wasserverlusten sollen verfolgt werden (18.50).
Regionaler / Kommunaler Ansatz
Die Wasserressourcenbewirtschaftung ist auf die niedrigste dafür geeignete Ebene zu verlagern, die Kommunen müssen über entsprechende Kapazitäten verfügen (18.19). Entscheidungen sollen möglichst auf der kommunalen Ebene getroffen werden unter Konsultation der Öffentlichkeit und Beteiligung von Nutzern an der Planung und Durchführung von Wasserprojekten. Die Einbindung der kommunalen Wasserwirtschaft in die wasserwirtschaftliche Gesamtplanung wird gefordert.
Eigenwirtschaftlichkeit der Versorgungsunternehmen
Die Eigenständigkeit und Eigenwirtschaftlichkeit der städtischen Versorgungsunternehmen für die Wasserversorgung soll unterstützt werden (18.59e iii).
Kostendeckungsgrundsatz
Da Wasser ein soziales und wirtschaftliches Gut ist, sollen die Wassernutzer grundsätzlich angemessene und kostendeckende Wasserpreise zahlen und ökonomische Instrumente fortentwickelt werden, damit Opportunitätskosten und umweltbezogene externe Effekte berücksichtigt werden können. In Planungsüberlegungen sollen Nutzen, Investitionen, Umweltschutz- und Betriebskosten sowie die Opportunitätskosten, in denen sich die vorteilhafteste alternative Wassernutzung widerspiegelt, ihren Niederschlag finden (18.8, 18.15, 18.16).
Partizipation
Die Wasserbewirtschaftung soll von einem partizipativen Ansatz unter Beteiligung von Nutzern, Planern und politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen getragen werden (18.50).
Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserver sorgung
Im Hinblick auf die Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Wasserressourcen statuiert Kapitel 18, dass die von den Auswirkungen der Klimaänderung auf die Süßwasserressourcen ausgehenden Gefahren zu verstehen, zu quantifizieren und bei Erforderlichkeit die Umsetzung wirksamer nationaler Gegenmaßnahmen zu erleichtern ist (18.84 A).
Integrierte Planung und Bewirtschaftung
Erforderlich ist eine integrierte und ganzheitliche Planung und Bewirtschaftung der Wasserressourcen auf der Ebene von Einzugsgebieten, die miteinander in Wechselbeziehung stehende Oberflächen- und Grundwässer sowie Mengen- und Güteaspekte gebührend berücksichtigt und sektorale Wasserwirtschaftspläne und -programme im Rahmen der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik integriert (18.3, 18.6, 18.9, 18.36).
Quelle: eigene Erstellung.
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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Diese Kriterien sind von dem in Abschnitt II. gebildeten Zielbündel großteils umfasst. Allerdings werden in mancher Hinsicht konkretere Akzente gesetzt und Handlungsziele einbezogen, die eher auf der Ebene der Umsetzungsmittel als auf der Zielebene anzusiedeln sind. Dies gilt etwa für das Ziel der Systemsanierung, das als Oberziel ausgewiesen wird, wenngleich die Sanierung eher als ein Mittel zum Zweck dient und u. U. auch im Systemwechsel eine (bessere) Nachhaltigkeitsoption liegen kann. Ebenfalls mehr auf der Mittel-Ebene anzusiedeln ist der regionale bzw. kommunale Ansatz, der hier i. S. eines Subsidiaritätsprinzips proklamiert wird. Dieses Prinzip stellt in der Tat eine Vernunftregel der effizienten und bürgernahen Gesellschaftsorganisation dar, die auch bei der Erfüllung der substanziellen Nachhaltigkeitserfordernisse zu beachten ist. Allerdings liegt darin kein spezifisches Nachhaltigkeitserfordernis der Wasserwirtschaft, das gleichrangig neben den substanziellen Nachhaltigkeitszielen steht und ggf. in Abwägung mit diesen zu optimieren ist. Einen Vorstoß auf der Ebene der Umsetzungsmittel macht auch das Kriterium der Integrierten Planung und Bewirtschaftung, das dem allgemeineren Integrationserfordernis Rechnung trägt. Insoweit dürfen zwar die integrierte Planung und Bewirtschaftung als notwendige Erfüllungsbedingung gelten. Allerdings können unter dem allgemeinen Integrationserfordernis durchaus noch andere Umsetzungserfordernisse und Optionen aufscheinen, sodass hier tunlichst auf die generelle Zielbedingung abgestellt werden sollte. Der Gesundheitsschutz wird mit dem Schutz der Rohwasser- und Trinkwasserressourcen eingeblendet, während die Aspekte der Ressourcensicherung und Ressourceneffizienz auf Trinkwasserschutz und Wiederverwendung von Brauchwasser verengt werden. Auch insoweit erscheint es angebracht, auf die übergeordneten Zielkriterien abzuheben, um auch hier das volle Spektrum der Nachhaltigkeitserfordernisse und -optionen zu erfassen. Gleiches gilt für die Nachhaltigkeitsbedingung der Umweltverträglichkeit, die in der Agenda-Liste nur sehr begrenzt zum Ausdruck kommt. Der Aspekt der Vorsorge wird lediglich in Bezug auf den Klimawandel hervorgehoben, und das Versorgungsziel wird auf eine Mindestversorgung fokussiert. Das oben entwickelte integrierende Zielbündel erscheint insgesamt – erwartungsgemäß – vollständiger und im Hinblick auf die Unterscheidung von Zielen und Mitteln kohärenter als die Sektor-Kriterien der Agenda 21. 2. Die Studie von Kahlenborn / Kraemer und weitergehende Empfehlungen im Auftrag des Umweltbundesamtes Kahlenborn und Kraemer haben im Jahr 1999 im Auftrag des Umweltbundesamtes ein Nachhaltigkeitskonzept zur Wasserwirtschaft57 entwickelt, das als Meilen57
Vgl. Kahlenborn / Kraemer (1999).
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Moritz Reese und Norman Bedtke
stein in der sektoralen Nachhaltigkeitsdiskussion gelten darf. Die Studie von Kahlenborn und Kraemer bildet zudem die Grundlage für weitergehende Empfehlungen zur nachhaltigen Entwicklung (auch) der Trinkwasserversorgung in Deutschland (b). 58
a) Das Nachhaltigkeitskonzept von Kahlenborn und Kraemer Das Nachhaltigkeitskonzept von Kahlenborn und Kraemer fokussiert nicht allein auf die Siedlungswasserwirtschaft, sondern hat darüber hinaus die integrierte Gewässerbewirtschaftung zum Gegenstand. Die Zielvorgaben und Prinzipien, die Kahlenborn und Kraemer entwickelt haben, sind gleichwohl auch für die Siedlungswasserwirtschaft relevant. Sie basieren sämtlich auf drei zentralen Zielsetzungen zur Sicherstellung einer integrierten Bewirtschaftung aller künstlichen und natürlichen Wasserkreisläufe: – Langfristiger Schutz von Wasser als Lebensraum bzw. als zentrales Element von Lebensräumen, – Sicherung des Wassers in seinen verschiedenen Facetten als Ressource für die jetzige wie für die nachfolgenden Generationen, – Erschließung von Optionen für eine dauerhaft naturverträgliche, wirtschaftliche und soziale Entwicklung.59
Ferner formulieren Kahlenborn und Kraemer neun Leitprinzipien, die für eine nachhaltige Gestaltung der Wasserwirtschaft im Sinne der o. g. Kernziele von wesentlicher Bedeutung sein sollen. In der nachstehenden Tabelle 6 werden die von Kahlenborn und Kraemer vorgeschlagenen Leitprinzipien aufgeführt und jeweils zu den hier erörterten Nachhaltigkeitskriterien in Beziehung gesetzt. Als Ergebnis sei vorweggenommen, dass sich nach unserer Auffassung die Leitprinzipien sämtlich den Nachhaltigkeitskriterien zuordnen lassen und jedenfalls keinen Ergänzungs- oder Modernisierungsbedarf indizieren. Ein grundlegender Unterschied der Prinzipienliste von Kahlenborn und Kraemer besteht allerdings darin, dass sie ganz auf „strategische“ Handlungsprinzipien beschränkt sind. Sie schließt daher die substanziellen Nachhaltigkeitsziele der (Grund-)Versorgung, Erschwinglichkeit, Gesundheitsverträglichkeit und Umweltverträglichkeit nicht mit ein, sondern setzt diese nur implizit voraus. Nicht einbezogen bzw. gesondert ausgewiesen werden überdies die Nachhaltigkeits-Grundbedingungen der Auskömmlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Akzeptanz und Wissensbasierung.
58 Auch das den deutschen Benchmarking-Projekten zugrundeliegende „5-Säulen-Modell“ fußt auf den Leitprinzipien, siehe III.3. 59 Über die soziale Dimension soll sichergestellt werden das Trinkwasser zu einem sozialverträglichen Preis erhalten werden kann.
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
179
Tabelle 6 Nachhaltigkeitsprinzipien der Wasserwirtschaft (nach Kahlenborn und Kraemer) Nachhaltigkeitsprinzip
Wesentliche Elemente
Eigene Kommentierung
Regionalitätsprinzip
Das Regionalitätsprinzip zielt auf die Lösung regionaler wasserwirtschaftlichen Probleme in der betroffenen Region unter Nutzung der eigenen Ressourcen und unter Vermeidung räumlicher Umweltexternalitäten ab. Im Mittelpunkt steht der Schutz lokaler Ressourcen vor übermäßiger Nutzung und Verunreinigung sowie deren dauerhaft verträgliche Bewirtschaftung.
Hierzu gilt das oben bereits zu Kapitel 18 der Agenda 21 Ausgeführte: ein spezifisches Nachhaltigkeitsgebot zur Regionalität oder Subsidiarität erscheint nicht adäquat.
Integrationsprinzip
Das Integrationsprinzip fordert die ganzheitliche und medienübergreifende Betrachtung der Ressource Wasser. Sie ist zum einen unter Berücksichtigung der anderen Umweltmedien zu bewirtschaften. Zum anderen sind wasserwirtschaftliche, ökonomische und soziale Fragestellungen integriert zu betrachten.
Bestätigt, dass „Integration“ als eine spezifische Nachhaltigkeitsbedingung auch der Wasserwirtschaft auszuweisen ist.
Verursacherprinzip
Nach dem Verursacherprinzip müssen ökologische Schäden und quantitative (Übernutzung der Ressource) wie qualitative (Verschmutzung der Gewässer) Beeinträchtigungen den jeweiligen Verursachern zugerechnet und angelastet werden. Dies kann auch als Grundsatz der Kostenzurechnung bezeichnet werden. Über die Internalisierung externer Kosten sollen dabei auch die Folgekosten der Herstellung und Bereitstellung eines Produktes (hier: Wasserdienstleistungen) in die Preisfindung eingestellt werden.
Dies ist in dem Kriterium der Lastenäquivalenz enthalten. Das Kriterium der Lastenäquivalenz ist indes umfassender dahingehend, dass es auch die Lastenbzw. Verantwortungszurechnung aus Nutzen- und Vorteilsinanspruchnahme klar einschließt.
Kooperations- und Partizipationsprinzip
Unter dem Partizipations- und Kooperationsprinzip versteht man, dass die nachhaltige Entwicklung eine gemeinsame Ausgabe des Staates und der Gesellschaft ist und deshalb von demokratischer Kontrolle und lokaler Mitsprache geprägt ist. Entscheidend ist die Anhörung und entsprechende Berücksichtigung aller betroffenen Interessen im Entscheidungsverfahren.
Dies bestätigt, dass Partizipation eine Grundbedingung der nachhaltigen Ausrichtung (auch) der Wasserwirtschaft darstellt.
Fortsetzung nächste Seite
180
Moritz Reese und Norman Bedtke
Fortsetzung Tabelle 6 Nachhaltigkeitsprinzip
Wesentliche Elemente
Eigene Kommentierung
Ressourcenminimierungsprinzip
Das Ressourcenminimierungsprinzip verlangt, dass Errichtung und Erhalt der wasserwirtschaftlichen Einrichtungen mit einem möglichst geringen Einsatz von Ressourcen aller Art (u. a. Wasser, Energie, Fläche) stattfindet. Letztendlich wird eine Veränderung des Verbrauchsverhaltens angestrebt.
Dies entspricht dem Ziel der Ressourceneffizienz, bezieht indes nicht klar das Ziel der Ressourcensicherung i. S. von Suffizienz / Auskömmlichkeit mit ein.
Vorsorgeprinzip (Besorgungsgrundsatz)
Das Vorsorgeprinzip erfordert, dass Maßnahmen, die möglicherweise zu gravierende Schäden führen können, zu unterlassen sind, auch wenn die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit gering oder das Risikopotenzial ungeklärt ist.
Dies bestätigt, dass Vorsorge i. S. der Vermeidung unverhältnismäßiger Risiken als eine Grundbedingung der nachhaltigen Entwicklung (auch) der Wasserwirtschaft herauszustellen ist.
Quellenreduktionsprinzip
Nach dem Quellenreduktionsprinzip sind Emissionen von Schadstoffen möglichst am Ort des Entstehens zu unterbinden und nicht erst in einem nachgelagerten Reinigungsverfahren z. B. im Rahmen der Trinkwasseraufbereitung herauszufiltern.
Darin liegt ein dem Oberziel der Umweltverträglichkeit zuzurechnendes Handlungsziel, dass daher nicht gleichrangig auf der Ebene der Oberziele anzusiedeln ist. Fraglich ist auch, inwieweit dieses Handlungsziel tatsächlich durchweg eine notwendige Bedingung nachhaltiger Umweltnutzung darstellt. Am Beispiel moderner Abwasserreinigungstechnologie (4. Reinigungsstufe) zeigt sich jedenfalls, dass u. U. eine nachgeschaltete Schadstoffelimination einer quellennahmen Reduktion deutlich überlegen sein kann.
Reversibilitätsprinzip
Das Reversibilitätsprinzip besagt, dass wasserwirtschaftliche Maßnahmen so angelegt sein sollen, dass ihre Folgen zumindest im Wesentlichen umkehrbar sind, wenn sich später herausstellt, dass eine getroffene Entscheidung falsch war. Notwendige Anpassungen an veränderte Situationen müssen möglich bleiben.
Dieses Prinzip entspricht der Beschreibung nach dem, was oben unter II. mit dem Kriterium der „Flexibilität“ als Grundbedingung der Nachhaltigkeit identifiziert wird, wobei der Begriff der Flexibilität insofern überlegen erscheint als er nicht (lediglich) auf ein Rückgängig machen von – als nicht nachhaltig erkannten – Lösungen abstellt, sondern in weiterem Sinne auch auf eine Änderung und Anpassung.
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
Intergenerationsprinzip
Bei dem Intergenerationsprinzip geht es um die Berücksichtigung der langfristigen Auswirkungen einmal getroffener Entscheidungen. Die Interessen zukünftiger Generationen sind bei aktuellen Entscheidungen zu beachten und schützen, um die Wasserversorgung auch in der Zukunft sicherstellen zu können.
181
Dies bezeichnet den Kerngedanken der Nachhaltigkeitsmaxime, den es durch spezifische Teilziele zu operationalisieren gilt. Mit Blick auf diese Zwecksetzung erscheint es unangemessen, das Intergenerationenprinzip selbst als Teilziel auszuweisen.
Quelle: Kahlenborn / Kraemer (1999), S. 25 ff., und eigene Kommentierung. Erklärungen der 2. Spalte sind z. T. gekürzt.
b) Die Zielvorstellungen für eine nachhaltige Entwicklung der Trinkwasserversorgung Auf den in der vorstehenden Tabelle genannten Prinzipien aufbauend wurden durch eine weitere UBA-Studie konkrete Zielvorstellungen für eine dauerhaft umwelt- und sozial-verträgliche Trinkwasserversorgung entwickelt, und zwar zu den Zielfeldern Ressourcenschutz, Trinkwasserqualität sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung.60 Die dazu entwickelten Zielkriterien sind in der folgenden Tabelle 7 zusammenfassend dargestellt. Tabelle 7 Zielvorstellungen für eine dauerhaft umwelt- und sozial-verträgliche Trinkwasserversorgung (UBA-Konzept) Dimension Ressourcenschutz (S. 113 ff.)
Ziele Integrative Bewirtschaftung der Ressourcen, die der Trinkwassergewinnung dienen unter angemessener Berücksichtigung und Ausgleich der gegenwärtigen und zukünftigen Belange von Ökosystemen und anderen Nutzungen Regionale Trinkwasserversorgung Verhinderung und Minderung der chemischen und mikrobiellen Schadstoffbelastung der Gewässer Vorrangige Reduktion der Verschmutzung an der Quelle gegenüber nachgeschalteter Aufbereitung Fortsetzung nächste Seite
60
Vgl. Brackemann et al. (2001).
182
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Fortsetzung Tabelle 7 Dimension Ressourcenschutz (S. 113 ff.)
Ziele Beibehaltung des quantitativen Wassergleichgewichts, speziell in Bezug auf Grundwasser Minimierung des Energie- und Rohstoffeinsatzes bei Wassergewinnung und -verteilung Dreifacher Kreislaufgedanke: – Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf, – Trennung von Wasser- und Schadstoffkreisläufen; stoffliche Verwertung enthaltener Abfallstoffe in den Stoffströmen, – Verwertung der Abfälle aus Wasseraufbereitung und -verteilung
Trinkwasserqualität (S. 121 ff.)
Rückgriff auf Rohwässer mit hohem Reinheitsgrad Versorgung mit qualitativ hochwertigen Trinkwasser, ggf. unter Verwendung von Aufbereitungsverfahren bei kurzen Verteilungswegen Regelmäßige staatliche Kontrollen der Trinkwasserqualität und erforderliche Folgemaßnahmen Bereitstellung von qualitativ hochwertigem Trinkwasser in ausreichender Menge (im Notfall 20 Liter pro Einwohner aus Tankwagen, siehe Begründung zu § 9 Abs. 3 Trinkwasserverordnung; im Regelfall 150 l / d im Mittel und für den Spitzenbedarf 500 l / d) sowie von Löschwasser (ohne Trinkwasserqualität) zum Vermögens- und Lebensschutz
Gesellschaftliche Entwicklung (S. 124 ff.)
Ausreichende Information der Öffentlichkeit, auch über ihre Mitwirkungs- und Einflussrechte bei der Wasserversorgung Partizipation der Bevölkerung bei der Entwicklung der Wasserversorgung unter Anhörung, Einbeziehung und Berücksichtigung ihrer Interessen am besten unmittelbar statt wie bislang mittelbar über die Kommunalparlamente Stärkung des Subsidiaritätsprinzip bezüglich Regelungen und Entscheidungen der Wasserversorgung (Kommunal- und Landesebene vor Bundes- und Europaebene)
Wirtschaftliche Entwicklung (S. 128 ff.)
Kostendeckende Preise unter Einbeziehung von Umwelt- und Ressourcenkosten Verursachergerechte Preissignale zur Erreichung einer effizienten, ökologisch vertretbaren und sozial ausgewogenen Nutzung der Wasserressourcen Förderung eine umwelt- und preisbewussten Verbraucherverhaltens Förderung der Verhandlungs- und Vertragskompetenz von Kommunen
Quelle: eigene Zusammenstellung nach Brackemann et al. (2001).
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
183
Im Vergleich mit den oben entwickelten Nachhaltigkeits-Grundbedingungen sind diese Kriterien ähnlich zu würdigen wie die Prinzipien von Kahlenborn und Kraemer: Überwiegend werden die Grundbedingungen bestätigt, zumeist erfolgt aber auch eine Einengung auf strategische Handlungserfordernisse, die den Blick auf ergänzende oder alternative Handlungsoptionen abschneiden kann. Nachhaltigkeitserfordernisse, die vor allem für die Abwasserbeseitigung relevant sind, wie namentlich die Umweltverträglichkeit, finden in dieser auf die Trinkwasserversorgung fokussierten Strategie keine ausreichende Berücksichtigung. Von den Prinzipien von Kahlenborn und Kraemer werden auch das „Quellenreduktionsprinzip“ und das Prinzip der Regionalität bzw. Subsidiarität aufgegriffen. Dazu wird auf das oben unter a) Ausgeführte verwiesen. 3. Das „Fünf-Säulen-Modell“ der Wasserwirtschaft Wenngleich nicht als Nachhaltigkeitskonzeption, sondern primär als Instrument zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen angelegt, muss das sog. „Fünf-Säulen-Modell“ der Wasserwirtschaft aufgrund seiner hohen Praxisrelevanz und der erheblichen Schnittmengen zu Nachhaltigkeitskonzepten Erwähnung finden. Im Rahmen der Umsetzung der „Modernisierungsstrategie der Wasserwirtschaft“61 nimmt der Einsatz von Kennzahlenvergleichen (im Rahmen des Benchmarkings) heute eine Schlüsselrolle ein. Hierfür wurde durch die Verbände ein gemeinsames Vorgehen im Rahmen des Benchmarkings verabredet62 und der Prozess in einem gemeinsamen Leitfaden präzisiert.63 Dabei hat sich das „Fünf-Säulen-Modell“ zur Strukturierung der Kennzahlensysteme durchgesetzt und findet im entsprechenden Regelwerk Berücksichtigung.64 Die Systematik schlägt fünf Leistungskategorien vor (Sicherheit, Qualität, Kundenservice, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit), die durch weitere Kriterien spezifiziert werden65 und für Kennzahlenvergleiche herangezogen werden (Tabelle 8). Die Nähe zu den vorgestellten Nachhaltigkeitskonzeptionen ist evident. Eine Vielzahl der vorgeschlagenen Kennziffern, wie Versorgungssicherheit, Trinkwasserqualität (Gesundheitsschutz), Ressourcenschutz, Wirtschaftlichkeit oder auch finanzielle Belastung der Einwohner (Erschwinglichkeit) ist fester Bestandteil anderer Nachhaltigkeitskonzepte oder spiegelt die o. g. Prinzipien nachhaltiger Wasserbewirtschaftung wider. Dies begründet sich auch dadurch, dass die von Kahlenborn und Kraemer erarbeiteten Nachhaltigkeitsprinzipien (III.2.) den Kennziffern der Kategorie „Nachhaltigkeit“ zugrunde liegen.66 Wenngleich der Ansatz einige Kennzif61 62 63 64 65 66
Vgl. BT-Drs. 14 / 7177 sowie Gawel / Bedtke (2015). ATT-DVKV et al. (2003); ATT et al. (2005). Vgl. Bartsch et al. (2005). Vgl. DWA (2008); DVGW / DWA (2008). Vgl. Bartsch (2007), S. 104 ff. Hierzu ausführlich Bartsch (2007), S. 117 ff.
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Moritz Reese und Norman Bedtke Tabelle 8 Merkmale zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Wasserver- und Abwasserentsorgung „Fünf-Säulen-Modell“ der Verbände Leistungsfähigkeit Sicherheit
Qualität
Kundenservice
Nachhaltigkeit
– Ressourcen– Umgang mit – Auslastung der – Qualität von herkunft, z. B. Beschwerden, Produkt und Ressourcen Tiefengrundz. B. System Dienstleistung, und der waswasser des Beschwerz. B. Wasserserwirtschaftlidemanagehärte und chen Anlagen – Ressourcenments Managementschutz, z. B. – Überwachung systeme Umgang mit – Servicequalität der Anlagen Wasserschutz– Anlagenüber- – Öffentlichund des Begebieten wachung und triebes, z. B. keitsarbeit DokumenInspektionen – Kundeninfor- – Energie- und tation Stoffnutzung, – Qualität des mation z. B. EnergieTrinkwassers – Wasserverluste verbrauch und – Schäden, z. B. – ReinigungsCO2-Äquivaam Leitungsleistung der lente netz, an ArAbwasseranlagen – Zuverlässigkeit der Ver- und Entsorgung, z. B. Ausfälle der Versorgung – Vorsorge und Maßnahmen zur Sicherstellung der Verund Entsorgungssicherheit
maturen und an Hausanschlüssen
Wirtschaftlichkeit – Erlös- und Kostenbetrachtungen – Investitionen und Finanzierung – Finanzielle Belastung der Einwohner – Personaleinsatz
– Technische und wirtschaftliche Substanzerhaltung, z. B. Ersatzinvestitionen – Soziale Kriterien, z. B. Fort- und Weiterbildung
Quelle: Auswahl nach Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (2010), S. 9, auf Basis von Bartsch (2007), S. 104 ff.
fern mit starkem Nachhaltigkeitsbezug in Kategorien abseits von Nachhaltigkeit zusammenfasst (z. B. Vorsorge und Maßnahmen zur Sicherstellung der Ver- und Entsorgungssicherheit in „Sicherheit“) und über den Nachhaltigkeitsgedanken hinausgehende Kennziffern zum Kundenservice offeriert, stützt er im Wesentlichen die oben vorgeschlagenen Nachhaltigkeitskriterien. Insgesamt verwundert es folglich
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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nicht, dass das „Fünf-Säulen-Modell“ zuweilen auch als normatives Leitbild für die Wasserwirtschaft herangezogen wird.67 4. Das REFINA-Konzept für einen Nachhaltigkeitscheck zur Wasserver- und Abwasserentsorgung Auf der Grundlage des oben dargestellten HGF-Konzepts (II.7.) wurde im Rahmen des Forschungsprojekts REFINA68 ein Sektor-Nachhaltigkeitscheck für die Wasserver- und Abwasserentsorgung entwickelt, der auf die nachstehend genannten Kriterien abstellt (Tabelle 9). Tabelle 9 Zielsystem für die Wasserver- und Abwasserentsorgung auf Ebene der Kommune / Kreis auf Basis des integrativen Nachhaltigkeitskonzepts (HGF-Konzept) Oberziele Kriterien
Teilziele
Herstellungs- und Folgekosten minimieren 1. Kosten minimieren / stabilisieren – für Gebietskörperschaften / Unter- Kosten für Umbau / Anpassung minimieren nehmen sowie Verbraucher – bei Erweiterungen und Anpassung Kosten infolge Schrumpfung minimieren Kostenwirkung für Folgegenerationen beachten 2. Flächeninanspruchnahme reduzieren
Generelle Flächeninanspruchnahme vermeiden Flächeneffizienz berücksichtigen
3. Siedlungsstrukturen – Kompakte Siedlungsentwicklung verfolgen
Kompakte Siedlungsstrukturen erhöhen
4. Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems
Auslastungsgrad erhöhen
5. Technische Flexibilität – Funktionalität und damit verbundene langfristige Rentabilität erhöhen
Regelflexibilität erhöhen
6. Qualität des Versorgungssystems – Erschwinglichkeit – Versorgungssicherheit – Versorgungsqualität
Anschlussgrad erhöhen (nur verdichtete Räume) (keine Verpflichtung)
Technische Anpassungsfähigkeit des Systems auf demografische Schwankungen erhöhen
Trinkwasserpreis stabil halten Abwassergebühren stabil halten Fortsetzung nächste Seite
67 68
Vgl. Mehlhorn (2012), S. 19 f. http://www.refina-info.de, abgerufen am 14. 07. 2015.
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Fortsetzunjg Tabelle 9 Oberziele Kriterien 7. Klimawirkung und Ressourcen – Ressourcenverbrauch reduzieren – Umweltbeeinträchtigungen vermeiden
Teilziele CO2-Emissionen mindern Reduzierung des Wasserverbrauchs Absenkung des Grundwasserspiegels vermeiden Einträge von Nährstoffen / Schadstoffen vermeiden Energieverbrauch senken
8. Steuerung verbessern und Partizipation erhöhen – Qualität der Abstimmung zw. versch. Administrativen Ebenen erhöhen – Kooperationsprojekte zw. einzelnen Gebietskörperschaften erleichtern – Einbezug der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen
Koordination zwischen Kommune und Versorgungsunternehmen verbessern Integrierte, horizontale und vertikale Koordination der Ämter verbessern Interkommunale (regionale) Kooperation verbessern Transparenz und Beteiligung bei Entscheidungsprozessen erhöhen
Quelle: Arndt et al. (2008), S. 60 ff., leicht gekürzt.
Die Ober- und Teilziele dieser Konzeption können weitgehend problemlos den oben gewonnenen allgemeinen Nachhaltigkeits-Grundbedingungen zugeordnet werden und bestätigen diese insoweit. Mit dem Stichwort der Versorgungssicherheit ist allerdings ein elementarer Funktionsaspekt benannt, der in dem oben entwickelten Zielbündel noch nicht gesondert, sondern allenfalls als Teilziel der Bedarfsdeckung und der Vorsorge zum Ausdruck kommt. Die als Aus- und Störfallschutz zu verstehende Versorgungssicherheit spielt allerding für die Erhaltung der kritischen Infrastrukturen eine ganz wesentliche Rolle, und es erscheint daher angemessen dies als Grundbedingung der Nachhaltigkeit ausdrücklich auf Ebene der Oberziele auszuweisen. Im Übrigen drängen sich aus dem REFINA-Kriterien keine weiteren Ergänzungen oder Differenzierungen auf. Im Vergleich mit dem in Abschnitt II. ermittelten allgemeinen Zielbündel erweisen sich die von REFINA gebildeten Oberziele vielmehr als partiell lückenhaft und auch hinsichtlich des Konkretisierungsgrades und der Unterscheidung von Ziel- und Mittelebene nicht durchgehend konsistent. Wichtige Nachhaltigkeitsbedingungen wie Gesundheitsverträglichkeit und Wissensbasierung sind allenfalls schemenhaft abgebildet und folglich auch nicht weiter durch Teilziele untersetzt. Die Hervorhebung des Ziels der Flächenverbrauchssenkung als ein Oberziel überzeugt kaum, wenn wichtige andere Ressourcen einschließlich Wasser und Energie demgegenüber dem Sammelposten „Ressourcenverbrauch reduzieren“ zugewiesen werden.
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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Das Kriterium der technischen Flexibilität entspricht wesentlich dem allgemeinen Flexibilitätsgebot, das oben als eine Kernforderung des allgemeinen Nachhaltigkeitsdiskurses ausgemacht wurde. Zweifelhaft erscheint indes eine Reduzierung dieser Grundbedingung allein auf die technischen Aspekte, denn auch im Bereich von Governance und Organisation stellt Flexibilität eine Bedingung für Anpassungsfähigkeit an künftige Herausforderungen und unvorhergesehen Entwicklungen dar. Mit Ausnahme des Aspektes der Versorgungssicherheit ergeben sich auch aus dem REFINA-Konzept keine relevanten Zweifel oder Ergänzungen zu dem oben hergeleiteten Zielebündel der nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft. Die REFINA-Studie kann weitgehend als Bestätigung dieser Zielkonzeption gewürdigt werden, und sie gibt darüber hinaus vielfältige Hinweise darauf, wie die Ziele auf handlungsstrategischer und Umsetzungsebene untersetzt werden können.
5. Weitere Konzepte und Stellungnahmen zu Nachhaltigkeitserfordernissen der Siedlungswasserwirtschaft Die vorstehende Würdigung der Agenda 21, der UBA-Studien, des „Fünf-SäulenModells“ und des REFINA-Konzeptes gilt sinngemäß auch für die sonstigen in der Literatur zu findenden Konzepte und Vorschläge. Eine grobe, stichwortartige Auswertung der Literatur dazu bietet – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die folgende Tabelle 10. Die sonstige Literatur gibt wiederum zahlreiche Hinweise zur Untersetzung des oben entwickelten Zielbündels. Der Aspekt der Versorgungssicherheit wird verschiedentlich aufgegriffen und soll, wie oben dargelegt, auch in das hiesige Zielbündel integriert werden. Indes wird sich in verschiedenen Publikationen noch auf einen Aspekt hingewiesen, der in den zuvor ausgewerteten Nachhaltigkeitskonzeptionen keine besondere Rolle spielt und der uns jedoch – gerade auch mit Blick auf die Infrastrukturentwicklung – als eine ganz wesentliche Nachhaltigkeitsbedingung erscheint: Die Akzeptanz bei den Betroffenen und in der Bevölkerung stellt zweifellos einen gewichtigen Eigenwert und überdies eine notwendige Voraussetzung für die gesellschaftliche Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der beschrittenen Entwicklungspfade und Lösungen dar.69 Unter diesen Gesichtspunkten halten es die Verfasser für geboten, das Akzeptanzkriterium auch als zentrales Nachhaltigkeitserfordernis der Siedlungswasserwirtschaft auszuweisen. Dass das oben abgeleitete Bündel der siedlungswasserwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsgebote noch darüber hinaus ergänzungsbedürftig ist oder unzutreffende Be69 Darauf weisen u. a. Hellström et al. (2000); Balkema et al. (2002); Makropoulos et al. (2008) hin. Akzeptanzstudien zeigen, dass einige der diskutierten Technologieansätze (Stoffstromseparation, Wasserwiederverwendung) aufgrund von Komforteinbußen oder auch „Ekel“ auf Ablehnung stoßen können, dazu Romich et al. (2012); Russel / Lux (2009).
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dingungen beinhaltet, ist uns indes – auch mit Blick auf die sonstige Literatur – nicht ersichtlich. Dies gilt freilich unter dem Vorbehalt, dass die hier vertretenen Einordnungen zu den Maximen der Regionalität und des Quellenreduktionsprinzips, die teils auch von der übrigen Literatur aufgegriffen werden, geteilt werden. Tabelle 10 Nachhaltigkeitsziele der Wasserver- und Abwasserentsorgung – Literaturrecherche (Auswahl)
Zielkriterien
Berücksichtigung bei
Zuordnung zu Grundbedingungen gem. Abschnitt II.
Grundversorgung, Verfügbarkeit wasserwirt- Sahely et al. (2005); Hellström schaftlicher Dienstleistun- et al. (2000); Karger et al. (2006); Bedarfsdeckung Bartsch (2007) gen (räumlich, zeitlich) / Qualität Hohe, stabil bleibende Versorgungsqualität
Karger et al. (2006); Arndt et al. (2008)
Beachten der Gesundheits- Sahely et al. (2005); Schaller et al. Gesundheitsverträglichkeit und Sicherheitsaspekte (2008); Karger et al. (2006) Geringes Infektionsrisiko, Hellström et al. (2000); Makropoulos et al. (2008) Vermeidung des Aussetzens mit giftigen Stoffen Geringe Grundwasserbe- Schaller et al. (2008); Karger et al. Gesundheitsverträglichkeit lastung und ein langfristi- (2006); Herbst (2008) ger Erhalt der Trinkwasser- und Gewässerqualität Schonende Ressourcennutzung – Wasser – Energie – Fläche
Ressourcensicherung, Sahely et al. (2005); Hellström et al. (2000); Schaller et al. (2008); Ressourceneffizienz, Karger et al. (2006); Balkema et al. Umweltverträglichkeit (2002); Makropoulos et al. (2008); Arndt et al. (2008); Herbst (2008); Bartsch (2007)
Schaller et al. (2008); Balkema Stoffstrommanagement und Kreislaufführung von et al. (2002) Nähr- und Spurstoffen Grundwasserspiegelsenkung vermeiden
Arndt et al. (2008)
Allgemein: Geringer Um- Makropoulos et al. (2008); Arndt welteinfluss et al. (2008) Artenschutz
Karger et al. (2006)
Umweltverträglichkeit
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
Vermeidung von Schadstoffeinträgen, Treibhausgasen, Beitrag zum Klimaschutz
Sahely et al.(2005); Hellström et al. Umweltverträglichkeit (2000); Schaller et al. (2008); Karger et al. (2006); Balkema et al. (2002); Arndt et al. (2008)
Angemessenes Verhältnis von Ausgaben und Umsätzen; Kosteneffizienz
Wirtschaftlichkeit, Sahely et al. (2005); Hellström et al. (2000); Schaller et al. (2008); Kosteneffizienz Karger et al. (2006); Balkema et al. (2002); Makropoulos et al. (2008); Arndt et al. (2008); Herbst (2008); Bartsch (2007)
Sicherung der Investitionen in Innovationen, Forschung und Entwicklung
Sahely et al. (2005); Karger et al. (2006)
Internalisierung von Kosten und Nutzen
Schaller et al. (2008); Karger et al. Lastenäquivalenz (2006)
Gebührenstabilität / Gebührengerechtigkeit
Schaller et al. (2008); Karger et al. Erschwinglichkeit (2006); Balkema et al. (2002); Makropoulos et al. (2008); Arndt et al. (2008)
Robustheit, Verlässlichkeit Schaller et al. (2008); Balkema et al. (2002); Makropoulos et al. (2008) Flexibilität
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Wirtschaftlichkeit, Vorsorge, Wissensbasierung
Versorgungssicherheit, Risikovorsorge
Flexibilität Hellström et al. (2000); Karger et al. (2006); Balkema et al. (2002); Makropoulos et al. (2008); Arndt et al. (2008)
Partizipation, Transparenz Karger et al. (2006); Balkema et al. Partizipation (2002); Makropoulos et al. (2008); Arndt et al. (2008); Bartsch (2007) Akzeptanzsicherung
Hellström et al. (2000); Balkema et al. (2002); Makropoulos et al. (2008); Herbst (2008)
Attraktives Lebensumfeld
Schaller et al. (2008)
Transfer nachhaltiger Wasser- und Abwassertechnologie in Entwicklungs- und Schwellenländer
Schaller et al. (2008)
Quelle: eigene Erstellung.
Keine Berücksichtigung als Nachhaltigkeitsbedingung
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IV. Bilanz und Synthese – Die Zielkoordinaten der nachhaltigen Wasserwirtschaft Ziel der vorstehenden Auswertung ist es, aus verbreiteten allgemeinen und sektorspezifischen Nachhaltigkeitskonzeptionen ein Zielbündel zu destillieren, das folgende Anforderungen erfüllt: – Es soll eine breites Nachhaltigkeitsverständnis zugrunde gelegt werden, dass die bestehenden Konzepte möglichst integriert. Ausgangspunkt dafür ist die Nachhaltigkeits-Kernforderung, dass ökologische, ökonomische und soziale Grundbedingungen der Wohlfahrt langfristig und auch für kommende Generationen auf möglichst hohem Niveau zu wahren sind und insbesondere bestimmte Mindestvoraussetzungen menschenwürdigen Lebens und Funktionsbedingungen der natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft und ubiquitär erhalten werden. – Das zugrunde liegende integrierende Nachhaltigkeitskonzept soll nicht auf erhalt von Mindestbedingungen begrenzt sein, sondern darüber hinaus eine Optimierung i. S. eines möglichst hohen „Nachhaltigkeitsniveaus“ beinhalten. – Die Nachhaltigkeitsziele sollen „reine“ Ziele und Grundbedingungen benennen, die conditio sine qua non für die nachhaltige Gestaltung / Steuerung sind und nicht bereits strategische oder instrumentelle Entscheidungen über Mittel und Wege beinhalten. Es geht gerade darum, die Maßstäbe für die Strategie- und Instrumentengestaltung zu isolieren und den Optionenraum einschließlich möglicher Zielkonflikte vollständig zu erschließen. – Das Zielbündel soll möglichst alle, aber auch nur solche Nachhaltigkeitsbedingungen umfassen, die für Siedlungswasserwirtschaft und Wasserinfrastrukturentwicklung relevant sind. Es soll im Sinne einer Nachhaltigkeitscheckliste gewährleisten, dass keine wesentlichen Grundbedingungen der Nachhaltigkeit außer Betracht bleiben. Allerdings sollen nicht auch allgemeine Effektivitäts-, Effizienzoder Legitimationserfordernisse öffentlicher Politik und Verwaltung einbezogen, die zwar regelmäßig auch für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele bedeutsam sind, die aber keinen besonderen Bezug zu der o. g. Kernforderung aufweisen. Wenngleich hier große Überschneidungsbereiche bestehen, sollen allein Maßstäbe der Nachhaltigkeit und nicht des „Good-Governance“ gebildet werden. – Das Zielbündel soll eventuelle Teilziele möglichst kompakt durch Oberziele aggregieren zugleich aber auch unter diejenigen Differenzierungen vornehmen, die erforderlich sind, um wesentliche Teilziele / Erfordernisse und auch wesentliche Zielkonflikte der Nachhaltigkeit explizit zum Ausdruck zu bringen.
Unter diesen Prämissen kommen wir zu dem Ergebnis, dass zu besagtem Zielbündel die im Folgenden genannten Nachhaltigkeitsziele bzw. -grundbedingungen zählen sollten und dass alle sonst diskutierten Teilziele jedenfalls diesen Zielen zugeordnet werden können oder aber den o. g. Prämissen nicht entsprechen. Klar ist auch, dass die nachstehend genannten Ziele vielfach durch Unterziele aufgefächert
Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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und untersetzt werden können und vielfältige Überschneidungsbereiche aufweisen, die u. U. noch andere Zuschnitte begründen können. All dies soll indes weiterer Diskussion vorbehalten sein. Tabelle 11 Abgeleitete Kernbedingungen der nachhaltigen Wasserverund Abwasserentsorgung Kernbedingungen der nachhaltigen Wasserver- und Abwasserentsorgung70 – Bedarfsorientierung – ausreichende (Grund-)Versorgung – Gesundheitsverträglichkeit – Umweltverträglichkeit – Versorgungssicherheit – Ressourcensicherung / Suffizienz – Ressourceneffizienz – Wirtschaftlichkeit / Kosteneffizienz – Lastenäquivalenz – Gerechte Verteilung von Umweltnutzungsmöglichkeiten / Erschwinglichkeit – Akzeptanz – Reflexivität / Wissensorientierung – Rationaler Umgang mit Risiken / Risikovorsorge – Flexibilität / Adaptivität – Integration – Partizipation Quelle: eigene Erstellung.
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70 Für weitere Erläuterungen wird insbesondere auf die Ausführungen und Tabelle am Ende des II. Abschnittes sowie die vertiefende Betrachtung im Rahmen des Beitrags von Reese et al. (2015) verwiesen.
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Was ist „Nachhaltigkeit“ und was ist „nachhaltige Wasserwirtschaft“?
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Die Nachhaltigkeitsgebote der Siedlungswasserwirtschaft – Kernziele, Grundvoraussetzungen und institutionelle Ansatzpunkte nachhaltiger Wasserver- und Abwasserentsorgung Von Moritz Reese, Erik Gawel und Stefan Geyler
I. Einführung: Das Nachhaltigkeitspostulat und seine Operationalisierung für die Siedlungswasserwirtschaft Wer heute nach den Zukunftsherausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft fragt, muss nicht lange recherchieren, denn die zentralen Probleme und Entwicklungsfragen liegen mehr oder weniger auf der Hand und werden in der Fachwelt vielfältig diskutiert.1 Es geht vor allem um – die Anpassung an den demographischen Wandel und die Frage, ob auf starke, örtliche Bevölkerungsrückgänge eher im Rahmen bestehender zentraler Systeme oder durch Einbindung von dezentralen Ver- und Entsorgungsoptionen zu reagieren ist,2 – die durch zunehmende urbane Versiegelung und wahrscheinlich auch den Klimawandel verstärkten Überflutungen durch Starkregenereignisse und die Frage, wie die Entwässerungssysteme und der Siedlungswasserhaushalt darauf eingestellt werden können,3 – die vielerorts eklatanten Investitionsrückstände bei der Kanalisationserneuerung und die Frage, wie diese Rückstände aufzuholen und erneute Investitionsdefizite zu vermeiden sind,4 – die steigenden Anforderungen an die Gewässerqualität und die Frage, welche Beiträge dazu durch die Siedlungswasserwirtschaft und insb. die Abwasserbehandlung zu leisten sind,5 1 Kompakte Überblicke bei Pinnekamp (2014) und Bauer (2014) sowie zur rechtlichen Seite: Hanke / Libbe (2012). 2 Vgl. Dittrich-Wesbuer (2014); Libbe (2011); Libbe / Köhler / Beckmann (2010), zu rechtlichen und organisatorischen Aspekten Scheidler (2008); Laskowski (2012); Hanke / Libbe (2012). 3 Vgl. Holzwarth (2012); Bendel et al. (2012); Merkel / Leuchs / Odenkirchen (2008). 4 Siehe nur Dohmann (2014). 5 Vgl. UBA (2015).
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– die hohe Energieintensität der Abwasserbehandlung und die Frage, wie diese gesenkt werden kann,6 – die stofflichen Ressourcen im Abwasser und die Frage, wie insbesondere Phosphor effizient zurückgewonnen werden sollte,7 – steigende Wasserpreise und die Frage, wie eine effiziente Bereitstellung der Wasserdienstleitungen und erschwingliche Preise gesichert werden können,8 – die Potenziale und Risiken der Einbindung privater Ver- und Entsorgungsunternehmen und die Frage, inwieweit diesen ein Wettbewerb im oder um den Markt eröffnet werden soll.9
In der Fachdebatte um diese Herausforderungen10 wird vielfach auch auf den Topos der Nachhaltigkeit bzw. das Ideal einer nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft Bezug genommen. Auch sind bereits verschiedene, sehr verdienstvolle Konzepte zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsforderung in der Wasserwirtschaft entwickelt worden.11 Die Nachhaltigkeitsdebatte und einschlägige Konzepte haben Reese und Bedtke für den vorliegenden Band mit dem Ziel ausgewertet, daraus ein umfassendes Anforderungsprofil zur nachhaltigen Wasserver- und Abwasserentsorgung zu destillieren,12 wobei – ein breites Nachhaltigkeitsverständnis zugrunde gelegt wird, wonach ökologische, ökonomische und soziale Grundbedingungen der Wohlfahrt langfristig optimiert und insbesondere Mindestbedingungen des menschenwürdigen Lebens sowie des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft und ubiquitär gewährleistet werden sollen, – für das Anforderungsprofil ausschließlich „reine“ Ziele und Grundbedingungen benannt werden sollen, die conditio sine qua non die nachhaltige Gestaltung / Steuerung im o. g. Sinne sind, und nicht bereits strategische oder instrumentelle Vgl. Pinnekamp / Genzowsky (2012); Hansen (2014). Vgl. Rechenberg (2014). 8 Vgl. Gawel / Bedtke (2013); dies. (2015). 9 Umfassend dazu Laskowski (2010), S. 863 ff. und Brehme (2010); ferner SRU (2002), Tz. 655 ff. und Kahl (2007). 10 Der Begriff der „Herausforderungen“ wird in diesem Band von Geyler / Bedtke (2015) ganz allgemein als Spannung (Soll-Ist-Differenz) zwischen den Zielen und konkreten Systemzuständen von Infrastruktureinheiten innerhalb eines spezifizierten Möglichkeitenraumes verstanden. 11 Grundlegend die „Dublin Principles“: „The Dublin Statement on Water and Sustainable Development“, International Conference on Water and the Environment, Dublin, Januar 1992; Agenda 21: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro, Kapitel 18 – Schutz der Güte und Menge der Süßwasserressourcen; Kahlenborn / Kraemer (1999); Antrag „Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland der Fraktionen von SPD und Bündnis90 / Die Grünen; siehe auch den Bericht der Bundesregierung zur „Modernisierungsstrategie für die Deutsche Wasserwirtschaft“, BT-Drs. 16 / 1094. 12 Vgl. Reese / Bedtke (2015). 6 7
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Entscheidungen über Mittel und Wege beinhalten. Es geht darum, zunächst die Nachhaltigkeits-Maßstäbe für die weitere strategische, technische und institutionelle Entwicklung zu klären, – das Anforderungsprofil die für die Wasserver- und Abwasserentsorgung bedeutenden Teilziele und Grundbedingungen möglichst kompakt aggregieren, zugleich aber auch diejenigen Differenzierungen und Akzentuierungen enthalten soll, die erforderlich sind, um wesentliche Teilziele / Erfordernisse und auch wichtige Zielkonflikte klar zum Ausdruck zu bringen.
Von diesen Prämissen ausgehend haben Reese und Bedtke die in der nachstehenden Tabelle genannten 15 Kernziele und Grundbedingungen ausgemacht. Tabelle 1 Kernziele und Grunderfordernisse nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft („Nachhaltigkeitsgebote“) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Bedarfsorientierung Ressourcensicherung Gesundheitsschutz Versorgungssicherheit Umweltverträglichkeit Ressourceneffizienz Wirtschaftlichkeit und Effizienz Erschwinglichkeit
9. Lastenäquivalenz 10. Akzeptanz 11. Wissen / Reflexivität 12. Vorsorgeorientierung 13. Flexibilität 14. Integration 15. Partizipation
Quelle: eigene Erstellung, siehe auch Reese / Bedtke (2015).
Eine vertiefende Analyse der Bedeutung, des Verhältnisses sowie der technischen und institutionellen Operationalisierung dieser „Nachhaltigkeitsgebote“ ist indes nicht Gegenstand der Auswertung von Reese und Bedtke. Dies ist vielmehr Ziel dieses Beitrags, der die Ziele und Grundbedingungen nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft näher in den Blick nehmen und jeweils insbesondere auch die institutionellen Grundlagen und Umsetzungsoptionen aufzeigen soll. Bevor wir uns in diesem Sinne den einzelnen Nachhaltigkeitsgeboten zuwenden, ist zum allgemeinen Verständnis der o. g. Nachhaltigkeitsgebote und zu Gegenstand und Methode dieser Untersuchung noch Folgendes zu sagen: Die Nachhaltigkeitsgebote sind für das gesamte System der Siedlungswasserwirtschaft maßgeblich, d. h. sowohl für die Versorgungs- als auch für die Entsorgungsseite. Im Folgenden werden beide Seiten parallel betrachtet – mit besonderem Blick auf ihre Zusammenhänge und Synergien, aber auch Unterschiede und spezifischen Herausforderungen. Die Nachhaltigkeitsgebote stehen in vielfältigen Spannungsverhältnissen (Tradeoffs) zueinander und sind insofern auf Optimierung angelegt, d. h. auf bestmögliche gemeinsame Verwirklichung. In dem möglichst optimalen und dauerhaft tragfähi-
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gen Ausgleich der durch die Gebote bezeichneten ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange liegt bekanntlich auch die Kernforderung der Nachhaltigkeitsmaxime. Wie allerdings die Konflikte zwischen den einzelnen Nachhaltigkeitsgeboten konkret zu lösen sind – ob z. B. zugunsten eines höheren Umweltschutzniveaus die Erschwinglichkeit verringert werden sollte – ist ersichtlich eine Frage der Gewichtung, für die die Nachhaltigkeitsidee keinen abschließenden Maßstab hergibt. Zwischen den Nachhaltigkeitsgeboten ist vielmehr ein beträchtlicher politischer Gestaltungsspielraum aufgespannt, innerhalb dessen durchaus unterschiedliche „nachhaltige“ Lösungen möglich sind. Allerdings weist dieser Gestaltungsspielraum auch Grenzen auf, die dort überschritten werden, wo eines der Nachhaltigkeitsgebote gänzlich außer Acht bleibt oder in offenkundig unangemessener Weise zurückgesetzt wird. Der Rahmen der Nachhaltigkeit wird insbesondere dann verlassen, wenn eine Kompromisslösung nicht global anwendbar oder nicht dauerhaft haltbar ist und den Konflikt auf andere Regionen oder künftige Generationen verlagert. Mit Blick auf die Bedingungen der Ressourcensicherung und Umweltverträglichkeit gilt dies vor allem für solche Praktiken, die die Bedingung der dauerhaften Erhaltung der natürlichen Wirtschaftsgrundlagen nicht einhalten. Die sogenannten Managementregeln der Nachhaltigkeit, die aus dem Erhaltungsgrundsatz folgen, sind daher als „äußere“ Gestaltungsgrenzen nachhaltiger Wasserwirtschaft möglichst zu beachten. 13 Innerhalb dieser unbedingten Nachhaltigkeitsgrenzen liefern die Nachhaltigkeitsgebote einen Gradmesser für die Nachhaltigkeitseffekte verschiedener Gestaltungsoptionen. Eine Option ist insofern als umso nachhaltiger i. S. der Gebote zu bewerten, je besser sie bzgl. der Zielerfüllung der einzelnen Gebote abschneidet. Liegt die Option im Spannungsfeld der Nachhaltigkeitsbedingungen und sind daher Tradeoffs unumgänglich – so ist die Bemessung ihres (positiven oder negativen) Nachhaltigkeitsnutzens regelmäßig auch eine Gewichtungsfrage. Auch diesen Gewichtungsfragen und „Nachhaltigkeitsspielräumen“ wird in der folgenden Darstellung ein besonderes Augenmerk gelten. Dabei geht es den Autoren keinesfalls darum, eigene Präferenzen einzubringen, um gar ein bestimmtes Nachhaltigkeits(präferenz)modell zu konstruieren. Vielmehr sollen die verschiedenen Spannungsbereiche und Wertungsspielräume sowie deren Grenzen lediglich aufgezeigt werden. Der Zweck des in der vorstehenden Tabelle 1 formulierten Zielekataloges liegt mithin darin, die wesentlichen Bewertungskriterien für die technische und institutionelle Gestaltung der Siedlungswasserwirtschaft zu benennen. Die nachfolgende Darstellung dient zunächst der Erläuterung der Nachhaltigkeitsgebote einschließlich ihres Verhältnisses zueinander. Zudem wird aufgezeigt, welche tatsächlichen Herausforderungen sich mit jedem einzelnen Gebot verbinden. Darüber hinaus wird eine erste Sichtung vorgenommen, auf welche institutionellen 13
Näher Reese / Bedtke (2015), S. 156 f.; siehe auch SRU (2002), Tz. 28 f.
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Bestände und Optionen es für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsgebote jeweils ankommt. Dieses institutionelle Screening orientiert sich an den folgenden Ansatzpunkten: – Staatsaufgaben (Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung): Grundlegend ist zunächst zu fragen, welche Verantwortung Staat und Gemeinschaft für die Erfüllung des jeweiligen Nachhaltigkeitsgebotes tragen. Eine staatliche Gewährleistungsverantwortung ist für alle diejenigen Bedingungen der Nachhaltigkeit begründbar, von denen aufgrund fehlenden Vermögens oder Eigeninteresses nicht zu erwarten ist, dass die Akteure sie von selbst erfüllen werden. Zur Wahrnehmung ihrer Gewährleistungsverantwortung können sich die öffentlichen Instanzen ordnungsrechtlicher, anreizbasierter sowie planerischer Institutionen bedienen, um die Akteure in nachhaltige Bahnen zu lenken. Mit dem Begriff der Erfüllungsverantwortung verbindet sich überdies die Frage, inwieweit die Aufgabe von der öffentlichen Hand selbst zu erfüllen ist und insbesondere, ob auch eine ausschließlich öffentliche Aufgabenwahrnehmung veranlasst ist. Die Siedlungswasserwirtschaft wird unter – zunehmend brüchiger – Berufung auf das natürliche Monopol im Netzbereich (nicht nur) in Deutschland weitgehend in staatlicher Alleinzuständigkeit und frei von Wettbewerbselementen geführt. Alternativ kommen allerdings verschiedene Wettbewerbs- und Privatisierungsmodelle in Betracht. 14 Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsgebote ist daher zu fragen, inwieweit ihre Umsetzung auf das öffentliche Monopol angewiesen bleibt oder ob durch Wettbewerb und / oder den Einbezug privater Akteure adäquate oder ggf. sogar bessere Ergebnisse erreicht werden können und wie flankierende – Nachhaltigkeit gewährleistende – Rahmensetzungen für diese Optionen ausgestaltet sein müssen.15 – Ordnungsrecht: Das Ordnungsrecht steuert direkt durch Ge- und Verbote, aber auch durch flankierende Kontrollen und Verfahren.16 Die Siedlungswasserwirtschaft ist heute Gegenstand umfangreicher ordnungsrechtlicher Vorgaben z. B. zu Trinkwasserqualität, Schadstofffracht in Abwässern, Kläranlagentechnik und Anlagenzulassung. Zu prüfen ist, ob der ordnungsrechtliche Rahmen effektiv auf die Nachhaltigkeitsgebote ausgerichtet ist und wo er – daran gemessen – Nachhaltigkeitsschwächen aufweist. – Ökonomische Anreizinstrumente: Ökonomische Anreizinstrumente steuern das Verhalten durch ein Einwirken auf das wirtschaftliche Entscheidungskalkül der betroffenen Akteure unter Nutzung des Preismechanismus. Die Lenkungswirkung kann dadurch erzielt werden, dass ein politisch gewünschtes Verhalten von Akteuren honoriert wird, wohingegen ungewünschte Verhaltensweisen sanktioniert werden. Die denkbaren Anreizinstrumente sind vielfältig und beinhalten u. a. Steuern, Abgaben, Subventionen, aber auch Preisregelungen und Wettbe-
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Dazu umfassend Brehme (2010), dort insb. S. 81 ff. Siehe zu dieser Debatte im Überblick Gawel / Bedtke (2015). Siehe dazu aus steuerungswissenschaftlicher Sicht grundlegend Gawel (1995).
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werbsmechanismen. Insbesondere aber nehmen hier die Entgelte für wasserwirtschaftliche Dienste eine Schlüsselrolle ein, da durch sie gleichsam in einer einzigen Variablen zahlreiche Nachhaltigkeitsbelange adressiert werden müssen. Die Siedlungswasserwirtschaft kennt seit Langem eine darüber noch hinaus gehende preisliche Steuerung, zum einen durch die Bundes-Abwasserabgabe und zum anderen durch die landesrechtlichen Wasserentnahme-Abgaben. Ferner fordert die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in ihrem Art. 9 allgemein, dass durch kostendeckende Wasserpreise adäquate Verbrauchsanreize gesetzt werden. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsgebote ist zu fragen, inwieweit diese durch eine anreizbasierte Steuerung wirksam verfolgt werden können und welche Ergänzungsoptionen sich insoweit gegenüber den bestehenden Preis- und Abgabenrecht empfehlen. – Planung (planungs- und verfahrensrechtliche Steuerung): Planung ist „ein systematisches Vorgehen zur Entwicklung von Handlungszielen und -abfolgen über einen längeren Zeitraum“17 und wesentlicher Zweck des planerischen Vorgehens ist es, eine größere Zahl von sachlich zusammenhängenden Einzelentscheidungen mit Blick auf gemeinsame Zielsetzungen optimal abzustimmen.18 Planungsrechtliche Instrumente zielen demgemäß darauf ab, ein solch systematisches, langfristig ausgerichtetes, kognitiv und prognostisch vorbereitetes sowie ausreichend abgestimmtes Vorgehen zu gewährleisten. Entsprechende Planungsinstitutionen kommen naturgemäß vor allem dort zum Einsatz, wo es um die Entwicklung komplexer Landnutzungs-, Siedlungs- und Infrastruktursysteme geht. Zweifellos ist auch die Siedlungswasserwirtschaft eine solche komplexe Infrastruktur mit offenkundigem hohen Bedarf an kognitiver und prognostischer Vorbereitung sowie langfristiger Ausrichtung und Abstimmung. Gleichwohl fehlt ein Fachplanungsrecht zur Wasserinfrastruktur im Bundesrecht. Die meisten Bundesländer sehen in ihren Landeswassergesetzen zwar eine Pflicht zur Erstellung von örtlichen Abwasserbeseitigungskonzepten vor, überwiegend allerdings in sehr rudimentärer Ausprägung ohne besondere inhaltliche und verfahrensmäßige Anforderungen. Für die örtliche Wasserversorgung fehlen Planungspflichten gänzlich, allein Sachsen sieht in § 43 Abs. 1 SächsWG eine kommunale Versorgungsplanung vor. Eine detaillierte Auswertung der landesrechtlichen Regelungen zur Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsplanung findet sich in Band 2 dieses Werkes in dem Beitrag von Wickel, der auch Eckpunkte für ein künftiges, nachhaltig ausgerichtetes Wasserinfrastrukturplanungsrechts entwickelt. 19 Zu beachten sind dabei allerdings auch Grenzen und Risiken der Planung, namentlich v. a. das Risiko, die flexible Anpassung an unvorhergesehene Entwicklungen zu behindern oder durch zentralisierte Planung dezentrales Kosten- und Nutzenwissen unberücksichtigt zu lassen.20 17 18 19
Vgl. Fürst (1995), S. 709. Vgl. Thieme (1984), Rn. 457; Obermayer (1960), S. 149. Vgl. Wickel (2015).
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– Organisation (Organisations-, Kompetenz- und Verfahrensrecht): Die Organisationsherausforderung betrifft die Frage, in welchen Organisationsformen und -strukturen die Aufgaben der Siedlungswasserwirtschaft wahrzunehmen sind. Die Wahrnehmung der Ver- und Entsorgungsaufgaben ist in Deutschland den Gemeinden zugewiesen, denen eine Vielfalt von Organisations- und Kooperationsmöglichkeiten an die Hand gegeben ist.21 Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsgebote ist insoweit zu fragen, welche Organisationsformen die Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele begünstigen. Mit dem Organisationsrecht sachlich eng verbunden betrifft das Kompetenzrecht die Frage, welche staatlichen Stellen in Angelegenheiten der Siedlungswasserwirtschaft zu entscheiden haben. Zu unterscheiden sind Gesetzgebungskompetenzen, Verwaltungszuständigkeiten und horizontale Ressortzuständigkeiten. Die Siedlungswasserwirtschaft unterliegt in Deutschland der konkurrierenden Bundes- und ausgestaltenden Landesgesetzgebung, der Landes- und Kommunalverwaltung sowie auf jeder Ebene verschiedenen Ressortzuständigkeiten. Unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsgebote ist zu prüfen, ob in dem komplexen Kompetenzgeflecht die Entscheidungsbefugnisse so verteilt sind, dass nachhaltige Entscheidungen i. S. der hier benannten Ziele und Grundvoraussetzungen gefördert oder aber behindert werden.
Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsgebote hängt zweifellos nicht allein von den institutionellen Rahmensetzungen ab, sondern ganz wesentlich auch von den technischen Entwicklungen, und die institutionellen Rahmenbedingungen und technischen Entwicklung beeinflussen auch einander erheblich.22 Deshalb ist es wichtig, jeweils auch die technischen Optionen und Hürden zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsgebote in den Blick zu nehmen und die erforderlichen Schlüsse für die Gestaltung des institutionellen Rahmens zu ziehen. Auch der Blick auf die technische Seite kann allerdings im Folgenden nur kursorisch insoweit geschehen, als technische Weichenstellungen für die Entfaltung der Nachhaltigkeitsgebote und für deren institutionelle Umsetzung erkennbar von Bedeutung sind. Der Schwerpunkt der folgenden Betrachtungen liegt aber zunächst darin, Gehalt, Bedeutung, tatsächliche Herausforderungen und Verhältnis der allgemeinen Nachhaltigkeitsbedingung zueinander zu klären.
Siehe zu letzterer Herausforderung Gawel (2002); ders. (2005). Vgl. Brehme (2010), S. 154 ff.; Laskowski (2010), S. 474 ff.; Kriener (2004), S. 56 f. 22 Der technische Fortschritt verändert die Handlungsmöglichkeiten der Infrastrukturbereitsteller, schafft neue Möglichkeiten der Zielerfüllung und verändert die Trade-offs zwischen den Nachhaltigkeitsgeboten. Der technische Fortschritt schafft zugleich neue Abwägungsbedarfe – zum Beispiel dann, wenn zwischen zentralen und dezentralen Technologien gewählt werden kann, die sich hinsichtlich ökonomischer Eigenschaften und Akteurskompetenzen maßgeblich unterscheiden. Zu den Wechselwirkungen von Technologienentwicklung und institutionellem Wandel siehe u. a. Dolata / Werle (2007); Dolata (2011); zum technischen Möglichkeitenraum und dem Einfluss von technischem Fortschritt auf die Zielerfüllung und Tradeoffs zwischen den Zielen, siehe Geyler / Lautenschläger (2015). 20 21
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II. Bedarfsorientierung 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Eine bedarfsorientierte Wasserver- und Abwasserentsorgung ist Hauptziel der Siedlungswasserwirtschaft. Der tatsächliche23 Bedarf, der sich auf der Nachfrageseite (Haushalte, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft) ergibt, muss Anlass und Maßstab der wasserwirtschaftlichen Aktivitäten sein. Eine bedarfsorientierte Siedlungswasserwirtschaft weist grundsätzlich Berührpunkte mit einer ökonomisch effizienten Wasserwirtschaft auf, die eine an den Präferenzen der Nachfrager orientierte Bereitstellung der Dienstleistungen im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung verfolgt (dazu Abschnitt VIII.). Bedarfsorientierung kann hierbei als ein multidimensionales Kriterium verstanden werden, da die Präferenzen der Nachfrager zahlreiche Anforderungen an die Siedlungswasserwirtschaft, wie beispielsweise den Schutz der Gesundheit, den Erhalt der Versorgungssicherheit oder das Sicherstellen der Erschwinglichkeit von Wasserdienstleistungen widerspiegeln. Neben diesen privaten Komponenten fallen zugleich gesellschaftliche Zielstellungen wie Umweltverträglichkeit oder Ressourcensicherung unter ein weiter gefasstes Verständnis von Nachfragepräferenzen, da diese ebenfalls im Interesse der Nachfrager stehen.24 Aufgrund ihrer hohen Bedeutung werden diese Bedarfsaspekte aber im Folgenden als eigenständige Zielstellungen aufgegriffen und das Ziel der Bedarfsorientierung wird zunächst auf die engere, mengenmäßige Betrachtung beschränkt. Letztere stellt freilich auch für sich genommen ein zentrales Kriterium der nachhaltigen Leistungserbringung dar. Für die Wasserversorgung bedeutet dies, dass eine der jeweiligen Nachfrage in Art und Menge entsprechende dauerhafte Versorgung der Wasserverbraucher jedenfalls anzustreben ist. Zum Zwecke der bedarfsgerechten Versorgung sind ausreichende Wasserquellen zu erschließen und hinreichend dimensionierte Leitungsnetze zu unterhalten. Dabei sind ggf. Anpassungen zu leisten an mögliche Veränderungen sowohl im Wasserdargebot (z. B. aufgrund des Klimawandels) als auch in der Wassernachfrage (aufgrund siedlungsstruktureller, demographischer und wirtschaftsstruktureller Entwicklungen).25 Die zentrale Herausforderung liegt insoweit darin,
23 Wenngleich der „tatsächliche“ Bedarf ex ante nicht bestimmbar ist – insbesondere aufgrund der Langfristigkeit von Infrastrukturentscheidungen unter hoher Unsicherheit – soll dieser als normativer Maßstab dienen. 24 Die Präferenzen werden sich hierbei innerhalb der Nachfrageseite – wie auch bei anderen Gütern und Dienstleistungen – deutlich unterscheiden. Dennoch kann unterstellt werden, dass grundlegende Präferenzmuster in Bezug auf Wasserdienstleistungen übereinstimmen, z. B. hinsichtlich der Qualität, der ausreichenden Menge und der Versorgungssicherheit. 25 Die Wasserverbräuche sind allgemein erheblich zurückgegangen. Der durchschnittliche Wasserbrauch lag 2010 deutschlandweit bei 121 Liter je Einwohner und Tag und lag damit auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn der statistischen Erfassung, siehe Statistisches Bundesamt (2012). Siehe dazu auch Bedtke (2015).
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die Versorgungsstrukturen adäquat auf Bedarfsveränderungen durch Bevölkerungsund Wirtschaftsentwicklungen sowie Veränderungen im Verbrauchsverhalten einzustellen und zugleich möglichst hohe Systemresilienz (Stabilität und / oder Flexibilität) zu erreichen für den Fall, dass diese Entwicklungen unerwartete Wendungen nehmen. Freilich begegnen kurzfristige Anpassungen in den leitungsgebundenen und fixkostenintensiven Infrastrukturen erheblichen technischen und wirtschaftlichen Limitierungen, die auch im Zeichen der – sonstigen – Nachhaltigkeitsgebote gegenüber dem Gebot der Bedarfsorientierung relativierend zu berücksichtigen sind. Bedarfsgerechte Abwasserentsorgung bedeutet analog, dass hinreichende Anlagenkapazitäten bestehen, um das „verbrauchte“ Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgung abzuleiten, zu reinigen, Rückstände zu verwerten oder zu beseitigen und das Wasser wieder in Gewässersysteme einzuleiten. Dies kann zentral oder teilweise dezentral erfolgen.26 Hinzu kommt die Entsorgung des Niederschlagswassers (Regenwasser und Schmelzwasser) durch häusliche Verwertung, Versickerung oder Ableitung in der Trenn- oder Mischkanalisation. Beide Bereiche unterliegen ebenfalls erheblichen Veränderungen.27 In der Schmutzwasserentsorgung sind bekanntlich vielerorts demographische und verhaltensbedingte Verbrauchsrückgänge zu verzeichnen, die zur Unterauslastung von Kanal- und Behandlungssystemen führen.28 Bei der Niederschlagsentwässerung tragen fortschreitende Flächenversiegelung und verstärkte Starkregenereignisse zur Überlastung der bestehenden Systeme bei,29 und mitunter ist daher sowohl erhöhter als auch verringerter Abführungs- und Behandlungsbedarf zu gewärtigen. Maßstab der bedarfsgerechten Wasserver- und Abwasserentsorgung ist der „Bedarf“ i. S. der aus Siedlungsentwicklung und Verbrauchsverhalten resultierenden Nachfrage nach Versorgungs- und Entsorgungsleistungen.30 Wünschenswert ist prinzipiell eine dauerhafte bedarfsgerechte Ver- und Entsorgung für jedes Grundstück, auf dem eine solche Nachfrage besteht. Freilich unterliegt die Nachfrage steuerbaren Einflüssen der Preisgestaltung,31 der Verbrauchsregulierung und der 26 Dazu, dass eine „dezentrale“ Konzeption keineswegs eine dezentrale Organisation bedeuten muss etwa Geyler / Holländer (2005); Becker et al. (2007). 27 Siehe dazu in diesem Band Geyler / Lautenschläger (2015). 28 Siehe z. B. Dittrich-Wesbuer (2014). 29 Siehe Fn. 3. 30 In der ökonomischen Theorie gilt „Bedarf“ gemeinhin als mit Kaufkraft ausgestattete Bedürfnisse des Menschen. Dies entspricht der am Markt geäußerten Nachfrage; Bedarf ist hier mithin ein positives Konzept. Mitunter werden beide Konzepte aber auch getrennt und Bedarf als normative Größe interpretiert. In diesem Zusammenhang wird die Idee eines (normativen) Bedarfs freilich kritisiert, da sie im Gegensatz zur Nachfrage nicht die Beeinflussbarkeit – z. B. über Preissignale – berücksichtige – siehe Griffin (2006), S. 28. 31 So sind sowohl Rückgänge der Wassernachfrage in den neuen Bundesländern im Zuge der Einführung von volumenabhängigen Entgelten, aber auch als Folge der Einführung von Wohnungswasserzählern empirisch gut belegt.
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Siedlungsentwicklung, die für eine nachhaltige Entwicklung des Versorgungsniveaus von elementarer Bedeutung sind. Eine an unbeschränkter Nulltarif-Nachfrage (der sog. Sättigungsmenge) orientierte Maximalversorgung kann ersichtlich nicht als ein Nachhaltigkeitsziel gelten. Nachhaltigkeitsziel i. e. S. kann vielmehr nur ein – nachhaltiges – Versorgungsniveau sein, das auch mit den übrigen Nachhaltigkeitsgeboten im Einklang steht. Die hypothetische Maximalnachfrage bleibt gleichwohl zentrales Ausrichtungskriterium, die freilich nur insoweit zu bedienen ist, wie dies nachhaltig möglich ist. Offenkundig können sich aus den übrigen Nachhaltigkeitsgeboten erhebliche Einschränkungen ergeben. Insbesondere das Gebot der Ressourcensicherung kann je nach Knappheitslage dazu zwingen, die Nachfrage von Nutzergruppen nur noch bedingt zu befriedigen. Das gilt in erster Linie für die Versorgungsseite, aber auch auf der Entsorgungsseite können sich aus Gründen der Ressourcensicherung Einschränkungen dahin ergeben, dass Abwasser in bestimmter Weise zu sammeln, zu reinigen und wiederzuverwerten ist (siehe unten III.1.). Auch jenseits einer Mangelbewirtschaftung bleibt es generell ökonomisch sinnvoll, als relevante Nachfrage nur jene Bedarfsartikulation anzusehen, die sich im Bewusstsein und unter Inkaufnahme der vollen volkswirtschaftlichen Kosten der Bereitstellung von Wasserdienstleistungen noch artikuliert. Einschränkungen können insofern ferner aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Effizienz geboten sein. So können die Kosten der Infrastrukturbereitstellung deren Nutzenstiftung übersteigen bzw. ein Wirtschaftlichkeitskalkül einen verringerten Leistungsumfang bzw. andere technologische Optionen erforderlich machen.32 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass unter dem Aspekt der bedarfsorientierten Versorgung eine zentrale gesellschaftliche Priorität bei der Grundversorgung mit Trinkwasser und Abwasser-Hygiene liegt. Dass eine Grundversorgung mit Trinkwasser und Abwasserentsorgung für elementare Nahrungs- und Hygienezwecke grundsätzlich Vorrang haben muss vor sonstigen Nutzungen, ist heute nicht nur gesellschaftlich weitgehend anerkannt. Mit der Herausbildung des „Menschenrechts auf Wassers“ ist dieser breiten Anerkennung inzwischen auch rechtlich Ausdruck verliehen worden.33 Nach herrschender Interpretation verbürgt das Menschenrecht auf Wasser einen solchen abstrakten Vorrang der Trinkwasserversorgung und darüber hinaus auch ein Mindestversorgungsniveau, das mit 20 – 50 Litern pro Person und Tag quantifiziert wird.34 Diese Mindestmenge sollte jedem Menschen unter zumutbaren Bedingungen zugänglich sein. Der Grundversorgung mit Trinkwasser und elementarer Abwasserentsorgung wird also global höchste Priorität zugemessen. 32 Die Unterhaltung eines Golfplatzes in südspanischen Wüstengegenden mag dafür ein Beispiel sein, das freilich auch darauf hindeutet, dass die Kostenverhältnismäßigkeit primär eine Frage der Zahlungsbereitschaft betreffender Nutzerkreise darstellt. 33 Vgl. Laskowski (2010). 34 Vgl. Howard / Bartram (2003), S. 22; Laskowski (2010).
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Für das Verhältnis des Grundversorgungsvorrangs zu konkurrierenden Nutzungen und Nachhaltigkeitszielen bleibt allerdings die Frage, wie sich dieser Vorrang zu den Zumutungen der Bezahlung, der Beschaffung oder auch eines Standortwechsels verhält. Diese Zumutungen können ja gerade dazu dienen, (auch) die Grundversorgungsnachfrage in nachhaltigere Bahnen zu lenken.35 Zweierlei ist dazu grundlegend zu bedenken: – Zum einen hindern Zumutungen nicht die Grundversorgung, sofern sie nicht die Möglichkeiten der Betroffenen überschreiten. Zweifellos sollte es niemandem unmöglich sein, Zugang zu Trinkwasser zu finden. Soweit aber Zumutungen tragbar sind, steht gar nicht die Grundversorgung an sich in Frage. Vielmehr geht es insofern um das Aufwandsvermeidungsinteresse der Versorgungsempfänger. Diesem Interesse gegenüber müssen aber die konkurrierenden Nachhaltigkeitsinteressen wie z. B. an Ressourcensicherung und Umweltverträglichkeit grundsätzlich ins Gewicht fallen. – Zum anderen ist es nicht notwendig die Aufgabe der Siedlungswasserwirtschaft dafür zu sorgen, dass jedermann die Zumutungen tragen kann. Soweit dem insbesondere Armutsgründe entgegenstehen, erscheint dies vielmehr zuvörderst als eine Aufgabe sozialpolitischer Institutionen. Die in den Zumutungen liegenden Nachhaltigkeitsoptionen dürfen daher nicht aus einer auf die Wasserwirtschaft verengten Perspektive heraus a priori ausgeschlossen werden.
Mithin bedeutet das Grundversorgungsprimat nicht, dass auch größte Umwelt-, Ressourcen-, oder Wirtschaftlichkeitsprobleme bedingungslos in Kauf zu nehmen wären, um auf jedem noch so ungünstigen Standort eine Grundversorgung herzustellen. Insbesondere ist es im Kreis der Nachhaltigkeitsgebote nicht absolut geboten, neue Siedlungsaktivitäten wasserwirtschaftlich auch dort zu ermöglichen, wo eine Trinkwasserversorgung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder Umweltfolgen gewährleistet werden kann. Dies ist insbesondere in ariden und semi-ariden Regionen der Fall, kann jedoch zukünftig auch im „wasserreichen“ Deutschland relevant werden.36 Vielfach können in trockenen Regionen auch Grundversorgungsansprüche nicht überall nachhaltig befriedigt werden und es sind daher – auch insoweit – Einschränkungen auf der Nachfrageseite erforderlich.37 In Deutschland und Mitteleuropa sind es vielfach aber auch Nachfragerückgänge, die die Wasserwirtschaft vor Herausforderungen stellen. Wo Bevölkerungs- und Verbrauchsrückgänge zu Unterauslastungen der Systeme führen, wird das Gebot Dazu grundlegend Gawel / Bretschneider (2012a); dies. (2012b). Bereits heute gibt es wasserarme Regionen in Deutschland (z. B. Brandenburg, Franken, Ostharz), in denen es zukünftig aufgrund eines klimawandelbedingten veränderten Wasserdargebots zu Einschränkungen bei der Trinkwasserversorgung kommen kann – siehe dazu Scherzer et al. (2010), S. 107; Castell-Exner / Zenz (2010); Zebisch et al. (2005), S. 46 ff. 37 Für eine differenzierte ökonomische Betrachtung eines Anspruchs auf Wassergrundversorgung siehe Gawel / Bretschneider (2012b). Siehe auch zur Relevanz von Opportunitätskosten bei der Nutzung eines „üppigen“ Wasserdargebots Gawel / Fälsch (2011). 35 36
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der bedarfsgerechten Wasserver- und Entsorgung insoweit relevant, als die Funktionsfähigkeit der Ver- und Entsorgungssysteme vor kritischen Unterauslastungen zu schützen ist. Der Maßstab der „Bedarfsgerechtigkeit“ zielt demnach nicht nur darauf ab, die bestehende Nachfrage zu befriedigen und Kapazitätsengpässe zu beseitigen. Bedarfsgerechte Ver- und Entsorgung schließt auch die Notwendigkeit ein, funktionskritische Überkapazitäten zu vermeiden bzw. die Systeme an Bedarfsrückgänge anzupassen. Überkapazitäten zu vermeiden, ist allerdings regelmäßig auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit und Ressourceneffizienz, und zwar lange bevor die Unterauslastung ein funktionsgefährdendes Ausmaß erreicht hat (siehe dazu unten VIII. und IX.). Insgesamt liegt vor dem Hintergrund des demographischen, siedlungsstrukturellen und naturräumlichen Wandels die zentrale Schwierigkeit darin, dass der durch lange Abschreibungszeiten geprägte Bestand zentraler Leitungssysteme auf dynamische Veränderungen in Dargebot und Nachfrage trifft, die sich nur mit erheblichen Unsicherheiten vorhersagen lassen. Für die bedarfsgerechte Entwicklung sowohl der Wasserversorgung als auch der Abwasserentsorgung kommt es daher wesentlich darauf an, das Wissen und die Vorhersagen über die veränderlichen Rahmenbedingungen stetig zu verbessern (siehe auch das Nachhaltigkeitsgebot Nr. 10 „Wissen“). Zudem erscheint es ratsam, flexible Lösungen zum Einsatz zu bringen, die auf unterschiedliche Entwicklungsverläufe eingestellt werden können (siehe das Nachhaltigkeitsgebot Nr. 12 „Flexibilität“). Hier ist auch die Diskussion um die künftige Rolle modularer und dezentraler Technologien zu verorten, die u. U. dazu beitragen können, den Bedarf an zentralen, leitungsintensiven Versorgungsleistungen zu senken.38 Ob durch zentrale oder durch dezentrale Techniken – die nachhaltige Entsprechung von Angebot und Bedarf wird nicht ohne eine enge Abstimmung mit dem Städtebau gelingen können, der beides maßgeblich beeinflusst. Unter dem Gebot der bedarfsgerechten Ver- und Entsorgung müssen daher die Steuerungsmöglichkeiten der Stadtplanung und des Baurechts mit in den Blick genommen und dazu genutzt werden, um kohärente, Siedlungs- und Infrastrukturkonzepte zu entwickeln (siehe Nachhaltigkeitsgebot Nr. 13 „Integration“ – dazu näher unten XV.). Die bedarfsgerechte Entwicklung der Ver- und Entsorgung setzt eine integrierte, abgestimmte Dimensionierung der Versorgungs- und der Entsorgungsseite voraus, da beide Seiten gleichermaßen vom Verbrauchsverhalten der Systemnutzer abhän38 Vgl. Libbe (2011); Koziol / Veit / Walther (2006). Offenkundig ist allerdings, dass die Einsatzbedingungen von dezentralen und zentralen Technologien in Abhängigkeit von der Nachfrage (Siedlungsdichte) zwischen urbanen und ländlichen Gebieten stark variieren können. So ist eine mögliche Ablösung des zentralen Systems durch dezentrale Insellösungen eher in ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte zu erwarten, während ansonsten mit keinem radikalen Systemwechsel zu rechnen ist – vgl. Tauchmann et al. (2006), S. 279 f.
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gen und mengenmäßig eng verknüpft sind. Zudem beeinflussen sich Versorgungstechnologien und Verwertungslösungen wechselseitig, wie die Diskussion um die Substitution von Trinkwasser durch Regenwasser illustriert.39 Eine besondere Herausforderung der bedarfsgerechten Abwasserentsorgung besteht schließlich darin, dass die Kanalisation in Deutschland einen erheblichen und in einigen Städten sogar immensen Sanierungsbedarf aufweist.40 Oft ist zu vernehmen, dass dieser Sanierungsbedarf mit den – angeblich – knappen Finanzmitteln der zuständigen Kommunen, Verbände und Versorgungsunternehmen kaum zu leisten sei.41 Mithin stellt sich die Frage, ob die Aufrechterhaltung einer bedarfsgerechten Infrastruktur an institutionell begründeten Finanzierungsengpässen scheitern muss [dazu unten 2.b)].
2. Institutionelle Voraussetzungen und Ansatzpunkte Durch die Frage, wie eine bedarfsgerechte Versorgung effektiv gewährleistet werden kann, sind insbesondere die folgenden Institutionen angesprochen.
a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Die bedarfsgerechte Wasserver- und Abwasserentsorgung wird – nicht nur in Deutschland – als ein zentrales Element der staatlichen Daseinsvorsorge begriffen, für die die öffentlichen Hände zu sorgen haben. Im deutschen Wasserhaushaltsgesetz ist zudem geregelt, dass sowohl die Wasserversorgung (§ 50 WHG) als auch die Abwasserentsorgung (§ 56 WHG) in der Verantwortung der nach Landesrecht zuständigen öffentlichen Ver- bzw. Entsorgungsträger steht. Dies sind nach Landesrecht i. d. R. die Kommunen. Ihnen wird somit eine alleinige Erfüllungsverantwortung zugewiesen. Die Gründe für die staatliche Aufgabenzuständigkeit werden v. a. darin gesehen, dass ohne hoheitliche Gewährleistungen ein flächendeckendes Ver- und Entsorgungsangebot nicht zuverlässig und konkursfest sichergestellt werden könne und dass aufgrund der Netzgebundenheit, der mangelnden Durchleitungsmöglichkeiten und der zu erwartenden Herausbildung natürlicher Monopole ein realer Wettbewerb im Markt (wie etwa im Energiebereich) nicht herzustellen sei.42 Indes erscheint unter den Vorzeichen des klimatischen und demographischen Wandels eine Dezentralisierung insbesondere der Entsorgungsstrukturen im ländliSiehe dazu statt vieler: Köster (2008). Vgl. Berger / Falk (2011). 41 Vgl. Reidenbach et al. (2008); im Widerspruch hierzu das Branchenbild der Deutschen Wasserwirtschaft – siehe ATT et al. (2011). 42 Vgl. Wackerbauer (2009), S. 143 ff.; Oelmann (2005), S. 38 ff. 39 40
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chen Raum zunehmend vorteilhaft.43 Zumindest insoweit entfällt lokal auch das Argument der Netzabhängigkeit, und es stellt sich die Frage, ob auch die Aufgabenverantwortung teilweise dezentralisiert und sogar auf die privaten Grundstückseigentümer selbst übertragen werden kann.44 Mit Blick auf die staatliche Gewährleistungsverantwortung ist weiter zu fragen, welchen konkreten Mindestversorgungsanspruch die Garantenstellung umfassen soll und inwieweit sie insbesondere durch ökonomische Erwägungen begrenzt ist. Zu klären ist, welche Art von allgemeiner Zugänglichkeit zu Trinkwasser- und Abwasserleistungen zu gewährleisten ist und inwieweit der Zugang durch Entgelte erschwert werden darf bzw. ausgerechnet über subventionierte Ver- und Entsorgungsentgelte zu erleichtern ist. Diese Frage ist ersichtlich eng verknüpft mit den Nachhaltigkeitszielen einerseits der Erschwinglichkeit und andererseits der Ressourceneffizienz und -auskömmlichkeit auf deren Spannungsverhältnis noch gesondert zurückzukommen ist (unten VIII.).
b) Anreiz- und Finanzierungsinstrumente Mindestens außerhalb des elementaren Grundversorgungsbereiches stellt sich die Frage, inwieweit über Preisinstrumente das nachhaltige Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage besser angesteuert werden könnte, und zwar dahingehend, dass auch die nötigen strukturellen Anpassungen auf beiden Seiten wirksam angereizt werden. Für räumlich ungünstig gelegene Versorgungspunkte wäre z. B. zu erwägen, dass die hohen Kosten einer zentralen Anbindung nicht weiterhin auf die Nutzergemeinschaft umgelegt, sondern stärker den jeweils betreffenden Nutzern spezifisch angelastet werden könnten, um Ihnen kostenproportionale Anreize zu dezentralen Alternativlösungen oder auch zur Verlagerung ihrer Nutzung zu geben. Was die Refinanzierung von Bestandserhaltungsmaßnahmen zur Erhaltung einer bedarfsgerechten Infrastruktur betrifft, so gilt nach den einschlägigen Gebührengesetzen der Länder regelmäßig, dass die öffentlichen Leistungsträger verpflichtet sind, die Refinanzierungskosten kostendeckend in die Gebühren einzukalkulieren. Aus politischen Gründen geschieht dies jedoch oftmals nicht und es werden zu geringe Gebühren erhoben. Vielfach werden auch Gebührenerträge nicht dem Erhebungszweck entsprechend für die Erneuerung der Infrastruktur eingesetzt, sondern an den allgemeinen Kommunalhaushalt ausgeschüttet und für andere Zwecke verwendet.45 Hier kommt es ersichtlich auch auf eine Ergänzung des gebühren- und haushaltsrechtlichen Rahmens an, mit der ein solches, nicht nachhaltiges Finanzgebaren unterbunden wird [siehe auch unten X.2.c)]. 43 Vgl. SRU (2002), Tz. 663 ff. mit weiteren Nachweisen; Tauchmann et al. (2006), S. 279 f. 44 Vgl Laskowski (2012), S. 597, 600 ff. 45 Vgl. Gawel (2011); ders. (2012b).
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c) Organisation Organisationsregelungen sind darauf zu prüfen, ob die Steuerung des Versorgungsniveaus und die Entwicklung der Ver- und Entsorgungssysteme so zugewiesen, strukturiert und vernetzt sind, dass im Ergebnis mit bedarfsadäquaten Entscheidungen zu rechnen ist. Zweifel daran bestehen u. a. hinsichtlich der gebotenen Integration von Versorgungs- und Entsorgungsseite, weil insoweit bereits im gesetzlichen Regelwerk, aber verbreitet auch in der Organisationspraxis getrennte Zuständigkeiten gewählt werden. Zweifel bestehen auch hinsichtlich der erforderlichen Abstimmung mit der Siedlungsentwicklung, denn dafür fehlen offenkundig wirksame Abstimmungsinstrumente. d) Planung Planung ist – wie schon eingangs erwähnt – die methodische Antwort auf derlei komplexe Sachprobleme und Vernetzungserfordernisse und eine planvolle Herangehensweise erscheint daher prima facie als unverzichtbar, wenn es um die bedarfsgerechte Fortentwicklung v. a. der zentralen Wasserinfrastrukturen geht. Die lückenhafte fachplanungsrechtliche Flankierung muss insoweit als Schwäche der institutionellen Rahmensetzung gelten. Zwar kann eine Planung der Wasserinfrastrukturentwicklung auch freiwillig und informal erfolgen und selbstverständlich wird in praxi auch geplant. Ohne formale Planungsstandards ist allerdings weder die Qualität der Planung, noch eine hinreichende rechtliche Durchsetzungskraft, noch eine der politischen Dimension – gerade auch von Bedarfsfragen – angemessene Verortung bei den legitimierten Gemeindeorganen gesichert.
III. Ressourcensicherung 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Die Auskömmlichkeit der Wasserressourcen dauerhaft zu sichern, ist Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Versorgung. Dieses Nachhaltigkeitserfordernis richtet sich – bei (allgegenwärtiger) Knappheit, die nicht mit „Mangel“ verwechselt werden darf – sowohl an die Versorgungsseite als auch an die Verbrauchs- und die Entsorgungsseite. Auf der Versorgungsseite verlangt es die Erschließung ausreichender Bezugsquellen. Verbrauchsseitig sind Maßnahmen zur Verbrauchssenkung zu treffen, und auf der Entsorgungsseite kann die Wiederverwertung der knappen Wasserressourcen i. S. einer Wasser-Kreislaufwirtschaft zur Ressourcensicherung beitragen. Das Hauptziel der bedarfsgerechten Versorgung lenkt den Blick zunächst auf die Angebotsseite und auf Maßnahmen zur Sicherung hinreichender Bezugsquellen. Dazu ist in erster Linie erforderlich, dass Rohwasserquellen vorsorgend bewirt-
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schaftet werden. Knappheit an Wasserressourcen hat sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Komponente. In qualitativer Hinsicht läuft das Nachhaltigkeitsgebot der Ressourcensicherung mit dem der Umweltverträglichkeit und Gesundheitsverträglichkeit weitgehend parallel. Zur Sicherung von Wasserressourcen sind entsprechende Anforderungen an den flächendeckenden Grundwasserschutz (z. B. in Bezug auf Nitrateintrag) zu stellen als auch höhere Anforderungen an konkurrierende Landnutzungen bei potentiell nutzbaren Wasserressourcen (z. B. Konkurrenz zwischen Wasserressourcenschutz und Siedlungsnutzung) und genutzten Wasserressourcen (ausreichende Ausweisung von Trinkwasserschutzgebieten).46 Zugleich spielt der Gewässerschutz eine herausragende Rolle dort, wo Oberflächenwasser direkt oder indirekt als Trinkwasserressource genutzt wird. Für die Erhaltung der Rohwasserressourcen ist die Entsorgungsseite insoweit mit verantwortlich, als sie dafür sorgen muss, dass Rohwasserquellen, die direkt (Flusswassernutzung) oder indirekt (Uferfiltrat, Grundwasseranreicherung) durch Oberflächenwasser gespeist werden, nicht durch Abwassereinleitungen beeinträchtigt werden.47 Auch von daher erfordert das Gebot der Ressourcensicherung eine integrierte Fortentwicklung von Wasserver- und Abwasserentsorgungssystemen. Mitunter kann die Ressourcensicherung hohen Kostenaufwand erfordern, sodass sie ins Spannungsverhältnis zum Gebot der Wirtschaftlichkeit gerät. Dabei dürfte aber der Ressourcensicherung wenigstens insoweit Vorrang gebühren, als sie auf die dauerhafte Erhaltung hinreichender Versorgungsgrundlagen gerichtet ist. Insoweit liegt nämlich das Ziel der Ressourcensicherung auf der mit den o. g. Managementregeln bezeichneten „äußeren Grenzlinie“ des durch das Nachhaltigkeitspostulat umrissenen Optionenraums (siehe oben II.). Zur Sicherung hinreichender Wasserressourcen kommt grundsätzlich in Betracht, auch ortsferne Quellen in Anspruch zu nehmen. So werden Ballungszentren oftmals über Fernleitungen aus ländlichen Regionen und Talsperren versorgt.48 Das Gebot der Ressourcensicherung ist nicht auf einen regionalen Horizont begrenzt, und der Austausch zwischen wasserreichen Export- und bedarfslastigen Importregionen verspricht grundsätzlich wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten. Gleichwohl wird die Fernwasserversorgung (auch) unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenvorsorge verbreitet kritisch gesehen,49 und das geltende Wasserrecht normiert einen Vorrang 46 Zur Abhängigkeit von Trinkwasserschutzstrategien vom flächendeckenden Grundwasserschutz, aber auch zu Defiziten des gegenwärtigen Trinkwasserschutzes in Bezug auf Nitrateintrag, siehe z. B. Geyler (2008). 47 In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Problematik der Spurenstoffe hingewiesen, vgl. ATT et al. (2011), S. 45; DWA (2008a). 48 Hierzu sind beispielsweise die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH, die Bodensee-Wasserversorgung, die TWM Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH und die Harzwasserwerke GmbH. 49 Siehe dazu Kriener (2004), S. 209 ff. mit weiteren Nachweisen.
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der „Wasserversorgung aus ortsnahen Wasservorkommen“, soweit diese in ausreichender Menge und Güte und zu vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann (§ 50 Abs. 2 WHG). Zur Begründung wird v. a. angeführt, dass die ortsnahe Versorgung dem Verursacherprinzip entspreche und Anreize zur Schonung der örtlichen Wasserressourcen gebe, die durch eine Fernversorgung ggf. verloren gingen. Auch können Wasserferntransporte unter qualitativen Gesichtspunkten Abstriche erforderlich machen und zusätzliche Kosten verursachen, die mit dem Wirtschaftlichkeits- und dem Erschwinglichkeitsgebot konfligieren. Im Widerstreit von Nah- und Fernversorgung stehen sich mithin eine Reihe möglicher Vor- und Nachteile gegenüber 50 die jeweils einer fallspezifischen Prüfung und Abwägung bedürfen. Letztere erscheint wesentlich auch als eine Frage der politischen Gewichtung, namentlich der betroffenen Nachhaltigkeitsgebote. Auf der Nachfrageseite kann durch vielfältige technische und steuernde Maßnahmen auf eine Verminderung des Wasserverbrauchs hingewirkt werden. Dies gilt für die Landwirtschaft ebenso wie für Wasser verbrauchende Anlagen und Geräte. Denkbar ist auch eine Bewirtschaftung der Wassermengen i. S. beschränkter Zuteilungen zu unterschiedlichen Nutzungen. Schließlich können durch Maßnahmen der Aufbereitung und Wiederverwendung die Verbrauchs- und die Versorgungsseite zu einer ressourcensparenden Kreislaufwirtschaft verbunden werden. Klar ist, dass Demand-Management und Kreislauf-Lösungen erhebliche Auswirkungen auf die zentralen Ver- und Entsorgungssysteme haben, die ggf. auf verringerte Bezugs- und Abwassermengen einzustellen sind. Die Kosten der erforderlichen Systemanpassungen können erheblich sein und der Ressourceneinsparung unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten auch Grenzen setzen. Ähnlich wie das Gebot der bedarfsgerechten Versorgung verlangt das Ziel der Ressourcensicherung auch einen „nachhaltigen Flächennutzungswandel“ dahingehend, dass die Siedlungsstrukturen im Zusammenhang mit den Versorgungsstrukturen und unter Berücksichtigung der Knappheitslage so entwickelt werden, dass die Nutzungen aus den verfügbaren Wasserbezugsquellen in jedem Falle dauerhaft versorgt werden können. Die bis heute anzutreffende angebotsorientierte Bereitstellung von Infrastrukturen („build and supply“)51, bei der städtebaulich auf Versorgungsprobleme wenig Rücksicht genommen wird, bedarf daher auch unter dem Gesichtspunkt der Ressourcensicherung einer Überprüfung.
Vgl dazu bereits Kampe (1987). Zu dem dahinterstehenden „modernen Infrastrukturideal“ siehe Graham / Marvin (2001); Moss / Naumann / Wissen (2008). 50 51
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2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung Für die ressourcensichernde Bewirtschaftung von Rohwasserressourcen muss eine staatliche Gewährleistungsverantwortung jedenfalls im Hinblick auf die dauerhaft zu gewährleistende Mindestversorgung bestehen. Insofern gilt das oben unter II.2.a) zur Mindestbedarfsdeckung Gesagte entsprechend. Auch darüber hinaus muss die dauerhafte Sicherung der Rohwasserressourcen in staatlicher Verantwortung liegen, weil dies eine komplexe Regulierung von Nutzungskonkurrenzen und Entnahmebeschränkungen verlangt und mithin hoheitliche Bewirtschaftungs- und Ordnungskompetenzen erfordert. Demgemäß sieht das geltende Wasserrecht umfassende Ermächtigungsgrundlagen und Aufträge zur Ausweisung von Wasserschutzgebieten (vgl. §§ 51 f. WHG) vor. Was ferner die Komponente der Nachfragesteuerung betrifft, so ist ebenfalls nicht damit zu rechnen, dass gewinnorientierte Anbieter – wozu auch staatliche Versorgungsunternehmen zählen – von sich aus Impulse zur Drosselung der Nachfrage setzen. Auch insofern ist hoheitliche Steuerung erforderlich. Mit Blick auf die Technikoptionen für eine ressourcenschonende dezentrale Kreislaufführung von Abwasser stellt sich die Frage, ob dafür mehr rechtlicher Freiraum gegenüber dem öffentlichen Entsorgungsmonopol gewährt werden sollte. Aus der Praxis sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die öffentlichen Träger der Abwasserentsorgung durch Anschluss- und Benutzungszwang zur Fortführung zentraler Systeme auch dort gezwungen haben, wo Grundstückseigentümer willens waren, ressourcenschonende und kosteneffizientere dezentrale Lösungen zu implementieren. 52 Insoweit ist – im Grunde nachvollziehbar – kritisiert worden, dass immanente wirtschaftliche Systemerhaltungsinteressen über die Nachhaltigkeitserfordernisse der ressourcenschonenden und flexiblen Infrastrukturgestaltung gestellt werden. 53 Zu bedenken ist allerdings, dass die Effizienz und Funktionsfähigkeit der zentralen Infrastruktursysteme erheblich von der Anschlussdichte und -struktur abhängt und dass zudem die Nutzer des zentralen Systems in einem Solidarzusammenhang stehen, der allen Nutzern einen kostengünstigen, erschwinglichen Leistungsbezug ermöglichen soll.54 Auch ist zu berücksichtigen, dass die Reinigungsleistung großer Kläranlagen 52 s. z. B. die Fallgestaltungen in BVerwG v. 19. 12. 1997, ZfW 1998, S. 494, 495; SächsOVG v. 8. 8. 2007 – 4 B 321 / 05, NJ 2008, S. 187, 188; VG Köln v. 23. 9. 2008 – 14 K 2393 / 06; Auswertung und Kritik der einschlägigen Praxis und Rechtsprechung bei Laskowski (2012); dies. (2015). Mitunter ist der Anschluss- und Benutzungszwang gegenüber solchen Lösungen sogar in Fällen durchgesetzt worden, in denen die zentrale Abwasserentsorgung erkennbar nicht die wasserrechtlichen Standards einhielt; so der Fall im Verfahren des OVG Berlin / Brandenburg (OVG 9 N 170.08) vom 26. 6. 2008, ZUR 2008, S. 533 f., 547 ff. – dazu kritisch Laskowski (2008). 53 Vgl. Laskowski (2008); dies. (2012); dies. (2015). 54 s. dazu BVerwG v. 19. 12. 1997, ZfW 1998, S. 494, 495, sowie unten IX.
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aufgrund der großtechnischen Möglichkeiten oft höher ist und künftig auf einen Stand gebracht werden kann, den dezentrale Behandlungsanlagen ggf. nicht zu vergleichbaren Kosten erreichen können. Ein Austritt einzelner Grundstücke oder Areale aus dem zentralen System sollte daher an die Bedingungen geknüpft sein, dass die zentrale Struktur in ihrer Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht erheblich beeinträchtigt wird und dass die dezentrale Lösung in Bezug auf Umweltverträglichkeit, Ressourceneffizienz und alle weiteren Nachhaltigkeitserfordernisse langfristige Vorteile verspricht. Vieles spricht überdies dafür, dass die Entlassung aus dem kommunalen Gebietsmonopol maßgeblich davon abhängen sollte, dass sie mit der Abwasserbeseitigungskonzeption der Gemeinde bzw. des Verbands vereinbar ist – was freilich voraussetzt, dass eine aussagekräftige Planung überhaupt besteht.
b) Ordnungsrechtliche Vorgaben Ordnungsrechtlich kann geregelt werden, dass die Rohwasserressourcen in einem qualitativ ausreichenden und quantitativ stabilen Zustand zu erhalten sind. Eben dies ist Zweck und Maßgabe von Art 4 Abs. 1 lit. b WRRL55 und der EU-Grundwasserrichtlinie. Nach Art. 7 der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) tragen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge, dass die für die Trinkwasserversorgung bestimmten Wasserkörper den erforderlichen Schutz erhalten, um eine Verschlechterung ihrer Qualität zu verhindern und den erforderlichen Umfang der Aufbereitung zu verringern. Das WHG hat ausweislich seines § 1 zum Zweck, die „nachhaltige“ Gewässerbewirtschaftung zu sichern, und gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 WHG gilt – auch für die Erteilung von wasserrechtlichen Gestattungen (§ 12 Abs. 2 WHG) – der Grundsatz, dass „bestehende oder künftige Nutzungsmöglichkeiten insbesondere für die öffentliche Wasserversorgung zu erhalten oder zu schaffen sind.“ Erhebliches zum Schutz der Rohwasserressourcen tragen ferner bei: Die Vorgaben zur Beschränkung von Schadstoffeinträgen in Oberflächengewässer gemäß § 57 WHG und der AbwasserV56 sowie zum Schutz des Grundwassers vor Schadstoffeinträgen 55 Diese Vorschrift lautet wie folgt: „Qualitätsziele […] b) bei Grundwasser: i) die Mitgliedstaaten führen, […] die erforderlichen Maßnahmen durch, um die Einleitung von Schadstoffen in das Grundwasser zu verhindern oder zu begrenzen und eine Verschlechterung des Zustands aller Grundwasserkörper zu verhindern; ii) die Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle Grundwasserkörper und gewährleisten ein Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahme und -neubildung mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7, unbeschadet des Absatzes 8 und vorbehaltlich des Artikels 11 Absatz 3 Buchstabe j) einen guten Zustand des Grundwassers zu erreichen; iii) die Mitgliedstaaten führen die erforderlichen Maßnahmen durch, um alle signifikanten und anhaltenden Trends einer Steigerung der Konzentration von Schadstoffen aufgrund der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten umzukehren und so die Verschmutzung des Grundwassers schrittweise zu reduzieren. […]“ 56 Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer vom 21. 3. 1997 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 6. 2004 (BGBl. I S. 1108, 2625).
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gemäß §§ 46 ff. WHG und der GrundwasserV57 und vor Belastungen aus der landwirtschaftlichen Düngung nach der EU-NitratRL58 und der DüngeV59. Ob die genannten Rahmensetzungen allerdings bereits ausreichen, um auch unter verstärkten Knappheitsbedingungen hinreichenden Ressourcenschutz zu leisten, bedarf kontinuierlicher Überprüfung. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch, die Vollzugslage zu prüfen, die sich in vielen – gerade stark von Knappheit geprägten – Regionen Europas offenbar als vollkommen unzureichend darstellt.60
c) Anreize Die Wasserpreise erscheinen als Anreizmittel erster Wahl zur Bewirtschaftung knapper Wasserressourcen bzw. zur Anpassung von Nachfrage und (begrenztem) Angebot. Entscheidend dafür ist, dass die Preisbildung das Ziel der dauerhaften Ressourcensicherung einbezieht und sich die tatsächlichen, aus Perspektive der langfristigen Ressourcensicherung zu gewärtigenden Knappheiten zutreffend im Preis widerspiegeln (können). Dazu trägt ein Bewirtschaftungsregime bei, das eine entsprechende langfristige Perspektive und entsprechende Mengenbeschränkungen umsetzt. Insoweit wirkt das oben in b) skizzierte Ordnungsregime wesentlich auf die nachhaltige Preisbildung ein. Soweit der Wasserpreis als Instrument zur Drosselung der Nachfrage betrachtet wird, bildet er in besonderer Weise den Zielkonflikt zwischen dem Ziel der Ressourcensicherung / Ressourceneffizienz und den Zielen der Wirtschaftlichkeit und Erschwinglichkeit ab. Während letztere tendenziell auf ein geringes, an der Deckung erforderlicher Kosten orientiertes Preisniveau hinauslaufen, erfordert die Ressourcensicherung u. U. eine darüber hinausgehende Preisbemessung. Insoweit besteht also das Dilemma, dass die Wasserpreise zugleich zu hoch und zu niedrig sein können.61 Auch auf die Reinhaltung der Wasserressourcen von Verschmutzungen aus Einleitungen und diffusen Quellen kann durch fiskalische Steuerung hingewirkt werden [siehe dazu noch unten VI.2.c)].
57 Verordnung zum Schutz des Grundwassers in der Fassung vom 11. August 2010 (BGBl. I S. 1163). 58 Richtlinie 91 / 676 / EWG des Rates vom 12. 12. 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. 59 Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung – DüV vom 10. 1. 2006 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. 2. 2007 (BGBl. I S. 221). 60 Vgl. Krämer (2009), S. 461 ff. 61 Vgl. Gawel / Bedtke (2013); ferner in Band 2: Gawel (2015c).
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d) Planung Für den Erhalt der Rohwasserressourcen ist auch die vorausblickende, integrierte Gewässerbewirtschaftung von zentraler Bedeutung. Die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen sollten daher so gesetzt werden, dass sie zu einer vorsorgenden Erhaltung der Grundwasserkörper und ggf. Erschließung neuer Rohwasserquellen hinreichend veranlassen. Für den EU-Raum ist unabweisbar, dass dies ein integraler Bestandteil des sich etablierenden Flussgebietsmanagements gemäß der Wasserrahmenrichtlinie sein muss. Eine quantitative Ziel- und Planungsverpflichtung zur Ressourcensicherung regelt die WRRL unmittelbar „nur“ für das Grundwasser, das gemäß Art. 4 Abs. 1 b) i. V. m. Anhang V Nr. 2 in einem guten chemischen und „mengenmäßigen“ Zustand zu erhalten ist. Der „gute mengenmäßige Zustand“ setzt gemäß Anhang V 2. 1. 2 u. a. voraus, dass „die verfügbare Grundwasserressource nicht von der langfristigen mittleren jährlichen Rate überschritten wird.“ Dieses Mengenerhaltungsziel ist durch Bewirtschaftungspläne gemäß Art. 13 WRRL resp. § 83 WHG sowie Maßnahmenprogramme nach Art. 11 WRRL resp. § 82 WHG planerisch umzusetzen. Für die Oberflächengewässer normiert demgegenüber die WRRL keine mengenmäßigen, sondern ausschließlich qualitative Bewirtschaftungsziele. Anzustreben ist ein guter chemischer und ökologischer Qualitätszustand der Gewässer. Eine Mengenbewirtschaftung ist daher EU-rechtlich nur insoweit zwingend geboten, als diese notwendig ist, um die Qualitätsziele zu erreichen.62 Auch im deutschen Wasserrecht findet sich keine weitergehende Pflicht zur mengenmäßigen Bewirtschaftung der Oberflächengewässer. Für das wasserreiche Deutschland mag eine solche Beplanung der Wassermengenhaushalte bis auf weiteres auch verzichtbar sein. Für südeuropäische Länder, die schon heute unter großer Wasserknappheit leiden, stellt sich indes die Frage, ob die planerische Mengenbewirtschaftung nicht einer institutionellen Verstärkung bedürfte.63
e) Organisation Organisation und Kompetenzverteilung erscheinen für das Ziel der Ressourcenauskömmlichkeit in mehrfacher Hinsicht relevant. Mit dem bereits angesprochenen Bezugsraum des Auskömmlichkeitsgebotes verbindet sich organisatorisch die Frage, welchem Verantwortungskollektiv die Verantwortung für die Ressourcenbewirtschaftung zugewiesen werden soll. Konkret ist zu überlegen, ob in jedem Falle die Zuweisung der Versorgungsaufgabe an einzelne Gemeinden sachgerecht ist oder ob nicht u. U. eine weiträumigere Radizierung der Aufgabenträgerschaft angezeigt ist, um Verantwortungskollektive mit relativ ausge62 63
Vgl. Reese (2010b), S. 191 ff. So etwa Krämer (2009); Reese (2010b), S. 188 ff.
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wogener Angebots- und Nachfragesituation zu bilden. Auf freiwilliger Basis kann eine Erweiterung der Aufgabenträger bereits nach geltendem Recht durch die Bildung von Zweckverbänden erfolgen. Auf der Grundlage des Wasserverbandsgesetzes64 kann ein Verband auch von Amts wegen, d. h. zwangsweise durch die zuständige Landesverwaltung, errichtet werden. Überdies ermächtigen regelmäßig auch die Gemeindeordnungen der Länder bzw. spezielle Landesgesetze zur kommunalen Zusammenarbeit zur Anordnung von Pflichtverbänden. Grundsätzlich sind daher die erforderlichen Rechtsgrundlagen vorhanden, um aufgabenadäquate Organisationszusammenschlüsse und Verantwortungsgemeinschaften zu schaffen. Eine weitere organisatorische Erfolgsbedingung für die Ressourcensicherung liegt überdies in der Abstimmung von Wasserversorgung und Gewässerbewirtschaftung. Die Sicherung der Wasserressourcen liegt weitgehend in den Händen der staatlichen Bewirtschaftung, die über den Schutz und die Entwicklung der Gewässer, über die Ausweisung von Wasserschutzgebieten und nicht zuletzt über die Gestattung von Entnahmen und Einleitungen entscheidet. Entscheidend erscheint insoweit, dass Gewässerbewirtschaftung und Wasserversorgung in enger Abstimmung planvoll entwickelt werden. Institutionell schließt sich daran die Frage an, ob diese Abstimmung nach geltendem Recht hinreichend gewährleistet ist. Mit Blick auf eine ressourcenschonende Wasser-Kreislaufwirtschaft erscheint überdies angezeigt, die Versorgungs- und die Entsorgungsseite organisatorisch so zu verbinden, dass die technischen und organisatorischen Abstimmungen problemlos erfolgen können. Beklagt wird indes, dass die organisatorische Verknüpfung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung oft schon an der unterschiedlichen steuerrechtlichen Einordnung scheitere. Denn die Abwasserentsorgung ist nach geltendem Recht von der Umsatzsteuerpflicht frei, sofern sie in öffentlich-rechtlicher Form geführt wird, während die Wasserversorgung kategorisch als wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden eingeordnet und der Steuerpflicht unterstellt wird. 65
IV. Gesundheitsverträglichkeit 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Gesundheit ist höchstes Gut und Gesundheitsverträglichkeit daher ein zentrales Gebot der nachhaltigen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Auf der Versorgungsseite geht dieses Gebot dahin, Wasser in einer dem Verwendungszweck entsprechenden, gesundheitlich unbedenklichen Qualität zur Verfügung zu stellen. Für die Trinkwasserversorgung bedeutet dies, dass hinreichende Hygiene zu wahren und problematische Schadstoffgehalte zu vermeiden sind. 64 65
Wasserverbandsgesetz vom 12. Februar 1991 (BGBl. I S. 405). Vgl. Laskowski (2010), S. 766, 850 ff.; Kriener (2006), S. 395 ff.
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Trinkwasser soll als „Lebensmittel Nr. 1“ strengen Qualitätskriterien genügen; darüber herrscht Einigkeit. Ob dabei nach Risikogesichtspunkten zu entscheiden ist oder darüber hinaus – wie in Deutschland traditionell der Fall – auch Reinheitsziele gewahrt werden sollen, bleibt eine gesellschaftliche Prioritätenfrage, die mit Blick auch auf Kosten und potenzielle Konflikte mit anderen Nachhaltigkeits-Zielsetzungen zu beantworten ist. Hier stehen vor allem das Ziel der Ressourcenauskömmlichkeit mit den sich dazu anbietenden Kreislaufoptionen und das Erschwinglichkeitssowie das Wirtschaftlichkeitsziel in Rede.66 Ressourcenknappheit nötigt u. U. zu Zugeständnissen bei der Qualität bzw. dazu, auf weniger reine Rohwasserquellen oder auf aufbereitetes Abwasser (Grauwasser, Regenwasser) zurück zu greifen. Im Interesse der Erschwinglichkeit kann u. U. auch auf kostspielige Aufbereitungsschritte verzichtet und eine Ausdifferenzierung der Qualitätsstandards nach Gebrauchszwecken vorgenommen werden. Im Spannungsfeld von Gesundheits- und Ressourcenschonung kommt den Trinkwasser-Qualitätsvorgaben ersichtlich eine institutionelle Schlüsselrolle zu. Auf der Entsorgungsseite ist aus Sicht des Gesundheitsschutzzieles dafür zu sorgen, dass die Abwässer so gesammelt, abgeleitet und behandelt werden, dass – die Siedlungshygiene gewahrt bleibt, – eine stoffliche und humanpathogene Barriere zur Wasserversorgung besteht und – eine ggf. vorgesehene Nutzung der Oberflächengewässer, in die gereinigtes Abwasser eingeleitet wird, als Badegewässer oder Trinkwasserquelle nicht beeinträchtigt wird
Ver- und Entsorgungsseite stehen „gesundheitlich“ insofern im Zusammenhang, als Rohwasser, das für Trinkwasserzwecke genutzt werden soll, nicht durch Abwasser verunreinigt werden darf, und Abwasserteilströme, die für den menschliche Gebrauch wiederverwendet werden sollen, einer entsprechenden hygienischen und stofflichen Aufbereitung bedürfen. Sowohl für die Versorgungs- als auch die Entsorgungsseite können sich durch die Veränderungen des Klimas, der Bevölkerung und des Verbrauchsverhaltens neue Herausforderungen ergeben. Für die Trinkwasserversorgung kann der Klimawandel sowohl durch „zu wenig“ als auch durch „zu viel“ Wasser zu hygienischen Problemen führen. Die Gewinnung gesundheitlich einwandfreien Trinkwassers kann einerseits dadurch erschwert werden, dass durch verstärkte Trockenheit saubere Rohwasserquellen knapper werden und Schadstoffe in geringeren Gewässervolumina stärker aufkonzentriert werden. Zum anderen können zunehmende Starkregenereignisse zu vermehrten Kanalisations-Entlastungsüberläufen führen mit der Folge hygienischer Verunreinigungen in den betroffenen Gewässern, die nicht nur die Nutzung zur Trinkwassergewinnung, sondern ggf. auch als Badegewässer beeinträchti-
66 Dass letztlich auch „höchste Schutzgüter“ stets an ihren gesellschaftlichen Opportunitätskosten unausweichlich gemessen werden müssen, betonen auch Endres / Holm-Müller (1998).
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gen.67 Eine Überlastung der Kanalisation ist allerdings in urbanen Bereichen oftmals auch Folge einer zunehmenden baulichen Verdichtung und Versiegelung ohne Rücksicht auf den steigenden Entwässerungsbedarf. Zu Verbrauchsrückgängen kommt es allgemein durch sparsamere Technologien im Bereich der wasserverbrauchenden Geräte und örtlich durch Bevölkerungsrückgang und veränderte Altersstrukturen. Führen die Verbrauchsrückgänge zur Unterauslastung von Versorgungssystemen und zu längeren Verweilzeiten des Wassers in den Leitungen, so hat dies oftmals hygienische Probleme zur Folge. In Abwassersystemen kann es durch eine Unterauslastung zu verstärkten Faulgasemissionen und infolgedessen zu Geruchsbelästigungen kommen. Als Folge des demographischen Wandels und namentlich der zunehmenden Alterung der Bevölkerung ist zudem mit einem erheblichen Anstieg des Medikamentenkonsums und der Belastung des Abwassers mit Arzneimittelrückständen zu rechnen.68 Da chronische Wirkungen etwa von hormonell wirkenden Substanzen nicht ausgeschlossen werden können, sind vorsorgende Maßnahmen zur Minderung der Arzneimittelbelastung von Gewässern zu erwägen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Ergänzung kommunaler Kläranlagen um eine sog. vierte Reinigungsstufe (Ozonierung oder Aktivkohle) diskutiert, mittels derer Mikroverunreinigungen zu großen Anteilen aus dem Abwasserstrom eliminiert werden können. 69 Daneben ist an Maßnahmen bei der Arzneimittelzulassung, -verwendung und -entsorgung zu denken.70
2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Die Hygienegewähr war historisch einer der zentralen Gründe für die Übernahme der Siedlungswasserwirtschaft durch die öffentliche Hand.71 Auch in der heutigen Diskussion zur institutionellen Neuausrichtung des Sektors wird regelmäßig argumentiert, dass unter wettbewerblichen Bedingungen und bei privatwirtschaftlichem Kalkül Abstriche bei der Hygiene zu erwarten sind.72 67 Vgl. Karthe (2015); Brombach / Fuchs (2003); Gasse (2009); Geyler / Bedtke / Gawel (2015) mit weiteren Nachweisen. Einen Literaturüberblick mit Fallbeispielen von Hygieneproblemen infolge von Starkniederschlägen und großer Hitze bietet Karthe (2015); aufgrund von Messreihen eher entwarnend, siehe Feller / Grobe / Sorge (2014). 68 Vgl. Tränckner / Koegst (2011); Hillenbrand et al. (2010), S. 68 f. 69 Vgl. UBA (2015). 70 Vgl. Kern (2014), S. 260 f. 71 Siehe die dahingehende fundamentale Rechtfertigung des Anschluss- und Benutzungszwangs in der Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. 1. 1992, 7 C 38.90. UPR 1992, 191. 72 Vgl. Brackemann et al. (2000); SRU (2002), Tz. 655 ff.; Laskowski (2011).
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Freilich bedarf es sowohl gegenüber privaten als auch kommunalen Aufgabenträgern ordnungsrechtlicher Hygieneanforderungen, deren Einhaltung durchaus auch gegenüber den kommunalen Ver- und Entsorgungsbetrieben zu kontrollieren ist. Ob Hygienegründe letztlich durchgreifend dagegen sprechen, dezentrale Versorgungslösungen (Trinkwasserbrunnen, Kreislauflösungen wie Brauchwasseraufbereitung aus Grauwasser sowie lokale Urin- und Kompostnutzung bei Trockentoiletten) in privater Initiative zuzulassen, bleibt jedenfalls klärungsbedürftig. 73
b) Ordnungsrecht Die allgemeinen Anforderungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) und die auf dieses Gesetz gestützten mikrobiologischen und chemischen Hygienestandards der Trinkwasserverordnung74 sind das zentrale Instrumentarium zur Sicherung der Gesundheitsverträglichkeit der Wasserversorgung. Gleichermaßen erheblich sind die der Gewässerreinhaltung dienenden Anforderungen an die Abwasserbeseitigung aus § 55 Abs. 1 WHG sowie § 41 Abs. 1 IfSG. Institutionelle Entwicklungsfragen liegen bei der Fortentwicklung der im o. g. Trinkwasserrecht normierten Qualitäts- und Verfahrensstandards im Hinblick auf neue Optionen dezentraler Grauwasseraufbereitung. Diese hygienischen Rahmensetzungen entscheiden namentlich auch darüber, welche ggf. auch neuen technischen Möglichkeiten zur Wasseraufbereitung und entsprechende alternative Rohwasserquellen und Kreislauflösungen in Betracht gezogen werden können. Es bleibt daher zu prüfen, inwieweit eine Ausdifferenzierung von Qualitätsanforderungen in Abhängigkeit von Wassernutzungen im Gegensatz zu hergebrachten Qualitäts- und insbesondere Reinheitsansprüchen möglich und sinnvoll ist.75 Wesentliche Bedeutung für die Sicherung gesundheitlich unbedenklicher Rohwasserressourcen kommt darüber hinaus den wasserrechtlichen Anforderungen zur Reinhaltung und zur mengenmäßigen Erhaltung des Grundwassers gem. §§ 47 und 48 WHG, zum Schutz der Oberflächengewässerqualität gem. §§ 12 und 27 sowie insbesondere zur Ausweisung besonderer Wasserschutzgebiete zu, in denen weitergehende Anforderungen zur Gewässerreinhaltung gelten bzw. festgelegt werden können (s. § 52 WHG). Die Umsetzung dieser Bestimmung unterliegt zu wesentlichen Teilen dem Bewirtschaftungsermessen, das im Rahmen und nach Maßgabe der Flussgebietsbewirtschaftungsplanung gemäß §§ 82 und 83 WHG auszuüben ist.
73 Sierig (2010), S. 56, bezeichnet beispielsweise den Überwachungsaufwand von Eigenversorgungsanlagen als hoch; zu den konkreten Überwachungserfordernissen siehe Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kleinanlagen“ (2003); Bartel / Rickert / Schmoll (2013). 74 Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch vom 21. 5. 2001 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. 8. 2013 (BGBl. I S. 2977). 75 Instruktiv dazu DWA (2011), S. 654.
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c) Planung Die Gewässerbewirtschaftung muss im Hinblick auch auf die gesundheitlichen Erfordernisse der Wasserversorgung mit Planung, Entwicklung und Betrieb der Wasserver- und Abwasserentsorgung hinreichend abgestimmt sein. Auch insoweit ist zu prüfen, ob bestehende Planungs- und Abstimmungsinstitutionen dies ausreichend gewährleisten oder entsprechend ausgerichtet werden können und sollten. Überdies gilt auch für die o. g. hygienischen Herausforderungen, dass sie eine planvolle Anpassung der Ver- und Entsorgungsnetze in Abstimmung auch mit der Siedlungsentwicklung verlangen. Aus dem Gesichtspunkt der Hygiene werden daher bestehende Planungsinstrumente darauf zu untersuchen sein, ob sie eine angemessene kognitive und prognostische Vorbereitung, langfristige Ausrichtung und integrative Abstimmung von Wasserinfrastruktur und Siedlungsentwicklung hinreichend veranlassen. d) Organisation Da die Wasserknappheitsrisiken, die u. U. zu Zugeständnissen bei der Wasserhygiene zwingen können, regional sehr unterschiedlich verteilt sind, muss auch hinterfragt werden, inwieweit landes- oder gar europaweit einheitliche Hygieneanforderungen durchweg problemadäquat erscheinen.
V. Versorgungssicherheit 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Mit dem Ziel der „Versorgungssicherheit“ soll hier der Anspruch bezeichnet werden, die Ver- und Entsorgungssysteme als Bestandteil der sog. „kritischen Infrastrukturen“76 gegen Extremereignisse abzusichern und insgesamt eine störungsfreie Bereitstellung von Wasserdienstleistungen zu gewährleisten. Versorgungssicherheit kann als eine Teilbedingung des allgemeinen Bedarfsdeckungsziels begriffen werden. Mit Blick auf die besonderen Risiken und Herausforderungen der „Verringerung von Verwundbarkeit“ erscheint es jedoch erforderlich, dieses als eigenständiges Nachhaltigkeitsgebot in die Maßstäbe der Nachhaltigkeit einzustellen. In der öffentlichen Debatte wird der Begriff der Versorgungssicherheit zumeist weiter verstanden und ihm auch die dauerhafte Ressourcensicherung zugerechnet.77 Mit Blick auf die spezifischen Risiken und Herausforderungen erscheint es demgegenüber zweckmäßig, zwischen diesen Zielsetzungen zu differenzieren und die Versor-
76 77
Vgl. BMI (2011). Siehe z. B. Scheele (2006).
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gungssicherheit im engeren Sinne – der Aus- und Störfallsicherheit – als eine gesonderte Nachhaltigkeitsbedingung auszuweisen. Die Ursachen einer Gefährdung der Wasserversorgungssicherheit in diesem engeren Sinne können unterschiedlicher Art sein. Hierzu zählen worst-case-Ereignisse wie insbesondere – technische Ausfälle der Versorgungsinfrastruktur aufgrund überalterungsbedingter Defekte, mangelnder Wartung sowie Über- oder Unterauslastung, 78 – extreme Niederschlags- und Hochwasserereignisse, die die Abwassersysteme überlasten und Rohwasserquellen verunreinigen, – extreme Dürreperioden, die zu massiven Versorgungsengpässen führen, und ferner – feindliche Angriffe vom terroristischen Anschlag79 bis hin zum Verteidigungsfall.
Im Falle privatwirtschaftlicher Aufgabenwahrnehmung kann auch das konkursbedingte Ausfallrisiko des privaten Versorgungsunternehmens ein relevantes Versorgungssicherheitsrisiko darstellen. Diese außergewöhnlichen Nachhaltigkeitsrisiken stehen in Zeiten stabiler Entwicklung eher im Hintergrund. Bei der Entwicklung von „kritischen“ Infrastrukturen spielen die Sicherheitsrisiken aber gleichwohl – nicht zuletzt aufgrund der historischen Weltkriegserfahrungen – eine beträchtliche politische Rolle. Nationale Versorgungssicherheit ist nach wie vor, auch in der Energie- und Landwirtschaft, ein zentraler Beweggrund staatlicher Infrastrukturpolitik.80 Herausforderungen liegen insofern darin, die Ver- und Entsorgungssysteme möglichst wenig verletzlich zu gestalten und für elementare Versorgungszwecke auch Notsysteme zu unterhalten. In technischer Hinsicht sollen wichtige Versorgungsanlagen so beschaffen sein, dass sie Extremereignissen und auch gezielten Angriffen standhalten und leicht wiederhergestellt werden können. Organisatorisch soll eine dauerhafte Funktionsfähigkeit der verantwortlichen Unternehmen und Administrationen und ein effektives Krisenmanagement gewährleistet werden. Welche Sicherheitsmargen gegenüber den technischen und organisatorischen Ausfallrisiken einzuhalten und inwieweit redundante Infrastrukturen aufzubauen sind, ist vor allem eine Gewichtungs- und Kostenfrage. In der Gewichtung gilt parallel zu den Prioritäten der allgemeinen Bedarfsdeckung, dass in erster Linie die Vgl. BMI (2011). Zur Vulnerabilität von Wasserinfrastruktursystemen in Bezug auf Terrorismus siehe Gleick (2006). 80 Hierzu insbesondere die Publikationen zum Schutz kritischer Versorgungsinfrastrukturen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, online unter http://www. bbk.bund.de / DE / AufgabenundAusstattung / KritischeInfrastrukturen / Publikationen / publikationen_node.html, abgerufen am 26. 6. 2015. 78 79
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elementare Trinkwasserversorgung abzusichern ist.81 Ihr Ausfall würde den größten Schaden verursachen und ihrer Sicherung muss daher der größte Sicherungsaufwand gelten. Ökonomisch gilt – auch im Übrigen – die Ratio, dass Vermeidungsaufwand bis zu der Höhe des Produkts aus Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit (als erwarteten Schadenskosten) zu betreiben ist. Für die meisten der hier relevanten Sicherheitsrisiken können Eintrittswahrscheinlichkeiten aber kaum quantifiziert werden. Auch insofern stellen die hohen Unsicherheiten eine spezielle Herausforderung dar. Welche technischen Lösungen aus dem Gesichtspunkt der Sicherheitsgewährleistung zu wählen sind, ist ohne Ansehung der konkreten Umstände kaum zu bestimmen. Insbesondere folgt aus dem Sicherheitsaspekt keine kategorische Präferenz für zentrale oder dezentrale Systeme oder für Nah- oder Fernversorgung.82 Wichtig dürfte für jede Systemwahl sein, dass Verwundbarkeiten gründlich analysiert und mögliche Sicherheits- und Notfallmaßnahmen geprüft und ggf. getroffen werden. Kostenaufwändige Sicherungsmaßnahmen und Vorhaltesysteme werden regelmäßig im Gebot der Erschwinglichkeit und Wirtschaftlichkeit ihre Grenzen finden.
2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung In der Frage nach dem Staat-Markt-Verhältnis ist die öffentliche Aufgabenträgerschaft verbreitet als Voraussetzung für eine zuverlässige und sichere Organisation der Siedlungswasserwirtschaft gewürdigt worden. Ein wesentliches dafür angeführtes Argument ist, das bei den öffentlichen Aufgabenträgern keine wirtschaftlichen Ausfall- bzw. Konkursrisiken bestünden. Ein weiteres Sicherheitsrisiko privater Aufgabenträgerschaft wird mitunter darin gesehen, dass die Gewinnorientierung dazu verleite, auf kostspielige Sicherheitsmaßnahmen, wie redundante Systeme und Sicherheitspuffer, zu verzichten.83 Allerdings kann auch in Bezug auf die öffentlichen Auftraggeber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese keiner Profitorientierung84 unterliegt und stets von sich aus eine „ausreichende“ Sicherheit der Ver- und Entsorgungssysteme gewährleisten. Zwar besteht für die öffentliche Hand kein dem privaten Unternehmen vergleichbares Konkursrisiko, gleichwohl kann auch hier – wie die Praxis eindrucksvoll belegt – Misswirtschaft die 81 Hierzu wird in Deutschland ein Notwassersystem unterhalten, bestehend aus Notbrunnen die normalerweise nicht genutzt werden – vgl. Langenbach / Fischer (2012). 82 So kann sich eine Fernversorgung in Hochwassergefährdeten Gebieten als erheblicher sicherer erweisen als eine ortsnahe Versorgung, die vom Hochwasser u. U. gestört wird, siehe Queste (2009). 83 Vgl. BMI (2011), S. 9. 84 Im Sinne einer Absicht zur Generierung von Auszahlungsmöglichkeiten an kommunale Kassen oder Kapitalgeber.
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Kassen leeren und dazu führen, dass Sicherheits- und Erhaltungsinvestitionen geradezu systematisch unterbleiben.85
b) Ordnungsrecht Aus den soeben genannten Gründen gilt in den Sicherheitsfragen das Gleiche wie für die Ressourcenauskömmlichkeit, die Hygiene und die Umweltverträglichkeit: Auch bei öffentlicher Aufgabenträgerschaft ist nicht ohne verbindliche Mindestanforderungen auszukommen, deren Einhaltung auch gegenüber den kommunalen Aufgabenträgern überwacht werden muss. Das geltende Wasserrecht enthält indes keine spezifischen Anforderungen zur Aus- und Störfallvorsorge. Anders als insb. zum Gesundheits- und Umweltschutz sind hierzu auch keine verordnungsrechtlichen Standards festgelegt worden. Vielmehr gilt nach dem einschlägigen § 50 WHG und ergänzenden länderrechtliche Bestimmungen im Wesentlichen nur, dass die Betreiber von Wassergewinnungs-, Leitungs- und Aufbereitungsanlagen die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ bzw. den „Stand der Technik“ zu beachten haben. Nach hergebrachtem Rechtsverständnis wird damit insbesondere auf die branchenweit anerkannten technischen Regelwerke insb. von DWA, DVGW, BWK und DIN verwiesen. Von diesen, durch private Branchen- bzw. Normungsverbände entwickelten Regelwerken hängt mithin maßgeblich auch die technische Robustheit der Wasserinfrastrukturen ab. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Frage des technischen Sicherheitsniveaus stets auch eine politische Kosten- und Verhältnismäßigkeitsfrage darstellt, ist die offene Verweisung auf private Normung durchaus kritisch zu sehen.86 Zwar steht es den verantwortlichen Kommunen und ihren Versorgungsunternehmen frei, ein höheres als das durch diese Normung vorgegebene Sicherheitsniveau zu implementieren. Eine Unterschreitung ist jedoch unzulässig, und auch Mindeststandards bedürfen mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer politischen Entscheidung und Legitimation. Die Legitimationsproblematik der (umfangreichen) technischen Normung betrifft indes nicht allein den Sicherheitsaspekt, sondern auch alle sonstigen, technisch zu verfolgenden Nachhaltigkeitsziele, soweit sie Gegenstand privater Normung sind. Für die Ziele des Gesundheits- und Umweltschutzes ist allerdings das Schutzniveau – wie berichtet – sehr viel spezifischer durch gesetzliche und verordnungsrechtliche Standards bestimmt worden [s. zu den Umweltstandards unten VI.2.b)].
85 So werden öffentliche Unternehmen der Daseinsvorsorge nicht selten instrumentalisiert, um Erträge für den Kommunalhaushalt oder zur Finanzierung defizitärer Leistungsbereiche zu generieren – vgl. Zimmermann / Henke / Broer (2012), S. 112 f.; Haug (2003); siehe dazu auch unten X.1. 86 Allerdings gibt es auch Beispiele dafür, dass durch regelsetzende Verbände auch Innovationen vorangetrieben werden, wie die Erarbeitung von Regeln zu Neuartigen Sanitäranlagen beweist [vgl. DWA (2008b); dies. (2014)].
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Eine für die Versorgungssicherheit relevante ordnungsrechtliche Festlegung ist schließlich das Gebot der ortsnahen Versorgung gem. § 50 Abs. 2 WHG. Danach ist die Wasserversorgung prioritär aus ortsnahen Quellen zu bestreiten. Eine örtliche Versorgungsautarkie hat aus dem Blickwinkel der Versorgungssicherheit den Vorteil, dass keine Abhängigkeiten von entfernteren Versorgungsquellen bestehen, die nicht dem hoheitlichen Einfluss der zu versorgenden Gemeinde / Region unterstehen. Allerdings kann eine Fernversorgungsmöglichkeit auch positive, die Sicherheit erhöhende Effekte haben für den Fall, dass die ortsnahen Quellen versagen. Ein solcher Fall kann z. B. in hochwassergefährdeten Gebieten dadurch eintreten, dass Trinkwasserquellen überflutungsbedingt unbrauchbar werden.87 Für hochwassergefährdete Gebiete oder Gebiete, deren ortsnahe Versorgung aus anderen Gründen anfällig erscheint, ist daher eine (ergänzende) Fernwasserbezugsmöglichkeit u. U. gebotene Sicherheitsmaßnahme. Ordnungsrechtliche Vorgaben dazu bestehen allerdings nicht. c) Anreize Kosten der Ausfall- und Schadensvorsorge müssen grundsätzlich über die Verund Entsorgungsentgelte refinanziert werden. Insofern ist zu prüfen, inwieweit Sicherheitskosten gemäß den Bestimmungen zur Entgelt- / Gebührenbemessung hinreichend veranschlagt werden (können). Soweit die üblichen Maßstäbe des öffentlichen Gebührenrechts gelten, wird es darauf ankommen, dass Sicherheitsinvestitionen als „erforderliche“ Aufwendung im Zusammenhang mit der zu entgeltenden Ver- bzw. Entsorgungsleistung zu bewerten sind. Für all jene Maßnahmen, die gemäß geltenden Sicherheitsstandards und anerkannten Technikleitfäden einzuhalten sind, dürfte dies unproblematisch sein. Sofern solche Normungen fehlen bzw. es jenseits genereller Normung um ortsspezifische Sicherheitsmaßnahmen geht, können hochgradig unsichere Schadensszenarien allerdings auch Grenzbereiche der Erforderlichkeit von Sicherheitsaufwendungen führen. Wiederum sind es dann vorwiegend die Ziele der Wirtschaftlichkeit und Erschwinglichkeit, die einem hohen Sicherheitsanspruch Grenzen setzen. d) Planung Auch unter Sicherheitsaspekten erscheint eine planerische Entwicklung der Verund Entsorgungsstrukturen erforderlich. Dies gilt z. B. für die Frage, wo Leitungen im städtebaulichen Kontext sicher und reparabel verlegt, Brunnen und Kläranlagen verortet und ggf. Ersatzstrukturen vorgehalten werden. Zu prüfen ist daher, ob diesen Planungserfordernissen auch institutionell hinreichend Rechnung getragen wird und ob der institutionelle Rahmen nicht fachplanungsrechtlich ertüchtigt werden sollte. 87
Vgl. Köster (2008).
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e) Organisation Organisatorisch stellt sich wiederum die Frage, ob die Zuständigkeiten für die Bestimmung und die Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll verteilt sind, ob die sachlich gebotene Abstimmung zwischen den Verantwortungsträgern gesichert und eine wirksame Überwachung gewährleistet sind. Ferner muss interessieren, ob auch adäquate Zuständigkeiten und Kapazitäten für das Management von Ernstfällen bereit stehen. Auf die zentrale Rolle der privaten Normungsverbände in den Fragen der technischen Sicherheit und die – fragwürdige – weitgehende Enthaltung der politisch legitimierten Regelungsinstanzen ist oben unter b) bereits eingegangen worden. Klar ist auch, dass die globale Normung ein auf die spezifischen Verhältnisse vor Ort angepasstes Sicherheitskonzept nicht erübrigen kann und dass dafür hinreichende Planungen und Abstimmungen insb. mit der Stadtplanung erfolgen müssen. Insoweit ist wiederum auf die Bedeutung planungsrechtlicher Anforderungen zu verweisen, die aber für die örtliche Wasserversorgung weithin fehlen. Im Übrigen erfordern die genannten organisatorischen Fragen eine Analyse der durchaus verschiedenen Organisationslösungen in den Gemeinden und Bundesländern, die gesonderten Studien vorbehalten bleiben muss.
VI. Umweltverträglichkeit 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Eine nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft muss dauerhaft umweltverträglich sein. Nach den Managementregeln der Nachhaltigkeit bedeutet dies, dass entstehende Umweltbelastungen aus Wassergewinnung, -aufbereitung und -transport sowie insbesondere aus der Abwasserentsorgung minimiert werden müssen und die Tragfähigkeitsgrenzen der Umweltmedien und Ökosysteme nicht überschreiten dürfen.88 Aus Sicht der Siedlungswasserwirtschaft werden damit in erster Linie der Gewässerschutz sowie der Schutz des Wasserhaushalts (Grundwasserneubildung) angesprochen. Beachtung verdient aber auch der Klimaschutz, und zwar mit Blick auf die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen89 aus der Abwasserbehandlung und Klärschlammentsorgung sowie der Bodenschutz im Rahmen der Klärschlammverwertung. Die Zielsetzung der Energieeffizienz90 ist für den Klimaschutz ebenfalls wesentlich, aber auch darüber hinaus. Sie verdient deshalb die Hervorhebung auch als Aspekt des Nachhaltigkeitsgebots der Ressourceneffizienz (siehe Abschnitt VII. zur Ressourceneffizienz).
88 Zu den Managementregeln als Grundlage der ökologischen Nachhaltigkeit siehe z. B. den SRU (2002); Enquete-Kommission (1994), S. 29 ff. 89 Vgl. Pinnekamp / Genzowsky (2012). 90 Siehe dazu Beckereit (2012).
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Was die Belastungen aus Abwässern betrifft, so kommt es darauf an, diese so gering zu halten, dass eine gute chemische, biologische und ökologische Qualität der Gewässer erreicht wird. Dies ist bisher nicht flächendeckend der Fall. Insbesondere werden an etlichen Gewässerabschnitten weiterhin zu hohe Nährstoffbelastungen gemessen, die überwiegend aus der landwirtschaftlichen Düngung, aber auch aus Abwassereinleitungen stammen.91 Je nach Gewässerzustand und verbleibender „Aufnahmekapazität“ ist daher eine weitere Verbesserung der Abwasserreinigung anzustreben (u. U. durch eine vierte Reinigungsstufe).92 Beträchtliche Gewässerverunreinigungen gelangen mitunter durch die Niederschlagswasserableitung in die Gewässer.93 Das Problem der Kanalisationsentlastungen / Überläufe wird sich aufgrund des Klimawandels voraussichtlich verschärfen und die Siedlungswasserwirtschaft ist daher herausgefordert, Lösungen zu entwickeln, die schädliche Überflutungen und umweltschädliche Überläufe gleichermaßen vermeiden. Dies erfordert in der Regel den koordinierten Einsatz verschiedener zentraler und dezentraler Technologien sowie städtebauliche Maßnahmen zur Schaffung vermehrter Retentionsräume und Versickerungsflächen sowie verbesserter Flächenabflussregime. Zu den vielfältigen Zusammenhängen des Umweltzieles mit den anderen Zielen der nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft sei aus genereller Sicht nur Folgendes angemerkt: Mit dem Gebot der Ressourcensicherung läuft das Ziel der Umweltverträglichkeit insofern parallel, als beide Zielsetzungen den Erhalt belastungsfreier Rohwasserressourcen einfordern. Im Übrigen können die konkreten Erfordernisse von Ressourcensicherheit und Umweltschutz auch stark voneinander abweichen, weil das Ziel der Ressourcensicherheit wesentlich die Nutzbarkeit für den Menschen im Blick hat, während das Umweltverträglichkeitsziel darüber hinaus den Schutz der Ökosysteme als solche bezweckt und Letzterer oftmals andere und weitergehende Schutzmaßnahmen verlangt. Erhebliche Konflikte zwischen Ressourcensicherung und Umweltschutz können sich ergeben, wenn zur Sicherung von Wasserressourcen durch Stauwerke und Speicher massiv in Gewässerhaushalt und -morphologie sowie Natur und Landschaft eingegriffen wird. Die umweltverträgliche Gestaltung und Bewirtschaftung von Talsperren, Speichern und Leitungen ist mit Herausforderungen an Standortwahl, Ausführung und Betrieb verbunden. Der Betrieb nimmt v. a. über die Abflussregulierung erheblichen Einfluss auf die Gewässerzustände. Klar ist, dass hierfür kohärente, mit dem sonstigen Nutzungs- und Schutzprofil abgestimmte Lösungen anzustreben sind. Kaum erwähnungsbedürftig ist, dass das Umweltziel regelmäßig mit den ökonomischen Postulaten der Wirtschaftlichkeit und Erschwinglichkeit konkurriert, denn Siehe den Überblick über die Belastungssituation in UBA (2013), S. 73 ff. Vgl. UBA (2015). 93 Vgl. Brombach / Fuchs (2003); Sieker / Sieker (2003); Gasse (2009); Geyler / Bedtke / Gawel (2015) mit weiteren Nachweisen. 91 92
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in aller Regel gilt unabhängig vom Technologiepfad und vor allem für die Abwasserwirtschaft, dass Maßnahmen des Umweltschutzes auch mit zusätzlichen Kosten einhergehen. Umso wichtiger erscheint es, die umweltschädigenden Effekte der Siedlungswasserwirtschaft gleichsam klar als Kosten und den ökologischen Nutzen von Umweltschutzmaßnahmen auch ökonomisch als Ertrag in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu internalisieren und zu diesem Zweck auch auf fortschrittliche Methoden der Bemessung von Umweltkosten und -nutzen zurückzugreifen wie insbesondere das Konzept der Ökosystemdienstleistungen.94
2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Die staatliche Alleinzuständigkeit insb. für die Abwasserentsorgung ist wiederholt auch mit dem Argument begründet worden, dass im Wettbewerb agierende, gewinnorientierte Unternehmen strukturell dazu angetrieben seien, Kosten des Umweltschutzes zu vermeiden bzw. Umweltkosten zu externalisieren. Demgegenüber seien öffentliche Monopolisten weder einem solchen Wettbewerbsdruck ausgesetzt noch auf Gewinn ausgerichtet, sondern vielmehr ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet.95 Freilich zeigt der Blick in die Praxis, dass auch im öffentlichen Bereich Anreize bestehen, Kosten des Umweltschutzes einzusparen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen. Insofern gilt für die Umweltverträglichkeit nichts anderes als für die Ressourcensicherung, Gesundheitsverträglichkeit und Versorgungssicherheit: Sie muss durch einen adäquaten Ordnungsrahmen auch gegenüber öffentlichen Aufgabenträgern abgesichert werden. Durch einen solchen Ordnungsrahmen kann die Umweltverträglichkeit grundsätzlich auch gegenüber privaten Leistungserbringern gewährleistet werden, u. U. aber nur mit einem erheblich gesteigerten Überwachungsaufwand – zumal wenn in liberalisierten Märkten an der Stelle eines einzigen öffentlichen Monopolisten ggf. eine Vielzahl von privaten Unternehmen zu überwachen wäre.
b) Ordnungsrecht Wie für Ressourcensicherung, Gesundheitsverträglichkeit und Sicherheit gilt also auch für die Umweltverträglichkeit, dass nicht ohne verbindliche Mindestanforderungen auszukommen ist. Der geltende Rechtsrahmen geht zunächst von dem in § 55 Abs. 1 WHG normierten Grundsatz aus, dass „Abwasser so zu beseitigen ist, 94 Zum Stand der ökonomischen Analyse von Ökosystemleistungen siehe die internationale Forschungsinitiative „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB) und deren Publikationen auf www.teebweb.org, abgerufen am 26. 6. 2015. 95 Vgl. SRU (2002), Tz. 673; Reese / Koch (2010), S. 1395.
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dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird“, wobei „dem Wohl der Allgemeinheit auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprechen (kann)“. Das Wohl der Allgemeinheit umfasst nach gefestigtem Verständnis auch die Umweltverträglichkeit, für die indes das Wasserrecht konkretere Maßgaben normiert. Namentlich setzt das geltende Recht mit seinem sog. „dualen“ Ansatz sowohl emissionsseitig als auch immissionsseitig Grenzwerte und Umweltstandards, die auch die Siedlungswasserwirtschaft einzuhalten hat. Überdies verlangt § 60 Abs. 1 Satz 2 WHG, dass Abwasseranlagen nach dem Stand der Technik bzw. den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet und betrieben werden, die – wie bereits dargelegt – vornehmlich durch private Normungsorganisationen definiert werden. Emissionsseitig gilt gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG die Pflicht, „Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering zu halten, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist“. Welche Emissionsbegrenzungen der Stand der Technik ermöglicht, wird in erster Linie in der Abwasserverordnung durch branchenspezifische Schadstofffrachtgrenzwerte geregelt. Dies gilt namentlich auch für die Behandlung kommunaler Abwässer, wobei die zu erbringende Reinigungsleistung nach Größenklassen differenziert wird. Zumindest für die großen Anlagen ist fraglich, ob die geltende Abwasserverordnung noch dem Stand der Technik entspricht oder ob dieser nicht mit Blick auf vielfältige Mikroverunreinigungen und insb. die Arzneimittelbelastung der kommunalen Abwässer um die Verfahren einer sog. vierten Reinigungsstufe (Ozonierung, Aktivkohle) ergänzt werden müsste.96 Für die Planung, Auslegung und Betrieb von Abwasseranlagen werden der „Stand der Technik“ bzw. die „allgemeinen Regeln der Technik“ durch technische Normung unterschiedlicher privater Normungseinrichtungen bestimmt. Diese außerrechtlichen Standards sind zwar nicht unmittelbar rechtsverbindlich, sie werden aber regelmäßig zur Auslegung der unbestimmten Anforderung des „Standes der Technik“ und der „Regeln der Technik“ herangezogen. Besondere Relevanz für den Gewässerumweltschutz kommt diesem privaten Regelwerk im Bereich der Regenwasserspeicherung und versickerung, der Kanal- und Speicherauslegung sowie der ökologisch bedeutsamen Kanalisationsentlastungen zu, weil hierfür keine spezifischen gesetzlichen bzw. verordnungsrechtlichen Anforderungen existieren.97 Die einschlägigen Regelwerke und Merkblätter werden gegenwärtig fortentwickelt mit dem Ziel, sie stärker auf die Ziele des Gewässerschutzes und das Erfordernis der integralen Siedlungsentwässerung einzustellen, das durch das DWA-Arbeitsblatt 100 (Leitlinien der integralen Siedlungsentwässerung) aus dem Jahr 2006 98 und den DWA-Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser aus 200799 zur Aus96 97 98 99
Siehe statt vieler UBA (2015); Gawel et al. (2011). Siehe dazu Schmitt (2012). Vgl. DWA (2006). Vgl. DWA (2007).
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richtungsmaxime erhoben worden ist.100 Auf den ersten Blick kommt das Konzept der integralen Siedlungsentwässerung dem Nachhaltigkeitspostulat und insbesondere dem Teilziel der Umweltverträglichkeit entgegen. Unabhängig von diesen Regeln der Technik ist die Einleitung von Niederschlagswasser rechtlich davon abhängig, dass auch die immissionsseitigen Anforderungen an den Gewässerzustand eingehalten werden. Immissionsseitig setzten das Zustandsverschlechterungsverbot und die Gewässerqualitätsziele aus der Wasserrahmenrichtlinie, die durch das WHG (§§ 27 ff.) in nationales Recht übernommen worden sind, vergleichsweise anspruchsvolle Maßstäbe. Über das Verschlechterungsverbot hinaus ist es danach geboten, im Rahmen der Gewässerbewirtschaftung die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um einen guten chemischen und ökologischen Gewässerzustand zu erreichen. Der gute chemische Zustand ist in Bezug auf eine Reihe von Stoffen durch europäische Konzentrationswerte (RL 2008 / 105 / EG und RL 2013 / 39 / EU) definiert, die national durch die Oberflächengewässerverordnung101 (OGewV) umgesetzt und noch ergänzt werden. Überschreitungen dieser Konzentrationswerte – insbesondere der ab 2018 einzuhaltenden Verschärfungen gemäß der RL 2013 / 39 / EU – werden v. a. im Bereich der sog. ubiquitären Schadstoffe gemessen wie namentlich für Quecksilber, Tributylzinn, HCB, Cadmium, bromierte Diphenylether und PAKs.102 Einige dieser Schadstoffe werden zu relevanten Anteilen aus kommunalen Kläranlagen emittiert.103 Erhebliche Einträge von Fassaden- und Verkehrsflächen können zudem mit Niederschlags-Entlastungsüberläufen verbunden sein. Mindestens insoweit kann bereits nach geltendem Recht Handlungsbedarf bestehen, und zwar sowohl faktisch im Entwässerungs- und Behandlungssystem als auch normativ im Bereich der o. g. untergesetzlichen Regelwerke. Überdies sind für den Großteil derjenigen Mikroschadstoffe, die wesentlich durch den kommunalen Abwasserstrom eingeleitet werden, noch keine verbindlichen Konzentrationsgrenzwerte erlassen worden. Das gilt v. a. für die Arzneimittel, die erst in jüngerer Vergangenheit als relevanter Faktor der umweltverträglichen Abwasserentsorgung wahrgenommen werden.104 Mit der RL 2013 / 39 / EU sind erstmals Arzneimittel auf die neue sog. Beobachtungsliste gesetzt worden,105 und es zeichnet sich ab, dass wenigstens langfristig auch für den Arzneimittelbereich rechtliche Emissions- und Qualitätsstandards festgelegt werden, die die AbwasserwirtVgl. Schmitt (2012), S. 7 ff. Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer vom 20. 7. 2011, BGB. I, S. 1429. 102 Siehe z. B. die instruktive Darstellung der Zustandsbewertung bei Steinhäuser (2014). 103 Vgl. UBA (2015), S. 6: PAK wird zu 40 % und DEHP zu 50 % aus kommunalen Kläranlagen emittiert; der Anteil der kommunalen Kläranlagen an den Einträgen von Quecksilber, Cadmium, ferner Blei, Nickel, Isoproturon liegt zwischen 10 und 20 %. 104 Siehe Kern (2014). 105 Hierzu gehören u. a. Diclofenac, 17-beta-Östradiol (E2) und 17-alpha-Ethinylöstradiol (EE2). 100 101
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schaft in ihren langfristigen Ausrichtungsentscheidungen ggf. bereits heute berücksichtigen sollte.106 Hinsichtlich der ökologischen Gewässerqualität sind grundsätzlich Einleitungen zu vermeiden, die der Erreichung eines guten ökologischen Gewässerzustands bzw. guten ökologischen Potenzials nach Maßgabe des Anhang V zur WRRL entgegenwirken. Für den Bereich der stofflichen Einwirkungen wird diese gesetzliche Zielvorgabe durch die sog. flussgebietsspezifischen Stoffe und Konzentrationswerte konkretisiert, die als notwendige chemische Voraussetzung und verbindlicher Indikator für einen guten ökologischen Zustand – teils in der WRRL und teils zusätzlich national – festgelegt worden sind.107 Auch für diese Stoffe und Grenzwerte dürfte gelten, dass die Siedlungswasserwirtschaft sie zu relevanten Anteilen durch Kläranlagenabläufe emittiert und dass zudem zeitweilige, erheblich höhere Einträge aus den Entlastungsüberläufen resultieren können.108 Letzteren dürfte daher auch mit Blick auf die ökologischen Zustandsziele eine prioritäre Bedeutung zukommen, wenngleich über die dauerhaften Auswirkungen auf die jeweilige Gewässerökologie regelmäßig große Wissenslücken bestehen. Für die o. g. Gewässerzustandsziele gilt insgesamt, dass sie im Rahmen der durch die WRRL europaweit vorgegebenen 6-jährlichen Bewirtschaftungszyklen durch kosteneffiziente Maßnahmenprogramme anzustreben sind, die in erster Linie diejenigen Quellen adressieren, an denen die geforderten Belastungsreduktionen mit dem geringsten Kostenaufwand zu erreichen sind (vgl. Art. 11 WRRL). Sofern die Siedlungswasserwirtschaft nur für einen (geringeren) Beitrag zu einer kumulativen, durch mehrere Quellen verursachten Belastung verantwortlich ist, folgt daher aus den Zustandszielen eine Handlungspflicht für sie erst dann und nur insoweit, wie sie im Rahmen der Flussgebietsbewirtschaftung durch das einschlägige Maßnahmenprogramm zur kosteneffizienten Zielerreichung herangezogen wird.109 Ungeachtet der Zustandszielvorgaben kann das Verschlechterungsverbot u. U. eine erhebliche Beschränkungswirkung auch gegenüber zusätzlichen Entnahmen und Einleitungen aus dem siedlungswasserwirtschaftlichen Bereich entfalten. Dies hängt indes ganz wesentlich von der – umstrittenen – Auslegung des Verschlechterungstatbestands der WRRL ab, zu der der Europäischen Gerichtshof jüngst geurteilt hat, dass ein strenge Auslegung geboten sei, die sich auch auf konkrete Projektvorhaben (konkret: die Weservertiefung) auswirke.110 Im ordnungsrechtlichen Bereich spielt schließlich die Überwachung eine wesentliche Rolle für die Sicherung einer umweltverträglichen Siedlungswasserwirtschaft. Siehe UBA (2015). Insgesamt 162 Stoffe und Grenzwerte in Anlage 5 zur Oberflächengewässerverordnung. 108 Vgl. z. B. Hillenbrand et al. (2007); Gasse (2009); Brombach / Fuchs (2003). 109 Siehe Durner (2014). 110 Vorabentscheidungsersuchen des BVerwG im Verfahren zur Weservertiefung, Beschl. v. 11. 7. 2013 – 7 A 20.11, dazu EuGH v. 1. 7. 2015 – C-461 / 13. 106 107
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Nicht nur gegenüber größeren Kläranlagen, sondern insbesondere auch im Bereich der Kanalisation, Hausanschlüsse, Kleinkläranlagen und sonstigen dezentralen Abwasseranlagen kommt es entscheidend darauf an, dass der umweltverträgliche Betrieb und die Funktionsfähigkeit (Dichtheit etc.) dauerhaft überprüft und gewährleistet werden. Kritische Praxisberichte legen insoweit eine Überprüfung auch des rechtlichen Rahmens der Überwachung nahe, der durch ein komplexes Gemenge aus bundes- und landesrechtlichen Vorgaben sowie Verwaltungsbinnenrecht (Erlasse) und privater Normung gekennzeichnet ist.111
c) Anreize Preisbasierte Anreize werden verbreitet als aussichtsreicher Ansatzpunkt für eine umweltverträglichere Ausrichtung der Siedlungswasserwirtschaft angesehen. Die Abwasserabgabe, wie sie in Deutschland gemäß dem Abwasserabgabengesetz 112 zu entrichten ist, ist dafür anschauliches Beispiel. Die Abwasserabgabe kann als demeritorische „Restverschmutzungsabgabe“ dazu dienen, die Ausschöpfung von Belastungskapazitäten unterhalb geltender Belastungsgrenzwerte zu vermindern. 113 Weitergehend verpflichtet Art. 9 WRRL die EU-Mitgliedstaaten ganz allgemein zu einer kostendeckenden Bepreisung von Wasserdienstleistungen „einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten“. Der Umsetzungsprozess zu Art. 9 WRRL hat bereits eine Vielzahl von Implementationsansätzen hervorgebracht, deren Beiträge zur umweltverträglichen Gestaltung von Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung noch vertieft zu prüfen sind.114
d) Planung Der bereits dargelegte allgemeine Planungsbedarf, der für die komplexe Infrastrukturentwicklung der Siedlungswasserwirtschaft zu konstatieren ist, betrifft in verschiedenen Zusammenhängen auch die Erfordernisse ihrer umweltverträglichen Ausgestaltung. Eine besondere planerische Verantwortung für die Umweltverträglichkeit der Wasserver- und Abwasserentsorgung liegt auch bei der Flussgebietsbewirtschaftung als Planungsinstrument des integrierten Gewässerschutzes.115 Dieser 111 Vgl. z. B. die Abwasserverordnung sowie Kleinkläranlagenverordnungen der Länder (z. B. Sachsen: VO v. 19. 6. 2007, SächsGVBl. S. 281; Thüringen: VO v. 26. 3. 2010) und dort u. a. Verweis auf DIN 4261 – 2 / 4, DWA-A 262 (PKA), DWA-A 201 (Abwasser-Teiche), ferner DIBt-Zulassungsgrundsätze für allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen für Kleinkläranlagen. Instruktiver Überblick bei DWA online unter http://www.dwa-st.de/tl_files/_media/con tent/PDFs/LV_ST/serv/rueck/ws_kka/2013_1_dorschner.pdf, abgerufen am 26. 6. 2015. 112 Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer, BGBl. 2005, I., S. 114. 113 Dazu eingehend Gawel et al. (2011), S. 69 ff. 114 Siehe dazu jüngst Gawel (2015a) mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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Planungsrahmen ist möglichst so zu gestalten, dass darin umweltrelevante Maßnahmen zur Wassergewinnung und zur Abwasserentsorgung integrativ berücksichtigt und nachteilige Auswirkungen auf das Nötigste reduziert werden, und dass zudem Eingriffe möglichst kompensiert werden.116 Dies wiederum setzt eine aussagekräftige, auch auf die Erfordernisse der Gewässerbewirtschaftung eingehende Planung zur Wasserinfrastruktur voraus, mit der die spezifischen Entwicklungserfordernisse, -konzepte und -optionen zur Siedlungswasserwirtschaft artikuliert und abgestimmt werden können.117 Wiederum legt dies die Ertüchtigung des fachplanungsrechtlichen Rahmens der Siedlungswasserwirtschaft nahe.
e) Organisation Jenseits der ausgekoppelten Frage nach öffentlicher oder privater Aufgabenwahrnehmung liegen die organisatorischen Probleme der umweltverträglichen Wasserinfrastrukturentwicklung vor allem darin, die in der Sache geforderte enge Koordinierung zwischen staatlichem Gewässermanagement und kommunaler Siedlungswasserwirtschaft zu gewährleisten. Die oben angesprochene planerische Unterlegung und Vernetzung beider Zuständigkeitsbereiche könnte dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Tendenziell dürfte es die Abstimmung erschweren, wenn sich das Flussgebietsmanagement einer kleinteiligen und disparaten Vielfalt von Aufgabenträgern (kommunale und private Wasserunternehmen) gegenübersieht. Auch insoweit können u. U. überregionale organisatorische Zusammenschlüsse der kommunalen Aufgabenträger z. B. in Wasserverbänden zweckmäßig sein, um ökologische Bewirtschaftungsbeiträge aus dem Infrastrukturbereich zu konzertieren und um Größenvorteile und Synergien zu nutzen. Die Gewässerschutzpraxis prominenter Wasserverbände, wie z. B. des Wupper-, Emscher- oder Ruhrverbands gibt hierfür Beispiele.118
VII. Ressourceneffizienz 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Der effiziente und vorausschauende, schonende Umgang mit Ressourcen ist eine weitere grundlegende Voraussetzung der Nachhaltigkeit. Insbesondere betrifft dies natürliche Ressourcen, d. h. „durch den Menschen weitgehend unveredelte lebende Vgl. z. B. Köck (2015), S. 4; Durner (2014). Siehe dazu Wickel (2015). 117 Ebenda. 118 Siehe z. B. die Berichte unter: http://www.wupperverband.de/internet/web.nsf/id/pa_de_ abwasserreinigung.html, abgerufen am 26. 6. 2015; http://www.ruhrverband.de/abwasser/ abgerufen am 26. 6. 2015. 115 116
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wie tote Materie oder nutzbare Energie“119, insbesondere solche, die erschöpflich120 und nur schwer zu substituieren121 sind. Aber auch erneuerbare Ressourcen rücken hierbei ins Blickfeld, soweit sie übernutzt oder ihr Regenerationsvermögen irreversibel beeinträchtigt werden. Insofern geht es beim Ziel der Ressourceneffizienz darum, einen Beitrag zum Erhalt gesellschaftlicher Produktionsmöglichkeiten zu leisten. Dies ist aber weiterhin auch aus Gründen des Umweltschutzes geboten, weil die Gewinnung, Verwendung und Entsorgung von Ressourcen mit erheblichen Umweltbelastungen einhergehen.122 Die „Ressourceneffizienz“ ist mit „Ressourcensicherung“ nur indirekt verbunden:123 Begreift man Ressourcensicherung als absolute Begrenzung (oder Minderung) menschlicher Ressourcenzugriffe, so kann dies durch ökonomisch effizienten Ressourcenumgang allein nicht sichergestellt werden: Eine bestmögliche Nutzung von Inputs impliziert noch nicht zugleich deren zurückhaltenden Einsatz im Sinne absoluter Mäßigung. Dies dürfte die „ökologische Falle der ökonomischen Ressourceneffizienz“124 sein, die oft und eingehend diskutiert worden ist. Ökonomische Ressourceneffizienz kann aber wesentlich zur Ressourcensicherung beitragen, indem nämlich „ökonomisch ineffiziente“, also verschwenderische Nutzungen ausgelesen werden. Ökonomische Ressourceneffizienz als Nutzungsregel sorgt für eine ganz besondere Form der in einer Welt von Knappheit unvermeidlichen Rationierung knapper Ressourcen – nämlich nach relativer Dringlichkeit: Die knappe Ressource wird dort genutzt, wo sie – gemessen am Wertgeber – die höchste Ergiebigkeit erzeugt, also am sinnvollsten eingesetzt werden kann (ökonomischer Aspekt). Zugleich komprimiert diese Regel den Ressourcengebrauch, und zwar genau auf ökonomisch effiziente Nutzungen (ökologischer Aspekt). Ökonomische Ressourceneffizienz ist auf diese Weise zugleich ein ökologischer Vorsorgehebel, der die Ressourcenbasis schont, und eine ökonomische Klugheitsregel, welche die Nützlichkeit aus der jeweils verbleibenden Ressourceninanspruchnahme so hoch wie möglich ansetzen möchte. Dem entspricht es spiegelbildlich, dass die der Gesellschaft durch den knappheitsbedingt unvermeidlichen Ressourcenverzicht insgesamt auferlegten Kosten minimal bleiben, wenn es ökonomisch ressourceneffizient zugeht. Ökonomische Ressourceneffizienz muss deshalb auch nicht kategorial Endres / Querner (1993), S. 1. D. h. nicht in menschlich relevanten Entscheidungsräumen und ohne gezieltes menschliches Zutun regenerierbar – vgl. Endres / Querner (1993), S. 3. 121 Im Sinne von essenziellen Ressourcen, d. h. solchen Ressourcen, deren verringerter Einsatz in gesellschaftlichen Produktionsprozess insoweit nicht durch andere Inputs substituiert werden kann, so dass auch die gesellschaftlichen Produktionsniveaus zwangsläufig sinken, vgl. z. B. Hampicke (1992), S. 112. 122 Dazu z. B. die „Thematische Strategie für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen“ der EU-Kommission, KOM (2005) 670 endg. 123 Siehe eingehend Gawel (2015b); so auch bereits zutreffend Reimer / Tölle (2013), S. 597 mit weiteren Nachweisen. 124 Gawel (2015b). 119
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mit Ressourcenschonung versöhnt,125 sondern allenfalls hinsichtlich des Umfangs der erstrebten Ressourcennutzung „kalibriert“ werden; das Effizienzprinzip kann die Ressourceninanspruchnahme bei geeigneter Ausgestaltung genau auf diesen Zielwert komprimieren und zugleich ökonomische Vernunft walten lassen. Ob das Ergebnis (ökonomisch) effizienten Ressourcenumganges bereits ausreicht, um die eigentlichen Ressourcensicherungsziele (so sie formuliert sind) zu erreichen, hängt von der Zielvorgabe ab: Wurde der Effizienzmechanismus auf dieses Ziel richtig kalibriert (z. B. beim EU-Emissionshandel, der diesbezüglich aber Fragen offen lässt, die jedoch ins Politische weisen), bestehen keine grundsätzlichen Spannungen zwischen Schonung und Effizienz. Fehlt es an dieser Kalibrierung, z. B. weil über Ressourcen marktlich nach Individualpräferenzen unter Verwendung unkorrigierter, verzerrter Preise verfügt wird, so kann sich ein ökonomisch „effizientes“ Ergebnis beliebig weit von einem ökologisch gebotenen entfernen – bis hin zur „ökonomisch optimalen ökologischen Katastrophe“.126 Versagt hat hier aber neben dem Markt in erster Linie auch die Umweltpolitik („Regulierungsversagen“). Zudem kann verbesserte Effizienz über verschiedene ökonomische Wirkungsketten gerade zum Treiber zusätzlicher Ressourcennachfrage werden (Rebound-Problem127). Daher kann absolute Ressourcenschonung ergänzende Input-Begrenzungen oder Output-orientierte Suffizienz-Strategien erforderlich machen. 128 Handlungsfelder zur Sicherung der Ressourceneffizienz der Siedlungswasserwirtschaft bestehen sowohl auf Ver- als auch Entsorgungsseite. Dies umfasst den effizienten Einsatz der Ressourcen zur Bereitstellung der Infrastrukturbauten (u. a. Fläche, Baumaterialien) sowie betriebsnotwendiger Ressourcen (u. a. Rohwasser, Energie). Zugleich sind die bisher weitgehend ungenutzten im Abwasser enthaltenen Ressourcen zunehmend im Fokus. Dies betrifft v. a. Phosphor, der zu den erschöpflichen und essenziellen Ressourcen zählt.129 Ohne Phosphor ist kein Pflanzenwachstum möglich und die intensive Landwirtschaft ist daher von Phosphatgaben stark abhängig. Eine zentrale Herausforderung liegt deshalb darin, Phosphor aus dem Abwasser zurück zu gewinnen. Technische Verfahren dafür sind verfügbar,130 jedoch 125 Anders aber wohl Reimer (2013), S. 445, 448 f., wenn er einen effizienten Zustand „zielbezogen“ in einen Zustand umdeutet, in dem die Ressourcenziele im Wesentlichen erreicht sind. 126 Maier-Rigaud (1997), S. 27 ff. 127 Das Konzept (nicht der Begriff) des Rebound geht auf Jevons (1865) zurück und beschreibt den Umstand, dass eine (Energie-)Effizienzverbesserung als Folge gegenläufiger Effekte nur teilweise von einer Energieeinsparung begleitet wird. 128 Siehe nur Alcott (2007); Huber (1995). 129 Vgl. Esemen / Dockhorn (2009), S. 790. 130 Siehe z. B. die Studie zur „Rückgewinnung eines schadstofffreien, mineralischen Kombinationsdüngers von Pinnekamp et al. (2007); Geyler / Lautenschläger (2015) mit weiteren Nachweisen.
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noch derart energie- und kostenaufwändig, dass sie bisher nicht standardmäßig etabliert werden konnten. Auch fossile Energieressourcen zählen zu den erschöpflichen Ressourcen. Darüber hinaus sind es auch Gründe des Klimaschutzes, die insbesondere auch die Wasserwirtschaft allgemein zu effizienter Energieverwendung und zur Ausnutzung energetischer Potenziale drängen.131 Besonders energieaufwändig ist die Abwasserbehandlung in herkömmlichen Kläranlagen (20% des kommunalen Strombedarfs132), und die technischen Potenziale zur Energieeinsparung und der Energierückgewinnung (insb. durch thermische Klärschlammverwertung und Faulgasverstromung) werden allgemein hoch eingestuft.133 Mit Blick auf die Energieeffizienz stellt sich auch die Frage nach der Wiedernutzung von Stickstoff aus dem Abwasser als Pflanzendünger. Wenngleich molekularer Stickstoff ubiquitär verfügbar ist, bedarf es für die Synthese von pflanzenverfügbaren Stickstoffverbindungen aus der Luft eines extrem hohen Energieaufwandes. Ferner müssen auch die Selbstreinigungsprozesse der Umweltsysteme und deren Assimilationskapazität als Ressourceninput in gesellschaftliche Produktionsprozesse angesehen werden,134 da Produktionsprozesse immer zu Abprodukten führen und daher Assimilationskapazitäten in Anspruch genommen werden müssen. 135 Auch wenn sich die Assimilationskapazitäten, wie zum Beispiel die Selbstreinigung von Flüssen, selbsttätig zu regenerieren vermögen, so können sie auch überlastet und u. U. sogar irreversibel geschädigt werden. Mit Blick auf den Ressourcencharakter der Assimilationskapazitäten der Umweltsysteme werden Überschneidungen zum Nachhaltigkeitsziel der Umweltverträglichkeit deutlich. Das Gebot der Ressourceneffizienz akzentuiert insoweit die Notwendigkeit, knappe Tragekapazitäten der Umwelt effizient zu nutzen, während das Gebot der Umweltverträglichkeit darüber hinaus die Wahrung von Belastungsgrenzen und Qualitätszielen i. S. der Suffizienz einfordert. Sparsamer Ressourceneinsatz ist aus Nachhaltigkeitsgründen auch in Bezug auf die (Roh-)Wasserressourcen selbst geboten. Ob allerdings aus diesem Grunde ein selbständiges Effizienzziel proklamiert werden sollte, erscheint zweifelhaft. Die in Deutschland genutzten Wasserressourcen sind i. d. R. erneuerbar und anders als beim Energieverbrauch ist nicht jeder Wassergebrauch in gleicher Weise umweltschädlich. Im Interesse einer realitätsnahen Zielbestimmung und Gewichtung erscheint es deshalb sachgerechter, Wassereinsparung nur nach Maßgabe der „eigentlichen“ Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen. Als solches ist zunächst das Gebot der Vgl. Flasbarth (2012), S. 560 ff. Vgl. Haberkern / Maier / Schneider (2008), S. 9. 133 Vgl. Haberkern / Maier / Schneider (2008), S. 174 ff.; Geyler / Lautenschläger (2015), S. 332 f. mit weiteren Nachweisen. 134 So z. B. Pearce / Turner (1990), S. 39; Siebert / Lorz (2007), S. 381. 135 Dazu grundlegend bereits der SRU (1990). 131 132
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Ressourcensicherung zu nennen, das sparsamen Wassergebrauch bis zum Zielpunkt der Ressourcenauskömmlichkeit gebietet. In Verbindung mit dem Vorsorgegebot veranlasst das Ziel der Ressourcensicherung auch darüber hinaus sparsame Wasserverwendung, soweit nicht hinreichend ausgeschlossen werden kann, dass auskömmliche Ressourcenverfügbarkeit aufgrund unvorhergesehener Entwicklungen – z. B. durch Einflüsse des Klimawandels – doch verfehlt werden könnte (siehe zur Vorsorge unten XIII.). Maßnahmen zur effizienten Wassernutzung sind überdies durch das Ziel der Umweltverträglichkeit geboten, sofern die Gewinnung von Frischwasser und Entsorgung von Abwasser mit relevanten Umweltbelastungen einhergeht. Auch das Ziel der Wirtschaftlichkeit verlangt zumeist eine sparsame Wasserverwendung, denn regelmäßig gehen die Gewinnung, Verteilung und Entsorgung des Wassers mit wirtschaftlichem Aufwand einher. Gleichwohl darf auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot – auf das unten noch gesondert zurückzukommen ist (dazu VIII.) – keine pauschale Einsparungsmaxime entnommen werden. Von der Problematik, dass gerade auch ein Zuviel an Wassereinsparung zu unwirtschaftlichen Unterauslastungen führen kann, ist bereits berichtet worden. Inwieweit unter dem Wirtschaftlichkeitsaspekt Wasser einzusparen ist, kann daher nur die Einzelfallbetrachtung ergeben. Dabei spielt auch eine Rolle, ob dies aus einer statischen oder einer dynamischen ökonomischen Perspektive betrachtet wird: Eine „effiziente“ Auslastung eines auf lange Sicht überdimensionierten Systems ist nämlich aus dynamischer Sicht ebenfalls ineffizient. Dies bedeutet, dass die Beurteilung des „Wassersparens“ sich nicht an infrastrukturellen Fehlplanungen vergangener Tage orientieren sollte.136 Sofern nach diesen Maßgaben eine weitere Wassereinsparung geboten ist, sind damit all jene Potenziale und Optionen insbesondere der Verwertung, Kreislaufführung und sparsamen Nutzung angesprochen, die bereits oben zu den Zielen der Ressourcensicherung und Bedarfsdeckung dargelegt worden sind (oben II. und III.). Für Wasser- und Energieeffizienz gilt überdies, dass die Effizienzpotenziale erheblich auch davon abhängen, welche Siedlungs- und Nachfragestrukturen zu bedienen sind. Letztere sind folglich in die Suche nach ressourceneffizienteren Systemalternativen einzubeziehen. Insbesondere in Neubaugebieten ist darauf hinzuwirken, dass eine effiziente Erfüllung der Versorgungs- und Nachhaltigkeitsaufgaben nicht ohne tragfähige Gründe „verbaut“ wird. Insgesamt stellt sich das Ziel der Ressourceneffizienz als eine vielschichtige Herausforderung dar, und die Bemühungen um Ressourceneffizienz werden oftmals vor der Schwierigkeit stehen, dass effizienzsteigernde Maßnahmen ihrerseits (andere) Ressourcen in Anspruch nehmen, ggf. mit Umwelteffekten einhergehen und Kosten erzeugen, die die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen können. So stehen etwa Energieeffizienzbemühungen mitunter im Konflikt zu den anspruchsvollen Zielen des Umweltschutzes, die der Abwasserklärung heute unmittelbar durch die Abwasserverordnung und mittelbar durch die
136
Vgl. Gawel / Fälsch (2011).
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Gewässerqualitätsziele der Wasserrahmenrichtlinie und des WHG gesetzt sind. Grundsätzlich gilt, dass zusätzliche Reinigungsleistung auch zusätzliche Energie kostet. Dies gilt beispielsweise für großtechnische Verfahren der sog. vierten Reinigungsstufe zur Elimination von Mikroverunreinigungen (Ozonierung, Pulveraktivkohleverfahren).137 In Anbetracht solcher Wechselwirkungen und Zielkonflikte sind von den Entscheidungsträgern möglichst vollständige Bilanzierungen und Abwägungen vorzunehmen an, um zu einer insgesamt effizienten Ressourcennutzung zu kommen. Klar ist, dass „miteinander konkurrierende“ Effizienzpotenziale wie z. B. hinsichtlich Wasser und Energie nicht quantitativ bilanziert werden können, sondern qualitativ und auch politisch in Wert gesetzt und abgewogen werden müssen. Für den institutionellen Rahmen kommt es zunächst darauf an, dass die effiziente Ressourcennutzung zunächst als Steuerungsziel verankert und mit wirksamen Umsetzungs- und Anreizinstrumenten versehen wird. Zudem sollte der institutionelle Rahmen auch die o. g. Wechselwirkungen berücksichtigen und entsprechende generelle Gewichtungen vorsehen bzw. fallbezogene Abwägungen fordern und anleiten. 2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Aus dem Gebot der Ressourceneffizienz folgt offenkundig keine zwingende Notwendigkeit für eine staatliche Eigenwahrnehmung der Wasserver- und Abwasserentsorgungsaufgaben. Die staatliche Verantwortung ist vielmehr darauf beschränkt, einen adäquaten, auf Ressourceneffizienz hinwirkenden Ordnungsrahmen zu setzen. b) Ordnungsrecht Was zunächst die Energieeffizienz einschließlich der Möglichkeiten zur Energiegewinnung aus dem Abwasser betrifft, so gilt nach § 60 Abs. 1 WHG, dass Anlagen zur Abwasserbehandlung dem „Stand der Technik“ (BAT) zu entsprechen haben. Gleiches gilt gem. § 57 WHG für die Einleitung von Abwasser. Zur Bestimmung des Standes der Technik wird in Anhang 2 zu § 7a WHG neben verschiedenen anderen Kriterien auch die Energieeffizienz explizit genannt. Detailliertere Vorgaben zur Präzisierung von Energieeffizienz-BAT-Standards werden zurzeit erst erarbeitet.138 Inwieweit hierzu eine direkte Technikregulierung sinnvoll ist, hängt auch vom sonstigen Regelungs- und Anreizumfeld ab. Zur Förderung der „Wassereffizienz“ existieren im geltenden Recht folgende Ansätze: Für Wasser verbrauchende Anlagen, die ihr Wasser unmittelbar selbst aus ei137 138
Näher dazu z. B. UBA (2015), S. 16. Vgl. DWA (2013).
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nem Gewässer entnehmen, sieht das einschlägige wasserrechtliche Gestattungsregime eine besondere Ermächtigung vor, Maßnahmen zur sparsamen Wasserverwendung anzuordnen (§ 13 Abs. 2 WHG). Danach stehen Erlaubnis und Bewilligung der Wasserentnahme unter dem Vorbehalt, dass auch nachträglich Maßnahmen angeordnet werden können, die „geboten sind, damit das Wasser mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt sparsam verwendet wird“. Für Anlagen, die ihr Wasser von der öffentlichen Wasserversorgung beziehen, bestehen demgegenüber keine entsprechenden Effizienzvorbehalte. Lediglich haben gem. § 50 Abs. 3 WHG die Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung auf einen „sorgsamen Umgang mit Wasser“ hinzuwirken, insb. Wasserverluste in ihren Einrichtungen gering zu halten und die Endverbraucher über Möglichkeiten der Einsparung zu informieren. Nur vereinzelt finden sich im Landesrecht noch spezifischere Vorschriften zum Umgang mit Wasser, die auch Anordnungen gegenüber dem Endnutzer ermöglichen: So wird durch § 3 Abs. 7 LWG-BW „jeder verpflichtet, mit Wasser haushälterisch umzugehen […]“. Für umweltrelevante Anlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind, gilt zwar gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG eine Pflicht zur effizienten Energieverwendung, nicht aber auch eine Pflicht zum sparsamen Umgang mit Wasser.139 Gewisse Impulse können sich aus der Abwasserverordnung insofern ergeben, als § 3 Abs. 1 AbwV dazu verpflichtet, „die Schadstofffracht von Abwasser so gering zu halten, wie dies durch Einsatz sparender Verfahren bei Wasch- und Reinigungsvorgängen, Indirektkühlungen und den Einsatz von schadstoffarmen Betriebs- und Hilfsmitten möglich ist.“ Für den Bereich wasserverbrauchender Haushaltsgeräte existieren bisher keine verbindlichen Verbrauchsbeschränkungen. Lediglich gilt aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben im Zusammenhang mit der Energieverbrauchskennzeichnung eine Pflicht, auch den Wasserverbrauch des (energieverbrauchenden) Gerätes mit anzugeben. Anders als für den Energieverbrauch ist aber keine Klassifizierung nach Effizienzklassen vorgesehen.140 c) Anreize Preisbezogene Anreize zur Energieeinsparung werden in erster Linie über die Strompreise bzw. die Stromsteuer gem. Stromsteuergesetz gesetzt. Das Stromsteuergesetz sieht zudem eine Befreiung von Klärgas-Strom von der Stromsteuer vor. Zusätzlich ist gemäß § 25 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2012) eine besondere Einspeisevergütung von Strom aus Klärgas zu entrichten,141 die indes deutlich unter Eingehender dazu Reese (2010b), S. 199 ff. Siehe Reese (2010b), S. 204. 141 Diese betrug im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012 bis zu einer Bemessungsleistung von 500 Kilowatt 6,79 Cent / kWh und bis zu einer Bemessungsleistung von 5 Megawatt 5,89 Cent / kWh. 139 140
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den für Biogasverstromung gewährten Sätzen liegt. Mit Hilfe eines entsprechend ausgestalteten Anreizrahmens könnten F+E sowie die Diffusion von Innovationen im Bereich der Stoffrückgewinnung, insbesondere von Phosphor, forciert werden. Soweit die besondere Knappheit der natürlichen Phosphorressourcen in der heutigen Abwasserbeseitigung noch keine Berücksichtigung findet, weil die Preise diese Knappheit nicht hinreichend widerspiegeln, liegt darin ein Marktversagen, das staatliche Eingriffe wie Subventionen rechtfertigen könnte. Die effizientere Nutzung von Rohwasser kann vor allem durch Einpreisung von Umwelt- und Ressourcenkosten der Wasserentnahme durch Wasserentnahmeentgelte gefördert werden. Dies entspricht dem – hier als gesondertem Nachhaltigkeitsgebot akzentuierten – Grundsatz der vollen Kostendeckung für alle Arten der Bereitstellungskosten (siehe unten VIII.).
d) Organisation Wie wir oben unter 1. dargelegt haben, sind unter dem Ziel der Ressourceneffizienz oft eine Mehrzahl voneinander abhängiger Ressourceninputs jeweils auch unter Berücksichtigung der nachteiligen Effekte der Gewinnung, Verwendung und Entsorgung zu optimieren. Mit dieser Optimierungsaufgabe verbindet sich insb. auch organisatorisch die grundlegende Steuerungsfrage, ob das Ziel der Ressourceneffizienz eher durch optimierende Technikvorgaben einer alles integrierenden Kompetenz oder durch Rahmenvorgaben jeweils sektoraler Kompetenzträger (Energie, Wasser, Abfall, Natur etc) verfolgt werden sollte. e) Planung Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die bei komplexen Infrastrukturen bestehende Planungsnotwendigkeit auch das Ziel der Ressourceneffizienz betrifft. Inkrementales und segmentiertes Vorgehen ist grundsätzlich nicht geeignet, mögliche Synergien aufzudecken und fruchtbar zu machen. Hierzu bedarf es einer planvoll vorbereiteten, abgestimmten Vorgehensweise. Langfristige, prognostische Ausrichtung ist zudem notwendig, um Infrastrukturlösungen (sunk costs) zu vermeiden, die aufgrund veränderter Rahmenbedingungen später nicht effizient nutzbar sind. Selbst für einzelne Segmente wie den Kläranlagenbereich wird das Erfordernis gesamthaft planerischen Vorgehens von fachlicher Seite betont.142 Deshalb erscheint es auch aus dem Gesichtspunkt der Ressourceneffizienz angebracht zu prüfen, wie rechtlich für ein planvolles, langfristig ausgerichtetes und abgestimmtes Vorgehen besser gesorgt werden könnte.
142
Vgl. Haberkern / Maier / Schneider (2008).
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VIII. Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Um eine nachhaltige Wasserwirtschaft sicherzustellen, ist es auch erforderlich, dass diese sich bei der Bereitstellung der Wasserdienstleistungen selbst an ökonomischen Kriterien orientiert. Zentrale Kriterien sind hierbei die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz der Sektoren. Wirtschaftlichkeit im hier genutzten weiteren Verständnis143 ist synonym zum ökonomischen Prinzip, welches besagt, dass mit einem gegebenen Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis anzustreben ist (Maximalprinzip), ein vorher festgelegtes Ergebnis mit geringstmöglichem Mitteleinsatz erreicht werden soll (Minimalprinzip) oder aber das Verhältnis von Nutzen zu Mitteleinsatz maximiert werden soll (generelles Extremum-Prinzip). Das Ziel der Wirtschaftlichkeit – ein verschwendungsfreier Umgang mit Ressourcen – sollte folglich das grundsätzliche Handlungsprinzip eines wasserwirtschaftlichen Unternehmens bei der Leistungsabgabe darstellen. Der Aspekt der „Wirtschaftlichkeit“ betont implizit das Anliegen der Sparsamkeit und schließt für das Leistungsniveau die Forderung ein, dass Kosten und Ertrag nicht außer Verhältnis stehen sollen. Zielkonflikte mit den sonstigen Nachhaltigkeitsbedingungen liegen auf der Hand: ein hohes Maß an Hygiene, Sicherheit, Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit ist regelmäßig nicht umsonst zu haben, und es ist daher jeweils abzuwägen, welcher Kostenaufwand angemessen erscheint.144 Eine davon abzugrenzende, grundsätzlich weitere Zielstellung ist die der „ökonomischen Effizienz“. Bei der Effizienz kann zwischen den verschiedenen Dimensionen der Allokations- oder Markteffizienz, der Kosteneffizienz und der technischen Effizienz unterschieden werden.145 Während die allokative Effizienz (auch: Markteffizienz, Pareto-Optimalität) auf die Maximierung einer präferenzbasierten Wohlfahrt abzielt und damit grundsätzlich die Bedienung der Nachfragerwünsche als Wertgeber im Blick hat, beziehen sich Kosteneffizienz und technische Effizienz nur auf die Leistungsabgabe im Unternehmen. Da die technische Effizienz (z. B. Energieeffizienz, effizienter Faktoreinsatz) nicht die vollen Opportunitätskosten der Leistungsabgabe berücksichtigen kann, ist im Folgenden nur noch von Kosteneffizienz die Rede. Kosteneffizienz fällt dabei mit Wirtschaftlichkeit in eins. Eine kosteneffiziente Bereitstellung ist dann gegeben, wenn ein Unternehmen bei gegebener
143 In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird nach einem engeren Verständnis von Wirtschaftlichkeit das Verhältnis von Ertrag und Aufwand bzw. Erlöse und Kosten betrachtet, vgl. Wöhe (2013), S. 38. 144 Diese Abwägung stellt immer auch eine wertende – und insofern politische – PräferenzEntscheidung dar. So wird z. B. die Frage, ob der ökologische Nutzen einer vierten Reinigungsstufe deren zusätzliche Kosten und Nachteile rechtfertigt, je nach Zielgewichtung unterschiedlich beantwortet werden. 145 Siehe Mühlenkamp (2005), S. 7; Gawel (2015b); Oelmann (2015).
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Technologie, fixen Faktorpreisen und definierter Qualität eine bestimmte Leistung zu geringstmöglichen Kosten und damit „wirtschaftlich“ produziert (Minimalkostenkombination).146 Das Ziel eines in diesem Sinne kosteneffizienten Wassersektors stellt insbesondere auch deshalb eine Herausforderung dar, weil die gegenwärtige Bereitstellung der Dienstleistungen weitgehend durch regionale Gebietsmonopolisten, zumeist noch in vertikal integrierter Form und ohne wettbewerbliche Kontrolle der Preise erfolgt und deshalb weithin aus ökonomischer Sicht als ineffizient angesehen wird. 147 Das Gebot der Kosteneffizienz zielt mithin darauf ab, die vorhandenen Effizienzpotenziale des Sektors zu heben, die insbesondere in ungenutzten technologischen und verwaltungstechnischen Größenvorteilen vermutet werden.148 Mit den Skaleneffekten eng verbunden ist die Zielstellung, Möglichkeiten zur effizienten Abstimmung von Ver- und Entsorgungsleistungen zu prüfen und bestehende Verbundvorteile der Sektoren zu nutzen, wobei ein Hauptaugenmerk auch dezentralen Kreislaufoptionen gelten sollte. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit macht zudem eine statische und dynamische Betrachtung erforderlich. So gilt es, die bestehenden Systeme kosteneffizient einzusetzen und zugleich aber auch eine Fortentwicklung hin zu kosteneffizienteren Lösungen zu fördern. Vor dem Hintergrund beschleunigter klimatischer, demographischer oder siedlungsstruktureller Veränderungen bedeutet dies, dass vermehrt Lösungen etabliert werden müssen, die auch in Zukunft kosteneffizient arbeiten oder kostensparend an veränderte angepasst werden können. Insofern besteht ein klarer Wechselbezug zwischen dem Wirtschaftlichkeitsziel und dem Flexibilitätsgebot (zu letzterem s. unten XIV.). Konflikte ergeben sich weiterhin in Bezug auf das Nachhaltigkeitsgebot der „Akzeptanz“. Im Wassersektor können regelmäßig starke Widerstände beobachtet werden, wenn ökonomische Reformoptionen diskutiert werden, bei denen der Sektor (auch) unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet wird.149 Wie für die Ressourceneffizienz gilt schließlich auch für die Kosteneffizienz, dass Effizienzpotenziale auch davon abhängen, welche Siedlungs- und Nachfragestrukturen zu bedienen sind und dass Letztere folglich in die Suche nach effizienteren Systemalternativen einzubeziehen sind.
Vgl. Mühlenkamp (2005), S. 5. Seit einer Weltbank-Studie [vgl. Briscoe (1995)] hält eine intensive Diskussion über Effizienz, Marktöffnung und Preisregulierung im deutschen Trinkwassersektor an, siehe dazu Gawel / Bedtke (2015). 148 Vgl. Monopolkommission (2010). 149 Beispielsweise konnte die europäische Bürgerbewegung „right2water“ innerhalb kurzer Zeit über eine Million Unterschriften von Bürgern sammeln, die den Richtlinienvorschlägen der EU-Kommission zur Modernisierung des Vergaberechts und insbesondere der Einführung der Dienstleistungskonzession (siehe KOM (2011) 897) ablehnend gegenüberstehen. 146 147
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2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Im Zusammenhang mit der Forderung nach Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz ist die Frage, ob die Dienstleistungen der Wasserwirtschaft unter verstärkt wettbewerblich ausgerichteten Rahmenbedingungen – ggf. auch unter erhöhter Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmen – bereitgestellt werden sollten, von zentraler Bedeutung. Wettbewerb wird in der Lehrbuchökonomie als Garant für Effizienz angesehen, während Monopole unabhängig von ihrer Rechtsform aufgrund des fehlenden Wettbewerbsdrucks regelmäßig als ineffizient erachtet werden müssen. Aus diesem Grund wurde auch der wettbewerbliche Ausnahmebereich des Wassersektors wiederholt in Frage gestellt und eine Liberalisierung, insbesondere der Wasserversorgung, in Anlehnung an frühere Marktöffnungen von Netzsektoren angeregt.150 Allerdings zeichnen sich die Sektoren der Wasserver- und Abwasserentsorgung durch technische Besonderheiten aus, die eine solche Marktöffnung erschweren. So herrscht weitgehend Einigkeit, dass ein Wettbewerb „im Markt“ als Option für den Netzsektor Wasser nicht geeignet ist und sich potenzielle Liberalisierungselemente im Wassersektor auf Ansätze eines (Ausschreibungs-)Wettbewerbs um den Markt und / oder einen Vergleichswettbewerb kombiniert mit einer Regulierung des Sektors beschränken werden.151 Damit lassen sich aber immerhin – beschränkte –Wettbewerbselemente implementieren, die durchaus als Anreiz zu Wirtschaftlichkeit wirken können, wenngleich dieser Anreiz wesentlich auf die Ausschreibungsphase beschränkt bleibt.152 Auch zu den wirtschaftlichen Effekten der Beteiligung privater Unternehmen an der öffentlichen Aufgabenerfüllung im Rahmen einer „Public Private Partnership“ (PPP) sind differenzierende Betrachtungen angebracht. Dass solche Beteiligungen regelmäßig zur Wirtschaftlichkeit beitragen oder ihr regelmäßig entgegenwirken, wird jedenfalls durch die einschlägigen Studien und Praxisbeispiele nicht bestätigt.153 Vielmehr zeigt sich, dass es maßgeblich vom flankierenden Regulierungsumfeld abhängt, ob und inwieweit die Einbeziehung privater Unternehmen zur wirt-
Vgl. Ewers et al. (2001). Die in andern Netzsektoren etablierte Trennung von Netzbetrieb und Verteilung (functional unbundling) lässt sich nicht ohne weiteres auf den Wassersektor übertragen. Ein Durchleitungswettbewerb, wie er beispielsweise im Stromsektor praktiziert wird, ist aufgrund der Eigenschaften von Wasser sowie dessen räumlicher Gebundenheit nicht möglich. Auch die Installation eines parallelen Netzes ist nicht sinnvoll, siehe dazu u. a. Oelmann (2005), S. 40 ff.; Wackerbauer (2009), S. 144 f. 152 Dazu und den eingeschränkten Anreizwirkungen des Ausschreibungswettbewerbs bei langfristigen Vertragslaufzeiten: SRU (2002), Tz. 655 ff. 153 Vgl. Bel / Fageda / Warner (2010); Hirschhausen / Walter / Zschille (2009); Walter et al. (2009). 150 151
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schaftlichen Leistungserbringung beiträgt, ohne dass es zu Abstrichen im Leistungsniveau und hinsichtlich der sonstigen Nachhaltigkeitsfaktoren kommt. 154 Wie die vieldiskutierten Beispiele für Privatisierungen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft – insbesondere in England – verdeutlicht haben, stellt allerdings die Ausgestaltung eines angemessenen Ordnungsrahmens für die Beteiligung privater Unternehmen in Wasserver- und Abwasserentsorgung eine komplexe Optimierungsaufgabe dar, die sich auf einem schmalen Grat zwischen Markt- und Staatsversagen bewegt.155 Deutlich geworden ist hier vor allem, dass die Besonderheiten des Sektors maßgeschneiderte Lösungen erfordern, die nicht einseitig auf Kosteneinsparung ausgerichtet sind, sondern effektiv auch gewährleisten, dass Gesundheits-, Umwelt- und Qualitätsstandards als Teil der kosteneffizient zu erbringenden Leistung zuverlässig mit erbracht werden.156
b) Ordnungsrecht einschließlich Preis-, Kartell- und Vergaberecht Das Ordnungsrecht enthält zunächst wichtige Vorgaben zu Qualität, Quantität, Komfortelementen, Umweltverträglichkeit, Sicherheit, Überwachung usw. und nimmt dadurch auf die Kosten der Ver- und Entsorgungsleistungen erheblichen Einfluss. Die Kosten dieser Anforderungen sind als Faktoren der Wirtschaftlichkeit Gegenstand der infrastrukturpolitischen Abwägung darüber, welches Leistungsniveau den verantwortlichen öffentlichen Leistungsträgern abzuverlangen ist bzw. diese sich leisten wollen, soweit sie selbst darüber entscheiden. Diese Abwägung ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Aus steuerungstechnischer Perspektive ist indes zu prüfen, ob die Leistungsmerkmale insb. der Gesundheits- und Umweltvorsorge hinreichend wirksam geregelt sind, sodass klar ist, dass sie gegenüber Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht zur Disposition stehen, sondern ihrerseits vollständig und möglichst wirtschaftlich zu erbringen sind. Im Zeichen der Wirtschaftlichkeit ist von den ordnungsrechtlichen Anforderungen außerdem zu verlangen, dass sie den Leistungsträgern hinsichtlich der technischen und organisatorischen Umsetzungsmittel möglichst weite Wahlfreiheiten und damit Innovations- und Effizienzspielräume einräumen. Zu den ordnungsrechtlichen Instrumenten der Wirtschaftlichkeitsgewähr gehören auch die Instrumente des Kartell-, Preis und Vergaberechts. Die in jüngerer Zeit zunehmend in Stellung gebrachte kartellrechtliche Kontrolle von Wasserpreisen ist allerdings zur Steigerung der Kosteneffizienz kaum geeignet, da durch sie lediglich ein Preishöhenmissbrauch im Bereich eines natürlichen Monopols adressiert wird,
Vgl. Gawel / Bretschneider (2012a), S. 353 f. Vgl. Gawel / Bretschneider (2012b). 156 Siehe den „Katalog vorsorgender Leistungen der Wasserversorger für den Gewässerund Gesundheitsschutz“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und des Bundesministeriums für Gesundheit, vgl. BMUB / BMG (2014). 154 155
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bei dem eine einmalige Entscheidung der Wettbewerbsbehörden keine dauerhafte Lösung des Problems mit sich bringt. Um einem Preishöhenmissbrauch dauerhaft zu begegnen und zugleich Anreize zur kosteneffizienten Bereitstellung zu liefern, bedarf es vielmehr periodisch wiederkehrender Kontrollen und Begrenzungen der Entgelte.157 Zudem steht auch die Effektivität der zur kartellrechtlichen Kontrolle herangezogenen Vergleichsmethoden in Frage.158 Das öffentliche Haushalts- und Unternehmensrecht ist vornehmlich auf Rechenschaftslegung und Sicherung der Zahlungsfähigkeit ausgerichtet. Reflexe in Richtung Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz gehen davon insoweit aus, als jedenfalls Transparenz über Einnahmen und Ausgaben sowie Vermögensstruktur und Wirtschaftsplanung erreicht wird. Das Vergaberecht stellt zudem sicher, dass bei Bezug von Drittleistungen eine Ausschreibung erfolgt und das jeweils günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Auch dies hat offenkundig Wirtschaftlichkeit fördernde Wirkungen.
c) Anreize Eine beachtenswertes Instrument, um Anreize zur Kosteneffizienz zu vermitteln, liegt in der sog „Anreizregulierung“, wie sie im Energiesektor bereits breite Anwendung findet und in einigen Ländern auch im Wassersektor eingesetzt (z. B. England / Wales) wird.159 Hier werden monopolistischen Unternehmen Anreize zur Effizienzsteigerung dadurch gegeben, dass ihnen die Differenz zwischen einer festgelegten Erlösobergrenze und den Kosten zugestanden wird. Allerdings werden die Erlösobergrenzen regelmäßig angepasst – auf der Grundlage von Vergleichen oder Benchmarks – um die Anreize fortzuschreiben. Die Anreizregulierung setzt freilich einen Regulierungsrahmen und eine – kostspielige – Regulierungsbürokratie voraus, die für das deutsche Wasserwirtschaftsrecht bisher nicht etabliert wurden. Von branchenspezifischen Effizienzkennzahlen und Benchmarkingprozessen können ebenfalls wichtige Impulse zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz ausgehen. Die Bundesländer und einige Branchenverbände haben in den vergangenen Jahren verschiedene Benchmarkingprojekte initiiert und Leitfäden dazu entwickelt.160 Bisher findet ein Benchmarking allerdings nur auf freiwilliger Basis statt, ist also nicht verbindlich institutionalisiert.
Vgl. Monopolkommission (2010), Tz. 17, S. 6; Gawel (2015c). Vgl. Oelmann et al. (2009); Holländer / Geyler (2013). 159 Zum Ganzen kritisch Gawel / Bedtke (2015). 160 Siehe z. B. Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2014); Benchmarking Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz – verschiedene Dokumente unter http://www.wasserbenchmarking-rp. de / home.html, abgerufen am 26. 6. 2015; siehe auch das diesbezügliche Regelwerk der DVGW in der Technischen Mitteilung W 1100 – Benchmarking in Wasserversorgungsunternehmen. 157 158
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d) Planung Hinsichtlich der Planung ist sinngemäß auf die Ausführungen zur Ressourceneffizienz zu verweisen. Auch aus Kostengründen ist eine planerische Erschließung von Synergien und prognostisch-langfristige Ausrichtung zweckmäßig, und eine entsprechende Entwicklung des defizitären Fachplanungsrechts erscheint auch insoweit erwägenswert.
IX. Erschwinglichkeit 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Verbreitet wird das Ziel der nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft – wie auch andere Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge – mit der sozialpolitischen Forderung verknüpft, dass diese Leistungen den Nutzern zu annähernd gleichen, erschwinglichen Preisen angeboten werden sollen. Diese Forderung beruht auf der – auch über Deutschland hinaus verbreiteten – Überzeugung, dass für eine flächendeckende Mindestversorgung der Bevölkerung mit basalen Infrastrukturleistungen eine solidarische, öffentliche Gewährleistungsverantwortung eingreifen soll. 161 Staat und Gemeinden sollen durch eigene Erfüllung oder durch geeignete Regulierung nicht nur sicherstellen, dass die erforderlichen Strukturen geschaffen und unterhalten werden. Sie sollen zudem garantieren, dass die Grundversorgung allen Bürgern zu annähernd gleichen, erschwinglichen Bezugspreisen zugänglich sein soll. Für den Grundversorgungsbereich wird diese Zielsetzung auch dem „Menschenrecht auf Wasser“ entnommen.162 Zum allgemeinen Bedarfsdeckungsziel wurde oben bereits dargelegt, dass dem Menschenrecht auf Wasser ein Gebot entnommen wird, den basalen Grundbedarf an Wasserver- und Abwasserentsorgung zu erschwinglichen Preisen bereit zu stellen. Die diesbezüglichen Unklarheiten und Zweifelsfragen gelten für das allgemeine Erschwinglichkeitsziel sinngemäß: Unklar ist, welche Zumutungen preislicher Art noch als „erschwinglich“ gelten können. Unklar ist zudem, inwieweit insbesondere ein Ausgleich zwischen kostengünstig zu erschließenden zentralen Lagen und dezentralen Lagen erfolgen soll, deren Anbindung an das Versorgungs- bzw. Entsorgungssystem aufgrund höherer Fixkosten und geringerer Skaleneffekte ggf. erheblich teurer ausfällt. Zweifelhaft ist insoweit auch, ob und inwieweit es gerade eine Aufgabe der Siedlungswasserwirtschaft sein sollte, gleiche Erschwinglichkeit flächendeckend auch in entlegensten Gebieten zu gewährleisten. In Abgrenzung zu den Kerngewährleistungen des Menschenrechts auf Wasser ist schließlich klärungsbedürftig, ob das Erschwinglichkeits-
161 Dazu Reese / Koch (2010), S. 1395 mit weiteren Nachweisen; ferner z. B. Britz (2004), S. 151 ff. 162 Vgl. Laskowski (2010), S. 849.
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postulat über den Grundversorgungsbereich hinaus gelten und ob es auch das bloße Aufwandsvermeidungsinteresse der Wassernutzer schützen soll.163 Je nach Beantwortung dieser Fragen wirft das Erschwinglichkeitsziel beachtliche Konfliktfragen auf: Sofern etwa danach kostendeckende Preise nicht zugemutet werden dürften und mithin (Quer)Subventionierungen geboten wären, stünde dies ersichtlich im Widerspruch zur verursachergerechten Kostenanlastung (siehe unten X.), aber auch zum Ziel der Ressourcensicherung und Ressourceneffizienz (oben III. und VII.), denn tendenziell wirkt die Subventionierung der Wasserdienstleistungen einem sparsamen Umgang und einem nachhaltigen Technik- und Strukturwandel entgegen. Wie all dies auch in institutioneller Hinsicht zu würdigen ist, bedarf noch eingehender Analysen. Bereits der hiesige Überblick deutet jedoch an, dass mit Blick auch auf sonstige Gebote der Nachhaltigkeit gute Gründe für eine restriktive, im engeren Sinne sozialpolitische Handhabung des Erschwinglichkeitsgebotes im Sinne einer „Armutshilfe“ sprechen, welche die elementaren allokativen Preisfunktionen für Wasserdienste nach Möglichkeit unangetastet lässt.
2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Die ubiquitäre Erschwinglichkeit von Wasserdienstleistungen zu gewährleisten, wird mitunter als ein Ziel angesehen, das auf einen Kostentransfer zwischen kostengünstig anzuschließenden zentralen Versorgungsbereichen und – ggf. – kostenintensiveren Rand- und Außenlagen angewiesen ist, der mit einem freien Wettbewerb im Markt nicht erreicht werden könne.164 Das Erschwinglichkeitsziel und die daraus gefolgerte Erfordernis der Quersubventionierung nachfrageschwacher Randlagen ist auch von der Rechtsprechung als ein bedeutender Rechtfertigungsgrund zur Legitimation der Marktbeschränkungen akzeptiert worden, die mit den öffentlichen Verund Entsorgungsmonopolen einhergehen.165 Ein europäischer Bezugs- und Ansatzpunkt dieser Rechtfertigung ist der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der bekanntlich den freien Waren- und Dienstleistungsaustausch garantiert und Wettbewerbsbeschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr verbietet. Allerdings würdigt der Vertrag auch die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge der Mitgliedstaaten und regelt zu ihren Gunsten in Art. 106 Abs. 2 AEUV, dass „Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind […] die Vorschriften des Vertrages nur gelten, soweit Siehe dazu Gawel / Bretschneider (2012b). Siehe Reese / Koch (2010), S. 1395. 165 Grundlegend EuGH, Urteil vom 19. 5. 1993, Slg. 1993 I, S. 2533, 2568 (Tz. 15 – 17) – Corbeau; ferner EuGH, Urteil vom 27. 4. 1994, Slg. 1994 I, S. 477, 1521 (Tz. 49) – Almelo. 163 164
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ihre Anwendung nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert.“ Dass die Quersubventionierung im Dienste der Erschwinglichkeit basaler Infrastrukturleistungen eine solche Aufgabe sein kann, die durch freien Markt und Wettbewerb verhindert wird, zählt heute zur gefestigten Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofes.166 Inwieweit es indes auch (ökonomisch) zweckmäßig ist, das Erschwinglichkeitsziel (ausgerechnet) durch staatliche Aufgabenmonopole und Quersubventionierungen zu verfolgen, bleibt – im Lichte der vorstehenden Zweifelsfragen – noch genauer zu prüfen.
b) Anreize Optionen der Preisregulierung und preisregulierte Konzessionsmodelle sind jedenfalls als alternative Ansätze zu würdigen, die dem Erschwinglichkeitsziel u. U. mit geringerer Marktbeschränkung Rechnung tragen könnten als staatliche Monopole. Die kartellrechtliche Preisaufsicht der Wasserpreise, die gegenwärtig von sich reden macht, dient indes nicht primär dem Ziel der Erschwinglichkeit, sondern zunächst allein der Abwehr von Marktmacht-Missbrauch, was jedoch gewisse Kollateral-Leistungen im Bereich der „Erschwinglichkeit“ von Wasserdiensten impliziert. Hier gehen Wettbewerbs- und Kosteneffizienzansätze (im Interesse des Verbrauchers) sowie Erschwinglichkeitserwartungen durchaus Hand in Hand.
c) Organisation Unter Kompetenzgesichtspunkten wird insbesondere die Rollenverteilung zwischen sozialstaatlichen Alimentationsinstrumenten und wasserwirtschaftlichen Subventionsansätzen zu thematisieren sein.167 Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, inwieweit es Sache der Gemeinden sein soll, über den Grad der solidarischen Organisation, des Leistungsniveaus und der Finanzierung öffentlicher Daseinsvorsorgeleistungen zu entscheiden.168
X. Lastenäquivalenz 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Mit dem Begriff der Lastenäquivalenz sind zwei miteinander eng verbundene Zielkomponenten der Nachhaltigkeit gemeinsam angesprochen, nämlich die Bedin166 Grundlegend EuGH, Urteil vom 19. 5. 1993, Slg. 1993 I, S. 2533, 2568 (Tz. 15 – 17) – Corbeau; ferner EuGH, Urteil vom 27. 4. 1994, Slg. 1994 I, S. 477, 1521 (Tz. 49) – Almelo. 167 Gawel / Bretschneider (2012b), S. 353, 357 f. 168 Siehe u. a. Papier (2003).
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gung der „gerechten“ Lastenverteilung und die Notwendigkeit der dauerhaften, auskömmlichen Refinanzierung. Die gerechte Verteilung der Lasten, die mit den Ver- und Entsorgungsleistungen verbunden sind, ist eine weithin geläufige Zielsetzung der Nachhaltigkeit. Dies betrifft zunächst die Lastenverteilung innerhalb der heutigen Nutzergeneration (intragenerationell) wie auch die gerechte Lastenverteilung zwischen dieser und den kommenden Nutzergenerationen (intergenerationell).169 Grundsätzlich lässt sich als „gerechte“ Lastenverteilung dem Verursacherprinzip entsprechend fordern, dass jeder Nutzer und jede Nutzergemeinschaft die Kosten der von ihnen in Anspruch genommenen Ver- und Entsorgungsleistung trägt und mithin keine Kosten auf andere Nutzer derselben oder einer kommenden Nutzergeneration externalisiert werden. 170 Intra- und intergenerationengerechte Lastenverteilung sind institutionell zu gewährleisten, und systematische Gerechtigkeitslücken sind zu vermeiden.171 Die verursachergerechte, volle Kostenanlastung ist indes nicht nur Ausdruck allgemeinen Gerechtigkeitsempfindens, sondern wesentlicher Anreiz für nachhaltiges Konsumverhalten und Grundbedingung für dauerhaft tragfähige Wirtschaftsführung. Eine Infrastrukturwirtschaft, die Kosten systematisch auf künftige Nutzergruppen oder auf die Allgemeinheit verlagert, ist offenkundig nicht nachhaltig; sie ist wirtschaftlich nicht dauerhaft tragfähig und vermittelt zudem Verschwendungsanreize. Auch im Interesse der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit ist daher anzustreben, dass jeder Nutzer und jede Nutzergeneration den ihrer Nutzung entsprechenden Kostenanteil kompensiert. Letzteres muss prinzipiell auch für die externen Kosten gelten, die die Wasserdienstleistungen insbesondere durch Verbrauch und Verschmutzung von Umweltgütern verursachen. Kosten der Wiederherstellung dieser Umweltgüter oder des entgangenen Umweltnutzens müssen unter dem Gesichtspunkt „nachhaltiger“ Lastenäquivalenz ebenfalls den Leistungsempfängern angelastet werden, um eine Kostenverlagerung zu vermeiden, nachhaltige Vermeidungsanreize zu setzen und um auch insoweit eine – wenigstens kompensatorische – Wiederherstellung der verzehrten Werte zu erreichen. Die Forderung nach vorteils- und verursachungsäquivalenter Kostenanlastung erscheint also aus mehreren Gründen einleuchtend. Ihre Umsetzung ist gleichwohl mit erheblichen Konflikt, Zurechnungs- und Berechnungsfragen verbunden. Ein grundsätzlicher, oben bereits erwähnter Zielkonflikt ergibt sich insbesondere gegenüber dem Grundversorgungs- und Erschwinglichkeitsziel. Die dadurch geforderte Kostenumverteilung muss aus Perspektive des Verursacherprinzips ungerecht erStellvertretend Rogall (2008), S. 29 ff. Für ein Beispiel, dass möglicherweise selbst in Trinkwasserschutzgebieten Schutzkosten als intergenerationales Problem verstanden werden müssen, siehe Geyler (2008). 171 Demgegenüber ist eine Lastausteilung nach Leistungsfähigkeit dem konkurrierenden Gerechtigkeitskonzept der iustitia distributiva verpflichtet; dies wird eher durch die generelle und vorteilsabstrakte Erschwinglichkeit ausgedrückt (siehe IX.). 169 170
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scheinen und mindert den Anreiz der Begünstigten und der Leistungserbringer, sich realen Knappheits- und Kostenverhältnissen anzupassen. Berechnungs- und Zurechnungsprobleme stellen sich etwa hinsichtlich zulässiger Kreditfinanzierungen, Abschreibungs- und Wagnisbemessung sowie Bemessung und Zurechnung von Umweltkosten. Eine weitere wesentliche Herausforderung liegt darin, die dem Refinanzierungszweck entsprechende Mittelverwendung sicherzustellen. Auch dies ist eine notwendige Bedingung der Lastenäquivalenz, die besondere Beachtung verdient. Dass die von einer Nutzergeneration erhobenen kostenäquivalenten Mittel auch tatsächlich dazu verwendet werden, den entstanden Werteverzehr zu kompensieren und die Substanz der Infrastrukturen zu erhalten, ist ein zwingendes Erfordernis mindestens der intergenerationellen Lastenäquivalenz. Andernfalls werden zwar kostenäquivalente Preise berechnet, die Lasten gleichwohl auf künftige Nutzergenerationen verlagert. Dieser Aspekt der Lastenäquivalenz ist keineswegs trivial, zeigt doch die Praxis der kommunalen Wasserdienstleistungen eine gravierende Tendenz dazu, die – kostendeckend – kalkulierten Gebühreneinnahmen partiell für den allgemeinen Kommunalhaushalt zu vereinnahmen und zulasten der Infrastruktursubstanz ganz anderen Zwecken zukommen zu lassen.172 Eine zentrale Herausforderung besteht deshalb unter dem Gebot der Lastenäquivalenz auch darin, die vollständige zweckgerechte Verwendung der kostendeckend erhobenen Refinanzierungsmittel zu gewährleisten. Was die Wasserversorgung im Besonderen betrifft, so sind Kostenverursacher in erster Linie die Anschlussnehmer bzw. Wasserverbraucher. Sie sind als Vorteilsnehmer zugleich Veranlasser der Versorgungsleistung und der durch die Wasserentnahme ggf. verursachten Faktor-, Umwelt- und Ressourcenkosten. Wird der Faktoraufwand der Wasserversorgung noch durch externe Einflüsse verteuert, so wären als Verursacher auch diese Kostenquellen (Landwirte, Anlagenbetreiber) heranzuziehen. Indes stellen sich dabei Zurechnungs- bzw. Verteilungsfragen im Verhältnis der Anschlussnehmer (als Zweckveranlasser) und der „externen“ Kostenverursacher. Auch was die „wahren“ Umweltkosten betrifft, stellen sich mitunter schwierige Bemessungsprobleme.173 Für den Bereich der Abwasserentsorgung gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß. Umweltkosten der Abwasserentsorgung sind die durch das Abwasser verursachten Beeinträchtigungen der Gewässer. Die Abwasserentsorgung sieht sich heute vielerorts gerade dadurch vor erhebliche Nachhaltigkeitsprobleme gestellt, dass das Gebot der Lastenäquivalenz über lange Zeiten nicht beachtet, sondern auf Kosten der Substanz gewirtschaftet worden ist.
Dazu Gawel (2011); ders. (2012b). Die Ressourcenkosten können auf Opportunitätskostenbasis danach bemessen werden, welcher alternative Nutzwert bei konkurrierenden Nutzungsoptionen entgeht. Siehe dazu Gawel (2014) mit weiteren Nachweisen aus dem gemeinsamen Implementationsprozess CIS zu Art. 9 WRRL. 172 173
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2. Institutionelle Grundlagen und Optionen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Funktionierender Wettbewerb schafft bei den konkurrierenden Anbietern regelmäßig starke Anreize zur kostenäquivalenten Preiskalkulation. Wo hingegen – wie typischerweise bei den Wasserdienstleistungen – Gebietsmonopole bestehen, können andere Motive der Preisbildung und Kostenverteilung zum Tragen kommen. Insbesondere ist damit zu rechnen, dass die Monopolisten ihre Marktmacht dazu verwenden, Monopolrenten abzuschöpfen. Dies gilt grundsätzlich auch für die öffentlichen Aufgabenträger, die allerdings aus politischen Gründen auch zu einer kostenunterdeckenden Gebührenbemessung gedrängt sein können. Die öffentlichen Versorgungsträger sind überdies im Grundversorgungsbereich dazu angehalten, erschwingliche Wasserpreise zu gewähren. Darin liegt sogar ein wesentlicher Grund für die öffentliche Alleinzuständigkeit, dass nämlich dadurch eine Lastenumverteilung zugunsten solcher Räume, die nur zu vergleichsweise hohen Kosten zu versorgen sind, überhaupt erst ermöglicht wird (siehe bereits oben IX.1. zum Erschwinglichkeitsziel). Zur Lastenäquivalenz hingegen trägt die öffentliche Alleinzuständigkeit nicht per se bei. Vielmehr besteht gegenüber den öffentlichen Aufgabenträgern die zusätzliche staatliche Verantwortung dafür, durch ordnungs- und preisrechtliche Rahmensetzungen für eine lastenäquivalente Kostenanlastung und Einnahmeverwendung zu sorgen und Subventionen zu unterlassen, die eine solche Kostenanlastung konterkarieren.
b) Ordnungsrecht Ordnungsrechtliche Rahmensetzungen können dem Gebot der Lastenäquivalenz vor allem dadurch dienen, dass sie bestimmte Lasten und Kosten gar nicht erst zur Entstehung kommen lassen, indem die ursächlichen Handlungen wie z. B. Schadstoffeinleitungen schlicht verboten oder beschränkt werden. In diesem Sinne bewirkt jede Bestimmung, die Beeinträchtigungen der Rohwasserquellen unterbindet und damit den potenziellen Verursachern entsprechenden Vermeidungsaufwand aufbürdet, ein Stück Lastenäquivalenz. Auf der Kehrseite dieser Umweltbelastungsbeschränkungen stellt sich allerdings auch die Frage, ob durch sie gleichsam die „erlaubten“ Kosten, die mit danach noch zulässigen Belastungen verbunden sind, der Allgemeinheit aufgebürdet werden, oder ob auch diese „Restkosten“ gleichwohl verursachungsäquivalent angelastet werden sollten, z. B. durch Umweltabgaben.174
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Siehe dazu die Ausführungen in Gawel et al. (2011), S. 69 ff.
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c) Anreize und Finanzierung Der Lastenäquivalenz – jedenfalls auch – dienende preisliche Rahmensetzungen sind bekanntermaßen bereits verschiedentlich vorhanden. An erster Stelle ist hier das gebührenrechtliche Kostendeckungsprinzip zu nennen, mit dem die Gemeinden in Deutschland regelmäßig landesrechtlich verpflichtet werden, Gebühren in kostendeckender Höhe zu erheben.175 Außerdem sieht das Gebührenrecht in der Regel vor, dass Eigenkapitalzinsen und Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwert als Kosten geltend gemacht werden können, so dass eine zur Substanzerhaltung hinreichende Kostenanlastung prinzipiell möglich ist.176 Der Kostendeckungsgrundsatz ist indes primär kollektiv dahin zu verstehen, dass die Gesamtheit der Gebührenzahler die Gesamtheit der Kosten zu decken hat. Für die individuelle Lastenverteilung, die sog. Bemessung (Verteilung der ansatzfähigen Kosten auf den einzelnen Nutzungsfall), gelten hingegen je nach Landesrecht eine Vielzahl an Regelungen, die Aspekte der Leistungsproportionalität, aber auch Umweltgesichtspunkte und soziale Ziele einschließen.177 In der Praxis sind zudem vielfach Privilegierungen für Großkunden der Industrie und Landwirtschaft anzutreffen, die Wasserversorgung zu weitaus günstigeren Preisen erhalten als Haushalte, z. B. durch degressive Tarife. Auch dies wird unter dem Gesichtspunkt der Lastenäquivalenz zu überprüfen sein, aber auch mit Blick auf Fehlanreize, die sich gegenüber den Geboten der Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit ergeben können. Vom gebührenrechtlichen Kostendeckungsgrundsatz gar nicht erfasst sind die „externen“ Umwelt- und Ressourcenkosten. Ansatzweise werden diese Kosten in Deutschland durch die (auf Restverschmutzungen des Abwasserstromes erhobene) Abwasserabgabe und in einigen Bundesländern durch Wasserentnahme-Entgelte geltend gemacht. Freilich kann von einer umfassenden Kostenanlastung hier nicht die Rede sein,178 und unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist daher weiterhin zu fragen, wie eine volle Anlastung auch der externen Kosten zu erreichen wäre. Diese Frage stellt sich insbesondere mit Blick auf Art. 9 EU-Wasserrahmenrichtlinie, der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, kostendeckende Preise für Wasserdienstleistungen zu erheben, und zwar einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten. Die Mitgliedstaaten haben außerdem dafür zu sorgen, dass die Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für die Benutzer dazu vermittelt, Wasserressourcen effizient zu nutzen, und ferner, dass die verschiedenen Wassernutzungen (Industrie, Haushalte und Landwirtschaft) zur Deckung der Kosten der WasserSiehe z. B. § 14 Abs. 1 KAG BW; § 6 Abs. 1 KAG NW; § 5 Abs. 1 NKAG. Vgl. Heßhaus (1997), S. 96; Böttcher (1998), S. 81; Gawel (1999), S. 16 ff, insbes. S. 55 ff. 177 Dazu Brüning, in: Driehaus (2015), § 6, Rn. 202 ff.; Schulte / Wiesemann, in: Driehaus (2015), § 6, Rn. 209 ff. mit jeweils weiteren Nachweisen. 178 Vgl. Gawel (2012a); ders. (2015d). 175 176
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dienstleistungen einen angemessenen Beitrag leisten. Wenngleich das Unionsrecht den Mitgliedstaaten hierzu erhebliche Ermessens- und Ausnahmespielräume einräumt (nach Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 WRRL), sind damit jedenfalls zentrale Steuerungserfordernisse der Nachhaltigkeit und Lastenäquivalenz benannt, deren institutionelle Realisierung zu diskutieren ist.179 Als eine zentrale Frage der „ökonomischen“ Steuerung wird schließlich auch zu prüfen sein, wie institutionell besser gewährleistet werden kann, dass auf der Basis kostendeckender Gebühren die vereinnahmten Mittel auch tatsächlich lastenäquivalent und substanzerhaltend eingesetzt werden (dazu bereits oben). Unter diesem Aspekt sind das kommunale Wirtschafts-, Gebühren- und Haushaltsrecht der Länder,180 aber auch das einschlägige Wasserrecht und die Organisationsstrukturen der Siedlungswasserwirtschaft zu hinterfragen. Wahrscheinlich ist zur Sicherung der nachhaltigen Refinanzierung und Reinvestition auch eine langfristige Entwicklungsplanung zu verlangen, auf deren Grundlage der langfristige Finanzierungsbedarf abgeschätzt und kalkuliert werden kann. Das gilt vor allem auch dann, wenn Ressourcen für Systemwechsel bereitgestellt werden müssen.
d) Organisation Organisation und Kompetenzverteilung sind für das Ziel der Lastenäquivalenz insbesondere insoweit von Belang, als sie die Einbeziehung bestimmter Kosten-Mitverursacher, die jedoch einer gesonderten Ressortzuständigkeit unterliegen, erheblich erschweren können. So besteht nach geltendem Recht z. B. keine wasserwirtschaftliche Kompetenz dazu, die Landwirtschaft zu den Kosten heranzuziehen, die durch landwirtschaftliche Schad- und Nährstoffeinträge verursacht werden. Mit Blick auf das Gebot der Lastenäquivalenz ist daher zu untersuchen, mithilfe welcher institutionellen Arrangements solche Ressort-Hürden ggf. überwunden werden können.
XI. Akzeptanz 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Nachhaltig können nur diejenigen technologischen und institutionellen Lösungen sein, die bei Nutzern, Versorgungsverantwortlichen und Drittbetroffenen auf ausreichende Akzeptanz stoßen. Akzeptanz ist zum einen ein Wert an sich – als Ausdruck der Zufriedenheit und des Einvernehmens über einen bestimmten Versorgungszustand oder Standard. Akzeptanz ist aber auch eine zentrale Umsetzungsbedingung 179 Näher dazu u. a. Gawel (2014); Lindhout (2013); Reese (2013); Desens (2008); Kolcu (2008); Reinhardt (2006) und Unnerstall (2006). 180 Zu einer entsprechenden Analyse der Verwendung von Gebührenmittel siehe etwa Gawel (2011).
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und namentlich Voraussetzung dafür, dass die jeweiligen Lösungen von den Akteuren auf Dauer mit getragen, und nicht obstruiert werden.181 Zielkonflikte ergeben sich daher hinsichtlich solcher Ver- und Entsorgungslösungen, die – jedenfalls in der Betroffenenwahrnehmung – mit erheblichen Kostenbelastungen oder Eingriffen in privates Eigentum oder Komforteinbußen verbunden sind. Auch massive Eingriffe in das Landschafts- oder Stadtbild haben regelmäßig mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Akzeptanzproblemen begegnet ferner die Aufbereitung von Abwasser zu Trinkwasserzwecken, weil trotz hygienischer Unbedenklichkeit der „Ekelfaktor“ überwiegen kann.182 In Deutschland herrscht traditionell die Vorstellung vor, das Trinkwasser als „Lebensmittel Nr. 1“ möglichst rein zu sein hat von nicht natürlichen Inhaltsstoffen. Versorgungslösungen, die dies nicht gewährleisten, stoßen daher auf Akzeptanzprobleme. Dies gilt namentlich auch für Wettbewerbslösungen, die auf längere Ferntransporte und Durchleitungssysteme setzen, bei denen ausreichende Hygiene nur mit Chemikalienzusätzen gewährleistet werden kann. 183 Schließlich geht es auch um Akzeptanz von dezentralen oder neuartigen Lösungen, die – wie grundstücksbezogene Kleinkläranlagen oder Anlagen zur Regenwasserbewirtschaftung –, die Nutzer der Infrastrukturleistungen stärker in die Erstellung derselben einbinden.184 Andererseits wird die Akzeptanz einer siedlungswasserwirtschaftlichen Option samt ihrer Nachteile wesentlich davon profitieren, wenn sie erkennbar mit den hier dargelegten Nachhaltigkeitsgeboten im Einklang steht und daher einsichtig ist, dass die Option im besonderen Gemeinschaftsinteresse liegt. Technisch sind daher Versorgungs- und Entsorgungslösungen anzustreben, deren nachteilige Effekte – z. B. höhere Preise oder geringere Leistungsqualität, notwendige Eigeninvestitionen der Grundstückseigentümer, Geruchsbelästigungen, Eingriffe in das Landschaftsbild oder in die Siedlungsstruktur – um der Vorteile willen als notwendige Opfer akzeptiert werden können. Akzeptanz setzt indes nicht nur voraus, dass für die getroffenen Entscheidungen gute Gemeinwohlgründe benannt werden. Entscheidend ist zudem – wie die Erfahrungen mit größeren Infrastrukturvorhaben zeigen185 –, dass die Betroffenen in die 181 Der Begriff der Akzeptanz wird in der wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich verwendet. Einen Überblick zu vorherrschenden Definitionen liefert Kollmann (1996), S. 60 – 122. 182 Vgl. Russel / Lux (2009). 183 Vgl. Mehlhorn (2001); Besche (2004); für eine internationale Literaturauswertung zu den gegenwärtig noch sehr begrenzten Kenntnisstand bzgl. der Akzeptanz von alternativen Wasserversorgungssystemen und relevanten Einflussfaktoren, siehe Mankad / Tapsuwan (2011). 184 Grundsätzlich zu der Adoption von Innovationen, siehe Rogers (2003); speziell zu dezentralen Regenwasseranlagen, siehe z. B. Schwarz (2007); Parsons et al. (2010); alternative Lösungen, siehe Geyler et al. (2014). 185 Siehe die bundesweite Umfrage „Akzeptanzprobleme großer Infrastrukturprojekte“ des Instituts für Demoskopie Allensbach, vgl. o. V. (2015).
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Entscheidungsfindung frühzeitig eingebunden werden, dass ihnen Gelegenheit gegeben wird, ihre Belange vorzubringen und dass diese Belange in der Entscheidungsfindung jedenfalls auch erwogen werden.186 Damit zusammenhängend kann Akzeptanz nur erwartet werden, wenn mögliche Alternativen einbezogen und ergebnisoffen geprüft werden und wenn der Entscheidungsprozess und die Begründung transparent und nachvollziehbar gemacht werden.187 Nicht zu unterschätzen ist schließlich die Bedeutung von Kompensationen für aufgebürdete Sonderopfer. All dies zu gewährleisten, ist vor allem auch eine institutionelle Herausforderung.
2. Institutionelle Grundlagen und Fragestellungen Soweit die Akzeptanz die Begründbarkeit einer Infrastrukturentscheidung im Sinne der hier erörterten Nachhaltigkeitsziele voraussetzt, ist auf die institutionellen Erfordernisse dieser Ziele zu verweisen, und es ist wiederum zu vermuten, dass für Entscheidungen, die in einem der Nachhaltigkeit dienenden InstitutionenArrangement getroffen werden, eine vergleichsweise hohe Akzeptanz erwartet werden darf.
a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Was die Wahrnehmung der Versorgungsaufgaben betrifft, so dürfte sich aus dem Akzeptanzgesichtspunkt ein relativer Vorzug der staatlichen Aufgabenträgerschaft jedenfalls für solche (insb. Anschluss- und Benutzungs-)Zwänge ergeben, die aus einer Monopolstellung des Wasserver- und Abwasserentsorgungsträgers folgen. Die staatliche Aufgabenträgerschaft signalisiert insoweit die gemeinnützige Zwecksetzung des Monopols und der damit verbundenen Freiheitsbeschränkungen. Letzteres dürfte in besonderem Maße dann zutreffen, wenn die Infrastrukturleistungen von der Trägerkommune sichtlich solidarisch und auf Grundlage politischer Erörterungen und demokratischer Beschlüsse gestaltet werden. Im Falle einer privaten Aufgabenerfüllung wäre mit gesteigerter Akzeptanz vor allem insoweit zu rechnen, wenn den Nutzern dadurch echte Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Optionen und Anbietern eröffnet wird, die dann gewissermaßen mit einander in Wettbewerb treten. Möglichkeiten dazu bieten sich u. U. dort, wo dezentrale Ver- und Entsorgungslösungen ohne technische und wirtschaftliche Verwerfungen im Gesamtsystem zum Einsatz kommen können.188 Dort, wo ein zentra186 Dazu und für einen aktuellen Überblick über die breite Debatte zu Akzeptanzproblemen und Mitteln zu ihrer Behebung siehe Renn et al. (2014). 187 Vgl. Renn et al. (2014), S. 283 ff., mit weiteren Nachweisen. 188 Die technische Wahlfreiheit ist gegenwärtig insbesondere bei grundstücksbezogenen dezentralen Regenwasseroptionen gegeben, da Regenwasser z. B. zentral abgleitet, versickert oder zur Gartenbewässerung bzw. als Brauchwasser wiedergenutzt werden kann, siehe Geyler /
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ler Anschluss wirklich mit dezentralen Konzeptionen konkurriert, werden finanzielle Effekte für die Betroffenen, aber auch Leistungsmerkmale bei der Akzeptanz eine Rolle spielen.189 Im Übrigen liegt es unabhängig von der Aufgabenträgerschaft in der staatlichen Regelungsverantwortung, die Akzeptanz der Infrastrukturentscheidungen durch Pflichten und Verfahren zur Ermittlung von Betroffenheiten und Risiken, zur Gewährleistung von Information, Transparenz, Beteiligung und fairer Abwägung sowie gerechter Kompensationen zu fördern. b) Anreize Kosten sind sicherlich ein bedeutsamer Akzeptanzfaktor, und preisliche Steuerung kann Einfluss darauf nehmen, wie bestimmte oktroyierte Gemeinschaftslösungen akzeptiert werden, aber auch darauf, wie gut optionale Alternativen der dezentralen, eigenständigen Ver- und Entsorgung Anklang finden. In preislicher Hinsicht wird allgemein eine Steuerung beitragen, die auf Erschwinglichkeit und gerechte Lastenverteilung abzielt. Beide Zielsetzungen sind – wie oben unter IX.2 dargelegt – bereits im geltenden Recht angelegt, stehen allerdings auch in einem Spannungsverhältnis, das nicht klar aufgelöst ist. Allerdings hängt die Akzeptanz auch maßgeblich von weiteren Systemeigenschaften ab, wobei hierbei die wahrgenommenen ökonomischen, umweltbezogenen und sozialen Vorteile hineinspielen, aber auch die Kompatibilität mit bestimmten Bedürfnissen, Gewohnheiten und Werten sowie Aspekte der Komplexität, Testbarkeit und Sichtbarkeit der Effekte für andere.190 Gleichwohl dürfte für die Akzeptanz innovativer dezentraler Lösungen der Abwasserverwertung und Regenwasserrückhaltung und -versickerung sehr bedeutsam
Bedtke / Gawel (2015). Bei dezentralen Grundstückskläranlagen sind zwar auch vielfältige Optionen verfügbar, dabei werden aber noch nicht alle Optionen akzeptiert. So fehlt die Akzeptanz von alternativen Lösungen, obwohl diese Vorteile bei Kosten und ökologischen Wirkungen bieten könnten, siehe hierzu Walther et al. (2013); Geyler et al. (2014). Zu Wahlmöglichkeiten bei Organisationsmodellen zum Betrieb von Kleinkläranlagen siehe Geyler / Haendel / Holländer (2010). 189 Bzgl. Regenwasser siehe Geyler / Bedtke / Gawel (2015). Bei Schmutzwasserentsorgung wird die Entscheidung zur Nutzung zentraler oder dezentraler Lösungen durch die Aufgabenträger getroffen und nicht durch den Grundstückseigentümer (siehe z. B. Kleinkläranlagenverordnung vom 19. Juni 2007 für Sachsen). Hierbei sind auch Beispiele bekannt, dass die Bürger von ländlichen Ortsteilen intervenieren, um zentral angeschlossen zu werden, vgl. Kippig / Förster (2013). Dem Komfort einer zentralen Aufgabenerbringung kommt hier offenbar eine gewisse Bedeutung zu. 190 Vgl. Rogers (2003), S. 221 ff. Auch spielen Personenmerkmale der Betroffenen eine wichtige Rollle. So werden Personen bzgl. ihrer Bereitschaft, innovative Lösungen aufzugreifen, in soziale Milieus eingeordnet. Für ein Anwendungsbeispiel in Bezug auf grundstücksbezogene Regenwassertechnologien, siehe Schwarz (2007).
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sein, wie eine derartige Eigenerfüllung der Wasserver- und Abwasserentsorgungsaufgaben in der Gebührenbemessung honoriert wird. Die geltende Rechtslage hierzu ist von einer Vielfalt unterschiedlicher landesund kommunalrechtlicher Gebührenregelungen geprägt, und auch aus dem Akzeptanzgesichtspunkt heraus erscheint es geboten, diese gebührenrechtliche Regelungsvielfalt auf den Nachhaltigkeitsprüfstand zu stellen. Eine weitere, das Gebührenaber auch Organisationsrecht betreffende „Preisfrage“ der Akzeptanz ist, wie etwa ein größerer, kostenträchtiger Systemumbau finanziert werden kann, ohne die „finanzielle Akzeptanzschwelle“ der Nutzer zu überschreiten. c) Ordnungsrecht und Planung Verfahrensrechtlich können (auch) zur Erzeugung von Akzeptanz Transparenz-, Beteiligungs-, Erörterungs- und Begründungspflichten vorgesehen werden, um sicherzustellen, dass die Betroffenen ihre Belange einbringen können, dass ihre Belange gewissenhaften geprüft, Konflikte frühzeitig erkannt und abgearbeitet und gefundene Lösungen nachvollziehbar begründet werden. Im geltenden Umwelt- und Planungsrecht spielen solche Verfahrensregelungen bekanntlich eine große Rolle, wobei sich umfängliche Beteiligungsregelungen auf den Bereich großer, ausgreifender Raumplanungen sowie Bau- und Infrastrukturvorhaben konzentrieren. Der flächenhaften Planung und den Systementscheidungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung kann allerdings der Charakter eines solchen Großprojektes durchaus zugeschrieben werden. Hier könnten vermutlich Transparenz-, Beteiligungs- und Begründungspflichten Wesentliches zur Informationsbeschaffung und Akzeptanz beitragen. Wie schon wiederholt dargelegt wurde, fehlt jedoch für diese Infrastrukturentscheidungen ein formales Planungsinstrument, an das eine Akzeptanz bringende Beteiligung und Kommunikation anknüpfen könnte, so wie dies im Bauplanungsrecht für die Bebauung oder im Fachplanungsrecht für diverse große Infrastrukturvorhaben vorgesehen ist. Mithin ist auch aus dem Gesichtspunkt des Akzeptanzgebotes zu prüfen, ob nicht für die Siedlungswasserwirtschaft eine formale Planungsinstitution geschaffen werden sollte.191
XII. Wissen, Forschung und Innovation 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Grundvoraussetzung für die weitgehende Umsetzung aller o. g. Kernziele ist eine möglichst breite Wissensbasis, die durch Forschung und Innovation kontinuierlich zu erweitern ist. Zu der Wissensbasis zählt zunächst das technische Wissen über die 191
Siehe deshalb und dazu in Band 2 dieses Werkes den Beitrag von Wickel (2015).
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Möglichkeiten fortschrittlicher Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung sowie Abwasserentsorgung. Ferner zählt dazu das Wissen über die maßgeblichen natürlichen und sozialen Rahmenbedingungen. In letzterer Hinsicht sind vor allem auch belastbare Projektionen gefragt, und dies setzt vertiefte Kenntnisse der Triebkräfte und Kausalzusammenhänge insbesondere der klimatischen und demographischen Entwicklungen voraus. Wissen in prognostischen Zusammenhängen bedeutet aber auch: Wissen um Unwissen und Umgang mit Unwissen. Wenn es um bedeutende Infrastrukturentscheidungen geht, müssen Unsicherheiten erkannt, und offen gelegt, verschiedene mögliche Entwicklungsverläufe möglichst durch Szenarien abgebildet und Handlungsstrategien entwickelt werden, die sich in möglichst allen Entwicklungsverläufen bewähren können. Die technische, naturwissenschaftliche Herausforderung reicht dabei in den Bereich der Wissenschaft hinein. Sie liegt auch darin, durch Forschung das lückenhafte Wissen über die regionalen Folgeentwicklungen des Klimawandels und deren Auswirkungen auf die Wasserwirtschaft zu verbessern.192 Gleiches gilt für die demographischen, sozialen, technischen und siedlungsstrukturellen Entwicklungen. Voraussetzung sind detaillierte regionale Beobachtungsprogramme und fortschrittliche, stetig verbesserte Modellierungen. Technisch und wirtschaftlich geht es sodann darum, nachhaltige, tragbare Zukunftslösungen zu entwickeln. Die Herausforderung besteht hier neben den i. e. S. wissenschaftlich-forschungspolitischen Aufgaben auch darin, durch die Forschung und in der Praxis Innovationen zu fördern.193
2. Institutionelle Grundlagen, Optionen und Fragestellungen a) Staatliche Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung Für die Frage nach der Staatsverantwortung ist von Bedeutung, dass das Wissen über die äußeren, demographischen, klimatischen, und sozialen Rahmenbedingungen der Siedlungswasserwirtschaft in vieler Hinsicht den Charakter eines „öffentlichen Gutes“ trägt. Vielfach kann dieses Wissen nicht durch einzelne Bürger und Unternehmen alleine generiert werden, noch sollte es einem exklusiven Zugang unterliegen. Damit verbindet sich die Vermutung, dass der staatlichen / kommunalen Gemeinschaft eine zentrale Verantwortung für die Erzeugung und Bereitstellung dieser Wissensgrundlagen zukommen muss, und in diesem Sinne wird insbesondere zu prüfen sein, auf welchen Wegen und von welchen Kollektiven die Wissensvermehrung gemeinschaftlich getragen, gefördert oder gefordert werden sollte. Keineswegs muss dies immer eine Aufgabe der Allgemeinheit sein. In Betracht kommt
192 Siehe dazu Hasse / Wienert / Bolle (2012); Keßler / Nilson / Koflak (2012); Reese (2010b), S. 191. 193 Stellvertretend Hillenbrand et al. (2013) mit weiteren Nachweisen.
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vielmehr auch das Kollektiv der Wassernutzer, der Dienstleistungsträger sowie Betreiber bestimmter Anlagen [siehe sogleich zum Ordnungsrecht c)]. Was die Suche nach neuen Technologien nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft betrifft, so ist mit Blick auf die – hier besonders dominante – Rolle des Staates insbesondere auch zu überlegen, inwieweit die Innovationskraft des Wettbewerbs gegenüber den öffentlichen Leistungsmonopolen stärker fruchtbar gemacht werden kann. In dieser Frage dürften die kognitiven Nachhaltigkeitserfordernisse grundsätzlich für eine Marktöffnung streiten, die Notwendigkeit langer Planungssicherheit für Umweltinnovationen eher für öffentliche Strukturen.194
b) Ordnungsrecht Wissensgenerierung wird überwiegend dem Leistungsbereich der Staatsaufgaben zugerechnet, selten wird dies hingegen auch als ordnungsrechtliche Regulierungsaufgabe diskutiert. Dabei ist im Recht schon seit langem eine Zunahme von Ermittlungspflichten zu verzeichnen – wie Pflichten zu Datenermittlung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Alternativenprüfung, Sachverständigen- und Betroffenenbeteiligung, Monitoring und zyklischer Überprüfung von Tatsachenannahmen – die ganz erheblich dazu beitragen (können), dass sowohl öffentliche als auch private Akteure entscheidungsrelevantes Tatsachen- und „Nachhaltigkeitswissen“ generieren. Diese ordnungsrechtlichen Mittel der Wissensgenerierung sind daher unbedingt mit in Betracht zu ziehen, und in einem Gesamtkonzept der nachhaltigen Rahmensetzung wird auch zu entscheiden sein, inwieweit die Entnahme von Wasser, die Einleitung von Abwasser, der Betrieb von Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen und schließlich die gesamte Planung der Wasserver- und Abwasserentsorgungssysteme mit (weiteren) Ermittlungs-, Aufklärungs- und u. U. auch Forschungspflichten belegt werden sollten. Nach geltendem Recht setzt die Erlaubnis von Gewässerbenutzungen wie insbesondere auch Wasserentnahmen und Einleitungen voraus, dass „schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare oder nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen nicht zu erwarten sind“. Insofern trifft die zuständige Behörde und den Antragsteller eine Ermittlungs- bzw. Darlegungspflicht, dass kein relevantes Risiko einer solchen schädlichen Einwirkung auf das Gewässer besteht. Eine formelle Umweltverträglichkeitsprüfung, die dem Antragsteller weitergehende Ermittlungen, transparente Berichterstattung und ggf. eine Öffentlichkeitsbeteiligung auferlegt, ist für den Bereich siedlungswasserwirtschaftlicher Vorhaben vor allem in Bezug auf größere Kläranlagen (Anlage 1 Nr. 13.1 zum UVPG), Entnahmen von größeren Mengen Grundwasser (Nr. 13.3), Tiefbohrungen zum Zwecke der Wasserversorgung (Nr. 13.4) sowie bei großen Stauwerken und Speicheran-
194
Vgl. Hillenbrand et al. (2013), S. 12.
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lagen (13.6) vorgeschrieben. Die Umweltverträglichkeitsprüfung beschränkt sich freilich auf die Umweltauswirkungen des jeweiligen Projektes und beinhaltet keine Prüfung sonstiger Nachhaltigkeitsfaktoren wie etwa die Vereinbarkeit mit demographischen Entwicklungen oder die (klimabedingte) Vulnerabilität.195
c) Planung Planungsinstrumente dienen typischerweise der Bewältigung komplexer mit hohem Koordinierungsbedarf einhergehender Problemstellungen. Zur Planung gehört regelmäßig auch eine den Planungsgegenstand umfassende, gründliche Ermittlung der kognitiven und prognostischen Entscheidungsgrundlagen (Assessment). Um ein gründliches Assessment zu sichern, normiert modernes Planungsrecht mitunter besondere Anforderungen an die Gegenstände, Tiefe, Darstellung und Nachprüfung der Ermittlungen. So normiert insbesondere die Wasserrahmenrichtlinie detaillierte Pflichten zur Bestandsaufnahme über den Gewässerzustand sowie Gewässerbelastungen und deren Quellen als Teil der zyklischen Bewirtschaftung. Gemäß Artikel 5 WRRL sind namentlich alle sechs Jahre die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwassers zu überprüfen, und zwar nach Maßgabe detaillierter technische Spezifikationen der Anhänge II und III. Die Bestandsaufnahme umfasst bemerkenswerter Weise auch „eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung“ (Art. 5.1 3. Anstrich WRRL), geht also über die Umweltfolgen hinaus auch auf die ökonomische Nachhaltigkeitsdimension ein. Die Bestandsaufnahme nach der WRRL bezieht sich indes auf die Flussgebietsbewirtschaftung nach Art. 13 und 11 WRRL resp. § 82 f. WHG und deren Ziele des guten Gewässerzustands gemäß Art. 4 WRRL resp. § 27 ff. WHG. Ebenso wenig wie die Flussgebietsbewirtschaftung ein Instrument zur Planung der Siedlungswasserwirtschaft darstellt, erstreckt sich daher die Bestandsaufnahme auf die Wasserver- und Abwasserentsorgung jenseits deren Auswirkungen auf die Gewässer. Um weitergehende Ermittlungen zu wesentlichen Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft zu erwirken, bedürfte es einer speziell darauf gerichteten Prüfungs- und Berichtspflicht, die freilich kaum für sich allein, sondern nur im Zusammenhang mit einer siedlungswasserwirtschaftlichen Fachplanung stehen könnte. Insofern ist abermals zu konstatieren, dass ein entsprechend qualifiziertes, fortschrittliches Fachplanungsrecht zur Wasserver- und Abwasserentsorgung bislang nicht bundesweit existiert (oben II.). Sofern sich die Bundesländer bereits durch geltendes Landrecht zur Erstellung von Abwasserbesei-
195 Zu der Option, die Umweltverträglichkeitsprüfung um eine Klimafolgenverträglichkeitsprüfung zu ergänzen siehe EU-Kommission (2013); ferner Reese (2012) S. 318; Fischer (2013), S. 194; Meyer (2014), S. 222 ff.
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tigungskonzepten verpflichten, wird dies freilich noch nirgends mit spezifischen Ermittlungs- und Berichtspflichten verbunden. d) Anreize Auch ohne spezifische Ermittlungs- und Prognosestandards dürfte eine formale Planung zur Siedlungswasserwirtschaft deutliche Anreize für ein gründlicheres Assessment zu den maßgeblichen Entwicklungen, Risiken, Herausforderungen und Handlungsoptionen geben. Das gilt umso mehr, wenn die Planung transparent gehalten und mit Beteiligungs- und Berichtspflichten versehen ist. Im Übrigen kann die Wissensgenerierung natürlich durch gezielte Förderung von Forschung, Entwicklung und Pilotprojekten stimuliert werden. Langfristig angelegte Forschungs- und Förderprogramme, mit denen Zuverlässig relevante Fördersummen bereitgestellt werden, sind insofern ebenfalls zu den „institutionellen Grundlagen“ der nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft zu zählen.196
XIII. Vorsorge 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Vorsorge ist zentrale Voraussetzung für Nachhaltigkeit. Dies gilt in hohem Maße auch für die nachhaltige Entwicklung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Alle o. g. Kernziele der nachhaltigen Wasserver- und Abwasserentsorgung können dauerhaft nur auf der Basis vorsorgenden Vorgehens erreicht werden. Vorsorge bedeutet dabei vor allem, dass künftige Entwicklungen und Risiken bestmöglich abgeschätzt werden und dass Ver- und Entsorgungssysteme sowie Nutzungsstrukturen rechtzeitig so entwickelt werden, dass sie den gewandelten Anforderungen zu gegebener Zeit entsprechen oder angepasst werden können. Beispielsweise müssen dort, wo künftig zunehmend Wasserknappheit zu erwarten ist, rechtzeitig neue Quellen erschlossen und / oder Maßnahmen zur Verminderung des Bedarfs getroffen werden. Vorausschauendes Vorgehen ist für die nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft insofern besonders bedeutsam, als die zentralen Ver- und Entsorgungssysteme von langer Lebensdauer sind. Auch die Bedarfsseite ist wesentlich von „trägen“ siedlungsstrukturellen Entwicklungen geprägt, die ihrerseits nur langfristig und vorausschauend beeinflusst werden können. Wesentlich erscheint daher unter dem Vorsor196 Vgl. die einschlägigen Förderprogramme des Bundes insb. zu Nachhaltigkeits-, Umwelt- und Stadtforschung unter http://www.bmbf.de/de/26000.php, abgerufen am 26. 6. 2015; sowie der öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen (z. B. der Helmholtz-Gemeinschaft – siehe http://www.helmholtz.de/forschung/erde_und_umwelt/terrestrische_umwelt, abgerufen am 26. 6. 2015).
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geaspekt, dass diesen Entwicklungshorizonten entsprechend weit voraus gedacht und langfristig agiert werden sollte. Rationale Vorsorge wird dabei nach Möglichkeit auf „no-regret“-Optionen setzten und die Systeme so entwickeln, dass sie sich unter unterschiedlichen möglichen Entwicklungsverläufen bewähren können.197 Auch in diesem Sinne liegt eine zentrale Vorsorgestrategie darin, von den trägen, nur langfristig wandelbaren Systemlösungen abzurücken und an deren Stelle flexible Lösungen zu installieren, die an unvorhergesehene Entwicklungen leichter angepasst werden können. Freilich impliziert dies einen Systemwechsel,198 der einer langfristigen Anbahnung bedarf. Eine alternative oder ergänzende Strategie liegt schließlich darin, besonders stabile Lösungen zu implementieren, die unter vielfältigen Rahmenbedingungen ausreichende Leistungen bringen.199 Wirtschaftliche Vorsorge geht schließlich ergänzend und im Gleichklang mit den Geboten der Bedarfsdeckung und Lastenäquivalenz dahin, dass laufend die Investitionen getätigt und Rückstellungen gebildet werden, die erforderlich sind, um die Funktionsfähigkeit der Ver- und Entsorgungssysteme kosteneffizient zu erhalten und um nötige Anpassungen und Innovationen finanzieren zu können. Die kognitiven Voraussetzungen der Vorsorge sind bereits als Teil der erforderlichen „Wissensbasis“ beschrieben worden; bestmögliches Wissen über Ursachenzusammenhänge, Risiken und Technikoptionen ist gleichsam notwendiger Bestandteil effektiver Vorsorge. Was im Übrigen die Entwicklung innovativer Lösungen zur Wasserversorgungstechnik betrifft, decken sich die Herausforderungen mit denen, die bereits zu den einzelnen Kernzielen der nachhaltigen Wasserversorgung dargelegt worden.
2. Institutionelle Grundlagen, Optionen und Fragestellungen Eine staatliche Steuerungsverantwortung für die Beachtung des Vorsorgegebotes liegt vor allem darin begründet, dass sich die langfristige Vorsorgeperspektive selten mit einem durchgreifenden Eigeninteresse der Versorgungsträger verbindet. Ihre Dispositionen konzentrieren sich vielmehr auf kurz- und mittelfristige Erhaltungsund Entwicklungserfordernisse. Dies gilt nicht nur für private, sondern auch für die öffentlichen Leistungsträger. So sei auf die oben bereits erwähnte Beobachtung verwiesen, dass mitunter kommunale Träger von ihren Wasserbetrieben auf Kosten der Substanzerhaltung Vermögen abziehen.200 Prima facie erscheint es daher unabhängig von einer privaten oder staatlichen Aufgabenträgerschaft notwendig, NachhalNäher dazu Reese (2010a), S. 19 f. Vgl. Bedtke / Gawel (2015). 199 Somit sind Flexibilität und Stabilität zwei Strategien, die der Vorsorge gegenüber unsicheren Rahmenbedingungen dienen, siehe Scholl (2001), S. 93 ff. 200 Siehe dazu etwa Gawel (2011); ders. (2012b). 197 198
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tigkeitsinstitutionen zu schaffen, die der langfristigen Vorsorgeperspektive gebührende Beachtung verschaffen. In diesem Zusammenhang sticht wiederum ins Auge, dass bisher für die Siedlungswasserwirtschaft kein formales Planungsinstrument existiert, das eine integrierte Planung unter dem Gesichtspunkt auch nachhaltigen Entwicklung erzwingt und anleitet und die kontinuierliche Überprüfung und Fortentwicklung gewährleistet. Zu denken ist dabei u. a. an spezifische Planungsregime, in deren Rahmen auch eine langfristige Risikoabschätzung anzustellen und Vorsorgeperspektive zu entwickeln wäre. In wirtschaftlicher Hinsicht sind rechtliche Verpflichtungen zur Bildung angemessener Rückstellungen und Rücklagen zu erwägen. Bei alledem muss aber auch die o. g. Flexibilitätsstrategie berücksichtigt werden und der institutionelle Rahmen so gehalten werden, dass er flexible Lösungen fördert.
XIV. Flexibilität 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Flexibilität wird heute vielfach als wesentlicher Nachhaltigkeitsfaktor der Wasserinfrastrukturen gesehen, insbesondere mit Blick auf die Unsicherheit, die über zukünftige demographische, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungen besteht.201 Flexibilität, die eine Anpassung an unterschiedliche Entwicklungen ermöglicht, ist dem Grunde nach eine zentrale Vorsorgestrategie, die umso bedeutender erscheint, je dynamischer sich die Rahmenbedingungen entwickeln und je unsicherer und variabler die Entwicklungen sich darstellen.202 Flexibilität kann aber auch ihren Preis und flexible Techniken können durchaus auch Nachteile haben in Bezug auf andere Nachhaltigkeitsziele. Wird beispielsweise Flexibilisierung durch eine verstärkte Semi- und Dezentralisierung angestrebt, so besteht dieser „Preis“ im Verlust von Größenvorteilen (im Hinblick auf Kosten und u. U. auch bei der Stabilität von Reinigungsprozessen) sowie im Verlust institutioneller Kontrolle:203 – Durch den Verlust von Größenvorteilen (economies of scale) ergibt sich beispielsweise ein Trade-off innerhalb des Wirtschaftlichkeitsgebotes, da sich einer-
201 Allgemein zur strategischen Bedeutung der Flexibilität z. B. Bundesregierung (2008) S. 14; zu den technischen Erfordernissen und Optionen siehe den aktuellen Überblick bei Spiller et al. (2015); zu den rechtlichen Aspekten der Flexibilisierung insbesondere Laskowski (2012). 202 Siehe dazu Bedtke / Gawel (2015). 203 Vgl. hierzu Gawel / Bedtke (2015) mit weiteren Verweisen. Zur geringen Stabilität von Reinigungsprozessen bei Grundstückskläranlagen siehe Barjenbruch (2006). Zur Problematik der institutionellen Ansteuerung von dezentralen, grundstücksbezogenen Regenwasserbewirtschaftungsanlagen siehe Geyler / Bedtke / Gawel (2015) und Geyler / Krohn (2015).
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seits die spezifischen Bereitstellungskosten pro Leistungseinheit u. U. stark erhöhen, zugleich aber Kostenreduktionen im Zuge zukünftiger Anpassungen erleichtert werden. Bestimmte Nachhaltigkeitstechnologien können jedenfalls einstweilen wohl nur in großtechnischem Maßstab wirtschaftlich und damit zugleich erschwinglich eingesetzt werden (z. B. eine vierte Reinigungsstufe). – Der Kontrollverlust kann sich auf die Zielerreichung verschiedener Gebote auswirken – wiederum auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit (fehlerhafte Investitionsentscheidungen in Bezug auf dezentrale Anlagen, steigende Transaktionskosten), aber beispielsweise auch auf das Gebot der Umweltverträglichkeit (ungenügende Umweltleistung der Anlagen aufgrund ungenügender Wartung).
Insgesamt kann daher aus Perspektive der Nachhaltigkeitsgebote dem Ziel der Flexibilität kein kategorischer Vorrang zukommen. Vielmehr bedarf es auch insoweit einer Bilanzierung der Vor- und Nachteile hinsichtlich aller relevanten Nachhaltigkeitsaspekte unter Berücksichtigung der Anpassungsrisiken weniger flexibler Lösungen. Anzustreben ist folglich möglichst hohe Flexibilität, soweit damit keine überwiegenden Nachteile verbunden sind. Technisch streitet das Flexibilitätskriterium tendenziell für dezentrale Strukturen, die weniger auf fixkostenträchtige Leitungsnetze angewiesen sind und i. d. R. größere Anpassungspotenziale aufweisen. Aber auch in den zentralen Versorgungsstrukturen und kombinierten Systemen lassen sich flexiblere, „intelligente“ Lösungen ausmachen (odulare Systemstruktur bei Kläranlagen),204 wobei bei zentralen Systemen die oben (XIII.1.) erwähnte Stabilitätsstrategie stärker zum Tragen kommt.
2. Institutionelle Grundlagen, Optionen und Entwicklungsfragen Der Priorität flexibler Lösungen ist im institutionellen Rahmen allgemein dadurch Rechnung zu tragen, dass für Festlegungen auf bestimmte Technologien, insbesondere für schwer reversible Weichenstellungen, überzeugende Gründe zu verlangen und Ausnahmen für Fälle zuzulassen sind, wo diese Festlegungsgründe nicht eingreifen. Mit der Alleinzuständigkeit öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger ist grundsätzlich noch keine Technikfestlegung verbunden. Die zuständigen Kommunen und Verbände können zentrale und dezentrale Technologien implementieren und die technischen Flexibilisierungsoptionen ebenso gut ausschöpfen, wie private Akteure. Das öffentliche Aufgabenmonopol kann sich allerdings auch dahin auswirken, dass Innovationen zur Flexibilisierung der Wasserinfrastrukturen und insbesondere flexible Optionen der dezentralen Ver- und Entsorgung im Interesse der Erhaltung überkommener zentraler Strukturen blockiert werden. Grundsätzlich dürften die öf204
Dazu ausführlich Bedtke / Gawel (2015).
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fentlichen Infrastruktur-Monopolisten aus wirtschaftlichem Interesse dazu neigen, ihre zentralen Infrastruktursysteme über den Anschluss- und Benutzungszwang (ABZ) zu perpetuieren und alternative, dezentrale Lösungen entsprechend zu verhindern. Das Flexibilitätsgebot spricht insofern dagegen, den ABZ bereits auf abstrakt-genereller Ebene grundsätzlich als gerechtfertigt anzuerkennen, und vielmehr dafür, eine spezifische Begründung dafür zu verlangen, welche Grundstücke inwieweit dem ABZ unterliegen sollen. Diese Begründung hat neben den Aspekten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Erschwinglichkeit auch die Priorität flexibler Lösungen zu berücksichtigen und plausibel darzulegen, weshalb solche Lösungen ggf. nicht gewählt werden. Eine solche Begründung, die sich der Sache nach auf Netzfunktionszusammenhänge, Skaleneffekte und u. U. solidarische Kostentransfers berufen muss, kann regelmäßig nicht ohne eine hinreichend detaillierte Infrastrukturplanung gelingen, die eben diese Zusammenhänge darlegt und daraus konkret ableitet, welche Grundstücke an die zentralen Ver- und Entsorgungssysteme anzubinden sind.205 Das Flexibilitätserfordernis streitet insofern – auch wenn dies prima facie widersprüchlich klingt – für eine hinreichend qualifizierte Planung der siedlungswasserwirtschaftlichen Infrastrukturen. Diese Planung ist allerdings nicht im Sinne einer umfassenden Festlegung auf bestimmte Lösungen zu verstehen, sondern als eine den Funktionszusammenhängen entsprechende, die Ziel- und Funktionszusammenhänge sowie Entwicklungsszenarien und -alternativen berücksichtigende Konzeptionierung, die gerade auch dazu dient, sachlich nicht erforderliche Fixierungen auszuschließen und Flexibilität als zentrales Ziel der nachhaltigen Infrastrukturentwicklung zu fördern. In diesem Sinne streitet das Flexibilitätserfordernis auch dafür, den Anschlussund Benutzungszwang an die kommunale Abwasserentsorgung durch Ausnahmeregelungen zu flankieren, die einen Ausnahmeanspruch für Fälle vermitteln, in denen die Entsorgungsleistung ohne gesundheitliche und ökologische Abstriche auch dezentral erbracht werden kann und in denen durch den öffentlichen Aufgabenträger nicht (durch Abwasserplan / -konzept) nachgewiesen werden kann, dass der Anschlusszwang gleichwohl erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit und wirtschaftliche Unterhaltung der zentralen Infrastrukturen aufrecht zu erhalten. 206 Von einem derart „progressiven“ Ausnahmevorbehalt ist gleichsam zu erwarten, dass er ver-
205 Die Notwendigkeit einer schlüssigen Abwasserentsorgungskonzeption ist bereits von einzelnen Gerichten als eine Voraussetzung für den Anschluss- und Benutzungszwang bzw. die Versagung von Ausnahmen aus Gründen des Funktions- oder Finanzierungszusammenhangs anerkannt worden. Siehe in diesem Sinne das OVG Lüneburg, Beschl. v. 3. 4. 1997 – 9 L 179 / 96 und Beschl. v. 22. 1. 1997 – 9 L 4525 / 95; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1. 3. 2012 – OVB 9 S / 12; dazu und zu der inhärenten Planungsbedürftigkeit der Infrastrukturentwicklung auch ausführlich in Band 2 Wickel (2015). 206 Siehe dazu ausführlich in diesem Band den Beitrag von Laskowski (2015).
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mehrte Anreize zum Umstieg auf flexiblere, dezentrale Technologien genau dort vermittelt, wo zentralen Lösungen nicht im Sinne der übrigen Nachhaltigkeitsziele vorzugswürdig erscheinen. Das Flexibilitätskriterium ist überdies im Bereich der technischen Standards und Emissionsnormen dahingehend zu berücksichtigen, dass möglichst keine Lösungen ausgeschlossen werden, die aus der hier dargelegten Nachhaltigkeitsperspektive insgesamt vorteilhafter sind. Wie ganz allgemein im Umwelt- und Technikrecht so ist auch hier darauf zu achten, dass möglichst vom Ergebnis (z. B. Konzentrationsoder Emissionsgrenzwert) her geregelt wird und keine unnötige Vorgaben zur Wahl der technischen Mittel gemacht werden. Sofern für die Einhaltung bestimmter Qualitäts- und Sicherheitsziele eine Verursachermehrzahl verantwortlich ist, kann zusätzliche Flexibilisierung u. U. auch dadurch erreicht werden, dass Zielerreichungsbeiträge (z. B. zur Erreichung eines bestimmten Schadstoffkonzentrationswertes) zwischen den Verursachern „umverteilt“ und dort alloziiert werden, wo sie zum geringsten Kostenaufwand geleistet werden können. Nämliches kommt in Bezug auf eine Mehrzahl von Behandlungsanlagen und Einleitungspunkten des kommunalen Abwassersystems in Betracht. Erforderlich ist allerdings wiederum eine schlüssige Gewässerbewirtschaftung und entsprechende Konzeptionierung des gesamten relevanten Entsorgungssystems.
XV. Integration 1. Allgemeine Bedeutung, Konflikte und Herausforderungen Mit den bisher erörterten Nachhaltigkeitsgeboten sind die zentralen Zielkomponenten des Nachhaltigkeitspostulates abgebildet und auch die wesentlichen Synergien und Konflikte zwischen diesen Zielkomponenten dargelegt worden. Es ist deutlich geworden, dass eine auf Nachhaltigkeit gerichtete Entwicklung, die auf bestmögliche Verwirklichung der erörterten ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielstellungen abzielt, vor allem auch dies leisten muss: Die Integration dieser Zielstellungen untereinander mit Blick auf die vielfältigen Synergien und Konflikte. Institutionell erfordert dies eine Rahmung, die nicht lediglich auf sektorale Aspekte und Einzelbelange der Nachhaltigkeit begrenzt ist, sondern die die Entwicklungen auch in ihren ökonomischen, ökologischen und sozialen Zusammenhängen erfasst und gesamtoptimierend steuert. Mit Blick auf die Siedlungswasserwirtschaft ist daher zu fragen, ob die für diese komplexe Integrationsaufgabe geeigneten Institutionen vorhanden sind, die vor allem Folgendes zu fördern haben: – Die Ermittlung der o. g. ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsziele in ihren für das jeweilige Ver- und Entsorgungsgebiet spezifischen Ausprägungen und Zusammenhängen,
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– darauf basierend die Erstellung von abgewogenen, den o. g. Zusammenhängen Rechnung tragenden Konzepten / Plänen zur nachhaltigen Infrastrukturentwicklung, – die Verknüpfung und Abstimmung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung mit Blick vor allem auf die zu den o. g. Nachhaltigkeitsgeboten dargelegten Synergien insbesondere für die Ressourceneffizienz aber auch Umweltverträglichkeit und Sicherheit sowie – die Verknüpfung und Abstimmung der Entwicklungspläne mit relevanten, Projekt-, Sektor- und Gesamtplanungen, insbesondere mit der Raumplanung und der Gewässerbewirtschaftung.
Gerade die enge Abstimmung der Versorgungssysteme mit dem räumlichen Planungs- und Entwicklungsumfeld stellt eine wesentliche, auch schon in den anderen Nachhaltigkeitszielen angelegte Voraussetzung nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft dar. Klar ist, dass eine bedarfsgerechte, ressourcenauskömmliche, umweltverträgliche, sichere und zugleich wirtschaftliche Wasserver- und Abwasserentsorgung nur gewährleistet werden kann, wenn Siedlungswasserwirtschaft und Siedlungsentwicklung optimierend aufeinander abgestimmt werden. Evident ist auch der Abstimmungsbedarf mit der Gewässer- bzw. Flussgebietsbewirtschaftung. Letzterer hat vor allem für die Sicherung der nötigen Rohwasserreserven Bedeutung. Die Flussgebietsbewirtschaftung setzt aber auch wichtige Rahmenbedingungen für Ort und Menge zulässiger Wasserentnahmen, Abwassereinleitungen sowie für Möglichkeiten der dezentralen Wassergewinnung und Kreislaufführung. Weniger im Blickfeld ist der steigende Abstimmungsbedarf zwischen den Verantwortlichen der zentralen Versorgungssysteme und den Trägern der dezentralen Strukturelemente. Je stärker zentrale, semi- und dezentrale Systeme zusammenwirken, desto stärker ist dieser Integrationsbedarf. Dies zeigte sich sowohl bei der Nutzung von grundstücksbezogenen Kleinkläranlagen207 als auch in verstärktem Maße bei neuartigen Formen der Regenwasserbewirtschaftung.208 2. Institutionelle Grundlagen, Optionen und Entwicklungsfragen Der institutionelle Rahmen sollte den o. g. Integrationserfordernissen Rechnung tragen, indem er die erforderlichen Abstimmungen möglichst effektiv gewährleistet und jedenfalls nicht behindert. Zur Gewährleistung der erforderlichen Koordinierungen ist – wie bereits eingangs unter I. angemerkt – im Grunde ein qualifiziertes Planungsverfahren erforderlich. Im Hinblick auf – die komplexen Netzabhängigkeiten und Vernetzungszusammenhänge in den Verund Entsorgungsleistungen,
207 208
Beispielhaft für Sachsen – siehe Kleinkläranlagenverordnung vom 19. 6. 2007. Vgl. Geyler / Bedtke / Gawel (2015).
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– die sehr begrenzte Möglichkeit, diese Leistungen durch einen freien Wettbewerb (im Markt) erbringen zu lassen (s. dazu näher oben I.2.), – die aus den Vernetzungszusammenhängen zwingend resultierende Notwendigkeit planvoller Abstimmung und Entwicklung, – die Notwendigkeit zur Abstimmung mit relevanten Raumplanungen und Gewässerbewirtschaftungsplanungen
bedarf es einer öffentliche Infrastrukturplanung i. S. eines Entwicklungsverfahrens, in dem alle relevanten Belange, Entwicklungsperspektiven und -alternativen ermittelt und unter Beteiligung der maßgeblichen Akteure optimierende Lösungen abgestimmt werden. Auch die „Entlassung“ einzelner Versorgungsareale in dezentrale, ggf. privat organisierte Ver- und Entsorgungslösungen setzt in der Sache ein Gesamtkonzept voraus, in dem nachgewiesen wird, dass die dezentralen Lösungen sich in das Gesamtsystem einfügen, zur besseren Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele beitragen und nicht im Gegenteil zu einer geringeren Nachhaltigkeit des Gesamtsystems führen.209 Mit Blick auf das Nachhaltigkeitsgebot der Integration ist deshalb wiederum darauf zurückzukommen, dass ein qualifiziertes Fachplanungsrecht zur Wasserinfrastruktur bisher weitgehend fehlt und dass die bestehenden Landesregelungen zur Abwasserkonzepten – wie Wickel (2015) detailliert aufzeigt – überwiegend nicht geeignet sind, die erforderlichen Abstimmungen und Abwägungen wirksam einzufordern. Wickel legt zudem dar, dass der spezifische Planungs- und Integrationsbedarf auch nicht durch die bundesrechtlichen Instrumente der Bebauungsplanung erfüllt werden kann. Zwar sieht das Bauplanungsrecht umfangreiche Festsetzungsmöglichkeiten vor, um Flächen für die Entwicklung der Wasserinfrastruktur zu sichern. 210 Allerdings erfolgen solche Festsetzungen zur städtebaulichen Umsetzung von siedlungswasserwirtschaftlichen Entwicklungskonzepten und setzten entsprechende Infrastrukturplanungen voraus. Das Bauplanungsrecht bietet demgegenüber keine Grundlage zur Erstellung von Abwasserbeseitigungs- oder Wasserversorgungskonzepten, und zwar schon deshalb nicht, weil diese Konzepte weit mehr als nur flächenmäßige Aspekte beinhalten und auf künftige Gestaltung und nicht nur – wie die Bebauungsplanung – auf Flächenzuweisung gerichtet sind.211 Schließlich bietet auch die Gewässerbewirtschaftungsplanung nach § 83 WHG keine Grundlage für die integrierende Wasserinfrastrukturplanung. Die Bewirtschaf209 So schon vor längerer Zeit die Forderung der in Fn. 205 zitierten Rechtsprechung insb. im Hinblick auf die Belastungswirkungen, die sich aus diesen Entscheidungen für die privaten Anschlussnehmer ergeben. 210 Insb. Festsetzungen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 10 (Freiflächen und ihr Nutzung), Nr. 14 (Flächen für die Abwasserbeseitigung einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser), Nr. 15 (öffentliche Grünflächen), Nr. 16 (Wasserflächen und Flächen für die Wasserwirtschaft), Nr. 21 (Flächen mit Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit). 211 Vgl. Wickel (2015).
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tung ist auf den Schutz der Gewässerqualität im gesamten Flussgebiet und auch an entsprechende überregionale Zuständigkeiten gerichtet und kommt daher als Instrument für die kommunale Infrastrukturplanung nicht in Betracht. Was die Abstimmung der Wasserinfrastrukturplanung mit der Bewirtschaftungsplanung gem. §§ 83, 82 WHG betrifft, so setzt auch diese eine qualifizierte Infrastrukturplanung voraus, die die Belange der Siedlungswasserwirtschaft artikuliert und mit in geordneten Planungsverfahren erarbeitet wird, in denen auch die Abstimmung mit angrenzenden Fach- und Raumplanungen erfolgen kann.212
XVI. Partizipation Partizipation, verstanden als Information und Anhörung / Konsultation der von Verwaltungsentscheidungen potenziell betroffen Bürger und Organisationen, wird heute aus mehreren Gründen als eine unverzichtbare Nachhaltigkeitsbedingung angesehen.213 Die Beteiligung der Entscheidungsbetroffenen kann zum einen Wesentliches zur Ermittlung der Wissensgrundlagen für nachhaltige Entscheidungen beitragen.214 Dazu gehört neben den besonderen Fakten-Kenntnissen der Betroffenen vor allem auch das Wissen über deren Interessen und Prioritäten als wichtige Gesichtspunkte einer Entscheidung, die auf einen möglichst optimalen Interessenausgleich gerichtet ist. Über die auf Entscheidungswissen gerichtete Funktion hinaus wird Partizipation auch als Element demokratischer Entscheidungsfindung und schließlich als wichtige Grundlage für Akzeptanz gewürdigt.215 Zwar bezieht in repräsentativ-demokratischen Systemen die Exekutive ihre Legitimation in erster Linie über die Wahl und den Einfluss der sie führenden Repräsentativorgane; im kommunalen Bereich sind dies regelmäßig Bürgermeister und Gemeinderat. Insoweit besteht jedoch keine Möglichkeit, sektorale Entscheidungen hinsichtlich ihrer Wirkungen, Betroffenheiten und Alternativen mit den Betroffenen zu erörtern. Hierzu bedarf es vielmehr plan- und vorhabenbezogener Partizipationsinstrumente. In Übereinstimmung mit den mittelbaren Nachhaltigkeitszwecken der Partizipation ist bereits in den vorstehenden Darlegungen zu den einschlägigen substanziellen Nachhaltigkeitszielen zum Ausdruck gekommen, dass die Beteiligung der Betroffenen auch bei der Entwicklung der Wasserinfrastrukturen eine zentrale Voraussetzung dafür ist, – den heutigen und künftigen Ver- und Entsorgungsbedarf zu ermitteln bzw. abzuschätzen als Maßstab für die bedarfsgerechte Entwicklung der Versorgungsstrukturen, Vgl dazu auch Reese (2010b), S. 188 ff. Vgl. die Darstellung des Diskussionsstands durch den SRU (2004), Tz. 1215 ff.; ferner die Beiträge in Jonuschat et al. (2007). 214 Vgl. Bulkeley / Mol (2003), S. 148 ff. 215 Grundlegend z. B. Habermas (1992); Mason (1999). 212 213
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– ein vollständiges Bild von den maßgeblichen Interessen und Betroffenheiten sowie technischen Optionen und Alternativen zu erlangen, deren Berücksichtigung für die Entwicklung nachhaltiger Lösungen notwendig ist, – Wasserver- und Abwasserentsorgungslösungen zu entwickeln, die bei Nutzern und Trägern ein hinreichendes Maß an Akzeptanz und Umsetzungsbereitschaft finden.
Auf die Bedeutung der Partizipation als „Nachhaltigkeitstreiber“ ist daher bei den entsprechenden Nachhaltigkeitszielen bereits hingewiesen worden. Die übergreifende Bedeutung für viele der substanziellen Nachhaltigkeitsgebote rechtfertigt es indes, die Partizipation als ein selbständiges, prozedurales Nachhaltigkeitserfordernis herauszustellen und die institutionelle Verankerung und Ausgestaltung gesondert zu analysieren. Bestehende und mögliche erweiterte Beteiligungsformen sind in den letzten Jahren vor allem mit Blick auf Akzeptanzprobleme infrastruktureller Großprojekte diskutiert worden.216 Auf die Wasserinfrastrukturen ist allerdings diese Debatte allenfalls am Rande übertragen worden, was daran liegen dürfte, dass Wasserinfrastrukturprojekte selten bauliche Ausmaße erreichen oder Umwelteinwirkungen verursachen, die überregionale Aufmerksamkeit erregen.217 Gleichwohl können Errichtung und Betrieb von siedlungswasserwirtschaftlichen Anlagen durchaus mit erheblichen Beeinträchtigungen der Nachbarschaft einhergehen. Dies gilt vor allem für Kläranlagen, aber auch für Speicher und Abflüsse, sowie umfangreiche Kanalbauarbeiten. Wasserinfrastrukturelle Systementwicklungen können auch darüber hinaus die Interessen von Bürgern, Unternehmen und Verbänden berühren z. B. durch Entscheidungen dazu, – an welche Systeme die betroffenen Grundstücke anzuschließen sind, – welche dezentralen Anlagen ggf. selbst zu errichten und betreiben sind, – welche Gebühren und Preise für die Wasserdienstleistungen zu bezahlen sind, – inwieweit kostspielige Anbindungen dezentraler Lagen erhalten / ausgebaut und ggf. von der Gebührenzahlergemeinschaft mitfinanziert werden, – welcher Schutzstandards für die regionalen Oberflächen- und Grundwasserkörper gewährleistet wird und – wie sicher die Versorgung und Entsorgung auf Extremereignisse eingestellt wird.
In Bezug auf all diese Entscheidungen lassen sich die o. g. Nachhaltigkeitsargumente für Partizipation geltend machen. Zu betonen ist noch, dass sich unter dem Begriff der Partizipation eine Vielzahl von sehr unterschiedlich gestalteten Beteiligungsformen versammelt und dass es für
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Vgl. nur Renn et al. (2014) mit weiteren Nachweisen. Siehe aber Laskowski (2010), S. 889 ff. und dies. (2012), S. 606.
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die Erfüllung der o. g. Nachhaltigkeitsfunktionen der Partizipation entscheidend auf die Ausgestaltung der Beteiligung ankommt. Wesentlich ist vor allem, ob die Beteiligung zu einem frühen Zeitpunkt der Entscheidungsfindung stattfindet, zu dem diese noch offen für die Eingaben und Ergebnisse der Beteiligung ist. Wesentlich ist auch, ob die Beteiligung weitgehend öffentlich gehalten oder auf substanziell Betroffene beschränkt ist und ob interaktive Erörterungstermine vorzusehen sind oder lediglich Eingabemöglichkeiten.218 Derlei Gestaltungsaspekte sind auch bei Beteiligungen zur Wasserinfrastrukturentwicklung zu berücksichtigen.
1. Institutionelle Grundlagen, Optionen und Herausforderungen Hinsichtlich der institutionellen Grundlagen sind zunächst bauliche Einzelprojekte der Siedlungswasserwirtschaft von Systementscheidungen zu Art und Weise der Wasserver- und Abwasserentsorgung zu unterscheiden. Für die baulichen Projekte ist eine förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, sofern die Vorhaben nach Maßgabe des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung einer vollen Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Dies ist der Fall für Kläranlagen ab einer gewissen Größenordnung gem. Nr. 13.1 der Anlage 1 zum UVPG. Kanalbauarbeiten bedürfen demgegenüber keiner UVP, und eine Betroffenenbeteiligung findet insoweit nur durch Bekanntmachung der Baugenehmigung und Widerspruchsmöglichkeit im Rahmen des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens statt. Soweit wasserwirtschaftliche Entwicklungen Flächen in Anspruch nehmen oder wenn städtebauliche Entwicklung Flächennutzungen für Wasserinfrastrukturen beinhalten, ist den flächenwirksamen Infrastrukturerfordernissen (Fläche für Behandlungsanlagen, Regenwasserabfluss, -speicher oder -versickerung) durch geeignete Festsetzungen im Bebauungsplan Rechnung zu tragen.219 In diesem Fall sind die städtebaulichen Elemente der Wasserinfrastrukturentwicklung Teil der Bebauungsplanung und mithin Gegenstand der darauf bezogenen Öffentlichkeitsbeteiligung. Fragen der örtlichen und regionalen Gewässerqualität einschließlich ihrer Relevanz für die Wasserinfrastrukturen sind als Gegenstand der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsplanung auch Thema der dazu vorgesehenen Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 83 Abs. 4 WHG. Die Systementwicklung der Wasserinfrastrukturen ist indes nicht Gegenstand der Bewirtschaftungsplanung. Weder die Bebauungsplanung noch die Gewässerbewirtschaftungsplanung bieten den Rahmen für eine siedlungswasserwirtschaftliche Infrastrukturplanung (s. o. XV.2.), und spezifische Planungsverfahren zur Entwicklung der Wasserinfrastrukturen sind, wie schon unter II. Vgl. Renn et al. (2014), S. 287. Insb. Festsetzungen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 10 (Freiflächen und ihr Nutzung), Nr. 14 (Flächen für die Abwasserbeseitigung einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser), Nr. 15 (öffentliche Grünflächen), Nr. 16 (Wasserflächen und Flächen für die Wasserwirtschaft), Nr. 21 (Flächen mit Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit). 218 219
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dargelegt wurde, nur teilweise und sehr lückenhaft in den Wassergesetzen der Bundesländer vorgesehen. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung sehen in diesem Zusammenhang nur die Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vor, und zwar in Bezug auf die nach den Wassergesetzen dieser Länder zu erstellenden Abwasserbeseitigungskonzepte. Das einzige Bundesland – Sachsen –, das für die örtliche Wasserversorgung ein Planungsinstrument eingeführt hat, sieht hierfür ebenfalls keine Öffentlichkeitsbeteiligung vor.220 Auch mit Blick auf die Nachhaltigkeitsbedingung der Partizipation liegt folglich eine wesentliche Herausforderung darin, zunächst einen geeigneten formalen Planungsrahmen für die Entwicklung der Wasserinfrastrukturen zu schaffen. Im Interesse der nachhaltigen Infrastrukturgestaltung könnte die Öffentlichkeitsbeteiligung einen Bestandteil dieser Fachplanung bilden.
XVII. Bilanz Auf die Eingangsfrage nach den Kernbedingungen nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaft und deren institutionellen Implikationen lässt sich nach der hiesigen Analyse Folgendes zusammenfassen: (1) Der Nachhaltigkeitstopos bildet seit rund drei Jahrzehnten den heuristischen Rahmen für eine vielschichtige Debatte darum, wie wirtschaftliche, ökologische und soziale Belange der Gesellschaftsentwicklung auf möglichst hohem Niveau dauerhaft vereinbart werden können. Dem umfassenden Optimierungsanspruch dieses Konzeptes entsprechend bietet sich dem Betrachter der Nachhaltigkeitsdebatte eine Vielfalt von Deutungen und Akzentuierungen, der allerdings auch eine Reihe von essentiellen Aspekten – i. S. von Zielelementen und Grundvoraussetzungen – des Optimierungsanliegens zu entnehmen sind, die breite Anerkennung finden und die insoweit auch den Maßstab einer Nachhaltigkeitsanalyse der Siedlungswasserwirtschaft bilden müssen. (2) Die Verfasser haben – anknüpfend an den Beitrag von Reese und Bedtke –221 aus diesem Kernbestand des Nachhaltigkeitskonzepts heraus zehn Kernziele sowie fünf Grundbedingungen als „Nachhaltigkeitsgebote“ der Siedlungswasserwirtschaft identifiziert, die das Zielspektrum einschließlich der Zielkonflikte annähernd vollständig und zudem in einer Weise abbilden sollen, die für die Governance- und Institutionenbewertung hinreichend spezifisch ist. Bereits die in Bezug auf diese „Nachhaltigkeitsgebote“ durchgeführte erste Sichtung rechtlicher und organisatorischer Rahmensetzungen zeugt von einer großen Vielfalt institutioneller Ansatzpunkte und Steuerungsfragen, aus der hier bilanzierend nur einige besonders interessante Punkte hervorzuheben sind:
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Siehe die Auswertung bei Wickel (2015). Vgl. Reese / Bedtke (2015).
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(3) In der Konkurrenz staatlicher und privater Aufgabenverantwortung ist aus dem Bündel der Nachhaltigkeitsaspekte keine eindeutige Priorität begründbar. Vielmehr bestehen diverse Vor- und Nachteile bzw. Chancen und Risiken auf beiden Seiten. Zur Sicherung nachhaltiger Leistungserbringung durch private Akteure, insb. der Gesundheits- und Umweltverträglichkeit, kommt darauf gerichteter Regulierung regelmäßig große Bedeutung zu. Inwieweit sich die (einmalige) Konkurrenz privater Unternehmen in einem Vergabewettbewerb (um den Markt) oder aber eine ggf. neu gestaltete Preisregulierung bestehender Gebietsmonopolisten effizienzsteigernd, insbesondere preissenkend, und zugleich nachhaltigkeitssichernd implementieren lässt, hängt wesentlich von der konzessions-, vergabe-, preis- und wettbewerbsrechtlichen Ausgestaltung ab, die in Deutschland und Europa weiterhin in der Entwicklung ist. Eine generelle Freistellung des Wassersektors von Wirtschaftlichkeitspostulaten kommt hingegen nicht in Betracht. Auch eine Liberalisierung erscheint mit Blick auf die Netzgebundenheit und den Charakter der Wasserinfrastrukturmärkte als „natürliche Monopole“ nur sehr begrenzt möglich und auch aus Nachhaltigkeitsaspekten insbesondere der Versorgungssicherheit, des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Akzeptanz wenig zielführend. Gegenüber einem Wettbewerb um den Markt, für den die Infrastrukturleistungen ggf. in Ausschreibungszeiträume, Gebiete und Leistungssegmente zu unterteilen sind, ist grundsätzlich auch zu bedenken, dass viele Nachhaltigkeitsgebote – wie hier dargelegt wurde – nur durch eine systemintegrierte Entwicklung wirksam und effizient erfüllt werden können und namentlich eine enge Abstimmung mit angrenzenden öffentlichen Infrastruktur- und Raumentwicklungsaufgaben erfordern – so insbesondere von Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Gewässerbewirtschaftung und Stadtentwicklung. Prima facie spricht dieses Integrationserfordernis für ein Primat der öffentlichen, kommunalen Aufgabenzuständigkeit. Mit Blick auf die möglichen Nachhaltigkeitsvorteile, die dezentrale Lösungen vor allem in ländlichen und dispersen Stadtrandlagen bieten können, ist weiter zu prüfen, ob und inwieweit diese Optionen auch dadurch gefördert werden sollten, dass Anschluss- und Benutzungszwänge stärker unter „Nachhaltigkeitsvorbehalt“ gestellt werden und dass auf diese Weise privaten Initiativen für dezentrale Lösungen mehr Raum gegeben wird.222 Auch insoweit ist allerdings das gesamte Bündel der Nachhaltigkeitsbedingungen auch in langfristiger Perspektive zu bedenken, und es ist darauf zu achten, dass das Infrastruktursystem insgesamt kohärent und nachhaltig entwickelt wird. (4) Der rechtlichen Rahmensetzung durch verbindliche Handlungsanweisungen kommt für nahezu alle Nachhaltigkeitsbedingungen eine bedeutende Rolle zu, so insb. für die Gesundheits- und Umweltverträglichkeit, aber auch für Wirtschaftlichkeit (Vergaberecht, Benchmarks) und Erschwinglichkeit (Preisregelungen) der Inf-
222
Siehe dazu bereits oben III. 2. a).
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rastrukturleistungen. Das Screening des geltenden Rechts lässt erkennen, dass der ordnungsrechtliche Rahmen in vieler Hinsicht bereits weit entwickelt ist, aber auch noch Ansatzpunkte für weitere Optimierung oder jedenfalls Prüfung bietet. So scheint z. B. der in der Abwasserverordnung niedergelegte Stand der Technik zur kommunalen Abwasserreinigung in Anbetracht der technischen Entwicklung zweifelhaft und unter dem Gesichtspunkt des Gesundheits- und Umweltschutzes überprüfungsbedürftig. Entwicklungsmöglichkeiten bestehen auch auf der Verfahrensseite, zum einen durch eine Stärkung von Ermittlungspflichten zur Sach-, Risikound Optionenanalyse (Prognosen, Projektionen, Szenarien) und zum anderen durch verstärkte Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit an relevanten Infrastrukturentscheidungen. Effektivere Ermittlungs- und Beteiligungsregime setzten indes ein formales Planungsverfahren zur Infrastrukturentwicklung voraus, das die vernetzten Entwicklungszusammenhänge und -erfordernisse auch im Zusammenhang abbildet und bewältigt [siehe unten Ziffer (8)]. (5) Besonderer Hervorhebung bedarf die große Bedeutung der untergesetzlichen, privaten Normung der einschlägigen Fachverbände und Normungsorganisationen (DAW, DVGW, DIN, ISO, CEN). Diese Normung bestimmt in hohem Maße über den gesetzlich pauschal geforderten „Stand der Technik“ bzw. die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ z. B. der Abwasserbehandlung und Abwasseranlagen, aber auch Wasserversorgungseinrichtungen und Leitungsanlagen. Im Lichte der Nachhaltigkeitsmaxime und in Anbetracht des Umstandes, dass diese regelmäßig eine Optimierung und dabei auch – politische – Abwägung konkurrierender Zielsetzungen verlangt, erscheint die weitreichende „Auslagerung“ auf außerstaatliche Normungseinrichtungen nicht unproblematisch. Im Sinne nachhaltiger Standardsetzung ist jedenfalls darauf zu achten, dass die Normsetzung transparent auf einer Berücksichtigung aller relevanten Nachhaltigkeitsaspekte beruht. Sofern in dieser Optimierungsperspektive wesentliche Zielkonflikte zu lösen sind, sollte dies an politisch legitimierte Entscheidungsträger rückgekoppelt werden. Die maßgeblichen Normungen sollten in diesem Sinne einem Nachhaltigkeitscheck durch die legitimierten Gesetzgebungs- oder Exekutivorgane unterzogen werden. (6) Im Bereich der Anreize gebenden Rahmensetzungen kommt der verursachergerechten Kostenanlastung zentrale Bedeutung zu. Hierzu weist zwar der europarechtliche Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie mit dem Grundsatz der kostendeckenden Wasserpreise in die richtige Richtung. Die bisherige Umsetzung dieses Grundsatzes bleibt allerdings auch in Deutschland wesentlich hinter den Möglichkeiten nachhaltiger Anreizgebung zurück. Grundsätzliche Zielkonflikte sind überdies zwischen den Zielen der Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit einerseits und der Erschwinglichkeit und Kostendeckung andererseits zu bewältigen. Daneben bleibt die Sicherung und Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen der Ver- und Entsorgung eine Herausforderung, insbesondere, wenn diese nicht – wie bislang üblich – isoliert zu betreiben, sondern vielmehr mit den übrigen Nachhaltigkeitsanforderungen zugleich zu „versöhnen“ ist.
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(7) Die Organisation der Siedlungswasserwirtschaft – i. S. der Kompetenzverteilung und Vernetzung innerhalb des staatlichen Zuständigkeitsbereichs – kann der Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele und dem ihnen inhärenten Integrationsanspruch vor allem durch Sektoralisierung und mangelnde Abstimmungsinstrumente im Wege stehen. Hervorzuheben ist hier v. a. die Abstimmung von Wasserver- und Abwasserentsorgung, die Abstimmung der gesamten Wasserinfrastrukturentwicklung mit der Stadtplanung und die Abstimmung zwischen Wasserinfrastrukturentwicklung und Gewässerbewirtschaftung. Je stärker dezentrale Strukturelemente in die Wasserver- und entsorgung einbezogen werden, desto größere Bedeutung kommt weiterhin der Abstimmung zwischen den Verantwortlichen der zentralen Strukturen und den Betreibern dezentraler Strukturen zu. Organisatorische Nachhaltigkeitshürden können ferner bei einer zu kleinen Dimensionierung räumlicher Zuständigkeitsbereiche liegen, die dann u. U. nicht über ausreichende Kapazitäten verfügen, um die anspruchsvollen und aufwändigen Nachhaltigkeitsziele wirksam zu verfolgen. Das Wasser- und Kommunalverbandsrecht der Länder sieht zwar vielfältige Kooperationsformen und auch Rechtsgrundlagen zur Zwangsverbandsbildung vor. Prüfungswürdig erscheint aber, ob und inwieweit auf dieser Grundlage tatsächlich eine „aufgabenoptimale“ Kollektivbildung stattfindet und wie diese ggf. gefördert werden könnte. (8) Dass die Infrastrukturentwicklung im Grunde eine komplexe „planerische“ Ermittlungs-, Koordinierungs- und Optimierungsaufgabe darstellt, ist für die Realisierung nahezu aller Nachhaltigkeitsbedingungen von großer Bedeutung und ganz besonderes für die erforderliche Abstimmung und Gesamtoptimierung der vielfältig konfligierenden Nachhaltigkeitsbelange. Ohne eine qualifizierte Planung, die das Infrastruktursystem in seinen inneren und äußeren Zusammenhängen auch mit dem Städtebau und der Gewässerbewirtschaftung entwickelt, die auf einer gründlichen Ermittlung der relevanten Tatsachen, Prognosen und Belange aufbaut und die unter Beteiligung der maßgeblichen Stellen und sonstigen Akteure zur einer wohlbegründeten Entwicklungskonzeption gelangt, können die multiplen Optimierungsaufträge des Nachhaltigkeitsprinzips kaum effektiv erfüllt werden. Ein entsprechendes Fachplanungsrecht der Siedlungswasserwirtschaft besteht gleichwohl nur in mehr oder weniger rudimentärer Ausprägung im Landesrecht. Die Entwicklung einer qualifizierten, auf die Nachhaltigkeitskriterien ausgerichteten Fachplanung zugleich als Grundlage für Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung dürfte daher für die nachhaltige Ausrichtung der Wasserinfrastrukturen erhebliche Impulse setzen können.223
223
Siehe dazu den Beitrag von Wickel (2015).
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Anpassungserfordernisse und Herausforderungen für netzgebundene Wasserinfrastruktursysteme Von Stefan Geyler und Norman Bedtke
I. Problemstellung Im Rahmen der Diskussion um eine künftige nachhaltige Entwicklung der Wasserver- und Abwasserentsorgung wird regelmäßig auf verschiedene Treiber verwiesen. Hierzu zählen die sich verändernden Rahmenbedingungen wie der demografische Wandel bzw. der Klimawandel, aber auch die sich verändernden gesellschaftlichen Nachhaltigkeitszielstellungen. Darüber hinaus wird in Bezug auf die Infrastrukturen regelmäßig auf die Pfadabhängigkeit der Entwicklung verwiesen, die eine Anpassung der Systeme erschwert, da frühere Entscheidungen auch die gegenwärtige Entwicklung beeinflussen. Das Zusammenspiel dieser Treiber und Hemmnisse wird dabei selten systematisch analysiert. Dies ist überraschend, wo sich doch erst aus dem Zusammentreffen von Treibern mit der durch die Vergangenheit bestimmten infrastrukturellen Systemausstattung jene Spannungen ergeben, auf welche die Aufgabenträger reagieren müssen. Mehr noch, es ergeben sich spezifische Herausforderungsmuster, hinsichtlich derer sich Aufgabenträger unterscheiden können. Zugleich werden bereits heute Ziele diskutiert, die von den meisten Aufgabenträgern (mit Ausnahme von „Pionieren“) für die wasserwirtschaftliche Praxis noch nicht als handlungsrelevant wahrgenommen werden.1 Im Folgenden werden das Zusammenwirken dieser Faktoren und die Konturierung konkreter wasserwirtschaftlicher „Herausforderungen“ systematisch näher betrachtet. Herausforderungen entstehen dabei grundsätzlich immer aus einem SollIst-Abgleich innerhalb eines spezifizierten Möglichkeitenraums. Es wird herausgearbeitet, dass die üblicherweise unter dem Rubrum „Herausforderungen für die Siedlungswasserwirtschaft“ diskutierten Problemlagen und Entwicklungslinien hinsichtlich ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension ganz erhebliche Unterschiede und Ursachen aufweisen können und insoweit auch für die Aufgabenträger eine je abweichende Bedeutung entfalten.
1 Vgl. Tauchmann et al. (2006), S. 136; als Beispiel für einen „Pionier“ siehe Hubner (2014).
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Stefan Geyler und Norman Bedtke
Das Konzept vermittelt damit ein besseres Verständnis für die Relevanz von Zielen sowie für Bedingungen, welche die Bedeutung der Ziele moderieren. Die im Beitrag von Reese und Kollegen beschriebenen zielseitigen „Nachhaltigkeitsgebote“2 haben gegenwärtig keineswegs alle dieselbe Praxis-Bedeutung für Aufgabenträger und die vielfach diskutierten Veränderungen der Rahmenbedingungen 3 führen auch nicht automatisch bei allen betroffenen Aufgabenträgern zu gleichartigen Problemen. Hierfür bietet der Beitrag einen konzeptionellen Ansatz, um einerseits die Überlagerung von Zielen sowie andererseits die Wechselwirkungen von Zielen, Rahmenbedingungen und Ausgangssituationen systematisch in wasserwirtschaftliche und institutionelle Analysen einzubeziehen. Neue Institutionen, welche die Aufgabenträger einbetten, müssen ihre Wirkung auch effektiv und effizient bei unterschiedlichen Herausforderungsmustern entfalten können. Hierfür werden im folgenden Kapitel II. die Konzeption von Herausforderungen erarbeitet und im Hinblick auf zeitliche und vertikale Dimensionen ausdifferenziert. Im dritten Kapitel werden zentrale Herausforderungen näher untersucht. Beispielhaft für die Niederschlagswasserbewirtschaftung, Umweltleistung / Ressourceneffizienz, Wirtschaftlichkeit und Finanzierung / Refinanzierung / Substanzerhalt wird die Entstehung der Herausforderungen aufgezeigt und schließlich die Überlagerung zu Herausforderungsmustern. Im Fazit werden Konsequenzen für die weitere Analyse von Nachhaltigkeitsinstitutionen in der Wasserwirtschaft gezogen.
II. Wasserwirtschaftliche „Herausforderungen“ – das Spannungsverhältnis zwischen Ausgangssituation, Zielen und Rahmenbedingungen 1. Konzeptionelle Überlegungen Die großtechnischen Infrastruktursysteme im Bereich der Wasserwirtschaft wurden errichtet, um die vielfältigen Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung bereitzustellen. Gegenwärtig werden in Wissenschaft und Praxis eine Reihe unterschiedlichster Phänomene und Entwicklungen unter dem Oberthema „Herausforderungen für die Wasserwirtschaft“ diskutiert, die im Hinblick auf ihre generelle Bedeutung, ihre zeitliche und räumliche Dimension sowie ihre Ursachen erhebliche Unterschiede aufweisen.4
Vgl. Reese et al. (2015). Übersichten zu den Veränderungen geben Hillenbrand / Hiessl (2006), S. 1265 f., dies. (2007), S. 47 ff.; Scheele et al. (2008), S. 19 ff.; Bedtke (2015). 4 Z. B. Konrad et al. (2004), S. 34; ATT et al. (2015), S. 35 ff.; Monstadt / Schlippenbach (2005). 2 3
Anpassungserfordernisse für netzgebundene Wasserinfrastruktursysteme
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Für eine Systematisierung sollen Herausforderungen im Folgenden als Differenzen bzw. Spannungen verstanden werden, die daraus resultieren, dass die Anforderungen an das System und dessen Leistungsfähigkeit nicht länger im Einklang stehen. Verfehlungen bei den Nachhaltigkeitszielstellungen einer bedarfsgerechten und umweltverträglichen Dienstleistungserbringung, aber auch bei ökonomischen und sozialen Zielstellungen sind die Konsequenz. Das Infrastruktursystem definiert dabei mit seinen Eigenschaften die gegenwärtige Leistungsfähigkeit, während die Anforderungen durch die Ziele sowie die herrschenden (technischen und institutionellen) Rahmenbedingungen an das Infrastruktursystem herangetragen werden. Im Folgenden soll auf dieses Zusammenspiel näher eingegangen werden (siehe Abb. 1). Ra h m e n b e d in g u n g e n
Zie le
Na tu rrä u m lic h , s o zio ö ko n o m is c h , s ie d lu n g s s tru kture ll
S e kto rs p e zifis c h e In s titu tion e n
In s titu tionell er Ra h m e n S ys te m a n fo rd e ru n g e n In s titu tio n e lle r Mö g lic h ke ite n ra u m
Herausforderungen
Te c h n is c h e r Mö g lic h ke ite n ra u m
S ys te m le is tu n g e n /e ig e n s c h a fte n
Infra s tru ktu rs ys te m Te c h n is c h e Strukturen
Org a n is a to ris c h e Strukturen und interne Institutionen
Wirtschaftliche Situation
Quelle: eigene Darstellung.
Abbildung 1: Herausforderungen als Ergebnis abweichender Systemanforderungen und Systemeigenschaften
(1) Infrastruktursystem: Das bestehende kommunale System der Wasserver- und Abwasserentsorgung weist konkrete Systemeigenschaften auf, die zugleich dessen Leistungsfähigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt definieren. Unter „Infrastruktursystem“ wird die organisatorisch-technische Einheit des Aufgabenträgers zur Abgabe von Wasserdienstleistungen der Ver- und Entsorgung verstanden.5 Das Infrastruktursystem ist charakterisiert durch seine technischen und organisatorischen Strukturen (u. a. die verwendeten technischen Systeme, deren Altersstruktur und Kapazitäten bzw. Aufgabenträgergröße, Rechtsformen und interne Organisation), 5 Dabei können eine Vielzahl von Organisations- und Kooperationsformen Anwendung erfahren, bei denen es zum Teil zu einer Trennung zwischen der Aufgabenträgerschaft und Bereitstellung der Dienstleistungen kommt, siehe Bedtke / Gawel (2015a), S. 372 ff. Zur Vereinfachung erfolgt diesbezüglich in diesem Artikel keine Unterscheidung.
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die Unternehmenssituation (seine wirtschaftliche Situation sowie die Anzahl, Qualifikation und Motivation des Personals) und die Art und Ausprägung der aufgabenträgerspezifischen, internen Institutionen6, mit denen die die Infrastrukturentwicklung durch den Aufgabenträger lokal gesteuert und die anderen lokalen Akteure integriert werden (u. a. kommunale Satzungen, Entgeltregelungen, Planungsinstrumente, aber auch interne Entscheidungs- und Abstimmungsregeln). (2) Ziele: Die Anforderungen resultieren aus den Zielen, die mit dem Infrastruktursystem erfüllt werden sollen. Die Ziele formulieren die erwarteten Leistungen, die durch das System erbracht werden sollen, wobei dies materielle Ziele (z. B. der Umfang und die Qualität der Trinkwasserbereitstellung), aber auch formale Ziele (z. B. die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung) umfasst. Um diese leistungsbezogenen Ziele dauerhaft erfüllen zu können, richten sich einige Zielstellungen, bspw. die im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte geforderte Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, auch an die Eigenschaften des Systems selber.7 Von großer Bedeutung für die weitere Betrachtung ist es, dass die Ziele häufig über sektorspezifische Institutionen zu dem Infrastruktursystem transportiert werden (z. B. Trinkwasserverordnung) und nur zu einem Teil vom Aufgabenträger selber formuliert werden. (3) Rahmenbedingungen: Darüber hinaus werden die Anforderungen durch die Rahmenbedingungen determiniert. Diese wirken auf die Aufgabenträger wie Nebenbedingungen, denen bei der Leistungserbringung Rechnung getragen werden muss. Sie stellen für die kommunalen Infrastruktursysteme unbeeinflussbare (exogene) Größen dar. Zu den Rahmenbedingungen zählen naturräumliche (Topographie, Klima, Wasserverfügbarkeit), sozioökonomische (Wirtschaftsstruktur, Einkommen u. a.), welche die Bedarfe nach Infrastrukturdienstleistungen determinieren und siedlungsstrukturelle Rahmenbedingungen, wobei gerade die Siedlungsdichte ein entscheidender Parameter für die Auslegung und die spezifischen Kosten der Netzstrukturen ist.8 Zu den Rahmenbedingungen lassen sich auch die Institutionen zählen, die den generellen Ordnungsrahmen bilden.9 Sie unterscheiden sich von den oben genannten, zieltransportierenden Institutionen dadurch, dass sie zwar nicht mit Blick auf sektorspezifische Aspekte geschaffen worden, gleichwohl aber den Wassersektor 6 Unter Institutionen werden im Folgen entsprechend der Institutionenökonomik soziale Regelsysteme inklusive ihrer Durchsetzungsmechanismen verstanden, die individuelles Verhalten steuern, siehe dazu Erlei et al. (2007), S. 23. 7 Zu den Nachhaltigkeitszielen der Siedlungswasserwirtschaft ausführlich Reese et al. (2015). 8 Vgl. Holländer et al. (2009); Holländer et al. (2013). 9 In der Neuen Institutionenökonomie wird hierbei von dem „institutionellen Umfeld“ oder den „institutionellen Rahmenbedingungen“ gesprochen. Diese Makroebene umfasst die grundlegende formalen Institutionen, wie u. a. Verfassungen oder Gesetze, die sich nur in langer Frist verändern, siehe hierzu Richter / Furubotn (2003), S. 288.
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maßgeblich beeinflussen. So prägt Art. 28 Abs. 2 GG, in dem die kommunale Selbstverwaltung festgeschrieben wird, ganz wesentlich die kleinteilige, auf dem Örtlichkeitsprinzip fußende, öffentlich-rechtliche Organisationsstruktur der deutschen Wasserver- und Abwasserentsorgung. Weiterhin muss auf den Beitrag des technischen und institutionellen Entwicklungsstands für die Herausforderungen hingewiesen werden. Der technische Möglichkeitenraum umreißt die Gesamtheit, der zu einem Zeitpunkt verfügbaren technischen Lösungen und beeinflusst somit den Handlungsspielraum der Kommune im Umgang mit den Herausforderungen. Beispielsweise ermöglicht der Einsatz dezentraler Wassertechnologien den Aufgabenträgern, ihre Systeme differenzierter an die Rahmenbedingungen anzupassen und kann somit in Teilgebieten mit niedriger Siedlungsdichte eine Option darstellen, um die Wirtschaftlichkeit der Abwasserentsorgung zu verbessern. Andererseits kann der bestehende und sich im Zuge von Innovationen erweiternde technische Alternativenraum durchaus Impulse auf die Entwicklung der Anforderungen selber setzen. Dies kann z. B. bei innovativen Verfahren der Ressourcenrückgewinnung eine Rolle spielen, aus deren Existenz neue Zielstellungen, wie eine verbesserte Ressourceneffizienz der Systeme, erwachsen können.10 Auch der institutionelle Möglichkeitenraum eröffnet dem Aufgabenträger eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, welche die Leistungsfähigkeit des kommunalen Infrastruktursystems beeinflussen. Hierzu zählen u. a. Tarifoptionen oder die Auswahl an Organisationsformen. Aber auch bei der Umsetzung allgemeiner wasserrechtlicher oder kommunalrechtlicher Vorgaben in den kommunalen Satzungen stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Sowohl der technische als auch der institutionelle Möglichkeitenraum werden im Zuge der folgenden Überlegungen als exogen, d. h. als gegeben angesehen.
2. Herausforderungen aufgrund unzeitgleicher Entwicklung von Infrastruktur, Rahmenbedingungen und Zielen Werden Herausforderungen als bedeutende Abweichungen zwischen dem Anforderungsniveau an Infrastrukturdienstleistungen und deren Realisierung verstanden, so stellt sich die Frage nach deren Entstehung. Im Folgenden wird hierfür auf die unzeitgleiche Entwicklung von Infrastruktur, Rahmenbedingungen und Zielen in Vergangenheit und Zukunft eingegangen. 10 Hier spiegelt sich auch die Diskussion zum Ursprung von Innovationen wider, vgl. hierzu Chidamber / Kon (1994), S. 94 ff. Während dezentrale Konzepte als Technologiealternative zum konventionellen System in Deutschland auftreten und daher eher einem „Technology Push“ zugeordnet werden müssen, adressieren die Verfahren der Rückgewinnung Defizite konventioneller Systeme, für die zugleich ein Markt besteht bzw. erwartet werden kann. Es ist zu vermuten, dass insbesondere diese „Market Pull“ getriebenen Technologien auf die Zielstellungen kommunaler Infrastruktursysteme einwirken.
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Eine Verschiebung zwischen dem Anspruchsniveau und der Leistungsfähigkeit über die Zeit kann vielfältig begründet sein. Diese können sich ergeben, wenn die bisherigen Ziele aufgrund sich verschlechternder Rahmenbedingungen schwieriger zu erfüllen sind. Weiterhin können sich die Ziele selber verändern (z. B. eine Verschärfung der Anforderungen), wodurch deren Erfüllung auch bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen eine Herausforderung darstellt. In der Realität werden diese beiden Entwicklungen gleichzeitig zu beobachten sein. Unabhängig davon, ob veränderte Zielstellungen oder Rahmenbedingungen ursächlich sind, entstehen Herausforderungen überwiegend deshalb, weil Infrastruktursysteme nur langsam auf Veränderungen reagieren können. Die Ursachen hierfür liegen vor allem in einer ausgeprägten pfadabhängigen Entwicklung der Infrastruktursysteme, wodurch diese sich durch eine hohe Stabilität und geringe Anpassungsfähigkeit an Veränderungen auszeichnen.11 Insofern können Herausforderungen gegenwärtig entstehen (neue Anforderungen durch die Wasserrahmenrichtlinie) oder in Zukunft erwartet werden. Letzteres wird am Beispiel des Klimawandels deutlich, dessen Auswirkungen auf bestehende Systeme und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen von Aufgabenträgern bereits untersucht und mögliche Anpassungserfordernisse und Maßnahmen diskutiert werden. Hiervon abzugrenzen ist der Fall, dass Ziele zwar bereits im Rahmen von Nachhaltigkeitsüberlegungen diskutiert werden, aber keine verbindlichen Systemanforderungen bestehen. So werden beispielsweise regelmäßig Forderungen nach Flexibilität und Ressourceneffizienz laut.12 Da diesbezüglich noch keine Institutionen bestehen, welche die Ziele an die Aufgabenträger herantragen, stellen sie noch keine verbindlichen Systemanforderungen dar. Flexibilität und Ressourceneffizienz sind von daher gegenwärtig nur dann relevante Systemanforderungen, wenn die Aufgabenträger sich diese Ziele entweder aus intrinsischen Motiven zu Eigen machen und sie freiwillig verfolgen oder wenn die Aufgabenträger antizipieren, dass hierzu in Zukunft verbindliche Anforderungen an sie herangetragen werden und diese deshalb schon aufgreifen. Weiterhin bestehen gegenwärtig Herausforderungen, die Lasten aus der Vergangenheit darstellen, also bereits in der Vergangenheit (unter vergleichsweise konstanten Rahmenbedingungen) entstandene Spannungen, die bisher noch nicht aufgelöst wurden. Ein schleichender Substanzverlust aufgrund unzureichender Investitionen in Sanierung und Modernisierung sei als Beispiel genannt. Dabei wird deutlich, dass nicht alle gegenwärtig bestehenden Herausforderungen aus dem Nachhaltigkeitsgedanken und somit aus einer in die Zukunft gerichteten Perspektive erwachsen. Gleichwohl können sie sich dann im Hinblick auf die sich weiterhin ändernden Rahmenbedingungen und Ziele zusätzlich verschärfen. So ist das Ziel der Wirt11 Einen Überblick zum Konzept der Pfadabhängigkeit gibt Beyer (2005). Zum Zusammenspiel technischer und institutioneller Pfadabhängigkeiten siehe Unruh (2000), S. 817 ff. 12 Siehe hierzu Reese et al. (2015).
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schaftlichkeit von Infrastruktureinrichtungen unter Bedingungen des Kostendeckungsgebotes und des Anschluss- und Benutzungszwanges sowie des Örtlichkeitsprinzips konstitutiv. Neben den Rahmenbedingungen und den Herausforderungen entwickeln sich auch der technische und der institutionelle Optionenraum weiter. Hierdurch ist das Aufkommen neuer oder verbesserter Lösungsmöglichkeiten zu erwarten, mit denen die Spannungen abgebaut werden können.13 Bei komplexen großtechnischen Systemen – wie denen der Wasserver- und Abwasserentsorgung – ist das Problem der Herausforderungen immanent, denn es dürfen keine stabilen Gleichgewichtssituationen erwartet werden. In einer dynamischen Umwelt mit sich fortwährend ändernden Rahmenbedingungen wird es immer Diskrepanzen zwischen einer theoretisch optimalen Situation und den realen Gegeben-
Entwicklung der Rahmenbedingungen
Entwicklung des technischen Op onenraums Entscheidungen der Vergangenheit
Systemeigenscha!e n
Entwicklung des ins tu onellen Op onenraums
Entwicklung der Ziele
Vergangenheit
Gegenwart
Erwartete Zukun!
Quelle: eigene Darstellung.
Abbildung 2: Zeitliche Dimension von Herausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft 13 Als institutionelles Beispiel können innovative Tarifmodelle genannt werden, die den Folgen des Verbrauchsrückgangs unter Erlösgesichtspunkten besser begegnen können, siehe dazu Oelmann / Gendries (2012). Als Beispiel für neue technische Optionen seien die stetigen Fortschritte im Bereich neuartiger Sanitärsysteme genannt, wodurch Optionen bereitstehen, die erhöhten Anforderungen an Flexibilität und Ressourceneffizienz gerecht werden können, dazu im Überblick DWA (2008a) – siehe auch Geyler / Lautenschläger (2015).
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heiten geben. Ferner besteht eine selbstreferentielle Beziehung zwischen der technologischen Komponente von Wasserinfrastrukturen und deren institutioneller Einbettung, d. h. auf eine Verbesserung der Technik reagiert das politisch-administrative System mit der Verfeinerung seiner regulativen Normen, woraus wiederum eine Verbesserung der Technik resultiert.14 Steigende Anforderungen und ein permanenter Wandel des Gesamtsystems sind demnach für großtechnische Systeme charakteristisch. Somit betrachtet die Konzeption der Herausforderungen einen Aspekt der auf dem Konzept großtechnischer Systeme beruhender Erklärungsansätze näher.
3. Vertikale Differenzierung der Herausforderungen Die konzeptionelle Herangehensweise dieses Beitrags macht sich die Perspektive des Aufgabenträgers zu eigen. An die Eigenschaften und Leistungen des kommunalen Infrastruktursystems stellen sich Anforderungen durch Ziele und Rahmenbedingungen. Die zielformulierenden Akteure sowie die Rahmenbedingungen stehen dabei nicht nur auf derselben Ebene wie der Aufgabenträger, sondern auch oberhalb oder unterhalb der Ebene des Aufgabenträgers. Im Folgenden soll deshalb zwischen der Mikroebene, der kommunalen Ebene sowie der übergeordneten Ebene unterschieden werden: – Mikroebene: Auf der Mikroebene ergibt sich die direkte Nachfrage nach Dienstleistungen durch die Grundstückseigentümer. Hierfür sind üblicherweise die Grundstücke zu erschließen, dem Bedarf nach Trinkwasser ist zu entsprechen und das Niederschlags- und Schmutzwasser abzuleiten. Langfristig können sich die Anforderungen durch Akteure der Mikroebene verändern, wenn Grundstückseigentümer in noch stärkerem Maße dezentrale Niederschlagsbewirtschaftung aufgreifen möchten oder grundstücksbezogene Kleinkläranlagen sich im ländlichen Raum noch weiter verbreiten. Schließlich werden Akzeptanzdefizite zum Beispiel in Bezug auf Dienstleistungserbringung, Lastenäquivalenz und Erschwinglichkeit durch die Bürger artikuliert und gehen somit von der Mikroebene aus.
Diese Anforderungen und daraus resultierenden Herausforderungen können kleinräumig deutlich variieren. Auch bei den Rahmenbedingungen können auf dieser Mikroebene Divergenzen auftreten, z. B. im Hinblick auf die soziodemographischen und siedlungsstrukturellen Gegebenheiten und Entwicklungen oder bzgl. naturräumlicher Strukturen. – Übergeordnete Ebene: Zahlreiche Anforderungen werden durch die übergeordnete Ebene an das Infrastruktursystem herangetragen. Hierzu zählen beispielsweise die Vorgaben zu Mindestzielen der Abwasserreinigung, definiert durch die 14 Ein solcher Prozess stabilisiert sich kaum, so dass die Systeme keinen endgültigen Zustand erreichen können, siehe hierzu Weingart (1989), S. 194.
Le is tu n g e n
Quelle: eigene Darstellung.
Anf o rd e ru n g e n
Anf o rd e ru n g e n
In d ivid u e lle Zie le
Kommun a le Zie le
Ge s e lls c h a ftlic h e Zie le
Na c h fra g e r n a c h Die n s tle is tu n g e n
Kre is e , Ko m m u n e n
EU, Bu n d , Lä n d e r, (Re g io n e n )
Abbildung 3: Herausforderungen im Mehrebenensystem der Siedlungswasserwirtschaft
Anforderun g e n
Inte rn e Zie le
Infra s tru ktu rsys te m
S ys te m e ig e n s c h a fte n
Anf o rd e ru n g e n
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Ra h m e n b e d in g u n g e n (globa l, na tiona l, re giona l, loka l)
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EU-Kommunalabwasserrichtlinie (91 / 271 / EWG) sowie das WHG und die Abwasserverordnung auf Bundesebene15, die als die gesellschaftliche Nachfrage nach Umweltqualität aufgefasst werden können. Hier hinein fallen weiterhin Länderregelungen und Ziele, die in technischen Regeln festgehalten sind. Auch die Formal-Ziele der Wirtschaftlichkeit und Kostendeckung haben hier ihren Ursprung. Ziele, die auf der übergeordneten Ebene formuliert werden, spiegeln in gewisser Weise die Präfenzen der Mikroebene wider, wenngleich diese nicht immer explizit durch diese formuliert werden. D. h. hier fungieren die übergeordneten Ebenen als kollektiver Entscheidungsträger der Bürger (Mikroebene). Zugleich können bei der Zielfestlegung der übergeordneten Ebene auch großräumige Wirkungen berücksichtigt werden, die aus kommunaler Perspektive externe Effekte darstellen. Dieses Problem räumlicher Spillovereffekte tritt z. B. regelmäßig bei Umweltaspekten auf. Weitere Gründe für Zielfestlegungen auf übergeordneten Ebenen sind Skaleneffekte und großräumige Synergien.16 – Kommunale Ebene: Anforderungen erwachsen schließlich auch auf der kommunalen Ebene, jener Ebene, auf der die Aufgaben der Ver- und Entsorgung regelmäßig verortet sind. Diese reichen von den über Satzungen festgelegten originären Zielen der Ver- und Entsorgung, über weitere Zielvorstellungen, z. B. bzgl. der Erschwinglichkeit von Entgelten, bis hin zu finanziellen Zielen, wie der Ausschüttung der Eigenkapitalverzinsung bzw. der Höhe der Konzessionsabgabe. Es ergeben sich aber auch Ziele in einem gewissen rechtlichen Graubereich; hinsichtlich der Löschwasserversorgung durch den Aufgabenträger, hinsichtlich der Finanzierung einer Erschließung von Bauvorhaben oder hinsichtlich der Erbringung von weiteren Leistungen (Sponsoring etc.). Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass zentrale Akteure des kommunalen Infrastruktursystems auch eigene Ziele verfolgen. Der Geschäftsführer kann insbesondere an der Verlängerung des Vertrages interessiert sein, bei einer privatrechtlichen Aufgabenerfüllung können Gewinnziele ins Spiel kommen; Stadtwerke und kommunale Werke zählen aber auch als Keimzellen von Innovationen. Greift die Geschäftsführung zum Beispiel Anforderungen auf, die sich aus Nachhaltigkeitsperspektive an die Unternehmen in Zukunft stellen, ohne dass sie jedoch schon gegenwärtig verbindlich an die Aufgabenträger herangetragen werden (fehlende Institutionen), so entwickelt der Aufgabenträger ebenfalls eigene Ziele.
Neben den Zielen unterscheiden sich auch die Kommunen im Hinblick auf ihre Rahmenbedingungen: Siedlungsdichte und Siedlungsstruktur (städtisch / ländlich) sind augenfällige Beispiele, die Lage am Vorfluter, Finanzkraft der Kommunen etc. sind weitere.
Hierzu im Überblick Köck (2015). Vgl. hierzu die Diskussion um den „Environmental Federalism“– Esty (1996); Oates (2001); Benson / Jordan (2007). 15 16
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4. Zwischenfazit Herausforderungen wurden definiert als Differenzen bzw. Spannungen, die daraus resultieren, dass die Leistungsfähigkeit eines Infrastruktursystems nicht länger den gestellten Anforderungen gerecht werden kann. Die konzeptionellen Überlegungen haben gezeigt, dass Herausforderungen aus dem Zusammenspiel von bestehendem Infrastruktursystem, den Rahmenbedingungen und Zielen resultieren. Da jedes dieser drei Elemente eine hohe Ausprägungsvielfalt aufweist, werden sich die Herausforderungen hinsichtlich ihrer Intensität und Bedeutung regional erheblich unterscheiden und Herausforderungsmuster entstehen. Die Veränderungen der Rahmenbedingungen aber auch neue Zielstellungen können lokal höchst unterschiedlich wirken und begegnen Infrastruktursystemen, die aufgrund früherer Entscheidungen der Aufgabenträger mit unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten ausgestattet sind. Eine undifferenzierte Benennung von Herausforderungen unter kategorialen Oberbegriffen wie bspw. „Klimawandel“ oder „Starkregenereignissen“ erscheint demnach unzureichend. Veränderungen bei Rahmenbedingungen und Zielen werden jedoch erst dann für Aufgabenträger als Herausforderungen relevant, wenn sie in direkten Konflikt mit der Systemleistung treten. Gesellschaftliche Nachhaltigkeitsdebatten müssen als Systemanforderungen institutionell transportiert werden bzw. zukünftige Veränderungen von Rahmenbedingungen müssen in ihren Auswirkungen auf die Systemeigenschaften von den Aufgabenträgern als relevant eingeschätzt werden. Die vertikale Differenzierung der Herausforderungen zeigt weiterhin, dass Anforderungen von Akteuren verschiedener Ebenen an das Infrastruktursystem herangetragen werden. Hierdurch werden einerseits die Herausforderungsmuster noch komplexer. Andererseits erwächst hieraus die Notwendigkeit für Nachhaltigkeitsinstitutionen, Systemanforderungen von verschiedenen Ebenen an die Aufgabenträger heranzutragen. Im Folgenden sollen konkrete Praxisprobleme als Herausforderungen beschrieben und für Aufgabenträger die hierbei entstehenden Herausforderungsmuster beispielhaft verglichen werden.
III. Zentrale Herausforderungen für netzgebundene Infrastruktursysteme der Wasserverund Abwasserentsorgung Im folgenden Abschnitt sollen einzelne Herausforderungen für die netzgebundene Wasserver- und Abwasserentsorgung exemplarisch beleuchtet werden. Anhand der Beispiele und unter Verwendung der o. g. Systematiken soll illustriert werden, wie Herausforderungen aus dem Zusammenspiel der Elemente Infrastruktursystem, Rahmenbedingungen und Ziele resultieren können. Die Herausforderungen
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repräsentieren dabei Themen, die sowohl in der Praxis als auch der wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdebatte gegenwärtig eine bedeutende Rolle einnehmen und stellvertretend für verschiedene Kategorien von Herausforderungen stehen (siehe Abbildung 4):
Ur sachen der ver änder ten Systemanfor der ungen
institutionell or ganisator isch
Refinanzier ung / Substanzer halt
Ziele
Wir tschaftlichkeit
Refinanzier Bedar ung / fs- und umweltger echte Nieder Substanzer haltschlagswasser bewir tschaftung technisch
Ur sachen der Leistungsfähigkeitsdefizite
Rahmenbedingungen
Umweltger echte Schmutzwasser entsor gung
Quelle: eigene Darstellung.
Abbildung 4: Ursachen ausgewählter Herausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft
1. Bedarfs- und umweltgerechte Niederschlagswasserbewirtschaftung: Diese Herausforderungskategorie resultiert aus parallelen Veränderungen der Rahmenbedingungen und Zielen, die gegenwärtig stattfinden und hinsichtlich derer weitere Entwicklungen in Zukunft zu erwarten sind. So ist die Niederschlagsbewirtschaftung vor dem Hintergrund sich derzeitig verschärfender wasserrechtlicher Vorgaben (u. a. WRRL17) und der sich langfristig verändernden Niederschlagsregime zu leisten. Hierbei begrenzen insbesondere die technischen Komponenten die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Siedlungsentwässerung und die Einleitqualität. Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit die Leistungsfähigkeit gegenwärtig dadurch gemindert wird, dass dezentrale Ansätze nicht effektiv und effizient in die Systeme integriert werden können (III.1.). 2. Umweltgerechte Schmutzwasserbeseitigung: Die damit verbundenen Herausforderungen entstehen durch eine Veränderung der Zielstellungen. Gegenwärtig 17 Richtlinie 2000 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 10. 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327 v. 22. 12. 2000.
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werden Zielverschärfungen im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit diskutiert. Diesen Zielveränderungen kann das bestehende technische System nur bedingt nachkommen. Defizite weisen die gegenwärtigen konventionellen Systeme zum Beispiel bei der Reinigungsleistung in Bezug auf Mikroschadstoffe, aber auch bei der Rückgewinnung der im Abwasserstrom enthaltenen Ressourcen und bei der Energieeffizienz auf (III.2.). 3. Wirtschaftlichkeit steht ebenfalls für Herausforderungen, die aus veränderten Zielstellungen resultieren. Die Leistungsfähigkeitsdefizite liegen dabei jedoch weniger im technischen Bereich, sondern sind vorrangig institutionell-organisatorisch begründet. Lange Zeit wurden primär Qualitätsziele verfolgt. Den mittlerweile in der Praxisdiskussion ebenfalls bedeutenden Zielen einer wirtschaftlichen Bereitstellung der Dienstleistungen wurde dabei zuweilen nur unzureichend Beachtung geschenkt. So dominieren vor dem Hintergrund fehlenden Wettbewerbs die Organisations- und Kooperationsformen, die wenige Anreize für eine effiziente Leistungsbereitstellung setzen (III.3.). 4. Refinanzierung und Substanzerhalt stellen grundsätzliche Herausforderungen dar, die eine Verschärfung aufgrund veränderter Rahmenbedingungen erfahren. Die über Wasserentgelte finanzierte Infrastruktur muss trotz vielerorts abnehmender Verbrauchsmengen aufgrund veränderter Bedarfe und oftmals rückläufiger Bevölkerungszahlen sozialverträglich sichergestellt werden. Leistungsfähigkeitsdefizite finden sich zum Beispiel im institutionellen Bereich in Form der gegenwärtigen Tarifstrukturen. Aber auch technische Aspekte, wie die unzureichende Anpassungsfähigkeit langlebiger und kostenintensiver Infrastruktursysteme tragen zur Herausforderung bei (III.4.). Im Abschnitt III.5. wird im Anschluss aufgezeigt, dass eine solche idealtypische Einordnung von Herausforderungen der Komplexität in der Praxis nicht gerecht wird. Vielmehr sind es die sich überlagernden dynamischen Entwicklungen, die konfligierenden Zielstellungen und Wechselwirkungen, welche insbesondere auch die Intensität der Herausforderungen beeinflussen. Die Systematisierung verfolgt vielmehr das Ziel, eine Differenzierung bestehender Problemlagen hinsichtlich ihres Ursprungs und ihrer Reichweite zu ermöglichen. 1. Bedarfs- und umweltgerechte Niederschlagswasserbewirtschaftung Im Rahmen der Abwasserentsorgung stellt die Niederschlagswasserbewirtschaftung ein zentrales Anliegen dar. Eine wichtige Aufgabe ist hierbei die Ableitung des anfallenden Niederschlagswassers aus dem Siedlungsgebiet, welches dort aufgrund weitreichender Flächenversieglungen nicht oder nur teilweise versickern kann. Eine bedarfsgerechte Niederschlagsbewirtschaftung sichert den innerstädtischen Überflutungsschutz und trägt zur Vermeidung von Schadensereignissen bei. Diese Zielstellungen werden über Institutionen und hierbei insbesondere über die im technischen
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Regelwerk festgelegten Überstau- und Überflutungshäufigkeiten top-down an die Systeme herangetragen.18 Konventionelle Systeme bedienen diese Zielstellungen unter Nutzung von Misch- oder Trennkanalisationen, mit denen das Niederschlagswasser zentralen Behandlungsanlagen, Speicherbecken oder auch direkt den Vorflutern zugeführt wird. Diese Vorgehensweise hat sich lange Zeit bewährt, stößt gegenwärtig jedoch verschiedentlich an ihre Grenzen.19 Verantwortlich hierfür sind einerseits die Veränderungen der Rahmenbedingungen, wobei neben der Siedlungsflächenentwicklung insbesondere die Folgen des Klimawandels auf die Entwässerungssysteme einwirken. So werden für die Zukunft eine tendenzielle Verlagerung der Niederschläge von den Sommer- in die Wintermonate und die Zunahme außergewöhnlicher Extremwettereignisse (Stark- und Dauerregen) prognostiziert.20 Hierdurch ist vermehrt mit Situationen zu rechnen, in denen es zu einer Überlastung der Regenwasserkanalisation kommen kann. In der jüngeren Vergangenheit konnten bereits wiederholt Überlastungssituationen beobachtet werden, deren Folgen innerstädtische Überflutungen und Entlastungsereignisse bei Mischwasseranlagen waren.21 Ein Sicherstellen der bedarfsgerechten Dienstleistungserbringung ist vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zunehmend herausfordernd und bedingt möglicherweise Anpassungen des Infrastruktursystems. Die Maßnahmen können sich dabei auf Ansätze einer ortsnahen Regenwasserbewirtschaftung, aber auch auf den Ausbau bestehender Systeme belaufen (u. a. Regenrückhaltebecken). Andererseits verschärfen sich die Ziele und rechtlichen Anforderungen im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit gegenüber der Regenwasserbewirtschaftung. Diese Ziele werden vorrangig von der übergeordneten Gesetzgebungsebene an die Infrastruktursysteme herangetragen. So fordert die europäische Wasserrahmenrichtlinie von den Mitgliedstaaten eine zukünftige Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und weiterhin die Durchführung aller notwendigen Maßnahmen, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern.22 Beide Forderungen können sich in Abhängigkeit von der lokalen Gewässerempfindlichkeit als unvereinbar mit der stofflichen und hydraulischen Belastung durch die Regenwasserentlastungen erweisen, zumal die Belastung infolge des KliVgl. DWA (2006), S. 14. Vgl. Geyler et al. (2014a), S. 96 f. m. w. Nachweisen. 20 Klimavorhersagen sind regelmäßig mit hoher Unsicherheit behaftet, so dass sich konkrete Vorhersagen zur Entwicklung der Niederschlagsregime insbesondere auf kleineren Skalen schwierig gestalten. Grundsätzlich geht man aber gegenwärtig davon aus, dass in Deutschland ab dem Jahr 2040 ganzjährig mit einer deutlichen Zunahme extremer Niederschläge zu rechnen ist, siehe dazu DWD (2011); Zebisch et al. (2005); LAWA (2010); Mehlig / Oermann (2009). 21 Exemplarisch LVZ (2011); WAZ (2013). 22 Vgl. Söhnlein (2007). 18 19
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mawandels langfristig noch zunehmen kann. Die Verringerung der hydraulischen und stofflichen Gewässerbeeinflussung durch Niederschlagsentwässerung stellt demnach eine weitere Herausforderung dar.23 Zugleich wird die Schonung des natürlichen Wasserhaushalts gefordert, eine Zielstellung, die heute im Wasserrecht Berücksichtigung findet und seit dessen Novellierung 2009 mit der konkreten Forderung nach einer ortsnahen Regenwasserbewirtschaftung verbunden ist.24 Allerdings kann diese Zielstellung auch über die Mikroebene, d. h. von den Grundstückseigentümern, an die Aufgabenträger herangetragen werden; falls diese aus Eigeninitiative dezentrale Versickerungsanlagen auf ihrem Grundstück nachfragen, bzw. zentrale Systeme aus diesem Grund nicht akzeptieren. Die Herausforderungen an die Infrastruktursysteme ergeben sich aus der mangelnden Anpassungsfähigkeit der bestehenden Systeme. Diese Leistungsfähigkeitsdefizite können nicht ausschließlich im technischen Bereich ausgemacht werden. Sie bestehen auch darin, dass die Anpassung notwendiger interner Institutionen träge ist. Vor dem Hintergrund der Vielfalt an bereitstehenden dezentralen Technologieoptionen müssen zum Beispiel Defizite bei der Ausgestaltung und Konsistenz kommunaler Institutionen der Regenwasserbewirtschaftung (u. a. Anschluss- und Benutzungszwang, Entgeltmodelle) attestiert werden, welche eine nachhaltige Entwicklung hemmen.25 Hierbei spielen Pfadabhängigkeiten aufgrund der bestehenden zentralen Systeme eine große Rolle, weiterhin aber auch der Zeitbedarf, der zur Diffusion von Innovationen notwendig ist sowie Dilemmata zwischen Akteursinteressen.26 Inwieweit sich für den Aufgabenträger letztlich Herausforderungen im Handlungsfeld Niederschlagswasserbewirtschaftung ergeben, ist jedoch maßgeblich von den lokalen Rahmenbedingungen sowie den Eigenschaften des bestehenden Systems abhängig. So hängt die Gefahr einer urbanen Überflutung maßgeblich von lokalen Faktoren, wie den Klimaverhältnissen, der Topographie und dem Grad der 23 Sie drückt sich gegenwärtig auch in der Diskussion aus, inwieweit emissionsbezogene oder immissionsbezogenen Einleitgrenzwerten herangezogen werden sollen. Da beide Ansätze durch technische Regeln hinterlegt sind – vgl. Schmitt (2012). 24 So zählt der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Wasserhaushalts zu den Sorgfaltsplichten (§ 5 Abs. 1 WHG). Zugleich ist der Grundsatz einer ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung durch Versickerung oder Verrieselung oder alternativ mittels direkter oder wenigstens vermischungsfreier Zuführung in ein Gewässer im 2010 novellierten Wasserhaushaltsgesetz (§ 55 Abs. 2 WHG) verankert. 25 Vgl. Geyler et al. (2015). 26 Z. B. Rogers (2003), S. 275 ff. für ein Beispiel zu Adoptionsprozessen bei Organisationen, die über 16 Jahre liefen. Baumann untersuchte zeitliche Aspekte bei der Adoption von Niederschlagsversickerungsanlagen. Von der Gründung der ATV-Arbeitsgruppe „Versickerung von Niederschlagswasser“ im Jahr 1981 bis zum ersten entsprechenden technischen Regelwerk vergingen knapp 10 Jahre. Bis zur Aufnahme des Gebotes der ortsnahen Versickerung im WHG vergingen weitere 20 Jahre, siehe Baumann (2014), S. 38, 67. Zu Dilemmata zwischen Akteursinteressen, siehe Geyler et al. (2015).
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Flächenversiegelung, aber auch von Eigenschaften des Infrastruktursystems, wie u. a. der Dimensionierung des Netzes ab. Somit ist die nachhaltige Niederschlagsbewirtschaftung ein Beispiel dafür, dass sich Herausforderungen durch Zielentwicklungen auf allen Ebenen sowie durch sich verändernde lokale Rahmenbedingungen entwickeln können, dem die technische und institutionelle Systemträgheit entgegensteht.
2. Umweltgerechte Schmutzwasserbeseitigung Zentrale Aufgabe der Abwasserentsorgung ist die ordnungsgemäße Ableitung und Beseitigung des auf den Grundstücken anfallenden Abwassers. Unter Nutzung der weitläufigen Kanalisationssysteme wird bei konventionellen Systemen das Abwasser zu den zentralen Kläranlagen abgeleitet, wo es in mehrstufigen Reinigungsverfahren aufbereitet und dann in die Gewässer eingeleitet wird. Seit jeher kann eine stetige Verschärfung der umweltrechtlichen Vorgaben beobachtet werden, so dass insbesondere die Forderung nach verbesserter Reinigungsleistung eine anhaltende Herausforderung der Siedlungswasserwirtschaft darstellt. In Reaktion auf die sich verschärfenden Anforderungen erfolgte eine fortwährende Aufrüstung der Kläranlagen, so dass in Deutschland heute 97 Prozent des Abwassers nach dem höchsten EU-Standard einer biologischen Abwasserbehandlung mit Nährstoffentfernung (3. Reinigungsstufe) aufbereitet werden.27 Auch gegenwärtig werden die Umweltschutzziele weiter erhöht, so dass sich bedeutende Herausforderungen für die Siedlungswasserwirtschaft ergeben: In Bezug auf die Verringerung der qualitativen Gewässerbeeinflussung durch Schmutzwasser entwässerung eröffnet allein die Erfüllung der Forderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie eine Vielzahl von Handlungsfeldern. Das zentrale Ziel der Richtlinie ist das Erreichen eines flächendeckend guten chemischen Zustands der Oberflächengewässer sowie die Herstellung des guten ökologischen Zustands oder Potenzials. Dieses Ziel ist durch anthropogene Belastungen der Wasserkörper gefährdet, wofür auch Einträge über Kläranlagen verantwortlich gemacht werden. Bedeutsam sind dabei vor allem Spurenstoffe, zu denen die Inhaltsstoffe bestimmter Pharmaka, aber auch Körperpflegemittel, Nahrungsmittelinhaltsstoffe sowie Pflanzenschutzmittel und Industriechemikalien gehören und die über Kläranlagenabflüsse in die aquatischen Ökosysteme und das Trinkwasser gelangen können.28 Wenngleich die Stoffwirkungen unzureichend erforscht sind, konnten bereits vielfältige ökotoxikologische Wirkungen nachgewiesen werden.29 Daher werden Vgl. ATT et al. (2015), S. 54 f. Vgl. Hillenbrand et al. (2014), S. 193; DWA (2010), S. 2; Kümmerer (2010), S. 349 ff. 29 Die Folgen sind vielfältig und reichen dabei von Verhaltensveränderungen bei Barschen (Benzodiazepin), krankhaften Gewebeveränderung und Nierenschäden bei Regenbogenforel27 28
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für wichtige Spurenstoffe über Umweltqualitätsnormen Grenzwertkonzentrationen vorgegeben.30 Bei einem hohen Abwasseranteil im Vorfluter muss mit der Verletzung dieser europäischen Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer gerechnet werden, zumal jüngst eine weitere Verschärfung der Umweltqualitätsnormen erfolgte.31 Um zukünftig den Anforderungen zu genügen, werden neben Maßnahmen an den Quellen auch technische Maßnahmen im Bereich der Abwasseraufbereitung erforderlich. Bereits gegenwärtig wird die Einführung einer vierten Reinigungsstufe kontrovers diskutiert.32 Ein weiteres Handlungsfeld sind Nährstoffeinträge. Obwohl der überwiegende Teil der Nährstoffe (70 – 80 %) durch diffuse Quellen (u. a. Landwirtschaft) eingetragen wird und größere Kläranlagen seit den 90er Jahren eine gezielte Nährstoffelimination verfolgen, stellen Kläranlagenabflüsse immer noch einen bedeutenden Eintragspfad dar.33 Die weitere Verringerung der punktuellen Belastungen der Nährstoffeinträge durch Kläranlagen ist folglich ein Ansatzpunkt der flussgebietsbezogenen Maßnahmenpläne zur Umsetzung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie.34 Die Verringerung der qualitativen Grundwasserbeeinträchtigung stellt ebenfalls eine mögliche Herausforderung dar. Über undichte Kanalsysteme kann Abwasser exfiltrieren und die Böden und das Grundwasser kontaminieren.35 Die Herausforderung kann zukünftig insbesondere wegen der schleichenden Alterung des Kanalnetzes aufgrund unzureichender Sanierungsmaßnahmen an Bedeutung gewinnen. Eine weitere umweltbezogene Forderung bezieht sich auf die Verringerung des Energieverbrauchs der energieintensiven Systeme.36 Dieser Zielstellung kann einerseits durch Steigerung der Energieeffizienz, aber auch durch Maßnahmen einer verstärkten Energierückgewinnung und der Nutzung bestehender Energieerzeugungspotenziale nachgekommen werden. Technologische Anpassungsmaßnahmen können dabei zum Teil innerhalb der bestehenden konventionellen Systeme umgesetzt len (Diclofenac) bis hin zur hormonell bedingten Verweiblichung männlicher Tiere in Fischpopulationen, siehe dazu Schwaiger et al. (2004), S. 131 ff.; DWA (2010); Brodin et al. (2013), S. 814 f. 30 Vgl. Kern (2014), S. 31 f. 31 Vgl. DWA (2008b), S. 956. Im Rahmen der EU-Richtlinie 2013 / 39 / EU vom 24. 8. 2013 zur Änderung der EU-Richtlinien 2000 / 60 / EG (EU-Wasserrahmenrichtlinie) und 2008 / 105 / EG (EU-Richtlinie über sog. prioritäre Stoffe) fanden zwölf neue Spurenstoffe Berücksichtigung, für welche Umweltqualitätsnormen festgelegt wurden. Diese treten bis 2018 in Kraft. Im Jahr 2027 wird die Bewertung des guten chemischen Zustands der Gewässer unter Berücksichtigung dieser Stoffe erfolgen, siehe dazu Kern (2014), S. 37 f. 32 Vgl. Hagen (2013), S. 116 f.; Gawel (2015); Geyler / Lautenschläger (2015). 33 Vgl. Arle et al. (2010), S. 47 ff. 34 Dabei werden auch weitergehende Maßnahmen der Nährstoffelimination für Größenklassen diskutiert, bei denen bisher keine Mindestanforderungen in Bezug auf u. a. Phosphor bestanden, vgl. Schreff (2012), S. 91 ff. 35 Vgl. Weinig et al. (2012). 36 Vgl. Haberkern et al. (2008); Plath / Wiechmann (2011).
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werden (u. a. Wärmerückgewinnung im Kanal, Verfahren der Phosphorrückgewinnung), zuweilen aber auch veränderte Technologiekonzepte verlangen (z. B. Kreislaufsysteme).37 In Abhängigkeit von den konkreten Zielsetzungen können die Handlungserfordernisse für Infrastrukturbetreiber deutlich variieren. 38 Vor dem Hintergrund der o. g. Systematiken stehen die steigenden Umweltanforderungen stellvertretend für die Herausforderungen, bei denen neue Zielstellungen die technische Leistungsfähigkeit des bestehenden Infrastruktursystems überfordern; durch eine stetige Verschärfung bestehender Anforderungen (Gewässerschutz), aber auch durch das Hinzukommen neuer Zielstellungen (Energiereduktion). Hierbei werden die Zielstellungen vor allem von der übergeordneten Ebene formuliert. Eine Ausnahme bildet hier die Anforderung zur Energieeffizienz. Diese werden teilweise von übergeordneten Ebenen vermittelt, zum Teil stellt sie sich auch dem Aufgabenträger in Reaktion auf Entwicklungen am Energiemarkt selber. In der Konsequenz werden technische Anpassungsmaßnahmen erforderlich und somit die Ausgestaltung von Wasserinfrastruktursystemen maßgeblich durch Umweltqualitätsanforderungen mit beeinflusst. Weiterhin können sich ändernde Rahmenbedingungen (wie der Klimawandel) die Empfindlichkeit der Gewässer erhöhen, so dass auch ohne eine Verschärfung von Umweltvorschriften eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Abwasserreinigung erforderlich wird. Auch hier gilt daher, dass die Intensität der Herausforderung von den jeweiligen lokalen Verhältnissen abhängt. 3. Wirtschaftlichkeit Die beiden folgenden Herausforderungen (Wirtschaftlichkeit sowie Refinanzierung) unterscheiden sich dahingehend von den beiden zuvor genannten, dass bei diesen der Prozess der Herausbildung verbindlicher Systemanforderungen gegenwärtig noch im Gange ist. Bei der generellen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit (Kosteneffizienz) der Dienstleistungserbringung ergibt sich die Spannung aus einem sich ändernden Verständnis bzgl. der Leistungen der allgemeinen Daseinsvorsorge auf übergeordneter Ebene. Lange Zeit waren Infrastruktursektoren primär der Erfüllung von Qualitätsvorgaben verpflichtet. Wirtschaftlichkeits- und Effizienzbelange wurden nur nachrangig betrachtet. Zugleich boten sich den in Form von lokalen Monopolen organisierten Wasserver- und -entsorgern nur schwache Effizienzanreize. Zusätzlich bewirkten die institutionellen Ausprägungen des Politikmodells kommunaler Daseinsvorsorge (Örtlichkeitsprinzip, kommunale Selbstverwaltung) eine kleinteilige Struktur des Sektors. Um dem Wirtschaftlichkeitsziel nun verstärkt nachzukommen, Für einen umfassenden Überblick, siehe DWA (2010b); Geyler / Lautenschläger (2015). Für eine Übersicht zu Rechtsnormen und Programmen zur Steigerung der Energieeffizienz bei der Siedlungswasserwirtschaft und Haushalten siehe Kluge / Libbe (2010), S. 18 f. 37 38
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wurden zahlreiche Netzsektoren (Gas, Strom, Telekommunikation) in den letzten Dekaden dereguliert und liberalisiert. Seither gibt es ebenfalls Bemühungen, insbesondere seitens der EU-Kommission, auch im Wassersektor eine verstärkte wettbewerbliche Ausrichtung zu erreichen.39 In der Folge wurden auch in Deutschland Wettbewerbsoptionen für die Wasserwirtschaft analog zur Öffnung anderer Netzsektoren kontrovers diskutiert. 40 Zwei zentrale Gutachten kamen dabei zu gegensätzlichen Empfehlungen im Hinblick auf die wettbewerbliche Öffnung des deutschen Wassersektors, wobei letztendlich im politischen Raum die Zweifel hinsichtlich einer Vereinbarkeit von Wettbewerb und Gesundheits- und Naturschutz überwogen.41 Wenngleich von den anfänglichen Bemühungen einer breiten wettbewerblichen Öffnung des Sektors mittlerweile Abstand genommen und auf die vermittelnde Strategie einer „Modernisierung“42 gesetzt wurde, kulminierte in Deutschland die Effizienzkritik in mehreren Kartellrechtsverfahren und Preissenkungsverfügungen gegen Wasserversorgungsunternehmen. Die bis heute anhaltende Kritik sowie die fortwährenden Bemühungen auf übergeordneter Ebene um eine Ausweitung wettbewerblicher Elemente verdeutlichen,43 dass diese Zielstellung auch in Zukunft erhebliche Bedeutung haben wird. Auch wenn dabei primär der Versorgungssektor im Fokus steht, strahlt diese Forderung auch auf die Abwasserentsorgung ab.44 Gegenwärtig sind jedoch derartige Systemanforderungen, mit Ausnahme des Kartellrechtes für den Bereich privatrechtlicher Entgelte der Wasserversorgung sowie der Verpflichtung der Ver- und Entsorger auf die „Modernisierungsstrategie“, nur unzureichend konturiert oder gar verbindlich institutionalisiert. Langfristig können Aufgabenträger den Zielen der Wirtschaftlichkeit und Effizienz durch eine optimale Planung der Systemkapazitäten und Verwendung adäquater Technologien Rechnung tragen. In der kurzen Frist sind hierfür jedoch aufgrund der bestehenden Pfadabhängigkeiten nur bedingt Anpassungen des bestehenden Infrastruktursystems möglich. Die Kritik am Wassersektor bezieht sich jedoch schwer39 Für eine Übersicht dieser Entwicklung, Janda (2012), S. 135 ff.; Gawel / Bedtke (2015b), S. 285 ff. 40 Als Startpunkt der Effizienzdebatte in Deutschland wird regelmäßig ein Weltbankgutachten von 1995 gesehen, welches der deutschen Wasserversorgung eine ineffiziente Leistungsbereitstellung attestiert, vgl. Briscoe (1995). 41 Vgl. Brackemann et al. (2000); Ewers et al. (2001). 42 BT-Drs. 16 / 1094. 43 Vgl. Monopolkommission (2010), Tz. 1 – 25; Monopolkommission (2012), Tz. 601 – 625. Exemplarisch seien weiterhin die zwischenzeitlichen Bemühungen der EU-Kommission zur Verschärfung des Vergaberechts im Bereich von Dienstleistungskonzessionen und deren Erstreckung auf den Wassersektor genannt, siehe dazu Laskowski (2013), S. 385 f.; Mosters (2013), S. 296 ff. 44 In der „Modernisierungsstrategie für die deutsche Wasserwirtschaft“ der Bundesregierung werden Maßnahmen für beide Sektoren vorgeschlagen, deren Ziel u. a. effiziente und wettbewerbsfähige Dienstleistungsunternehmen sind, kritisch dazu Gawel / Bedtke (2015).
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punktmäßig auf die aktuelle technische Effizienz der Unternehmen. Unter technischer Effizienz wird der optimale Einsatz der Inputfaktoren verstanden. Dieser wird im Wettbewerbsmarkt durch Anreize zu einem gewinnmaximierenden bzw. kostenminimierenden Verhalten erreicht. Vor dem Hintergrund fehlenden Wettbewerbs bestehen berechtigte Zweifel, ob dieser Zielstellung gegenwärtig vollumfänglich Rechnung getragen wird.45 Als Herausforderung können also die generelle Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und die wirtschaftliche Optimierung der Betriebsprozesse in Reaktion auf sich verändernde Zielstellungen (hier: der Wirtschaftlichkeit) angesehen werden. Ansatzpunkte auf Seite des Infrastruktursystems werden dabei insbesondere bei der Anpassung der organisatorischen Strukturen gesehen. So könnten anstatt der tradierten Regie- und Eigenbetriebe leistungsfähigere Organisations- und Kooperationsformen Anwendung erfahren. Hierzu zählen selbständigere Rechtsformen wie zum Beispiel Eigengesellschaften oder aber Ansätze interkommunaler Kooperationen, die von einer arbeitsteiligen Wahrnehmung einzelner Aufgaben bis hin zu gemeindeübergreifenden Organisationsformen (z. B. Zweckverbände) reichen können.46 Damit verbunden sollten betriebsoptimale Unternehmensgrößen angestrebt werden.47 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Herausforderungen nicht nur materielle Ziele adressieren, sondern auch grundsätzliche formale Unternehmensziele aufgreifen können. Zugleich zeigt sich, dass der Ursprung einer Herausforderung auch durch Leistungsfähigkeitsdefizite der institutionell-organisatorischen Komponente des sozio-technischen Systems begründet sein kann, wenn diese nicht ohne Anpassungen auf veränderte Zielstellungen reagieren kann. Schließlich steht die Wirtschaftlichkeit für solche wasserwirtschaftliche Herausforderungen, die aufgrund sich verändernder Ziele erwachsen. Die gesellschaftliche Diskussion um die Ziele und Verbindlichkeit dieser übergeordneten Systemanforderungen läuft gegenwärtig und zieltransportierende Institutionen sind gerade im Entstehen begriffen. 4. Finanzierung, Refinanzierung und Substanzerhalt Um die Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung bereitzustellen, bedient man sich kostenintensiver großtechnischer Wasserinfrastruktursysteme. Deren Aufbau wird über Eigenkapital, Kredite sowie Beiträge und nicht zuletzt über Fördermittel finanziert. Die Refinanzierung erfolgt hingegen über Nutzer-Entgelte (privatrechtliche Entgelte, öffentlich-rechtliche Gebühren). 45 Aus empirischen Effizienzanalysen wird geschlossen, dass im Sektor der deutschen Wasserversorgung erhebliche Effizienzpotenziale bestehen, siehe dazu Haug (2008); Zschille / Walter (2012); Zschille (2012); ders. (2013). 46 Siehe dazu Bedtke / Gawel (2015a), S. 372 ff. 47 Die Kleinteiligkeit der deutschen Wasserwirtschaft wird oftmals als Grund für die Ineffizienz des Wassersektors angesehen, siehe Sauer (2005); Monopolkommission (2010), Tz. 3; kritisch dazu Haug (2006); Zschille (2012); ders. (2013), die bedeutende, ungenutzte Größenvorteile nur bei kleinen Wasserversorgern sehen.
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Schon die Finanzierung von neuen Anlagenbeständen kann die Infrastrukturverantwortlichen vor immense Probleme stellen. So wird darauf verwiesen, dass 40% der Kommunen Schwierigkeiten haben, die zur Beantragung von Fördermitteln nötigen Eigenanteile aus den laufenden Haushalten aufzubringen.48 Auch in Bezug auf die Refinanzierung ergeben sich zentrale Herausforderungen. Entgegen früherer Annahmen einer zunehmenden Bevölkerungszahl und steigender Verbräuche, kommt es in Deutschland im Zuge des demografischen Wandels insgesamt langfristig zu einer deutlichen Bevölkerungsabnahme.49 In jenen Städten, die mit einer lokalen Abnahme der Bevölkerung konfrontiert sind, muss eine zunehmend geringere Bevölkerungsanzahl für die Kosten der Wasserver- und Abwasserentsorgung aufkommen und die Infrastruktursysteme refinanzieren. Die Kosten für das Vorhalten der Wasserinfrastruktursysteme bleiben jedoch auch bei abnehmender Nutzerzahl aufgrund des hohen Fixkostenanteils weitgehend gleich (Kostenremanenz). Vor diesem Hintergrund stellt die ausreichende Refinanzierung bestehender Anlagenbestände eine bedeutende Herausforderung dar. Zwar ist die Finanzierung durch eine kostendeckende Entgelterhebung institutionell gesichert bzw. wird durch Umlagen sichergestellt, jedoch erwächst die Herausforderung daraus, dass die Abnahme der Bevölkerung tendenziell zu steigenden Pro-Kopf-Ausgaben führt. Hierdurch wird möglicherweise ein weiterer Rückgang des Verbrauchs induziert oder u. U. Standortentscheidungen von Gewerbe und Industrie negativ beeinflusst. Dies ist standortpolitisch regelmäßig nicht gewünscht – ebenso wie die sozialpolitischen Folgen steigender Entgeltsätze, woraus weitere Spannungen resultieren. Politische Widerstände gegen Gebührenerhöhungen stellen dabei die gesetzlich vorgesehene Kostendeckungsgarantie der Träger in Frage und setzen Anreize zum Substanzverzehr. Im Sektor der Wasserwirtschaft kommt erschwerend hinzu, dass eine hohe Fremdverwendung von Entgelteinnahmen erfolgt – eine Handlung, die durch eine fehlende Zweckbindung der Entgeltmittel im deutschen Recht begünstigt wird.50 Eng damit verbunden ist die Herausforderung der Sicherstellung einer ausreichenden Sanierung (Reparatur / Renovierung / Erneuerung) von Anlagenbeständen. Wasserwirtschaftliche Infrastruktursysteme weisen lange Nutzungsdauern auf und erfordern unter der Zielstellung der Substanzerhaltung fortwährende Investitionen in die Instandhaltung, Erneuerung und Anpassung der Systeme. Hierfür wurden zwischen 2000 und 2012 jährlich Investitionen im Mittel von 4,6 Mrd. Euro im Sektor der Abwasserbeseitigung und 2,2 Mrd. Euro im Versorgungssektor getätigt.51 Dennoch genügt dieses Investitionsvolumen nicht, um die Altersstruktur der Kanäle und zentralen Anlagen zu erhalten und einen damit verbundenen SubstanzHillenbrand et al. (2013) nach KfW (2012). Vgl. Statistisches Bundesamt (2009); zu den Folgen des demografischen Wandels für die Abwasserinfrastruktur Dittrich-Wesbuer et al. (2015). 50 Vgl. Gawel (2011); Haug (2003), S. 299 ff. 51 Vgl. ATT et al. (2011), S. 75 ff. 48 49
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verlust zu vermeiden. In der Folge besteht die Gefahr einer fortlaufenden relativen Verschlechterung des Netzzustands.52 Abweichend zu den Defiziten bei der Kosteneffizienz resultieren wichtige Refinanzierungsherausforderungen nicht primär aus einem Wandel bei den Zielstellungen, sondern aus veränderten Rahmenbedingungen, bei welchen wiederum die institutionell-organisatorische Komponente Leistungsfähigkeitsdefizite aufweist. Die vorherrschenden Finanzierungssysteme, z. B. Preis- und Gebührenmodelle mit maßgeblich mengenabhängigen Komponenten, werden als Folge dieser Veränderungen in Frage gestellt. Ansatzpunkte bestehen hierbei vor allem in der Anpassung der Tarifsysteme.53 5. Zur Clusterung von Herausforderungen – theoretische Überlegungen und empirische Evidenz Die vorgestellten Beispiele verdeutlichen bereits die Komplexität der Herausforderungen für die Siedlungswasserwirtschaft. Beispielhaft aufgezeigt wurden die unterschiedlichen Ursachen im Hinblick auf Systemanforderungen und Leistungsdefizite, der Beitrag der verschiedenen Ebenen (vertikale Differenzierung) sowie die Notwendigkeit zeitlich zu differenzieren. Allerdings ist eine separate Betrachtung von Einzelaspekten nicht ausreichend, da die Herausforderungen miteinander verknüpft sind. Das Lösen einer Herausforderung kann daher sogleich neue Herausforderungen bewirken, genauso wie verzögerte Reaktionen auf Herausforderungen sich verstärkend auf andere Herausforderungen auswirken können. So resultieren viele umweltbezogene Herausforderungen erst daraus, dass einer umgehenden Bedienung verschärfter Zielstellungen im Bereich des Umweltschutzes wirtschaftliche Grenzen gesetzt sind. Beispielsweise kann einer Anforderung zur Spurenstoffelimination heute weitgehend mit einer Vielzahl technologischer Optionen begegnet werden. Jedoch führt deren flächendeckende Anwendung zu erhöhten Kosten des Infrastruktursystems. Dies bewirkt oder verstärkt folglich Herausforderungen in Bezug auf die Sozialverträglichkeit der Entgelte. 54 Demgegenüber können auch aus der unzureichenden Beachtung bestehender Herausforderungen zukünftig neue Herausforderungen erwachsen. So stellt die nachhaltige Sanierung, Reparatur und Modernisierung des Infrastruktursystems bereits heute eine Herausforderung dar. Eine ungenügende Instandhaltung der Netze kann jedoch neue Herausforderungen im Bereich der Umweltverträglichkeit bewirken, beispielsweise wenn über zunehmend schadhafte Kanalisationen Schadstoffe austreten. 52 Im Bereich der Kanalisation gelten gegenwärtig ein Fünftel aller Haltungen als kurzoder mittelfristig sanierungsbedürftig, siehe Berger / Falk (2011), S. 6. 53 Vgl. Oelmann / Gendries (2012). 54 Zu den preispolitischen Zielen, siehe OECD (2010).
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Daher ist es notwendig, bei der Lösung selbst von einzelnen Herausforderungen das Gesamtgefüge der Anforderungen und Defizite zu berücksichtigen. Nicht einzelne Herausforderungen, sondern Herausforderungscluster als Überlagerung verschiedener, zusammenwirkender Einzel-Herausforderungen stellen daher die geeignete Bezugsgröße für theoretische und empirische Untersuchungen dar. Verschiedene Infrastrukturträger lassen sich dann im Hinblick auf ihre spezifischen Herausforderungsmuster unterscheiden und charakterisieren. Dies wird im Folgenden anhand der Ergebnisse einer Expertenbefragung illustriert, bei der Selbsteinschätzungen zweier Aufgabenträger bzgl. der Relevanz von Herausforderungen erfragt wurden.55 Die beiden städtischen Aufgabenträger unterscheiden sich im Hinblick auf die bisherige Infrastrukturentwicklung, die räumliche Lage und die Siedlungsentwicklung deutlich voneinander. Aufgabenträger A liegt in den alten Bundesländern und hat Einwohnerzuwächse sowie steigende Bevölkerungsdichten zu verzeichnen. Aufgabenträger B liegt in den neuen Bundesländern. Das Versorgungsgebiet weist eine stabile bis zunehmende Bevölkerung auf, zugleich ist die vergangene Infrastrukturentwicklung durch die Vernachlässigung während der Zeit bis 1989 sowie die kapitalintensive Ertüchtigung und maßgebliche Erweiterung in den 1990er Jahren gekennzeichnet. Vertreter der Strategieabteilungen der beiden Aufgabenträger wurden im Rahmen leitfadengestützter Experteninterviews gebeten, eine Liste an denkbaren Herausforderungen hinsichtlich ihrer Bedeutung zu vergleichen. Es wurde sowohl die gegenwärtige Bedeutung abgefragt als auch die Wahrscheinlichkeit, dass diesen Herausforderungen in Zukunft eine hohe Bedeutung zukommt. In der folgenden Tabelle 1 sind die Herausforderungen ausgewählt, die sich zu den hier betrachteten vier thematischen Punkten zuordnen lassen. Die Befragung zeigte, dass die Aufgabenträger die lokalen Herausforderungen teilweise ähnlich, teilweise aber auch deutlich voneinander abweichend bewerten: Die gegenwärtigen Herausforderungen bzgl. einer nachhaltigen Niederschlagsentwässerung werden von den beiden Aufgabenträgern unterschiedlich eingeschätzt, wobei jedoch übereinstimmend davon ausgegangen wird, dass sich die Herausforderungen in Zukunft verstärken. Während die Verringerung der qualitativen und quantitativen Gewässerbelastung im Zuge der Niederschlagsentwässerung von beiden Aufgabenträgern als bedeutsame Herausforderung erachtet wird, unterscheiden sich die Einschätzungen insbesondere in Bezug auf Überflutungsschutz (bedarfsgerechte Dienstleistungserbringung) sowie in Bezug auf das Management des Grundwassers. Herausforderungen im Hinblick auf eine weitere Gewässerbeeinflussung durch die Schmutzwasserentwässerung werden ebenfalls unterschiedlich beurteilt. Während beide Aufgabenträger der Problematik einer weitergehenden 55 Die Expertenbefragung verfolgte nicht das Ziel der Ableitung verallgemeinerbarer Aussagen. Vielmehr sollte aufgezeigt werden, dass bereits bei der Gegenüberstellung zweier kommunaler Aufgabenträger, deren Einschätzung zur lokalen Bedeutung von Herausforderungen merklich abweichen kann.
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Stefan Geyler und Norman Bedtke Tabelle 1 Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen Relevanz von Herausforderungen durch zwei Aufgabenträger – Auswahl Aufgabenträger A
Aufgabenträger B
Gegenwärtige Relevanzb
Zukünftige Relevanzc
Gegenwärtige Relevanzb
Zukünftige Relevanzc
Erhöhung der Grundwasserneubildung
3
eher Nein
1
Nein
Erhalt / Erreichen gewünschter Grundwasserflurabstände
4
eher Ja
1
eher Ja
Verringerung der quantitativen Gewässerbeeinflussung durch Niederschlagsentwässerung
4
eher Ja
4
Ja
Sicherstellung der bedarfsgerechten Dienstleistungserbringung bei Überlastung – trotz Erreichen von (technischen) Funktionsgrenzen
4
Ja
3
eher Nein
Verringerung der qualitativen Gewässerbeeinflussung durch Niederschlagsentwässerung
4
Ja
4
Ja
Verringerung der qualitativen Grundwasserbeeinträchtigung (durch Schmutzwasserentwässerung)
3
eher Nein
5
Ja
Verringerung der qualitativen Gewässerbeeinflussung durch Schmutzwasserentwässerung
4
Ja
3
eher Ja
Verringerung des Energieverbrauchs / verstärkte Energierückgewinnung / -nutzung
5
Ja
5
Ja
Wirtschaftliche Optimierung der Betriebsprozesse in Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen.
5
Ja
4
Ja
Generelle Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung
5
Ja
5
Ja
Wirtschaftlichkeit
Umweltgerechte Schmutz wasserbeseitigung
Nachhaltige Niederschlagsbewirtschaftung
Herausforderungena
Finanzierung, Refinanzierung und Substanzerhalt
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Finanzierung von neuen Anlagenbeständen – Neuerschließung von Siedlungsflächen
4
eher Ja
1
Nein
Finanzierung von neuen Anlagenbeständen – Neuerrichtung von IS-Bestandteilen / Umbau von IS
4
eher Ja
5
Ja
Sicherstellen einer ausreichenden Sanierung (Reparatur / Renovierung / Erneuerung) von Anlagenbeständen
4
Ja
5
Ja
Sicherstellung / Erreichung einer gerechten langfristigen Verteilung der (Re-)Finanzierungslastend über die Zeit
5
Ja
1
eher Nein
Ausreichende Refinanzierung bestehender Anlagenbestände
5
Ja
5
Ja
a
Die Herausforderungen, in denen sich die beiden Aufgabenträger maßgeblich unterscheiden, wurden eingefärbt. Einschätzung der gegenwärtigen Relevanz der Herausforderung: 1 – niedrigste Relevanz; 5 – höchste Relevanz. Die beiden höchsten Kategorien wurden eingefärbt. c Einschätzung, ob die Herausforderung in Zukunft eine hohe Relevanz haben könnte. Hierbei wurden vier Kategorien unterschieden (Ja, eher Ja, Nein, eher Nein). Die beiden bejahenden Kategorien wurden eingefärbt. d Die Abfrage nutzte den Begriff Finanzierungslasten. Jedoch wies der Kontext der Abfrage darauf hin, dass Refinanzierungslasten eingeschlossen waren, da sich die Frage auf soziale Herausforderungen und somit auf die finanzielle Belastung der Nutzer bezog. b
Schmutzwasserbehandlung (der qualitativen Gewässerbelastung durch Schmutzwasser) in Zukunft eine hohe Relevanz zusprechen (allerdings mit unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten), spielt die Frage der qualitativen Grundwasserbelastung durch Schmutzwasser nur bei einem Aufgabenträger eine Rolle – hier allerdings eine starke. Den Herausforderungen bzgl. Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit wird von beiden Aufgabenträgern eine hohe Relevanz zugemessen. Beide stimmen darin überein, dass dieses Thema auch zukünftig von hoher Relevanz sein wird. Die Beurteilung der Herausforderungen in Bezug auf Finanzierung / Refinanzierung und Substanzerhalt unterscheiden sich maßgeblich bei den Fragen nach der Finanzierung zukünftiger Flächenerschließung und in Bezug auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten über die Zeit. Während Aufgabenträger A beiden Herausforderungen eine sehr hohe Relevanz attestiert, die auch zukünftig seiner Einschätzung nach gegeben sein wird, erachtet Aufgabenträger B diese heute und zukünftig als gering. Demgegenüber werden von beiden Aufgabenträgern die Finanzierung neuer Anlagenbestandteile sowie die ausreichende Sanierung und Refi-
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nanzierung von bestehenden Anlagenbeständen gegenwärtig und zukünftig als große Aufgaben angesehen. Insgesamt zeigen sich schon bei der begrenzten Auswahl an Herausforderungen, die in Tabelle 1 aufgeführt sind, unterschiedliche Herausforderungsmuster. Differenzen treten im Hinblick auf Leistungsdefizite gegenüber materiellen Zielen auf. Unterschiede werden aber auch im Hinblick auf Formalziele der Finanzierbarkeit und der gerechten Lastenverteilung erkennbar. Die explorative Abfrage von Herausforderungen im Rahmen von Experteninterviews weist naturgemäß gewisse methodische Schwächen auf. So lässt die geringe Anzahl der befragten Aufgabenträger keine Verallgemeinerung zu. Weiterhin wurde während der Experteninterviews deutlich, dass gerade kleinräumig auftretende Herausforderungen nur schwer zu einer Gesamtaussage zusammengefasst werden können. Schließlich konnten die Aussagen der explorativen Studie weder auf strategisches Verhalten bzgl. der Antworten überprüft werden noch ließen sich die subjektiven Komponenten am Antwortverhalten herausarbeiten.56 So entsprechen einige Aussagen den Erwartungen aus der wissenschaftlichen Diskussion und es können auch Unterschiede bezüglich der Herausforderungen erklärt werden. Beispielsweise ergeben sich für einen Aufgabenträger deshalb keine Finanzierungskosten bei Flächenerschließungen, weil die Lasten auf die Projektträger der Flächenerschließung übertragen werden. Andere Aussagen sind weniger klar. So wird der Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungserbringung von beiden Aufgabenträgern eine hohe Bedeutung zugemessen. Diese Aussage steht in Widerspruch zur wissenschaftlichen Diskussion, die diesbezüglich eher von schwachen Kontrollmechanismen ausgeht. Bei einer Weiterentwicklung der Methode muss auf diese Aspekte eingegangen werden. Gleichwohl ist ganz grundsätzlich von aufgabenträgerspezifischen Herausforderungsmustern auszugehen.
IV. Fazit Die bestehenden Nachhaltigkeitsdefizite der deutschen Siedlungswasserwirtschaft wurden in diesem Beitrag als Herausforderungen beschrieben, d. h. als komplexes Spannungsgefüge aus Systemanforderungen einerseits und Leistungsdefiziten andererseits. Hierbei wurde das Spannungsgefüge vertikal und zeitlich ausdifferenziert. Somit greift dieses Konzept der Herausforderungen die generellen Zieldiskussionen (wie jene eines Bündels an Nachhaltigkeitsgeboten57) sowie die Diskussion der wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf und konkretisiert diese weiter.
56 Zur Bedeutung von subjektiven Aspekten bei der Priorisierung von kommunalen Aufgaben aus Sicht der verantwortlichen Akteure, siehe z. B. Harms / Jaeck (2013). 57 Vgl. Reese et al. (2015).
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Das Analysegerüst erlaubt es, die einzelnen Nachhaltigkeitsdefizite näher zu charakterisieren, da der jeweilige Beitrag von Systemanforderungen, Rahmenbedingungen und von infrastrukturellen Defiziten gegeneinander abgegrenzt werden kann. Mithilfe dieses so geschaffenen Analysegerüstes ist es daher möglich, die Ursachen von „Herausforderungen“ klarer herauszuarbeiten und hierauf aufbauend die beteiligten Akteure sowie ggf. die föderalen Vernetzungen sichtbar zu machen. Hierbei sollten nicht einzelne Herausforderungen, sondern Herausforderungscluster den Bezugspunkt für die Suche nach Lösungsansätzen bilden. Die gemeinsame Betrachtung solcher Bündel an Herausforderungen sind deshalb besser geeignet, weil auch die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Herausforderungen berücksichtigt werden können. Weiterhin hilft eine solche Clusterung dabei, die jeweilige Bedeutung von technischen Optionen und Institutionen besser einzuordnen. Hinsichtlich der technischen Problemstellungen ist zu konstatieren: – Sie verweisen auf technisch bestimmte Leistungsdefizite der gegenwärtigen Infrastrukturen, woraus die Konsequenz erwächst, zur Lösung derart determinierter Herausforderungen künftig verstärkt technische Innovationen aufzugreifen. – Weiterhin bietet der technische Möglichkeitenraum auch die Mittel zur Lösung entsprechender Herausforderungen. Für die Ausnutzung dieses Möglichkeitenraums müssen jedoch adäquate organisatorische Strukturen und Institutionen verfügbar sein, die einerseits die technischen Optionen einbetten und andererseits die erforderlichen Anreize zur Adoption der Techniken setzen.
Unterbelichtet blieb der Aspekt der wechselseitigen dynamischen Begrenzung von systemtragenden Technologien, Zielen und Institutionen bezüglich ihrer Gestaltungsfreiheit.58 Wie die wissenschaftlichen Arbeiten zu sozio-technischen Systemen und zur Transformation von Infrastrukturen zeigen, sind Technologien sehr eng und wechselseitig mit Institutionen verknüpft.59 Veränderungen bei systemtragenden Technologien stellen komplexe Transformationsvorgänge dar, die mit einem umfassenden institutionellen Wandel einhergehen. Jedoch können sich auch die Ziele und Entwicklungsvorschläge zu den Schlüsselinstitutionen letztendlich nicht ohne Bezug auf die systemrelevanten Technologien bewerten lassen. So eröffnet technischer Fortschritt völlig neue Dienstleistungen (Nährstoffrückgewinnung, Energiegewinnung) und verändert somit das Aufgabenfeld der Infrastrukturen, die Ansprüche an dieselben und die institutionellen Steuerungserfordernisse. Dieses dynamische Wechselspiel wurde im Rahmen dieses Beitrags nicht tiefgreifender betrachtet. Im Hinblick auf die Institutionen wird durch die Analyse deren fundamentale und vielfältige Bedeutung unterstrichen: – Institutionen setzen zunächst den Rahmen für die Entwicklung der technischen Systemkomponenten. 58 59
Vgl. u. a. Geels (2004), S. 904. Vgl. Häußling (2014); Bedtke (2015b) m. w. Nachweisen.
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– Institutionen transportieren ferner Systemanforderungen sowohl von übergeordneten Ebenen als auch von der untergeordneten Mikroebene: Zentral für die Entstehung und Bedeutung einer Herausforderung sind dabei oftmals die Institutionen, welche die Zielstellungen an die Aufgabenträger herantragen. Der Aufgabenträger wird – über die intrinsische Motivation heraus – nur die Ziele bedienen, die über Institutionen gefordert sind. Eine nachhaltige Steuerung von Wasserinfrastruktursystemen macht demnach konsistente institutionelle Rahmenbedingungen erforderlich, welche die Infrastrukturdienstleister dazu anhält, den durchaus widersprüchlichen Zielen und Herausforderungen die erforderliche integrierte Beachtung zu schenken. – Institutionen transportieren weiterhin Systemleistungen, im Hinblick auf Gerechtigkeitsaspekte der Kostenverteilung bzw. im Hinblick auf die Erschwinglichkeit von Infrastrukturleistungen. – Organisatorische Strukturen und interne Institutionen bestimmen neben den technischen Komponenten maßgeblich die Leistungsfähigkeit der Infrastrukturbereitstellung, welche die Effektivität und Effizienz der Dienstleistungserbringung beeinflussen und auch die Abstimmung mit den an der Leistungserbringung beteiligten Akteuren ermöglicht. – Nicht zuletzt sind Institutionen zur Einbettung von neuen technischen Optionen notwendig und ermöglichen erst deren effektive und effiziente Nutzung zur Lösung von Herausforderungen. Dies betrifft insbesondere auch die Koordination zwischen den Akteuren bei der Nutzung von bestimmten technischen Optionen.
Hierbei wirken Institutionen für sich alleine oder in einem mehr oder weniger engen Zusammenwirken mit technologischen Optionen. Die Möglichkeit und Notwendigkeit, mittels bestimmter Lösungsoptionen zum Abbau von Spannungen beizutragen, besteht für alle föderalen Ebenen in Deutschland; sowohl für den Aufgabenträger (kommunale Ebene) als auch für die rahmensetzenden Ebenen (Länder, Bund). Dabei stehen die institutionellen Optionen im Mittelpunkt des Interesses, die den Unternehmen ungeachtet ihrer spezifischen Situation ein nachhaltiges Agieren ermöglichen bzw. sie zu einem nachhaltigen Agieren anhalten. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Entgelten, der Zuweisung von Allokationskompetenz zwischen Staat und Markt („Wettbewerb und Daseinsvorsorge“), der Governance-Architektur („Kompetenzordnung“) sowie auf Fragen der Implementation. Diese hierbei betrachteten Schlüsselinstitutionen lassen sich in ihren multiplen Wirkungen anhand des Analysekonzeptes zu Nachhaltigkeitsherausforderungen einordnen, wie einige Beispiele verdeutlichen:60 – Entgelte und Abgaben als Steuerungsinstitutionen wirken an verschiedenen Stellen auf die Herausforderungen ein. Beispielsweise dienen sie neben ordnungsrechtlichen Vorgaben dazu, steigende Systemanforderungen gegenüber Infra-
60
Siehe hierzu auch Gawel / Bedtke (2015); Bedtke / Gawel (2015a).
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strukturdienstleistern durchzusetzen. Dies erfolgt beispielsweise dann, wenn Umweltabgaben auf die Restverschmutzung im Abwasserstrom erhoben und hierdurch Anreize zur Innovationstätigkeit vermittelt werden.61 Weiterhin beeinflussen Entgelte auch als interne Institutionen die Leistungsfähigkeit von Infrastruktursystemen. So steuern gesplittete Abwasserentgelte das Nutzungsverhalten der Grundstückseigentümer bei dezentralen Regenwasseranlagen mit und modulieren hierdurch das Gesamtsystem der Regenwasserbewirtschaftung.62 Schließlich ist die Sozialverträglichkeit von Entgelten Teil der Performanz der Leistungserbringung. – Vorschläge zur Nachjustierung bei der Allokationskompetenz zwischen Markt und Staat („Wettbewerb und Daseinsvorsorge“) beeinflussen die Leistungsfähigkeit der Systeme zum Beispiel im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit. 63 Weiterhin werden hierbei Systemanforderungen im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, aber auch Versorgungsqualität und -sicherheit gesetzt.64 – Schließlich beeinflussen die vertikale und horizontale Verteilung von Regelungsund Vollzugskompetenzen den Umfang und die Spezifität, mit der Systemanforderungen an lokale Infrastruktursysteme herangetragen werden und passfähig zu lokalen Gegebenheiten sind sowie die damit verbundenen Transaktionskosten.65
Abschließend lassen sich daraus auch Anforderungen an die Weiterentwicklung von Institutionen auf übergeordneter Ebene formulieren: – Institutionen müssen robust im Hinblick auf verschiedene Herausforderungsmuster sein bzw. es müssen institutionelle Lösungen für verschiedene Herausforderungsmuster erarbeitet werden. – Es sollten auch Institutionen zu solchen Systemanforderungen erarbeitet werden, die bisher noch nicht oder unzureichend institutionell untermauert sind (z. B. das Ziel der Flexibilität oder der Ressourceneffizienz). – Der institutionelle Möglichkeitenraum muss parallel zum technischen Möglichkeitsraum ausgebaut werden und technikspezifische Optionen zur effektiven und effizienten Einbettung der Innovationen bereitstellen.
Dann können institutionelle Vorschläge den spezifischen Situationen der einzelnen Aufgabenträger gerecht werden und die nachhaltige Entwicklung des Wassersektors maßgeblich befördern.
61 So wird gegenwärtig vorgeschlagen, die Finanzierung einer vierten Reinigungsstufe aus dem Aufkommen der Abwassergabe zu leisten, siehe dazu Gawel (2015). 62 Siehe dazu Geyler et al. (2015); Winkler (2015). 63 Siehe dazu Bedtke / Gawel (2015a). 64 Vgl. Gawel / Bedtke (2015). 65 Vgl. Wickel (2015).
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Technische Konzepte und Optionen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung Von Stefan Geyler und Sabine Lautenschläger
I. Einleitung Technische Innovationen stellen eine maßgebliche Basis für die nachhaltige Systementwicklung bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung dar. Sie bilden die notwendige Basis, um die vielfältigen Anpassungserfordernisse und Herausforderungen umzusetzen, die sich im Sinne der Nachhaltigkeitsgebote an die Infrastruktursysteme stellen. Diese fordern sowohl die Verbesserung der Leistungen der Infrastrukturen als auch deren Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen.1 Der folgende Beitrag erarbeitet einen Überblick über die mittlerweile zahlreichen technischen Optionen, die hierbei einen maßgeblichen Beitrag leisten können. Gerade diese Vielfalt wirft die Fragen auf, in welcher Hinsicht sich die technischen Optionen unterscheiden und welchen Beitrag sie für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung leisten können. Wenn bestimmte technische Optionen in Zukunft verstärkt aufgegriffen bzw. deren Nutzung aufgegeben wird. Bezüglich des Begriffes technischer Optionen wird die Definition von Ropohl2 aufgegriffen: Technik ist „(a) die Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde (Artefakte oder Sachsysteme), (b) die Menge menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Sachsysteme entstehen und (c) die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme verwendet werden“. Um die Vielfalt der technischen Optionen beschreiben zu können, wird weiterhin auf die Prozessorganisation der Wasserver- und Abwasserentsorgung abgestellt. Sowohl die Trinkwasserversorgung als auch die Abwasserentsorgung untergliedern sich in mehrere Hauptprozesse, die jeweils auf aufgabenspezifischen technischen Systemen aufsetzen. Deshalb werden im Folgenden unter technischen Optionen solche Handlungen, Prozesse und Strukturen verstanden, die zur Realisierung eines Hauptprozesses erforderlich sind.
1 Vergleiche hierzu die Beiträge Bedtke (2015) zu globalen und regionalen Wandlungsprozessen; Reese / Gawel / Geyler (2015) zu Nachhaltigkeitsgeboten; Geyler / Bedtke (2015) zu Anpassungserfordernissen und Herausforderungen in diesem Band. 2 Vgl. Ropohl (2009), S. 31.
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Stefan Geyler und Sabine Lautenschläger
Der Beitrag ist folgendermaßen gegliedert. Zuerst werden die gegenwärtig dominierenden technischen Optionen rekapituliert (Abschnitt II.). Es zeigt sich, dass sich die Infrastruktursysteme schon gegenwärtig beträchtlich im Hinblick auf die genutzten technischen Optionen unterscheiden können. Der Eindruck von homogenen Infrastruktursystemen löst sich demnach bei näherer Betrachtung etwas auf. Danach wird der gegenwärtige Diskussionsstand zu technischen Optionen umrissen und gezeigt, dass hier vielfältige Entwicklungen stattfinden, so dass sich langfristig die genutzten technischen Systeme weiter ausdifferenzieren könnten (Abschnitt III.). Daher werden abschließend die Bedeutung dieser Vielfalt an technischen Lösungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Systementwicklung und Anforderungen, die sich hierbei ergeben, diskutiert (Abschnitt IV.). Abschließend werden Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung der institutionellen Rahmenbedingungen formuliert, die notwendig sind, um den sich erweiternden technischen Möglichkeitenraum für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung zu nutzen (Abschnitt V.).
II. Ausgangssituation – die gegenwärtig dominierenden technischen Optionen bei der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung untergliedern sich jeweils in mehrere Hauptprozesse. Bei der Wasserversorgung werden hierbei die Gewinnung, Aufbereitung sowie der Transport / Speicherung / Verteilung zu den Verbrauchern unterschieden. Die Abwasserentsorgung teilt sich in Grundstücksentwässerung, Abwasserableitung und -transport, die Abwasserreinigung sowie die Klärschlammentsorgung auf.3 Diese Prozesse werden durch technische Strukturen und Lösungen erbracht. Sie sind notwendig, um die gegenwärtig geforderten Dienstleistungen zu erbringen: die Bereitstellung von sauberem, gesundheitlich unbedenklichem Trinkwasser und die Ableitung und Behandlung des Schmutz- und Regenwassers sowie deren Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf.4 Sollen darüber hinausgehend weitere Ziele erreicht werden, können durchaus weitere Hauptprozesse notwendig werden. Dies trifft zum Beispiel auf die Prozesse der Nährstoffrückgewinnung oder der Energierückgewinnung zu. Schon gegenwärtig werden unterschiedliche technische Optionen für die Durchführung der einzelnen Hauptprozesse genutzt. Die öffentliche Wasserversorgung ist in Deutschland mittlerweile nahezu flächendeckend vorhanden.5 Die seit der Mitte
Vgl. DWA (2008b). § 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 WHG. 5 Der Anschlussgrad der Bevölkerung an die öffentliche Wasserversorgung lag im Jahr 2010 bei 99,3 Prozent, vgl. Statistisches Bundesamt (2013a). 3 4
Technische Konzepte für die Wasserver- und Abwasserentsorgung
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des 19. Jahrhunderts entstandenen konventionellen Versorgungssysteme6 sind durch großräumige, zentralistische Strukturen gekennzeichnet. Die Gewinnung und Aufbereitung des Trinkwassers erfolgt in großen zentralen Anlagen, dessen Verteilung wird durch Transportleitungen sowie verzweigte und vermaschte Verteilnetze gewährleistet, die ihrerseits in Versorgungszonen mit eigener Druckhaltung unterteilt sein können. Bei der Wasserversorgung bestehen augenfällige Unterschiede insbesondere im Hinblick auf die Wassergewinnung und Aufbereitung. Zum Teil stellen Fernwasserversorger das Wasser bereit und nutzen hierfür sehr leistungsfähige Wasserressourcen wie Uferfiltrat oder Talsperren. Prominente Beispiele sind die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz im südlichen Sachsen-Anhalt bzw. Westsachsen sowie die Bodenseewasserversorgung im Südwesten Deutschlands. Auch bei der ansonsten lokal oder regional erfolgenden Wassergewinnung wird auf unterschiedliche Quellen zurückgegriffen, insbesondere auf Grundwasser aber auch Uferfiltrat, See- und Talsperrenwasser sowie Flusswasser.7 Die Quellen unterscheiden sich zum Beispiel im Hinblick auf chemische Eigenschaften sowie deren Vulnerabilität und erfordern jeweils spezifische Gewinnungs- und Aufbereitungstechniken. Die Gründe für die Vielfalt der genutzten Quellen liegen u. a. in ihrer räumlichen Heterogenität in Bezug auf Verfügbarkeit, Vulnerabilität und Gefährdung. Weiterhin spielt die Historie der Systeme eine Rolle. Auch bei den Verteilungsnetzen lassen sich unter anderem verschiedene Netzstrukturen unterscheiden, die sich im Vernetzungsgrad, den genutzten Materialien und der Lage im öffentlichen Raum unterscheiden, worauf aber an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Bei der Abwasserentsorgung dominieren ebenfalls die öffentliche Kanalisation und zentrale Abwasserbehandlungsanlagen. Im Vergleich zur Trinkwasserversorgung treten jedoch stärkere räumliche Differenzen bezüglich des Leistungsumfangs und der technischen Merkmale hervor. Während in urbanen Gebieten in der Regel sowohl die Schmutz- als auch die Regenwasserbewirtschaftung zentral erfolgt, fällt insbesondere in dünn besiedelten ländlichen Gebieten der Leistungsumfang wesentlich geringer aus und erfolgt in der Regel dezentral. Im Extremfall wird auch die Schmutzwasserentsorgung nicht durch die öffentliche Hand gewährleistet, sondern erfolgt über grundstücksbezogene oder grundstücksübergreifende dezentrale Lösungen. Weiterhin variieren Technologien zur zentralen Abwasserableitung. In hochverdichteten und älteren Stadtteilen kommen häufig Mischsysteme zum Einsatz, in jüngeren und dünner besiedelten Gebieten die Trennkanalisation. Aber auch hier sind historisch bedingte Einflüsse sowie weitere Faktoren prägend. Beispielsweise wurde 6 Einen Abriss der Entwicklung der Wasserversorgung und Abwasserinfrastrukturen bieten Mohajeri (2005); Kluge / Schramm (1988). 7 Vgl. Statistisches Bundesamt (2013b).
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der Begriff des „Deutschen Mischwasseräquators“8 geprägt. Dieser beschreibt eine Ost-West-Grenze, nördlich von der kaum noch Mischkanalisationssysteme zu finden sind, sondern nur noch Trennkanalisation, obgleich die grundsätzlichen Anforderungen an die Regenwasserbewirtschaftung flächendeckend geregelt sind.9 Die Abwasserbehandlungsanlagen sind grundsätzlich ähnlich gestaltet, variieren jedoch im Detail in Bezug auf die eingesetzten Behandlungsprozesse und dahinter stehende Technologien in Abhängigkeit von der Größenklasse und den lokalen wasserrechtlichen Vorgaben, sowie den anfallenden Schmutzfrachten und Konzentrationsverhältnissen. Somit kann auch bei den gegenwärtig verbreiteten, konventionellen Systemen nicht von homogenen technischen Strukturen gesprochen werden, sondern schon gegenwärtig werden hierfür verschiedene technische Optionen miteinander kombiniert. Diese Unterschiede ergeben sich scheinbar deshalb, weil die Systeme bei Errichtung und Weiterentwicklung an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten und Anforderungen angepasst wurden, weil sich der Stand der Technik verändert hat oder auch aufgrund von sozialpsychologischen Phänomenen des Umgangs der Akteure mit den sich bietenden Optionen.
III. Neue technische Optionen in der Diskussion Über die eingesetzten technischen Optionen hinaus werden gegenwärtig vielfältige technische Innovationen erforscht oder zur Praxisreife gebracht. Im folgenden Kapitel werden einige Entwicklungsbereiche überblicksartig vorgestellt, ohne den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben. 1. Entfernung von Mikroverunreinigungen und weitergehende hygienische Anforderungen Zu Mikroverunreinigungen zählen organische Substanzen, die in geringen Konzentrationen vorkommen, aber öko- und humantoxikologisch relevant sind. Sie weisen hormonartige, gentoxische Wirkungen auf, können das Immunsystem beeinträchtigen bzw. wirken antiinfektiv. Enthalten sind sie unter anderem in Pharmaka, Körperpflegemitteln aber auch in Industriechemikalien und Nahrungsmittelinhaltsstoffen.10 Vgl. Brombach (2010). Gemäß § 55 Abs. 2 WHG soll Niederschlagswasser „ortsnah versickert, verrieselt oder direkt über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden, soweit dem weder wasserrechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserrechtliche Belange entgegenstehen“, so dass hiervon je nach derzeitiger Systemgestaltung ein Veränderungsdruck ausgeht. 10 Vgl. DWA (2010). 8 9
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Technische Lösungen filtern die Mikroverunreinigungen aus dem Wasser heraus oder bauen sie chemisch ab und nutzen hierfür Aktivkohleadsorption, Membranfiltrationsanlagen oder reaktive Substanzen wie Ozon.11 Weitere Verfahren, wie Retentionsbodenfilter oder dezentrale Regenwasserbewirtschaftungsanlagen nutzen das Reinigungsvermögen der Böden aus und können bei der Regenwasserbewirtschaftung zentral oder dezentral eingesetzt werden.12 Die technischen Optionen erweitern die Kläranlagen bzw. ergänzen die Regenwasserbewirtschaftung. Es existieren Pilotanlagen, Erfahrungsberichte und Vergleichsstudien einschließlich von Kostenschätzungen.13 Parallel hierzu wird aber auch die Notwendigkeit betont, den Eintrag an den Quellen zu verringern. Hierzu gehören die Land- und Forstwirtschaft, Abwassereinleitungen von Straßen, Mischwasserentlastungen sowie Einleitungen von Industrieabwässern14. Geeigneten Maßnahmenkombinationen, kommt zur umfassenden Reduzierung des Eintrags von Mikroverunreinigungen eine große Bedeutung zu.15 Neben den technischen Optionen, mit denen Mikroverunreinigungen aus Abwasserströmen entfernt werden können, wurden technische Verfahren entwickelt, die derartige Stoffe im Rahmen der Trinkwassergewinnung und Aufbereitung herausfiltern. Hierbei werden ähnliche Verfahrensprinzipien genutzt.16 Zum Teil können diese Verfahren auch dezentral eingesetzt werden.17 Ferner können erhöhte hygienische Anforderungen an die Ablaufqualität des behandelten Abwassers technische Maßnahmen zur Reduktion der Keimbelastung erforderlich machen. Dies gilt bei entsprechenden wasserrechtlichen Anforderungen bei Einleitung ins Gewässer und in besonderem Maße bei Systemgestaltungen, die eine Wiederverwendung bspw. als Brauchwasser anstreben. Zum Einsatz kommen hier insbesondere UV- und ozonbasierte Technologien.
2. Stoffrückgewinnung und Wiedernutzung von Wasser Die Stoffrückgewinnung zielt auf die Nutzbarmachung im Abwasser enthaltener Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor oder die Gewinnung von Bodenverbesse11 Vgl. z. B. DWA (2010); Nahrstedt et al. (2014); Nicolet-Misslbeck (2014); Keysers et al. (2013); Barjenbruch / Firk / Peter-Fröhlich (2014). 12 Vgl. Tondera et al. (2014); Hillenbrand et al. (2014a). 13 Vgl. Vogel et al. (2014); Rödel / Günthert / Bleisteiner (2014); Biebersdorf et al. (2014); Clausen et al. (2014); Grünebaum et al. (2014). 14 Vgl. z. B. DWA (2010); Hillenbrand et al. (2014a); Hillenbrand et al. (2014b); Bode / Grünebaum / Klopp (2010a); dies. (2010b). 15 Vgl. zu Technologien und Kosten z. B. Hillenbrand et al. (2014); darüber hinaus zu Finanzierungsfragen Gawel et al. (2015). 16 Vgl. Storck et al. (2013). 17 Vgl. Hank (2013).
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rern zur Schließung von Stoffkreisläufen. Als Nebeneffekt kann sich auch die Reinigungsleistung der Abwasserentsorgung verbessern.18 Seit geraumer Zeit werden technische Ansätze zur Phosphorrückgewinnung aus dem Abwasser entwickelt und die Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen phosphathaltigen Recyclingprodukte als Dünger untersucht.19 Technische Verfahren sind vielfältig und setzen an den Reinigungsprozessen der Kläranlage, am Klärschlamm sowie an der Klärschlammasche nach deren separater Verbrennung an.20 Somit knüpfen sie an zentrale Strukturen der Abwasserbehandlung an oder an überregionalen Systemen der Klärschlammverbrennung. Im Zuge der unten noch beschriebenen NASS kann eine Stoffrückgewinnung auch an verschiedenen räumlichen Dimensionen ansetzen. Selbst im dezentralen Bereich existieren technische Möglichkeiten zur Stoffrückgewinnung21. Ebenso stehen Technologien zur Rückgewinnung des Stickstoffs als Pflanzennährstoff zur Verfügung. Neben Phosphat wird die Ausspeisung von Kohlenstoff erforscht, sowohl im Rahmen der Abwasserbehandlung als auch bei der Klärschlammbehandlung.22 Schließlich wird auch die Nutzung von gereinigtem Abwasser in der Landwirtschaft diskutiert. Hierbei geht es sowohl um die Bewässerung als auch um die Nutzung der noch im Abwasser enthaltenden Pflanzennährstoffe.23 Eine Wiedernutzung des Wassers – über die Regenwassernutzung hinaus – ist beispielsweise durch eine Grauwasserbehandlung möglich. Diese kann dezentral oder semizentral erfolgen.24 3. Energieeffizienz und Energiegewinnung (AW / TW) Technische Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz auf Kläranlagen und zur Nutzung verfügbarer Biomassestehen aktuell im Fokus inkrementeller Systemverbesserungen. Da die Kläranlagen mit zu den größten kommunalen Energieverbrauchern gehören, kommt inkrementellen technischen Maßnahmen zur Energieeffizienzverbesserung der Kläranlagen und der Abwassersammlung große Bedeutung zu.25 Weiterhin beziehen sich die Optionen auf die Biogasgewinnung aus Vgl. DWA (2014); Theobald / Rühmland / Richter (2014). Vgl. Römer (2013); Waida / Julich / Gäth (2012). 20 Vgl. Meyer / Steinmetz (2013); Scheidig et al. (2013); DWA-Arbeitsgruppe KEK-1.1 (2013a); DWA-Arbeitsgruppe KEK-1.1 (2013b). 21 Vgl. Geyler et al. (2012). 22 Für einen Überblick über laufende Projekte zur energetischen Optimierung der Abwasserentsorgung – siehe DWA (2015b): Hierbei werden unter anderem Brennstoffzellen zur Energiegewinnung aus Abwasseranlagen untersucht, die Methanolgewinnung, Verfahren zur Kohlenstoffausschleusung aus Kläranlagen. Darüber hinaus vgl. Kolb (2013). 23 Vgl. Koeppke / Nehls-Artner / Koim (2014); Meyer / Barth / Otterpohl (2014). 24 Vgl. Sartorius (2007); Rudolph (2001); FBR (2010); Bieker / Frommer (2010). 25 Vgl. Hasselbach et al. (2014); Heinrich et al. (2014); Knubbe et al. (2014); Müller / Kobel (2014); MUFV (2007); Seibert-Erling (2009). 18 19
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Klärschlamm. Hierbei kann auch Biomasse aus anderen, nicht vom Abwasser stammenden Quellen mit genutzt werden (Co-Vergärung).26 Darüber hinaus befinden sich weitere technische Ansätze im Forschungsstadium.27 Parallel hierzu ermöglichen technische Innovationen die Nutzung der Abwärme des anfallenden Abwassers direkt im Gebäude oder aus der Kanalisation. Hierbei wird die Wärmeenergie über Wärmetauscher zurückgewonnen.28
4. Ausdifferenzierung der technischen Lösungen bei der Regenwasserbewirtschaftung Im Zusammenhang mit Regenwasserbewirtschaftung werden neue technische Optionen zum Rückhalt, zur Versickerung und zur örtlichen Nutzung von Regenwasser erarbeitet.29 Hierbei geht es um Lösungen, welche die stofflichen Belastungen durch das Regenwasser in den Gewässern verringern, indem Schadstoffspitzen zurückgehalten und Kläranlagen zugeführt werden oder eine dezentrale Reinigung des Regenwassers erfolgt. Darüber hinaus zielen die Optionen auf eine gefahrlose Ableitung der anfallenden Niederschläge zur Gewährleistung des Überflutungsschutzes selbst bei steigenden Niederschlagsintensitäten bzw. auf die Verbesserung des lokalen Wasserhaushaltes.30 Die technischen Optionen beziehen sich auf verschiedene räumliche Ebenen; sowohl zur ortsnahen Bewirtschaftung auf Ebene von Grundstücken durch eine Zwischenspeicherung, Versickerung oder Wiedernutzen31, die auch auf semizentraler Ebene durchgeführt werden können32. Weiterhin beschäftigen sich dezentrale und semizentrale Technologien gezielt mit der Bewirtschaftung und Reinigung des Regenwassers aus dem öffentlichen Raum, der durch Verkehrsflächen geprägt ist 33. Vgl. Schaum et al. (2014); DWA (2010); MLUV (2009). Für einen Überblick über laufende Projekte zur energetischen Optimierung der Abwasserentsorgung – siehe DWA (2015b): Hierbei werden unter anderem Brennstoffzellen zur Energiegewinnung aus Abwasseranlagen untersucht, die Methanolgewinnung, Verfahren zur Kohlenstoffausschleusung aus Kläranlagen. Siehe auch Kolb (2013). 28 Vgl. Ellerhorst / Krajacic / Sommer (2014); DWA (2010). 29 Vgl. Geiger / Dreiseitl / Stemplewski (2009). 30 Zur stofflichen, hygienischen und hydraulischen Belastung von Oberflächengewässer durch Niederschlagsentwässerung vgl. u. a. Brombach / Fuchs (2003); Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (2004); Fuchs et al. (2010); im Hinblick auf Anforderungen an die Regenwasserbewirtschaftung siehe z. B. Schmitt (2009); Peters (2007); Sieker / Schlottmann / Zweynert (2007); Gatke et al. (2015); Hinz / Post / Barjenbruch (2013); Stokman / Hoppe / Massing (2015). 31 Vgl. Bullermann (2000); Sieker et al. (2006); Geiger / Dreiseitl / Stemplewski (2009). 32 Vgl. z. B. Kruse / Dickhaut / Waldhoff (2009); Dickhaut / Kruse (2011); Kruse (2011). 33 Vgl. dazu Sieker (2012); Werker et al. (2012a); Werker et al. (2012b); Amft (2013); Dobner et al. (2013); Benden (2014). 26 27
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Schließlich zielen Maßnahmen auf die zentralen Systeme ab, indem hier Regenrückhalte, -überlauf und -klärbecken eingesetzt werden bzw. in dem der Kanalraum durch eine Kanalnetzsteuerung besser als Speichermedium ausgenutzt wird. 34
5. NASS (Neuartige Sanitärsysteme) Die sogenannten Neuartigen Sanitärsysteme35 gehen über technische Optionen in Bezug auf einen Hauptprozess hinaus und umfassen innovative technische Lösungen, die alle Hauptprozesse umfassen. Neuartige Sanitärsysteme zielen auf eine möglichst weitgehende Schließung von Stoff- und Wasserkreisläufen zur Wiederverwertung der im Abwasser enthaltenen Wertstoffe. Wichtige Anliegen dieser Systeme sind hierbei die Ressourcenrückgewinnung in Bezug auf Phosphor, Stickstoff, aber auch Biomasse und Energie, die effektive Elimination problematischer Mikroverunreinigungen sowie Mehrfachnutzung von Wasser, indem Regenwasser und Grauwasser nach einer entsprechenden Behandlung als Brauchwasser bereitgestellt werden. Grundlage hierfür bildet die getrennte Erfassung von häuslichen Stoffströmen direkt am Entstehungsort, um diese Ströme anschließend separat zu behandeln, zu nutzen bzw. zu verwerten. Indem es an allen Hauptprozessen ansetzt, stellen NASS eine radikale Innovation gegenüber den konventionellen Systemen dar. Zugleich wird hierdurch eine effektivere Leistungserbringung im Vergleich zur Weiterentwicklung konventioneller Systeme erwartet.36 Mit den Neuartigen Sanitärsystemen sind Systemgestaltungen für verschiedene Größenordnungen, Raumstrukturen, den Neubau als auch im Bestand denkbar37. Aufgrund der im Vergleich zu den herkömmlichen Systemkonzepten deutlich abweichenden technischen Prinzipien erfordert die Implementierung von NASS den Einbezug einer breiteren Akteursbasis und die Aneignung und Nutzung neuen Knowhows. Das Aufgreifen der NASS hat deutliche Rückwirkungen auf die bestehenden Infrastruktursysteme und kann diese räumlich zurückdrängen. Daher sind Übergangslösungen notwendig. Die Systeme sind umfassend dokumentiert und durch Regelwerke unterlegt.38 Mittlerweile werden verschiedene Pilotlösungen im städtischen und ländlichen Raum getestet und bewertet39. 34 Vgl. z. B. Imhoff / Imhoff / Jardin (2014); Sieker et al. (2006); Hillenbrand et al. (2014); Schmitt (2009); Dettmar / Brombach (2013); Männing / Lindenberg (2013); Seggelke et al. (2013). 35 Vgl. DWA (2014); Theobald / Rühmland / Richter (2014). 36 Vgl. Michel / Felmeden / Kluge (2010). 37 Vgl. DWA (2014); Theobald / Rühmland / Richter (2014). 38 Vgl. DWA-Arbeitsgruppe KA-1.8 (2011); DWA-Arbeitsgruppe KA-1.5 (2014); DWA (2008a); DWA (2014); Theobald / Rühmland / Richter (2014).
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In Abhängigkeit von den örtlichen Rahmenbedingungen, der infrastrukturellen Ausgangssituation und den im Einzelfall verfolgten Zielen ergeben sich unterschiedliche Systemgestaltungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten. Das tatsächliche Potenzial als Alternative zu konventionellen Abwasserableitungs- und -behandlungskonzepten im Neubau oder Bestand ist einzelfallspezifisch zu prüfen. Systemansätze, Technikkomponenten sowie Grundsätze für die Planung und Implementierung wurden in DWA 2008 und DWA 2013 dokumentiert und für Deutschland besonders erfolgsversprechende Systemansätze beispielsweise in von Horn et al. 2013 diskutiert. 6. Weitere technische Innovationen Im Folgenden soll noch kurz auf weitere technische Innovationen hingewiesen werden. Technische Optionen zur dezentralen Schmutzwasserbehandlung auf Grundstücksebene entsprechen mittlerweile dem Stand der Technik40 und werden im ländlichen Raum eingesetzt. Technische Entwicklungen beschäftigen sich hierbei zum Beispiel mit Fragen der Fernüberwachung der Anlagen, um deren Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu verbessern.41 Reparatur und Erneuerung von bestehenden Trinkwassernetzen bzw. der Kanalisation ist eine der zentralen Herausforderungen. Vielfältige Verfahren wurden hier in den letzten Dekaden entwickelt, um eine wirtschaftlichere Sanierung zum Beispiel in geschlossener Bauweise zu ermöglichen.42 Darüber hinaus werden Planungswerkzeuge erarbeitet, um langfristige wirtschaftliche Sanierungsstrategien unter Berücksichtigung der verfügbaren Maßnahmen zur Reparatur, Renovierung und Erneuerung abzuleiten und hierbei gleichzeitig Maßnahmen wie Abkopplungspotenziale von Regenwasser, Abstimmung von Baumaßnahmen verschiedener Bauträger / Medien oder Priorisierung der Investitionstätigkeit in Abhängigkeit des Entwicklungspotenzials von Teileinzugsgebieten zu integrieren.43 Die Löschwasserversorgung wird häufig mit über die zentralen Trinkwassernetze sichergestellt. Der hohe Wasserbedarf im Brandfall bedingt es jedoch, dass bei kleinen Ortsteilen der Löschwasserbedarf die Bemessung der Netze dominiert, so dass hierdurch eine deutliche Unterauslastung im Normalbetrieb wahrscheinlicher wird. Technische Entwicklungen zielen nicht nur auf eine Verringerung des
39 Vgl. Horn et al. (2013); Walther et al. (2013); Geyler et al. (2014); Larsen et al. (2009); Kluge / Libbe (2010); Difu (2015a). 40 § 55 Abs. 1 WHG. Einen Überblick über die Technologien bieten zum Beispiel Defrain (2010); Straub / Bulle / Röske (2011); Barjenbruch (2009). 41 Vgl. BDZ (2011). 42 DWA (verschiedene); DVGW (1997); Stein (2014); Falk (2013). 43 Vgl. Stein / Trujillo Alvarez (2005); Krier (2013); Bruckner / Vogel (2008); Winkler (2013); Wolf (2007).
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Löschwasserbedarfs, sondern auch auf eine strategische Einbeziehung weiterer Wasserquellen.44 Da Technik auch die Handlungen im Umgang mit Sachsystemen umschreibt, soll schließlich noch kurz auf vielfältige computergestützte Softwarelösungen zur modellgestützten Analyse und Prognose der komplexen Infrastrukturnetze hingewiesen werden. Hierdurch ist es möglich, langfristige Gefährdungen zu ermitteln, Strategien zu erarbeiten bzw. die komplexen Netzsysteme als solche zu optimieren. 45
IV. Konsequenzen der Technologievielfalt für die nachhaltige Infrastrukturentwicklung Der Überblick über technische Optionen verdeutlicht die wachsende Anzahl an technischen Optionen für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Dies erweitert den Möglichkeitenraum für die Wasserver- und Abwasserentsorgung maßgeblich, stellt aber zugleich auch neue Anforderungen an die Verantwortlichen bei der Gestaltung der Systeme. 1. Erweiterung des Möglichkeitenraumes Die technischen Optionen erweitern den Möglichkeitenraum der Infrastrukturverantwortlichen im Hinblick auf die von Bedtke beschriebenen Wandlungsprozesse,46 die von Reese und Kollegen (2015) formulierten Nachhaltigkeitsgebote für die Wasserwirtschaft47 sowie auf die von Geyler und Bedtke umrissenen Anpassungserfordernisse und Herausforderungen.48 Hierdurch können bestimmte Herausforderungen überhaupt erst umgesetzt werden. Zugleich vergrößert sich die Wahlfreiheit an technischen Lösungen auch in Bezug auf solche Herausforderungen, für die schon gegenwärtig technische Lösungen vorhanden sind. Durch die neuen technischen Optionen lassen sich steigende materielle Nachhaltigkeitszielstellungen im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit, den Gesundheitsschutz sowie die Ressourcenrückgewinnung realisieren. Es betrifft aber auch die Ver- und -entsorgungssicherheit unter sich verändernden Rahmenbedingungen. Beispielhaft betrachtet wurden hier die weiteren Reinigungsleistungen in Bezug auf 44 Hiessl et al. (2012) verweisen auf Hochdruck-Wassernebeltechnik, sowie auf Vorschläge zur Nutzung von Brau- und Regenwasser. 45 Stellvertretend für die vielen Ansätze Engels (2007); Thomas / Schmitt / Gysi (2003); Rohde (2007); Ansmann (2010); Bieniek / Schreiber (2013); Burger / Kleidorfer / Rauch (2014); Fuchs et al. (2010); Gatke et al. (2015); Grossmann / Hofmann (2008); Haffner / Gramel (2001); Hardy / Kuczera / Coombes (2005); Kuchenbecker et al. (2010); Peters (2007). 46 Vgl. Bedtke (2015). 47 Vgl. Reese / Gawel / Geyler (2015). 48 Vgl. Geyler / Bedtke (2015).
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Mikroschadstoffe, die Rückgewinnung von Phosphat sowie die Energierückgewinnung aus Abwasser und Möglichkeiten zur Verbesserung des Wasserhaushalts durch eine zielgerichtete Grundwasserneubildung. Daneben werden durch neue technische Optionen auch erhöhte Anforderungen in Bezug auf formale Ziele wie die Flexibilität, Wirtschaftlichkeit und Ressourceneffizienz angesteuert. So besteht ein gemeinsames Merkmal der technischen Entwicklung darin, Lösungen für unterschiedliche räumliche Skalen zu schaffen; bei der Schmutzwasserentsorgung, aber auch bei der Regenwasserbewirtschaftung und der Löschwasserbereitstellung. Die jeweiligen Lösungen unterscheiden sich in ihren Kostenstrukturen und Nutzungsdauern und hierdurch im Endeffekt auch im Hinblick auf die Flexibilität, aber auch Stabilität bei Veränderungen. 49 Es können sowohl positive Größeneffekte erzielt werden, zum Beispiel durch Zentralisierung, als auch verstärkt auf eine Flexibilisierung der Strukturen abgestellt werden, indem über dezentrale Systeme gerade die langlebigen Anlagenteile – in der Regel sind dies die Netze – verringert werden.50 Mit diesen neuen Möglichkeiten werden zugleich Trade-offs zwischen den Eigenschaften und Leistungen der Infrastruktursysteme aufgehoben bzw. abgemildert, die bisher bestanden haben. Die Infrastruktursysteme bestehen aus einer Kombination an technischen Lösungen, die aufeinander abgestimmt sein müssen, um die Hauptprozesse zu realisieren. Hierdurch wird letztendlich der Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Eigenschaften des Systems begrenzt und es ergeben sich Konflikte bezüglich der Erfüllung der einzelnen materiellen und formalen Ziele. So lassen sich bei den konventionellen Systemen zwar die Gesamtkosten durch die Ausnutzung von Skaleneffekten bzw. Dichteeffekten reduzieren und auch die Effektivität bei der Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung erhöhen. Zugleich steigt jedoch auch der Fixkostenanteil an den Gesamtkosten und es verringert sich die Flexibilität gegenüber dezentralen Ansätzen. Weiterhin lassen sich höhere Reinigungsleistungen der zentralen Schmutz- und Regenwasserbewirtschaftung innerhalb eines Systems nur durch höhere Kosten realisieren. Durch die Nutzung neuer technischer Optionen verändern sich auch derartige Trade-offs zwischen den Zielen und im Ergebnis wird die bisher bestehende Produktionsmöglichkeitsgrenze nach außen verschoben. Die Innovationen verbessern beispielsweise die Kosten-Wirksamkeit der Systeme im Hinblick auf die materiellen und formalen Ziele. Oder die enge Bindung von Reinigungsleistung und Zentralität des Systems wird aufgelöst. Aber auch andere physische Restriktionen werden 49 Flexibilität beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich kostengünstig an unvorhergesehene Veränderungen der Umwelt anzupassen; Stabilität beschreibt die Fähigkeit, ausreichend optimale Ergebnisse auch unter Veränderungen von Rahmenbedingungen zu erzielen, vgl. Scholl (2013); Markard (2011) nennt als weitere relevante soziotechnische Eigenschaft Nutzungsdauer der Anlagen. 50 Markard (2011) nennt als weitere relevante soziotechnische Eigenschaft, welche deren Transformation beeinflussen, deren Langlebigkeit, Kapitalintensität.
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ohne Verlust der Leistungsfähigkeit gemildert. So werden dezentrale Optionen zur Regenwasserbewirtschaftung getestet, die Freizeitflächen zeitweilig „mitnutzen“ und hierdurch helfen, räumliche Restriktionen für die Errichtung von zentralen Regenwasserrückhaltebecken zu mildern.51 Gleichwohl werden auch neue technische Optionen eine Kompromissfindung zwischen den verschiedenen Zielen erfordern. Technische Lösungen wie die vierte Reinigungsstufe werden die Gesamtkosten der Anlagen erhöhen. Eine intensive dezentrale Regenwassernutzung gerät mit der gegenwärtig auf Skaleneffekte ausgerichteten zentralen Trinkwasserversorgung in Konflikt und erhöht deren spezifische Kosten. Eine höhere Flexibilität der dezentralen Anlagen geht möglicherweise mit einer geringeren Stabilität dieser Systeme gegenüber Umwelteinflüssen einher. Insgesamt jedoch erweitern die vielfältigen Innovationen den Möglichkeitenraum der Wasserver- und Abwasserentsorgung. 2. Neue Anforderungen bei Gestaltung der Systeme Mit der größeren Gestaltungsmöglichkeit der Infrastruktursysteme erwachsen zugleich höhere Anforderungen an die Infrastrukturträger. Neue technische Optionen müssen kompatibel zu den vorhanden Lösungen der anderen Hauptprozesse sein. Die Adoption neuer Systeme muss demzufolge koordiniert erfolgen, um die Funktionalität des Gesamtsystems nicht zu gefährden. Während die Erweiterung der Reinigungsstufen auf einer Kläranlage relativ einfach erfolgen kann, müssen bei radikalen Innovationen, wie dem Einsatz Neuartiger Sanitärsysteme nahezu alle Hauptprozesse gegenüber den dominierenden Systemen verändert werden. Demzufolge werden hier separate Insellösungen außerhalb der bestehenden Systeme entstehen, wobei auch die verbleibenden „Rest“-Systeme funktionsfähig bleiben müssen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich viele Forschungsaktivitäten auf eine sinnvolle Kombination der verschiedenen Möglichkeiten richten.52 Um den technischen Optionenraum nutzen zu können, müssen weiterhin neue Akteure in die Gestaltung der Wasserver- und -entsorgungssysteme einbezogen werden. Sollen beispielsweise dezentrale Systeme verstärkt genutzt werden, müssen oft Grundstückseigentümer diese Anlagen errichten und betreiben bzw. dies bei einem zentralen Betrieb dezentraler Systeme auf ihren Grundstücken oder in unmittelbarer Nachbarschaft erlauben. Teilweise sind noch weitreichendere Maßnahmen wie die Anpassung der Sanitäranlagen in den angeschlossenen Gebäuden notwendig. Aber auch eine Zentralisierung der Systeme über die Grenzen von Aufgabenträgern hinaus bedarf der Einbeziehung weiterer kommunaler Aufgabenträger oder Vgl. Kruse / Dickhaut / Waldhoff (2009); Dickhaut / Andresen (2013). Vgl. in Bezug auf eine integrierte Regenwasserbewirtschaftung beispielsweise Mitchell (2006); Dickhaut / Andresen (2013); Hardy / Kuczera / Coombes (2005); Peters (2007). 51 52
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überregionaler Akteure, wie Fernwasserversorger. Die Rückgewinnung von Nährstoffen wie Phosphat, aber auch die Co-Vergärung von Substraten auf Kläranlagen erfordert den Aufbau von neuen Lieferbeziehungen mit anderen Akteuren.
V. Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des institutionellen Rahmens Ziel des Beitrages war es, einen Überblick über bestehende und in der Entwicklung befindliche technische Optionen zu bieten, die im Hinblick auf eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung in der deutschen Wasserwirtschaft von Bedeutung sind. Es wurde in einem ersten Schritt gezeigt, dass sich selbst konventionelle Systeme im Hinblick auf die genutzten technischen Optionen unterscheiden und hierdurch an die spezifischen lokalen Gegebenheiten angepasst werden können. Mit einem Literaturüberblick über sich gegenwärtig in der Entwicklung befindliche technische Optionen, die sowohl inkrementelle, aber auch radikale Innovationen darstellen, wurde der derzeit absehbare technische Möglichkeitenraum umrissen. Dieser übersteigt den gegenwärtigen Stand eingesetzter Technologien und ihrer Leistungsfähigkeit in Sachen Nachhaltigkeit ganz erheblich. Dies gilt nicht nur in Bezug auf einzelne Leistungen der Systeme, sondern auch in Bezug auf Trade-offs zwischen den verschiedenen, miteinander in Konflikt stehenden materiellen und formalen Zielen. Damit einher geht die Notwendigkeit, diese Vielfalt sinnvoll zu koordinieren und hierbei neue, technologiespezifisch zu aktivierende Akteursgruppen einzubeziehen. Um dies zu erreichen, müssen sich die Institutionen weiterentwickeln, welche die technischen Systeme einbetten und die die Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeitsgebote hemmen oder befördern oder moderieren können.53 Im Hinblick auf die Institutionen stellen sich hierbei folgende Anforderungen, um den technischen Möglichkeitenraum für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung nutzbar zu machen: Die rechtliche Zulässigkeit der technischen Optionen muss gewährleistet werden. Die technischen Optionen müssen als Stand der Technik bzw. allgemein anerkannte Regeln der Technik akzeptiert sein. Weiterhin müssen eine Weiternutzung gewonnener Stoffe bzw. die hierbei erforderlichen Lieferbeziehungen möglich sein. Die Ziele, welche den „Nachhaltigkeitsgeboten“ unterliegen und durch neue technische Optionen erfüllt werden können, müssen über geeignete Institutionen an die Infrastrukturverantwortlichen herangetragen werden. Dies gilt insbesondere bei den Zielen, die von den Infrastrukturträgern aufgrund von interner Motivation nicht selbstständig in ausreichendem Umfang aufgegriffen werden. Hierzu zählen Innovationen im Umweltschutz oder zur Ressourcenrückgewinnung, die kostensteigernd 53
Vgl. Markard (2011); Rotmans / Kemp / van Asselt (2001); Rohracher (2007).
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wirken. Hierzu zählen aber auch Wünsche von Bürgern zur Ausgestaltung der Systeme, die zum Beispiel erst durch partizipative Prozesse in ausreichendem Maße gebündelt werden können. Von maßgeblicher Bedeutung sind schließlich effektive und effiziente Institutionen, durch welche die neuen Akteure in die Systemgestaltung einbezogen werden können. Dies ist einerseits im Hinblick auf die Potenziale dezentraler Systeme entscheidend, die von einer koordinierten Beteiligung der Grundstückseigentümer abhängt. Andererseits hängen technische Optionen davon ab, stabile überkommunale Akteursbeziehungen wie Wertschöpfungsketten zur Weiterverarbeitung des Phosphats zu etablieren. Jeweils müssen institutionell die Entscheidungskompetenz der einzelnen Akteure abgestimmt und Koordinierungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Schließlich muss die Innovationsfähigkeit und -bereitschaft der Infrastrukturverantwortlichen mit Blick auf die Nachhaltigkeitsgebote selbst gestärkt werden. Somit entscheidet der institutionelle Rahmen und dessen Weiterentwicklung in maßgeblich darüber mit, wie der technische Möglichkeitenraum ausgenutzt wird und welche Nachhaltigkeitsbeiträge dadurch realisiert werden können.
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Institutionelle Reformoptionen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft Von Norman Bedtke und Erik Gawel
I. Einleitung: Die nachhaltige Ausrichtung der Siedlungswasserwirtschaft – Diskurse zwischen Nachhaltigkeitstransformation und Kosteneffizienz Die Siedlungswasserwirtschaft in Deutschland befindet sich gegenwärtig im Umbruch. Verantwortlich hierfür sind vielfältige Herausforderungen, die sich einerseits aufgrund sich dynamisch verändernder Rahmenbedingungen, vor allem als demografischer und klimatischer Wandel, ergeben, sowie andererseits aufgrund veränderter Ziele und Aufgaben.1 Konventionelle Wasserinfrastruktursysteme weisen deshalb zunehmend Nachhaltigkeitsdefizite in dem Sinne auf, als ein Beibehalten des bisherigen Vorgehens nicht zukunftsfähig erscheint, weil wichtige Zielstellungen bisher nicht adressiert wurden oder aber zukünftig sogar mit Rückschritten hinsichtlich des bisher Erreichten zu rechnen ist. Im Hinblick auf ökologische Aspekte von Nachhaltigkeit ist es vor allem eine unzureichende Ressourcenschonung, die wohl als kritisch erachtet werden muss. Dies betrifft die hohe Wasserintensität des Prinzips der Schwemmkanalisation, den hohen Energieverbrauch bei der Abwasseraufbereitung, aber auch die bislang weitgehend ausbleibende Verwertung der in Abwasserströmen enthaltenen Ressourcen (u. a. Energie, Phosphat).2 Trotz der insgesamt hohen Aufbereitungsqualität der Abwässer stellen der zunehmende Eintrag von u. U. öko- und humantoxikologisch relevanten Mikroverunreinigungen sowie ein klimawandelinduzierter Anstieg von Überlastungsereignissen und die damit verbundene chemische und hydraulische Belastung von Oberflächengewässern ein weiteres Handlungsfeld dar.3 In Bezug auf die ökonomische Nachhaltigkeit muss insbesondere das Problem der Refinanzierung und des Substanzerhalts bestehender Infrastruktursysteme ge1 Zu den sich ändernden Rahmenbedingungen siehe Bedtke (2015a), einen Überblick zu den Nachhaltigkeitszielen der Wasserwirtschaft geben Reese / Gawel / Geyler (2015), Herausforderungen für Infrastruktursysteme beleuchten Geyler / Bedtke (2015) mit jeweils weiteren Quellen. 2 Vgl. Felmeden et al. (2010). 3 Zu Mikroverunreinigungen siehe DWA (2008); DWA (2010a); Kümmerer (2010).
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Norman Bedtke und Erik Gawel
nannt werden. Die ursprünglich auf steigende Verbräuche ausgelegten Systeme sind aufgrund des Bevölkerungsrückgangs und abnehmender Nachfragemengen vielerorts einem erheblichen Auslastungsrückgang ausgesetzt und damit künftig oftmals überdimensioniert.4 Vor dem Hintergrund kommunaler Finanzengpässe und politisch weithin gescheuter Gebührenerhöhungen gestalten sich der gebührenfinanzierte Substanzerhalt, die Modernisierung, aber ggf. auch ein Um- und Rückbau der Systeme zunehmend schwieriger. Damit verbunden können auch Probleme hinsichtlich der sozialen Nachhaltigkeit auftreten. Wenn die mittelfristig weitgehend fixen Kosten der Infrastrukturbereitstellung durch eine abnehmende Bevölkerungszahl getragen werden müssen, resultiert dies in steigenden Pro-Kopf-Ausgaben für essenzielle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Diese Beispiele verdeutlichen die Vielfalt der Herausforderungen, denen die Siedlungswasserwirtschaft bereits heute und vermutlich im zunehmenden Maße zukünftig ausgesetzt sein wird. Aus diesem Grund werden in der Forschungslandschaft zum Thema Siedlungswasserwirtschaft seit einiger Zeit verstärkt Lösungsansätze diskutiert. Im Fokus dieser vornehmlich ingenieurswissenschaftlich geprägten Diskussion stehen dabei technologische Lösungen, die geeignet erscheinen, einigen der genannten Problemlagen zu begegnen. Dabei können verschiedene Diskurse ausgemacht werden: – Technologische Modernisierung: Zum einen werden Technologien diskutiert, welche die bestehenden Infrastruktursysteme ertüchtigen und bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit verbessern sollen. Hierzu zählen neue und verbesserte Aufbereitungstechnologien, wie Membranverfahren, die auch weitergehende und zusätzliche Anforderungen an die Ablaufqualität des Abwassers erfüllen können. 5 Auch bezüglich der Zielstellung einer verstärkten Ressourcenschonung können Maßnahmen im konventionellen System ergriffen werden. So bestehen Energieeinsparpotenziale durch den Einsatz energieeffizienter Pumpen, während Wärmepotenziale durch den Einsatz von Technologien zur Wärmerückgewinnung im Kanalnetz gehoben werden können.6 Zugleich werden verstärkt Technologien zum Phosphor-Recycling diskutiert.7 – Nachhaltigkeitstransformation: Darüber hinaus werden technologische Optionen erörtert, die zuweilen einen radikalen Bruch mit den bestehenden Ansätzen der Wasserver- und Abwasserentsorgung bedeuten. Diese zeichnen sich oftmals durch eine verstärkte Dezentralität, die getrennte Behandlung von Stoffströmen, das Schließen von Kreisläufen und eine stärkere Verknüpfung mit der Energieversorgung aus.8 Im Hinblick auf die Zielstellung der Ressourcenschonung 4 Vgl. Hillenbrand et al. (2010); Schmitz et al. (2010); DWA (2014); Dittrich-Wesbuer / Mayr / Schulwitz (2015). 5 Vgl. Pinnekamp / Friedrich (2006). 6 Vgl. DWA (2010b); Löhner (2014). 7 Vgl. Roskosch / Rechenberg (2015).
Quelle: eigene Darstellung.
Institut ioneller Rahm en
Technisches Infr astr uktur system Diskurs: Technologische Modernisierung
Her ausfor der ungen
Diskurs: Nachhaltigkeitstransformation
Technologische Optionen
Diskurs: Nachhaltigkeitstransformation
Institutionelle Optionen
Opt ionen
Abbildung 1: Diskurse zur Transformation der Siedlungswasserwirtschaft
Ver änder te Ziele / Aufgaben
Siedlungs wasser wir tschaft
Ver änder te Rahmenbedingungen
Tr ans for mationsbedar f
?
Diskurs: Ökonomische Reformoptionen
Institutionelle Reformoptionen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft 351
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Norman Bedtke und Erik Gawel
spricht8vieles für diese neuartigen Lösungen. Viele der Systeme sparen Trinkwasser, indem eine verstärkte Nutzung von Regenwasser erfolgt oder aber wenig verschmutztes Abwasser (Grauwasser) für eine erneute Nutzung vor Ort aufbereitet wird. Zugleich ist der wasserintensive Abtransport über Leitungsnetze nicht länger flächendeckend vorgesehen. Weiterhin werden die im Abwasserstrom enthaltenen Ressourcen vor einer Verdünnung mit anderen Abwässern bewahrt und hierdurch eine Rückgewinnung vereinfacht und die Nutzung der Wärmepotenziale des Abwassers am Ort der Entstehung ermöglicht. Weitere Vorteile werden im Hinblick auf die Flexibilität dieser Lösungen gesehen, die sich durch den (teilweisen) Verzicht auf Leitungsnetze sowie kürzere Lebensdauern ergibt. 9 Festzuhalten ist, dass eine Vielzahl unterschiedlicher technologischer Lösungen zur Ergänzung oder in einigen Fällen auch der Substitution bestehender Wasserinfrastruktursysteme bereit steht, die mit Blick auf einige Nachhaltigkeitsziele eine Verbesserung mit sich bringen. In der Praxis kann jedoch eine Umsetzung dieser Technologien außerhalb von Pilotvorhaben nicht beobachtet werden, auch wenn die Lösungen unter bestimmten Rahmenbedingungen mittlerweile sogar wirtschaftlich sind.10 Die Ursachen sind vielfältig, können jedoch vor allem auch an den institutionellen Rahmenbedingungen festgemacht werden. Die Siedlungswasserwirtschaft umfasst die Sektoren der Wasserver- und Abwasserentsorgung, in denen jeweils mittels großtechnischer Systeme die Bereitstellung wasserwirtschaftlicher Dienstleistungen erfolgt. Unter großtechnischen Systemen werden in der sozialwissenschaftlichen Technikforschung hochkomplexe und heterogene Techniksysteme verstanden, die sich durch netzwerkartige Strukturen, eine weiträumige Vernetzung und eine hohe Kapitalintensität auszeichnen.11 Charakteristisch ist weiterhin, dass zwischen den technischen Komponenten des Systems, den involvierten Akteuren und Organisationen sowie den vielschichtigen Institutionen verschiedener Ebenen starke Interdependenzen bestehen. Hierdurch entwickeln sich im Zeitablauf Situationen, bei denen die Nutzung technologischer Alternativen schwer umsetzbar ist, da die bestehenden Systeme eine hohe Stabilität und Beharrungsvermögen entwickelt haben. Wesentliche Ursache hierfür ist die institutionelle Einbettung der Technologien, die sich in u. a. Gesetzen, Vorschriften, technischen Regelwerken sowie in den Entgeltsystemen widerspiegelt. Aber auch das Ausrichten der Interessen und des spezifischen Wissens wesentlicher Akteure (u. a. Unternehmen, Politiker, Verbände, Planer, Bürokraten) am bestehenden Technologieparadigma sowie die Dominanz etablierter Routinen, Handlungslogiken und Erwartungen festigt bestehende großtechni8 Zu den möglichen Ausprägungen einer Systemtransformation siehe Koziol / Veit / Walther (2006), S. 107; Staben (2008); Felmeden et al. (2010), S. 30 ff.; Geyler / Lautenschläger (2015). 9 Vgl. Bedtke / Gawel (2015). 10 Vgl. Felmeden / Kluge / Michel (2011). 11 Vgl. Monstadt (2009), S. 11.
Institutionelle Reformoptionen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft
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sche Systeme.12 Eine Transformation erfordert demnach neben dem Einsatz neuer technologischer Optionen auch weitreichende institutionelle Veränderungen auf verschiedensten Ebenen. Auch bei der Reform institutioneller Aspekte können verschieden Diskurse ausgemacht werden: – Nachhaltigkeitstransformation (institutionell): Der Technologiediskussion nachgelagert kann in Ansätzen auch eine Diskussion zum institutionellen Reformbedarf im Zuge einer Nachhaltigkeitstransformation beobachtet werden. 13 Um den weitreichenden Einsatz neuartiger technischer Lösungen der Ver- und Entsorgung zu ermöglichen, wird eine Vielzahl institutioneller Anpassungen, u. a. im Abfall- und Wasserecht, im Kommunalrecht, bei den Entgeltsystemen und technischen Normen, erforderlich (siehe Abschnitt II.) – Ökonomische Reformoptionen: Ein weiterer Debattenstrang widmet sich speziell der Reform des ökonomischen Ordnungsrahmens und diskutiert die Optionen einer verstärkt wettbewerbsorientierten Wasserwirtschaft, die Möglichkeiten eines Einbezugs privater Dritter sowie die regulatorischen Erfordernisse im Wassersektor. Leitmotiv für diese Transformation ist die Verbesserung der ökonomischen Effizienz der Ver- und Entsorgungsdienste (siehe Abschnitt III.1.).
Erstaunlicherweise verlaufen diese beiden Debattensträng weitgehend losgelöst voneinander. Während die Debatte ökonomischer Reformoptionen um Effizienz, Wettbewerb und Entgeltkontrolle – insbesondere im Sektor der Wasserversorgung – von der Öffentlichkeit deutlich wahrgenommen und zuweilen auch mitgestaltet wird,14 muss die nachhaltigkeitsbezogene „Transformationsdebatte“ noch vorrangig der akademischen Sphäre zugordnet werden. Nur wenige Arbeiten finden sich an der Schnittstelle beider Themen,15 wenngleich zahlreiche Zusammenhänge zwischen diesen Debattensträngen bestehen. So kann eine kosteneffiziente und wirtschaftliche Bereitstellung der Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung in einigen Gebieten zukünftig womöglich erst durch den Einsatz neuer technologischer Lösungen erreicht werden, wenn diese die regionalspezifischen Anforderungen besser erfüllen können als großtechnische zentrale Systeme. Zugleich kann ein wachsender Effizienzdruck bei den Ver- und Entsorgungsunternehmen die Verbreitung von Innovationen maßgeblich befördern, ein inadäquater Regulierungsrah12 Der Techniksoziologe Thomas P. Hughes prägte hierfür den Begriff des „technologischen Momentums“, also einer Eigendynamik großtechnischer Systeme, die aus der wechselseitigen Beeinflussung technischer und nicht-technischer Elemente resultiert und in einer Festigung der Strukturen mündet, vgl. Hughes (1983), S. 140; Joerges (1988). 13 Stellvertretend für neuartige Sanitärsysteme DWA (2011), S. 652 ff. 14 Zu nennen seien hier die massiven Bürgerproteste gegen die Bemühungen der EU-Kommission zur Reform des Vergaberechts unter Einbezug des Sektors der Wasserversorgung, siehe dazu http://www.right2water.eu (07. 04. 2015). 15 Vgl. Clausen / Rothgang (2004); Markard / Truffer (2006); Lovell (2013); Lieberherr / Truffer (2014).
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Norman Bedtke und Erik Gawel
men Innovationsaktivitäten jedoch auch vielfach hemmen. Womöglich würde eine Abkehr von großtechnischen leitungsgebundenen Systemen, die ein Resultat des verstärkten Einsatzes (semi-)dezentraler Ansätze wäre, auch mit der partiellen Auflösung tradierter natürlicher Netzmonopole einhergehen. Hierdurch könnten sich die Regulierungserfordernisse langfristig verändern und neue Wettbewerbsoptionen in den Sektoren denkbar werden. Im Rahmen des Beitrags werden anschließend grundlegende Handlungsfelder zur Ausrichtung von Infrastruktursystemen an Nachhaltigkeitszielsetzungen aufgezeigt und diese dem gegenwärtigen Praxisdiskurs gegenübergestellt (II.). Aufbauend auf diesen Überlegungen sollen vor allem die gegenwärtig diskutierten effizienzorientierten Reformoptionen und der ökonomische Alternativenraum aufgezeigt werden (III.). Schließlich sollen diese Optionen hinsichtlich ihrer möglichen Entwicklungsimpulse auf die Zielstellung einer nachhaltigkeitsorientierten Siedlungswasserwirtschaft beurteilt werden (IV.).
II. Institutionelle Reformfelder für eine nachhaltige Ausrichtung der Siedlungswasserwirtschaft Aufgrund der hohen Komplexität der Systeme und deren durch die Vergangenheit beeinflusste Entwicklungsverläufe muss letztlich festgehalten werden, dass sich die komplexen sozio-technischen Gesamtsysteme einer unmittelbaren Steuerung entziehen. Dennoch spielt die institutionelle Rahmensetzung eine bedeutende Rolle, um Entwicklungsimpulse zu setzen und die Intensität und Richtung des Wandels zu beeinflussen.16 Für eine nachhaltige Entwicklung der Wasserwirtschaft kann einigen institutionellen Reformfeldern dabei eine Schlüsselrolle zugeschrieben werden. Zu diesen Nachhaltigkeitsinstitutionen werden im Folgenden gezählt: 1. die Entgeltsysteme (nachhaltige Entgelte), 2. die Wettbewerbsordnung, 3. die Kompetenzordnung und 4. die Implementation von Steuerungsinstitutionen.
1. Entgeltsysteme (nachhaltige Entgelte) Die Entgelte der Wasserver- und Abwasserentsorgung nehmen bei der Steuerung wasserwirtschaftlicher Prozesse der Daseinsvorsorge eine Schlüsselrolle rein. Über eine einzige Variable, den Preis, wird sowohl im Ver- als auch Entsorgungssektor 16
Vgl. Bedtke (2015b).
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eine Reihe von Zielstellungen adressiert, die für eine nachhaltige Entwicklung eine zentrale Bedeutung haben. Hierzu gehören: 17 – Refinanzierung: Aus Sicht der Infrastrukturbetreiber gilt es, über die Entgelte ausreichend finanzielle Mittel zu generieren, um den langfristigen Substanzerhalt, Modernisierungsmaßnahmen oder auch einen notwendigen Umbau der Wasserinfrastruktursysteme sicherzustellen. Nur hierdurch kann die Systemqualität auf dauerhaft gutem Niveau erhalten bzw. sogar verbessert werden. Dies ist erforderlich, um die Bereitstellung von z. B. Trinkwasser in guter Qualität zu gewährleisten und das Ausmaß negativer Umweltfolgen zu minimieren. Zugleich können über die Entgelte Anreize für ein Engagement privater Investoren vermittelt werden. – Ökologische Nachhaltigkeit: Entgelte stellen ein zentrales Anreiz-Vehikel dar, um die Nutznießer von Wasserdienstleistungen über Knappheitssignale zu ökologisch verträglichem Ressourcenumgang anzuhalten. Die nachfragesteuernde Wirkung von Entgelten gilt es vor allem dann zu nutzen, wenn Situationen regionalsaisonaler Wasserklemmen vorherrschen. Aber auch bei einem üppigen Wasserdargebot ist eine angemessene Begrenzung des anthropogenen Einflusses auf den natürlichen Wasserhaushalt aus ökologischen Nachhaltigkeitsgesichtspunkten anzustreben (Vermeidung von „Wasser-Stress“). Die vermittelten Anreize zur Flächenentsiegelung im Fall einer gesplitteten Abwassergebühr zeigen, dass auch über die Abwasserentgelte Nachhaltigkeitsziele konkret angesteuert werden können. – Soziale Anliegen: Wasser ist ein Grundlebensmittel, welches in seinen elementaren Funktionen nicht durch andere Güter substituiert werden kann. Der Zugang zu Wasser ist folglich zu erschwinglichen Preisen und angemessenen Rahmenbedingungen sicherzustellen. Dies umfasst eine an Wasserbedürfnissen und nicht von Machtkonzentrationen verzerrte Allokation von Wasser und eine gerechte Verteilung der entstehenden Kosten. Erforderlich sind hierfür auch Tarifstrukturen, welche auch Wassernutzern mit geringem Einkommen den Zugang zu Dienstleistungen der Wasserver- und -entsorgung ermöglichen.18 – Nutzungseffizienz: Um allokative Effizienz zu erzielen, sind die vorhandenen Wasserressourcen für den Zweck aufzuwenden, bei welchem sie den größten gesamtgesellschaftlichen Nutzen generieren. Dem Ziel der Nutzeneffizienz entsprechend ist eine Preissetzung anhand der langfristigen Grenzkosten optimal. In diesem Fall werden Wasserressourcen jeweils den gesellschaftlich wertvollsten Verwendungszwecken zugeteilt, Überinvestitionen vermieden und die bestehende Infrastruktur effizient genutzt.
Vgl. OECD (2010), S. 24 ff., sowie vertiefend Rogers et al. (2002); Massarutto (2007). Zum Konzept der Erschwinglichkeit (affordability) im Kontext von Wasserdienstleistungen siehe etwa Gawel / Bretschneider (2014), S. 123 ff., m. w. Nachw. 17 18
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Zwischen den vier definierten Zielen der Wasserpreispolitik bestehen zahlreiche Interdependenzen, wobei einige der Ziele harmonieren, während an anderen Stellen Zielkonflikte auftreten. So steht eine aus Sicht der Zielstellung Nutzungseffizienzoptimale Tarifgestaltung im Widerspruch zum Ziel der nachhaltigen Refinanzierung und kann Fehlanreize in Bezug auf Investitionen setzen.19
Öko lo g is c h e Na c h h a ltlig ke it
Effizie nte Alloka tion vs . Res source nsc hutz
(Ökologis che Allge me inhe it)
Nut zu n g s e ffizie n z (Nutz ung s konkurre nte n)
High-va lue Nutzung vs . me ritoris che Nutzung
Ökologis che Anforde runge n e rhöhe n die Kos te n
Ref in a n zie ru n g (Wa s s e rve rs orge r und S te ue rAllge me inhe it)
Zune hme nde Kos te nde ckung durch Ta rife ka nn die Afforda bility ve rminde rn
S o zia le s An lie g e n (priva te Ha us ha lte )
Quelle: Gawel / Bretschneider (2012), S. 328, in Anlehnung an OECD (2010), S. 26.
Abbildung 2: Vier Ziele der Wasserpolitik und zugehörige Stakeholder
Ein weiterer Konflikt findet sich zwischen den Zielstellungen der Refinanzierung und den sozialen Anliegen: Werden Wassertarife im Sinne eines preisgünstigen Zugangs für alle Konsumenten künstlich niedrig gehalten, so werden oftmals nur unzureichende finanzielle Mittel generiert, und die auskömmliche Refinanzierung der Infrastruktur ist nicht oder nur teilweise möglich. Die Folgen unzureichender Instandsetzung sind zunehmend veraltete und marode Infrastrukturen und hierdurch eine sich verschlechternde Qualität der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Einheitliche Tarife, die eine Refinanzierung erleichtern, stellen jedoch eine höhere Belastung für geringverdienende Konsumenten dar, die nun einen verhältnismäßig großen Anteil ihres Einkommens für Wasserver- und -entsorgung aufwenden müssen.20 Stärker nutzungsunabhängige Tarife wiederum, die ebenfalls auf Refinanzierung zielen,21 vernachlässigen die nachhaltigkeitsbezogene Anreiz19 Aus Perspektive eines Infrastrukturbetreibers hat die Grenzkostenbepreisung den Nachteil, dass möglicherweise nicht dauerhaft ausreichende Erlöse erwirtschaftet werden, welche die Bezahlung vergangener und die Kapitalbildung zukünftiger Investitionen in die Infrastruktur ermöglichen, siehe OECD (2010), S. 26 f. 20 Vgl. OECD (2010), S. 27 f.
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funktion für die Nachfrage, die im Übrigen unionsrechtlich in Art. 9 Abs. 1 WRRL kodifiziert ist. Diese wenigen Beispiele verdeutlichen bereits, dass Entgeltsysteme naturgemäß nicht allen preispolitischen Zielen simultan in vollem Ausmaß gerecht werden können. Abhängig von der politisch priorisierten Zielstellung können die Entgelte in der Siedlungswasserwirtschaft vor diesem Hintergrund nämlich gleichzeitig „zu hoch“, aber auch „zu niedrig“ anmuten.22 In der Praxis der deutschen Wasserwirtschaft spiegeln sich die widersprüchlichen Effekte der Entgelte ebenfalls wider. Aus Sicht der Wettbewerbsbehörden wird zunehmend öfter der Verdacht missbräuchlich überhöhter Preise von Wasserversorgern geäußert (siehe Abschnitt III.1.).23 Zugleich können jedoch zunehmend Refinanzierungsprobleme im Bereich des Anlagen-Substanzerhalts, aber auch eine unzureichende Berücksichtigung von Umweltund Ressourcenkosten (i. S. v. Art. 9 WRRL) beobachtet werden24, die umgekehrt auf zu niedrige Entgelte hindeuten. Theoretisch sind beide Aspekte nebeneinander vorstellbar, wenn zwar einerseits unter Nachhaltigkeits- und Refinanzierungsaspekten Kostenunterdeckung besteht, gleichzeitig aber noch Monopolrenten enthalten sind, die grundsätzlich ohne Zielverlust abbaubar wären. Weiterhin ist unklar, wie die Entgeltsysteme, die auf eine Refinanzierung bestehender konventioneller Systemlösungen ausgelegt sind, eine mögliche Systemtransformation adressieren können. Gegenwärtig liegt der Fokus auf der Anpassung der Tarifsysteme an veränderte Bedarfsstrukturen, um den Einnahmeverlusten aus Verbrauchsrückgängen entgegenzuwirken.25 Wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt des Substanzerhalts nachvollziehbar ist, lässt dies wiederum mögliche Transformationsszenarien weitgehend außen vor. Um neue Lösungen zu befördern, müssten Entgeltsysteme beispielsweise auch die Wertschöpfung und ggf. langfristigen Kostenvorteile von neuartigen Sanitärsystemen berücksichtigen und honorieren. 26 Vor dem Hintergrund dieses pluralen preispolitischen Zielfächers zeigt sich der Bedarf an integrierten Entgeltkonzepten, die alle Zielstellungen in adäquater Weise adressieren und zwischen Zielkonflikten bewusst vermitteln (Konzept der „nachhaltigen Entgelte“).
2. Wettbewerbsordnung (Wettbewerb und Daseinsvorsorge) Die im Zuge einer Nachhaltigkeitstransformation der Wasserwirtschaft diskutierten Konzepte stellen regelmäßig auch die bestehenden Organisationsstrukturen der 21 22 23 24 25 26
Vgl. Oelmann / Gendries (2012). Vgl. Gawel / Bedtke (2013), S. 97 f. Vgl. Gawel / Bedtke (2015) mit weiteren Quellen. Vgl. Reidenbach et al. (2008); Gawel (2012). Vgl. Oelmann / Gendries (2012). Vgl. DWA (2011), S. 654.
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Wasserwirtschaft in Frage. Viele der industrialisierten Länder verfolgen unverändert das „moderne Infrastrukturideal“,27 welches eine möglichst flächendeckende Verund Entsorgung über zentrale großtechnische Systeme anstrebt, um hierdurch ein einheitliches Niveau der Dienstleistungen zu gewährleisten. Um dieses Ideal umzusetzen, wurde in Deutschland eine Reihe von Institutionen geschaffen, welche das Politikmodell der kommunalen Daseinsvorsorge widerspiegeln und die heutige Wasserwirtschaft prägen. Hierzu zählen die Organisation der Wasserwirtschaft in kommunaler Selbstverantwortung, geschützte Gebietsmonopole, die hoheitliche Ausgestaltung des Sektors der Abwasserentsorgung sowie die Möglichkeit der kommunalen Aufgabenträger, über die Regelungen des Anschluss- und Benutzungszwangs eine verpflichtende Nutzung der vorgehaltenen Infrastruktursysteme durchzusetzen. Weiterhin zeichnet sich die Wasserwirtschaft durch die Prinzipien der Kostendeckung sowie der Solidargemeinschaft aus.28 Diese institutionelle Rahmensetzung trug fraglos dazu bei, dass die großtechnischen Infrastruktursysteme über Jahrzehnte auf- und ausgebaut und das hohe qualitative Niveau der deutschen Wasserwirtschaft erreicht werden konnte. Zugleich begründen diese Institutionen jedoch auch eine pfadabhängige Entwicklung, die sich durch eine geringe Offenheit für neue Lösungen und zugleich eine ausgeprägte Anpassungsträgheit auszeichnet. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die bestehenden statischen Regelungen vor dem Hintergrund der sich ändernden dynamischen Rahmenbedingungen länger geeignet sind. So kann beispielsweise die Verwirklichung innovativer Ver- bzw. Entsorgungslösungen, insbesondere solche der dezentralen Aufbereitung und Wiederverwendung deutlich erschwert werden. Denn obwohl das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes die umweltverträgliche dezentrale Aufbereitung grundsätzlich als gegenüber den zentralen Systemen gleichwertig anerkennt (§ 55 Abs. 1 Satz 2 WHG), haben sich die zuständigen Gemeinden und Wasserverbänden dezentralen Sonderlösungen bisher überwiegend widersetzt und Ausnahmemöglichkeiten vom Anschluss- und Benutzungszwang äußerst restriktiv gehandhabt. 29 Hierdurch wird womöglich auch die Verbreitung technischer Lösungen gehemmt, die hinsichtlich einzelner Nachhaltigkeitsziele (z. B. Flexibilität, Ressourceneffizienz) Vorteile gegenüber konventionellen Systemlösungen aufweisen können.30 Vor diesem Hintergrund bleibt zu klären, wie flexible Kombinationssysteme aus zentralen und dezentralen Ver- und Entsorgungselementen institutionell so konzipiert werden können, dass sich die staatlichen Gewährleistungsaufträge weiterhin zu angemessenen wirtschaftlichen Bedingungen erfüllen lassen. Hierfür gilt es kritisch zu prüfen, welche technischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkte für eine Öffnung für dezentrale Lösungen sprechen oder einer solchen entgegenstehen.
27 28 29 30
Vgl. Graham / Marvin (2001). Vgl. Moss / Hüesker (2010), S. 6. Dazu Laskowski (2015). Vgl. Felmeden et al. (2010).
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Zugleich erzeugen die Bestrebungen einer Liberalisierung und Privatisierung von Dienstleistungen von öffentlichem Interesse im Rahmen eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes zusätzlichen Reformdruck. Bisher wird in Deutschland weitergehenden Liberalisierungs- und Privatisierungsbemühungen in der Wasserwirtschaft regelmäßig eine Absage erteilt.31 Die pauschale Ablehnung diesbezüglicher Überlegungen unter Verweis auf die herausragende Bedeutung des Lebensmittels „Wasser“ und zu erwartender negativer Folgen greift jedoch womöglich zu kurz. So können private Finanzierungsquellen einen möglichen Ansatz darstellen, um vor dem Hintergrund kommunaler Haushaltsprobleme die Refinanzierung bestehender Anlagenbestände sicherzustellen oder notwendige Umbaumaßnahmen im Rahmen einer Nachhaltigkeitstransformation zu finanzieren. Weiterhin gilt es die positiven Wirkungen des „Innovationsmotors“ Wettbewerb einzusetzen, um dem bisherigen Innovationsstau im Wassersektor zu begegnen. Anstatt sich per se für das tradierte Modell einer vorwiegend öffentlichen Bereitstellung von Wasserdienstleistungen auszusprechen, ist demnach viel eher zu prüfen, wie eine moderne Grenzziehung zwischen Markt und Staat bei der Nachhaltigkeitssicherung erfolgen kann und wie sich mögliche Dezentralisierungs- und Privatisierungspfade auf das Anliegen einer sozialverträglichen und erschwinglichen Basisversorgung ggf. unter wettbewerblichen Bedingungen auswirken können. Die alleinige Fokussierung auf die Frage, wie diese Optionen die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungsbereitstellung beeinflussen, greift dabei freilich zu kurz. Damit ist auch die zentrale Frage verbunden, wie diese Maßnahmen institutionell (z. B. durch formale Ver- und Entsorgungsplanungen, Preis-und Qualitätsregulierung) flankiert werden müssen, um sie mit den Erfordernissen einer funktionsfähigen und erschwinglichen Grundversorgung in Einklang zu bringen. Festzuhalten ist jedoch, dass die in der Praxis beobachtbaren negativen Folgen im Kontext von Infrastrukturprivatisierungen zumeist durch institutionelle Defizite erklärbar sind. So sind regelmäßig die Konzessionen in Bezug auf die Verteilung der Risiken und Verantwortlichkeiten schlecht ausgestaltet oder aber die Regulierungsinstrumente ungeeignet bzw. nur schwer durchsetzbar.32 Im Übrigen müssen die vielfältigen Optionen der Einschaltung Privater und einer stärker wettbewerblichen Ausrichtung des Ordnungsrahmens der Wasserwirtschaft sorgfältig voneinander getrennt und diskutiert werden, um pauschalen Abwehrreflexen gegenüber jeglicher Form von Wirtschaftlichkeitsanforderungen jenseits des tradierten Daseinsvorsorgemodells vorzubeugen.
Stellvertretend dazu Brackemann et al. (2000); SRU (2002). Vgl. Sheshinski / López-Clava (2003), S. 449; konkret zu den institutionellen Defiziten in Frankreich Scheele (2007), S. 5 ff. In England / Wales traten als Folge der Privatisierung vor allem anfangs Probleme auf (u. a. massive Preisanstiege, Abklemmen von Haushalten), denen durch regulatorische Anpassungen nachträglich begegnet wurde, siehe Dore / Kushner / Zumer (2004), S. 42 ff.; zur Entwicklung in England siehe auch Winkler (2005), S. 238 ff.; Cave (2009); Glasenapp (2014). 31 32
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3. Die Kompetenzordnung Die Kompetenzordnung entscheidet darüber, wer auf welcher föderalen Ebene über die Gestaltung bestimmter Steuerungs-Institutionen bestimmen darf. Auch die der Governance von Infrastruktursystemen zugrunde zu legende Kompetenzordnung bedarf institutionell unter Nachhaltigkeitsaspekten einer Neuausrichtung. Im Spannungsfeld aus konzeptionellem und (europa-)rechtlichen Reformdruck (Liberalisierungsbemühungen, EU-Wasserrahmenrichtlinie) und der kommunalen Selbstverwaltungsautonomie in Deutschland (Art. 28 GG) stellt sich die Frage nach institutionell geeigneten föderalen Kompetenzstrukturen zur Bewältigung der neuartigen Herausforderungen der Ver- und Entsorgung. Wenn das geltende Wasserrecht die dezentralen Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssysteme bereits seit längerem ausdrücklich als gleichwertige Optionen zur Erreichung seiner ökologischen Nachhaltigkeitsziele anerkennt, zugleich aber das Kommunalrecht und die kommunale Rechtspraxis einem entsprechenden Einsatz dieser Nachhaltigkeitsoptionen wesentlich entgegenwirken, so kommt darin (möglicherweise) auch ein Kompetenzproblem zum Ausdruck.33 So drängt das materielle Wasserrecht der EU und des Bundes im Ergebnis auf eine nachhaltige, effiziente und umweltgerechte Gestaltung der Wasserwirtschaft, während das Organisationsrecht der Länder, Gemeinden und Zweckverbände in weitem Maße noch den gegenläufigen „kommunalrechtlichen Rationalitäten“ Raum gibt. Sofern sich von technischer und ökonomischer Seite ergibt, dass die materiellen Nachhaltigkeitsziele des Wasserrechts von einer Öffnung für dezentrale Ver-und Entsorgungslösungen maßgeblich profitieren können, wird zu prüfen sein, ob gleichwohl tragende Gründe – z. B. unter dem Gesichtspunkt der Daseinsvorsorge – für eine föderale Wahlfreiheit sprechen oder eine einheitliche Öffnungsregelung gerechtfertigt werden kann. Neben der vertikalen Kompetenzverteilung gilt es jedoch vor allem auch die horizontale Zuständigkeitsordnung auf Nachhaltigkeitsdefizite zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die starke Segmentierung der Verantwortlichkeiten in den Bereichen Siedlungswasserwirtschaft, Siedlungsentwicklung und allgemeiner Gewässerbewirtschaftung lässt eine problemadäquate Integration vermissen, die für nachhaltige Lösungen unabdingbar erscheint. So wird es erforderlich sein, dass eine bessere Abstimmung zwischen Infrastrukturplanung und Siedlungsentwicklung erfolgt, um die steigenden infrastrukturellen Folgekosten einer Zersiedelung zu vermeiden, aber auch um auf Fehlplanungen basierenden Infrastruktur-Unterauslastungen zukünftig entgegenzuwirken.34 Ferner werden im Rahmen der urbanen Regenwasserbewirtschaftung zunehmend ortsnahe Ansätze verfolgt. Die Versickerung und der Rückhalt des Niederschlagswassers erfolgen dabei unter Einbezug innerstädtischer Frei-, Brach- und Grünflächen. Damit werden die Verantwortlichkeiten einer Reihe von getrennten Verwaltungsressorts mit verschiedenen Aufgaben und 33 34
Hierzu auch Laskowski (2012). Vgl. Scheele / Libbe / Schramm (2008), S. 26; Moss (2008), S. 120 ff.
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Zielstellungen adressiert, die eine frühzeitige und substanzielle Abstimmung erforderlich machen. Institutionelle Optionen zur besseren vertikalen Integration der relevanten Kompetenzen könnten in Form der Instrumente der Planung bzw. des Planungsrechts bereitstehen. Klare, transparente Planungen sind zudem die notwendige Grundlage für eine effektive Beteiligung der Bürger und Unternehmen, die ihrerseits als Nachhaltigkeitsbedingung zu gelten hat. Bisher hat nur ein Teil der Länder überhaupt formelle Planungspflichten eingeführt, und von Ausnahmen abgesehen zielt dieses Planungsrecht auf eine rein technische Planung ab. Weder sind wirksame materielle Integrationspflichten noch werden effektive Abstimmungsverfahren mit der Siedlungsplanung vorgesehen. Hier liegt ein zentraler Ansatzpunkt für institutionelle Neuerungen, die eine nachhaltige Entwicklung der Wasserver- und Abwasserentsorgung erheblich befördern könnten.35 Zugleich verändern sich durch neuartige Ver- und Entsorgungslösungen die Rollen und Aufgabenbereiche der Akteure: Bereits heute werden im Rahmen der Regenwasserbewirtschaftung Grundstückseigentümer zunehmend in die Bereitstellung von Leistungen der Wasserwirtschaft einbezogen, wenn diese auf dem Grundstück Maßnahmen einer ortsnahen Regenwasserbewirtschaftung ergreifen.36 Das Aufweichen des grundlegenden Verständnisses einer kommunalen Alleinverantwortung geht mit Fragen zur Steuerbarkeit des Gesamtsystems einher. Auch entfällt die Aufgabe einer Netzkoordination beim Übergang auf dezentrale und semidezentrale Alternativen, während neue Aufgabenfelder, wie die Überwachung und Kontrolle dezentraler Einrichtungen hinzukommen. Insgesamt gilt es also zu klären, wie die Qualitätskontrolle und Steuerung von Systemalternativen zukünftig gewährleistet werden kann und wie hierfür die Kompetenzen verteilt werden müssen. 37 Weiterhin bedarf die historisch gewachsene Trennung der Wasserver- und Abwasserentsorgung einer kritischen Prüfung. Bei neuartigen Ver- und Entsorgungslösungen erscheint allein aus technischer Sicht eine Trennung der beiden Sektoren nicht länger zielführend. So betreffen die aus Sicht des Ressourcenschutzes zu begrüßenden Maßnahmen zur Erhöhung der Wassereffizienz (z. B. Abwasseraufbereitung zur Wiedernutzung, Regenwassernutzung) beide Sektoren, da aufgrund der wechselseitigen Beziehungen sowohl die Auslastung der Ver- als auch Entsorgungssysteme betroffen ist. Alleinige sektorale Maßnahmen verbieten sich, um kritische Funktionsschwellen der Unterauslastung im anderen Sektor zu vermeiden. Integrierte Ver- und Entsorgungskonzepte benötigen folglich eine stärkere Abstimmung der Sektoren.
35 36 37
Vgl. Wickel (2015). Vgl. Geyler / Bedtke / Gawel (2015). Vgl. Koziol / Veit / Walther (2006), S. 123.
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4. Die Implementation von Steuerungsinstitutionen Mit Blick auf die Implementation semi- und dezentraler Systeme einschließlich der damit verbundenen institutionellen Innovationen ist zu beachten, dass diese einen erheblichen Eingriff in die Interessen der Stakeholder, insbesondere der Kommunen, Ver- und Entsorger sowie Konsumenten bedeutet und diese Akteure dabei zugleich Neuland betreten. Folglich ist es ein zentrales Handlungsfeld, die politischen, sozialen und rechtlichen Implementationsbedingungen für Nachhaltigkeitsinstitutionen in den Blick zu nehmen, Transformationskosten, -hindernisse und -anreize zu identifizieren und daran orientierte gangbare Implementationspfade zu entwickeln. So bestehen aus Sicht der Kommune hohe Unsicherheiten im Zusammenhang mit einer Transformation der Siedlungswasserwirtschaft. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Interessen zahlreicher Akteure, den verschiedenen regulatorischen Erfordernissen sowie den lokalen Rahmenbedingungen müssen durch die Kommune strategische Entscheidungen getroffen werden, welche Konsequenzen für mehrere Jahrzehnte entfalten. Es ist nachvollziehbar, dass das kommunale Vorgehen bisher weit überwiegend durch das Festhalten an herkömmlichen Handlungsroutinen und von Risikoaversion geprägt ist. Bereits innerhalb des traditionellen Technologieparadigmas zeigt sich, dass regelmäßig eine ineffiziente pauschale Anwendung von Regelwerken bei der Erstellung von Konzepten erfolgt, da keine Kenntnisse bezüglich möglicher Abweichungen vorherrschen und keine „Risikoübernahme“ durch die Kommunen erfolgt.38 Folglich bedarf es diesbezüglich der weiteren Entwicklung von Entscheidungshilfen für Kommunen,39 da insbesondere kleinere Kommunen nicht die Kapazitäten besitzen, um weitreichende Transformationsprozesse anzustoßen und zu gestalten, wenn dies noch zusätzlich durch multiple Unsicherheiten (rechtlich, technisch) erschwert wird. Aber auch „institutionelle Vorleistungen“ zur Reduzierung kommunaler Unsicherheiten können einen Ansatzpunkt darstellen. Dies könnte die Entwicklung konkreter Regelungsoptionen umfassen, die den politisch Verantwortlichen z. B. in Form von Mustersatzungen zur Hand gegeben werden können. Für Konsumenten sind effiziente Stoffkreisläufe zudem häufig mit ungewohnten Komforteinbußen gegenüber der traditionellen Durchfluss- und Senkenökonomie der Ver- und Entsorgung verbunden. Zu nennen seien hier nur die möglicherweise erhöhten Wartungsanforderungen der Anlagen, Hygienebedenken bei tradiert anmutenden Entsorgungsalternativen wie Trockentoiletten oder auch Vorbehalte gegenüber der Wiederverwendung von aufbereiteten Abwässern.40 Eine dauerhafte erfolgreiche Umsetzung neuartiger Ver- und Entsorgungslösungen bedarf insbesondere auch eines frühen Einbezugs aller betroffenen Akteursgruppen – nicht zuletzt weVgl. LAWA (2001). Erste Handlungsorientierungen für Kommunen entstanden bereits aus dem Forschungsverbund netWorks, vgl. Kluge / Libbe (2006); dies. (2010). 40 Vgl. Russel / Lux (2009); Romich / Schiele / Wortmann (2012); Geyler et al. (2014). 38 39
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gen der sich im Zuge von dezentraleren Ansätzen verändernden Rollen der Akteure. Die Institutionalisierung eines solches partizipativen Vorgehens ist allenfalls rudimentär entwickelt und stellt zugleich die Information und Sensibilisierung aller Akteure voran. Dass der Einbezug relevanter Nachfragergruppen von Wasserdiensten (wie Grundstückseigentümer) bisher unzureichend erfolgt, zeigt sich durch regelmäßige Bürgerproteste, wobei diese sich üblicherweise gegen den Zwangsanschluss ans zentrale System, aber auch umgekehrt gegen eine punktuelle Dezentralisierung richten können.41
III. Effizienzorientierte Reformoptionen der Wasserwirtschaft in Theorie und Praxis Wie im vorherigen Abschnitt II. dargelegt wurde, erfordert die nachhaltige Ausrichtung der Siedlungswasserwirtschaft vielfältige institutionelle Anpassungen. In der Praxis ist jedoch die Dominanz einer kosten- und effizienzfokussierten Reformdiskussion zu beobachten. 1. Die Dominanz der Effizienzdebatte in der Praxis Die Bereitstellung von netzgebundenen Ver- und Entsorgungsdienstleistungen erfolgt in Deutschland, wie auch in vielen anderen Staaten, weit überwiegend durch öffentliche Unternehmen. Dies begründet sich historisch, da ein rascher flächendeckender Aufbau der Infrastruktursysteme aufgrund ihrer Komplexität und Kostenintensität regelmäßig nur durch die öffentliche Hand zu leisten war. Weiterhin weisen Netzsektoren die Eigenschaften eines natürlichen Monopols auf, wodurch sich die Erforderlichkeit eines staatlichen Eingriffs begründet, der oftmals sogleich die vollständige staatliche Bereitstellung der Netzdienste vorsah. Seit den späten 1980er Jahren können in vielen westlichen Industriestaaten jedoch Anstrengungen einer Deregulierung von Netzsektoren beobachtet werden, mit dem Ziel, die Bereitstellung von Leistungen der allgemeinen Daseinsvorsorge neu zu organisieren. Der Ursprung dieser Bemühungen findet sich in globalen Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen, die maßgeblich von zentralen Organisationen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds und Welthandelsorganisation vorangetrieben wurden.42 Auch die Zielstellungen der Europäischen Union, die eine effiziente Organisation von Märkten und die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes verfolgt, verstärkten diese Entwicklungen in Europa.43 41 Siehe dazu exemplarisch die Auflistung von Protestaktionen gegen Zwangsanschlüsse unter www.wasser-in-buergerhand.de (07. 04. 2015); sowie als Beispiel für Proteste gegen Kleinkläranlagen Schott (2014). 42 Vgl. Schenner (2006), S. 3. 43 Vgl. Schenner (2006), S. 39 ff.
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Vor diesem Hintergrund findet seit nunmehr zwei Jahrzehnten auch in Deutschland eine kontroverse Debatte zur Neuorganisation der Siedlungswasserwirtschaft statt, bei welcher mögliche Ansätze einer stärkeren Wettbewerbsorientierung unter Einbezug privater Akteure diskutiert werden. Auf fruchtbaren Boden fielen diese Bemühungen, da erhebliche Effizienzpotenziale in den Sektoren vermutet werden. 44 Die deutsche Wasserversorgung geriet bereits 1995 mit der Veröffentlichung eines Weltbankgutachtens in die Kritik:45 Hier wurden Defizite der weitgehend öffentlichen Wasserversorgung in Gestalt eines mangelnden Kostenbewusstseins und fehlenden Kostensenkungsanreizen gesehen. Weiterhin ist die Kleinteiligkeit in den Wasserwirtschafts-Sektoren einer der regelmäßig angebrachten Kritikpunkte. Gegenwärtig existieren in Deutschland etwa 6.000 Wasserversorgungsunternehmen und mehr als 6.900 Abwasserbeseitigungsbetriebe.46 Es wird argumentiert, dass eine erhebliche Zahl der Unternehmen unterhalb einer betriebsoptimalen Größe agiert, weshalb von einer Zusammenlegung technischer und / oder organisatorischer Elemente Effizienzsteigerungen durch die Realisierung von Größenvorteilen erwartet werden.47 Diese Erwartung lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei untermauern, da empirische Untersuchungen kein eindeutiges Bild bezüglich der Skaleneffekte im Bereich der Wasserproduktion und -versorgung zeigen.48 Auch empirische Effizienzanalysen attestieren der deutschen Wasserversorgung erhebliche Ineffizienzen. Die Effizienzpotenziale durch das Nutzen von Größenvorteilen werden dabei jedoch als überschaubar erachtet und vor allem bei den (sehr) kleinen Wasserversorgungsunternehmen gesehen.49 Als möglicher Beleg für die Ineffizienz der deutschen Wasserversorgung werden weiterhin die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Preise, die hohen Preisunterschiede innerhalb Deutschlands sowie die geringe internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Wasserversorgungsunternehmen angebracht. 50 Auch wenn einige der Argumente durchaus in Frage gestellt werden können,51 dürften wohl nicht alle Preisunterschiede schlicht auf jeweils abweichende strukturelle Rahmenbedingungen zurückgeführt werden können. Folgerichtig verliert die DeVgl. Briscoe (1995); Ewers et al. (2001); Monopolkommission (2010), S. 1, Tz. 3. Vgl. Briscoe (1995), S. 423 ff.; Ewers et al. (2001), S. 22 f. 46 Vgl. ATT et al. (2015), S. 31; Statistisches Bundesamt (2013), S. 25. 47 Vgl. Rothenberger (2003), S. 50; Monopolkommission (2010). 48 So werden zuweilen in Studien zuweilen starke Größe- und Verbundvorteile ausgemacht, während andere Arbeiten keine, bis hin zu negativen Skaleneffekten feststellen konnten, siehe dazu die Literaturübersichten von Amato / Conti (2005), S. 61 ff.; Walter et al. (2009), S. 225 ff.; Haug (2006), S. 42. 49 Vgl. Haug (2006); Zschille (2012); ders. (2013). 50 Vgl. Briscoe (1995), S. 423 f.; Ewers et al. (2001), S. 22; Monopolkommission (2010), S. 1., Tz. 2. 51 Unter Berücksichtigung qualitativer Aspekte relativiert sich das vergleichsweise hohe Preisniveau der deutschen Siedlungswasserwirtschaft im internationalen Vergleich – siehe BDEW (2010). 44 45
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batte auch keineswegs an Aktualität oder Relevanz. Dies zeigt sich durch die in der jüngeren Vergangenheit intensivierten Aktivitäten der deutschen Kartellbehörden gegen Wasserversorger52 und das Aufkommen neuer prominenter Kritiker wie der Monopolkommission.53 Aber auch die Bemühungen der EU-Kommission zur Etablierung wettbewerblicher Elemente im Wassersektor verlieren trotz Widerstands nicht an Schwungkraft.54 Angetrieben von den Marktöffnungen in anderen Netzsektoren wie dem Gas-, Strom- und Telekommunikationssektor wurden deshalb bereits zu Beginn der Wirtschaftlichkeitsdebatte in einem Gutachten des SRU die „Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung“ für Deutschland geprüft und letztlich ein verstärkter Wettbewerb im Sektor angeregt.55 Von einer Marktöffnung in der Wasserversorgung verspricht man sich eine erhöhte Effizienz der Leistungsbereitstellung, da Anbieter durch den Wettbewerbsdruck gezwungen sind, Rationalisierungspotenziale auszuschöpfen sowie Größenund Verbundvorteile zu nutzen.56 Die daraus resultierenden Kostenvorteile sollen zugleich in Form von niedrigeren Preisen an die Verbraucher weitergegeben werden. Weiterhin wird erwartet, dass sich der Zuschnitt der Versorgungsgebiete verstärkt an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiert, eine verursachergerechte Kostenanlastung bei den Verbrauchern und die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Wasserversorger erreicht werden.57 Zugleich ist zu erwarten, dass die Innovationsaktivitäten im Sektor durch einen erhöhten Wettbewerb befördert werden können. Zugleich erfolgt seither eine parallele Diskussion neuer Organisations- und Kooperationsmodelle und hierbei vor allem möglicher Privatisierungsoptionen. Ursächlich ist die weit verbreitete Annahme einer vergleichsweise ineffizienten öffentlichen Bereitstellung.58 Diese Annahme wurde vorwiegend aus theoretischen Überlegungen abgeleitet: Arbeiten der Theorie der Verfügungsrechte argumentieren, dass insbesondere das Gewinnstreben von Unternehmen ein effektiver Mechanismus sei, um Ineffizienzen in der Produktion zu beseitigen und dieser Anreiz folglich bei gemeinwohlorientierten öffentlichen Unternehmen stark vermindert sei. 59 Zugleich
52 Hierzu stellvertretend für viele andere Schielein (2010); Röstel (2011); Merkel (2011), S. 184 ff.; Kerber (2013), S. 7 ff. 53 Vgl. Monopolkommission (2010), Rn.1 – 25; Monopolkommission (2012), Rn. 601 – 625. 54 So der jüngst in 2013 gescheiterte Versuch der Erstreckung der Richtlinien über die Konzessionsvergabe [KOM(2011) 897 endg.] auf den Sektor der Wasserversorgung, siehe dazu Laskowski (2013); Boscheck et al. (2013); Mosters (2013). 55 Vgl. Ewers et al. (2001), S. 3 ff. 56 Vgl. Ewers et al. (2001), S. 35. 57 Vgl. Ewers et al. (2001), S. 35 ff. 58 Vgl. Wackerbauer (2009), S. 133 ff.; Brehme (2010), S. 34. 59 Vgl. De Alessi (1983); Hart / Shleifer / Vishny (1997).
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verfolgten öffentliche Unternehmen auch politische Ziele, wie u. a. den Ausbau der Beschäftigung, die einer reinen Wirtschaftlichkeitsorientierung entgegenstünden. 60 Folglich wird es als insgesamt wahrscheinlicher angenommen, dass private Unternehmen kostensenkende Innovationen einführten, den kostenminimierenden Einsatz von Produktionsfaktoren verfolgten, geringere Betriebs – und Produktionskosten aufwiesen und weniger kapitalintensive Produktionsverfahren anwendeten und hierdurch die Bereitstellung effizienter und kostengünstiger erfolgen könne.61 Gestützt wurden diese Argumentationen durch die Aussagen der Ökonomischen Theorie der Bürokratie, die ein budgetmaximierendes Verhalten der öffentlichen Verwaltung unterstellt, welches mit Ineffizienzen einhergeht.62 Als Folge erfassten die allgemeinen Bestrebungen einer Privatisierung (und Liberalisierung) von Leistungen der Daseinsvorsorge auch den Wassersektor, was in England und Wales zu einer vollständigen materiellen Privatisierung der Wasserwirtschaft führte. Die theoretischen Argumente halten einer praxisnahen Evaluierung allerdings kaum je wirklich Stand. 63 Bis heute ist jedoch nicht geklärt, welche wettbewerblichen Optionen für den Wassersektor im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen praktisch geeignet wären und in welchem Maße dabei zugleich der Einbezug privater Dritter erfolgen sollte. Bisher verfolgen Bund und Länder in Deutschland stattdessen den „vermittelnden“ Weg einer „Modernisierung“,64 ohne dabei weitreichende Änderungen des Ordnungsrahmens vorzunehmen. Die hierbei bestehenden Möglichkeiten sollen im Folgenden dargelegt werden. 2. Der ökonomische Alternativenraum Bei der Debatte ökonomischer Reformoptionen werden Privatisierungs- und Liberalisierungsoptionen sowie die erforderlichen Regulierungserfordernisse diskutiert. Wenngleich alle Begriffe die Reichweite sowie das Verhältnis staatlicher Aufgabenwahrnehmung und privatwirtschaftlicher Betätigung betreffen, handelt es sich hierbei doch um jeweils strikt voneinander abzugrenzende Sachverhalte: 65 – Privatisierung: Hierbei handelt es sich um die Übertragung von Eigentumsrechten und Kontrollfunktionen auf einen privaten Eigentümer, wobei die Art und Weise sowie der Umfang des Transfers unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. – Liberalisierung bedeutet die Öffnung von Märkten oder bisher geschützten Monopolen und den Abbau von Marktschranken, um hierdurch Wettbewerbselemente in die öffentlichen Infrastruktursektoren einzuführen. 60 61 62 63 64 65
Vgl. Boycko / Shleifer / Vishny (1996); Saal / Parker (2001), S. 66. Vgl. De Alessi (1983). Vgl. Tullock (1965); Niskanen (1971). Siehe dazu statt vieler Mühlenkamp (1999); ders. (2015). Kritisch dazu Janda (2012), S. 135 ff.; Gawel / Bedtke (2015). Vgl. Scheele (2009); Brehme (2010), S. 35 f.
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– Deregulierung bezieht sich auf den Abbau der staatlichen Einflussnahme auf die Wirtschaft, um hierdurch den Wettbewerb zu stärken. – Re-Regulierung bezeichnet die Neugestaltung der staatlichen Einflussnahme im Zuge von Privatisierungen und Liberalisierungen.
Dabei bestehen zahlreiche Berührungspunkte zwischen den Kategorien. So verfolgen Deregulierung und Privatisierung grundsätzlich das gemeinsame Ziel einer Reduzierung des staatlichen Einflusses, unterscheiden sich dabei aber hinsichtlich ihrer Herangehensweise. Während bei der Privatisierung eine Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor erfolgt, reduziert sich bei der Deregulierung der staatliche Einfluss durch den Abbau wettbewerbsbeschränkender Rechtsnormen.66 Auch bedeutet eine Privatisierung ohne Liberalisierung in Netzsektoren lediglich eine Umwandlung von öffentlichen in private Monopole. Insbesondere in diesem Fall sind spezifische Regulierungsmaßnahmen notwendig, um auszuschließen, dass es zu einem Missbrauch der Monopolmacht kommt. Im Folgenden sollen die primär effizienzorientierten Reformoptionen näher dargelegt werden. a) Liberalisierungsoptionen Grundsätzlich ist aus ökonomischer Sicht eine Bereitstellung eines Angebots über einen Markt anzustreben, um durch Wettbewerbsprozesse Effizienz, Qualität und Bepreisung der Leistungserbringung im Interesse der Konsumenten zu optimieren. Die Aufgabe des Staates beschränkt sich deshalb üblicherweise auf die Sicherstellung eines funktionsfähigen Wettbewerbs.67 Dennoch können staatliche Interventionen erforderlich werden, soweit die anspruchsvollen Voraussetzungen vollkommener Märkte nicht gegeben ist. Im Sektor der Wasserwirtschaft sind es vor allem die für Netzsektoren charakteristischen Eigenschaften eines natürlichen Monopols, die aufgrund von Marktkonzentrationen einen funktionsfähigen Wettbewerb ausschließen. Wesentliche Ursache natürlicher Monopole sind subadditive Kostenverläufe. In deren Folge ist es einem einzelnen Anbieter möglich, die relevante Nachfragemenge am kostengünstigsten zu produzieren und andere Unternehmen am Marktzutritt zu hindern. 68 Bei leitungsgebundenen Leistungen, wie denen in den Sektoren der Wasserver- und Abwasserentsorgung sind es bedeutende Größenvorteile im Netzbereich, die einen subadditiven Kostenverlauf begründen.69 Regulierungsbedürftige natürliche Monopole liegen jedoch nur dann vor, wenn zugleich Marktzutrittsbarrieren bestehen, die eine
Vgl. Brehme (2010), S. 36 mit Verweis auf Benz (1995). Vgl. Eucken (1952), S. 254 – 291. 68 Sinkende Durchschnittskosten sind für den Ein-Produkt-Fall keine notwendige Bedingung eines natürlichen Monopols, im Mehr-Produktfall ist diese Forderung nicht einmal hinreichend. 66 67
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„Bestreitbarkeit“ des Marktes verhindern.70 Dies ist aufgrund der Irreversibilität der Kosten (versunkene Kosten) im Netzbereich gegeben. Da natürliche Monopole traditionell als regulierungsbedürftig erachtet wurden, erfolgt die Bereitstellung der Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung heute weit überwiegend durch öffentliche Anbieter. Der Sektor der Wasserversorgung ist dabei bis heute vom Wettbewerb ausgenommen, so dass es den Unternehmen möglich ist, Demarkations-, Konzessions- und Verbundverträge abzuschließen.71 Weiterhin ist es den Kommunen möglich, über Satzungsrecht einen Anschluss- und Benutzungszwang durchzusetzen. Der Sektor der Abwasserentsorgung stellt dagegen eine hoheitliche Aufgabe dar, weshalb Wettbewerb grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das Ziel der Marktzutrittsregulierungen im Versorgungssektor war das Vermeiden ineffizienter Kostenduplizierungen und das Gewährleisten einer flächendeckenden Versorgung. Da es praktisch keinen Wettbewerb gibt, verfügen die Netzinhaber über eine erhebliche Machtstellung, weshalb zugleich die Regulierung der Monopolmacht erforderlich wird, um einen Preismissbrauch zu unterbinden.72 Da eine entscheidende Abkehr von einer leitungsgebundenen Ver- und Entsorgung gegenwärtig nicht abzusehen ist, muss eine Reform des institutionellen Rahmens den ökonomischen Besonderheiten von Netzsektoren Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund werden folgende Wettbewerbsoptionen für die Wasserwirtschaft diskutiert. aa) Wettbewerb im Markt Ein Wettbewerb im Markt würde es den Nachfragern ermöglichen, zwischen den Anbietern der Wasserver- und Abwasserentsorgung frei zu wählen, wofür der Wegfall der bestehenden rechtlichen Marktzutrittsbeschränkungen (Wettbewerbsrecht, Anschluss- und Benutzungszwang) erforderlich ist. In den bereits geöffneten Netzsektoren (Bahn, Strom, Gas und Telekommunikation) kommt der Ansatz einer gemeinsamen Netznutzung (Durchleitungswettbewerb) zur Anwendung. Dahinter steht die Idee, zwischen den verschiedenen Wertschöpfungsstufen der Dienstleistungsbereitstellung zu differenzieren und die Regulierungsmaßnahmen auf die Stufen der Leistungsbereitstellung zu begrenzen, in denen eine stabile netzspezifische Marktmacht vorherrscht. Stabile Marktmacht lässt sich dabei nur in den Wertschöpfungsstufen feststellen, bei denen sowohl subaddi69 So steigen u. a. der Materialaufwand und die Kosten für Leitungsrohre nicht im gleichen Maße wie das Volumen (sog. ingenieurswissenschaftliche Zwei-Drittel-Regel), so dass bei einer größeren Anzahl angeschlossener Nutzer, die Kosten pro Anschluss geringer ausfallen. 70 Vgl. Demsetz (1968); Baumol / Panzar / Willig (1982). 71 Die Ausnahmevorschriften für die Wasserwirtschaft, die seit der GWB-Novelle von 1998 mittels Übergangsvorschrift § 131 Abs. 6 GWB gesetzlich geregelt waren, wurden im Rahmen der jüngsten 8. GWB-Novelle inhaltlich unverändert vom Gesetzgeber erneuert (§ 31 GWB n. F.). 72 Vgl. Knieps (2008), S. 28.
Quelle: Scheele (2006), S. 13.
Abbildung 3: Disaggregierte Regulierung im Sektor der Trinkwasserversorgung
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tive Kostenstrukturen als auch Marktzutrittsschranken in Form entscheidungsrelevanter versunkener Kosten gegeben sind („monopolistisches bottleneck“).73 Diese Anforderungen sind regelmäßig im Bereich der Netze erfüllt (siehe Abbildung 4). Für die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (Gewinnung, Aufbereitung, Vertrieb) kann dagegen die Wettbewerbsintensität erhöht werden. So ist es im Rahmen eines Durchleitungswettbewerbs möglich, dass Anbieter gegen eine faire Gebühr Durchleitungsrechte durch das Versorgungsnetz des lokalen Netzbetreibers erwerben und mit diesem in Konkurrenz treten. Aus verschiedenen Gründen ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich diese Wettbewerbsform in der Wasserwirtschaft in gleichem Maße durchsetzt wie in anderen Netzsektoren. So existiert kein flächendeckendes Wasserversorgungsnetz, und die Transportfähigkeit von Wasser ist aufgrund der hohen Masse, der damit verbunden hohen Kosten, aber auch einer Anfälligkeit für nachteilige mikrobiologische Veränderungen, begrenzt.74 Zugleich ist Wasser kein homogenes Gut und weist verschiedene Qualitäten auf, deren Durchmischung technische Probleme verursacht, Gesundheitsrisiken birgt und rechtliche Fragen zur Haftung aufwirft.75 Auch im Bereich der Abwasserentsorgung erscheint ein solcher theoretischer Wettbewerbsansatz nicht tragfähig.76 Möglich ist weiterhin die Einschaltung von Zwischenhändlern. Der Nachfrager bezieht hierbei sein Wasser weiterhin aus dem Netz des öffentlichen Versorgers, schließt dabei aber seinen Vertrag mit dem Zwischenhändler ab. Diese können aufgrund der gebündelten Nachfrage das Wasser zu günstigeren Konditionen beziehen und damit Größenvorteile realisieren. Ein Wettbewerb der Zwischenhändler resultiert letztlich in niedrigeren Verbraucherpreisen.77 Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die rechtlichen Beschränkungen für den Bau konkurrierender Leitungen aufzuheben, um einen Wettbewerb durch freien Leitungsbau zu initiieren. Hierdurch kommt es zu einer Erhöhung des tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs in Teilen des Marktes, der nach Ewers et al. zu einem optimalen Zuschnitt von Versorgungsgebieten führen würde.78 Die hohen Fixkosten für Netze und Anlagen müssen dabei jedoch als Marktzutrittsbarriere angesehen werden, da hierdurch eine Parallelverlegung von Versorgungs- und Entsorgungsnetzen regelmäßig unrentabel ist.79 Dies zeigt sich auch in England, wo eine solche Möglichkeit innerhalb einer bereits laufenden Wasserwirtschaft nur selten genutzt wird.80
73 74 75 76 77 78 79
Vgl. Knieps (2007), S. 229 ff.; ders. (2013), S. 9 ff. Vgl. Ewers et al. (2001), S. 43. Vgl. Ewers et al. (2001), S. 43; Cassel / Rüttgers (2009), S. 349. Vgl. Oelmann (2005a), S. 43 f. Vgl. Ewers et al. (2001), S. 44; Oelmann (2005a), S. 47 f.; Wackerbauer (2009), S. 145. Vgl. Ewers et al. (2001), S. 42 f. Vgl. Wackerbauer (2009), S. 145; Greb / Böcker (2013), S. 18.
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Auch bestehen Möglichkeiten eines Substitutionswettbewerbs, bei der eine zunehmende Eigenversorgung auf Seiten der Nachfrager erfolgt. Hierbei wird den Verbrauchern die Möglichkeit eröffnet, auf den Anschluss an das öffentliche Infrastrukturnetz zu verzichten, wodurch die alternative Versorgungsform der Eigengewinnung in Konkurrenz zum etablierten Versorger tritt und den Wettbewerbsdruck hierdurch erhöht.81 Eine solche Option kann jedoch alleine aufgrund regionaler Unterschiede hinsichtlich der Wasserqualität und -quantität keine flächendeckende Umsetzung erfahren, möglicherweise jedoch im Bereich der Industrienachfrage eine Möglichkeit darstellen. Dagegen stehen im Sektor der Abwasserentsorgung mit den technischen Optionen einer dezentralen Abwasserbewirtschaftung ernsthafte Alternativen in Substitutionskonkurrenz zum zentralen System. Letztlich muss jedoch festgehalten werden, dass die Möglichkeiten eines Wettbewerbs im Markt für die Siedlungswasserwirtschaft nur eingeschränkt möglich sind und deshalb nur eine untergeordnete Rolle spielen werden. bb) Wettbewerb um den Markt Wegen der eingeschränkten Möglichkeiten eines Wettbewerbs im Markt werden vermehrt Optionen eines Wettbewerbs um den Markt vorgeschlagen. Hierbei bleiben die Gebietsmonopole erhalten und die Monopolstellung wird zeitlich befristet an einen Anbieter versteigert, wodurch sich ein Wettbewerb um die Gebiete einstellen soll.82 Die dahinterstehende Idee ist es, dass jener Bieter den Zuschlag erhält, welcher für die Bereitstellung der Dienstleistungen die niedrigsten Preise verlangt, wobei unterstellt wird, dass dies mit den niedrigsten Kosten und damit auch der höchsten Effizienz der Unternehmen (bei gleicher Qualität) einhergeht. Auch etwaigen Monopolrenten wird entgegengewirkt, da der Bieter diese im Zuge der Endpreis-Verhandlung aufgeben muss, um den Zuschlag zu erhalten. In der Theorie kann ein intensiver Ausschreibungswettbewerb einen Abbau der Informationsasymmetrie und eine größtmögliche Effizienz der Leistungsbereitstellung bewirken. 83 Die Praxis in Frankreich, wo die Aufgaben der Wasserversorgung in vielen Gemeinden mittels eines solchen Ansatzes an private Unternehmen delegiert wurden, zeigt freilich auch dessen Schwächen auf. Es zeigt sich, dass die Ausschreibungsgewinner ihre Monopolstellung nachvertraglich zu ihrem Vorteil ausnutzen. So besteht die Gefahr, dass unklar spezifizierte und schwierig zu kontrollierende Leistungsinhalte durch den Monopolisten unzureichend bedient werden, insbesondere auch da 80 Aufgrund kleinerer Versorgungsgebiete kleiner und damit verbunden geringerer Investitionskosten könnte dem freien Leitungsbau in Deutschland womöglich eine größere Bedeutung zukommen, siehe dazu Oelmann (2005a), S. 41. 81 Vgl. Ewers et al. (2001), S. 42. 82 Der Ansatz eines Ausschreibungswettbewerbs geht insbesondere auf Demsetz (1968) zurück. 83 Vgl. Scheele (2000), S. 13; Oelmann (2005a), S. 61.
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eine exakte vorvertragliche Festlegung von Rechten und Pflichten aufgrund langer Laufzeiten der Verträge (20 – 30 Jahre)84 unmöglich ist. Zugleich besteht die Gefahr, dass Nachverhandlungen über die vorab verabredeten Leistungen und Preise erfolgen. Diese verlaufen aus Sicht der Kommune meist negativ, da Informationsasymmetrien bestehen und die Verhandlungsmacht oftmals bei den Unternehmen liegt. 85 In Deutschland eröffnet bereits der bestehende Ordnungsrahmen die Möglichkeit eines Wettbewerbs um den Markt: Wenn Kommunen einen privaten Dritten zeitlich befristet mit der Aufgabenerfüllung betrauen möchten, können sie diesen über ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren ermitteln. Jedoch besteht keine Ausschreibungspflicht, so dass die Möglichkeit in der Praxis nur unzureichend Anwendung erfährt und die Kommune in ihrer Vergabeentscheidung weitgehend frei ist. Auf nationaler Ebene gab es deshalb Überlegungen, die Kommunen per Gesetz zum Ausschreiben zu zwingen, wenn sie sich selber als ineffizient herausstellen, dauerhaft staatliche Förderung in Anspruch nehmen oder Quersubventionierung zu Gunsten der Trinkwasserversorgung innerhalb der Stadtwerke / Gemeindewerke betreiben.86 Jüngere Bemühungen seitens der EU-Kommission, eine Ausschreibungspflicht für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen durchzusetzen, scheiterten im Sektor der Wasserversorgung an erheblichen Bürgerprotesten.87 cc) Vergleichswettbewerb Eine weitere Möglichkeit zur Etablierung von Wettbewerbselementen in den Sektoren der Wasserwirtschaft besteht in Form eines vergleichenden oder auch virtuellen Wettbewerbs. Hierbei stehen die Unternehmen nicht im direkten Wettbewerb um Endkunden oder Ver- und Entsorgungsgebiete, sondern werden anhand von Kriterien hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit miteinander verglichen. Somit bestehen starke Schnittmengen zu sog. Benchmarking-Verfahren, bei denen Unternehmen hinsichtlich ihrer Produkte, Methoden und Prozesse verglichen werden. Eine verbreitete Option eines vergleichenden Wettbewerbs ist die sog. Yardstick Competition,88 die eine Variante der Anreizregulierung darstellt [siehe Abschnitt III.2.c)].89 Ein solcher Ansatz einer Ex-Ante-Anreizregulierung findet in England Anwendung, wo die Preisaufsichtsbehörde OFWAT (Office of Water Services) die Preisobergrenzen ermittelt und den ausschließlich privaten Wasserversorgern vorschreibt.
84 In Frankreich gibt es nicht selten auch weit längere Vertragslaufzeiten von bis zu einem dreiviertel Jahrhundert, siehe Scheele (2007), S. 5. 85 Vgl. Scheele (2000), S. 12 f.; Scheele (2007), S. 5 ff.; Meran (2012), S. 169 f. 86 Vgl. Wackerbauer (2009), S. 145; Ewers et al. (2001), S. 4, 39. 87 Vgl. Boscheck et al. (2013); Mosters (2013). 88 Vgl. Shleifer (1985). 89 Vgl. Oelmann (2005a), S. 56 ff.; Meran (2012), S. 171 ff.
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Eine weitere Ausprägung von Benchmarking, die hinsichtlich ihrer Wettbewerbswirkungen zwischen der englischen Variante einer Yardstick Competition und der deutschen Variante eines freiwilligen Leistungsvergleichs90 einzuordnen ist, findet sich in Form einer sog. Sunshine-Regulierung. Auch hier werden verschiedene Leistungsindikatoren von Unternehmen erhoben und verglichen. Der Unterschied zum deutschen Ansatz ist jedoch, dass die Ergebnisse des Benchmarkings öffentlich gemacht werden, wodurch leistungsschwache Unternehmen bloßgestellt und dem öffentlichen Druck ausgesetzt werden.91 Mit Hilfe dieses „Naming and Shaming“ sollen die Unternehmen zu effizienzerhöhenden Maßnahmen bewogen werden, die sich letztlich auch in niedrigeren Preisen niederschlagen sollen. Der Ansatz geht bereits in das 19. Jahrhundert zurück, wo die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnunternehmen in Zeitschriften dokumentiert wurde. Damals genügte alleine das Aufzeigen der Fakten für die Öffentlichkeit, um die Unternehmen zu disziplinieren. 92 In den Niederlanden wurde die Sunshine-Regulierung seit 1997 im Sektor der Wasserversorgung mit Erfolg umgesetzt. Studien zeigen, dass sich die Produktivität der Unternehmen auch ohne Privatisierungsmaßnahmen oder weitergehende Regulierungsinstrumente deutlich erhöhte.93 b) Organisations- und Kooperationsmodelle und Privatisierungsoptionen Das im Grundgesetz verankerte Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) sichert den Gemeinden das Recht zu, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Damit bleibt den Kommunen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten überlassen, welcher Organisationsform sie sich zur Erfüllung der Aufgaben der Wasserver- und Abwasserentsorgung bedienen und ob sie hierbei private Dritte einbeziehen (Organisationsermessen). Die Wahl der Organisations- und Kooperationsform bei Ver- und Entsorgungsunternehmen stellt eine bedeutende institutionelle Handlungsoption dar, die weitreichende Konsequenzen sich bringt. Hierdurch werden die an der Bereitstellung der Dienstleistungen beteiligten Akteure (Staat und / oder Private), deren Kompetenzen, Verantwortlichkeiten sowie (u. a. finanzielle) Möglichkeiten und Motivlagen (gemeinwohl- oder gewinnorientiert) aber auch die regulatorischen Erfordernisse und geltenden Rechtsregime maßgeblich bestimmt. 90 Im Zuge der Entwicklung und Umsetzung einer Modernisierungsstrategie für die deutsche Wasserwirtschaft wurde ein systematischer Leistungsvergleich der Unternehmen als Kernelement etabliert, welcher jedoch aufgrund seines freiwilligen und anonymen Charakters allenfalls indirekte Wettbewerbswirkungen entfaltet, siehe dazu Gawel / Bedtke (2015); Oelmann (2005b); Clausen / Scheele (2001). 91 Vgl. Marques / Simoes (2008), S. 1040; De Witte / Saal (2008), S. 2. 92 Vgl. Marques / Simoes (2008), S. 1044 mit weiteren Quellen. 93 Vgl. De Witte / Saal (2008), S. 29 ff.
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Dabei ist zu beachten, dass die vorrangige Diskussion möglicher Privatisierungsoptionen streng genommen zu kurz greift, da diese nur einen Teil der Optionen ausmachen, denen sich die Kommunen im Rahmen ihrer organisatorischen Wahlfreiheit bei der Aufgabenerfüllung bedienen können. Vielmehr sind auch eine Reihe von Organisationsformen denkbar, welche den tradierten Formen durch die Bündelung von Wissen, das Ausnutzen von Synergieeffekten oder eine erhöhte unternehmerischer Flexibilität überlegen sein können, ohne dass hierfür ein Einbezug privater Dritter erforderlich ist. Grundsätzlich kann zwischen folgenden Kategorien an Kooperations- und Organisationsformen unterschieden werden (siehe Abbildung 4): – Originäre Aufgabenerfüllung durch die Gemeinden, ggf. in Kooperation mit anderen Gemeinden, – Drittbeauftragung eines Privaten durch die Gemeinde als Träger der Aufgabe, – originäre Aufgabenerfüllung durch einen Privaten als Träger der Aufgabe.
Im Rahmen dieser Kategorien ergibt sich eine außerordentliche organisatorische Vielfalt, die im Folgenden näher beleuchtet werden soll. Aufgrund der historisch gewachsenen institutionellen Unterschiede zwischen der Wasserver- und Abwasserentsorgung muss entsprechend zwischen diesen beiden Sektoren differenziert werden. aa) Originäre Aufgabenerfüllung durch eine oder mehrere Gemeinden Bei der Bereitstellung der Dienstleistungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform besitzt die Kommune als alleinige Trägerin der Aufgabe die unmittelbare Verantwortung für die Aufgabenerfüllung und kann sich dabei verschiedener Rechtsformen bedienen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer rechtlichen Eigenständigkeit, des kommunalen Einflusses, aber auch der steuerrechtlichen Behandlung:94 Hierzu zählen die klassischen Organisationsformen des Regie- und Eigenbetriebs, aber auch neuere Kooperationsmodelle wie die Anstalt öffentlichen Rechts und die privatrechtlich organisierten Eigengesellschaften. Den Kommunen steht es jedoch auch frei, ihre Aufgabenerfüllung gemeinsam mit anderen Kommunen wahrzunehmen. Eine solche interkommunale Zusammenarbeit kann eine Arbeitsgemeinschaft oder Zweckvereinbarung sein, die häufig auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgt, um beispielsweise die Aufgabenerfüllung in Randbereichen einer Nachbargemeinde durch eine Gemeinde zu übernehmen, wenn dies die geeignetere Lösung darstellt. Weitreichender und eher selten ist die Option einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, bei welcher eine Ge94 Vgl. Spelthahn (1994), S. 85 ff.; Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (2003), S. 25 ff.
Abbildung 4: Organisations- und Kooperationsmodelle der Wasserwirtschaft – Kategorien
Quelle: nach Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg (2003), S. 4.
* Im Sektor der Abwasserentsorgung de lege lata nicht möglich.
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meinde die Erfüllung einzelner Aufgaben einer anderen Gemeinde vollständig übernimmt und die damit verbundenen Rechte und Pflichten zugleich übergehen.95 Eine heute besonders häufige Form besteht in Möglichkeit der Gründung eines Zweckverbands, die eine öffentlich-rechtliche Form der Zusammenarbeit zwischen Kommunen mit eigener Rechtspersönlichkeit darstellt. Die Aufgabenverwaltung erfolgt im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung nach Maßgabe einer Satzung, wofür der Zweckverband die Satzungshoheit innehat. Zentrale Organe eines Zweckverbands sind die Verbandssammlung sowie der Verbandsvorsitzende, der die Geschäftsaufgaben des Zweckverbands übernimmt und diesen nach außen vertritt. Zu einem Zweckverband können sich die Gemeinden und Kreise, aber auch andere Körperschaften sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts zusammenschließen.96 Ferner besteht die Möglichkeit, eine Anstalt öffentlichen Rechts als Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Kommunen zu gründen oder die Organisation der Zusammenarbeit über Wasser- und Bodenverbände zu realisieren. Eine besondere Form stellt weiterhin die Zusammenarbeit von Kommunen in größerem sondergesetzlichen Wasserwirtschaftsverbänden dar, die insbesondere in NordrheinWestfalen weite Verbreitung finden.97 Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Organisation der Zusammenarbeit werden interkommunale Kooperationen als eine Möglichkeit zur effektiven Durchführung der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung erachtet, durch welche Effizienz und Qualität gesteigert werden können. Der Vorteil wird dabei in den größeren Einzugsgebieten, größeren Organisationseinheiten und einer verstärkten Arbeits- und Kostenteilung gesehen, wodurch die Möglichkeiten der Kommunen gesteigert werden können.98 bb) Privatisierungsoptionen für die Siedlungswasserwirtschaft Unter dem Privatisierungsbegriff wird eine Reihe vielfältiger Sachverhalte und Phänomene gefasst, zwischen denen jedoch erhebliche sachliche und rechtliche Unterschiede bestehen.99 Grundsätzlich wird mit „Privatisierung“ ein Vorgang be-
Vgl. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (2003), S. 38. Die Beteiligung Privater an einem Zweckverband ist grundsätzlich möglich, sofern hierdurch das Verbandsanliegen befördert wird und keine Belange des Allgemeinwohls dagegensprechen. Jedoch spielt eine solche gemischtwirtschaftliche Kooperation in der Praxis keine Rolle, da eine Gewinnausschüttung nicht möglich ist und damit die wesentliche Motivation für eine unternehmerische Tätigkeit Privater nicht gegeben ist. 97 Bedeutende Verbände wie u. a. Emschergenossenschaft, Lippeverband, Ruhrverband oder Wupperverband verfolgen dabei den Ansatz eines interkommunalen ganzheitlichen Wassermanagements, welches neben den Aufgaben der Wasserver- und Abwasserentsorgung alle Aspekte des regionalen Wassermanagements umfasst. 98 Vgl. BT-Drs. 16 / 1094, S. 4. 99 Vgl. Maurer (2009), S. 4. 95 96
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schrieben, bei dem Aufgaben, die vormals durch den Staat wahrgenommen wurden, in den privaten Bereich verlagert werden.100 Eine Unterscheidung muss dabei hinsichtlich der Trägerschaft der Aufgabe und der Rechtsform der Unternehmen getroffen werden. Die Trägerschaft adressiert die Frage, wer die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung innehat, wobei der Ausgangspunkt bei der Diskussion von Privatisierungsformen regelmäßig Staatsaufgaben sind, also die Aufgaben, für welche nach der geltenden Verfassungsordnung die Verantwortung beim Staat liegt. 101 Die Rechtsform des Unternehmens dagegen definiert lediglich den Organisationsmodus des Unternehmens, ohne dass hierbei Aussagen zu der Verantwortlichkeit bei der Aufgabenwahrnehmung getroffen werden. Eine weitere Unterscheidung kann dahingehend getroffen werden, wie die Verfügungsrechte an den Infrastrukturen der Wasserver- und Abwasserentsorgung ausgestaltet werden. Hierbei sind diverse Konstellationen denkbar, wie der Infrastrukturbesitz und Infrastrukturbetrieb zwischen der Kommune und privaten Dritten geregelt sein kann (siehe Tabelle 1). Zentral für die Unterscheidung von Organisationsformen in der Wasserver- und Abwasserentsorgung ist folglich die Frage, ob im Rahmen der angesprochenen Form der Privatisierung ein tatsächlicher Einbezug Privater erfolgt und auf welche Weise die Eigentumsverhältnisse an den Infrastrukturanlagen geregelt sind. Diesbezüglich ergeben sich je nach Art und Umfang der Privatisierung erhebliche Unterschiede. In der Literatur und Rechtsprechung werden üblicherweise drei idealtypische Grundformen einer Privatisierung unterschieden:102 – die formelle Privatisierung (Organisationsprivatisierung), – die funktionale Privatisierung (Erfüllungsprivatisierung), – die materielle Privatisierung (Aufgabenprivatisierung).
(1) Formelle Privatisierung (Organisationsprivatisierung) Von einer formellen Privatisierung spricht man, wenn bestimmte staatliche Verwaltungsaufgaben nicht länger in einer Organisationsform des öffentlichen Rechts, sondern in privatrechtlichen Rechts- und Organisationsformen (AG, GmbH) erbracht werden. Auch wenn die entstehenden juristischen Personen rechtlich selbstständig sind, bleibt die Gemeinde Aufgabenträgerin und behält die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung. Die Motive für eine formelle Privatisierung werden in einer Loslösung vom öffentlichen Haushalts- sowie vom Dienst- und Organisationsrecht gesehen, wodurch eine flexiblere Aufgabenwahrnehmung möglich wird.103 Durch die enge Bindung an die staatliche Verwaltung kann dennoch seitens des Aufgabenträ-
100 101 102 103
Vgl. Brehme (2010), S. 15 ff. Vgl. Brehme (2010), S. 18 f. Vgl. Maurer (2009), S. 5; Laskowski (2010), S. 838 ff. Vgl. Laskowski (2010), S. 838.
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gers maßgebender Einfluss auf die Geschäftspolitik ausgeübt werden, auch wenn diese nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und privatrechtlichen Regeln handelt. Tabelle 1 Übersicht über die grundlegenden Fallkonstellationen von getrenntem und integriertem Infrastrukturbesitz und Infrastrukturbetrieb Infrastruktur: Besitz und Betrieb
Nicht getrennt
Fall
Status
Beispiel
1
Privat
Wassergesellschaften in England und Wales (Wateronly Companies, WaterandWasteWater Service Providers), Beispiele auch in anderen Ländern;
2
Für Deutschland sind hier Regiebetriebe, Eigenbetriebe und Eigengesellschaften zu nennen, das Modell Öffentlich ist auch vorherrschend in den Niederlanden und den Vereinigten Staaten.
3
Mischform
Für Deutschland sind sog. Kooperationsmodelle zu nennen, d. h. die Eigentümergesellschaft betreibt und befindet sich im gemischt-privat-öffentlichem Besitz.
4
Privat
Industrielle Dienstleistungen
5
Kooperationen zwischen Kommunen und anderen öffentlichen Einrichtungen (Zweckverbänden, EigenÖffentlich gesellschaften und / oder Gemeinschaftsunternehmen), Zunahme bei weiterem Unbundling zu erwarten.
6
Referenzfall für die Trennung von Infrastruktur und Betrieb ist das Betreibermodell mit Infrastruktur im öffentlichen Besitz und privater Betreibergesellschaft, die einen zeitlich befristeten Vertrag erfüllt; vor allem in Frankreich, häufig, aber auch in Deutschland und vielen weiteren Ländern.
Getrennt Mischform
Quelle: Holländer (2007), S. 122.
(2) Funktionale Privatisierung (Erfüllungsprivatisierung) Bei der funktionalen Privatisierung verbleibt die Zuständigkeit und Verantwortung bei der Erledigung der Verwaltungsaufgaben beim staatlichen Träger. Die Erledigung der Aufgaben kann jedoch ganz oder teilweise an Private übertragen werden, weshalb man auch von einer Erfüllungsprivatisierung spricht. Üblicherweise werden die Aufgaben für eine bestimmte Dauer übertragen und dann vom Privaten,
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der als sog. „Verwaltungshelfer“ agiert, eigenverantwortlich erledigt. Die Aufgabenübertragung kann dabei einzelne Projekte, wie die Reparatur einer Kanalisation umfassen, aber auch den Fall der Betriebsführung oder des Betriebs von Anlagen umfassen. Die Übertragung der Aufgabe wird dabei vertraglich geregelt, wodurch diese konkretisiert und die gegenseitigen Rechten und Pflichten der Vertragspartner festgelegt werden.104 (3) Materielle Privatisierung (Aufgabenprivatisierung) Die umfassendste Form einer Privatisierung ist die materielle Privatisierung. Hierbei wird eine bislang vom Staat wahrgenommene Aufgabe vollständig auf den privaten Sektor übertragen, womit zugleich auch die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung auf den Privatsektor übergeht.105 Dies schließt auch die Übertragung staatlichen Eigentums auf Private ein (Vermögensprivatisierung). 106 Die Motive hierfür können ein nicht länger gegebenes öffentliches Interesse an einer staatlichen Aufgabenerfüllung sein, aber auch die Erwartung, dass die Leistungsbereitstellung durch private Träger in autonomer Verantwortung besser, effektiver und kostengünstiger erfolgt.107 Materielle Privatisierungen sind in der deutschen Wasserwirtschaft nur sehr eingeschränkt möglich. Im Fall pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben ist die Kommune per Gesetz zur Erfüllung der Aufgabe verpflichtet und darf nur über die Frage des „Wie“ entscheiden. Im Bereich der Wasserversorgung kann es deshalb nur dann zu einer materiellen Privatisierung kommen, wenn landesrechtliche Vorgaben diese nicht als Pflichtaufgabe geregelt haben. In diesem Fall kann die Gemeinde die Beteiligungen an einem Eigenbetrieb oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen veräußern und hierdurch die Wasserversorgung auf Private übertragen. 108 Regelmäßig wird dabei auf die Grenzen einer solchen materiellen Privatisierung im Bereich gemeindlicher Kernaufgaben verwiesen, bei denen eine kommunalrechtlich und verfassungsrechtlich fundierte „Reserveerfüllungsverantwortung“ verbleibt.109 Da die Abwasserentsorgung in Deutschland als hoheitliche Aufgabe grundsätzlich zu den kommunalen Pflichtaufgaben zählt, sind im Entsorgungssektor ausschließlich formelle oder funktionelle Privatisierungen zulässig.110
Vgl. Maurer (2009), S. 5; Brehme (2010); S. 27. Vgl. Brehme (2010), S. 26. 106 Vgl. Laskowski (2010), S. 384. 107 So Maurer (2009), S. 6. Dabei muss jedoch erneut darauf verwiesen werden, dass eine Privatisierung allein noch nicht zu einer Verstärkung des Wettbewerbs führt. 108 Vgl. Laskowski (2010), S. 840. 109 Vgl. Laskowski (2010), S. 841; Brehme (2010), S. 212. 110 Vgl. Laskowski (2010), S. 840 f. 104 105
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cc) Privatisierungsmodelle Die möglichen Organisationsformen, bei denen die Gemeinde bei der Aufgabenerfüllung Private einbezieht, lassen sich zumeist einer funktionalen Privatisierung zuordnen, also Varianten, bei denen es zu einer Veränderung der Verantwortungsstruktur für die Aufgabekommt.111 Eine gängige Organisationsform ist das Betriebsführungsmodell, bei dem eine vertragliche Vereinbarung (Betriebsführungsvertrag) zwischen der Kommune und einem privaten Unternehmen bestehen, in welcher sich das Unternehmen zur Aufgabendurchführung verpflichtet. Die technischen Anlagen zur Durchführung der Aufgaben (z. B. Leitungsnetze, Kläranlagen) verbleiben dabei im Eigentum der Kommune, die weiterhin für deren Ausbau und die Sanierung verantwortlich ist. Die Rolle des Privaten beläuft sich auf die technische und kaufmännische Verwaltung und das Vertreten der Körperschaft nach außen. 112 Beim Betreibermodell erfolgt hingegen die komplette Delegation der Leistungserbringung an private Partner, d. h. auch die Einrichtung, der Ausbau und die Sanierung der Anlagen sind regelmäßig durch den Privaten zu leisten. Das Anlageneigentum bleibt jedoch regelmäßig bei der Gemeinde. Der Anreiz für Private, das unternehmerische Risiko zu übernehmen, resultiert aus den langen Laufzeiten von mehreren Jahrzehnten, die sich üblicherweise an der Lebensdauer der übernommenen Anlage orientieren. Für die Leistungen erhält der Private ein privatrechtliches Entgelt (oftmals Grund- und Arbeitspreis) von der Gemeinde, die weiterhin die Gebührenerhebung verantwortet, die zu zahlenden Leistungen an die Privaten jedoch innerhalb ihrer Gebührenkalkulation berücksichtigt.113 Im Rahmen eines Kooperationsmodells erfolgt die Gründung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens (Kooperationsgesellschaft), an dem sowohl die Gemeinde als auch private Dritte beteiligt sind und welches mit der Wahrnehmung der Aufgabe beauftragt wird. Eine solche Kooperation ist auf Dauer angelegt und erfordert die vertragliche Festlegung der Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Kommune, aber auch die Festlegung der Investitionsverantwortung. Die jeweiligen Regelungen sowie die Anteilsverhältnisse zwischen Gemeinde und Privaten können dabei erheblich abweichen, so dass starke Unterschiede zwischen Kooperationsmodellen bestehen können.114 In der Praxis bleibt regelmäßig die öffentliche Hand 111 Dabei kann weiterhin zwischen einer „echten“ und einer „unechten“ Privatisierung unterschieden werden, abhängig davon, ob das mit der Aufgabendurchführung beauftragte Unternehmen ein „echtes“ privatwirtschaftliches Unternehmen ist oder ein formell privatisiertes Unternehmen in öffentlicher Hand, vgl. Laskowski (2010), S. 784. 112 Vgl. Laskowski (2010), S. 785, Brehme (2010), S. 201 ff. 113 Vgl. Laskowski (2010), S. 785 f.; Brehme (2010), S. 201 ff. 114 Das zeigt bereits die Bandbreite der Einordnungsmöglichkeiten: Brehme kategorisiert das Kooperationsmodell bei einer Anteilsmehrheit der Kommune als formelle Privatisierung, im Fall eines privaten Mehrheitseigners als materielle Privatisierung, siehe Brehme (2010), S. 199; anders Laskowski, welche das Kooperationsmodell als Variante des Betreibermodells und damit als funktionale Privatisierung erachtet, siehe Laskowski (2010), S. 786 f.
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Mehrheitseigner, wodurch ein maßgeblicher kommunaler Einfluss auf die Steuerung und Kontrolle des Unternehmens ausgeübt werden kann.115 Mittels Konzessionen (Konzessionsmodell)116 kann die vollumfängliche Übertragung von Aufgabenbereichen an einen privaten Dritten erfolgen, wobei dies Aufgaben der Dienstleistungsbereitstellung (Dienstleistungskonzession), aber auch der Planung oder Ausführung von Bauvorhaben (Baukonzession) umfassen kann. Dienstleistungskonzessionen übertragen dabei die Aufgabe auf den Privaten, wofür dieser das Recht der entgeltlichen Verwertung der Dienstleistung erlangt. Wenngleich dies die Investitionsverantwortung für den Anlagenerhalt umfasst, sind weitergehende Leistungen, wie die Planung und Errichtung von Infrastrukturanlagen als Baukonzession einzuordnen.117 Bei beiden Formen bleibt die Gemeinde Aufgabenträger, während der Konzessionär das wirtschaftliche Risiko der Leistungserbringung trägt, weshalb Konzessionsverträge auf lange Laufzeiten (10 – 30 Jahre) ausgelegt sind. Die möglichen Ausprägungen von Konzessionsverträgen variieren nach Art und Umfang deutlich.118 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Reihe von Organisationsformen für die Wasserwirtschaft bestehen, die sich hinsichtlich ihrer Rechtsform, des Grads privater Beteiligungen und (daraus resultierend) der kommunalen Einflussnahme und des Anteils privaten Kapitals erheblich unterscheiden (siehe Abbildung 5).
c) Optionen der Entgeltkontrolle Der fehlende Wettbewerb in der Wasserver- und Abwasserentsorgung bewirkt neben den geringen Anreizen für eine effiziente Leistungsbereitstellung und Innovationsaktivitäten, dass die Inhaber der Leitungen eine erhebliche Machtstellung besitzen, welche Spielräume für einen Preismissbrauch schaffen. Die Organisationsform des Unternehmens spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Zwar weisen öffentlichrechtliche Organisationsformen keine Gewinnorientierung auf, jedoch ist dies kein Garant für das Ausbleiben von Ineffizienz und Preishöhenmissbrauch.119 Da das wettbewerbliche Korrektiv bei der Preisbildung außer Kraft gesetzt ist, werden Verfahren der Entgeltkontrolle benötigt, um eine missbräuchliche Preissetzung zu unterbinden.
Vgl. Laskowski (2010), S. 786 f. Aufgrund des zuweilen weitreichenden Rückzugs des Aufgabenträgers aus der Aufgabenwahrnehmung, werden Konzessionen regelmäßig der materiellen Privatisierung zugeordnet, siehe dazu kritisch Brehme (2010), S. 211, mit weiteren Quellen. 117 Vgl. Brehme (2010), S. 205. 118 Vgl. Brehme (2010), S. 206 ff. 119 Vgl. Kühling (2012), S. 185; Gawel / Brettschneider (2012). 115 116
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Quelle: Kluge et al. (2002) S. 18, leicht verändert.
Abbildung 5: Organisatorische Konstellationen der Wasserversorgung
aa) Kostenorientierte Regulierung Bei einer kostenorientierten Regulierung wird ein Vergütungsniveau festgesetzt, welches die im Zuge der Bereitstellung der Dienstleistungen anfallenden Kosten sowie eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals umfasst. Dieser Ansatz fand in verschiedenen Ausprägungen (Rate-of-Return-Regulierung, Cost-Plus-Regulierung) breite Anwendung, wurde aber im Zuge der Deregulierung der Sektoren und dem Aufkommen modernerer Regulierungsansätze in vielen Staaten zunehmend aufgegeben.120 120
Vgl. Meran (2012), S. 170.
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Als Vorteile des Ansatzes wird die hohe Planungssicherheit für die regulierten Unternehmen erachtet. Die Übernahme der Investitionsrisiken durch den Regulierer löst das sog. Hold-up-Problem,121 da das regulierte Unternehmen ausreichende Sicherheit darüber erlangt, dass die betriebsspezifischen Infrastrukturinvestitionen kompensiert werden.122 Ein Nachteil des Regulierungsansatzes besteht jedoch darin, dass das regulierte Unternehmen einen bedeutenden Informationsvorsprung bezüglich der Kostenstrukturen gegenüber dem Regulierer besitzt. Dies verhindert die effektive Regulierung, insbesondere auch, weil seitens der Unternehmen Anreize zur Manipulation der Informationen bestehen.123 Als bedeutende Schwäche sind daneben die mit dem Ansatz verbundenen Anreizstrukturen auszumachen. Zum einen bestehen für die Unternehmen keine Anreize für ein kostenminimierendes und innovatives Verhalten, da die aus einer Effizienzerhöhung resultierenden Gewinne nicht dem Unternehmen zugutekommen, sondern in Form sinkender Entgelte vollständig an den Kunden weitergegeben werden müssen.124 Zum anderen setzen kostenorientierte Regulierungsansätze Anreize zur Überinvestition, da die Unternehmen durch eine Erhöhung des Kapitaleinsatzes ihre Gewinne ausweiten können. Zwar resultiert dies zumeist auch in einer Übererfüllung der Qualität („gold-plating“), allerdings wird diese durch allokative Ineffizienz erkauft.125 Die entgeltbezogene deutsche Regulierungspraxis im Wassersektor ist grundsätzlich der kostenorientierten Regulierung zuzuordnen, wobei abhängig von der Rechtsform der Unternehmen verschiedene Verfahren zur Anwendung kommen. 126 Nach den Vorgaben der Kommunalabgabengesetze der Länder werden unter dem Grundsatz der Kostendeckung die ansatzfähigen Kosten zur Bestimmung der zulässigen Gebühren (oder privatrechtlichen Entgelte) herangezogen. Dies gilt grundsätzlich für die Abwasserentsorgung, die eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde darstellt, und im Fall der Wasserversorgung dann, wenn öffentlichrechtlich organisierte Kundenbeziehungen bestehen und die Unternehmen Gebühren erheben. Privatrechtliche Kundenbeziehungen werden über Preise entgolten, deren Regulierung nach § 315 BGB analog zum Kommunalabgabenrecht und darüber hinaus auch zusätzlich in den Verantwortungsbereich von Wettbewerbsbehörden fällt und hierbei ex post erfolgt.127 Wettbewerbsbehörden werden üblicherweise bei Verdacht einer missbräuchlichen Preisfestsetzung aktiv. Sollte sich der Preismissbrauch bestätigen, erfolgt der regulative Eingriff z. B. durch Preissen121 Bös (2001), S. 2. Hold-up-Probleme beschreiben in der ökonomischen Vertrags- und Agency-Theorie allgemein ausgedrückt Situationen, in denen Informationen erst ex post ersichtlich werden und dazu führen, dass ex ante unter Informationsunsicherheit nicht die richtigen Verhaltensanreize für Investments geschaffen werden. 122 Vgl. Oelmann (2008), S. 115. 123 Vgl. Brunekreeft (2000), S. 19; Oelmann (2008), S. 115. 124 Vgl. Oelmann (2008), S. 115. 125 Vgl. Averch / Johnson (1962). 126 Vgl. Oelmann (2005a), S. 67 ff.; Meran (2012), S. 170 f. 127 Zu den Entgeltkontrollregimen in Deutschland ausführlich Gawel (2015a).
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kungsverfügungen, weshalb dieses Verfahren der Ex-Post-Regulierung zuzuordnen ist. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben stehen den Kartellbehörden mit dem Vergleichsmarktkonzept und der Vollkostenprüfung nach den einschlägigen Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verschiedene Methoden zur Verfügung.128 bb) Anreizregulierung Aufgrund der ausgemachten Schwächen einer kosten- oder renditebasierten Regulierung erfolgte in den letzten 30 Jahren ein fundamentaler Wandel bei der Regulierung von Netzsektoren. Verstärkt kommen nun in der Praxis Verfahren der Höchstpreisregulierung (Price-Cap-Regulierung) zur Anwendung, die den regulierten Unternehmen Anreize zu einem effizienten und kostenminimierenden Verhalten geben sollen. Die grundlegende Idee findet sich in der Entkopplung von Kosten und Preisen, die mittels des RPI-X-Ansatzes erfolgt:129 Der Regulierer bestimmt für eine bestimmte Zeitdauer eine Preisobergrenze und gestattet den Unternehmen, die Differenz zwischen den Kosten und dem sich aus der Preisvorgabe ergebenden Erlös als Gewinn zu vereinnahmen. Die Bestimmung der Preisobergrenze orientiert sich dabei an der Inflationsrate (RPI = retail price index) und dem zu erwartenden technischen Fortschritt (X) und erfolgt damit unabhängig von der Kostenentwicklung der Unternehmen.130 Hierdurch sind die Anreize für eine kostenintensive Bereitstellung – wie noch im Fall der kostenbasierten Regulierung – nicht länger gegeben. Vielmehr können die Unternehmen nunmehr nur noch durch Kosteneinsparungen die eigenen Gewinne erhöhen. Der Vorteil des Ansatzes liegt damit insbesondere in der veränderten Anreizstruktur, die in der Theorie ein kosteneffizientes und innovatives Verhalten der Unternehmen erwarten lässt. Zugleich wird auch das Problem der Informationsasymmetrie überwunden, da die Kostenstrukturen dem Regulierer nicht bekannt sein müssen. Als problematisch muss es dagegen erachtet werden, dass die Unternehmen ihre Gewinne auch durch eine Reduzierung der Qualität erhöhen können.131 Die theoretischen Vorteile der Höchstpreisregulierung erfahren in der Praxis zudem eine Einschränkung, da die Höhe der vermittelten Anreize stark von der Bestimmung des Price Cap sowie der Zeitdauer der Regulierungsperiode abhängt. Ein zentrales Problem ist, dass die Festlegung der Preisobergrenzen nicht vollständig losgelöst von der Kosten- und Gewinnentwicklung der Unternehmen erfolgen
Vgl. Ammermüller et al. (2014), S. 28 ff. Der Ansatz wurde erstmals 1984 bei der Regulierung der British Telecom genutzt und geht auf den Ökonomen Stephen Littlechild zurück – siehe Littlechild (1983). 130 Vgl. Brunekreeft (2000). 131 Vgl. Hirschhausen / Beckers / Brenck (2004). 128 129
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kann.132 Weiterhin setzen insbesondere lange Regulierungsperioden starke Anreize zur Kostensenkung für Unternehmen, nehmen den Regulierungsbehörden aber die Möglichkeit, gezielt nachträglich zu steuern, wenn sich vorab getroffene Annahmen bezüglich des technischen Fortschritts oder der realisierten Unternehmensgewinne als falsch herausstellen.133 Eine Ausprägung der Anreizregulierung ist die Yardstick Competition,134 welche zusätzlich Ansätze eines Benchmarkings integriert. Hierbei werden die individuellen Preisobergrenzen eines Unternehmens auf Basis eines gewichteten Durchschnitts der Kosten vergleichbarer Unternehmen ermittelt, jedoch werden nicht die Kosten des Unternehmens selber berücksichtigt. Dieser Ansatz gilt deshalb der allgemeinen Höchstpreisregulierung als überlegen, da eine tatsächliche Entkopplung von Kosten und Preisen erfolgt und starke Anreize zur Bereitstellung von Informationen gegeben werden.135 Verfahren der Anreizregulierung finden in der Wasserwirtschaft von England und Wales zur Regulierung der privatisierten Wasserunternehmen Anwendung. In Deutschland lösten anreizbasierte Ansätze die kostenbasierte Entgeltbindung im Strom- und Gassektor im Jahr 2009 ab. Für die Einführung einer sektorspezifischen Regulierung im Wassersektor spricht sich seit ihrem Hauptgutachten in 2010 regelmäßig die Monopolkommission aus.136 Der deutsche Gesetzgeber hat dem aber zuletzt mit der 8. GWB-Novelle von 2013 eine erneute Absage erteilt. 137 cc) Zwischenfazit: Effizienzinstitutionen Es wurde gezeigt, dass eine Vielzahl ökonomischer Reformoptionen diskutiert werden, die in höchst unterschiedlicher Weise dem Effizienzanliegen für die Wasserwirtschaft Rechnung tragen können (siehe Abbildung 6). Hierzu gehören zunächst Organisations- und Kooperationsmodelle, die über den Grad unternehmerischer Flexibilität und kommunaler Einflussnahme, den Anteil privaten Kapitals, aber auch die in den Unternehmen vorherrschenden Anreizstrukturen entscheiden. Realistische Wettbewerbsoptionen für den Sektor der Wasserversorgung stellen die Ansätze eines Wettbewerbs um den Markt oder eines Vergleichswettbewerbs dar. Der in anderen Netzsektoren praktizierte Durchleitungswettbewerb ist allenfalls eingeschränkt möglich. Daneben bestehen verschiedene Formen der Entgeltkontrolle, wobei diese in sehr unterschiedlichem Maße Anreize zur effizienten Bereitstellung
Vgl. Oelmann (2008), S. 188 f. Vgl. Brunekreeft (2000), S. 10 ff.; Oelmann (2008), S. 188 f. 134 Vgl. Shleifer (1985). 135 Vgl. Oelmann (2008), S. 119 f.; Meran (2012), S. 171 ff. 136 Vgl. Monopolkommission (2010), Rn. 1 – 25; Monopolkommission (2012), Rn. 601 – 625; Monopolkommission (2014), Rn. 200. 137 Siehe dazu Gawel / Bedtke (2015), m. w. Nachweisen. 132 133
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wasserwirtschaftlicher Dienstleistungen setzen können bzw. je eigene preispolitische Ziele verfolgen.
Or ganisations- und Kooper ationsoptionen Or iginäre A ufgabener füllung dur ch Gemeinde Änderung Rechtsform (ggf. formelle Privatisierung) interkomm. Kooperation
Organisation- und Kooperationsformen bestimmen den Regulierungsbedarf und die Form der Regulierung
Funktionale Pr ivatisier ung Betriebsführungsmodell Betreibermodell Kooperationsmodell
Optionen der Pr eisr egulier ung Entgeltkontr olle Kostenorientierte Regulierung (ex ante) Anreizregulierung (ex ante) Missbrauchsaufsicht (ex post)
Stehen substitutiv zueinander
Liber alisier ungsoptionen Wettbewer b im Mar kt
Mater ielle Pr ivatisier ung Konzessionen Betreibermodell Kooperationsmodell
Durchleitungswettbewerb Einschaltung von Zwischenhändlern Freier Leitungsbau Eigenversorgung
Bedarf an Qualitätsregulierung wird durch den Grad privater Beteiligung beeinflusst
Wettbewer b um den Mar kt Ausschreibungswettbewerb
Qualitätsr egulier ung u. a. Versorgungsqualität und sicherheit, Qualität der Abwasseraufbereitung, technische Vorgaben
Bedarf an Qualitätsregulierung wird durch das Wettbewerbsregime beeinflusst
Ver gleichswettbewer b Yardstick-Competition Sunshine-Regulation (Benchmarking)
Quelle: eigene Erstellung.
Abbildung 6: Ökonomische Reformoptionen der Wasserwirtschaft
Die detaillierte Beurteilung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Instrumente und Optionen im Hinblick auf das (statische) Effizienzziel liegt freilich außerhalb dieses Beitrags. Hier sei auf das umfangreiche Schrifttum sowie auf die Einzelbeiträge dazu in Band 2 dieses Werkes verwiesen.138 Dies gilt erst recht für eine umfassende Bewertung anhand eines breiteren preispolitischen Zielfächers (vgl. oben Abb. 1).139 Vielmehr soll im Folgenden aufgezeigt werden, in welchem Maße diese Wettbewerbs-Institutionen zugleich einen Bezug zur Transformationsdiskussion der Wasserwirtschaft aufweisen. 138 Siehe dazu u. a. De Fraja (1993); Bhattacharyya et al. (1995); Bel / Fageda / Warner (2010); Abbott / Cohen (2009); Walter et al. (2009); Reynaud / Thomas (2013). 139 Siehe dazu etwa Gawel (2015a).
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IV. Nachhaltigkeitsbezug der Effizienzinstitutionen Die Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsdebatte erfolgt bislang weitgehend losgelöst von der parallelen Debatte zur nachhaltigen Transformation der Siedlungswasserwirtschaft. Auf den ersten Blick erscheint dies nachvollziehbar: Kern der komplexen Wirtschaftlichkeitsdebatte ist es, den monopolistischen Sektor der Wasserwirtschaft institutionell so zu organisieren, dass die Bereitstellung der Dienstleistungen des Wassersektors effizient und wirtschaftlich sowie unter Ausschluss einer missbräuchlichen Preissetzung erfolgt. Bei dieser Frage spielen die technische Struktur der Wasserver- und Abwasserentsorgung und damit auch neuartige technische Ansätze der Ver- und Entsorgung eine untergeordnete Rolle. Vielmehr werden unter der gesetzten Annahme einer netzgebundenen Siedlungswasserwirtschaft institutionelle Optionen und Arrangements hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit bezüglich des (statischen) Effizienzziels beurteilt. Auf den zweiten Blick bestehen jedoch bedeutende Beziehungen zwischen den Effizienzinstitutionen und der (technischen) Gestalt der zukünftigen Siedlungswasserwirtschaft. Die als erforderlich erachtete Transformation der Wasserwirtschaft bedeutet nicht weniger als einen radikalen Bruch mit dem bisherigen Vorgehen in Bezug auf ein seit dem 19. Jahrhundert gewachsenes sozio-technisches System. Dieses zeichnet sich durch eine stark pfadabhängige Entwicklung aus. Diese Pfadabhängigkeiten sind sowohl technisch als auch institutionell begründet. Um gegenüber diesen Beharrungskräften nunmehr einen Pfadwechsel in Richtung nachhaltige Entwicklung zu bewirken, werden mithin institutionelle Weichenstellungen erforderlich, bei denen auch die oben diskutierten ökonomischen Reformoptionen eine bedeutende Rolle einnehmen. So werden durch den Ordnungsrahmen, aber auch die Organisations- und Kooperationsform der Unternehmen, die vorherrschenden Anreizstrukturen für die Akteure, aber auch deren Möglichkeiten, eine Transformation konkret durchzuführen, maßgeblich bestimmt.
1. Anreize für eine Nachhaltigkeitstransformation Eine wesentliche Aussage der Arbeiten zur ökonomischen Theorie des institutionellen Wandels ist es, dass der bestehende institutionelle Rahmen über Anreize die Richtung der weiteren Entwicklung bestimmt:140 Sofern die institutionellen Rahmenbedingungen wenig oder keine Anreize für Veränderungen setzen, werden die Akteure ihre Fähigkeiten innerhalb des bestehenden Rahmens verbessern und auf den Erhalt der bestehenden Strukturen hinwirken. Dagegen sind die Akteure bestrebt, einen Wandel zu forcieren und in das damit verbundene Wissen und die Fertigkeiten zu investieren, wenn und soweit sie sich hiervon einen höheren Nutzen versprechen. 140
Vgl. North (1992), S. 93; ders. (1995), S. 15 ff.
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Zentrale Akteure einer Nachhaltigkeitstransformation der Wasserwirtschaft wären zweifellos die kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorger. Ihnen obliegen die Aufgaben der Ver- und Entsorgung, wobei sie im Rahmen der bestehenden Gesetze weitgehende Freiheit bei der Wahl der satzungsrechtlich bestimmbaren Institutionen und Technologien haben. Stellt man die Frage, ob diese Unternehmen und ihre Träger Anreize besitzen, innovative und ggf. disruptiv veränderte Technologien einzusetzen, dann fällt die Antwort darauf freilich ernüchternd aus. Der weitgehend öffentlich-rechtlich geprägte Sektor ist zuvörderst der Erfüllung der kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge verpflichtet, orientiert sich dabei nur nachrangig an wirtschaftlichen Gesichtspunkten und zeichnet sich überdies durch eine ausgeprägte Risikoaversion aus. Das zentrale Netz als jahrzehntelang erprobte, die qualitativen Gesichtspunkte gut erfüllende und zudem bereits vorhandene Technologielösung schneidet in der kommunalen Beurteilung folglich sehr gut ab. Dagegen geht der Einsatz neuer Technologien mit zusätzlichen Kosten und den anfänglichen Risiken eines Innovationsprozesses einher. Die Unsicherheiten in Verbindung mit Innovationen werden üblicherweise dann durch Unternehmen übernommen, wenn diese sich hierdurch durch neue Produkte oder geringere Produktionskosten versprechen, die für sie Wettbewerbsvorteile generieren. Das schwache Innovationsklima des monopolistischen Wassersektors ist folglich für weitreichende Transformationen hinderlich.141 Technische Neuerungen erfolgen überwiegend nur dann, wenn ordnungsrechtliche Vorgaben den Einsatz neuer Technologien zwingend erforderlich machen142 oder aber ein hoher sonstiger „Leidensdruck“ (z. B. Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, offensichtliche Qualitätsprobleme) ein verändertes Vorgehen bedingt. Letzteres kann als eine Ursache des Paradigmenwechsels bei der Regenwasserbewirtschaftung beobachtet werden, wo die zunehmend herausfordernde Bewältigung von außergewöhnlichen Starkregenereignissen im zentralen System und deren massive Kosten den verstärkten Einbezug dezentraler Bewirtschaftungsansätze begünstigt.143 Wie könnte nun ein Impuls von außen aussehen, welcher die Innovationsaktivitäten des Sektors verstärkt? Wenngleich in der Innovationsliteratur unterschiedliche Ansichten zum Zusammenhang zwischen Marktstruktur und Innovationen existieren,144 muss Wettbewerb fraglos als ein möglicher Innovationsimpuls für den Wassersektor angesehen werden. Ein erhöhter Wettbewerbsdruck zwingt Unternehmen üblicherweise dazu, dass diese verstärkt nach kostengünstigen, ggf. neuen Lösungen suchen. Im Zuge eines solchen Suchprozesses ist es nicht abwegig, dass auch 141 Zur Innovationskrise des Wassersektors stellvertretend Thomas / Ford (2005); Kiparsky et al. (2013). 142 Hier sei auf die gegenwärtige Diskussion zur Einführung der 4. Reinigungsstufe verwiesen, siehe Hagen (2013); Gawel (2015b). 143 Vgl. u. a. Schmitt (2009). 144 Aufgrund der Komplexität können keine pauschalen Aussagen zu den Zusammenhängen zwischen Marktstruktur, Marktmacht und Innovationen getroffen werden, siehe hierzu die Überblicksartikel von Ahn (2002); Gilbert (2006); Cohen (2010).
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alternative technische Lösungen in die engere Auswahl und letztendlich zur Umsetzung kommen, wenn diese Vorteile hinsichtlich der langfristigen Kostenentwicklung versprechen. Hierzu können insbesondere auch dezentrale Lösungen zählen, da diese auf weitverzweigte Leitungsnetze verzichten und zugleich kürzere Lebensdauern aufweisen, die eine schnellere Anpassung an neue Rahmenbedingungen (u. a. veränderte Bedarfe) ermöglichen. Gegenwärtig werden jedoch weithin unverändert kostenintensive und auf Langlebigkeit ausgelegte Lösungen bevorzugt, die den dynamischen Rahmenbedingungen nur unzureichend Rechnung tragen können. Auch Technologien, welche die Zielstellung der Ressourceneffizienz und -rückgewinnung verfolgen, könnten zukünftig aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen vermutlich eine stärkere Berücksichtigung erfahren. So erscheinen Verfahren der Phosphorrückgewinnung, aber auch die Energieerzeugung als potenziell einträgliche Einnahmequelle für Abwasserentsorger.145 Dies gilt umso mehr, da sowohl Energie-, aber auch Rohstoffpreise langfristig steigen146 und hierdurch die Opportunitätskosten der Nutzung konventioneller Ansätze ohne Ressourcenrückgewinnung ebenfalls zunehmen dürften. Das Verfolgen der Zielstellungen ökonomischer Nachhaltigkeit kann also zugleich Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit begünstigen. Markard und Truffer konnten im Netzsektor „Energie“ einen insgesamt positiven Einfluss von Marktliberalisierungen auf die Umsetzung radikaler Innovationen ausmachen.147 Unter Monopolsituationen konnten erhebliche Widerstände gegen radikale Innovationen beobachtet werden, da etablierte Akteure auf den Erhalt bestehender Strukturen und lediglich inkrementelle Veränderungen hinwirkten. Dagegen bewirkte die Liberalisierung des Sektors grundlegende Veränderungen der unternehmerischen Routinen und Vorgehensweisen im Hinblick auf Innovationen. So entwickelten Unternehmen ein insgesamt innovativeres organisatorisches Umfeld, welches sich durch eine erhöhte Kreativität und Risikobereitschaft auszeichnet und größere Handlungsspielräume für Innovationen eröffnete. Der Fokus des unternehmerischen Innovationsmanagements verlagerte sich weg von (inkrementellen) technologieorientierten Innovationen, hin zu radikaleren (kundenorientierten) Produktinnovationen sowie organisatorischen Innovationen. Aspekte wie Kostenreduzierung, die Erfüllung von Kundenwünschen und das Erschließen der Marktpotenziale von Innovationen nahmen dabei insgesamt eine gewichtigere Rolle ein. 148 Um Wettbewerb im Wassersektor zu implementieren, müssen naturgemäß die Besonderheiten des Wassersektors berücksichtigt werden. Da ein umfassender Wettbewerb im Markt weitgehend ausgeschlossen werden kann [dazu oben III.2.a)], bieten sich überwiegend Ansätze eines Wettbewerbs um den Markt sowie eines Vergleichs145 Gegenwärtig ist eine Phosphorrückgewinnung jedoch unwirtschaftlich, siehe Everding / Montag / Pinnekamp (2012), S. 9 ff. 146 Für Daten zur Phosphatpreisentwicklung siehe Pinnekamp et al. (2011), S. 41 ff., ausführlich zur Energiepreisentwicklung Statistisches Bundesamt (2015). 147 Vgl. Markard / Truffer (2006). 148 Vgl. Markard / Truffer (2006), S. 623.
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wettbewerbs an. Die Praxis zeigt jedoch, dass auch zahlreiche nicht intendierte Wirkungen durch Wettbewerb auftreten können (ganz abgesehen von Zielverletzungen bei anderen Nachhaltigkeitsdimensionen): Bei Unternehmen der Wasserwirtschaft in England konnte zuweilen beobachtet werden, dass der vorherrschende Vergleichswettbewerb mittels des Ansatzes der Yardstick Competition sogar innovationshemmende Wirkungen entfaltet. Dies begründet sich damit, dass Forschung und Entwicklung mit Kosten verbunden sind, deren Erfolg aber nicht garantiert ist. Um gegenüber den Vergleichsunternehmen in der Regulierungsperiode nicht schlechter dazustehen, agieren die Unternehmen riskoavers und unterlassen ggf. ihre Innovationsaktivitäten.149 Aufgrund des fehlenden Wettbewerbs bestehen in Deutschland grundsätzlich geringe Anreize für eine effiziente Leistungsbereitstellung und den Einsatz neuer Technologien im Wassersektor. Hinzu kommen noch die mit der Organisationsform der Unternehmen verbundenen internen Anreizstrukturen. Zahlreiche empirische Studien zeigen zwar, dass es keine systematischen Belege dafür gibt, dass die Eigentumsverhältnisse für sich genommen starken Einfluss auf die Effizienz eines Unternehmens haben.150 Jedoch kann das nicht gleichbedeutend mit der Aussage sein, dass die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens von seiner Organisationsform schlechterdings unabhängig wäre. Vielmehr erfassen die empirischen Arbeiten bei einem reinen Vergleich von Unternehmen in privater und öffentlicher Trägerschaft nicht alle mit der Organisationsform verbundenen Facetten. Insbesondere die klassische Organisationsform eines Regiebetriebs weist aus anreiztheoretischer Sicht erhebliche Defizite in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit auf, weil keine Anreize bestehen, um nach kostengünstigen (und innovativen) Lösungen zu suchen, da die Verantwortlichen von den etwaigen Effizienzgewinnen nicht profitieren. Zugleich wird dies durch die Intransparenz eines allgemeinen (kommunalen) Haushalts begünstigt.151 Diese theoretischen Überlegungen alleine schließen eine effiziente Leistungserstellung nicht per se aus. Jedoch sind erhebliche Zweifel angebracht, dass diese regelmäßig auf gleichem Niveau erfolgt wie im Fall von „moderneren“ Organisationsformen, die hinsichtlich der organisatorischen Strukturen, ihrer Größe aber auch der vermittelten Effizienzanreize als überlegen erachtet werden müssen. Diese Überlegungen erfolgen dabei losgelöst von der Frage einer privaten oder öffentlichen Bereitstellung: Bereits beim organisatorisch verselbständigten Eigenbetrieb werden einhellig Vorteile gegenüber dem Regiebetrieb gesehen, da neben der erhöhten Transparenz über Einnahmen und Ausgaben die Mittel zweckgebunden sind und wiederum der Ver- oder Entsorgung zufließen.152 Bei selbstständigen Organisationsformen wie u. a. Eigengesellschaften spielen dagegen verstärkt WirtschaftlichVgl. Lieberherr / Truffer (2014), S. 15. Siehe hierzu die umfangreichen Literaturübersichten von Amato / Conti (2005), S. 118 ff.; Abbott / Cohen (2009), S. 238 f., mit weiteren Quellen. 151 Vgl. Spelthahn (1994), S. 34. 152 Vgl. Spelthahn (1994), S. 90 ff. 149 150
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keitsüberlegungen eine Rolle, insbesondere dann, wenn auch privatwirtschaftliche Akteure beteiligt sind. Eine verstärkte Wirtschaftlichkeitsorientierung, sei sie durch externen Wettbewerbsdruck oder durch unternehmensinterne Anreize in Folge veränderter Organisationsformen induziert, kann den Einsatz neuer Lösungen begünstigen. Freilich muss dabei auch die Qualität auf allen Wertschöpfungsstufen verstärkt reguliert und kontrolliert werden, da die Minderung der Qualität ebenfalls eine Stellschraube zur Kostenreduzierung für Ver- und Entsorgungsunternehmen darstellt. 153 Klar ist, dass eine Verbesserung der Unternehmenseffizienz einen Beitrag zur Verbesserung der Nachhaltigkeit darstellen kann, aber naturgemäß noch nicht alle Nachhaltigkeitsanforderungen154 adressieren, ja zu einigen (wie der Qualität) sogar in Konflikt treten kann.
2. Möglichkeiten und Fähigkeiten für eine Nachhaltigkeitstransformation Das Setzen adäquater Anreize alleine genügt nicht, wenn die Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen nicht zugleich die Möglichkeiten oder Fähigkeiten besitzen, um die Innovationsaktivitäten schließlich durchzuführen. Dies wird maßgeblich durch die Größe und die Organisation der Unternehmen beeinflusst. So sind es insbesondere die größeren Unternehmen, die Innovationsaktivitäten durchführen (könnten), da sie die entsprechenden Kompetenzen besitzen, in die notwendigen Netzwerke aus Wissenschaft und Praxis eingebunden sind oder aber die vergleichsweise besseren finanziellen Voraussetzungen für FuE-Aktivitäten mitbringen.155 Aber auch die Organisationsstruktur der Unternehmen ist hierbei entscheidend, wobei die ungenügenden Anreizstrukturen klassischer Organisationsformen dabei nur ein Aspekt sind. Ein weiterer Unterschied der Rechtsformen wird in der unternehmerischen Flexibilität gesehen, also der Flexibilität in Bezug auf investive Maßnahmen und Personalausstattung sowie den vorherrschenden Entscheidungswegen innerhalb der Organisation. Hier gilt bereits der Eigenbetrieb dem Regiebetrieb als überlegen, da die unternehmerische Flexibilität von den eigenen Organen profitiert.156 Dieser Vorteil gesteigerter organisatorischer und rechtlicher Selbständigkeit
153 Zentral ist dabei die Frage, wie sich Regulierungsregime auf das langfristige Investitionsverhalten der Unternehmen auswirken, siehe dazu Hirschhausen / Beckers / Brenck (2004); Guthrie (2006); Égert (2009). 154 Siehe dazu Reese / Gawel / Geyler (2015). 155 Tauchmann / Clausen / Oelmann (2009) zeigen empirisch für den deutschen Abwassersektor, dass mit zunehmender Unternehmensgröße die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zunimmt. 156 Vgl. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (2003).
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sowie erhöhter Flexibilität gilt umso mehr noch für eigenständigere Organisationsformen wie Anstalten öffentlichen Rechts oder privatrechtlich organisierte Eigengesellschaften. Auch im Hinblick auf eine Transformation der Wasserwirtschaft erscheint eine solche Flexibilität der Unternehmen von Vorteil, da dies eine insgesamt erhöhte Gestaltungsfreiheit bedeuten kann, während bei tradierten kommunalen Organisationsstrukturen ein radikaler Bruch mit dem bestehenden Vorgehen nicht zu erwarten ist. Empirisch wird diese Überlegung jedoch nicht vollständig gestützt. Haug konnte zeigen, dass mit zunehmender unternehmerischer Autonomie und abnehmender kommunaler Kontrolle die technische Effizienz von Wasserversorgern zunimmt. Verantwortlich hierfür macht er die größere unternehmerische Entscheidungsfreiheit im Alltagsgeschäft, aber auch die geringere kommunale Einflussnahme, die zugleich anderen kommunalpolitischen Motive folgt (u. a. Quersubventionierung, Stimmenmaximierung).157 Dagegen wurde im Abwasserentsorgungssektor kein positiver Einfluss einer geringeren kommunalen Einflussnahme auf das Innovationsverhalten der Unternehmen ausgemacht.158 Dabei wird jedoch darauf hingewiesen, dass hierfür der gegenüber dem Wasserversorgungssektor noch geringere Wettbewerbsdruck im Abwassersektor verantwortlich sein könnte und Maßnahmen zur Erhöhung unternehmerischer Flexibilität durch Wettbewerbsoptionen flankiert werden sollten. 159 Lieberherr und Truffer bewerteten vor diesem Hintergrund verschiedene Organisationsformen in der Wasserwirtschaft hinsichtlich ihrer Fähigkeiten zur Innovationstätigkeit („dynamic capabilities“).160 Beim Vergleich von privaten, gemischt-wirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmen zeigte sich, dass öffentliche Unternehmen diesbezüglich insgesamt schlechter abschneiden. Ursächlich hierfür sind u. a. fehlende FuE-Abteilungen, fehlende Kenntnisse zum Aufbau von FuE-Strukturen und Netzwerkaktivitäten, eine Einbettung in Zirkel, die inkrementelle Innovationen diktieren und insgesamt geringere Freiheiten bei der Umsetzung von Innovationen, da größere Projekte oftmals einen politischen Prozess durchlaufen müssen. Dagegen wiesen die gemischt-wirtschaftliche und privatwirtschaftliche Fallstudie insgesamt größere Freiheiten und Fertigkeiten bei der Umsetzung von Innovationen auf. 161 Weiterhin muss auf die schlechte Finanzlage zahlreicher Kommunen hingewiesen werden. Für den Zeitraum 2006 bis 2020 wird ein kommunaler Investitionsbedarf in Deutschland von 704 Mrd. Euro gesehen, wobei 29 Mrd. Euro auf die TrinkwasVgl. Haug (2008). Vgl. Tauchmann / Clausen / Oelmann (2009), S. 871. 159 Vgl. Tauchmann / Clausen / Oelmann (2009), S. 873. 160 Hierunter werden die organisatorischen und strategischen Routinen und Fähigkeiten verstanden, die es Unternehmen ermöglichen innovative Ansätze zu verfolgen. Dies umfasst u. a. die unternehmerische Fähigkeit neue Möglichkeiten zu erkennen, auf die identifizierten Optionen adäquat zu reagieren und beispielsweise neue Produkte zu entwickeln oder aber die Fähigkeit Kernbereiche des Unternehmens umzustrukturieren, siehe dazu Lieberherr / Truffer (2014), S. 4 f. mit Verweis auf Teece (2007). 161 Vgl. Lieberherr / Truffer (2014), S. 9 ff. 157 158
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serversorgung sowie weitere 58 Mrd. Euro auf die Abwasserentsorgung entfallen. 162 Insgesamt hat sich bereits heute ein Investitionsrückstau von 128 Mrd. Euro in Deutschland ergeben.163 Trotz der hohen getätigten Investitionssummen im Wassersektor besteht die Gefahr von unzureichenden Investitionen in den Anlagenbestand, insbesondere dann, wenn eine kommunale Quersubventionierung defizitärer Leistungsbereiche durch Wasserentgelte erfolgt. Folglich stellt sich die Frage, wie darüber hinaus eine Transformation finanziert werden soll, von der zu erwarten ist, dass anfangs erhebliche Investitionen erforderlich werden. Wenngleich gerade in den neuen Lösungen erhebliche Kosteneinsparpotenziale und sogar Einnahmemöglichkeiten für Kommunen liegen können, erfordert auch das bestehende System je nach Umfang der Transformation weiterhin Investitionen in dessen Substanzerhalt. Einen nicht unumstrittenen Ausweg könnten hier Organisationsmodelle unter Privatbeteiligung darstellen, um zusätzliches privates Kapital zur Finanzierung von erforderlichen Investitionen zu gewinnen. Zugleich könnten durch Privatisierungen die kommunalen Haushalte durch Abbau von Personalkosten entlastet werden.164 Inwieweit sich die durch Privatbeteiligung vielfach erhofften Vorteile freilich in der Praxis tatsächlich realisieren lassen, muss hier – auch angesichts der vielfach eher ernüchternden Evidenz165 – offen bleiben.
V. Fazit Mit Blick auf eine zukunftsfähige institutionelle Ausrichtung der deutschen Wasserwirtschaft lassen sich gegenwärtig verschieden ausgerichtete Diskurse ausmachen, die bislang zu wenig Berührungspunkte untereinander aufweisen. In der wasserwirtschaftlichen Praxis dominiert eine vorwiegend effizienzorientierte Reformdiskussion, bei welcher Wettbewerbs- und Regulierungsoptionen in Anlehnung an die Reformen anderer Netzsektoren für den Wassersektor geprüft werden. Vorwiegend in der akademischen Sphäre findet hingegen eine TransformationsDebatte statt, die insbesondere graduelle und radikale System- und Technologielösungen hinsichtlich ihrer Eignung für eine Ertüchtigung der deutschen Wasserwirtschaft beurteilt. Demgegenüber eher nachgelagert werden in diesem Zusammenhang auch die institutionellen Aspekte einer solchen Transformation erörtert. Vorgelagertes Programm ist dabei die Nachhaltigkeit der Wasserwirtschaft, die aber ihrerseits in Rechts-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaft sowie in der Praxis höchst unterschiedlich ausbuchstabiert wird. Eine Integration dieser Diskurse und
Vgl. Reidenbach et al. (2008), S. 20. Vgl. Reidenbach et al. (2008); Eberlein et al. (2013), S. 37 ff. 164 Vgl. Brehme (2010), S. 32 f. 165 Siehe allgemein Mühlenkamp (2015). In Deutschland wurde vor allem die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe kritisch gesehen – siehe u. a. Laskowski (2010); Kerber (2013), S. 123 ff., ein weniger kritisches Fazit ziehen dagegen Oelmann et al. (2009). 162 163
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ein Abgleich der jeweiligen Nachhaltigkeitsprogramme erscheinen jedoch dringend geboten. Von besonderem Interesse muss hierbei die Verschränkung der technologischen und der institutionellen Transformation sein. Aufgrund der Vielzahl bereitstehender technischer Lösungen, die geeignet anmuten, einzelne Herausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft zu adressieren, muss die Ursache für deren schleppende Diffusion auch vor allem in den institutionellen Rahmenbedingungen gesehen werden. Nur wenn es gelingt, den strukturerhaltenden institutionellen Rahmen aufzuweichen und adäquate Anreize zum Einsatz neuer Lösungen zu setzen, ist mit einer Erprobung der innovativen Lösungen zu rechnen. Die dabei gewonnenen praktischen Erfahrungswerte sind jedenfalls essenzielle Voraussetzung, um einer (ggf. flächendeckenden) Umsetzung vorteilhafter technologischer Lösungen im Sinne des Transformationsanliegens den Weg zu ebnen.166 Dabei besteht umgekehrt gewiss auch kein Mangel an institutionellen Optionen, von denen viele zudem ausgiebig beforscht wurden, um gerade die institutionellen Hemmnisse einer Nachhaltigkeitstransformation zu adressieren. Um hier jedoch entscheidend voranzukommen, bedarf es künftig einer verstärkt integrierten Betrachtung dieser „institutionellen Aspekte“. Anstatt eindimensionale Debatten zu führen, wie etwa die vor allem an statischen Effizienzgesichtspunkten ausgerichtete Diskussion einer Reform des wettbewerblichen Ordnungsrahmens, oder die Lösung spezieller Einzelfragen anzugehen, z. B. die praktische Tarifgestaltung bei Verbrauchsrückgang allein zur Erlössicherung, gilt es künftig vielmehr insgesamt anpassungseffiziente Institutionen zu gestalten.167 Dafür müssen die vielfältigen Handlungsfelder (u. a. Entgelte, Wettbewerbsordnung, Kompetenzordnung und Implementationsaspekte – siehe dazu Abschnitt II.) gemeinsam diskutiert und unter dynamischen Gesichtspunkten bewertet werden. Welchen Beitrag leisten diese Optionen beispielsweise zur Verbreitung neuer Technologien, wie fügen diese sich in das bestehende Institutionengefüge ein und welche institutionellen Flankierungen werden erforderlich, um ggf. nicht intendierten Wirkungen zu begegnen? Hierbei können gewiss auch jene institutionellen Optionen einen wichtigen Beitrag leisten, die gegenwärtig verkürzt mit Blick auf das (statische) Effizienzanliegen diskutiert werden. Deren Leistungsfähigkeit sollte jedoch zuallererst anhand ihrer 166 So ist es eine zentrale Aussage der Arbeiten zum Transformationsmanagement (MultiLevel Perspektive), dass die Verdrängung eines bestehenden Technologieregimes ihren Ursprung in Nischen hat. Innerhalb dieser geschützten Räume können neuartige Lösungen erprobt werden und in Konkurrenz zum vorherrschenden Technologieregime treten, siehe dazu einführend Geels (2002). 167 In seinen Arbeiten zum institutionellen Wandel schlägt Douglass C. North Anpassungseffizienz als Effizienzkriterium vor. Diese sieht er dann gegeben, wenn Institutionen die „Bereitschaft einer Gesellschaft, Wissen und Bildung zu erwerben, Innovationen zu bewirken, Risiko zu übernehmen und in verschiedenster Hinsicht kreativ tätig zu werden sowie Probleme bzw. Engpässe in der Gesellschaft im Verlaufe der Zeit zu bewältigen“ befördern, North (1992), S. 96.
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(dynamischen) Wirkungen und ihrem Beitrag zum Transformationsanliegen beurteilt werden. So kann möglicherweise eine verstärkt wettbewerbliche Ausrichtung den Such- und Entdeckungsprozess im Wassersektor maßgeblich befördern, durch private Dritte könnten neue Finanzierungsquellen für eine nachhaltige Transformation gewonnen werden oder Organisations- und Kooperationsformen abseits der tradierten Ausprägungen für ein erfolgreiches Innovationsmanagement womöglich geeigneter sein. Statt vielen dieser Optionen reflexartig eine pauschale Absage zu erteilen, gilt es, diese vor dem Hintergrund der Zielpluralität einer nachhaltigkeitsorientierten Siedlungswasserwirtschaft zu prüfen. Umgekehrt ist es wohl auch zu wenig, die komplexe Nachhaltigkeitstransformation allein effizienzsichernden Wettbewerbsvehikeln anvertrauen zu wollen. Eine integrierte Sicht aller Nachhaltigkeitsbelange und sämtlicher technisch-institutionellen Optionen sowie ihre Bewertung unter Praxisbedingungen und in explizit dynamischer Perspektive dürften hier die bisher disparat geführten Debatten deutlich voranbringen und nicht zuletzt auch die Akzeptanz von künftigen Reformschritten verbessern.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dipl.-Volksw. Norman Bedtke, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig, Department Ökonomie Dr. Eng. Jan Bondaruk, DSc. Eng., Department of Water Protection Central Mining Institute (GIG), Katowice Prof. Dr. Erik Gawel, Dipl.-Volksw., Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig, Department Ökonomie, und Universität Leipzig, Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement Dr. rer. pol. Stefan Geyler, Dipl.-Biol., Universität Leipzig, Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement Prof. Dr. Wolfgang Köck, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig, Department Umwelt- und Planungsrecht, und Universität Leipzig, Juristenfakultät Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski, Universität Kassel, Institut für Wirtschaftsrecht, Fachgebiet Öffentliches Recht, Völker-und Europarecht, Schwerpunkt Umweltrecht Dr.-Ing. Sabine Lautenschläger, Universität Leipzig, Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement Dipl.-Ing. Alexander Mayr, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Dortmund, Forschungsgruppe Entwicklung von Stadtregionen Dr. jur. Moritz Reese, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig, Department Umwelt- und Planungsrecht Martin Schulwitz, M.Sc., ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Dortmund, Forschungsgruppe Entwicklung von Stadtregionen Dipl.-Ing. Andrea Dittrich-Wesbuer, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Dortmund, Forschungsgruppe Entwicklung von Stadtregionen Marta Wiesner, M.Sc., Department of Water Protection Central Mining Institute (GIG), Katowice
Erik Gawel Studien zu Umweltökonomie und Umweltpolitik Band 9
Das Wasserentnahmeentgeltgesetz Nordrhein-Westfalen Bestandsaufnahme und Evaluierung
Das Wasserentnahme entgeltgesetz Nordrhein-Westfalen Bestandsaufnahme und Evaluierung
Von
Erik Gawel
Duncker & Humblot · Berlin
Studien zu Umweltökonomie und Umweltpolitik, Band 9 Tab., 161 Seiten, 2014 ISBN 978-3-428-14364-1, € 59,90 Auch als E-Book erhältlich.
www.duncker-humblot.de
Gegenwärtig erheben in Deutschland 13 Bundesländer Wasserentnahmeentgelte, d. h. Abgaben auf das Entnehmen und Ableiten von Grund- bzw. Oberflächenwasser. Auch in Nordrhein-Westfalen besteht seit 2004 eine entsprechende Abgabenpflicht, die seither mehrfach geändert worden ist. Als Instrumente einer nachhaltigen Ressourcenpolitik sind Wasserentnahmeentgelte allerdings nicht unumstritten. Vor diesem Hintergrund unternimmt die vorliegende Studie eine umfassende Bestandsaufnahme des Wasserentnahmeentgeltge setzes (WasEG) NRW und eine Evaluierung sowohl der konzeptionellen Grundlagen als auch der konkreten Ausgestaltung der Ab gabe. Dabei stellen sich einerseits Fragen der lenkungspolitischen, aber auch verfassungsrechtlichen Rechtfertigung als Vorteils ab schöpfungsabgabe sowie des Beitrages zum Kostendeckungsgrundsatz nach Art. 9 Wasserrahmenrichtlinie. Zudem werden alle Ausgestaltungsmerkmale des WasEG (Ab gabetatbestand, Ausnahmeregelungen, Bemessungsgrundlage, Abgabesatz, Aufkommensverwendung u.v.m.) auf den Prüfstand gestellt und konzeptionell evaluiert. Das Werk beschließt mit umfangreichen rechtspolitischen Empfehlungen für die Weiterentwicklung des WasEG.