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German Pages 407 Year 2007
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 177
Die Flat Tax Bemessungsgrundlage und Tarif im Rahmen einer „flachen“ Einkommensteuer: Effizienz, Gerechtigkeit und rechtliche Bewertung
Von
Christoph Suttmann
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTOPH SUTTMANN
Die Flat Tax
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles
Band 177
Die Flat Tax Bemessungsgrundlage und Tarif im Rahmen einer „flachen“ Einkommensteuer: Effizienz, Gerechtigkeit und rechtliche Bewertung
Von
Christoph Suttmann
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 978-3-428-12485-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/07 von der juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Sie ist auf dem Stand von Mai 2006; spätere Rechtsprechung und Literatur sowie Rechtsentwicklungen konnten bis Februar 2007 berücksichtigt werden. Es ist gute akademische Tradition, dass der erste Dank des Doktoranden dem Doktorvater und dem Zweitgutachter gilt. Daher danke ich Herrn Professor Dr. Dieter Birk für seine Unterstützung und Betreuung während der Erstellung der Arbeit. Ferner möchte ich Herrn Professor Dr. Heinrich Weber-Grellet für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens danken. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner den Herausgebern der Reihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft“ für die freundliche Aufnahme des Werkes in diese Reihe. Die Arbeit wurde finanziell wie ideell gefördert von der Studienstiftung des Deutschen Volkes; ohne diese großzügige Förderung wäre dieses Werk nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt daher der Studienstiftung und ihren Mitarbeitern sowie meinem Vertrauensdozenten, Herrn Professor Dr. Dirk Ehlers. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner dem Freundeskreis Rechtswissenschaft – Verein zur Förderung der juristischen Ausbildung an der Universität Münster für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich darüber hinaus bei Herrn Professor Dr. Johannes Hellermann (Universität Bielefeld), der mich während der Erstellung der Arbeit in vielfältiger Weise gefördert und unterstützt hat. Zu großem Dank verpflichtet bin ich ferner Frau Professorin Linda Sugin (Fordham University), deren Seminar zur Tax Policy ich wichtige Impulse und Ideen für die Arbeit verdanke. Ein besonderer Dank gilt außerdem meinem langjährigen Studienkollegen Herrn Dr. iur. Leif Böttcher, LL.M. (Miami), der mir während der Erstellung der Arbeit über manch schwierige Phase hinweggeholfen hat und auf dessen kritischen Rat ich mich stets verlassen konnte. Durch das Unterbreiten fachlicher Ratschläge, das Aufzeigen fachfremder Gedanken und die Bereitschaft zu anregenden Diskussionen haben zum
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Vorwort
Gelingen der Arbeit auch die folgenden Personen beigetragen, denen für ihre mannigfaltige Unterstützung ebenfalls ein herzlicher Dank gebührt: Herr Dipl.Kaufmann Andreas Hadamitzky (Universität Münster), Herr Dipl.-Kaufmann Dennis Kirchhoff, Frau Dipl.-Volkswirtin Jasmina Kitanovic, Herr Dipl.Volkswirt Björn Plaschnick, Herr Dr. rer. pol. Andreas Szczutkowski, Herr Dipl.-Wirtsch.-Ing. Klaus Wersching und Herr Dr. rer. pol. Christoph Wöster (alle Universität Bielefeld). Schließlich möchte ich auch den Mitgliedern meiner Familie danken, die mich während der Zeit der Anfertigung der Arbeit auf vielfältige Weise unterstützt hat und ohne die mir das Anfertigen der Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ihnen sei dieses Werk gewidmet. Münster, im März 2007
Christoph Suttmann
Inhaltsverzeichnis §1
Einleitung............................................................................................................. 25
§2
Prinzipien der Einkommensbesteuerung .......................................................... 27 A. Die vier Maximen des Adam Smith................................................................. 27 B. Neuere Entwicklungen.................................................................................... 29 C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien für die Einkommensbesteuerung...................................................................................... 29 I.
Effizienz ................................................................................................ 30 1. Neutralität der Besteuerung............................................................. 31 a) Verzerrungsfreie Besteuerung................................................... 31 b) Investitions- und Finanzierungsneutralität ................................ 35 c) Verwendungsneutralität und intertemporale Neutralität............ 36 d) Rechtsform- und Wettbewerbsneutralität.................................. 37 e) Neutralität im verteilungspolitischen Sinn ................................ 38 f) Neutralität als rechtliches Kriterium?........................................ 39 2. Erhebungsbilligkeit ......................................................................... 41 3. Einfachheit der Steuergesetze und Transparenz .............................. 41
II.
Gerechtigkeit ......................................................................................... 42 1. Gerechtigkeit im Steuerrecht ........................................................... 42 2. Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.............. 43 3. Horizontale und vertikale Steuergerechtigkeit................................. 44 4. Steuerfreiheit des Existenzminimums ............................................. 47
D. Fazit ................................................................................................................ 48 §3
Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif........ 49 A. Steuerobjekt .................................................................................................... 49 I.
Definition von „Einkommen“................................................................ 49
II.
Konsumsteuer ........................................................................................ 51
III.
Zusammenfassung ................................................................................. 54
B. Bemessungsgrundlage..................................................................................... 54
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Inhaltsverzeichnis C. Steuersubjekt................................................................................................... 56 D. Tarif ................................................................................................................ 57 I.
Proportionaler Tarif ............................................................................... 57
II.
Progressiver Tarif .................................................................................. 58 1. Direkte und indirekte Progression ................................................... 58 2. Lineare, beschleunigte und verzögerte Progression......................... 60
III.
Regressiver Tarif ................................................................................... 60
IV.
Tarifformen ........................................................................................... 61 1. Stufentarife...................................................................................... 61 2. Formeltarife..................................................................................... 62
E. Zwischenergebnis ........................................................................................... 63 §4
Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in der deutschen und US-amerikanischen Einkommensbesteuerung ........................ 64 A. Geschichtliche Entwicklung der Einkommensteuer........................................ 64 B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland ................ 67 I.
II.
Einkommensteuer im Kaiserreich (1871–1918) .................................... 67 1.
Preußisches EStG 1891 .................................................................. 67
2.
Übrige deutsche Staaten ................................................................. 69
Deutsches Reich (1919–1945) ............................................................... 69 1. REStG/KStG 1920 .......................................................................... 69 2. REStG 1925 .................................................................................... 70 3. REStG 1934 .................................................................................... 71
III.
Besatzungszeit und Bundesrepublik Deutschland (ab 1946) ................. 72 1. EStG 1946 ....................................................................................... 72 2. Übergang zum Formeltarif: EStG 1955........................................... 73 3. Einführung des Splitting: EStG 1958 .............................................. 74 4. Einführung einer unteren Proportionalzone..................................... 74 5. Einführung eines linear-progressiven Tarifs.................................... 75 6. Freistellung des Existenzminimums ................................................ 75 7. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ........................................ 76 8. EStG 2007 ....................................................................................... 76
C. Entwicklung der Einkommensbesteuerung in den Vereinigten Staaten .......... 77 D. Fazit.................................................................................................................. 78 §5
Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka ............................................. 80
Inhaltsverzeichnis
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A. Geschichte des Modells .................................................................................. 81 B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka ........................... 83 I.
Bemessungsgrundlage ........................................................................... 85 1. Steuer auf Individualvergütungen ................................................... 85 2. Steuer auf unternehmerische Aktivitäten (Unternehmenssteuer)..... 87 a) Ausgestaltung als Betriebsteuer ................................................ 87 b) Gewinnermittlung durch Cash Flow Besteuerung..................... 88 aa)
Mögliche Zahlungsströme im Modell.............................. 88
bb)
R-Basis Cash Flow Steuer ............................................... 89
cc)
Ähnlichkeit zur Mehrwertsteuer ...................................... 90
c) Abzug erwerbsbezogener Aufwendungen................................. 91 d) Verzinslicher Verlustvortrag ..................................................... 91 e) Keine Vorauszahlungen ............................................................ 92 f) Sonderfall Finanzintermediäre .................................................. 92 II.
Steuersubjekt ......................................................................................... 94
III.
Streichung aller Sonderbestimmungen .................................................. 94
IV.
Übergang zur Konsumbesteuerung........................................................ 95
V.
Tarif....................................................................................................... 98
VI.
Steuererklärung...................................................................................... 98
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens .............................................................. 98 I.
Umsetzung von Elementen der Flat Tax................................................ 99 1. Flacher Tarif.................................................................................... 99 2. Übergang zur Konsumbesteuerung................................................ 101 3. Abzugsverbote............................................................................... 102
II.
Deutsche Entwürfe einer Einstufen-Steuer .......................................... 103 1. Einkommensteuergesetzbuch und Karlsruher Entwurf.................. 104 a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt ......... 105 b) Tarif ........................................................................................ 107 2.
Netto-Einkommensteuer (Elicker)................................................ 107 a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt ......... 108 b) Tarif ........................................................................................ 111
3. Einfachsteuer (Rose) ..................................................................... 111 a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt ......... 112 b) Tarif ........................................................................................ 113
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Inhaltsverzeichnis 4. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF .................. 113 a)
Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt......... 113
b) Tarif ........................................................................................ 114 III.
Fazit..................................................................................................... 114
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung ......... 115 I.
Abkehr von der direkten Progression .................................................. 115 1.
Direkte Progression, Flat Tax und Effizienz ................................ 116 a) Neutralitätswirkungen der direkten Progression ..................... 116 aa)
Hemmende Wirkung auf Arbeitsbereitschaft? ............... 116 (1) Ausgangspunkt ........................................................ 116 (2) Bedenken gegen diese Argumentation..................... 118 (a) Argument zielt eher gegen hohe Grenzsteuersätze................................................................... 118 (b) Richtigkeit der Grundannahme.......................... 118 (c) Gegenläufigkeit des Einkommenseffekts .......... 119 (3) Fazit......................................................................... 120
bb)
Allgemeine verzerrende Wirkungen auf das steuerbare Einkommen.................................................................... 121
cc)
Progressionstypische Hemm- und Zerrwirkungen ......... 121 (1) Intertemporale Zerrwirkungen................................. 122 (2) Interpersonale Zerrwirkungen.................................. 124 (3) Internationale Zerrwirkungen .................................. 125 (4) Beeinflussung der Arbeitsentscheidung von Ehegatten ................................................................. 125
dd)
Investitions- und Finanzierungsneutralität ..................... 126
ee)
Rechtsformneutralität..................................................... 126
ff)
Möglichkeit des Quellensteuerabzugs............................ 127
b) Transparenz und Steuermoral.................................................. 128 aa)
Komplexität, Steuerplanung und -umgehung................. 128 (1) Komplexität und ihre Konsequenzen....................... 128 (2) Komplexität hervorgerufen durch direkte Progression.................................................................... 130 (a) Progressionsvorbehalt ....................................... 130 (b) Ehegatten-Splitting............................................ 132 (c) Zeitliche Zurechnungsregeln ............................. 133 (d) Persönliche Zurechnungsregeln......................... 135
Inhaltsverzeichnis
11
(e) Freistellung des Existenzminimums .................. 137 (f) Fazit................................................................... 138 bb)
Verbesserung der Steuermoral und Erhöhung der Steuerehrlichkeit ............................................................ 138
c) Ergebnis .................................................................................. 140 2. Progression, Flat Tax und Steuergerechtigkeit .............................. 140 a) Horizontale Steuergerechtigkeit .............................................. 141 aa)
Verkürzungsprogressionseffekt ..................................... 141
bb)
„Kalte Progression“ ....................................................... 146
cc)
Degressionswirkung von Abzugstatbeständen............... 149
dd)
Progressionsvorbehalt.................................................... 150
ee)
Unterschiedliche Freibeträge im Rahmen der Flat Tax.. 151
ff)
Fazit ............................................................................... 151
b) Vertikale Steuergerechtigkeit .................................................. 152 aa)
Äquivalenztheoretische Ansätze .................................... 152 (1) Äquivalenztheorie.................................................... 152 (a) Grundaussage ..................................................... 152 (b) Bewertung.......................................................... 154 (2) „Marktnutzung“ und Markteinkommenstheorie ...... 156
bb)
Opfer- und Leistungsfähigkeitstheorien......................... 157 (1) Grundaussage .......................................................... 158 (2) Lastengleichheit....................................................... 159 (3) Das Problem der Begründung der Progression ........ 160 (a) Gleiches absolutes Opfer................................... 160 (b) Gleiches relatives Opfer .................................... 161 (c) Gleiches marginales Opfer ................................ 162 (4) Das Problem des Vorliegens der Grundvoraussetzungen ................................................................. 163 (a) Verhältnis zwischen Höhe des Einkommens und Höhe des Nutzens....................................... 164 (b) Sinken der individuellen Grenznutzenkurve...... 164 (c) Gleicher Verlauf der Grenznutzenkurven für alle Individuen................................................... 166 (5) Zusammenfassung ................................................... 167
cc)
Ausgleichstheorie .......................................................... 167
dd)
Sozialstaatsprinzip und Umverteilungsgedanken........... 169
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Inhaltsverzeichnis (1) Gesellschaftsvertraglicher Begründungsansatz (Rawls) .................................................................... 171 (2) Schwachpunkte des gesellschaftsvertraglichen Ansatzes................................................................... 173 (3) Gesellschaftsvertragliche Gegenentwürfe (Nozick). 175 (4) Grundlegende Einwände.......................................... 178 (a) Umverteilung als Ergebnis von Einnahmen und Ausgaben.................................................... 178 (b) Gesellschaft ohne Steuern unrealistischer Vergleichsmaßstab?........................................... 183 (c) Fazit................................................................... 184 ee)
Konjunkturpolitische Argumente zugunsten der Progression.......................................................................... 184
ff)
Fiskalische Argumente zugunsten der Progression........ 186
gg)
Fazit ............................................................................... 187
c) Demokratieprinzip................................................................... 188 d) Fazit ........................................................................................ 190 3. Abwägung ..................................................................................... 190 II.
Cash Flow Konsumsteuer vom R-Typ................................................. 190 1. Gegenüberstellung der unterschiedlichen Konzepte...................... 191 2. Konsumbesteuerung, Zahlungsstromorientierung und Effizienz... 192 a) Intertemporale Neutralität ....................................................... 192 aa)
Grundaussage................................................................. 192
bb)
Einwände gegen diese Annahme ................................... 195 (1) Theoretische Einwände............................................ 195 (a) Einkommens- und Substitutionseffekt............... 195 (b) Zweifel bezüglich der Grundannahmen............. 197 (c) Zusätzliche Belastung des Arbeitseinkommens? ......................................................... 197 (d) Marktreaktion .................................................... 198 (e) Internationale Einflüsse ..................................... 198 (2) Empirische Bedenken............................................... 199 (3) Erforderlichkeit einer Erhöhung der Sparquote? ...... 199 (4) Stellungnahme.......................................................... 200
b) Intersektorale Neutralität......................................................... 201 c) Investitions- und Finanzierungsneutralität?............................. 201
Inhaltsverzeichnis
13
d) Quasi-Besteuerung von Zinsen ............................................... 202 e) Rechtsformneutralität.............................................................. 205 f) Inflationsausgleich .................................................................. 205 g) Vermeidung von Kapitalexporten ........................................... 208 h) Einfachheit der Cash Flow Besteuerung ................................. 208 aa)
Gewinnermittlung .......................................................... 209
bb)
Bilanzierungsfragen ....................................................... 210
cc)
Realisationsprinzip......................................................... 211
i) Fazit ........................................................................................ 212 3. Konsumbesteuerung und Gerechtigkeit......................................... 212 a) Horizontale Gerechtigkeit ....................................................... 213 aa)
Intertemporale Gerechtigkeit ......................................... 213
bb)
Konsum als relevante Ausgangsgröße? ......................... 214
cc)
Gleiches Verhältnis als anzustrebendes Ziel .................. 216
b) Vertikale Steuergerechtigkeit .................................................. 217 c) Theoretische Bedenken gegen die Argumentation der Konsumsteuerbefürworter....................................................... 221 d) Theoretische Bedenken gegen die Argumentation der Konsumsteuergegner............................................................... 222 4. Fazit............................................................................................... 223 III.
Abzugsverbot für Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen .................................................................... 224 1. Effizienzwirkungen ....................................................................... 225 a) Neutralität ............................................................................... 225 b) Einfachheit und Transparenz................................................... 226 2. Abzugsverbote und Gerechtigkeit ................................................. 226 a) Objektives Nettoprinzip .......................................................... 227 b) Subjektives Nettoprinzip ......................................................... 227 c) Rechtfertigungsmöglichkeiten................................................. 227 aa)
Vereinfachung................................................................ 227
bb)
Degressionswirkung von Abzugstatbeständen und Neutralität ...................................................................... 228
d) Zusammenfassung................................................................... 228 IV.
Behandlung von Verlusten: Verrechnungsverbot und Verlustausgleich.............................................................................................. 229 1. Effizienz ........................................................................................ 229
14
Inhaltsverzeichnis a) Einfachheit .............................................................................. 229 b) Grundsätzliche ökonomische Bedenken.................................. 229 c) Rechtsformneutralität.............................................................. 229 d) Intertemporale Neutralität ....................................................... 230 2. Gerechtigkeit ................................................................................. 231 3. Fazit............................................................................................... 232 V.
Wegfall von Steuervergünstigungen: Verzicht auf Lenkungstatbestände ............................................................................................... 232 1. Effizienzgesichtspunkte................................................................. 233 a) Steuererhebungskosten............................................................ 233 b) Neutralitätswirkungen? ........................................................... 233 c) Effizienz der Steuerung........................................................... 233 2. Gerechtigkeitsgesichtspunkte ........................................................ 235 3. Verzicht auf Verfolgung von Partikularinteressen ........................ 235 4. Finanzverfassungsrechtliche Bedenken......................................... 236 5. Fazit............................................................................................... 236
VI.
Vereinfachungswirkungen................................................................... 237
E. Probleme der Flat Tax................................................................................... 239 I.
Durch Einführung der Flat Tax gelöste Probleme ............................... 239 1. Flat-Tax-unabhängige Vereinfachungen ....................................... 239 a) Proportionaler Steuersatz ........................................................ 239 b) Quasi-Besteuerung von Zinsen ............................................... 240 c) Eliminierung der Doppelbelastung von Dividenden ............... 241 d) Streichung von Abzugstatbeständen........................................ 241 e) „Steuererklärung per Postkarte“.............................................. 241 f) Ausschaltung von Verlustzuweisungsmodellen ...................... 241 2. Flat-Tax-typische Vereinfachungen .............................................. 242 a) Unternehmensbesteuerung auf Cash Flow Basis..................... 242 b) Neutralität in zeitlicher Hinsicht ............................................. 243 c) Automatische Inflationsanpassung.......................................... 243
II.
Weiterhin bestehende Probleme .......................................................... 244 1. Liebhaberei.................................................................................... 244 2. Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung .......................... 244 3. Steuerliche Berücksichtigung der Kosten für die persönliche Lebensführung............................................................................... 245
Inhaltsverzeichnis III.
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Neu entstehende Probleme .................................................................. 245 1. Finanzverfassung........................................................................... 246 2. Unvollständigkeiten....................................................................... 246 a) Übertragung von betrieblich genutztem Vermögen................. 246 b) Das Problem des internationalen Steuerrechts ........................ 247 aa)
Ursprungsland- und Bestimmungslandprinzip............... 247
bb)
Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen............. 248
cc)
Internationale Verrechnungspreise................................. 248
dd)
Internationale Dividendenzahlungen ............................. 249
ee)
Fazit ............................................................................... 249
c) Steuererklärungspflicht von Unternehmern bei mehreren Betrieben ................................................................................. 249 d) Besteuerung von Finanzintermediären .................................... 250 3. Neutralitätsprobleme ..................................................................... 251 a) Mangel an Korrespondenz ...................................................... 251 b) Möglichkeiten der Steuergestaltung ........................................ 253 aa)
Verlagerung der Steuerlast auf spätere Veranlagungszeiträume .............................................................. 253 (1) Verschiebung von Zuflüssen und Vorverlagerung von Abflüssen.......................................................... 254 (2) Ausnutzung des Sofortabzugs für Investitionen ...... 256 (3) Gegenmaßnahmen ................................................... 258 (4) Anteilsveräußerungen .............................................. 258
bb)
Nutzung unterschiedlicher Rechtsregime....................... 259 (1) Umwandlung von Einkünften und Investitionen ..... 259 (2) Umwandlung von unternehmerischen Einkünften in Einkünfte aus der Privatsphäre ............................ 262 (3) Umwandlung von Mietverhältnissen in Kaufverträge......................................................................... 263 (4) Die Abgrenzung zum persönlichen Lebensbedarf ... 266 (5) Der Schritt vom Arbeitnehmerstatus zur Selbstständigkeit ............................................................... 268
cc)
Nutzung unterschiedlicher Steuersätze .......................... 270 (1) Interpersonale Einkommensverlagerung.................. 271 (2) Vorverlagerung des Beginns unternehmerischer Aktivitäten ............................................................... 272
dd)
Fazit ............................................................................... 272
16
Inhaltsverzeichnis 4. Administrative Probleme und Kosten............................................ 273 5. Probleme des Übergangs ............................................................... 274 a) Mangel an Korrespondenz ...................................................... 274 b) Ankündigungseffekte .............................................................. 275 c) Cash Flow Besteuerung........................................................... 276 d) R-Basis.................................................................................... 277 e) Fazit ........................................................................................ 278 F. Aufkommen, Verteilungswirkung, politische Umsetzbarkeit ....................... 278 I.
Aufkommen......................................................................................... 278
II.
Verteilungswirkungen ......................................................................... 279 1. Flat Tax ......................................................................................... 279 2. Modell des Wissenschaftlichen Beirats ......................................... 280 3. Weitere Faktoren ........................................................................... 281 4. Stellungnahme............................................................................... 281
III.
Politische Umsetzbarkeit ..................................................................... 282
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz ......................................... 283 I.
Änderungen des Steuertarifs................................................................ 283 1. Allgemeiner Gleichheitssatz und direkte Progression ................... 283 a) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.06.1958............................................................................... 284 b) Die neuere Tendenz in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ................................................................. 285 c) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ............................ 286 d) Auffassungen im Schrifttum ................................................... 287 e) Stellungnahme......................................................................... 288 2. Sozialstaatsprinzip und direkte Progression .................................. 289 3. Fazit............................................................................................... 292
II.
Änderungen der Bemessungsgrundlage............................................... 292 1. Übergang zur Konsumbesteuerung................................................ 292 a) Grundsätzliche Vereinbarkeit der Konsumbesteuerung mit dem Grundgesetz..................................................................... 292 b) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Flat Tax .......... 295 aa)
Die Flat Tax als Verbrauch- oder Umsatzsteuer? .......... 295
bb)
Die Flat Tax als Einkommensteuer ................................ 295 (1) Wörtliche Auslegung ............................................... 296 (2) Historische Auslegung............................................. 296
Inhaltsverzeichnis
17
(3) Systematische Auslegung ........................................ 298 (4) Teleologische Auslegung......................................... 298 (5) Fazit......................................................................... 301 2. Objektives Nettoprinzip ................................................................ 301 a) Abzugsverbot für erwerbsbedingte Aufwendungen der Arbeitnehmer .............................................................................. 301 aa)
Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips .............. 302 (1) Die Auffassung der Rechtsprechung ....................... 302 (2) Streitstand in der Literatur ....................................... 303 (3) Stellungnahme ......................................................... 304
bb)
Rechtfertigungsmöglichkeiten der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips................................................ 304 (1) Vorliegen eines legitimen Typisierungszwecks....... 310 (a) Vereinfachung ................................................... 310 (b) Erhöhung der Transparenz ................................ 310 (2) Geeignetheit............................................................. 311 (a) Vereinfachung ................................................... 311 (b) Transparenz ....................................................... 312 (3) Erforderlichkeit........................................................ 313 (a) Transparenz ....................................................... 313 (b) Vereinfachung ................................................... 313 (4) Angemessenheit: Zu befürchtende Nachteile der Pauschalierung......................................................... 314 (5) Ergebnis................................................................... 320
b) Abzugsverbot für gezahlte Zinsen........................................... 320 c) Verlustverrechnungsverbote.................................................... 322 aa)
Beschränkung des intertemporalen Verlustausgleichs auf einen Verlustvortrag ................................................ 323 (1) Das Erfordernis eines intertemporalen Verlustausgleichs ................................................................ 323 (2) Folgerungen für die Flat Tax ................................... 324
bb)
Kein intertemporaler Verlustausgleich bei Arbeitseinkommen .................................................................... 325
cc)
Verbot der Verlustverrechnung zwischen den Einkunftsarten ..................................................................... 325
3. Subjektives Nettoprinzip ............................................................... 327
18
Inhaltsverzeichnis a) Schwierigkeiten bei der Definition.......................................... 327 b) Verfassungsrang des subjektiven Nettoprinzips...................... 328 c) Existenzminimum und Unterhaltsaufwendungen.................... 328 d) Sonstige Privataufwendungen ................................................. 331 aa)
Unterhaltsleistungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) ....... 332
bb)
Renten und dauernde Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG)............................................. 333
cc)
Vorsorgeaufwendungen ................................................. 333 (1) Gesetzliche Altersvorsorge ...................................... 334 (2) Freiwillige Altersvorsorge ....................................... 337 (3) Kranken- und Pflegeversicherung............................ 338 (4) Arbeitslosenversicherung ........................................ 338 (5) Haftpflichtversicherung ........................................... 339
dd)
Kirchensteuerabzug (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) ............... 339
ee)
Steuerberatungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F.)... 339
ff)
Aus- und Fortbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG)................................................ 340
gg)
Schulgeld (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG)............................... 340
hh)
Außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33 b EStG)...... 340
e) Rechtfertigung von Durchbrechungen des subjektiven Nettoprinzips.................................................................................... 342 4. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)........................... 343 a) Schutzbereich .......................................................................... 343 b) Beeinträchtigung .................................................................... 344 c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung..................................... 345 III. §6
Fazit..................................................................................................... 347
Abschließende Bewertung der Flat Tax und Schluss ..................................... 348 A. Indirekt progressiver Tarif ............................................................................ 349 B. Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ..................................................... 349 C. Behandlung unternehmerischer Einkünfte .................................................... 350 D. Behandlung des intertemporalen Verlustausgleichs...................................... 351
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 352 Sachwortregister......................................................................................................... 395
Abkürzungsverzeichnis 9th Cir. a. A. a.a.O. Ala. L. Rev. Am. Econ. Ass’n Q. Am. Econ. Rev. Am. J. Tax Pol’y Anm. Ariz. L. Rev. Art. ASA Atl. Econ. J. ausf. B. Bad.-Württ. Baylor Bus. Rev. BB bearb. BFH BFHE BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHZ BMF-Schriftenreihe BR-Drs. Bsp. BStBl. (I, II, III) BT-Drs. Bull. for Int’l Fiscal Documentation BVerfG
United States Court of Appeals for the 9th Circuit anderer Auffassung am angegebenen Orte Alabama Law Review (Zeitschrift) American Economic Association Quarterly (Zeitschrift) American Economic Review (Zeitschrift) The American Journal of Tax Policy (Zeitschrift) Anmerkung Arizona Law Review (Zeitschrift) Artikel Archiv für Schweizerisches Abgaberecht (Zeitschrift) Atlantic Economic Journal (Zeitschrift) ausführlich Bill (Gesetzentwurf) Baden-Württemberg Baylor Business Review (Zeitschrift) Betriebsberater (Zeitschrift) bearbeitet Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen Bundesrats-Drucksache Beispiel Bundessteuerblatt (Teil I, II, III) Bundestags-Drucksache Bulletin for International Fiscal Documentation (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht
20 BVerfGE Cal. L. Rev. Chap. L. Rev. C.J. Cong. Q. Wkly. Rep. Const. Pol. Econ. Cont. Econ. Pol’y CPA J. D. DB dens. Denv. U. L. Rev. ders. dies. DM DÖV DStJG DStR DStRE DStZ DSWR Econ. J. Econ. Pol’y Econ. Rev. Emory L.J. EStGB f. / ff. F. FG FinArch Fla. L. Rev. Fla. Tax Rev. Fordham Urb. L.J. FR FS F. Supp. Ga. L. Rev. Geo. L.J. GmbHR GVBl. Harv. L. Rev. Hess.
Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts California Law Review (Zeitschrift) Chapman Law Review (Zeitschrift) Chief Justice Congressional Quarterly Weekly Report (Zeitschrift) Constitutional Political Economy (Zeitschrift) Comtemporary Economic Policy (Zeitschrift) The CPA Journal (Zeitschrift) Digesten Der Betrieb (Zeitschrift) denselben Denver University Law Review (Zeitschrift) derselbe dieselbe(n) Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Datenverarbeitung, Steuer, Wirtschaft, Recht (Zeitschrift) The Economic Journal (Zeitschrift) Economic Policy (Zeitschrift) Economic Review (Zeitschrift) Emory Law Journal (Zeitschrif) Einkommensteuergesetzbuch folgende(r/s) Federal Reporter (Sammlung der Entscheidungen der US-amerikanischen Bundesberufungsgerichte) Finanzgericht Finanzarchiv (neue Folge) (Zeitschrift) Florida Law Review (Zeitschrift) Florida Tax Review (Zeitschrift) Fordham Urban Law Journal (Zeitschrift) Finanzrundschau Ertragsteuerrecht (Zeitschrift) Festschrift Federal Supplement (Sammlung der Entscheidungen der US-amerikanischen Bundesbezirksgerichte) Georgia Law Review (Zeitschrift) Georgetown Law Journal (Zeitschrift) GmbHRundschau, Gesellschafts- und Steuerrecht der GmbH und GmbH&Co (Zeitschrift) Gesetz- und Verordnungsblatt Harvard Law Review (Zeitschrift) Hessen; hessisch, hessische, hessischer
Abkürzungsverzeichnis HFR Hofstra L. Rev. H.R. HS IFSt-Schrift i. H. v. Inf. insb. Iowa L. Rev. IStR IWB J. Econ. J. Econ. Stud. JFB J. Inst. For Socioeconomic Stud. J. Legal Stud. JöR J. Polit. Econ. J. Pub. Econ. JZ Kap. krit. Lab. Econ. Mich. L. Rev. Mrd. m. w. N. Nat’l J. Nat’l Tax J. Nation’s Bus. N.D. Ohio Neb. J. Econ. & Bus. NESt-E n. F. NJW NJW-RR NN RH NW
21
Höchstricherliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Hofstra Law Review (Zeitschrift) House of Representatives Halbsatz Schriftenreihe des Instituts „Finanzen und Steuern“ in Höhe von Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) insbesondere Iowa Law Review (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Internationale Wirtschaftsbriefe Journal of Economics, Zeitschrift für Nationalökonomie Journal of Economic Studies (Zeitschrift) Journal für Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Journal of the Institute For Socioeconomic Studies (Zeitschrift) Journal of Legal Studies (Zeitschrift) Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart The Journal of Political Economy (Zeitschrift) Journal of Public Economics (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kapitel kritisch Labour Economics (Zeitschrift) Michigan Law Review (Zeitschrift) Milliarde(n) mit weiteren Nachweisen National Journal (Zeitschrift) National Tax Journal (Zeitschrift) Nation’s Business (Zeitschrift) United States District Court for the Northern District of Ohio Nebraska Journal of Economics and Business (Zeitschrift) Entwurf einer proportionalen NettoEinkommensteuer (Elicker) Neue(r) Fassung; neue(r) Folge Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Narodne novine Republike Hrvatske (Gesetzblatt der Republik Kroatien) Nordrhein-Westfalen
22 OECD-MA
Okla. City U. L. Rev. ÖStZ PaPkG PflVG Pol’y Rev. preuß. PrGS Pub. Opinion Q. PWP RdW Rev. Rev. Econ. & Stat. Rev. Econ. Stud. RGBl. Rh.-Pf. RM Rn. s. S. Sächs. San Diego L. Rev. S. Cal. L. Rev. Seton Hall Legis J. S-H Soc. Phil. & Pol’y Stan. L. Rev. StB Stbg StbJb SteuerStud StGH St. Louis U. L.J. str. StuB StuW StuZBl. StW StWG
Abkürzungsverzeichnis OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Oklahoma City University Law Review (Zeitschrift) Österreichische Steuerzeitung (Zeitschrift) Preisangaben- und Preisklauselgesetz Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Policy Review (Zeitschrift) preußisch Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Public Opinion Quarterly (Zeitschrift) Perspektiven der Wirtschaftspolitik (Zeitschrift) Österreichisches Recht der Wirtschaft (Zeitschrift) Review The Review of Economics and Statistics (Zeitschrift) Review of Economic Studies (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Rheinland-Pfalz Reichsmark Randnummer siehe Seite; Senate Sächsisch(e/s) San Diego Law Review (Zeitschrift) Southern California Law Review (Zeitschrift) Seton Hall Legislative Journal (Zeitschrift) Schleswig-Holstein Social Philosophy and Policy (Zeitschrift) Stanford Law Review (Zeitschrift) Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuer und Studium (Zeitschrift) Staatsgerichtshof Saint Louis University Law Journal (Zeitschrift) strittig Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer- und Zollblatt Die Steuerwarte (Zeitschrift) Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums in der Wirtschaft – Stabilitätsund Wachstumsgesetz v. 08.06.1967, BGBl. I 1967, S. 582
Abkürzungsverzeichnis Subcomm. SWI Tax L. Rev. TNT Tul. L. Rev. Tz. U. Ch. L. Rev. U. Fla. L. Rev. U.S. USt UStG v. Val. U. L. Rev. Var. Verf. VO Vol. VVDStRL VZ Wis. L. Rev. WiSt wisu World Bank Res. Observer WPg WRV Yale L.J. zfbf Ziff. ZPO ZRP ZSteu
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Subcommittee Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift) Tax Law Review (Zeitschrift) Tax Notes Today (Zeitschrift) Tulane Law Review (Zeitschrift) Textziffer University of Chicago Law Review (Zeitschrift) University of Florida Law Review (Zeitschrift) United States; United States Reports (Sammlung der Entscheidungen des Obersten Bundesgerichts) Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz versus; von, vom Valparaiso University Law Review (Zeitschrift) Variante Verfasser(in) Verordnung Volume Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Veranlagungszeitraum Wisconsin Law Review (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) The World Bank Research Observer (Zeitschrift) Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.08.1919, RGBl. 1919, S. 1383 – Weimarer Reichsverfassung The Yale Law Journal (Zeitschrift) Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift) Ziffer Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Steuern und Recht
Die Zitierweise ausländischer Rechtsprechung und Periodika wurde der deutschen Zitierweise nicht angepasst. Sie richtet sich nach „The Bluebook, A Uniform System of Citation, 17. Aufl., Cambridge 2000“.
„Das Steuerwesen ist kein geistiges Gebiet, welches sich allgemeiner Beliebtheit erfreut … aber bei tieferem Eindringen … gewinnt der spröde Stoff Leben und Bedeutung als Teil und Widerspiegel der gesamten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verfassung.“ Hans von Nostitz, Staatssteuern in Sachsen, 1903, S. V
§ 1 Einleitung Das bestehende Einkommensteuerrecht ist in einem desolaten Zustand und dringend reformbedürftig1. Es wird allgemein als widersprüchlich2, kompliziert3, chaotisch4, ungerecht5, ja amoralisch6 empfunden. Hierüber besteht im steuerrechtlichen Schrifttum weitgehend Einigkeit7. Insbesondere die Bewertung des deutschen Steuerrechts unter Effizienzgesichtspunkten ist verheerend8. Ferner fehlt dem deutschen Einkommensteuerrecht aufgrund zahlreicher Änderungen die Konstanz9.
___________ 1 Birk, Steuerrecht, Rn. 94 a; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 5; Wittmann, Markteinkommen, S. 1; Tipke, StuW 2002, 148, 149; Wagner, PWP 7, 19; s. auch schon Schelle/v. Arnim/Borell/Lau/Meng, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 20, S. 23. 2 Lang, Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. VII. 3 Lang, Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. VII; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 5; Stapperfend, FR 2005, 74; Uldall, in: Baron/Handschuch (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, S. 189, 191; Wassermeyer, DStR 2001, 920, 921. 4 Lang, FR 1993, 661, 664 ff.; ders., NJW 2006, 2209. 5 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 5; Wassermeyer, DStR 2001, 920, 921. 6 Schmidt, Auf der Suche nach einer öffentlichen Moral, S. 138. 7 Lang, Editorial, StuW 2005, 1; Rose, BB 1996, 1085; Schutter, StW 2001, 147; Tipke, StuW 2002, 148, 149; Voß, ZRP 2003, 458. 8 So belegte das Steuersystem der Bundesrepublik bei einer Umfrage des World Economic Forum im Jahr 2003 zu den Volkswirtschaften von 102 Ländern bei der Effizienzbewertung den letzten Platz. World Economic Forum, Global Competitiveness Report 2003–2004, S. 480. Auf einer Skala von 1 (= hoch komplex) bis 7 (= einfach und transparent) erreichte Deutschland den Wert 1,5. Hierzu auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Vorwort zur 18. Aufl., S. VII. 9 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 5; Lang, Editorial, StuW 2005, 1; Stapperfend, FR 2005, 74.
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§ 1 Einleitung
Gegen die Komplexität des Steuersystems wurde in den 1980er Jahren in den Vereinigten Staaten durch die beiden Stanford-Professoren Robert Ernest Hall und Alvin Rabushka das Modell einer radikalen Einfachsteuer, der sog. Flat Tax, entwickelt. Diese verdankt ihre Bezeichnung dem flachen Tarifverlauf, bringt darüber hinaus jedoch auch weitere Änderungen im Vergleich zum bestehenden Einkommensteuerrecht, vor allem in Bezug auf die Bemessungsgrundlage. Anders als in Österreich, wo Ende der 1990er Jahre eine Diskussion zu dem Thema stattfand10, ist in Deutschland die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept einer Einstufen-Steuer im Allgemeinen und der Flat Tax von Hall/Rabushka im Besonderen erst im Anfangsstadium begriffen11. An dieser Stelle soll daher die Arbeit ansetzen und der Frage nachgehen, ob ein derartiges Einkommensteuersystem mit proportionalem Steuersatz in Deutschland wirtschaftlich wünschenswert und rechtlich umsetzbar wäre. Dabei werden zunächst die rechtlichen und ökonomischen Kriterien herausgearbeitet, denen ein Einkommensteuersystem genügen sollte (§ 2). Sodann werden die Möglichkeiten der Ausgestaltung von Tarif und Bemessungsgrundlage im Einkommensteuerrecht erläutert (§ 3). Anschließend werden Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif im deutschen und amerikanischen Einkommensteuerrecht skizziert (§ 4). Hieran schließt sich die Auseinandersetzung mit der Flat Tax nach Hall/Rabushka an (§ 5), wobei insbesondere auf die Änderungen im Vergleich zum bestehenden Einkommensteuerrecht, ihre wirtschaftlichen und ihre rechtlichen Implikationen eingegangen werden soll; in diesem Zusammenhang soll auch kurz auf deutsche Steuerreformmodelle mit flachem Steuersatz und ihre Unterschiede zur Flat Tax eingegangen werden. Die Arbeit schließt mit einem Überblick über die Ergebnisse (§ 6).
___________ 10 s. Lenneis, RdW 1999, 170 ff.; Quantschnigg, RdW 1998, 701 ff. mit Erwiderung von Rabushka, RdW 1999, 169 f.; Wala, RdW 2001, 245. 11 Zur Flat Tax nach Hall/Rabushka Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329 ff.; Vorwold, WPg 2003, 803 ff. Zur Dualen Einkommensteuer s. auch Stapperfend, FR 2005, 74 ff.; Schreiber/Finkenzeller/Rüggeberg, DB 2004, 2767 ff.; Siegel, ZSteu 2005, 82.
„An unlimited power to tax involves, necessarily, a power to destroy; …“ McCulloch v. Maryland, 17 U.S. 316, 327 (1819) (Marshall, C.J.)
§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung Für die Einkommensbesteuerung ist im einschlägigen Schrifttum im Laufe der Zeit ein regelrechtes Konglomerat an „Prinzipien“, „Postulaten“, „Grundsätzen“ und „Maximen“1 entwickelt worden. So haben sich Wirtschaftswissenschaftler, sowohl im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre als auch der volkswirtschaftlich orientierten Finanzwissenschaft, und auch Juristen immer wieder damit beschäftigt, Postulate zu entwickeln, denen ein Steuersystem genügen sollte2. Insbesondere seit Inkrafttreten des Grundgesetzes hat sich die steuerjuristische Diskussion sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum auf die verfassungsrechtliche Ebene verlagert; zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben sich auf die Ausgestaltung des EStG mittelbar oder unmittelbar ausgewirkt. Folglich lässt sich heute feststellen, dass eine Vielzahl von „Prinzipien“ existiert, die einer Systematisierung bedürften. Dabei ist keiner der drei genannten wissenschaftlichen Disziplinen der Vorrang einzuräumen. Selbstverständlich muss ein Steuersystem dem Verfassungsrecht genügen, jedoch dürfen gerade wirtschaftliche Kriterien nicht völlig aus der Betrachtung ausgeblendet werden. Daher ist ein interdisziplinärer Ansatz zwischen Rechts- und Finanzwissenschaft unter Einbeziehung auch der Moralphilosophie und Gerechtigkeitstheorie erforderlich3.
A. Die vier Maximen des Adam Smith Die Steuerlehre folgte bei der Formulierung von Prinzipien der Einkommensbesteuerung lange Zeit dem schottischen Nationalökonomen Adam Smith4, der vier Maximen für ein gerechtes Steuersystem aufgestellt hat5. Auch ___________ 1 Die Begriffe „Postulate“, „Prinzipien“, „Grundsätze“ oder „Maximen“ werden hier ohne inhaltliche Differenzierung verwendet. Vgl. dazu Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33; Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 122. 2 Grundlegend etwa Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 408 ff. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 54 ff. spricht von „Grundwertungen“, die durch „Einzelwertungen“ des Gesetzgebers näher zu konkretisieren seien. 3 Vgl. hierzu Siegel/Kirchner/Elschen/Küpper/Rückle, StuW 2000, 257 ff. 4 s. nur Meyer, S. 21 ff.; teilw. krit. hierzu Mann, Schmollers Jahrbuch 1926, 55, 56 f.
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§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung
die moderne Finanzwissenschaft legt ihren Lehren die häufig als „klassisch“6 bezeichneten Maximen des Adam Smith noch vielfach zu Grunde, nämlich die Grundsätze der Gleichmäßigkeit, Bestimmtheit, Bequemlichkeit und Nettoergiebigkeit7. Danach sollen die Bürger erstens Steuern „im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten“ zahlen8. Die Belastung durch Steuern müsse dem Einkommen entsprechen, das jeder Bürger unter dem Schutz des Staates genieße. Smith formuliert damit das Postulat der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, ohne freilich nähere Maßstäbe für die Ermittlung des Verhältnisses von Leistungsfähigkeit und Steuerschuld vorzugeben. Die zweite Maxime lautet, die Steuer müsse bestimmt und dürfe nicht willkürlich sein9. In moderner Terminologie fordert Smith damit die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Drittens müsse die Steuer zu der Zeit und in der Weise erhoben werden, die für den Steuerpflichtigen am bequemsten sei10. Viertens soll eine Steuer so geringe Erhebungskosten und Schädigungen des Wirtschaftslebens wie möglich verursachen11. Diese vierte Maxime hat bei genauer Betrachtung zwei Seiten, von denen keine unterschlagen werden sollte: Neben den geringen Erhebungskosten, die bei der heutigen Diskussion im Vordergrund stehen, sollen auch volkswirtschaftliche Schädigungen vermieden werden12. ___________ 5 Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2 I–IV (S. 423). Freilich dürfte heute als gesicherte Erkenntnis gelten, dass die von ihm formulierten Maximen bereits vor Smith so oder in ähnlicher Form diskutiert wurden. Mann, Steuerpolitische Ideale, S. 144 ff.; Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 36. Da die Maximen von Smith aber in sehr prägnanter Form zusammengefasst wurden, soll auch im Folgenden der Ausdruck Smith’sche Maximen Verwendung finden. 6 Erstmals Mill, Principles of Political Economy, Buch V, Kap. II, Abs. 1; s. auch Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 23; Birk, Steuerrecht, Rn. 10. 7 So genannt bei Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 23 f.; etwas anders bei WeberGrellet, ZRP 2003, 279, 283: (1) Gleichheit, (2) Bestimmtheit, (3) Bequemlichkeit und (4) Billigkeit. Ähnlich auch Richner, ASA 73, 593, 596 (Fn. 11). 8 Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2 I (S. 423): „The subjects of every state ought to contribute towards the support of the government, as nearly as possible, in proportion to their respective abilities; that is, in proportion to the revenue which they respectively enjoy under the protection of the state“. 9 Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2 II (S. 424): „The tax which each individual is bound to pay ought to be certain, and not arbitrary“. 10 Smith, Wealth of Natins, Buch 5, Kap. 2.2 III (S. 425): „Every tax ought to be levied at the time, or in the manner in which it is most likely to be convenient fort he contributor to pay it“. 11 Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2 IV (S. 425): „Every tax ought to be so contrived as both to take out and to keep out of the pockets of the people as little as possible, over and above wht it brings into the public treasury of the state“. 12 Mann, Steuerpolitische Ideale, S. 153; ders., Schmollers Jahrbuch 1926, 55, 57. Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2 IV (S. 425) formulierte das so: „Secondly, it [die Steuer, Anm. d. Verf.] may obstruct the industry of the people, and discourage them
C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien
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B. Neuere Entwicklungen Die vier Maximen des Adam Smith wurden lange Zeit nahezu unverändert und unkommentiert übernommen. Dennoch hat die Finanzwissenschaft gerade im 19. und 20. Jahrhundert weitere Besteuerungsprinzipien entwickelt, denen auch die Einkommensteuer folgen sollte. Nur beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen hier einige dieser Grundsätze Erwähnung finden. Zu nennen ist unter anderem der Grundsatz der Mäßigkeit13, der Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit der Steuern14, der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität15, der Grundsatz der Steuertransparenz, der Grundsatz der Stetigkeit des Steuerrechts16, der Grundsatz der Praktikabilität der Besteuerung und der Grundsatz der Systemhaftigkeit des Steuerrechts17. Auch zu Grundsätzen erhoben worden sind die synthetische Einkommensbesteuerung und die Umverteilungseffizienz18.
C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien für die Einkommensbesteuerung Die Vielzahl von in der Finanzwissenschaft neu entwickelten Maximen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine optimale Steuer die beiden Ziele der ___________ from applying to certain branches of business which might give maintenance and employment to great multitudes. While it obliges the people to pay, it may thus diminish, or perhaps destroy some of the funds, which might enable them more easily to do so.“ 13 Dieser bezieht sich auf die Gesamtsteuerlast und ist natürlich vor allem abhängig von zeitgenössischen Vorstellungen. Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 39. 14 Danach soll die Steuergesetzgebung und -erhebung nicht diskriminierend wirken, und alle Personen, bei denen die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zutreffen, sind ohne Rücksicht auf außersteuerliche Gründe zur Steuer heranzuziehen. Dieser Grundsatz, der für uns heute selbstverständlich erscheint, hat seinen Niederschlag in § 3 Abs. 1 AO gefunden. 15 Danach sollen die Wettbewerbsbedingungen zwischen verschiedenen Branchen im Inland, zwischen aus- und inländischen Branchen und zwischen Unternehmen der gleichen in- und ausländischen Branchen durch die Besteuerung bewusst oder unbewusst verfälscht oder verzerrt werden. Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 51. 16 Dieser Grundsatz gebietet, dass auf die Umgestaltung steuerlicher Bestimmungen weitgehend verzichtet wird, wenn dies nicht aus fiskalischen oder konjunkturpolitischen Gründen zwingend geboten erscheint. Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 59. 17 Danach sollen die unterschiedlichen Ziele der Besteuerung zu einem möglichst schonenden Ausgleich gebracht werden. Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 60. 18 Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123.
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§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung
Effizienz sowie der Gerechtigkeit der Besteuerung verfolgt19. Die für die Beurteilung eines Einkommensteuersystems relevanten Prinzipien lassen sich daher, wie zu zeigen sein wird, den beiden Kategorien „Effizienz“ und „Gerechtigkeit“ der Besteuerung zuordnen20, sodass im Folgenden mit diesen beiden Kategorien gearbeitet werden kann. Sowohl die vier Maximen des Adam Smith als auch die neu entwickelten Prinzipien lassen sich entweder einer der beiden Kategorien zuordnen oder sind uns heute selbstverständlich geworden21.
I. Effizienz Das eher ökonomische denn juristische Kriterium der Effizienz der Besteuerung stellt einen Sammelbegriff für unterschiedliche wirtschaftliche Erfordernisse der Besteuerung dar, die im Folgenden näher erläutert werden sollen. Allgemein fragt die Analyse einer Steuer unter Effizienzgesichtspunkten danach, ob die Ausgestaltung der Steuer die effiziente Allokation von Ressourcen fördert oder behindert22. Je mehr eine Steuer das Verhalten der Steuerpflichtigen beeinflusst, desto größer ist ihre Zusatzlast23 („excess burden“ oder „deadweight loss“)24 und desto weniger effizient ist sie25. So verstanden umfasst der Oberbegriff der Effizienz der Besteuerung mehrere, sich teilweise überschneidende Aspekte, etwa die Neutralität, die Forderung nach niedrigen Zusatzkosten, Erhebungsbilligkeit (verwaltungstechnische Einfachheit/administrative Effizienz26 oder „Wohlfeilheit“) und die Forderung nach einer möglichst einfachen Steuer. Auch die Transparenz der Besteuerung lässt sich als ein Effizienzkriterium im weiteren Sinne verstehen. ___________ 19
Ebenso P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 22; ähnlich Richner, ASA 73, 593, 597: Einfachheit, Fairness und Neutralität. Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186: Gleichmäßigkeit und ökonomische Effizienz. 20 Vgl. etwa Malman/Sugin/Solomon/Hesch, S. 8; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 157 ff. (Kapitel 5. Effiziente Besteuerung) und S. 215 ff. (Kapitel 6. Gerechte Besteuerung); Ohmer, S. 31 ff. und passim; Rose, BB 1992, V/1, V/2. s. auch Musgrave/ Musgrave/Kullmer, S. 9; McCaffery, S. 27 („A good tax should be simple, efficient, and fair“). Krit. aber Brennan/Buchanan, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 51. 21 Vgl. auch Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 56 f. 22 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 9; Bittker, in: The Economics of Taxation, S. 19; vgl. auch Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123 f. 23 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 157; Rose, BB 1992, V/1, V/ 8. 24 Greß/Rose/Wiswesser, S. 17 f.; Schwinger, S. 13; Sinn, S. 5; Feldstein, 50 Nat’l Tax J. 197, 199. 25 Malman/Sugin/Solomon/Hesch, S. 9; vgl. auch P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 22; Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 190. 26 Vgl. Greß/Rose/Wiswesser, S. 18.
C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien
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1. Neutralität der Besteuerung Insbesondere Wirtschaftswissenschaftler fordern häufig, die Besteuerung müsse sich „neutral“ verhalten und dürfe Entscheidungsprozesse nicht beeinflussen oder verzerren oder dürfe nicht die Rangfolge wirtschaftlicher Entscheidungsalternativen verändern27. Dabei gibt es kein einheitliches Kriterium der „Neutralität der Besteuerung“; vielmehr sollten Steuern sich in vielerlei Hinsicht „neutral“ verhalten28. Auch kann das Kriterium der „Neutralität“ in vielerlei Hinsicht verstanden werden.
a) Verzerrungsfreie Besteuerung In einem allgemeinen Sinn kann „Neutralität“ zunächst verstanden werden als Verzerrungsfreiheit des gesamten Steuersystems29. Ein Steuersystem wird als verzerrungsfrei angesehen, wenn der Pflichtige keinen Einfluss auf seine Steuerschuld hat, also nichts tun kann, um die Höhe seiner Steuerschuld zu beeinflussen30, wenn also mit anderen Worten die Steuer das Verhalten von Wirtschaftssubjekten nicht beeinflusst31 oder die von den Märkten bewirkte Lenkung der Ressourcen nicht stört32. Verzerrungen treten nämlich immer dann auf, wenn der Steuerpflichtige versucht, seine Steuerschuld zu verringern33. Aus ökonomischer Sicht ist dies be___________ 27 Schneider, Steuerbilanzen, S. 57 f.; ders., Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 193 ff.; Siegel/Bareis, S. 28; Schwinger, S. 9 f.; Sinn, S. 5 f.; Kiesewetter, S. 5 ff.; ders., StuW 1997, 24; Lammersen, S. 48; Lang, StuW 1990, 107, 115; Rose, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 343, 344 (Fn. 2); ders., BB 1992, V/1, V/8; Sigloch, StuW 1990, 229; Slemrod/Bakija, S. 131; Schwinger, StuW 1994, 39, 40; Elschen, StuW 1991, 99, 106 ff.; ders./Hüchtebrock, FinArch 41, 253 f.; Seidl, StuW 1989, 350; Wagner, StuW 1992, 2, 3 f.; vgl. auch Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410 ff. 28 Elschen/Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 256 ff.; s. auch Siegel/Bareis, S. 28; Bradford, Untangling the Income Tax, S. 176 ff. 29 Hierzu Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410; vgl. auch Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123 f. 30 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410. 31 Seidl, StuW 1989, 350. Dies übersieht etwa Vogt, S. 84 f., wenn er ausführt, ein proportionaler (sic) Tarif verzerre die Wettbewerbspositionen von Unternehmen. Vogt meint wohl einen direkt progressiven Tarif, übersieht aber, dass Neutralität keine Frage des Tarifs, sondern des Zusammenspiels von Bemessungsgrundlage und Tarif ist. Insofern stimmt die Aussage bezogen auf die Einkommensteuer, da hier der Steuerpflichtige durch Reduktion seiner Erwerbshandlungen bei jedem Tarif seine Steuerschuld reduzieren kann. 32 Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 190. 33 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410.
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§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung
denklich, da die Steuern so die Präferenzen der Steuerpflichtigen verändern und dadurch die Allokation der Ressourcen innerhalb einer Volkswirtschaft beeinflussen34. Geht man davon aus, dass die vom Markt bewirkte Ressourcenallokation bereits optimal ist, ist eine Veränderung der Allokation suboptimal und damit wohlstandsmindernd35. Außerdem verursachen Anpassungshandlungen selbst Kosten, die zu den Zusatzlasten der Besteuerung rechnen (dazu oben § 2 C. I. 1., S. 30) und ebenfalls wohlstandsmindernd sind36. Anpassungshandlungen können sich einerseits durch die steuerliche Ungleichbehandlung ökonomisch gleichwertiger Alternativen der Einkommenserzielung ergeben, andererseits durch die Einräumung von Wahl- und Optionsrechten im Steuerrecht37. Dabei kann eine Neutralitätsverletzung bewusst und gewollt oder unbewusst geschehen. Im Folgenden soll es zunächst um beide Arten der Neutralitätsverletzung gehen, da beide aus finanzwissenschaftlicher Sicht grundsätzlich gleich zu beurteilen sind. Eine Alternative aus ökonomischer Sicht stellen die nicht verzerrenden Steuern dar. Bekanntestes Beispiel einer solchen Steuer ist die Kopfsteuer, der sich der Steuerpflichtige nicht durch Verhaltensänderung entziehen kann38. Auch Steuern, die an unveränderliche Merkmale des Steuerpflichtigen (etwa Geschlecht oder Alter) anknüpfen, sind nicht verzerrend39. Eine derartige Steu___________ 34 Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 11; Schlick, Wirtschaftsdienst 2005, 582; vgl. auch Sigloch, StuW 1990, 229, 230; Wagner, StuW 2001, 354, 356; ders., FinArch 44 (1986), 32, 41 ff.; Herzig/Watrin, StuW 2000, 378, 379; s. auch Elschen, StuW 1991, 99, 108 f. 35 Bericht der Meade-Kommission, S. 10; Schwinger, S. 12 f.; ders., StuW 1994, 39, 40; Jachmann, StuW 1998, 193, 197; Wagner, StuW 1992, 2, 4. Vgl. auch Siegel/ Bareis, S. 28; Lammersen, S. 54; Sureth, S. 57 f.; Wagner, ÖStZ 1998, 402, 404; Winner, ÖStZ 1999, 2, 6. Dieses für sich einleuchtende Ergebnis setzt freilich voraus, dass die Märkte fehlerlos funktionieren und so zu einem Optimum führen. In der Wirklichkeit dürften fehlerlose Märkte indes eher die Ausnahme darstellen. 36 Siegel/Bareis, S. 28; Kiesewetter, S. 5; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 190. 37 Wagner, PWP 1, 19, 22 f.; ders., FinArch 44, 32, 37. 38 Andel, Finanzwissenschaft, S.125 f., 142 f.; Bericht der Meade-Kommission, S. 25; Slemrod, in: Economic Effects of Fundamental Tax Reform, S. 355; ders./Bakija, S. 114; Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1913; Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 191; teilweise a. A. Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123 f.: Die Kopfsteuer könne zu lokalen Ausweichreaktionen, etwa zu Auswanderungen, führen. Ähnlich Diekmann/Schütz, AfK 1989, 228, 237. Theoretisch könnte sich der Steuerpflichtige auch durch Suizid der Steuerpflicht entziehen. Auch bei Heranziehung der Eltern für die Steuer ihrer Kinder kann es zu Einflüssen der Steuer auf die Familienplanung kommen. Schmidt, in: HbFinWiss II, S. 119, 155; Sureth, S. 60. Dies gilt allerdings nur dann – und das wird bei der Argumentation leicht übersehen – wenn alle Steuerpflichtigen genügend Mittel zur Verfügung haben, um sowohl ihre Steuerverpflichtungen als auch ihren persönlichen Lebensbedarf abzudecken, was unter Umständen nicht der Fall sein kann. Zutreffend Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 156. 39 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410; vgl. auch Wagner, PWP 7, 19, 23, der von „Pauschalsteuern“ spricht.
C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien
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er wird jedoch ernstlich heute von niemandem mehr für wünschenswert gehalten, obwohl die Kopfsteuer in der von James Mirrlees40 begründeten Theorie der Optimalen Besteuerung („optimal tax theory“)41 noch eine gewisse Rolle spielt42. Sie wäre politisch wahrscheinlich nur schwer durchsetzbar: So führte der Versuch der britischen Regierung, die meisten kommunalen Steuern durch eine sog. Staatsbürgersteuer („poll tax“ oder „Community Charge“) zu ersetzen43, im Jahr 1990 zu einer schweren politischen Krise. Die Pläne mussten aufgrund des heftigen politischen Widerstands bald aufgegeben werden44. Am Beispiel Großbritanniens lässt sich das allgemeine Fazit ableiten, dass Kopfsteuern politisch unattraktiv sind45. Dies lässt darüber hinaus vermuten, dass sie auch zu erheblichem Steuerwiderstand führen würden46, was wiederum zur Ineffizienz des Steuersystems beitragen könnte. Darüber hinaus dürften auch Gerechtigkeitserwägungen gegen die Einführung einer Kopfsteuer sprechen47. Dass es realistischerweise folglich kein nichtverzerrendes Steuersystem geben kann48, darf jedoch nicht zu dem Schluss führen, die Forderung nach Neutralität müsse aufgegeben werden, da sie von vornherein unerreichbar sei49. ___________ 40
Mirrlees, 38 Rev. Econ. Stud. 175 ff.; ders., 6 J. Pub. Econ. 327 ff. Hierzu Holmes, S. 9 ff. 42 Hinterberger/Müller/Petersen, FinArch 45, 45, 47. 43 Hierzu Tipke, StRO I, S. 473 ff.; ders., StRO II, S. 798; ders., Besteuerungmoral und Steuermoral, S. 17; Ward/Zebedee, S. 7; Diekmann/Schütz, AfK 1989, 228 ff.; Seidl, StuW 1988, 93, 94; Weisflog, StuW 1995, 173, 174 f. 44 Hierzu etwa Slemrod/Bakija, S. 55 f. 45 Dziadkowski, BB 1985, IX/1, IX/8; Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 156; Wagner, StuW 1992, 2, 4. 46 Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123. Vgl. auch Folkers, Ursachen der Steuerzahlerrevolte, S. 19 ff. zur ähnlichen Grundsteuer. 47 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 53 f.; König/Wosnitza, S. 147; Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123; Pohmer, in: HbFinWiss I, S. 193, 210. Die Ungerechtigkeit von Kopfsteuern wurde bereits in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts angeprangert. s. Pfeiffer, Die Staatseinnahmen I, S. 72 f.: „Es widerspricht schon dem Gerechtigkeitsgefühle eines Jeden, dass ein Tagelöhner, der vielleicht ein Einkommen von 100 Thlr. hat, genau ebensoviel zahle, wie ein Anderer, der etwa jährlich für 5000 Thlr. Coupons abzuschneiden hat“. Pfeiffer, Die Staatseinnahmen II, S. 122: „schreiende Ungerechtigkeit“. 48 Denn auch alle anderen Arten von nicht verzerrenden Steuern lassen sich nicht umsetzen, wie etwa die Zufallsbesteuerung, die Potenzialbesteuerung oder die Zielgrößenbesteuerung. Ausführlich dazu Lammersen, S. 46. Ebenso Siegel/Bareis, S. 28; Walz, Gutachten F zum 53. DJT, F55. Dies scheint auch Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 67, zu meinen mit der Aussage, nahezu jede Steuer beeinflusse in irgendeiner Form das Verhalten des Einzelnen (eine Auseinanersetzung mit dem Neutralitätspostulat fehlt freilich). Anders aber scheinbar P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 22, der zwar optimale und effiziente Steuersysteme in das Reich der Utopie verweist, nicht aber neutrale. Dies ist vor dem aufgezeigten Hintergrund zweifelhaft. 49 So aber Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 735 ff.; Elschen/ Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 279 f. 41
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§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung
Denn es liegt gerade in der Natur von Idealen, dass sie unerreichbar sind. Ziel aller Bemühungen kann trotzdem sein, dem Ideal möglichst nahe zu kommen; darüber hinaus können mithilfe von Neutralitätsüberlegungen auch Aussagen über bestehende, nicht neutrale Steuersysteme und ihre Lenkungswirkungen getroffen werden50. Daher muss es aus ökonomischer Sicht das Ziel der Steuerpolitik sein, ein Steuersystem zu schaffen, dessen Verzerrungswirkungen möglichst gering sind51. Die mit der Besteuerung einhergehende Zusatzlast soll möglichst minimiert werden52. Dies setzt im Rahmen der Einkommensbesteuerung grundsätzlich voraus, dass alle Einkünfte bei allen Steuerpflichtigen gleich hoch besteuert werden53. Aus ökonomischer Sicht lässt sich somit durchaus begründen, weshalb Steuern keine oder nur möglichst geringe Verzerrungswirkungen haben sollten54. Dies ist für sich betrachtet auch überzeugend. Aus steuerrechtlicher Sicht ist dies allerdings weit weniger anerkannt; hier wird gerade Verhaltenslenkung durch Steuern weitgehend als zulässig, wenn nicht wünschenswert angesehen55. Und auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht kann unter Umständen eine Verhaltenslenkung durch Steuern positiv bewertet werden, nämlich dann, wenn die Steuern mit dem Ziel eingesetzt werden, ein Marktversagen zu korrigieren56. Solche sog. Pigou-Steuern können etwa eingesetzt werden, um externe Effekte57 zu korrigieren58. Dies zeigt, dass der scheinbar unüberwindbare Widerspruch zwischen Wirtschafts- und Rechtswissenschaft nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick scheint. So konzedieren auch die Wirtschaftswissen___________ 50
Haase, in: FS G. Rose, S. 239, 242. Lang, StuW 1990, 107, 115; vgl. auch Jachmann, StuW 1998, 293. A. A. wohl Schmidt, in: HbFinWiss II, S. 119, 154 f.: Die Diskussion um Zusatzlasten bringe nichts. 52 Diekmann/Schütz, AfK 1989, 228, 237. 53 Vgl. Slemrod/Bakija, S. 131. 54 Vgl. aus dem steuerrechtlichen Schrifttum auch Tipke, StuW 2002, 148, 174. 55 In diesem Sinne wohl Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 170 f. unter Verweis auf BVerfG v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 299; Voß, ZRP 2003, 458, 459 f.; Weber-Grellet, ZRP 2003, 279, 284 unter Verweis auf BVerfG v. 24.01.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, 345 f.; BVerfG v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 299; BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73. 56 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410 f.; Bericht der Meade-Kommission, S. 10 f.; Slemrod/Bakija, S. 132 f.; Wagner, StuW 1992, 2, 4. 57 Als externe Effekte werden solche Effekte bezeichnet, die Nutzen (positive externe Effekte) oder Schaden (negative externe Effekte) stiftende Auswirkungen der Produktions- oder Konsumtätigkeiten eines Wirtschaftssubjekts sind, welches hierfür nach dem Stand des Rechts nicht belohnt oder bestraft werden kann. Grossekettler/Hadamitzky/ Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 267 f., 330. Klassisches Beispiel ist etwa die Umweltverschmutzung durch ein produzierendes Unternehmen. Grossekettler/Hadamitzky/ Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 267; vgl. auch Slemrod/Bakija, S. 132 f. 58 Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 410 f.; Feldhoff, S. 89; Slemrod/ Bakija, S. 132 f. 51
C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien
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schaftler, dass die Neutralität der Besteuerung lediglich Aussagen über die Ressourcenallokation erlaubt und notwendige Voraussetzung einer auf die gesamte Volkswirtschaft bezogenen optimalen Ressourcenallokation ist; darüber hinaus sind aber keine weiteren Aussagen möglich, insbesondere nicht über die Verteilung des Vermögens und der Einkommen innerhalb der Volkswirtschaft59. Neutralität und Effizienz sind damit amoralische Kategorien, die nichts über die Verteilungsgerechtigkeit eines Steuersystems aussagen. Folglich kann es zwischen Neutralität/Effizienz einerseits und Verteilungsgerechtigkeit andererseits durchaus zu Konflikten kommen60, die in einer Demokratie nur vom Gesetzgeber entschieden werden können. So verstanden ist die Neutralität des Steuersystems im Ganzen zwar ein aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht wünschenswertes Ziel; der Erreichung dieses Ziels können aber durchaus verteilungspolitische Gründe und damit Gerechtigkeitserwägungen entgegenstehen.
b) Investitions- und Finanzierungsneutralität Als auf einzelne Wirtschaftssubjekte (Investoren) bezogener Teilaspekt der wirtschaftlichen Neutralität weitgehend anerkannt ist, dass Steuern in Bezug auf Investitionen und Finanzierung neutral sein sollten61. Dabei lässt sich ein investitionsneutrales Steuersystem definieren als eines, in dem sich die Rangfolge der Vorteilhaftigkeit mehrerer Realinvestitionen durch die Steuerberücksichtigung nicht ändert62, und in dem eine ohne Berücksichtigung von Steuern vor- oder nachteilhafte Investition auch unter Berücksichtigung der Steuern ihren Charakter als vor- oder nachteilhaft behält63. Die wirtschaftswissenschaftli-
___________ 59
Wagner, StuW 2001, 154, 156. Beiser, Steuern, S. 28; Pollak, in: FS Pohmer, S. 69; Wagner, StuW 2001, 154, 157; a. A. Tipke, StRO I, S. 255: Es sei bisher nicht erwiesen, dass Steuergerechtigkeit und ökonomische Steuereffizienz auseinander fallen müssten. Tipke sei jedoch daran erinnert, dass eine Pauschalsteuer (Kopfsteuer) die ökonomisch effizienteste (und einfachste) Steuer wäre. Dass er diese auch für gerecht hielte, darf jedoch bezweifelt werden. s. auch McCaffery, S. 39 f. 61 Vgl. Kiesewetter, StuW 1997, 24, 25 f.; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 190. 62 Schwinger, StuW 1994, 39, 41; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 190; Wagner, in: Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, S. 261, 266; Wurmsdobler, DStZ 1999, 585, 587. Etwas anders Winner, StuW 2001, 42, 44: Erfordernis gleicher Belastung der zur Wahl stehenden Anlagegüter oder identischer Kapitalkosten und effektiver Grenzsteuersätze. 63 Wala/Riener-Micheler, ÖStZ 2000, 102, 105. 60
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che Lehre stellt in diesem Zusammenhang auf den sog. „Nettokapitalwert“64 einer Investition ab65. Von intersektoraler Neutralität spricht man, wenn das Steuersystem nicht einzelne Branchen oder Anlagearten bevorzugt, sondern alle Arten von Investitionen gleich behandelt66. Damit ist die intersektorale Neutralität ein Unterfall der Investitionsneutralität. Ein Steuersystem lässt sich als finanzierungsneutral bezeichnen, wenn die Wahl zwischen verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten nicht durch steuerliche Gründe beeinflusst wird67.
c) Verwendungsneutralität und intertemporale Neutralität In seiner Ausgestaltung als Verwendungsneutralität erfordert das Postulat der Neutralität, dass die unternehmerische Entscheidung zwischen Ausschüttung und Thesaurierung (= Reinvestition) durch steuerliche Erwägungen nicht verzerrt wird68. Ebenso soll die Entscheidung des Individuums über die Einkommensverwendung, also zwischen Sparen und Konsumieren, nicht verzerrt werden69. ___________ 64 Der Nettokapitalwert (engl. „net present value“) ist ein Maß für die Vorteilhaftigkeit der Zahlungsreihe einer Investition oder Finanzierungsmaßnahme gemessen an einer Vergleichsalternative. Vgl. Braun, in: Becker (Hrsg.), Einführung in die BWL, S 101, 107; Wurmsdobler, DStZ 1999, 585, 586. 65 Kiesewetter, StuW 1997, 24, 25; krit. dazu Elschen/Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 267. 66 Vgl. Winner, ÖStZ 1999, 2, 3, 6. 67 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 204; Seidl, StuW 1989, 350; Wala/Riener-Micheler, ÖStZ 2000, 102, 105; ungenau Birk, Steuerrecht, Rn. 1105, und Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 14, die unter Finanzierungsneutralität nur die Austauschbarkeit von Eigen- und Fremdfinanzierung verstehen. Dies ist zwar aus betriebswirschaftlicher Sicht zutreffend, da hier alle Arten von Eigenkapital und alle Arten von Fremdkapital nach dem Modigliani-Miller-Theorem (s. S. 205) als gleichwertig anzusehen sind. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dies indes ungenau, da eine Differenzierung zwischen einzelnen Arten von Eigen- oder Fremdkapital ebenfalls verzerrend wirkt. Vgl. auch Schmölders, StuW 1949, 767, 782. Zum Teil wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur diese Finanzierungsneutralität als Finanzierungsneutralität im engeren Sinne bezeichnet und noch unterschieden von der Finanzierungsneutralität im weiteren Sinn, die vorliegen soll, wenn zwar der Barwert der Steuerzahlungen der Investoren, nicht aber die jährlichen Steuerzahlungen selbst von der Form der Anlagetitel oder der Finanzierungsstruktur der Unternehmen unabhängig sind. So Swoboda, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 473 f. Diese Unterscheidung bringt jedoch für die folgende Betrachtung keinen Erkenntnisgewinn und soll daher vernachlässigt werden. 68 Elschen/Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 261. 69 Greß/Rose/Wiswesser, S. 19; Elschen/Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 260; Schwinger, StuW 1994, 39, 41; Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik , S. 399, 402.
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Damit ist Neutralität im intertemporalen Sinne angesprochen. Dieser liegt eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung zugrunde70. Sie liegt vor, wenn die Steuer sich nicht verzerrend auf die Konsum-Spar-Entscheidung des Steuerpflichtigen auswirkt71 (dazu ausführlich § 5 D. II. 2. a) aa), S. 192). Denn eine Privatperson kann erzieltes Einkommen entweder für persönlichen Konsum oder zum Sparen (Vermögensbildung, Investition) verwenden72. Aber Konsum, gleich ob sofortiger oder späterer, muss das ultimative Ziel jeglicher Einkommenserzielung sein73, da Sparen kein Selbstzweck ist und regelmäßig nicht aus altruistischen Motiven erfolgt74, sondern lediglich eine zeitliche Verlagerung des Konsums darstellt75. Im Sinne der intertemporalen Neutralität sollte die Besteuerung die Entscheidung des Steuerpflichtigen, ob er sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt konsumiert, nicht beeinflussen.
d) Rechtsform- und Wettbewerbsneutralität Neben der Investitions-, Finanzierungs- und Verwendungsneutralität ist die Rechtsformneutralität ein weiteres wichtiges ökonomisches76 wie rechtliches77 Prinzip der Besteuerung78. Sie ist gegeben, wenn die Steuer auf die Entscheidung des Unternehmers für eine bestimmte Rechtsform keinen Einfluss hat79. Dies setzt wiederum voraus, dass Wirtschaftssubjekte, die miteinander in Wett___________ 70
Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 190. P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 21. 72 Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 89; Pigou, Public Finance, S. 118; McCaffery, S. 12; Bankman/Griffith, 47 Tax L. Rev. 377, 378; Lang, in: FS Kruse, S. 313, 327; Morris, 48 Fla. L. Rev. 159, 172; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 603. Etwas missverständlich Gröpl, FR 2001, 568, 569, der vom „zu Kapitalvermögen geronnenen“ Einkommen spricht. 73 Rose, BB 1992, V/1, V/8. 74 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 22. 75 Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 187. 76 Elschen/Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 257; Haase, in: FS G. Rose, S. 239, 243 ff. 77 Zum möglichen Verfassungsrang des Postulats vgl. BVerfG v. 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, 156 (zur Umsatzsteuer); Hey, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt, Anm. 37 ff.; Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 390 ff.; Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 169; Kirchhof, StuW 2002, 3, 11, 18; ders., StbJb. 2002/03, 7; gegen den Verfassungsrang aber Schneider, DB 2004, 1517, 1519. 78 Hierzu etwa Kister, S. 176 ff.; Jachmann, DStJG 23, 9, 19 ff.; Lang, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 291, 317 f.; Herzig/ Watrin, StuW 2000, 378, 379 f.; Hey, DStJG 24, 155, 157 ff.; Pezzer, DStJG 20, 5, 14; Schön, StuW 2000, 151, 152 f.; Schreiber, WPg. 2002, 557, 563 ff. 79 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rn. 532; Rose, in: Rose, Integriertes Steuerund Sozialsystem, S. 343, 344; s. auch Stapperfend, FR 2005, 74, 76. 71
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bewerb stehen, unabhängig von ihrer Rechtsform gemessen am wirtschaftlichen Erfolg gleich belastet werden80. Damit sind Rechtsform- und Wettbewerbsneutralität eng miteinander verknüpft, wenn auch nicht deckungsgleich81. Denn der Wettbewerb kann auch durch andere als Regelungen über die Rechtsform verzerrt werden. Rechtsformneutralität ist somit ein Teilaspekt von Wettbewerbsneutralität82.
e) Neutralität im verteilungspolitischen Sinn Die Neutralität kann sich aber auch auf das gesamte Steuersystem beziehen und im verteilungspolitischen Sinne gemeint sein. Danach soll Steuerpolitik rein fiskalisch motiviert sein und keinerlei Umverteilungsziele verfolgen83. Im Zeitalter des Sozialstaates und vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Steuerdefinition, die in § 3 Abs. 1 AO ihren einfachgesetzlichen Niederschlag gefunden hat84, und die Lenkungssteuern ausdrücklich zulässt, könnte man zunächst annehmen, dass für das Neutralitätspostulat im verteilungspolitischen Sinne heute kein Raum mehr sei85. Demgegenüber häufen sich aber in neuerer Zeit die Forderungen nach einer Befreiung des Einkommensteuersystems sowohl von Lenkungsnormen86 als auch von Umverteilungsgedanken87. Insofern scheint das Neutralitätspostulat in diesem Sinne neuerdings wieder an Bedeutung zu gewinnen. Ob es sich hierbei allerdings noch um ein aus ökonomischen Gründen zwingendes Postulat handelt, darf bezweifelt werden: Denn die Frage, ___________ 80 Lang, StuW 1990, 107, 115; ders., GmbHR 2000, 453, 459; Jachmann, DStGJ 23 (2000), 9, 28; s. auch Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt Anm. 38. 81 Anders aber Jacobs, WPg 1980, 705. 82 Ebenso Hey, DStJG 24, 155, 158 f.; anders allerdings Vogt, S. 75, der Wettbewerbsneutralität als das Unterbleiben staatlicher Lenkungsmaßnahmen über das Steuerrecht definiert. Bei dieser Definition handelt es sich allerdings um die Definition von Neutralität des gesamten Steuersystems (s. o.). 83 Vgl. Vogt, S. 9; Elschen/Hüchtebrock, FinArch 41, 253, 254; Haase, in: FS G. Rose, S. 239, 242. 84 BVerfG v. 02.10.1973, 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66, 70; BVerfG v. 12.10.1978, 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 353; BVerfG. v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 299; BVerfG v. 06.11.1984, 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 282; BVerfG v. 07.05.1998, 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, 106, 123; Arndt/ Jenzen, S. 47 f.; Birk, Steuerrecht I, § 4 Rn. 5; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 11. 85 In diesem Sinne etwa Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 38; wohl auch Voß, ZRP 2003, 458, 459 f.; Brooks, 21 Dalhousie L.J. 287, 294 f. 86 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 85. 87 Etwa Rose, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 343; Schutter, StW 2001, 147, 148.
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ob Steuern redistributive Wirkung zukommen soll oder nicht, ist letztlich eher eine Frage, die in den Bereich der Steuergerechtigkeit gehört. Dementsprechend soll sie auch dort erörtert werden.
f) Neutralität als rechtliches Kriterium? Rechtswissenschaftler haben das Kriterium der Neutralität bisher eher zurückhaltend übernommen88. So hat das Bundesverfassungsgericht auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts festgestellt, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn eine Umsatzsteuerbefreiung von der Rechtsform abhängig gemacht werde89. Ob sich hieraus bereits schließen lässt, das Bundesverfassungsgericht habe die Grundsätze der Wettbewerbs- und Rechtsformneutralität anerkannt, ist indes zweifelhaft90. So soll nach einer Auffassung der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität auf den Bereich der indirekten Steuern beschränkt und nicht auf direkte Steuern übertragbar sein, da der Grundsatz entscheidend durch die Preisbildung am Markt verwirklicht werde, die nur durch indirekte Steuern unmittelbar beeinflusst werde91. Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil selbstverständlich auch die direkten Steuern die unternehmerische Preispolitik beeinflussen und durch Überwälzung durchaus wettbewerbsrelevant werden können92. Im Einzelnen bleibt aber umstritten, inwieweit der Grundsatz der Rechtsformneutralität verfassungsrechtlich vorgegeben ist93. Nach einer weit verbreiteten Auffassung vermögen unterschiedliche Rechtsformen auch unterschiedliche Besteuerungsformen zu rechtfertigen94. Diese Aussage überzeugt in ihrer Pauschalität kaum. Vielmehr kommt es auf die wirtschaftlichen Folgen der un___________ 88
s. aber Vogt, S. 6 ff. u. S. 76 ff. BVerfG v. 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, 156; dem folgend Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt, Rn. 37; Lang, StuW 1990, 107, 115. 90 Verneinend etwa Stapperfend, FR 2005, 74, 76; bejahend demgegenüber wohl Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 195. 91 Kirchhof, in: HBStR IV, § 88 Rn. 124. 92 Ebenso Vogt, S. 77; Hey, DStJG 24, 155, 160. 93 Hierfür etwa Lang, StuW 1990, 107, 115. 94 BVerfG v. 24.01.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, 339 f.; BVerfG v. 11.11.1964, 1 BvR 488/62, 1 BvR 562/63, 1 BvR 216/64, BVerfGE 18, 224, 235; BVerfG v. 15.07.1969, 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327, 334 f.; BFH v. 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751, 757 f.; BFH v. 14.12.1994, XI R 37/94, BStBl. II 1995, 329, 330; Birk, StuW 2000, 328, 333; Flämig, ZRP 1980, 237, 243 f.; Jachmann, DStJG 23, 9, 41; Pelka, StuW 2000, 389, 392 ff.; Stapperfend, FR 2005, 74, 76 f.; Walz, Gutachten F zum 53. DJT, S. F28 f. 89
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terschiedlichen Rechtsformen an95. Sind diese gleich, so lässt sich auch eine ungleiche Besteuerung nur aufgrund verschiedener Rechtsformen nicht rechtfertigen96, eine Tatsache, auf die das Bundesverfassungsgericht bisher nicht hinreichend eingegangen ist. Rechtsformneutralität erfordert folglich eine gleiche steuerliche Belastung bei gleichen wirtschaftlichen Sachverhalten97. Ob dies bei Kapital- und Personengesellschaften mit gleichem Gewinn gegeben ist, ist umstritten. So sollen die leichtere Veräußerbarkeit von Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie die unterschiedlichen Gewinnverteilungsregeln die wirtschaftliche Gleichheit ausschließen98. Dies vermag kaum zu überzeugen: Sieht man die Gesellschaft selbst als Steuersubjekt an, so kann es keinen Unterschied machen, in welcher Rechtsform diese betrieben wird. Jedenfalls handelt es sich hier um personenbezogene Teilbereiche, die als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes angesehen werden; eine Rezeption des allgemeinen Grundsatzes der Neutralität als systemtragendes Prinzip des Steuerrechts steht demgegenüber noch aus99. Dies erscheint zunächst folgerichtig, wenn man sich vor Augen führt, dass Steuern nach dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff auch andere als fiskalische Ziele, also vor allem Lenkungsziele, verfolgen dürfen (s. o.). Jedoch ist zu beachten, dass sich aus der grundsätzlichen Zulässigkeit von Lenkungsnormen noch nichts darüber ableiten lässt, ob sie auch im konkreten Fall zulässig sind. Lenkungssteuern stellen, wie alle Steuern, Grundrechtseingriffe dar, die sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen müssen, also in der Regel dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen und damit zur Erreichung ihres Ziels unter anderem geeignet und erforderlich sein müssen. Ferner durchbrechen Lenkungstatbestände, gerade im Einkommensteuerrecht, häufig die Allgemeinheit der Steuer, denn Neutralität und horizontale Steuergerechtigkeit sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille (dazu auch § 2 C. II. 3., S. 46). So verstanden bedeutet Neutralität der Besteuerung also Sicherstellung der horizontalen Steuergerechtigkeit und lässt sich somit durchaus verfassungsrechtlich verankern, auch wenn es sich hierbei in erster Linie um eine steuerpolitische Gestaltungsmaxime handelt, deren Beachtung „ein Gebot politischer Vernunft“ ist100. ___________ 95
Zutreffend Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rn. 533; dies., DStJG 24, 155,
163. 96
Ebenso Hey, DStJG 24, 155, 163. Lang, StuW 1990, 107, 116. 98 Schneider, DB 2004, 1517, 1521. 99 s. aber Vogt, S. 84 ff., der Wettbewerbsneutralität mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu begründen versucht. 100 So zutreffend Hey, DStJG 24, 155, 161. 97
C. Effizienz und Gerechtigkeit als ausschlaggebende Kriterien
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2. Erhebungsbilligkeit Der Grundsatz der Erhebungsbilligkeit (auch „Wohlfeilheit“ genannt) besagt, dass es relativ kostengünstig sein sollte, die Steuern zu erheben und einzutreiben101. Zu diesem Grundsatz gehört zum einen, dass es kostengünstig sein sollte, die Steuer zu erheben und zu verwalten. Staatliche Erhebungskosten stellen einen echten Ressourcenverbrauch dar und müssen daher als Verschwendung von Ressourcen („social waste“) angesehen werden102. Die Erhebungskosten – sowohl auf staatlicher Seite wie auf Seiten des Steuerpflichtigen – stellen den zweiten Teil der durch die Besteuerung ausgelösten Zusatzlasten dar. In dem Maße, in dem sich die staatlichen Erhebungskosten verringern lassen, wäre auch ein Rückgang des Aufkommens hinzunehmen und sogar vorzuziehen, da die Ressourcenverschwendung sich verringerte103. Zum anderen sollten auch die beim Steuerpflichtigen entstehenden sog. „compliance costs“ möglichst gering sein. Denn auch diese gehören zum sog. „excess burden“ der Besteuerung und stellen daher eine unproduktive, wohlstandsmindernde Verwendung von Ressourcen dar. Schließlich sollte unter diesen Grundsatz auch gefasst werden, dass die Steuermoral der Bevölkerung möglichst hoch sein sollte104. Gegen den Steuerwiderstand der Bevölkerung ist ein Steuersystem nur mit deutlich erhöhten Kosten, insbesondere mit deutlich erhöhtem Kontrollaufwand, zu administrieren105. Dies ist unwirtschaftlich und damit ineffizient. Hieraus folgt, dass es ein Ziel der Steuerpolitik sein muss dafür Sorge zu tragen, dass eine Steuer von der Öffentlichkeit als möglichst gerecht wahrgenommen wird106.
3. Einfachheit der Steuergesetze und Transparenz Einfachheit und Transparenz der Steuergesetze sind zwei Kriterien, die eng mit der Effizienz des Systems zusammenhängen107. Idealiter sollte ein Steuer___________ 101
Vgl. Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 408. Wagner, PWP 7, 19 f. 103 Wagner, PWP 7, 19 f. 104 Vgl. auch Strümpel, Steuersystem und wirschaftliche Entwicklung, S. 9. 105 Vgl. Birk, Steuerrecht, 8. Aufl., Rn. 1: „Er [der Steuerbürger, Anm. d. Verf.] wird sich umso mehr dagegen [i. e. das Zahlen von Steuern, Anm. d. Verf.] sträuben, je unverständlicher ihm das Steuerrecht, je zufallsabhängiger ihm sein individueller Beitrag zu den Staatsausgaben erscheint. Die Güte des Steuersystems ist nicht nur entscheidend für die allgemeine Steuermoral, sie beeinflusst auch wesentlich das Verhältnis zum Staat“. (Hervorhebung im Original). 106 Lang, FR 1993, 661; Roberts/Hite/Bradley, 58 Pub. Opinion Q. 165, 166 m. w. N. zum Diskussionsstand in den USA. 107 Vgl. Rose, BB 1996, 1085, 1089. 102
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system so konzipiert sein, dass jeder Bürger im Voraus wissen kann, wie hoch seine Steuerschuld ist108. Dies ist auch Grundvoraussetzung dafür, dass der politische Entscheidungsprozess die Präferenzen der Bürger so exakt wie möglich abbilden kann109, dass es nicht zu einer Entfremdung zwischen Steuerbürger und Steuersystem kommt110, was nicht zuletzt auch dafür relevant sein dürfte, eine möglichst große Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erreichen. Dies wiederum dürfte maßgeblich die in der Bevölkerung herrschende Steuermoral beeinflussen. Ist das Steuerrecht besonders kompliziert, und hat die Bevölkerung nicht den Eindruck, dass es zu gleichmäßigen Belastungen führt, so sinkt die Steuermoral und der Steuerwiderstand steigt111.
II. Gerechtigkeit Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Steuersystem gerecht ist, ist kaum eine juristische Frage. Hier spielen vor allem philosophische Auffassungen über Gerechtigkeit und politische Vorstellungen eine Rolle112. Die Frage nach der Gerechtigkeit eines Steuersystems ist daher sehr viel schwieriger zu beantworten als die Frage nach seiner Effizienz.
1. Gerechtigkeit im Steuerrecht Bereits Aristoteles geht in seiner Nikomachischen Ethik ausführlich auf Fragen der Gerechtigkeit ein und definiert das Gerechte als die Achtung vor Gesetz und Gleichheit113. Dies zeigt bereits, dass Gerechtigkeit ursprünglich ein philosophisches Kriterium ist114, kein juristisches oder ökonomisches. Die Forderung nach Gerechtigkeit im Steuerrecht ist nichtsdestoweniger so alt wie die Besteuerung selbst115 und wird heute zumindest von Steuerjuristen nicht mehr angezweifelt116. Weithin besteht die Überzeugung, dass jeder Steuerbürger seinen „gerechten Anteil“ zu den steuerlichen Lasten beitragen sol___________ 108
Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 408; vgl. auch Richner, ASA 73, 593,
597. 109
Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 408. Weber-Grellet, ZRP 2003, 279, 282. 111 Vgl. Blackwell, 20 Seton Hall Legis J. 273, 274 f.; Schutter, StW 2001, 147. 112 Ebenso Slemrod/Bakija, S. 56 f.; vgl. auch Vogel, DStZ 1975, 409, 410. 113 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, Kap. 2 u. 7. 114 Ebenso Holmes, S. 17. 115 Meyer, S. 168; vgl. auch Pollak, in: Bombach/Gahlen/Ott (Hrsg.), Möglichkeiten und Grenzen der Staatstätigkeit, S. 228. 116 Vgl. nur Tipke, StRO I, S. 111; Lang, S. 28. 110
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le117. Wie dieser zu definieren ist, war und ist allerdings umstritten, und die Auffassungen hierzu waren Schwankungen unterworfen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Forderung nach Steuergerechtigkeit als verfassungsrechtliches Gut anerkannt und in Art. 3 Abs. 1 GG verortet118, damit allerdings die Steuergerechtigkeit der Gleichheit der Besteuerung gleichgestellt, was nicht überzeugt119. Denn die Einschätzung, ob ein Steuersystem gerecht ist, hat neben der Gleichmäßigkeit zumindest auch die Sachgerechtigkeit zu beachten120.
2. Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Allen Schwierigkeiten zum Trotz, Gerechtigkeit als juristische Kategorie zu erfassen, hat sich im Bereich des Steuerrechts dennoch ein Grundsatz herausgebildet, der nahezu einhellig als Leitprinzip der Besteuerung akzeptiert wird, nämlich der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit121,122. Dieser folgt nach überwiegender Auffassung im Schrifttum123 und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts124 aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, welcher für den Bereich des Steuerrechts „bereichsspezifisch“125 zu konkretisieren sei126. Das Prinzip der Besteue___________ 117
Vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 11; Greß/Rose/Wiswesser, S. 22 ff. BVerfG v. 14.04.1959, 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 244; BVerfG v. 10.12.1980, 2BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 302; BVerfG v. 28.11.1984, 1 BvR 1157/ 82, BVerfGE 68, 287, 310; BVerfG v. 10.03.1998, 1 BvR 178/98, BVerfGE 97, 332, 346; BVerfG v. 05.02.2002, 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 46; zustimmend wohl Ipsen, Grundrechte, Rn. 765. 119 Ebenso Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 43. 120 Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 42; Tipke, in: FS Kriele, S. 947, 948. 121 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 84; Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 43; Greß/Rose/Wiswesser, S. 22 ff.; Meyer, S. 179; Biergans/Wasmer, FR 1985, 57, 62; v. Bockelberg, BB 1971, 925 ff.; Jachmann, StuW 1998, 293; Lang, FR 1993, 661, 662; ders., in: FS Kruse, S. 313 ff.; Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49; Weber-Grellet, S. 161 ff.; ders., ZRP 2003, 279, 283; Uelner, in: FS Schmidt, S. 23. Einen ideengeschichtlichen Überblick geben Pohmer/Jurke, FinArch 42, 445 ff. 122 Vgl. etwa Moebus, S. 19: „Eindeutig gegen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit spricht sich … kein Rechtswissenschaftler aus“. s. auch Vogel, DStZ 1975, 409, 410. Skeptisch aber Arndt, FS Mühl (1981), S. 17. 123 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 161 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 43; Lang, in: FS Kruse, S. 313, 315; Arndt/Schumacher, NJW 1994, 961, 962; a. A. offenbar Biergans/Wasmer, FR 1985, 57, 62, die das Leistungsfähigkeitsprinzip aus dem Einkommensteuertatbestand ableiten wollen. 124 BVerfG v. 29.5.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 86. 125 So ausdrücklich BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 44; s. auch Kirchhof, in: HbStR V, § 124, Rn. 214. 118
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rung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gelte sogar besonders strikt für die Einkommensteuer127 und verlange eine der wirtschaftlichen Leitungsfähigkeit des Einzelnen entsprechende Belastung128. Ob die Herleitung des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG zu überzeugen vermag, insbesondere ob Art. 3 Abs. 1 GG auf den Gesetzgeber überhaupt Anwendung findet129, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Jedenfalls das Bundesverfassungsgericht und ihm folgend der überwiegende Teil des Schrifttums gehen hiervon aus. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll im Folgenden primär der Untersuchung zu Grunde gelegt werden130.
3. Horizontale und vertikale Steuergerechtigkeit Aus der demnach zu Grunde gelegten Auffassung zur Herleitung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergibt sich allerdings noch keine Lösung des nächsten Problems, nämlich der Begründung ___________ 126
Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 410, 450; Birk, Steuerrecht, Rn. 153. 127 BVerfG v. 03.11.1982, 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319, 344; Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 451. 128 BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerGE 82, 60, 86. 129 Dies wird im Allgemeinen unter Verweis auf Art. 1 Abs. 3 GG bejaht. Vgl. etwa BFH v. 25.09.1953, V 69/53 S, BStBl. III 1953, 332, 333; BFH v. 10.06.1954, V 45/53 S, BStBl. III 1954, 238, 239; BFH v. 28.02.1958, VI 20/58, BStBl. III 1958, 196, 197; Birk, Steuerrecht, Rn. 152; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 52; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 2; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 Rn. 163 ff.; Sachs, Grundrechte, S. 215. Der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 GG und ein Vergleich mit der besonderen Vorschrift des Art. 134 WRV („Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“.) lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob Art. 3 Abs. 1 GG auf Gesetze im Allgemeinen und Steuergesetze im Besonderen anwendbar ist. Auch die Entstehungsgeschichte spricht dagegen, denn ursprünglich sollte Art. 3 Abs. 1 ein weiterer Satz angefügt werden, wonach das Gesetz Gleiches gleich behandeln müsse und Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln könne. Vgl. Materialien zum GG, JöR 1, 1, 72. Die Streichung dieses Satzes, für die keine Gründe überliefert sind, legt den Schluss nahe, dass die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf den Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Vgl. Laule, S. 13. 130 Richtiger wäre allerdings die Heranziehung der Freiheitsgrundrechte, vgl. Kirchhof, StuW 1985, 319, 323 f.; dens., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 17 ff., 21. Der Streit um die dogmatische Herleitung des Leistungsfähigkeitsprinzips spielt für die Konkretisierung des Prinzips allerdings keine Rolle und ist daher unfruchtbar. Arndt, in: FS Mühl, S. 17, 28. Denn jedenfalls herrscht Einigkeit darüber, dass es sich um einen verfassungsrechtlichen Grundsatz handelt, der im Rang eines obersten Rechtsgrundsatzes steht und die gesamte Steuerrechtsordnung prägt. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 21; Lang, in: FS Kruse, S. 313, 315.
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eines bestimmten Aufbaus des Steuersystems. Und in der Tat erscheint es zunächst schwierig, die individuelle Leistungsfähigkeit zu bestimmen oder gar die Leistungsfähigkeit verschiedener Steuerpflichtiger zu vergleichen131. Anders gewendet: Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit lässt viele unterschiedliche Gestaltungen der Einkommensteuer zu132. Es kann daher zunächst nur als Gegenstück zur Äquivalenztheorie gesehen werden, wonach jeder Bürger nach Maßgabe der vom Staat empfangenen Leistungen zur Steuer herangezogen werden soll133 (dazu § 5 D. I. 2. b) aa), S. 152). Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip soll es hierauf nicht ankommen, sondern darauf, wie leistungsfähig der einzelne Bürger ist, um zum Gemeinwesen beitragen zu können. Der gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip erhobene Vorwurf der Inhaltsleere134 und der Nutzlosigkeit135 ist allerdings unzutreffend136. Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann nämlich weiter verfeinert werden, um aus ihm Aussagen für die Ausgestaltung der Besteuerung treffen zu können. Aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lassen sich zwei weitere Besteuerungsgrundsätze ableiten, nämlich der Grundsatz der horizontalen und der Grundsatz der vertikalen Steuergerechtigkeit137. Hierbei handelt es sich um ursprünglich finanzwissenschaftliche Grundsätze138, deren Geltung für das deutsche Steuerrecht heute indes nicht mehr bezweifelt wird139. Normative Anknüpfung für beide Grundsätze ist im deutschen Recht nach fast einhelliger Auffassung Art. 3 Abs. 1 GG140. ___________ 131
Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 84. Lang, StuW 1990, 107, 112; ders., FR 1993, 661, 666; Schlick, Wirtschaftsdienst 2005, 582, 583; Schmidt, FinArch 26, 385, 392; Vogel, DStZ 1975, 409, 410. 133 Vgl. hierzu Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 11 ff.; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139 f. 134 Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 64; vgl. auch Simons, S. 17; Murphy/Nagel, S. 140; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 39 ff.; Arndt, in: FS Mühl, S. 17, 29. 135 Gassner/M. Lang, ÖStZ 2000, 643 f.; vgl. auch Littmann, FS Neumark, S. 113 ff. 136 Ebenso Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 480; Ossenbühl, S. 91; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139, 140 f. 137 Mankiw, Volkswirtschaftslehre, S. 278; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 19 f.; Beaudry, 9 Okla. City U. L. Rev. 219, 226; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139, 140. 138 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 51; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn 75 unter Verweis auf Pollak, in: Bombach/Gahlen/Ott (Hrsg.), Möglichkeiten und Grenzen der Staatstätigkeit, S. 228 ff. 139 So wird die Geltung der Grundsätze bejaht von BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 89 f.; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 75; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 47; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 156; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 51. 140 Birk, Steuerrecht, Rn. 155; Lang, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83, 86 f. 132
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§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung
Der Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit besagt, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden141. Somit folgt aus diesem Grundsatz, dass im Rahmen der Einkommensbesteuerung möglichst alle Formen wirtschaftlichen Einkommens erfasst und gleich behandelt werden sollten, da sie alle die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen142. Horizontale Steuergerechtigkeit und Neutralität sind folglich eng miteinander verknüpft (siehe auch § 2 C. I. 1. f), S. 40). Nach dem Grundsatz der vertikalen Steuergerechtigkeit sind Steuerpflichtige mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich hoch zu besteuern143. Aus dem Grundsatz der vertikalen Steuergerechtigkeit folgt allerdings noch nicht, wie vereinzelt vertreten wird144, dass das Einkommensteuersystem progressiv ausgestaltet sein muss145. Der Grundsatz besagt nämlich gerade nicht, dass Steuerpflichtige mit höherer Leistungsfähigkeit auch einen prozentual höheren Beitrag leisten müssen als Steuerpflichtige mit niedrigerer Leistungsfähigkeit, obwohl diese Forderung durchaus prima facie eine gewissen „natürliche Logik“ für sich in Anspruch nehmen kann146. Dieser Frage wird im Zusammenhang mit der Erörterung des Steuertarifs nachzugehen sein. Auch sagt der Grundsatz nichts darüber aus, was Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sein soll, Vermögen, Einkommen oder Konsum147, wie also die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit am besten zu messen ist148. Ein Zugriff auf das Einkommen lässt sich unter Hinweis auf das hiermit verbundene Bedürfnisbefriedigungspotenzial beim Entstehen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit149 rechtfertigen, ein Zugriff auf den Konsum unter Verweis ___________ 141 BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 89; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165, 170; ders., Steuerrecht, Rn. 155; Mankiw, Volkswirtschaftslehre, S. 279; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 19; Bericht der Meade-Kommission, S. 12; Holmes, S. 14, 19; Arndt/Schumacher, NJW 1994, 961, 962; Beaudry, 9 Okla. City U. L. Rev. 219, 226; Pollak, in: Bombach/Gahlen/Ott (Hrsg.), Möglichkeiten und Grenzen der Staatstätigkeit, S. 228; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186; Schwinger, StuW 1994, 39, 44. 142 Vgl. Richner, ASA 73, 593, 597. 143 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 f.; ders., Steuerrecht, Rn. 155; Mankiw, Volkswirtschaftslehre, S. 278 f.; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 19; Pollak, in: Bombach/Gahlen/Ott (Hrsg.), Möglichkeiten und Grenzen der Staatstätigkeit, S. 228 f. 144 Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 759; Gräzer, Steuerrevue 2001, 309; Vogel, DStZ 1975, 409, 411 f.; vgl. auch Bericht der Meade-Kommission, S. 12; Holmes, S. 19. 145 Ebenso Mankiw, Volkswirtschaftslehre, S. 278. 146 Holmes, S. 19 und Blum/Kalven S. 5 sprechen vom „intuitive appeal“ dieser Vorstellung. s. auch Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2, Art. 1 (S. 446): „It is not very unreasonable that the rich should contribute to the public expense not only in proportion to their revenue, but something more than in proportion“. 147 Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, S. 52; Lang, in: FS Kruse, S. 313, 326. 148 Schwinger, StuW 1994, 39, 44. 149 Lang, in: FS Kruse, S. 313, 327.
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auf die tatsächlich erfolgte Bedürfnisbefriedigung, also auf den Endzweck von Einkommenserzielung und Vermögensbildung150. Dies wird im Zusammenhang mit der Frage nach dem Steuerobjekt der Flat Tax eine Rolle spielen. Dass der Grundsatz der vertikalen Steuergerechtigkeit somit nur wenig konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung des Steuertarifs macht, spricht nicht gegen den Grundsatz als solchen. Denn es entspricht der Natur von Grundsätzen, dass sie bei ihrer Umsetzung Spielräume eröffnen; anderenfalls handelte es sich bereits um feste Regeln151.
4. Steuerfreiheit des Existenzminimums Zu einer gerechten Steuer gehört auch die Steuerfreiheit des zum Leben Notwendigen, des Existenzminimums152. Diese Einsicht, die in neuerer Zeit durch zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wieder deutlicher in den Blickpunkt gerückt ist153, ist indes keine neue Erkenntnis. Denn bereits Thomas von Aquin154 und Leonardus Lessius155 forderten eine gewisse Mäßigung bei der Besteuerung, denn das Lebensnotwendige könne man nicht entziehen. Der Ursprung der Steuerfreiheit des Existenzminimums dürfte sogar noch älter sein und bis in biblische oder griechisch-römische Zeiten zurückreichen156. In der modernen Terminologie des Bundesverfassungsgerichts ausgedrückt verlangt er, dass der Staat dasjenige, was er dem Einzelnen zur Sicherung des Existenzminimums gewähren müsste, auch nicht besteuern darf157. Es handelt sich hierbei um ein steuerjuristisch fundiertes Kriterium, nicht um ein ökonomisches Effizienzkriterium. Denn nach ökonomischer Vorstellung könnte die Leistungsfähigkeit auch oder sogar in erster Linie in der Mittelverwendung zur Befriedigung des existenznotwendigen Bedarfs zum Ausdruck kommen158. ___________ 150
Lang, in: FS Kruse, S. 313, 327. Vgl. auch Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 480. 152 Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 474; Meyer, S. 290 ff.; Richner, ASA 73, 593, 613. 153 BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 ff.; BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, 233. 154 Zitiert nach Synan, in: Vademecum, S. 35, 37. 155 Lessius, Lib. II, Cap. 33, 6. 156 Dziadkowski, BB 1995, 278, 279. 157 BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 171; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 137; Lang, S. 191 ff.; ders., StuW 1990, 107, 117; Söhn, FinArch 46, 154, 169. 158 Jachmann, StuW 1998, 293 f.; Schneider, FinArch 1979, 26, 39. 151
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§ 2 Prinzipien der Einkommensbesteuerung
D. Fazit Sind demnach Gerechtigkeit und Effizienz die beiden Kriterien, an denen sich ein Steuersystem messen lassen muss, so ist doch auch darauf hinzuweisen, dass zwischen diesen beiden Prinzipien ein Zielkonflikt besteht, der nach einer Entscheidung verlangt159. Die einseitige Ausrichtung hin auf Effizienz160 selbst bedarf dabei ebenso einer besonderen Begründung wie jede andere Entscheidung, denn auch sie setzt eine bestimmte Wertung161 voraus und ist keineswegs wertungsfrei162
___________ 159
Vgl. schon Meyer, S. 170. Vgl. etwa Thuronyi, 46 Tax L. Rev. 45, 54. 161 Nämlich die Wertung, dass sich das Einkommensteuersystem nur an ökonomischen Prinzipien orientieren sollte und Gerechtigkeitsvorstellungen unbeachtet bleiben sollten. 162 Ebenso Bareis, StuW 2002, 135, 136. 160
§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif Deutscher Tradition entspricht es, Steuern durch vier Merkmale zu charakterisieren: Steuersubjekt, Steuerobjekt, Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif1. Hieran anknüpfend sollen theoretische Möglichkeiten der Ausgestaltung dieser vier Merkmale im Rahmen der Einkommensbesteuerung aufgezeigt werden.
A. Steuerobjekt Steuerobjekt oder Steuergegenstand ist diejenige Sache, Handlung oder Geldsumme, auf deren physische, ökonomische oder rechtliche Erscheinungsform der Steuerzugriff gerichtet ist2. Mit anderen Worten: Es geht um den Gegenstand, der der Besteuerung unterliegt oder um die Frage, was der Steuer unterworfen wird.3 Steuerobjekt der Einkommensteuer ist folglich das Einkommen, derzeit definiert in § 2 Abs. 1, 5 EStG. Dieser so einfach anmutende Befund löst aber bei genauerer Betrachtung Schwierigkeiten in zweierlei Hinsicht aus, nämlich einerseits bei der theoretischen Definition von „Einkommen“, andererseits bei der Abgrenzung vom Konsum als Objekt einer – konsumorientierten – Einkommensteuer.
I. Definition von „Einkommen“ Bei dem Versuch einer Definition des Begriffs „Einkommen“ treten Schwierigkeiten auf. Einkommen kann sich (mindestens) nach der Quellentheorie, der Reinvermögenszugangstheorie oder der Markteinkommenstheorie bemessen4.
___________ 1
Vgl. Tipke, StuW 2002,148, 158. Die anglo-amerikanische Steuerrechtswissenschaft kennt demgegenüber die Differenzierung zwischen Steuerobjekt und Bemessungsgrundlage nicht, sondern verwendet den umfassenden Begriff „tax base“. s. McCaffery, S. 10. 2 Reding/Müller, Allgemeine Steuerlehre, S. 79. 3 Birk, Steuerrecht, Rn. 97. 4 Ausführlich hierzu Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 90 ff.; Holmes, S. 55 ff.
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§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Die Quellentheorie, die auf Bernhard Fuisting und sein 1902 erschienenes Werk „Die Preußischen direkten Steuern“5 zurückgeht, definiert Einkommen als „die Gesamtheit der Sachgüter, die in einer bestimmten Periode (Jahr) dem Einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse für sich und für die auf den Bezug ihres Lebensunterhalts von ihm gesetzlich angewiesenen Personen (Familie) zur Verfügung stehen“6. Einkommen wird also beschränkt auf den Ertrag aus bestimmten „dauernden Quellen“; Wertsteigerungen der Quellen selbst bleiben dabei außer Betracht. Im Gegensatz dazu erfasst die Reinvermögenszugangstheorie auch Wertsteigerungen der zur Einkommenserzielung eingesetzten Quellen. Nach der auf Georg von Schanz7 zurückgehenden Theorie soll grundsätzlich jeder Vermögenszugang erfasst und besteuert werden8 („Totalität des Einkommens“9). Dabei sollen drei Komponenten des Einkommens erfasst werden, nämlich „alle Reinerträge“10, „alle Anfälle und Zuwendungen Dritter“11 sowie die „Nutzungen“12. Die Bemessungsgrundlage soll durch Vermögensvergleich zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt werden. Inwieweit indes das Erfordernis der Realisation dabei eine Rolle spielen soll, wird zumindest bei von Schanz nicht deutlich13; streng genommen ist das Erfordernis der Realisierung mit dem Wesen der Reinvermögenszugangstheorie auch nicht zu vereinbaren, da es doch nur auf Wertsteigerungen im Vermögen ankommen soll und nicht darauf, ob diese auch realisiert werden14. Dementsprechend werden nach der Weiterentwicklung des Schanz’schen Konzepts durch die Formel von Haig/Simons, nach der Einkommen die Summe ist aus Konsumausgaben in einer Periode und der Änderung des Vermögens vom Anfang bis zum Ende der Periode15, auch unrealisierte Vermögensmehrungen als steuerbar angesehen16. Das deutsche Einkommensteuerrecht folgt ___________ 5 Fuisting, S. 110; hierzu Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. EStG Anm. 11; Tipke, StRO II, S. 627; Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 108. 6 Fuisting, S. 110. 7 v. Schanz, FinArch 13 (1896), 1 ff. 8 Birk, Steuerrecht, Rn. 21; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186. 9 v. Schanz, FinArch 13 (1896), 1, 7. 10 v. Schanz, FinArch 13 (1896), 1, 24. 11 v. Schanz, FinArch 13 (1896), 1, 7. 12 v. Schanz, FinArch 13 (1896), 1, 23. 13 Vgl. v. Schanz, FinArch 13 (1896), 1, 44. 14 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 93. 15 Simons, S. 50. s. auch McCaffery, S. 12. 16 Simons, S. 50 f.
A. Steuerobjekt
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dem allerdings nicht: Wertsteigerungen des Vermögens bleiben grundsätzlich unbeachtlich, solange keine Realisierung erfolgt. Nach der auf Hans Georg Ruppe17 zurückgehenden18 Markteinkommenstheorie ist das entgeltliche Verwerten von Leistungen am Markt Charakteristikum der meisten Einkunftsquellen des Einkommensteuergesetzes. Aus dieser ursprünglich lediglich als Auslegungshilfe für das bestehende Einkommensteuerrecht gedachten Theorie19 hat sich mittlerweile ein eigenständiger Begründungsansatz für den einkommensteuerlichen Zugriff des Staates auf das Einkommen entwickelt20. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Anknüpfung am Einkommen als Besteuerungsgegenstand erhebliche Probleme bei der praktischen Umsetzung bereitet. Der Steuergesetzgeber hat keine der drei Theorien in ihrer Reinform umgesetzt, was zu Widersprüchlichkeiten innerhalb des geltenden Einkommensteuerrechts geführt hat, die sich bei einem Festhalten am Einkommen als Besteuerungsgegenstand auch nicht ohne weiteres beseitigen lassen.
II. Konsumsteuer Eine direkte Steuer im Gewand einer Einkommensteuer kann auch lediglich den Konsum des Steuerpflichtigen als Steuerobjekt erfassen. Man spricht dann – im Gegensatz zur „klassischen“ Kapitaleinkommensteuer21 – von einer konsumorientierten Einkommensteuer. Erzieltes Einkommen kann entweder für persönlichen Konsum oder zum Sparen verwendet werden (§ 2 C. I. 1. c), S. 37). Während eine Kapitaleinkommensteuer auf beide Einkommensteile zugreift, die Einkommensverwendung also irrelevant ist für die Frage des steuerlichen Zugriffs, unterscheidet sich eine konsumorientierte Einkommensteuer dadurch, dass sie lediglich auf den für konsumtive Zwecke verwendeten Teil des Einkommens zugreift und Beträge, die zum Sparen verwendet werden,
___________ 17
Ruppe, DStJG 1, 7, 16. Tipke, StRO II, S. 628; a. A. Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 368: Finanzwissenschaftlicher Ursprung. 19 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 111. 20 Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 363 ff.; Tipke, StRO II, S. 628; Jakob, Einkommensteuer, Rn. 3; Wendt; DÖV 1988, 710, 714 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 18 f.; Biergans/Stockinger, FR 1982, 1, 5; Wittmann, StuW 1993, 35, 36 ff.; Siegel/Schneider, DStR 1994, 597, 601. 21 Tipke, StRO II, S. 638. 18
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§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
steuerfrei belässt22. Eine Kapitaleinkommensteuer erfasst also das konsumierbare Einkommen des Steuerpflichtigen23, während eine Konsumeinkommensteuer lediglich den konsumierten Teil des Einkommens besteuert. Der Konsum kann dabei direkt gemessen werden, was zur persönlichen Ausgabensteuer führte. Diese ist indes nur schwer umsetzbar, denn sie erforderte eine detaillierte Buchführung aller Steuerpflichtigen über alle Ausgaben24. Konsum kann aber indirekt gemessen werden, und zwar entweder durch eine allgemeine Steuer auf Konsumgüter (USt)25 oder dadurch, dass vom persönlichen Einkommen die für Sparzwecke verwendeten Beträge abgezogen werden26, da Einkommen nur für Konsum oder zum Sparen verwendet werden kann (s. S. 37). Wird das Sparen folglich bei Realisierung der letztgenannten Variante steuerfrei gestellt, so wird erreicht, dass die Rendite27 vor und nach Steuern identisch ist28. Die Steuerfreiheit des Sparens lässt sich auf Haushaltsseite (also unter Vernachlässigung von Unternehmen) grundsätzlich auf zwei unterschiedliche, aber theoretisch gleichwertige Arten erreichen, nämlich die Spar- und die Zinsbereinigung29: Zum einen können aus dem an sich steuerpflichtigen Einkommen stammende, aber investierte Beträge, die der Steuerpflichtige zum Sparen auf besondere Konten zurücklegt, solange steuerfrei gestellt werden, bis diese Beträge für privaten Konsum abgehoben werden („Entsparen“). Die Zinsen, die das zurückgelegte Geld erbringt, werden im Moment des Entsparens voll besteuert. Die Methode der Sparbereinigung zeichnet sich also durch den sofortigen Abzug von Investitionen von der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger ___________ 22
Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 21; Bradford, 39 Tax Notes 383, 384; Burke, 70 Tax Notes 899; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 603; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2004; Yin, 2 Fla. Tax Rev. 445, 452. 23 Lang, FR 1993, 661, 669. 24 Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 466; Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 354. 25 Vgl. Schmidt/Wissel/Stöckler, 50 Bull. for Int’l Fiscal Documentation, 155. 26 Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 466; Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 354; Schwinger, StuW 1994, 39, 46; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2004. 27 Rendite wird hier im allgemeinen Wortsinn als relative Wertsteigerung in einer bestimmten Periode verstanden. 28 Bradford, 39 Tax Notes (1988), 383, 384; Burke, 70 Tax Notes 899; Graetz, 67 Tax Notes 1256, 1257. 29 Hierzu Bradford, Blueprints, S. 103, 110 ff.; Greß/Rose/Wiswesser, S. 19; Kiesewetter, S. 25 ff.; McCaffery, S. 15 f.; Keil, StB 1996, IV/1, IV/ 6; Lang, DStJG 24, 49, 79 ff. m. w. N.; Rose, BB 1992, V/1, V/6 f.; ders., in: Baron/Handschuch (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, S. 65, 74 f.; Wiegard, ifo-Schnelldienst 21/2000, S. 8, 9 f.; Wagner, StuW 2001, 354, 360; unklar Weber-Grellet, ZRP 2003, 279, der offenbar davon ausgeht, beide Arten sollten kumulativ verwirklicht werden.
A. Steuerobjekt
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Besteuerung von nicht reinvestierten Investitionsgewinnen aus. Man könnte insofern auch von „nachgelagerter“ Besteuerung sprechen30. Zum anderen kann das Arbeitseinkommen zunächst voll besteuert werden, dies jedoch bei gleichzeitiger Steuerfreistellung von Zinsen und Kapitalerträgen31. Diese Methode der Zinsbereinigung mag für den Fiskus vorteilhafter sein, da der Zeitpunkt der Steuerzahlung vorverlagert wird32 und die Besteuerung des investierten Teils nicht von der Konsumentscheidung des Steuerpflichtigen abhängig ist33. Insofern spricht man auch vom Prepayment-Ansatz34 oder „vorgelagerter“ Besteuerung35. Beide Varianten sind theoretisch gleichwertig36, jedenfalls unter folgenden Voraussetzungen: (1) Kapitalerträge unterfallen demselben Steuersatz wie Arbeitseinkommen, denn dann ist unerheblich, ob Kapital, das um die Einkommensteuer gemindert wurde, steuerfrei angelegt wird, oder ob ungemindertes Kapital angelegt wird, dessen Zinsen jedoch voll besteuert werden. (2) Die Märkte, insbesondere die Kreditmärkte, sind vollkommen37. Denn nur dann ist es für den Staat unerheblich, wann der steuerliche Zufluss erfolgt; bei der Methode der Sparbereinigung müsste er zunächst Einnahmeausfälle durch Kreditaufnahmen oder auf andere Art überbrücken. Dies führt zu einem Nullsummenspiel im Vergleich zur Zinsbereinigung nur bei vollkommenen Kreditmärkten. ___________ 30
So Dorenkamp, StuW 2000, 122 f.; Gröpl, FR 2001, 568, 569. Schwinger, StuW 1994, 39, 46. 32 Keil, StB 1996, IV/1, IV/6; Rose, in: Oberhauser (Hrsg.), Probleme der Besteuerung I, S. 99, 103. 33 Ähnlich Lang, DStGJ 24, 49, 81. 34 McCaffery, S. 16; Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 91; Rose, BB 1992, V/1, V/8; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 375 (Fn. 46); Schwinger, S. 177; ders., StuW 1994, 39, 46. 35 Gröpl, FR 2001, 568, 569. 36 Mathematisch lässt sich dies an folgendem Beispiel verdeutlichen (s. auch Rose, in: Baron/Handschuch (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, S. 65, 74; ders., in: Oberhauser (Hrsg.), Probleme der Besteuerung I, S. 99, 101 ff.): Beträgt das Arbeitseinkommen 100 und der persönliche Steuersatz 30 %, so ergeben sich folgende Möglichkeiten: Nach der Methode der Sparbereinigung investiert der Steuerpflichtige 100, beispielsweise auf einem besonderen Sparkonto. Der gesamte Betrag bleibt zunächst steuerfrei. Liegt der Zinssatz bei 10 %, so erhält der Steuerpflichtige am Ende des Jahres einen Ertrag von 10, der mit 30 % besteuert wird. Sein Vermögen wächst also um 7. Entschließt sich der Steuerpflichtige gleichzeitig, seinen Kapitalgrundstock abzuheben, so findet eine Nachversteuerung des gesamten Investitionsbetrages statt. Der Steuerpflichtige erhält daher insgesamt 77 ausbezahlt. Nach der Methode der Zinsbereinigung wird der Steuerpflichtige zunächst mit seinem gesamten Einkommen der Einkommensteuer unterworfen. Er kann nun nicht mehr 100, sondern lediglich 70 anlegen. Auf die 70 erhält er 10 % Zinsen, die er steuerfrei vereinnahmen kann. Am Ende des Jahres steht dem Steuerpflichtigen folglich ebenfalls ein Vermögen von 77 zur Verfügung. 37 Schwinger, S. 177 ff.; ders., StuW 1994, 39, 46; Niehus, DStZ 2000, 697, 699. 31
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§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Auch für den Investor sind beide Methoden nur dann gleichwertig, wenn der Zinssatz, mit dem auf- oder abgezinst wird, und die Rendite gleich hoch sind, was ebenfalls nur bei vollkommenen, im Gleichgewicht befindlichen Märkten der Fall sein dürfte38. (3) Der persönliche Steuersatz des Steuerpflichtigen darf sich im Laufe der Jahre nicht ändern39; Veränderungen sind insbesondere denkbar aufgrund der Progression, etwa wenn das Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen im Laufe der Zeit stark schwankt, oder aufgrund politischer Änderungen des Steuersatzes. Die Annahme vollkommener Kreditmärkte sowie eines konstanten Steuersatzes lässt die Gleichwertigkeit beider Modelle in der Praxis zumindest zweifelhaft erscheinen. Werden Unternehmen in die Betrachtung einbezogen, so ist erforderlich, dass diesen gestattet wird, gezahlte Löhne und Gehälter von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, wenn diese bei den Individuen, also auf der Haushaltsseite, besteuert werden. Zum anderen muss den Unternehmen auch gestattet sein, Investitionen sofort und in voller Höhe steuermindernd in Ansatz zu bringen40. Dies ist gleichbedeutend mit einer Steuerfreistellung von Einkommen aus neuen Investitionen41.
III. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt, dass sowohl das Einkommen wie auch der Konsum im Rahmen der Besteuerung Anknüpfungspunkt für den steuerlichen Zugriff sein können. Eine klassische, kapitalorientierte Einkommensteuer lässt sich durch Freistellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in eine konsumorientierte Steuer umwandeln.
B. Bemessungsgrundlage Bemessungsgrundlage ist die numerische Quantifizierung des Steuerobjekts42. Grundsätzlich ergibt sich die Bemessungsgrundlage aus dem Wert des Steuerobjekts. Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist das zu versteuernde Einkommen nach §§ 2 Abs. 5 Satz 1 HS 2, 32 a ff EStG. ___________ 38
Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 91. McCaffery, S. 16; Murphy/Nagel, S. 101. 40 Toder, 66 Tax Notes 2003, 2004. 41 Toder, 66 Tax Notes 2003, 2004. 42 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7 Rn. 27, 31; Reding/Müller, Allgemeine Steuerlehre, S. 79; wohl auch Birk, Steuerrecht, Rn. 97. 39
B. Bemessungsgrundlage
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Bei der Übersetzung des Steuerobjekts „Einkommen“ in eine Rechengröße gibt es eine Vielzahl von Ausgestaltungsmöglichkeiten; ferner sind in der Regel auch zahlreiche Subsumtionsschritte erforderlich43. So kann das Einkommen durch unterschiedliche Einkunftsarten erfasst werden, oder eine Generalklausel kann zur Anwendung gelangen. Findet eine Aufteilung in mehrere Einkunftsarten statt, so können sich an die Unteilung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen, oder das Gesetz kann alle Einkunftsarten demselben Rechtsregime unterwerfen. Im ersten Fall spricht man von „synthetischer“ Einkommensteuer, im zweiten Fall von „schedulärer“ Einkommensteuer. Ein Unterfall der Schedulensteuer ist die duale Einkommensteuer, die zwischen Kapitaleinkünften und Arbeitseinkünften unterscheidet44. Bei den Produktionsfaktoren, die Einkommen generieren, werden die beiden Faktoren Arbeit und Kapital unterschieden, wobei Arbeitseinkommen solches ist, das aus unselbstständiger Arbeit zufließt, und Kapitaleinkommen solches, das aus Unternehmertätigkeit oder Vermögen gewonnen wird45. Ferner ist die Behandlung erwerbssichernder und persönlicher zwangsläufiger Aufwendungen festzulegen. Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt grundsätzlich, dass nur solches Einkommen besteuert wird, das dem Steuerpflichtigen tatsächlich zur Verfügung steht, sog. Nettoprinzip46. Ob jenes ein Subprinzip47, Ausfluss48 oder wesensgebendes Element49 des Leistungsfähigkeitsprinzips ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich; es ist jedenfalls als Teilaspekt darin enthalten. In objektiver Hinsicht verlangt das Nettoprinzip, dass steuerliche Leistungsfähigkeit erst dort beginnt, wo von den erzielten Roheinnahmen die erwerbsnotwendigen und -sichernden Aufwendungen abgezogen worden sind. Anders gewendet: Leistungsfähigkeit entsteht erst dann, wenn der Einkommensbezieher seine Erwerbsvoraussetzungen geschaffen hat50. Daher sind bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens eines Steuerpflichtigen in objektiver Hinsicht diejenigen Beträge nicht zu berücksichtigen, die zur Schaffung oder ___________ 43
Birk, Steuerrecht, Rn. 97. Hierzu Schreiber/Finkenzeller/Rüggeberg, DB 2004, 2767 ff. 45 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 6; McCaffery, S. 23; s. auch Birk, Steuerrecht, Rn. 94 g. Im volkswirtschaftlichen Sinne ist Kapitaleinkommen folglich nicht identisch mit Einkünften aus Kapitalvermögen im einkommensteuerrechtlichen Sinne. 46 Birk, Steuerrecht, Rn. 154; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 126. 47 Vgl. BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 96; Birk, Steuerrecht, Rn. 154; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 14. 48 Tipke, StRO II, S. 763; Walz, S. 112. 49 Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818, 1820. 50 Vgl. BVerfG v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290 f.; BVerfG v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, 310. 44
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§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Erhaltung einer Einkommensquelle aufgewendet wurden (sog. objektives Nettoprinzip)51. Auch der Ausgleich von Verlusten, die in anderen Veranlagungszeiträumen angefallen sind, ist Teilaspekt des objektiven Nettoprinzips. Ähnlich wie das objektive Nettoprinzip soll auch das subjektive Nettoprinzip52 sicherstellen, dass nur disponibles Einkommen der Steuer unterworfen wird53 und so die horizontale Steuergerechtigkeit verwirklichen54. Anders als das objektive Nettoprinzip bezieht es sich dabei nicht auf erwerbsbezogene Aufwendungen, sondern auf Aufwendungen aus der Privatsphäre des Steuerpflichtigen. Danach müssen die unvermeidbaren und damit zwangsläufigen Privataufwendungen des Steuerpflichtigen zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden55.
C. Steuersubjekt Steuersubjekt ist dasjenige Rechtssubjekt, dem ein Steuerobjekt und damit die Steuerschuld zugerechnet wird56. Im Rahmen der Einkommensteuer kommen in diesem Zusammenhang neben natürlichen Personen, Personenmehrheiten (Personengesellschaften, Haushalte) und rechtsfähigen Gesellschaften auch Unternehmen beliebiger Rechtsform in Betracht57. Die im deutschen Steuerrecht klassische Unterteilung in Besteuerung natürlicher Personen (EStG) und Besteuerung von Körperschaften (KStG) bei einkommensteuerlicher Transparenz der Personengesellschaften ist folglich nicht zwingend.
___________ 51
Birk, Steuerrecht, Rn. 154; vgl. auch Tipke, StRO II, S. 762 f. Auch „privates Nettoprinzip“ genannt; vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn 113. 53 Allgemein hierzu Lang, S. 517 ff.; ders., StuW 1990, 331 ff.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 134 ff.; ders., in: FS Badura, S. 331 f.; Dziadkowski, DStZ 1987, 131; Esser, DStZ 1994, 517 ff.; Homburg, FinArch 52, 182 ff.; Schemmel, StuW 1993, 70 ff.; Söhn, FinArch 46, 154 ff.; ders., FinArch 51, 372 ff.; Uelner, in: FS Schmidt (1993), S. 21 ff. 54 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 80. 55 BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 87; BVerfG v. 12.06.1990, 1 BvL 72/86, BVerfGE 82, 198, 207; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 69; Tipke, StRO II, S. 785; Beschlüsse des 57. DJT (1988), S. N214; vgl. auch Uelner, in: FS Schmidt, S. 23, 25. 56 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7 Rn. 22; vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 96. 57 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7 Rn. 22. 52
D. Tarif
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D. Tarif Der Steuertarif58 verknüpft die Bemessungsgrundlage mit der zu entrichtenden Steuerschuld, stellt somit also die funktionale Beziehung zwischen Bemessungsgrundlage und zu entrichtender Steuerschuld dar59. Der Steuertarif ergibt sich in der Regel aus komplexen gesetzlichen Regeln. Diese beziehen sich auf die Höhe der Belastung der Bemessungsgrundlage und sind unabhängig vom Vorliegen besonderer subjektiver oder objektiver Umstände60. Drei mögliche Tariftypen sind denkbar, jeweils abhängig von der Entwicklung des durchschnittlichen Steuersatzes bei wachsender oder sinkender Bemessungsgrundlage: progressive, regressive und proportionale Tarife.
I. Proportionaler Tarif Ein proportionaler Tarif ist gekennzeichnet durch einen konstanten durchschnittlichen Steuersatz61. Bei wachsender Bemessungsgrundlage ändert sich folglich der durchschnittliche Steuersatz nicht, das Verhältnis von Steuerschuld und Bemessungsgrundlage bleibt gleich. Hieraus folgt auch, dass Durchschnitts- und Grenzsteuersatz bei einem proportionalen Tarif gleich sind62. Deswegen gibt es bei proportionalen Tarifen auch keine Möglichkeiten der Gestaltung, abgesehen von der Höhe des Steuersatzes63. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Flat Tax“. Dies ist missverständlich64, da dieser Begriff in der Steuerliteratur in unterschiedlichen ___________ 58
In der Literatur wird auch der Begriff „Steuersatz“ gebraucht, vgl. z. B. Birk, Steuerrecht, Rn. 100. Dies ist ungenau, da der ganzheitliche Tarif in der Regel komplex ist und aus mehreren Formeln besteht, der Steuersatz sich aber auf eine bestimmte Bemessungsgrundlage bezieht. Daher soll im Folgenden unter „Tarif“ die Funktion verstanden werden, die jeder Bemessungsgrundlage eine Steuerschuld zuweist, während sich der Ausdruck „Steuersatz“ auf eine bestimmte Bemessungsgrundlage bezieht. 59 Andel, Finanzwissenschaft, S. 303; Reding/Müller, Allgemeine Steuerlehre, S. 101. 60 Vgl. Pollak, HbFinWiss II, S. 241. 61 Birk, Steuerrecht, Rn. 100; Bräuer, S. 4; Pollak, HbFinWiss II, S. 243; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 69, 72; Siegel/Bareis, S. 114; Slemrod/Bakija, S. 58; Vergossen, S. 1, 6; Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1908. 62 Andel, Finanzwissenschaft, S. 304; Pollak, HbFinWiss II, S. 244; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 69. 63 Pollak, HbFinWiss II, S. 245. 64 Beispiel: Die Beiträge von Quantschnigg, RdW 1998, 701 ff. und Lenneis, RdW 1999, 170 ff.: Während Quantschnigg sich auf das System der Flat Tax nach Hall/Rabushka mit all seinen Konsequenzen (insb. auch dem Übergang zur Konsumbesteuerung) bezieht, argumentiert Lenneis mit der estnischen Einkommensteuer, einer Kapitaleinkommensteuer mit flachem Steuersatz. Daher liegt auch die Ausage von Lenneis (RdW 1999, 170, 171), Flat Tax und Umsatzsteuer seien offenkundig entgegen
58
§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Varianten und mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird65. Anstelle des Begriffs „Flat Tax“ soll daher der Begriff Einstufen-Steuer eine Steuer mit proportionalem Tarif bezeichnen66. Theoretisch kann jede Art von Steuer als Einstufen-Steuer ausgestaltet werden67. Zu beachten ist ferner, dass lediglich der marginale Steuersatz konstant bleibt, nicht notwendigerweise auch der Durchschnittssteuersatz. Eine Einstufen-Steuer kann daher durchaus auch (indirekt) progressiv oder regressiv ausgestaltet sein (dazu noch unten)68. Der Begriff „Flat Tax“ soll sich im Folgenden beziehen auf ein bestimmtes Einstufen-Steuersystem, nämlich auf das von Robert E. Hall und Alvin Rabushka entwickelte System einer radikalen Einfachsteuer (dazu noch unten, § 5, S. 80 ff.).
II. Progressiver Tarif Progressive Steuertarife sind dadurch gekennzeichnet, dass der durchschnittliche Steuersatz mit steigender Bemessungsgrundlage ebenfalls steigt69. Anders als bei einem proportionalen Tarif (s. § 3 D. I., S. 57) gibt es bei progressiven Tarifen vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten über die Höhe des Steuersatzes hinaus.
1. Direkte und indirekte Progression Zu unterscheiden sind zunächst die direkte und die indirekte Progression. Direkte Progression liegt vor, wenn bei wachsendem Durchschnittssteuersatz ___________ den Bedenken von Quantschnigg systematisch vereinbar, neben der Sache, denn Quantschnigg (RdW 1998, 701, 703) bezieht sich bei seiner Aussage zur Mehrwertsteueräquivalenz auf eine Konsumeinkommensteuer. 65 Krit. hierzu Beaudry, 9 Okla. City U. L. Rev. 219, 221. 66 Dieser Begriff wird auch vorgeschlagen von Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 3; s. auch Richner, ASA 73, 593, 594 (Fn. 1). Von „Flat Tax“ sprechen in diesem Zusammenhang Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1908; Fellows, 74 Taxes 125, 126; ders., 65 CPA J. 18; vgl. auch Woehlke, 66 CPA J. 6, 7. 67 Vgl. Richner, ASA 73, 593, 599. 68 Fellows, 74 Taxes 125, 126. 69 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 70, 72, 74; Kay/King, S. 12; Siegel/Bareis, S. 114; Bräuer, S. 4; Vergossen, S. 6; Slemrod/Bakija, S. 58; Wick, S. 1; Bankman/ Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1907; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 742; Fellows, 65 CPA J. 18, 21; Sigloch, StuW 1990, 229, 235. Ungenau Birk, Steuerrecht, Rn. 100: Auf das Ansteigen des Durchschnittssteuersatzes kommt es an.
D. Tarif
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auch der Grenzsteuersatz zunimmt70. Bei indirekter Progression bleibt bei wachsendem Durchschnittssteuersatz der Grenzsteuersatz hingegen konstant71. Die Zunahme des Durchschnittssteuersatzes bei konstantem Grenzsteuersatz lässt sich dann einerseits erreichen durch eine Kombination von Grundfreibetrag und konstantem (insoweit proportionalem) Steuersatz72,73. Der durchschnittliche Steuersatz wird sich dem konstanten Grenzsteuersatz mit steigendem Einkommen immer weiter („asymptotisch“) annähern, ohne ihn jemals ganz zu erreichen74. Eine zweite Möglichkeit, einen indirekt progressiven Steuertarif zu verwirklichen, stellt die Kombination eines gleich bleibenden (oder sogar fallenden) Grenzsteuersatzes mit einer Transferzahlung anstelle des Grundfreibetrages dar75,76. Im englischsprachigen Raum wird für den Ausdruck „indirekte Progression“ auch der Ausdruck „degression“ verwendet77. Im Rahmen dieser Arbeit soll aber der plastischere Ausdruck der „indirekten Progression“ Verwendung finden. ___________ 70
Andel, Finanzwissenschaft, S. 304; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 74; Petersen, Finanzwissenschaft I, S. 222; Sigloch, StuW 1990, 229, 235; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139, 140 (Fn. 13). 71 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 74; Petersen, Finanzwissenschaft I, S. 222; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 8; Siegel/Bareis, S. 114; Sigloch, StuW 1990, 229, 235; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139, 140 (Fn. 13). s. auch schon Grabein, FinArch 13 (1896), 111, 120; Wick, S. 9 f., will hingegen alle Fälle „verschleierter“ Progression als indirekt progressiv bezeichnen. Dem wird hier nicht gefolgt. 72 Andel, Finanzwissenschaft, S. 305; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 74; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 743; Sigloch, StuW 1990, 229, 235; Wala, RdW 2001, 245, 246. 73 Beispiel: Grundfreibetrag 10.000,– €, Steuersatz 20 %. Bei einer Bemessungsgrundlage i. H. v. 20.000,– € ist ein Betrag von 2.000,– € als Steuer zu entrichten: (20.000,– € – 10.000,– €) 0,2 = 2.000,– €. Dies entspricht einem durchschnittlichen Steuersatz von 10 %. Bei einer Bemessungsgrundlage i. H. v. 40.000,– € beträgt der zu entrichtende Steuerbetrag 6.000,– €: (40.000,– € – 10.000,– €) 0,2 = 6.000,– €. Der durchschnittliche Steuersatz liegt somit bei 15 %. 74 Petersen, Finanzwissenschaft I, S. 222; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 744. 75 Vgl. McCaffery, S. 83 f.; Murphy/Nagel, S. 136 f.; Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1908. 76 Das obige Beispiel (Fn. 73) lässt sich entsprechend abwandeln: Transferzahlung 2.000,– €, Steuersatz 20 %. Bei einer Bemessungsgrundlage i. H. v. 20.000,– € ist ein Betrag von 2.000,– € als Steuer zu entrichten: (20.000,– € 0,2) – 2.000,– € = 2.000,– €. Dies entspricht einem durchschnittlichen Steuersatz von 10 %. Beträgt die Bemessungsgrundlage 40.000,– €, so beträgt der zu entrichtende Steuerbetrag 6.000,– €: (40.000,– € 0,2) – 2.000,– € = 6.000,– €. Der durchschnittliche Steuersatz liegt somit bei 15 %. 77 Etwa bei Blum, 60 Taxes 16, 17; Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 160 f.
60
§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
2. Lineare, beschleunigte und verzögerte Progression Die Unterscheidung der Progressionstypen lineare (gleichmäßige), beschleunigte und verzögerte Progression78 orientiert sich an der Veränderungstendenz des Durchschnittssteuersatzes. Steigt dieser bei absolut gleichen Schritten der Bemessungsgrundlage um die jeweils gleiche Anzahl an Prozentpunkten, so liegt lineare Progression vor79. Steigt der Durchschnittssteuersatz mit wachsender Bemessungsgrundlage dagegen um eine jeweils zunehmende Anzahl von Prozentpunkten, so spricht man von beschleunigter Progression. Dementsprechend handelt es sich um verzögerte Progression, wenn die Zunahme der Prozentpunkte mit wachsender Bemessungsgrundlage abnimmt. Für die lineare und beschleunigte Progression ergibt sich zwingend, dass der Durchschnittssteuersatz ab einer bestimmten Bemessungsgrundlage 100 % erreicht und übersteigt. Soll dieses Ergebnis vermieden werden, so muss der Tarif ab einer bestimmten Bemessungsgrundlage gekappt und durch einen gleich bleibenden oder verzögert progressiven Tarif ersetzt werden. Dies gilt beispielsweise für die „obere Proportionalzone“ des deutschen Einkommensteuertarifs (vgl. § 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG).
III. Regressiver Tarif Ein regressiver Steuertarif stellt das Gegenteil eines progressiven Tarifs dar. Der durchschnittliche Steuersatz sinkt mit zunehmender Bemessungsgrundlage80. Der Grenzsteuersatz bei regressiven Tarifen ist kleiner als der Durchschnittssteuersatz. Ein indirekt regressiver Tarif lässt sich entweder dadurch realisieren, dass ein proportionaler Steuersatz lediglich bis zu einer bestimmten Obergrenze der Bemessungsgrundlage gilt81, oder dass ein proportionaler Steuersatz mit einem konstanten Zuschlag zur Bemessungsgrundlage gekoppelt wird82. Auch im Übrigen gelten die zu progressiven Tarifen gemachten Aussagen entsprechend. In der Besteuerungspraxis spielen regressive Tarife jedoch nur eine untergeordnete Rolle83. Im Bereich der Einkommensteuer wird die Einführung eines regressiven Tarifs weder diskutiert noch gefordert, so schwach scheint eine ___________ 78
Hierzu auch Andel, Finanzwissenschaft, S. 304 f. Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 89. 80 Andel, Finanzwissenschaft, S. 305; Bräuer, S. 6; Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1908. 81 Andel, Finanzwissenschaft, S. 306. 82 Pollak, HbFinWiss II, S. 244. 83 Andel, Finanzwissenschaft, S. 305; Bräuer, S. 6; Pollak, HbFinWiss II, S. 245. 79
D. Tarif
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mögliche Rechtfertigung84. Vielen Verbrauchsteuern wird aber eine regressive Wirkung nachgesagt85, so vor allem der Umsatzsteuer. Akzeptiert man diese Aussage, so liegt dies jedoch nicht daran, dass der Tarif regressiv ausgestaltet ist, sondern daran, dass die Bemessungsgrundlage bei wachsendem Einkommen unterproportional zunimmt86. Dieses Problem spielt im Zusammenhang mit der Rechtfertigung eines direkt progressiven Einkommensteuertarifs eine Rolle (s. u., S. 167 ff.).
IV. Tarifformen Direkt progressive Tarifverläufe lassen sich technisch auf unterschiedliche Weise darstellen. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang Stufentarife und Formeltarife.
1. Stufentarife Die Stufentarife zeichnen sich dadurch aus, dass die Bemessungsgrundlage in eine bestimmte Anzahl von Stufen gleicher, zu- oder auch abnehmender Spannweite eingeteilt wird. Bei zunehmender Spannweite stellt sich automatisch eine verzögerte, bei abnehmender Spannweite eine beschleunigte Progression ein. Als Unterformen der Stufentarife lassen sich der Stufenbetragstarif, der Stufensatztarif und der Anstoßtarif unterscheiden87. Stufenbetrags- und -satztarif werden auch als Gesamtmengenstaffelung, der Anstoßtarif als Teilmengenstaffelung bezeichnet88. Grundsätzlich führen Stufentarife zu Belastungssprüngen innerhalb des Tarifes, weshalb ihre Verwendbarkeit für die Einkommensteuer zumindest zweifelhaft erscheint89. Allerdings haben insbesondere politische Parteien in der neueren Diskussion um die Reform der Einkommensbesteuerung den scheinbar einfachen Stufentarif wieder für sich entdeckt: So sahen sowohl das Steuerkonzept der CDU90 als auch dasjenige der FDP91 für die Bundestagswahl 2005 einen Stufentarif vor92. ___________ 84
Ähnlich Blum/Kalven, S. 3; Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1911. Andel, Finanzwissenschaft, S. 305 f.; Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 9; vgl. auch Walz, S. 88; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 364. 86 Pollak, HbFinWiss II, S. 245. 87 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 85 ff. 88 So z. B. bei Kipke, S. 11. 89 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 6. 90 s. BT-Drs. 15/2745 v. 23.03.2004. 91 BT-Drs. 15/2349 v. 14.01.2004. 92 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 6; Kube, BB 2005, 743, 745. 85
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§ 3 Möglichkeiten der Ausgestaltung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Anstoßtarife zeichnen sich dadurch aus, dass für jede Stufe ein ansteigender marginaler Steuersatz festgelegt wird93. Dies führt dazu, dass es keine einheitlich für die gesamte Besteuerungsmenge geltende Tarifzahl gibt; vielmehr wird jeder einzelnen Stufe eine eigene Tarifzahl zugeordnet94. Der Gesamtsteuerbetrag ergibt sich erst durch Summierung der Teilsteuerbeträge95. Ferner ist darauf zu achten, dass Steuerbetrag und durchschnittlicher Steuersatz an den Stufenübergängen aneinander „anstoßen“, damit dort keine Sprünge entstehen96.
2. Formeltarife Formeltarife zeichnen sich dadurch aus, dass der Verlauf des Steuertarifs durch eine (stetige) mathematische Funktion definiert wird97. Steuerbetrag, Durchschnitts- und Grenzsteuersatz ändern sich kontinuierlich mit wachsender Bemessungsgrundlage98. Hieraus ergibt sich, dass Formeltarife den Stufentarifen in Bezug auf Konsistenz überlegen sind, zumal da es theoretisch möglich ist, für jeden gewünschten Tarifverlauf eine einzige Formel zu finden99. Nachteil der Formeltarife ist ihre zuweilen hohe Komplexität: Zu Vereinfachungszwecken werden daher manchmal Steuertabellen errechnet, bei deren Ausarbeitung kleinere Rundungen in der Bemessungsgrundlage in Kauf genommen werden (z. B. Stufen von 0,50 € oder 10 €), sodass wiederum minimale Stufen entstehen100. Ebenfalls zu Vereinfachungszwecken werden Formeltarife häufig abschnittsweise aus mehreren Formeln zusammengesetzt; die verwendeten Formeln brauchen dann nur in ihrem jeweiligen Abschnitt dem gewünschten Verlauf zu entsprechen101. Nachteil dieser Konstruktion ist, dass an den Übergangsstellen Sprünge eintreten können, und zwar sowohl in Bezug auf den Steuerbetrag als auch auf Durchschnitts- und Grenzsteuersatz102. Zur Vermeidung dieser Sprünge kann es notwendig werden, wiederum komplizierte Formeln einzusetzen. Auch führt dies häufig dazu, dass der Gesamttarif nicht diffe___________ 93 Pollak, HbFinWiss II, S. 252; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 87, spricht von einem „Stufengrenzsatztarif“. 94 Kipke, S. 25. 95 Kipke, S. 26. 96 Pollak, HbFinWiss II, S. 252; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 87. 97 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 89; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 8. 98 Pollak, HbFinWiss II, S. 252. 99 Vgl. Pollak, HbFinWiss II, S. 252; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 89. Dies geschieht in der Praxis freilich nur selten. 100 Pollak, HbFinWiss II, S. 252; Kipke, S. 41. 101 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 89; Pollak, HbFinWiss II, S. 252. 102 Pollak, HbFinWiss II, S. 253.
E. Zwischenergebnis
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renzierbar ist, was mathematische Aussagen erschwert103. Der Steuertarif der Einkommensteuer in Deutschland wird seit dem EStG 1958 als Formeltarif mit mehreren Formeln festgelegt104 (siehe dazu auch § 4, S. 64 ff.).
E. Zwischenergebnis Sowohl in Bezug auf die Auswahl des Steuergegenstandes und seine Übersetzung in die mathematische Bemessungsgrundlage als auch in Bezug auf den hierauf anzuwendenden Steuertarif existiert eine Vielzahl von Ausgestaltungsmöglichkeiten. Eine effiziente und gerechte Steuer zeichnet sich dabei dadurch aus, dass sowohl die Auswahl des Steuerobjekts und seine Umsetzung in die Bemessungsgrundlage als auch die Auswahl des hierauf anzuwendenden Tarifs den Kriterien der Effizienz und der Gerechtigkeit genügen. Die einseitige Diskussion über Modifikationen des Steuertarifs ist folglich irreführend; denn ein vermeintlich „gerechter“ Tarif, der auf eine untaugliche Bemessungsgrundlage angewandt wird, führt im Regelfall nicht zu einer gerechten Besteuerung. Auf das Zusammenspiel von Bemessungsgrundlage und Tarif kommt es an105. Dabei lässt sich grundsätzlich feststellen, dass der Tarif desto niedriger sein kann, je umfassender die Bemessungsgrundlage ist106.
___________ 103
Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 89. Kirchgässner, FinArch 43, 328, 329. 105 So auch McCaffery, S. 11. 106 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 7; McCaffery, S. 11. 104
§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in der deutschen und US-amerikanischen Einkommensbesteuerung
Bevor Reformkonzepte der Einkommensbesteuerung betrachtet werden, empfiehlt es sich, einen Blick auf ihre historische Entwicklung zu werfen. Nur vor diesem Hintergrund können mögliche Reformkonzepte umfassend und fundiert beurteilt werden.
A. Geschichtliche Entwicklung der Einkommensteuer Die Einkommensteuer im modernen Sinn, ausgestaltet als umfassende Steuer auf den Hinzuerwerb der natürlichen Personen, ist eine relativ junge Steuer. Anfänge einer Besteuerung des Erwerbs stammen indes bereits aus biblischer oder sogar vorbiblischer Zeit. So wird schon in der Bibel eine Abgabe beschrieben, deren Ausgestaltung als progressiv bezeichnet werden könnte1. Der von Gott selbst angeordnete Steuertarif, der sich im Buch Exodus findet, sieht eine Kopfsteuer in Höhe eines halben Talers vor2. Ergänzt werden sollte diese Kopfsteuer aber um eine von den Steuerpflichtigen selbst festzulegende Zusatzabgabe zur Deckung außergewöhnlichen Finanzbedarfs3, was möglicherweise eine frühe Form der Orientierung am Leistungsfähigkeitsprinzip nahe legt4. Im Neuen Testament findet sich das „Gleichnis vom Scherflein der Witwe“5, welches häufig als Beispiel für die Verwirklichung vertikaler Steuergerechtigkeit herangezogen wird6. All diesen Abgaben und ihren Nachfolgern aus Mittelalter und früher Neuzeit ist gemein, dass sie sich nicht am Gesamteinkommen orientierten, sondern auf einzelne Einnahmen, die in der Regel augen___________ 1
3. Mose 27, 3 ff. 2. Mose 30, 11–16; hierzu Seidl, StuW 1988, 93. 3 2. Mose 25, 1–8. 4 Seidl, StuW 1988, 93. 5 Markus 12, 41–44; Lukas 21, 1–4. 6 Vogel, DStZ 1975, 409, 411, weist zu Recht darauf hin, dass dieses Gleichnis wohl maßgeblich das moderne Verständnis des Prinzips der Gleichheit der Besteuerung geprägt hat. s. auch Pausch/Pausch, Steuern in der Bibel, S. 88. 2
A. Geschichtliche Entwicklung der Einkommensteuer
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fällig und damit leicht zu erfassen waren, bezogen waren7. Eine umfassende Einkommensteuer war, vermutlich wegen der Schwierigkeiten bei der Erfassung des gesamten Einkommens einer Person, seinerzeit nicht denkbar. Als Geburtsstunde der modernen Einkommensteuer, die das aus verschiedenen Quellen stammende, gesamte periodische Einkommen einer natürlichen Person zu einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zusammenfasst, gilt allgemein das Jahr 17998. In diesem Jahr führte England zur Finanzierung des Krieges gegen Napoléon die erste Einkommensteuer im modernen Sinne ein9. Sie unterschied vier Einkunftsarten („heads“), Einkünfte aus Landbesitz, Einkünfte aus persönlichem Eigentum, selbstständiger und nicht selbstständiger Arbeit, Einkünfte aus ausländischem Eigentum und sonstige Einkünfte10. In Abhängigkeit von der Einkunftsart konnten erwerbsbezogene Aufwendungen, teils in pauschalierter Form, geltend gemacht werden, allerdings nicht für Neuinvestitionen („Verbesserungen“) oder Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung11. Der Tarif sah bereits eine Grundfreigrenze i. H. v. 60 Pfund vor und war nominell als Einstufen-Steuer mit einem Steuersatz von 10 % (zwei Schilling pro Pfund) ausgestaltet12; aber für Einkommen zwischen 60 und 200 Pfund galten Sonderregelungen, die zu einer progressiven Ausgestaltung führten mit Durchschnittssteuersätzen zwischen 0,833 % und 10 %13. Die Ausgestaltung als Einstufen-Steuer war als wichtig empfunden worden um Vorwürfen, die Regierung wolle Einkommensumverteilung betreiben, die Grundlage zu entziehen14. Die Steuer solle jeden Steuerzahler im Vergleich mit anderen Steuerzahlern in derselben Position belassen15. Die Grundfreigrenze sollte dem jährlichen Existenzminimum einer Familie mit zwei Kindern entsprechen. Die tarifliche Sonderregelung für Einkommen zwischen 60 und 200 Pfund sollte zum einen wi___________ 7
Schön, Funkkolleg Steuern, Studieneinheit 6, S. 6. Großfeld, S. 10 ff.; Schön, Funkkolleg Steuern, Studieneinheit 6, S. 6; Shehab, Progressive Taxation, S. 46; Vickrey, S. 329. 9 „An Act to repeal the Duties imposed by an Act, made in the last Session of Parliament, for granting an Aid and Contribution fort he Prosecution of the War [Triple Assessment Act]; and to make more effectual Provision fort he like Purpose, by granting certain Duties upon Income, in lieu of the said Duties.“ 38 Geo. 3, c. 13. Das Gesetz trat am 05.04.1799 in Kraft. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 382; Großfeld, S. 10 f. s. auch Lang, NJW 2006, 2209. 10 Näher Shehab, Progressive Taxation, S. 47. 11 Shehab, Progressive Taxation, S. 47. 12 Shehab, Progressive Taxation, S. 46 f. 13 Großfeld, S. 11; Lieb, S. 66 f. 14 Shehab, Progressive Taxation, S. 48. 15 So der Earl of Liverpool anlässlich der Parlamentsdebatte zur Einführung der Steuer. Zitiert nach Shehab, Progressive Taxation, S. 48. 8
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
dersinnige Ergebnisse durch kleine Einkommenssprünge von unter auf über 60 Pfund vermeiden16. Zum anderen dürften aber auch wirtschaftliche und soziale Erwägungen eine Rolle gespielt haben17. Insgesamt legt die Ausgestaltung der Steuer nahe, dass ihre Urheber das nach Abzug der erwerbsbezogenen Aufwendungen verbleibende Einkommen erfassen wollten18; auch das Existenzminimum wurde berücksichtigt. In moderner Terminologie ausgedrückt beachtete die erste Einkommensteuer also bereits das objektive und das subjektive Nettoprinzip. Die Steuer wurde nach dem Frieden von Amiens abgeschafft, jedoch bald darauf in leicht modifizierter Form wieder eingeführt19. Unabhängig davon, ob „der Krieg der Vater aller Dinge ist“, kann er damit jedenfalls als Urheber der modernen Einkommensteuer angesehen werden20. Dem englischen Beispiel folgten erst relativ spät die Vereinigten Staaten von Amerika (1913)21 und Frankreich (1914)22. Das Deutsche Reich besaß nach der Verfassung von 1871 keine Kompetenz zur Erhebung einer vergleichbaren Einkommensteuer23. Diese Steuer war daher den Teilstaaten vorbehalten. Als Vorreiter werden im Allgemeinen Oldenburg (1864)24 Hessen (1869)25, Sachsen (1874)26 und Baden (1884)27 angesehen28; im damals mit Abstand bevölkerungsreichsten Land Preußen wurde, nach verschiedenen Versuchen der Einführung einer Einkommensteuer in den Jahren 181229 und 185130, im Jahre 1891 endgültig ebenfalls eine Einkommensteuer eingeführt31. ___________ 16
Shehab, Progressive Taxation, S. 50. Shehab, Progressive Taxation, S. 50 f. 18 Shehab, Progressive Taxation, S. 52. 19 Näher dazu Shehab, Progressive Taxation, S. 46. 20 Großfeld, S. 7 f. 21 Nach zwei kurzen, vergeblichen Anläufen in den Jahren 1862–71 und 1894–95 wurde im Jahre 1913 der „Internal Revenue Code“ verabschiedet. McNulty, StuW 1989, 120, 121. 22 Schön, Funkkolleg Steuern, Studieneinheit 6, S. 6. 23 Lieb, S. 130. 24 Gesetz, betreffend die Einführung einer Einkommensteuer für das Herzogtum Oldenburg vom 6. April 1864, abgedruckt in FinArch 8 (1891), 287 ff. 25 Gesetz, die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer betreffend vom 21. Juni 1869, abgedruckt in FinArch 2 (1885), 382 ff. 26 Einkommensteuergesetz v. 22.12.1874, Sächs. GVBl. 1874, 24. Stück vom Jahre 1874, Nr. 180 (S. 471). 27 Dziadkowski, BB 1991, 805, 812 (Fn. 65). 28 Vgl. auch die Übersicht bei Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 1. 29 Edikt wegen der Erhebung einer Vermögens- und Einkommenssteuer v. 24.05.1812, PrGS 1812, Nr. 13 (S. 49). Dazu Großfeld, S. 32 ff.; Kirchof, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 390. 17
B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland
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Nach der Revolution von 1918/19 ging die Steuergesetzgebungskompetenz in weitem Umfang auf das Reich über. Nach Art. 8 WRV fiel dem Reich das Recht zu, seine Steuergesetzgebungskompetenz praktisch unbegrenzt zu erweitern, sofern ihm nur das Aufkommen aus den Steuern zufloss32. Es machte, nicht zuletzt wegen der durch den Ersten Weltkrieg verursachten Kosten, in weitem Umfang von seinen Kompetenzen Gebrauch und führte 1920 im Zuge der sog. „Erzberger’schen Finanz- und Steuerreform“33 das erste reichseinheitliche EStG34 ein35. In den Jahren 1925 und 1934 erfolgten große Einkommensteuerreformen. Das heutige EStG beruht in seinen Grundzügen auf dem EStG 193436. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen zunächst die Alliierten die Gesetzgebungskompetenz in Deutschland. Das vom Alliierten Kontrollrat erlassene EStG 1946 zeichnete sich dabei vor allem durch seine erdrosselnden Steuersätze aus. Nach Gründung der Bundesrepublik lag die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Einkommensteuer nach Art. 105 Abs. 2 Var. 1, 106 Abs. 3 Satz 1 GG beim Bund, welcher von seiner Kompetenz durchgängig Gebrauch gemacht hat.
B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland I. Einkommensteuer im Kaiserreich (1871–1918) 1. Preußisches EStG 1891 Die Einführung des preußischen EStG im Jahre 1891 wird im Allgemeinen als die Geburtsstunde der progressiven Einkommensbesteuerung in Deutschland angesehen37. Dem Gesetz lag die Quellentheorie zu Grunde38. Es sah einen ___________ 30
Gesetz, betreffend die Einführung einer Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer v. 01.05.1851, PrGS 1851, Nr. 12 (S. 193). 31 Preuß. EStG v. 24.06.1891, PrGS 1891, Nr. 19 (S. 175). 32 Anschütz, Art. 8 WRV, Ziff. 3. 33 s. z. B. Pausch, SteuerStud 1989, 341, 343. 34 EStG v. 29.03.1920, RGBl. 1920, 359. 35 Großfeld, S. 46. 36 Schön, Funkkolleg Steuern, Studieneinheit 6, S. 8. 37 Großfeld, Einkommensteuer, S. 44 ff.; Bayer, FR 1991, 333, 334; Lang, FR 1993, 661; Schön, Funkkolleg Steuern, Studieneinheit 6, S. 7; etwas zu weitgehend aber Knaupp, S. 11, die vom ersten „allgemeinen deutschen EStG“ spricht. 38 Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 2; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. 398.
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Stufenbetragstarif vor (§ 17 PrEStG 1891)39. Die Freigrenze betrug 900,– Mark. Danach betrug die Steuerschuld bei einem zu versteuernden Einkommen von 901, – bis 1.050, – Mark sechs Mark. Der Durchschnittssteuersatz betrug also zwischen 0,67 % am Stufenanfang und 0,57 % am Stufenende. Die Höchstbelastung von etwa 4 % wurde bei einem zu versteuernden Einkommen von 100.000, – Mark erreicht40. Durch kommunale Zuschläge konnte die Spitzenbelastung allerdings bis zu 12 % betragen41. Die Tatsache, dass bei der Einführung erbittert darüber gestritten wurde, ob der Höchstsatz 3, 4 oder 5 % betragen solle42, mutet aus heutiger Sicht eher kurios an. Sie wird aber verständlich, wenn in Betracht gezogen wird, dass die progressive Ausgestaltung der Einkommensteuer seinerzeit vor allem aus Umverteilungsgesichtspunkten gefordert wurde. Von den bürgerlichen Parteien wollte sich daher keine dem Verdacht aussetzen, einen progressiven Steuersatz zu fordern. In den Jahren 190643 und 190944 wurden die Steuersätze durch Zuschläge zu den bisherigen Nominalsteuersätzen erhöht, wobei 1906 auch die subjektive Steuerpflicht auf die GmbH, auf Genossenschaften und auf Vereine ausgedehnt wurde45. Während des Ersten Weltkriegs und in dem kurzen Zeitraum danach, in dem das preußische EStG noch Geltung hatte, wurden die Zuschläge weiter erhöht, und zwar auf zunächst 8 % bis 100 %46 und später 15 % bis 300 %47, sodass der Spitzensteuersatz im Jahre 1919 bei 16 % lag.
___________ 39
Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 2; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 55. 40 Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 2; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 55; Dziadkowski, BB 1996, 1193, 1194. 41 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 6; ders., Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 7 (Fn. 20). 42 Ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte Thier, S. 446 ff.; zur Kontroverse um den Steuertarif auch Wagner, FinArch 8 (1891), 551, 717 ff. 43 Gesetz, betreffend die Abänderung des Einkommensteuergesetzes und des Ergänzungssteuergesetzes v. 19.06.1906, PrGS 1906 Nr. 30 (S. 241). 44 Gesetz, betreffend die Bereitstellung von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen v. 26.05.1909, PrGS 1909 Nr. 11 (S. 85), Anlage 5 (S. 349). 45 Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 2; etwas missverständlich daher Lang, NJW 2006, 2209. 46 Gesetz, betreffend die Erhöhung der Zuschläge zur Einkommensteuer und zur Ergänzungsteuer v. 08.07.1916, PrGS 1916 Nr. 20 (S. 109). 47 § 3 des Gesetzes, betreffend die vorläufige Regelung des Staatshaushalts für das Rechnungsjahr 1919 v. 01.04.1919, PrGS 1919 Nr. 20 (S. 59, 75).
B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland
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2. Übrige deutsche Staaten Die meisten übrigen deutschen Staaten führten ebenso wie Preußen während der Zeit des Kaiserreichs eine Einkommensteuer ein, wobei Oldenburg 1864, Hessen 1869 und Sachsen 1874/7848 die Vorreiterrolle übernahmen, der Baden 190049, Württemberg 1903 und Bayern 191050 folgten. Die Steuersätze lagen zumeist in dem Bereich zwischen 0,17 % bis 5 %51, wobei es sich verbreitet um sog. Einheitssätze handelte, sodass im jährlichen Budgetgesetz Zu- oder Abschläge festgesetzt werden konnten52. Der Erste Weltkrieg machte sich allerdings auch hier bald bemerkbar, sodass die Spitzensteuersätze bis zum Jahre 1919 überall angehoben wurden. In Baden erreichte der Spitzensteuersatz mit Gemeindezuschlägen in jenem Jahr die 50 %-Marke53, bei Einbeziehung des sog. „Badischen Notopfers“ in die Betrachtung kann sogar von einer Konfiskation sämtlicher Einkünfte ab einer bestimmten Grenze gesprochen werden54.
II. Deutsches Reich (1919–1945) Mit Verabschiedung der WRV ging die Kompetenz zur Erhebung einer Einkommensteuer auf das Deutsche Reich über (s. o.). Dieses machte erstmals im Jahre 1920 mit dem Reichseinkommensteuergesetz 1920 von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch.
1. REStG/KStG 1920 Das EStG 192055 unterschied sich insbesondere in der Höhe der Steuersätze deutlich von seinem preußischen Vorläufer aus dem Jahr 1891. Der Tarif war als Anstoßtarif ausgestaltet56. Das zu versteuernde Einkommen wurde im Wesentlichen nach der Reinvermögenszugangstheorie ermittelt57. Die Steuersätze ___________ 48
Dazu Lieb, S. 95 ff. Badisches Einkommensteuergesetz vom 9. August 1900, abgedruckt in FinArch 24 (1907), 596 ff. 50 Lieb, S. 126. 51 s. auch Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 417. 52 Lieb, S. 127 (Fn. 515). 53 Lieb, S. 128. 54 So Lieb, S. 128 (Fn. 525). 55 G. v. 29.03.1920, RGBl. 1920, 359. 56 Wied, in: Blümich, § 32 a EStG Rn. 4; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 59; Lieb, S. 131. 57 So die amtliche Begründung zum EStG 1920, abgedruckt in FinArch 37 (1920), S. 591, 593 ff.; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 422; 49
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
lagen infolge der durch den Ersten Weltkrieg drastisch gestiegenen Finanznot zwischen 10 und 60 %58, vgl. § 21 EStG 1920. Der Spitzensteuersatz wurde fällig ab einem zu versteuernden Einkommen von 500.000,– RM. Jedem Steuerpflichtigen stand ein Grundfreibetrag in Höhe von 1.500,– RM zu, § 20 Abs. 1 EStG 1920. Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit wurden im Wege des Lohnsteuer-Abzugsverfahrens besteuert59. Mit dem EStG 1920 wurde zudem die Besteuerung auf natürliche Personen beschränkt; Körperschaften wurden fortan nach dem KStG 192060 einem eigenen Besteuerungsregime unterworfen61. Die Einführung dieser Zweiteilung der Besteuerung von natürlichen Personen und Körperschaften wirkt bekanntlich bis in das aktuelle Steuersystem nach. Dabei war schon im KStG 1920 der Tarif proportional ausgestaltet (§ 11 KStG 1920: Steuersatz 10 %). Begründet wurde die Zweiteilung damit, dass zahlreiche Vorschriften des EStG auf juristische Personen und Vermögensmassen nicht anwendbar seien, so etwa die Vorschriften über den progressiven Tarif, Familienbesteuerung und Sonderausgaben62.
2. REStG 1925 Bereits 1925 kam es zu einer großen Reform des Einkommensteuerrechts mit dem EStG vom 10.08.192563. Diese Reform wurde durch die Inflation und ihre Konsequenzen zu Beginn der 1920er Jahre erforderlich64. Die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage lässt sich weder der Quellen- noch der Reinvermögenszugangstheorie zuordnen. Vielmehr wurden acht Einkunftsarten abschließend normiert, denen kein bestimmter Einkommensbegriff zu Grunde lag65. Der Eingangssteuersatz blieb bei 10 %, der Spitzensteuersatz wurde jedoch auf nur noch 40 % abgesenkt und fällig ab einem Einkommen von 80.000,– Mark (§ 55 EStG 1925), sodass sich die Durchschnittsbelastung bei ___________ Dziadkowski, BB 1997, 1018, 1019; Pausch, SteuerStud 1989, 341, 345; Lang, NJW 2006, 2209. Einschränkend aber zu Recht Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 10. 58 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 60; Lieb, S. 131; Dziadkowski, BB 1997, 1018, 1019: Pausch, SteuerStud 1989, 341, 345. 59 Pausch, SteuerStud 1989, 341, 345. 60 KStG v. 30.03.1920, RGBl. 1920, 393. 61 Pausch, SteuerStud 1989, 341, 345. 62 Pausch, SteuerStud 1989, 341, 345. 63 RGBl. I 1925, 189. 64 Lieb, S. 131. 65 Huchatz/Daenner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dok. 1 zur ESt Anm. 30.
B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland
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dieser Einkommenshöhe nicht stark von der nach dem EStG 1920 unterschied66. Der Tarif wurde wiederum als Anstoßtarif verwirklicht67.
3. REStG 1934 Das EStG v. 16.10.193468 brachte eine weitere umfassende Reform der Einkommensbesteuerung. Bei der Besteuerung wurde zunächst differenziert zwischen verheirateten und ledigen Steuerpflichtigen, wobei die Zusammenveranlagung der Ehegatten als „Norm“ angesehen wurde69. Für Verheiratete lag der Eingangssteuersatz bei nunmehr 8 %, der Spitzensteuersatz blieb bei 40 % und wurde erreicht bei Einkommen über 110.000,– RM. Für ledige Steuerpflichtige betrug der Steuersatz 160 % der Steuer für Ehegatten, höchstens jedoch 50 %70. Der Tarif ergab sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus der als Anlage 1 beigefügten Einkommensteuertabelle71. Im Jahr 1939 erfolgte eine weitere Differenzierung zwischen den Steuerpflichtigen72. Nunmehr wurde unterschieden zwischen Ledigen, Verheirateten mit Kindern und Verheirateten ohne Kinder. Ledige wurden einem Steuersatz in Höhe von 180 % der Steuer von Verheirateten mit Kindern bei einem Spitzensteuersatz von 55 % unterworfen, Verheiratete ohne Kinder einem solchen von 140 % des Steuersatzes für Verheiratete mit Kindern, höchstens jedoch 45 %, Verheiratete mit Kindern einem Spitzensteuersatz von weiterhin 40 %. Diese zusätzliche Differenzierung unter den Steuerpflichtigen war Ausdruck der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik73. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Struktur des EStG im Wesentlichen beibehalten. Der Steuertarif wurde jedoch vielfach modifiziert und an die fiskalischen Bedürfnisse angepasst74. Seit September 1939 wurde darüber hinaus durch die Kriegswirtschaftsverordnung75 ein Kriegszuschlag zur Einkom___________ 66
Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 62. Wied, in: Blümich, § 32 a EStG Rn. 7. 68 RGBl. I 1934, 1005. 69 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 64. 70 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 65. 71 RGBl. I 1934, 1091. 72 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes v. 17.02.1939, RGBl. I 1939, 283. 73 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 69; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 3; Lieb, S. 132. 74 Lieb, S. 132. 75 KriegswirtschaftsVO v. 04.09.1939, RGBl. I 1939, 1609. 67
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
mensteuer i. H. v. 50 % erhoben (§ 3 Abs. 1 KriegswirtschaftsVO), wobei die Spitzenbelastung bei 65 % gekappt war (§ 3 Abs. 2 KriegswirtschaftsVO)76.
III. Besatzungszeit und Bundesrepublik Deutschland (ab 1946) Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging die Gesetzgebungskompetenz für die Einkommensteuer zunächst auf die Besatzungsmächte über, wo sie bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 verblieb. Diese machten von ihrem Gesetzgebungsrecht auf dem Gebiet der Einkommensteuern auch Gebrauch.
1. EStG 1946 Am 11.02.1946 erließ der Alliierte Kontrollrat das EStG 1946 als Kontrollratsgesetz Nr. 1277. Dieses glich in vielen Punkten dem EStG 192578. Der Eingangssteuersatz betrug 17 %, der Spitzensteuersatz lag bei konfiskatorisch wirkenden 95 %79. Dieser wurde erreicht bei einem Einkommen über 100.000,– RM80. In diesem Fall betrug der Durchschnittssteuersatz etwa 84 %. Von verdienten 100.000,– RM mussten demnach 84.000,– RM als Steuer abgeführt werden. Eine erste Entlastung trat mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 61 vom 19.12.194781 ein, das zwar nicht den Tarif änderte, aber gewisse pauschale Abzugsmöglichkeiten für Steuerpflichtige mit Einkünften aus nicht selbstständiger und selbstständiger Arbeit vorsah82. Das Gesetz der Militärregierung Deutschland (britische und amerikanische Zone) Nr. 64 v. 22.06.194883 führte für kleinere Einkommen eine gewisse tarifliche Entlastung herbei, indem es den Freibetrag von 600,– RM auf 750,– DM erhöhte und den Eingangssteuersatz für ___________ 76
s. auch Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 3. StuZBl. 1946, S. 2; ABl. des Kontrollrats in Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 4, S. 98. 78 Vgl. Wied, in: Blümich, § 32 a EStG Rn. 7. Ausf. zu diesem Gesetz Bühner, Die ESt in den drei Besatzungszonen der Westalliierten, S. 84 ff. 79 Hierzu auch Kirchhof, StuW 2002, 3, 5. 80 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 74; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 3. 81 StuZBl. 1948, S. 53; ABl. der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 22, S. 645. 82 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 75; Bühner, Die ESt in den drei Besatzungszonen der West-Alliierten, S. 99 f. 83 StuZBl. 1948, S. 123; ABl. der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 25, S. 889. 77
B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland
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Einkommen ab 750,– DM auf 12 % senkte84. Der Spitzensteuersatz von 95 % wurde indes zunächst beibehalten, kam immerhin aber erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.000,– DM zur Anwendung85. Auch für den Zwischenraum wurde die tarifliche Steuerbelastung etwas gesenkt86. Da die Steuersätze noch immer vergleichsweise hoch waren, mussten darüber hinaus, um einen wirtschaftlichen Aufschwung nicht zu gefährden und den Schwarzmarkt zu bekämpfen, andere Möglichkeiten der steuerlichen Entlastung gefunden werden. Der Steuergesetzgeber reagierte daher mit einer regelrechten Durchlöcherung der Bemessungsgrundlage87, durch die die erdrosselnden Steuersätze erst erträglich wurden88. Die aus politischen Gründen beibehaltenen hohen Steuersätze wurden folglich durch eine Verkleinerung der Bemessungsgrundlage abgemildert. Etwa wurden Sonderabschreibungen für Wirtschaftsgüter von bis zu 50 % im ersten Jahr, höchstens jedoch bis zu 50.000,– DM gewährt (§ 7 a EStG 1948)89, später ergänzt durch das „Zweite Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern“90 um Sonderabschreibungen für Wohngebäude (§ 7 b EStG 1949), Fabrik- und landwirtschaftliche Betriebsgebäude (§ 7 c EStG 1949) und Schiffe (§ 7 d EStG 1949)91. Die damaligen Gesetze können somit als bis heute fortwirkender Auftakt zur Aushöhlung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage angesehen werden92.
2. Übergang zum Formeltarif: EStG 1955 Eine spürbare Entlastung der Steuerpflichtigen brachte erst das Gesetz zur Neuordnung von Steuern (StNOG) v. 16.12.195493, das zum 01.01.1955 in Kraft trat. Das EStG 195594 knüpfte inhaltlich weitgehend an das EStG 1934 an95. Der Grundfreibetrag wurde auf 900,– DM erhöht, während der höchste ___________ 84
Bühner, Die ESt in den drei Besatzungszonen der West-Alliierten, S. 202 f. Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 3. 86 Vgl. im Einzelnen Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1097. 87 Zu dieser typischen Reaktion auf hohe Steuersätze auch Strümpel, Steuersystem und wirtschaftliche Entwicklung, S. 9. 88 So Kirchhof, StuW 2002, 3, 5; vgl. auch Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1097. 89 Bühner, Die ESt in den drei Besatzungszonen der West-Alliierten, S. 199 f. 90 2. StNOG v. 20.04.1949, StuZBl. 1949, S. 135. 91 Bühner, Die ESt in den drei Besatzungszonen der West-Alliierten, S. 214 f.; Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1097. 92 Ebenso Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1098. 93 BGBl. I 1954, 373. 94 BGBl. I 1954, 441 (Bekanntmachung der Neufassung). 95 Schön, Funkkolleg Steuern, Studieneinheit 6, S. 8. 85
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Grenzsteuersatz auf 63,45 % gesenkt wurde. Das EStG 1955 führte auch erstmals einen Formeltarif ein96.
3. Einführung des Splitting: EStG 1958 Eine Reform der Ehegattenbesteuerung wurde durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 195797 erzwungen. Die bis dato praktizierte Zusammenrechnung der Einkünfte von Ehegatten wurde als unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG angesehen. Mit dem Steueränderungsgesetz 195898 wurde daher das Splittingverfahren eingeführt, welches noch heute gilt.
4. Einführung einer unteren Proportionalzone Mit dem EStG 1958 wurde auch ein neuer Tarifverlauf geschaffen99. Dieser schuf vier nach Einkommensbereichen gestaffelte Tarifzonen mit jeweils eigenen mathematischen Funktionen zur Ermittlung der Steuerschuld. Gewährt wurde ein allgemeiner Freibetrag i. H. v. 900,– DM sowie ein Sonderfreibetrag i. H. v. 780,– DM. Bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 8.009,– DM reichte die sog. „untere Proportionalzone“, die das Einkommen mit einem Steuersatz von 20 % belastete. Hieran schlossen sich zwei Progressionszonen an. Die untere Progressionszone reichte von 8.000,– DM bis 24.000,– DM und sah Grenzsteuersätze zwischen 27,2 % und 36,5 % vor. Die obere Progressionszone verlief von 24.000,– DM bis 110.000,– DM mit Grenzsteuersätzen von 39,3 % bis zu 51,9 %. Hieran schloss sich die obere Proportionalzone an, die einen proportionalen Grenzsteuersatz i. H. v. 53 % vorsah100. Interessant ist die Begründung zur Einführung der unteren Proportionalzone. Der Gesetzgeber ging ausweislich der Gesetzesbegründung seinerzeit davon aus, dass etwa 95 % aller Steuerpflichtigen der Einkommensgruppe der unteren Proportionalzone zuzurechnen seien101. Die untere Proportionalzone sollte da___________ 96 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 81; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 3; dazu auch Mersmann, DStZ 1954, 373, 375. 97 BVerfG v. 27.01.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55. 98 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts v. 18.07.1958, BGBl. I 1958, 473. 99 BGBl. I 1958, 492 ff. 100 Hierzu auch BT-Drs. III/260 v. 07.03.1958, S. 36 ff.; Mönter/Lantau, DStZ 1958, 241 ff.; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 86. 101 BT-Drs. III/260 v. 07.03.1958, S. 43; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 86.
B. Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif in Deutschland
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her unter anderem zur Verwaltungsvereinfachung beitragen. Insgesamt wirkte der Tarif für diejenigen Steuerpflichtigen, deren Einkommen zur unteren Proportionalzone gehörte, wegen der kombinierten Freibeträge i. H. v. 1.680,– DM indirekt progressiv102. Der Tarif 1958 ähnelt in seinem Aufbau bis zur unteren Proportionalzone dem von Hall/Rabushka vorgeschlagenen Tarif der Flat Tax (dazu § 5, S. 80 ff.). Seit dem VZ 1996 gibt es im deutschen Einkommensteuerrecht keine untere Proportionalzone mehr103.
5. Einführung eines linear-progressiven Tarifs Die nächste größere Änderung des Tarifs brachte das EStG 1990104, das erstmals einen linear-progressiven Tarif verwirklichte105 mit gleichmäßig ansteigenden Grenzsteuersätzen in der gesamten Progressionszone106. Der Grundfreibetrag betrug nunmehr 5.669,– DM, der Eingangssteuersatz 19 %. Die untere Proportionalzone endete allerdings bereits bei 8.153,– DM. Die obere Proportionalzone begann bei 120.042,– DM. Dazwischen stieg der Steuersatz gleichmäßig von 19 % bis zum neuen Spitzensteuersatz in Höhe von 53 %.
6. Freistellung des Existenzminimums Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.09.1992107 wurde die damalige Regelung des Grundfreibetrages im Wesentlichen für unvereinbar mit der grundrechtlichen Garantie des einkommensteuerlichen Existenzminimums erklärt, da der Grundfreibetrag niedriger war als das sozialhilferechtliche Existenzminimum. Bis zum Veranlagungszeitraum 1996 war der Gesetzgeber gehalten, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Diesem Auftrag kam er mit dem Jahressteuergesetz 1996108 nach. Dieses zeichnete sich neben einer Anhebung des steuerlichen Existenzminimums auch durch eine deutliche Anhebung des Eingangssteuersatzes aus. Das Existenzminimum wurde auf 12.095,– DM angehoben, der Eingangssteuersatz allerdings ebenfalls auf 25,9 %109. Der Tarif zeichnete sich außerdem durch zwei linear-progressive Ta___________ 102
Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 86. Nacke, in: Littmann/Bitz/Pust, § 32 a EStG Rn. 13. 104 Steuerreformgesetz 1990 v. 25.07.1988, BGBl. I 1988, 1093. 105 Dazu Schöberle, DStR 1989, 567 ff.; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 32 a EStG Rn. 3. 106 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 111. 107 BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 ff. 108 Jahressteuergesetz 1996 v. 11.10.1995, BGBl. I 1995, 1250. 109 Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 3. 103
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
rifteile aus (sog. „Knicktarif“), wobei der erste Teil langsamer anstieg als der zweite. Darüber hinaus war der Tarif so aufgebaut, dass die durch die Erhöhung des Grundfreibetrages herbeigeführte Entlastungswirkung bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 55.727,– DM im Vergleich zum Tarif 1992 wieder beseitigt wurde (sog. „phasing out“)110. Der Spitzensteuersatz verblieb bei 53 %.
7. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002111 legte veränderte Tarifverläufe für die Veranlagungszeiträume bis zum Jahr 2002 fest, die allerdings später mehrfach modifiziert wurden112. Das Gesetz zur Änderung des Steuersenkungsgesetzes vom 19.12.2000113 schließlich bestimmte die Tarife bis zum Jahr 2005. Danach lag im Jahr 2005 der Eingangssteuersatz bei 15 %, der Spitzensteuersatz nurmehr bei 42 % (fällig ab 52.152,– €). Das steuerfreie Existenzminimum wurde auf 7.664,– € erhöht. Der „Knicktarif“ wurde beibehalten mit einer sog. Übergangszone von 7.665,– € bis 12.739,– € (Steuersätze zwischen 15 % und 24,05 %114) und einer linear-progressiven Zone von 12.740,– € bis 52.151,– €115 (Steuersätze zwischen 24,05 % und 42 %). Zugleich wurden der Werbungskosten-Pauschbetrag auf 920,– € und der Sparer-Freibetrag auf 1.370,– € gesenkt116, die steuerliche Bemessungsgrundlage somit verbreitert.
8. EStG 2007 Das EStG 2007117 hat weitere Änderungen im Einkommensteuerrecht gebracht: Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sollen nach der gesetzgeberischen Entscheidung grundsätzlich keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten mehr darstellen (§§ 4 Abs. 5 a Satz 1, 9 Abs. 2 Satz 1 EStG). ___________ 110 Dies hatte das BVerfG in einem obiter dictum zuvor für verfassungsgemäß erklärt. BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 170. 111 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002. v. 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402. 112 Vgl. Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433; Gesetz zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1812. Laux, BB 2004, 1031. 113 BGBl. I 2000, 1812. 114 Keß, SteuerStud 2004, 639, 640; Laux, BB 2002, 1995. 115 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 805; Broer, DStZ 2004, 257 f.; Keß, StuerStud 2004, 639; Laux, BB 2002, 1995; ders., BB 2004, 1031; zu möglichen Verteilungswirkungen Maiterth/Müller, BB 2003, 2373 ff. 116 Broer, DStZ 2004, 257, 258. 117 I. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2007 v. 19.07.2006, BGBl. I 2006, 1652.
C. Entwicklung der Einkommensbesteuerung in den Vereinigten Staaten
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Erst ab dem 21. Kilometer können Arbeitnehmer grundsätzlich 0,30 € pro Kilometer in Ansatz bringen. Ferner ist ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.001,– € der Grenzsteuersatz von 42 % auf 45 % angehoben worden („Reichensteuer“), wobei für Gewinneinkünfte ein Entlastungsbetrag zum Tragen kommt (§ 32 c EStG). Der Sparer-Freibetrag ist weiter auf 750,– € gekürzt worden (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG).
C. Entwicklung der Einkommensbesteuerung in den Vereinigten Staaten Eine Einkommensteuer im modernen Sinne wurde in den Vereinigten Staaten im Jahre 1913 eingeführt118. Das amerikanische Einkommensteuerrecht verwendet seit jeher zur Definition des Begriffs der Einkünfte eine Generalklausel und ist nicht, wie das deutsche EStG, auf ausdrücklich im Gesetz definierte Einkunftsarten beschränkt119. So definiert § 61 des Internal Revenue Code120 als Bruttoeinkommen „jegliches Einkommen, gleich aus welcher Quelle“ („all income from whatever source derived“)121. Die Fassung von § 61 IRC ist angelehnt an die Formulierung der amerikanischen Verfassung, die in ihrem 16. Zusatzartikel dem Bund das Besteuerungsrecht über „all income from whatever source derived“ einräumt122. Dies legt den Schluss nahe, dass die Bemessungsgrundlage der amerikanischen Einkommensteuer umfassend sei. Wegen einer langen Liste von Ausnahmen trifft dies allerdings nicht zu. Die wichtigsten Ausnahmen sind Schenkungen und Vermögensübertragungen von Todes wegen (§ 102 (a) IRC), ausgezahlte Lebensversicherungssummen (§ 101 (a) IRC), Zinsen auf Schuldverschreibungen der Bundesstaaten und kommunalen Körperschaften (§ 103 IRC) und Rentenzahlungen (teilweise steuerfrei nach § 86 IRC). Neben diesen wichtigsten existieren noch weitere Ausschlusstatbestände123. ___________ 118
McCaffery, S. 20; Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1906. s. etwa Bankman/Griffith/Pratt, Federal Income Tax, S. 33; Asimow, Income Tax I, S. 3; McNulty, StuW 1989, 120, 121. 120 § 61 IRC i.d.F. v. 18.08.1984. 121 Konturen erhält diese Definition durch die Rechtsprechung. So gibt es berühmte „klassische“ Fälle, die jeder Studierende des US-amerikanischen Steuerrechts kennen muss, z. B. Eisner v. Macomber, 252 U.S. 189 (1920 – steuerbares Einkommen setzt Realisation voraus); Commissioner v. Glenshaw Glass Co., 348 U.S. 426 (1955 – Strafschadensersatz ist steuerbares Einkommen); Cesarini v. United States, 296 F. Supp. 3 (N.D. Ohio 1969 – Fundgut ist steuerbares Einkommen). 122 16. Zusatzartikel zur Verfassung v. 03.02.1913. Dazu auch McNulty, StuW 1989, 120, 121. 123 Ausführlich hierzu Asimow, S. 24 ff. 119
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§ 4 Geschichtliche Entwicklung von Bemessungsgrundlage und Tarif
Seit ihrer Einführung ist die Bundeseinkommensteuer progressiv ausgestaltet gewesen, auch wenn Spitzensteuersatz und Progressionsgrad im Laufe der Zeit starken Schwankungen unterlegen haben124. So lag der Spitzensteuersatz im Jahr der Einführung der Einkommensteuer 1913 bei 7 %125. Relativ bald erreichten die Spitzensteuersätze in der Folge des Ersten Weltkriegs 77 %126, in der Folge des Zweiten Weltkriegs und des Koreakriegs sogar 91 %127. Noch während der gesamten 1950er Jahre betrug der Spitzensteuersatz 90 %128. Steuersenkungen wurden insbesondere von den Regierungen Kennedy und Reagan durchgeführt: Unter Kennedy sank der Spitzensteuersatz auf 70 % (ab VZ 1965)129, unter Reagan wurde er von 70 % auf nur noch 28 % (ab VZ 1988) gesenkt130. Insbesondere die Steuerreform von 1986 wird vielfach als Meilenstein der Steuervereinfachung angesehen131. In der Tat wurden 1986 viele „Steuerschlupflöcher“, die zuvor in den Internal Revenue Code aufgenommen worden waren, gestrichen132. Anders wäre die drastische Senkung des Spitzensteuersatzes nicht zu finanzieren gewesen. Die Tatsache, dass es bis zu diesem Zeitpunkt Steuerschlupflöcher, also Ausnahme- und Abzugstatbestände in großer Zahl gab, deutet darauf hin, dass hohe Steuersätze die Entstehung derartiger Schlupflöcher begünstigen. Hierfür spricht auch die weitere Entwicklung der Einkommensteuer nach der Reform von 1986. Der Spitzensteuersatz wurde in der Folge nämlich wieder erhöht auf zuletzt 39,6 %133, und zahlreiche zunächst beseitigte Sonderregelungen haben wieder Einzug gehalten in das Gesetz134.
D. Fazit Die Einkommensteuer in ihrer modernen Form ist eine vergleichsweise junge Steuer. Trotzdem fällt bei der Betrachtung der historischen Entwicklung die___________ 124
Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1906. McCaffery, S. 20 f. 126 Fällig ab einem Einkommen von einer Mio. $. McCaffery, S. 21. 127 Grecu, Problèmes économiques 2006, 22, 23; McNulty, StuW 1989, 120, 121; mit Zuschlägen wurden sogar 94 % erreicht, vgl. McCaffery, S. 22; Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 997 (Fn. 23). 128 McCaffery, S. 22. 129 McCaffery, S. 22. 130 McCaffery, S. 22; Grecu, Problèmes économiques 2006, 22, 23 ; McNulty, StuW 1989, 120, 121. 131 s. Gaddum, DStZ 1986, 211 ff. 132 Zu Einzelheiten s. McCaffery, S. 46 f. 133 McCaffery, S. 47. 134 McCaffery, S. 47. 125
D. Fazit
79
ser Steuer sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten eine Dreiteilung auf, die bemerkenswert ist: Zunächst waren die Steuersätze sehr moderat, um sodann, in Deutschland innerhalb von nur 55 Jahren, rasant anzusteigen (4 % in Preußen 1891 gegenüber 95 % in Deutschland 1946). Dies ist kein rein deutsches Phänomen, denn auch in den Vereinigten Staaten kann eine ähnliche Entwicklung beobachtet werden. Seit einiger Zeit ist indes ein Trend in die andere Richtung zu beobachten. So stellt die Reagan’sche Steuerreform von 1986 in den Vereinigten Staaten ein Beispiel für eine Reform dar, bei der die Bemessungsgrundlage der Steuer verbreitert, im Gegenzug aber die Steuersätze stark abgesenkt wurden. In Deutschland ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten, die mit dem Tarif 2005 zu einem vorläufigen Abschluss gekommen zu sein scheint135. Und auch in den Vereinigten Staaten wurden die niedrigen Steuersätze der ursprünglichen Reform inzwischen wieder erhöht. Dennoch kann der geschichtlichen Entwicklung ein gewisser Trend von hohen Steuersätzen mit Ausnahmen in der Bemessungsgrundlage hin zu niedrigeren Steuersätzen in Kombination mit breiteren Bemessungsgrundlagen nicht abgesprochen werden136. Die hier zu besprechenden Reformvorschläge setzen diesen Trend fort, indem sie die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer erneut verbreitern, dafür aber die Spitzensteuersätze weiter absenken.
___________ 135 Vgl. auch Broer, DStZ 2004, 257: „Diese Vorgehensweise entspricht der seit vielen Jahren in anderen Ländern praktizierten Politik des ,Tax cut cum base broadening‘“. 136 Kritisch hierzu Lang, Editorial, StuW 2005, 1, 2.
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka Obwohl die Einkommensteuersysteme Deutschlands und der Vereinigten Staaten traditionell progressiv ausgestaltet waren und sind (§ 4, S. 64 ff.), ist die Idee eines proportionalen Einkommensteuertarifs nicht neu und hat die Steuerwissenschaft besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder beschäftigt1. So schlug der spätere Nobelpreisträger Milton Friedman bereits im Jahre 1962 in seinem Hauptwerk „Capitalism and Freedom“ die Einführung einer Einstufen-Steuer vor2. Die Diskussion erhielt allerdings in den 1980er Jahren neue Nahrung, als die beiden Stanford-Professoren Robert Ernest Hall und Alvin Rabushka ihr Modell einer „Flat Tax“ der Öffentlichkeit vorstellten3. Es handelt sich hierbei um eine radikale Einfachsteuer, und das Modell diente, obwohl es zunächst weder öffentliche noch politische Unterstützung erhielt, im Laufe der Zeit vielen anderen Reformvorschlägen als Grundlage4. Heute bildet es in den Vereinigten Staaten den Mittelpunkt auch der wissenschaftlichen Diskussion um eine Flat Tax5; daher soll das Modell von Hall/Rabushka im Folgenden als Grundlage für die weitere Betrachtung dienen. ___________ 1 Vgl. nur Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 261 ff.; dens., StuW 2000, 3 ff.; dens., ÖStZ 2001, 166 ff.; Knaupp, S. 1 ff.; Föhl, FinArch 14 (1953/54), 88 ff. mit Erwiderung von Krelle, FinArch 16, 22 ff.; Lang, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 37 ff.; Soule/Bates, 15 Neb. J. Econ. & Bus. 19 ff.; v. Hayek, Schweizer Monatshefte 32, 508 ff.; Wala, RdW 2001, 245 ff. 2 Friedman, Capitalism and Freedeom, S. 174 ff.; hierzu auch Fellows, 65 CPA J. 18. 3 s. auch Richard I. Kirkland, jr., „The Flatter-Tax Movement Picks Up Steam“, in: Fortune v. 26.07.1982, S. 33; „Towards a Simple Income Tax“, in: The Economist v. 26.06.1982, S. 21. 4 Z. B. Bryce, 37 Ala. L. Rev. 1 ff.; ders., 38 Ala. L. Rev. 83 ff.; vgl. auch Morris, 48 Fla. L. Rev. 159, 166. 5 Vgl. etwa Bernick, 16 Tax Notes 478; Brereton, 43 Mortgage Banking 45; Brooks, 21 Dalhousie L.J. 287; Clark, 14 Nat’l J. 1928; Chirelstein, 2 Green Bag 2d 147; Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819; Crickmer, 70 Nation’s Bus. 22; Davidson/McIntyre, 8 Common Cause 24; Davies, 70 S. Cal. L. Rev. 1749; DeConcini, 7 J. Inst. For Socioeconomic Stud. 70; Dunbar/Pogue, 51 Nat’l Tax J. 303; Esenwein, 15 Tax Notes 947; Feld, 48 Nat’l Tax J. 603 ff.; Fessler, Cong. Q. Wkly. Rep. 1331; Foster, 71 Tax Notes 1795; Gale, 16 Brookings Rev. 40; Good, 10 People and Taxes (06/82), 8; Golob, 81 Econ. Rev. (3/4) 5; Gravelle, 69 Tax Notes 1517; Hale, 20 Pol’y Rev. 57; ders., 20 Across the Board 51; Manvel, 15 Tax Notes 572; Minarik, 35 Nat’l Tax J. 231; ders., 25 Challenge (XI/XII 1982) 14; Pechman/Boskin, 16 Tax Notes 651; Pechman/Scholz, 17 Tax Notes
A. Geschichte des Modells
81
A. Geschichte des Modells Hall/Rabushka legten ihr Konzept einer Flat Tax im Jahre 1981 der Öffentlichkeit vor6. Das Modell sah eine radikale Vereinfachung der Einkommensbesteuerung vor, unter anderem durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und einen einheitlichen Tarif von 19 %7. In Buchform mit Gesetzesentwurf und Begründung wurde der Vorschlag erstmals im Jahre 1983 veröffentlicht8. Seither haben Hall und Rabushka zahlreiche Bücher und Aufsätze zu dem Thema veröffentlicht9. Insbesondere in den Vereinigten Staaten sind daran anknüpfend immer neue Vorschläge zur Einführung einer Flat Tax gemacht worden. Etwa zeitgleich setzte auch in Kanada eine wissenschaftliche Diskussion zu dem Thema ein10. Die Diskussion beschränkte sich in den Vereinigten Staaten nicht auf den wissenschaftlichen Bereich; vielmehr sind die Vorschläge von Hall/Rabushka mehrfach von der Politik aufgegriffen worden11; auch die Reagan’sche Steuerreform 1986 wurde hiervon beeinflusst12. Der erste Politiker, der die Vorschläge von Hall/Rabushka aufgriff, war im Jahre 1982 der demokratische Senator Dennis Webster DeConcini13. Sein Vorschlag basierte im Wesentlichen auf dem von Hall und Rabushka vorgeschlagenen System: Er sah neben einem Steuersatz in Höhe von 19 % auf ___________ 83; Pisciotta, 14 Baylor Bus. Rev. 9; Talley, 15 Tax Notes 952. s. auch den Gegenentwurf einer „Fair Not Flat Tax“ von Edward J. McCaffery: McCaffery, S. 6 ff. Zum Aufkommen und zur Verteilung der Steuerlast Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85; Gale/Houser/Scholz, in: Economic Effects of Fundamental Tax Reform, S. 281, 288 ff. s. für die deutschsprachige Diskussion neuerdings Richner, ASA 73, 593 ff. 6 Hall/Rabushka, A Proposal to Simplify Our Tax System, Wall Street Journal v. 10.12.1981, S. A30; hierzu Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 47; MühlSchimmele, DSWR 1996, 329; Rabushka, 48 Emory L.J. 841; Fuest/Fuest, wisu 2005, 1190. 7 Vgl. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 55. 8 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983; nicht ganz zutreffend daher Richner, ASA 73, 593, 594. 9 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1995; Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 3 ff.; Rabushka, „Flat and Happy“, Wall Street Journal v. 12.01.2005, S. 10. 10 Hierzu ausführlich Walker, S. 23 ff.; s. auch Brooks, 21 Dalhousie L.J. 287, 289. 11 Einen Überblick über die verschiedenen Gesetzesinitiativen der 1980er Jahre gibt Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 994 ff. s. auch Richner, ASA 73, 593, 594 f. 12 Vgl. Roberts/Hite/Bradley, 58 Pub. Opinion Q. 165, 166. 13 B. S.2147 v. 01.03.1982; hierzu DeConcini, 7 J. Inst. For Socioeconomic Stud. 70, 72 ff.; Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 47; Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329, 330.
82
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Arbeitseinkommen einerseits sowie Unternehmensgewinne andererseits auch einen Sofortabzug für unternehmerische Investitionen vor14. Auch in den 1990er Jahren beschäftigte die Debatte um die Einführung einer Flat Tax die politische Diskussion in den USA. Im Jahr 1992 griff der ehemalige Gouverneur von Kalifornien und Bewerber um die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten, Jerry Brown, den Ansatz auf15. Alvin Rabushka wurde während der Kampagne als Pressesprecher mit dem Zuständigkeitsbereich für die Flat Tax tätig16. Allerdings basierte das von Brown vorgeschlagene System nicht auf dem Vorschlag von Hall/Rabushka, sondern auf einem Modell des Ökonomen Arthur Laffer17. Dies wurde unter anderem daran deutlich, dass der Vorschlag keinen steuerfreien Grundfreibetrag vorsah; folglich sollte ab dem ersten verdienten Dollar das gesamte Einkommen dem proportionalen Steuersatz von 13 % unterfallen18. Quasi als „Ersatz“ für die Streichung des Grundfreibetrages sollte es aber gewisse Abzugstatbestände geben, etwa für Mietzahlungen, Zahlungen für gemeinnützige Zwecke und bestimmte Zinszahlungen19. Auch bei den Präsidentschaftsnominierungen 1996 spielte die Flat Tax eine Rolle, als der Kandidat für die Nominierung der Republikaner Steve Forbes sich für eine Steuerreform nach diesem Modell aussprach20. Anlässlich seiner erneuten Kandidatur für die Präsidentschaftsnominierung im Jahre 2000 wiederholte Forbes seine Forderung21. Anders als der Vorschlag von Brown basierte derjenige von Forbes direkt auf dem Modell von Hall/Rabushka22, sah aber einen Steuersatz von nur 17 % vor23. Der kalifornische Abgeordnete David Dreier brachte am 3. Mai 1990 (101. Kongress) den Entwurf eines „Taxpayer Confidence Restoration Act“ in das Repräsentantenhaus ein24. Auch der ehemalige republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Richard „Dick“ Armey, sowie der Senator Richard ___________ 14
Burton, 26 Tax Notes 75. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 49; Steuerle, 55 Tax Notes 125; MühlSchimmele, DSWR 1996, 329, 330. 16 Rabushka, 48 Emory L.J. 841. 17 Rabushka, 48 Emory L.J. 841. 18 Steuerle, 55 Tax Notes 125. 19 Steuerle, 55 Tax Notes 125. 20 Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329, 330; hierzu auch Veramallay, 24 Atl. Econ. J. 261; Randy Kennedy, No Endorsement, but Scorn for Flat Tax, in: New York Times v. 04.03.1996, S. B.6; Neil A. Lewis, The Forbes Pitch for a Flat Tax, in: New York Times v. 06.03.1996, S. B. 8. 21 Elicker, StuW 2000, 3. Die von Elicker angegebene Quelle http://www. forbes2000.com existiert leider nicht mehr. 22 Rabushka, 48 Emory L.J. 841. 23 Pisciotta, 14 Baylor Bus. Rev. 9. 24 B. H.R. 4725 v. 03.05.1990. 15
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
83
Shelby griffen den Vorschlag von Hall/Rabushka auf. In den Jahren 1994 bis 1999 brachten Armey und Shelby Entwürfe eines „Freedom and Fairness Restoration Act“ in den 103. bis 106. Kongress ein25, zuletzt am 9. März 1999 (106. Kongress) den Entwurf eines „Freedom and Fairness Restoration Act 1999“26. Der Armey/Shelby-Entwurf kann als der bisher bedeutendste Schritt zur Umsetzung des Konzepts von Hall/Rabushka angesehen werden und soll daher in der folgenden Betrachtung hilfsweise herangezogen werden. Er orientiert sich eng am Vorschlag Halls und Rabushkas27 und weist gegenüber dem Original nur geringe Abweichungen auf28. Keiner dieser Entwürfe ist bisher vom Kongress tatsächlich verabschiedet worden. Worin die Ursachen hierfür im Einzelnen liegen, lässt sich nur vermuten. Durchaus möglich ist, dass sich Sonderinteressen und Gegner niedriger Steuersätze gegen die Einstufen-Steuer-Entwürfe bisher durchgesetzt haben29. Das Modell der Flat Tax konnte jedenfalls in den USA bisher keine politische Mehrheit im Kongress für sich gewinnen. Fest steht aber auch, dass Walter J. Blum, Koautor des 1952/53 erschienenen Aufsatzes „The Uneasy Case for Progressive Taxation“30 mit seiner 1982 getroffenen Aussage Recht behalten hat, dass die Kontroverse um eine proportionale Konsumbesteuerung die steuerpolitische Diskussion in den Vereinigten Staaten in der folgenden Dekade stark beschäftigen sollte31.
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka Wegen seines proportionalen Steuertarifs wird das von Hall/Rabushka entwickelte Steuersystem als „Flat Tax“ bezeichnet. Jedoch zeichnet sich dieses System durch weit mehr aus als nur einen proportionalen Steuertarif32; es han___________ 25 Freedom and Fairness Restoration Act 1993: B. H.R. 4585 SC v. 16.06.1994; hierzu Fellows, 65 CPA J. 18; Montero, 65 CPA J. 14. Freedom and Fairness Restoration Act 1995: B. S.1050.IS und B. H.R. 2060 IH v. 19.07.1995. Freedom and Fairness Restoration Act 1997: B. H.R. 1040 IH v. 12.03.1997 und B. S.1040.IS v. 21.07.1997. 26 Bill H.R. 1040 IH v. 09.03.1999. 27 Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 642; s. auch McLure/Zodrow, 51 Nat’l Tax J. 1 (Fn. 1). 28 Hierzu auch Davies, 70 S. Cal. L. Rev. 1749. 29 So Vorwold, WPg 2003, 803. 30 Blum/Kalven, 19 U. Ch. L. Rev. 417; dies., The Uneasy Case for Progressive Taxation. 31 Blum, 60 Taxes 16, 17. 32 DeMuth, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 2.
84
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
delt sich vielmehr um einen ganzheitlichen Reformansatz33, der etwa auch das Steuerobjekt und die Bemessungsgrundlage verändert. Hall und Rabushka identifizieren vier Kriterien, denen das von ihnen vorgeschlagene Steuersystem genügen soll34: (1) Jegliches Einkommen soll genau einmal besteuert werden, und zwar möglichst an der Quelle35. (2) Alle Arten von Einkommen sollen demselben (Grenz-)Steuersatz unterliegen. (3) Arme Familien sollen keine Einkommensteuer zahlen, und Familien mit geringerem Einkommen sollen verhältnismäßig weniger Steuern zahlen als Familien mit höherem Einkommen. (4) Einkommensteuererklärungen sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen sollen einfach genug sein, um auf einer Postkarte Platz zu finden. Die Kriterien (2) und (3) führen insgesamt zu einem Einkommensteuersystem, das einen proportionalen Steuersatz mit einem Grundfreibetrag kombiniert. Nur auf diese Weise lassen sich die beiden prima facie konträren Ziele eines einheitlichen Steuersatzes für alle Einkünfte sowie eines progressiven Tarifs verwirklichen. Die Kombination eines Grundfreibetrages mit einem proportionalen Steuersatz führt insgesamt zu einem indirekt progressiven Tarif (s. o., § 3 D. II. 1., S. 58)36. Zugleich stellt der Grundfreibetrag sicher, dass ein Existenzminimum von der Einkommensteuer verschont wird. Das von Hall/Rabushka vorgeschlagene System sieht zwei getrennte Steuerarten vor37: eine Steuer auf unternehmerische Aktivitäten („business income“) und eine Steuer auf Löhne, Gehälter und Pensionen38 („wages, salaries and pensions“).39 Hall/Rabushka unterscheiden damit die „Haushaltsseite“ und die „Unternehmensseite“ der Besteuerung40. Zugleich betonen sie indes, dass die beiden Steuerarten nur Unterformen eines einheitlichen und integrierten Ein___________ 33
Richner, ASA 73, 593, 599. Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 32. 35 Vgl. hierzu auch Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 86. 36 Dazu auch Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2352; Richner, ASA 73, 593, 616 f. 37 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600; Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691. 38 Der Ausdruck „pensions“ meint im US-amerikanischen Recht allerdings Auszahlungen aus Pensionsfonds und nicht die Alterseinkünfte ehemaliger Beamter. Bei einer Übertragung auf deutsche Verhältnisse wäre aber zu überlegen, ob Pensionen nicht ebenfalls von der Lohnsteuer erfasst werden sollten. 39 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 33 f.; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 58 ff. 40 Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329, 330. 34
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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kommensteuersystems sein sollen.41 Jegliches Einkommen soll einer der beiden Steuern unterfallen42. Wegen des einheitlichen Steuersatzes ist eine genaue Abgrenzung auf den ersten Blick entbehrlich; jedoch ist zu beachten, dass nur die Steuer auf Löhne und Gehälter (indirekt) progressiv ausgestaltet sein soll, was wiederum letztlich doch eine genaue Abgrenzung erforderlich macht, ähnlich der Abgrenzung zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer.
I. Bemessungsgrundlage Nach dem Vorschlag von Hall/Rabushka soll die Einführung der Flat Tax in den Vereinigten Staaten aufkommensneutral möglich sein bei einem Steuersatz von nur 19 %. Nach dem Entwurf von Armey/Shelby soll der Steuersatz sogar nur 17 % betragen. Um dies zu erreichen, muss die Bemessungsgrundlage radikal verbreitert werden.43
1. Steuer auf Individualvergütungen Die Steuer auf Individualvergütungen („individual compensation“) hat lediglich einen vergleichsweise engen Anwendungsbereich. Nur tatsächlich gezahlte Löhne, Gehälter und Pensionen sowie gewisse Lohnersatzleistungen44 sollen von der Steuer erfasst werden45. Unterschiedlich behandelt wird die Altersvorsorge von Arbeitnehmern: Beiträge zur privaten Altersvorsorge des Arbeitnehmers können vom Arbeitgeber im Zahlungszeitpunkt in Abzug gebracht werden; spätere Einnahmen des Arbeitnehmers werden als Pensionen besteuert46. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können hingegen weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer in Abzug gebracht werden47 und sollen dafür im Auszahlungszeitpunkt nicht besteuert werden48. Die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer ist damit eng, weil geldwerte Sachleistungen ebenso wie Beiträge des Arbeitgebers für die private Altersvor___________ 41
Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 5. Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 34; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 55. 43 Vgl. Fellows, 65 CPA J. 18; Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 3; Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 87; Pisciotta, 14 Baylor Bus. Rev. 9. 44 Zu den nach Hall/Rabushka steuerpflichtigen Lohnersatzleistungen gehören etwa Einkünfte aus der Unfallversicherung. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 115. 45 Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 9. s. auch Richner, ASA 73, 593, 604. 46 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 58 f. 47 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 58 f.; Richner, ASA 73, 593, 604 f. 48 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 77. 42
86
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
sorge des Arbeitnehmers nicht von der Steuer auf Individualvergütungen erfasst werden49. Es kann daher auch von einer „Arbeitseinkommensteuer“ gesprochen werden50. Einziger Zweck dieser Steuer auf Individualvergütungen ist, die in Geld von Arbeitgebern an Arbeitnehmer gezahlten Vergütungen – möglichst an der Quelle – zu erfassen.51 Nicht erfasst werden ferner Zinsen und andere Einkünfte aus Kapitalvermögen52. Dies ist konsistent mit der von Hall/Rabushka angepeilten Konsumorientierung des Einkommensteuersystems: Einkommen soll nur einmal besteuert werden, und zwar möglichst an der Quelle. Kapitaleinkünfte werden aus bereits versteuertem Einkommen erzielt und sollen daher nicht erneut der Besteuerung unterliegen. Die hierin gesehene zweifache Belastung desselben Einkommens soll vermieden werden.53 Hall/Rabushka verwirklichen den Übergang zur Konsumbesteuerung auf Haushaltsseite somit durch die Methode der Zinsbereinigung54. Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sollen ebenfalls steuerfrei sein55, was die Frage der Abgrenzung von unternehmerischer Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung auf den Plan ruft. Nur bei der Steuer auf Individualvergütungen soll dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag zu Gute kommen, der an die allgemeine Preissteigerungsrate gekoppelt sein soll. Abzüge vom zu versteuernden Einkommen sind dagegen weder für erwerbssichernde (Werbungskosten) noch für Privataufwendungen (Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) vorgesehen56. Diese sollen durch den (entsprechend zu erhöhenden) Grundfreibetrag pauschal mit abgegolten sein. Damit wird gegenüber dem bisherigen System die Bemessungsgrundlage verbreitert. Darüber hinaus ist die Steuer auf Individualvergütungen durch den individuellen Freibetrag indirekt progressiv ausgestaltet57. Der Freibetrag soll $ 9.500,– für Ledige und $ 16.500,– für zusammenveranlagte Verheiratete betragen. Für jeden Unterhaltsberechtigten58 soll sich der Freibetrag um $ 4.500,– erhöhen. Damit benachteiligt der Vorschlag von Hall/Rabushka ___________ 49
Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 9. So Hiller, DBW 1999, 792, 795. 51 Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 9. 52 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600. 53 Vgl. Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329, 331. 54 Richner, ASA 73, 593, 605. 55 Vgl. Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 86; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 110. 56 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691; Richner, ASA 73, 593, 605. 57 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600. 58 Definiert als „Sohn, Stiefsohn, Tochter, Stieftochter, Mutter oder Vater, dessen Lebenshaltungskosten der Steuerzahler zu mehr als der Hälfte bestreitet“. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 144. 50
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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effektiv verheiratete Steuerpflichtige um bis zu $ 475,–59, weil der Freibetrag für Verheiratete weniger als doppelt so hoch ist wie derjenige für Ledige. Die Steuer auf Individualvergütungen soll im Wege der Einbehaltung durch die Arbeitgeber erhoben werden60. Ein Verlustvor- oder -rücktrag ist hingegen für die Einkünfte aus Individualvergütungen nicht vorgesehen61. Auch eine Verrechnung mit unternehmerischen Gewinnen oder Verlusten soll nicht möglich sein; daher kann man mit einiger Berechtigung von einem Schedulensystem62 sprechen63. Nach Schätzungen von Hall/Rabushka wären etwa 80 % der Bevölkerung lediglich dieser Steuerart unterworfen, da sie über keinerlei Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit verfügen64. Für Deutschland dürfte Ähnliches gelten65.
2. Steuer auf unternehmerische Aktivitäten (Unternehmenssteuer) a) Ausgestaltung als Betriebsteuer Ist die Bemessungsgrundlage der Steuer auf Löhne und Gehälter vergleichsweise eng, so ist diejenige der Unternehmenssteuer demgegenüber weit: Die Unternehmenssteuer soll alle Arten unternehmerischen Einkommens erfassen, also im Wesentlichen alle Einkommensformen, die nicht Löhne, Gehälter oder Pensionen sind66. Sie soll ferner unabhängig sein von der Rechtsform des Unternehmens67, wird also als objektsteuerartige Betriebsteuer68 ausgestaltet69, ___________ 59
Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 87. Berechnung: (19.000 – 16.500) ǜ 19 % =
475. 60
Calegari, Nat’l Tax J. 689, 692; Richner, ASA 73, 593, 604; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 613. 61 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691. 62 Dazu auch Kanzler, FR 1999, 363, 365 ff. (zum Halbeinkünfteverfahren). 63 McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 285. 64 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 36; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 59; dies., in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 10. 65 Im Jahre 2001 hatten nur etwa 11 % aller Einkommensteuerpflichtigen keine Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. BMF, Datensammlung Steuerpolitik, S. 12. Dies sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie hoch der Anteil der Steuerpflichtigen war, die nur Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit erzielt haben. 66 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 37; dies., in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 12. 67 Hiller, DBW 1999, 792, 795. 68 Zum Konzept einer Betriebsteuer vgl. ausführlich Jacobs/Scheffler, Steueroptimale Rechtsform, S. 300 ff.; Seidl, StuW 1989, 350 ff.
88
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
die den Gewinn des Betriebes erfasst („Business Tax“). Die Steuer soll vom Einzelkaufmann bis zur Aktiengesellschaft jegliche unternehmerische Tätigkeit erfassen, gleich in welcher Rechtsform der Betrieb geführt wird70. Das Steuerobjekt der Betriebsteuer wird somit durch eine Generalklausel definiert. Hauptanwendungsfelder der Steuer auf unternehmerische Aktivitäten sind neben den Einkünften aus Gewerbebetrieb vor allem die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung71.
b) Gewinnermittlung durch Cash Flow Besteuerung Die Unternehmenssteuer soll als Cash Flow Steuer ausgestaltet werden, die an realwirtschaftliche Transaktionen anknüpft72 (sog. Cash Flow Steuer vom RTyp73) und sich an Zahlungsströmen orientiert.
aa) Mögliche Zahlungsströme im Modell Dem liegt folgendes Modell der möglichen Zahlungsströme im System der Konsumbesteuerung zu Grunde: Bezogen auf Unternehmungen gilt, dass grundsätzlich drei Zahlungsstromgruppen zu unterscheiden sind: Realwirtschaftliche (R-)Transaktionen, finanzwirtschaftliche (F-)Transaktionen sowie beteiligungsbezogene (S-)Transaktionen74. Die realwirtschaftlichen Transaktionen lassen sich unterteilen in Zahlungsabflüsse, resultierend aus dem Kauf von Anlagegütern, Dienstleistungen (einschließlich der Zahlung von Löhnen und Gehältern) und Material, sowie Zahlungseingänge durch den Verkauf von Anlagegütern und Dienstleistungen75. Bei finanzwirtschaftlichen Transaktionen stehen auf der einen Seite Zahlungen ___________ 69 Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 99; Richner, ASA 73, 593, 600. 70 Vgl. Richner, ASA 73, 593, 603. 71 Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329, 331 f. 72 Hiller, DBW 1999, 792, 795. 73 Andel, Finanzwissenschaft, S. 348; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 160; Lammersen, S. 56; McLure/Zodrow, 51 Nat’l Tax J. 1, 3. 74 Erstmals wohl Bericht der Meade-Kommission, S. 231; s. auch Eberhartinger, S. 396 f.; P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 52; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 91; EhrhardtRauch, DStZ 2001, 423, 425; Richner, ASA 73, 593, 601; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 112. 75 Eberhartinger, S. 396; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 160 (Fn. 111); Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 91; Hiller, DBW 1999, 792, 794.
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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für Veränderungen des Fremdkapitals, Zinsen und für den Ankauf von Finanzinstrumenten sowie von Anteilen an ausländischen Unternehmen, auf der anderen Seite Einnahmen aus der Veränderung des Fremdkapitals, Zinsen und aus dem Verkauf von Finanzinstrumenten und Beteiligungen an ausländischen Unternehmen76. Die beteiligungsbezogenen Transaktionen schließlich werden gebildet aus einerseits Zahlungen für die Beteiligung an inländischen Unternehmen und an Anteilseigner, andererseits aus der Rückzahlung von Einlagen in inländischen Unternehmen und dem Empfang von Ausschüttungen aus Beteiligungen77. Die Summe der real- und finanzwirtschaftlichen Transaktionen entspricht dem Saldo der beteiligungsbezogenen Transaktionen78.
bb) R-Basis Cash Flow Steuer Im Rahmen der Flat Tax werden nur die realwirtschaftlichen Transaktionen erfasst: Besteuert wird der Saldo der Zahlungsströme aus realwirtschaftlichen Transaktionen79. Daher spricht man auch von einer Steuer vom R-Typ. Diese ist zu unterscheiden von einer Steuer vom R+F-Typ sowie von einer Steuer vom S-Typ. Das Modell einer Steuer vom R-Typ geht zurück auf einen Vorschlag von E. Cary Brown80 aus dem Jahre 194881. Davon abzugrenzen ist die Cash Flow Steuer vom R+F-Typ82, die zusätzlich die Einnahmen und Ausgaben aus Kredit- und Zinstransaktionen erfasst, sowie die Steuer vom S-Typ83, deren Bemessungsgrundlage die Nettoauszahlung an die Anteilseigner, also Dividendenzahlungen minus Nettokapitalaufnahme, ist84. Diese Terminologie geht zurück auf ___________ 76 Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 160 (Fn. 112); P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 52; Hiller, DBW 1999, 792, 794. 77 P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 52; Hiller, DBW 1999, 792, 794. 78 P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 52; Hiller, DBW 1999, 792, 794. 79 Richner, ASA 73, 593, 601. 80 Brown, in: Income, Employment and Public Policy, S. 300 ff. 81 Eberhartinger, S. 396 f.; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 160; Richner, ASA 73, 593, 601; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 112. 82 Dazu Bericht der Meade-Kommission, S. 233; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 162; Sinn, S. 128 f.; M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 56 ff., 263 ff.; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 113. 83 Dazu Bericht der Meade-Kommission, S. 233 f.; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 113 f. 84 Andel, Finanzwissenschaft, S. 348 (Fn. 13); Lammersen, S. 56; P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 53.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
den Bericht der Meade-Kommission aus dem Jahre 197885, die sich ausführlich mit den verschiedenen Möglichkeiten einer Cash Flow Steuer auseinandergesetzt hat. Bei der Steuer vom R-Typ bleiben alle finanzwirtschaftlichen Transaktionen, vor allem die Aufnahme und Tilgung von Krediten, sowie alle beteiligungsbezogenen Transaktionen steuerlich unberücksichtigt86. Daher sind keine Abzüge für gezahlte Zinsen, Dividenden oder andere Zahlungen an die Eigentümer des Unternehmens vorgesehen87. Dies stellt sicher, dass Einkünfte, die Privatpersonen von Unternehmen beziehen (Zinsen oder Dividenden), bereits einmal besteuert sind88. Wegen des einheitlichen Steuersatzes ist diese Verlagerung des Besteuerungszeitpunkts prima facie unbedenklich.89 Zu bedenken ist allerdings, dass der Freibetrag nur bei der Lohn- und Gehaltssteuer gewährt wird und gerade nicht bei den unternehmerischen Einkünften. Dies führt unter Umständen zu Gestaltungsmöglichkeiten, auf die im Einzelnen noch eingegangen wird (s. u., § 5 E. III. 3. b), S. 253 ff.). Für Haushalte gilt das zu den Unternehmen Gesagte analog90. Die komsumorientierte Flat Tax ist darauf ausgerichtet, lediglich auf die realwirtschaftlichen Transaktionen zurückzugreifen und insbesondere finanzwirtschaftliche Transaktionen zu ignorieren.
cc) Ähnlichkeit zur Mehrwertsteuer Damit ähnelt die Unternehmenssteuer in der Art ihrer Ausgestaltung und vor allem in ihrer Wirkung einer europäischen Mehrwertsteuer91. Der steuerbare Gewinn wird im Grundsatz ermittelt durch die Differenz der Einnahmen und Ausgaben aus realwirtschaftlichen Transaktionen92, nämlich aus der Differenz ___________ 85
s. Bericht der Meade-Kommission, S. 231. Bericht der Meade-Kommission, S. 230 ff.; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 160; McLure/Zodrow, 51 Nat’l Tax J. 1, 3 (Fn. 15); MühlSchimmele, DSWR 1996, 332; Richner, ASA 73, 593, 602; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600. 87 Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 12. 88 Vgl. Hiller, DBW 1999, 792, 795. 89 Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 10 f. 90 Hiller, DBW 1999, 792, 794. 91 Quantschnigg, RdW 1998, 701, 703; Richner, ASA 73, 593, 601; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600; s. auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 298 und Genauer P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 47 f. zur Mehrwertsteuer vom Konsumtyp. 92 Mühl-Schimmele, DSWR 1996, 329, 331 f. 86
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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von Einnahmen aus dem Verkauf von Gütern und Dienstleistungen und Ausgaben für den Kauf von Materialien und für Löhne und Gehälter93.
c) Abzug erwerbsbezogener Aufwendungen Im Gegensatz zur Lohnsteuer sind bei der Unternehmenssteuer Abzüge von der Bemessungsgrundlage für erwerbsdienliche Aufwendungen („Betriebsausgaben“) zulässig. Die Abzugstatbestände sind jedoch vergleichsweise eng gefasst. So sind Abzüge nur vorgesehen für die Kosten von Rohmaterialien und Dienstleistungen, Löhnen und Gehältern sowie generell für Güter des Anlagevermögens unter Einschluss von Grundstücken94. Abschreibungen werden, dem System der Cash Flow Besteuerung folgend, ersetzt durch einen vollständigen Abzug im Jahr der Anschaffung95. Nicht zulässig sind allerdings Abzüge für nicht in Geld erbrachte geldwerte Leistungen an Arbeitnehmer (sog. „fringe benefits“)96. Dem entspricht es, dass Arbeitnehmer derartige Leistungen nicht versteuern müssen. Nicht abzugsfähig sind ferner finanzwirtschaftliche Aufwendungen wie etwa gezahlte Zinsen. Wirtschaftlich gesehen wird der Staat somit bei der Cash Flow Steuer vom R-Typ „stiller Teilhaber“ der Unternehmen oder „Mitunternehmer“, da er durch Gewährung von Sofortabschreibungen einen Teil der Investitionskosten „trägt“, durch Besteuerung im Zeitpunkt der Gewinnerzielung aber auch einen Teil des Gewinns vereinnahmt97.
d) Verzinslicher Verlustvortrag Diesem Leitbild des „stillen Teilhabers“ entspräche an sich, dass der Staat im Verlustfall Geldzahlungen an den Unternehmer leistet. Dies lehnen Hall/Rabushka unter Verweis auf befürchteten Missbrauch ab98. Vielmehr schlagen sie vor, dass steuerliche Verluste unbeschränkt99 vorgetragen werden können100. Ferner soll der Verlustvortrag verzinst werden, und zwar mit dem ___________ 93
Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600; s. auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 298. Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 38; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 62. 95 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 39; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 40; dies., in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 27; Andel, Finanzwissenschaft, S. 348; Richner, ASA 73, 593, 601; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 600. 96 Richner, ASA 73, 593, 602; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 613. 97 Bericht der Meade-Kommission, S. 233; Richner, ASA 73, 593, 602. 98 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 41; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 64. 99 Hall/Rabushka, in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 17. 100 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 41; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 64. 94
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Marktzinssatz („market rate of interest“)101. Eine Schwierigkeit in diesem Zusammenhang dürfte allerdings darin bestehen, diesen zu ermitteln102, da es einen einheitlichen und allgemeingültigen „Marktzins“ nicht gibt. Folglich müsste auf andere Werte Bezug genommen werden, etwa den Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank. Vorgetragene Verluste sollen ferner offenbar nicht von der steuerlichen Bemessungsgrundlage, sondern von der Steuerschuld abgezogen werden können103. Dies führt zu einer Überbewertung von Verlusten, da bei einem Steuersatz von 19 %, wie Hall/Rabushka ihn vorschlagen, für jeden Euro Gewinn nur 19 Cent Steuern entrichtet werden müssten, jeder Euro Verlust aber in späteren Jahren wegen der Verzinsung mehr als einen Euro Steuern sparen würde. Diesem Vorschlag von Hall/Rabushka kann daher von vornherein nicht gefolgt werden.
e) Keine Vorauszahlungen Im Gegensatz zu der im Wege des Lohnsteuerabzugs erhobenen Steuer auf Individualvergütungen sollen für die Unternehmenssteuern keine Vorauszahlungen in der laufenden Besteuerungsperiode erforderlich sein; vielmehr sollen Unternehmen ihre Steuern in der anschließenden Besteuerungsperiode berechnen und bezahlen104. Ein Datum für die Fälligkeit der Steuererklärungen wird von Hall/Rabushka nicht genannt.
f) Sonderfall Finanzintermediäre Die Besteuerung von Finanzintermediären105 und anderen Unternehmen mit einem hohen Anteil von Finanzanlagen im Portfolio führt bei einer R-Basis Cash Flow Steuer zwangsläufig zu Problemen106. Insbesondere Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften wären hiervon betroffen, da diese im Wesentlichen Finanzdienstleistungen erbringen, finanzielle Transaktionen aber ___________ 101
Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 41; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 64. Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691. 103 Dies ergibt sich aus dem Aufbau des von Hall/Rabushka vorgesehenen Formulars zur Steuererklärung von Unternehmen. s. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 65. Richner, ASA 73, 593, 603. 104 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 692. 105 Unter Finanzintermediären werden solche Finanzinstitutionen verstanden, über welche Sparer finanzielle Mittel auf indirektem Weg an Schuldner weiterleiten lassen können. Mankiew, Volkswirtschaftslehre, S. 614 f. 106 Ehrhardt-Rauch, DStZ 2001, 423, 425; Feldhoff, StuW 1989, 53, 55. 102
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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bei der Besteuerung unberücksichtigt bleiben sollen. Die Besteuerung von Finanzintermediären stellt also ein Problem für die vorgeschlagene Cash Flow Steuer dar107. Es handelt sich hierbei nicht um ein Problem, das spezifisch für die Flat Tax ist, sondern um ein generelles Problem konsumbasierter Steuern108. Die meisten Umsatzsteuergesetze nehmen Finanzdienstleistungen daher von vornherein von der Besteuerung aus (vgl. § 4 Nr. 8109, 10 UStG). Theoretische Alternativen, den Wert von Finanzdienstleistungen zu erfassen, gelten gemeinhin für eine Umsetzung in die Praxis als zu kompliziert110. Daher werden die Leistungen von Banken und Versicherungen häufig mit einer eigenen Steuer belegt, wie in Deutschland etwa durch die Versicherungsteuer. Bei der Flat Tax tritt das Problem der steuerlichen Erfassung von Finanzintermediären wegen ihrer R-Basis besonders deutlich hervor: Da Banken und andere Finanzintermediäre keine Produkte „verkaufen“, erzielten sie auch kein steuerbares Einkommen unter der Unternehmenssteuer111. Da auf der anderen Seite aber ihre Betriebsausgaben (v. a. Kosten für Personal und Anlagegüter) abzugsfähig wären, hätten sie permanente steuerliche Verluste112. Zur Lösung dieses Dilemmas schlagen Hall/Rabushka Folgendes vor: Banken und andere Finanzintermediäre verrechnen häufig die Kosten für von ihnen erbrachte Leistungen mit gezahlten Zinsen. So zahlen Banken beispielsweise für Guthaben auf Girokonten nicht den marktüblichen Zinssatz, sondern einen niedrigeren Zins. Dafür stehen dem Bankkunden aber die Serviceleistungen der Bank zur Verfügung, insbesondere die Möglichkeit, Überweisungen zu tätigen und Geld am Geldautomaten abzuheben. Die Kosten, die den Banken für diese Serviceleistungen anfallen, werden mit dem eigentlich zu zahlenden marktüblichen Zins verrechnet, sodass die Banken auf Guthaben nur einen niedrigeren Zinssatz zahlen. ___________ 107
Eberhartinger, S. 397: „Die Ausklammerung des finanzwirtschaftlichen Bereichs erlaubt aber keine Besteuerung von Finanzintermediären (Banken), …“. Ebenso M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 185; Kay/King, S. 176 f.; Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 607. 108 P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 203 ff.; Tait, ValueAdded Tax, S. 92 ff.; Merrill/Adrion, 68 Tax Notes 1496. 109 Hierzu auch Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 8, Rn. 2 f., der aber davon ausgeht, dass die Umsatzsteuerbefreiung auf das Fehlen eines „steuerwürdigen Endverbrauchs“ zurückzuführen sei. 110 Dazu P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 203 ff.; Merrill/ Adrion, 68 Tax Notes 1496, 1497 ff. 111 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 49 f.; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 74. 112 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 50; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 74; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 93; Richner, ASA 73, 593, 627; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 116.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Hall/Rabushka sehen in ihrer Unternehmenssteuer ein Verrechnungsverbot vor113. Aus der Gesamthöhe der Einlagen bei einer Bank wird der eigentlich fällige Marktzins berechnet. Hiervon werden die an ihre Kunden gezahlten Zinsen abgezogen. Die Differenz entspricht dem Wert der von der Bank an ihre Kunden erbrachten Leistungen114. Die Bank muss sich so behandeln lassen, als habe sie diese Leistungen dem Kunden „verkauft“, und der Wert dieser Leistungen wird der Besteuerung zu Grunde gelegt. Ähnlich sollen Versicherungen behandelt werden.
II. Steuersubjekt Steuersubjekt ist im Fall der Steuer auf Individualvergütungen der Arbeitnehmer, im Fall der Unternehmenssteuer der Inhaber des Unternehmens. Steuersubjekt der Steuer auf Individualvergütungen kann daher nur eine natürliche Person sein, während die Unternehmenssteuer sowohl natürliche Personen als auch alle Gesellschaftsformen und Personenzusammenschlüsse erfasst115. Damit erübrigt sich eine gesonderte Regelung für Kapitalgesellschaften (KStG), und auch Personengesellschaften werden zum Steuersubjekt.
III. Streichung aller Sonderbestimmungen Alle Sonderbestimmungen des bisherigen Rechts, die bestimmte Arten von Einkommen steuerfrei stellen oder sonst privilegieren, sollen ersatzlos entfallen116. Dies beträfe im deutschen Steuerrecht vor allem den Katalog des § 3 EStG, wobei diverse der dort aufgelisteten Einkünfte voraussichtlich auch von der Flat Tax nicht erfasst und damit steuerfrei wären, da es sich nicht um „Löhne und Gehälter“ und auch nicht um „unternehmerische“ Einkünfte handelt. Dies dürfte etwa gelten für Kindergeld (§ 3 Nr. 24 EStG), Stipendien (§ 3 Nr. 44, 42 EStG), Wohngeld (§ 3 Nr. 58 EStG). Bei anderen Leistungen, insbesondere Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld und -hilfe (§ 3 Nr. 2, 2 a EStG) oder Leistungen der Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung (§ 3 Nr. 1 lit. a EStG), ist dies zumindest zweifelhaft. In Bezug auf Leistungen der Unfallversicherung gehen Hall/Rabushka allerdings von einer Steuerpflicht aus117. ___________ 113
Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 51; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 74 f. Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 50 f.; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 74 f. 115 Richner, ASA 73, 593, 603. 116 Vgl. Richner, ASA 73, 593, 599. 117 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 91; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 115. 114
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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IV. Übergang zur Konsumbesteuerung Mit der Freistellung von Zinsen und Kapitaleinkünften von der Besteuerung ist das System der Flat Tax ein System der realwirtschaftlichen konsum- und zahlungsstromorientierten Einkommensbesteuerung, nicht der Einkommensbesteuerung im eigentlichen Sinne118. Dies ist bemerkenswert, da die Befürworter der Flat Tax diese als „Einkommensteuer“ bezeichnen119, und da sich die Diskussion in den Vereinigten Staaten darum dreht, die Bundeseinkommensteuer durch die Flat Tax zu ersetzen. Diese „Mogelpackung“ dürfte vor allem politische Gründe haben: Der Übergang von einer direkt progressiven Einkommenzu einer indirekt progressiven Konsumsteuer wäre der Öffentlichkeit möglicherweise schwerer zu verkaufen als der Übergang zu einer einfacheren Einkommensteuer120. Der Belastungseffekt der Flat Tax ist dabei im Wesentlichen derselbe, der mit einer Mehrwertsteuer121 nach europäischem Modell erreicht wird122; denn auch die Umsatzsteuer in Gestalt der Mehrwertsteuer belastet den Konsum123. Da Konsum sowohl indirekt (Mehrwertsteuer) als auch direkt (Flat Tax) besteuert werden kann, sollte der Belastungserfolg derselbe sein. Der einzige Un___________ 118
Murphy/Nagel, S. 100; Rabushka, 48 Emory L.J. 841, 842; Bach, in: Smekal/ Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 97; Bankman/Fried, 86 Geo. L.J. 539, 540; Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819 (Fn. 4); Gravelle, 69 Tax Notes 1517, 1519; Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 86; Reed, 6 Kan. J.L. & Pub. Pol’y 125; Richner, ASA 73, 593, 600; Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 911; Wieler, 41 Challenge 60; Woehlke, 66 CPA J. 16, 17. 119 Vgl. Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2352. 120 So auch Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2352 f. 121 Die deutsche Umsatzsteuer ist dabei im technischen Sinne nicht als Mehrwertsteuer ausgestaltet, sondern als Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Die Wirkung ist aber dieselbe wie bei der Mehrwertsteuer. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14 Rn. 3. 122 Grambeck, S. 49; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 99; Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819 (Fn. 4); Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 604; Krause-Junk, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 123, 126; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 609 f. 123 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 298; Tipke, StRO II, S. 982 ff.; Lammersen, S 58; Schenk, 30 Tax Notes 351, 357; Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik , S. 399, 404 f.; wohl auch BVerfG v. 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, 155: „Die Umsatzsteuer erfasst die Kaufkraft, …“. Reiß, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 14 Rn. 1; Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 354. Zu Recht differenzierend P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 118 ff.: Belastung des Konsums könne nur bei vollständiger Überwälzung der Steuer auf den Verbraucher angenommen werden, was keineswegs immer sicher anzunehmen sei. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, doch wie Schmidt selbst a.a.O. (S. 119) feststellt, kommt es hierauf aber nicht an, wenn bei der Betrachtung die Inzidenzfrage ausgeklammert wird, was bei den direkten Steuern auch regelmäßig geschieht.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
terschied zur Mehrwertsteuer besteht darin, dass gezahlte Löhne auf der Ebene der Unternehmer von der Bemessungsgrundlage abgezogen und auf der Ebene der Arbeitnehmer versteuert werden124. Dies lässt sich auf unterschiedliche Arten zeigen. Zum einen kann die volkswirtschaftliche Theorie herangezogen werden, dass die Einkommensverwendung dem erzielten Einkommen entsprechen muss125. Einkommen lässt sich entweder sparen oder konsumieren126. Die geplanten Ersparnisse entsprechen dabei in der geschlossenen Volkswirtschaft den geplanten Investitionen127. Bei den Produktionsfaktoren, die Einkommen generieren, werden die beiden Faktoren Arbeit und Kapital unterschieden (S. 55). Bildet man nach dem oben Gesagten eine Gleichung, so muss gelten: Arbeitseinkommen + Kapitaleinkommen = Investitionen + Konsum Subtrahiert man nun die Investitionen auf beiden Seiten der Gleichung, so ergibt sich: Arbeitseinkommen + Kapitaleinkommen – Investitionen = Konsum Die Flat Tax besteuert zum einen Arbeitseinkommen (bei Individuen) und zum anderen Kapitaleinkommen minus Investitionen (bei Unternehmen) und stellt daher eine Steuer auf den Konsum dar128,129. Eine zweite Begründung ist die folgende: Nicht selbstständige Steuerzahler werden einmal im Veranlagungszeitraum mit ihren Arbeitseinkommen zur Steuer herangezogen. Da die Bemessungsgrundlage für nicht Selbstständige aber Kapitalerträge ausklammert (Zinsbereinigung130), wird effektiv lediglich derjenige Teil des Arbeitseinkommens besteuert, der für den Konsum verwen___________ 124 Murphy/Nagel, S. 100; Krause-Junk, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 123, 126; vgl. auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 298: Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer ist der Bruttoerlös abzüglich des Wertes aller Käufe von Zwischenprodukten (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen) und den Ausgaben für Investitionsgüter. 125 Vgl. Dieckheuer, Makroökonomik, S. 29; Mankiw, Macroeconomics, S. 46. 126 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 9; Mankiw, Macroeconomics, S. 54; Mitschke, StuW 1988, 111, 129. 127 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 30. 128 Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819 (Fn. 4); Gravelle, 69 Tax Notes 1517, 1519. 129 Zu beachten ist allerdings, dass zu Vereinfachungszwecken in der obigen Gleichung Investitionen mit Ersparnissen gleichgesetzt wurden, was bei außenwirtschaftlichen Aktivitäten nicht unbedingt der Fall sein muss. Vgl. Dieckheuer, Makroökonomik, S. 29; Mankiw, Volkswirtschaftslehre, S. 734 f. Für die Erklärung der Wirkungsweise der Flat Tax ist dies allerdings ohne Relevanz. Gravelle, 69 Tax Notes 1517, 1519 (Fn. 3). 130 Richner, ASA 73, 593, 605; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 605.
B. Aufbau des Einkommensteuersystems nach Hall/Rabushka
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det wird131. Dieser Effekt lässt sich ebenfalls durch eine allgemeine indirekte Konsumsteuer (wie die USt) erzielen. Für Unternehmen ist die Lage etwas anders: Hier sind zwar ebenfalls Kapitalerträge steuerfrei. Wichtig ist aber, dass Unternehmen ihren Gewinn (oder Verlust) auf Basis ihres Cash Flows berechnen132. Investitionen sind sofort und in voller Höhe abzugsfähig133; dies entspräche der Sparbereinigung auf der Haushaltsseite134. Im Ergebnis funktioniert die Flat Tax insgesamt wie eine Mehrwertsteuer, die nach der Subtraktionsmethode135 berechnet wird136. Der einzige Unterschied zur Mehrwertsteuer besteht darin, dass die Flat Tax den Unternehmen darüber hinaus einen Abzug für gezahlte Löhne und Gehälter einräumt, was bei der Mehrwertsteuer nach der Subtraktionsmethode nicht zulässig wäre137. Die Steuerbemessungsgrundlage von Arbeitnehmern und Unternehmern addiert ist folglich Unternehmenseinnahmen minus Unternehmensausgaben, denn Arbeitseinkommen werden bei Unternehmen von der Bemessungsgrundlage abgezogen, dafür aber bei Arbeitnehmern besteuert und sind in der Summe daher grundsätzlich irrelevant. Dadurch, dass Löhne und Gehälter auf der individuellen Ebene der Besteuerung unterworfen werden, kann aber die Steuer auf dieser Ebene indirekt progressiv ausgestaltet werden138. Dies ist bei der Umsatzsteuer nur unter großem Aufwand möglich. Die Flat Tax ist daher eine progressive Konsumsteuer139, was auch von Hall und Rabushka inzwischen eingeräumt wurde140. ___________ 131
Vgl. auch Mitschke, StuW 1988, 111, 129. Zur Cash Flow Steuer auch Eberhartinger, S. 395 ff. 133 Eberhartinger, S. 395. 134 Farny/Gall, ÖStZ 1998, 510, 512. 135 Eine Mehrwertsteuer wird nach der Subtraktionsmethode (auch VorumsatzAbzugsmethode genannt) erhoben, wenn sie Abzüge für Ausgaben für Warenkäufe (nicht für Löhne und Gehälter) zulässt, gleichzeitig aber alle Einnahmen in die Bemessungsgrundlage aufnimmt, um den erwirtschafteten Mehrwert zu errechnen. Die europäische Umsatzsteuer bedient sich einer anderen Methode, da Vorsteuerguthaben für gezahlte Umsatzsteuer gewährt werden. Der wirtschaftliche Effekt beider Berechnungsarten ist jedoch derselbe, wenn bei der Subtraktionsmethode Löhne und Gehälter nicht einer zusätzlichen direkten Steuer unterworfen werden. P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 68 f.; McLure, S. 71 ff.; Burke, 70 Tax Notes 899, 900; Schenk, 30 Tax Notes 351, 352 f.; s auch McCaffery, S. 56. 136 Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 99 f.; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 611. 137 Burke, 70 Tax Notes 899, 900; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 611; vgl. auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 298; Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819 (Fn. 4). 138 Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 92; Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991. 139 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 611. 140 Deutlich Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 55: „We want to tax consumption“. 132
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
V. Tarif Hall/Rabushka schlagen einen einheitlichen Steuersatz von 19 % vor. Mit diesem Steuersatz soll die Einführung der Flat Tax aufkommensneutral möglich sein. Im Gegensatz hierzu sollte nach den Vorstellungen von Armey/Shelby zunächst im Jahre 1995 ein Steuersatz von 20 % gelten, welcher sodann ab 1997 auf nurmehr 17 % sinken sollte141. Auf der Haushaltsseite wirkte die Flat Tax wegen des dort gewährten Freibetrages somit indirekt progressiv142.
VI. Steuererklärung Die Steuererklärung soll sich im Vergleich zum gegenwärtigen Steuerrecht radikal vereinfachen. So sehen Hall/Rabushka zwei unterschiedliche Formulare vor, eines für die Lohnsteuer143 und eines für die Unternehmenssteuer144. Beide sollen jeweils auf einer Postkarte Platz finden können145 und erfordern dementsprechend nur wenige Angaben vom Steuerpflichtigen. Das Lohnsteuerformular müssten diejenigen Steuerpflichtigen ausfüllen, die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit oder steuerpflichtige Ersatzleistungen beziehen; Steuerpflichtige mit unternehmerischen Einkünften müssten das Unternehmenssteuerformular ausfüllen. Steuerpflichtige mit Einkünften aus beiden Einkunftsarten müssten dementsprechend auch zwei Formulare ausfüllen. Das Verfahren soll der US-amerikanischen Tradition entsprechend im Wesentlichen im Wege der Selbstveranlagung erfolgen.
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens Anders als in den Vereinigten Staaten, wo die Flat Tax sich politisch bisher nicht durchgesetzt hat, haben andere Staaten die Idee aufgenommen und umgesetzt. Zu bedenken ist allerdings, dass das System von Hall/Rabushka in seiner Reinform bisher in keinem Staat umgesetzt wurde und daher ein theoretisches Modell bleibt146. Die Flat Tax stellt darüber hinaus ein System der Konsumbesteuerung, nicht der Einkommensbesteuerung im eigentlichen Sinne dar (s. o.). ___________ 141
Montero, 65 CPA J. 14; Woehlke, 66 CPA J. 16, 17. Richner, ASA 73, 593, 616 f. 143 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 59. 144 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 62. 145 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 52 ff. Kapitel 3 des Buches trägt denn auch den verheißungsvollen Titel „The Postcard Tax Return“. 146 Graetz, S. 213. 142
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
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I. Umsetzung von Elementen der Flat Tax 1. Flacher Tarif Allerdings haben einige Staaten die Hauptidee, der die Flat Tax ihren Namen verdankt, umgesetzt, nämlich die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes für alle Einkünfte147. Sie haben damit eine flache Einkommensteuer geschaffen. Die Vorreiterrolle übernahm 1994 Estland, das als erstes europäisches Land eine Einstufen-Steuer auf persönliches und körperschaftliches Einkommen einführte148. Der einheitliche Steuersatz betrug seinerzeit 26 %149. Bis heute sind weitere Staaten Osteuropas dem Beispiel Estlands gefolgt: So haben zuerst Lettland (1997, Steuersatz 25 %)150 und Litauen (2000, Steuersatz 33 %)151 eine Einstufen-Steuer eingeführt152. Dem Beispiel gefolgt sind ab 2001 auch Russland (Steuersatz für Individualeinkünfte 13 %)153, Serbien (2003, Steuersatz 14 %)154, die Ukraine (2003, Steuersatz 13 %)155, die Slowakei (2004, Steuersatz 19 %)156, Rumänien (2005, Steuersatz 16 %)157 und Georgien (2005, Steuersatz 12 %)158. Estland hat, wohl nicht zuletzt aufgrund der Konkurrenz seiner Nachbarn, seinen Steuersatz sukzessive zunächst auf 24 % und zum 01.01.2006 auf ___________ 147 Genauer wäre es freilich, von zwei Steuersätzen zu sprechen, da sich flache Steuern typischerweise durch eine Nullzone und eine Proportionalzone auszeichnen. Vgl. Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991. Insoweit wird auch der Begriff „Flat Rate Tax“ verwendet. Richner, ASA 73, 593, 595, 599. 148 Lehis, IStR 2001, 707, 709; Mitchell, 37 Tax Notes Int’l 989; Richner, ASA 73, 593, 595 (Fn. 5); „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59. 149 Kischel, IWB Fach 5, Gruppe 2, Estland, S. 33; Mitchell, 37 Tax Notes Int’l 989; „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 67. 150 Schmitt, IWB Fach 5, Gruppe 2, Lettland, S. 9. 151 Boochs/ Krzeèckovskis, IWB Fach 5, Gruppe 2, Litauen, S. 5, 9. 152 Mitchell, 37 Tax Notes Int’l 989. 153 Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399; Schuldheis, IWB Fach 5, Gruppe 2, Russische Föderation, S. 113, 119; Deroy Murdock, „Even Russia Realized the Wisdom of a Flat Tax“, in: Dallas Morning News v. 04.03.2002, S. 12. 154 Richner, ASA 73, 593, 595 (Fn. 5). 155 Richner, ASA 73, 593, 595 (Fn. 5); „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 67. 156 Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399, 400; Kischel, IWB Fach 5, Gruppe 2, Slowakei, S. 3; „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 67; Christoph Thanei, Revolution im Steuer- und Sozialsystem, in: Eastconomist v. 18.06.2003, S. 12. 157 Richner, ASA 73, 593, 595 (Fn. 5); Rickman, 37 Tax Notes Int’l, 462. 158 Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399, 400.
100
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
23 %159 gesenkt; ab 2007 beträgt er nur noch 20 %160. Der persönliche Freibetrag beläuft sich dort derzeit auf 2.000,– Kronen. Das System der Unternehmensbesteuerung wurde ebenfalls umgestellt. Seit 2000 werden im Prinzip nur noch ausgeschüttete, nicht aber thesaurierte Unternehmensgewinne besteuert161. Die Erfahrungen mit dem einheitlichen Steuersatz in den Staaten, die ihn eingeführt haben, werden überwiegend als positiv angesehen. Die Entwicklung der Wirtschaft Estlands nach der Reform von 1994 wird im Allgemeinen als gut beurteilt, und die Steuereinnahmen sind nicht, wie von Gegnern der Reform befürchtet, weggebrochen: So beliefen sich die allgemeinen Staatseinnahmen im Jahr 1993 auf 39,4 % des BIP, während die Zahl für 2002 bei 39,6 % lag162. Kritisch zu bemerken ist allerdings, dass der Anteil des Aufkommens aus der Einkommensteuer an den Staatseinnahmen geschrumpft ist: Lag die Zahl 1993 noch bei 8,2 % des BIP, so lag sie 2002 nur noch bei 7,2 %163. Der Anteil der durch die Umsatzsteuer generierten Einnahmen im selben Jahr lag bei 9,4 % des BIP164. In Russland wurde im Jahre 2001 die bis dahin geltende progressive Einkommensteuer durch eine Einkommensteuer mit einheitlichem Steuersatz abgelöst. An die Stelle der drei Progressionszonen mit Steuersätzen von 12 %, 20 % und 30 % trat ein einheitlicher Steuersatz von 13 %165. Damit stellte die Steuerreform zumindest für den Teil der Bevölkerung, der zuvor lediglich vom Eingangssteuersatz erfasst war, eine Steuererhöhung um einen Prozentpunkt dar. Im Jahr nach ihrer Einführung stiegen die Einnahmen aus der flachen Einkommensteuer in Russland in der Tat um 26 %166 bis 28 %167 an; allerdings la___________ 159
Estonia Tax News 2006, http://www.worldwide-tax.com/estonia/est_econonews.
asp. 160
Mitchell, 37 Tax Notes Int’l 989. Hierzu ausführlich Lehis, IStR 2001, 707 ff. 162 „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 161
67. 163
„Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59,
164
„Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59,
67. 67. 165 Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399; Deroy Murdock, „Even Russia Realized the Wisdom of a Flat Tax“, in: Dallas Morning News v. 04.03.2002, S. 12; ders., „Russians Do Taxes Right“, in: Nat’l Rev. v. 01.03.2002, S. 8; „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 67. 166 Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399; „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 67. 167 Deroy Murdock, „Even Russia Realized the Wisdom of a Flat Tax“, in: Dallas Morning News v. 04.03.2002, S. 12; ders., „Russians Do Taxes Right“, in: Nat’l Rev. v. 01.03.2002, S. 8.
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
101
gen die Lohnzuwächse in demselben Jahr bei etwa 12 %168. Der Anteil des Steueraufkommens am Bruttoinlandsprodukt ist von 1999 bis 2001 von 9–11 %169 auf 16 % angewachsen170. Dieser Anstieg könnte im Wesentlichen zwei Ursachen haben, nämlich die stimulierende Wirkung einer Einfachsteuer auf die Volkswirtschaft oder erhöhte Steuerehrlichkeit wegen (vermeintlich) niedrigerer Steuersätze. In einer neueren Studie wird der Anstieg nur auf Letzteres zurückgeführt, während eine Wirkung auf die Produktivität der Volkswirtschaft nicht nachzuweisen war171. Hierzu passt, dass im Jahr 2000 Steuerpflichtige in den oberen beiden Progressionszonen nach Schätzungen nur 52 % ihrer Einnahmen deklarierten, während die Zahl ein Jahr später, also nach der Steuerreform, bei 68 % lag 172. Die überwiegend positive Beurteilung der Einstufen-Steuern in denjenigen Staaten, die sie eingeführt haben, beeinflusst auch die Diskussion in anderen Ländern. So erwägen derzeit Kroatien, Bulgarien, Ungarn, Weißrussland und Polen die Einführung einer solchen Steuer. Aufgrund dieser Entwicklung stellt sich die berechtigte Frage, wie lange die Staaten des ehemaligen Westeuropa sich dieser Entwicklung werden verschließen können, gelten doch die Steuersysteme ihrer östlichen Nachbarn mittlerweile – nicht zuletzt dank großzügiger westeuropäischer Entwicklungshilfe in Sachen Steuerrecht – als deutlich überlegen173.
2. Übergang zur Konsumbesteuerung Als weltweit erstes Land hat Kroatien zum 01.01.1994 ein maßgeblich auf Vorarbeiten der Reformgruppe „Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems“ (KNS)174 zurückgehendes System der Konsumbesteuerung eingeführt175. ___________ 168
„Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59,
67. 169
s. Albrecht, IWB Fach 5, Gruppe 2, Russische Föderation, S. 95. Deroy Murdock, „Even Russia Realized the Wisdom of a Flat Tax“, in: Dallas Morning News v. 04.03.2002, S. 12; ders., „Russians Do Taxes Right“, in: Nat’l Rev. v. 01.03.2002, S. 8. 171 Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399, 431 f. 172 „Simpler Taxes: The Flat-Tax Revolution“, The Economist v. 16.04.2005, S. 59, 67. 173 Lang, Editorial, StuW 2005, 1. 174 Mitglieder der Gruppe waren Joachim Lang, Manfred Rose, Franz Wagner und Ekkehard Wenger. Lammersen, S. 50 (Fn. 1). 175 Rose, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 167, 168; Schneider, IStR 1998, 193; Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik , S. 399, 401; Zodrow, in: FS Rose, S. 391, 403 ff. 170
102
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Das kroatische Einkommensteuersystem176, im Wesentlichen bestehend aus einem Einkommensteuer-177 und einem Gewinnsteuergesetz178, beruhte dabei auf dem Gesetzentwurf von Joachim Lang179 und verwirklichte das Modell einer zinsbereinigten Einkommensteuer180 mit Steuerfreiheit von Zinsen und Dividenden auf der Haushaltsseite181 und Abzugsfähigkeit sog. „Schutzzinsen“182 (kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital)183 auf der Unternehmensseite184. Ab dem Jahr 2000 hat allerdings auch Kroatien sein Steuersystem wieder auf das System einer Kapitaleinkommensteuer umgestellt185. Dies scheint nahe zu legen, dass sich eine Konsumeinkommensteuer derzeit nicht durchzusetzen vermag. Insbesondere hat auch noch kein Land der Welt bisher ein Unternehmenssteuersystem basierend auf dem Cash Flow eingeführt186, denn selbst das mittlerweile wieder abgelöste kroatische System war kein System der Cash Flow Besteuerung.
3. Abzugsverbote Die von der Flat Tax vorgesehenen Abzugsverbote für erwerbsbezogene und privat veranlasste Aufwendungen der Arbeitnehmer (Werbungskosten, Sonder___________ 176 Hierzu Lammersen, S. 60 ff.; Greß/Rose/Wiswesser, S. 4 ff.; Grgiü, SWI 1997, 412; Kiesewetter, StuW 1997, 24, 27 ff.; Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik, S. 399 ff.; Stöckler/Wissel, IWB Fach 5, Gruppe 2, Kroatien, S. 1 ff.; Schmidt/Wissel/Stöckler, 50 Bull. for Int’l Fiscal Documentation, 155 ff.; Schneider, IStR 1998, 193 ff. 177 Zakon o porezu na dohodak v. 29.11.1993, NN RH Nr. 109/93 v. 07.12.1993. 178 Zakon o porezu na dobit v. 29.11.1993, NN RH Nr. 109/93 v. 07.12.1993. 179 Lang, BMF-Schriftenreihe 49, S. 269 ff. 180 Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik , S. 399, 405 f. 181 § 6 des kroatischen EStG 1994, NN RH Nr. 109/93. Grgiü, SWI 1997, 412, 413 f.; Schneider, IStR 1998, 193, 194. 182 Hierbei handelt es sich um kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital, die von der Bemessungsgrundlage wie Aufwand abgezogen werden können. Dies führt dazu, dass lediglich solche Gewinne, deren Höhe über derjenigen der Standardverzinsung liegt, der Besteuerung unterworfen werden. Hierdurch wird die Finanzierungsneutralität des Systems sichergestellt. s. Stöckler/Wissel, IWB Fach 5, Gruppe 2, Kroatien, S. 1; Grgiü, SWI 1997, 412. 183 Hierzu Schneider, IStR 1998, 193, 199. 184 Lammersen, S. 54; Greß/Rose/Wiswesser, S. 21. 185 So werden Zinsen nunmehr voll besteuert. Art. 30 Abs. 1, 3 des kroatischen EStG, neu bekanntgemacht in NN RH Nr. 177/04; Tipke, StRO II, S. 643; Stöber, IStR 2001, XIII/4; Zodrow, in: FS Rose, S. 391, 407. Insoweit nicht mehr korrekt Birk, Steuerrecht, Rn. 94 c. Die Abschaffung wird insbesondere mit der mangelnden internationalen Kompatibilität des Systems begründet (dazu noch unten). Daneben sollen auch politische Gründe eine Rolle gespielt haben. s. Zodrow, a.a.O. 186 Hierauf verweisen zu Recht Mintz/Seade, 6 World Bank Res. Observer 177.
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
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ausgaben und außergewöhnliche Belastungen) sind im internationalen Vergleich nicht ungewöhnlich. So sieht das US-amerikanische Steuerrecht seit der Steuerreform von 1986 einen Pauschbetrag („standard deduction“) in Höhe von derzeit $ 5.000,– vor (§ 63 (b) IRC), den jeder Steuerpflichtige in Anspruch nehmen kann. Arbeitnehmer sind in den meisten Fällen sogar gezwungen, den Pauschbetrag in Anspruch zu nehmen, da ihre erwerbsbezogenen Aufwendungen gem. § 62 (a)(1) IRC nicht privilegiert und Abzüge vom sog. „adjusted gross income“ vorzunehmen sind187. Diese nicht privilegierten Abzüge können nur in Ansatz gebracht werden, soweit sie 2 % des „adjusted gross income“ übersteigen (§ 67 IRC, sog. „2 %-floor“)188. Für die meisten Arbeitnehmer ist daher der Pauschbetrag attraktiver und einfacher. Neuerdings sieht auch das deutsche Einkommensteuerrecht in §§ 4 Abs. 5 a, 9 Abs. 2 Satz 1 EStG ein grundsätzliches Verbot des Abzugs von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor189. Damit folgt das deutsche Einkommensteuerrecht ebenfalls einem international zu beobachtenden Trend, derartige Aufwendungen als grundsätzlich privat veranlasst anzusehen. Ein entsprechendes Abzugsverbot besteht etwa auch in den Vereinigten Staaten190, und zwar selbst dann, wenn dem Steuerpflichtigen aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, in der Nähe seiner Arbeitsstätte zu wohnen191.
II. Deutsche Entwürfe einer Einstufen-Steuer Der Gedanke einer Einstufen-Steuer hat schließlich auch die Diskussion in Deutschland beeinflusst. Mittlerweile liegen auch hier zahlreiche Reformentwürfe mit einheitlichem Steuersatz vor, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Es handelt sich hierbei um das von der Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch vorgelegte Einkommensteuergesetzbuch192, den von Michael Elicker vorgelegten Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer193, den von Manfred Rose vorgelegten „Heidelberger Entwurf“ einer Einfachsteuer ___________ 187 Man spricht auch von „below-the-line deductions“. Asimow, Income Tax I, S. 153. 188 Dazu Asimow, Income Tax I, S. 152 ff.; Bankman/Griffith/Pratt, Federal Income Tax, S. 197 ff. 189 Dazu etwa Stuhrmann, NJW 2006, 2513 f. Das FG Nds. hat die Neuregelung mit Beschluss vom 27.02.2007 dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil es das objektive Nettoprinzip verletzt sieht (Az.: 8 K 549/06). 190 Commissioner v. Flowers, 326 U.S. 425 (1946). 191 Sanders v. Commissioner, 439 F.2d 296 (9th Cir. 1971): Angestellter eines Atomkraftwerkes musste seine Wohnung 40 Meilen von seinem Arbeitsplatz entfernt nehmen. 192 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch. 193 Elicker, Netto-Einkommensteuer.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
sowie das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen „Flat Tax oder Duale Einkommensteuer? Zwei Entwürfe zur Reform der deutschen Einkommensbesteuerung“194. Schon das Entstehen dieser Entwürfe in den letzten Jahren zeigt, dass sich der Einstufen-Steuer-Gedanke mit zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland ausbreitet.
1. Einkommensteuergesetzbuch und Karlsruher Entwurf Bei dem von der Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch195 unter Federführung von Paul Kirchhof entwickelten Konzept eines Einkommensteuergesetzbuchs handelt es sich um eine Weiterentwicklung des bereits zuvor vorgestellten „Karlsruher Entwurfs zur Reform des Einkommensteuergesetzes“196. Im Gegensatz zum Karlsruher Entwurf sieht das hieraus entwickelte Einkommensteuergesetzbuch prima facie einen proportionalen Steuertarif vor. Das Einkommensteuergesetzbuch (EStGB), das sich durch „systematischen Aufbau, allgemein verständliche Sprache und gesetzesangemessene Kürze“ auszeichnen soll197, hat in der steuerjuristischen Diskussion zusammen mit dem Karlsruher Entwurf für die größte Resonanz gesorgt198. Zugleich soll auf Ausnahme- und Lenkungstatbestände weitgehend verzichtet werden, um das Gesetz ___________ 194
Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76. Zu dieser „Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch“ gehörten neben Paul Kirchhof noch Birgit E. Bippus, Thomas Eisgruber, Andrea Ehrhard-Rauch, Clemens Fischer, Friedericke Knaupp, Hanno Kube, Ulrich Palm, Steffen Gregor Rauch, Christian Seiler und Alexander Statkiewicz. Vgl. Kußmaul/Zabel, S. 33 (Fn. 97). 196 Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf. Die übrigen Mitglieder dieses Gremiums waren Klaus Altehoefer, Hans-Wolfgang Arndt, Peter Bareis, Gottfired Eckmann, Reinhardt Freudenburg, Meindert Hahnemann, Dieter Kopei, Friedbert Lang, Josef Lückhardt und Ernst Georg Schutter. Zu den Funktionen der Mitglieder s. im Einzelnen Kußmaul/Zabel, S. 32 (Fn. 95). Der Karlsruher Entwurf wurde am 9. Mai 2001 zunächst dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages und anschließend der Öffentlichkeit vorgelegt. Kußmaul/Zabel, S. 32; Kirchhof, StuW 2002, 3, 4; Wassermeyer, DStR 2001, 920; DStV-Forum, in: Stbg. 2001, 294. 197 Kirchhof, DStR 2003, V/1; zur Sprache des Karlsruher Entwurfs auch Tipke, StuW 2002, 148, 153 f. Der von Tipke dort (S. 153) zitierte US-amerikanische Richter Billings Learned Hand war allerdings nicht Richter am Supreme Court, sondern zuletzt Richter am Bundesberufungsgericht für den 2. Bezirk (United States Court of Appeals for the Second Circuit) mit Sitz in New York City. 198 s. etwa Bareis, StuW 2002, 135; Berg/Schmich, DStR 2002, 346; Bork, Wirtschaftsdienst 2001, 480; Kiesewetter/Niemann, StuW 2003, 60; Kirchhof, StuW 2002, 3; ders., StbJb 2002/03, 7; Maiterth, BB 2001, 1172; Scheffler, StuB 2001, 904; Schutter, StW 2001, 147; Tipke, StuW 2002, 148; Voß, ZRP 2003, 458; ders., ZRP 2004, 33; Wagenhals, Schmollers Jahrbuch 2001, 625; Wagner, StuW 2001, 354; Wassermeyer, DStR 2001, 920; Weber-Grellet, ZRP 2003, 279. Auch der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages beschäftigte sich in seiner Sitzung vom 10.10.2001 mit dem Thema. Vgl. Bareis, StuW 2002, 135 (Fn. 2). 195
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
105
sowohl einfach als auch gerecht zu gestalten199. Neben das kurz gehaltene EStGB tritt eine auf § 23 EStGB gestützte Rechtsverordnung (im Folgenden: EStGB-RVO), die vor allem Details zum Besteuerungsverfahren regeln, aber auch einige materielle Regelungen enthalten soll. Das EStGB hebt sich in mehrfacher Hinsicht von den übrigen Entwürfen ab. So handelt es sich im Wesentlichen um eine Kapital-, nicht um eine Konsumeinkommensteuer. Ferner weist der Tarif Elemente der direkten Progression auf, sodass bei näherer Betrachtung nicht mehr von einer Einstufen-Steuer gesprochen werden kann.
a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt Steuerobjekt soll das „Markteinkommen“ des Steuerpflichtigen sein200. Das EStGB setzt damit an dem von Kirchhof bereits früher201 propagierten Markteinkommensbegriff202 an. Dementsprechend kennt das EStGB bei der Normierung der Bemessungsgrundlage nur noch eine einzige Einkunftsart, nämlich die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Erwerbshandeln (§ 2 Abs. 2 EStGB). Erwerbshandeln wird dabei legaldefiniert als „die Nutzung von Arbeitskraft und von Erwerbsgrundlagen zur Erzielung von Einkünften am Markt“ 203, § 2 Abs. 3 Satz 2 EStGB. Sehr deutlich tritt in dieser Legaldefinition die Orientierung des Entwurfs am Markteinkommen als Steuerobjekt des EStGB zu Tage. Dennoch differenziert der Entwurf weiterhin zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften: Nach § 3 Abs. 1 EStGB sind die Einkünfte in der Regel der Gewinn, bei Quellenbesteuerung der Überschuss, wobei im erstgenannten Fall ein bisher nicht vorliegender204, den „Unternehmen“205 vorbehaltener „eigener ___________ 199
Vgl. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. VI; Kirchhof, StuW 2002, 3, 7; Voß, ZRP 2003, 458; Wagner, StuW 2001, 354. 200 Kirchhof, DStR 2001, 913, 914; ders., DStR 2003, V/1, V/2; Schutter, StW 2001, 147, 148. 201 Kirchhof, DStR 2001, 913, 914; Kirchhof, StuW 2002, 3, 4. 202 Umfassend hierzu Wittmann, Markteinkommen, S. 5 ff. und passim. Kritisch äußern sich hingegen etwa Tipke, StRO II, S. 628 ff.; Weber-Grellet, S. 80 f.; Schön, StuW 1995, 366, 373 f.; Söhn, in: FS Tipke, S. 343, 349 ff.; Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 372 ff.; Tipke, StuW 2002, 148, 155 ff. 203 Hierzu auch Wassermeyer, DStR 2001, 920, 922. 204 Krit. hierzu etwa Kußmaul/Zabel, S. 35. 205 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 54. Hierzu zählen auch vermietete Grundstücke, vgl. Kußmaul/Zabel, S. 35 (Fn. 106).
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Regelungskanon“206 (Betriebsvermögensvergleich), im zweiten Fall eine Orientierung am Einnahmen-Überschuss-Verfahren erfolgen soll207. Sog. „Beteiligungserlöse“ aus Anteilen an steuerjuristischen Personen – gemeint ist jeder Ertrag und jede Einnahme aus einem Anteil208 – sind gem. § 12 Abs. 1 EStGB einkommensteuerfrei, während Veräußerungserlöse aus Anteilen an steuerjuristischen Personen und „Erwerbsgrundlagen“ natürlicher Personen209 grundsätzlich steuerpflichtig sind (§ 13 Abs. 1 u. 4 EStGB). Während Dividenden und ähnliche Ausschüttungen steuerjuristischer Personen somit steuerfrei sind210, bleiben Zinsen steuerpflichtig. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1 EStGB, der Kapitaleinnahmen der Quellenbesteuerung unterwirft, sowie aus §§ 19–21 EStGB-RVO. Beim EStGB handelt es sich folglich im Grundsatz um eine kapitalorientierte Einkommensteuer211, wobei für Renten eine Ausnahme gemacht wird212: Diese sollen nämlich entgegen den Anforderungen einer „klassischen“ Einkommensteuer nachgelagert213 besteuert werden (§§ 15 und 16 EStGB). Damit wird – quasi „durch die Hintertür“ – ein Element der konsumorientierten Besteuerung auch in das System des EStGB eingeführt214. Nach dem EStGB sollen unterschiedslos sowohl natürliche als auch sog. „steuerjuristische Personen“ besteuert werden. In § 11 Abs. 1 EStGB werden steuerjuristische Personen definiert als „Personenvereinigungen und Zweckvermögen des privaten Rechts.“ Damit gilt das EStGB sowohl für natürliche Personen als auch für alle Gesellschaftsformen; auf ein eigenes KStG zur Erfassung des Einkommens von Körperschaften kann folglich verzichtet werden. ___________ 206
Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 131. Kirchhof, DStR 2003, V/1, V/3; Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 130. Ziel ist, einen Mittelweg zwischen „möglichst genauer und möglichst kostenschonender Einküfteermittlung“ zu verwirklichen. 208 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 219. 209 Gemeint sind Einzelunternehmen (einschließlich Grundstücke). Die Regelung ist erforderlich, um die Einzelunternehmen den Kapital- und Personengesellschaften gleichzustellen und so die Rechtsformneutralität der Besteuerung sicherzustellen. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 232. 210 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 283. 211 Vgl. zum Karlsruher Entwurf Bareis, StuW 2002, 135, 137. 212 Wagner, StuW 2001, 354, 360 f. spricht gar von einem „Systembruch“. 213 So deutlich Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 245 unter Berufung auf BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 ff. 214 Schutter, StW 2001, 147, 148 u. 154; Wiegard, ifo-Schnelldienst 21/2000, 8 spricht zu Recht vom „trojanischen Pferd der Befürworter einer Konsumsteuer“. 207
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
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b) Tarif Der Steuertarif soll proportional bei 25 % für alle Steuersubjekte liegen. Er soll folglich grundsätzlich unterschiedslos für natürliche wie für steuerjuristische Personen gelten. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dies freilich als unzutreffend: Durch verschiedene Pauschalen (Vereinfachungspauschale nach § 5 EStGB i. H. v. 2.000,– €, Grundfreibetrag nach § 6 EStGB i. H. v. 8.000,– €, Sozialausgleichsbetrag nach § 7 EStGB i. H. v. 40 % für die ersten 5.000,– € und 20 % für die folgenden 5.000,– €) wird für natürliche Personen ein linearer Stufentarif mit vier Stufen verwirklicht215: Die ersten 10.000,– € werden durch Vereinfachungspauschale und Grundfreibetrag ganz von der Besteuerung ausgenommen216; die folgenden 5.000,– € werden wegen des Sozialausgleichsbetrags faktisch lediglich mit 15 % besteuert217, die hierauf folgenden 5.000,– € mit 20 %218. Erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 20.000,– € greift der eigentliche Steuersatz von 25 %. Für steuerjuristische Personen hingegen gilt ab dem ersten verdienten Euro der proportionale Steuersatz in Höhe von 25 %219.
2. Netto-Einkommensteuer (Elicker) Der Entwurf einer sog. Netto-Einkommensteuer220 (im Folgenden: NESt-E) wurde Anfang 2004 von Michael Elicker vorgestellt. Er stellt mit seiner Begründung zugleich die Habilitationsschrift des Autors dar221. Der Entwurf sieht einen proportionalen Steuersatz unbestimmter Höhe222 gekoppelt mit einem Grundfreibetrag i. H. v. € 8.000,– vor. Weiterer Kernpunkt des Entwurfes ist der Verzicht auf Abschreibungen und der Versuch, das Einkommensteuersystem auf Konsumorientierung umzustellen. Aus diesen Gründen ähnelt der Ent___________ 215
Ebenso Kußmaul/Zabel, S. 36. Unzutreffend hier Kußmaul/Zabel, S. 36, die bei ihren Berechnungen die jeder natürlichen Person zustehende Vereinfachungspauschale nicht berücksichtigen und daher die Nullzone bei 8.000,– € enden lassen. 217 60 % · 5.000 · 25 % = 750. Dies entspricht einem Durchschnittssteuersatz von 750/5000 = 15 %. 218 80 % · 5.000 · 25 % = 1.000. Dies entspricht einem Durchschnittssteuersatz von 1000/5000 = 20 %. 219 Kußmaul/Zabel, S. 36. 220 Elicker, Netto-Einkommensteuer; hierzu auch Kußmaul/Zabel, S. 21 ff.; Kube, BB 2005, 743, 746. 221 Kube, BB 2005, 743, 746. 222 Dies soll sicherstellen, dass der Entwurf „jederzeit aufkommensneutral umgesetzt werden“ kann. Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 2. 216
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
wurf in dieser Hinsicht der von Hall/Rabushka vorgeschlagenen Flat Tax in höherem Maße als das Modell des EStGB.
a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt Der NESt-E soll die Schritte zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage systematisch und auch für Laien nachvollziehbar festschreiben223. Wie das EStGB kennt auch die Netto-Einkommensteuer nur noch eine einzige Einkunftsart, nämlich den Übergang von Gütern in Geld oder Geldeswert aus der sog. „Erwerbsvermögenssphäre“ in die sog. „Privatvermögenssphäre“224. Dies ist folgerichtig, da Elicker den bestehenden Dualismus der Einkunftsarten wegen seiner grundsätzlichen Differenzierung zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften mangels tauglichen rechtfertigenden Grundes für verfassungswidrig hält225. Das Einkommen wird definiert als der Unterschiedsbetrag zwischen „Entnahmen“ und „Einlagen“, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 NESt-E. „Entnahmen“ werden in § 2 Abs. 1 Satz 2 NESt-E definiert als „die Güter in Geld oder Geldeswert (Güter), die aus dem Erwerbsvermögen in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen übergehen“. Entsprechend werden Einlagen definiert als „die Güter, die aus dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen in das Erwerbsvermögen übergehen“, § 2 Abs. 1 Satz 3 NESt-E. Dabei ist festzuhalten, dass diese Begriffe anders als im bisherigen Einkommensteuerrecht generell die positiven und negativen Einkommensteile bezeichnen sollen226. Was zur Sphäre des Erwerbsvermögens gehört, soll vor allem von der Absicht des Steuerpflichtigen abhängen: Gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 NESt-E sind dem Erwerbsvermögen diejenigen wirtschaftlichen Güter eines Steuerpflichtigen zuzuordnen, die erwerbsgerichtet eingesetzt sind, sowie die Zu- und Abgänge von Gütern, die durch erwerbsgerichtete Handlungen veranlasst sind. Das Merkmal des „erwerbsgerichteten Einsatzes“ spielt also bei der Beurteilung, ob eine Transaktion steuerlich relevant ist, eine wesentliche Rolle. Nur ausnahmsweise soll dies nach der materiellen Korrekturnorm des § 3 NESt-E gegebenenfalls nachträglich abweichend zu beurteilen sein, wenn sich später die mangelnde Erwerbsdienlichkeit herausstellt. Allerdings soll das „Erwerbsvermögen“ nach dem NESt-E sehr viel weiter zu verstehen sein als das „Betriebsvermögen“ bei der bestehenden Einkommensteuer. Elicker selbst definiert die Erwerbsvermögenssphäre als „der gesamte Bereich des Wirtschaftens, aus dem heraus sich Zugänge im Sinne eines ___________ 223
Ob dies freilich immer gelingt, mag an dieser Stelle offen bleiben. Vgl. Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 131 ff.; Kußmaul/Zabel, S. 21 f. 225 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 122 f. 226 Elicker, finanzreform 2004, 222, 231. 224
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
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Vermögenszuwachses im Privatvermögensbereich realisieren können“227. Die Besteuerung soll an der Schnittstelle von Erwerbs- und Privatvermögenssphäre ansetzen: Was von jener in diese verschoben wird, soll genau im Augenblick des Verschiebens dem steuerlichen Zugriff unterfallen228. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Verschiebungen aus der Privat- in die Erwerbsvermögenssphäre die Steuerschuld mindern. Können erwerbsbezogene Aufwendungen demnach grundsätzlich als „Einlagen“ von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, so gilt nach § 6 Abs. 4 NESt-E jedoch eine gravierende Einschränkung: Nach dieser Norm dürfen Einlagen mit Entnahmen nur verrechnet werden, wenn sie einem sog. „registrierten Erwerbsvermögenskonto“ zugeordnet werden können. Dies soll grundsätzlich ein Anreiz zu erhöhter Steuerehrlichkeit sein Ausgaben für Investitionsgüter sollen sofort und in voller Höhe abziehbar sein; auf komplizierte AfA-Regelungen kann der Entwurf folglich verzichten. Dies soll aus gleichheitsrechtlichen Gründen sowohl für unternehmerisch genutzte Investitionsgüter als auch für private Investitionen, also zum Sparen verwendete Einkommensteile, gelten. Dividenden und Zinsen werden somit nach der Sparbereinigungsmethode steuerfrei gestellt. Da der NESt-E erst dann auf Einkommen zugreift, wenn es von der Erwerbsvermögenssphäre in die Privatvermögenssphäre verschoben wird, kann man von einem Modell der nachgelagerten Besteuerung229 sprechen. In einem Unternehmen thesaurierte Gewinne werden folgerichtig nicht der Besteuerung unterworfen; sie stehen dem staatlichen Steuerzugriff erst dann zur Verfügung, wenn eine Ausschüttung an die Beteiligten erfolgt230. Auf der Unternehmensseite wird damit das Modell einer Cash Flow Steuer vom S-Typ realisiert231. Auf ein Körperschaftsteuergesetz kann dementsprechend gänzlich verzichtet werden. Die Cash Flow Steuer vom S-Typ ist investitions-232 und finanzierungsneutral233 sowie neutral in intertemporaler Hinsicht234. Die NettoEinkommensteuer dürfte wegen der Einführung einer nachgelagerten Besteue___________ 227
Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 134. Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 133. 229 Kußmaul/Zabel, S. 24; hierzu bereits ausf. Dorenkamp, StuW 2000, 121. 230 Kußmaul/Zabel, S. 25 (allerdings zum inhaltlich ähnlichen sog. Frankfurter Entwurf von Joachim Mitschke, Mitschke, Erneuerung des deutschen Einkommensteuerrechts, Rn. 52 ff.). 231 Dazu Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 163. 232 Bericht der Meade-Kommission, S. 235. 233 Swoboda, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 473, 474 f. 234 Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 163 f. 228
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
rung von unternehmerischen Gewinnen aber einen deutlichen Anreiz zur Thesaurierung von Gewinnen schaffen; sie ist damit nicht verwendungsneutral. Da auch private Einkünfte erst dann der Besteuerung unterworfen werden, wenn sie für den Konsum zur Verfügung stehen (oder genauer: wenn sie nicht gespart oder investiert werden), werden auch Privateinkünfte nachgelagert besteuert. Es handelt sich somit um eine konsumorientierte Steuer, was auch Elicker einräumt mit der Aussage, der NESt-E solle nicht das konsumierbare, sondern lediglich das konsumierte Einkommen besteuern235. Die weitere Aussage, nicht der private Konsum sei Anknüpfungspunkt der Netto-Einkommensteuer, sondern der nicht investierte Teil des Einkommens236, ist folglich irreführend, da Einkommen nur entweder für Konsum oder zum Sparen/Investieren verwendet werden kann (s. o., S. 37). Das Modell des NESt-E ähnelt somit in dieser Beziehung dem in Estland derzeit praktizierten Modell der Einkommensbesteuerung (dazu bereits oben, § 5 C. I. 1., S. 100). Von dem auf diese Weise ermittelten steuerlich relevanten Einkommen kann der Steuerpflichtige persönliche Freibeträge, abziehbaren Sonderbedarf, Verlustvorträge und abziehbare Ausgaben für mildtätige Zwecke abziehen, vgl. § 1 Satz 2 NESt-E. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 NESt-E steht jedem Steuerpflichtigen ein Grundfreibetrag i. H. v. 8.000,– € zu. Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger daneben auch die Grundfreibeträge von Unterhaltsberechtigten, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, geltend machen, soweit tatsächlich Unterhalt gezahlt wird und deren Freibeträge ihr eigenes Einkommen übersteigen, § 8 Abs. 1 Satz 2 NESt-E. Als sog. „Sonderbedarfe“ sind nach § 9 NESt-E u. a. abziehbar: gezahlte Kirchensteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1), Zahlungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatten und an sonstige außerhalb des Haushalts lebende Unterhaltsberechtigte bis zur Höhe des persönlichen Freibetrags (§ 9 Abs. 1 Nr. 2), durch Behinderung, Pflegebedürftigkeit oder Krankheit veranlasster Sonderbedarf „in angemessener Höhe“ (§ 9 Abs. 1 Nr. 3) sowie Beiträge zu diversen Versicherungen (Beiträge zur gesetzlichen und grundsätzlich auch zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und zu Unfall- und Risikolebensversicherungen, § 9 Abs. 1 Nr. 4–7). Ein intertemporaler Verlustausgleich ist in § 10 NESt-E vorgesehen. Danach ist ein Verlustrücktrag nur in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum zulässig, ein Verlustvortrag hingegen unbegrenzt. Der Verlustvortrag ist gesondert festzustellen und wird mit dem sog. Standardzinssatz verzinst. Gem. § 19 Satz 1 NESt-E wird dieser durch Rechtsverordnung der Bundes___________ 235 236
Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 157. Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 203.
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
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regierung im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank für jeden Veranlagungszeitraum bestimmt. Obwohl der NESt-E die subjektive Steuerpflicht nicht genau definiert (§ 18 Abs. 1 verwendet den Begriff der „Person“), wird aus der Systematik deutlich, dass nur natürliche Personen der Besteuerung unterworfen werden sollen237. Denn während juristische Personen durchaus über eine „Erwerbsvermögenssphäre“ verfügen dürften, ist die Existenz einer „Privatvermögenssphäre“, in die Güter in Geld oder Geldeswert übergeleitet werden können, wohl nur in Ausnahmefällen denkbar238.
b) Tarif Elicker schlägt, gestützt auf seine Kritik an der direkt progressiven Einkommensbesteuerung239, einen proportionalen Tarif unbestimmter Höhe vor, der sicherstellen soll, dass sein Entwurf jederzeit aufkommensneutral umgesetzt werden kann. Eine ungefähre Vorstellung, wie hoch der proportionale Steuersatz hierfür sein müsste, bleibt er schuldig240. Gekoppelt mit dem persönlichen Freibetrag i. H. v. 8.000,– € führt der proportionale Tarif insgesamt zu einer indirekt progressiven Belastung.
3. Einfachsteuer (Rose) Der Heidelberger Entwurf einer Einfachsteuer241, der unter der Führung von Manfred Rose erarbeitet wurde, wurde bereits im Frühjahr 2001 der Öffentlichkeit vorgelegt242 und enthält einen Entwurf für ein bis zum Jahr 2015 schrittweise umzusetzendes Einfachsteuergesetz (EFStG). Erklärtes Ziel ist die „lebenszeitliche Einmalbelastung“ aller Gewinne und Einkünfte (§ 1 EFStG), was durch den Übergang zu einem konsumorientierten System umgesetzt wird. Der Entwurf weist konzeptionell die stärksten Ähnlichkeiten zur Flat Tax auf. ___________ 237
Ebenso Stapperfend, FR 2005, 74, 75 mit dem Hinweis, § 18 Abs. 2 NESt-E verwende die nur im Zusammenhang mit natürlichen Personen sinnvollen Begriffe „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“. 238 Etwa bei Einmann-Gesellschaften ohne strenge Trennung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene oder bei vermögensverwaltenden Gesellschaften. 239 Elicker, StuW 2000, 3 ff.; ders., ÖStZ 2001, 166 ff. 240 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 313. 241 Dazu auch Kube, BB 2005, 743, 746. 242 Kußmaul/Zabel, S. 28.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt Steuerobjekt ist, der Philosophie Roses entsprechend, der lebenszeitliche Konsum. Dieser wird wie bei der Flat Tax auf zwei Ebenen erfasst, nämlich auf der Haushalts- und auf der Unternehmensseite. Der persönlichen Einkommensteuer auf der Haushaltsseite unterfallen alle natürlichen Personen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFStG) mit ihren Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und nicht selbstständiger Tätigkeit sowie ihren Vorsorgeeinkünften, § 6 Abs. 1 EFStG. Damit ist die Bemessungsgrundlage auf Haushaltsseite etwas breiter als bei der Flat Tax, da auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit bei natürlichen Personen erfasst werden, zu denen auch unternehmerische, also gewerbliche Einkünfte gezählt werden (§ 10 Nr. 1 EFStG). Zinsen, die unter den Begriff der unternehmerischen Einkünfte zu fassen wären, sind bei natürlichen Personen in Höhe der „marktüblichen Rendite“243 steuerfrei (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 EFStG). Der Gewinnsteuer unterfallen die Unternehmer für die Gewinne ihrer Unternehmen, soweit diese nicht der persönlichen Einkommensteuer unterliegen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 EFStG). Der Begriff des Unternehmers wird in § 4 Abs. 28 EFStG definiert; danach ist Unternehmer, wer ein Unternehmen führt. Hierzu zählen die rechtsfähigen Personen, Personengesellschaften, Vereine, Genossenschaften und andere Personenvereinigungen sowie Stiftungen und andere nicht oder teilrechtsfähige Vermögensmassen (§ 4 Abs. 28 Satz 2 Nr. 1–3 EFStG). Wegen des Vorrangs der Einkommensteuer dürften unternehmerische Gewinne bei natürlichen Personen in der Regel der Einkommensteuer unterfallen, sodass nur juristische Personen, Personenmehrheiten und Vermögensmassen der Gewinnsteuer unterliegen dürften. Daneben schafft das EFStG die Rechtsfigur der „Durchreichgesellschaft“, deren Gewinn den Beteiligten zugerechnet wird (§ 17 Abs. 3–5 EFStG). Durchreichgesellschaft ist gem. § 4 Abs. 4 Satz 1 EFStG eine (Personen- oder Kapital-)Gesellschaft, die Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat, nur natürliche Personen oder Personengesellschaften als Gewinnbeteiligte hat244, deren Zahl der direkten oder indirekten Gewinnbeteiligten 100 nicht übersteigt, und deren Anteilsrechte am Unternehmensgewinn nicht an Börsen gehandelt werden245. Die Gewinnsteuer stellt also in diesen Fällen keine abschließende Belastung auf Unternehmensebene her; vielmehr findet eine Besteuerung auf der Ebene der Gesellschafter statt. Da unternehmerische Gewinne folglich entweder auf Ge___________ 243
Zum Problem bei der Feststellung einer „marktüblichen Rendite“ s. o., S. 92. Nach Rose, in: Rose (Hrsg.), Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, S. 146, 183 wäre auch denkbar, juristische Personen als Anteilseigner zuzulassen. 245 Der von Stapperfend, FR 2005, 74, 76 erwähnte § 17 Abs. 7 EFStG, der ein Optionsrecht zur Besteuerung mit der Gewinnsteuer enthalten soll, findet sich im Gesetzestext nicht. 244
C. Verbreitung des Flat Tax Gedankens
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sellschafts- oder auf Gesellschafterebene bereits einmal besteuert werden, werden Dividenden folgerichtig steuerfrei gestellt, um eine Doppelbelastung auszuschließen246. Der Gewinn der Unternehmen wird im Grundsatz anhand einer Kassenrechnung ermittelt, bei der es sich um einen vereinfachten Betriebsvermögensvergleich handeln soll247. Die Gewinnermittlung wird folglich nicht auf Cash Flow Basis umgestellt, ein Sofortabzug für Investitionen ist nicht vorgesehen248. Dafür sollen Unternehmer sog. Schutzzinsen zum Abzug bringen können.
b) Tarif Der Steuersatz soll nach der Konzeption des Heidelberger Entwurfs bei 25 % liegen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EFStG), wobei auch ein direkt progressiver Tarif als vorstellbar angesehen wird249.
4. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat sich in seinem Gutachten aus dem Jahre 2004 für die Einführung einer Einstufen-Steuer ausgesprochen250. Dabei legt der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten auch Rechnungen zur aufkommensneutralen Einführung einer solchen Steuer vor.
a) Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersubjekt Der Wissenschaftliche Beirat geht von einem im Wesentlichen unveränderten EStG aus. Insbesondere das Steuerobjekt „Einkommen“ soll beibehalten werden. Der persönliche Freibetrag soll allerdings auf 10.000,– € erhöht wer___________ 246 Rose, in: Rose (Hrsg.), Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, S. 146, 185. 247 Rose, in: Rose (Hrsg.), Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, S. 15, 24. 248 Vgl. Rose, in: Rose (Hrsg.), Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, S. 15, 24, der einräumt, dass das Problem der Bewertung von Sachanlagen auch unter der Einfachsteuer bestehen bliebe. 249 Rose, in: Rose (Hrsg.), Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, S. 15, 22. 250 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 6 ff.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
den251. Im Übrigen spricht sich der Beirat für eine Abschaffung von Sonderregelungen aus; so sollen etwa die Steuervergünstigungen für Zuschläge zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sowie der Sparer-Freibetrag ersatzlos entfallen252. Sonderabschreibungen sollen ebenfalls gestrichen werden, und die Entfernungspauschale stehe „zumindest in ihrer Größenordnung“ ebenfalls zur Disposition253.
b) Tarif Der vom Wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagene Steuersatz ist 30 %254. Damit liegt der Satz, wie der Beirat selbst einräumt255, zum einen im internationalen Vergleich mit anderen Staaten, die eine Einstufen-Steuer eingeführt haben, relativ hoch, denn nur Litauen hätte mit 33 % einen noch höheren Steuersatz aufzuweisen (s. § 5 C. I. 1., S. 100). Zum anderen kann auch 30 % als absolute Größe nicht mehr als gering angesehen werden, denn der derzeitige Eingangssteuersatz ist mit 15 % gerade einmal halb so hoch (s. § 4 B. III. 7., S. 76). Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums für den VZ 2005 brächte die vom Wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagene Einstufen-Steuer mit einem Freibetrag in Höhe von 10.000,– € und im Übrigen unveränderter Bemessungsgrundlage einen Einnahmeausfall in Höhe von 13,2 Mrd. €256.
III. Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Elemente der Flat Tax sich mittlerweile auch in deutschen Reformentwürfen nachweisen lassen. Dies gilt insbesondere für den Einstufen-Tarif, der allen vier dargestellten Entwürfen gemeinsam ist. Darüber hinaus verwirklichen mit den Entwürfen Elickers und Roses zwei der vier Entwürfe ein konsumorientiertes Steuersystem. Insofern scheint das Modell von Hall/Rabushka nunmehr auch die Diskussion in Deutschland zu beeinflussen. ___________ 251
Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 11. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 12. 253 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 12 f. 254 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 10. 255 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 10. 256 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 11 (Fn. 6). 252
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung Die Flat Tax nach dem Modell von Hall/Rabushka kombiniert mehrere Reformansätze, die sowohl vom bestehenden deutschen wie vom bestehenden amerikanischen Einkommensteuersystem abweichen: Am auffälligsten ist zunächst die Abkehr von der direkten Progression und die Einführung eines einzigen Steuersatzes, der der Vorschlag seinen Namen verdankt257. Neben dieser augenfälligen Änderung stehen eine Reihe weniger auffälliger, jedoch genauso wichtiger Punkte, die ebenfalls mit der bisherigen Tradition der Einkommensbesteuerung brechen.
I. Abkehr von der direkten Progression Die Abkehr von der direkten Progression und die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes (etwa von 19 %) ist das wohl auffälligste Kriterium der Flat Tax, dem sie nicht zuletzt auch ihren Namen verdankt. Zu bedenken ist, dass die Kombination eines einheitlichen Steuersatzes mit einem Grundfreibetrag ebenfalls progressiv wirkt, nämlich indirekt progressiv (s. § 3 D. II. 1., S. 58). Aus diesem Grunde lässt sich an der Terminologie des „einheitlichen Steuersatzes“ auch zweifeln, denn genau genommen zeichnet sich die Flat Tax durch mindestens zwei Steuersätze aus, nämlich die Nullzone und die Proportionalzone258. Die Befürworter der Flat Tax versprechen sich vom Übergang zu einem Einstufen-Tarif vor allem Effizienzgewinne und Vereinfachungswirkungen, während die Gegner der Flat Tax häufig Gerechtigkeitsargumente ins Feld führen259. Aus diesem Grunde ist es ratsam, die beiden Möglichkeiten der Tarifausgestaltung zunächst im Hinblick auf diese beiden Kriterien zu untersuchen und dabei insbesondere auch der Frage nachzugehen, ob zwingende Gründe für die Beibehaltung des direkt progressiven Systems sprechen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird in einem dritten Schritt eine Abwägung zwischen den Vorund Nachteilen der jeweiligen Tariftypen zu treffen sein, um eine Handlungsempfehlung abgeben zu können. ___________ 257
Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49,
56. 258 McCaffery, S. 52; Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85; Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991. 259 Vgl. auch McNulty, StuW 1989, 120, 123.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
1. Direkte Progression, Flat Tax und Effizienz Nach Auffassung der Progressionsgegner ist die (direkte) Progression ineffizient, und das aus mehreren Gründen: Sie wirke leistungshemmend, verkompliziere das Steuersystem und rege zu wirtschaftlich unsinnigen Investitionen an; auf diese Weise untergrabe sie schließlich auch die Steuermoral der Bevölkerung260. Im Folgenden sollen diese Argumente gegen die direkte Progression auf ihre Überzeugungskraft geprüft werden; ferner ist der Frage nachzugehen, ob die Flat Tax mit ihrem indirekt progressiven Tarif Abhilfe schaffen könnte.
a) Neutralitätswirkungen der direkten Progression Die Neutralitätswirkungen der direkten Progression sind vielfältig. So können sich möglicherweise hemmende Wirkungen auf die Arbeits- und Investitionsbereitschaft der Wirtschaftssubjekte ergeben. Ferner können insbesondere in Verbindung mit der Abschnittsbesteuerung verzerrende Wirkungen hervorgerufen werden261.
aa) Hemmende Wirkung auf Arbeitsbereitschaft? (1) Ausgangspunkt Der direkten Progression wird häufig vorgeworfen, sie wirke abschreckend auf die Leistungsbereitschaft der Bevölkerung; hohe Grenzsteuersätze stellten eine zusätzliche Belastung höherer Produktivität dar262. Progression reduziere somit bei den Steuerpflichtigen Anreize, bezahlte Mehrarbeit zu leisten263. ___________ 260
Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803. Lieb, S. 230 unterscheidet zwischen Hemm- und Zerrwirkungen, die durch den Steuertarif hervorgerufen werden können. Die Unterscheidung bringt jedoch keinen Erkenntnisgewinn und ist auch nicht trennscharf. Sie wird daher nicht übernommen. 262 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803; Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 21 f.; Kaplow/Shavell, 23 J. Legal Stud. 667, 677; Richner, ASA 73, 593, 610; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 456. 263 Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 21 f.; Kaplow/ Shavell, 23 J. Legal Stud. 667, 677; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 456; vgl. Bankman/ Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1919; Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 164; Eaton, Essays in Taxation, S. 31; Fellows, 65 CPA J. 18, 19; v. Hayek, Schweizer Monatshefte 32, 508, 514. Vgl. auch Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 136. 261
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Hohe Steuersätze seien daher ineffizient für das Wirtschaftssystem und trügen zur Fehlallokation von Ressourcen bei264. Dies lässt sich damit erklären, dass Steuerpflichtige grundsätzlich sowohl (kostenlose) Freizeit als auch (kostenpflichtigen) Konsum schätzen. Der kostenpflichtige Konsum lässt sich nur über Arbeit finanzieren. Ein Steuerpflichtiger wird daher nur dann zusätzliche Arbeit leisten, wenn der dadurch finanzierte zusätzliche Konsum dem Steuerpflichtigen mehr Nutzen bringt als die für die zusätzliche Arbeit geopferte Freizeit265. Das zusätzliche Einkommen nach Steuern kann somit als der „Preis“ der geopferten Freizeit angesehen werden266. Ist die zusätzliche Arbeit einer (progressiven) Steuer unterworfen, so wird hierdurch der Nutzen der zusätzlichen Arbeit reduziert, und der Preis, der für das Opfern der Freizeit angeboten wird, sinkt dadurch267. Daher wird der Steuerpflichtige eher dazu tendieren, nicht zusätzlich zu arbeiten, sondern seine Freizeit genießen268. Dieser Effekt wird der „Substitutionseffekt“269 der Steuer genannt270. Darüber hinaus argumentieren die Progressionsgegner, die Anreizwirkung der Progression sei besonders schädlich, da sie diejenigen Mitglieder der Gesellschaft „bestrafe“, die am produktivsten seien271. Das Argument ist damit sowohl pragmatischer Natur, da die Kosten der direkten Progression ihren Nutzen übersteigen sollen, als auch moralischer Natur, da nahe gelegt wird, dass direkte Progression Leistung „bestrafe“ und Nichtleistung „belohne“272. Diese Argumentation ist bereits vergleichsweie alt. Sie findet sich bereits in dem 1849 erschienenen Werk „La decima scalata in Firenze“ des italienischen Finanzwissenschaftlers Francesco De Guicciardini273. ___________ 264
Vgl. McNulty, StuW 1989, 120, 123. Vgl. Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1919 f.; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 754. 266 Andel, Finanzwissenschaft, S. 137 f.; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 754. 267 Wiegard, wisu 1984, 139 f. Beispiel bei McCaffery, S. 80. 268 Vgl. Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 754; Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 52 f.; Wiegard, wisu 1984, 139, 140. 269 Zum Substitutionseffekt im Allgemeinen vgl. Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 45, 332: Er bewirkt gemeinhin, dass ein Wirtschaftssubjekt bei seiner Budgetaufteilung größere Mengen eines billiger gewordenen Gutes bezieht. 270 Bankman/Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1920; Fellows, 65 CPA J. 18, 20; Wiegard, wisu 1984, 139, 141. 271 Vgl. Mitchell, 50 Rev. 17: „… [T]he single, low rate in a flat tax regime means that the penalty on work, risk-taking and entrepreneurship is minimized“. (Hervorhebung nicht im Original). s. auch McCaffery, S. 85. 272 Livingston, 4 Fla. Tax Rev. 731, 748. 273 De Guicciardini, La decima scalata in Firenze, S. 10; hierzu ausführlich Brell, S. 30 f. 265
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
(2) Bedenken gegen diese Argumentation (a) Argument zielt eher gegen hohe Grenzsteuersätze Dieses Anreiz-Argument ist indes nicht nur auf eine direkt progressive Einkommensteuer anwendbar, sondern auf jede Art von Einkommensteuer274, sofern es sich nicht um eine Kopfsteuer handelt275, da davon auszugehen ist, dass jede Form der Einkommensbesteuerung Anreize nimmt, bezahlte Mehrarbeit zu leisten276. Das Argument ist damit in erster Linie ein Argument gegen hohe Grenzsteuersätze und nicht gegen die direkte Progression an sich277. Genau genommen ist das Anreiz-Argument lediglich ein Argument zu Gunsten einer Pauschalsteuer278. Allerdings werden hohe Grenzsteuersätze typischerweise mit direkter Progression einhergehen, obwohl theoretisch natürlich auch indirekt progressive Tarife mit hohen Steuersätzen und direkt progressive Tarife mit niedrigen Grenzsteuersätzen denkbar sind. In diesem Zusammenhang sei auf die Tarifstruktur der US-amerikanischen Einkommensteuer nach der Steuerreform von 1986 mit ihrem Spitzensteuersatz von nur 28 % verwiesen (s. § 4 C., S. 77); demgegenüber sieht der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF zur Einführung einer Einstufen-Steuer einen Steuersatz von 30 % vor (§ 5 C. II. 4., S. 113 ff.). Dies stellt allerdings die Ausnahme dar. Typischerweise sind die Spitzensteuersätze direkt progressiver Einkommensteuersysteme höher als diejenigen von einstufigen Systemen. Hierin soll gerade der Anreiz einer Einstufen-Steuer bestehen. Insofern lässt sich das Argument der Anreizwirkung durchaus gegen den typischen Fall hoher Grenzsteuersätze verwenden, den eben die direkte Progression darstellt.
(b) Richtigkeit der Grundannahme Zum zweiten ist fraglich, ob Steuerpflichtige tatsächlich die Menge der von ihnen geleisteten Arbeit und damit auch ihre Vergütung selbst bestimmen können. Bei Arbeitnehmern erscheint zumindest zweifelhaft, ob sie ihre Arbeitszei___________ 274
Livingston, 4 Fla. Tax Rev. 731, 748; wohl auch Brell, S. 97. Kennedy/Michelman, 8 Hofstra L. Rev. 711, 735 (Fn. 26); ähnlich Buckley/ Rasmusen, 11 Const. Pol. Econ. 295, 306; Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 191. 276 Vgl. auch Andel, Finanzwissenschaft, S. 137 und Brell, S. 97 f. zu einer proportionalen Einkommensteuer. 277 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 136; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 11; McCaffery, S. 80; Murphy/ Nagel, S. 136; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 755; Kornhauser, 86 Mich. L. Rev. 465, 478; Wiegard, wisu 1984, 193, 195; zutreffend auch Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 164; vgl. auch Hauser, DStZ 1998, 202, 205. 278 So auch Wiegard, wisu 1984, 139, 140 f. 275
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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ten beliebig verlängern oder verkürzen können279. Sie dürften vielmehr der tariflich festgelegten Arbeitszeit unterworfen sein und nur im Ausnahmefall (Überstunden) vor der Wahl stehen, länger zu arbeiten oder nicht280.
(c) Gegenläufigkeit des Einkommenseffekts Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang ferner, dass der Substitutionseffekt nicht der einzige durch die Steuer ausgelöste Effekt ist. Es gibt vielmehr auch den gegenläufigen „Einkommenseffekt“281,282: Weil die Steuer den Wohlstand des Steuerpflichtigen einschränkt, der Steuerpflichtige aber möglicherweise einen konstanten Lebensstandard aufrecht erhalten möchte, wird der Steuerpflichtige mehr arbeiten, um den durch die Steuer eingetretenen Einkommensverlust auszugleichen283. Insofern kann der Einkommenseffekt dem Substitutionseffekt und damit der Argumentation der Progressionsgegner zuwiderlaufen. Wie exakt sich Einkommens- und Substitutionseffekt zueinander verhalten, ist nicht geklärt und kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden284. Es gilt deshalb unter Wirtschaftswissenschaftlern zumindest als zweifelhaft, dass eine Reduktion der Steuern auf das Einkommen tatsächlich zur Leistung von Mehrarbeit führt; empirische Beweise für diese Behauptung der Progressionsgegner fehlen bislang285. Vielmehr scheinen neuere empirische Forschungen, die vor allem für den angloamerikanischen Raum vorliegen, darauf hinzudeuten, dass Änderungen der Grenzsteuersätze sich nur marginal auf die Arbeitsbereitschaft der Bevölkerung auswirken, dass sich Einkommens- und Substitutionseffekt in ihrer Stärke also etwa gegenseitig aufheben286. Etwas anderes ___________ 279 Pigou, Public Finance , S. 69 f.; Brell, S. 99; skeptisch wohl auch Stiglitz/ Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 409. 280 Vgl. Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 755. 281 Auch „Aufkommenseffekt“ genannt: s. Wiegard, wisu 1984, 139, 141. 282 Zum Einkommenseffekt im Allgemeinen Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 46, 330: Es handelt sich um einen Komplementäreffekt zum Substitutionseffekt, der diesen stärken, schwächen oder sogar überkompensieren kann. Im vorliegenden Fall wären sowohl eine Schwächung als auch eine Überkompensation denkbar. 283 Bericht der Meade-Kommission, S. 8; Brell, S. 97 f.; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 755; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 456; Wiegard, wisu 1984, 139, 141; vgl. auch Fellows, 65 CPA J. 18, 20. 284 Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 756. So auch schon Junge, S. 164 f. 285 Murphy/Nagel, S. 137; Fellows, 65 CPA J. 18, 19. 286 Murphy/Nagel, S. 137; Bericht der Meade-Kommission, S. 24; Slemrod/Bakija, S. 122 ff.; Auten/Carroll, 81 Rev. Econ. & Stat. 681, 682; Fellows, 65 CPA J. 18, 20; Triest, in: Tax progressivity and income equality, S. 137, 141; s. auch Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 183. A. A. aber Andel, Finanzwissenschaft, S. 141; wohl auch Wernsmann,
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
scheint allerdings für die Entscheidung für oder gegen eine Zweiverdienerehe zu gelten: Hier scheint die direkte Progression in der Tat eher eine abschreckende Wirkung zu entfalten287. Schließlich gehen die Gegner der direkten Progression auch davon aus, dass lediglich monetäre Gründe die Arbeitsentscheidung der Steuerpflichtigen beeinflussen. Die Grundannahme ist, dass Steuerpflichtige generell Arbeit der Freizeit vorziehen werden, wenn nur die Bezahlung hoch genug ausfällt288. Diese Grundannahme kann jedoch nicht in allen Fällen als zutreffend unterstellt werden, da auch andere Gründe eine Rolle spielen können. So können andere Motive ausschlaggebend sein für die Entscheidung, Mehrarbeit zu leisten289, etwa Macht, Ansehen oder die persönliche Befriedigung durch eine anspruchsvolle Tätigkeit290. In diesem Fall wäre das Anreiz-Argument von vornherein nicht einschlägig. Ferner dürfte die Entscheidung der Steuerpflichtigen auch vom bereits vorhandenen Vermögen abhängen, sodass der Effekt einer Einkommensteuer zu einem gewissen Grade auch von der vorhandenen Vermögensverteilung beeinflusst wird291.
(3) Fazit Das Anreiz-Argument vermag daher zwar auf den ersten Blick zu überzeugen, bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch gewisse Zweifel seiner Allgemeingültigkeit292. Auch empirische Studien, die vor allem für den angloamerikanischen Raum vorliegen, bestätigen den Einfluss direkter Progression auf die Arbeitsbereitschaft der Bevölkerung nicht293. ___________ Verhaltenslenkung, S. 63, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung. 287 Murphy/Nagel, S. 137; Auten/Carroll, 81 Rev. Econ. & Stat. 681, 682; Feldstein, 103 J. Polit. Econ. 551, 553. s. auch Brüninghaus/Kühn, DStR 1995, 967, 968; KrauseJunk/v. Oehsen, DStR 1995, 1739 f. 288 Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 755. 289 Vgl. Livingston, 4 Fla. Tax Rev. 731, 748 f.; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 456. 290 H. Kaiser, S. 232; Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 183; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 456; Wiegard, wisu 1984, 139. Dies mag auf Einkommen aus Kapitalvermögen allerdings nicht in gleicher Weise zutreffen, da mit Investments typischerweise weniger Macht, Ansehen oder persönliche Befriedigung verbunden sind als mit einer Tätigkeit in einer Führungsposition. Vgl. Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 457. 291 Kennedy/Michelman, 8 Hofstra L. Rev. 711, 717 ff.; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 755. 292 Ebenso Andel, Finanzwissenschaft, S. 139 f. 293 Neuere Forschungen legen allerdings den Schluss nahe, dass eine progressive Einkommensteuer einen negativen Effekt auf den Beschäftigungsgrad in einer Volkswirtschaft haben kann. Fuest/Huber, 7 Lab. Econ. 79 ff.; Rasmussen, 76 J. Econ. 155.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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bb) Allgemeine verzerrende Wirkungen auf das steuerbare Einkommen Im Gegensatz zum zweifelhaften Einfluss hoher Steuersätze auf die Arbeitsbereitschaft haben neuere Studien zumindest für die Vereinigten Staaten einen Effekt hoher Grenzsteuersätze auf das steuerbare Einkommen nachgewiesen294. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass Steuerpflichtige nicht nur durch eine Reduktion ihrer Arbeitszeit auf Steuern reagieren können, sondern auf höchst vielfältige Weise, etwa durch vermehrtes oder vermindertes Sparen, Veränderungen der Zusammensetzung ihrer Portfolios, den Zeitfaktor bei der Einkommenserzielung, Übergang zu nicht steuerbaren Formen der Entlohnung (§ 3 EStG), Nutzung von Abzugstatbeständen, Steuerumgehung und -hinterziehung295. Da den Steuerpflichtigen diese Möglichkeiten auch nach deutschem Steuerrecht offen stehen, ist davon auszugehen, dass sich die Ergebnisse dieser Studien auch auf Deutschland übertragen lassen. Ferner dürften Zerrwirkungen auch von Sonderregelungen, die nur für bestimmte Einkunftsarten gelten, ausgehen296. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die bis zum Veranlagungszeitraum 2000297 geltende Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften (§ 32 c EStG a. F.)298, die unterschiedliche Behandlung von Zinsen und Dividenden nach dem Halbeinkünfteverfahren299 und die Sonderregelungen für Land- und Forstwirte (§§ 13 a ff. EStG) sowie Forstwirte (§ 34 b EStG). Auch diese Wirkungen sind allerdings wiederum in erster Linie ein Argument gegen hohe Grenzsteuersätze und noch nicht gegen einen direkt progressiven Tarif an sich.
cc) Progressionstypische Hemm- und Zerrwirkungen Ein direkt progressiver Tarif weist aber auch solche Zerrwirkungen auf, die als progressionstypisch charakterisiert werden können, nämlich in intertempo___________ 294
Auten/Carroll, 81 Rev. Econ. & Stat. 681 ff. (insb. 686 ff.); Feldstein, 103 J. Polit. Econ. 551, 552 ff., 560 ff.; ders., 50 Nat’l Tax J. 197, 201 ff.; Goolsbee, 108 J. Polit. Econ. 352 ff. 295 Murphy/Nagel, S. 137; Auten/Carroll, 81 Rev. Econ. & Stat. 681, 682; Feldstein, 103 J. Polit. Econ. 551, 552 f. 296 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 139. 297 Die erst für den VZ 1994 eingefügte Regelung (StandortsicherungsG v. 13.09.1993, BGBl. I 1993, 1569) wurde durch das StSenkG v. 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 1433) mit Wirkung vom VZ 2001 wieder aufgehoben. 298 Hierzu Knaupp, S. 76 f.; Wendt, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 c EStG Rn. 5 ff.; Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1095. 299 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 139.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
raler, interpersonaler und internationaler Hinsicht300; darüber hinaus scheint auch die Entscheidung für oder gegen eine Zweiverdienerehe von der direkten Progression betroffen zu sein.
(1) Intertemporale Zerrwirkungen Intertemporale Verzerrungen werden hervorgerufen durch die Kombination von direkter Progression und Abschnittsbesteuerung301, also immer dann, wenn nicht das Lebenseinkommen Bemessungsgrundlage der Besteuerung ist. In diesem Zusammenhang können drei Effekte unterschieden werden, nämlich der Schwankungs-, der Anstiegs- und der Verkürzungsprogressionseffekt302. Zum einen ist davon auszugehen, dass Steuerpflichtige stets versucht sein werden, ihr Einkommen möglichst gleichmäßig über die verschiedenen Veranlagungszeiträume zu verteilen303, denn bei starken Schwankungen des Einkommens kann sich wegen der Progression eine höhere Gesamtsteuerbelastung ergeben als bei gleichmäßigem Einkommen. Langfristig planende Steuerpflichtige mögen daher versucht sein, während ihrer Erwerbstätigkeit in solche Projekte zu investieren, die zunächst steuerliche Verluste bringen und erst später, etwa wenn der Steuerpflichtige das Rentenalter erreicht hat, Gewinne abwerfen („Verlustzuweisungsgesellschaften“, Kapitallebensversicherungen nach altem Recht, Nullkupon-Anleihen)304. Im Rahmen der Flat Tax spielte der Schwankungsprogressionseffekt lediglich eine untergeordnete Rolle, die auf die persönlichen Freibeträge zurückzuführen wäre. Grundsätzlich verlöre er aber wegen des einheitlichen Steuersatzes an Bedeutung305. Der sog. Anstiegsprogressionseffekt tritt auf, wenn wegen der allgemeinen Geldentwertung nur nominelle Einkommenszuwächse, die zu realen Einkommensverlusten führen, zu einer nicht nur absoluten, sondern auch relativen Steigerung der Steuerschuld führen, weil sie der direkten Progression unterfallen306. Dieses Problem tritt vor allem bei Einkünften aus Kapitalvermögen auf (dazu noch unten, § 5 D. II. 2. f), S. 205). Es wird allerdings nicht nur durch die ___________ 300
Lieb, S. 231; Sigloch, StuW 1990, 229, 235. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 75; Tipke, StRO II, S. 755; Eaton, Essays in Taxation, S. 32; Lieb, S. 231; vgl. auch Sigloch, StuW 1990, 229, 231; Lang, DStJG 24, 49, 66. 302 Franke, S. 88 ff.; Lieb, S. 238. 303 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 141. 304 Vgl. Sigloch, StuW 1990, 229, 235. 305 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 53; Richner, ASA 73, 593, 610. 306 Lieb, S. 239; vgl. auch Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 483. 301
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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direkte Progression ausgelöst, sondern auch durch die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, die an Nominalwerte anknüpft. Ausweichhandlungen der Steuerpflichtigen können darin bestehen, dass Sachinvestitionen an Stelle von Barinvestitionen getätigt werden. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige der Steuerpflicht bei Überschreiten der in § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG normierten Fristen sogar ganz entgehen, sollten die Investitionen nicht zum Betriebsvermögen gehören. Auch kann er den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung (Verkauf) selbst bestimmen. Der Anstiegsprogressionseffekt verlöre im Rahmen der Flat Tax aufgrund des Übergangs zur indirekten Progression an Bedeutung. Durch den Übergang zur Konsumbesteuerung wäre er sogar weitgehend beseitigt (dazu noch unten, § 5 D. II. 2. f), S. 205). Der sog. Verkürzungsprogressionseffekt tritt auf, wenn Steuerpflichtige zwar über identische Lebenseinkommen verfügen, diese aber in unterschiedlich langen Perioden des Lebens realisiert werden307. Da die Einkommensteuer eine Jahressteuer ist (vgl. § 25 Abs. 1 EStG), bezieht sich auch der anzuwendende Steuertarif auf das Jahreseinkommen. Dieses kann im Laufe der Zeit starken Schwankungen unterliegen oder konstant sein. Auf die Gesamtperiode (Lebenszeit) der Steuerpflichtigen kann sich die direkt progressive Besteuerung daher verzerrend auswirken: Zwei Steuerpflichtige können bei gleichem absoluten Einkommen eine unterschiedliche Gesamtsteuerbelastung zu tragen haben308. Beispiel309: Der Steuerpflichtige A erzielt in den Jahren 01–10 jeweils ein zu versteuerndes Einkommen von 50.000,– €. Das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen B beträgt in den Jahren 01–08 null, in den Jahren 09 und 10 jeweils 250.000,– €. Nach dem Einkommensteuertarif 2005 ergibt sich für A eine Belastung mit Einkommensteuer in Höhe von jährlich 13.096,– €310, folglich eine Gesamtbelastung in Höhe von 130.960,– €. Für B hingegen ergibt sich in den Jahren 01–08 eine Belastung von null, in den Jahren 09 und 10 jedoch eine Belastung von 97.086,– €311, mithin eine Gesamtbelastung von 194.172,– €. Die Gesamtbelastung von B ist somit trotz gleichen Gesamteinkommens um 63.212,– € höher als die von A. Aufgrund der direkten Progression, die sich auf die von B in den Jahren 09 und 10 erzielten, vergleichsweise hohen Einkom___________ 307
Franke, S. 88 f.; Lieb, S. 239 f.; Lang, in: FS Rose, S. 325, 337; s. auch McCaffery, S. 17. 308 Hierzu auch Seer, BB 2004, 2272, 2276; Posner, Economic Analysis of Law, S. 509; Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1006. 309 Ähnlich schon Beiser, Steuern, S. 31; Beiser, ÖStZ 2000, 413, 418; Wala, RdW 2001, 245, 246 (mit ausdrücklichem Bezug auf Beiser). 310 Nach Laux, BB 2004, 1031, 1032 (Tabelle 1). 311 Nach Laux, BB 2004, 1031, 1032 (Tabelle 1).
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
men belastend auswirkt, hat der Steuerpflichtige B eine um etwa 50 % höhere Steuerlast zu tragen als der Steuerpflichtige A. Bei Geltung der Flat Tax mit einem angenommenen Steuersatz von 25 % und einem Grundfreibetrag in Höhe von 10.000,– € ergäbe sich für A eine Steuerbelastung von jährlich 10.000,– €312, also eine Gesamtbelastung von 100.000,– €. Für B ergäbe sich in den Jahren 01 bis 08 eine Belastung von null, in den Jahren 09 und 10 eine solche von jeweils 60.000,– €313. Die Gesamtbelastung von B liegt also, ausgelöst durch den Grundfreibetrag, der für B in den Jahren 01 bis 08 wertlos ist, um 20 % über der von A. Dies zeigt, dass der Verkürzungsprogressionseffekt durch die Einführung eines indirekt progressiven Tarifs nicht vollständig beseitigt, jedoch gegenüber dem direkt progressiven Tarif deutlich abgemildert wäre. Der Verkürzungsprogressionseffekt benachteiligt Steuerpflichtige mit kurzer Einkommenserzielungsphase und langen Ausbildungszeiten, also vor allem Akademiker. Daher kann sich bei den Steuerpflichtigen eine Präferenzverschiebung zu kurzen Ausbildungszeiten ergeben, was gesamtwirtschaftlich nicht wünschenswert sein dürfte314.
(2) Interpersonale Zerrwirkungen Die direkte Progression führt auch dazu, dass sich interpersonale Einkommensverlagerungen steuerlich lohnen können, da für unterschiedliche Steuerpflichtige unterschiedliche Steuersätze gelten können315. Eine interpersonale Einkommensverlagerung lohnt sich folglich dann, wenn hoch besteuertes Einkommen auf Personen mit niedrigerem Steuersatz verlagert werden kann. Derartige Verlagerungen dürften vor allem in wirtschaftlichen Einheiten, insbesondere also im Familienverband, vorkommen, und zwar besonders dann, wenn der Empfänger keine oder nur geringe Gegenleistungen zu erbringen hat, wie etwa bei der zeitlich begrenzten Übertragung von Einkommensquellen z. B. durch befristeten Nießbrauch316. Darüber hinaus ist auch die Bildung einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft mit Angehörigen ein beliebtes ___________ 312
(50.000,– € – 10.000,– €) · 25 % = 10.000,– €. (250.000,– € – 10.000,– €) · 25 % = 60.000,– €. 314 Lieb, S. 241. Lieb weist aber zu Recht darauf hin, dass dies nur bei Entscheidungen unter Sicherheit gilt. Dies ist jedoch unrealistisch. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass Steuerpflichtige bei Festlegung auf eine Berufsqualifikation Schätzungen über ihr künftiges Einkommen anstellen. Lieb, S. 241 (Fn. 895). 315 Dazu ausf. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 158 ff.; s. auch Lieb, S. 241; Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1006 f. 316 Lieb, S. 241; Sigloch, StuW 1990, 229, 235. 313
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Mittel, Einnahmen auf mehrere Personen zu verteilen317. Auch besteht ein Anreiz, nicht steuerlich absetzbare Unterhaltsleistungen im Familienverband durch die Übertragung von Einkommen doch steuerlich wirksam zu machen318. Im Rahmen der Flat Tax wären interpersonale Zerrwirkungen wegen des jedem Arbeitnehmer zustehenden Freibetrages nicht vollständig beseitigt319. Aufgrund des darüber hinaus proportionalen Tarifverlaufs wären sie aber im Vergleich zum geltenden direkt progressiven Tarif abgemildert.
(3) Internationale Zerrwirkungen Internationale Zerrwirkungen treten auf, wenn Steuerpflichtige in verschiedenen Staaten unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen. Sie werden dann versuchen, ihr Einkommen in den Staat zu transferieren, in dem sich die niedrigste Gesamtsteuerbelastung zu tragen haben. Dieser Effekt tritt indes unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Steuersystems ein, also insbesondere auch unabhängig davon, ob ein direkt progressiver oder ein proportionaler Steuertarif gilt320. Denn es kommt in diesem Zusammenhang lediglich auf die Gesamtsteuerbelastung, nicht auf ihre technische Umsetzung an.
(4) Beeinflussung der Arbeitsentscheidung von Ehegatten Empirische Analysen legen den Schluss nahe, dass die direkte Progression in bestimmten Fällen Ehegatten, deren Partner bereits ein Einkommen erzielen, davon abschreckt, selbst einer Tätigkeit nachzugehen321. Dies dürfte insbesondere für den Fall gelten, dass ein Ehegatte ein vergleichsweise hohes und der andere ein vergleichsweise niedriges Einkommen erzielt. In diesem Fall ist rechnerisch (bei Multiplikation mit dem Faktor ½) bei einer Zusammenveranlagung die Steuer, die auf den Ehegatten mit dem niedrigen Einkommen entfällt, höher als sie im Fall der getrennten Veranlagung wäre, obwohl die Zusammenveranlagung in der Summe wegen des Splittings weiterhin vorteilhaft bleibt. Der Ehegatte mit dem niedrigen Einkommen wird durch die vermeintlich hohe Besteuerung also möglicherweise davon abgehalten, einer bezahlten ___________ 317
Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707. Birk, Steuerrecht, Rn. 311; Sigloch, StuW 1990, 229, 235. 319 Vgl. Musgrave/Musgrave, in: FS Rose, S. 581, 583. 320 Lieb, S. 238. 321 Murphy/Nagel, S. 137, 166 ff. s. hierzu auch neuerdings den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, „Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit“ v. 11.11.2005, Tz. 3499 ff. 318
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Tätigkeit nachzugehen. Typischerweise richtet sich dieser Effekt (noch) gegen die Arbeitstätigkeit der Ehefrauen.
dd) Investitions- und Finanzierungsneutralität Die Wirkungen des direkt progressiven Tarifs auf Investitions- und Finanzierungsentscheidungen von Wirtschaftssubjekten sind im finanzwissenschaftlichen Schrifttum umstritten322. Während manche Autoren davon ausgehen, dass die direkte Progression die Risikobereitschaft der Investoren mindere323, gehen andere davon aus, dass die Risikobereitschaft auch erhöht werden oder unbeeinflusst bleiben könne324. Nach einer dritten Auffassung soll zwischen risikoneutralen und risikoaversen Investoren zu differenzieren sein325. Eine Entscheidung mag in diesem Zusammenhang allerdings dahinstehen, da sich der Mangel an Investitions- und Finanzierungsneutralität im geltenden Einkommensteuerrecht jedenfalls aus anderen Regelungen eindeutig ergibt (dazu noch unten, § 5 D. II. 2. c), S. 201).
ee) Rechtsformneutralität Einen deutlichen Fortschritt dürfte die Flat Tax im Hinblick auf die angestrebte Rechtsformneutralität des Steuersystems bringen. Diese verlangt grundsätzlich eine gleiche Besteuerung bei ökonomisch vergleichbaren Sachverhalten (s. § 2 C. I. 1. d), S. 37). Dies bedeutet, dass es auf die Wahl einer bestimmten Rechtsform für die Besteuerung grundsätzlich nicht ankommen sollte. Insofern ist die unterschiedliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften durch das bestehende Steuerrecht zumindest fragwürdig326. Denn während Personengesellschaften steuerlich transparent sind327 und ihre Gesellschafter, wenn sie natürliche Personen sind, dem direkt progressiven Tarif der Einkommensteuer unterfallen, gilt für Kapitalgesellschaften der Tarif des § 23 Abs. 1 KStG und damit eine proportionale steuerliche Belastung mit 25 %. Dies gilt selbst dann, wenn eine Kapitalgesellschaft Teilhaberin einer Personengesellschaft ist. In diesem Fall wird besonders deutlich, dass wirt___________ 322
Vgl. Felsdstein, 77 J. Polit Econ. 755 ff.; Fellingham/Wolfson, 31 Nat’l Tax J. 339 ff.; Schneider, 33 Nat’l Tax J. 67. 323 Fellingham/Wolfson, 31 Nat’l Tax J. 339, 345. 324 Feldstein, 77 J. Pol. Econ. 755, 761 ff.; Schneider, 33 Nat’l Tax J. 67. 325 Lieb, S. 245 f. 326 Lang, StuW 1990, 107, 116. 327 Statt aller: Birk, Steuerrecht I, Rn. 1002.
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schaftlich vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt werden; denn im Regelfall sollte es für die wirtschaftliche Beurteilung irrelevant sein, ob eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person Mitunternehmer ist. Die Flat Tax beendet diese Ungleichbehandlung. Denn alle Unternehmen ermitteln ihren Gewinn auf dieselbe Weise und werden grundsätzlich demselben Steuersatz unterworfen; dabei ist die Rechtsform des Unternehmens irrelevant, denn die Unternehmenssteuer erfasst jegliche unternehmerische Aktivität vom Einzelunternehmer über die Personengesellschaft bis zur Kapitalgesellschaft. Darüber hinaus sind Dividenden ebenso steuerfrei wie Entnahmen aus Personengesellschaften328. Steuerliche Erwägungen sollten folglich auf die Wahl der Rechtsform, in der ein Unternehmen betrieben wird, keinen Einfluss mehr haben. Die Flat Tax ist insoweit rechtsformneutral329. Nach dem Entwurf von Hall/Rabushka sollen Einzelunternehmer auch keinen persönlichen Freibetrag erhalten. Dies dürfte indes mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums nicht zu vereinbaren sein (dazu noch unten, § 5 G. II. 3. c), S. 328). Wenn folglich Einzelunternehmern der Freibetrag zu gewähren wäre, so wäre erwägenswert, diesen aus Gründen der Rechtsformneutralität auch anderen Unternehmen einzuräumen, was dem objektsteuerartigen Charakter der Unternehmenssteuer allerdings zuwiderliefe.
ff) Möglichkeit des Quellensteuerabzugs Auch die Möglichkeit des Steuerabzugs an der Quelle gewänne bei Geltung der Flat Tax an Bedeutung330. Da der Steuersatz für alle Steuerzahler stets derselbe wäre, könnte ein Großteil der Steuern im Wege des Quellenabzugs definitiv erhoben werden, ohne dass eine spätere Veranlagung notwendig wäre331. Dies trüge zur Effizienz der Steuererhebung bei, da jedenfalls Steuererhebungskosten in Form der Deklarationskosten gesenkt werden könnten332. Geht man davon aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen (etwa 80 %333) lediglich Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit erwirtschaftet, so könnte in der Tat bei Berücksichtigung der persönlichen Freibeträge im Rah___________ 328
Auf diesen Aspekt verweist zu Recht Richner, ASA 73, 593, 612. Richner, ASA 73, 593, 612. 330 Musgrave/Musgrave, in: FS Rose, S. 581, 583; Richner, ASA 73, 593, 610; Schlick, Wirtschaftsdienst 2005, 582, 587. 331 Vgl. Schlick, Wirtschaftsdienst 2005, 582, 587. 332 Wagner, PWP 7, 19, 28. 333 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 36; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 59; dies., in: Fairness and Efficiency in the Flat Tax, S. 10. 329
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
men des Quellensteuerabzugs bereits eine zutreffende und definitive Steuerbelastung im Zeitpunkt der Einbehaltung erreicht werden. Die Gefahr, dass Lohneinkommen zu Unrecht unbesteuert bliebe, wäre minimiert334. Und auch die Abstimmung der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihren Anteileignern funktionierte bei Geltung der Flat Tax besser als im bisherigen System. Sieht man nämlich die Körperschaftsteuer als eine Art von Quellensteuer an, die von der Gesellschaft für die Anteilseigner einbehalten und abgeführt wird335, so funktioniert die Quellenbesteuerung nur dann zuverlässig und reibungslos, wenn der Steuersatz aller Anteileigner bekannt ist und bei der Besteuerung entsprechend berücksichtigt wird. In der Tat stellte das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren den Versuch dar, diesem Postulat gerecht zu werden. Das nunmehr geltende Halbeinkünfteverfahren kann hingegen nur als grobe Annäherungsregelung verstanden werden. Die effizienteste Lösung stellt hier die von der Flat Tax gewählte dar, bei welcher der Steuersatz für alle Anteilseigner identisch wäre, sodass die Unternehmensbesteuerung ohne Schwierigkeiten auf die Besteuerung der Anteilseigner abgestimmt werden könnte. Das Problem der Doppelbesteuerung von Gewinnen, die in Kapitalgesellschaften erzeugt werden, wäre mit der Flat Tax beseitigt336. Daher sind ausgeschüttete Dividenden in denjenigen Staaten, die eine Einstufen-Steuer eingeführt haben, in der Regel auch steuerfrei337.
b) Transparenz und Steuermoral aa) Komplexität, Steuerplanung und -umgehung (1) Komplexität und ihre Konsequenzen Ein weiteres, häufig vorgetragenes Argument gegen die direkte Progression lautet, dass sie ineffizient sei, weil sie die Komplexität des Steuersystems erhöhe338 und so zum Entstehen von Steuerplanung, Steuerflucht und Steuerhinter___________ 334
Richner, ASA 73, 593, 610 f. So Wala, RdW 2001, 245, 247 unter Verweis auf Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 36 f. 336 Richner, ASA 73, 593, 611 f.; Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 14. 337 Estland: Kischel, IWB Fach 5, Gruppe 2, Estland, S. 33, 34; Lettland: Schmitt, IWB Fach 5, Gruppe 2, Lettland, S. 9, 11. Eine Ausnahme stellt insoweit die Slowakei dar. Kischel, IWB Fach 5, Gruppe 2, Slowakei, S. 3, 4. 338 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803; Wala, RdW 2001, 245, 247; McCaffery, 1990 Wis. L. Rev. 1267, 1274; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 459 f.; wohl auch Wallis, in: Income Redistribution, S. 135, 139. 335
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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ziehung beitrage339. Außerdem fördere sie die Entstehung einer ganzen Steuerplanungsindustrie, die Möglichkeiten der Verschiebung von Einkommen entwickle340. Dies führe letztlich zu wirtschaftlich sinnlosen Investitionen, lediglich um des steuerlichen Vorteils Willen, was wiederum zu einer wirtschaftlich ineffizienten Ressourcenverteilung führe341, während der Beitrag der Steuerplanungsindustrie zum Gemeinwohl bestenfalls zweifelhaft sei342. Steuerplanung lohne sich grundsätzlich nur bei hoher Steuerbelastung und führe zu Gegenreaktionen des Gesetzgebers, die das bestehende Steuerrecht weiter verkomplizierten343. Außerdem entstehe bei einem Großteil der Bürger der Eindruck, wohlhabende Steuerzahler, die eigentlich einen höheren Durchschnittssteuersatz bezahlen sollten, könnten sich durch geschickte Steuerplanung und Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten „arm rechnen“ und so ihren Steuersatz senken, während „durchschnittliche“ Steuerzahler weder über die Kenntnis noch über die notwendigen Ressourcen verfügten, um von denselben Möglichkeiten Gebrauch zu machen344. Kurz gesagt führen hohe Grenzsteuersätze dazu, dass Steuerpflichtige nach Mitteln und Wegen suchen, ihre Steuerbelastung zu minimieren. Je höher der Grenzsteuersatz ist, desto mehr Ressourcen werden sie dabei bereit sein, für dieses Ziel zu opfern; Lobbyarbeit, die auf die Schaffung von Ausnahmen von der Steuerpflicht oder privilegierte Behandlung bestimmter Tatbestände gerichtet ist, lohnt sich bei hohen Steuersätzen besonders345. Dies mag mit dazu beitragen, dass die Bemessungsgrundlage der bestehenden Einkommensteuer so viele Ausnahmen zulässt346. Auch dieses Argument ist allerdings bei näherer Betrachtung hauptsächlich ein Argument gegen hohe Grenzsteuersätze und nicht in erster Linie gegen die direkte Progression. Denn die Anreize, die von Steuerschlupflöchern und Möglichkeiten, Einkommen und Verluste zeitlich zu ___________ 339
Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 14 f.; vgl. auch Epstein, Private Property, S. 299; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 459; Eaton, Essays in Taxation, S. 31. 340 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 459; Seer, BB 2004, 2272, 2276; Posner, Economic Analysis of Law, S. 510. 341 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803; Beaudry, 9 Okla. City L. Rev. 219, 225, 228 f.; Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 164; Seer, BB 2004, 2272, 2276; ähnlich Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 459. 342 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 459; Posner, Economic Analysis of Law, S. 510: „unproductive“. 343 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803. 344 Beaudry, 9 Okla. City L. Rev. 219, 225 f.; vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803, der vom „Dummensteuereffekt“ spricht. 345 Vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803; Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 604. Zum Einfluss von Lobbyisten auf das Steuersystem der USA s. grundsätzlich Birnbaum/Murray, Showdown at Gucci Gulch, Kap. 10 und passim. 346 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
verschieben, ausgehen, werden nicht eliminiert durch die Einführung einer Einstufen-Steuer347. Die Attraktivität von Steuergestaltungen ist nämlich nicht in erster Linie auf die direkt progressive Ausgestaltung des Steuertarifs zurückzuführen, sondern auf die Höhe desselben348. Wäre unter einer Einstufen-Steuer der Grenzsteuersatz nur hoch genug, so wäre Steuerplanung ebenso attraktiv wie in einem direkt progressiven System.
(2) Komplexität hervorgerufen durch direkte Progression Lediglich die erhöhte Komplexität des Steuersystems könnte auf die direkte Progression zurückzuführen sein. Diesem Vorwurf ist allerdings entgegnet worden, dass ein progressiver Tarif allein wenig zur Komplexität des Gesamtsteuersystems beitrage349. Für sich genommen ist dieser Einwand durchaus berechtigt350, wenn auch im Ergebnis nicht überzeugend. Denn die direkte Progression macht zahlreiche Folgeregelungen erforderlich, die zwar nicht selbst Elemente der Gestaltung der Tarifformel sind, auf die aber ohne direkt progressiven Tarif verzichtet werden könnte. Auf derartige progressionsbedingte Sonderregelungen, die Folge des direkt progressiven Tarifs im gegenwärtigen Einkommensteuerrecht sind, könnte bei Einführung eines indirekt progressiven Tarifs verzichtet werden. Im Einzelnen ist hier zu denken an die Bestimmungen zum Progressionsvorbehalt und zum Ehegatten-Splitting. Auch die Regelungen über die Zurechnung von Einkommen zu bestimmten Personen und Zeitperioden (§§ 6 b, 34, 34 b EStG) verlören an Wichtigkeit, wenn der Steuersatz für alle Steuerpflichtigen derselbe wäre351.
(a) Progressionsvorbehalt Normative Anknüpfung des Progressionsvorbehalts ist im deutschen Einkommensteuerrecht neben bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen vor allem ___________ 347 Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 748; Quantschnigg, RdW 1998, 701, 703. Allerdings übersieht Quantschnigg, a.a.O., dass die Abschaffung aller Ausnahmevorschriften gerade das Ziel der Flat Tax ist. 348 A. A. wohl Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 459, der sowohl hohe als auch progressive Steuersätze hierfür verantwortlich macht. 349 So Bittker, in: Galvin/Bittker, Income Tax, S. 33 f.; McCaffery, S. 51; Bankman/ Griffith, 75 Cal. L. Rev. 1905, 1935; Graetz, 67 Tax Notes 1256, 1257; Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2365; Musgrave/Musgrave, in: FS Rose, S. 581, 583. 350 Anders aber Knaupp, S. 59, die behauptet, es bestehe Einigkeit darüber, dass „der progressive Tarifverlauf die Einkommensteuer sehr verkompliziert“. Als Beleg zitiert sie freilich nur Vogel, StuW 1980, 206, 211. 351 Vgl. Wallis, in: Income Redistribution, S. 135, 139.
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die Regelung des § 32 b EStG352. Danach sind bestimmte Einkünfte, die aufgrund anderer Regelungen der deutschen Einkommensteuer nicht unterliegen, bei der Berechnung des auf die verbleibenden Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes zu berücksichtigen. Sinn der Regelung war zunächst, aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfreie Einkünfte bei der Festlegung des Steuersatzes einzubeziehen353; seit 1981 erfasst der – seither stetig erweiterte – § 32 b Abs. 1 Nr. 1 EStG auch bestimmte steuerfreie Sozialleistungen354. Die gesetzliche Verankerung des Progressionsvorbehaltes ist erforderlich, weil nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in dem Verzicht auf das Besteuerungsrecht bestimmter Einkünfte in Doppelbesteuerungsabkommen zugleich ein Verzicht auf die Heranziehung dieser Einkünfte zwecks Anwendung eines höheren Steuersatzes auf die übrigen Einkünfte zu sehen ist355. In neuerer Zeit hat allerdings der BFH eine – im Schrifttum heftig kritisierte356 – andere Auffassung vertreten, derzufolge es dem Gesetzgeber aufgrund innerstaatlichen Rechts gestattet sei, steuerfreie Einkünfte stets dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen357. Auf diese Kontroverse kann hier nicht weiter eingegangen werden. Festzuhalten bleibt aber die – sowohl vom BVerfG als auch vom BFH nicht angezweifelte – Begründung für die Regelung des Progressionsvorbehalts: Bleiben bestimmte, an sich steuerpflichtige Einnahmen aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften (z. B. § 3 EStG) steuerfrei, so sinkt wegen des direkt progressiven Einkommensteuertarifs auch die durchschnittliche Belastung der übrigen Einkünfte358. Dies würde Steuerpflichtige, die teils ___________ 352 Hierzu BVerfG v. 03.05.1995, 1 BvR 1176/88, BStBl. II 1995, 758 ff.; BFH v. 19.12.2001, I R 63/00, BStBl. II 2003, 302 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, § 16 Rn. 540 ff.; Wotschofsky, S. 35 ff.; ders./Pasch, StuB 2000, 932 ff.; Achter, IStR 2002, 73 ff.; Apel/Oltmanns, DB 1998, 2560 ff.; BVerfG v. 03.05.1995, 1 BvR 1176/88, BStBl. II 1995, 758 ff.; BFH v. 19.12.2001, I R 63/00, BStBl. II 2003, 302 ff. 353 BFH v. 30.05.1990, I R 179/86, BStBl. II 1990, 906, 907; BFH v. 17.10.1990, I R 182/87, BStBl. II 1991, 136, 138; BFH v. 13.11.1991, I R 3/91, BStBl. II 1992, 345; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, § 16 Rn. 540; Wotschofsky/Pasch, StuB 2000, 932. 354 Hierzu BVerfG v. 03.05.1995, 1 BvR 1176/88. BStBl. II 1995, 758 ff.; BFH v. 09.08.2001, III R 50/00 , BStBl. II 2001, 778, 779 (= BFHE 196, 185); Vogel, IStR 2003, 419, 420; Dziadkowski, DStZ 1987, 131. 355 BVerfG v. 10.03.1971, 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 281 f. 356 Etwa Achter, IStR 2003, 203; Puls, DStZ 2003, 755 ff.; Vogel, IStR 2003, 419; Lieber, IWB Fach 3 a, Gruppe 1, 1022, 1024. 357 BFH v. 19.12.2001, I R 63/00, IStR 2002, 239, 240 (m. Anm. Mössner und Kippenberg); BFH v. 15.05.2002, I R 40/01, IStR 2002, 635, 636; BFH v. 19.12.2001, I R 63/00, BStBl. II 2003, 302, 304; ebenso zuvor bereits Kluge, Internationales Steuerrecht, Rn. S 340. Zu den BFH-Urteilen auch Wassermeyer, IStR 2002, 289 ff.; Benecke/ Schnitger, FR 2002, 606 ff. A. A. noch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, § 16 Rn. 541. 358 Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 32 b, Rn. 1; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 808.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
steuerfreie, teils steuerpflichtige Einnahmen erzielen, doppelt bevorzugen gegenüber Steuerpflichtigen, die ihre gesamten Einnahmen zu versteuern haben. Die Verankerung des Progressionsvorbehalts soll – unter Berufung auf den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit359 – diese doppelte Bevorzugung vermeiden: Der Progressionsvorbehalt sorgt dafür, dass die verbleibenden steuerpflichtigen Einkünfte mit dem Durchschnittssteuersatz versteuert werden, der sich ergäbe, wären alle von einem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum erzielten Einnahmen steuerbar. Dass die Regelungen zum Progressionsvorbehalt kompliziert sind360 und immer wieder Anlass zu Streitigkeiten, Steuergestaltungen und gesetzgeberischen Korrekturen gegeben haben, wird allgemein anerkannt361. Die dem Progressionsvorbehalt zu Grunde liegende Problematik entfiele bei Einführung einer Einstufen-Steuer nicht völlig362. Denn aufgrund der indirekten Progression steigt mit steigendem Einkommen der Durchschnittssteuersatz ebenfalls an, sodass steuerfreie Einkünfte insoweit dazu führten, dass das übrige Einkommen einem niedrigeren Durchschnittssteuersatz unterfiele. Auf der anderen Seite veränderte sich der persönliche Grenzsteuersatz mit steigendem Einkommen nicht, was es vertretbar erscheinen ließe, auf eine Regelung zum Progressionsvorbehalt im Rahmen einer Einstufen-Steuer zu verzichten. Denn das Problem wird hierdurch verringert. Hinzu kommt, dass es nach der Konzeption der Flat Tax eine dem § 3 EStG vergleichbare Regelung nicht geben soll. Lohnersatzleistungen wären wohl auch steuerpflichtig, was dazu führte, dass ein Progressionsvorbehalt nur noch für internationale Sachverhalte eine Rolle spielte.
(b) Ehegatten-Splitting Das in §§ 26 b, 32 a Abs. 5 EStG niedergelegte Ehegatten-Splitting363 soll die Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft der Ehe berücksichtigen und die Besteuerung von Ehegatten verfassungsrechtlichen Anforderungen anpassen364. Die bis 1957 praktizierte bloße Zusammenrechnung der Einkünfte von Ehegat___________ 359 BFH v. 11.09.1987, VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856, 857; Birk, Steuerrecht, Rn. 570. 360 Dies gilt insbesondere dann, wenn Regelungen des Progressionsvorbehalts mit Steuerermäßigungen zusammentreffen, etwa mit § 34 Abs. 3 EStG. Hierzu Korezkij, BB 2004, 194 ff.; Siegel, BB 2004, 914 ff. 361 Kirchhof, Einkomensteuergesetzbuch, S. 46. 362 Hiervon scheint aber Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 46 auszugehen. 363 Hierzu Brüninghaus/Kühn, DStR 1995, 967 ff.; Krause-Junk/v. Oehsen, DStR 1995, 1739 ff.; dazu Brüninghaus/Kühn, DStR 1995, 1741; BVerfG v. 07.10.2003, 1 BvR 246/93, 2298/94, BVerfGE 108, 351, 354. 364 Vgl. BT-Drs. III/260 v. 07.03.1958, S. 32 ff.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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ten führte wegen des progressiven Tarifverlaufs zu einer verfassungswidrigen Diskriminierung der Ehe365, sodass eine Neuregelung erforderlich war. Nach § 32 a Abs. 5 EStG beträgt die tarifliche Einkommensteuer für Eheleute nunmehr das „Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt“. Die relativ großzügige366 Behandlung der Ehe ist rechtspolitisch umstritten367. Eine derartige Regelung wäre bei Geltung der Flat Tax überflüssig, wenn Ehegatten – insoweit entgegen dem ursprünglichen Vorschlag von Hall/Rabushka (s. § 5 B. I. 1., S. 86) – einen doppelten Freibetrag in Anspruch nehmen könnten und damit so behandelt würden wie zwei getrennt veranlagte Steuerpflichtige. Eine Steuerersparnis ergäbe sich lediglich, wenn ein Ehegatte seinen Freibetrag nicht (voll) in Anspruch nähme, da der Rest dann dem anderen Ehegatten zu Gute käme; im Übrigen ergäbe sich wegen des proportionalen Tarifverlaufs weder eine Schlechter- noch eine Besserstellung der Ehe368. Die Diskussion um die „richtige“ Besteuerung von Eheleuten ließe sich damit möglicherweise zu einem zufrieden stellenden Ende bringen369.
(c) Zeitliche Zurechnungsregeln Der direkt progressive Tarif erfordert eine genaue zeitliche Zuordnung von Einkommen, um die Belastung mit dem jeweils „richtigen“ Tarif sicherzustellen. So soll der Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG die periodengerechte Gewinnfeststellung ermöglichen. Gerade das Bilanzsteuerrecht führt dabei zu einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten, etwa bei der Frage der Bildung von Rückstellungen oder Rechnungsabgrenzungsposten. Auch die Regelungen über die Absetzung für Abnutzung können eine periodengerechte Gewinnermittlung nur annäherungsweise ermöglichen. Die direkte Progression kann indes dann zu als harsch empfundenen Belastungen führen, wenn Einkünfte nicht regelmäßig zufließen, sondern auf einen Schlag realisiert werden. Dies kann einerseits dann der Fall sein, wenn außerordentlich auftretende mit regelmäßig zufließenden Einkünften in einem Veranlagungszeitraum zusammentreffen und die außerordentlichen Einkünfte so die tarifliche Belastung auch der regelmäßig zufließenden Einkünfte in die Höhe ___________ 365
BVerfG v. 17.01.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 ff. Kritisch etwa Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 826 ff. 367 Vgl. nur Folkers, PWP 4, 413 ff. einerseits und Siegel, PWP 6, 113 f. andererseits. 368 Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1007. 369 Richner, ASA 73, 593, 611. 366
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
treiben370. Des Weiteren können sich insbesondere Wertsteigerungen des Betriebsvermögens, die sich über Jahre hinweg gebildet haben, wegen des Realisationsprinzips erst im Zeitpunkt der Veräußerung (Realisierung) steuerlich auswirken; die dann geballt auftretende steuerliche Belastung einer über Jahre gewachsenen Wertsteigerung kann als unbillig empfunden werden371. Die Sonderregelung des § 34 EStG372 soll für diese als unbillig empfundenen Progressionswirkungen einen Ausgleich schaffen373 und gestattet im Falle der dort enumerativ aufgezählten außerordentlichen Einkünfte die Besteuerung nach der sog. Fünftel-Regelung oder mit einem ermäßigten Steuersatz (56 % des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zu bemessen wäre, mindestens 15 %)374. Die Norm des § 34 EStG hat gerade in jüngster Vergangenheit immer wieder gesetzgeberischen Änderungen unterlegen375. Sie ist sowohl kompliziert376 wie auch schwer verständlich, was durch die zahlreichen Reaktionen im Schrifttum belegt wird377. Darüber hinaus ist sie Einfallstor für Steuergestaltungen378, vor allem da die Entlastungswirkung entscheidend von der Höhe der übrigen Einkünfte abhängt379, der Steuerpflichtige also etwa bei Veräußerungseinkünften Anreize hat, diese in Zeiträume zu verlagern, in denen er keine anderen Ein___________ 370
Glanegger/Seeger, in: Schmidt, EStG, § 34 Rn. 1; Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433, 434. 371 Juchum, DB 2000, 343. 372 Hierzu BMF v. 24.05.2004, IV A 5 – S 2290 – 20/04, DStR 2004, 1042; Eggers/ Bauer, DStR 2000, 1171 ff. mit Replik Schynol, DStR 2000, 1590 ff.; Freyer/Schult, DStR 2001, 71 ff.; Hagen/Schynol, DStR 1999, 1430 ff.; dies., DB 2001, 397 ff.; Herzig/Förster, DB 1999, 711 ff.; Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433 ff.; Juchum, DB 2000, 343 ff.; Korezkij, BB 2000, 122 ff.; ders., DStR 2003, 319 ff.; Kroschel/Wellisch, BB 1998, 2550 ff.; Lemm, DStZ 2002, 35; Richter, DStR 1998, 1950 ff.; Röhner, BB 2000, 2234 ff.; ders., BB 2001, 1126 ff.; Urban, FR 1999, 781 ff.; Wendt, FR 1999, 333 ff.; ders., FR 1999, 787 ff.; ders., FR 2000, 1199, 1200 ff. 373 BFH v. 17.12.1959, IV 223/58 S, BStBl. III 1960, 72, 73. 374 Weber-Grellet, DStR 1996, 1993, 1999; vgl. auch BT-Drs. 14/23 v. 09.11.1998, S. 183; Birk, Steuerrecht, Rn. 573. 375 So galt bis VZ 1998 nur der halbe Steuersatz, in den VZ 1999/2000 nur die Fünftel-Regelung und seit dem VZ 2001 gilt das Wahlrecht. Glanegger/Seeger, in: Schmidt, EStG, § 34 Rn. 3; Birk, Steuerrecht, Rn. 573 (Fn. 46). 376 Knaupp, S. 80 (Fn. 492). 377 s. Fn. 372. 378 Hierzu ausführlich Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 34 Rn. 95 ff.; Freyer/Schult, DStR 2001, 71, ff.; Schulze zur Wiesche, FR 2002, 667 ff.; Gratz/Müller, DB 2000, 693 ff.; Herzig/Förster, DB 1999, 711, 713 ff. 379 Glanegger/Seeger, in: Schmidt, EStG, § 34 Rn. 4; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 34 Rn. 96; Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433, 434; Herzig/Förster, DB 1999, 711, 714; Kaminski, DB 1999, 1238.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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künfte erzielt380. Je nach Höhe der übrigen Einkünfte kann sich aufgrund der Regelung auch eine Grenzbelastung der regelmäßigen Einkünfte von über 100 % ergeben381. Im Zusammenspiel mit dem Ehegatten-Splitting, Verlusten382 oder einem Progressionsvorbehalt383 können sich seltsam anmutende Belastungsergebnisse ergeben. So kann bei Ehegatten die Wahl der getrennten Veranlagung unter Umständen günstiger sein als das Splitting384. Auch die Verfassungsmäßigkeit des § 34 EStG wird im Schrifttum angezweifelt385. Beim proportionalen Tarif der Unternehmenssteuer im Rahmen der Flat Tax bedürfte es keiner Sonderregelung, um unbillige Progressionswirkungen auszugleichen; der Zeitfaktor bei derartigen außerordentlichen Einkünften wäre nur noch insofern relevant, als Einkünfte geballt auftreten, was indes kein Problem des Tarifs darstellt. Grundsätzlich spielt das Timing von Zu- und Abflüssen im Rahmen der Flat Tax nur noch eine Rolle bei der generellen Bestrebung des Steuerpflichtigen, Steuern eher später als früher zu zahlen386. Diese Bestrebung des Steuerpflichtigen wird freilich bei allen Steuern existieren. Die durch die direkte Progression zusätzlich ausgelösten Hemm- und Zerreffekte sowie Anreize, Einkommen gezielt bestimmten Perioden oder Personen zuzuordnen, wären hingegen bei Geltung der Flat Tax weitgehend ausgeschaltet oder doch stark vermindert387.
(d) Persönliche Zurechnungsregeln388 Die Progression erfordert auch genaue Regelungen über die persönliche Zurechnung von Einkünften. Zu nennen sind in diesem Fall die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über die Anerkennung von Verträgen unter ___________ 380 381
Knaupp, S. 85. Lemm, DStZ 2002, 35; s. auch das Beispiel bei Eggers/Bauer, DStR 2000, 1171,
1173. 382
Dazu Röhner, BB 2000, 2234 ff.; ders., BB 2001, 1126 ff. Dazu Korezkij, BB 2004, 194 ff. 384 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 34 Rn. 96; Glanegger/Seeger, in: Schmidt, EStG, § 34 Rn. 4; Hagen/Schynol, DStR 1999, 1430, 1431 ff.; Korezkij, BB 2000, 122, 123 ff.; Urban, FR 1999, 781, 785. 385 Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433, 435 ff.: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. 386 Vgl. Graetz, 67 Tax Notes 1256, 1257; Kornhauser, 86 Mich. L. Rev. 465, 478 f. A. A. offenbar Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 748. 387 Vgl. Fuest/Fuest, wisu 2005, 1190. 388 Dazu ausf. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 150 ff. 383
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Familienangehörigen389, die das Steuersystem verkomplizieren und im Spannungsverhältnis von Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) stehen390. Derartige Verträge sind problematisch wegen des Anreizes, Einkünfte innerhalb eines wirtschaftlichen Verbandes (Familie) zu verteilen, um Progressionswirkungen zu glätten, sowie um nicht abzugsfähige Unterhaltsaufwendungen doch steuerlich wirksam werden zu lassen391. Sie sind nach der Rechtsprechung daher nur dann anzuerkennen, wenn sie rechtlich wirksam sind, tatsächlich durchgeführt werden und einem Fremdvergleich392 standhalten393. Des Weiteren dient das ebenfalls maßgeblich von der Rechtsprechung entwickelte Institut der „verdeckten Gewinnausschüttung“ (vgl. aber § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) zumindest auch dazu, steuerliche Konstruktionen zur Ausnutzung von Belastungsunterschieden, die aufgrund der unterschiedlichen Tarife von Einkommen- und Körperschaftsteuer auftreten können, zu bekämpfen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung wird nach ständiger Rechtsprechung definiert als „Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht“394. In diesem Zusammenhang geht es insbesondere um die Umwandlung einer Ausschüttung von Gewinnen eines Körperschaftsteuersubjekts in den Gewinn mindernde Betriebsausgaben. Dies kann aus steuerlicher Sicht lohnend sein: So werden Gewinne eines Körperschaftsteuersubjekts stets belastet in Höhe des proportionalen Körperschaftsteuersatzes von 25 % (§ 23 Abs. 1 KStG) und mit dem halben persönlichen Steuersatz des Ausschüttungsempfängers (§ 3 Nr. 40 EStG), sofern es sich um eine natürliche Person oder Personengesellschaft handelt. Je nach Höhe des persönlichen Steuersatzes kann sich daher durch die verdeckte Gewinnausschüttung eine Steuerersparnis ergeben, denn das Halbeinkünfteverfahren führt ___________ 389
Ausf. dazu Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 520 „Angehörige/Angehörigenverträge“; s. auch Pezzer, DStZ 2002, 850; Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707 ff.; Schoor, Inf. 2004, 347 ff. 390 Vgl. dazu BVerfG v. 07.11.1995, BStBl. II 1996, 34; BVerfG v. 19.12.1995, NJW 1996, 834; Kruse, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 41 AO Tz. 28 ff.; Tipke, StRO I, S. 370 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 99 (Fn. 136). 391 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 162. 392 Hierzu ausf. Pezzer, DStZ 2002, 850 ff. 393 BFH v. 07.05.1996, IX R 69/94, BFH BStBl. II 1997, 196 m. w. N.; BFH v. 17.02.1998, IX R 30/96, BStBl. II 1998, 349, 350; BFH v. 03.03.2004, X R 14/01, BStBl. II 2004, 826, 827 f.; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 520 „Angehörige/ Angehörigenverträge“; Birk, Steuerrecht, Rn. 312; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 164. 394 BFH v. 09.08.1989, I R 4/84, BStBl. II 1990, 237, 239; BFH v 05.06.2002, I R 69/01, BStBl. II 2003, 329, 330; BFH v. 07.08.2002, I R 2/02, BStBl. II 2004, 131.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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nur dann zu einer Kompensation der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung, wenn der persönliche Steuersatz des Anteilseigners 40 % beträgt395; liegt er darunter, so erfolgt keine vollständige Kompensation, und das Verfahren der verdeckten Gewinnausschüttung wäre folglich günstiger. Eine Grenzbelastung in Höhe von 40 % wird derzeit bei einem zu versteuernden Einkommen von etwa 48.000,– € erreicht. Durch die Belastung der Körperschaft mit Gewerbesteuer (ca. 12 %396), deren Grundlage ebenfalls im Grundsatz der Gewinn ist (§ 7 Satz 1 GewStG), erhöht sich die Steuerersparnis durch die verdeckte Gewinnausschüttung sogar noch weiter. Im Rahmen der Flat Tax könnte in diesem Zusammenhang weitgehend auf die Rechtsfigur der verdeckten Gewinnausschüttung verzichtet werden, da zum einen der Grenzsteuersatz für natürliche Personen und Körperschaften identisch wäre, zum anderen aber auch Gewinnausschüttungen steuerfrei vereinnahmt werden könnten. Es wäre daher zunächst irrelevant, ob die steuerliche Belastung auf der Ebene der Gesellschaft (Ausschüttung) oder auf der Ebene des Gesellschafters (Geschäftsführergehalt) einträte. Ein Unterschied in der Gesamtsteuerbelastung träte lediglich wegen des nur Arbeitnehmern gewährten Grundfreibetrages auf. Da dieser auch im Rahmen der direkt progressiven Einkommensteuer zu gewähren wäre, handelt es sich nicht um ein Flat Taxtypisches Problem.
(e) Freistellung des Existenzminimums Die – verfassungsrechtlich notwendige – Freistellung des steuerlichen Existenzminimums von der Besteuerung kann bei direkt progressivem Tarifverlauf auf unterschiedliche Weise erfolgen397. Möglich ist neben der Einführung einer Nullzone im Steuertarif wie im deutschen Steuerrecht auch der Abzug des Grundfreibetrages von der Bemessungsgrundlage398 oder von der Steuerschuld399. Die erstgenannten Möglichkeiten sind – entgegen zuweilen vorgetragener abweichender Auffassung400 – äquivalent401. Lediglich die letztgenannte ___________ 395
Genauer: Wenn der ausgeschüttete Betrag mit einem Steuersatz von 40 % zu besteuern wäre. Es kommt folglich in diesem Zusammenhang auf den Grenzsteuersatz an. 396 Eine genaue Angabe der Belastung mit Gewerbesteuer ist naturgemäß nicht möglich, da diese vom jeweiligen Hebesatz abhängt. Als Faustformel wird aber – unter Berücksichtigung ihrer Anrechenbarkeit als Betriebsausgabe – von einer Belastung in Höhe von etwa 12 % ausgegangen. Birk, Steuerrecht, Rn. 1132–33. 397 Hierzu ausf. Haller, in: FS Klein, S. 409, 410 ff.; Homburg, FinArch 52, 182 ff. 398 Für die letztgenannte Möglichkeit etwa Dziadkowski, BB 1985, IX/1, IX/12; ders., BB 1995, 278, 282; Esser, DStZ 1994, 517; Weber-Grellet, S. 176; ders., Stbg 2004, 31, 37. 399 Ausf. hierzu Esser, DStZ 1994, 517 ff. 400 Haller, in: FS Klein, S. 409, 411.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Methode führt bei Festsetzung eines für alle Einkommen konstanten Abzugsbetrags in Abhängigkeit vom jeweiligen zu versteuernden Einkommen zu unterschiedlichen Steuerentlastungen. Anders ist dies bei einem proportionalen Steuersatz, denn in diesem Fall sind alle drei Arten gleichwertig402. Zu einer nennenswerten Vereinfachung käme es hier bei Einführung der Flat Tax aber nicht.
(f) Fazit Wie gezeigt könnte bei Einführung einer Einstufen-Steuer auf zahlreiche Sonderregelungen verzichtet werden. Insofern ginge mit der Abschaffung des direkt progressiven Tarifs eine gewisse Vereinfachung des Steuersystems einher. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die direkte Progression komplizierte Folgeregelungen erforderlich macht, auf die im Falle eines indirekt progressiven Tarifs verzichtet werden könnte. Insofern kommt dem Übergang zum indirekt progressiven Tarif eine gewisse Vereinfachungswirkung zu. Darüber hinaus wäre mit dem Übergang zum indirekt progressiven Tarif auch ein erhöhtes Maß an Transparenz für den Steuerpflichtigen verbunden, da sich jeder Steuerpflichtige sehr einfach die steuerliche Belastung zusätzlich erwirtschafteten Einkommens selbst ausrechnen könnte403. Beim linear-progressiven Formeltarif ist dies nur unter Schwierigkeiten möglich. Folglich wäre mit dem indirekt progressiven Tarif auch ein erhöhtes Maß an Transparenz zu erreichen.
bb) Verbesserung der Steuermoral und Erhöhung der Steuerehrlichkeit Eng verflochten mit den Anreiz- und Komplexitätsargumenten ist das Argument, dass die direkte Progression auch zu Steuerverkürzung und -hinterziehung führe, dass das Ausmaß an Steuerehrlichkeit durch die Einführung einer Einstufen-Steuer erhöht werden könne404. Auf den ersten Blick erscheint auch dieses Argument durchaus logisch: Verhält sich der Mensch wie ein ratio___________ 401
Mathematischer Nachweis bei Esser, DStZ 1994, 517; Homburg, FinArch 52, 182, 189. 402 A. A. offenbar Haller, in: FS Klein, S. 409, 412. 403 Richner, ASA 73, 593, 609. 404 Etwa Eaton, Essays in Taxation, S. 32: „Intellectual dishonesty, hypocrisy and just plain immoral conduct are all vicious by-products of a graduated income tax“. Wohl auch Richner, ASA 73, 593, 613 f.
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naler homo oeconomicus405, dessen einziges Ziel Gewinn- oder Nutzenmaximierung ist, so wird er Berechnungen darüber anstellen, wie hoch seine eigentliche Steuerschuld und das Risiko einer Steuerhinterziehung sind406. Ergibt die Berechnung, dass die Steuerschuld hoch und das Risiko gering sind, so wird sich der Steuerpflichtige für die Steuerhinterziehung entscheiden. Grundsätzlich dürfte dabei gelten, dass bei einer Erhöhung der Grenzsteuersätze auch der Anreiz zur Steuerunehrlichkeit zunimmt407. Jedoch ist bei den Überlegungen auch zu beachten, dass der Steuerpflichtige als homo oeconomicus ebenfalls die Strafen für den Fall der Überführung mit einberechnen müsste. Da diese in den meisten Steuersystemen von der hinterzogenen Steuer abhängen, fallen sie also desto höher aus, je höher die Steuerschuld ist. Dies könnte nun wiederum zu dem Schluss führen, dass hohe Steuersätze, die zu einer hohen Steuerschuld führen, wegen der damit verbundenen höheren Strafzahlungen eher abschreckend wirken als niedrigere Steuersätze408. Darüber hinaus lässt sich auch die Grundannahme in Zweifel ziehen. Es ist nämlich keineswegs sicher, dass Steuerpflichtige ihre Entscheidung, ob sie Steuern hinterziehen, lediglich von ökonomischen Erwägungen abhängig machen409. Moralische Vorstellungen können hier ebenso zum Tragen kommen wie etwa die Angst vor sozialer Missbilligung410, wobei erstere allerdings auch dazu benutzt werden könnten, Steuerumgehung, -verkürzung und -hinterziehung zu rechtfertigen, etwa wenn der Bürger den Eindruck hat, dass seine Steuergelder nicht sparsam verwendet werden411, oder dass der Wert seiner Steuerleistungen den Wert der vom Staat erbrachten Leistungen überschreitet412. Bereits die Moraltheologie der Scholastik erkennt dies ausdrücklich an413. Der Staat könnte die Steuerzahlung zwar durch Einsatz entsprechender Mittel ___________ 405
Zu diesem ökonomischen Denkmodell Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 331; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 f.; vgl. hierzu Ritter, JZ 2005, 668 ff. und Eidenmüller, JZ 2005, 670 f. 406 Bayer/Reichl, Verhaltensmodell zur Steuerhinterziehung, S. 30 ff.; Hundsdörfer, Steuerhinterziehung, S. 24 ff.; Schneider, DB 1997, 485, 487; s. auch Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 83. 407 Fellows, 65 CPA J. 18, 20. 408 So Allingham/Sandmo, 1 J. Pub. Econ. 323, 334 ff.; Yitzhaki, 3 J. Pub. Econ. 201; s. auch Ivanova/Keen/Klemm, 20 Econ. Pol’y 399, 408 f. 409 Zur grundlegenden Kritik an der Gedankenfigur des homo oeconomicus s. auch Ritter, JZ 2005, 668 ff. 410 Skeptisch wohl Schneider, DB 1997, 485, 489. 411 Vgl. Kirchgässner, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 215, 224; Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 83. 412 Say, Economie Politique, Tome II, S. 389. 413 Schmölders, FinArch 13, 1, 18 f.
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in vollem Umfang erzwingen, moralisch gebunden wäre der Steuerpflichtige jedoch nicht414. Darüber hinaus ist nicht geklärt, auf welche Ursachen Steuerunehrlichkeit letztlich zurückzuführen ist. Sind dies vor allem Unkenntnis und Überforderung mit dem bestehenden, als kompliziert empfundenen Steuersystem, so kann davon ausgegangen werden, dass bei Einführung eines vermeintlich simpleren Systems die Steuerehrlichkeit in der Tat stiege. Ist es aber eher wirtschaftliche Berechnung, die zu Steuerunehrlichkeit führt, so ist aus den oben genannten Gründen zweifelhaft, ob die Flat Tax zu mehr Steuerehrlichkeit führen könnte.
c) Ergebnis Als Fazit festzuhalten bleibt, dass die Flat Tax gegenüber der überkommenen Einkommensteuer wegen des Verzichts auf die Progression in puncto Effizienz einige Vorteile bietet. Dies gilt insbesondere bei der Vermeidung von Hemm- und Zerrwirkungen sowie dem Abbau von Komplexität. Die Flat Tax wäre neutraler und transparenter als das geltende Einkommensteuersystem mit seinem direkt progressiven Tarif.
2. Progression, Flat Tax und Steuergerechtigkeit Ist eine Einstufen-Steuer im Bereich der Effizienz einem direkt progressiven Tarif überlegen, so wird häufig eingewandt, dass eine Einstufen-Steuer wegen des Verzichts auf die direkte Progression ungerecht sei und zu einer unangemessenen Begünstigung der Steuerzahler mit höheren Einkommen führe. In diesem Zusammenhang ist allerdings zunächst darauf hinzuweisen, dass auch die Flat Tax progressiv ausgestaltet ist: Wegen des Freibetrages auf der Ebene der Individualvergütungen wirkt die Flat Tax hier indirekt progressiv415. Allerdings wird der Progressionsgrad wegen der im Gegensatz zur direkten Progression limitierten Möglichkeiten bei der indirekten Progression – einzige gestaltbare Größe ist die Höhe des Freibetrages bei konstantem Steuersatz – im Regelfall flacher ausfallen als bei der direkten Progression416: Insbesondere der Spitzensteuersatz bei einer Einstufen-Steuer dürfte im Regelfall deutlich unter ___________ 414 Schmölders, FinArch 13, 1, 18 f.; Kirchgässner, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 215, 224. 415 Zutreffend Fellows, 65 CPA J. 18, 21. 416 Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 8.
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dem Spitzensteuersatz bei einem direkt progressiven Tarif liegen417, allerdings möglicherweise auch deutlich höher als der Eingangssteuersatz. Wie bereits gezeigt (s. § 2 C. II. 3., S. 44) lässt sich das Postulat der Steuergerechtigkeit unterteilen in die Forderung nach horizontaler (dazu a)) und vertikaler (dazu b)) Steuergerechtigkeit.
a) Horizontale Steuergerechtigkeit In Bezug auf die horizontale Steuergerechtigkeit sorgt – wenig verwunderlich, denn horizontale Gerechtigkeit und Neutralität sind weitgehend deckungsgleich (s. S. 46) – nicht die Flat Tax, sondern die direkte Progression für Probleme. Denn ein proportionaler Steuersatz, wie ihn die Flat Tax aufweist, behandelt zunächst jeden Steuerzahler und alle Formen von Einkommen gleich418. Die direkte Progression ist hingegen in mindestens dreifacher Hinsicht problematisch: So werden über die Jahre konstante Einkommen möglicherweise anders besteuert als Einkommen, die über die Jahre starken Schwankungen unterworfen sind. Dies führt zu unterschiedlichen Gesamtsteuerbelastungen trotz möglicherweise gleichen Lebenseinkommens. Ferner stellt die sog. „kalte Progression“ ein Problem dar. Schließlich haben Abzüge für Steuerzahler in verschiedenen Progressionsstufen einen unterschiedlichen Wert.
aa) Verkürzungsprogressionseffekt Auf den Verkürzungsprogressionseffekt wurde bereits eingegangen (s. S. 123). Dieser stellt ein Problem der Effizienz der Einkommensteuer dar. Möglicherweise handelt es sich aber auch um ein Problem der horizontalen Steuergerechtigkeit. Es sei noch einmal an den obigen Beispielsfall erinnert (S. 123). Die ungleiche Behandlung von A und B ist natürlich nur dann ein Problem der horizontalen Steuergerechtigkeit, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich die Steuerpflichtigen A und B bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit in vergleichbaren Positionen befinden. Zu diesem Schluss wird man nur dann gelangen können, wenn man das über die Dauer einer bestimmten Periode (z. B. eines Kalender___________ 417 Dies muss allerdings auch nicht zwangsläufig der Fall sein: So betrug der Spitzensteuersatz der US-amerikanischen Einkommensteuer nach der Reagan’schen Steuerreform im Jahre 1986 lediglich 28 %. 418 Epstein, Private Property, S. 298; dies gilt bei der Flat Tax allerdings nicht für Einkommen aus Kapitalvermögen, das nicht der Besteuerung unterliegt.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
jahres) hinausgehende Gesamteinkommen als zutreffenden Indikator für den steuerlichen Zugriff ansieht. Legt man andererseits lediglich die im Besteuerungszeitpunkt gegebene Leistungsfähigkeit der Betrachtung zu Grunde, so befinden sich A und B nicht in vergleichbaren Positionen; folglich existiert auch kein gleichheitsrechtliches Problem. Der Konflikt kreist letztendlich um die Frage, ob das Periodizitätsprinzip bei der Einkommensbesteuerung sachgerecht, wünschenswert oder gar erforderlich ist, oder ob nicht eher die Lebensspanne des Steuerpflichtigen zutreffender Vergleichsmaßstab sein sollte. Befürworter des Periodizitätsprinzips gehen davon aus, dass dieses der Vergleichbarkeit in der Zeit diene419 und zugleich eine zeitgerechte Verteilung der individuellen Steuerlast sichere420. Denn die im Einkommen zum Ausdruck kommende Handlungsfreiheit sei „zeitgebunden“, die im Einkommen vergegenständlichte Freiheit sei „Freiheit in der Zeit“421. Der Steuerpflichtige versuche nicht, ein möglichst großes Lebenseinkommen anzusammeln, sondern beabsichtige, mit seinem Einkommen den jeweils gegenwärtigen Bedarf zu decken422. Daher sei die abschnittsweise Besteuerung des Einkommens ein wesentlicher Teil des materiellen Steuerrechts423. Nach der Gegenauffassung ist das Periodizitätsprinzip eine technische Notwendigkeit des Besteuerungsverfahrens424, das vor allem dazu dient, den vorhandenen staatlichen Finanzbedarf zu decken. Vorzugswürdig wäre nach dieser Auffassung aber die lebenszeitliche Betrachtungsweise und folglich die Besteuerung des Lebenseinkommens oder -konsums425. Die besseren Argumente sprechen für die lebenszeitliche Betrachtung: Richtiger Anknüpfungspunkt steuerlicher Leistungsfähigkeit im Rahmen der Einkommensbesteuerung ist die Gesamtleistungsfähigkeit eines Steuersubjekts, ___________ 419 Schick, S. 13; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 17; ders., in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; ders., in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 13, 19; ders., DStJG 24, 9, 17 f.; ders., Gutachten F zum 57. DJT, S. F76. 420 So Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; ders., Gutachten F zum 57. DJT, S. F76. 421 Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; ders., Gutachten F zum 57. DJT, S. F76; ders., DStZ 1986, 25, 30. 422 Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; ders., Gutachten F zum 57. DJT, S. F76; ders., DStZ 1986, 25, 30. 423 Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; ders., Gutachten F zum 57. DJT, S. F76; ders., DStZ 1986, 25, 30. 424 Beiser, Steuern, S. 28; Lang, S. 187; Seer, S. 313; Lang, in: FS Kruse, S. 313, 331. 425 Rose, BB 1996, 1085, 1087; Tipke, StRO II, S. 754 ff.; Hackmann, S. 47 ff. Noch weiter gehen die Befürworter sog. „dynastischer“ Betrachtungen, die mehrere Generationen in die Analyse einbeziehen wollen. Vgl. Feist/Krimmer/Raffelhüschen, in: Rose (Hrsg.), Reform der Einkommensbesteuerung in Deutschland, S. 122, 129 ff. m. w. N.
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also das Lebenseinkommen426. Die mehr oder weniger willkürlich definierten Perioden sichern nicht eine „Vergleichbarkeit in der Zeit“, vielmehr muss diese durch einen Vergleich der Leistungsfähigkeit im Ganzen ermittelt werden. Unzutreffend ist auch, dass Steuerpflichtige stets nur zu dem Zweck Einkommen erwirtschaften, den gerade aktuellen Bedarf zu decken; dies widerspricht der Erfahrung, dass Steuerpflichtige einen längeren Planungshorizont haben dürften427 und folglich auch sparen und investieren, um Vorsorge für spätere Zeiten zu treffen428. Legt man folgerichtig in unserem Beispiel (S. 123) das Gesamteinkommen, das in den Jahren 01 bis 10 erwirtschaftet wird, zu Grunde, so befinden sich A und B tatsächlich in einer vergleichbaren Lage, da beide insgesamt 500.000,– € an zu versteuerndem Einkommen erwirtschaften429. A und B sind daher bei ökonomischer Betrachtung gleich leistungsfähig430, werden aber von den Steuergesetzen ungleich behandelt431. Ein Steuerpflichtiger, der über Jahre ein konstantes Einkommen hat, hat eine geringere Gesamtsteuerbelastung zu tragen als ein Steuerpflichtiger mit dem gleichen Gesamteinkommen, dessen Einkommen sich aber ungleichmäßig über die Jahre verteilt432. Diese Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht mit dem Argument verteidigen, dass im letztgenannten Fall dem Steuerpflichtigen mehr Liquidität zur Verfügung steht. Wie in dem Beispiel gezeigt, kann das Einkommen auch zum Schluss der Betrachtungsperiode zufließen, sodass der Steuerpflichtige mit der höheren Gesamtbelastung anfangs weniger liquide ist als der Steuerpflichtige mit stetigen Einnahmen. In der Praxis dürften durch diese Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts vor allem Akademiker mit langen Ausbildungszeiten433 sowie Personen mit ___________ 426 Ebenso Beiser, Steuern, S. 28; Lang, S. 187; v. Groll, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10 d, Rn. A 12; Orth, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 d EStG, Anm. 15; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 44; Hackmann, S. 47 ff.; ders., FinArch 34, 1 ff.; ders., StuW 1980, 318; Mitschke, StuW 1980, 122, 123 f.; ders., StuW 1980, 252; ders., StuW 1988, 111 ff.; Kiesewetter, S. 21; Lang, in: FS Kruse, S. 313, 327; ders., DStJG 24, 49, 65; Tobin, in: Income Redistribution, S. 127, 129. 427 Rose, BB 1996, 1085, 1087. 428 Ebenso Lang, DStJG 24, 49, 65. 429 Allerdings müssen Zinseffekte bei der Betrachtung ausgeklammert werden. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 75. Wollte man Zinseffekte berücksichtigen, käme man sogar zu dem paradoxen Ergebnis, dass A leistungsfähiger ist als B, da A seine in den Jahren 01–08 zugeflossenen 400.000,– € gewinnbringend anlegen kann. 430 Vgl. Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 762. 431 Ebenso Beiser, ÖStZ 2000, 413, 418; Wala, RdW 2001, 245, 246. 432 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 76. 433 Zum Verhältnis von direkter Progression und Kosten höherer Bildung s. auch Creedy/François, 19 J. Econ. Stud. 17.
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kurzen Erwerbszeiten (z. B. Profisportler, Schauspieler, etc.) negativ betroffen sein434. Das EStG schafft nur wenig Abhilfe für diese Ungleichbehandlung. Der überperiodische Verlustausgleich kann als Milderung der progressiven Jahresbesteuerung verstanden werden435. Auch kann die periodenübergreifende Progressionsglättung, wie sie in § 34 EStG vorgesehen ist, als Indiz dafür angesehen werden, dass dem Gesetzgeber das Problem der Zerrwirkungen der Progression bekannt ist. Indes ist Abhilfe nur unter den besonderen Umständen des § 34 EStG und nur im Sonderfall der dort enumerativ aufgezählten Einkünfte vorgesehen (s. S. 134). Im Übrigen ist gerade kein Ausgleich für die Zerrwirkungen der Progression vorgesehen. Auch die unterschiedlichen Arten der Einkommensermittlung können, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Periodenprinzip, zu einer unterschiedlichen Steuerbelastung führen und das Problem der Zerrwirkungen noch verstärken436. Neben der grundlegenden Unterscheidung in Gewinn- und Überschusseinkunftsarten sieht das EStG im Bereich der Gewinneinkünfte derzeit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG), durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), nach Durchschnittssätzen (§ 13 a EStG) und nach Tonnage (§ 5 a EStG) vor437. Es besteht die Gefahr, dass Einnahmen und Ausgaben bei den unterschiedlichen Ermittlungsarten zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Tragen kommen; daher kann es zu Verzerrungen bei der steuerlichen Belastung kommen438, zumal da die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen und nach Tonnage in Wirklichkeit versteckte Steuersubventionen darstellen439. Ferner werden Gewinne aus Veräußerungen häufig privilegiert behandelt440, während Wertzuwächse des Erwerbsvermögens grundsätzlich nur bei den Gewinneinkünften erfasst werden441. Darüber hinaus trifft das EStG in Abhängigkeit von der jeweiligen Einkunftsart teilweise unterschiedliche Re___________ 434
Lang, DStJG 24, 49, 66; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 76. So Tipke, StRO II, S. 759 ff. 436 Vgl. Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 118 f. 437 s. nur Birk, Steuerrecht, Rn. 732. 438 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 180; ders., DStJG 24, 49, 50 ff.; Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 119; Kanzler, FR 1998, 233, 237 ff.; Wagner, DStR 1997, 517 f. 439 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 180. Zu § 5 a EStG ebenso Birk, Steuerrecht, Rn. 732 (Fn. 162). 440 Seer, BB 2004, 2272, 2276. Das Problem besteht verstärkt im US-amerikanischen Steuerrecht, wo die sog. „capital gains“ einem eigenen Steuertarif unterfallen. 441 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 119. 435
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gelungen über die Steuererhebung, etwa in §§ 37 ff., 43 ff. und 50 a, und über Steuerbefreiungen, Freibeträge und Freigrenzen442. Die genannten Zerrwirkungen werden noch gravierender, wenn ein Steuerpflichtiger während des Betrachtungszeitraums Verluste macht, da Verluste nicht uneingeschränkt vor- und zurückgetragen werden können. Diese Ungleichbehandlung lässt sich auf mindestens zwei unterschiedliche Arten ausschalten oder doch zumindest abmildern443: Erstens wäre es natürlich theoretisch denkbar, nicht mehr das Jahres-, sondern fortan das Lebenseinkommen des Steuerpflichtigen der Besteuerung zu Grunde zu legen. Die Umsetzung wäre problematisch: So müsste man – aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst im Voraus – einen geeigneten Steuertarif für das Lebenseinkommen jedes Steuerpflichtigen festlegen. Dies dürfte kaum möglich sein, da zum einen die Unterschiede zwischen den Lebenseinkommen zu groß sein dürften, zum anderen auch eine verlässliche Vorhersage der Einkommensentwicklung für die Zukunft unmöglich sein dürfte. Änderungen des Tarifs stellten außerdem jedenfalls bei solchen Personen, die bereits in der Vergangenheit Einkommen bezogen haben, ein Problem unechter Rückwirkung dar. Insgesamt wäre der Steuergesetzgeber daher möglicherweise für eine lange Zeit an ein einmal festgelegtes Steuerrecht gebunden, oder die Steuerpflichtigen genössen einen nur sehr eingeschränkten Vertrauensschutz444. Der Übergang zur Besteuerung des Lebenseinkommens ist damit keine praxistaugliche Alternative zum Periodizitätsprinzip in der Einkommensbesteuerung. Daher ist als Alternative vorgeschlagen worden, die Steuer nicht aus dem Jahreseinkommen, sondern aus dem Jahresdurchschnitt des im bisherigen Lebenszeitraum bezogenen Gesamteinkommens zu berechnen, und die in den Vorjahren gezahlte Einkommensteuer als Vorauszahlungen auf die Gesamtsteuerschuld zu begreifen445. Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer wäre damit nicht mehr das Jahres-, sondern das Lebenseinkommen. Auch diese Methode setzt aber für leichte Administrierbarkeit voraus, dass sich Bemessungsgrundlage und Tarif der Steuer möglichst nicht ändern446. Dies dürfte eine lebensfremde Annahme darstellen. ___________ 442 s. z. B. § 16 Abs. 4 EStG. Weitere Nachweise bei Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 118 f. 443 Hierzu auch Hackmann, StuW 1980, 318 ff. 444 Vgl. auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 222 f. 445 Dies wurde erstmals von Vickrey, 47 J. Polit. Econ. 379, 382 ff. vorgeschlagen. Ebenso ders., S. 164 ff. Vgl. auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 76; Mitschke, StuW 1980, 122, 125 ff.; ders., StuW 1980, 252 ff. Als Alternative gilt die Sollzinsbesteuerung nach Hackmann. Vgl. Hackmann, FinArch 49, 3, 31 ff.; ders., in: Andel (Hrsg.), Probleme der Besteuerung II, S. 35, 45 ff. 446 Tipke, StRO II, S. 762.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Folglich ist ein indirekt progressiver Tarif in dieser Beziehung insgesamt vorzugswürdig, da er zwar den Verkürzungsprogressionseffekt nicht vollständig beseitigt, wohl aber stark abmildert.
bb) „Kalte Progression“ Ein weiteres potenzielles Problem direkt progressiver Einkommensteuertarife ist die sog. „kalte Progression“447. Gemeint ist zum einen die Tatsache, dass durch nur nominell steigende Einkommen bei gleichzeitiger Beibehaltung des Steuertarifes immer mehr Einkommen in die höheren Progressionsgrade „hereinwachsen“, obwohl wegen der Geldentwertung keine reale Einkommenssteigerung vorliegt448. Aber auch bei real steigenden Einkommen steigt wegen der direkten Progression ceteris paribus die Einkommensteuerbelastung überproportional an449. Dieser Effekt hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Der Grundfreibetrag und andere Freigrenzen, Frei- und Pauschbeträge müssten bei steigenden Einkommen angepasst werden, da anderenfalls über die Jahre immer größere Einkommensteile der Besteuerung unterfielen450. Zum zweiten müssten die Progressionsstufen selbst angepasst werden, da sonst bei steigenden Einkommen immer ___________ 447
Anstelle des Begriffs der „kalten Progression“ ist auch der Ausdruck „heimliche Steuererhöhung“ gebräuchlich. Nacke, in: Littmann/Bitz/Pust, § 32 a EStG Rn. 13; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 152; Lang, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 807; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 228; Stern, KarlBräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 95, S. 15 m. w. N.; Dziadkowski, BB 1985, IX/1, IX/4; Vogel, StuW 1977, 97, 115. Die Bezeichnung als„kalte Progression“ verdeutlicht aber besser, welche Ursache dem Phänomen zu Grunde liegt und soll daher im Folgenden Verwendung finden. Im anglo-amerikanischen Raum ist anschaulich von „bracket creep“ die Rede. Vgl. Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1005. 448 Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 483; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 152; Siegel, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 13; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 807; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 227 f.; Folkers, Ursachen der Steuerzahlerrevolte, S. 26; Wendt, NJW 1980, 2111, 2117; Petersen, S. 15, 47 ff.; 80; Becker, FS Klein, S. 379, 387; Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 46; Schmölders, FinArch 14, 21, 29; Seer, BB 2004, 2272; Wala, RdW 2001, 245, 246; Elicker, StuW 2000, 3, 4; Stern, DStZ 1989, 576, 577; ders., DStZ 2003, 294, 295 und passim; Beaudry, 9 Okla. City U. L. Rev. 219, 232. 449 Petersen, Personelle Einkommensbesteuerung und Inflation, S. 21 f. differenziert daher zwischen „kalter Progression im weiteren Sinne“ (= heimliche Steuererhöhungen wegen nominal und real wachsender Einkommen) und „kalter Progression im engeren Sinne“ (= heimliche Steuererhöhungen wegen nur nominal steigender Einkommen). Diese Differenzierung bringt für den Gang der Untersuchung keinen Erkenntnisgewinn und wird daher nicht übernommen. 450 Petersen, Personelle Einkommensbesteuerung und Inflation, S. 21.
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größere Teile der Bevölkerung höheren Progressionsstufen unterworfen wären. Dies führt zu einer an sich unbeabsichtigten Steuererhöhung451. Andererseits mag der Effekt der „kalten Progression“ bei Politikern sogar durchaus willkommen sein, denn durch das Zusammenspiel von Inflation und Progression lassen sich die Staatseinnahmen sub silentio, also ohne formelle Steuererhöhung, in einem die allgemeine Inflationsrate übersteigenden Maße steigern452. Dieses Problem ist keinesfalls zu unterschätzen. Geht man davon aus, dass die Einkommensbesteuerung in ihrer jetzigen Form im Wesentlichen auf das EStG 1958 zurückgeht, so kann folgende Entwicklung beobachtet werden: Im Jahr 1958 lag das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer bei 11 Mrd. DM, während es im Jahr 2001 ca. 353 Mrd. DM betrug453. Bei diesem Anstieg ist die durchschnittliche Belastung eines Steuerpflichtigen mehr als doppelt so stark gestiegen wie die Durchschnittseinkommen454: Während sich die Durchschnittseinkommen in dem Zeitraum verzehnfacht haben, ist die durchschnittliche Belastung der Steuerpflichtigen mit Lohn- und Einkommensteuer um den Faktor 23 gestiegen455. Auf offene Tariferhöhungen wurde in den Jahren 1958 bis 2001 dabei allerdings weitgehend verzichtet, sodass der Belastungsanstieg zu einem großen Teil auf die „kalte Progression“ zurückzuführen sein dürfte456. Hierfür spricht auch, dass bei einer Anpassung des Tarifs 1958 an die allgemeine Einkommensentwicklung bis zum Jahr 2001 bei Fortgeltung des angepassten Tarifs 1958 das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer im Jahr 2001 um etwa 61 Mrd. € niedriger gewesen wäre als es tatsächlich war457. In dieser Größenordnung liegt daher eine heimliche Steuererhöhung durch „kalte Progression“ vor. Bei Geltung des Tarifs 1958 befanden sich darüber hinaus auch noch 95 % der Steuerpflichtigen mit ihren Einkommen ledig___________ 451
Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 227 f.; Vogel, StuW 1977, 97, 115. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1998/1999, BR-Drs. 922/98 v. 20.11.1998, Tz. 382 f.; Posner, Economic Analysis of Law, S. 511; Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1006; vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 807. 453 Stern, DStZ 2003, 294, 295; Stern, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 95, S.12 f. 454 Stern, DStZ 2003, 294, 295. 455 Stern, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 95, S. 13. 456 Stern, DStZ 2003, 294, 295 geht sogar soweit, dass alle zwischen 1958 und 2001 erfolgten Tarifanpassungen mit tariflichen Entlastungen verbunden gewesen seien. Vgl. auch Stern, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 95, S. 14; Petersen, S. 14 f., der darauf hinweist, dass zwischen 1965 und 1974 keinerlei Veränderungen am Einkommensteuerrecht vorgenommen wurden, und dass die Entlastung durch die Reform 1975 bereits 1977 überkompensiert war. s. auch v. Pikarski/Wosnitza, BB 1985, 517, 519 ff. Vgl. für die Jahre 1975–84 das eindrucksvolle Beispiel bei Musgrave/ Musgrave/Kullmer, S. 228 ff. 457 Stern, DStZ 2003, 294, 295. 452
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lich in der unteren Proportionalzone mit einem Steuersatz von 20 %458. Eine vergleichbare untere Proportionalzone existiert im heutigen Tarif indessen nicht mehr. Die „kalte Progression“ dürfte daher auch Ursache dafür sein, dass Steuersenkungen ohne wirtschaftlichen Effekt bleiben können459. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Studie von Petersen für die Jahre 1965 bis 1983460, der noch dazu empirisch nachweist, dass die kalte Progression Lohnsteuerpflichtige härter zu treffen scheint als veranlagte Einkommensteuerpflichtige mit vergleichsweise höheren Durchschnittseinkommen461. Die Wirkung der „kalten Progression“ wird zusätzlich verschärft, wenn Freibeträge und -grenzen nicht erhöht werden462, ferner dadurch, dass gewisse Abzugstatbestände an absolute oder Einkommenshöchstgrenzen gekoppelt sind. Insbesondere für die abziehbaren Vorsorgeaufwendungen gilt § 10 Abs. 3, 4 EStG. Mit steigenden Nominaleinkommen verlieren diese Höchstgrenzen zunehmend an Wert, sodass die Bemessungsgrundlage sich zusätzlich erhöht463. Das Problem der „kalten Progression“ lässt sich vergleichsweise einfach dadurch lösen, dass die im Einkommensteuergesetz verwendeten Beträge indexiert werden464. So sieht der US-amerikanische Internal Revenue Code seit 1985 eine Indexierung zum Inflationsausgleich vor465. Eine solche Regelung ist zwar in Deutschland immer wieder in der Diskussion gewesen466, bislang allerdings noch niemals umgesetzt worden. Ob dabei die allgemeine Preisentwicklung467 oder die allgemeine Einkommensentwicklung468 tauglicher Index für die Einkommensteuer wäre, mag an dieser Stelle dahinstehen. ___________ 458
Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 46; Elicker, StuW 2000, 3, 4. Nacke, in: Littmann/Bitz/Pust, § 32 a EStG Rn. 15. 460 Petersen, S. 50, geht für 1983 von einem indexierten Aufkommen von 57 Mrd. DM aus, während das reale Aufkommen bei 119 Mrd. DM lag, also mehr als doppelt so hoch. 461 Petersen, S. 49 (Tabelle 16). 462 Gaddum, DStZ 1986, 211, 215; Schneider, DB 2004, 1517, 1521. 463 Dziadkowski, BB 1985, IX/1, IX/7 spricht von „Doppelprogression“. 464 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 807; Bericht der Meade-Kommission, S. 100 ff.; Petersen, S. 47; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 762; Stern, DStZ 2003, 294, 299. 465 Bankman/Griffith/Pratt, Federal Income Tax, S. 360 f.; Musgrave/Musgrave/ Kullmer, S. 230 (Fn. 65); Posner, Economic Analysis of Law, S. 511 (Fn. 4); Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 762; Gaddum, DStZ 1986, 211, 215; Zschiegener, IWB Fach 6, Gruppe 2, USA, S. 1158 f. 466 Esser, IFSt-Schrift Nr. 383, S. 41; Stern, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 95, S. 58 ff. 467 So Esser, IFSt-Schrift Nr. 383, S. 41. 468 So Stern, DStZ 2003, 294, 299 f.; Stern, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 95, S. 60 f. 459
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Als Alternativen zur Indexierung kommen eine jährliche Überprüfung und Anpassung des Tarifs durch den Gesetzgeber in Betracht469. Fest steht, dass ohne Indexierung oder anderweitige Abhilfe die direkte Progression in nicht zu unterschätzendem Ausmaß zu heimlichen Steuererhöhungen führt. Das Problem der „kalten Progression“ ist indes keines, das mit einem indirekt progressiven Tarif automatisch beseitigt wäre. Bei einem indirekt progressiven Tarif wäre die Höhe des jeweiligen Grundfreibetrages möglichst jährlich anzupassen, da es anderenfalls ebenfalls zu heimlichen Steuererhöhungen käme470. Eine solche Anpassungspflicht könnte sich darüber hinaus auch aus der Tatsache ergeben, dass Erwerbsaufwendungen bei Arbeitnehmern nur noch in pauschalierter Form Berücksichtigung finden sollen, was im Gegenzug den Gesetzgeber verpflichten könnte, die Grundlagen der Pauschalierung sowie ihre Auswirkungen ständig zu überprüfen471. Da es darüber hinaus keine weiteren Progressionsstufen bei steigendem Einkommen gäbe, wäre eine Anpassung von Progressionsstufen an die Einkommens- oder Preisentwicklung nicht notwendig472. Das Problem der „kalten Progression“ wöge daher bei einem indirekt progressiven Tarif weniger schwer als bei einem direkt progressiven Tarif, da einer der beiden Auslöser für die „kalte Progression“ entfiele.
cc) Degressionswirkung von Abzugstatbeständen Darüber hinaus könnte die Tatsache, dass Abzüge unter einer direkt progressiven Einkommensteuer für unterschiedliche Steuerzahler von unterschiedlichem Wert sind, ein Problem darstellen473. Dies ist dann der Fall, wenn Steuerzahler, die wegen unterschiedlich hoher Einkommen unterschiedlich hohe Grenzsteuersätze haben, von demselben Abzugstatbestand Gebrauch machen. Die horizontale Steuergerechtigkeit wird dann berührt, obwohl die Steuerzahler in diesem Fall gerade nicht dasselbe Einkommen haben, wenn man auf die Höhe und den Nutzen des Abzugstatbestandes abstellt. Hat der Steuerpflichtige A einen Grenzsteuersatz in Höhe von 40 % und der Steuerpflichtige B einen solchen von 20 %, so ist derselbe Abzugstatbestand in Höhe von 100,– € für A 40,– € und für B 20,– € wert, da die jeweilige Steuerschuld um diese Beträge gemindert wird. Man spricht in diesem Fall auch von „Degressionswirkung“ der Abzugstatbestände474. Vereinzelt wird die Degressionswirkung als un___________ 469
Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 807. Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1006. 471 In diesem Sinne Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 94. 472 Mitschke, Rn. 74. 473 Hierzu auch Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 46 f.; s. auch Richner, ASA 73, 593, 610. 474 Etwa Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 75. 470
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gerecht kritisiert475. Im Rahmen der Flat Tax träte diese Wirkung wegen des einheitlichen Steuersatzes von vornherein nicht auf476. Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass dieses Phänomen ohnehin unbedenklich ist im Hinblick auf die horizontale Steuergerechtigkeit. Zwar reklamieren sowohl A und B denselben Abzugstatbestand für sich, und auch die Höhe des Abzuges ist für beide gleich. Jedoch sind A und B im Übrigen gerade nicht in vergleichbaren Positionen, da A offenbar ein höheres Einkommen erzielt und daher einem höheren Grenzsteuersatz unterworfen ist als B. Die Tatsache, dass Abzüge von der Bemessungsgrundlage für A wertvoller sind als für B, ist lediglich die Kehrseite des direkt progressiven Tarifs477. Sie stellt für sich genommen kein Problem horizontaler Steuergerechtigkeit dar, sondern mag vielmehr den Sinn von Abzügen von der Bemessungsgrundlage im Einkommensteuerrecht in Frage stellen, insbesondere solcher Abzüge, die der Verhaltenslenkung dienen sollen. Diese Fragestellung ist jedoch losgelöst von der Frage der direkten Progression zu behandeln und geht über das Thema dieser Arbeit hinaus.
dd) Progressionsvorbehalt Die Problematik, die mit dem Progressionsvorbehalt verbunden ist (dazu bereits oben, § 5 D. I. 1. b) aa) (2) (a), S. 130), ist darüber hinaus auch ein Problem horizontaler Steuergerechtigkeit478. So wird der Progressionsvorbehalt nur deshalb benötigt, um Bezieher steuerfreier Einkünfte, die ebenfalls die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen, nicht doppelt zu begünstigen. Bei Geltung eines indirekt progressiven Steuertarifs wäre diese Problematik zwar nicht beseitigt, aber doch gemindert (s. o.). ___________ 475
Schlick, Wirtschaftsdienst 2005, 582, 585; Siegel/Schneider, DStR 1994, 597, 601 f.; s. auch Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 33, 53 f. 476 Richner, ASA 73, 593, 610. 477 Vgl. BFH v. 06.05.1959, VI 170/58, BStBl. III 1960, 102. So auch ausdrücklich die Beschlüsse des 57. DJT (1988), S. N214: „Die Degressionswirkung bei steuermindernden Abzügen ist keine Steuervergünstigung, sondern die systemnotwendige Kehrseite der Probression bei den steuerbegründenden Zuflüssen“. Ähnlich Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 763: „… [T]he unequal deduction effect results from the interaction between progressive brackets and tax expenditure provisions.“ Zustimmend Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 75; wohl auch Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 46; Tipke, StRO II, S. 810. 478 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 46.
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ee) Unterschiedliche Freibeträge im Rahmen der Flat Tax Ein neues Problem der horizontalen Steuergerechtigkeit wird indes durch die Flat Tax erzeugt, nämlich die unterschiedliche Gewährung des Grundfreibetrages. Dieser soll nach der Konzeption von Hall/Rabushka lediglich Arbeitnehmern zustehen, also Unternehmern selbst dann nicht, wenn sie ihr Unternehmen in der Rechtsform des Einzelunternehmers betreiben. Da auch diese Steuerpflichtigen ein Existenzminimum haben, ist diese Differenzierung kaum zu rechtfertigen. Diese Ungleichbehandlung führt auch zu einer ungleichen tariflichen Belastung erwirtschafteten Einkommens. Hierauf wird im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit der Flat Tax noch näher einzugehen sein (dazu noch unten).
ff) Fazit Die Flat Tax könnte in Bezug auf die horizontale Steuergerechtigkeit die Defizite der direkt progressiven Einkommensbesteuerung weitgehend vermeiden. Daher gehen manche sogar so weit zu sagen, sie verwirkliche die absolute horizontale Steuergerechtigkeit479. Dies scheint auf den ersten Blick zuzutreffen, da alle Arten von Einkommen demselben (Grenz-)Steuersatz unterworfen sind und Abzugstatbestände stark eingeschränkt werden. Allerdings steht nur Nichtselbstständigen ein persönlicher Freibetrag zu, der zu einem insgesamt indirekt progressiven Tarif führt. Die Durchschnittssteuerbelastung, auf die es für die Beurteilung der Gerechtigkeit eines Steuersystems allein ankommen kann480, ist also auch im Rahmen der Flat Tax gerade nicht für alle Steuerpflichtigen gleich481. Dieses Ergebnis überrascht angesichts der erwähnten Rhetorik ihrer Befürworter. Von der Herstellung „absoluter horizontaler Steuergerechtigkeit“ kann folglich auch bei der Flat Tax keine Rede sein. Nichtsdestotrotz kann aber wegen der aufgezeigten Defizite des direkt progressiven Tarifs festgehalten werden, dass der proportionale Tarif der Flat Tax die horizontale Steuergerechtigkeit grundsätzlich besser verwirklicht als ein direkt progressiver Tarif. ___________ 479 Beaudry, 9 Okla. City U. L. Rev. 219, 235: „achievement of absolute horizontal equity“; Rawls, S. 278 f. s. auch die Begründung zum „Freedom and Fairness Restoration Act 1999“, http://flattax.house.gov/proposal/flat-sum.asp: „The flat tax will restore fairness to the tax law by treating everyone the same.“ 480 Murphy/Nagel, S. 131. 481 Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 185.
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b) Vertikale Steuergerechtigkeit Kritiker werfen der Flat Tax allerdings vor, sie verwirkliche die horizontale auf Kosten der vertikalen Steuergerechtigkeit, ja sie zerstöre die vertikale Steuergerechtigkeit und verlagere die Gesamtsteuerbelastung auf die unteren und mittleren Einkommensgruppen482. Gegner einer Einstufen-Steuer weisen immer wieder darauf hin, dass aus der vertikalen Steuergerechtigkeit der direkt progressive Aufbau des Einkommensteuersystems abzuleiten sei483. Ob dies wirklich der Fall ist, soll daher im Folgenden untersucht werden. Hierbei werden die traditionell für die direkte Progression vorgetragenen Rechtfertigungsansätze daraufhin untersucht, ob sich aus ihnen zwingend ergibt, dass die Einkommensteuer direkt progressiv ausgestaltet sein muss. Systematisiert man die traditionellen Auffassungen, die zur Rechtfertigung des direkt progressiven Einkommensteuertarifs existieren, so ergeben sich im Wesentlichen zwei Gruppen, nämlich einerseits Rechtfertigungsansätze, die nicht (ausschließlich) auf der Idee von Vermögensumverteilung basieren, und solche, die direkte Progression als ein Mittel der Umverteilung ansehen. Anders gewendet kann man zwischen Rechtfertigungen der direkten Progression aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips484 und aufgrund von sozialstaatlichen Erwägungen485 oder gesellschaftsvertraglichen Ansätzen unterscheiden486. In älteren Werken wurden darüber hinaus auch äquivalenztheoretische Ansätze zur Begründung des direkt progressiven Einkommensteuertarifs herangezogen.
aa) Äquivalenztheoretische Ansätze (1) Äquivalenztheorie (a) Grundaussage Die Entwicklungsgeschichte der Äquivalenztheorie reicht weit zurück. So findet sich bereits bei Thomas von Aquin die Feststellung, dass die Bevölkerung gehalten sei, „denen, die über unseren Frieden und unser Wohlergehen ___________ 482 Vgl. Beaudry, 9 Okla. City U. L. Rev. 219, 235: „… [V]ertical equity is destroyed …“. 483 Etwa Vogel, DStZ 1975, 409, 411 f. 484 Hierzu gehören Blumenstein, System des Steuerrechts, S. 253 f.; Klett, in: FS Tipke, 599, 604 f.; Neumark, Grundsätze, S. 177 f.; Haller, FinArch 31, 461, 462 ff. 485 Hierzu gehören Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 Abs. 1 Rn. 113; Wied, in: Blümich, § 32 a EStG Rn. 26; Weber-Grellet, BB 1996, 1415, 1418. 486 Ähnlich Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 452; Elicker, StuW 2000, 3, 10 ff.; Urnik, ÖStZ 2002, 180, 181.
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wachen, ein gerechtes Entgelt zu gewähren“487; dem folgt etwa Lessius, wenn er sagt, die Steuer sei dafür zu entrichten, dass der Fürst für das Allgemeinwohl arbeite und den Frieden garantiere488. In der Neuzeit hat als erster Hobbes diesen Gedanken aufgegriffen und die Steuer als den „für die Erhaltung des Friedens gezahlten Preis“ bezeichnet489. Daher wird im Allgemeinen – wie gezeigt nicht ganz zu Recht – Hobbes als der Urheber der Äquivalenztheorie angesehen490. Ein ähnlicher Gedankengang findet sich auch bei Montesquieu, der Steuern als denjenigen Teil des Privateigentums ansieht, den die Bürger abgeben, um Sicherheit zu haben und den verbleibenden Rest ungestört genießen zu können491. Auch bei Rousseau finden sich Anklänge an diese Argumentation492, ebenso bei der ersten Maxime des Adam Smith, dort allerdings vermischt mit Ideen, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuzurechnen sind: Nach Smith sollen die Bürger zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben soweit als möglich im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten beisteuern; dies bedeute, dass sich ihr Beitrag nach dem Einkommen richten solle, das sie jeweils unter dem Schutze des Staates erzielten493. Zur Begründung der direkten Progression wurde die Äquivalenztheorie allerdings erst relativ spät, nämlich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, herangezogen494. Zu dieser Zeit gelang es erstmals, genau zu formulieren, dass jeder Bürger nach Maßgabe der in Anspruch genommenen staatlichen Leistungen besteuert werden solle495. Dabei sind zwei unterschiedliche Ausprägungen zu beobachten. Nach der Äquivalenztheorie im engeren Sinne soll sich die direkt progressive Steuerbelastung daraus ergeben, dass zwischen Staat und Steuerzahler ein Verhältnis ähnlich dem zwischen Verkäufer und Käufer eines Gutes bestehe: Der Einzelne kaufe gewissermaßen dem Staat durch seine Steuer___________ 487
Zitiert nach Synan, in: Vademecum, S. 35, 39. Lessius, Liber Sec., Cap. 33, 5: „… Princeps pro Republica laboret, eam regendo, in pace conservando, et defendendo; Iustitia postulat ut vicissim Pespublica eum pro dignitate sustetet …“ 489 Hobbes, Leviathan, Kap. 30. 490 s. etwa Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 11 (Fn. 1). 491 Montesquieu, De l’Esprit des Lois, Buch XIII, Kap. 1: „Les revenus de l’Etat sont une portion que chaque citoyen donne de son bien pour avoir la sûreté de l’autre ou pour en jouir agréablement“. Ähnlich Say, Economie Politique, Tome II, S. 388 f. 492 Anklänge hieran auch bei Rousseau, Economie Politique, Tz. 3,21. 493 Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2 I (S. 423). 494 Seidl, StuW 1988, 93. 495 Lindahl, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 214 ff.; Mazzola, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 37 ff.; Sax, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 177, 186; Wicksell, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S.72, 87 ff.; vgl. auch Franke, S. 29; Slemrod/Bakija, S. 61; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 454. 488
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zahlung Leistungen ab496. Wer höhere Einkommen erziele, profitiere in höherem Maße vom Staat, insbesondere auch von staatlichen Kollektivgütern, und müsse daher auch einen höheren Teil seines Einkommens abgeben497. Wie bei der heutigen Gebühr wird die Steuer also als direkte Gegenleistung für staatliche Leistungen angesehen. Nach der Äquivalenztheorie im weiteren Sinne wird lediglich behauptet, dass zwischen dem Einkommen und dem Nutzen staatlicher Leistungen eine Korrelation bestehe. Die Wertschätzung für staatliche Leistungen sei bei Beziehern höherer Einkommen höher, sodass sie einen höheren Preis für diese Leistungen zu zahlen bereit seien498.
(b) Bewertung Die Äquivalenztheorie hat heute in beiden Ausprägungen jegliche Bedeutung bei der Rechtfertigung von Steuern verloren499. Die Argumente, die gegen beide Ausprägungen dieser Theorie sprechen, sind zahlreich und letztlich überzeugend. Zunächst spricht gegen die Äquivalenztheorie im engeren Sinne, dass Steuern nach der heute gültigen verfassungsrechtlichen Steuerdefinition, die in § 3 Abs. 1 AO ihren einfachgesetzlichen Niederschlag gefunden hat (s. § 2 C. I. 1. e), S. 38), gerade nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung sind, sondern vielmehr gerade ohne Gegenleistung geschuldet werden500. Hierin unterscheidet die Steuer sich von den Vorzugslasten Gebühr und Beitrag501. Denkbar wäre daher allenfalls, die Steuer nicht als Gegenleistung für eine bestimmte staatliche Leistung anzusehen, sondern als Gegenleistung für alle staatlichen Leistungen. Auch dieser Ansatz gerät indes in Konflikt mit der Steuerdefinition des § 3 Abs. 1 AO. Sodann ist auch die These, die Bereitstellung von Kollektivgütern im Gegenzug für die Steuerzahlung sei als Tauschgeschäft anzusehen, nicht haltbar502. Von einem Tausch unter Privaten unterscheidet sich die Steuererhebung dadurch, dass die Kollektivgüter grundsätzlich passiv bezogen werden können, also ohne hierauf gerichtete Anstrengung des Einzelnen. Darüber hinaus fehlt ___________ 496
Vgl. Vergossen, S. 7. s. Posner, Economic Analysis of Law, S. 511. 498 Vgl. Blum/Kalven, S. 35 ff. 499 So schon Vergossen, S. 8; a. A. aber teilweise das amerikanische Schrifttum: vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 13 ff. 500 Neumark, in: Wiss. Ges. Univ. FfM., Bd. 3, S. 33, 39. 501 Birk, Steurrecht I, § 4 Rn. 6. 502 Livingston, 4 Fla. Tax Rev. 731, 745 f. 497
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dem „Tausch“ jedes Moment der Freiwilligkeit, da der Einzelne nicht die Wahl hat, ob er an einem Kollektivgut teilhaben und dafür Steuern entrichten will503. Für viele staatliche Leistungen besteht darüber hinaus kein Markt, da sie monopolisiert sind504. Auch spricht hiergegen die Unteilbarkeit der meisten Kollektivgüter505. So lassen sich weder der Schutz im Innern noch die Verteidigung nach außen teilen und den einzelnen Steuerbürgern zuordnen. Sie kommen vielmehr allen oder doch bestimmten Steuerbürgern in gleicher Weise zugute, sodass Vorteile Einzelner nicht bezifferbar sind506. Hieraus folgt auch, dass vielfach die Präferenzen für die Inanspruchnahme öffentlicher Güter nicht angegeben oder gemessen werden können507, sodass sich Marktpreise von vornherein nicht bilden und sich die Steuern daher auch nicht genau berechnen lassen508. Darüber hinaus dürften Individuen auch starke Anreize haben, ihre eigenen Präferenzen bei der Bewertung staatlicher Leistungen verzerrt anzugeben, sobald sie wissen, dass aus ihren Angaben Schlüsse über die Höhe ihrer Steuerschuld gezogen werden sollen509. Schließlich wird das Entgeltmodell vor eine unlösbare Schwierigkeit gestellt, wenn es sozialpolitisch motivierte Steuernormen und Transferleistungen erklären soll. Die Empfänger dieser Leistungen profitieren hiervon in der Regel ohne (ausreichende) Gegenleistung; die durch die Einkommensumverteilung Belasteten erhalten für ihr Opfer keine spürbare Gegenleistung510. Denn nach der Äquivalenztheorie müssten diejenigen am stärksten belastet werden, die in der schwächsten Position und auf staatliche Hilfe angewiesen sind511. Bei strikter Anwendung des Äquivalenzprinzips wären steuerliche Entlastungen ebenso wenig zu begründen wie Transferleistungen für Geringverdiener512. Das letztgenannte Argument stellt auch die Äquivalenztheorie im weiteren Sinne vor unlösbare Schwierigkeiten. Auch sie taugt nicht zur Begründung von Steuern, die zur Finanzierung von Transferzahlungen erhoben werden. Da sich organisatorisch nicht differenzieren lässt zwischen Steuern, die den allgemeinen Staatsbedarf decken, und solchen, die Transferzahlungen finanzieren, stellt dies auch für die Äquivalenztheorie im weiteren Sinne ein Problem dar513. Al___________ 503
Schmidt, S. 8. Franke, S. 30. 505 Franke, S. 3; Schmidt, S. 5. 506 Schmidt, S. 5; auch schon Grabein, FinArch 13 (1896), 111 f. 507 Vgl. Franke, S. 3. 508 Slemrod/Bakija, S. 60 f.; vgl. auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 12. 509 Seidl, StuW 1988, 93; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139, 140 (Fn. 4). 510 Schmidt, S. 9 (Fn. 25). 511 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 454. 512 Ebenso Slemrod/Bakija, S. 61. 513 Ähnlich Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 13. 504
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
lenfalls ließe sich die Äquivalenztheorie mit der Aussage retten, dass staatliche Leistungen an Bedürftige jedem Bürger zu Gute kommen514, etwa dass öffentliche Schulen für gut ausgebildete Arbeitskräfte sorgen, die sich auch am politischen Prozess besser beteiligen können515, und dass staatliche Leistungen an Besserverdiener insgesamt höher ausfallen als staatliche Leistungen an Geringverdiener. Dies genügt allerdings noch immer nicht zur Begründung der progressiven Besteuerung, denn diese lässt sich nur dann herleiten, wenn die staatlichen Leitungen an Besserverdiener überproportional zunehmen516. Je nachdem, ob das Einkommen schneller steigt als der Wert der bezogenen staatlichen Leistungen oder nicht, lässt sich auf diese Weise ein progressiver, proportionaler oder regressiver Tarifverlauf begründen517. Die Grundannahme, dass staatliche Leistungen an Besserverdiener grundsätzlich höher ausfallen als staatliche Leistungen an Geringverdiener, darf indes bereits bezweifelt werden518. Es dürfte in jedem Fall schwierig sein, den Nutzen, den Steuerzahler aus der Gesamtheit der staatlichen Leistungen ziehen, zu quantifizieren. Aus den genannten Gründen kann daher weder die Äquivalenztheorie im engeren noch die Äquivalenztheorie im weiteren Sinne zur Begründung der progressiven Besteuerung herangezogen werden519.
(2) „Marktnutzung“ und Markteinkommenstheorie Obschon die Äquivalenztheorie ihre Bedeutung bei der Rechtfertigung progressiver Steuern an und für sich verloren hat, hat in neuerer Zeit Paul Kirchhof mit seiner Marktnutzentheorie versucht, die Progression mit einer Abwandlung der Äquivalenztheorie zu rechtfertigen520. Da das Einkommen neben persönlicher Leistung auch durch das rechtliche und strukturelle Umfeld des Steuerbürgers determiniert werde, das in wesentlichen Teilen von der Gesellschaft in Gestalt einer Rechts-, Wirtschafts- und Währungsordnung zur Verfügung ge___________ 514
Vgl. Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 770. Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 770. 516 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 14; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 770 f. 517 Ähnlich Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 15, die mit der Preiselastizität der Nachfrage nach öffentlichen Gütern argumentieren. 518 Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 166. 519 Seidl, StuW 1988, 93; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 771; ähnlich Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 454. 520 Kirchhof, in: HbStR IV, § 88 Rn. 179. 515
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stellt werde521, sei ein progressiver Einkommensteuertarif gerechtfertigt522. Denn derjenige, der ein höheres Einkommen erziele, beanspruche den „Markt“ in höherem Maße als derjenige, der ein niedrigeres Einkommen erziele. Dieser Gedankengang dürfte stark naturrechtlich beeinflusst sein523. Diese prima facie logisch anmutende Theorie leidet an einem gravierenden Mangel: Zunächst einmal müsste eindringlicher begründet werden, dass Steuerpflichtige mit höherem Einkommen den Markt tatsächlich in höherem Maße nutzen als Steuerpflichtige mit niedrigerem Einkommen. Noch schwerer wiegt allerdings, dass sich selbst in diesem Fall ein progressiver Einkommensteuertarif nur dann ergibt, wenn Besserverdiener den „Markt“ überproportional stärker nutzen als Geringverdiener. Hiervon scheint Kirchhof stillschweigend auszugehen. Eine Erklärung oder einen Nachweis für diese Grundvoraussetzung seiner These bleibt er dabei schuldig. Dabei erscheint keineswegs sicher, dass diese Voraussetzung zutrifft. So dürften etwa Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt in etwa gleich stark in Anspruch nehmen; trotzdem kommt es zu Einkommensunterschieden, die im Rahmen einer progressiven Einkommensteuer relevant werden. Aus diesem Grund lässt sich die Progression nicht mit erhöhter Inanspruchnahme des „Marktes“ durch Besserverdiener rechtfertigen524.
bb) Opfer- und Leistungsfähigkeitstheorien Für eine lange Zeit wurde die progressive Einkommensbesteuerung mit Opfer- und Leistungsfähigkeitstheorien begründet525. Die Leistungsfähigkeitstheorien gehen im Grundsatz davon aus, dass mit steigendem Einkommen eine steigende Leistungsfähigkeit verknüpft ist526. Diese Aussage ist jedoch ungenau; jedenfalls genügt sie noch nicht zur Begründung eines progressiven Einkommensteuertarifs. Denn steigende Leistungsfähigkeit bedeutet nur, dass die Steuerlast der Bezieher höherer Einkommen höher sein sollte als diejenige der Bezieher geringerer Einkommen. Dies ist jedoch auch bei einem proportionalen und sogar bei einem regressiven Tarif der Fall. Ein direkt progressiver Tarifverlauf lässt sich unter Verweis auf die gesteigerte Leistungsfähigkeit folglich nur ___________ 521
Kirchhof, DStR 2003, V/1, V/9; ders., Gutachten F zum 57. DJT, S. F5, F82. Ebenso Kriele, Rechtsphilosophie, S. 210. 523 Kriele, Rechtsphilosophie, S. 210. 524 Ebenso i. E. Siegel/Schneider, DStR 1994, 597, 599. 525 s. z. B. Brell, S. 103; v. Bockelberg, BB 1971, 925, 926; Weber-Grellet, BB 1996, 1415, 1418; dens., ZRP 2003, 279, 284. 526 Z. B. Nacke, in: Littmann/Bitz/Pust, § 32 a EStG Rn. 15; v. Bockelberg, BB 1971, 925, 926; Weber-Grellet, BB 1996, 1415, 1418; ders., ZRP 2003, 279, 284. 522
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
dann begründen, wenn man davon ausgeht, dass die Leistungsfähigkeit mit steigendem Einkommen überproportional zunimmt527. Dies wird im Allgemeinen unter Verweis auf die Theorie vom sinkenden Grenznutzen begründet528. Sie geht zurück auf Jean Jacques Rousseau und die auf seinen Aussagen aufbauenden Opfertheorien529. Opfertheorien und Leistungsfähigkeitstheorien sind daher im Wesentlichen deckungsgleich, auch wenn beide sich ursprünglich getrennt in Finanz- und Steuerrechtswissenschaft entwickelt haben.
(1) Grundaussage Die Grundaussage der Opfertheorien, dass dem Steuerpflichtigen mit der Besteuerung ein „Opfer“ auferlegt werde, hat eine lange Tradition530. So vertrat Rousseau bereits im Jahre 1755 die Auffassung, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für eine „proportionale“ Steuer müsse neben der rein mathematischen Größe des Vermögens auch die Frage, ob und inwieweit das Vorhandene der Deckung des Lebensnotwendigen diene oder „überflüssig“ sei, berücksichtigt werden531. Damit legte Rousseau den Grundstein für die später entwickelten Opfertheorien, denn aus dieser Forderung entwickelten sich sodann verschiedene Lehren, die die direkt progressive Einkommensbesteuerung mithilfe von opfertheoretischen Überlegungen zu rechtfertigen versuchten532. Als erster griff John Stuart Mill die Idee Rousseaus auf, indem er deutlich533 formulierte, dass Gleichheit der Besteuerung als politische Maxime gleichzusetzen sei mit Opfergleichheit534. ___________ 527
Vgl. Kirchhof, DStR 2003, V/1, V/9; Kristol, in: Income Redistribution, S. 35, 38 f. Dies übersieht etwa Weber-Grellet, ZRP 2003, 279, 284. 528 A. A. Walz, S. 89: Es komme auf eine „steuerjuristische Kategorie des subjektiven Opfers“ an, die danach differenziere, wie dringlich die Einkommensteile für die freiheitliche Entfaltung der Person und ein menschenwürdiges Dasein seien. Walz übersieht, dass er damit die Theorie vom abnehmenden Grenznutzen lediglich auf die wohlklingenden Begriffe der „freiheitlichen Entfaltung“ und des „menschenwürdigen Daseins“ übertragen hat. 529 Hierzu auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 801. 530 So Schmidt, S. 16 f. (Fn. 2). 531 Rousseau, Economie Politique, Tz. 3,20 u. v. a. 3,24 : „… [P]our répartir les taxes d’une manière équitable et vraiment proportionnelle, l’imposition n’en doit pas être faite seulement en raison des biens des contribuables, mais en raison composée de la différence de leurs conditions et du superflu de leurs biens“. 532 Vgl. Grabein, FinArch 13 (1896), 111, 131 ff. 533 Vgl. Dittmann, S. 48: Die Theorie der Opfergleichheit habe schon vor Mill bestanden, doch habe er diesen „klaren Begriff“ geprägt. 534 „Equal Sacrifice“: Mill, Principles of Political Economy, Buch V, Kap. II, Abs. 7: „Equality of taxation, therefore, as a maxim of politics, means equality of sacrifice“.
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Grundannahme aller Opfertheorien ist, dass die individuelle Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Einkommen nicht proportional, sondern überproportional ansteige535. Hieraus folge, dass zu einer gleichen Belastung im Sinne des Verzichts auf Bedürfnisbefriedigungspotenzial eine progressive Steuer erforderlich sei536. Zu einem relativ gleichen Verlust an Bedürfnisbefriedigungspotenzial führe daher nur ein Tarif, bei dem mit steigendem Einkommen ein zunehmender Anteil des Einkommens als Steuer abzuführen sei537, da mit steigendem Einkommen zunehmend weniger dringende Bedürfnisse befriedigt würden538.
(2) Lastengleichheit Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass jeder Bürger in gleicher Weise zu den Staatslasten beitragen soll. Wird die Gleichheit in absoluter Weise verstanden, so wäre Konsequenz dieser Auffassung die Forderung nach einer für alle Einwohner gleichen Kopfsteuer539. Diese wurden indes bereits vergleichsweise früh als ungerecht verworfen und sind politisch wahrscheinlich nur schwer durchsetzbar (s. § 2 C. I. 1. a), S. 32). Der absoluten Opfergleichheit wurden Überlegungen eines relativ gleichen Opfers540 sowie eines gleichen Grenzopfers541 gegenübergestellt542. Die Opfertheorien existieren somit in (mindestens) dreierlei Ausgestaltung543: gleiches absolutes Opfer, gleiches relatives Opfer und gleiches marginales Opfer544. Problematisch ist hierbei schon, dass sich die progressive Besteuerung aus kei___________ Hierzu auch Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 452; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 28; Richter, 20 J. Publ. Econ. 211. 535 Fisher/Fisher, Constructive Income Taxation, S. 101; vgl. auch Beiser, Steuern, S. 25 f.; Elicker, ÖStZ 2001, 166, 167. 536 Laule, S. 20 ff.; Neumark, Grundsätze, S. 177; Walz, S. 89 f.; Papier, Der Staat 1972, 483, 504. 537 Haller, Die Steuern, S. 15, 74 ff.; Neumark, Grundsätze, S. 135. Zusammenfassend Elicker, StuW 2000, 3, 11; ders., ÖStZ 2001, 166, 167. 538 Nacke, in: Littmann/Bitz/Pust, § 32 a EStG Rn. 4. 539 Vgl. BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 135; Musgrave/ Musgrave/Kullmer, S. 30; Franke, S. 37; Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 156; Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 188; Hinterberger/Müller/Petersen, FinArch 45, 45, 47. 540 Cohen Stuart, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 48, 52 f.; Meyer, S. 332 ff. 541 Zuerst Edgeworth, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 119 ff. 542 Hierzu Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 29; Ossenbühl, S. 87. 543 Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 766. 544 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 225 ff.
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ner dieser drei Theorien zweifelsfrei herleiten lässt. Darüber hinaus sind auch die Grundannahmen, von denen die Theorien ausgehen, letztlich nicht erfüllt.
(3) Das Problem der Begründung der Progression (a) Gleiches absolutes Opfer Die Theorie des gleichen absoluten Opfers legt eigentlich eine regressive Kopfsteuer nahe. Sie lässt sich aber auch dahin verstehen, dass jeder Steuerzahler nicht den gleichen Geldbetrag, sondern den gleichen Betrag an „Nutzen“545 opfern soll546. Unterstellt man, dass Steuerzahler mit höheren Einkommen aus dem letzten hinzuverdienten Euro weniger Nutzen gewinnen als Steuerzahler mit niedrigeren Einkommen, müssten folglich die Steuerzahler mit höheren Einkommen auch einen höheren Geldbetrag aufwenden, um dieselbe Summe an geopfertem „Nutzen“ zu erreichen547. Unterstellt man des Weiteren, dass Steuerzahler mit höheren Einkommen einen höheren Gesamtnutzen haben als Steuerzahler mit niedrigeren Einkommen, so ergibt sich zwangsläufig, dass Erstere relativ weniger Nutzen einbüßen als Letztere, da ja das absolute Nutzenopfer dasselbe ist. Allerdings lässt sich ein progressiver Tarif mit diesem Ansatz nicht zweifelsfrei begründen, da der Verlauf des Steuertarifs davon abhängt, wie schnell der Grenznutzen fällt. Dies lässt sich am besten anhand von drei Beispielen verdeutlichen. Angenommen, die totale Nutzeneinbuße für alle Steuerzahler solle 100 Nutzeneinheiten betragen, so ergeben sich folgende Möglichkeiten: Beispiel 1 ZvE548
Grenznutzen549
Kosten von 100 Nutzeneinheiten
Steuersatz
100
5
100:5 = 20
20:100 = 20 %
500
1,5
100:1,5 § 67
67:500 § 13,4 %
1000
1
100:1 = 100
100:1000 = 10 %
___________ 545 „Nutzen“ (engl. „utility“) wird hier im ökonomischen Sinne verstanden als die Befriedigung, die ein Individuum durch ein Wirtschaftsgut oder eine Dienstleistung erfährt. s. Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 452 (Fn. 4). 546 So erstmals Sax, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 177, 186 f.; vgl. auch Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 41; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 766. 547 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 30; vgl. auch Markus 12, 41–44; Lukas 21, 1–4. 548 ZvE = Zu versteuerndes Einkommen. 549 Grenznutzen = Nutzen der letzten hinzuverdienten Geldeinheit.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Beispiel 2 ZvE
Grenznutzen
Kosten von 100 Nutzeneinheiten
Steuersatz
100
100
100:100 = 1
1:100 = 1 %
500
10
100:10 = 10
10:500 = 2 %
1000
1
100:1 = 100
100:1000 = 10 %
Beispiel 3 ZvE
Grenznutzen
Kosten von 100 Nutzeneinheiten
Steuersatz
100
10
100:10 = 10
10:100 = 10 %
500
2
100:2 = 50
50:500 = 10 %
1000
1
100:1 = 100
100:1000 = 10 %
Während in Beispiel 2 der Steuersatz tatsächlich progressiv verläuft, verläuft er in Beispiel 3 proportional und in Beispiel 1 sogar regressiv. Dies hängt davon ab, wie schnell die Nutzenkurve bei steigendem Einkommen fällt. Aus der Theorie des gleichen absoluten Opfers lässt sich daher nur dann ein progressiver Steuertarif herleiten, wenn der Grenznutzen schneller abnimmt als das zu versteuernde Einkommen ansteigt550. In allen anderen Fällen ergibt sich ein proportionaler oder sogar regressiver Tarifverlauf. Der Ansatz des gleichen absoluten Opfers ist folglich unbrauchbar zur Begründung eines progressiven Tarifverlaufs.
(b) Gleiches relatives Opfer Nach der Theorie vom gleichen relativen Opfer soll jeder Steuerzahler einen gewissen, für alle gleichen Prozentsatz seines Gesamtnutzens abgeben551. Dies setzt zunächst voraus, dass der Gesamtnutzen, den ein Steuerzahler aus seinem Einkommen ableitet, messbar gemacht werden kann552. Wird dann unterstellt, dass der Nutzen jedes zusätzlichen hinzuverdienten Euros mit steigendem Einkommen abnimmt, so ergibt sich, dass Steuerzahler mit höheren Einkommen einen höheren Geldbetrag an Steuern zahlen müssen als Steuerzahler mit niedrigeren Einkommen, um denselben Anteil ihres Nutzens zu opfern. Bei dieser Theorie besteht das gleiche grundlegende Problem wie bei der Theorie des ___________ 550
Samuelson, Foundations of Economic Analysis, S. 227; vgl. auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 226. 551 Cohen Stuart, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 48, 52 f.; vgl. auch Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 766. 552 Skeptisch hierzu etwa Eaton, Essays in Taxation, S. 28.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
gleichen absoluten Opfers, nämlich dass sich sowohl ein progressiver als auch ein proportionaler und sogar regressiver Tarifverlauf rechtfertigen lässt, hier allerdings jeweils abhängig davon, ob der Grenznutzen schneller oder langsamer sinkt als der durchschnittliche Nutzen je Euro553. Dies lässt sich wiederum anhand eines Beispieles verdeutlichen, wobei davon ausgegangen werden soll, dass 10 % des Gesamtnutzens als Steuer abgeführt werden sollen. Beispiel ZvE
Grenznutzen
Gesamtnutzen
Steuerbetrag
Steuersatz
100
10
10·100 = 1000
100:10 = 10
10:100 = 10 %
200
2
1000 + 2·100 = 1200
120:2 = 60
60:200 = 30 %
300
1,9
1200 + 1,9·100 = 1390
139:1,9 § 73,2
73,2:300 § 24,4 %
Bei dem Schritt von einem zu versteuernden Einkommen von 100 zu 200 sinkt der Grenznutzen um den Faktor 5, der Durchschnittsnutzen aber nur um den Faktor 1 2/3. Demgegenüber fällt der Grenznutzen bei dem Schritt von 200 zu 300 nur um den Faktor 1,05, während der Durchschnittsnutzen um den Faktor 1,3 sinkt. Dies führt zu dem erst progressiven, dann aber regressiven Tarifverlauf. Daher lässt sich auch aus der Theorie des gleichen relativen Opfers nicht unzweifelhaft ein progressiver Tarifverlauf herleiten. Vielmehr sind die Tarifverläufe sowohl bei der Theorie des gleichen absoluten Opfers als auch bei der Theorie des gleichen relativen Opfers abhängig vom jeweiligen Verlauf der Nutzenkurve554.
(c) Gleiches marginales Opfer Anders als die Theorien des absolut und relativ gleichen Opfers ist die Theorie des gleichen Grenzopfers in ihrem Ansatz wohlfahrtsorientiert und geht letztlich auf den vor allem durch Jeremy Bentham geprägten Utilitarismus zurück555. Danach sollte bei der Besteuerung – wie bei jedem staatlichen Han___________ 553 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 30; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 768; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 227. 554 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 227; ausf. hierzu Hinterberger/Müller/ Petersen, FinArch 45, 45 ff.; s. auch Wala, RdW 2001, 245. 555 So bezieht sich Edgeworth in seinen Ausführungen ausdrücklich auf Bentham und den Utilitarismus. Edgeworth, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 119 ff. s. auch Seidl, StuW 1988, 93, 97 (Fn. 32).
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deln – das Ziel sein, den Nutzen der Gesellschaft zu maximieren. Der gesellschaftliche Gesamtnutzen wird verstanden als der addierte Nutzen der Individuen. Dies führt, wie zu zeigen sein wird, in Kombination mit der Annahme vom abnehmenden Grenznutzen des Einkommens, zu einer Angleichung aller Einkommen556: Nach der Theorie des gleichen marginalen Opfers soll für jeden Steuerzahler nach der Zahlung der Steuer die Zahlung jedes weiteren Euros dasselbe Opfer bedeuten557. Unterstellt man, dass die Nutzenkurven für alle Individuen annähernd gleich und abnehmend verlaufen, so bedeutet dies, dass das Einkommen, das allen Steuerzahlern nach Steuern verbleibt, gleich sein muss, damit auch das Grenzopfer bei allen Steuerzahlern gleich ist558. Dies wiederum läuft auf eine Konfiskation allen Einkommens oberhalb einer gewissen Einkommensschwelle hinaus559. Denn solange das Individuum A ein höheres Einkommen als B hat, kann der Staat durch Konfiskation von A und Transfer zu B den Nutzen des B in einem Maße steigern, das wegen des abnehmenden Grenznutzens höher ist als der Verlust für A560. Dies wäre dann zwar gleichbedeutend mit einem progressiven Steuertarif561, jedoch wäre dieses Modell aus anderen Gründen, insbesondere wegen der negativen Anreizwirkung, unpraktikabel. Mit einer freiheitlichen Gesellschaft wäre eine solche Einkommensteuer, die jedem Bürger nur den Teil seines Einkommens belässt, der für adäquat gehalten wird, ebenfalls nicht vereinbar562. Ebenso dürfte der Ansatz des Utilitarismus, den Menschen als bloßes Objekt des Staates – als „pleasure machine“563 – zu betrachten, mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sein.
(4) Das Problem des Vorliegens der Grundvoraussetzungen Neben den Schwierigkeiten, denen eine Begründung der progressiven Besteuerung mithilfe der Opfertheorien begegnet, sind auch die Grundannahmen der Opfertheorien zweifelhaft564. So lässt sich mit ihnen eine direkt progressive ___________ 556
Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 31. Edgeworth, in: Musgrave/Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 119, 134; Musgrave, Theory of Public Finance, S. 96; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 766. 558 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 228; Musgrave, Theory of Public Finance, S. 99; vgl. auch Holmes, S. 17. 559 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 228; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 766. 560 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 228. 561 s. aber Musgrave, Theory of Public Finance, S. 99; v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 315 f. 562 Deutlich Kirchhof, DStR 2003, V/1, V/9. 563 Zuerst wohl Jevons, 6 Mind 581. 564 Littmann, in: FS Neumark, S. 113, 117. 557
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Besteuerung nur unter mindestens drei Voraussetzungen begründen: Erstens muss zwischen Einkommenshöhe und individuellem Nutzen ein nachweisbarer und sinnvoller Zusammenhang bestehen, zweitens muss die individuelle Grenznutzenkurve des Einkommens sinken und drittens muss die Grenznutzenkurve bei allen Individuen (annähernd) gleich verlaufen565.
(a) Verhältnis zwischen Höhe des Einkommens und Höhe des Nutzens Wie im Detail das Verhältnis von Höhe des Einkommens und Größe des individuellen Nutzens beschaffen sein muss, damit die Opfertheorien zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen, ist unter Finanzwissenschaftlern umstritten. Nach der strengeren Auffassung muss es ein messbares Verhältnis für die Relation geben (sog. kardinale Nutzentheorie)566. Da Geld zwar in Einheiten messbar, der individuelle Nutzen („Lust und Unlust“567) jedoch nicht quantifizierbar sei, sei ein messbares Verhältnis zwischen Einkommenshöhe und Nutzengröße nicht bestimmbar568. Danach kämen die Opfertheorien schon aus diesem Grunde nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen. Nach der Gegenauffassung ist nicht erforderlich, dass das Verhältnis Einkommenshöhe – Nutzengröße in Einheiten quantifizierbar ist (sog. ordinale Nutzentheorie569). Vielmehr genügt eine beliebige, positive Entsprechung zwischen Höhe des Einkommens und der Größe der hierdurch ermöglichten Bedürfnisbefriedigung. Nach dieser Auffassung wäre zumindest möglich, bei einem höheren Einkommen auch einen höheren Nutzen festzustellen, wenn dieser auch nicht quantifizierbar sein mag. Nur unter Zugrundelegung der ordinalen Nutzentheorie lassen sich daher die Opfertheorien aufrechterhalten.
(b) Sinken der individuellen Grenznutzenkurve Die zweite Grundvoraussetzung zur Rechtfertigung der direkten Steuerprogression mithilfe der Opfertheorien ist die Annahme von der sinkenden Nutzenkurve des Einkommens. Danach nimmt der Nutzenzuwachs bei steigendem ___________ 565 Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 41 f. und S. 56; zust. Schmidt, S. 17. 566 Zur kardinalen Nutzentheorie Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs, S. 24 ff.; Jevons, Political Economy, S. 28 ff.; Walras, Economie Politique, S. 72 ff. 567 Schmidt, S. 17. 568 Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 63. 569 Zur ordinalen Nutzentheorie Pareto, Economie Politique, § 3 Tz. 28 ff.; s. auch Meyer, S. 313 ff.
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Einkommen je Geldeinheit stetig ab570. Diese Aussage ist zunächst einleuchtend, da auf den ersten Blick die Annahme überzeugt, dass der Nutzen einer zusätzlichen verdienten Geldeinheit desto geringer ausfällt, je höher das bereits verdiente Einkommen ist. Anders gewendet: Ein zusätzlicher verdienter Euro bringt demjenigen, der in einer Zeitperiode einhundert Euro verdient, mehr Nutzen als 1000,– € demjenigen, der in derselben Zeitperiode einhunderttausend Euro verdient. Obwohl dieses Postulat prima facie als durchaus plausibel erscheint und die meisten Menschen hieran zu glauben scheinen571, lassen sich bei näherem Hinsehen auch hiergegen gewichtige Einwände finden. So besteht in der Ökonomik weitgehend Einigkeit darüber, dass das Gesetz des sinkenden Grenznutzens in Bezug auf die meisten Güter gilt572. Hier wird diese Annahme jedoch auf das Einkommen im Ganzen ausgedehnt, das dem Einzelnen nicht nur den Zugriff auf ein bestimmtes Produkt erlaubt, sondern vielmehr, da in Geld bemessen, den potenziellen Zugriff auf alle gegenwärtigen und künftigen Güter; ob das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens aber auf das Einkommen als Ganzes ohne weiters übertragen werden kann, ist fraglich573, denn dem Einzelnen steht auch die Wahl offen zwischen sofortigem Konsum und Sparen574. Ferner muss die Annahme auch gleichermaßen für alle Einkommen gelten und nicht nur für besonders kleine oder große Einkommen575. Ob dies bei relativ kleinen Einkommensunterschieden aber tatsächlich der Fall ist, lässt sich empirisch letztlich nicht nachweisen und erscheint auch nicht mehr auf den ersten Blick einleuchtend. Denn innerhalb bestimmter Mengenbereiche ist auch ein konstanter oder sogar zunehmender Grenznutzen denkbar576. Das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (nach seinem Entdecker Hermann Heinrich Gossen577 auch 1. Gossen’sches Gesetz genannt578) ist nämlich nicht allgemein gültig, sondern gilt nur im Bereich sog. knapper Güter579. Daneben ist auch denkbar, dass zusätzlicher Verbrauch eines Gutes auch größeren Grenznutzen bringen kann oder dass der Grenznutzen gleich null oder sogar negativ ist580. ___________ 570 BT-Drs. 7/1470 v. 09.01.1974, S. 212; Schmidt, S. 18 (Fn. 10); v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, S. 302. 571 s. Musgrave, Theory of Public Finance, S. 104; Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 160. 572 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 452 f. 573 v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 309. 574 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 453. 575 Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 57; Schmidt, S. 19. 576 Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 49. 577 Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs, S. 4 f. 578 Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 35, 330. 579 Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 36 f. 580 Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 5.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Gerade in Bezug auf Geld wird die Gültigkeit des 1. Gossen’schen Gesetzes mittlerweile mit gewichtigen Argumenten angezweifelt581. Denn in Bezug auf Geld liegt die Situation anders als in Bezug auf andere knappe Güter: Geld kann theoretisch in alle vorhandenen Güter getauscht werden. Ein Steuerpflichtiger mit unendlich viel Geld könnte also nicht nur eine bestimmte Menge eines bestimmten Gutes erwerben, sondern beliebige Mengen aller Güter. Der Sättigungseffekt dürfte daher bei Geld erst sehr viel später eintreten als bei anderen Gütern. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Individuen bei einer Einkommenssteigerung dazu neigen, ihren Ausgabenstatus von Grund auf zu überdenken. Die Annahme, dass mit einer Einkommenssteigerung lediglich neue, weniger dringliche Ausgaben zu den unverändert fortbestehenden Ausgaben hinzutreten582, lässt sich daher nicht halten583. Vielmehr werden vielfach auch für die Grundversorgung teurere Produkte angeschafft, sodass die gesamte Zusammensetzung der Ausgaben sich ändert. Aus diesem Grund lässt sich die Annahme, mit dem zusätzlich verdienten Geld werden nur weniger dringliche Bedürfnisse befriedigt, in ihrer generellen Form nicht aufrechterhalten, was der Theorie des fallenden Grenznutzens den Boden entzieht.
(c) Gleicher Verlauf der Grenznutzenkurven für alle Individuen Schließlich erfordern die Opfertheorien grundsätzlich, dass interpersonelle Nutzenvergleiche angestellt werden können, um hierauf basierend für jeden Steuerzahler die geschuldete Steuer berechnen zu können584. Da interpersonelle Nutzenvergleiche aber unmöglich sind585, gehen die Opfertheorien vereinfachend davon aus, dass die Nutzenkurven des Einkommens bei allen Individuen (annähernd) gleich verlaufen. Ob diese vereinfachende Annahme tragfähig ist, darf zumindest bezweifelt werden, auch wenn die Aussagen hierüber auseinander gehen586. ___________ 581
Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 452 m. w. N. Meyer, S. 330. 583 Vgl. Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 59 f.; Schmidt, S. 20. 584 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 32; Richter, 20 J. Publ. Econ. 211, 215. 585 Deutlich Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 767: „… [I]nterpersonal comparisons of utility are a dead end“. Ebenso v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 309; Slemrod/ Bakija, S. 63; Musgrave/Thin, 56 J. Polit. Econ. 498, 513; vgl. auch Seidl, StuW 1988, 93, 98; Blum/Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 49 ff. 586 s. einerseits Elicker, StuW 2000, 3, 12; Musgrave/Thin, 56 J. Polit. Econ. 498, 513; Haller, Probleme der progressiven Besteuerung, S. 5 f.; Junge, S. 170; Hinterberger/Müller/Petersen, FinArch 45, 45, 66, 68: Eine objektiv ermittelbare, für al582
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Eine Grundschwierigkeit besteht jedenfalls schon darin, dass es keine Möglichkeit gibt, den Grad der Abnahme des Grenznutzens mit mathematischer Präzision zu ermitteln. Der Verlauf der Grenznutzenkurve des Einkommens lässt sich daher nicht ermitteln587; lediglich Mutmaßungen hierüber sind möglich.
(5) Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass bereits alle drei Grundvoraussetzungen, von denen die Opfertheorien ausgehen, wahrscheinlich nicht erfüllt sind. Ferner führen die Theorien des gleichen absoluten und des gleichen relativen Opfers nicht zwingend zu progressiven Tarifverläufen, während die Theorie des gleichen Grenzopfers aus anderen Gründen abzulehnen ist. Mithilfe der Opfertheorien und der Leistungsfähigkeitstheorie lässt sich aus den aufgezeigten Gründen die direkte Progression der Einkommensteuer daher nicht begründen588.
cc) Ausgleichstheorie Neben den Opfertheorien wird der direkt progressive Verlauf des Einkommensteuertarifs auch mit dem Hinweis auf die Ausgleichsfunktion der Einkommensteuer für die indirekten Steuern als gerechtfertigt angesehen, da den indirekten Steuern unterstellt wird, sie wirkten regressiv589. Dies soll vor allem ___________ le Steuerbürger annähernd gleiche Nutzenkurve existiert nicht. Vgl. dagegen Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 768: „… [T]he assumption that people have the same income-utility curve may be palatable, …“. In Wahrheit liegt hier natürlich bereits das Hauptproblem: Allen Menschen gleiche Nutzenfunktionen zu unterstellen ist fragwürdig, weil alle Menschen in ein bestimmtes, vorgegebenes Schema gepresst werden sollen. Dies stellt natürlich dann kein (großes) Problem dar, wenn die Gleichheit als sozialpolitisch erstrebenswertes Ziel aufgefasst wird. Okun, in: Income Redistribution, S. 13, 18 f. 587 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 453. 588 Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 13; Beiser, Steuern, S. 26; Posner, Economic Analysis of Law, S. 511; Lang, StuW 1990, 107, 113; Wala, RdW 2001, 245. Ebenso Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 769: „… [S]acrifice theory purely on its own terms does not provide a compelling case for progressive taxation“. s. auch v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 309: „… [T]he use of utility analysis in the theory of taxation was … a regrettable mistake … and the sooner we can rid ourselves of the confusion it has caused, the better.“ Ähnlich auch Eaton, Essays in Taxation, S. 28: „As a fundamental basis for guidance in the supremely practical matter of drawing up a graduated rate schedule for use in a free country, however, it [i. e. die Theorie des abnehmenden Grenznutzens, d. Verf.] is hopeless.“ 589 Bradford, Untangling the Income Tax, S. 139 ff.; Moebus, S. 71; Heiss, Archiv f. Soz. Gesetzgebung und Statistik 13, 580, 585 ff.; Neumark, Grundsätze, S. 173 ff.;
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
für die Umsatzsteuer gelten590. Da Geringverdiener üblicherweise einen höheren Anteil ihres Einkommens für den Konsum verwenden, werden sie vergleichsweise stärker mit der Umsatzsteuer belastet als Besserverdiener, die nur einen geringeren Anteil ihres Einkommens für den Konsum verwenden591. Hier soll die Einkommensteuer einen Ausgleich schaffen592. Auch dieser Ansatz zur Rechtfertigung der direkten Progression in der Einkommensbesteuerung ist nur auf den ersten Blick plausibel. So kann bereits die Grundannahme in Zweifel gezogen werden, da keineswegs immer die Konsumquote mit steigendem Einkommen abnimmt. Mag dies auch im Allgemeinen zutreffen, so sind die Anhänger dieser Sichtweise den Nachweis der Allgemeingültigkeit der These bisher schuldig geblieben. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob nur die Einkommensteuer zum Ausgleich für (angeblich) regressiv wirkende indirekte Steuern dienen soll, oder ob nicht vielmehr alle direkten Steuern zu diesem Ziel herangezogen werden müssten. Wäre es wirklich das Ziel des Gesetzgebers, mithilfe des direkt progressiven Einkommensteuertarifs die regressive Wirkung indirekter Steuern auszugleichen, so müsste er das gesamte System der direkten Steuern in diesem Sinne aufeinander abstimmen. Eine gesetzgeberische Planung, derzufolge die Gesamtsteuerbelastung der Steuerpflichtigen im Staate proportional sein soll, existiert demgegenüber nicht593. So finden sich in den Materialien zur Einkommensteuer an keiner Stelle Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber dieses Ziel jemals verfolgt hat594. Ob dem Gesetzgeber heute derartige Motive gleichsam „untergeschoben“ werden dürften, ist darüber hinaus zweifelhaft; hiergegen spricht die zwar in anderem Zusammenhang gemachte, insoweit aber eindeutige Aussage des ___________ Huber, Rechtsgleichheit und Progression, S. 161 f., 165; Fiscal Facts and Figures, 35 Tax Notes 805, 807; Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 9; wohl auch Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 78 (Fn. 456); Franke, S. 44 f.; vgl. auch P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 121 ff. mit guter Darstellung des Problemkreises; Grabein, FinArch 13 (1896), 111, 119; Kirchhof, DStR 2003, V/1, V/9; Burke, 70 Tax Notes 899, 902; Bank, 73 Denv. U. L. Rev. 329, 399; Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 92 m. w. N. 590 Franke, S. 45; Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 358. 591 Franke, S. 44 (Bsp. bei Anm. 5 auf S. 51 f.); Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money, S. 113 ff. 592 So explizit Farny/Gall, ÖStZ 1998, 510, 511. 593 Oder sie ist jedenfalls bisher nicht öffentlich bekannt gemacht worden. 594 Elicker, StuW 2000, 3, 12; vgl. z. B. BT-Drs. III/260 v. 07.03.1958, S. 36 ff., wo bei der Erläuterung der Tarifvorschriften des EStG 1958 mit keinem Wort die Belastung durch andere Steuern erwähnt wird.
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Bundesverfassungsgerichts, Förderungs- und Lenkungsziele müssten von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen sein595. Für eine proportionale Gesamtsteuerbelastung mögen durchaus gute Gründe sprechen, etwa das Prinzip der horizontalen Steuergerechtigkeit, zwingend ist dieser Ansatz indes kaum: Denn die besseren Gründe sprechen dafür, jede Steuer für sich zu betrachten, da es ohnehin keine Gesamtkonzeption im staatlichen System der Besteuerung gibt, und da jede Steuer zunächst für sich genommen folgerichtig ausgestaltet sein muss596. Daher wäre zur Erreichung dieses Zweckes zunächst die folgerichtige Ausgestaltung der indirekten Steuern das vorzugswürdige Mittel. Die Verwirklichung des Zieles durch die Gestaltung des Einkommensteuertarifs würde zudem eine ausführliche statistische Auswertung erfordern597, die bisher nicht erfolgt ist. Schließlich spricht entscheidend gegen die Begründung der direkten Progression bei der Einkommensteuer, dass nicht jeder Bürger, der der Umsatzsteuer unterliegt, zugleich auch Einkommensteuer zu zahlen hat. Sind die Einkünfte beispielsweise steuerfrei (§ 3 EStG) oder liegen sie unterhalb des Existenzminimums, so fällt keine Einkommensteuer an. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass (auch der lebensnotwendige) Konsum in diesem Fall der Umsatzsteuer unterliegt, weshalb die Einkommensteuer als Ausgleich ein von vornherein ungeeigneter Ansatzpunkt wäre. Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass die direkte Progression bei der Einkommensbesteuerung sich nicht mit Ausgleichserwägungen für regressiv wirkende indirekte Steuern begründen lässt.
dd) Sozialstaatsprinzip und Umverteilungsgedanken In den Vordergrund getreten sind vor allem im letzten Jahrhundert Begründungsversuche für die direkt progressive Einkommensbesteuerung, die auf dem Umverteilungsgedanken oder sozialstaatlichen Erwägungen basieren598. Hierbei ___________ 595
BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvL 31/91, BVerfGE 93, 121, 147 f.; BVerfG v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 296; BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 112 f. 596 Elicker, StuW 2000, 3, 13. So käme wohl niemand auf die Idee, den Zugriff der Einkommensteuer auf das Existenzminimum mit dem Hinweis zu rechtfertigen, es stünden ja Sozialhilfeleistungen zur Verfügung. 597 Schmidt, S. 148. 598 Vgl. etwa Kurt Falterhauser, „Komplexität und Intransparenz kaum mehr tragbar“, in: SZ v. 4./5.10.2003, S. 22: „Der linear-progressive Tarifverlauf war für mich immer das Spiegelbild unserer Sozialstaatlichkeit“. Haller, Die Steuern, S. 99 ff.; Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123; Siegel/Schneider, DStR
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
kann zwischen finanzwissenschaftlichen, philosophischen und rechtswissenschaftlichen Ansätzen unterschieden werden, die letztlich jedoch im Wesentlichen dieselben Aussagen treffen und daher hier zusammen behandelt werden sollen. Gemeinsam ist allen Ansätzen, dass sie häufig auf gesellschaftsvertraglichen Ansätzen beruhen. Als Urheber der sozialpolitischen Theorie gilt heute Adolf Wagner599, von dem die Aussage stammt, die Steuer sei „nicht nur Mittel zur Deckung des Finanzbedarfs, sondern zugleich ein solches Mittel dazu …, welches in die bei freier Concurrenz entstandene Einkommen- und Vermögensvertheilung corrigirend mit eingreift“600. Hieran knüpfte die Politik vor allem bei Einführung der Einkommensteuer an; so bezeichnete der damalige preußische Finanzminister Johannes von Miquel im Jahre 1890 den Gesetzesentwurf zur preußischen Einkommensteuer als „ein Werk ausgleichender Gerechtigkeit“601. Daher sollten eventuelle Mehrerträge aus der Einkommensteuer zur Entlastung der kleinen und mittleren Vermögen herangezogen werden602. Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes sind derartige Ziele mit dem Sozialstaatsprinzip begründet worden. Ziel und Inhalt der aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Theorien ist folglich, die Progressivbesteuerung einzusetzen, um die Einkommens- und Vermögensunterschiede zu verringern603. Die Ansatzpunkte sind dabei zwar unterschiedlich, letztlich werden jedoch gesellschaftsvertragliche Theorien herangezogen, um die Leitlinien der Ausgestaltung des Steuersystems zu markieren604. In neuerer Zeit sind in diesem Zusammenhang Umverteilungsideen vor allem gestützt worden auf die rechtsphilosophischen Vorstellungen von John Rawls605. Danach soll durch die progressive Einkommensbesteuerung die durch ___________ 1994, 597, 599; Siegel, zfbf 2000, 724, 737; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 97 ff.; ders., Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 83 (Fn. 225). 599 Wagner, Finanzwissenschaft, S. 372 ff.; hierzu Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 453; Franke, S. 40; Neumark, S. 73. 600 Wagner, Finanzwissenschaft, S. 383. Ähnlich Seligman, 9 Am. Econ. Ass’n Q., 563, 691 f. 601 Johannes v. Miquel, Rede vom 20.11.1890, in: Schultze/Thimme (Hrsg.), Johannes v. Miquels Reden, Bd. 3, S. 303, 329; hierzu auch Mann, Steuerpolitische Ideale, S. 311; Bayer, FR 1991, 333, 336. 602 Johannes v. Miquel, Rede vom 20.11.1890, in: Schultze/Thimme (Hrsg.), Johannes v. Miquels Reden, Bd. 3, S. 303, 310, 329. 603 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 113; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 78; Schmidt, S. 58 f. 604 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 229; Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 146. 605 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 229; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 13.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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den Markt hervorgebrachte Einkommens- und Vermögensverteilung in dem Sinne korrigiert werden, als die Ergebnisse des Marktes zum Teil als unbillig empfunden werden. Zum einen seien sie Ergebnis unvermeidbarer Marktunvollkommenheiten, die unangemessen hohe Gewinne zuließen606. Zum anderen seien die am Markt erzielten Einkommen nicht nur Ergebnis der individuellen Leistung, sondern auch von Bedingungen des Marktes, rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgaben und Zufälligkeiten607. Da die Bewertung der Leitungen durch den Markt „ungerecht“ sei, müsse durch den progressiven Tarif eine „Lohn- und Preisgerechtigkeit“608 geschaffen werden609.
(1) Gesellschaftsvertraglicher Begründungsansatz (Rawls) Dieser Begründungsansatz ist eng verbunden mit gesellschaftsvertraglichen Vorstellungen und wird heute vielfach auf die Philosophie von John Rawls gestützt610, die im Folgenden zunächst kurz skizziert werden soll. Rawls legt die Prinzipien, die der Entstehung eines politischen Systems zu Grunde liegen, durch Deduktion dar. Dabei steht der Prozess selbst im Vordergrund und nicht der Inhalt der Prinzipien. Ausgangspunkt für die Überlegungen ist die sog. „Ausgangssituation“ („original position“)611, in der die Bürger zusammenkommen, um die gesellschaftsleitenden Prinzipien durch Verhandlungen festzulegen. Die Bürger in dieser Situation repräsentieren alle Bevölkerungsschichten, wissen dabei aber nicht, welcher Schicht sie selbst angehören612. Daher befinden sie sich hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ („veil of ignorance“)613. Weil sie ihre eigene Position nicht kennen, werden die verhandelnden Bürger bei den Verhandlungen nicht durch ihr Eigeninteresse geleitet. Ihnen wird es vielmehr darum gehen, das Schicksal derer, denen es am schlechtesten geht, zu verbessern, da sie immer damit rechnen müssen, selbst dieser Bevölkerungsschicht an___________ 606
Vgl. Franke, S. 40. V. a. Kirchhof, in: HbStR IV, § 88 Rn. 78, 179; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 99; vgl. auch Elicker, StuW 2000, 3, 14. 608 Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 99. 609 s. auch Livingston, 4 Fla. Tax Rev. 731, 740: „Perhaps the best argument for progressive taxation, that it corrects for injustice in the pretax allocation of income, …“. 610 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 229; Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 13; ders., zfbf 2000, 724, 737; Byrne 37 Ariz. L. Rev. 739, 774; O’Kelley, 16 Ga. L. Rev. 1, 15 ff. 611 Rawls, S. 12; hierzu auch Okun, in: Income Redistribution, S. 13, 17 f. 612 Rawls, S. 12, 18 f. 613 Rawls, S. 12, 19. 607
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
zugehören614. Diese Aussage ist eine der Kernthesen der Rawls’schen Philosophie. Ausgehend von dieser Kernthese leitet er zwei Gerechtigkeitsprinzipien her, von denen er meint, dass sich auf sie alle Bürger verständigen würden. Erstens würden sie sich auf eine gleichmäßige Verteilung von Grundrechten und -freiheiten verständigen615, da es unvernünftig wäre für einzelne Bürger, einen größeren Anteil zu erwarten oder sich mit weniger als einer gleichmäßigen Verteilung zufrieden zu geben616. Man würde sich auf das „größtmögliche Minimum“ (daher „maximin“ Prinzip) einigen. Hierzu gehört auch, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten gleichmäßig verteilt sind; jeder Bürger müsste gleichen Zugang zu Ausbildung und Beruf haben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Ungleichheiten von vornherein ausgeschlossen sind. Um Ungleichheiten geht es vielmehr in Rawls’ zweitem Prinzip. Danach sind diese unter zwei Bedingungen zulässig, nämlich wenn erstens erwartet werden kann, dass sie sich zu jedermanns Vorteil auswirken werden, und sie sich zweitens aus Positionen und Ämtern ergeben die allen Bürgern offen stehen617. Denn die am schlechtesten gestellten Mitglieder der Gesellschaft würden eine gewisse ungleiche Verteilung hinnehmen, wenn hierdurch ihre eigene Position insgesamt verbessert würde gegenüber ihrer Situation bei einer gleichmäßigen Verteilung618. Dies nennt Rawls das „Differenzprinzip“ („difference principle“)619. Ausgehend von dieser Ordnung, auf die sich nach Rawls alle Bürger verständigt haben, kommt es sodann durch freiwilligen Austausch in einem freien Markt zu Veränderungen in der ursprünglichen Verteilung. Der freie und gleichmäßige Zugang zu Bildung und Ausbildung wird, da die Fähigkeiten und Begabungen der Einzelnen ungleich verteilt sind, ebenfalls auf lange Sicht zu einer Verschiebung der Einkommens- und Vermögensverteilung führen. Dies erkennt auch Rawls und begrüßt sogar die entstehende ungleiche Verteilung zu einem gewissen Grade. Zu große Ungleichheit, die durch Vererbung von Vermögen noch verstärkt werden kann, soll mit einer (progressiven) Erbschaftsteuer bekämpft werden620. Gestützt auf diese Überlegungen könnten darüber hinaus wiederkehrende Eingriffe in die bestehende Vermögensverteilung gerechtfertigt werden, um ein ___________ 614
Rawls, S. 18 f., 78 ff. Rawls, S. 60, 150. 616 Rawls, S. 150. 617 Rawls, S. 60. 618 Rawls, S. 75. 619 Rawls, S. 75 ff. 620 Rawls, S. 278. 615
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Existenzminimum für die am schlechtesten gestellten Teile der Gesellschaft zu garantieren. Insofern könnten Steuern auch umverteilende Wirkung haben und daher folgerichtig progressiv ausgestaltet sein. Insgesamt sind die Aussagen Rawls’ zum Steuersystem damit vage und teilweise widersprüchlich. Sie können nicht herangezogen werden, um die Ausgestaltung eines Steuersystems im Detail zu begründen. Allerdings rechtfertigt er mit seiner Philosophie den Eingriff des Steuersystems in die bestehende Einkommens- und Vermögensverteilung zu Umverteilungszwecken. Er zeigt damit, dass Steuern nicht nur der Einkünfteerzielung dienen müssen, und dass Umverteilung ein legitimes Ziel der Einkommensteuer sein kann621.
(2) Schwachpunkte des gesellschaftsvertraglichen Ansatzes Das Rawls’sche Gesellschaftsvertragsmodell und die hiermit zusammenhängenden, sozialstaatlich motivierten Umverteilungstheorien begegnen zur Erklärung und Rechtfertigung einer direkt proportionalen Besteuerung gleich aus mehreren Gründen Bedenken. Beachtenswert ist zunächst, dass Rawls selbst keineswegs ein direkt progressives Einkommensteuersystem befürwortet. Vielmehr favorisiert er eine proportionale Konsumsteuer mit der Begründung, diese behandle alle Bürger gleich622. Diese Position ist – zumindest auf den ersten Blick – überraschend623. Andererseits räumt Rawls ein, dass eine progressive Steuer notwendig sein könne, um die schädliche Anhäufung von Reichtum zu verhindern624. Die Frage der Ausgestaltung der Einkommensteuer will er allerdings ohnehin dem politischen Prozess überlassen, da es sich um eine politische Frage handle und nicht um eine Frage seiner Theorie von Gerechtigkeit625. Dies schwächt jede Gerechtigkeitsargumentation, die sich für ihre Vorstellung eines gerechten Steuersystems auf Rawls stützen will. Darüber hinaus lässt sich auch die Prämisse des Rawls’schen Modells in Zweifel ziehen: Das Differenzprinzip mit seinen Implikationen, dass hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ alle Menschen übereinkämen, den Schwächsten der Gesellschaft zu helfen, weil sie selbst nicht wissen, ob sie zu dieser Gruppe gehören, hat nur dann volle Gültigkeit, wenn unterstellt wird, die Menschen seien (zumindest mehrheitlich) vollkommen risikoavers626, wollten sich ___________ 621
Ebenso O’Kelley, 16 Ga. L. Rev. 1, 21. Rawls, S. 278. Hierzu auch Tipke, StuW 2002, 148, 150. 623 Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 184 ff.; Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991, 1993 f. 624 Rawls, S. 279. 625 Rawls, S. 279. 626 Homburg, WiSt 1997, 438, 440. 622
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also gegen den schlimmstmöglichen Fall absichern. Dieser Schluss mag sich empirisch in der Tat aus verschiedenen Phänomenen ergeben627, zwingend ist er indes nicht. Ebenso gut könnten die Menschen hinter dem „Schleier des Nichtwissens“ davon ausgehen, dass sie zu den Bessergestellten gehören, und daher versuchen, sich diesen Status möglichst zu erhalten628. Wären sie risikoneutral, so bevorzugten sie eine freie Marktwirtschaft im Sinne des Ultraliberalismus ohne jegliche Umverteilung von Einkommen oder Vermögen629. Beide Positionen, sowohl die Rawls’sche als auch die ultraliberale, sind somit zwei Extrempositionen, da weder davon ausgegangen werden kann, dass die Menschen vollkommen risikoavers sind, noch davon, dass sie risikoneutral sind. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die Menschen begrenzt risikoavers sind630. Folglich liegt auch das optimale Steuer- und Transfersystem zwischen diesen beiden Extrempunkten631, was aber die Rawls’sche These und das Differenzprinzip widerlegt. Gegen die Übertragung auf das steuerpolitische Tagesgeschäft spricht darüber hinaus, dass die meisten Menschen sich, wenn es um die Beurteilung der Auswirkungen von Entscheidungen des Steuergesetzgebers geht, gerade nicht hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ befinden, sondern zumeist sehr genau einschätzen können, welche Änderungen des Steuerrechts für sie vorteilhaft wären632. Dies gilt in einer Demokratie jedenfalls für diejenigen, in deren Händen die Entscheidung über die Ausgestaltung des Steuersystems treffen; denn die Entscheidung wird eben nicht in einer fiktiven verfassungsgebenden Versammlung getroffen, sondern in den dafür vorgesehenen Gremien, deren Mitglieder sich nicht hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ befinden633. Darüber hinaus sind auch Umverteilung und Marktkorrektur als Ziele der Einkommensteuer heftig kritisiert worden. Die Schaffung einer „gerechten“ Einkommens- und Vermögenszuteilung mithilfe der Einkommensteuer stelle bereits ein sehr problematisches Ziel dar. Für den „gerechten“ Lohn bestünden außer dem am Markt gebildeten Preis keine Anhaltspunkte. Woran, wenn nicht ___________ 627 Etwa werden nur wenige Personen bereit sein, ihr Einkommen „doppelt oder nichts“ auf den Wurf einer Münze zu wetten: Das Risiko, mit nichts dazustehen, wird als größer empfunden als die Aussicht des doppelten Einkommens. 628 Zu verschiedenen denkbaren Szenarien vgl. Okun, in: Income Redistriubution, S. 13, 17 f.; O’Kelley, 16 Ga. L. Rev. 1, 20. 629 Homburg, WiSt 1997, 438, 439 f. 630 Homburg, WiSt 1997, 438, 440. 631 Ähnlich Okun, in: Income Redistribution, S. 13, 18. 632 Hierauf weist Epstein, Private Property, S. 299, zu Recht hin; ähnlich Bareis, StuW 2002, 135, 136; vgl. auch Brennan/Buchanan, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 51, 58 f. 633 Homburg, WiSt 1997, 438, 441; Tobin, in: Income Redistribution, S. 127.
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an Angebot und Nachfrage, solle sich der „gerechte“ Lohn für eine Tätigkeit orientieren? Eine nachträgliche Umverteilung größeren Ausmaßes entspreche darüber hinaus nicht dem marktwirtschaftlichen System634. Dies ist eine grundsätzlich berechtigte Kritik, und Rawls’ Haltung zum freien Markt und damit zur Marktwirtschaft ist in der Tat problematisch, da er einerseits das marktwirtschaftliche System ausdrücklich anerkennt, andererseits aber ein soziales Existenzminimum für alle garantieren will, von dem er ausdrücklich klarstellt, dass der Markt dieses nicht garantieren könne635.
(3) Gesellschaftsvertragliche Gegenentwürfe (Nozick) Die Gegner des Umverteilungsgedankens können sich außerdem auf die Gerechtigkeitsphilosophie von Robert Nozick berufen, die derjenigen von Rawls gegenübersteht und ebenfalls kurz skizziert werden soll. Nozicks Ausgangspunkt ist der von ihm sog. „Naturzustand“ („state of nature“), in dem es keinen Staat gibt636. Aus diesem Zustand entstünde ein sehr begrenzter Staat, da Bürger Organisationen zu ihrem eigenen Schutz bildeten637. In Bezug auf die Güterverteilung geht Nozick anders vor als Rawls. Er geht davon aus, dass es durch Aneignungen zu einer bestimmten, nicht notwendigerweise gleichmäßigen bestehenden Verteilung kommt. Ausgehend von dieser Ansicht entwickelt er drei Aussagen, die seine Gerechtigkeitsphilosophie kennzeichnen638: (1) Eine Person, die einen Gegenstand im Einklang mit dem Prinzip der Erwerbsgerechtigkeit erwirbt, hat ein Recht auf diesen Gegenstand. (2) Eine Person, die einen Gegenstand gemäß dem Prinzip der Übertragungsgerechtigkeit erwirbt von jemandem, der ein Recht auf diesen Gegenstand hat, erwirbt ebenfalls ein Recht auf diesen Gegenstand. (3) Außerhalb dieser Prinzipien kann niemand ein Recht auf einen Gegenstand erwerben. Nur solche Besitzpositionen, die aus der Anwendung dieser beiden Prinzipien folgen, sind gerecht. Wenn alle Besitzpositionen gerecht sind, ist die gesamte Verteilung der Besitzpositionen gerecht639. Ausnahmsweise ist auch eine Korrektur zu Unrecht erworbener Rechtspositionen zulässig, nämlich grundsätzlich wenn der Erwerb eines der beiden erstgenannten Prinzipien verletzt640. ___________ 634
Kirchhof, Gutachten F zum 57. DJT, S. F22; v. Hayek, Schweizer Monatshefte 32, 508, 513; Elicker, StuW 2000, 3, 15. 635 Rawls, S. 275. 636 Nozick, S. 3 und passim. 637 Nozick, S. 12 ff. 638 Nozick, S. 151. 639 Nozick, S. 151. 640 Nozick, S. 152.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Allerdings nennt Nozick diesbezüglich keine Details, und das Prinzip des Ausgleichs bleibt sehr vage. Insgesamt steht Nozick in der Tradition John Lockes641. Ein weiterer Schwachpunkt in Nozicks Argumentation ist, dass er weder das Prinzip der Erwerbsgerechtigkeit noch das Prinzip der Übertragungsgerechtigkeit näher konkretisiert642. Lediglich auf das Locke’sche Prinzip der Erwerbsgerechtigkeit geht Nozick ein643. Nozick unterscheidet grundlegend zwischen „historischen“ Prinzipien und „Endergebnisprinzipien“644. Seine eigene Philosophie ist historisch, da es für die Beurteilung der Gerechtigkeit einer bestehenden Verteilung nur darauf ankommt, wie es historisch zu dieser Verteilung gekommen ist645. Im Gegensatz dazu betrachten andere Theorien (Rawls) eine bestehende Verteilung auch inhaltlich und beurteilen ihre Gerechtigkeit danach, wie Güter verteilt sind646. Nozicks Philosophie bietet damit, zumindest auf den ersten Blick, den Vorteil, dass sie rein prozedural angelegt ist und gerade keine materielle Gerechtigkeitsvorstellung verlangt. Eine über die historische Entwicklung hinausgehende, austeilende Gerechtigkeit gibt es nach seinen Vorstellungen nicht. Ungleiche Verteilung und Akkumulation von Reichtum nimmt er damit bewusst in Kauf. Darüber hinaus lehnt er grundsätzlich auch jede moralische Rechtfertigung für mehr als einen Minimalstaat ab647. Umverteilung soll nur zulässig sein, um frühere Ungerechtigkeiten bei der Aneignung oder Übertragung von Positionen auszugleichen648. Auch die Idee eines sozialen Existenzminimums lehnt Nozick ab. Alle Argumente für die Bereitstellung eines solchen Existenzminimums übersehen nach Nozick das Problem, dass die Mittel, mit denen das Existenzminimum bereitgestellt wird, bereits jemand anderem gehören, der eine gesicherte Rechtsposition inne hat649. Dies lässt sich auch mithilfe der Theorie vom Gesellschaftsvertrag untermauern, wenn nämlich der Ausdruck in seinem wörtlichen Sinn in erster Linie ___________ 641
Dazu Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2348. Vgl. Nozick, S. 153: „To turn these general outlines into a specific theory we would have to specify the details of the three principles of justice in holdings: the principle of acquisition of holdings, the principle of transfer of holdings, and the principle of rectification of violations of the first two principles. I shall not attempt that task here“. 643 Nozick, S. 174 ff. 644 Nozick, S. 153 ff. 645 Nozick, S. 153. 646 Vgl. Nozick, S. 153 ff. 647 Nozick, S. 230 f. 648 Nozick, S. 153 und 231. 649 Nozick, S. 169 ff. 642
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als Vertrag verstanden wird. Geht man davon aus, dass grundsätzlich der Austausch den Kern jeden Vertrages bildet, so wird man festhalten müssen, dass Parteien einen Vertrag nur dann freiwillig schließen werden, wenn sie dasjenige, was sie durch den Vertrag erhalten, für wertvoller halten als dasjenige, auf das sie verzichten650. Übertragen auf die Theorie vom Gesellschaftsvertrag muss dies heißen, dass dasjenige, was die Menschen hierdurch erhalten, für sie wertvoller sein muss als dasjenige, auf das sie zu Gunsten der Allgemeinheit verzichten müssen651. Der Staat darf also nur dann auf Privateigentum zugreifen, wenn er hierfür auch eine Gegenleistung von entsprechendem Wert erbringt652. Wenig verwunderlich ist daher, dass Nozick auch eine progressive Besteuerung ablehnt. Er lehnt sogar fast jede Art der Besteuerung ab; die Besteuerung von Arbeitseinkommen sei gleichbedeutend oder zumindest vergleichbar mit Zwangsarbeit, da es keinen Unterschied mache, ob der Staat seine Bürger zwinge, eine bestimmte Arbeit für ihn zu verrichten, oder ob der Staat seine Bürger zwinge, Mehrarbeit nach ihrer Wahl zu leisten, um ihre Steuerschuld begleichen zu können653. Nach Nozick wäre Umverteilung nur in sehr engen Grenzen möglich, nämlich um vergangene Ungerechtigkeit zu korrigieren. Unterschiedliche Eigentums- und Vermögensverteilung nimmt er hingegen bewusst in Kauf, und es ist nicht Aufgabe des Staates, hiergegen einzugreifen. Nozicks Auffassung lässt sich freilich zunächst in technischer Hinsicht entgegenhalten, dass er nur den zu Mehrarbeit führenden Einkommenseffekt der Einkommensteuer, beachtet, den gegenläufigen Substitutionseffekt aber vernachlässigt (s. S. 117 ff.). Seine Kernthese aber, dass eine bestimmte gegebene Vermögensverteilung als „gerecht“ angesehen werden müsse, von der ausgehend alle Änderungen in dieser Verteilung nachvollzogen und auf ihre Kompatibilität mit den beiden Prinzipien der Gerechtigkeit überprüft werden müssen, hat den Vorteil, dass sie einfach zu handhaben ist, da zunächst keine materiellen Vorstellungen über Gerechtigkeit erforderlich sind. Indes bleibt Nozick die Antwort schuldig, wie die Ursprungsverteilung erreicht werden soll. Genügt jede Verteilung, oder setzt sich zu Anfang der Stärkere gegen den Schwächeren durch? Und auch Nozicks zwei Gerechtigkeitsprinzipien überzeugen nur auf den ersten Blick, da sie eben nur auf die Form von Eigentumsübertragungen und nicht auf den Inhalt achten. Dies setzt jedoch voraus, dass bei Transaktionen die Beteiligten in vergleichbaren Verhandlungspositionen sind, um sicher___________ 650
Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 146. Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 146 f. 652 Epstein, 19 Soc. Phil. & Pol’y 140, 147. 653 Nozick, S. 169. Nozick selbst ist sich allerdings nicht sicher, ob Einkommensbesteuerung mit Zwangsarbeit gleichzusetzen ist, oder ob es zwischen beiden nur große Gemeinsamkeiten gibt. s. Nozick, S. 169 (Anm. *). 651
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
zustellen, dass das Ergebnis auf dem freien Willen der Beteiligten basiert. Gerade wenn die Anfangsverteilung der Güter jedoch willkürlich und ungleichmäßig ist, ist dies nicht gewährleistet. Dies wiederum macht doch wieder auch eine inhaltliche Kontrolle von Transaktionen erforderlich, und die Einfachheit des Ansatzes von Nozick schwindet.
(4) Grundlegende Einwände Ob man eher der Philosophie Rawls’ oder derjenigen Nozicks folgen möchte, ist letztlich Überzeugungsfrage. Keine von beiden ist offensichtlich „richtig“ oder „falsch“. Unabhängig davon sprechen gegen die Begründung eines direkt progressiven Einkommensteuertarifs mit Umverteilungsgesichtspunkten aber zwei grundlegende Bedenken. Zum einen ist die hier an den Ideen von Rawls und Nozick dargestellte Kontroverse um die Zulässigkeit von Umverteilung als Ziel der Einkommensbesteuerung von der Frage nach der Progression des Einkommensteuertarifs als Mittel der Umverteilung zu trennen, denn Umverteilung mithilfe der Einkommensteuer ist auch möglich ohne einen direkt progressiven Tarif. Zum zweiten und noch grundlegender ist der Ansatz in Frage zu stellen, bei dem Versuch der Begründung von Umverteilung nur auf einen Vergleich einer Welt mit und ohne Steuern abzustellen und alle übrigen Staatsfunktionen außer Acht zu lassen.
(a) Umverteilung als Ergebnis von Einnahmen und Ausgaben Zunächst begegnen alle Versuche, die Einkommensteuerprogression mit Umverteilungsgedanken zu rechtfertigen, der grundlegenden Schwierigkeit, den Begriff „Umverteilung“ zu definieren. In diesem Zusammenhang kommen mehrere Definitionen in Betracht. So lässt sich unter Vernachlässigung der staatlichen Ausgaben Umverteilung zunächst definieren dadurch, dass die nachsteuerlichen Einkommensabstände relativ kleiner sind als die vorsteuerlichen654. Danach bewirkte jeder progressive Tarif eine Umverteilung, während ein proportionaler Tarif umverteilungsneutral wäre655. Der Nachteil dieser Definition ist, dass sie nichts darüber auszusagen vermag, ob Unterschiede im Vermögen beeinflusst werden. Und gerade diejenigen, die mangels Einkommens keine Einkommensteuer zu zahlen haben, blieben bei der Betrachtung unberücksichtigt. ___________ 654 Haller, Die Steuern, S. 99; Zimmermann/Henke, Finanzwissenschaft, S. 118; Pfähler/Lambert, FinArch 49, 281, 296 f. 655 Pfähler/Lambert, FinArch 49, 281, 296 f.
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Und diese Definition von Umverteilung vernachlässigt auch den folgenden Aspekt: Für die Beurteilung der Frage, inwieweit ein Steuersystem umverteilend wirkt, kommt es entscheidend darauf an, wie die eingenommenen Mittel verwendet werden656. Nach der ökonomischen Definition des Begriffs liegt Umverteilung vor, wenn zwischen den Zahlungen eines Steuerpflichtigen an den Staat und den empfangenen Leistungen keine Kongruenz herrscht657. Hieran wird deutlich, dass ohne Betrachtung der Ausgabenseite nichts über die Frage der Umverteilung ausgesagt werden kann658. Ohne nähere Angaben zur Ausgabenseite ist eine sinnvolle Einschätzung des angestrebten Grades von Umverteilung folglich nicht möglich; die Rechtfertigungsansätze, die die direkte Progression mit Umverteilungsgedanken zu begründen versuchen, scheitern in der Regel, weil sie genau dies nicht beachten. Allerdings begegnet auch diese Definition Bedenken: So lässt sich die Menge aller staatlichen Leistungen, die ein Individuum empfängt, in der Regel nicht bewerten (s. § 5 D. I. 2. b) aa) (1), S. 152 ff.). Folglich ist auch diese Definition für eine mathematisch genaue Berechnung eines Maßes von Umverteilung nicht brauchbar. Immerhin kann sie aber herangezogen werden um zu zeigen, dass es für das Vorliegen von Umverteilung auf das Zusammenspiel von Einnahmen und Ausgaben ankommen muss. Die von Jachmann versuchte abweichende Definition von Umverteilung als „sozial motivierte Abweichung von der Regelbesteuerung“, die bereits dann vorliegen soll, wenn ein Mitglied der Gesellschaft eine höhere Steuerlast trage, damit ein anderes entlastet werde659, und die folglich keine Betrachtung der Ausgabenseite erfordert, ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Erstens gibt es keine „Regelbesteuerung“, von der abgewichen werden könnte. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip lässt sich gerade keine Vermutung für eine bestimmte Verteilung der Steuerlasten, keine „gleichmäßige Besteuerung“ entnehmen660. Es gibt keine aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abzuleitende Vermutung für einen bestimmten Steuertarif661. Zweitens versagt die Definition selbst dann, wenn man eine „Regelverteilung“ bejahen wollte, dort, wo ein etwa völlig einkommens- und mittelloser Bürger wegen mangelnder Leistungsfähigkeit ohnehin keine Steuerlast zu tragen hätte. Dann kann ein anderer Bürger auch keine höhere Steuerlast tragen, um diesen zu entlasten. Nach der Definiti___________ 656
Ebenso Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 998. Jachmann, StuW 1998, 293, 294. 658 Vgl. auch Murphy/Nagel, S. 25, 132 ff.; Siegel/Schneider, DStR 1994, 597, 601 f. 659 Jachmann, StuW 1998, 293, 294. 660 So aber Jachmann, StuW 1998, 293, 294. 661 Allenfalls ließe sich das Verbot einer Kopfsteuer oder eines regressiven Tarifs mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip begründen, wobei Letzteres schon zweifelhaft ist: s. Simons, S. 17. 657
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
on Jachmanns läge folglich keine Umverteilung vor; die Notwendigkeit von Umverteilung dürfte aber doch gerade in dieser Situation besonders groß sein. Auch wenn eine mathematische Berechnung des Maßes an Umverteilung unmöglich sein dürfte, so wird doch deutlich, dass Umverteilung sich nur feststellen lässt, wenn die staatlichen Einnahmen und Ausgaben zusammen betrachtet werden; auf das durch das Zusammenspiel von staatlichen Einnahmen und Leistungen erzielte Ergebnis kommt es an662, was vielfach in der steuerpolitischen Diskussion übersehen wird663. Gegen diese Sichtweise lässt sich auch nicht das haushaltsrechtliche Prinzip der Trennung von Einnahmen- und Ausgabenseite664 heranziehen. Ferner lässt sich auch nicht einwenden, das Leistungsfähigkeitsprinzip betrachte das Steueraufkommen gerade losgelöst von der Verwendung und unterstelle ein Steueraufkommen in bestimmter Höhe665. Zum einen handelt es sich hierbei lediglich um ein haushaltsrechtliches Prinzip, das nichts über die ökonomische Frage der Umverteilungswirkung eines Steuersystems aussagt. Zum zweiten taugt das Leistungsfähigkeitsprinzip als Begründung für einen direkt progressiven Einkommensteuertarif ohnehin nicht (s. § 5 D. I. 2. b) bb), S. 157 ff.). Will man diesen mithilfe des Umverteilungsgedankens rechtfertigen, so wäre es widersinnig, die staatliche Ausgabenseite nicht zu berücksichtigen. Nun ist festzustellen, dass das geltende Recht bereits eine Vielzahl von Regelungen außerhalb des Einkommensteuerrechts enthält, die Geringverdiener entlasten. Zahlreiche gesetzliche Zahlungspflichten sehen Ausnahmetatbestände für Unbemittelte vor: So gibt es – neben zahlreichen für kommunale Einrichtungen aufgrund Satzungsrechts geltenden pauschalierten Ermäßigungen („Kinder-“, „Studenten-“, „Seniorenrabatt“) – einen – verfassungsrechtlich verbürgten666 – Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) und die Möglichkeit der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (§ 6 ___________ 662
Ebenso Murphy/Nagel, S. 132 ff.; Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991, 1997; wohl auch Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 183 f. Vgl. auch schon Wicksell, in: Musgrave/ Peacock, Classics in the Theory of Public Finance, S. 72, 87 f., der den Zusammenhang von Einnahmen und Ausgaben zwar sieht, aber die Einnahmenerzielung mit nutzentheoretischen Erwägungen zu rechtfertigen versucht. 663 s. etwa Bericht der Meade-Kommission, S. 12. 664 Hierzu Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 31 ff.; dies., StuW 1998, 293, 294. 665 So Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 19. 666 BVerfG v. 22.01.1959, 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124, 130 f.; BVerfG v. 14.01.1960, 1 BvL 17/59, BVerfGE 10, 264, 270; BVerfG v. 06.06.1967, 1 BvR 282/65, BVerfGE 22, 83, 86; BVerfG v. 03.07.1973, 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348, 354 f.; BVerfG v. 13.06.1979, 1 BvL 97/78, BVerfGE 51, 295, 302; BVerfG v. 1 BvR 650/80, BVerfGE 56, 139, 143; BVerfG v. 12.04.1983, 2 BvR 1304/80 und 432/81, BVerfGE 63, 380, 393 f.; BVerfG v. 26.04.1988, 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104, 117 f.; zustimmend Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 20 Rn. 35.
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Rundfunkgebührenstaatsvertrag667). Daneben stehen Geringverdienern staatliche Transferleistungen zur Verfügung, etwa Wohngeld (§§ 1 ff. WoGG), Ausbildungsförderung nach dem BAFöG, die zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als – zinsloses – Darlehen gewährt wird (§ 17 Abs. 2 BAFöG), die Grundsicherung für Arbeitssuchende (§§ 7 ff. SGB II) oder die Sozialhilfe (§§ 41 ff. SGB XII). Darüber hinaus ist auch festzustellen, dass eine direkt progressive Struktur von Abgaben nicht erforderlich ist, um Umverteilungsziele zu verfolgen. Als prominentes Gegenbeispiel lässt sich die gesetzliche Krankenversicherung heranziehen, deren Beitragsstruktur regressiv ist, der insgesamt aber dennoch eine umverteilende Wirkung nachgesagt wird668. Die Beitragsstruktur ist wegen der geltenden Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 7 SGB V) indirekt regressiv (dazu oben, § 3 D. II. 1., S. 59), denn die Durchschnittsbelastung sinkt bei Überschreiten der Grenzen mit steigendem Einkommen. Die Leistungen, die durch die Versicherung erbracht werden, gestalten das Gesamtsystem dennoch dergestalt um, dass von Umverteilung gesprochen werden kann. Alle Versicherten können grundsätzlich dieselben Leistungen in Anspruch nehmen; unterstellt man, dass diese auch für alle Versicherten denselben Wert haben, liegt Umverteilung vor, da Besserverdiener einen höheren Beitrag zahlen als Geringverdiener. Zudem bewirkt auch das Institut der Familienversicherung Umverteilung669, denn die nach § 10 SGB V familienversicherten Personen verfügen in der Regel über kein oder nur ein geringes Arbeits- oder sonstiges Einkommen. Der Befund, dass die gesetzliche Krankenversicherung umverteilend wirkt, ist daher allgemein anerkannt670. Gleiches dürfte auch für die gesetzliche Pflegeversicherung gelten671. Für die gesetzliche Rentenversicherung ist dies allerdings umstritten; nach einer neueren Studie soll aufgrund unterschiedlicher Lebenserwartungen hier eine Umverteilung von „arm“ nach „reich“ stattfinden672. ___________ 667 Rundfunkgebührenstaatsvertrag v. 31.08.1991 i. d. F. v. 01.04.2005 (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag), GVBl. NW 2005 S. 192. 668 F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 262; Lauterbach/ Lüngen/Stollwerk/Gerber/Klever-Deichert, Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft 1/2006, S. 4. 669 F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 262. 670 Vgl. BVerfG v. 08.12.1982, 2 BvL 12/79, BVerGE 62, 354, 36 („Solidargemeinschaft“); BVerfG v. 08.04.1987, 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83 und 142/84, BVerfGE 75, 108, 146 („Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“). 671 Lauterbach/Lüngen/Stollwerk/Gerber/Klever-Deichert, Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft 1/2006, S. 4. 672 Lauterbach/Lüngen/Stollwerk/Gerber/Klever-Deichert, Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft 1/2006, S. 7 ff.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Selbstverständlich sind Sozialversicherungsbeiträge mit Steuern nicht gleichzusetzen673. Doch ist dies auch für den Demonstrationszweck nicht erforderlich. Denn die gesetzliche Krankenversicherung zeigt, dass es möglich ist, ein System, das der sozialen Fürsorge dient674 und umverteilend wirkt, auch mit regressiver Beitragsstruktur umzusetzen. Hieraus folgt, dass zur Erreichung des Umverteilungsziels eine progressive Abgabenstruktur nicht erforderlich ist. Hieraus lässt sich schließen, dass eine direkt progressive Einkommensteuer nicht notwendige Bedingung für ein umverteilendes Steuer- und Sozialsystem im Sinne der obigen Definition ist: Umverteilung kann auch durch eine indirekt progressive oder sogar durch eine regressive Einkommensteuer finanziert werden, wenn nur genügend Transferleistungen an die unteren Einkommensklassen erbracht werden675. Umgekehrt garantiert eine direkt progressive Einkommensteuer auch keine Umverteilung, wenn die oberen Einkommensklassen von den mit ihrer Hilfe finanzierten staatlichen Leistungen in höherem Maße profitieren als die unteren. Schon wegen des notwendigen Zusammenspiels von Einnahmen- und Ausgabenseite für das Erreichen von Umverteilung lässt sich mit Umverteilungsgedanken die direkte Progression der Einkommensbesteuerung, also nur mit Blick auf die Einnahmeseite, folglich nicht begründen. Allenfalls ließe sich sagen, dass die direkte Progression eine Umverteilung erleichtert. Dieser Ansatz begegnet indes ebenfalls Bedenken: Zunächst räumt er ein, dass die direkte Progression nicht notwendige Bedingung gesellschaftlicher Umverteilung ist; sie kann sich dann auch nicht zwingend aus der Verfolgung dieses Ziels ergeben. Darüber hinaus vermag auch dieser Ansatz nicht zu erklären, weshalb gerade das Einkommen direkt progressiv besteuert werden soll, wenn es doch darum geht, auch die vorhandene Vermögensverteilung zu verändern. Denn Letztere wird durch eine Einkommensteuer jedenfalls nicht direkt berührt, dürfte aber mindestens ebenso wichtig sein für die Frage, ob eine bestehende Einkommensund Vermögensverteilung verändert werden soll. Schließlich benachteiligt eine direkt progressive Einkommensteuer vermögenslose Besserverdiener verglichen mit solchen Besserverdienenden, die bereits über ein eigenes Vermögen verfügen, und erschwert somit den Vermögenslosen die Bildung eigenen Vermögens. Eine Vermögensteuer wäre daher das geeignetere Mittel, um eine bestehende Vermögensverteilung zu korrigieren.
___________ 673
F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 265 ff. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20 Rn. 31. 675 Siegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 a EStG Rn. 13; Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 998; Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991, 1996. 674
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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(b) Gesellschaft ohne Steuern unrealistischer Vergleichsmaßstab? Noch grundlegender als die Kritik an der einseitigen Konzentration auf die Einnahmeseite ist die Kritik, die neuerdings an dem Maßstab für den Grad der Umverteilung eines Steuersystems geäußert wird. Herkömmlich wird zu diesem Zweck die Verteilung von Eigentum und anderen Rechten nach Steuern mit einer hypothetischen Verteilung derselben Rechte in einer Welt ohne Steuern verglichen676. Genau dies wird neuerdings kritisiert: Wenn lediglich die Einnahmen und Ausgaben des Staates und ihr Einfluss auf die bestehende Eigentumsverteilung betrachtet werden, so sei die „Welt ohne Steuern“ ein unrealistischer Vergleichsmaßstab, da auch die bestehende Eigentumsverteilung nur Ergebnis der Existenz des Staates und seiner Garantie des Eigentumsrechts sei677. Es sei daher notwendig, alle staatlichen Aktivitäten, Garantien und Institutionen zu betrachten und deren Ergebnis als gerecht oder ungerecht zu beurteilen678. Eine Beurteilung des Steuer- und Transfersystem allein als gerecht oder ungerecht sei hingegen nicht möglich. Diese radikale Auffassung legt den Schluss nahe, dass die Analyse eines Steuersystems unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten unmöglich ist, dass vielmehr alle politischen oder jedenfalls alle wirtschaftspolitischen Grundentscheidungen miteinander abgestimmt und als Ganzes beurteilt werden müssen, was eine nahezu unmögliche Aufgabe darstellen dürfte679. Diesen Schluss scheinen die Verfechter dieser Auffassung jedoch selbst nicht zu ziehen, da sie durchaus selbst Aussagen über Steuergerechtigkeit treffen. Dies ist auch nicht widersprüchlich, lässt sich die Kritik doch auch in der Weise verstehen, dass es lediglich unmöglich ist, eine bestimmte Ausgestaltung des Steuersystems unter Hinweis auf Gerechtigkeitsvorstellungen zu begründen. Möglich bleibt aber eine Aussage darüber, welche Ausgestaltungen einer als gerecht empfundenen Gesellschaft zuwiderlaufen und daher keinesfalls verwirklicht werden sollten680. So verstanden lässt sich möglicherweise auch der vermeintliche Widerspruch in den Aussagen von Rawls, der eine konsumorientierte Steuer mit flachem Tarif befürwortet (s. S. 173), auflösen. Denn auch Rawls geht es in erster Linie um die Gerechtigkeit der Gesellschaft insgesamt, nicht nur des Steueroder des Steuer- und Transfersystems; zur Verwirklichung dieses Zweckes aber sind viele Steuersysteme geeignet681. ___________ 676
Vgl. Atkinson, in: The Economics of Taxation, S. 3, 4 f. Murphy/Nagel, S. 8; hierzu auch Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991 ff. 678 Murphy/Nagel, S. 37. 679 Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991 f. 680 Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991, 1994. 681 Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991, 1997. 677
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Diese auf den ersten Blick radikal anmutende Sichtweise weist allerdings einen Fehler auf: Denn eine Gesellschaft ohne Steuern mag zwar ein unrealistischer Vergleichsmaßstab sein. Dies sagt indes noch nichts darüber aus, ob eine Gesellschaft ohne Einkommensteuer ebenfalls unrealistisch ist. Insofern ist darauf zu verweisen, dass bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts Einkommensteuern in vielen Staaten unbekannt waren. Eine Gesellschaft ohne Einkommensteuern wäre durchaus denkbar, sodass diese Idee auch einen tauglichen Vergleichsmaßstab darstellt.
(c) Fazit Mit sozialstaatlichen Erwägungen lässt sich folglich nicht begründen, dass nur ein direkt progressiver Einkommensteuertarif dem Grundsatz der vertikalen Steuergerechtigkeit genügt, nicht aber ein indirekt progressiver Tarif682. Aus alledem folgt, dass der auf sozialstaatlichen Erwägungen beruhende Rechtfertigungsansatz für die direkte Progression einseitig auf die staatliche Einnahmeseite abstellt und daher bei näherem Hinsehen ebenfalls wenig überzeugend ist.
ee) Konjunkturpolitische Argumente zugunsten der Progression Nach einem anderen Ansatz soll sich die direkte Progression bei der Einkommensteuer mit konjunkturpolitischen Gründen rechtfertigen lassen. Bei den Mitteln, die der Politik zur Konjunkturbeeinflussung zur Verfügung stehen, unterscheiden Ökonomen zwischen aktiven Maßnahmen der Konjunkturpolitik, die ein interventionistisches Eingreifen von Fall zu Fall erfordern, und sog. automatischen Stabilisatoren („built-in stabilizer“; auch: „built-in flexibility“683)684. Die Einkommensteuerprogression soll, zusammen mit dem steuerfinanzierten Transfersystem, als automatischer Stabilisator fungieren685, da grundsätzlich der Einfluss von Schwankungen im nationalen Einkommen auf das Steueraufkommen bei einem direkt progressiven Einkommensteuertarif stärker sein dürfte als bei einem proportionalen Tarif686. Denn in Zeiten der Rezession, wenn das Bruttoeinkommen sinkt, sinkt auch das Aufkommen aus der progressiven Einkommensteuer, und zwar überproportional stark; in Zeiten des Aufschwungs dagegen steigt es, bei ansteigendem Bruttoeinkommen, auch ___________ 682 Vgl. Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 56. 683 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 411 f.; Junge, S. 57 ff. 684 Franke, S. 47; vgl. auch Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 455. 685 Vgl. Rose, FinArch 31, 385 ff. 686 Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 455.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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überproportional stark an687: Die Aufkommenselastizität der Einkommensteuer ist größer eins688. Auf der anderen Seite steigt die Ausgabenbelastung des Staates durch steigende Transferleistungen (v. a. Arbeitslosenunterstützung) in Rezessionszeiten an, während sie sich in Zeiten des Aufschwungs durch zurückgehende Transferleistungen verringern sollte689. Die Kombination von direkt progressiver Einkommensteuer und staatlichen Transferleistungen soll die Abhängigkeit der Haushaltseinkommen von Konjunkturphasen abschwächen: Dadurch, dass der Staat in Zeiten steigender Einkommen überproportional viel wegnimmt, aber sinkende Einkommen durch Transferleistungen abfängt, sind die Einkommen der Privathaushalte konjunkturellen Schwankungen nicht ungemildert ausgesetzt690. Die Kombination von direkt progressiver Einkommensteuer mit staatlichen Transferleistungen hat also einen gewissen antizyklischen Effekt691, der darüber hinaus automatisch eintritt und keines aktiven Eingreifens von staatlicher Seite bedarf692. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass unter Umständen langwierige demokratische Entscheidungsprozesse vermieden werden, und der Effekt selbst dann eintritt, wenn Ungewissheit über den tatsächlichen Konjunkturverlauf besteht693, mit anderen Worten also unabhängig von der Kenntnis der Entscheidungsträger über die Notwendigkeit eines Eingreifens. Allerdings besteht weitgehend Uneinigkeit über die Wichtigkeit dieses stabilisierenden Faktors. Allein aufgrund der stabilisierenden Wirkung auf die Gesamtkonjunktur wird sich die direkte Progression darüber hinaus schon deshalb nicht rechtfertigen lassen, da auch andere, wohl ebenso wirkungsvolle Mittel zur Verfügung stehen dürften, wie etwa die Anpassung des Steuertarifs in seiner Höhe und Struktur an die jeweilige wirtschaftliche Lage694. Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass in der Demokratie die Möglichkeiten des Gesetzgebers, angemessen auf Konjunkturschwankungen zu reagieren, untauglich seien, weil der Gesetzgeber nicht schnell genug reagieren könne695. Denn nach § 26 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes696 (StWG) kann durch Rechtsverordnung der Einkommensteuersatz um bis zu 10 % erhöht oder gesenkt wer___________ 687
Dieckheuer, Makroökonomik, S. 411; Franke, S. 48. Franke, S. 48. 689 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 411. 690 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 411; Junge, S. 70 f. 691 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 412. 692 Junge, S. 59. 693 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 412. 694 Ebenso Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 455. 695 So aber Franke, S. 47: „lange Entscheidungszeiten“. 696 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft v. 08.06.1967, BGBl. I 1967, 582. 688
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den697. Allerdings bedürfte eine derartige Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundesrates, was die Effektivität dieses Mittels wiederum einschränkt. Noch schwerer wiegt der Einwand, dass von der dargelegten antizyklischen Wirkung der direkt progressiven Einkommensteuer auf die Konjunktur nur dann ausgegangen werden kann, wenn vom keynsianischen Konjunkturuyklusmodell698 ausgegangen wird (sog. keynsianische Konsumhypothese699). Danach soll die private Konsumquote nur unterproportional abfallen, wenn das Einkommen der Privathaushalte sinkt, und nur unterproportional zunehmen, wenn das Privateinkommen steigt700. Der Konsum der Privathaushalte soll daher eine stabilisierende Wirkung auf die Konjunkturentwicklung haben. Erhöhungen staatlicher Ausgaben in Rezessionszeiten sowie Ausgabensenkungen in Boomzeiten sollen sich dagegen direkt auf den Konjunkturverlauf auswirken können (sog. antizyklische Fiskalpolitik)701. Die Voraussetzungen der antizyklischen Fiskalpolitik werden heute aber unter Wirtschaftswissenschaftlern als nicht gegeben angesehen702. Folglich muss auch der antizyklische Effekt automatischer Stabilisatoren in Zweifel gezogen werden. Schließlich dürfte die Begründung mit konjunkturellen Erwägungen auch an der politischen Realität scheitern. So sieht zwar das StWG Maßnahmen im keynsianischen Sinne vor703, insbesondere die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage (§ 5); in der Praxis werden dieser Rücklage in Boomzeiten jedoch nur sehr selten Mittel zugeführt, sondern sie werden anderweitig verwendet, sodass in Rezessionszeiten auch keine Rücklage zur Verfügung steht, um die Wirtschaft anzukurbeln704.
ff) Fiskalische Argumente zugunsten der Progression Somit verbleibt als letzte Erklärungsmöglichkeit der direkten Progression lediglich der Hinweis auf ein erhöhtes Steueraufkommen dank eines progressiven Tarifes. Durch den erhöhten Steuersatz für Besserverdiener gelingt es dem Staat, höhere Einnahmen zu generieren. Ein Blick auf die Einkommensteuer___________ 697 Hierauf weist auch Franke, S. 47 hin, weshalb sein Schluss, in der Demokratie seien generell zu lange Entscheidungszeiten zu befürchten, nicht nachvollziehbar ist. 698 Dazu näher Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 284 ff. 699 Dieckheuer, Makroökonomik, S. 412. 700 Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money, S. 113 ff. Vgl. auch Dieckheuer, Makroökonomik, S. 407. 701 Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 286 f. 702 Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 289 ff. 703 Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 286 f. 704 Franke, S. 50.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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statistik bestätigt diesen Befund: So entrichteten im Jahr 1998 die 5 % der Steuerpflichtigen mit dem höchsten zu versteuernden Einkommen (ab 40.918,–€) mehr als 35 % des Gesamtaufkommens aus der festgesetzten Einkommensteuer705. Bei diesen Ergiebigkeitsüberlegungen handelt es sich allerdings kaum um eine tragfähige Rechtfertigung, sondern eher um eine Erklärung der direkten Progression706. In mancherlei Hinsicht erscheint der Rückgriff auf fiskalische Argumente indes ehrlicher als der Rückgriff auf wenig überzeugende Rechtfertigungsansätze wie etwa Leistungsfähigkeitstheorien.
gg) Fazit Aus dem Gesagten folgt, dass sich wissenschaftlich nicht begründen lässt, dass der Einkommensteuertarif direkt progressiv ausgestaltet sein muss707. Allenfalls kommen zur Begründung philosophisch-sozialstaatliche Erwägungen in Betracht, da die eher ökonomisch ausgerichteten Ansätze der Äquivalenz- und der Opfertheorien sich als nicht tragfähig herausstellen708. Bei näherem Hinsehen stellen sich diese Begründungsversuche jedoch ebenfalls als wenig tragfähig heraus. Nun weisen Befürworter der direkten Progression gerne darauf hin, dass hieraus jedoch noch nicht folge, dass die Einkommensteuer proportional auszugestalten sei. Es gebe keine Vermutung zugunsten eines proportionalen Tarifs, der die Beweislast den Befürwortern der Progression zuweise709. Die direkte Progression stelle keine Abweichung von der Regel der proportionalen Besteuerung dar. Dies ist für sich betrachtet zwar zutreffend. Aber die Entscheidung für einen proportionalen oder indirekt progressiven Tarifverlauf lässt sich dann mit Effizienzgesichtspunkten begründen, wenn sowohl ein indirekt wie ein direkt progressiver Tarif mit der Steuergerechtigkeit in Einklang stehen und folglich zwingende Gründe für einen direkt progressiven Tarif nicht vorliegen. Unter Effizienzgesichtspunkten ist jedoch ein indirekt progressiver Tarifverlauf wie gezeigt vorzugswürdig (s. S. 151). ___________ 705
BMF, Datensammlung Steuerpolitik, S. 18 f. Schmidt, S. 98 f.; Franke, S. 50. 707 Ebenso Richner, ASA 73, 593, 617. 708 Ebenso P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 55; Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 747. 709 Fried, 2 Chap. L. Rev. 157, 188 f.; Tobin, in: Income Redistribution, S. 127, 128. 706
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
c) Demokratieprinzip Ein weiteres Gerechtigkeitsproblem der direkt progressiven Besteuerung besteht darin, dass es für das Maß der Progression keine allgemeingültigen Standards gibt. So lässt sich der „angemessene“ Grad der Progression nicht mit mathematischer Präzision ermitteln710. Es handelt sich vielmehr um eine politische Entscheidung711. Dementsprechend ist als Einwand gegen die direkte Progression hervorgebracht worden, man befinde sich auf „hoher See ohne Ruder oder Kompass“, sobald man das Prinzip der proportionalen Besteuerung aufgebe712. Progressive Einkommensbesteuerung sei daher willkürlich713 und diskriminierend714. In diesem Zusammenhang stellt sich auch das weitergehende Problem, dass die Steuerprogression auch aus demokratietheoretischer Sicht bedenklich zu sein scheint, da eine weniger gut verdienende Mehrheit der besser verdienenden Minderheit erhöhte Steuerlasten auferlegen kann715. Nach der Ansicht von Hayeks ist die Progression demokratietheoretisch bedenklich, da die Mehrheit eine Regelung für eine Minderheit treffe, die sie nicht zugleich auch auf sich selbst anwende716. Andererseits könnte man auch, da es ja keine mathematische Formel zu geben scheint, davon ausgehen, dass der Tarif, der durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber festgelegt wird, von allen möglichen Tarifen als der bestmögliche zu gelten hat717. Allerdings stellt sich dann das Problem, was bei Tarifänderungen zu gelten hätte: Ist dann der alte Tarif oder der neue der bessere? ___________ 710
Knaupp, S. 59; Blum, 60 Taxes 16, 19; Dziadkowski, BB 1985, IX/1, IX/6; Smith, 20 U. Fla. L. Rev. 451, 462 f. 711 Lambrecht, in: Kirchhof, EStG, § 32 a Rn. 3; P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 55; Klett, in: FS Tipke, S. 599, 613. 712 McCulloch, S. 147. 713 Eaton, Essays in Taxation, S. 27; Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 6; ders., StuW 2000, 2, 7; Becker, FS Klein, S. 379, 386; Epstein, Private Property, S. 298; Thiers, S. 361. s. auch schon die Debatte um die Einführung einer Einkommensteuer in Großbritannien 1799, dargestellt bei Shehab, Progressive Taxation, S. 48. 714 v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 313. 715 Friedman, Capitalism and Freedeom, S. 174 f., 194; v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 314 f.; hierzu auch Posner, Economic Analysis of Law, S. 511; Blum/ Kalven, The Uneasy Case for Progressive Taxation, S. 21 ff. 716 v. Hayek, The Constitution of Liberty, S. 314; s. auch Thiers, S. 362 : „La proportionnalité est un principe, mais la progression n’est qu’un odieux arbitraire“. 717 In diesem Sinne etwa Blum, 60 Taxes 16, 19; Dziadkowski, BB 1991, 805, 811; vgl. auch Knaupp, S. 58.
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In der Tat besteht in der Theorie das Problem, dass es in einer Demokratie grundsätzlich mehr Unterstützer eines progressiven Tarif geben dürfte als Gegner, denn es müsste im wirtschaftlichen Interesse der Menschen sein, dass diejenigen, die mehr verdienen als sie selbst, auch einem höheren Steuersatz unterliegen718. Im Extremfall müssten daher in einer Gesellschaft von 1.000 Bürgern 999 für einen progressiven Steuertarif sein719. Betrachtet man aber die heutige Realität des Einkommensteuertarifs in Deutschland oder den Vereinigten Staaten, so lässt sich feststellen, dass die Grenzsteuersätze moderater ausfallen als man bei dem skizzierten Demokratieproblem vermuten sollte. In der Praxis scheinen bei der Festlegung des Einkommensteuertarifs folglich noch andere Faktoren eine Rolle zu spielen. So könnten zum einen Bezieher niedrigerer Einkommen ebenfalls gegen hohe Progressionsgrade stimmen, weil sie selbst hoffen, eines Tages zu den Besserverdienenden zu gehören720. Gerade diese werden jedoch von hohen Progressionsgraden besonders hart getroffen, da sie nicht auf ein bereits vorhandenes Vermögen zurückgreifen können, sondern ihren Lebensstandard vollständig aus zu versteuerndem Einkommen sichern müssen. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass eine Mehrheit der Wahlberechtigten allein in den meisten Fällen nicht ausreicht, um tatsächlich eine bestimmte Sachfrage in einer bestimmten Art und Weise zu entscheiden721. Ferner könnten bei der Entscheidung über den Einkommensteuertarif auch Allgemeinwohlerwägungen eine Rolle spielen, etwa die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung. Schließlich dürften auch die Grundrechte einen ausreichenden Schutz zumindest gegen enteignend wirkende Steuern bieten. So sollen „erdrosselnde“ Steuern einen Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG darstellen722. Willkürliche Steuergesetze verletzten darüber hinaus immerhin noch Art. 3 Abs. 1 GG.
___________ 718
Eaton, Essays in Taxation, S. 26. Vgl. Eaton, Essays in Taxation, S. 27. In diesem Zusammenhang sei auf die Schwierigkeit hingewiesen, den Begriff „reich“ zufrieden stellend zu definieren, die sich in dem folgenden überlieferten Dialog zwischen F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway manifestiert. F. Scott Fitzgerald: „The rich are different from us“. – Ernest Hemingway: „Yes, they have more money“. Zitiert nach Slemrod, in: Tax progressivity and income equality, S.177, 179. 720 Posner, Economic Analysis of Law, S. 511. 721 Posner, Economic Analysis of Law, S. 511. 722 BVerfG v. 31.05.1988, 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232, 243; BVerfG v. 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300; s. auch Birk, Die Verwaltung 35, 91, 105 ff. Zur Rechtsprechung des BVerfG s. auch Wernsmann, NJW 2006, 1169 ff. 719
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
d) Fazit Aus dem Gesagten folgt, dass die Flat Tax mit ihrem indirekt progressiven Tarif gegenüber einer direkt progressiv ausgestalteten Einkommensteuer einige Vorteile in puncto Effizienz aufweist. Auch die horizontale Steuergerechtigkeit wird durch die Flat Tax besser verwirklicht. Die auf den ersten Blick für die direkte Progression sprechenden Gründe vertikaler Steuergerechtigkeit stellen sich bei genauer Prüfung als nicht stichhaltig heraus. Die Aussage, die Flat Tax verwirkliche ein effizienteres Steuersystem auf Kosten der Steuergerechtigkeit, ist folglich unzutreffend, da die Flat Tax nicht nur bei dem Kriterium der Effizienz, sondern auch bei der horizontalen Steuergerechtigkeit gegenüber der direkten Progression vorzugswürdig ist, während jene nicht für sich in Anspruch nehmen kann, aus Gründen der vertikalen Steuergerechtigkeit erforderlich zu sein.
3. Abwägung Nach ökonomischen Kriterien, insbesondere nach dem Kriterium der Effizienz, ist ein proportionaler Steuersatz gekoppelt mit einem Grundfreibetrag vorzugswürdig723. Und auch die vielfach gegen einen solchen indirekt progressiven Steuertarif vorgebrachten Gerechtigkeitsbedenken erweisen sich bei näherem Hinsehen als wenig stichhaltig; jedenfalls sprechen sie nicht eindeutig für einen direkt progressiven und gegen einen indirekt progressiven Tarifverlauf. Daher sollte dem Kriterium der Effizienz gefolgt und ein indirekt progressiver Tarifverlauf angestrebt werden724.
II. Cash Flow Konsumsteuer vom R-Typ „I can’t make a damn thing out of this tax problem. I listen to one side and they seem right, and then ... I listen to the other side and they seem right.“ Warren Harding, 1922
Möglicherweise noch radikaler als der Wandel von der direkten zur indirekten Progression ist der Übergang von der Einkommens- zur Konsum- und Cash Flow Besteuerung. Diese Eigenschaft des Systems der Flat Tax darf bei der ___________ 723 724
Byrne, 37 Ariz. L. Rev. 739, 747. Ebenso Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 802 ff.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Beurteilung keinesfalls übersehen werden, bedeutet sie doch, dass die Flat Tax im Ergebnis wie eine Mehrwertsteuer wirkt (s. S. 97). Die Flat Tax realisiert daher ein System der Konsumbesteuerung mit progressiven Elementen. Dabei sind drei Elemente zu unterscheiden: Die Flat Tax stellt eine konsumorientierte Steuer dar, die auf Cash Flow Basis ermittelt wird, und bei der alle finanzwirtschaftlichen Transaktionen steuerlich irrelevant sind (R-Basis, s. S. 88 ff.). Dabei kann eine konsumorientierte Steuer auch auf andere Weise als auf Cash Flow Basis erhoben werden, und eine Cash Flow Steuer kann ebenfalls anders als auf R-Basis erhoben werden. Die Wahl der R-Basis Cash Flow Besteuerung stellt also eine bewusste Entscheidung dar, deren Effizienz und Gerechtigkeit im Folgenden zu analysieren sein wird.
1. Gegenüberstellung der unterschiedlichen Konzepte Das bisherige Einkommensteuerrecht in Deutschland verwirklicht im Grundsatz das Konzept einer kapitalorientierten Einkommensteuer. Von einer konsumorientierten unterscheidet sich eine kapitalorientierte Einkommensteuer im Wesentlichen dadurch, dass jene beide volkswirtschaftlich denkbaren Verwendungsmöglichkeiten des Einkommens, nämlich den Konsum und das Sparen, belastet, während eine Konsumsteuer nur den Konsum, nicht aber das Sparen belastet (s. § 3 A. II., S. 51). Die Kapitaleinkommensteuer beruht letztlich auf der Idee, dass das Einkommen der beste Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit sei, und dass ein gutes Steuersystem jeden Steuerpflichtigen nach Maßgabe seiner persönlichen Leistungsfähigkeit belasten solle725. Demgegenüber sehen die Befürworter einer Konsumsteuer den Konsum als den gerechteren Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit an. Soweit ersichtlich wurde dies erstmals von Thomas Hobbes deutlich ausgesprochen, der in seinem „Leviathan“ die Auffassung vertrat, es sei gerechter, natürliche Personen danach zu besteuern, was sie von der Gesellschaft in Form ihres Konsums beziehen, anstatt danach, was sie in Form ihrer Produktivität in die Gesellschaft einbringen726. Hieran anschließend sprach sich als erster der großen Nationalökonomen John Stuart Mill für eine konsumorientierte Besteuerung aus727. Ähnlich argumentierten im 20. Jahrhundert Irving Fisher728 und Nicholas Kaldor729. ___________ 725
Vgl. McNulty, StuW 1989, 120, 123. Hobbes, Leviathan, Kap. 30. 727 Mill, Principles of Political Economy, Buch V, Kap. II, Abs. 4. 728 Fisher/Fisher, Constructive Income Taxation, S. 25, 121 ff. 729 Kaldor, S. 53. 726
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Heute dürfte nicht mehr zweifelhaft sein, dass sowohl das Einkommen als auch der Konsum Anknüpfungspunkte des steuerlichen Zugriffs sein können730. Aus diesem Grund sollen beide Konzepte unter den Gesichtspunkten der Effizienz und der Gerechtigkeit näher beleuchtet werden. Eine wissenschaftliche Diskussion über einen Übergang zur konsumorientierten Einkommensbesteuerung ist in Deutschland bisher noch im Anfangsstadium begriffen731; als Orientierung soll der Diskussionsstand in den Vereinigten Staaten732 und in Österreich733 herangezogen werden.
2. Konsumbesteuerung, Zahlungsstromorientierung und Effizienz a) Intertemporale Neutralität aa) Grundaussage Nach Auffassung der Befürworter einer konsumorientierten Einkommensteuer beendet der Übergang zur Konsumbesteuerung die vermeintliche Dis___________ 730 Birk, Steuerrecht, Rn. 18 ff.; ders., in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 361. 731 s. aber die Werke von Grambeck, S. 7 ff. und passim; M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 1 ff. und passim; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 7 ff.; Schwinger, S. 1 ff., 107 ff.; ders., StuW 1994, 39 ff.; Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 460 ff.; ders., StuW 1990, 331, 342; Rose, in: Rose, (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 7 ff.; ders., BB 1992, V/1 ff.; ders., BB 1996, 1085; ders., in: Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, S. 247 ff.; ders., Zur praktischen Ausgestaltung einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung, in: Oberhauser (Hrsg.), Probleme der Besteuerung I, S. 99 ff.; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85 ff.; Keil, StB 1996, IV/1, IV/6 ff.; Kiesewetter, StuW 1997, 24, 27 ff.; Naust, FinArch 49, 501 ff.; Niehus, DStZ 2000, 697, 698 ff.; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363 ff.; Reuter, in: FS Rose, S. 355; Schneider, FinArch 49, 534 ff.; Wagner, in: Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, S. 261, 270 ff.; Wagner, in: FS Rose, S. 369. 732 Andrews, 87 Harv. L. Rev. 1113; Bankman/Fried, 86 Geo. L.J. 539; Bankman/ Griffith, 47 Tax L. Rev. 377; Bradford, in: Pechman (Hrsg.), What Should be Taxed: Income or Expenditure?, S. 75; ders., 39 Tax Notes 383; ders., in: Economic Effects of Funamental Tax Reform , S. 437; Dorenberg, 70 Iowa L. Rev. 425; Fried, 44 Stan. L. Rev. 961; Graetz, 57 Tax Notes 1437; Kotlikoff, in: Frontiers of Tax Reform, S. 160; McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095; Merrill/Adrion, 68 Tax Notes 1496; Sabelhaus, 46 Nat’l Tax J. 332; Schenk, 33 San Diego L. Rev. 1281; Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1; Warren, 89 Yale L.J. 1081; Wieler, 41 Challenge 60; Zodrow, in: FS Rose, S. 391. 733 Farny/Gall, ÖStZ 1998, 510; Genser, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum (1999), S. 197 ff.; Wagner, ÖStZ 1998, 402; Wala/Knoll, ÖStZ 2001, 139 ff.; Wala/Riener-Micheler, ÖStZ 2000, 102 ff.; dies., ÖStZ 2000, 142 ff.; Winner, ÖStZ 1999, 2 ff.; ders., StuW 2001, 42 ff.; Wurmsdobler, DStZ 1999, 585 ff.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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kriminierung des Sparens gegenüber dem Konsum734 und verwirklicht daher Neutralität in intertemporaler Hinsicht735. Die Entscheidung für sofortigen oder späteren Konsum werde nicht durch die Besteuerung verzerrt736. Das Argument, dass die Einkommensteuer das Sparen doppelt belaste, geht auf John St. Mill zurück737. Die Argumentation lässt sich am besten anhand eines Beispieles verdeutlichen738: In Jahr 1 verdiene ein Steuerpflichtiger 100; in einer fiktiven steuerfreien Welt steht er nun vor der Wahl, sein Einkommen für Konsumzwecke einzusetzen oder zu sparen. Bei einem angenommenen jährlichen Zinssatz von 10 % könnte der Steuerpflichtige entweder 100 heute konsumieren oder sein Geld beispielsweise für zehn Jahre investieren und in zehn Jahren 259,37739 für Konsumzwecke zur Verfügung haben, also etwa 259 % seines ursprünglichen Kapitals. Unter den zwei Varianten einer Konsumsteuer (fiktiver Steuersatz 25 %) ändern sich die Zahlen folgendermaßen: Bei Anwendung der Sparbereinigung kann der Steuerpflichtige entweder heute 75 konsumieren oder 100 investieren. Nach zehn Jahren stünden ihm wiederum 259,37 auf dem Sparkonto zur Verfügung, die allerdings der Steuer unterfallen, wenn sie für Konsum verwendet werden. Der Steuerpflichtige könnte daher in zehn Jahren 194,53740 für seinen Konsum verwenden. Zu beachten ist, dass das Verhältnis von späterem zu sofortigem Konsum (194,53 : 75 = 259 %) das gleiche ist wie in einer steuerfreien Welt (259 : 100 = 259 %). Das gleiche Ergebnis wird auch bei der Zinsbereinigung erzielt. Der Steuerpflichtige könnte 75 heute konsumieren oder aber 75 zu 10 % Zinsen für 10 Jahre anlegen. Nach zehn Jahren hätte er wiederum 194,53741, die er steuerfrei vereinnahmen und zu Konsumzwecken verwenden könnte. ___________ 734 Isenbergh, 45 Tax L. Rev. 283, 292 f.; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 367; Richner, ASA 73, 593, 597. 735 Pigou, Public Finance, S. 118 ff.; P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 22 f.; Schwinger, S. 72 f.; ders., StuW 1994, 39, 43; Brennan/Buchanan, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 51, 68; Fisher, 9 Am. Econ. Ass’n. Q., 21, 22 ff.; Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 461; Wenger, FinArch 47, 181, 184 f. A. A. aber Mohr, S. 140 ff. 736 McCaffery, S. 35 f.; Niehus, DStZ 2000, 697, 699; Winner, ÖStZ 1999, 2, 3; s. auch Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 88. 737 Mill, Principles of Political Economy, Buch V, Kap. II, Abs. 4. 738 Weitere Beispiele bei Fisher/Fisher, Constructive Income Taxation, S. 56; Greß/ Rose/Wiswesser, S. 20; McCaffery, S. 35; Bankman/Fried, 86 Geo. L.J. 539, 540 f.; s. auch Kiesewetter, S. 11 ff. 739 100 · (1,1)10 = 259,37424601. 740 259,37 · 0,75 § 194,53. 741 75 · (1,1)10 = 194,5306845075.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Anders stellt sich das Resultat bei Geltung einer Einkommensteuer dar. Der Steuerpflichtige könnte wiederum 75 heute konsumieren oder anlegen. Die Zinsen unterliegen allerdings wiederum der Besteuerung, sodass der Steuerpflichtige nach 10 Jahren nur 154,58742 zur Verfügung hätte. Das Verhältnis von verschobenem Konsum zu heutigem Konsum beträgt hier ungefähr 207 %. Diese relative Veränderung, die eine Einkommensteuer im Verhältnis zur steuerfreien Welt und auch zur Konsumsteuer mit sich bringt, lässt die Befürworter der Konsumbesteuerung schließen, dass die Einkommensteuer das Sparen benachteilige und somit unattraktiver mache743. Die Einkommensteuer verzerre das Verhältnis von heutigem zu späterem Konsum, während eine Konsumsteuer dieses Verhältnis bewahre744 und somit Neutralität bei der Entscheidung zwischen Konsum und Sparen herrsche745. Die Befürworter einer Konsumsteuer folgern hieraus, dass unter einer Konsumsteuer die Sparquote ansteigen werde, da das Sparen im Vergleich zu sofortigem Konsum nicht mehr benachteiligt und so relativ gesehen attraktiver werde746. Dadurch stehe dann der Volkswirtschaft insgesamt mehr Kapital zur Verfügung, was sich positiv auf die Produktivität derselben auswirke747. Für die besondere Ausgestaltung der Flat Tax als Konsumsteuer vom R-Typ folgt die Neutralität in intertemporaler Hinsicht vor allem aus der Möglichkeit des Sofortabzugs von Investitionen auf Unternehmensseite748 und der Zinsbereinigung auf der Haushaltsseite.
___________ 742
75 · (1,1 – 0,1 · 0,25)10 § 154,58. McCaffery, S. 35 ff.; Kotlikoff, in: Frontiers of Taxation, S. 160, 167; Rose, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 343, 347 ff.; Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991; Bankman/Griffith, 47 Tax L. Rev. 377, 385. Nach einer vermittelnden Auffassung sollen allerdings Sparer auch bei einer kapitalorientierten Einkommensteuer die Wirkung der Steuer ausblenden können, indem sie ihr Portfolio modifizieren und vermehrt auf risikoreichere Investitionen, die eine höhere Rendite versprechen, setzen. Hierzu Bankman/Fried, 86 Geo. L.J. 539, 542; Bankman/Griffith, 47 Tax. L. Rev. 377, 393 ff.; Warren, 89 Yale L.J. 1081, 1102 ff. 744 Vgl. Rose, BB 1996, 1085, 1087; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 605 (Fn. 10). 745 Hiller, DBW 1999, 792, 793. 746 McCaffery, S. 36 f.; Kotlikoff, in: Frontiers of Taxation, S. 160, 167; Engen/Gale, in: Economic Effects of Fundamental Tax Reform, S. 83, 84: Anstieg der Sparquote um 0,3 %–0,8 % des Bruttoinlandsprodukts. s. a. Mitchell, 50 Rev. 17; Toder, 66 Tax Notes 2003. 747 McCaffery, S. 38; Feldstein, 67 Am. Econ. Rev. 116, 117 f.; Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991. 748 Genauer Nachweis bei Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 160 f. 743
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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bb) Einwände gegen diese Annahme Gegen die Argumentation der Befürworter einer konsumorientierten Einkommensteuer sind vielerlei Einwände vorgebracht worden. Diese betreffen einerseits die theoretischen Grundlagen der Argumentation, stützen sich andererseits aber auch auf empirische Erfahrungen mit Vorschriften, die das Sparen steuerlich begünstigen.
(1) Theoretische Einwände Zunächst bestehen in theoretischer Hinsicht Bedenken gegen die Argumentation der Konsumsteuerbefürworter. So ist zunächst keineswegs sicher, ob und in welcher Höhe der Effekt zu Gunsten einer erhöhten Sparquote bei Umstellung des Systems auf Konsumbesteuerung einträte.
(a) Einkommens- und Substitutionseffekt Zum einen können auch bei der Einkommensteuer auf Kapitalerträge gegenläufige Einkommens- und Substitutionseffekte auftreten, deren Auswirkungen sich möglicherweise zumindest teilweise neutralisieren: So kann es beim Sparen „Ziel-Sparer“ geben, die ein bestimmtes Sparziel vor Augen haben und den Umfang ihrer Bemühungen der jeweiligen Besteuerung anpassen749; bei einer Senkung der steuerlichen Belastung, also einem Ansteigen der Rendite, müssten diese „Ziel-Sparer“ ihre Bemühungen verringern, da sich das Sparziel nun mit einem geringeren Mitteleinsatz realisieren lässt750. Andererseits mag es durchaus auch Sparer geben, die durch die gestiegene Rendite dazu veranlasst werden, mehr zu sparen751. Welcher der beiden Effekte stärker ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen752. Daher lässt sich auch nicht mit Sicherheit sagen, welcher Effekt bei Abschaffung der Steuer auf Kapitalerträge einträte753; selbst unter Ökonomen gilt diese Frage als außerordentlich umstritten754. Nach wieder anderer Auffassung sollen allerdings sowohl der Einkommens- als auch der ___________ 749
McCaffery, S. 37; McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2136. Graetz, S. 207 f.; Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819, 846. 751 Graetz, S. 207 f.; Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819, 846. 752 McCaffery, S. 37; Feldstein, in: Leibowitz, Wealth Redistribution and the Income Tax, S. 61. 753 McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2136. 754 Graetz, S. 207 f.; McCaffery, S. 37; McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 118 f.; dies., in: Quigley/Smolensky, Modern Public Finance, S. 177. 750
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Substitutionseffekt günstige Auswirkungen auf das Sparverhalten haben755. Ausgeschlossen ist auch dies nicht, da nach der volkswirtschaftlichen Theorie der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt entweder verstärken oder schwächen kann756. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu bedenken, dass das geltende Einkommensteuersystem bereits ein Hybrid aus Einkommens- und Konsumbesteuerung ist, denn es enthält bereits einige Merkmale einer Konsumsteuer757. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang etwa das Realisationsprinzip, das dazu führt, dass Vermögensmehrungen im Anlagevermögen nicht sofort der Steuer unterworfen werden, sondern erst bei Veräußerung. Des Weiteren ist die private Kapitalbildung weitgehend steuerfrei möglich758: So kann die Steuerfreistellung für bestimmte Einkünfte aus privaten Veräußerungsgewinnen als Merkmal einer Konsumsteuer angesehen werden759. Eine „reine“ Einkommensteuer müsste nämlich Wertzuwächse im Anlagevermögen zeitnah, also im Jahr des Wertzuwachses, erfassen. Ferner dürften Einnahmen aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht gänzlich steuerfrei gestellt werden. Auch die steuerliche Behandlung von Beamtenpensionen760 und Lebensversicherungen (nach altem Recht)761 genügt nicht den Anforderungen einer Kapitaleinkommensteuer. Renten werden nunmehr nachgelagert besteuert, was ebenfalls eher einem konsumorientierten System entspricht. Schließlich wird durch den Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG) ein nicht unerheblicher Teil der Zinseinnahmen ohnehin bereits steuerfrei gestellt762. ___________ 755
Kotlikoff, in: Frontiers of Taxation, S. 160, 167. Grossekettler/Hadamitzky/Lorenz, Volkswirtschaftslehre, S. 46, 330. 757 Lang, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83, 84; ders., DStJG 24, 49, 82; ders., in: FS Rose, S. 325, 333; Niehus, DStZ 2000, 697, 701 ff.; Wagner, in: Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, S. 261, 270 ff.; ders., in: FS Rose, S. 368, 382 f.; ders./Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik, S. 399, 403 f.; für das US-amerikanische Steuerrecht McCaffery, S. 15; Andrews, 87 Harv. L. Rev. 1113 ff. (passim); McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2115 f. 758 Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik, S. 399, 402. 759 Hierzu Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 580; Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik , S. 399, 403. 760 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 116 (Fn. 93), § 9 Rn. 565. 761 Zum alten Recht Wagner/Wenger, in: Regulierung und Unternehmenspolitik, S. 399, 403. Die für Kapitallebensversicherungen geltenden Vorschriften sind zum 31.12.2004 durch das Alterseinkünftegesetz v. 05.07.2004 (BGBl. I, S. 1427) für Neuverträge abgeschafft worden und gelten nur für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Verträge. Hierzu Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 578; Goverts/Knoll, DStR 2005, 223 ff.; Loritz, DStR 2005, 625 ff. 762 Bei der Einführung ging der Gesetzgeber davon aus, dass der Sparer-Freibetrag für etwa 80 % der Bezieher von Einkünften aus Kapitalvermögen eine gänzliche Steuerverschonung bedeuten werde. BT-Drs. 12/2501, S. 11. Inzwischen ist der Sparer-Freibetrag allerdings von seinerzeit 3.068,– € (= 6.000,– DM) auf 1.370,– € verringert worden. 756
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Es kann daher gesagt werden, dass das existierende Einkommensteuerrecht bereits Merkmale einer Konsumsteuer aufweist; der Übergang zu einer „reinen“ Konsumbesteuerung könnte daher für die Sparquote geringere Folgen haben als von den Befürwortern der Flat Tax angenommen.
(b) Zweifel bezüglich der Grundannahmen Die Konsumsteuerbefürworter treffen für ihre Beispiele einige Grundannahmen, die nicht zwangsläufig zutreffen müssen. So wird zunächst unterstellt, dass Sparen stets zu einer positiven Rendite führe763. Dies ist nicht immer der Fall. Ferner wird unterstellt, dass Arbeitseinkommen und Kapitaleinkommen demselben Steuersatz unterliegen. Auch dies ist nicht immer der Fall, denn denkbar ist sowohl eine Privilegierung von Arbeitseinkommen764 als auch eine Privilegierung von Kapitaleinkommen. Im letztgenannten Fall fällt die Diskriminierung des Sparens jedenfalls nicht so stark aus wie von den Konsumsteuerbefürwortern behauptet.
(c) Zusätzliche Belastung des Arbeitseinkommens? Konsumsteuerkritiker argumentieren darüber hinaus, dass, sollte eine konsumorientierte Einkommensteuer aufkommensneutral umgesetzt werden, zwangsläufige Folge sei, dass Arbeitseinkommen dann zum Ausgleich von Einnahmeausfällen stärker belastet werden müssten765. Denn die bisherige Einkommensteuer erfasst (theoretisch) sowohl den konsumierten wie den gesparten Teil des Einkommens. Sollten Kapitaleinkünfte künftig aus der Steuerpflicht entlassen werden, so müssten – Aufkommensneutralität unterstellt – die Arbeitseinkommen entsprechend stärker belastet werden766. Dies könne wiederum negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung haben767 (zu den möglichen Reaktionen auf steigende Grenzsteuersätze siehe bereits oben). Diese Argumentation ist allerdings wiederum angreifbar. So setzt sie zunächst voraus, dass die bisherige Einkommensteuer Zinsen und andere Kapitaleinkünfte tatsächlich lückenlos erfasst768, was indes nicht der Fall ist. Die Ein___________ 763
s. schon Pigou, Public Finance, S. 120. Smith, Wealt of Nations, Buch 5, Kap. 2.2, Art. 3 (S. 475 ff.); auch Wagner, Finanzwissenschaft, S. 384 forderte eine höhere Besteuerung der „fundirten“ Einkommen und eine niedrigere der Arbeitseinkommen. 765 Farny/Gall, ÖStZ 1998, 510, 512 f. 766 Niehus, DStZ 2000, 697, 699. 767 Niehus, DStZ 2000, 697, 699. 768 McCaffery, S. 92. 764
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
nahmeausfälle könnten mithin niedriger ausfallen als befürchtet. So lagen die Einkünfte aus Kapitalvermögen und sonstige Einkünfte im Jahr 2001 lediglich bei zusammen rund 40 Mrd. €, während die Summe aller Einkünfte 954 Mrd. € betrug769. Das Argument der zusätzlichen Belastung der Arbeitseinkommen wiegt daher jedenfalls nicht so schwer, wie von den Konsumsteuerkritikern behauptet.
(d) Marktreaktion Ferner darf die Reaktion der Märkte nicht aus der Betrachtung ausgeklammert werden: Falls die Sparquote sich beim Übergang zur Konsumbesteuerung zunächst erhöhen sollte, so wird dies zu einem zeitweiligen Überangebot an Geld auf den Märkten führen. Dies wiederum wird zur Folge haben, dass wegen des Überangebotes die Zinsen fallen, und Sparen wird aus diesem Grunde wiederum unattraktiver werden770. Letztlich wird sich ein neues Marktgleichgewicht einstellen, von dem nicht im Voraus gesagt werden kann, wo es liegen wird. Jedenfalls wird diese „Schatten-Steuer“771 das Sparen wiederum unattraktiver machen und nicht dazu führen, dass Sparer die Vorteile der Steuerfreiheit von Kapitalerträgen uneingeschränkt genießen können.
(e) Internationale Einflüsse Schließlich ist zu beachten, dass bei der derzeitigen internationalen Verflechtung der Finanzmärkte möglicherweise die Prämisse, dass eine erhöhte Sparquote dazu führt, dass der Volkswirtschaft mehr Geld zur Verfügung steht, nicht mehr zutrifft772. Nur mit dieser Prämisse aber lässt sich begründen, weshalb eine Erhöhung der Sparquote wünschenswert und wirtschaftlich von Vorteil sein soll. Wird unterstellt, dass Kapitalanleger auch jetzt bereits international agieren können, so hätte die Einführung einer nationalen konsumorientierten Einkommensteuer auf das Verhalten der Kapitalanleger möglicherweise geringere Auswirkungen als von den Befürwortern der Konsumorientierung angenommen. ___________ 769 Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 9. Positive und negative Einkünfte wurden dabei jeweils saldiert. 770 McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2137; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2010. Hiervon geht auch McCaffery, S. 38 aus, versäumt aber, hieraus Konsequenzen abzuleiten. 771 McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2137. 772 Toder, 66 Tax Notes 2003, 2010.
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(2) Empirische Bedenken Die bisher gemachten empirischen Erfahrungen mit Steuervorteilen für Sparer deuten ebenfalls darauf hin, dass die Argumentation der Konsumsteuerbefürworter möglicherweise nicht zutreffend ist und dass die Sparquote nicht oder jedenfalls nicht sehr stark auf Änderungen der nachsteuerlichen Rendite reagiert773. So wurden in den Vereinigten Staaten in den 1980er Jahren verschiedene Steuervorteile für Sparer eingeführt. Trotz etwa einer starken Verringerung der marginalen Steuersätze und anderer Anreize zum Sparen und einer Erhöhung der durchschnittlichen Rendite sank die Sparquote in diesem Zeitraum aber deutlich774.
(3) Erforderlichkeit einer Erhöhung der Sparquote? Endlich stellt sich noch die Frage, ob die angestrebte Erhöhung der Sparquote in Deutschland wünschenswert wäre. Hier wird häufig bemängelt, dass die Deutschen ohnehin bereits zu viel sparten und zu wenig Geld für Konsumzwecke ausgeben775. Somit ließe sich gegen eine weitere Erhöhung der Sparquote einwenden, dass die Sparquote in Deutschland bereits hoch oder sogar zu hoch sei und nicht noch weiter gesteigert werden müsse. In der Tat ließ sich für die Vergangenheit beobachten, dass die Sparquote in Deutschland deutlich höher war als diejenige in den Vereinigten Staaten776. Vor diesem Hintergrund ist das Bemühen um eine Erhöhung dieser Quote in den Vereinigten Staaten verständlich, ließe sich aber nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen. Nun gilt diese Betrachtung der Sparquoten für die Gegenwart allerdings nicht mehr uneingeschränkt. So haben Konjunkturforscher jüngst herausgefunden, dass die Sparquote in Deutschland sich auf einem historischen Tiefststand befindet, und dass die Deutschen derzeit durchaus konsumfreudig sind777. So zeigt die Entwicklung der Sparquote innerhalb der letzten 15 Jahre, dass sie von ___________ 773 Murphy/Nagel, S. 102; McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2136 m.w.N.; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2008. 774 Slemrod/Bakija, S. 129 f.; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2008 (Tabelle 2). Vgl. auch die Aussage von Alan Auerbach vor dem U.S. Senante Finance Committee am 05.04.1995, in: Tax Notes Today v. 13.04.1995, 95 TNT 72-26. 775 Vgl. Sinn, 7 PWP 1, 14 f. 776 World Economic Forum, Global Competitiveness Report 2003–2004, S. 420: 22,1 % zu 10,48 % des Bruttoinlandsprodukts in 2002; Kotlikoff, in: Frontiers of Tax Reform, S. 160; McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2133 m. w. N.: etwa doppelt so hoch; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2009 (Tabelle 5): 1,9 % zu 9,8 % für 1992. 777 „Deutsche sind gar nicht so geizig“, in: Spiegel Online v. 07.02.2006, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,399567,00.html.
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12,9 % im Jahr 1991 auf nur noch 10,5 % im Jahr 2004 gefallen ist778. Vor dem Hintergrund dieser neuesten Zahlen ließe sich also durchaus das Ziel einer Erhöhung der Sparquote rechtfertigen. Es bleiben allerdings Zweifel, ob ein Übergang zur Konsumbesteuerung ein taugliches Mittel darstellt, um dieses Ziel zu erreichen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die deutsche Sparquote immer noch deutlich höher liegt als die USamerikanische779. Schließlich ist auch zu beachten, dass in Deutschland der Alterskonsum noch immer in hohem Maße auch durch Leistungen der Sozialversicherung gedeckt wird. Da hier für die meisten Steuerpflichtigen eine Pflichtversicherung besteht, dürften steuerliche Anreize, die darauf abzielen, Steuerpflichtige vermehrt zum Sparen für das Alter zu bewegen, weniger wichtig sein als in solchen Ländern, die nicht über ein derartiges Sozialversicherungssystem verfügen. Allerdings dürften steuerliche Anreize in dem Maße an Gewicht gewinnen, wie die Bedeutung der Rentenversicherung für die Altersvorsorge abnimmt. Dies lässt sich auch an der steuerlichen Behandlung der sog. „Riester-“ und „Rürup-Renten“ ablesen. Die „Riester-Rente“ wird durch den in § 10 a EStG vorgesehenen Sonderausgabenabzug in Kombination mit der Erfassung nach § 22 Nr. 5 EStG nachgelagert besteuert780; die „Rürup-Rente“ wird gem. §§ 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 3, 22 Nr. 1 Satz 3 a lit. aa jedenfalls im Grundsatz ebenfalls nachgelagert besteuert781.
(4) Stellungnahme Die Argumentation der Befürworter einer konsumorientierten Einkommensteuer erscheint nur auf den ersten Blick überzeugend. Sowohl in theoretischer wie in empirischer Hinsicht bestehen Bedenken gegen die Annahme, dass es durch die Umstellung zur Konsumorientierung zu einer spürbaren Erhöhung der Sparquote mit einem messbaren Wohlfahrtsgewinn für die Volkswirtschaft käme782. Der Verweis auf die intertemporale Neutralität der Konsumbesteuerung vermag daher allein nicht zu überzeugen. ___________ 778
Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Februar 2006, Statistischer Teil,
S. 66. 779
Vgl. HSBC Trinkaus & Burkhardt, Kapitalmarktausblick 16. Dezember 2005, S. 1, http://www.hsbctrinkaus-markets.de. 780 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 574. 781 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 576 spricht wegen der in § 10 Abs. 3 EStG vorgesehen Höchstbeträge von einer „limitiert“ nachgelagerten Besteuerung. Hierzu auch Risthaus, DB 2004, 1329, 1331 f. 782 So auch Niehaus, DStZ 2000, 697, 699.
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b) Intersektorale Neutralität Die Konsumsteuer stellt jede Art von privater Ersparnisbildung von der Steuer frei. Steuerliche Privilegierungen für bestimmte Arten der Ersparnisbildung, wie sie das geltende Einkommensteuerrecht kennt (Kapitallebensversicherungen, „Riester-Rente“, „Rürup-Rente“, s. o.), wären ausgeschlossen. Damit tritt bei einer Konsumsteuer neben die intertemporale auch die intersektorale Neutralität783.
c) Investitions- und Finanzierungsneutralität? Der aufgezeigten rechnerischen intertemporalen Gleichbehandlung von Sparen und Konsumieren auf der Haushaltsseite müsste auf der Unternehmensseite die Investitions- und Finanzierungsneutralität entsprechen. In Bezug auf die Investitionsneutralität ist trotz der unterschiedlichen Behandlung von Real- und Finanzinvestitionen unter bestimmten Voraussetzungen auch der Fall. Voraussetzungen für Investitionsneutralität sind ein konstanter, proportionaler Tarif und vollkommener Verlustausgleich, wobei der Verlustausgleich auch in späteren Perioden erfolgen kann, wenn er aufgezinst wird784. Beide Voraussetzungen erfüllt die Flat Tax bei der Unternehmensbesteuerung. Dies führt dazu, dass die Rendite einer Investition durch die Steuer nicht verändert wird; bei finanzwirtschaftlichen Transaktionen ist dieses Ergebnis offensichtlich, bei realwirtschaftlichen Transaktionen wird es durch den vollkommenen Verlustausgleich sichergestellt785. Der Staat wird hier quasi zum „Mitunternehmer“ (dazu oben, § 5 B. I. 2. c), S. 91). Die Konsumbesteuerung in der Form der Cash Flow Besteuerung ist daher im Gegensatz zur bestehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer786 investitionsneutral787 jedenfalls bei Kombination mit einem proportionalen Steuer___________ 783
Winner, ÖStZ 1999, 2, 3, 6. Bericht der Meade-Kommission, S. 233; Eberhartinger, S. 398 (Fn. 1698). 785 Dazu folgendes Beispiel (nach Bericht der Meade-Kommission, S. 232): Ein Unternehmen tätigt eine Realinvestition in Höhe von 200. Bei einem Steuersatz von 50 % braucht es wegen des Sofortabzugs lediglich 100 selbst zu finanzieren, die restlichen 100 werden durch – jetzige oder spätere – Steuerersparnis finanziert. Die Investition bringt eine Rendite von 10 % (20), von der das Unternehmen die Hälfte (10) erhält. Das Unternehmen hat also nach Steuern auf die eingesetzten 100 eine Rendite in Höhe von 10 % erzielt. 786 Hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresbericht 2003/04, Tz. 528 und Tabelle 59 (S. 313). 787 Sureth, S. 62 ff. m. w. N.; Richner, ASA 73, 593, 615; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 114. 784
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satz788. Finanzierungsneutralität vermag die Cash Flow Steuer vom R-Typ allein dagegen nicht zu gewährleisten789. In diesem Zusammenhang ist auch die Behandlung von finanzwirtschaftlichen Transaktionen durch das Steuersystem sowie die Möglichkeit eines Verlustausgleichs von Belang (dazu sogleich)790.
d) Quasi-Besteuerung von Zinsen Die Steuerfreistellung von Zinsen und Dividenden dürfte dazu führen, dass ein Bereich, der im bestehenden Steuerrecht anfällig ist für Steuerhinterziehung, entfiele791. Trotz dieser Steuerfreistellung könnte man bei der Flat Tax von einer „Quasi-Besteuerung“ der Zinseinkünfte sprechen. Dies liegt daran, dass Zinsen zwar beim Empfänger steuerfrei sind, zugleich aber beim Schuldner nicht zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigen792. Wären Zinsen, wie bei der geltenden Einkommensteuer, steuerpflichtig, so erhöhte sich die Bemessungsgrundlage des Empfängers, während diejenige des Schuldners sich entsprechend verringerte. Wirtschaftlich gesehen dürfte es keinen Unterschied machen, ob gezahlte Zinsen beim Empfänger versteuert werden (Einkommensteuer) oder aber beim Schuldner nicht zu einem Abzug von der Bemessungsgrundlage führen und damit dort „quasi-versteuert“ werden, da ja der Steuersatz für Gläubiger und Schuldner bei der Flat Tax derselbe ist793. Die Quasi-Besteuerung beim Zahler geschieht jedoch automatisch, diejenige beim Empfänger dürfte generell komplizierter sein. Daher ist das System der Flat Tax bei der steuerlichen Erfassung von Zinsen effizienter als die herkömmliche Einkommensteuer794. Dies gilt allerdings nur in Bezug auf diejenigen Zinsen, die im bisherigen System der Einkommensteuer den Zahler zum Abzug von der Bemessungs___________ 788 Der Steuersatz muss darüber hinaus unter 100 % liegen. König/Wosnitza, S. 146 ff.; Wagner, PWP 7, 19, 23. Ob dies auch für Investitionen unter Unsicherheit, also mit unsicherem, nicht vorhersehbaren Ausgaang, gilt, ist unter Ökonomen umstritten. Vgl. (bejahend) Fane, 33 J. Pub. Econ. 95, 97 ff.; Konrad, S. 144 f.; Schwinger, S. 54 f.; (skeptisch) Sureth, S. 129 f. Die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion ist an dieser Stelle noch nicht abgeschlossen. 789 Eberhartinger, S. 399 (Fn. 1701); Swoboda, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 473, 477 ff. 790 Swoboda, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 473, 479. 791 Richner, ASA 73, 593, 613 f. 792 So auch Eberhartinger, S. 397: Zinsen sind auf Betriebsebene vorbelastet. 793 McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 287 spricht von „flipping“. 794 So auch McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 287.
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grundlage berechtigen, also im Wesentlichen für beruflich veranlasste Zinszahlungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben, nicht jedoch für solche Zinsen, die privat veranlasst sind. Denn diese berechtigen bisher den Zahler nicht zu einem Abzug von der Bemessungsgrundlage, sind aber dennoch beim Empfänger grundsätzlich zu versteuern. So gesehen läge bei Geltung der bisherigen Einkommensteuer eine Doppelerfassung dieser Zinszahlungen vor, während die Flat Tax diese Zinsen nur einmal, und zwar beim Schuldner, erfasste. Zum zweiten setzt diese Betrachtungsweise auch voraus, dass sowohl Schuldner als auch Gläubiger der Zinszahlung in Deutschland steuerpflichtig sind und auch tatsächlich Steuern zahlen. Zahlt der Schuldner im Jahr der Zahlung aus anderen Gründen (z. B. Verluste) keine Steuern, so werden auch die Zinsen bei ihm nicht „quasi-versteuert“. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise der „Quasi-Versteuerung“ von Zinsen gilt folglich nur eingeschränkt und nur unter gewissen Voraussetzungen. Sie lässt auf der anderen Seite aber auch gewisse Zweifel an der Argumentation der Konsumsteuerbefürworter aufkommen: Denn für Unternehmen, die Kredite aufnehmen wollen, verteuern sich diese wegen der Nichtabziehbarkeit von Zinsen zunächst. Dies stellt wiederum in Frage, ob es tatsächlich durch den Übergang zur Konsumsteuer zu einer größeren Investitionstätigkeit käme. Dies ist allerdings nur ein Teilaspekt des Systems: Denn investierende Unternehmen können die Kosten ihrer realen Investitionen sofort und in voller Höhe steuerlich geltend machen. Sie erhalten also bei kreditfinanzierten Investitionen sofort einen Abzug in Höhe der Investitionskosten, also der Kreditsumme. Dies bedeutet wegen des Zeitwertes des Geldes795 einen geldwerten Vorteil, der dadurch ausgeglichen wird, dass die Zinsen für den Kredit steuerlich nicht geltend gemacht werden können. Die Sofortabschreibung ohne Zinskostenabzug ist daher ökonomisch gleichwertig mit einer Ertragswertabschreibung mit Zinskostenabzug796; letztere lässt sich mit den groben Annäherungen des Rechts der Absetzungen für Abnutzungen jedoch nicht genau darstellen. Die Cash Flow Besteuerung vermeidet mit ihrem Sofortabzug für Investitionen also die Bewertungsprobleme, die sich bei der Ertragswertabschreibung ergeben797. Auf diese Weise wird vermieden, dass die Steuer verzerrend in das Verhältnis von Eigen- und Fremdfinanzierung eingreift, und auch die ___________ 795
Dazu Bankman/Griffith/Pratt, Federal Income Tax, S. 13: Es ist heute allgemein anerkannt, dass ein heute vereinnahmter Euro wertvoller ist als ein in der Zukunft vereinnahmter; ebenso ist ein als Steuer gezahlter Euro heute teurer als ein in der Zukunft zu zahlender Euro. Daher werden Steuerpflichtige in der Regel bemüht sein, Steuern so spät wie möglich zu entrichten. 796 Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 51 f. 797 Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 159.
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Finanzierungsneutralität des Steuersystems wird hierdurch sichergestellt798. Dabei ist nach dem sog. Modigliani-Miller-Theorem799 davon auszugehen, dass Eigen- und Fremdkapital grundsätzlich gleichwertig sind für ein Unternehmen800. Im Gegensatz dazu ist das bestehende deutsche Einkommensteuersystem nicht finanzierungsneutral801. Dies hat mehrere Ursachen. So sind Entnahmen in Höhe einer fiktiven Eigenkapitalverzinsung anders als Zinsen für Fremdkapital keine Betriebsausgaben und werden folglich auch nicht im Rahmen der Gewinnentstehung berücksichtigt802. Zum anderen liegt eine gewisse Asymmetrie bei der steuerlichen Erfassung der Zinszahlungen beim Kapitalgeber vor803. Denn dem Kapitalgeber kommt immerhin der Sparer-Freibetrag zu Gute, während das Unternehmen Zinszahlungen in voller Höhe steuerlich geltend machen kann. Erkauft wird diese Finanzierungsneutralität der Flat Tax durch den Übergang zur Besteuerung einer Bruttogröße, nämlich des Gewinns vor Abzug der Finanzierungskosten804. Wegen der damit einhergehenden Verteuerung der Fremdfinanzierung im Vergleich zur geltenden Einkommensteuer wären die Profiteuere dieses neuen Systems eigenkapitalstarke Unternehmen, während solche Unternehmen, die in hohem Maße auf Fremdkapital angewiesen sind, zu den Verlierern gehörten805. Wer allerdings im Endeffekt die Zahllast eines solchen Übergangs zur teilweisen Bruttobesteuerung zu tragen hätte, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Möglichkeiten der Überwälzung betroffene Unternehmer hätten806. Voraussagen hierüber sind schwerlich möglich, weshalb mit dieser Eigenschaft der Flat Tax möglicherweise nicht unerhebliche ökonomische wie politische Risiken verbunden sind807. ___________ 798
Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 16; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 115. Benannt nach Franco Modigliani und Merton H. Miller. Das Theorem wurde erstmals veröffentlicht in Modigliani/Miller, 48 Am. Econ. Rev. 261 ff. 800 Vgl. Kruschwitz, Finanzierung und Investition, S. 255; Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720. 801 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresbericht 2003/04, Tz. 528. 802 Wurmsdobler, DStZ 1999, 585, 587. 803 Kiesewetter, StuW 1997, 24, 30; Wurmsdobler, DStZ 1999, 585, 587. 804 Beiser, ÖStZ 2000, 354, 355. 805 Beiser, ÖStZ 2000, 354, 355. 806 Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 57. 807 Ebenso Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 57. 799
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e) Rechtsformneutralität Die einheitliche Art der Berechnung unternehmerischer Gewinne beendete darüber hinaus die im geltenden Einkommensteuerrecht bestehende Ungleichbehandlung zwischen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich und durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Obwohl beide Gewinnermittlungsarten denselben Gesamtgewinn ermitteln sollten808, kann es doch zu erheblichen Unterschieden im Einzelnen kommen, sodass das geltende Einkommensteuerrecht auch in diesem Punkt nicht neutral ist809. Bei Unternehmensgewinnen besteht im bestehenden Einkommensteuerrecht ferner das Problem der möglichen Doppelbelastung, wenn das Unternehmen selbst auch Steuerrechtssubjekt ist und damit der Körperschaftsteuer unterliegt. Das Halbeinkünfteverfahren kompensiert diese Doppelbelastung lediglich annäherungsweise. Eine an Zahlungsströmen orientierte Besteuerung stellte eine Vereinfachung insoweit dar, als reinvestierte Unternehmensgewinne nicht besteuert werden, sich die Besteuerung also von vornherein lediglich auf nicht reinvestierte Gewinne beschränkte810. Diese werden bei Geltung eines einheitlichen Steuersatzes auf der Ebene der Körperschaft besteuert und können dann steuerfrei an den Anteilseigner weitergereicht werden, denn die Steuersätze müssten in beiden Fällen (annähernd) dieselben sein. Da die Steuer also auf der Ebene des Betriebs erhoben wird, verwirklicht die konsumorientierte Cash Flow Besteuerung auch das Gebot der Rechtsformneutralität811.
f) Inflationsausgleich Ein weiterer möglicher Vorteil der Konsumbesteuerung in Gestalt der Cash Flow Besteuerung ist derjenige, dass die Besteuerung von Scheingewinnen, die lediglich auf die generelle Geldentwertung zurückzuführen sind, vermieden ___________ 808 Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit: s. BFH v. 31.08.1972, IV R 93/67, BStBl. II 1973, 51; BFH v. 23.02.1984, IV R 128/81, BStBl. II 1984, 516, 518; BFH v. 04.07.1990, GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830, 834 f.; BFH v. 29.04.1999, IV R 7/98, BStBl. II 1999, 488, 490; BFH v. 22.09.1999, XI R 46/98, BStBl. II 2000, 120, 121; Birk, Steuerrecht, Rn. 867; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rn. 257; Lang, S. 448 ff.; Kanzler, FR 1998, 233, 242 f.; krit. aber (wohl zu Recht) Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 61 ff.; ders., FR 1999, 1097, 1100 ff. 809 Ebenso Birk, Steuerrecht, Rn. 861. 810 Yin, 2 Fla. Tax Rev. 445, 458. 811 Eberhartinger, S. 399; Richner, ASA 73, 593, 615.
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wird812. Inflationseffekte können zwar zu nominalen Vermögensmehrungen führen, die in der Realität aber eine bloße Erhaltung des Realwertes813 oder sogar eine reale Vermögensminderung darstellen814. Relevant wird dies insbesondere bei der Besteuerung von Zinsen, wenn der Zinssatz niedriger ist als die Inflationsrate oder genauso hoch815: Dann vermehrt sich das angelegte Vermögen zwar nominell, aber nicht real; dennoch wird die Vermögensmehrung der Einkommensteuer unterworfen. Dies führt dann zu einer realen Substanzverminderung816. Und selbst wenn die Zinsrate über der Inflationsrate liegt, werden doch noch immer auch Scheingewinne besteuert817. Die klassische Einkommensteuer unterwirft derartige Scheingewinne der Besteuerung818, während die Konsumbesteuerung diesen Effekt vermeidet, da Zinsen von vornherein nicht steuerpflichtig sind. Ähnliche Probleme treten auf bei Sachinvestitionen, deren Wertsteigerungen ganz oder zum Teil auf die allgemeine Geldentwertung zurückzuführen sind, so im Zusammenhang mit Veräußerungsgewinnen nach §§ 22 Nr. 2, 23 EStG. Auch derartige Gewinne des Privatvermögens stellt die Flat Tax von vornherein steuerfrei. Darüber hinaus mag wegen der Wertbeständigkeit von Sachwerten und der privilegierten Behandlung von Veräußerungsgewinnen gegenüber Zinsen durch die jetzige Einkommensteuer eine gewisse „Flucht in die Sachwerte“ ausgelöst worden sein819. Denn Bankzinsen werden sofort besteuert, während Wertzuwächse bei sonstigen Investitionen (Aktien, Grundstücke) erst dann besteuert werden, wenn sie realisiert werden820; private Veräußerungsgewinne sind daneben in großem Umfang sogar steuerfrei821. Die Konsumbesteuerung beendet diese Ungleichbehandlung, da die Rendite von Investitionen unabhängig vom Typ der jeweiligen Investition steuerfrei gestellt wird. ___________ 812 Andel, Finanzwissenschaft, S. 348; Eberhartinger, S. 399; McCaffery, S. 36; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 116; Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 461; McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 127; Rose, StuW 1990, 88, 91. 813 Dies ist dann der Fall, wenn der Zinssatz genau der Geldentwertung entspricht. McCaffery, S. 36; Rose, BB 1996, 1085, 1087. Vgl. auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 230 f.; Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1106 f. 814 Hiller, DBW 1999, 792, 793; McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 293 f.; Rose, BB 1992, V/1, V/4 f.; vgl. auch Lang, FR 1993, 661, 669; M. Lang/Jann, IStR 1995, 55, 59; Vogel, StuW 1977, 97, 115. 815 Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 483. 816 Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1107. 817 Dazu Bericht der Meade-Kommission, S. 102 ff.; Slemrod/Bakija, S. 127 f. 818 Lang, in: FS Rose, 325, 337; v. Bockelberg, BB 1971, 925, 926; Vogel, StuW 1977, 97, 115; Winner, ÖStZ 1999, 2. 819 Dziadkowski, BB 1991, 1831, 1832; ähnlich M. Lang/Jann, IStR 1995, 55, 59. 820 McCaffery, S. 30 f. 821 M. Lang/Jann, IStR 1995, 55, 59.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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Im Zusammenhang mit unternehmerischen Einkünften kann ein ähnliches Problem auftreten, nämlich wenn die Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter nicht sofort und in voller Höhe steuerlich geltend gemacht werden dürfen, sondern über einen längeren Zeitraum verteilt werden müssen (Absetzung für Abnutzung). Da die Raten rechnerisch auf dem Anschaffungspreis beruhen, unter Umständen aber über viele Jahre hinweg geltend gemacht werden müssen, führt die allgemeine Geldentwertung dazu, dass die Raten im Laufe der Zeit real an Wert verlieren, obwohl der Nominalwert konstant bleibt822. Da sich die Konsumbesteuerung nur an realen Zahlungsströmen orientiert, kann dieses Problem hier von vornherein nicht auftreten, denn die Besteuerung tritt sofort und nicht verzögert ein823. Zusätzliche Maßnahmen zum Inflationsausgleich sind daher unnötig, denn die Nominalwerte entsprechen wegen der zeitnahen Erfassung immer den Realwerten. Der Inflationsausgleich tritt daher automatisch ein824. Im Gegensatz dazu müsste, um dieses Problem im Rahmen der Einkommensbesteuerung zu lösen, ein Inflationsausgleich bei der Ermittlung des Einkommens geschaffen werden825; dies gilt zu Recht als schwierig826 und ist bisher in Deutschland auch niemals versucht worden827. Die Einführung des Sparer-Freibetrages (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG), der der gesteigerten Inflationsanfälligkeit des Kapitalvermögens Rechnung tragen sollte828, stellt demgegenüber ein sehr pauschales und kaum ausreichendes Mittel dar. Und auch solche Regelungen, die die Besteuerung möglicher Scheingewinne verlagern sollen, wie etwa § 6 Abs. 1 Nr. 2 a EStG (Lifo-Bewertung)829 oder § 6 b EStG (Reinvestitionsrücklage), führen lediglich zu einer faktischen Steuerstundung, aber nicht zu einer dauerhaften Lösung des Problems830. Darüber hinaus verkomplizieren sie auch das bestehende Steuerrecht, so wie auch Regelungen über eine generelle Indexierung von Investitionsgewinnen das Steuerrecht weiter verkomplizierten831. ___________ 822
Bericht der Meade-Kommission, S. 104; McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 293. Hiller, DBW 1999, 792, 793 f. 824 Rose, BB 1996, 1085, 1089. 825 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 231; McCaffery, S. 36 f.; Rose, BB 1996, 1085, 1087; Ebnet, Die Besteuerung des Wertzuwachses, S. 176 ff.; Dziadkowski, BB 1991, 1831, 1833 ff.; Petersen, Personelle Einkommensbesteuerung und Inflation, S. 119 ff. 826 Simons, S. 55 f., 155 ff.; M. Lang/Jann, IStR 1995, 55, 59 fordern indes genau dies. 827 Rose, BB 1992, V/1, V/5; vor angeblichen negativen volkswirtschaftlichen Folgen warnt Birk, JA 1979, 668, 669. 828 Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1107; vgl. auch Birk, JA 1979, 668, 669. 829 s. BT-Drs. 11/2157 v. 19.04.1988, S. 140; Herzig/Gasper, DB 1992, 1301. 830 Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1107. 831 McCaffery, S. 37. 823
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
g) Vermeidung von Kapitalexporten Eine Steuerfreistellung von Spar- und Investitionsrenditen könnte darüber hinaus Kapitalexporte unattraktiver machen und damit eine Kapitalflucht in das Ausland beenden832 oder zumindest abmildern. Kapital ist, anders als Arbeitskraft, grundsätzlich international einsetzbar und nicht an Staatsgrenzen gebunden833. Folglich kann eine hohe Besteuerung von Kapitalerträgen zum Abfluss von Kapital in solche Staaten führen, die Kapitalerträge nicht oder niedriger besteuern als die Bundesrepublik834. Gerade Kapitalexporte stellen für Deutschland derzeit ein nicht zu unterschätzendes Problem dar: So lag der Wert der Nettokapitalexporte im Jahre 2004 bei etwa 85 Mrd. € (4,5 % des Nettosozialprodukts) und damit höher als der Wert der Nettoinvestitionen in Deutschland835. Stellte Deutschland nun Kapitalerträge steuerfrei, so wäre mit einer Umkehrung dieses Trends zu rechnen, sodass voraussichtlich weniger Kapital aus dem Inland ins Ausland und mehr Kapital aus dem Ausland ins Inland flösse836, was grundsätzlich volkswirtschaftlich positiv zu beurteilen wäre. Allerdings wären Auseinandersetzungen mit denjenigen Staaten zu befürchten, aus denen das Kapital abflösse.
h) Einfachheit der Cash Flow Besteuerung Eine an Zahlungsströmen orientierte Konsumsteuer wäre voraussichtlich ebenfalls weniger kompliziert und damit leichter zu administrieren als eine Einkommensteuer837, da gewisse Probleme, die die Einkommensermittlung im Rahmen der Einkommensbesteuerung verkomplizieren, nicht aufträten838. Die ___________ 832
Rose, BB 1996, 1085, 1088. So schon Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2, Art. 2 (S. 455): „… [L]and is a subject which cannot be removed; wheareas stock easily may.“ Dies gilt selbstverständlich auch für andere Formen von Kapitalvermögen. Richner, ASA 73, 593, 620 f.; Windisch, in: Andel (Hrsg.), Probleme der Besteuerung II, S. 127, 128. 834 Dies gilt allerdings nur, soweit nicht uneingeschränkt das Wohnsitzprinzip auf die Besteuerung von Zinsen Anwendung findet. Wenger, FinArch 47, 181, 232 f. 835 Sinn, PWP 7, 1, 3 m. w. N. 836 Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 385. 837 Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 115; Sureth, zfbf 52, 781, 784. 838 Eberhartinger, S. 399; M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 162 ff.; Kaldor, S. 44 ff.; 74 f.; Andrews, 87 Harv. L. Rev. 1113, 1149; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 116; Bradford, Blueprints, S. 39 f.; ders., in: Pechman (Hrsg.), What Should be Taxed: Income or Expenditure?, S. 75, 77, 102 ff.; Graetz, 57 Tax Notes 1437, 1438; Hennrichs, StuW 1999, 138, 153; Mintz/Seade, 6 World Bank Res. Observer, 177; Wagner/ 833
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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zinsbereinigte Konsumbesteuerung könnte auf eine Einkunftsart des bisherigen Systems verzichten und wäre damit zunächst theoretisch einfacher839. Darüber hinaus könnte auf Ansatz- und Bewertungsvorschriften, die sich auf die Periodisierung von Zahlungsströmen beziehen, verzichtet werden840. Zu denken ist hier etwa an die Bewertungsregelungen (Absetzung für Abnutzung, Teilwert und gemeiner Wert), Periodisierungsregelungen (Rückstellungen), Probleme des Maßgeblichkeitsprinzips oder Regelungen zur Besteuerung von thesaurierten Unternehmensgewinnen841. Grundsätzlich dürfte ein zahlungsstromorientiertes System auch buchhalterisch einfacher sein. Schließlich dürfte ein Verzicht auf Sonderregelungen auch einige der Neutralitätsverletzungen des bestehenden Steuerrechts beseitigen.
aa) Gewinnermittlung Eine eigene steuerliche Buchführung und Bilanzierung zur Ermittlung des jährlichen Unternehmensgewinnes durch Vermögensvergleich, wie sie §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG erfordern, wäre nicht notwendig, denn der unternehmerische Gewinn ließe sich durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung orientiert an den Zahlungsströmen, also bereits durch die laufende Buchführung nach Handelsrecht, ermitteln842. Damit entfiele die Pflicht von Unternehmen zur eigenständigen steuerrechtlichen Buchführung und Bilanzierung, die zu einem großen Teil für die hohe Komplexität der gegenwärtigen Unternehmensbesteuerung verantwortlich sein dürfte, und es kann davon ausgegangen werden, dass die für die Cash Flow Besteuerung erforderliche Buchführung keine zusätzliche Last darstellte843. Ferner führen gerade die steuerrechtlichen Bilanzierungsregeln auch zu zahllosen Neutralitätsverletzungen im geltenden Bilanzsteuerrecht, etwa bei der unterschiedlichen Behandlung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter844 oder bei den Regelungen zur Absetzung für Abnutzung. ___________ Schwinger, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 495, 497; vgl. auch Hiller, DBW 1999, 792, 793. 839 Rose, in: Oberhauser (Hrsg.), Probleme der Besteuerung I, S. 99, 120. 840 Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 116; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 115; Wagner/Schwinger, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 495, 497. 841 Bradford, Blueprints, S. 9; Eberhartinger, S. 399. 842 Vgl. Bradford, Blueprints, S. 107; Eberhartinger, S. 399; Bach, in: Smekal/ Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum (1999), S. 85, 105. 843 Eberhartinger, S. 399; McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 130 f. 844 Hierzu Sigloch, StuW 1990, 229, 231.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
bb) Bilanzierungsfragen Probleme der Bilanzierung, wie etwa der Bewertung von Wirtschaftsgütern845, wären im Rahmen der zahlungsstromorientierten Konsumbesteuerung obsolet, da die Besteuerung sich lediglich an realen Zahlungsströmen orientiert. Auch Rückstellungen wären steuerlich irrelevant, da es für die Steuerberechnung erst auf den tatsächlichen Abfluss von Mitteln ankäme846, nicht schon auf das Drohen einer Inanspruchnahme. Insbesondere bei der Ermittlung der Wertminderungen von Investitionen, etwa der Absetzung für Abnutzung, stößt die kapitalorientierte Einkommensteuer an ihre Grenzen, denn, um wirtschaftlich neutral zu sein, müsste konsequenterweise die jeweilige Abschreibungsrate genau der jeweils eingetretenen Minderung des Ertragswerts der zu Grunde liegenden Investition entsprechen847, das heißt, der Gewinnermittlung wäre immer der ökonomische Gewinn zu Grunde zu legen848. Eine solch genaue Bestimmung der jeweiligen Wertminderung ist indes schon aus Praktikabilitätsgründen kaum zu leisten849. Dies führt dazu, dass Abschreibungen verzerrend wirken, ja „völlig unkontrollierte Allokationswirkungen“850 aufweisen können: Ein vor Steuern negativer Kapitalwert kann nach Steuern positiv sein und umgekehrt851. Unterschiedliche Steuersätze und ein direkt progressiver Steuertarif verstärken diese Zerrwirkungen noch zusätzlich852. Das gegenwärtige Steuersystem genügt daher nicht den Anforderungen an ein investitions- und finanzierungsneutrales Steuersystem853. Die Flat Tax vermeidet diese Schwierigkeiten, da sie nur an konkreten Zahlungsströmen orientiert ist und somit eine Sofortabschreibung aller unternehmerischen Investitionen zulässt854. Damit entfällt zugleich eine weitere Neutralitätsverletzung des bestehenden Einkommensteuerrechts, nämlich die als be___________ 845
Hierzu gehören auch die Probleme, die im Zusammenhang mit der Bewertung von angefangenen Arbeiten oder Warenvorräten sowie mit Wertberichtigungen entstehen. Richner, ASA 73, 593, 614. 846 Vgl. Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 604. 847 Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 51. 848 Winner, ÖStZ 1999, 2, 3. 849 Sigloch, StuW 1990, 229, 231; Winner, ÖStZ 1999, 2, 3; Yin, 2 Fla. Tax Rev. 445, 457. 850 Sinn, S. 302. 851 Beispiel bei Sigloch, StuW 1990, 229, 231. 852 Sigloch, StuW 1990, 229, 231. 853 Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 191. 854 Andel, Finanzwissenschaft, S. 348; Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 604; Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2365; Richner, ASA 73, 593, 614 f.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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wusste subventionelle Steuerbegünstigungen gewährten Sonderabschreibungen für bestimmte Investitionen (§§ 7 a ff. EStG)855. Schließlich entfiele auch insoweit die Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung wegen der Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital und der damit einhergehenden Finanzierungsneutralität der Flat Tax856.
cc) Realisationsprinzip Auch das Realisationsprinzip des bestehenden Einkommensteuerrechts bereitet Schwierigkeiten sowohl in theoretischer wie in praktischer Hinsicht. In theoretischer Hinsicht ist es jedenfalls dem Haig/Simons-Konzept fremd, denn danach gehören auch nicht realisierte Wertzuwächse des Vermögens zum Einkommen (s. § 3 A. I., S. 50). Gerade dies ist bei der bestehenden Einkommensteuer indes nicht der Fall. Vielmehr sollen Sonderregelungen gerade auch dafür sorgen, dass an sich realisierte Wertsteigerungen des Vermögens nicht oder bevorzugt besteuert werden. Dies mag wirtschaftspolitisch überzeugen, hat aber verzerrende Wirkung und trägt auch zur Komplexität des Steuersystems bei. Auch wird das Sparen, das von der Kapitaleinkommensteuer nach Abzug des Sparer-Freibetrages (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG) voll erfasst wird, als Anlageform gegenüber anderen Anlageformen benachteiligt. Denn Private können bei Einhaltung der in § 23 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG genannten Fristen Wertsteigerungen im sonstigen Privatvermögen sogar steuerfrei realisieren, während Zinsen immer sofort besteuert werden857. Dass die Besteuerung von Zinsen bei gleichzeitiger Steuerfreistellung von sonstigen realisierten Wertzuwächsen des Privatvermögens verzerrend auf die Präferenzen der Steuerpflichtigen wirkt, dürfte auf der Hand liegen. Eine Cash Flow Besteuerung könnte theoretisch diese Schwierigkeiten vermeiden, da bloße Vermögensmehrungen irrelevant wären, solange sie nicht realisiert und für konsumtive Zwecke eingesetzt werden. Sowohl nicht realisierte Wertsteigerungen als auch realisierte Wertsteigerungen und Sparrenditen blieben unbesteuert bis zum Zeitpunkt des Konsums858; durch Reinvestieren kann die Besteuerung vermieden werden. ___________ 855
Vgl. hierzu Sigloch, StuW 1990, 229, 230. Eberhartinger, S. 400 (Fn. 1710); McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 139; Wagner/Schwinger, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems (1991), S. 495, 509. 857 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 580. 858 Yin, 2 Fla. Tax Rev. 445, 457. 856
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
i) Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Übergang zur Konsumbesteuerung das Sparen zwar theoretisch attraktiver macht, weil das Sparen unter einer Konsumsteuer nicht belastet wird. Ob hieraus allerdings ein Anstieg der Sparquote resultieren wird, ist ungewiss, da auch andere Faktoren Auswirkungen auf die Sparquote haben. Außerdem ist zweifelhaft, ob eine Erhöhung der Sparquote in Deutschland wünschenswert wäre. Nur mit dem erhofften Anstieg der Sparquote lässt sich ein Übergang zur Konsumbesteuerung daher nicht begründen. Allerdings wäre die Cash Flow Steuer vom R-Typ gegenüber der geltenden Einkommensteuer in wichtigen Punkten einfacher. Auch stellt sie Investitions-, Finanzierungs- und Rechtsformneutralität sicher. Unter Effizienzgesichtspunkten wäre die Flat Tax der geltenden Einkommensteuer somit überlegen.
3. Konsumbesteuerung und Gerechtigkeit Heftig umstritten ist auch die Frage, ob eine Konsumsteuer gerechter ist als eine Einkommensteuer oder umgekehrt. Zur Beantwortung dieser Frage empfiehlt es sich, sich das jeweilige Steuerobjekt noch einmal vor Augen zu führen: Die Konsumsteuer soll den für konsumtive Zwecke verwendeten Teil des persönlichen Einkommens erfassen, während bei der Einkommensteuer – bei allen Schwierigkeiten der Definition des Steuerobjekts „Einkommen“ – das konsumierbare Einkommen erfasst werden soll. Mithilfe der Einkommensteuer wird also die Gesamtheit der im Veranlagungszeitraum erwirtschafteten Vermögensmehrungen besteuert859, während die Konsumsteuer nur auf den konsumierten Teil dieser Vermögensmehrungen zugreift. Wie daher zu zeigen sein wird, kreisen alle Gerechtigkeitsargumente letztlich um die Frage, ob das Einkommen oder der Konsum das vorzugswürdige Steuerobjekt darstellt, insbesondere zur Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Auch hier sollen Einkommen- und Konsumeinkommensteuer im Hinblick auf die Verwirklichung horizontaler und vertikaler Steuergerechtigkeit untersucht werden.
___________ 859 Man könnte deshalb auch von einer Steuer auf das erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt sprechen. Vgl. Warren, 89 Yale L.J. 1081, 1088 ff.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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a) Horizontale Gerechtigkeit aa) Intertemporale Gerechtigkeit Das gewichtigste Argument zu Gunsten einer konsumorientierten Einkommensteuer ergibt sich aus einer intertemporalen Betrachtungsweise: In Kombination mit einer Lebensendbesteuerung erlaubt die Konsumbesteuerung, den Lebenskonsum des Steuerpflichtigen genau einmal steuerlich zu erfassen860. Zur Verdeutlichung soll auch hier ein Beispiel herangezogen werden861: Der Steuerpflichtige A erwirtschaftet in Periode 1 ein Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit in Höhe von 105.000,– €, das er sogleich verkonsumiert. In Periode 2 erwirtschaftet er kein Einkommen. Der Steuerpflichtige B erwirtschaftet in Periode 1 ein Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit in Höhe von 100.000,– €, die er zu einem Zinssatz von 5 % anlegt. Folglich fließen ihm in Periode 2 Einnahmen in Höhe von 5.000,– € zu. In einer steuerfreien Welt hätten A und B jeweils Einkommen in Höhe von 105.000,– € erwirtschaftet, wären also gleich leistungsfähig. In einer Welt mit Steuern werden A und B jedoch unterschiedlich behandelt. Zu Vereinfachungszwecken sei unterstellt, dass der Durchschnittssteuersatz jeweils 50 % beträgt. A zahlt folglich 52.500,– € an Steuern und hat 52.500,– € für Konsumzwecke zur Verfügung. B hingegen zahlt 50.000,– € Steuern in Periode 1 und kann daher nur 50.000,– € anlegen. Hieraus fließen ihm in Periode 2 Zinsen in Höhe von 2.500,– € zu, von denen er wiederum 1.250,– € an Steuern zu entrichten hat. B stehen folglich insgesamt nur 51.250,– € für Konsumzwecke zur Verfügung, 1.250,– € weniger als A. Dies wäre anders, wenn Zinsen mithilfe der Zins- oder Sparbereinigung steuerfrei gestellt wären. Denn dann hätten A und B beide insgesamt 52.500,– € für Konsumzwecke zur Verfügung. Die konsumorientierte Einkommensteuer scheint daher bei Betrachtung nicht nur eines Veranlagungszeitraumes, sondern der Lebenszeit eines Steuerpflichtigen den Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit besser zu verwirklichen als die kapitalorientierte Einkommensteuer862. Darüber hinaus soll ___________ 860 Bradford, Untangling the Income Tax, S. 154 ff.; Andrews, 87 Harv. L. Rev. 1113, 1167 f.; Rose, BB 1996, 1085, 1089. 861 Nach Tipke, StRO II, S. 642; Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 22 f.; Dorenkamp, StuW 2000, 121, 125 f.; ähnliche Beispiele verwenden: Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 137 f.; Ohmer, S. 132 ff.; Lang, DStJG 24, 49, 67; ders., in: P. Kirchhof/ Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 37, 42 ff.; Pollak, in: P. Kirchhof/ Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 53 f.; Rose, BB 1996, 1085, 1087; ders., in: Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, S. 247, 250. 862 So z. B. Lammersen, S. 54 f.; Andrews, 87 Harv. L. Rev. 1113, 1167 ff.; Doernberg, 70 Iowa L. Rev. 425, 440 f.; Greß/Rose/Wiswesser, S. 26 ff.; Pollak, in: FS
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
die konsumorientierte Steuer sogar eine dynastische Gleichbehandlung, also eine Gleichbehandlung potenziell ohne Zeithorizont, sicherstellen863. Der Übergang zur Konsumbesteuerung wird von seinen Befürwortern daher als gerecht angesehen, weil eine Konsumsteuer Konsum und Sparen gleich behandle und das Sparen nicht diskriminiere864. Insofern sei eine Konsumeinkommensteuer gerechter als eine Kapitaleinkommensteuer865. Denn die Kapitaleinkommensteuer belaste das Sparen doppelt, indem sie zunächst das angelegte Kapital schmälere und sodann auch noch die hiermit erwirtschafteten Zinsen erfasse (s. § 5 D. II. 2. a) (1), S. 192). Nun wurde bereits oben in Bezug auf die verzerrenden Wirkungen der direkten Progression dargelegt, dass eine lebenszeitliche Betrachtungsweise einer periodischen Betrachtungsweise vorzuziehen ist (s. S. 142 ff.); im Zusammenhang mit der Wahl eines Steuerobjekts kann nichts anderes gelten866. Allerdings bestehen andere Bedenken gegen diese Sichtweise.
bb) Konsum als relevante Ausgangsgröße? Diese Argumentation lässt sich in der Theorie nämlich nur dann halten, wenn davon ausgegangen wird, dass der Konsum richtiger Anknüpfungspunkt für den steuerlichen Zugriff ist. Denn die angebliche Ungleichbehandlung von Sparen und Konsum lässt sich nur dann bejahen, wenn vom Konsum als dem Vergleichswert ausgegangen wird. Nur wenn der heutige Konsum als Referenzgröße angesehen wird, lässt sich sagen, dass im System der Einkommensbesteuerung Sparen im Vergleich zu sofortigem Konsum schlechter gestellt wird867. Nun könnte man argumentieren, dass Besteuerung letztendlich einen Verzicht, ein Opfer des Steuerpflichtigen darstellt868; „Opfer“ bedeutet in diesem ___________ Pohmer, S. 69, 77 ff.; dies., in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 53 f. 863 Dies gilt nur dann, wenn Erbschaften nicht besteuert werden. Rose, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 7, 30; ders., in: KrauseJunk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, S. 247, 255. Hiergegen wohl zu Recht Mitschke, Steuer- und Transferordnung aus einem Guss, S. 173 ff. s. auch McLure/ Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 161 ff. 864 Rose, BB 1992, V/1, V/6; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 114; vgl. auch Dorenkamp, StuW 2000, 121, 125 f. 865 Rose, BB 1996, 1085, 1087. 866 Pollak, in: FS Pohmer, S. 69, 73. 867 Schneider, S. 729; Vickrey, S. 330; McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2152 f. 868 Meyer, S. 169; zu den Opfertheorien s. S. 158 ff.
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Zusammenhang immer „Konsumopfer“869, denn Konsum, gleich ob sofort oder später, muss das Endziel jeglicher Einkommenserzielung sein (s. S. 37). Aus diesem Grunde ließe sich gut vertreten, dass dann auch nur der Konsum, also der Zeitpunkt der Einkommens- und Vermögensverwendung, Anknüpfungspunkt der Besteuerung sein sollte870. Darüber hinaus wird auch vertreten, dass eine Konsumsteuer die gerechtere Form der Besteuerung darstelle, da sie die Steuerpflichtigen danach besteuere, was sie aus der Volkswirtschaft herausnehmen, nicht danach, was sie für die Volkswirtschaft erwirtschaften (s. S. 191)871. Konsumsteuergegner erheben dagegen den Vorwurf, die Prämisse, dass der Konsum der Wert sei, an dem sich die Besteuerung orientieren solle, werde in der Argumentation der Konsumsteuerbefürworter vorausgesetzt und werde nicht begründet. Daher sei die Argumentation zirkulär, weil der Schluss der Diskriminierung gegen das Sparen die Prämisse voraussetze, dass Konsum der zutreffende Besteuerungsmaßstab sei872. Dieser Vorwurf ist also nicht begründet. Indes ist zutreffend, dass auch das Einkommen Anknüpfungspunkt des steuerlichen Zugriffs sein kann. Wenn also nicht der Konsum, sondern der Zufluss des Einkommens die der Besteuerung zugrunde zu legende Größe ist, so lässt sich der Vorwurf der Diskriminierung des Sparens nicht aufrecht erhalten, denn dann verlagert sich auch der relevante Vergleichzeitpunkt. Es kommt nämlich dann auf den Zeitpunkt an, zu dem der Steuerpflichtige Einkommen erzielt, dem Steuerpflichtigen also der vermögenswerte Vorteil zufließt. In diesem Fall wäre dann die Steuerfreistellung von Kapitaleinkünften im System der Konsumbesteuerung problematisch, da sie diese Art von Einkommen bevorzugt873. Für Einkommen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung spricht, dass Einkommen im Allgemeinen die Möglichkeit, Konsumgüter zu erwerben, vermittelt; daher müsste es sich dann auch als Indikator für die Möglichkeit, Steuern zu zahlen, eignen874. ___________ 869
Vgl. Tipke, StRO II, S. 640; Greß/Rose/Wiswesser, S. 28. Genauer P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 25: Einschränkung der Konsummöglichkeiten natürlicher Personen. s. auch Rose, in: Baron/Handschuch (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, S. 65, 73. 870 So etwa McCaffery, S. 40 f.; Lang, FR 1993, 661, 669. 871 Hobbes, Leviathan, Kap. 30; Fisher/Fisher, Constructive Income Taxation, S. 25, 121 ff.; Kaldor, S. 53; vgl. auch Goode, in: FS Pohmer, S. 87; Pollak, in: FS Pohmer, S. 69, 70; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 367. 872 McNulty, 88 Cal. L. Rev. 2095, 2153. 873 Vgl. Holmes, S. 49; Vickrey, S. 330; Musgrave/Musgrave, in: FS Rose, S. 581, 585 f. 874 Vgl. Pollak, in: FS Pohmer, S. 69, 72.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Bei diesem Streit, der letztendlich um die Frage kreist, ob Einkommenserzielung oder Einkommensverwendung der bessere Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit ist, lässt sich kein eindeutig „besserer“ Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit ermitteln. So beruhte die Einführung der Einkommensteuergesetze zum Ende des 19. Jahrhunderts auf der Auffassung, dass das Einkommen der beste Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit sei875. Inzwischen wird aber selbst von Befürwortern der Einkommensteuer eingeräumt, dass auch diese bei der Erfassung steuerlicher Leistungsfähigkeit Mängel aufweist876. In diesem Zusammenhang wirkt sich insbesondere die Kontroverse um die der Einkommensermittlung zu Grunde zu legende Theorie (Quellen-, Reinvermögenszugangs- oder Markteinkommenstheorie?) aus877. Die Reinvermögenszugangstheorie, die dem geltenden EStG zu Grunde liegt, lässt sich konsequent kaum umsetzen, denn insbesondere Wertzuwächse des Privatvermögens sind im Rahmen der Reinvermögenszugangstheorie kaum zu erfassen878. Daher setzt das geltende EStG in Wirklichkeit ein Hybrid aus Einkommens- und Konsumbesteuerung um (s. S. 196).
cc) Gleiches Verhältnis als anzustrebendes Ziel Des Weiteren wird den Konsumsteuerbefürwortern vorgeworfen, sie begründeten die besondere Fairness der Konsumbesteuerung gegenüber der Einkommensbesteuerung damit, dass es gerechter sei, wenn das Verhältnis von heutigem zu zukünftigem Konsum dasselbe sei in einer Welt mit Steuern wie in einer Welt ohne Steuern. Allerdings werde nicht begründet, weshalb dies Voraussetzung einer gerechten Steuerwelt sein solle. Vielmehr werde dieses Postulat als selbstverständlich vorausgesetzt879. Bei näherem Hinsehen erscheine jedoch zweifelhaft, ob diese Annahme wirklich zutreffe. So lasse sich hiergegen anführen, dass es bei der Betrachtung nicht in erster Linie um eine Abwägung zwischen heutigem und zukünftigem Konsum gehe; vielmehr setzten die Beispiele voraus, dass derjenige, der auf heutigen Konsum verzichte, sein Geld auch investiere und, da die Investition in allen Beispielen als erfolgreich angenommen werde, mehre. Folglich lasse sich vertreten, dass es in Wirklichkeit ___________ 875 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 361; s. auch Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 21: „Theoretisch ist die Einkommensteuer die Idealsteuer des Leistungsfähigkeitsprinzips“; Mann, Steuerpolitische Ideale, S. 314 ff. 876 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 361. 877 Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 21. 878 Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 21. 879 O’Kelley, 16 Ga. L. Rev. 1, 9.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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darum gehe, auf heutigen Konsum zu verzichten zu Gunsten einer Investition und eines entsprechend höheren Konsums in der Zukunft880. Ein Steuerpflichtiger könne aber auch für künftigen Konsum sparen ohne zu investieren („Sparstrumpf“)881. In diesem Fall bringe das Geld zwar keine Zinsen, aber der zukünftige Konsum werde theoretisch auch nicht im Vergleich zu heutigem Konsum diskriminiert, da keine zusätzlichen Einkommensteuern anfallen. Mit dieser Kritik eng verbunden ist der Hinweis, dass die Konsumsteuerbefürworter in ihrer Argumentation unterstellen, der Zins, den der Steuerpflichtige für seine Investition erhalte, sei identisch mit dem Zins, der die persönliche Zeitpräferenz (jetziger oder späterer Konsum) des Steuerpflichtigen zum Ausdruck bringe; dies könne jedoch ohne Beweis nicht einfach unterstellt werden882. Ferner ergäben sich dann Schwierigkeiten, wenn eine Investition plötzlich höhere Renditen abwerfe als erwartet883. Dieser Kritik ist zuzugeben, dass es eine allgemein gültige Nutzenfunktion für den Verzicht auf heutigen Konsum für alle Steuerpflichtigen nicht gibt (s. S. 157 ff.). Sie vernachlässigt allerdings den Zeitwertaspekt des Geldes. Wird das Geld nicht investiert, sondern lediglich verwahrt, so verliert es aufgrund der allgemeinen Geldentwertung real an Wert; der künftige Konsum ist dann folglich weniger wertvoll als der sofortige und gerade nicht gleichwertig.
b) Vertikale Steuergerechtigkeit In vertikaler Hinsicht haftet der Konsumbesteuerung der Makel des Unsozialen an. Vielfach wird angenommen, dass sich bei der indirekten Konsumbesteuerung das Existenzminimum des Steuerpflichtigen nicht in zufrieden stellender Weise berücksichtigen lässt884. Gerade dieses Problem könnte indes bei Einführung einer direkten Konsumsteuer wie der Flat Tax durch Gewährung eines Freibetrages gelöst werden885. Ein weiteres, auch politisch bedeutsames Problem bei der Umsetzung einer konsumorientierten Besteuerung könnte die Tatsache sein, dass gerade diejenigen, die bereits ein beträchtliches Vermögen besitzen, kaum Steuern zu zahlen ___________ 880
O’Kelley, 16 Ga. L. Rev. 1, 10. O’Kelley, 16 Ga. L. Rev. 1, 10. 882 Mohr, S. 143 ff. 883 Mohr, S. 144 f. 884 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 361 f.; Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 26; Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 88. 885 So auch Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 362 für die persönliche Augabensteuer. 881
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
hätten, da sie wahrscheinlich zu einem großen Teil Kapitaleinkünfte beziehen, die bei der Zinsbereinigung steuerfrei sind886. Insofern lässt sich provokativ formulieren, dass die Flat Tax mit ihrer Zinsbereinigung gerade viele der reichsten Steuerzahler von der Besteuerung ausnähme887, was zum einen zu einer noch größeren Akkumulation von Reichtum in den Händen Weniger führen könnte888, zum anderen auch die politische Umsetzbarkeit in Frage stellen könnte889. Die kapitalorientierte Einkommensteuer soll nach Auffassung ihrer Befürworter also auch dazu dienen, bereits bestehende Vermögen zu erreichen, quasi als zweitbeste Alternative zu einer Vermögensteuer890. Ferner bevorzugt eine Konsumsteuer ohne Zweifel Kapitaleinkommen auf Kosten des Lohneinkommens. Nach der klassischen Vorstellung sollte dagegen eher eine Diskriminierung des Kapitaleinkommens erfolgen, da es als nicht „erarbeitet“ und besonders sicher angesehen wird891. Bei genauerer Betrachtung stellen sich hier sogar zwei Gerechtigkeitsprobleme: Einerseits liegt die Sparquote bei Beziehern höherer Einkommen statistisch höher als bei Beziehern niedrigerer Einkommen892. Hieraus ließe sich der Schluss ziehen, dass Konsumsteuern regressiv wirken893 und daher eine Besteuerung des Einkommens anstelle des Konsums notwendig ist, um auch Bezieher höherer Einkommen, die einen größeren Teil ihres Einkommens zum Sparen verwenden, in angemessener Höhe zu besteuern. Zum zweiten müssten im System der Konsumbesteuerung diejenigen, die bereits über beträchtliche Vermögen verfügen, auf Kapitaleinkünfte nur dann Steuern zahlen, wenn diese für den Konsum verwendet werden; anderenfalls könnten große Vermögen immer weiter anwachsen, ohne jemals der Besteuerung unterworfen zu sein. Schließlich führen Gegner der Konsumbesteuerung an, dass mit Reichtum auch ___________ 886
Tipke, StRO II, S. 642 f.; Eberhartinger, S. 398; Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 161; McCaffery, S. 40; Sinn, S. 300; Dorenkamp, StuW 2000, 121, 128; Toder, 66 Tax Notes 2002, 2004. 887 So Roberts/Sullivan, 39 Challenge 24; vgl. auch Sugin, 72 Fordham L. Rev. 1991, 1994 (Fn. 14); Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 911. 888 Lang, StuW 1990, 107, 117; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 380; Toder, 66 Tax Notes 2003, 2010. 889 So Sinn, S. 300, der hieraus den Schluss zieht, die Cash Flow Steuer vom R-Typ sei wegen der befürchteten politischen Probleme bei der Zinsfreistellung auf Haushaltsseite nicht umsetzbar. s. auch Kambeck, Wirkungen der Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 161. 890 Vgl. Cunningham, 52 Tax L. Rev. 17, 19 f. 891 s. schon Smith, Wealth of Nations, Buch 5, Kap. 2.2, Art. 3 (S. 475 ff.); BVerwG v. 20.03.1959, VII C 53.57, BVerwGE 8, 211, 212. 892 Toder, 66 Tax Notes 2002, 2005. 893 Toder, 66 Tax Notes 2002, 2004; kritisch zu dieser These mit statistischer Auswertung für die USA Sabelhaus, 46 Nat’l Tax J. 331 ff. s. auch McCaffery, S. 40.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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gewisse immaterielle Vorteile wie etwa Status, Macht und soziale Sicherheit verbunden seien, die nur mithilfe der Einkommensbesteuerung erfasst werden könnten894. Das Akkumulationsproblem ließe sich mit einer Besteuerung am Lebensende lösen895: So könnte etwa das bis dahin akkumulierten Reichtum derselben Besteuerung unterworfen werden wie konsumiertes Einkommen, was allerdings eine Bewertung des Sachvermögens erforderlich machte896. Eine solche Besteuerung lehnen Hall/Rabushka allerdings unter Hinweis auf das Gebot, Einkommen lediglich einmal zu besteuern, ab897. Bei diesem generationenübergreifenden Ansatz besteht allerdings in der Tat die Gefahr, dass Vermögen akkumuliert werden, ohne auf absehbare Zeit einer Besteuerung zugeführt zu werden898. Zwar erscheint es logisch folgerichtig, auch hier bis zum Augenblick des Konsums zu warten; aus fiskalischen Gründen und zur Vermeidung der Konzentration großer Vermögensmassen in einer Hand dürfte es sich aber empfehlen, am Lebensende eine Besteuerung des angehäuften, also nicht konsumierten, Vermögens nachzuholen899. Dies lässt sich mit dem Argument rechtfertigen, dass auch im Vererben eine Art von Vermögensverwendung liegt900. Auch das Problem der regressiven Wirkung von Konsumsteuern wird weniger gravierend, wenn nicht nur ein Veranlagungszeitraum, sondern der Lebenszeitraum des Steuerpflichtigen betrachtet wird. Schon oben wurde dargelegt, dass der Lebenszeitraum der zutreffendere Vergleichsmaßstab ist (s. S. 142). Unter Einschluss der Besteuerung am Lebensende sollte der jeweilige Lebenszeitkonsum plus die nicht konsumierten Ersparnisse eines Steuerpflichtigen damit genau einmal besteuert werden; dass Besserverdiener mehr sparen, schützt also bei Einführung einer Besteuerung am Lebensende nicht vor dem einmaligen Steuerzugriff. Ferner soll im System der Flat Tax durch den vergleichsweise hohen persönlichen Freibetrag gerade der lebensnotwendige Konsum von jeglicher Besteuerung ausgenommen werden. Insofern könnte man argumentieren, dass es irrelevant ist, ob Bezieher niedrigerer Einkommen einen höheren Anteil ihrer Einkommen für den Konsum aufwenden müssen, da der lebensnotwendige Kon___________ 894 Haller, Die Steuern, S. 56 ff.; Schneider, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 1, 7; Naust, FinArch 49, 501, 503; Niehus, DStZ 2000, 697, 699; Schneider, FinArch 37, 26, 31. 895 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 24; Kaldor, S. 100 f.; Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 477; P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 54 f. 896 P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 55. 897 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 126 f.; ebenso McCaffery, S. 62 ff. 898 Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 380; Richner, ASA 73, 593, 624 f. 899 Ebenso Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 24. 900 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 24; s. a. Richner, ASA 73, 593, 624 f.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
sum ohnehin steuerfrei ist; was darüber hinaus geht, kann nicht mehr als lebensnotwendig angesehen werden und muss auch für die Besteuerung zur Verfügung stehen901. „Reiche“ werden folglich nur in dem Ausmaß begünstigt, wie sie ihre Zinseinkünfte nicht für Konsumzwecke verwenden, sondern – volkswirtschaftlich wünschenswert – weiter sparen902. Allerdings löst diese Betrachtung nicht den grundsätzlichen Konflikt, der entsteht, wenn mit den Gegnern der Konsumbesteuerung davon ausgegangen wird, dass es sich bei Kapitaleinkünften selbst wieder um Einkommen handelt, das wie Arbeitseinkommen auch besteuert werden sollte903. In Bezug auf die mit Reichtum verbundenen angeblichen immateriellen Vorteile lässt sich sagen, dass diese zunächst aus der Möglichkeit, den Reichtum für Konsumzwecke zu verwenden, stammen und nicht aus einer hiervon unabhängigen anderen Quelle904. Darüber hinaus sind immaterielle Vorteile mit vielen Dingen verbunden; es wird jedoch niemals versucht, derartige Vorteile zu quantifizieren, um sie der Besteuerung zu unterwerfen905; über Relevanz und Umfang solcher Vorteile ließe sich wohl auch endlos streiten906. Schließlich müssen sich die Gegner der Konsumbesteuerung fragen lassen, ob nicht eine Steuer auf das gehaltene Vermögen die sach- und systemgerechtere Alternative wäre, um die angeblichen Vorteile akkumulierten Vermögens zu erfassen und zu besteuern. Eine Einkommensteuer erreicht weder Vermögen, die sich vor Inkrafttreten der Steuer gebildet haben907, noch Vermögen, die nicht Gewinn bringend angelegt werden, obwohl mit dem bestehenden Vermögen doch immaterielle Vorteile verbunden sein sollen. Es wäre daher einzig sachgerecht, das Vermögen direkt mit einer Steuer zu belegen, anstatt indirekt Kapitalerträge aus der Anlage des Vermögens erfassen zu wollen908. Eine Kapitaleinkommensteuer ist aus diesen Gründen nur ein untaugliches Mittel, um eine bestehende Vermögensverteilung zu korrigieren909. Eine weitere Konsequenz könnte darin bestehen, die Methode der Zinsbereinigung derjenigen der Sparbereinigung vorzuziehen, weil nach der Zinsbereini___________ 901
In diesem Sinne etwa Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 157. Mill, Principles of Political Economy, Buch V, Kap. II, Abs. 23; McCaffery, S. 41. 903 So etwa Goode in: Pechman (Hrsg.), What Should be Taxed: Income or Expenditure?, S. 49, 54. 904 Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991. 905 Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991. 906 Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 54. 907 Andrews, 88 Harv. L. Rev. 947, 957. 908 So auch schon Andrews, 88 Harv. L. Rev. 947, 957. 909 Ebenso Andrews, 88 Harv. L. Rev. 947, 956 f.: „… [A]n income tax – even a true accretion-type tax – is a most deficient device for attacking disparities in wealth, …“. 902
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gung die Basis für das Sparen und damit für die Erzielung immaterieller Vorteile bereits geschmälert wird910.
c) Theoretische Bedenken gegen die Argumentation der Konsumsteuerbefürworter Die im Modell nachvollziehbare und logische Argumentation der Konsumsteuerbefürworter stößt auch auf theoretische Bedenken. So müssen für die Allgemeingültigkeit einige Annahmen getroffen werden, die sich in der Praxis als unhaltbar herausstellen dürften911: Zunächst setzt die intertemporale Betrachtung voraus, dass Steuerpflichtigen auch ihre zukünftigen Einnahmen und Ausgaben bekannt sind. Denn nur dann kann davon ausgegangen werden, dass sie eine vollständig informierte Entscheidung über Konsum und Sparen treffen können, und dass sich Steuerpflichtige mit Lebenszeiteinkommen gleichen Gegenwartswertes in vergleichbarer Lage befinden912. Die von den Konsumsteuerbefürwortern vorgenommene Betrachtung ex post stimmt daher möglicherweise mit den ex ante getroffenen Annahmen der Steuerpflichtigen nicht überein. Ferner dürfen sich die Konsumpräferenzen des Steuerpflichtigen im Laufe des Lebens auch nicht ändern, denn anderenfalls wäre das Nutzenverhältnis von sofortigem zu späterem Konsum nicht gleich. Darüber hinaus unterstellt das Modell, dass es vollkommene Kreditmärkte gibt, auf denen alle Wirtschaftssubjekte Geld zu demselben Zinssatz leihen und anlegen können913. Denn nur in diesem Fall ist der Gegenwartswert von sofortigem und späterem Konsum wirklich vergleichbar. Die Annahme ist indes unrealistisch914, da es gerade Wirtschaftssubjekten mit kleineren Einkommen und Vermögen schwerer fallen wird, Zugang zum Kapitalmarkt zu erhalten. Anders gewendet: Ein 20-Jähriger, der heutigen Konsum mit Krediten finanzieren möchte, hat möglicherweise Schwierigkeiten, die erforderlichen Kredite auch zu erhalten. Er kann folglich das Maß seines jetzigen Konsums auch nicht autonom bestimmen, wie es für die Argumentation der Konsumsteuerbefürworter aber grundsätzlich erforderlich wäre. ___________ 910
Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49,
54. 911
Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 725 ff. Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 24; Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 725; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 192. 913 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 24 f.; vgl. auch Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 727: Erforderlichkeit eines Konkurrenzgleichgewichts auf dem Kapitalmarkt. 914 Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 192. 912
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
In theoretischer Hinsicht ist auch zu hinterfragen, ob die These von der Doppelbelastung der Zinserträge haltbar ist. Hiergegen ist vielfach angeführt worden, eine Doppelbelastung bestehe deshalb nicht, weil es sich bei den Einnahmen, die zum Sparen verwendet werden, und bei den Einnahmen aus Sparerträgen um unterschiedliche Einnahmen handle; insofern greife die Einkommensteuer bei der Besteuerung von Zinseinkünften auf neues oder anderes Einkommen zu als bei der vorherigen Besteuerung etwa von Arbeitseinkünften, die zum Sparen verwendet werden915. Folglich komme es gerade auf den Zufluss von Vermögenswerten an, nicht auf die Verwendung derselben916. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Debatte um die Frage kreist, ob Konsum oder Einkommen der bessere Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit ist. Das Argument der Benachteiligung von Sparern durch eine Kapitaleinkommensteuer ist darüber hinaus mit dem Hinweis angegriffen worden, dass eine Konsumsteuer ebenfalls benachteiligende Wirkung habe: Arbeitnehmer, die viel arbeiteten und viel konsumierten, seien gegenüber Arbeitnehmern, die wenig arbeiteten, wenig konsumierten und mehr Freizeit genössen, benachteiligt917. Die einzige Möglichkeit, diese Ungleichbehandlung zu beseitigen, sei eine Kopfsteuer oder eine Steuer auf das persönliche Potenzial („endowment tax“)918.
d) Theoretische Bedenken gegen die Argumentation der Konsumsteuergegner Auch die Argumentation der Konsumsteuergegner begegnet Bedenken. Denn das angeblich höhere Maß an Gerechtigkeit bei der Kapitaleinkommengegenüber der Konsumeinkommensteuer ließe sich nur dann wirklich begründen, wenn die Kapitaleinkommensteuer alle Formen des Sparens gleichmäßig erfasste. Denn nur dann wäre sichergestellt, dass „Reiche“ nicht der Steuerpflicht entgehen. Genau dies ist im bestehenden Einkommensteuerrecht aber nicht der Fall, und es lässt sich auch nicht durch Modifikationen des Einkommensteuerrechts sicherstellen. In diesem Zusammenhang sei nur erinnert an die unterschiedliche Behandlung von Bankzinsen und Sachinvestitionen: Während diese immer steuerpflichtig sind, sind jene nur steuerpflichtig, wenn Realisierung von Wert___________ 915 Vgl. McNulty, StuW 1989, 120, 123; a. A. Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 53 f.; dies., in: FS Pohmer (1990), S. 69 ff. 916 Ebenso Fischer, DStJG 24, 463, 480. 917 Fried, 44 Stan. L. Rev. 961, 999; Musgrave/Musgrave, in: FS Rose, S. 581, 587. 918 Murphy/Nagel, S. 108, 133; Fried, 44 Stan. L. Rev. 961, 999.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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steigerungen erfolgt und die zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 22, 23 EStG gegeben sind. Das Erfordernis der Realisierung lässt sich auch kaum aufgeben. „Reiche“ werden also möglichst wenig Geld so anlegen, dass Bankzinsen entstehen, sondern vielmehr so, dass sie von Wertsteigerungen in Sachinvestitionen profitieren können. Die Behauptung, die bestehende Einkommensteuer sei gerechter als eine konsumorientierte Einkommensteuer, weil sie auch Kapitalerträge erfasse, ist also bei näherem Hinsehen kaum überzeugend.
4. Fazit Effizienzgesichtspunkte sprechen für die Einführung einer konsumorientierten, an Zahlungsflüssen orientierten Konsumeinkommensteuer. Dabei sind die Argumente für die Konsumeinkommensteuer als solche nicht so überzeugend, wie dies auf den ersten Blick scheint; insbesondere die Einfachheit der Cash Flow Besteuerung im Vergleich zum bisherigen System verspricht aber einen Effizienzgewinn. Gerechtigkeitsargumente hingegen sprechen eher für ein Festhalten an der Kapitaleinkommensteuer. Auch im Hinblick auf die politische Durchsetzbarkeit einer Konsumeinkommensteuer bestehen gravierende Bedenken, jedenfalls wenn, wie bei der Flat Tax, die Methode der Zinsbereinigung gewählt wird919. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass weder die Konsum- noch die Kapitaleinkommensteuer eindeutig vorzugswürdig ist920. Beide sind mit Effizienz- und Gerechtigkeitsvorgaben zu vereinbaren, und beide weisen Nachteile in beiden Bereichen auf921. Da die Entscheidung für eine Konsum- oder Kapitaleinkommensteuer folglich nicht eindeutig ausfällt, sollte auch die folgende Überlegung herangezogen werden: In Deutschland wird der allgemeine Konsum bereits durch die Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 19 % belegt. Es existiert also bereits eine Steuer auf den allgemeinen Konsum, deren Aufkommen im Übrigen mit dem aus der Einkommensteuer vergleichbar ist922. Wegen der Schwierigkeiten, die ___________ 919 Ähnlich Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 79 zur „dualen Einkommensteuer“, nach der Zinsen zwar nicht steuerfrei gestellt, wohl aber privilegiert behandelt werden sollen. A. A. aber Wagner, DB 1999, 1520, 1521, demzufolge die Besteuerung von Zinsen in der Bevölkerung nur auf „geringe Akzeptanz“ stoße. 920 Ebenso Bradford, Untangling the Income Tax, S. 312; Schreiber/Stellpflug, WiSt 1999, 186, 192; Siegel, zfbf 2000, 724, 737. 921 So auch Niehus, DStZ 2000, 697, 700. 922 So betrug im Jahr 2004 das Aufkommen aus der Einkommensteuer 182 Mrd. €, dasjenige aus der Umsatzsteuer 137 Mrd. €. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 19. Für 2005 wird das Aufkommen aus der Umsatzsteuer auf 142 Mrd. € geschätzt, Birk, Steuerrecht, Rn. 1270.
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damit verbunden sind, eine eindeutige Wahl nur zu Gunsten des Einkommens oder des Konsums zu treffen, spricht daher einiges dafür, am Status Quo mit seiner Belastung sowohl des Einkommens durch die Einkommensteuer wie des allgemeinen Konsums durch die Umsatzsteuer festzuhalten923. Darüber hinaus lässt sich die Konsumsteuerdebatte aus den Vereinigten Staaten auf deutsche Verhältnisse aus genau diesem Grund auch nicht übertragen: Denn dort existiert zwar die Bundeseinkommensteuer, nicht aber eine der deutschen Umsatzsteuer vergleichbare allgemeine bundesgesetzlich normierte Konsumsteuer. Die in den meisten Bundesstaaten anzutreffenden „retail sales taxes“ sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil ihre Wirkungsweise etwas anders und vor allem ihre Höhe deutlich niedriger ist. Aus diesem Grunde sollte dem von Hall/Rabushka vorgeschlagenen Übergang zur Konsumbesteuerung nicht gefolgt werden.
III. Abzugsverbot für Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ist ein weiteres wichtiges Charakteristikum der Flat Tax. Nach diesem Vorschlag sollen weder Ausgaben, die nicht Selbstständigen im Rahmen der Einkünfteerzielung erwachsen, noch existenzsichernder Aufwand bei der Einkommensteuer Berücksichtigung finden. Dieser radikale Ansatz führt einerseits zu einer Vereinfachung des Steuersystems, wirft andererseits aber auch Bedenken im Hinblick auf die Gerechtigkeit eines derartigen totalen Abzugsverbots auf. Die Flat Tax verlässt damit bei der Besteuerung von Arbeitnehmern das Nettoprinzip924. Wirtschaftlich wird das Abzugsverbot damit begründet, dass, ausgehend von der Annahme, dass der von der Einkommensteuer aufzubringende Gesamtbetrag derselbe bleiben soll, jeder Abzugstatbestand notwendigerweise zu einer Erhöhung des Steuersatzes führen muss925. Auf die Streichung von Abzugstatbeständen wird im Zusammenhang mit der Verfassungsmäßigkeit der Flat Tax noch näher einzugehen sein. An dieser Stelle soll daher ein Überblick über Effizienz- und Gerechtigkeitswirkungen dieser Regelungen genügen. ___________ 923 So wohl auch Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 6 (Fn. 2). 924 Zum Nettoprinzip BFH v. 21.11.1983, GrS 2/82, BFHE 140, 50, 58 f.; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 126 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht; § 9 Rn. 54 f.; Rose, in: Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, S. 247, 255; Heinz, BB 2003, 337; Wolff-Diepenbrock, DStZ 1999, 717 ff. 925 Rabushka, 48 Emory L.J. 841, 843; Schlick, Wirtschaftsdienst 2005, 582.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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1. Effizienzwirkungen a) Neutralität Das Streichen von Abzugstatbeständen fördert die Neutralität der Steuer, da der Steuerpflichtige sich der Steuerpflicht nicht durch Inanspruchnahme zusätzlicher Abzugstatbestände entziehen kann. Die Steuerbelastung wird somit definitiv und wirkt nicht verzerrend. Durch das Verbot der Verlustverrechnung werden Steuerpflichtige darüber hinaus davon abgehalten, aus steuerlichen Gründen in „Steuersparmodelle“ zu investieren, die volkswirtschaftlich an sich nicht sinnvoll sind. Die Vielzahl der im geltenden Recht vorgesehenen unterschiedlichen Vorschriften für unterschiedliche Einkunftsarten, etwa die Zusatzbelastung gewerblicher Einkünfte durch die Gewerbesteuer, einkünftespezifische Freibeträge, Freigrenzen und Pauschalierungen926, wird reduziert. Insofern werden Elemente einer Pauschalsteuer in das Steuersystem integriert, die grundsätzlich Erhebungs- und Deklarationskosten sowie Ausweichreaktionen der Steuerpflichtigen minimieren927. Die Umkehr des 1948 begonnen Trends zur Aushöhlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (s. S. 73) ist daher unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll, denn die Erfahrung zeigt, dass die Verfolgung außersteuerlicher Ziele mit den Mitteln des Einkommensteuerrechts zu wirtschaftlich unsinnigen Ergebnissen führen kann928. In diesem Zusammenhang sei nur an die Erfahrungen mit überflüssigem Büroraum in den neuen Bundesländern hingewiesen929. Andererseits führt die faktische Abschaffung des Nettoprinzips dazu, dass sich bei Arbeitnehmern erwerbsbezogene Aufwendungen steuerlich nicht mehr lohnen, da sie steuerlich nicht berücksichtigt werden und das verfügbare Einkommen somit schmälern930. Folglich werden Arbeitnehmer davon abgehalten, erwerbsbezogene Ausgaben zu tätigen, ein Effekt, der seinerseits eine Neutralitätsverletzung darstellt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Arbeitnehmer die Wahl haben, derartige Aufwendungen zu tätigen oder nicht. In diesem Zusammenhang ist die Befürchtung geäußert worden, ohne die Anerkennung des objektiven Nettoprinzips werde es zu negativen Folgen für die Wirtschaft kommen931. Dem ist zuzugeben, dass durch die generelle Versagung der Anerkennung erwerbsbezogenen Aufwands die Einkünfteerzielung für Arbeitneh___________ 926
Hierzu Lang, StuW 1990, 107, 115. Vgl. Wagner, PWP 7, 19, 24, 28. 928 Vgl. Raupach, in: FS Klein, S. 309, 315 ff. 929 Ebenso Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1101. 930 Wagner, PWP 7, 19, 28. 931 Tipke, StRO II, S. 762 f.; Hennrichs, BB 2004, 584, 585. 927
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
mer verteuert werden kann. Ob dies negative Folgen hat, hängt allerdings davon ab, ob der Einkommens- oder der Substitutionseffekt stärker wäre, was sich im Voraus nicht sagen lässt (s. S. 117 ff.).
b) Einfachheit und Transparenz Auch Einfachheit und Transparenz werden durch die Abzugsverbote gefördert. Jeder Arbeitnehmer sollte seine Steuererklärung auf einer Postkarte abgeben können; der Kontrollaufwand der Finanzverwaltung sollte minimal sein. Insofern stellt die Streichung von Abzugstatbeständen eine wirkliche Vereinfachung dar. Die einzige verwaltungstechnische Schwierigkeit bestünde darin, dass sichergestellt werden müsste, dass jeder Steuerpflichtige den Freibetrag nur einmal geltend macht; dies wird relevant für Steuerpflichtige mit mehr als einem Arbeitsverhältnis im Veranlagungszeitraum. Dieses Problem ließe sich durch die jährlich Ausgabe von Gutscheinen an die Steuerpflichtigen lösen. Auch die Zusammenveranlagung von Ehegatten könnte so ausgestaltet werden, wenn Ehegatten erlaubt würde, die Gutscheine untereinander weiterzureichen. Schließlich könnte auf diese Weise auch die Berücksichtigung von Unterhaltsberechtigten ausgestaltet werden.
2. Abzugsverbote und Gerechtigkeit Auf den ersten Blick stellen die Abzugsverbote ein Gerechtigkeitsproblem dar, und zwar sowohl in horizontaler wie in vertikaler Hinsicht. Durch die Abzugsverbote wird nämlich eine Bruttobesteuerung eingeführt, die dazu führen kann, dass gleich Leistungsfähige nicht mehr gleich und unterschiedlich Leistungsfähige nicht mehr unterschiedlich besteuert werden. Insofern wirken sich hier die Gerechtigkeitsnachteile einer Pauschalbesteuerung aus932. Dies setzt allerdings voraus, dass Leistungsfähigkeit als Netto-Leistungsfähigkeit aufgefasst wird. Dass Leistungsfähigkeit grundsätzlich erst dort beginnt, wo erwerbsbedingte und lebensnotwendige Aufwendungen abgezogen sind, wird heute indes nicht mehr ernsthaft bestritten933.
___________ 932 933
Hierzu Wagner, PWP 7, 19, 24. s. nur Hennrichs, BB 2004, 584, 585.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
227
a) Objektives Nettoprinzip Zum einen müssten nach dem objektiven Nettoprinzip erwerbsbedingte Aufwendungen durch Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden934. Die Flat Tax berücksichtigt Erwerbsaufwendungen nur in sehr pauschaler Form durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags, die diese Aufwendungen abgelten soll. Insoweit wird durch diese Typisierung die Einzelfallgerechtigkeit durchbrochen, denn der Pauschbetrag kann sowohl zu hoch als auch zu niedrig ausfallen, was für den Steuerpflichtigen gut (zu hoher Pauschbetrag) oder schlecht (zu niedriger Pauschbetrag) ist.
b) Subjektives Nettoprinzip Prinzipiell dasselbe gilt für das subjektive Nettoprinzip, wonach existenznotwendiger und sonst zwingender privater Aufwand abzugsfähig sein muss935. Auch hier arbeitet die Flat Tax mit einer Pauschalierung durch einen entsprechenden Pauschbetrag, sodass die Einzelfallgerechtigkeit einer typisierenden Betrachtungsweise weichen muss. Grundsätzlich entsteht folglich auch hier ein Gerechtigkeitsproblem.
c) Rechtfertigungsmöglichkeiten Als Rechtfertigungsmöglichkeit dieser von der Flat Tax vorgesehenen Typisierung kommt zum einen die hiermit verbundene Vereinfachungswirkung in Betracht, zum anderen auch der Verweis auf die Degressionswirkung von Abzugstatbeständen sowie die hiermit einhergehenden Durchbrechungen der Besteuerungsneutralität.
aa) Vereinfachung Durch das Streichen sämtlicher Abzugstatbestände für Arbeitnehmer wird die steuerliche Erfassung vereinfacht und der Kontrollaufwand minimiert. Auch kann wegen des proportionalen Steuersatzes ein grundsätzlich definitiver Steuerabzug an der Quelle erfolgen, der eine spätere Veranlagung überflüssig macht. ___________ 934 935
Greß/Rose/Wiswesser, S. 22. Greß/Rose/Wiswesser, S. 22 f.; Weber-Grellet, Stbg 2004, 31, 37.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
bb) Degressionswirkung von Abzugstatbeständen und Neutralität Und auch die Neutralitätswirkungen der Streichung sollten nicht übersehen werden: Arbeitnehmer können in Ermangelung entsprechender Abzugstatbestände ihre Steuerschuld nicht mehr beeinflussen und werden somit nicht zu ökonomisch sinnlosen Investitionen um des steuerlichen Vorteils willen veranlasst. Hier ist zu bedenken, dass sich derartige „Steuersparmodelle“ gerade für solche Steuerpflichtigen lohnen, deren Einkommen bei direkt progressivem Tarif dem Spitzensteuersatz unterliegt, da die Steuerersparnis in diesem Fall am größten ist (zur degressiven Wirkung der direkten Progression s. S. 149)936. Es ist daher zu erwarten, dass die Streichung von Abzugstatbeständen gerade besserverdienende Arbeitnehmer härter träfe. Auf der anderen Seite werden gerade diese durch die Absenkung des Spitzensteuersatzes wiederum am stärksten entlastet.
d) Zusammenfassung Jede Steuervereinfachung in Gestalt einer typisierenden Regelung muss letztlich mit dem Grundsatz der individuellen Steuergerechtigkeit, mit der Erfassung der individuellen Leistungsfähigkeit in Konflikt treten937. In diesem Zusammenhang ist aber auf das von manchen Steuerrechtlern angenommene Paradoxon hinzuweisen, dass das geltende Steuerrecht das Streben nach Einzelfallgerechtigkeit bereits so weit übertrieben hat, dass es mittlerweile wieder als ungerecht angesehen werden muss938. Dabei ist auf das alte Sprichwort „Summum ius, summa iniuria“939 zu verweisen. Jede Vereinfachung müsste dann zugleich auch einen Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit bedeuten940, sodass die radikale Vereinfachung durch die Flat Tax eben nicht ungerechter wäre als das geltende System. Für diese Auffassung spricht einiges, insbesondere der von vielen Steuerjuristen beklagte „Dummensteuereffekt“ der Einkommensteuer941. Die Streichung aller Abzugstatbestände sowie das Verbot der Verlustverrechnung für Arbeitnehmer durchbrechen den Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit zu Gunsten der Einfachheit und Neutralität des Steuersystems. ___________ 936
Vgl. auch Richner, ASA 73, 593, 614. Arndt, Praktikabilität und Effizienz, S. 43; vgl. auch Richner, ASA 73, 593, 623. 938 Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 390; vgl. auch Drüen, StuW 1997, 261, 271. 939 D. 1.3.25. 940 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 20 Rn. 36; Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 390. 941 s. nur Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 803. 937
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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IV. Behandlung von Verlusten: Verrechnungsverbot und Verlustausgleich Die Flat Tax verbietet die Verrechnung von Verlusten aus unternehmerischer Betätigung mit positiven Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Ferner sieht sie keinen Verlustrücktrag, dafür aber für Verluste aus unternehmerischer Betätigung einen unbegrenzten verzinslichen Verlustvortrag vor. Dies ruft vor allem Zweifel an der Effizienz der Behandlung von Verlusten hervor.
1. Effizienz a) Einfachheit Verlustverrechnungsverbote vereinfachen die Steuererhebung und -verwaltung, da Verluste an eine Einkunftsquelle gebunden sind. Der Kontrollaufwand wird folglich auf die eine Einkunftsquelle reduziert; Missbrauchsmöglichkeiten bestehen wegen der fehlenden Verrechnungsmöglichkeit mit positiven anderen Einkünften nur in beschränktem Maß.
b) Grundsätzliche ökonomische Bedenken Ökonomische Bedenken bestehen im Hinblick auf das Verlustverrechnungsverbot aufgrund folgender Überlegungen: Steuerpflichtige, die erwägen, unternehmerisch tätig zu werden, müssten wahrscheinlich gerade in der Anfangszeit einer derartigen Tätigkeit mit Verlusten rechnen. Wegen der Verzinsung des Verlustvortrags ist dies kein Problem, wenn in späteren Veranlagungszeiträumen Gewinne anfallen. Indes besteht ein Problem, wenn das Unternehmen scheitert: Eine Verlustverrechnung zumindest mit Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit bliebe dann ausgeschlossen. Dies könnte abschreckend wirken und Unternehmerinitiative entmutigen.
c) Rechtsformneutralität Ferner verletzt die Ausgestaltung der steuerlichen Behandlung von Verlusten auch das Gebot der Rechtsformneutralität. Denn alle Rechtsformen sollen insoweit gleich behandelt werden, als eine Übertragung von Verlusten vom Unternehmen auf den Teilhaber ausgeschlossen ist. Dies ist jedoch wegen der zu Grunde liegenden privatrechtlichen Haftungskonstellationen nur dann sinnvoll, wenn eine persönliche Inanspruchnahme des Gesellschafters für Gesellschafts-
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
schulden ausgeschlossen ist; andererseits muss eine persönliche Inanspruchnahme des Gesellschafters auch zu steuerlich ausgleichsfähigen Verlusten bei diesem führen942. Eine Verlustweitergabe von der Gesellschaft an den Gesellschafter ist indes bei der Flat Tax wegen der Steuersubjekteigenschaft aller Gesellschaften ausgeschlossen943. Insofern wird das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung verletzt, da Teilhaber von Kapitalgesellschaften besser gestellt sind als Teilhaber von Personengesellschaften. Diesem Befund lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Regelung sei insofern konsequent, als auch Gewinne ohne steuerliche Folgen von der Gesellschaft an den Gesellschafter weitergegeben werden können; für Verluste dürfe dann nichts anderes gelten. Denn Gewinne werden auf der Ebene der Gesellschaft besteuert und so vorbelastet an den Gesellschafter weitergegeben. Für Verluste haftet der Gesellschafter unter Umständen aber in voller Höhe; eine Minderung auf der Ebene der Gesellschaft findet nicht statt. Dies spricht für eine Sonderregelung für Personengesellschaften, etwa durch die Einführung von Gewinn- oder Verlustbescheinigungen, die dem Teilhaber einer Personengesellschaft die Nutzung gesellschaftlicher Verluste für Zwecke der eigenen Steuer gestatteten944. Diese – komplizierte – Regelung ermöglichte allerdings wiederum „Steuersparmodelle“ durch Verlustzuweisungsgesellschaften. Insgesamt weist das Betriebsteuerkonzept aber mehr Vor- als Nachteile auf. Daher wäre es vorzugswürdig, die Regelungen der Flat Tax beizubehalten945; Personengesellschaften steht die Möglichkeit der Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft offen.
d) Intertemporale Neutralität Sieht man die Steuer als Partizipation des Staates am Erfolg des Steuerpflichtigen an, so müsste im Falle von Verlusten eigentlich der Staat einen Teil des Verlustes tragen und somit eine Steuererstattung vornehmen. Dass er dies nicht tut, führt zu einer Asymmetrie für den Gewinn- und Verlustfall und damit zu einer Neutralitätsverletzung946. Geht man realistischerweise davon aus, dass der Staat sich an Verlusten nicht beteiligen wird, so dürfte der von der Flat Tax für Unternehmer vorgesehene Verlustausgleich im Übrigen sowohl Effizienz- wie Gerechtigkeitsvorga___________ 942
Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rn. 535. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 23. 944 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 23. 945 A. A. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 23 f. 946 Sigloch, StuW 1990, 229, 234. 943
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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ben entsprechen, obwohl auch Bedenken anzumelden sind. Zunächst stellt die Verzinsung des Verlustes sicher, dass der Verlust seinen realen Wert auch in späteren Veranlagungszeiträumen behält947. Die Unbegrenztheit des Verlustvortrages stellt sicher, dass der Steuerpflichtige alle aufgelaufenen Verluste nutzen kann. Die Tatsache, dass kein Verlustrücktrag zulässig ist, macht es allerdings erforderlich, dass der Unternehmer zu einem späteren Zeitpunkt Gewinne einfährt, um die Verluste nutzen zu können. Anderenfalls verpuffen sie ungenutzt. Dies stellt eine Neutralitätsverletzung dar948 und dürfte zudem volkswirtschaftlich schädlich sein, da möglicherweise Investoren in neue Unternehmen hiervon abgeschreckt werden.
2. Gerechtigkeit Das Verbot der Verrechnung von Verlusten aus unternehmerischer Tätigkeit mit Gewinnen aus nicht selbstständiger Arbeit begegnet Bedenken im Hinblick auf die horizontale Steuergerechtigkeit. Es handelt sich hierbei um Bedenken, die allen Schedulensteuern entgegenzuhalten sind949. Verdient also unter der Flat Tax ein Arbeitnehmer A 60.000,– € jährlich, ein Arbeitnehmer B aber 90.000,– € mit einem gleichzeitigen Verlust in Höhe von 30.000,– € aus unternehmerischer Tätigkeit, so werden sie zur Steuer in unterschiedlicher Höhe herangezogen, obwohl sie bei Verrechnung von Gewinnen und Verlusten gleich leistungsfähig sein müssten. Diese Bedenken aufgrund der horizontalen Steuergerechtigkeit lassen sich teilweise unter Hinweis auf den unbegrenzten verzinslichen Verlustvortrag auflösen. Danach könnte B, wenn er in späteren Jahren Gewinne aus der unternehmerischen Tätigkeit erzielt, diese mit seinen früheren Verlusten voll verrechnen. Über einen Zeitraum von mehreren Veranlagungszeiträumen hinweg entspricht die steuerliche Behandlung von A und B dann wieder dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es B gelingt, in späteren Veranlagungszeiträumen genügend hohe Gewinne zu erzielen, um die vorherigen Verluste auszugleichen. Anderenfalls bleibt es bei der Ungleichbehandlung. Im internationalen Vergleich lässt sich ein Trend beobachten, wonach scheduläre Besteuerungssysteme durch Systeme der synthetischen Einkommensbe___________ 947
Vgl. hierzu Sigloch, StuW 1990, 229, 234. Sigloch, StuW 1990, 229, 234. 949 Holmes, S. 28. 948
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
steuerung ersetzt werden950. So haben unter anderem Kolumbien im Jahr 1920, Belgien im Jahr 1963, Mexiko 1964, Italien 1974 und Kroatien 1994 ihre Einkommensteuersysteme entsprechend umgestellt951.
3. Fazit Die von der Flat Tax vorgesehenen Verlustverrechnungsverbote begegnen Bedenken sowohl im Hinblick auf die Effizienz als auch auf im Hinblick auf die Gerechtigkeit der Steuer. Allerdings werden Bedenken abgemildert durch den unbeschränkten und verzinslichen Verlustvortrag. Ganz ausräumen lassen sich hierdurch die ökonomischen Bedenken jedoch nicht, da Unternehmerinitiative trotz des Verlustvortrags entmutigt werden könnte.
V. Wegfall von Steuervergünstigungen: Verzicht auf Lenkungstatbestände Die Flat Tax soll vor allem das Einkommensteuerrecht auch dadurch vereinfachen, dass auf Sondertatbestände und Lenkungsnormen verzichtet wird. Dieser geplante Wegfall aller bewussten und gewollten Neutralitätsverletzungen des geltenden Einkommensteuerrechts (Lenkungstatbestände) ist ebenfalls unter Effizienz- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu beurteilen. Zwischen den einzelnen Formen steuerlicher Lenkungswirkungen kann wie folgt differenziert werden: Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Normen, die von einem bestimmten Verhalten abhalten sollen (prohibitive Tatbestände), und solchen, die zu einem bestimmten Verhalten ermutigen sollen (Förderungstatbestände). Im Zusammenhang mit der Einkommensteuer spielen prohibitive Tatbestände nahezu keine Rolle, da der Staat in der Regel kein Interesse daran hat, das Entstehen von Einkommen zu verhindern. Förderungstatbestände finden sich hingegen in großer Zahl im geltenden Einkommensteuerrecht, sei es in der Form von Steuerfreistellungen (§ 3 EStG) oder Abzugstatbeständen (§§ 7 a ff EStG).
___________ 950 951
Holmes, S. 28 f. Holmes, S. 29.
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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1. Effizienzgesichtspunkte a) Steuererhebungskosten Die Steuererhebungskosten würden durch die Einbeziehung bisher steuerfreier Einnahmen in die Steuerpflicht zunächst wahrscheinlich eher steigen als sinken952. Denn die Steuerpflichtigen müssten auch hierüber den Finanzbehörden Rechenschaft ablegen, und die Finanzbehörden müssten die zusätzlichen Angaben der Steuerpflichtigen prüfen und verwalten. Dies gilt insbesondere für eine Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Steuerpflicht. Auf der anderen Seite wären die Finanzbehörden dadurch entlastet, dass sie die tatsächlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderregelungen nicht mehr prüfen müssten. Die hierdurch hervorgerufene Entlastungswirkung dürfte gegenüber der durch die Einbeziehung zusätzlichen Einkommens in die Steuerpflicht ausgelöste Belastung deutlich überwiegen.
b) Neutralitätswirkungen? Grundsätzlich führt die Streichung von Ausnahmetatbeständen zu einem höheren Maß an Neutralität. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Steuerpflichtigen eine echte Wahl haben zwischen der Erzielung steuerfreier Einnahmen und der Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen953. Dies ist indes gerade bei Lohnersatzleistungen wie dem Arbeitslosengeld häufig nicht der Fall, sodass durch die Steuerfreiheit auch keine Verzerrungswirkungen ausgelöst werden, die zu beseitigen wären.
c) Effizienz der Steuerung Allerdings muss die Effektivität der Steuerung mittels steuerlicher Lenkungsnormen angezweifelt werden. Zwar ist es – auch nach der im Übrigen auf Neutralität bedachten finanzwissenschaftlichen Theorie – grundsätzlich möglich, vom Gesetzgeber als Marktversagen eingestufte Sachverhalte mithilfe von Steuern zu korrigieren (sog. Pigou-Steuern, s. S. 34). In Bezug auf die Einkommensteuer dürfte diese Funktion der Steuer allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen954. Die Korrektur eines Marktversagens durch verhaltenslenkende Steuern setzt außerdem voraus, dass Art und Ausmaß des Markt___________ 952
Wagner, PWP 7, 19, 26. Wagner, PWP 7, 19, 26 f. 954 A. A. wohl Weber-Grellet, ZPR 2003, 279, 284. 953
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
versagens sowie geeignete Mittel zur Korrektur im Voraus bekannt sind955. Genau dies dürfte indes häufig bei den Lenkungstatbeständen, die der Gesetzgeber im Rahmen der Einkommensbesteuerung verwendet, nicht der Fall sein. Steuerliche Lenkung dürfte daher bei prohibitiven Fallkonstellationen im Allgemeinen effektiver sein als im Rahmen von Förderungstatbeständen; denn soll ein bestimmtes Verhalten beseitigt werden, so muss die Steuer nur hoch genug gewählt werden, was im Voraus zumeist relativ sicher geschätzt werden kann. Im Rahmen von Förderungstatbeständen ist dagegen im Voraus nur schwer vorherzusehen, wie viele Steuerpflichtige in welchem Umfang von einer angebotenen Subvention Gebrauch machen werden, zumal da sich Steuerpflichtige in diesem Zusammenhang nicht immer vollständig rational zu verhalten scheinen956. Förderungstatbestände erfüllen daher in der Regel nicht das finanzwissenschaftliche Kriterium der Vorhersehbarkeit ihrer Wirkung; andere Arten der Subventionierung, vor allem die Gewährung direkter Subventionen, scheinen in diesem Zusammenhang daher ökonomisch vorzugswürdig957, zumal da in diesem Fall auch eine bessere Kontrolle über die Inanspruchnahme der Subvention möglich ist. Denn dadurch, dass Steuererklärungen frühestens im auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr abgegeben werden, tritt ein nicht unerhebliches Informationsdefizit auf staatlicher Seite ein. Änderungen der Subventionstatbestände sind daher im Regelfall nicht mehr möglich, wenn Fehlentwicklungen festgestellt werden. Hiergegen wird von Befürwortern steuerlicher Lenkungstatbestände eingewandt, dass Lenkung mithilfe der Einkommensteuer deshalb effizient sei, weil man sich der bereits existierenden Finanzbürokratie bedienen könne, der Aufbau einer neuen Bürokratie daher nicht erforderlich sei958. Hiergegen ist einzuwenden, dass auch die Finanzbehörden Lenkungstatbestände umsetzen müssen, ihre Inanspruchnahme folglich ebenfalls Kosten verursacht. Weshalb dies effizienter sein soll als die Gewährung direkter Subventionen durch die etwa ebenfalls bereits existierenden Gemeinden, ist nicht nachvollziehbar. Auch die Behauptung, die Gewährung einer direkten Subvention sei komplizierter und teurer als der Rückgriff auf steuerliche Lenkungsnormen, dürfte in dieser Allgemeinheit falsch sein. Sie berücksichtigt zum einen nicht die Kosten, die durch Fehlallokationen infolge der Inanspruchnahme von Verschonungssubventionen nur um des steuerlichen Vorteils Willen entstehen. Zum anderen dürfte die Integration in das Besteuerungsverfahren nicht zu nennenswerten Effizienzgewinnen führen. ___________ 955
Schwinger, S. 15; Sureth, S. 58. BVerfG v. 02.10.1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, 65. 957 Dies setzt allerdings voraus, dass die Gewährung von Subventionen nicht grundsätzlich abgelehnt wird. 958 Voß, ZRP 2003, 458, 460. 956
D. Neuerungen durch die Flat Tax und ihre steuerpolitische Würdigung
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2. Gerechtigkeitsgesichtspunkte Auch Gerechtigkeitsgesichtspunkte könnten für die Streichung von Ausnahmetatbeständen, also von steuerlichen Lenkungsnormen, sprechen. Für das geltende Steuerrecht wird allgemein angenommen, dass besser verdienende Steuerpflichtige hiervon grundsätzlich in höherem Maße profitieren als weniger gut verdienende Steuerpflichtige959. Dies ist auf den direkt progressiven Steuertarif und seine Degressionswirkung bei Abzugstatbeständen zurückzuführen, der. zwar kein Problem der horizontalen Steuergerechtigkeit an sich darstellt (s. § 5 D. I. 2. a) cc), S. 149), wohl aber ein Problem der Verfolgung von Lenkungszielen durch Abzugstatbestände. Denn in diesem Zusammenhang führt die Degressionswirkung in der Tat dazu, dass es für besser verdienende Steuerpflichtige lohnender ist, derartige Abzugstatbestände wahrzunehmen. Dies erscheint ungerecht im Vergleich zu direkten Subventionen, die für alle Steuerpflichtigen unabhängig vom zu versteuernden Einkommen denselben Wert haben. Dieses Argument lässt sich auch nicht mit dem pauschalen Hinweis entkräften, steuerliche Subventionen richteten sich ohnehin nur an Spitzenverdiener, denn dabei handelt es sich um eine zirkuläre Argumentation960. Hinzu kommt, dass vielfach angenommen wird, dass Lenkungstatbestände das Steuersystem komplizieren, was wiederum dazu führt, dass nur gut informierte Steuerpflichtige von den Angeboten, die von staatlichen Lenkungsnormen ausgehen, Gebrauch machen. Gut verdienende Steuerpflichtige sind aber in der Regel besser informiert als schlecht verdienende Steuerpflichtige961. Darüber hinausgehende freiheitsrechtliche Bedenken, dass Steuerpflichtige durch Lenkungsnormen zu einem an sich unerwünschten Verhalten veranlasst werden könnten962, sind unbegründet. Die Entscheidung für oder gegen die Subvention erfolgt freiwillig, daher liegt in der Regel kein Grundrechtseingriff vor. Darüber hinaus ist es per definitionem das Ziel von Lenkungsnormen, das Verhalten von Steuerpflichtigen zu beeinflussen.
3. Verzicht auf Verfolgung von Partikularinteressen In politischer Hinsicht stellt sich das Problem, dass sich aus dem Zusammenspiel von Konsumbesteuerung und Verzicht auf Sondertatbestände auch intersektorale Neutralität ergibt. Dies erschwert es für die Politik, durch das Ein___________ 959 s. z. B. Kaltschütz, ifo-Schnelldienst 11/2004, 11, 13; Kirchhof, DStR 2001, 913; Voß, ZRP 2003, 458, 459. 960 Dies gegen Voß, ZRP 2003, 458, 459. 961 Hansmeyer/Mackscheidt, HbFinWiss I, S. 554, 572 ff. 962 So Kirchhof, StuW 2002, 2, 5; ders., DStR 2001, 913.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
kommensteuerrecht Partikularinteressen zu verfolgen oder durch „Steuern zu steuern“. Grundsätzlich wird die Kapitaleinkommensteuer als besser geeignet oder anfälliger für die Verfolgung von Lenkungszielen angesehen als Konsumsteuern963. Mutmaßungen zufolge soll dies auch ein Grund gewesen sein dafür, dass das Konsumsteuersystem Kroatiens wieder abgeschafft wurde964. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Verzicht auf steuerliche Lenkungsnormen zwar grundsätzlich positiv zu bewerten; ob die Politik dieses Steuerungsmittel allerdings aus der Hand geben wird, ist zu bezweifeln.
4. Finanzverfassungsrechtliche Bedenken Daneben hat Kirchhof auch finanzverfassungsrechtliche Bedenken gegen steuerliche Lenkungsnormen geäußert965. Denn Verschonungssubventionen im Einkommensteuerrecht träfen, da die Einkommensteuer eine Gemeinschaftsteuer sei, auch fremde Kassen966. Der Bund betreibe also Förderungspolitik auf Kosten anderer. Dieses Argument überzeugt indes nicht. Zum einen wirken die Länder über den Bundesrat bei Änderungen des Einkommensteuergesetzes mit (Art. 105 Abs. 3, 106 Abs. 3 Satz 1 GG)967. Zum anderen treffen im Rahmen der Gemeinschaftsteuern alle Änderungen, also auch solche, die nicht durch Lenkungszwecke veranlasst sind, fremde Kassen.
5. Fazit Der Verzicht auf steuerliche Lenkungstatbestände ist sowohl unter Effizienzals auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu begrüßen. Allerdings bestehen Zweifel daran, dass die Politik freiwillig auf das Mittel der Verhaltenslenkung durch Steuern verzichten wird.
___________ 963
Meyding, in: FS Rose, S. 345, 351. Zodrow, in: FS Rose, S. 391, 407 unter Verweis auf entsprechende Äußerungen Manfred Roses. 965 Kirchhof, StuW 2002, 3, 5 f. 966 Kirchhof, StuW 2002, 3, 6. 967 So auch Voß, ZRP 2003, 458, 459. 964
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VI. Vereinfachungswirkungen Der Hauptvorteil der Flat Tax soll in ihrer Einfachheit im Vergleich zum bisherigen Einkommensteuersystem liegen968. Im steuerrechtlichen Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass das bestehende Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung zu kompliziert und damit untragbar geworden ist (s. S. 1) . Hier verspricht die Flat Tax Abhilfe: Durch das Zusammenspiel der genau einmaligen Erfassung allen Einkommens mit einem proportionalen Steuertarif soll ein Höchstmaß an Einfachheit geschaffen werden969. Sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmer sollen ihre Einkommensteuererklärung auf einer Postkarte abgeben können. Dies legt nahe, dass es ein Austauschverhältnis gibt zwischen Einfachheit und Progressivität970. Für die Flat Tax bedeutet dies, dass sich im Vergleich mit dem bestehenden Einkommensteuerrecht Vereinfachungen ergäben, vor allem dadurch, dass auf Subventionsnormen, also solche, die nichtsteuerliche Zwecke verfolgen, weitgehend verzichtet wird. So gilt für Arbeitnehmer, dass sie ihre Steuererklärung auf einer Postkarte sollen abgeben können. Im Vergleich zu den Formularen, die Arbeitnehmer bisher für die Einkommensbesteuerung einzureichen haben, sollte sich vor allem eine zeitliche Entlastung ergeben. Wie hoch diese letztlich ausfallen wird, lässt sich nicht pauschal sagen, da sie von den Umständen des Einzelfalls abhängen dürfte. Schätzungen gehen für das US-amerikanische Steuerrecht von einer Zeitersparnis von bis zu 1000 % aus971. Dies erscheint übertrieben, denn die Steuererklärung umfasst im bestehenden System für die meisten Arbeitnehmer zwar mehr als eine Postkarte, ist indes auch nicht so kompliziert, dass die Steuererklärung per Postkarte eine derart signifikante Vereinfachung brächte972. Für Unternehmer stellt vor allem die Cash Flow Besteuerung im Vergleich zur bestehenden Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich eine echte Vereinfachung dar; für sie ergibt sich ein geringerer Verwaltungsaufwand hauptsächlich aus der vereinfachten Buchführung, der Abschaffung der AfA und dem Wegfall von Vorschriften des internationalen Steuerrechts973. Auch Unternehmer sollen ihre Steuererklärung auf einer Postkarte anfertigen können. Dies stellt insbesondere für große Kapitalgesellschaften eine deutliche Vereinfa___________ 968
Vgl. Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85. Mitchell, 50 Rev. 17. 970 Toder, 66 Tax Notes 2003, 2006. 971 Hall, 71 Tax Notes 1081, 1088: eine Stunde acht Minuten gegenüber elf Stunden und 36 Minuten jährlich. 972 Ebenso Richner, ASA 73, 593, 631. 973 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 707. 969
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
chung im Vergleich zum bisherigen Steuersystem dar. Ob die Vereinfachungswirkung für Selbstständige, die die Flat Tax ebenfalls als Unternehmer besteuerte, ebenfalls groß wäre, darf bezweifelt werden, da Selbstständige auch bisher die Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung wählen können. Allerdings entfiele auch hier wegen der Sofortabschreibung im System der Cash Flow Besteuerung sämtlicher mit Abschreibungen in Zusammenhang stehende Verwaltungsaufwand. Schätzungen zufolge betrüge die Zeitersparnis bei Einführung der Flat Tax im Vergleich zum USamerikanischen Einkommensteuersystem 700 % bis 5000 %974. Ob sich allerdings die Vision der Steuererklärung per Postkarte auch für Unternehmer in der Realität durchsetzen und durchhalten ließe, mag zumindest bezweifelt werden975. Fest steht aber, dass im Rahmen der Einkommensdeklaration durch Einführung der Flat Tax volkswirtschaftliche Ressourcen gespart werden könnten976. Zugleich wäre aber damit zu rechnen, dass gerade Unternehmen in großem Maße Ressourcen auf die Steuerplanung verwenden würden, um von den Möglichkeiten, die sich innerhalb der Flat Tax ergeben, Gebrauch zu machen; derartige Aufwendungen entstehen allerdings auch im bestehenden Steuersystem977. Insofern brächte die Flat Tax vermutlich keine zusätzlichen Steuerplanungskosten, mit einer signifikanten Senkung dieser Kosten wäre indes auch nicht zu rechnen. Die Befürchtung, dass für Steuerpflichtige mit Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit und unternehmerischen Einkünften (etwa aus Vermietung und Verpachtung) die Steuererklärung im Rahmen der Flat Tax sogar schwieriger wäre, weil sie nunmehr zwei Steuererklärungen abzugeben hättten978, ist unbegründet. Denn auch die zweite Steuererklärung hätte auf einer Postkarte Platz. Die Berechnung der Unternehmenssteuer anhand des Cash Flows ist zudem komplizierter als die Berechnung des Gewinns oder Überschusses im geltenden Recht. Schließlich lässt sich durch den proportionalen Tarif ein gewisses Maß an Vereinfachung erreichen. Obwohl dies von den Progressionsbefürwortern bestritten wird, hat der direkt progressive Tarif nicht unerheblich Anteil an der Komplexität des bestehenden Steuersystems (s. S. 130 ff.). ___________ 974 Hall, 71 Tax Notes, 1081, 1088: drei Stunden 24 Minuten gegenüber 21 Stunden 54 Minuten für Selbstständige und mehr als 200 Stunden für Kapitalgesellschaften. 975 s. Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 642. 976 Richner, ASA 73, 593, 616; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 601. 977 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 707. 978 Richner, ASA 73, 593, 631 f.
E. Probleme der Flat Tax
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E. Probleme der Flat Tax Im Folgenden sollen die mit der Flat Tax verbundenen Probleme näher betrachtet werden. Dabei soll kurz vorangestellt werden, welche Probleme des geltenden Steuerrechts bei Einführung der Flat Tax gelöst wären. Sodann ist darauf einzugehen, welche Probleme auch weiterhin bestünden; schließlich wird dargestellt, welche Probleme bei Einführung der Flat Tax neu entstünden.
I. Durch Einführung der Flat Tax gelöste Probleme Wie bereits gezeigt löst die Flat Tax zahlreiche Probleme des bestehenden Einkommensteuerrechts. Hierher gehören die Doppelbelastung von Dividenden, die Probleme der verdeckten Gewinnausschüttung und der GesellschafterFremdfinanzierung. Fraglich ist aber, ob diese Vereinfachungswirkungen der Flat Tax einzigartig und sind und sich nur durch im Rahmen dieses Steuersystems verwirklichen ließen, oder ob nicht auch vielmehr das bestehende Einkommensteuerrecht in ähnlichem Maße vereinfacht werden könnte. Wie zu zeigen sein wird, lassen sich viele Vereinfachungen auch in einem anderen Steuersystem realisieren, während manche Merkmale nicht losgelöst von der Flat Tax umgesetzt werden könnten.
1. Flat-Tax-unabhängige Vereinfachungen a) Proportionaler Steuersatz Der proportionale Steuersatz ist wohl die hervorstechendste Eigenschaft der Flat Tax, der diese schließlich auch ihren Namen verdankt979. Eine Verwirklichung dieses indirekt progressiven Tariftyps ist aber auch losgelöst vom System der Flat Tax möglich980; so könnte der Tarif des bestehenden EStG theoretisch entsprechend geändert und eine Flat Rate Tax geschaffen werden981. Auch zeigen die in jüngster Zeit in Deutschland vorgestellten Modelle, dass Einkommensteuersysteme mit indirekt progressivem Tarif und proportionalem Steuersatz denkbar sind. Der flache Steuersatz ist folglich kein Kriterium, das sich lediglich im Rahmen der Flat Tax verwirklichen ließe. ___________ 979 So zu Recht Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 56. 980 McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 289. 981 Vgl. Richner, ASA 73, 593, 611.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Dennoch sind gerade mit dem flachen Steuersatz erhebliche Vereinfachungswirkungen verbunden. Zum einen wird die Berechnung der Steuerschuld für den einzelnen Steuerpflichtigen vereinfacht; dies erhöht möglicherweise die Transparenz und Akzeptanz des Systems. Die wahren Vorteile des flachen Steuersatzes dürften indes an weniger prominenter Stelle zu finden sein: So vereinfacht er die Quasi-Besteuerung von Zinsen und die steuerliche Behandlung der Dividenden.
b) Quasi-Besteuerung von Zinsen Zinsen sind als Kapitaleinkünfte im System der Flat Tax steuerfrei. Dennoch werden bestimmte Zinszahlungen unter gewissen Voraussetzungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise von der Flat Tax ebenso erfasst wie von der bisherigen Einkommensteuer. Es handelt sich hierbei um diejenigen Zinsen, die im System der Kapitaleinkommensteuer den Zahler zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigen (s. S. 202 ff.). Der flache Steuersatz ermöglicht und begünstigt diese wirtschaftliche Betrachtungsweise. Denn er führt dazu, dass die individuellen Steuersätze von Gläubiger und Schuldner (annähernd)982 gleich und im Voraus bekannt sind. Wirtschaftlich gesehen macht es folglich keinen Unterschied, ob die Zinszahlungen beim Gläubiger (Einkommensteuer) oder beim Schuldner (Flat Tax) erfasst werden. Dies vereinfacht die steuerliche Erfassung von Zinszahlungen im Gegensatz zur Einkommensteuer erheblich. Allerdings ist auch im System der Einkommensteuer eine vollständige Erfassung gezahlter Zinsen theoretisch möglich. Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an den bereits praktizierten Quellensteuerabzug. Dieser dürfte aber grundsätzlich komplizierter und schwerer umzusetzen sein als die „Quasi-Besteuerung“. Eine „Quasi-Besteuerung“ ließe sich allerdings auch im System der Einkommensteuer dadurch erreichen, dass Zinszahlungen von der Steuerpflicht ausgenommen würden, dafür aber auch nicht mehr zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigten983. Aufgrund der unterschiedlichen Steuersätze für Gläubiger und Schuldner im direkt-progressiven Einkommensteuersystem kann dies aber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu Verzerrungen führen. ___________ 982
Zu bedenken ist möglicherweise der persönliche Freibetrag, der zu (geringfügigen) Abweichungen der Durchschnittssteuersätze führen kann. 983 Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 57.
E. Probleme der Flat Tax
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c) Eliminierung der Doppelbelastung von Dividenden Dividenden und ähnliche Zahlungen sind im System der Flat Tax nicht steuerpflichtig. Dies ist wiederum mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu begründen: Steuerpflichtig sind nämlich bereits die ausschüttenden Körperschaften mit ihrem Gewinn. Dieser ist also bereits mit dem proportionalen Steuersatz der Flat Tax vorbelastet. Da dieser Steuersatz auch für die Anteilseigner gilt, erscheint es daher gerechtfertigt, wenn die aus versteuertem Einkommen gezahlten Dividenden nicht ein weiteres Mal besteuert werden, um die Rechtsformneutralität der Besteuerung sicherzustellen.
d) Streichung von Abzugstatbeständen Die durch die Streichung sämtlicher Abzugstatbestände für Arbeitnehmer und Ersetzung durch einen Pauschbetrag erreichte Vereinfachung lässt sich nicht nur im System der Flat Tax umsetzen. Vielmehr könnten auch im bestehenden Einkommensteuersystem Abzugstatbestände weitgehend gestrichen werden984. De facto dürften die meisten Arbeitnehmer ohnehin bereits von den eingeräumten Pauschbeträgen für Werbungskosten und Sonderausgaben Gebrauch machen, sodass weitere Streichungen hier kaum mit zusätzlichen Vereinfachungen verbunden wären. Technisch möglich wären derartige Streichungen aber auch im bestehenden Einkommensteuerrecht.
e) „Steuererklärung per Postkarte“ Erklärtes Ziel von Hall und Rabushka ist, dass alle Steuerpflichtigen ihre Steuererklärung künftig auf einer Postkarte sollen abgeben können. Erscheint dies auf den ersten Blick als revolutionär, so ist doch bei genauerem Hinsehen zu beachten, dass die meisten Arbeitnehmer vermutlich ihre Steuererklärung auch im bisherigen Einkommensteuersystem auf einer Postkarte unterbringen könnten.
f) Ausschaltung von Verlustzuweisungsmodellen Dadurch, dass die Flat Tax praktisch ein Schedulensystem der Besteuerung mit zwei Steuerarten jeweils für Arbeitnehmer und Unternehmen verwirklicht, hätten Arbeitnehmer unter der Flat Tax nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ___________ 984 Für das US-amerikanische Einkommensteuerrecht Cohen, 33 Val. L. Rev. 819, 850 f.; McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 286 f.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
von Verlustzuweisungsmodellen zu profitieren, da eine Verrechnung von Verlusten zwischen den Einkunftsarten nicht zulässig wäre. Aber auch für Unternehmer werden die Möglichkeiten eingeschränkt, von derartigen Modellen zu profitieren. Dies liegt daran, dass die meisten Verlustzuweisungsmodelle bisher als einkommensteuerlich transparente Personengesellschaften strukturiert sind. Die Flat Tax würde diese Personengesellschaften selbst zum Steuersubjekt machen; damit entfällt die Möglichkeit, Verluste an die Anteilseigner weiterzugeben985. Vielmehr wären die Verluste auf der Ebene der Gesellschaft eingesperrt und könnten lediglich vorgetragen werden. Diese Konsequenz der Flat Tax ist allerdings nicht typisch, sondern könnte auch bei Geltung einer herkömmlichen Einkommensteuer erreicht werden, einerseits indem Personengesellschaften selbst zu Einkommen- oder Körperschaftsteuersubjekten gemacht, andererseits, indem Verlustverrechnungsverbote eingeführt würden. Letzteren Weg hat der deutsche Einkommensteuergesetzgeber in der letzten Zeit vermehrt zu beschreiten versucht, etwa durch die Einführung von § 2 Abs. 3 Satz 3986 und § 2 b EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002987. Die letztgenannte Norm ist nunmehr durch § 15 b EStG ersetzt und erweitert worden988.
2. Flat-Tax-typische Vereinfachungen Im Gegensatz zu den oben genannten Vereinfachungen weist die Flat Tax auch vereinfachende Merkmale auf, die nicht in das bestehende Einkommensteuerrecht übernommen werden könnten. Es handelt sich hierbei vor allem um Eigenschaften, die mit der Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Zusammenhang stehen. Letztlich lassen sie sich nämlich auf die Cash Flow Besteuerung der Unternehmen zurückführen.
a) Unternehmensbesteuerung auf Cash Flow Basis Die Besteuerung unternehmerischer Gewinne auf Basis des Cash Flow kann in das bestehende Einkommen- und Körperschaftsteuersystem nicht ohne wei___________ 985
Vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 1023–25. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang aber §§ 15 a–b EStG, die bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen Verlustausgleich verbieten. 986 Hierzu BFH v. 09.05.2001, XI B 151/00, BStBl II 2001, 552 (= BFHE 195, 314): Regelung ist bei summarischer Prüfung verfassungsgemäß. 987 Gesetz v. 24.03.1999, BGBl. I 402. 988 Birk, Steuerrecht, Rn. 554 (Rn. 24).
E. Probleme der Flat Tax
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teres übernommen werden989. Vor allem der Sofortabzug aller unternehmerischen Investitionen ist charakteristisch für eine Konsumsteuer und bräche daher mit der Tradition der Einkommensbesteuerung. Zu beachten ist aber, dass das bestehende Einkommensteuersystem bereits Elemente der Cash Flow Besteuerung aufweist. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem die Einnahmen-Überschuss-Rechnung des § 4 Abs. 3 EStG. Die besondere Einfachheit der Erfassung von Unternehmensgewinnen über den Cash Flow bringt auch eine gewisse Missbrauchsanfälligkeit mit sich (dazu noch ausführlich unten, § 5 E. III. 2. b), S. 253 ff.). Sie hat aber über die Vereinfachung der Berechnung der Unternehmensgewinne noch weitere Vorteile, die sich in das bestehende Einkommen- und Körperschaftsteuersystem nicht übernehmen lassen. Zu nennen sind hier die Neutralität der Besteuerung in zeitlicher Hinsicht und die automatische Inflationsanpassung.
b) Neutralität in zeitlicher Hinsicht Die Cash Flow Besteuerung von Unternehmensgewinnen stellt sicher, dass die Flat Tax das Effizienzgebot der zeitlichen Neutralität optimal verwirklicht990. Eine Einkommensteuer hingegen müsste, um in zeitlicher Hinsicht neutral zu sein, alle Wertzuwächse des Vermögens erfassen, denn nach der Haig-Simons-Definition umfasst das Einkommen alle Zuwächse im Nettovermögen eines Steuerzahlers in einer bestimmten Periode (s. S. 50). Eine Einkommensteuer, die das Einkommen vollständig und zeitgerecht erfassen soll, müsste folglich auch alle Wertveränderungen im Vermögen des Steuerpflichtigen exakt und zeitgenau erfassen. Dies ist jedoch bestenfalls theoretisch möglich.
c) Automatische Inflationsanpassung Die Cash Flow Besteuerung stellt außerdem sicher, dass die Flat Tax automatisch an die Entwicklung des Geldwertes angepasst wird. Komplizierte und aufwändige Normen, die eine Anpassung an die Geldwertentwicklung sicherstellen, sind unnötig. Ohne derartige Normen erfasst eine Einkommensteuer Scheingewinne, die durch die allgemeine Geldentwertung verursacht werden; außerdem stellt sich bei einem direkt progressiven Tarif das Problem der „kalten Progression“. ___________ 989 990
Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819, 851. McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 292.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Im Rahmen der Flat Tax stellen sich diese Probleme nicht: Die Erfassung von Scheingewinnen wird vermieden, da einerseits Wertsteigerungen des Privatvermögens von vornherein nicht steuerpflichtig sind, und da andererseits die Anschaffungskosten für Anlagegüter des Betriebsvermögens sofort und in vollem Umfang absetzbar sind.
II. Weiterhin bestehende Probleme Die Flat Tax ist in vielfacher Hinsicht einfacher als die bisherige Einkommensteuer. Sie löst indes nicht alle Schwierigkeiten und Probleme des bisherigen Einkommensteuerrechts. Vielmehr werden einige der Schwierigkeiten, die das bestehende Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht verkomplizieren, auch bei Geltung der Flat Tax weiter bestehen991.
1. Liebhaberei Die mit der Rechtsfigur der Liebhaberei zusammenhängenden Probleme992 bestünden auch bei Geltung der Flat Tax. Bereits im geltenden Steuerrecht ist eine Abgrenzung nicht immer trennscharf möglich, und es ist anzunehmen, dass ähnliche Erwägungen und Kriterien in verändertem Kontext bei der Flat Tax Anwendung fänden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Gewinnerzielungsabsicht als konstitutives Merkmal der Steuerpflicht im Rahmen der Flat Tax entfiele. Wegen der teils großzügigeren Verlustvortragsvorschriften (Verzinsung) bestünde wahrscheinlich sogar ein erhöhter Bedarf, nicht mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Tätigkeiten von vornherein aus der steuerlichen Betrachtung auszuklammern.
2. Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung Einnahmen aus privater Vermögensverwaltung sollen auch unter der Flat Tax steuerfrei bleiben, während der Begriff der unternehmerischen Aktivitäten denkbar weit gefasst werden soll. Dies erfordert eine Abgrenzung zwischen denjenigen Einnahmen, die der Privatsphäre zuzuordnen sind, und solchen, die bereits aufgrund unternehmerischer Tätigkeit zufließen. Ein ähnliches Problem besteht bereits im Rahmen des geltenden Steuerrechts bei der Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von gewerblichen Einkünften. ___________ 991 992
Graetz, S. 229. Hierzu etwa Kister, S. 7 ff.; Lang, StuW 1981, 223 ff.
E. Probleme der Flat Tax
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3. Steuerliche Berücksichtigung der Kosten für die persönliche Lebensführung Kosten der persönlichen Lebensführung sind gem. § 12 Nr. 1 EStG steuerlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dabei kann es in der Praxis schwierig sein, Kosten der persönlichen Lebensführung von betrieblich veranlassten Kosten abzugrenzen. Die Schwierigkeiten werden noch dadurch erhöht, dass gem. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch dann ein Abzugsverbot besteht, wenn die Kosten der Lebensführung zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Das von der Rechtsprechung hieraus entwickelte Aufteilungs- und Abzugsverbot mit seiner Kasuistik und seinen Ausnahmen dürfte eines der streitträchtigsten Probleme des geltenden Einkommensteuerrechts darstellen993. In Bezug auf Arbeitnehmer würde die Flat Tax das Problem der gemischten Aufwendungen beseitigen, da es hier zu einem absoluten Abzugsverbot käme. In Bezug auf Unternehmer, die weiterhin Betriebsausgaben sollen geltend machen können, bestünde das Problem jedoch weiterhin, denn auch hier wäre eine Definition des Begriffs der Betriebsausgaben und eine Abgrenzung zu den Kosten der Lebensführung erforderlich. Vieles spricht dafür, dass die von der Rechtsprechung entwickelten und im Schrifttum scharf angegriffenen Grundsätze auch auf die Flat Tax Anwendung fänden.
III. Neu entstehende Probleme Nach Aussage ihrer Urheber könnte die Flat Tax problemlos aufgrund des vorliegenden Entwurfs umgesetzt werden. Sie drucken in ihrem Buch über die Flat Tax sogar einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung ab. Kritiker bemängeln indes, dass das von Hall/Rabushka vorgestellte Konzept zu oberflächlich und nicht detailliert genug sei994, und dass Hall und Rabushka bei der Vorstellung ihres Konzeptes wichtige Fragen übersehen haben, die einer Antwort bedürfen995. Daher soll zunächst geklärt werden, ob der Teufel für die Flat Tax wirklich im Detail steckt, wie manche ihrer Kritiker behaupten996.
___________ 993 Hierzu etwa Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 12 Rn. 13 m. w. N.; Birk, Steuerrecht, Rn. 881. 994 V. a. Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 601. 995 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 602. 996 Vgl. den Titel des Aufsatzes von Woehlke, 66 CPA J. 16.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
1. Finanzverfassung So könnte die Finanzverfassung einen Übergang zur Flat Tax erschweren. Zu berücksichtigen wäre insbesondere die Gewerbesteuer, die voraussichtlich in ihrer bisherigen Form nicht weiter erhoben werden könnte. Hier wäre ein adäquater Ersatz zu finden, da eine Abschaffung aus politischen Gründen unwahrscheinlich erscheint. Zu denken wäre an einen kommunalen Zuschlag zur Unternehmenssteuer. Dieser müsste aber idealiter auf die Unternehmenssteuer anrechenbar sein, um die Neutralitätswirkungen des flachen Steuersatzes nicht zu gefährden. Dies wäre also faktisch gleichbedeutend damit, dass die Kommunen einen Anteil an der Unternehmenssteuer erhielten. Die letztgenannte Lösung wäre vermutlich administrativ einfacher, beseitigt aber jeglichen Steuerwettbewerb unter den Kommunen.
2. Unvollständigkeiten a) Übertragung von betrieblich genutztem Vermögen Nicht klar wird im Vorschlag von Hall/Rabushka, ob der Erhalt von Vermögensgegenständen oder Dienstleistungen als Gegenleistung für den Transfer von Vermögen oder die Erbringung von Dienstleistungen steuerbares Einkommen darstellt oder nicht997. Die Frage wird besonders relevant für den Bereich der Umstrukturierung von Gesellschaften, etwa wenn eine Muttergesellschaft betrieblich genutztes Vermögen auf ihre Tochter überträgt und als Gegenleistung Anteile an der Tochtergesellschaft erhält998. Nach dem Armey/ShelbyGesetzesvorschlag sollen derartige Transaktionen steuerpflichtig sein; dies dürfte indes häufig zu einem Nullsummenspiel führen, da der Wert der geleisteten Vermögensgegenstände oder Dienstleistungen zugleich einen Abzugsposten bilden soll. Ein Umwandlungssteuerrecht fehlt im Konzept von Hall/Rabushka darüber hinaus völlig. Gerade in diesem für die Wirtschaft wichtigen Bereich wären indes Regelungen erforderlich, schon um die Vorhersehbarkeit von Entscheidungen zu gewährleisten. Es wäre daher nicht vertretbar, diesen Bereich dem Richterrecht zu überlassen. Dass Regelungen für Umwandlungen erforderlich sind, folgt etwa aus der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Verlustvortrags: Hier wäre eine Regelung notwendig, was mit aufgelaufenen Verlusten im Fall einer Umstrukturierung geschieht. ___________ 997 998
Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691. Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691.
E. Probleme der Flat Tax
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b) Das Problem des internationalen Steuerrechts aa) Ursprungsland- und Bestimmungslandprinzip Nur kurz soll auf das Problem internationaler Sachverhalte bei Geltung der Flat Tax eingegangen werden. Hall/Rabushka haben die Flat Tax als territoriale, ursprungslandbasierte Konsumsteuer ausgestaltet999. Die Steuer ist ursprungslandbasiert, da Steuerzahler Importe steuerwirksam absetzen können, dafür aber auch auf Exporte besteuert werden1000. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Wert der heimischen Produktion besteuert wird, unabhängig davon, wo die hergestellten Produkte konsumiert werden1001 oder woher die Rohmaterialien für die Herstellung der Produkte stammen. Die Konzeption der Flat Tax ist damit dem Prinzip der Quellenbesteuerung eng verbunden1002, da die im Land erwirtschafteten Werte besteuert werden sollen, unabhängig von der Person des Erwirtschaftenden. Die Flat Tax liegt mit ihrer ursprungslandbasierten Ausgestaltung im Widerspruch zu den meisten Mehrwertsteuersystemen, einschließlich des deutschen, die nicht ursprungslandbasiert, sondern – zumindest im Grundsatz1003 – bestimmungslandbasiert ausgestaltet sind1004: Steuerpflichtige erhalten einen Steuerabzug für Exporte und müssen Importe versteuern. Bestimmungslandbasierte Steuersysteme erfassen nicht den Wert der heimischen Produktion, sondern den Wert des heimischen Konsums1005. Wollte etwa Deutschland sein Einkommensteuersystem nach Art der Flat Tax ausgestalten, stellte sich das Problem, dass das geltende Umsatzsteuerrecht in seiner Belastungswirkung bestimmungslandbasiert, das Einkommensteuerrecht aber ursprungslandbasiert wäre. Um ein auch in sich kohärentes Gesamtsteuersystem zu schaffen, müsste entweder das Mehrwertsteuersystem ebenfalls auf Ursprungslandbasis umgestellt werden, was wegen der europarechtlichen Vorgaben unmöglich sein dürfte, oder aber die Flat Tax müsste entsprechend abgeändert und auf Bestimmungslandbasis umgestellt werden. ___________ 999
Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 618; ders., 37 Tax Notes Int’l 991, 992. Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 13; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599,
1000
619. 1001
Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 619. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 13 f.; Richner, ASA 73, 593, 609. 1003 Lediglich bei sog. Abhollieferungen durch natürliche Personen, die nicht Unternehmer sind, gilt aus technischen Gründen das Ursprungslandprinzip. Reiß, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 14 Rn. 110. 1004 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 302 f.; Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14 Rn. 107 ff.; s. auch Krause-Junk, FinArch 49, 141 ff.; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 384. 1005 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 619. 1002
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
bb) Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen In engem Zusammenhang mit dieser Problematik steht die Schwierigkeit, dass im Falle der Einführung einer Cash Flow Steuer auch die meisten von der Bundesrepublik abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen geändert werden müssten1006. Insbesondere die Frage der Anrechenbarkeit von in Deutschland gezahlter Cash Flow Steuer in anderen Staaten müsste neu verhandelt werden1007, jedenfalls dann, wenn andere Staaten die Cash Flow Steuer nicht als Einkommensteuer anerkennen wollten. Diese Gefahr bestünde, da im internationalen Vergleich die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich vorherrscht1008. Darüber hinaus brächte die Steuerfreiheit von Dividenden in Deutschland ausländischen Investoren nichts, wenn Dividenden im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterlägen. Dann wären diese nämlich dort nach Art. 10 OECDMA1009 voll zu besteuern, da nach Art. 23 OECD-MA anrechenbare Steuer in Deutschland nicht anfiele. Zumindest teilweise wird hierauf auch das Scheitern der von 1994 bis 2000 in Kroatien geltenden Zinsbereinigung zurückgeführt1010. Ferner wird im Zusammenhang mit der Zinsbesteuerung als unwahrscheinlich angesehen, dass sich das Prinzip der Quellenbesteuerung auch im internationalen Kontext durchzusetzen vermöchte1011. Folglich wären zwar in Deutschland gezahlte Zinsen hier steuerfrei; ausländische Investoren müssten aber in ihren Wohnsitzstaaten vermutlich dennoch Steuern hierauf entrichten. Umgekehrt wären gezahlte Zinsen zwar nicht in Deutschland, wohl aber in anderen Staaten weiterhin abzugsfähig.
cc) Internationale Verrechnungspreise Ein weiteres Problem der Cash Flow Besteuerung liegt in ihrer Missbrauchsanfälligkeit für Verrechnungspreise im internationalen Kontext. Hier bieten ___________ 1006 Krause-Junk, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 123 ff.; McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 133 f.; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 385. 1007 Zum parallel gelagerten Problem in den Vereinigten Staaten vgl. McLure/ Zodrow, 51 Nat’l Tax J. 1, 4 ff. 1008 Ehrhardt-Rauch, DStZ 2001, 423, 427. 1009 Genauer: Nach der dem Art. 23 OECD-MA entprechenden Regelung des jeweiligen bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens. 1010 Stöber, IStR 2001, XIII/4. 1011 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 14; Richner, ASA 73, 593, 605.
E. Probleme der Flat Tax
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sich Möglichkeiten, durch entsprechende Beeinflussung der Zahlungsströme die Besteuerung in das Wunschland zu verlagern1012. Dies erfordert eine Regelung, sei es durch Gesetz, sei es durch Richterrecht, die einer Erosion der nationalen Bemessungsgrundlage Einhalt gebieten könnte.
dd) Internationale Dividendenzahlungen Auch grenzüberschreitende Dividendenzahlungen dürften im System der Flat Tax für Missbrauchsanfälligkeit sorgen. Denn die von einer im Ausland ansässigen Körperschaft an einen in Deutschland ansässigen Anteilseigner gezahlten Dividenden wären in Deutschland steuerfrei, ohne dass der Gewinn der Körperschaft der deutschen Besteuerung unterlegen hat. Damit wird aber die Ratio der Steuerfreiheit von Dividenden, die auf Körperschaftsebene bereits hergestellte, definitive steuerliche Belastung, unterlaufen. Körperschaften könnten sich gezielt in „Niedrigsteuerländern“ ansiedeln und dort nicht oder nur minimal besteuerte Gewinne nach Deutschland weiterleiten. Aufgrund der Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts (insb. Art. 43 EG)1013 wären Gegenmaßnahmen gegenüber Körperschaften mit Sitz im europäischen Ausland darüber hinaus grundsätzlich nicht zulässig.
ee) Fazit Gerade bei internationalen Sachverhalten stößt eine Gewinnbesteuerung auf Basis des Cash Flows eines Unternehmens an ihre Grenzen1014. Ihre Realisierung im nationalen Alleingang ist daher wenig wahrscheinlich. Für eine abgestimmte Einführung durch mehrere Staaten fehlt es derzeit an Anreizen.
c) Steuererklärungspflicht von Unternehmern bei mehreren Betrieben Nicht klar ist weiterhin, ob im System der Flat Tax ein Unternehmer für jeden Betrieb eine eigene Steuererklärung abzugeben hätte oder nicht1015. Im Vorschlag von Armey/Shelby finden sich hierzu keine Anhaltspunkte1016; ___________ 1012
Vgl. Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 106. 1013 s. nur EuGH v. 12.12.2002, C-324/00, www.curia.eu.int. 1014 Wagner, PWP 7, 19, 30. 1015 Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 643. 1016 Bei Armey/Shelby wird lediglich normiert, dass die Unternehmenssteuer erhoben wird von „jeder Person, die ein Unternehmen betreibt“ (§ 11 (a) von H.R. 2060). Unklar
250
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Hall/Rabushka beschränken sich in ihrem Gesetzentwurf auf die Formulierung, ein Unternehmen könne für seine Tochtergesellschaften oder anderen Einheiten eigene Erklärungen abgeben1017. Daraus dürfte zu schließen sein, dass auch eine Steuererklärung pro Unternehmen möglich wäre. Dies hätte zur Folge, dass Gewinne aus gewinnträchtigen Betrieben mit Verlusten aus anderen Betrieben verrechnet werden könnten. Damit wäre die Möglichkeit von Steuerplanung durch Abschirmen von Gewinnen mit rechnerischen Verlusten aus anderen Betrieben wieder eröffnet1018. Die Möglichkeit der Steuerverrechnung stieße allerdings bei Unternehmen mit mehreren Eigentümern an ihre Grenzen. Die Steuersubjekteigenschaft von Kapital- und Personengesellschaften könnte auch zu neuen Problemen führen. So müssten möglicherweise sog. „transferpricing-Regeln“ erstellt werden für Geschäfte zwischen Unternehmen mit (teilweise) identischen Eigentümern. Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, dass durch Rechtsgeschäft zwischen den Unternehmen Gewinne und Verluste verschoben werden könnten1019.
d) Besteuerung von Finanzintermediären Die von Hall/Rabushka selbst erkannte Schwachstelle der Besteuerung von Finanzintermediären im System der konsumorientierten Besteuerung wird keiner befriedigenden Lösung zugeführt. Das Problem besteht dabei nicht in erster Linie bei Geschäften zwischen Banken und steuerpflichtigen Unternehmen, denn Banken zahlen zwar für vereinnahmte Zinsen keine Steuern, Unternehmen können diese im Gegenzug aber auch nicht steuerlich geltend machen1020. Hier kommt es also zu einer „Quasi-Besteuerung“ auf Unternehmensseite. Diese tritt indes nicht ein, wenn die Schuldner nicht steuerpflichtig sind, etwa bei Geschäften mit Privatpersonen oder Ausländern1021. Solche Geschäfte wären steuerlich privilegiert. Die von Hall/Rabushka vorgeschlagene Methode zur Erfassung der Gewinne von Finanzintermediären (s. § 5 B. I. 2. f), S. 92) vermag ___________ bleibt, ob eine einzige Steuererklärung pro Unternehmer genügt, oder ob eine Erklärung pro Gewerbe erforderlich sein soll. 1017 s. Kap. 2 § 3 (c) des Gesetzesvorschlags in Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 122; § 203 (c) des Gesetzesvorschlags in Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 144. 1018 Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 643 f. 1019 Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644. 1020 Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 93 f. 1021 Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 94.
E. Probleme der Flat Tax
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nicht zu überzeugen1022. Denn die Berechnungsmethode durch Vergleich von Marktzins und tatsächlich gezahltem Zins ist insofern willkürlich, als nicht davon ausgegangen werden kann, dass hier vorliegende Differenzen immer der Entlohnung von Serviceleistungen des Finanzintermediärs dienen1023. Eine überzeugende Lösung des Problems der Besteuerung von Finanzintermediären im Rahmen der Cash Flow Steuer vom R-Typ ist nicht ersichtlich1024. Erwägenswert wäre folglich nur eine Sondersteuer für Finanzintermediäre außerhalb der Flat Tax. Dies führte zu einer Verkomplizierung des Steuersystems.
3. Neutralitätsprobleme Die Neutralität – verstanden als nichtverzerrende Wirkung – eines Steuersystems ist ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung seiner Effizienz. Umgekehrt ist ein Steuersystem nicht effizient, wenn es das Verhalten der Steuerpflichtigen stark beeinflusst oder – anders gewendet – die Steuerpflichtigen Möglichkeiten haben, der Besteuerung auszuweichen. Zu fragen ist daher, ob die Flat Tax als Ganzes ein Maximum an Neutralität verwirklicht, oder ob sie anfällig für Steuergestaltungen ist, die ihre von den Befürwortern hervorgehobene Effizienz stark einschränken oder sogar aufheben könnte. Etwaige Missbrauchsmöglichkeiten könnten zudem Modifikationen der Flat Tax erforderlich machen, die zu einer Verkomplizierung des Steuersystems führen und damit den Hauptvorteil der Flat Tax gegenüber der geltenden Einkommensteuer – ihre Einfachheit – aufheben könnten.
a) Mangel an Korrespondenz Ein zentrales Problem, das häufig in der Auseinandersetzung mit der Flat Tax übersehen wird, ist jeglicher Verzicht auf Kontrollmitteilungen und Korrespondenz1025. Unter Korrespondenz wird im Folgenden verstanden, dass der steuerliche Abzug von der Bemessungsgrundlage eines Steuerpflichtigen die Aufnahme in die Bemessungsgrundlage eines anderen Steuerpflichtigen voraussetzt und umgekehrt1026. Gerade hierauf verzichtet die Flat Tax. So können beispielsweise Unternehmen Güter von Privatpersonen erwerben und die Anschaffungskosten sofort und in voller Höhe geltend machen; jedoch ist nicht si___________ 1022 Ähnlich Bradford, in: Economic Effects of Fundamental Tax Reform, S. 437, 439 ff.; Richner, ASA 73, 593, 626 ff.; Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 624 ff. 1023 Richner, ASA 73, 593, 627. 1024 Ähnlich Richner, ASA 73, 593, 627. 1025 Vgl. Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 601. 1026 Vgl. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 189.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
chergestellt, dass die Privatpersonen die Einnahmen aus derartigen Transaktionen auch zu versteuern haben1027. Technisch ist Grund hierfür, dass die Flat Tax nach Art einer Subtraktionsmethode arbeitet und sich nicht des Vorsteuersystems nach europäischem Vorbild bedient1028. Bei der Berechnung der Steuerschuld nach der Subtraktionsmethode ist im Gegensatz zum Vorsteuerabzug gerade kein schriftlicher Nachweis über Abzugsposten, etwa an eine dritte Partei entrichtete Steuern (Vorsteuer), erforderlich; vielmehr berechnet der Unternehmer seine Steuerschuld anhand seiner Ein- und Ausgänge. Folglich erlaubt die Subtraktionsmethode den steuerwirksamen Abzug von Abzugsposten auch dann, wenn Zahlungen an Personen vorliegen, die für diese Transaktion selbst nicht der Steuerpflicht unterliegen1029, etwa von Unternehmern an Privatpersonen. Auch in internationalen Sachverhalten fehlt der Flat Tax diese Korrespondenz, denn Unternehmer können zwar die Kosten für Importe steuerlich als Abzugsposten geltend machen, dieser Abzugsposten führt aber bei einem anderen Steuerpflichtigen nicht zu einer Erhöhung der Einkünfte, da ausländische Steuerpflichtige der Flat Tax nicht unterliegen1030. Ein weiteres grundsätzliches Problem in diesem Zusammenhang ist die Idee, die hinter der Steuerfreiheit von Kapitaleinkünften, also insbesondere von Zinsen und Dividenden, steht: Hall/Rabushka gehen davon aus, dass diese mit Geld bezahlt werden, das bereits zuvor einmal der Besteuerung unterlegen hat, da ja der Zahlende für seine Zahlung auch keine Abzugsmöglichkeit erhält1031. Dies ist jedoch nicht für alle Kapitaleinkünfte der Fall, etwa dann nicht, wenn es sich bei dem Zahlenden um einen Steuerausländer handelt oder um den Staat selbst1032. Sowohl Steuerausländer als auch der Staat unterliegen nicht der Steuerpflicht im Land der Flat Tax. Ihr Einkommen, aus dem die Kapitaleinkünfte finanziert werden, ist also nicht notwendigerweise bereits dem Steuerzugriff unterworfen gewesen. Dennoch kann der Zahlungsempfänger die Kapitaleinkünfte steuerfrei vereinnahmen. Bereits dieser Mangel an Korrespondenz dürfte viel Raum für steuerliche Gestaltungen eröffnen. Zu denken ist insbesondere an den Fall, dass Unternehmer Zahlungen an vermeintliche Privatpersonen als Abzugsposten steuerlich geltend machen, die Zahlungsempfänger die Zahlungen aber nicht versteuern, da sie in die nicht steuerbare Privatsphäre fallen. Eine ähnliche Konstellation ___________ 1027
Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 613 f. Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991, 992. 1029 Weisbach, 37 Tax Notes Int’l 991, 992. 1030 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 619. 1031 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 62 f. 1032 Vgl. Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14. 1028
E. Probleme der Flat Tax
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unter umgekehrten Vorzeichen existiert bereits im bestehenden Einkommensteuerrecht, nämlich bei dem Problem der Abgrenzung der Liebhaberei: Hier wäre es für den Steuerpflichtigen günstig, wenn eine Tätigkeit als steuerlich relevant eingestuft würde. Bei der Flat Tax wäre es möglicherweise umgekehrt so, dass es für den Steuerpflichtigen günstig wäre, wenn eine Tätigkeit als steuerlich unbedeutende Liebhaberei einzustufen wäre. Eine konsequente Lösung, die Missbrauch einschränken könnte, bestünde darin, die Regel festzuschreiben, dass nur solche Abzugsposten steuerlich gelten gemacht werden können, die an anderer Stelle als Einnahmen ebenfalls prinzipiell der Flat Tax unterfallen1033. Dies hieße also, dass das Erfordernis der Korrespondenz gesetzlich verankert würde. Indes würde die Überwachung dieses Erfordernisses einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedeuten, den Hall/Rabushka mit ihrem System gerade verhindern wollen.
b) Möglichkeiten der Steuergestaltung Steuerplanung hat das Ziel, die Gesamtsteuerlast des Steuerpflichtigen zu senken. Dabei können sich Steuerpflichtige drei Grundprinzipien der Steuervermeidung zunutze machen, nämlich (1) die Verlagerung der Steuerlast auf spätere Veranlagungszeiträume, (2) die Nutzung der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung verschiedener Einkunftsarten, und (3) die Nutzung von unterschiedlichen Steuersätzen, sei es bei demselben Steuerpflichtigen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen, sei es durch Einkommensverlagerung auf Steuerpflichtige mit niedrigerem individuellen Steuersatz1034. Man könnte mit Wagner auch von Zeit-, Bemessungsgrundlagen- und Tarif-Effekten bei der Besteuerung sprechen1035.
aa) Verlagerung der Steuerlast auf spätere Veranlagungszeiträume Der generelle Wunsch des Steuerpflichtigen, Steuern eher später als früher bezahlen zu müssen, behielte auch unter einer Flat Tax seine Relevanz1036. Es ist daher davon auszugehen, dass Steuerpflichtige auch bei Geltung einer Flat Tax weiterhin versuchen werden, ihre Steuerzahlungspflicht zeitlich zu verzö___________ 1033
Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14. 1034 Vgl. grundlegend Stiglitz, 38 Nat’l Tax J. 325 ff.; s. auch Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 692. 1035 Wagner, StuW 2001, 354, 357. 1036 Bittker, in: Galvin/Bittker, Income Tax, S. 33 f.; Kornhauser, 86 Mich. L. Rev. 465, 478 f.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
gern. Der Erfolg dieses Versuches hängt davon ab, ob die Flat Tax Verlagerungsstrategien in zeitlicher Hinsicht zulässt. Dies dürfte jedenfalls für Unternehmer zu bejahen sein: Unter der Flat Tax stehen besonders unternehmerisch tätigen Steuerpflichtigen Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Steuerlast auf spätere Veranlagungszeiträume zu verlagern. Insbesondere die Gewinnermittlungsmethode der Cash Flow Besteuerung könnte sich als besonders gestaltungs- und damit missbrauchsanfällig erweisen1037.
(1) Verschiebung von Zuflüssen und Vorverlagerung von Abflüssen Steuerpflichtige, die ihr zu versteuerndes Jahreseinkommen auf Cash Flow Basis ermitteln, können steuerpflichtigen Gewinn dadurch in einen späteren Veranlagungszeitraum verlagern, dass sie das Entgelt für gelieferte Waren oder erbrachte Dienstleistungen erst später vereinnahmen1038 oder Entgelte für empfangene Leistungen bereits vor Fälligkeit entrichten1039. Ist Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr, so ergibt sich diese Problematik vor allem bei Leistungen, die noch im alten Kalenderjahr erbracht werden, deren Bezahlung aber erst im neuen Kalenderjahr erfolgt, oder spiegelbildlich bei Leistungen, die schon im alten Kalenderjahr bezahlt, aber erst im neuen Kalenderjahr empfangen werden. Das EStG kennt eine ähnliche Problematik im Rahmen der EinnahmenÜberschuss-Rechnung des § 4 Abs. 3 EStG1040. Während die EinnahmenÜberschuss-Rechnung des § 4 Abs. 3 EStG allerdings nur einem abgeschlossenen Kreis von Steuerpflichtigen zur Verfügung steht und insbesondere alle zur Buchführung verpflichteten Steuerpflichtigen ihren Gewinn grundsätzlich1041 nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG ermitteln müssen, stünde die Cash Flow Rechnung im System der Flat Tax allen Unternehmern offen. Für die Einkommensermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sieht § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 EStG für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben, die kurze Zeit vor oder nach dem Kalenderjahr, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zu- oder abgeflossen sind, eine Sonderregelung vor, die zu einer periodengerechten Erfassung dieser Einnahmen und Ausgaben führt1042. Denkbar wäre die Übertra___________ 1037
Eberhartinger, S. 399; Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644; Roberts/ Sullivan, 39 Challenge 24, 25. 1038 Eberhartinger, S. 399; Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 695. s. auch Birk, Steuerrecht, Rn. 865 zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. 1039 Eberhartinger, S. 399. 1040 Dazu Birk, Steuerrecht, Rn. 865. 1041 Ausnahme: Gewinnermittlung nach § 5 a EStG. 1042 Birk, Steuerrecht, Rn. 866; vgl. auch Birk/Kister, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 11 EStG Rn. 75.
E. Probleme der Flat Tax
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gung ähnlicher Regelungen auf die Flat Tax1043. Damit wäre indes nur ein Teil des Problems erfasst, da die Sonderregelung nur regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben erfasst, also solche, die ihrer Natur nach nicht nur einmal, sondern in regelmäßigen Abständen vereinnahmt oder geleistet werden, wobei es auf das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft ankommen soll1044. Einmalige Kaufverträge wären folglich ebenso wenig erfasst wie Ratenzahlungsgeschäfte. Denkbar wäre somit, die Sonderregelung entsprechend weit zu fassen, womit allerdings durch die Hintertür doch wieder Regelungen des an sich obsoleten Bilanzsteuerrechts in Kraft gesetzt würden. Ferner sind auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die Vorschriften über Absetzung für Abnutzung und Substanzverringerung anzuwenden. Dies schränkt das Cash Flow Prinzip deutlich ein; eine derartige Regelung liefe dem Charakter der Flat Tax als Cash Flow Steuer zuwider. Möglicherweise sind Sonderregelungen aber auch unnötig, da das Ausmaß dieser Steuergestaltungsmöglichkeit geringer sein dürfte als vielfach angenommen. Denn für Geschäfte zwischen Unternehmen dürfte sie sich nur in Ausnahmefällen eignen, da die Steuerersparnis des einen Teils zu einer Steuererhöhung für den anderen Teil führt: Wird eine erbrachte Lieferung oder Leistung erst später bezahlt, so hat zwar der erbringende Teil erst später steuerpflichtige Einnahmen; der bezahlende Teil hat jedoch auch erst später steuermindernde Betriebsausgaben und dürfte daher nur in Ausnahmefällen bereit sein, sich auf diese Gestaltung einzulassen1045. Ein möglicher Ausnahmefall ist die Konstellation, dass der bezahlende Teil im relevanten Veranlagungszeitraum ohnehin Verluste gemacht hat. Selbst in diesem Fall entgeht ihm allerdings der verzinsliche Verlustvortrag1046. Ein weiterer Ausnahmefall könnte dann gegeben sein, wenn der Geschäftspartner sich im Ausland befindet und dem dortigen Steuerrecht unterfällt. Im Übrigen dürfte sich diese Manipulationsmöglichkeit nur lohnen bei Geschäften zwischen Unternehmern und Privaten, die Aufwendungen steuerlich nicht geltend machen können und Erträge des Privatvermögens nicht zu versteuern haben. Ein verwandtes Problem, das sich ebenfalls stellen könnte, dürfte im Missbrauch des Sofortabzugs durch Verschweigen der Weiterveräußerung eines Wirtschaftsgutes liegen, welches einen erhöhten Kontrollbedarf auslösen dürf___________ 1043
Vgl. etwa Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 116; McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 132 f. 1044 BFH v. 24.07.1986, IV R 309/84, BStBl. II 1987, 16, 17; Birk, Steuerrecht, Rn. 866; Birk/Kister, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 11 EStG Rn. 79. 1045 So auch schon Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 695. 1046 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 695.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
te1047. So könnten Unternehmer zwar den Sofortabzug für Investitionen in Anspruch nehmen, die Weiterveräußerung des Wirtschaftsguts aber verschweigen. Da es bei der Cash Flow Besteuerung keine steuerrechtliche Pflicht zur Aufstellung eines Inventars gäbe, wären derartige Missbrauchsfälle schwerer zu entdecken; gleichzeitig wäre ein Missbrauch lohnender als im derzeitigen System, da Investitionen immer sofort und in voller Höhe abziehbar wären.
(2) Ausnutzung des Sofortabzugs für Investitionen Auch die Tatsache, dass Unternehmer getätigte Investitionen sofort und in voller Höhe als Betriebsausgaben von der Bemessungsgrundlage abziehen dürfen, dürfte einigen Raum für Steuergestaltungen eröffnen1048. Zwar gehen Hall/Rabushka davon aus, dass der Sofortabzug unschädlich sei, da er zwar in dem betroffenen Veranlagungszeitraum die Steuerschuld mindere, sich diese aber in späteren Jahren entsprechend erhöhe1049. Hiergegen lässt sich zunächst einwenden, dass dies nicht gilt, wenn Steuerpflichtige in jedem Jahr von neuem Investitionen tätigen, sei es, um ihre Steuerschuld zu verkleinern, sei es zur Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens1050. Es ist wahrscheinlich, dass Unternehmen, die Gewinne erzielen, von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, um ihre Steuerschuld zu verringern1051. In diesem Fall wird die Besteuerung auf unbestimmte Zeit verschoben. Darüber hinaus müsste, selbst wenn die Argumentation von Hall/Rabushka zutreffend wäre, der Staat die bei der erstmaligen Anwendung der Flat Tax entstehenden Einnahmeausfälle zunächst überbrücken1052. Dies könnte durch eine höhere Verschuldung geschehen, die ihrerseits zu höheren Zinskosten führte; alternativ könnten andere Steuern angehoben werden1053. Wegen des Zeitwertaspektes des Geldes kämen also auch ___________ 1047
McLure/Zodrow, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 117, 132. 1048 Bericht der Meade-Kommission, S. 240 f.; Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644; Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 605; Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 97; Snyder/ Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 15 f. 1049 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 88; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 119; zustimmend Richner, ASA 73, 593, 628. 1050 Roberts/Sullivan, 39 Challenge 24, 25. s. auch Bericht der Meade-Kommission, S. 241. 1051 Snyder/Gallegos, 13 Am. J. Tax Pol’y 1, 15 f. Noch weitergehend Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 605: Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundlage steht im Belieben der Steuerzahler. 1052 Vgl. Eberhartinger, S. 400; Richner, ASA 73, 593, 629. 1053 Richner, ASA 73, 593, 629. Richner weist darauf hin, dass in der Slowakei die Mehrwertsteuer zur Gegenfinanzierung der Einstufen-Steuer angehoben wurde. Richner, a.a.O. (Fn. 162).
E. Probleme der Flat Tax
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bei Zugrundelegung der Argumentation von Hall/Rabushka auf den Staat höhere Kosten zu. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass Unternehmen auf diese Weise ihre gesamte Steuerschuld verlagern können, da Investitionen in Höhe des Gewinns wahrscheinlich ökonomisch unsinnig wären und das Unternehmen in seinem Bestand gefährden könnten1054. Auch erkaufen sich Unternehmen diese Steuerstundung durch Opportunitätskosten in Form des Verzichts auf Zinserträge1055, denn Investitionen müssen finanziert werden. Bei großen Kapitalgesellschaften ist außerdem davon auszugehen, dass die Anteilseigner an dem Gewinn in Form einer (für sie steuerfreien) Dividende beteiligt werden wollen. Bei Einzelunternehmern auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach der Deckung des täglichen Lebensbedarfs für den Unternehmer. Auf der anderen Seite wären auch Investitionen, die nicht mit dem Unternehmenszweck verbunden sind, abzugsfähig. So könnte ein Unternehmen etwa in Kunstobjekte investieren und dabei zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Anschaffungspreis wäre im Jahr der Anschaffung in voller Höhe abzugsfähig, und das Kunstobjekt könnte als Wertspeicher dienen1056. Gleiches dürfte auch für andere Sammlerstücke und Immobilien gelten. Das Problem wird noch verschärft, wenn Unternehmen diese Investitionsobjekte von Privatpersonen kaufen, die den Erlös selbst nicht zu versteuern haben: Die Bemessungsgrundlage der Steuer könnte sich dadurch signifikant verringern1057. Außerdem könnten Anteilseigner Wertsteigerungen auch auf andere Art als durch Auszahlung einer Dividende realisieren: Sie könnten nämlich auch einen Teil ihrer im Wert gestiegenen Anteile steuerfrei veräußern und so ebenfalls von Wertsteigerungen des Unternehmensvermögens profitieren, ohne dass es zu Ausschüttungen kommen muss1058. Und auch ein weiteres Steuervermeidungsschema ist denkbar, wenn der Veranlagungszeitraum zweier Unternehmen nicht identisch ist: Dann kann nämlich das eine Unternehmen gegen Ende seines Veranlagungszeitraums Güter von dem anderen Unternehmen erwerben, welches sie gegen Ende seines eigenen Veranlagungszeitraums zurückerwirbt1059. Das Problem ließe sich allerdings dadurch lösen, dass der Veranlagungszeitraum für alle Unternehmen identisch festgelegt wird1060. ___________ 1054
Vgl. Bericht der Meade-Kommission, S. 240 f. Feldhoff, StuW 1989, 53, 60. 1056 Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 606. 1057 Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 606. 1058 Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 97. 1059 Bericht der Meade-Kommission, S. 240 f.; Feldhoff, StuW 1989, 53, 60. 1060 Feldhoff, StuW 1989, 53, 60. 1055
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Festzuhalten bleibt daher, dass der Sofortabzug für Investitionen im Zusammenspiel mit der Cash Flow Besteuerung erheblichen Spielraum für Steuergestaltungen schafft, der vermutlich gerade beim Übergang zur Flat Tax zu Steuerausfällen führen würde. Die Flat Tax ist folglich nicht verwendungsneutral.
(3) Gegenmaßnahmen Die Möglichkeit, Steuern dadurch zu sparen, dass der Zeitpunkt der Besteuerung hinausgezögert wird bis zu einem späteren Veranlagungszeitraum, lässt sich dadurch eingrenzen, dass die einzelnen Veranlagungszeiträume verkürzt werden. So könnte etwa bei der Unternehmenssteuer Veranlagungszeitraum das Kalendervierteljahr oder sogar der Kalendermonat anstelle des Kalenderjahres sein1061. Damit wäre die Flat Tax auch in Bezug auf ihren Veranlagungszeitraum der Umsatzsteuer angenähert, der sie in ihrer Wirkungsweise ja auch entspricht. Durch die vierteljährliche oder gar monatliche Abrechnung verlören die Möglichkeiten, durch Manipulation der Zahlungsströme eine Steuerstundung zu erreichen, an Attraktivität, da nunmehr nicht ein Aufschub von einem Jahr sondern nur noch von einem Vierteljahr oder einem Monat erreicht werden könnte. Es ist zweifelhaft, ob sich die mit der Beeinflussung der Zahlungsströme verbundenen Transaktionskosten sowie die Einbuße an Liquidität dann lohnen würden. Eine vierteljährliche oder gar monatliche Abrechnung würde auf der anderen Seite den Verwaltungsaufwand bei den Unternehmen und auch bei der Finanzverwaltung erheblich erhöhen, sodass eine Umsetzung zweifelhaft ist.
(4) Anteilsveräußerungen Ein weiteres zeitliches Neutralitätsproblem stellt sich im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an Unternehmen. Durch die Einführung einer Betriebsteuer werden zwar zunächst alle Gesellschaftsformen gleich behandelt: Jede Anteilsveräußerung wäre grundsätzlich als „share deal“ für den Veräußernden wie für den Käufer steuerlich irrelevant1062. Die Versteuerung trifft nur den Gesellschaftsgewinn, der Kaufpreis ist nicht steuerpflichtig, kann aber auch nicht vom Käufer zum Abzug gebracht werden. Möglichkeiten, dies zu umgehen, werden aber geschaffen, wenn anstelle von Anteilen einzelne Wirtschafts___________ 1061
Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 708. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 23. Dies übersieht Richner, ASA 73, 593, 628. 1062
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güter durch das Unternehmen selbst veräußert werden („asset deal“). In diesem Fall hätte das Unternehmen den Kaufpreis zu versteuern, der Käufer könnte ihn steuerlich zum Abzug bringen. Diese Problematik stellt indes kein spezifisches Problem der Flat Tax dar. Vielmehr besteht sie auch und gerade im bestehenden Steuerrecht in besonders gravierender Form, da zwischen der Veräußerung von Anteilen an Personen(„asset deal“) und Anteilen an Kapitalgesellschaften („share deal“) unterschieden werden muss. Die Flat Tax mit ihrer Betriebsteuer brächte in diesem Punkt also keine Verschlechterung.
bb) Nutzung unterschiedlicher Rechtsregime Immer wenn das Steuerrecht unterschiedliche Einkunftsarten rechtlich unterschiedlich behandelt, führt diese Ungleichbehandlung zu Anreizen, mithilfe entsprechender Steuergestaltungen die Auswirkungen der Ungleichbehandlung für den Steuerpflichtigen nutzbar zu machen. Aus diesem Grunde dürften bei der Flat Tax vor allem die unterschiedliche Behandlung von Nichtselbstständigen und Unternehmern sowie die Steuerfreistellung von Kapitaleinkünften die Fantasie der Steuerplaner anregen und Möglichkeiten der Steuergestaltung eröffnen.
(1) Umwandlung von Einkünften und Investitionen Insbesondere die steuerlich vorteilhafte Behandlung von Kapitaleinkünften unter der Flat Tax dürfte einen starken Anreiz darstellen, gezielt andere, an sich steuerpflichtige Einkünfte in Kapitaleinkünfte umzuwandeln1063. Da Einkünfte aus Kapitalvermögen vollständig steuerfrei gestellt werden, könnte dies zu beträchtlichen Ausfällen bei den Steuereinnahmen führen. Denkbar und möglich ist darüber hinaus, dass spiegelbildlich wegen des Abzugsverbots für Zinsen und andere Kapitalinvestitionen Steuerpflichtige versuchen werden, derartige Investitionen umzuqualifizieren in steuerlich abzugsfähige, möglicherweise sogar überhöhte Ausgaben für Realinvestitionen1064. Insbesondere Händler und Werkunternehmer haben die Möglichkeit, an sich unternehmerische Einkünfte durch entsprechende Gestaltungen in Kapitalein___________ 1063 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720; Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 605; Hiller, DBW 1999, 792, 798; Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569, 572; Roberts/ Sullivan, 39 Challenge 24, 25; Gary M. Friedman, Some Postcard Postcripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14. 1064 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 624; Hiller, DBW 1999, 792, 798.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
künfte umzuqualifizieren1065: So kann etwa der Verkäufer dem Käufer bei einem finanzierten Kauf oder Kauf auf Raten einen niedrigeren Verkaufspreis im Austausch für eine höhere Zinsrate anbieten1066; gleiches gilt für den Unternehmer, der dem Besteller Ratenzahlung gewährt1067. Die vom Verkäufer vereinnahmte Gesamtsumme kann auf diese Weise gleich bleiben, lediglich die Zusammensetzung aus Kaufpreisanteil und Zinsanteil verschiebt sich zu Gunsten des Zinsanteils. Auf diese Weise werden für den Verkäufer steuerpflichtige Einkünfte in steuerfreie umgewandelt. Auch dieses Steuersparmodell wird grundsätzlich nur bei Verträgen zwischen Unternehmern und Endverbrauchern realisierbar sein und nur ausnahmsweise auch bei Verträgen zwischen Unternehmern, denn dem steuerlichen Vorteil des Verkäufers entspräche anderenfalls ein steuerlicher Nachteil für den Käufer1068, da gezahlte Zinsen als Betriebsausgaben nicht in Ansatz gebracht werden dürfen. Da Privatpersonen weder Zinsen noch den entrichteten Kaufpreis in Ansatz bringen dürfen, wären sie wahrscheinlich grundsätzlich indifferent1069. Es ist sogar möglich, dass auch Privatpersonen letztlich von dem Steuersparmodell profitieren, da ein kompetitiver Markt dazu führen könnte, dass die Unternehmer gezwungen wären, einen Teil der Steuerersparnis an die Endverbraucher weiterzugeben1070. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, wären gesetzliche Regelungen notwendig, die die Umwandlung des Kaufpreises in Zinszahlungen verhindern. Insbesondere zu denken ist an eine gesetzliche Fiktion, derzufolge der gezahlte Zins bei Überschreitung einer gewissen, zuvor zu definierenden Schwelle als dem steuerpflichtigen Einkommen zuzurechnender Kaufpreis und nicht als steuerfreier Zins anzusehen ist, eine Regelung, die die Flat Tax allerdings verkomplizierte. Eine vorgelagerte Frage ist indes, ob Sonderregelungen überhaupt erforderlich sind. Denn nach den von der Rechtsprechung festgelegten Grundsätzen ___________ 1065 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 696; Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644; Ehrhardt-Rauch, DStZ 2001, 423, 425; Feldhoff, StuW 1989, 53, 60; Roberts/Sullivan, 39 Challenge 24, 26; Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 116. 1066 M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 181; Feldhoff, StuW 1989, 53, 60; Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14; Roberts/Sullivan, 39 Challenge 24, 26; Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 696; Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644. 1067 Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569, 572. 1068 So schon zutreffend Hiller, DBW 1999, 792, 799; vgl. auch Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644; Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569, 572; dies übersieht etwa Feldhoff, StuW 1989, 53, 60. 1069 So auch Roberts/Sullivan, 39 Challenge 24, 26; Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644. 1070 So jedenfalls Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 698.
E. Probleme der Flat Tax
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können Zinssätze bei Krediten, die von gewerbsmäßig Handelnden1071 eingeräumt werden, nicht beliebig hoch vereinbart werden. So wird ein „auffälliges Missverhältnis“ und damit Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB angenommen, wenn der vertraglich festgelegte Zins den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100 %1072 oder absolut um zwölf Prozentpunkte1073 übersteigt. In diesen Fällen liefe der Verkäufer/Kreditgeber folglich Gefahr, dass die Verträge als sittenwidrig oder wucherisch eingestuft werden könnten. Damit verwandelte sich das verzinsliche de facto in ein zinsloses Darlehen. Das Problem wäre also in Wirklichkeit wahrscheinlich geringer, als es auf den ersten Blick scheint. Der Steuerfreiheit von Einkünften aus Kapitalvermögen entspricht logisch, dass Steuerpflichtige Aufwendungen wie Zins- oder Dividendenzahlungen steuerlich nicht geltend machen dürften. Hier besteht spiegelbildlich das Problem, dass Steuerpflichtige versuchen könnten, diese negative Folge dadurch zu umgehen, dass sie Kapitalinvestitionen in Realinvestitionen umqualifizieren. Wegen des Mangels an Korrespondenz besteht darüber hinaus die Gefahr, dass der Zahlende ein Geschäft als Realinvestition und der Zahlungsempfänger dasselbe Geschäft als Kapitalinvestition behandelt, mit der Folge, dass der Zahlende die Zahlung steuerwirksam zum Abzug bringt, während der Zahlungsempfänger keine steuerwirksame Einnahme verbucht1074. Hier dürfte für die Finanzverwaltung erheblicher Kontrollbedarf entstehen. Ein noch einfacherer Weg, Steuern zu sparen, die beim Verkauf von Wirtschaftsgütern an sich anfielen, könnte darin bestehen, die zu veräußernden Wirtschaftsgüter auf eine Tochtergesellschaft zu übertragen und sodann die Anteile an der Tochtergesellschaft zu veräußern1075. Die Veräußerung der Anteile ist als finanzielle Transaktion jedenfalls steuerfrei möglich. Ob bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern innerhalb eines Konzerns Steuern anfallen können, lässt der Entwurf von Hall/Rabushka offen1076. Hier besteht jedenfalls eine Regelungslücke, die noch zu schließen wäre. Andererseits bestünde für den potenziellen Erwerber der Anteile wiederum der Nachteil, dass ein steuerlicher Ab___________ 1071
Auf Gelegenheitskredite von nicht gewerbsmäßig handelnden Darlehensgebern sollen die Grundsätze hingegen nicht anwendbar sein. BGH v. 19.06.1990, XI ZR 280/89, NJW-RR 1990, 1199. 1072 BGH v. 24.03.1988, III ZR 30/87, BGHZ 104, 102, 105; BGH v. 13.03.1990, XI ZR 252/89, BGHZ 110, 336, 338; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138 Rn. 27. 1073 BGH v. 13.03.1990, XI ZR 252/89, BGHZ 110, 336, 340; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138 Rn. 27. 1074 Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569, 572 spricht von „whipsaw“. 1075 Vgl. Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14. 1076 Anders Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14, der davon ausgeht, dass in diesem Fall keine Steuern anfallen.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
zug der Anschaffungskosten nicht möglich wäre. Dies würde im Normalfall möglicherweise eine derartige Gestaltung verhindern, nicht aber, wenn dem Erwerber ohnehin ein steuerlicher Abzug nichts nützen würde, etwa wenn sich der Erwerber ohnehin in einer Verlustsituation befindet, oder wenn es sich bei dem Erwerber um eine Privatperson handelt1077. Die Abzüge aus Realinvestitionen lassen sich zudem vergleichsweise einfach zwischen zwei Unternehmen verlagern: So steht ein Unternehmen vor der Wahl, ob es zunächst von seinem Kreditgeber einen Kredit aufnimmt und von dem Geld ein Wirtschaftsgut erwirbt, oder ob der Kreditgeber das Wirtschaftsgut erwirbt und an das Unternehmen vermietet. Im ersten Fall steht der Abzug dem Unternehmen zu, im zweiten Fall aber dem Kreditgeber. Im wirtschaftlichen Erfolg entsprechen sich die Transaktionen jedoch weitgehend. Das Problem der Abgrenzung von Kapital- zu Realinvestitionen wird schwierig sein, da es keine prinzipielle Unterscheidung zwischen diesen beiden Investitionsarten gibt1078. Sie wird aber wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen unumgänglich sein1079. Zur Rechtsklarheit trüge eine gesetzgeberische Definition bei, allerdings verkomplizierte dies den Gesetzestext1080. Darüber hinaus ist die Befürchtung geäußert worden, alle Arbeitnehmer könnten empfangene Löhne und Gehälter in Zinszahlungen umqualifizieren1081. So könnten etwa Manager ihrem Unternehmen vor Aufnahme der Tätigkeit einen Kredit geben, und die – stark überhöhten – Zinsen an Stelle eines Gehalts einstreichen1082. Auch dieses Beispiel dürfte indes im Regelfall nicht funktionieren, da dem zahlenden Unternehmen der Betriebsausgabenabzug für derartige „Zinszahlungen“ verwehrt wäre.
(2) Umwandlung von unternehmerischen Einkünften in Einkünfte aus der Privatsphäre Einkommen, das lediglich im Privatbereich des Steuerpflichtigen erwirtschaftet wird, ist unter der Flat Tax steuerfrei. Hierunter fallen auch nichtunternehmerische Gewinne aus Investitionen, etwa in Aktien, aber auch in Land, ___________ 1077 Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14. 1078 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 629. 1079 Feld, 48 Nat’l Tax J. 603, 605. 1080 Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720; Gary M. Friedman, Some Postcard Postscripts, in: New York Times v. 17.03.1996, S. 3.14. 1081 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720. 1082 Beispiel bei Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720.
E. Probleme der Flat Tax
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Optionen und Sammlergütern1083. Es kann daher in manchen Situationen aus steuerlicher Sicht attraktiv sein, eine Tätigkeit und die damit verbundenen Einkünfte als nicht unternehmerisch zu qualifizieren. Hier ergeben sich voraussichtlich dieselben Abgrenzungsprobleme wie im bestehenden Einkommensteuersystem. Vermutlich könnte auch auf dieselben Prinzipien zur Abgrenzung von Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit zurückgegriffen werden. Ein besonderes Problemfeld unter der Flat Tax dürfte die Veräußerung von Vermögensgegenständen sein. Gewinne aus solchen Veräußerungen sind im System der Flat Tax nur dann steuerpflichtig, wenn die veräußerten Gegenstände unternehmerisch genutzt wurden, also zum Betriebsvermögen gehörten, nicht aber, wenn sie der Privatsphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen waren. Zwar dürfte eine Abgrenzung in der Theorie leicht möglich und überprüfbar sein. Jedoch soll im System der Flat Tax jeder Steuerpflichtige zunächst sich selbst veranlagen und die notwendigen Feststellungen über die Art der erzielten Einkünfte treffen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass einige Steuerpflichtige ihren Lebensstil derart anpassen werden, dass eine Zurechnung von Veräußerungsgewinnen zur Privatsphäre noch vertretbar erscheint1084.
(3) Umwandlung von Mietverhältnissen in Kaufverträge Miet- oder Leasingverträge sehen typischerweise die Überlassung der Mietsache auf Zeit gegen Entrichtung eines Mietzinses vor. Gerade bei Leasingverträgen spielt jedoch häufig auch das Element der Finanzierung eine Rolle, sodass der Übergang zwischen finanziertem Ratenkauf und Leasing häufig fließend ist. Unter der Flat Tax wäre es für einen Leasinggeber nunmehr steuerlich vorteilhaft, Leasingeinnahmen in steuerfreie Zinseinnahmen umzuwandeln. Technisch dürfte dies ohne weiteres möglich sein. Daher könnte ein genereller Trend dahingehend einsetzen, Leasingverträge durch finanzierte Kaufverträge zu ersetzen, um die – möglichst hohen – Zinseinnahmen steuerfrei vereinnahmen zu können. Für den Leasingnehmer hingegen wäre es vorteilhaft, bei der Kombination eines Leasingvertrages mit einem Kreditvertrag möglichst hohe Leasingraten und möglichst niedrige Darlehenszinsen zu zahlen, denn Leasingraten wären Betriebsausgaben, während Darlehenszinsen die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht schmälerten1085. ___________ 1083
Roberts/Sullivan, 39 Challenge 24, 25. Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 699. 1085 M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 181. 1084
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Auch hier gilt also, dass diese Gestaltung lediglich für eine Seite steuerlich vorteilhaft ist. Für den bisherigen Leasingnehmer und zukünftigen Ratenkäufer wären nämlich die Zinsausgaben steuerlich nicht abzugsfähig, während Leasingraten zumindest für unternehmerisch tätige Steuerpflichtige als Betriebsausgaben zum Abzug gebracht werden könnten. Daher ist nicht zu erwarten, dass im unternehmerischen Bereich das Leasing in großem Maße durch den Ratenkauf ersetzt wird1086. Anders mag dies im privaten Sektor aussehen, da Private weder Mietaufwendungen noch Zinszahlungen steuerlich geltend machen können. Sie dürften also grundsätzlich indifferent sein1087. Die weitere Frage ist allerdings, inwieweit das Leasinggeschäft im privaten Sektor ins Gewicht fällt. In erster Linie dürfte hier das Geschäft mit Automobilen betroffen sein, wo möglicherweise bei Privatkunden ein Trend zum Ratenkauf einsetzen würde, der den bisherigen Leasinggebern steuerfreie Zinseinkünfte bescheren würde. Fraglich ist, ob sich die Steuerfreiheit von Zinseinnahmen auch auf bestehende Wohnraummietverhältnisse auswirken würde, ob also auch hier starke Anreize dazu führen könnten, dass weniger Miet- und mehr Ratenkaufverträge abgeschlossen werden. Eine steuerlich günstige Ausgestaltungsmöglichkeit könnte folgendermaßen aussehen: Der bisherige Vermieter überträgt das Eigentum an der Mietsache auf den bisherigen Mieter. Gleichzeitig räumt der Verkäufer dem Käufer ein Darlehen über den Kaufpreis ein, das dann fällig wird und in einer Summe gezahlt werden soll, wenn das vorherige Mietverhältnis geendet hätte. Das Darlehen wird gesichert durch ein Grundpfandrecht oder eine Vormerkung. Während der Laufzeit des Darlehens sind nur Zinsen fällig. Am Ende der Laufzeit erfüllt der Käufer den Darlehensvertrag nicht; daraufhin verwertet der Verkäufer das Grundpfandrecht oder lässt sich das Eigentum an der Mietsache rückübertragen. Ob sich diese Konstruktion für Mieter und Vermieter lohnt, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst müssten für den Mieter die Darlehensraten niedriger sein als die bisherige Miete, da er nunmehr auch für die Instandhaltung der bisherigen Mietsache aufzukommen hat. Instandhaltungskosten zuzüglich Darlehensraten müssten kleiner oder gleich dem bisherigen Mietzins sein. Ferner müsste für den Vermieter/Verkäufer die Steuerersparnis so groß sein, dass er entsprechend niedrigere Darlehensraten in Kauf nähme. Die Steuerersparnis müsste ferner ausreichen, um am Ende der Laufzeit des Darlehensvertrages die mit der Ausübung des Grundpfandrechts oder der Vormerkung und der Eigentumsumschreibung auf den Vermieter verbundenen Kosten decken zu können. ___________ 1086
Ebenso Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 699. Anders Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 699: Sowohl Vermieter als auch Mieter hätten Anreize, Mietverhältnisse in Kaufverträge umzuwandeln. Mieter dürften aufgrund der Tatsache, dass sie weder Zins noch Mietzins steuerlich geltend machen können, allerdings bestenfalls indifferent sein. 1087
E. Probleme der Flat Tax
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Unterstellt, dass dies bei einer ausreichend langen Vertragsdauer der Fall wäre, könnten dem Staat hier in der Tat beträchtliche Einnahmen entgehen. Die Konstruktion weist allerdings auch gewisse Schwachstellen auf und birgt darüber hinaus auch Risiken für beide Seiten. Zunächst einmal werden viele Mietverträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Wenn aber die Vertragsdauer nicht bekannt ist, wird es schwer fallen, eine bestimmte Vertragslaufzeit für den Darlehensvertrag festzulegen. Möglicherweise könnte allerdings auch der Darlehensvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Für den Vermieter bestünde dann aber das Risiko, dass der Vertrag möglicherweise zu früh gekündigt werden könnte, nämlich bevor die aufwändige Konstruktion sich durch Steuerersparnis amortisiert hat. Ferner läuft der Vermieter Gefahr, sein Eigentum endgültig zu verlieren, wenn nämlich der Mieter bei Laufzeitende den Kaufpreis doch aufbringt und bezahlt. Hierin liegt also ein Risiko vor allem für denjenigen Vermieter, der die Mietsache in jedem Fall zurückerhalten möchte. Dieses Risiko besteht insbesondere dann, wenn die Mietsache während der Vertragslaufzeit an Wert zunimmt, sodass der Mieter einen Anreiz hat, sie in seinem Eigentum zu halten1088. Möglicherweise könnte sich der Vermieter allerdings durch ein dinglich gesichertes Rückkaufsrecht schützen. Möglich wäre auch ein außerordentliches Kündigungsrecht des Vermieters für den Fall, dass die Mietsache stark an Wert gewinnt, oder eine Indexierung des Kaufpreises1089. Die dann notwendige, ausgefeilte Vertragskonstruktion dürfte allerdings die Transaktionskosten steigern, sodass fraglich wird, ob sich der Aufwand für die Steuerersparnis lohnt. Ferner liefe der Vermieter Gefahr, dass der Mieter die Mietsache nicht ordnungsgemäß instand hält oder die mit der Mietsache verbundenen Lasten, also z. B. Grundsteuer oder Versicherungsraten, nicht ordnungsgemäß bestreitet1090. Hiergegen dürfte es für den Vermieter auch kaum Schutzmöglichkeiten geben. Allerdings könnte der Kaufvertrag um eine Vereinbarung ergänzt werden, derzufolge der Mieter monatliche Zahlungen zur Sicherheit auf ein treuhänderisches Konto zu leisten hat1091. Dies verkompliziert allerdings die Konstruktion, und es ist zweifelhaft, ob der Mieter diese zusätzliche Last in Kauf nehmen wird, nur um dem Vermieter zu einer Steuerersparnis zu verhelfen. Der Mieter auf der anderen Seite läuft Gefahr, dass der Vermieter am Ende der Vertragslaufzeit nicht Befriedigung in der Mietsache sucht, sondern auch ___________ 1088
Vgl. Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 700. Vorschläge bei Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 700. 1090 Ebenso Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 700. 1091 Der Vorschlag findet sich bei Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 700. 1089
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
die persönliche Vollstreckung betreibt. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Instandhaltungskosten höher sind als zunächst angenommen, was für den Mieter/Käufer die Kosten in die Höhe treiben würde. Schließlich verzichtet der Mieter auf den gesetzlichen Mieterschutz, wenn er sich zum Kauf der Mietsache entschließt. Die Umwandlung bestehender Mietverhältnisse in Kaufverträge erscheint daher nicht als aussichtsreiche Option im Falle der Einführung der Flat Tax. Steuervermeidung hierdurch wäre nicht in größerem Ausmaß zu befürchten.
(4) Die Abgrenzung zum persönlichen Lebensbedarf Aufwendungen für den persönlichen Lebensbedarf schmälern die Steuerschuld grundsätzlich nicht, da sie aus der Privatsphäre des Steuerpflichtigen stammen. Dieses Prinzip behält auch unter der Flat Tax seine Gültigkeit. Jedoch können dort betrieblich veranlasste Ausgaben sofort und in vollem Umfang von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Der bereits im bestehenden Einkommensteuerrecht bestehende Anreiz, Aufwendungen für den persönlichen Lebensbedarf in die betriebliche Sphäre zu verlagern, besteht daher auch bei Geltung der Flat Tax fort1092 und wird möglicherweise wegen dieser steuerlich günstigen Behandlung noch verstärkt. Hinzu tritt das ähnlich gelagerte Problem, dass Gewinne aus dem Unternehmen durch Anschaffung von Konsumgütern, die der Unternehmer dann für persönliche Zwecke einsetzt, abgezogen werden („Eigenverbrauch“)1093. Da sich die Verwendungsabsicht an den Zahlungsströmen nicht ablesen lässt, wäre die Flat Tax wahrscheinlich in besonderem Maße anfällig für Missbrauch, sodass Sonderregelungen notwendig wären. Hinzu kommen andere Faktoren, die diese Art der Steuerplanung begünstigen. So könnten Unternehmen, die im Alleineigentum eines Steuerpflichtigen stehen, benutzt werden, um persönliche Anschaffungen zumindest teilweise steuerlich geltend zu machen. Ein mögliches Steuersparmodell wäre das folgende: Ein Unternehmen könnte zunächst eine Anschaffung tätigen und diese später auf den Eigentümer übertragen, etwa in Form einer Sachdividende. Die Anschaffung könnte sofort bei dem Unternehmen steuermindernd in Ansatz gebracht werden. Zwar findet eine Nachversteuerung auf der Ebene des Unternehmens bei Übergang des Gutes von der betrieblichen in die private Sphäre durch Übertragung auf den Eigentümer statt, da Unternehmen den Marktwert von Gütern oder Dienstleistungen, die auf Anteilseigner übertragen werden, als ___________ 1092 1093
Vgl. Eberhartinger, S. 399 f. P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, S. 54.
E. Probleme der Flat Tax
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Einkommen behandeln müssen1094. Jedoch hat das Unternehmen zunächst einen zeitlichen Vorteil, da es zunächst den steuerlichen Abzug nutzen kann. Ferner ist lediglich der Marktwert als Einkommen in Ansatz zu bringen. Nicht nachversteuert werden daher etwa die mit der Anschaffung und der Übertragung verbundenen Kosten1095, im Falle eines Grundstücks etwa die mit der Eigentumsübertragung verbundenen Notargebühren. Diese mindern folglich dauerhaft die Steuerschuld des Unternehmens, obwohl das fragliche Wirtschaftsgut letztlich dem persönlichen Gebrauch des Eigentümers dient. Auch ist das Abstellen auf den Marktwert für Steuerpflichtige vorteilhaft bei Wirtschaftsgütern, die typischerweise gerade anfangs schnell an Wert verlieren. Zu denken ist hier etwa an Automobile oder Computer1096. Um den Anreiz zu verringern, letztlich für den privaten Gebrauch angeschaffte Wirtschaftsgüter zunächst gleichsam „durch das Unternehmen“ laufen zu lassen, müssten die Regelungen der Flat Tax dahingehend geändert werden, dass möglichst der gesamte steuerliche Vorteil, den das Unternehmen zunächst für die Anschaffung in Anspruch genommen hat, bei Überführung in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen nachzuversteuern ist. Das Abstellen auf den möglicherweise sehr viel niedrigeren Marktwert im Zeitpunkt der Übertragung erscheint hier nicht sinnvoll. Außerdem treten Bewertungsprobleme, die die Cash Flow Besteuerung im Gegensatz zur Bilanzierung eigentlich vermeiden sollte, in diesem Fall doch wieder auf1097. Eine weitere Steuervermeidungsstrategie könnte darin bestehen, dass ein in das Privatvermögen überführtes Wirtschaftsgut wieder in das Betriebsvermögen zurückgeführt wird1098. Wenn etwa ein Steuerpflichtiger zunächst in Jahr 1 mit seinem Unternehmen ein Haus für das Betriebsvermögen erwirbt, es sodann zu Beginn des Jahres 2 in das Privatvermögen und zum Ende des Jahres 2 wieder in das Betriebsvermögen überführt1099, so wäre die steuerliche Konsequenz, dass das Unternehmen in Jahr 1 die Kosten der Anschaffung steuermindernd geltend machen könnte. Zu Beginn des Jahres 2 müsste das Unternehmen den Marktwert des Hauses als Gewinn verbuchen, könnte aber für die Rücküberführung des Hauses in das Betriebsvermögen wahrscheinlich wiederum einen Abzugsposten geltend machen1100. ___________ 1094
Kap. 1 § 2 (f) des Gesetzesvorschlags in Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 120; § 102 (6) des Gesetzesvorschlags in Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 142. 1095 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 701. 1096 Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644. 1097 Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 115. 1098 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 701. 1099 Beispiel bei Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 701 f. 1100 So Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 702.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Eine andere mögliche Strategie wäre, dass das Unternehmen das erworbene Wirtschaftsgut an den Eigentümer veräußert, der Kaufpreis allerdings erst einige Jahre später fällig wird1101. Auf diese Weise könnte das Unternehmen zunächst einen steuerwirksamen Abzug in Anspruch nehmen, der entsprechende Gewinn würde aber um einige Jahre verschoben werden. Etwaige Zinszahlungen des Unternehmenseigentümers an das Unternehmen wären zudem steuerfrei. Auch gemischt genutzte Wirtschaftsgüter dürften im Regime der Flat Tax Probleme bereiten. Hierzu geben weder Hall/Rabushka noch Armey/Shelby Regelungen vor1102, sodass das Problem von Rechtsprechung und Lehre zu lösen wäre. Soll nur der betrieblich genutzte Teil abzugsfähig sein, so könnte dieser sofort bei Anschaffung in voller Höhe abgezogen werden. Im Falle einer späteren Erhöhung des Anteils der privaten Nutzung wären Vorschriften zur Nachversteuerung notwendig1103. Sollte demgegenüber die bisherige Rechtslage fortgelten, wonach gemischt genutzte bewegliche Wirtschaftsgüter nicht aufgeteilt werden und notwendiges Betriebsvermögen vorliegt, wenn ein Wirtschaftsgut zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird1104, und gewillkürtes Betriebsvermögen, wenn – eine entsprechende „Widmung“ des Steuerpflichtigen vorausgesetzt – die betriebliche Nutzung zwischen 10 % und 50 % beträgt1105, so bedeutete dies wegen der sofortigen Abziehbarkeit der Anschaffungskosten in voller Höhe einen starken Anreiz für den Steuerpflichtigen, eine betriebliche Nutzung von mindestens 10 % herbeizuführen oder zu behaupten und gemischt genutzte Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Dies hätte allerdings die für das Unternehmen des Steuerpflichtigen nachteilige Konsequenz, dass eine spätere Veräußerung steuerpflichtig wäre. Von dem Sofortabzug könnte es indes trotz eines Anteils der betrieblichen Nutzung von möglicherweise nur 10 % sofort und in voller Höhe profitieren.
(5) Der Schritt vom Arbeitnehmerstatus zur Selbstständigkeit Die Abgrenzung von Arbeitnehmern einerseits und Selbstständigen andererseits spielt im System der Flat Tax eine große Rolle, da Arbeitnehmer und Selbstständige bei der Möglichkeit, erwerbsbezogenen Aufwand geltend zu machen, unterschiedlich behandelt werden. Die Abgrenzung dürfte jedoch in ___________ 1101
Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 702. Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569 571. 1103 Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 644. 1104 Birk, Steuerrecht, Rn.778–79; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 206. 1105 BFH v. 02.10.2003, IV R 13/03, BStBl. II 2004, 985, 986; Birk, Steuerrecht, Rn.778–79; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 206. 1102
E. Probleme der Flat Tax
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Grenzfällen, ähnlich wie im geltenden Recht1106, zu Schwierigkeiten führen, und die unterschiedliche Behandlung mag in diesen Fällen willkürlich erscheinen1107. So kann es für Arbeitnehmer bei Geltung der Flat Tax von Vorteil sein, als Selbstständige angesehen zu werden und damit der Unternehmenssteuer zu unterfallen1108. Insgesamt könnten mit dem Status als Selbstständiger steuerliche Vorteile verbunden sein, die diesen Status insgesamt attraktiver machen. Zwar besteht ein Nachteil darin, dass Unternehmer keinen persönlichen Freibetrag erhalten. Für Arbeitnehmer, die keine oder nur geringe Werbungskosten haben, ist daher der Arbeitnehmerstatus vorteilhafter, da der Freibetrag ähnlich dem Werbungskosten-Pauschbetrag allen Arbeitnehmern unabhängig von tatsächlich angefallenen Werbungskosten gewährt wird. Im Übrigen weist allerdings die Unternehmenssteuer im Vergleich zur Steuer auf Individualvergütungen auch Vorteile auf, die diesen Nachteil ausgleichen könnten. Als erstes zu nennen ist hier die Möglichkeit der Unternehmer, Betriebsausgaben steuerlich geltend zu machen. Arbeitnehmer haben im Gegensatz zu Unternehmern nicht die Möglichkeit, erwerbsbezogene Aufwendungen zum Abzug zu bringen. Hieraus folgt auch, dass ein Unternehmer stets seinen vollen, steuerlich nicht geminderten Gewinn reinvestieren kann, da betriebliche Investitionen sofort und in voller Höhe zum Abzug gebracht werden können (s. S. 91), während ein Arbeitnehmer lediglich seinen nachsteuerlichen Überschuss zu Investitionszwecken verwenden kann1109. Auf diese Ungleichbehandlung wird im Rahmen der verfassungsrechtlichen Würdigung der Flat Tax noch ausführlicher einzugehen sein (dazu noch unten, S. 343 ff.). Darüber hinaus könnten Unternehmer Gewinne und Verluste aus verschiedenen von ihnen betriebenen Unternehmen miteinander verrechnen, während Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit haben, Überschüsse aus ihrer Arbeitnehmertätigkeit mit Verlusten aus unternehmerischer Betätigung zu verrechnen1110. Gerade für Arbeitnehmer mit vergleichsweise hohen erwerbsbezogenen Aufwendungen mag es daher aus steuerlicher Sicht lohnend erscheinen, als selbstständige Dienstleister eingestuft zu werden. Vor dem Hintergrund der Debatte um die „Scheinselbstständigkeit“ und der Bemühungen, mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu bringen (vgl. § 7 Abs. 4 SGB IV), dürfte die Einführung der Flat Tax also eher kontraproduktiv wirken. ___________ 1106
Vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 626; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 472 f. Vgl. Burke, 70 Tax Notes 899, 900; Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569, 570. 1108 Pearlman, 51 Nat’l Tax J. 569, 570 f. 1109 Burke, 70 Tax Notes 899, 900. 1110 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 703. 1107
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Hinzu kommt, dass nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber von dieser Umqualifizierung profitieren könnten, da erhöhte steuerliche Abzugsmöglichkeiten zu einer niedrigeren Steuerschuld führten, was wiederum in einem funktionierenden Markt zu einer niedrigeren Grundvergütung führen könnte1111. Allerdings stellt sich die Frage nach der Relevanz dieser Steuerplanungsmöglichkeit, genauer danach, wie groß die Gefahr tatsächlich ist, dass sich Arbeitnehmer tatsächlich als Unternehmer einstufen ließen. Immerhin verlören Arbeitnehmer mit dieser Neueinstufung auch ihre Arbeitnehmerrechte. Für Arbeitnehmer dürften schon aus diesem Grund die Anreize, sich als Unternehmer einstufen zu lassen, eher gering ausfallen. Für Arbeitgeber mag dies zwar anders sein, jedoch dürfte Hauptgrund hier die Sozialversicherungspflicht für Arbeitnehmer sein, die zusätzliche Kosten verursacht. Dieses Problem besteht aber unabhängig vom jeweiligen Steuersystem. Festzuhalten bleibt aber, dass die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern und Unternehmern Neutralitätsprobleme schafft1112, denn sie kann dazu führen, dass die Entscheidung von Steuerpflichtigen, die vor der Wahl stehen, dieselbe Tätigkeit als Arbeitnehmer oder Unternehmer auszuüben, beeinflussen.
cc) Nutzung unterschiedlicher Steuersätze Schließlich bietet auch die Ausnutzung unterschiedlicher Steuersätze eine Möglichkeit der Steuerplanung. Zwar werben die Befürworter der Flat Tax damit, dass wegen des einheitlichen Steuersatzes diese Art der Steuerplanung unter der Flat Tax gerade keine Rolle mehr spielte1113, jedoch ist diese Aussage nicht ganz korrekt. Denn obwohl die Flat Tax viele Möglichkeiten beseitigt, unterschiedliche Steuersätze für die Steuerplanung auszunutzen, bestehen auch im System der Flat Tax unterschiedliche Steuersätze, da es bei der Steuer auf Individualvergütungen wegen des jedem Steuerpflichtigen gewährten Freibetrages eine tarifliche Nullzone vor der jeweiligen Proportionalzone gibt. Streng genommen existieren hier also – anders als bei der Unternehmenssteuer – zwei unterschiedliche Steuersätze, aus denen sich auch weiterhin Möglichkeiten der Steuerplanung ergeben.
___________ 1111
So Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 704. Vgl. auch Wagner, PWP 7, 19, 28. 1113 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 37. 1112
E. Probleme der Flat Tax
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(1) Interpersonale Einkommensverlagerung Eine auch im bisherigen Steuersystem bekannte Möglichkeit, Steuern zu sparen, besteht darin, Einkommen von Steuerzahlern mit hohem Grenzsteuersatz auf Steuerzahler mit niedrigerem Grenzsteuersatz zu verlagern. Hierdurch wird insgesamt die Steuerschuld verringert (zu den interpersonalen Zerrwirkungen s. bereits oben, § 5 D. I. 1. a) cc) (2), S. 124). Kritiker der Flat Tax weisen häufig darauf hin, dass zwar die Möglichkeiten derartiger Einkommensverlagerungen im proportionalen System der Flat Tax stark eingeschränkt, jedoch wegen des persönlichen Freibetrages bei der Arbeitnehmersteuer nicht völlig beseitigt sind1114. Insbesondere der bereits im geltenden Steuersystem problematische Bereich von Einkommensverschiebungen im Familienverbund könnte sich danach auch bei der Flat Tax als problematisch erweisen1115, vor allem, weil sich der persönliche Freibetrag eines Steuerzahlers erhöht, wenn wirtschaftlich abhängige Familienangehörige (Kinder) in demselben Haushalt wohnen. Zugleich können aber die wirtschaftlich abhängigen Familienangehörigen ihren eigenen persönlichen Freibetrag in voller Höhe nutzen1116. Diese Vermehrung der Freibeträge bietet eine Möglichkeit, Einkommen von den Eltern auf die Kinder zu verlagern, wenn die Kinder über kein oder nur über geringes Einkommen verfügen und so ihren persönlichen Freibetrag nicht oder nicht voll ausnutzen können1117. Wegen des verglichen mit der bisherigen Einkommensteuer höheren Freibetrages im System der Flat Tax dürfte die Relevanz dieser Steuerplanungsmöglichkeit also möglicherweise sogar zunehmen1118. Diese Argumentation übersieht aber einen wichtigen Punkt: Die Kinder müssten, um den Freibetrag nutzen zu können, als Arbeitnehmer tätig sein, denn nur Arbeitnehmern wird der persönliche Freibetrag gewährt. Eine unternehmerische Tätigkeit wäre hingegen nicht zielführend, da in diesem Fall den Kindern der persönliche Freibetrag nicht zustünde. Aus demselben Grund wäre auch die Einräumung eines Nießbrauchs keine Möglichkeit mehr, Steuern zu sparen. Ebenso wenig wäre die Aufnahme in eine Familien-KG zielführend, da die Gesellschaft selbst Steuersubjekt wäre; Ausschüttungen wären daher bereits steuerlich vorbelastet. Dies dürfte die Möglichkeiten der Steuerplanung einschränken, da die Möglichkeit, die eigenen Kinder zu Arbeitnehmern zu ma___________ 1114 Bittker, in: Galvin/Bittker, Income Tax, S. 33 f.; Berger, 29 St. Louis U. L.J. 993, 1007; Kornhauser, 86 Mich. L. Rev. 465, 478 f. 1115 Vgl. Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 643. 1116 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 90; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 114. 1117 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 704. 1118 So Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641, 643; vgl. auch Richner, ASA 73, 593, 623.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
chen, nicht immer bestehen dürfte. Hinzu kommen Fragen der Sozialversicherungspflichtigkeit, die eine Steuerersparnis schmälern oder sogar ganz aufheben könnte. Insgesamt wären die von der Flat Tax ausgehenden interpersonalen Zerrwirkungen daher geringer als im geltenden Steuerrecht.
(2) Vorverlagerung des Beginns unternehmerischer Aktivitäten Da Verluste aus unternehmerischer Tätigkeit zeitlich und im Betrag unbegrenzt vorgetragen werden können, sollten unternehmerisch tätige Steuerpflichtige ihre Tätigkeit mit steuerlicher Wirkung so früh wie möglich aufnehmen, um möglichst viele Anfangsverluste mit späteren Gewinnen verrechnen zu können. Dies ist Konsequenz der Ausgestaltung der Flat Tax als Cash Flow Steuer vom R-Typ, die jedenfalls einen Verlustvortrag erfordert, um Investitionsneutralität sicherzustellen (s. S. 201). Eine Möglichkeit könnte etwa darin bestehen, dass sich unternehmerisch tätige Steuerpflichtige zu Beginn ihrer Tätigkeit selbst ein Gehalt in Höhe des persönlichen Freibetrages zahlen, um Verluste im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit zu generieren oder zu verstärken1119. Wenn das Gehalt den persönlichen Freibetrag nicht übersteigt, entstehen hierfür keine Steuern. Auf diese Weise könnten spätere Freiberufler unter Umständen erhebliche Verlustvorträge erzeugen, wenn sie bereits während des Studiums eine unternehmerische Tätigkeit für steuerliche Zwecke aufnehmen und Verluste ansammeln.
dd) Fazit Auch im System der Flat Tax existieren Möglichkeiten, die Entstehung von Steuern durch geschickte Planung zu vermeiden. Das System ist also keineswegs „luftdicht“, wie dies seine Urheber behaupten1120. Insbesondere Unternehmen hätten theoretisch die Möglichkeit, durch Manipulation ihrer Cash Flows eine Besteuerung auf unabsehbare Zeit zu verringern oder ganz zu vermeiden. Auch wenn bei Geschäften zwischen Unternehmen dem steuerlichen Vorteil des einen Steuerpflichtigen automatisch ein steuerlicher Nachteil des anderen Steuerpflichtigen entspräche, so wäre dies in drei Ausnahmefällen an___________ 1119 1120
tight“.
Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 706. Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 86; dies., Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 60: „air-
E. Probleme der Flat Tax
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ders: bei Geschäften eines Unternehmens (1) mit Nicht-Unternehmern, (2) mit Unternehmen, die ohnehin steuerliche Verluste machen, und (3) mit Unternehmen, die nicht selbst der Flat Tax unterliegen. Dasselbe gilt für die Steuerfreiheit von Einkünften aus Kapitalvermögen. Zwar eröffnet auch diese theoretisch erheblichen Spielraum für Steuergestaltung. Jedoch wäre bei Geschäften zwischen Unternehmen wiederum zu erwarten, dass die Beteiligten auf Gestaltungsmöglichkeiten verzichten, da gezahlte Zinsen keine Betriebsausgaben darstellen. Problematisch sind auch hier wiederum die genannten Ausnahmefälle, in denen entsprechende Steuerplanung lohnend sein könnte. Gerade für diese Ausnahmefälle wäre daher eine gesetzliche Regelung erforderlich. Insbesondere das von Hall/Rabushka vorgelegte System der Unternehmensbesteuerung ist in seiner Reinform somit einerseits zu anfällig für Steuergestaltungen und andererseits auch zu ungenau, um ohne weitere Ergänzungen umgesetzt zu werden1121. Allerdings zeigt die Diskussion um die Anfälligkeit der Flat Tax für Steuerplanung und -gestaltung, dass die Defizite des existierenden Einkommensteuerrechts nicht ohne weiteres durch Einführung der Flat Tax beseitigt werden können. Soll die Flat Tax wirklich „wasserdicht“ werden, so wären ergänzende gesetzliche Bestimmungen notwendig, die das Gesetzeswerk verkomplizieren würden1122. Dies stellt aber das Hauptziel der Flat Tax selbst, nämlich die radikale Vereinfachung des Steuersystems, in Frage.
4. Administrative Probleme und Kosten Neben den Problemen, die sich aus der gesetzlichen Gestaltung der Flat Tax ergeben, könnten sich auch Probleme im administrativen Bereich ergeben. Für die Finanzverwaltung brächte die Flat Tax vermutlich nicht die Entlastung, die die Befürworter der Flat Tax versprechen. Denn auch im System der Flat Tax wären Steuervermeidungsstrategien möglich, die eine genaue Nachprüfung durch die Finanzverwaltung erforderlich machen. Die in Aussicht gestellte „Steuererklärung per Postkarte“ birgt allerdings den Nachteil, dass sie so wenige Informationen für die Finanzverwaltung enthält, dass es für diese voraussichtlich schwieriger würde, Fälle von Steuerhinterziehung aufzuklären1123. Hieraus resultiert ein erhöhter Kontrollbedarf, insbesondere die Zahl der Au___________ 1121 1122
So auch Calegari/Key/Smith, 72 Tax Notes 641. Ebenso Kornhauser, 70 Tul. L. Rev. 2345, 2366; Roberts/Sullivan, 39 Challenge
24, 27. 1123
Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 89; Roberts/Sullivan, 39 Challenge, 24, 27.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
ßenprüfungen müsste drastisch steigen, um sicherzustellen, dass den Finanzbehörden nicht falsche Tatsachen vorgespiegelt oder steuererhebliche Tatsachen verschwiegen werden1124. Die in Aussicht gestellten Ressourceneinsparungen bei der Steuerverwaltung erscheinen somit zweifelhaft. Ferner wären die Unternehmen wegen des Übergangs zur Quellenbesteuerung vermutlich ebenso mit der Verwaltung der Steuer belastet wie im gegenwärtigen System, möglicherweise sogar in noch höherem Maße1125. Die Flat Tax wäre daher aller Voraussicht nach nicht so einfach, wie ihre Befürworter annehmen.
5. Probleme des Übergangs Hall/Rabushka sehen keinerlei Übergangsregelungen für die Einführung der Flat Tax vor. Etwaige Härten sollen nicht ausgeglichen oder gemildert werden. Dabei kann der Übergang von der Einkommensteuer zur Flat Tax wiederum zu zahlreichen Problemen führen. Hierbei spielen insbesondere der Mangel an Korrespondenz sowie der Übergang zur Cash Flow Besteuerung vom R-Typ eine Rolle.
a) Mangel an Korrespondenz Ein Problemkomplex beim Übergang soll sich aus dem Mangel an Korrespondenz ergeben; der wirtschaftliche Effekt dieses Mangels ist, dass beim Übergang keine Steuer anfällt auf solche Güter, die während des Übergangs von Privatpersonen gehalten, nach dem Übergang aber an ein Unternehmen veräußert werden1126. Beispiel1127: Eine Privatperson besitzt beim Übergang zur Flat Tax ein Stück Land im Wert von 1.000,– €. Nach dem Übergang zur Flat Tax veräußert sie das Land an ein Unternehmen für 1.000,– €. Das Unternehmen seinerseits veräußert dasselbe Land wenig später ebenfalls zum Preis von 1.000,– €. Die steuerlichen Konsequenzen im System der Flat Tax wären folgende: Die Privatperson wird mangels Unternehmereigenschaft nicht besteuert, sondern kann das Land steuerfrei veräußern. Das Unternehmen muss seinen Veräuße___________ 1124
Etwa Hoven, 68 Tax Notes 747, 749. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 12; Richner, ASA 73, 593, 604. 1126 Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 614. 1127 Nach Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 614. 1125
E. Probleme der Flat Tax
275
rungserlös in Höhe von 1.000,– € besteuern, erhält aber zunächst einen steuerlichen Abzug in gleicher Höhe für den gezahlten Kaufpreis. Die Transaktionen bilden folglich ein Nullsummenspiel, und der Übergang von Privat- zu Betriebsvermögen ist ohne Besteuerung des Wertes des Vermögens möglich. Anders wäre dies in einem System, das Korrespondenz für die steuerliche Geltendmachung von Betriebsausgaben erfordert: Hier könnte zwar die Privatperson den Kaufpreis in Höhe von 1.000,– € ebenfalls steuerfrei vereinnahmen. Jedoch erhielte das Unternehmen keinen Abzug für den gezahlten Kaufpreis, weil dieser bei der Privatperson nicht besteuert wurde, also keine Korrespondenz vorliegt. Das Unternehmen müsste auf den Veräußerungspreis von 1.000,– € folglich Steuer entrichten. Allgemein lässt sich daher sagen, dass ein System ohne Korrespondenz den Wert von Vermögensgegenständen, die im Zeitpunkt des Übergangs zu diesem System dem Privatvermögen angehörten, bei Übergang dieser Vermögensgegenstände in betrieblich genutztes Vermögen nicht erfasst1128. Das System ohne Korrespondenzerfordernis schafft daher Anreize, Vermögensgüter kurz vor Einführung des Systems in das Privatvermögen zu verlagern und nach der Einführung zurückzuverlagern1129. Allerdings übersehen die Kritiker der Flat Tax hier möglicherweise, dass eine derartige Verlagerung im bisherigen System jedenfalls nicht ohne weiteres steuerneutral möglich ist. So fällt grundsätzlich bei der Übertragung von Gegenständen aus dem Betriebs- in das Privatvermögen Steuer an („Entnahme“, § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG)1130. Die spätere Steuerersparnis bei der Rückführung ist daher nur dann für Steuerzahler attraktiv, wenn die Steuerersparnis größer ausfällt als die vorherige Steuerbelastung. Außerdem enthält auch das bestehende Einkommensteuersystem kein grundsätzlich geltendes Korrespondenzprinzip, sodass sein Fehlen beim Übergang zur Flat Tax keine zusätzlichen Probleme auslöste.
b) Ankündigungseffekte Des Weiteren wäre zu befürchten, dass ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der Übergang zur Cash Flow Besteuerung abzeichnet, Unternehmen Investitionen verschöben, um diese in die Zeit nach Einführung der Cash Flow Besteuerung sofort und in voller Höhe geltend machen zu können1131. Dies könnte zu nega___________ 1128
Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 614. Weisbach, 52 Stan. L. Rev. 599, 615. 1130 Dazu Birk, Steuerrecht, Rn. 853 f. 1131 Eberhartinger, S. 400; Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 108. 1129
276
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
tiven wirtschaftlichen Folgen führen. Soll die Wirtschaft in der Zwischenzeit nicht zum Erliegen kommen, wären Übergangsregelungen zu erwägen1132.
c) Cash Flow Besteuerung Auch der Übergang zur Cash Flow Besteuerung löst Probleme aus1133. Zunächst wären vor allem in der Übergangsphase staatliche Einnahmeverluste zu befürchten1134, denn Unternehmen könnten Investitionen nunmehr in voller Höhe steuerlich geltend machen. Wird davon ausgegangen, dass ab der Kenntnis der Unternehmen von der bevorstehenden Einführung der Flat Tax zudem notwendige Investitionen auf die Zeit nach Einführung verschoben würden, so verschärft sich dieses Problem zusätzlich durch diesen Ankündigungseffekt. Darüber hinaus könnten Unternehmen bei Geltung der Flat Tax im Gegensatz zum geltenden System (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 7 EStG) auch Aufwendungen für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (v. a. Grundstücke) steuerlich geltend machen. Auch hierdurch stiege das Volumen der das Einkommensteueraufkommen mindernden Betriebsausgaben. Abgemildert wird das Problem dadurch, dass keine Steuererstattungen für den Verlustfall vorgesehen sind, sondern dass lediglich ein unbeschränkter verzinslicher Verlustvortrag gewährt wird. Hierdurch wird die Flat Tax einem Abschreibungsmodell wiederum angenähert1135. Ferner stellt sich die Frage, wie mit dem in den Unternehmen zum Zeitpunkt des Übergangs vorhandenen Bestand an noch nicht vollständig abgeschriebenen Investitionsgütern verfahren werden soll1136. In diesem Zusammenhang bestehen mindestens drei Alternativen1137: So kann nach der Entlastungslösung der zum Zeitpunkt der Einführung der Flat Tax vorhandene Kapitalbestand ebenfalls sofort und in voller Höhe zum Abzug zugelassen werden. Nach der Abschreibungslösung bliebe es für Altfälle bei der Abschreibung. Nach der Belastungslösung, die von Hall/Rabushka 1983 favorisiert wurde1138, käme es zur Einführung der Flat Tax ohne Entlastung des vorhandenen Kapitalbestands. In ___________ 1132
Stöber/Wala, JFB 2001, 108, 115. Eingehend M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 194 ff. 1134 M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 194 f.; Richner, ASA 73, 593, 628. 1135 Vgl. M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 195. 1136 Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 95. 1137 Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85, 107 ff. 1138 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 86 f. 1133
E. Probleme der Flat Tax
277
der 1995er Ausgabe tendieren Hall/Rabushka dagegen zur Entlastungslösung1139. Die Entlastungslösung machte eine Steuererstattung in Höhe des Cash Flow Steuersatzes am Kapitalbestand erforderlich und führte damit zu einem erheblichen Finanzbedarf1140. Stattdessen wäre auch die Gewährung eines verzinslichen und unbegrenzten Verlustvortrags denkbar, der aber wahrscheinlich zu hohen Einnahmeausfällen führte, die noch lange nachwirken könnten. Die Belastungslösung kommt wegen der dann zu befürchtenden Besteuerung von Scheingewinnen, die aufträte, wenn ein nur teilweise abgeschriebenes Wirtschaftsgut veräußert wird1141, von vornherein nicht in Betracht. Damit bleibt die Abschreibungslösung, die lange Übergangsfristen erforderlich macht und Ankündigungseffekte verstärken könnte.
d) R-Basis Auch die R-Basis führt zu Übergangsproblemen ähnlich denen der Cash Flow Besteuerung. So wären Kreditzinsen künftig nicht mehr steuerlich abzugsfähig. Hier stellt sich ebenfalls das Problem, wie mit Altfällen verfahren werden soll1142. Zwei Möglichkeiten stehen zur Wahl: Einerseits könnte eine Übergangsregelung getroffen werden, die die Abzugsfähigkeit der Kreditzinsen für Altfälle erhält1143. Dann müssten diese Zinsen aber beim Empfänger auch zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, was das System wiederum verkomplizierte. Ferner müsste in großem Umfang mit Ankündigungseffekten gerechnet werden, die dazu führten, dass sich Unternehmen vor Inkrafttreten der Neuregelung in erhöhtem Umfang noch mit Krediten versorgen würden. Andererseits könnten Altfälle in die Neuregelung einbezogen werden, sodass Zinsen generell nicht mehr abzugsfähig wären. Dies vereinfachte den Übergang, könnte aber möglicherweise den Berechnungen der Unternehmen zur Finanzierung von Investitionen die Grundlage entziehen1144: Es stünde zu befürchten, dass trotz positiven Cash Flows in ertragsschwachen Perioden der erwirtschaftete Überschuss nicht zur Begleichung von Zins- und Steuerschulden ausreichte1145. Daher dürften auch Vertrauensschutzprobleme entstehen. ___________ 1139 1140
Hall/Rabushka, Flat Tax, 1995, S. 116. Bach, in: Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, S. 85,
107. 1141
Richner, ASA 73, 593, 629. Bericht der Meade-Kommission, S. 241 f.; Goode, in: FS Pohmer, S. 87, 95. 1143 M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 198. 1144 Vgl. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 79; Richner, ASA 73, 593, 629. 1145 M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 198. 1142
278
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
e) Fazit Der Übergang vom jetzigen System zur Flat Tax wäre mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Diese sind in erster Linie auf die Ausgestaltung der Flat Tax als Konsumsteuer und auf die Orientierung an Zahlungsströmen bei Unbeachtlichkeit finanzwirtschaftlicher Transaktionen zurückzuführen. Diese Eigenschaften der Flat Tax erfordern Übergangsregelungen, die den Übergang verkomplizieren und langwierig gestalten könnten. Daher ist ein Verzicht auf diese Eigenschaften der Flat Tax zu erwägen.
F. Aufkommen, Verteilungswirkung, politische Umsetzbarkeit I. Aufkommen Steuerschätzer und Politiker in den Vereinigten Staaten gehen davon aus, dass eine Flat Tax mit ihrer breiten Bemessungsgrundlage aufkommensneutral eingeführt werden könnte mit einem Steuersatz zwischen 13 und 20 %1146, abhängig von dem zu gewährenden Freibetrag. Nach einer anderen Schätzung für das Jahr 1993 hätte die Flat Tax nach Hall/Rabushka ein Aufkommen von $ 626 Mrd. generiert, während die auf dem Armey/Shelby-Modell basierende Variante nur ein Aufkommen von $ 538 Mrd. generiert hätte1147. Der durchschnittliche Steuersatz für alle Steuerpflichtigen hätte der Schätzung zufolge bei 13,3 % (Hall/Rabushka) oder bei 11,5 % (Armey/Shelby) gelegen1148. Eine Einstufen-Steuer kann also ebensoviel Aufkommen generieren wie die traditionelle Einkommensteuer. Diese Schlussfolgerung wird gestützt von den Berechnungen des Wissenschaftlichen Beirats des BMF, der sich ebenfalls für eine Einstufen-Steuer ausgesprochen hat (s. S. 113). Dieser schätzt, dass für das Jahr 2005 eine Einstufen-Steuer mit im Übrigen unveränderter Bemessungsgrundlage, einem Steuersatz in Höhe von 30 % und einem persönlichen Freibetrag in Höhe von 10.000,– € zu Mindereinnahmen in Höhe von 13,2 Mrd. € geführt hätte1149. Diese Rechnung lässt sich auf die Flat Tax indes nicht ohne weiteres übertragen, da diese die Bemessungsgrundlage gerade nicht unverändert lässt. Sie ___________ 1146 Vgl. The Flat Rate Tax: Hearings Before the Subcomm. on Monetary and Fiscal Policy of the Jt. Econ. Comm., 97th Cong., 2d Sess. 209 (1982): 13 %; 129 Cong. Rec. S7857: 14–30 %; 129 Cong. Rec. E2029: 10 % nicht ausreichend; 129 Cong. Rec. S2388: 19 %; anders Veramallay, 24 Atl. Econ. J. 261, der (ohne nähere Begründung) von einem notwendigen Steuersatz in Höhe von mindestens 27 % ausgeht. 1147 Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85. 1148 Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85. 1149 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 11 (Fn. 6).
F. Aufkommen, Verteilungswirkung, politische Umsetzbarkeit
279
wäre insofern breiter, als Sonderbestimmungen abgeschafft werden sollen. Sie wäre aber insofern schmaler, als beim Übergang zur Konsumbesteuerung Einkünfte aus Kapitalvermögen künftig nicht mehr steuerbar wären. Im Jahr 2001 betrugen diese bei allen Steuerpflichtigen immerhin etwa 32 Mrd. €1150; in Abhängigkeit vom jeweiligen persönlichen Steuersatz wäre also mit Mindereinnahmen von maximal weiteren 13 Mrd. € zu rechnen (32 Mrd. € · 42 %). Noch schwerer wiegen könnte allerdings die Einführung der Cash Flow Besteuerung mit sofortigem Abzug von Investitionen im Rahmen der Unternehmensbesteuerung. Diese führte voraussichtlich zu erheblichen Schwankungen im Steueraufkommen1151: Investitionen in Zeiten des Booms könnten die Besteuerungsgrundlage erheblich verringern, während in Zeiten der Rezession bei weniger Investitionen möglicherweise mehr Steuern anfielen. In diesem Zusammenhang drohen Steuerausfälle in unabschätzbarer Höhe. Der Übergang zur Konsumbesteuerung ist ohnehin wegen der hiermit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten kritisch zu beurteilen. Bei Ersetzung der Cash Flow Besteuerung durch eine an der Regelung des § 4 Abs. 3 EStG orientierte Einnahmen-Überschuss-Rechnung mit kurzen Abschreibungszeiten (3–5 Jahre) ließen sich die Missbrauchsgefahren des Sofortabzugs signifikant senken, während das System noch immer investitionsfreundlich wäre; Steuerausfälle fielen daher vermutlich deutlich geringer aus.
II. Verteilungswirkungen 1. Flat Tax Gegner der Flat Tax behaupten, dass diese die Steuerbelastung von den höheren auf die niedrigeren Einkommensklassen verlagerte und daher unsozial sei1152. In seiner Pauschalität ist dieses Argument indes nicht zutreffend1153. Entlastet würden jedenfalls hohe Einkommensschichten, da der Grenzsteuersatz für diese Einkommensschichten sänke1154. Dies hätte trotz der gleichzeitigen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage voraussichtlich auch Konsequenzen für den Durchschnittssteuersatz, der wahrscheinlich ebenfalls sänke. Gleichzeitig käme es aber wegen des relativ hohen Grundfreibetrages, der neben dem Existenzminimum auch pauschal Werbungskosten, Sonderausgaben ___________ 1150
Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 9. Eberhartinger, S. 400; Rose, StuW 1990, 88, 93. 1152 Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819, 822; Dunbar/Pogue, 51 Nat’l Tax J. 303, 321; s. auch Walker, S. 32. 1153 Ebenso Fuest/Fuest, wisu 2005, 1190. 1154 In Deutschland etwa von 45 % auf 20 % bis 25 %. 1151
280
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
und außergewöhnliche Belastungen abgelten soll, zu einer Steuersenkung auch für Geringverdiener. Soll die Flat Tax aufkommensneutral umgesetzt werden, ist logische Konsequenz, dass dann diejenigen Schichten in der Mitte eine höhere Steuerbelastung zu tragen hätten. Die Flat Tax bedeutete folglich vor allem eine Steuererhöhung für die Mittelklasse1155. Nach einer Studie, die Daten für 1993 zu Grunde legt, könnten sowohl Familien mit Jahreseinkommen über $ 200.000,– als auch solche mit Jahreseinkommen unter $ 40.000,– mit einer Steuerentlastung rechnen1156. Nach einer anderen Berechnung soll die Steuerbelastung für die Mittelklasse allerdings nahezu konstant bleiben; lediglich das Hundertstel der Bestverdiener werde steuerlich entlastet, während vor allem die Geringverdiener belastet werden1157.
2. Modell des Wissenschaftlichen Beirats Legt man den Entwurf einer Einstufen-Steuer des Wissenschaftlichen Beirats des BMF zu Grunde, so ergibt ein Vergleich mit dem Tarif 2005 des bestehenden EStG folgendes Bild: Bis zu einem zu versteuernden Einkommen von etwa 15.000,– € wäre die Einstufen-Steuer vorteilhaft1158. Zwischen 16.000,– € und 36.000,– € wäre der Tarif 2005 vorteilhaft, wobei sich die größte Differenz bei einem zu versteuernden Einkommen von etwa 24.000,– € ergibt1159. Bei 36.000,– € ist die Durchschnittsbelastung nahezu gleich1160; bei höheren zu versteuernden Einkommen ist stets die Einstufen-Steuer vorteilhaft, wobei die Vorteilhaftigkeit mit steigendem Einkommen zunimmt und bei 250.000,– € bereits zehn Prozentpunkte beträgt1161. Die vom Wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagene Einstufen-Steuer stellte also für Steuerpflichtige, die ein zu versteuerndes Einkommen zwischen 16.000,– € und 36.000,– € beziehen, eine Steuererhöhung dar, während alle übrigen Einkommensklassen entlastet würden. Die These, dass die Flat Tax eine Steuererhöhung für die Mittelklasse bedeutete, wird also gestützt. ___________ 1155
Ebenso Fuest/Fuest, wisu 2005, 1190; Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85; Richner, ASA 73, 593, 619; Veramallay, 24 Atl. Econ. J. 261. 1156 Ho/Stiroh, 16 Cont. Econ. Pol’y 85, 95 f. 1157 Gale/Houser/Scholz, in: Economic Effects of Fundamental Tax Reform, S. 281, 283. 1158 Durchschnittliche Belastung 10,0 % gegenüber 10,3 % nach dem Tarif 2005. 1159 Durchschnittsbelastung 16,6 % nach Tarif 2005 gegenüber 17,5 % bei der Einstufen-Steuer. 1160 21,7 % nach Tarif 2005 gegenüber 21,67 % bei der Einstufen-Steuer. 1161 Durchschnittsbelastung 38,8 % nach Tarif 2005 gegenüber 28,8 % bei der Einstufen-Steuer.
F. Aufkommen, Verteilungswirkung, politische Umsetzbarkeit
281
3. Weitere Faktoren Diese Rechnungen sind allerdings irreführend. Denn sie berücksichtigen nicht, dass die Flat Tax neben der Änderung des Tarifverlaufs weitere Änderungen mit sich brächte, die sich auf die Verteilung der Steuerlast auswirken könnten. So ist zum einen zu bedenken, dass hohe Grenzsteuersätze in Kombination mit Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie das geltende Recht noch immer enthält, dazu führen, dass im geltenden Recht eine Lücke klafft zwischen der durch den Tarif implizierten und der effektiven Verteilung der Steuerlast1162. Hohe Grenzsteuersätze haben unter Zugrundelegung der Laffer-Kurve darüber hinaus auch schädliche Wirkungen auf die Volkswirtschaft1163, die die Flat Tax möglicherweise vermeiden könnte. Schließlich soll die Flat Tax auch die Abzugsmöglichkeiten radikal reduzieren, von denen besser verdienende Steuerpflichtige in höherem Maße profitieren als schlechter verdienende1164. Diese Faktoren führen dazu, dass sich die Verteilungswirkungen der Flat Tax nicht so exakt vorhersehen lassen, wie ihre Gegner behaupten1165. Zumindest möglich erscheint auch, dass wegen der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der effektive Durchschnittssteuersatz besser verdienender Steuerpflichtiger höher läge als im geltenden Steuerrecht1166.
4. Stellungnahme Die Frage, wer von der Einführung einer Flat Tax nach dem Modell von Hall/Rabushka profitierte, lässt sich nicht pauschal mit dem Hinweis beantworten, „reiche“ Steuerpflichtige profitierten, während „arme“ Steuerpflichtige belastet würden. Vielmehr ist die Frage differenzierter zu betrachten. Zum einen dürften diejenigen Steuerpflichtigen profitieren, die einer relativ gut bezahlten unselbstständigen Tätigkeit nachgehen und dabei bisher wenige bis keine Abzugstatbestände nutzen können: Zu denken ist an gut bezahlte Beamte und Angestellte, bei denen nur geringe Werbungskosten anfallen, die aber wegen ihres vergleichsweise hohen Gehaltes in die höheren Progressionsgrade der Einkommensteuer hineinrutschen. Profitieren dürften auch die Steuerpflichtigen, die ihr Lebenseinkommen typischerweise in einer vergleichsweise kurzen Periode verdienen, also Sportler, Künstler und auch Akademiker mit langen Aus___________ 1162
Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 9. Richner, ASA 73, 593, 619 f.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresbericht 2003/04, S. 565; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 9. 1164 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 35; Richner, ASA 73, 593, 620. 1165 Cohen, 33 Val. U. L. Rev. 819, 822; Dunbar/Pogue, 51 Nat’l Tax J. 303, 321. 1166 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 41 ff.; Vorwold, WPg 2003, 803, 809. 1163
282
§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
bildungszeiten. Darüber hinaus profitierten vermutlich auch diejenigen Steuerpflichtigen, die ihr Einkommen zu einem beachtlichen Anteil aus der Anlage von Kapitalvermögen beziehen, da Einkommen aus Kapitalvermögen steuerfrei gestellt werden. Typischerweise wird es sich hierbei um Steuerpflichtige handeln, bei denen bereits ein Vermögen vorhanden ist, das angelegt werden kann, also um „reiche“ Steuerpflichtige. Geht man allerdings davon aus, dass zu erwartende Steuerzahlungen bereits in die Höhe der gezahlten Zinsen eingepreist sind1167, so wäre zu erwarten, dass mit der Steuerfreiheit von Zinsen die Zinssätze deutlich fallen dürften, sodass sich bei einem Vergleich der Situationen bei Geltung der bisherigen Einkommensteuer und der Flat Tax an der NettoSituation der Steuerpflichtigen möglicherweise weit geringere Änderungen ergeben als angenommen. Grundsätzlich dürften auch Unternehmer zu den Gewinnern der Flat Tax Reform gehören. Die Cash Flow Besteuerung stellt eine erhebliche Vereinfachung im Vergleich zum Betriebsvermögensvergleich dar; darüber hinaus eröffnet die Sofortabschreibung von Investitionen Steuerplanungsmöglichkeiten. Die Flat Tax ist rechtsform-, investitions- und finanzierungsneutral und ist daher als wirtschaftsfreundlich einzustufen. Festzuhalten ist, dass sich die Verteilungswirkungen der Flat Tax nicht mit Sicherheit vorhersagen lassen. Der Hinweis, die Flat Tax bringe eine Entlastung für „reiche“ Steuerpflichtige auf Kosten der Allgemeinheit, stellt einseitig auf den Tarif ab und berücksichtigt nicht die Änderungen der Bemessungsgrundlage.
III. Politische Umsetzbarkeit Gegen die politische Umsetzbarkeit der Flat Tax bestehen gravierende Bedenken. So dürfte ein indirekt progressiver Tarif in der politischen Diskussion kaum auf Gegenliebe stoßen1168, weil ihm der Makel des „Unsozialen“ anhaftet. Gleiches gilt für die Zinsfreistellung. Und auch die vorgeschlagene Verbreiterung der Bemessungsgrundlage wird möglicherweise politisch nicht durchsetzbar sein1169. Mit einer Umsetzung der Flat Tax in deutsches Recht ist daher auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. ___________ 1167
Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 94 ff. Lang, NJW 2006, 2209, 2211; Richner, ASA 73, 593, 634; v. Hayek, Schweizer Monatshefte 32, 508. 1169 Lang, NJW 2006, 2209, 2211. 1168
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
283
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz Zum Abschluss soll die prinzipielle Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz geprüft werden. Sowohl die Ausgestaltung des Tarifs als auch diejenige der Bemessungsgrundlage begegnen Bedenken, die im Folgenden angesprochen werden sollen.
I. Änderungen des Steuertarifs In Deutschland könnte eine direkt progressive Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs von Verfassungs wegen erforderlich sein. Sollte dies der Fall sein, käme die Abkehr von der direkten Progression und damit die Umsetzung eines indirekt progressiven Tarifs nach dem Vorbild der Flat Tax von vornherein nicht in Betracht. Verfassungsrechtliche Gründe für einen direkt progressiven Tarif könnten sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) ergeben.
1. Allgemeiner Gleichheitssatz und direkte Progression Ein progressiver Tarif wäre erforderlich, wenn alle anderen möglichen Tarifformen grundgesetzwidrig wären. So könnte ein proportionaler Steuersatz dem allgemeinen Gleichheitssatz in seiner bereichsspezifischen Konkretisierung als Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leitungsfähigkeit widersprechen. In Betracht kommt eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips in seinen Ausprägungen als horizontale und vertikale Steuergerechtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: „In vertikaler Richtung muss die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen. In horizontaler Richtung muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden“1170. Hieraus lässt sich ableiten, dass demnach gleich Leistungsfähige auch vom Steuerrecht gleich behandelt werden müssen1171. Dies ist allerdings bei der Flat Tax mit ihrer formalen Gleichbehandlung aller steuerbaren Einkünfte eher als bei der überkommenen Einkommensteuer sichergestellt (s. o.). Ob und inwiefern unterschiedlich Leistungsfähige hingegen unterschiedlich behandelt werden müssen, lässt sich den Ausführungen des Bundesverfas___________ 1170 1171
BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 89. Ebenso Birk, Steuerrecht, Rn. 155; Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 45.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
sungsgerichts nicht entnehmen, da das Gericht lediglich ausführt, ihre Behandlung müsse „dem Gerechtigkeitsgebot genügen“1172.
a) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.06.1958 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle, nämlich in seinem Parteispendenurteil aus dem Jahre 1958, angemerkt, dass „im Bereich des Steuerrechts eine formale Gleichbehandlung von Arm und Reich durch Anwendung desselben Steuersatzes“ dem Gleichheitssatz widerspreche1173. Die Gerechtigkeit verlange, dass „im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leitungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens zahle als der wirtschaftlich Schwächere“1174. Dieses Ergebnis untermauert das Bundesverfassungsgericht durch Bezugnahme auf Art. 134 WRV1175. Bei formaler Betrachtung könnte sich aus diesen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts die Unzulässigkeit eines proportional verlaufenden Steuertarifs ergeben, da der Steuersatz hier in der Tat für alle Steuerbürger, also für „Arm und Reich“, derselbe ist. Diese Betrachtung greift indes zu kurz. Sie übersieht nämlich die Differenzierung zwischen Grenz- und Durchschnittssteuersatz. Das Bundesverfassungsgericht kann in seinen Ausführungen nur den Durchschnittssteuersatz gemeint haben, denn es entspricht in Deutschland langer Tradition, dass der Grenzsteuersatz ab einem gewissen Einkommen konstant bleibt und sich mit zunehmendem Einkommen nicht weiter erhöht (s. § 4 B., S. 64 ff.). Dies wollte das Bundesverfassungsgericht ersichtlich nicht beanstanden. Vielmehr kann die Aussage des Gerichts nur dahingehend zu interpretieren sein, dass der Durchschnittssteuersatz mit zunehmendem Einkommen ebenfalls steigen soll. Dies aber wird bei der Flat Tax durch die indirekte Progression ebenso erreicht wie bei einem direkt progressiven Einkommensteuertarif1176. Insofern lässt sich die Aussage des Bundesverfassungsgerichts nicht dahingehend interpretieren, dass nur ein direkt progressiver Einkommensteuertarif mit dem Grundgesetz vereinbar wäre1177. ___________ 1172 BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 89; anders Birk, Steuerrecht, Rn. 155, der hieraus folgert, unterschiedlich Leistungsfähige müssten entsprechend ihrer unterschiedlichen Leistungsfähigkeit ungleich behandelt werden, ohne dies freilich näher auszuführen. 1173 BVerfG v. 24.06.1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 68 f. 1174 BVerfG v. 24.06.1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 68 f. 1175 Dieser lautete: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“. 1176 Ebenso Pollak, in: P. Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 49, 56. 1177 Ebenso Elicker, StuW 2000, 3, 5.
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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b) Die neuere Tendenz in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Da das Bundesverfassungsgericht seine Aussage seit dem Urteil aus dem Jahre 1958 auch nicht wiederholt hat1178, erscheint zudem auch zweifelhaft, ob das Gericht seine damalige Rechtsauffassung heute noch in der Form aufrechterhalten würde. In neueren Entscheidungen beschränkt sich das Gericht auf die Aussage, die Besteuerung höherer Einkommen müsse in vertikaler Hinsicht im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen1179. Hieraus lässt sich nicht herleiten, dass das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, dass bei der Einkommensteuer ein direkt progressiver Tarifverlauf erforderlich sei. Zweifelhaft ist sogar, ob sich hieraus ergibt, dass das Bundesverfassungsgericht – jenseits der Freistellung des Existenzminimums – überhaupt einen progressiven Tarif für erforderlich hält1180. Allenfalls aus der Aussage im Urteil vom 10.11.19981181, die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer müsse „um das steuerliche Existenzminimum gemindert werden“, stehe deshalb „für eine einkommensteuerliche Belastung in er jeweils gesetzlich bestimmten Höhe – sei es zum Eingangs-, sei es zum Spitzensteuersatz1182 – nicht zur Verfügung“1183, lässt sich eventuell herleiten, das Bundesverfassungsgericht gehe stillschweigend von der Notwendigkeit eines direkt progressiven Einkommensteuertarifs aus. Hierfür finden sich jedoch in dem Urteil keine weiteren Anhaltspunkte. Vielmehr ist ebenfalls möglich und wahrscheinlicher, dass das Bundesverfassungsgericht sich auf das damals geltende Einkommensteuergesetz bezog, welches direkt progressiv ausgestaltet war. Das Gericht hielt es anscheinend nicht für möglich, dass der Gesetzgeber von dieser Ausgestaltung abweichen werde und bezog seine Aussage daher konkret auf das existierende direkt progressive Einkommensteuergesetz. Diese These wird dadurch untermauert, dass der Entscheidung vom 10.11.1998 eine jahrelange Kontroverse vorausgegangen war, welche auf die ___________ 1178 s. aber BVerfG v. 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, 339. Danach soll die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte im Rahmen der Steuergesetzgebung zulässig und geboten sein. Hieraus zieht das Gericht den Schluss, dass auch Einkommensteuererhöhungen, die nur Besserverdiener treffen, zulässig wären, womit im Ergebnis die direkte Progression für verfassungsgemäß erklärt wird. Den Aussagen des Gerichts lässt sich aber nicht mehr entnehmen, dass nur die direkte Progression verfassungsgemäß sei. 1179 Z. B. BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 89. 1180 Verneinend Elicker, StuW 2000, 3, 5. Vgl. auch Wied, in: Blümich, § 32 a EStG Rn. 26. 1181 BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 264. 1182 Hervorhebung nur hier. 1183 BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 264.
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Entscheidung vom 25.09.19921184 zurückzuführen war1185. In dieser Vorgängerentscheidung hatte das Gericht die Freistellung des steuerlichen Existenzminimums verlangt, jedoch keine Aussage dazu gemacht, wie die Berücksichtigung des Existenzminimums technisch umzusetzen sei. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht aufgrund dieser Kontroverse im Jahr 1998 veranlasst sah, deutlich zu der Frage Stellung zu beziehen, wie die Freistellung des Existenzminimums technisch umzusetzen sei, nämlich durch Freistellung des Existenzminimums von der Besteuerung, nicht durch Berücksichtigung im Tarifverlauf1186. Aus diesem Grunde erwähnte das Gericht in seiner Entscheidung den Eingangs- und den Spitzensteuersatz, eine weitergehende Festlegung auf einen direkt progressiven Einkommensteuertarif ist der Aussage nicht zu entnehmen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht sich in einer frühen Entscheidung für einen progressiven Einkommensteuertarif ausgesprochen hat. Den vom Gericht seinerzeit festgelegten Anforderungen genügt allerdings auch ein indirekt progressiver Einkommensteuertarif. Seither hat sich das Bundesverfassungsgericht mit Aussagen zum Tarifverlauf zurückgehalten, sodass aus der Rechtsprechung nicht die Unvereinbarkeit eines indirekt progressiven Einkommensteuertarifs mit dem Grundgesetz hergeleitet werden kann.
c) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Auch der Bundesfinanzhof scheint in seiner frühen Rechtsprechung die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts geteilt zu haben, dass die Progression sich bei der Einkommensteuer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergebe. So führte er in einem Urteil aus dem Jahr 19591187 aus, ein Steuerpflichtiger mit höherem Einkommen könne im Allgemeinen ohne Beeinträchtigung seiner Lebenshaltung einen höheren Anteil seines Einkommens als Einkommensteuer abführen. In einer späteren Entscheidung bestätigte der BFH seine damalige Rechtsauffassung und verschärfte sie mit dem Hinweis, dass nur ein progressiver Steuertarif im Rahmen der Einkommensteuer dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerecht werde1188. Auch in diesem Zusammenhang gilt aber, dass wegen der indirekten Progression auch bei der Flat Tax der Besserverdiener einen höheren ___________ 1184
BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 ff. Hierzu im Einzelnen Elicker, StuW 2000, 3, 5 ff. 1186 BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 264. 1187 BFH v. 06.05.1959, VI 170/58, BStBl. III 1960, 102 (= BFHE 70, 272). 1188 BFH v. 06.07.1973, VI R 253/69, BStBl. II 1973, 754, 756 (= BFHE 110, 119, 123). 1185
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Prozentsatz seines Einkommens abzuführen hätte als der Geringverdiener. Nach den Ausführungen des BFH lässt sich daher nicht schließen, dass die Flat Tax mit ihrem indirekt proportionalen Tarif verfassungswidrig wäre.
d) Auffassungen im Schrifttum Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt bei der Frage, ob sich dem allgemeinen Gleichheitssatz das Gebot eines direkt progressiven Einkommensteuertarifs entnehmen lässt. Für die Herleitung eines direkt progressiven Tarifverlaufs wird vor allem das von Rechtsprechung und Literatur in Art. 3 Abs. 1 GG verortete Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit herangezogen1189. Dieses erfordere, dass der Einzelne bei höherem Einkommen auch einen größeren Teil seines Einkommens abgebe1190. Nach der Gegenauffassung soll sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine starke Tendenz für die Unzulässigkeit eines direkt progressiven Einkommensteuertarifs ergeben1191. Dies soll sich zum einen daraus ergeben, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage der Tarifgestaltung nicht länger als eine politische und nicht justiziable Frage ansehe1192. Während die indirekte Progression als Zusammenspiel von Grundfreibetrag und für jeden Steuerpflichtigen gleichen Steuersatz aus sich heraus verständlich und begründbar sei1193, gebe es für die Gestaltung eines direkt progressiven Tarifs keinerlei verfassungsrechtlichen oder sonstigen Anhaltspunkte1194, weshalb ein direkt progressiver Tarif willkürlich sei1195. Ferner sei die direkte Progression nicht mit dem Argument zu begründen, diese berücksichtige die subjektive Leistungsfähigkeit im Rahmen der Tarifausgestaltung1196. Zutreffend verweist Elicker darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Existenzminimum durch den Grundfreibetrag vor steuerlichem Zugriff be___________ 1189 Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 a Rn. A 122; Blumenstein, System des Steuerrechts, S. 253 f.; Laule, S. 20; Klett, in: FS Tipke, S. 599, 600, 604 f.; Papier, Der Staat 1972, 483, 504. Für Verortung der Steuerprogression in Art. 3 Abs. 1 GG auch Huber, DÖV 1956, 172, 175. 1190 Nacke, in: Littmann/Bitz/Pust, § 32 a EStG Rn. 15. 1191 Elicker, StuW 2000, 3, 7 f. 1192 Elicker, StuW 2000, 3, 7 unter Verweis auf BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134 ff.; s. auch Glanegger, in: Schmidt, EStG, § 32 a Rn. 1. 1193 Vgl. auch Jachmann, StuW 1998, 293, 296. 1194 Gaddum, S. 26; vgl. auch Dziadkowski, BB 1991, 805, 811. 1195 Eaton, Essays in Taxation, S. 27; Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 6; Elicker, StuW 2000, 2, 7; Becker, FS Klein, S. 379, 386. 1196 Elicker, StuW 2000, 3, 8.
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wahrt wird1197; darüber hinausgehendes Einkommen wird als frei verfügbar und damit als grundsätzlich steuerbar angesehen1198.
e) Stellungnahme Die dargestellte Änderung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spricht noch nicht dafür, dass nunmehr die direkte Progression von Verfassungs wegen unzulässig geworden wäre. Gegen diesen Schluss spricht zum einen, dass das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner Rechtsprechung den geltenden Steuertarif zu Grunde legt und bisher niemals beanstandet hat1199. Zum anderen erscheint es zumindest möglich, den direkt progressiven Tarif mithilfe anderer Verfassungsprinzipien zumindest zu rechtfertigen. Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steht einem direkt progressiven Tarif folglich nicht entgegen, schreibt ihn aber auch nicht zwingend vor1200. Denn aus dem Prinzip lässt sich höchstens das Verbot herleiten, ungleich Leistungsfähige gleich und gleich Leistungsfähige ungleich zu behandeln. Beiden Verboten entspricht der indirekt progressive Tarifverlauf, da die Durchschnittssteuersätze mit zunehmendem Einkommen ebenfalls steigen. Auf den jeweiligen, bei der indirekten Progression immer gleichen Grenzsteuersatz kann es insoweit nicht ankommen, da sich die Einkommensteuerlast nur durch eine Betrachtung des Durchschnittssteuersatzes ermitteln lässt1201. Ferner kann zwar bei einem direkt progressiven Einkommensteuertarif der Grenzsteuersatz theoretisch beliebig steigen, z. B. durch unendlich nahe Annäherung an einen bestimmten Höchstwert, jedoch entspricht es der Tradition im deutschen Steuerrecht, dass der Grenzsteuersatz eine obere Proportionalzone erreicht (s. S. 64 ff.). Dies muss in jedem Einkommensteuerrecht der Fall sein, denn anderenfalls erreichte und überschritte der Grenzsteuersatz ab einem gewissen Punkt 100 %, und die geschuldete Steuer könnte im Extremfall das Einkommen übersteigen1202. Der insgesamt weiterhin progressive Verlauf des Tarifs ergibt sich also im Bereich der oberen Proportionalzone auch im geltenden Steuerrecht im Wesentlichen durch die Kombination mit dem Grundfreibetrag, folg___________ 1197 BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, 233; BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 259. 1198 Vgl. BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 170. 1199 s. auch BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 90. 1200 Ebenso Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 479; Vogt, S. 84. 1201 A. A. wohl Vogel, DStZ 1975, 409, 411, der indirekt progressive Tarife nicht als „progressiv in diesem Sinne“ ansehen will. Eine Erklärung hierfür bleibt er indes schuldig. 1202 Richner, ASA 73, 593, 619.
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lich als indirekte Progression. Dass dies mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar sein soll, wurde bisher nicht behauptet und ist auch nicht haltbar, da es – wie gezeigt – auf die durchschnittliche Einkommensteuerbelastung ankommen muss. Ein indirekt progressiver Einkommensteuertarif verstößt nicht gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und somit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Sozialstaatsprinzip und direkte Progression Nach einer anderen, vor allem im Schrifttum anzutreffenden Auffassung soll sich die direkte Progression bei der Einkommensbesteuerung aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben1203. Dieser Ansatz geht zurück auf Adolf Wagner, der bereits im 19. Jahrhundert die Steuer als Instrument des Einkommens- und Vermögensausgleichs heranziehen wollte1204 (s. S. 170). Aus dem Sozialstaatsprinzip soll sich ergeben, dass der Gesetzgeber die „grundsätzliche Befugnis“ habe, „die Gesellschaft mitzugestalten“1205. Hieraus soll sich vor allem auch die Befugnis oder sogar die Pflicht1206 des Gesetzgebers ergeben, durch Steuernormen Umverteilung zu betreiben1207. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat zumindest im Grundsatz die direkt progressive Besteuerung mit dem Sozialstaatsgedanken gerechtfertigt1208. Dieser Ansatz vermag indes im Ergebnis ebenfalls nicht zu überzeugen. Zunächst lässt sich die – vermeintliche – Inhaltsleere des Sozialstaatsprinzips kritisieren1209. Beim Sozialstaatsprinzip dürfte es sich um dasjenige Grundprinzip handeln, dessen Inhalt und Konturen bisher am wenigsten deutlich herausgearbeitet worden sind; Konkretisierungen seines Inhalts erfolgen weder durch die ___________ 1203 Beiser, Steuern, S. 27; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 97 ff.; Vogt, S. 84; gegen die Begründung der Steuerprogression mit dem Sozialstaatsprinzip aber Kirchhof, Gutachten F zum 57. DJT, S. F22; Klein, FinArch 20, 115, 131 f. 1204 Vgl. hierzu Meyer, S. 179. 1205 F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 49; weitergehend Moebus, S. 41 f., der annimmt, der Gesetzgeber habe eine derartige Pflicht. 1206 Vogt, S. 84. 1207 F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 49; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 99. 1208 BVerwG v. 20.03.1959, VII C 53.57, BVerwGE 8, 211, 212; BVerwG v. 24.03.1961, VII C 29.60, BVerwGE 12, 140, 152. 1209 s. auch F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 49: „… [R]echtliche Reichweite und Einzelheiten sind bisher noch nicht vollständig ermittelt.“
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Verfassung selbst1210, noch haben Rechtsprechung und Lehre dem Sozialstaatsprinzip bisher nachvollziehbare Konturen verleihen können1211. Aus diesem Grund soll es auch in hohem Maße der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedürfen1212, wobei konkrete Folgerungen sich nur schwer aus der Verfassung ableiten lassen1213. Konsens scheint immerhin darüber zu bestehen, dass das Sozialstaatsprinzip den Staat zu Hilfe gegen Not und Armut und zur Sicherstellung eines Existenzminimums verpflichtet1214. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, das Sozialstaatsprinzip enthalte generell und prinzipiell einen Auftrag an den Gesetzgeber, „für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“1215. Damit findet eine Assoziation von „sozial“ mit „gerecht“ statt1216. Eben aus diesem Auftrag zur Schaffung von Gerechtigkeit oder eines sozialen Ausgleichs1217 soll sich auch die Ermächtigung zu einer – begrenzten – Umverteilung ergeben1218. Selbst wenn man dies so hinnehmen wollte, so ist doch festzustellen, dass aus der Verfolgung sozialstaatlicher Ziele, dem Streben nach einer „gerechten Sozialordnung“, noch nicht zwangsläufig die direkt progressive Ausgestaltung des Einkommensteuersystems folgen muss1219. Denn selbst wenn aus dem Sozialstaatsprinzip eine Pflicht zu einer gewissen Umverteilungspolitik folgen sollte, bedeutet dies noch nicht, dass diese mit den Mitteln des Steuerrechts ___________ 1210
Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 5, 21. Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 112; wohl a. A. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 98: „erhebliche normative Wirkung“. 1212 BVerfG v. 19.10.1983, 2 BvR 485, 486/80, BVerfGE 65, 182, 193; BVerfG v. 22.10.1985, 1 BvL 2/82, BVerfGE 71, 66, 80; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 35; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 116. 1213 Sachs, in: Sachs, GG, Art.20 Rn. 47. 1214 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 105; Bull, in: FS Badura, S. 57, 61. 1215 BVerfG v. 18.07.1967, 2 BvF 3, 4, 5, 6, 7, 8/62; 2 BvR 139, 140, 334, 335/62, BVerfGE 22, 180, 204; ähnlich BVerfG v. 16.07.1985, 1 BvL 5/80, 1 BvR 1023, 1052/ 83 und 1227/84, BVerfGE 69, 272, 314; BVerfG v. 12.03.1996, 1 BvR 609/90, BVerfGE 94, 241, 263. Zust. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 46. 1216 Moebus, S. 42. Krit. hierzu etwa Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 104. 1217 So Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 104. In der Sache unterscheidet sich die Auffassung Sommermanns damit nicht von der des Bundesverfassungsgerichts. 1218 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 119; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 568; vgl. auch Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 37; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 108. 1219 Ebenso Moebus, S. 50; Rürup/Bizer, in: Bizer (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123. 1211
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durchgesetzt werden muss1220. Der Gesetzgeber muss in der Wahl seiner Mittel zur Umsetzung des Sozialstaatsprinzips grundsätzlich frei sein1221. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, so folgt hieraus noch nicht, dass Umverteilung unbedingt mit den Mitteln der Einkommensteuer erreicht werden muss. Für andere Steuern wird eine progressive Ausgestaltung indes nicht in demselben Maße erwogen wie für die Einkommensteuer: So ist die Körperschaftsteuer traditionell proportional ausgestaltet. Darüber hinaus ist anzumerken, dass Umverteilung sich auch auf andere Weise als durch direkte Progression bei der Einkommensteuer erreichen lässt. Außerdem ist die einseitige Fixierung nur auf die staatliche Einnahmeseite irreführend, da die Frage der Umverteilungswirkung nur durch Gesamtschau aller staatlichen Einnahmen und Transferleistungen beurteilt werden kann1222 (dazu schon oben, § 5 D. I. 2. b) dd) (4) (a), S. 178 ff.). Ein direkt progressiver Tarif bei der Einkommensteuer führt für sich allein betrachtet auch nicht notwendigerweise zu Umverteilung1223. Und eine gerechte Gesellschaftsordnung, jedenfalls im Sinne Nozicks, lässt sich auch ohne Umverteilung erreichen, ja Umverteilung widerspräche einer gerechten Gesellschaftsordnung sogar geradezu. Dies zeigt, dass die Debatte um das Sozialstaatsprinzip letztlich abhängig ist von der Frage, was unter dem Begriff „gerecht“ verstanden, wann eine Gesellschaft als „ungerecht“ und damit verbesserungswürdig eingeschätzt wird1224. In diesem Zusammenhang kommen also wieder die unterschiedlichen Auffassungen über Gerechtigkeit zum Tragen. Darüber hinaus bedeutet die Möglichkeit einer Rechtfertigung noch nicht, dass eine derartige Ausgestaltung auch von Verfassungs wegen geboten ist1225. Der weitaus größte Teil der Literatur hat daher auch den direkt progressiven Tarif bei der Einkommensteuer mit sozialstaatlichen Erwägungen gerechtfertigt1226; die Aussage, alle übrige Tarifformen seien wegen Verstoßes gegen das Sozialstaatsprinzip verfassungswidrig, findet sich indes nirgends. ___________ 1220
Ebenso Moebus, S. 50 f.; Lang, StuW 1990, 107, 112. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 48. 1222 Dies gegen Moebus, S. 50. 1223 Dies übersieht etwa Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 99. 1224 Daher macht es sich Moebus, S. 44 zu leicht, wenn er ausführt, eine Gesellschaft sei ungerecht, wenn eine „erhebliche Diskrepanz“ der bestehenden Vermögens- und Einkommensverteilung vorliege. In diesem Fall läge nicht einmal nach Rawls zwingend eine ungerechte Gesellschaft vor. 1225 Zutreffend Moebus, S. 18. 1226 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 403; Becker, FS Klein, S. 379, 387 f.; Jachmann, StuW 1998, 293, 295 f.; Lang, StuW 1990, 107, 117; Rürup/Bizer, in: Bizer 1221
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Aus alledem folgt, dass sich aus dem Sozialstaatsprinzip nicht ergibt, dass das Einkommensteuersystem direkt progressiv ausgestaltet sein muss.
3. Fazit An der Vereinbarkeit eines indirekt progressiven Einkommensteuertarifs, wie ihn eine Einstufen-Steuer vorsieht, mit dem Grundgesetz bestehen nach dem Gesagten keine Zweifel mehr. Zieht man Art. 3 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt für die verfassungsrechtliche Überprüfung heran, so ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch einen indirekt progressiven Einkommensteuertarif nicht verletzt ist. Auch das Sozialstaatsprinzip erfordert keinen direkt progressiven Tarifverlauf.
II. Änderungen der Bemessungsgrundlage 1. Übergang zur Konsumbesteuerung a) Grundsätzliche Vereinbarkeit der Konsumbesteuerung mit dem Grundgesetz Der von der Flat Tax vorgesehene Übergang von der Einkommens- zur Konsumbesteuerung könnte ebenfalls unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten mit dem Grundgesetz unvereinbar sein. So könnte der in Art. 3 Abs. 1 GG für das Steuerrecht normierte Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine Besteuerung des konsumierbaren und nicht nur des konsumierten Einkommens erfordern; insofern könnte die Ungleichbehandlung von Kapitaleinkommen (steuerfrei) und Arbeitseinkommen (steuerbar) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Gestalt des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoßen1227. Ein solcher Verstoß kommt insbesondere dann in Betracht, wenn davon ausgegangen wird, dass Kapitaleinkünfte ebenso wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begründen wie andere Einkünfte, etwa aus nicht selbstständiger Arbeit1228. Eine Differenzierung zwischen diesen verschiedenen Einkommensarten ließe sich dann kaum rechtfertigen. ___________ (Hrsg.), Am Staat vorbei, S. 119, 123; wohl auch Birk, JZ 1988, 820, 821; Flockermann, FS Klein, S. 396. s. auch Ossenbühl, S. 84 f. 1227 So wohl Tipke, StRO II, S. 645 f.; offen gelassen bei Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 36, 55; ablehnend aber Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 379. 1228 So wohl Gröpl, FR 2001, 620, 622.
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Auf der anderen Seite spricht für die Ausgestaltung als Konsumsteuer die von der geltenden Einkommensteuer bewirkte Besteuerung von Nominalgewinnen (s. S. 205 ff.); diese könnte nämlich ihrerseits gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoßen und eine entsprechende Berichtigung der Besteuerung erfordern (Inflationsausgleich)1229. Das Bundesverfassungsgericht hat diese – etwa vom FG Hamburg gezogene1230 – Konsequenz für die Besteuerung von Kapitalzinsen allerdings abgelehnt, da es in der Konsequenz der Ertragsbesteuerung liege, das zu Grunde liegende Vermögen (den Kapitalstamm) nicht zu berücksichtigen1231. Diese Entscheidung ist zu Recht im Schrifttum weitgehend auf Ablehnung gestoßen1232. Denn bei Zugrundelegung des Maßstabs der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergibt sich ohne weiteres, dass Bezieher von Kapitaleinkünften in bestimmter Höhe, die einen Teil ihrer Kapitaleinkünfte zur Erhaltung des Realwertes ihres vorhandenen Vermögens aufwenden müssen, nicht ebenso leistungsfähig sind wie Bezieher von Einkünften aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit in derselben Höhe1233. Folglich liegt beim existierenden System eine Durchbrechung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vor, die rechtfertigungsbedürftig ist. Ein solcher Rechtfertigungsgrund kann nicht bereits in den befürchteten negativen Auswirkungen einer Indexierung für die Volkswirtschaft liegen1234. Denn dass diese tatsächlich einträten, ist bisher nicht überzeugend nachgewiesen. Auch sind Werterhaltungsklauseln in privatrechtlichen Verträgen nicht mehr schlechthin unwirksam1235. Die Auffassung Gröpls, wonach eine konsumorientierte Einkommensteuer, die Sparanlagen und ihre Erträge nicht mehr in ihre Bemessungsgrundlage einstellt, in Konflikt gerate mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip1236, ist in ihrer Pauschalität kaum zutreffend oder zumindest missverständlich. Denn die beiden Methoden, ein konsumorientiertes Einkommensteuersystem umzusetzen, die Zins- und die Sparbereinigung, sind theoretisch Äquivalente (s. § 3 A. II., S. 52); insofern stellte es ein Äquivalent zu der von Gröpl geforderten nachge___________ 1229
Kröger, JZ 1979, 631, 633; Friauf, StuW 1975, 260, 268; Vogel, StuW 1977, 97, 115 f. Ähnlich Rose, BB 1996, 1085, 1087. 1230 FG Hamburg v. 10.05.1974, VI 29/74, EFG 1974, 425 f. 1231 BVerfG v. 19.12.1978, 1 BvR 335/, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57, 80 ff. 1232 Kröger, JZ 1979, 631 ff. 1233 So auch Birk, JA 1979, 668, 669. 1234 Ebenso Kröger, JZ 1979, 631, 633; anders wohl Birk, JA 1979, 668, 669. 1235 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 PaPkG: „Der Betrag von Geldschulden darf nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind.“ 1236 Gröpl, FR 2001, 620, 622.
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lagerten Besteuerung von Altersbezügen dar, wenn stattdessen die Zinsen aus diesen Anlagen von der Steuer befreit werden (dazu bereits oben)1237. Lediglich eine Kumulation beider Methoden, also die Möglichkeit des Abzugs gesparter Beträge von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage und die Steuerfreistellung daraus sich ergebender Zinsen, wäre insoweit nicht zu rechtfertigen, da sie Zinseinnahmen doppelt begünstigte. Dies fordert aber – soweit ersichtlich – auch niemand1238. Damit verbleibt die Frage zu klären, ob eine Freistellung von Kapitaleinkünften, gleich nach welcher Methode, das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt. Dies könnte deshalb der Fall sein, weil mit der Freistellung der Kapitalerträge von der Besteuerung eine Durchbrechung des Prinzips der horizontalen Steuergerechtigkeit vorliegt, die sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen muss. Zu einer solchen Durchbrechung gelangt man indes nur, wenn man im Zufluss von Einkommen den angemessenen Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit sieht. Zieht man demgegenüber die Einkommensverwendung für konsumtive Zwecke als Indikator heran, so liegt gerade keine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips vor. Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes einen großen Entscheidungsspielraum hat1239, so dürfte es dem Gesetzgeber nicht schlechthin verwehrt sein, an Stelle der Einkommenserzielung die Einkommensverwendung als den Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Zur Rechtfertigung dieses Paradigmenwechsels könnten zum einen die – allerdings umstrittenen (s. § 5 D. II. 2. a), S. 192 ff.) – positiven wirtschaftlichen Folgen des Übergangs zur Konsumbesteuerung herangezogen werden. Darüber hinaus wäre mit dem Übergang zur Konsumbesteuerung auch ein erhöhtes Maß an intertemporaler, Investitions-, Finanzierungs- und Rechtsformneutralität erreicht. Schließlich brächte die Konsumbesteuerung im Rahmen der Flat Tax auch beachtliche Vereinfachungen mit sich. Aus alledem ergibt sich, dass der Übergang zur Konsumbesteuerung nicht gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstieße1240. ___________ 1237 Ob Gröpl, a.a.O., dies auch so sieht, lässt sich seinen Ausführungen indes nicht entnehmen. 1238 Insofern wird nicht deutlich, auf wen sich Gröpl, FR 2001, 620, 622 mit der Aussage bezieht, ein Einkommensteuerrecht, das Sparanlagen gleich welcher Art sowie ihre Zinserträge generell nicht mehr in seine Bemessungsgrundlage einstelle, gerate in Kollision mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (Hervorhebung nur hier). 1239 St. Rspr., s. BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 126 m. w. N. 1240 Ebenso Lang, in: FS Rose, S. 325, 339 f.
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b) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Flat Tax Der Bund könnte ein Steuersystem nach Art der Flat Tax nur dann umsetzen, wenn ihm die Gesetzgebungskompetenz hierfür zustünde. Ein Kompetenztitel zu Gunsten des Bundes muss sich aus der Finanzverfassung ergeben; anderenfalls wäre die Flat Tax verfassungswidrig, da es Steuern, die sich in die Finanzverfassung nicht einfügen, nicht geben darf1241. Die Finanzverfassung kennt den allgemeinen Begriff der „Konsumsteuer“ nicht1242. Die Flat Tax müsste sich daher unter eine der in Art. 105, 106 GG genannten Steuerarten subsumieren lassen. In Betracht kommt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 Var. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG für die Verbrauchsteuern sowie aus Art. 105 Abs. 2 Var. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG für die „Umsatzsteuer“ oder die „Einkommensteuer“.
aa) Die Flat Tax als Verbrauch- oder Umsatzsteuer? Die Flat Tax lässt sich nicht unter die Begriffe der „Verbrauchsteuer“ oder „Umsatzsteuer“ subsumieren, obwohl ihr Belastungserfolg dem einer Umsatzsteuer gleicht (s. S. 90). Verbrauch- und Umsatzsteuer ist gemeinsam, dass es sich um indirekte Steuern handelt1243; Steuerschuldner ist der Händler oder Unternehmer, der die Belastung auf den Endverbraucher überwälzen kann. Steuerschuldner der Flat Tax wären sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer, sodass es sich nicht um eine indirekte Steuer handelt. Der Bund kann daher aus Art. 105 Abs. 2 Var. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 (Verbrauchsteuern) und Art. 105 Abs. 2 Var. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG (Umsatzsteuer) keine Gesetzgebungskompetenz für die Flat Tax herleiten1244.
bb) Die Flat Tax als Einkommensteuer In Betracht kommt daher nur die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 Var. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG für die „Einkommensteuer“. Nun handelt es sich bei der Flat Tax aber nicht um eine Einkommensteuer im ___________ 1241
Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351,
356. 1242
Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351,
355. 1243
Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351,
356 f. 1244
A. A. wohl Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 377.
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eigentlichen Sinne, sondern um eine Steuer auf den allgemeinen Konsum „im Gewand“ einer Einkommensteuer. Aus diesem Grund ist zweifelhaft, ob der verfassungsrechtliche Begriff der „Einkommensteuer“ auch eine derartige Konsumsteuer umfasst. Dies hängt wesentlich davon ab, wie der Begriff der Einkommensteuer verstanden wird. Hierzu finden sich in Rechtsprechung und Literatur nur wenige Stellungnahmen1245, sodass die Frage nicht als geklärt angesehen werden kann. Es ist vielmehr erforderlich, den Begriff der „Einkommensteuer“ in Art. 106 Abs. 3 GG auszulegen. Hierfür sollen die vier Methoden der wörtlichen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung herangezogen werden.
(1) Wörtliche Auslegung Art. 106 Abs. 3 GG nennt als einzige Bestimmung des Grundgesetzes die „Einkommensteuer“. Der Begriff der „Einkommensteuer“ kann zum einen als „Kapitaleinkommensteuer“ verstanden werden, deren Steuerobjekt das konsumierbare und nicht lediglich das konsumierte Einkommen ist. Danach ließe sich die Flat Tax nicht unter den Begriff der „Einkommensteuer“ in Art. 106 Abs. 3 GG fassen1246. Auf der anderen Seite werden jedoch auch konsumorientierte Systeme der Einkommensbesteuerung als „Einkommensteuern“ bezeichnet. Ferner weisen sowohl Steuersubjekt als auch Erhebungsart der Flat Tax Ähnlichkeiten mit der herkömmlichen Einkommensteuer auf1247. Dies spricht dafür, dass mit dem Begriff der „Einkommensteuer“ sowohl eine kapital- als auch eine konsumorientierte Einkommensteuer gemeint sein könnte. Die wörtliche Auslegung führt folglich zu keinem eindeutigen Ergebnis.
(2) Historische Auslegung Wollte man sich dem Begriff der „Einkommensteuer“ in Art. 106 Abs. 3 GG historisch nähern, so könnte man zunächst davon ausgehen, dass unter dem Begriff diejenige Steuer zu verstehen ist, die sich im Laufe der Geschichte als Einkommensteuer herausgebildet hat. Maßgeblich wäre dann auf das EStG ___________ 1245
Etwa Gröpl, FR 2001, 620, 621 f.; Fischer, DStJG 24, 463, 480. In diesem Sinne etwa Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 358 ff. 1247 Vgl. Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 358 für die persönliche Ausgabensteuer. 1246
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19341248 abzustellen, das in seinen Grundzügen auch heute noch Geltung beansprucht1249,1250. In diesem Sinne hat etwa auch das Bundesverfassungsgericht anlässlich der Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für § 23 EStG festgestellt, dass das Grundgesetz für die Unterscheidung der verschiedenen Steuerarten an das „traditionelle“ Steuerrecht anknüpfe. Für die Einkommensteuer bedeute dies, dass zumindest diejenigen Steuertatbestände, die bereits bei Inkrafttreten des Grundgesetzes „herkömmlich dem Einkommensteuerrecht zugeordnet waren“, unter den Begriff der Einkommensteuer fallen1251. Wäre der verfassungsrechtliche Begriff der Einkommensteuer lediglich unter Bezug auf historisch verbürgte Steuern auszulegen, so fiele eine Konsumsteuer wie die Flat Tax nicht unter den verfassungsrechtlichen Begriff; denn die Einkommensteuer ist in Deutschland traditionell nur ausnahmsweise konsumorientiert, stellt aber grundsätzlich auf den Zufluss ab und ist im Grundsatz kapitalorientiert1252. Dem Bund fehlte nach diesem Ansatz die Gesetzgebungskompetenz für eine konsumorientierte Neuordnung der Einkommensteuer1253. Gegen diese Beschränkung auf die historischen Grundlagen1254, also auf das überkommene Recht der Einkommensteuer, spricht zunächst, dass eine Weiterentwicklung der Einkommensteuer bei Beschränkung auf das historische Leitbild weitgehend ausgeschlossen wäre. Denn Neuerungen, die vom historisch gewachsenen Einkommensteuerrecht abweichen, wären danach stets unzulässig. Dies aber wäre ein kaum überzeugendes Ergebnis. Eine solche Beschränkung lässt sich überdies dem genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch nicht entnehmen. Es stellte eine Sinnverkehrung dar, wollte man dem Urteil entnehmen, dass nur die historisch gewachsenen Grundlagen der Einkommensteuer von der Finanzverfassung abgedeckt seien. Denn das Gericht betont ausdrücklich, dass „zumindest“ die traditionell entwickelten Besteuerungstatbestände des EStG unter den Begriff der Einkommensteuer fallen1255; eine Beschränkung auf diese lässt sich dem Urteil folglich gerade nicht entnehmen. Auch die historische Auslegung führt somit zu keinem eindeutigen Ergebnis. ___________ 1248
Einkommensteuergesetz v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 1005. Birk, Steuerrecht, Rn. 22. 1250 Gröpl, FR 2001, 620, 621. 1251 BVerfG v. 09.07.1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, 309. 1252 Gröpl, FR 2001, 620, 621. 1253 So Fischer, DStJG 24, 463, 480. 1254 Deutlich Fischer, DStJG 24, 463, 480: „historisch gewachsene Bedeutung der Einkommensteuer“. 1255 BVerfG v. 09.07.1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, 309. 1249
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(3) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht ist zu bedenken, dass der Bundesgesetzgeber bereits andere, ebenfalls in der Finanzverfassung genannte Steuerarten von Grund auf reformiert hat, sodass auch diese Steuerarten einen völlig neuen Gehalt erhalten haben. Zu nennen sind hier die Umsatzsteuer, die 1967 von einer Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer zu einer Allphasen-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug umgestellt wurde1256, die Körperschaftsteuer, bei der 1977 das Anrechnungs-1257 und 2001 das Halbeinkünfteverfahren1258 eingeführt wurde, sowie die Grunderwerbsteuer, die 1982 ein neues Gepräge erfahren hat1259. Insbesondere bei der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer hat sich durch die jeweilige Reform auch das Wesen der Steuer grundlegend gewandelt, sodass von einer Identität der Steuern vor und nach der Reform nicht ausgegangen werden kann1260. Eine Fortentwicklung der in der Finanzverfassung genannten Steuerarten durch den Gesetzgeber muss demnach grundsätzlich zulässig sein.
(4) Teleologische Auslegung Sinn und Zweck der Art. 104 a ff. GG ist in erster Linie die angemessene Aufteilung des Steueraufkommens sowie der Steuergesetzgebungskompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern1261. Es handelt sich folglich um einen Regelungsbereich, der hauptsächlich der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung dient und nicht in erster Linie Wirkung im Staat-Bürger-Verhältnis entfaltet1262. Hieraus folgt, dass die Regelungen der Finanzverfassung mit genügender Flexibilität interpretiert werden müssen, um den Bundesstaat auch an Veränderungen der tatsächlichen Gegebenheiten anpassen zu können1263. Dies spricht dafür, dass Fortentwicklungen des bestehenden Steuerrechts nicht durch ___________ 1256
UStG v. 29.05.1967, BGBl. I 1967, S. 545. KStG v. 31.08.1976, BGBl. I 1976, S. 2597. 1258 StSenkG v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433; ausführlich hierzu Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 122 ff. Die von Desens angegebene Fundstelle (BGBl. I 2000, S. 1812) bezeichnet allerdings das Ergänzungsgesetz zum Steuersenkungsgesetz. 1259 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 69. 1260 Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 69; Kirchhof, VVDStRL 39, 213, 219; die Analogie zur Umsatzsteuer verwendet auch Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 474. 1261 BVerfG v. 07.11.1995, 2 BvR 413/88 und 1300/93, BVerfGE 93, 319, 342; BVerfG v. 11.11.1999, 2 BvF 2, 3/98, 1, 2/99, BVerfGE 101, 158, 214. 1262 Die Finanzverfassung kann gleichwohl unter bestimmten Umständen Schutzfunktion auch im Staat-Bürger-Verhältnis entfalten. Hierzu BVerfG v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 302 ff.; BVerfG v. 06.11.1984, 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 288 f. 1263 Ähnlich Gröpl, FR 2001, 620, 621. 1257
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die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen der Art. 104 a ff. GG behindert werden sollten. Hierfür könnte auch sprechen, dass dem Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenzen ein Steuerfindungsrecht zugestanden wird1264. Insbesondere sei es im Rahmen der Einkommenstuer dem Gesetzgeber überlassen, was er als Zuwachs ansehe und inwieweit er Ausgaben, die in der gleichen Zeitspanne vorgenommen werden, darauf anrechnen lasse1265. Folgt man dieser Auffassung, so müsste der Gesetzgeber auch gesparte Einkommensteile im Rahmen der Einkommensteuer zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zulassen und Rückflüsse aus Sparrücklagen der Steuerpflicht unterwerfen können. Legt man die gesamte Lebensspanne des Steuerpflichtigen als Maßstab zu Grunde, so gilt des Weiteren, dass – eine Besteuerung am Lebensende unterstellt – die Besteuerung im Vergleich zur kapitalorientierten Einkommensteuer auch lediglich hinausgeschoben wird1266. Genauso müsste es dem Gesetzgeber dann aber freigestellt sein, Zinsen und andere Kapitaleinkünfte von der Steuerpflicht auszunehmen, denn der wirtschaftliche Effekt der Zinsbereinigung ist – theoretisch – derselbe wie derjenige der Sparbereinigung (s. S. 52). Dies spricht dafür, eine konsumorientierte Einkommensteuer als Unterfall der „Einkommensteuer“ anzusehen1267. Sowohl eine spar- als auch eine zinsbereinigte konsumorientierte Einkommensteuer wäre danach vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 106 Abs. 3 GG gedeckt1268. Hiergegen hat Birk – in Bezug auf die persönliche Ausgabensteuer1269 als Spezialfall der Konsumsteuer – Bedenken angemeldet, die er in drei Punkten zusammenfasst1270: Erstens knüpfe die Einkommensteuer an die Phase der Ein___________ 1264
Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 46. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 48. 1266 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 358. 1267 Vgl. auch Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 359. 1268 Ebenso Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 110 ff. A. A. Hidien, in: BK, GG, Art. 106 Rn. 1449; M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 188, die zwar die zins-, nicht aber die sparbereinigte Einkommensteuer für verfassungsgemäß hält. Wegen der identischen Belastungswirkungen ist dies zweifelhaft. 1269 Diese ist zwar nicht mit der Flat Tax identisch, da die Konsumorientierung bei der Ausgabensteuer auf Haushaltsseite durch Sparbereinigung realisiert wird. Die grundsätzlichen Bedenken dürften aber auch in Bezug auf die zinsbereinigte Flat Tax gelten. 1270 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 359 ff. 1265
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kommensentstehung an und entstehe unabhängig von der Einkommensverwendung zu einem Zeitpunkt, da der Steuerpflichtige noch nicht über das Einkommen disponiert habe, während die Ausgabensteuer dem Steuerpflichtigen die Disposition über die Steuerpflicht überlasse1271. Zweitens erfasse die Einkommensteuer den wirtschaftlichen Erfolg desjenigen Steuerpflichtigen, der sich am Markt betätige, während die Ausgabensteuer auf die Einkommensverwendung zugreife unabhängig davon, wer das zu Grunde liegende Vermögen erwirtschaftet habe1272. Drittens sei die Einkommensteuer Umverteilungszielen gegenüber offen, während eine Besteuerung nur des Konsums einen „weitgehenden Verzicht auf eine an der Umverteilung orientierte Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“ bedeute, weil sie die Vermögensbildung und damit die „Großeinkommen“ fördere1273. Alle drei Bedenken vermögen indes nicht zu überzeugen. Gegen das dritte Argument spricht, dass Umverteilung sich erst aus dem Zusammenspiel von Einnahmen und Ausgaben ergibt, die Wahl des Steuerobjekts allein also noch nichts über die Verwirklichung von Umverteilungszielen auszusagen vermag (s. S. 178). Auch mag bezweifelt werden, ob die von Birk erwähnte Umverteilungswirkung der Einkommensteuer eingetreten ist. Sie ließe sich darüber hinaus auch durch eine ergänzende Vermögensteuer bewirken1274. Das zweite Argument lässt sich durch eine Besteuerung am Lebensende sowie von Schenkungen entkräften1275. Das erste Argument wiegt am schwersten, lässt sich aber zunächst mit dem technischen Hinweis entkräften, dass auch die Flat Tax auf der Haushaltsseite wegen der Zinsbereinigung auf das Einkommen im Zeitpunkt der Entstehung zugreift; Sparen „schützt“ folglich nicht vor dem steuerlichen Zugriff. Ferner sieht auch die klassische Einkommensteuer Tatbestände vor, die eine Besteuerung hinausschieben oder zur Disposition des Steuerpflichtigen stellen. In diesem Zusammenhang zu nennen sind etwa die Bildung und Übertragung stiller Reserven, die Gewährung großzügiger Abschreibungen oder die Steuerfreistellung von privaten Veräußerungsgewinnen. Bei konsequenter Fortführung der Argumentation Birks wären auch derartige Tatbestände aus Kompetenzgründen verfassungswidrig. Auf den Einfluss des Steuerpflichtigen auf die Entstehung ___________ 1271 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 359 f.; zustimmend Hidien, in: BK, GG, Art. 106 Rn. 1449; Rasenack, in: FS Quaritsch, S. 363, 377. 1272 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 360. 1273 Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 360. 1274 M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 188. 1275 So auch Birk, in: Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, S. 351, 360.
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der Steuer kann es für die Einordnung einer Steuer als Einkommensteuer daher nicht ankommen. Aus alledem folgt, dass es dem Bundesgesetzgeber frei stehen muss, welche Abzugstatbestände er im Rahmen der Einkommensteuer schafft und welche Einkunftsarten er von der Besteuerung ausnimmt. Will er Zinsen und andere Kapitalerträge von der Besteuerung ausnehmen, so wird er daran nicht durch die Finanzverfassung gehindert. Der Bundesgesetzgeber könnte also auch zu einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung übergehen, ohne seine Gesetzgebungskompetenzen nach der Finanzverfassung zu überschreiten1276.
(5) Fazit Der teleologischen Auslegung sollte gefolgt werden, da die übrigen Auslegungsmethoden nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Der Bund hätte demnach gemäß Art. 105 Abs. 2 Var. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG („Einkommensteuer“) die Gesetzgebungskompetenz für die Umsetzung einer konsumorientierten Einkommensteuer wie der Flat Tax.
2. Objektives Nettoprinzip a) Abzugsverbot für erwerbsbedingte Aufwendungen der Arbeitnehmer Nach der Grundkonzeption der Flat Tax soll für Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit im weiteren Sinne eine Lohnsteuer eingeführt werden, bei der erwerbsnotwendige und -sichernde Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage nicht abgezogen werden können, sondern pauschal durch einen erhöhten Grundfreibetrag mit abgegolten werden sollen. Dies könnte gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausgestaltung als Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (objektives Nettoprinzip) verstoßen. Das objektive Nettoprinzip verlangt grundsätzlich die Berücksichtigung erwerbssichernden Aufwands (s. § 3 B., S. 56). Folglich müssten Werbungskosten grundsätzlich von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehbar sein. Die Geltung des objektiven Nettoprinzips für das bestehende Ein___________ 1276 Ebenso wohl Gröpl, FR 2001, 620, 621, der allerdings nur eine „gemäßigte Öffnung hin zu einer ‚Konsumeinkommensteuer‘“ für unbedenklich und eine „Nachversteuerung bei Konsum“ für erforderlich hält. Dabei übersieht er, dass die beiden Methoden der Umsetzung einer konsumorientierten Einkommensteuer, die Zins- und die Sparbereinigung, theoretisch gleichwertig sind. A. A. in Bezug auf die Gesetzgebungskompetenz Fischer, DStJG 24, 463, 480.
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kommensteuerrecht ist im steuerjuristischen Schrifttum nahezu unbestritten1277 und wird auch vom Bundesfinanzhof bejaht1278. In der Konzeption der Flat Tax wird das objektive Nettoprinzip nicht vollständig aufgegeben. Erwerbsbezogener Aufwand soll aber nur noch in pauschalierter Form berücksichtigt werden. Hieraus könnte sich ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip ergeben, wenn eine Pauschalierung unzulässig ist oder sich nicht rechtfertigen lässt (dazu bb)). Zur Verfassungswidrigkeit des Modells führt dies jedoch nur dann, wenn dem objektiven Nettoprinzip tatsächlich Verfassungsrang zukommt (dazu aa)).
aa) Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips Die Frage, ob das objektive Nettoprinzip Verfassungsrang besitzt, ist umstritten und in Rechtsprechung und Schrifttum bislang nicht abschließend geklärt.
(1) Die Auffassung der Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Stellungnahme zu der Frage teils vermieden1279, teils den Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips verneint1280. Es hat zwar anerkannt, dass dem Einkommensteuerrecht das Prinzip der Nettobesteuerung als wesentliches Strukturprinzip zugrunde liege1281; ob dem objektiven Nettoprinzip Verfassungsrang zukomme, hat es aber in seinen neueren Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen1282. Es beschränkt sich in seinen Urteilen auf die Feststellung, dass bei ___________ 1277
s. nur Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 6; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 127; Loritz, Einkommensteuerrecht, Rn. 114; Lang, S. 183 ff.; ders., StuW 1985, 10, 16 f.; ders., NJW 2006, 2209, 2211; Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818, 1820; Elicker, StuW 2002, 217, 220 ff.; Friauf, StuW 1973, 97, 103 ff.; Klein, DStZ 1995, 630, 631; Ruppe, DStJG 3, 103, 105, 108, 144 ff.; Söhn, DStJG 3, 13, 18; Tipke, StuW 1971, 2, 14 f.; ders., StuW 1974, 84; Wendt, DÖV 1988, 710, 719 f.; krit. aber Arndt, in: FS Mühl, S. 17, 23 ff. 1278 BFH v. 09.05.2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552, 554. 1279 BVerfG v. 23.01.1990, 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 237; vgl. auch BVerfG v. 22.07.1991, 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168, 169. 1280 BVerfG v. 07.11.1972, 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 116 f.; BVerfG v. 07.02.1968, I R 53/67, BStBl. II 1968, 392, 394. 1281 Vgl. BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 96. Anders noch BVerfG v. 07.11.1972, 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 116 f. 1282 Zuletzt BVerfG v. 19.02.1991, 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395, 402.
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Vorliegen gewichtiger Gründe Abweichungen vom Nettoprinzip jedenfalls zulässig seien1283. Allerdings hat es in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ausgeführt, dieser verlange, dass die einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen in Einnahmen und Aufwand die erfassten wirtschaftlichen Vorgänge „sachgerecht“ aufnähmen und „realitätsgerecht“ abbildeten1284. Hieraus lässt sich jedoch noch nicht ableiten, dass jeglicher Aufwand stets und in voller Höhe abzugsfähig sein muss, zumal da das Bundesverfassungsgericht an gleicher Stelle ausdrücklich auf die Möglichkeit von Vereinfachung und Typisierung verweist1285. Weiterhin erklärt das Gericht an anderer Stelle sogar ausdrücklich, der Gesetzgeber müsse nicht stets den gewillkürten tatsächlichen Aufwand berücksichtigen, sondern es könne auch genügen, für bestimmte Arten von Aufwendungen nur den Abzug eines in realitätsgerechter Höhe typisierten Betrages zu gestatten1286. Der Bundesfinanzhof hat das objektive Nettoprinzip als „Ordnungsprinzip“ gekennzeichnet, ohne sich für oder gegen dessen Verfassungsrang auszusprechen1287. Neuerdings sieht das FG Nds. in seiner Vorlageentscheidung zur Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG das objektive Nettoprinzip als „verfassungsrechtlich verankert“ an1288.
(2) Streitstand in der Literatur Insbesondere ältere Stimmen in der Literatur lehnen die Einordnung des objektiven Nettoprinzips als ein solches von Verfassungsrang ab. Es stehe im Belieben des Gesetzgebers zu definieren, was Einkommen sei, und welche Tatbestände er zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zulassen wolle1289. Das objektive Nettoprinzip wird dabei zuweilen als einfachgesetzlich festgeschrie___________ 1283 BVerfG v. 02.10.1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, 65; BVerfG v. 23.11.1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108, 119; BVerfG v. 23.01.1990, 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 237. 1284 BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136; BVerfG v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 126 f. 1285 BVerfG v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 127. 1286 BVerfG v. 07.12.1999, 2 BvR 310/98, BVerfGE 101, 297, 310. 1287 BFH v. 21.10.1986, VIII R 1/85, FR 1987, 168, 169; s. auch BFH v. 21.11.1983, GrS 2/82, BStBl. II 1984, 160: Das Nettoprinzip sei Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips. 1288 FG Nds. v. 27.02.2007, 8 K 549/06, http://www.finanzgericht.niedersachsen.de. 1289 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 48.
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ben („Sachgesetzlichkeit“) begriffen1290, müsste sich dann aber einfachgesetzlich auch ändern oder abschaffen lassen. Demgegenüber gehen neuere Stimmen im Schrifttum vom Verfassungsrang des Nettoprinzips aus1291. So beschloss der Deutsche Juristentag bereits im Jahre 1988, dass das Nettoprinzip zu den „identitätskonstituierenden Merkmalen der Einkommensteuer“ gehöre und als solches nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehe1292. Auch diejenigen, die den Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips bejahen wollen, erkennen aber zumeist an, dass es gerechtfertigte Durchbrechungen geben kann1293.
(3) Stellungnahme Die Frage nach dem Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips darf nicht überbewertet werden. Denn selbst wenn dem Prinzip Verfassungsrang zukäme, so besteht dennoch Einigkeit darüber, dass der Gesetzgeber das Prinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe auch durchbrechen darf1294. Und umgekehrt bedeutet die Ablehnung des Verfassungsrangs noch nicht, dass der Gesetzgeber nach Belieben auf das Einkommen der Steuerpflichtigen zugreifen kann1295. Das Thema soll daher hier nicht näher erörtert werden. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung soll vielmehr die Frage stehen, ob rechtfertigende Gründe für eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips vorliegen, sodass es auf den Verfassungsrang des Prinzips nicht mehr ankäme.
bb) Rechtfertigungsmöglichkeiten der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann der Gesetzgeber das Prinzip bei Vorliegen „gewichtiger Gründe“ durchbrechen1296. Gesetzgeberi___________ 1290
So Klein, DStZ 1995, 630, 631; wohl auch Lange, DStZ 1995, 682, 684. Tipke, StRO II, S. 763; Elicker, Netto-Einkommensteuer, S. 72 f.; wohl auch Wiesemann, S. 114 ff.; Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818, 1820. 1292 Beschlüsse des 57. DJT (1988), S. N214. 1293 Tipke, StRO II, S. 776; s. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 55. 1294 BVerfG v. 23.01.1990, 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 237; BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 47 f. 1295 Zu Recht stellt Lang daher fest, das Nettoprinzip genieße in Deutschland „einen einzigartig hohen Stellenwert“. Lang, NJW 2006, 2209, 2211. 1296 BVerfG v. 23.01.1990, 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 237; vgl. auch Birk, Steuerrecht, Rn. 154. 1291
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sche Typisierungen und Pauschalierungen seien jedenfalls zulässig1297, da der Gesetzgeber keinesfalls gewillkürten Aufwand in voller Höhe zum Abzug zulassen müsse1298. Dieser Auffassung hat sich auch der BFH angeschlossen1299. Dabei ist zunächst die Begrifflichkeit zu klären. Unter Typisierungen werden verallgemeinernde Tatbestände verstanden, in denen der Gesetzgeber den Regelfall erfasst und denen er anders gelagerte Fälle ebenfalls unterstellt; Pauschalierungen sind Spezialfälle der Typisierungen, bei denen die rechnerischen Grundlagen typisiert werden1300, und zwar entweder durch einen Pauschbetrag oder einen Pauschsatz1301. Die Abgeltung des erwerbsbezogenen Aufwands von Arbeitnehmern im Rahmen der Flat Tax durch einen für alle Arbeitnehmer gleichen Betrag wäre folglich eine Pauschalierung. Da der Nachweis tatsächlich entstandener höherer Erwerbsaufwendungen nicht möglich wäre, handelt es sich um eine unwiderlegbare (sog. materielle) Pauschalierung1302. Abweichende Rechtsfolgen werden zwar an die Unterscheidung von Typisierung und Pauschalierung nicht geknüpft1303, jedoch möglicherweise an die Unterscheidung zwischen widerlegbarer und unwiderlegbarer Pauschalierung. Grundsätzlich stellt jede typisierende oder pauschalierende Regelung eine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dar, da ungleiche Sachverhalte derselben Regelung unterworfen werden1304; ferner können Arbeitnehmer im Einzelfall durch tatsächlich entstandene höhere oder niedrigere Erwerbsaufwendungen belastet oder begünstigt sein1305. Bei der Flat Tax werden alle Arbeitnehmer gleich behandelt, obwohl ihnen im Veranlagungszeitraum möglicherweise erwerbsbezogene Aufwendungen in unterschiedlicher Höhe entstanden sind. Ferner besteht die ___________ 1297
BVerfG v. 24.07.1963, 1 BvL 30/57, 11/61, BVerfGE 17, 1, 23; BVerfG v. 31.05.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, 226 f.; BVerfG v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 363 f.; BVerfG v. 08.06.1993, 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15, 24 f.; BVerfG v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 127 (dort als st. Rspr. bezeichnet). 1298 BVerfG v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, 310; zust. Lange, DStZ 1995, 682, 684; Wernsmann, StuW 1998, 317, 322. 1299 BFH v. 26.11.1985, IX R 1/81, BStBl. II 1986, 353, 355. 1300 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Anh. Art. 3, Rn. 28; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 24; Birk, Steuerrecht, Rn. 179; ders./Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 491; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 132; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 90. 1301 Klein, Legislative Typisierung, S. 26. 1302 Hierzu Ruppe, DStJG 21, 29, 53 f. 1303 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Anh. Art. 3, Rn. 28. 1304 Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 132; vgl. auch Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 3 Rn. 34; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 88. 1305 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 308.
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Gefahr, dass Arbeitnehmer tatsächlich entstandene höhere Erwerbsaufwendungen nicht geltend machen können. Typisierungen oder Pauschalierungen bei erwerbsbezogenen Aufwendungen stellen folglich eine Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit1306 in Gestalt des objektiven Nettoprinzips dar1307, für die hinreichend „gewichtige Gründe“1308 vorliegen müssen1309. Die pauschale Berücksichtigung von erwerbssichernden Aufwendungen durch einen erhöhten Grundfreibetrag könnte eine zulässige Typisierung1310 in der Form der Pauschalierung darstellen. Gerade bei der Regelung von Massenerscheinungen im Rahmen des Steuerrechts soll der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung nicht nur des Bundesverfassungsgerichts einen Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen haben1311. Der Gesetzgeber dürfe daher einen steuererheblichen Vorgang „um der materiellen Gleichheit Willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen“1312. In einer späteren Entscheidung geht das Bundesverfassungsgericht sogar noch weiter, wenn es dem Gesetzgeber auch erlaubt, gewillkürten Aufwand nicht mehr in der tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen, sondern für bestimmte Arten von Aufwendungen nur den Abzug eines in „realitätsgerechter Höhe typisierten Betrages“ zu gestatten1313. Die Flat Tax ginge noch einen Schritt weiter, indem sie die Pauschalierung nicht mehr auf bestimmte Arten von Aufwendungen beschränkte, sondern generell auf alle Erwerbsaufwendungen von Arbeitnehmern ausweitete. ___________ 1306
Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 88. Jachmann, in: FS Offerhaus, S. 1071, 1083 ff. 1308 Vgl. BVerfG v. 23.01.1990, 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 237. 1309 Theoretisch wären darüber hinaus auch Durchbrechungen durch andere Regelungen als Typisierungen denkbar, etwa bei Abzugsverboten; da bei der Flat Tax aber eine Pauschalierung vorliegt, ist dies im vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Dies meint wohl auch Birk, Steuerrecht, 8. Aufl., Rn. 179, wenn er ausführt, im Rahmen des objektiven Nettoprinzips dürfe der Gesetzgeber typisieren und zudem „das objektive Nettoprinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen“. Freilich stellt auch eine Typisierung bereits eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips dar. 1310 Hierzu bereits Hensel, Steuerrecht, S. 53 ff. 1311 BVerfG v. 16.12.1958, 1 BvL 3, 4/57, 8/58, BVerfGE 9, 20, 31 f.; BVerfG v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 359 f.; BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6; BFH v. 29.01.1960, VI 168/59, BStBl. III 1960, 103, 105; BFH v. 18.03.1960, VI 159/58, BStBl. III 1960, 255, 258; BFH v. 01.07.1960, VI 25/60, BStBl. III 1960, 356, 357; BFH v. 27.09.1996, VI R 47/96, BStBl. II 1997, 68, 69; FG Bad.-Württ. v. 19.11.1996, 6 K 238/95, EFG 1997, 728, 731; zust. Laule, S. 24 f. A. A. aber ausdrücklich Lambrecht, DStJG 12, 79, 99 ff. 1312 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 7. Hierzu krit. Eckhoff, DStR 1993, 1506; Thomas, DStZ 1997, 617, 618. 1313 BVerfG v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, 310. 1307
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Auch Stimmen in der Literatur sprechen sich neuerdings vermehrt für die Typisierung und Pauschalierung unter anderem von Erwerbsaufwendungen aus, um den möglicherweise komplizierten Nachvollzug der tatsächlichen Aufwendungen im Einzelfall obsolet werden zu lassen1314. Umstritten ist allerdings, wie weit die Pauschalierungen reichen dürfen. So will etwa Schön sie im Hinblick auf die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Nachteile auf den Grenzbereich zwischen privater und beruflicher Sphäre beschränken, da dies ein Kernbereich streitanfälliger und schwer überprüfbarer Sachverhalte sei1315. Das von Schön ausgeführte Argument, dass Pauschbeträge zu Verzerrungen und damit zu Ineffizienzen führen und so die Neutralität des Steuersystems zerstören1316, ist zum einen allerdings kein rechtliches Argument, zum zweiten dürfte es sich hauptsächlich auf Unternehmer beziehen. Mangels echter Handlungsalternativen dürfte die Reaktion von Arbeitnehmern auf die Einführung von Pauschbeträgen nämlich eher gering ausfallen. Darüber hinaus ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine derartige Beschränkung auch nicht zu entnehmen1317. Anknüpfend an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte die pauschale Abgeltung des erwerbsbezogenen Aufwands bei Arbeitnehmern als zulässige typisierende Regelung zulässig sein, wenn der Gesetzgeber auf diese Weise von seinem Spielraum zur Ordnung von Massenerscheinungen Gebrauch machen dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings auch darauf hingewiesen, dass der gesetzgeberische Spielraum nicht unbegrenzt sei1318. Er dürfe sich zwar am Regelfall orientieren und sei nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen1319. Ratio decidendi war in diesem Fall ohne Zweifel die Erkenntnis, dass Einzelfallgerechtigkeit und Einfachheit der Regelungen im Steuerrecht zwangsläufig in einem Spannungsverhältnis stehen müssen: Je mehr Besonderheiten des Einzel___________ 1314 In diesem Sinne Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 6; ders., in: FS Meyding, S. 3, 7 f.; Bareis, in: Rose, Steuern einfacher machen!, S. 89, 91; Isensee, StuW 1994, 3, 9 f.; Jachmann, in: FS Offerhaus, S. 1071, 1083 ff.; dies., StuW 1998, 193, 206; Klein, in: FS Meyding, S. 73, 77 ff.; Meyding, in: Rose (Hrsg.), Steuern einfacher machen!, S. 93; Offerhaus, in: FS Beisse, S. 377, 381 ff. A. A. Tipke, StRO I, S. 356; Ruppe, DStJG 21, 29, 50 ff.; s. auch Lang, DStJG 21, 1, 5. 1315 Schön, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 147, 168 f. (= Schön, StuW 2002, 23, 33). Ähnlich Ruppe, DStJG 21, 29, 55 f.; wohl auch Birk, StuW 1989, 212, 216; Lang, in: FS Meyding, S. 33, 41; Urban, DStZ 1996, 229, 236; BFH v. 27.09.1996, VI 47/96, BStBl. II 1997, 68, 70. 1316 Schön, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 147, 169 (= Schön, StuW 2002, 23, 33). 1317 Thomas, DStZ 1997, 617, 619. 1318 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6. 1319 BVerfG v. 31.05.1990, 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 185 f.
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falles Berücksichtigung finden sollen, desto komplizierter und schwieriger anzuwenden werden die Regelungen1320. Als äußerste Grenze beim Streben nach Vereinfachung gibt das Bundesverfassungsgericht vor, dass gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer „möglichst weiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung“ aufbauen müssen1321. Tipke folgert hieraus, dass Erwerbsaufwendungen von Arbeitnehmern sowohl durch einen Pauschbetrag abgegolten werden als auch durch einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen festgesetzt werden könnten1322, meint aber auch, insofern nicht ganz konsistent, dass ermöglicht werden sollte, überschießende Erwerbsaufwendungen im Einzelfall nachzuweisen1323. Gerade das lässt die Flat Tax aber nicht zu, sondern erfasst nur pauschal den Erwerbsaufwand der Arbeitnehmer im Grundfreibetrag. Kirchhof hält eine weitergehende Pauschalierung im Bereich der erwerbsbezogenen Aufwendungen ebenfalls für rechtlich zulässig1324. Diese Auffassung stützt sich für ihre Argumentation auch auf die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips, nämlich bei der Festlegung der Höhe des Existenzminimums, eine Pauschalierung anhand der Sozialhilfesätze ausdrücklich für zulässig erachtet hat1325. Im Gegensatz zu Tipke und Kirchhof hatte sich der 57. Deutsche Juristentag noch kritisch geäußert gegenüber der Möglichkeit, Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht zu pauschalieren und zu typisieren1326. Der Auffassung Kirchhofs ist zu folgen. Erwerbsaufwendungen von Arbeitnehmern lassen sich typisieren, ohne dass das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt wird1327. Denn der Gesetzgeber kann nicht durch das Leistungsfähigkeitsprinzip dazu gezwungen sein, im Massenfallrecht Steuerrecht alle Unterschiede ___________ 1320 Vgl. auch BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6 f.; FG Köln v. 04.09.1996, 4 K 7725/94 und 4 K 402/95, EFG 1997, 5 f. 1321 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6. Vgl. auch BVerfG v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 359; BVerfG v. 17.11.1992, 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 255: Der Gesetzgeber dürfe von einem „Gesamtbild“ ausgehen, welches sich „aus den ihm vorliegenden Erfahrungen“ ergebe. 1322 Tipke, StRO II, S. 777 f. 1323 Tipke, StRO II, S. 778; wohl auch Selmer, DÖV 1972, 551, 559. 1324 Kirchhof, in: FS Meyding, S. 3, 8. 1325 Vgl. auch Thomas, DStZ 1997, 617, 618. 1326 Beschlüsse des 57. DJT (1988), S. N214: „Die generelle Typisierung der absetzbaren Betriebsausgaben und Werbungskosten ist abzulehnen. Sie würde die Identität der Einkommensteuer als Subjektstuer antasten und mit der grundrechtlich geschützten Freiheit des Eigentumsgebrauchs und der Investition kollidieren“. Krit. auch Karrenbrock, DStZ 1996, 727, 735; Zitzelsberger, BB 1995, 2296, 2299 f. 1327 Ebenso Steenken, S. 114.
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zwischen den Steuerpflichtigen exakt bis in das kleinste Detail zu erfassen. Allerdings ist er gehalten, die Grenzen zulässiger Typisierungen einzuhalten. Diese Grenze zulässiger Typisierungen und Pauschalierungen durch den Gesetzgeber ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts1328, der sich auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung1329 und Teile der Literatur1330 angeschlossen haben, dort erreicht, wo die erreichten Vorteile nicht mehr in „rechtem Verhältnis“ zu den mit der Typisierung oder Pauschalierung verbundenen Nachteilen, also letztlich zu den hiermit einhergehenden Ungerechtigkeiten, stehen1331. Ferner dürften die mit der Typisierung verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen, der Verstoß gegen den Gleichheitssatz dürfe „nicht sehr intensiv“ sein1332 und die durch eine Typisierung entstehenden Ungerechtigkeiten dürften nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sein1333. Mit anderen Worten muss die Typisierung oder Pauschalierung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen1334, also einem legitimen Ziel dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein1335. ___________ 1328 BVerfG v. 20.12.1966, 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12, 27 f.; BVerfG v. 18.05.1971, 1 BvL 7, 8/69, BVerfGE 31, 119, 131; BVerfG v. 06.12.1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 354 f.; s. auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 91. 1329 BFH v. 19.02.1993, VI R 94/91, BStBl. II 1993, 551; FG Nds. v. 19.10.1995, II 497/93, EFG 1996, 664. 1330 Drüen, StuW 1997, 261, 270. 1331 Arndt, Praktikabilität und Effizienz, S. 43; etwas anders Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 90: Der gewonnene Vorteil müsse gegenüber dem durch Verzicht auf Einhaltung des Gleichmaßes im Einzelfall erlittenen Nachteil überwiegen. Noch anders Isensee, StuW 1994, 3, 10: Der Gewinn an Praktikabilität dürfe nicht außer Verhältnis stehen gegenüber dem Verlust and Einzelfallgerechtigkeit. s. auch Klein, DStZ 1995, 630, 631. 1332 BVerfG v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 359 f. 1333 BVerfG v. 22.06.1977, 1 BvL 2/74, BVerfGE 45, 376, 390; BVerfG v. 08.02.1983, 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119, 128. 1334 So neuerdings ausdrücklich BVerfG v. 04.04.2001, 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310, 319. Dem folgend Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 110. Vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 132: Für die Typisierung müsse ein Bedürfnis bestehen, sie müsse zur Vereinfachung geeignet und dürfe nicht unverhältnismäßig sein. In der Sache läuft auch dies auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus. 1335 BVerfG v. 16.03.1971, 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 316; BVerfG v. 09.02.1982, 1 BvR 698, 771/79, BVerfGE 59, 336, 355; BVerfG v. 06.10.1987, 1 BvR 1086, 1468, 1623/82, BVerfGE 77, 84, 107 ff.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 24; Schmidt, Grundrechte, Rn. 171. Die normative Herleitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist dabei umstritten: Es soll entweder aus dem Rechtsstaatsprinzip folgen, so etwa das BVerfG in seinem Urteil v. 24.04.1985, 2 BvF 2, 3, 4/83 und 2/84, BVerfGE 69, 1, 35, oder aus dem jeweils anwendbaren Freiheitsgrund-
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(1) Vorliegen eines legitimen Typisierungszwecks Als Vorteile der von der Flat Tax vorgesehenen Pauschalierung kommen die Einfachheit und die Transparenz des Steuersystems in Betracht.
(a) Vereinfachung Zunächst kommt insbesondere die mit dem Abzugsverbot erstrebte Vereinfachung der Besteuerung als rechtfertigender Grund in Betracht1336. Die Flat Tax bedeutete eine Vereinfachung sowohl für steuerpflichtige Arbeitnehmer, weil sie ihre Steuererklärungen leicht abgeben könnten, als auch für die Finanzverwaltung, weil der Kontrollaufwand im Rahmen der Veranlagung von Arbeitnehmern minimal wäre. Darüber, dass das Ziel der Vereinfachung des Verwaltungsvollzuges ein legitimes Ziel darstellt und gesetzgeberische Pauschalierungen daher grundsätzlich zu rechtfertigen vermag, besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit1337. Gleiches muss auch für die Vereinfachung der Besteuerung beim Steuerpflichtigen gelten.
(b) Erhöhung der Transparenz In Betracht kommt ferner eine Rechtfertigung mit der erhöhten Transparenz der steuerlichen Regelungen. Die Flat Tax wäre bei der Arbeitnehmerbesteuerung einfacher und leichter verständlich als das geltende Steuerrecht. Mit der Einführung der Flat Tax wäre daher auch ein erhöhtes Maß an Transparenz verbunden. Dass die Transparenz des Steuerrechts einen hinreichend gewichtigen Grund für die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips darstellt, sollte nicht zweifelhaft sein1338. Sie zählt zu den Effizienzprinzipien der Besteuerung im weiteren Sinne; darüber hinaus folgt auch aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 GG), dass Gesetze stets für Adressaten wie für Rechtsanwen___________ recht selbst, so etwa Kunig, a.a.O.; ders., Das Rechtsstaatsprinzip, S. 350 ff.; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 32. 1336 Etwas anders Arndt, Praktikabilität und Effizienz, S. 42 f.: Es komme darauf an, ob der mit der Typisierung verfolgte Zweck der Sicherstellung und Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs „von der Rechtsordnung als legitim anerkannt“ werde. Dies dürfte auf eine Abwägung hinauslaufen. 1337 FG Rh.-Pf. v. 24.04.1996, 1 K 1254/96, EFG 1996, 695 f.; Arndt, Praktikabilität und Effizienz, S. 43; Birk, Steuerrecht, Rn. 179; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 308; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 110; Homburg, BB 1995, 2453, 2454; Urban, DStZ 1996, 229, 236. 1338 Jachmann, in: FS Offerhaus, S. 1071, 1085 f.; Klein, in: FS Meyding, S. 73, 78.
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der klar und verständlich formuliert sein müssen1339. Auch das Prinzip der Rechtsklarheit1340 und damit der Transparenz der Steuernormen1341 hat somit Verfassungsrang1342. Bezogen auf das Steuerrecht bedeutet dies, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich selbst Grund und Höhe seiner Steuerschuld im Voraus zu bestimmen in der Lage sein muss1343. Dies dürfte beim geltenden Einkommensteuerrecht nicht einmal mehr für den durchschnittlichen Arbeitnehmer der Fall sein1344.
(2) Geeignetheit (a) Vereinfachung Gegen die Geeignetheit der besonderen Regelung bei der Flat Tax zur Erreichung des Ziels der Vereinfachung ließe sich zunächst einwenden, dass sich die Flat Tax für viele Arbeitnehmer kaum oder jedenfalls nicht wesentlich von der bisherigen Einkommensteuer unterscheiden dürfte. Dies gilt jedenfalls für solche Arbeitnehmer, die nicht erhöhte Werbungskosten, erhöhte Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Denn in diesem Fall gelten schon jetzt Pauschalen für Werbungskosten und Sonderausgaben, die automatisch gewährt werden. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Denn für diejenigen Arbeitnehmer, die erhöhte Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen geltend machen, bedeutet die Flat Tax doch eine Vereinfachung. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Frage der Anerkennung von erwerbsbezogenen Aufwendungen zu den streitträchtigsten Gegenständen jedes Einkommensteuersystems gehört1345. In Deutschland (und auch in anderen Ländern) hat sich diesbezüglich eine nur als willkürlich und kasuistisch zu be___________ 1339 BVerfG v. 19.02.1962, 2 BvR 65/60, BVerfGE 14, 13, 16; v. 07.04.1964, 1 BvL 12/63, BVerfGE 17, 306, 314; v. 10.11.1998, 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, 243 (insbes. für das Steuerrecht); vgl. auch BVerfG v. 14.12.2000, 2 BvR 1741/99, 276, 2061/00, BVerfGE 103, 21, 33; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 63; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 125. 1340 Insoweit wird auch vom Bestimmtheitsgrundsatz gesprochen. Vgl. Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 47. 1341 Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Tz. 40; Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 387; Kirchhof, in: FS Kruse, S. 17, 19. 1342 So wohl auch Kirchhof, StuW 2002, 3. 1343 BVerfGE 19, 253, 267; BVerfGE 63, 312, 313; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 3 AO Tz. 40; Kirchhof, StuW 2002, 3, 4; a. A. aber Tipke, StuW 2002, 148, 154 f. 1344 Ähnlich Kirchhof, StuW 2002, 3, 4. 1345 Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 394.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
zeichnende Praxis eingestellt, die das Argument der Systemhaftigkeit und Gerechtigkeit nicht für sich in Anspruch nehmen kann1346. Darüber hinaus erlaubt die Ersetzung aller Abzugstatbestände durch einen für alle Arbeitnehmer gleichen Freibetrag auch den definitiven Steuerabzug an der Quelle. Aufwändige Steuererklärungen und -veranlagungen werden damit überflüssig. Auch dies stellt eine Vereinfachung gegenüber dem jetzigen System dar. Die mit der Flat Tax einhergehende Vereinfachungswirkung bei der Besteuerung von Arbeitnehmern ist daher insgesamt als hoch einzuschätzen.
(b) Transparenz Ein weiteres Argument zur Rechtfertigung der Durchbrechung könnte auch die mit der Flat Tax angestrebte erhöhte Transparenz des Steuergesetzes sein. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Regelungen über das objektive Nettoprinzip im bisherigen Einkommensteuerrecht für Laien kaum verständlich sein dürften. Insbesondere § 15 b EStG begegnet in diesem Zusammenhang grundlegenden Bedenken1347. Hier stellte die Flat Tax mit ihrem einfachen System folglich einen Schritt hin zu mehr Transparenz des Steuersystems dar. Nun mag man die Frage stellen, ob sich dies bei einer rechtstechnisch schwierigen Materie wie dem Steuerrecht überhaupt noch erreichen lässt1348. Dementsprechend ist das Bundesverfassungsgericht insgesamt sehr zurückhaltend bei der Anwendung des Grundsatzes der Rechtsklarheit und hat ausgeführt, dass es nur in Ausnahmefällen ein Gesetz wegen mangelnder Klarheit für verfassungswidrig und damit nichtig halten würde1349. Hierbei bezieht sich das Gericht jedoch eindeutig auf die Frage, ob ein Gesetz wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Klarheit der Rechtsnormen verfassungswidrig sein kann. Die Frage, ob das Klarheitsprinzip als Verfassungsgut herangezogen werden kann, um die Einschränkung anderer Prinzipien von Verfassungsrang zu rechtfertigen, ist hiervon zu trennen. Und das Bemühen des Gesetzgebers um mehr Verständlichkeit dürfte hier genügen, auch wenn sich die beabsichtigte Transparenz für den Laien wegen der Komplexität der Materie nicht immer umsetzen lässt. Anderenfalls müsste jeder Versuch einer Steuervereinfachung auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit aufgegeben werden, weil die totale Vereinfachung ___________ 1346
Birk, Steuerrecht, Rn. 916. Birk, Steuerrecht, Rn. 554. 1348 Lang, BMF-Schriftenreihe 49, Rn. 388. 1349 BVerfG v. 12.10.1951, 1 BvR 201/51, BVerfGE 1, 14, 45; vgl. auch BVerfG v. 12.02.1969, 1 BvR 687/62, BVerfGE 25, 216, 227. 1347
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sich ohnehin nicht erreichen lässt. Dies überzeugt nicht. Und die Flat Tax stellt bei der Arbeitnehmerbesteuerung eine transparente und in ihren wesentlichen Grundzügen auch praxistaugliche Alternative zum bisherigen System dar.
(3) Erforderlichkeit Die Pauschalierung müsste auch erforderlich sein, das heißt, es dürfte kein ebenso wirksames, aber milderes Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks geben1350. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass es sich bei der im Entwurf der Flat Tax vorgesehenen Regelung um eine sog. „materielle“, also nicht widerlegbare Pauschalierung handelt1351.
(a) Transparenz Insbesondere in Bezug auf das Ziel der Schaffung erhöhter Transparenz ist die Erforderlichkeit der unwiderleglichen Pauschalierung fragwürdig. Denn bei den Werbungskosten könnte auch eine widerlegliche Pauschalierung oder sogar eine Vollanrechnung von Werbungskosten transparent, also für den Betroffenen verständlich, umgesetzt werden. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Ziel erhöhter Transparenz im Bereich der erwerbsbezogenen Aufwendungen nur mithilfe der materiellen Pauschalierung erreichen lässt. Die Erforderlichkeit der Regelung zur Erreichung des Ziels erhöhter Transparenz ist folglich abzulehnen.
(b) Vereinfachung Anders liegt die Sache im Hinblick auf die angestrebte Vereinfachungswirkung der Pauschalierung. Denn der erhoffte Effekt, jegliche Kontrolle durch die Finanzverwaltung obsolet werden zu lassen, lässt sich nur mit einer unwiderleglichen Pauschalierung erreichen. Eine nur widerlegliche Pauschalierung, die dem Steuerpflichtigen den Nachweis erhöhter Werbungskosten gestattete, wäre sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung mit erhöhtem Aufwand verbunden, denn der Steuerpflichtige müsste Belege sammeln und Berechnungen anstellen, und die Finanzverwaltung müsste die Angaben des Steuerpflichtigen im Einzelfall überprüfen. Daher lässt sich der angestrebte Vereinfachungszweck nur mit der vorgeschlagenen materiellen Pauschalierung ___________ 1350
Statt aller: Pieroth/Schlink, Rn. 285. Hierzu Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 491; Jachmann, StuW 1994, 347, 349. 1351
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
erreichen. Das Kriterium der Erforderlichkeit ist in diesem Zusammenhang erfüllt.
(4) Angemessenheit: Zu befürchtende Nachteile der Pauschalierung Die Pauschalierung müsste darüber hinaus auch angemessen sein, das heißt, die angestrebten Vorteile dürften nicht außer Verhältnis zu den mit der Regelung verbundenen Nachteilen stehen. Erstrebter Vorteil ist die vor allem verwaltungstechnische Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens. Die Nachteile der Pauschalierung liegen auf der Hand: So werden unterschiedliche Sachverhalte unter einem einzigen Tatbestand zusammengefasst und damit nicht mehr ihren Eigenheiten entsprechend behandelt1352. In concreto bedeutet dies bei der Flat Tax, dass erwerbsbezogene Aufwendungen verschiedener Steuerpflichtiger in unterschiedlicher Höhe pauschal mit demselben Betrag abgegolten werden. Auch besteht die Gefahr, dass Steuerpflichtige höhere erwerbsbezogene Aufwendungen haben als durch den Pauschbetrag abgegolten werden. Nicht überzeugen dürfte aber eine generelle Ablehnung materieller Pauschalierungen als stets verfassungswidrig1353. Denn eine Sachverhaltsaufklärung um jeden Preis wird auch im Steuerrecht niemand verlangen können. Ferner ist der Gesetzgeber auch nicht gehalten, stets alle Besonderheiten jedes Einzelfalles zu berücksichtigen. Eine unwiderlegliche Pauschalierung kommt allerdings erst dann in Frage, wenn eine widerlegliche Pauschalierung ausscheidet1354. So liegt der Fall hier: Wollte man bei der Flat Tax lediglich eine formelle Typisierung zulassen, so müsste sich die Verwaltung eben doch mit jedem Einzelfall beschäftigen, sodass das Ziel der Vereinfachung unterlaufen würde. Nun ist eine Pauschalierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings nur dann unproblematisch, wenn nur eine „verhältnismäßig kleine Zahl von Personen“ betroffen ist. In diesem Zusammenhang hat das Gericht einen Anteil von 7,5 % der Bevölkerung als unschädlich angesehen1355. Legt man diese Rechtsprechung zu Grunde, so müsste der Pauschbetrag so hoch gewählt sein, dass nur diejenigen Steuerzahler, die zu den 7,5 % mit den höchsten tatsächlichen Werbungskosten gehören, benachteiligt werden. Für alle übrigen Arbeitnehmer (immerhin 92,5 %) bedeutete der Pauschbetrag ein Nullsummenspiel oder eine reale Entlastung. Dies kann schon wegen der hier___________ 1352
Voß, ZRP 2003, 458, 460. So aber Lambrecht, DStJG 12, 79, 90 f. Dagegen zutreffend Kirchhof, in: FS Kruse, S. 17, 20. 1354 Steenken, S. 111. 1355 BVerfG v. 24.07.1963,1 BvL 30/57, 11/61, BVerfGE 17, 1, 25; s. auch BVerfG v. 08.06.1988, 2 BvL 9/85, 3/86, BVerfGE 78, 249, 288. 1353
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mit verbundenen Einnahmeausfälle nicht überzeugen. Außerdem wäre davon auszugehen, dass in diesem Fall mehr als 7,5 % der Steuerpflichtigen durch die Regelung begünstigt wären, was ebenfalls problematisch wäre. Die 7,5 %-Formel des Bundesverfassungsgerichts überzeugt im Steuerrecht allerdings ohnehin nicht. Sie lässt sich nicht verallgemeinern1356. Denn soll eine Typisierung im Massenfallrecht eine wirkliche Vereinfachung darstellen, so kann sie nicht so angelegt sein, dass von vornherein über 90 % der Betroffenen richtig erfasst oder begünstigt werden. Der Ersparniseffekt der Typisierung würde anderenfalls durch die Subventionierung der Begünstigung im Regelfall mehr als aufgezehrt. Daher müssen auch Typisierungen zulässig und angemessen sein, die eine größere Anzahl von Steuerpflichtigen benachteiligen1357. Das vom Bundesverfassungsgericht zusätzlich aufgestellte Kriterium, dass die Benachteiligung durch die Typisierung in den betroffenen Fällen „nicht sehr intensiv“ sein dürfe, ließe sich mithilfe einer Billigkeitsregelung (§§ 163, 227 AO) für „intensiv betroffene“ Fälle erfüllen1358. Ferner ist darauf zu verweisen, dass mit der Flat Tax auch eine Senkung des Steuersatzes angestrebt wird. Daher wäre die mit einer Nichtanerkennung erwerbsbezogener Aufwendungen verbundene Konsequenz, dass derartige Einkommensteile der Steuerpflicht unterfielen, möglicherweise in der Tat eine „nicht sehr intensive“ Folge der Neuregelung. Allerdings kann bei einem angestrebten Steuersatz von 30 %, wie ihn der Wissenschaftliche Beirat beim BMF vorschlägt (s. S. 113), hiervon keine Rede mehr sein. Die entscheidende Frage bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Pauschalierung durch die Flat Tax dürfte hingegen sein, ob die vorgesehene Pauschalierung in „realitätsgerechter Höhe“1359 vorgenommen wird. Denn jede Nivellierung durch Pauschalierung oder Typisierung stellt eine Ungleichbehandlung dar, die sich nur rechtfertigen lässt, wenn sie nicht unverhältnismäßig stark ausfällt1360. Die Frage ist also, ob im Regelfall1361 der erwerbsbezogene ___________ 1356
Ebenso Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 111. So auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 94 f. 1358 BVerfG v. 21.12.1966, 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54, 71; 1 BvL 10/69, BVerfGE 32, 78, 86; BVerfG v. 19.12.1978, 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57, 86; BVerfG v. 09.02.1982, 2 BvL 6/78, 8/79, BVerfGE 60, 16, 51 f.; BVerfG v. 17.10.1984, 1 BvL 18/82, 46/83 und 2/84, BVerfGE 68, 155, 173 f.; BVerfG v. 15.12.1987, 1 BvR 563, 582/85, 974/86 und 1 BvL 3/86, BVerfGE 77, 308, 338; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 111. 1359 Vgl. BVerfG v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, 310; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 108. 1360 Vgl. Jachmann, in: FS Offerhaus, S. 1071, 1085 ff. Sogar noch weiter Laule, S. 25: Verfassungswidrigkeit sei erst anzunehmen, wenn es der Zweck des Gesetzes sei, möglichst viele verschiedene Fälle gleich zu behandeln. 1361 s. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 108. 1357
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Aufwand von Arbeitnehmern durch den vorgesehenen Pauschbetrag abgedeckt wird. Ein erster Orientierungspunkt könnte der auch bisher schon existierende Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von früher 1.023,– €, heute 920,– € sein: Wenn die überwiegende Mehrzahl von Arbeitnehmern bei ihren Werbungskosten diesen nicht überschreitet, so spricht dies dafür, dass der Gesetzgeber hiermit den typischen Fall in realitätsgerechter Höhe abgebildet hat. Der Gesetzgeber ging bei Einführung des Werbungskosten-Pauschbetrages für das Jahr 1990 noch davon aus, dass etwa 75 % der Steuerpflichtigen hierdurch von dem Erfordernis befreit werden könnten, ihre Werbungskosten gesondert auszuweisen1362. Ein Blick auf die Einkommensteuerstatistik liefert für das Jahr 2001 ein anderes Ergebnis. So wurde der Arbeitnehmer-Pauschbetrag vor allem von den unteren Einkommensklassen in Anspruch genommen, während die oberen Einkommensklassen häufiger erhöhte Werbungskosten geltend machten: Erhöhte Werbungskosten in der Einkommensklasse zwischen 0 und 10.000,– € wurden lediglich von etwa 9 % der Steuerpflichtigen geltend gemacht, in der Einkommensklasse ab 20.000,– € steigt der Anteil jedoch bereits auf konstant über 50 %1363. Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild1364:
Einkommensklasse (Bruttolohn in €)
Anteil der Steuerpflichtigen mit erhöhten Werbungskosten in v. H.
1–10.000
9,1
10.000–20.000
37,8
20.000–30.000
52,4
30.000–40.000
58,9
40.000–50.000
64,5
50.000–70.000
68,1
70.000–90.000
66,7
90.000–125.000
61,1
über 125.000
52,1
Insgesamt lagen 30.216.093 Steuerfälle mit Einkünften aus unselbstständiger Arbeit vor; in 13.616.300 Fällen wurden erhöhte Werbungskosten geltend gemacht. Dies entspricht einem Anteil von etwa 45 %; folglich war der Wer___________ 1362 BT-Drs. 11/2157 v. 19.04.1988, S. 143; BT-Drs. 11/2536 v. 21.06.1988, S. 50; hierzu auch Eckhoff, DStR 1993, 1506, 1508. 1363 Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 15. 1364 Daten aus Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 15.
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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bungskosten-Pauschbetrag lediglich in etwa 55 % der Fälle angemessen oder zu hoch. Ferner gingen von den insgesamt geltend gemachten 57 Mrd. € an Werbungskosten lediglich rund 16 Mrd. € auf den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zurück, während 41 Mrd. € als erhöhte Werbungskosten geltend gemacht wurden1365. Gestützt auf diese Zahlen liegt der Schluss nahe, dass die Abgeltung der Werbungskosten durch einen Pauschbetrag in Höhe des bisherigen Werbungskosten-Pauschbetrages jedenfalls nicht den erwerbsbezogenen Aufwand der Arbeitnehmer in realitätsgerechter Weise erfassen könnte. Die Pauschale müsste demnach also erhöht werden, was möglicherweise hohe Einnahmeausfälle zur Folge hätte. Eine andere Beurteilung könnte aber angebracht sein, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Arten von Aufwendungen die Hauptursache für erhöhte Werbungskosten darstellen. Dies sind die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die im Jahre 2001 einen Anteil von 63,9 % an den geltend gemachten erhöhten Werbungskosten und einen Anteil von 45 % an den insgesamt geltend gemachten Werbungskosten (also unter Einschluss auch des Pauschbetrages) ausmachten1366. Weitere 8,8 % der erhöhten Werbungskosten wurden durch Mehraufwendungen für Verpflegung oder für doppelte Haushaltsführung verursacht1367. Bei diesen Aufwendungen ist der Grad privater Mitveranlassung besonders hoch1368: So könnte man die Sichtweise zugrunde legen, dass die Arbeit erst „am Werktor“ beginnt und endet, sodass Aufwendungen für Heimfahrten in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen fallen und nicht beruflich veranlasst sind1369. Diese Sichtweise ist im steuerrechtlichen Schrifttum seit jeher stark umstritten1370, wird nunmehr aber durch die Gesetzesfassung von §§ 4 Abs. 5 a Satz 1, 9 Abs. 2 Satz 1 EStG 2007 nahe gelegt (s. S. 76). Auf der Basis dieses Befundes ist eine Anerkennung durch den Gesetzgeber jedenfalls nicht geboten1371. Legt man diese Auffassung zugrunde, so ___________ 1365
Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 14. Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 14. 1367 Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 14. 1368 BFH v. 17.02.1977, IV R 87/72, BStBl. II 1977, 543, 544; BFH v. 15.09.1994, V R 34/93, BStBl. II 1995, 214, 215; Kirchhof, StuW 2002, 3, 17; Söhn, FR 1984, 25, 27 ff.; ders., FR 1997, 245, 247. 1369 Vgl. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 153; so jetzt auch BT-Drs. 16/ 1545 v. 18.05.2006, S. 22; zust. Stuhrmann, NJW 2006, 2513 f.; Offerhaus, BB 2006, 129, 130. 1370 Für Abzugsfähigkeit und gegen private Mitveranlassung etwa v. Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. F 2; Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 9 Rn. 110; ders., DB 1987, 2483, 2485; Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 9 Rn. 442; Hennrichs, BB 2004, 584, 586; Kögel, FR 1997, 433, 434; Lenk, BB 2006, 1305, 1306; Seifert, Inf. 1996, 493, 496; Tipke, StuW 2002, 148, 175; Voß, ZRP 2003, 458, 460; Wesselbaum-Neugebauer, FR 2004, 385, 386. 1371 Ebenso Offerhaus, BB 2006, 129, 130. 1366
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bedeutet dies, dass höchstens 27,3 %1372 oder 11 Mrd. € der 2001 geltend gemachten erhöhten Werbungskosten in Höhe von 41 Mrd. € nach dem objektiven Nettoprinzip tatsächlich hätten anerkannt werden müssen. Dem steht auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.12.2002 zur zeitlichen Begrenzung der Regelungen über die doppelte Haushaltsführung1373 nicht entgegen1374. Denn die Entscheidung ist ausdrücklich auf der Grundlage des geltenden Einkommensteuerrechts ergangen; die Entscheidung kann daher Gültigkeit nur vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beanspruchen1375. Sie trifft jedoch keine Aussagen dazu, ob der Gesetzgeber diesen Komplex auch einer grundsätzlich abweichenden Regelung zuführen könnte. Daher ist davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei steht, das objektive Nettoprinzip nur noch in sehr pauschalisierter Weise umzusetzen. Rechnet man also die privat mitveranlassten erhöhten Werbungskosten aus der Betrachtung heraus, so ergäbe sich möglicherweise ein anderes Bild bei der Beurteilung der Frage, ob die Höhe des bisherigen Werbungskosten-Pauschbetrages ausreichte zur pauschalen Abgeltung sämtlichen erwerbsbezogenen Aufwands der Arbeitnehmer. Für diese differenzierende Betrachtungsweise spricht auch, dass in den 13,6 Millionen Fällen, in denen im Jahre 2001 erhöhte Werbungskosten geltend gemacht wurden, immerhin 12,7 Millionen Fälle enthalten waren, in denen zumindest auch Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend gemacht wurden1376. Folglich wurden in 93,7 % der Fälle, in denen erhöhte Werbungskosten geltend gemacht wurden, diese durch Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest mitverursacht. Dies sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie hoch diese Aufwendungen im Einzelfall waren und wie hoch die übrigen, nicht durch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verursachten Aufwendungen waren. Jedoch liegt der Schluss nahe, dass bei Nichtberücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in der Tat nur noch eine „verhältnismäßig kleine Zahl von Personen“ erhöhte Werbungskosten hätte geltend machen können. Dies wiederum lässt vermuten, dass eine Abgeltung der Werbungskosten durch einen Pauschbetrag in der Größenordnung von 1.000,– € bis 1.500,– € ___________ 1372 Die „übrigen“ Werbungskosten werden vom Statistischen Bundesamt nicht weiter aufgeschlüsselt, sodass möglich ist, dass hierin weitere Posten enthalten sind, deren Anerkennung als erwerbsbezogene Aufwendungen nicht zwingend erforderlich wäre. 1373 BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27. 1374 A. A. aber Lenk, BB 2006, 1305, 1306. 1375 s. BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 50. 1376 Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 15.
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eine angemessene Pauschalisierung erwerbsbezogenen Aufwands von Arbeitnehmern darstellen könnte. Denn die Frage, wodurch, wenn nicht durch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder Mehraufwendungen für Verpflegung oder doppelte Haushaltsführung, einem Arbeitnehmer sonst erwerbsbezogene Aufwendungen in dieser Größenordnung entstehen können, erscheint durchaus berechtigt. Das Bundesverfassungsgericht weist in seinem Urteil zum ArbeitnehmerPauschbetrag zu Recht darauf hin, dass Steuerpflichtige im Bereich der erwerbsbezogenen Aufwendungen unterschiedliche Kosten („gewillkürten Aufwand“) „produzieren“ können; es könne daher der materiellen Gerechtigkeit auch dadurch Genüge getan werden, wenn derartiger Aufwand lediglich in typisierter Form Berücksichtigung finde1377. Es ist zu vermuten, dass Steuerpflichtige in vielen Bereichen vor der Wahl stehen, gewillkürten Aufwand zu „produzieren“, etwa bei der Anschaffung eines Computers, von Bücher oder Zeitschriften. Der Aufwand wäre dann nicht zwangsläufig, sondern Ergebnis einer Entscheidung des Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber darf auch bei der Anerkennung erwebsbezogenen Aufwands nach dem Kriterium der Zwangsläufigkeit differenzieren1378. Für diese Sichtweise spricht auch, dass der Werbungskosten-Pauschbetrag im Jahr 1990 noch für 75 % der Arbeitnehmer in seiner Höhe genügen sollte, während er im Jahr 2001 nur noch für 55 % der Arbeitnehmer ausreichte. Neben der inflationsbedingten Erhöhung der Werbungskosten könnte auch ein gewisser Anreiz bei den Steuerpflichtigen zum Tragen gekommen sein, erhöhte Werbungskosten zu „produzieren“. Insofern beseitigte die Neuregelung durch die Flat Tax lediglich diesen Anreiz. Darüber hinaus dürften die Möglichkeiten, derartigen gewillkürten Aufwand zu produzieren, von Beruf zu Beruf unterschiedlich sein. Insofern stellte die Pauschalierung durch die Flat Tax einen Schritt zur Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer dar. Zu bedenken ist ferner, dass möglicherweise Arbeitgeber bereit sein könnten, bei Geltung der Flat Tax entstehende erwerbsnotwendige Aufwendungen der Arbeitnehmer für die Arbeitsausstattung zu übernehmen, da diese sie im Gegensatz zu jenen sofort und in voller Höhe steuerlich geltend machen könnten1379. Schließlich könnten auch Marktmechanismen dazu führen, dass Arbeitnehmer, denen typischerweise hohe erwerbsbezogene Aufwendungen entste___________ 1377
BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 9 f. BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 49; Kirchhof, in: FS Kruse, S. 17, 20 f.; vgl. auch BVerfG v. 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, 309 f. 1379 So schon Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 79 f. 1378
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hen, entsprechend höher entlohnt werden, um die steuerlichen Nachteile zu kompensieren. Nicht vorausgesehene Härtefälle könnten durch eine Billigkeitsregelung entlastet werden. Darüber hinaus soll durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auch der individuelle Steuersatz gesenkt werden. Dies spricht dafür, dass sich ergebende Ungerechtigkeiten im Einzelfall weniger schwer wögen, da die tarifliche Belastung niedriger wäre1380. Durchbrechungen der Einzelfallgerechtigkeit zu Gunsten von Einfachheit und Transparenz wären desto eher hinzunehmen, je niedriger der Steuersatz wäre1381. Damit dieses Argument überzeugt, müsste allerdings der einheitliche Steuersatz auch wirklich entsprechend niedrig gewählt werden. Als absolute Obergrenze kommt der vom Wissenschaftlichen Beirat beim BMF vorgeschlagene (S. 113) Steuersatz in Höhe von 30 % in Betracht, wobei dieser bereits nicht mehr als ganz geringfügige Belastung zu bezeichnen ist1382, wohl aber als äußerste Grenze noch vertretbar erscheint. Die mit der Flat Tax verbundenen administrativen Vorteile stehen nach alledem nicht außer Verhältnis zu den durch die Pauschalierung entstehenden Nachteilen.
(5) Ergebnis Bei der notwendigen Abwägung zwischen den Verfassungsprinzipien dürfte dem Gesetzgeber darüber hinaus ein großer Spielraum einzuräumen sein, dessen Grenzen bei einer Entscheidung für mehr Einfachheit und Transparenz und weniger Einzelfallgerechtigkeit noch nicht offensichtlich überschritten wäre, wenn ein Pauschbetrag in ausreichender Höhe gewählt würde. Das Abzugsverbot für erwerbsbezogenen Aufwand lässt sich somit als Pauschalierung rechtfertigen. Ein Verfassungsverstoß läge folglich selbst dann nicht vor, wenn dem objektiven Nettoprinzip Verfassungsrang einzuräumen wäre.
b) Abzugsverbot für gezahlte Zinsen Das Abzugsverbot für gezahlte Schuldzinsen wäre, soweit Arbeitnehmer betroffen wären, verfassungsgemäß, denn die Pauschalierung erwerbsbezogenen ___________ 1380
Vgl. Richner, ASA 73, 593, 623. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 11. 1382 A. A. offenbar Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, BMF-Schriftenreihe 76, S. 11. 1381
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Aufwands wäre verfassungsgemäß (s. S. 301 ff.). Allerdings träfe es auch Unternehmer, da finanzwirtschaftliche Transaktionen aufgrund der R-Basis der Flat Tax steuerlich unbeachtlich wären. Dies könnte einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip darstellen, da insoweit Ausgangsgröße des steuerlichen Unternehmensgewinns der Brutto-Gewinn wäre. Allerdings ist das Abzugsverbot für gezahlte Zinsen lediglich die Kehrseite der Steuerfreistellung von Kapitaleinkünften. Könnten Unternehmer gezahlte Zinsen steuerlich geltend machen, so wäre hierdurch die Möglichkeit von Arbitrage1383 eröffnet. Insoweit ist das Abzugsverbot für gezahlte Schuldzinsen nur konsequent1384 und erweitert den Rechtsgedanken des § 3 c Abs. 1 HS 1 EStG. Allerdings sagt dies noch nichts darüber aus, ob diese Abzugsbeschränkung auch verfassungsrechtlich zulässig wäre. Eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips könnte nämlich nichtsdestotrotz vorliegen. Im geltenden EStG gibt es zudem kein allgemeines Korrespondenzprinzip des Inhalts, dass der Empfänger dasjenige zu versteuern hat, was der Leistende von seiner Bemessungsgrundlage abziehen darf, und dass der Leistende nur dasjenige zum Abzug bringen darf, was der Empfänger auch zu versteuern hat1385; vielmehr ist für jeden Steuerpflichtigen die individuelle Leistungsfähigkeit zu bestimmen1386. Nun ist bereits gezeigt worden, dass im Rahmen der Konsumbesteuerung die individuelle Leistungsfähigkeit durch Zuflüsse von Kapitalerträgen nicht erhöht wird, da es auf die Einkommensverwendung zu konsumtiven Zwecken ankommt (s. S. 214 ff.). Sind finanzwirtschaftliche Transaktionen folglich unbeachtlich für die Bestimmung der steuerlichen Leistungsfähigkeit, so ist es nur folgerichtig, wenn dies auch für die Aufnahme und Tilgung von Krediten gilt. Im Sinne der steuerlichen Neutralität steht folglich jedes Unternehmen vor der Wahl, Finanzierungsmaßnahmen im Wege der Eigen- oder Fremdfinanzierung vorzunehmen. Die Tatsache, dass eine Rechtspflicht zur Zahlung von Zinsen besteht, bedeutet noch nicht, dass diese auch den steuerlichen Gewinn mindern müssen. Auf eine Rechtspflicht allein kann es insoweit nicht ankommen, wie schon die Regelungen der §§ 8 Abs. 3 Satz 1, 2, 8 a KStG zeigen. Allerdings kann die Gewinnausschüttung in der Regel nicht dazu führen, dass ein vor der Gewinnausschüttung positiver Gewinn im Nachhinein negativ wird, während ___________ 1383
Unter Arbitrage wird die bewusste Ausnutzung unterschiedlicher steuerlicher Regelungen verstanden, die den Gegenwartswert der Steuerschuld ohne erhebliches Risiko verringert. Stiglitz/Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 635. 1384 Kay/King, S. 176. 1385 Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 12 Rn. 29; Nolde, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 12 EStG Rn. 76; Tipke, StuW 1980, 1, 8. 1386 Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 189.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
dies für Schuldzinsen durchaus denkbar ist. Insofern besteht ein Unterschied, der allerdings nicht so gravierend sein dürfte, dass sich hieraus ergibt, dass Schuldzinsen im Einkommensteuerrecht zwangsläufig immer Berücksichtigung finden müssen. Hiergegen spricht auch, dass der Gesetzgeber das Nettoprinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen darf. Als wichtiger Grund kommt in diesem Fall zunächst die Verhinderung von Arbitrage in Betracht, die aufgrund der generellen Steuerfreistellung von Zinsen zwangsläufig erfolgen müsste, wenn Zinsen den Schuldner weiterhin zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigten. Darüber hinaus wird durch das Abzugsverbot die Fremd- der Eigenfinanzierung gleichgestellt1387. Im Fall der Eigenfinanzierung gilt auch bereits jetzt ein Abzugsverbot (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG). Das generelle Abzugsverbot für gezahlte Zinsen wäre demnach ebenfalls verfassungsgemäß.
c) Verlustverrechnungsverbote Ein weiteres verfassungsrechtliches Problem könnte darin bestehen, dass ein Verlustausgleich im System der Flat Tax nicht unbeschränkt möglich sein soll. So sollen Unternehmer ihre Verluste nur vor-, aber nicht zurücktragen können1388. Obwohl Hall und Rabushka hierzu schweigen, ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmern dagegen nicht einmal der Verlustvortrag gestattet sein soll, denn auf dem für Arbeitnehmer entwickelten Steuerformular1389 fehlt eine entsprechende Zeile1390. Auch eine Verrechnung von Einkommen aus Arbeitnehmertätigkeit mit Verlusten aus unternehmerischer Tätigkeit dürfte damit ausgeschlossen sein1391. Damit stellen sich drei mögliche verfassungsrechtliche Probleme: (1) Ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, Unternehmern nur den Verlustvor-, nicht aber den Verlustrücktrag zu gestatten? (2) Ist es verfassungsgemäß, Arbeitnehmern dagegen keinen interperiodischen Verlustausgleich zu gestatten? (3) Ist es mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, einen Verlustausgleich unter den beiden Einkunftsarten zu verbieten? Ansatzpunkt bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist wiederum das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Ausgestaltung als objektives Nettoprinzip. Verluste mindern die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und sollten daher ___________ 1387
Richner, ASA 73, 593, 628. Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 64. 1389 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 59. 1390 Calegari, 51 Nat’l Tax J. 689, 691. 1391 McLure, 14 Am. J. Tax Pol’y 283, 285. 1388
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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über die Periode ihres Entstehens hinaus berücksichtigt werden, um eine „Gleichheit in der Zeit“ herzustellen1392.
aa) Beschränkung des intertemporalen Verlustausgleichs auf einen Verlustvortrag Bei unternehmerischen Einkünften ist lediglich ein Vortrag von Verlusten in spätere Veranlagungszeiträume vorgesehen, nicht aber ein Rücktrag von Verlusten in frühere Veranlagungszeiträume. Dies wäre dann verfassungsrechtlich problematisch, wenn das Grundgesetz auch einen Verlustrücktrag im Einkommensteuerrecht erforderte. Nun ist aber bereits zweifelhaft, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen überhaupt gehalten ist, einen intertemporalen Verlustausgleich zuzulassen.
(1) Das Erfordernis eines intertemporalen Verlustausgleichs Das Bundesverfassungsgericht hat die Erforderlichkeit eines intertemporalen Verlustausgleichs in einer Entscheidung aus dem Jahr 1978 zunächst verneint1393. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, überhaupt einen Verlustausgleich zuzulassen1394. Das Gericht stützte sich in seiner Entscheidung hauptsächlich auf das Periodizitätsprinzip der Einkommensbesteuerung1395. In einer späteren Entscheidung gab es diese strikte, lediglich auf das Periodizitätsprinzip gestützte Rechtsprechung allerdings wieder auf1396. Es stellt vielmehr ein „Spannungsverhältnis“ zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem „Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips“ fest1397. Sowohl das Periodizitätsprinzip als auch das Nettoprinzip als Element des Leistungsfähigkeitsprinzips seien Teil des Rechtsstaatsprinzips und stünden somit gleichwertig nebeneinander. Den Wertungswiderspruch zwischen diesen beiden Prinzipien zu lösen sei Sache des Gesetzgebers. Dieser sei bei seiner Entscheidung aber unmittelbar an den Gleichheitssatz gebunden, sodass die Abwägung des Gesetzgebers nicht unverhältnismäßig und damit sachwidrig ausfallen dürfe. ___________ 1392
Vgl. Weber-Grellet, ZRP 2003, 279, 281. BVerfG v. 08.03.1978, 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293 f. 1394 BVerfG v. 08.03.1978, 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293, 294. 1395 Vgl. auch Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818, 1819. 1396 BVerfG v. 22.07.1991, 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168, 169. 1397 BVerfG v. 22.07.1991, 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168, 169. 1393
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
In einer Entscheidung aus dem Jahr 19981398 schließlich konkretisierte das Gericht die Vorgaben an den Gesetzgeber. Dabei betonte es noch einmal die Bedeutung des Nettorprinzips für den Verlustausgleich sowie die grundsätzliche Notwendigkeit der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten1399. Auf der anderen Seite ist der Entscheidung nicht zu entnehmen, dass die Verlustverrechnung im damaligen EStG von Verfassungs wegen erforderlich gewesen sei1400, wohl aber, dass eine Einschränkung der Verlustverrechnung sich am Nettoprinzip messen lassen muss, und dass eine Ungleichbehandlung unterschiedlicher Einkunftsarten im Rahmen der Verlustverrechnung vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen ist1401.
(2) Folgerungen für die Flat Tax Nun zeigt bereits die existierende Regelung des § 10 d Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach ein Verlustrücktrag nur in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum zulässig ist, dass der Steuergesetzgeber häufig mit Verlustvorträgen großzügiger ist als mit Verlustrückträgen1402. Hierfür dürften sich auch hinreichend gewichtige Gründe finden lassen; insbesondere kommt die besondere Bestandskraft des Steuerbescheides als Grund für den Ausschluss des Verlustrücktrages in Betracht (vgl. aber § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG). Auch dürften Gründe der Verwaltungsvereinfachung dafür sprechen, Verluste nur in künftigen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen1403. Ob daneben fiskalische Erwägungen eine Rolle spielen, ist zumindest zweifelhaft, denn nach dem Modell von Hall/Rabushka wäre der Verlustvortrag zu verzinsen, sodass der Realwert des vorgetragenen Verlustes erhalten bliebe. Dem Staat bliebe allerdings der Liquiditätsvorteil, der darin besteht, erst in einem künftigen Veranlagungszeitraum auf Steuereinnahmen verzichten anstatt Steuerrückzahlungen vornehmen zu müssen. Die Beschränkung des intertemporalen Verlustausgleichs auf einen Verlustvortrag dürfte nach alledem verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. ___________ 1398 BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 ff.; hierzu auch WeberGrellet, DStR 1998, 1781; Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818. 1399 BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 96. 1400 Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818, 1820. 1401 Arndt/Jenzen, DStR 1998, 1818, 1820. 1402 Hierauf weist Tipke, StRO II, S. 781 f. zu Recht hin. So gibt es weder in Österreich noch in der Schweiz einen Verlustrücktrag, vgl. Tipke, aaO., S. 782. 1403 A. A. insoweit Tipke, StRO II, S. 781.
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bb) Kein intertemporaler Verlustausgleich bei Arbeitseinkommen Bei Arbeitseinkommen ist ein intertemporaler Verlustausgleich generell nicht vorgesehen. Dies ist allerdings auch deshalb nicht möglich, weil Arbeitnehmer bei Geltung der Flat Tax keine negativen Einkünfte haben können1404. Im Gesetzentwurf zur Flat Tax findet sich eine § 9 a Abs. 2 EStG entsprechende Regelung1405. Der Verzicht auf einen intertemporalen Verlustausgleich für Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit lässt sich darüber hinaus auch durch einen Blick auf die Steuerstatistik als Typisierung rechtfertigen. So hatten im Jahr 2001 von über 23 Millionen Steuerfällen mit Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit lediglich etwas mehr als 45.000 negative Einkünfte1406, was einem Anteil von etwa 0,2 % entspricht. Vergegenwärtigt man sich zudem, dass die erhöhten Werbungskosten, die zu negativen Einkünften geführt haben können, zu über 65 % aus Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bestanden, so dürfte der generelle Ausschluss der Anerkennung negativer Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit durchaus zu rechtfertigen sein. Ein verfassungsrechtliches Problem besteht also nicht.
cc) Verbot der Verlustverrechnung zwischen den Einkunftsarten Schließlich könnte das von der Flat Tax vorgesehene Verbot der Verlustverrechnung zwischen den beiden Einkunftsarten, also eines sog. externen Verlustausgleichs1407 zwischen Arbeitseinkommen und unternehmerischen Einkünften, verfassungswidrig sein. Hierin könnte wiederum eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes liegen. Jedoch ist es gerade das Merkmal einer Schedulensteuer, unterschiedliche Einkünfte auch unterschiedlich zu behandeln. Tipke folgert hieraus zu Recht, dass es dann auch konsequent sei, die Verlustverrechnung schedulär zu behandeln und auf die jeweilige Einkunftsart zu beschränken1408, was dem Gesetzgeber einen großen Spielraum bei der Behandlung der einzelnen Einkunftsarten einräumen dürfte1409. Die Flat Tax soll jedoch keine Schedulensteuer sein (s. S. 84). Folglich lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken auch nicht unter bloßem Hinweis hierauf entkräften. ___________ 1404
Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 87. Kap. 2 § 2 des Gesetzentwurfs in Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 121. 1406 Statistisches Bundesamt, Einkommensteuerstatistik 2001, S. 9. 1407 Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 472. 1408 Tipke, StRO II, S. 780. 1409 Ebenso Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 472. 1405
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
In Bezug auf die synthetische Einkommensteuer hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die bloße Unterscheidung von Einkunftsarten durch den Gesetzgeber als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung noch nicht genügt1410. Beschränkungen des Verlustausgleichs bedürfen vielmehr als Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips grundsätzlich eines hinreichenden sachlichen Grundes1411. Da bei Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit Verluste ohnehin nicht entstehen können, ist der einzig problematische Fall derjenige, dass ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Veranlagungszeitraumes einen Überschuss aus nicht selbstständiger Arbeit und Verluste aus unternehmerischer Tätigkeit erwirtschaftet. Die Verluste aus unternehmerischer Tätigkeit finden allerdings dadurch Berücksichtigung, dass sie unbeschränkt vorgetragen werden und damit in künftigen Veranlagungszeiträumen die Steuerschuld für Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit schmälern können. Voraussetzung ist allerdings, dass der Steuerpflichtige hier jemals Gewinne erzielen kann1412. Ob dies zur Wahrung des objektiven Nettoprinzips genügt, ist zweifelhaft; zwar ginge es zu weit, unter Bezugnahme auf das objektive Nettoprinzip zu fordern, dass Verluste immer in dem Veranlagungszeitraum Berücksichtigung finden müssen, in dem sie entstehen. Aber eine zeitnahe Verlustberücksichtigung ist verfassungsrechtlich erforderlich1413. Die Regelungen der Flat Tax sind in diesem Zusammenhang allerdings vergleichsweise großzügig, da der Verlustvortrag unbegrenzt, also ohne Höchstbetrag, und verzinslich erfolgt. Dies ändert allerdings nichts daran, dass ein Verlustausgleich zwischen unternehmerischen Verlusten und Überschüssen aus unselbstständiger Tätigkeit nicht möglich ist. Hierfür müssten sich sachgerechte Gründe finden lassen. Zwar dürfte es dem Gesetzgeber grundsätzlich freistehen, entstandene Verluste an eine bestimmte Einkunftsquelle zu binden und nur noch im Zusammenhang mit dieser zu berücksichtigen1414. Gerade dies soll im Rahmen der Flat Tax bei unternehmerischen Verlusten jedoch nicht geschehen: Unternehmer könnten Gewinne und Verluste aus verschiedenen Betrieben miteinander verrechnen (s. S. 249 f.). An dieser Tatsache dürften auch alle Rechtfertigungsversuche für ein Verrechnungsverbot zwischen Verlusten aus unternehmerischer Tätigkeit und Überschüssen aus nicht selbstständiger Tätigkeit scheitern. Die Gefahr von Missbrauch („Verlust___________ 1410
BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 96. BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 48. 1412 Sollte dies nicht der Fall sein, liegt es allerdings nahe, von einem Fall der steuerlich ohnehin irrelevanten Liebhaberei auszugehen. Allerdings genägt das Vorliegen eines Totalverlusts noch nicht für die Annahme steuerlich irrelevanter Liebhaberei. Vielmehr muss die Tätigkeit auch aus „privater Neigung“ unternommen werden. Zum sog. „zweigliedrigen Liebhabereibegriff“ s. Weber-Grellet, DStR 1998, 1781, 1782 f. 1413 So Weber-Grellet, Stbg 2004, 31, 38. 1414 In diesem Sinne Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 178 f. 1411
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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zuweisungsmodelle“) besteht in mindestens gleichem Maße bei Unternehmern, nicht nur bei Arbeitnehmern. Auch der Kontrollaufwand besteht in gleicher Weise bei Verlustverrechnung zwischen mehreren Betrieben eines Unternehmers wie bei der Verrechnung von unternehmerischen Verlusten mit Überschüssen aus unselbstständiger Tätigkeit. Ein sachlicher Grund für das Verrechnungsverbot von Verlusten aus unternehmerischer Tätigkeit mit Überschüssen aus Arbeitnehmertätigkeit ist daher nicht gegeben. Die Regelung wäre insoweit verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit ließe sich dadurch beseitigen, dass auch Arbeitnehmern die Möglichkeit zum Verlustausgleich eingeräumt würde. Dies führte auch nicht zu einer inakzeptablen Verkomplizierung des Systems.
3. Subjektives Nettoprinzip Die Flat Tax beschränkt nicht nur den Abzug von Erwerbsaufwendungen für Arbeitnehmer, sondern auch den Abzug von (zwangsläufigen) Privataufwendungen für alle Steuerpflichtigen. Auch diese sollen in pauschalierter Form durch den Grundfreibetrag mit abgegolten sein. Hierin könnte ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip liegen.
a) Schwierigkeiten bei der Definition Das subjektive Nettoprinzip verlangt, ähnlich wie das objektive, die Berücksichtigung solcher Einkommensteile, die dem Steuerpflichtigen für die Steuerzahlung nicht zur Verfügung stehen. Anders als das objektive bezieht sich das subjektive Nettoprinzip aber auf solche Aufwendungen, die nicht in der Erwerbssphäre, sondern in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen ihren Ursprung haben und für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sind („indisponible Einkommensteile“). Steht damit die Bedeutung des subjektiven Nettoprinzips für die Einkommensbesteuerung im Prinzip fest1415, so ergeben sich doch im Detail größere Schwierigkeiten beim Versuch zu definieren, welche Aufwendungen im Einzelnen zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden müssen als im Rahmen des objektiven Nettoprinzips1416. In Betracht kommen in diesem Zusammenhang die notwendigen Aufwendungen für die Sicherung ___________ 1415 Vgl. v. a. Beschlüsse des 57. DJT (1988), S. N214: „Der Einkommensteuer unterliegt nur der Teil des Erwerbseinkommens, der für den Steuerpflichtien disponibel ist. Die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung und den Unterhalt der Familienangehörigen müssen deshalb von der Besteuerung freigestellt sein“. Ähnlich etwa Weber-Grellet, Stbg 2004, 31, 37. 1416 Vgl. auch Lang, StuW 1990, 331, 341.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
der eigenen Existenz sowie der Familie (Existenzminimum)1417, Unterhaltsaufwendungen1418, Aufwendungen zur Vorsorge und andere zwangläufige Aufwendungen („Sonderausgaben“ und „außergewöhnliche Belastungen“)1419. Insoweit ist hier zwischen existenznotwendigen und sonstigen zwangsläufigen Aufwendungen zu unterscheiden1420.
b) Verfassungsrang des subjektiven Nettoprinzips Wie beim objektiven Nettoprinzip ist auch beim subjektiven Nettoprinzip umstritten, ob ihm Verfassungsrang zukommt. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich allerdings, zwischen dem existenznotwendigen Aufwand des Steuerpflichtigen für sich und seine Familie einerseits und den möglicherweise zu berücksichtigenden, zwangsläufigen privaten Aufwendungen des Steuerpflichtigen zu differenzieren, die das geltende EStG unter den Begriffen „Sonderausgaben“ und „außergewöhnliche Belastungen“ zusammenfasst.
c) Existenzminimum und Unterhaltsaufwendungen Dass das persönliche Existenzminimum aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips, aber auch gestützt auf Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG (Sozialstaatsprinzip)1421 vom steuerlichen Zugriff verschont werden muss, dürfte heute allgemein anerkannt sein1422 und ist auch vom Bundesverfassungsgericht inzwischen festgestellt worden1423. Gleiches gilt für diejenigen Auf___________ 1417
Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 69. So Birk/Barth, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 474. 1419 Vgl. die Übersicht bei Tipke, StRO II, S. 796. 1420 Ebenso Fischer, DStJG 24, 463, 502 (Fn. 206); Wernsmann, StuW 1998, 317, 322 f. Diese Unterscheidung übersieht Hackmann, BB 1994, XIX/1, XIX/4, der eine individualisierte Bestimmung des Existenzminimums verlangt. 1421 BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 85; BVerfG v. 12.06.1990, 1 BvL 72/86, BVerfGE 82, 198, 206 f.; Tipke, StRO II, S. 798; Schemmel, StuW 1993, 70. 1422 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 114; Lang, S. 191 ff.; ders., StuW 1983, 103, 119, 121 f.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 410 (allerdings gestützt auf Art. 14 GG); Loritz, Einkommensteuerrecht, Rn. 985; Tipke, StRO II, S. 798; Arndt, BB 1993, 977; Dziadkowski, BB 1985, IX/1, IX/11; ders., DStZ 1987, 131; ders., BB 1995, 278 ff.; Haller, in: FS Klein, S. 409 ff.; Kirchhof, JZ 1982, 305, 309 f.; Lehner, DStR 1992, 1641, 1643 Pezzer, in: FS Zeidler, S. 757, 764 f.; Söhn, FinArch 46, 154, 169; Uelner, in: FS Schmidt, S. 23, 28 ff.; krit. zur Koppelung des Existenzminimums an das Sozialhilferecht Hackmann, BB 1994, XIX/1, XIX/4. 1423 BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 85; BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 169 f; BVerfG v. 1418
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wendungen, die der Steuerpflichtige zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber Unterhaltsberechtigten (zumeist Kindern) tätigt1424. Die Flat Tax bereitet in diesem Zusammenhang mit ihrer Steuer auf Einkommen aus unselbstständiger Arbeit keine verfassungsrechtlichen Probleme, da ein Grundfreibetrag vorgesehen ist, der das persönliche Existenzminimum steuerfrei stellen soll. Ferner sind zusätzliche Freibeträge für Unterhaltsberechtigte vorgesehen; diese müssten die Unterhaltsverpflichtungen allerdings in realitätsgerechter Höhe abbilden, um dem verfassungsrechtlichen Gebot der Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen gerecht zu werden1425. Verfassungswidrig dürfte indes sein, dass unternehmerisch tätigen Steuerpflichtigen der persönliche Freibetrag generell versagt wird. Obwohl Hall/Rabushka dies nicht ausdrücklich in ihrem Entwurf vorsehen und begründen, ergibt sich dies doch implizit aus der Tatsache, dass sie Inhabern von Einmann-Gesellschaften raten, Arbeitsverträge mit sich selbst abzuschließen, um in den Genuss des persönlichen Freibetrages zu gelangen1426. Das Versagen des Freibetrags ist Konsequenz aus der Ausgestaltung der Unternehmenssteuer als Betriebsteuer, die nicht an die Person des Steuerpflichtigen, sondern an den Betrieb selbst anknüpft1427. Jedenfalls für Einzelunternehmer, deren Unternehmen nicht in Form einer Gesellschaft betrieben wird, und die keine Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit erzielen, müsste der persönliche Freibetrag jedoch gewährt werden, da sie ihr Existenzminimum aus den unternehmerischen Einkünften bestreiten müssen. Gleiches gilt für die zusätzlichen Freibeträge, die für Unterhaltsberechtigte gewährt werden. Insofern wäre die Flat Tax in diesem Punkt verfassungswidrig. Abhilfe ließe sich einerseits dadurch schaffen, dass Einzelunternehmern ein entsprechender Freibetrag eingeräumt wird. Möglich wäre auch, ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Einzelunternehmer und seinem Unternehmen zu fingieren, Lohnkosten in Höhe des Existenzminimums beim Unternehmen zum ___________ 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 48; BVerfG v. 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 433. 1424 BVerfG v. 03.11.1982, 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319, 344; BVerfG v. 22.02.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG v. 29.05.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 85; BVerfG v. 12.06.1990, 1 BvL 72/86, BVerfGE 82, 198, 206 f.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 74 f.; ders., StuW 1990, 331, 341 f.; Tipke, StRO II, S. 810; Arndt/Schumacher, DStR 1994, 1219; Beschlüsse des 57. DJT, S. N215. 1425 Vgl. BVerfG v. 22.02.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG v. 17.10.1984, 1 BvR 527/80, 528/81 und 441/82, BVerfGE 68, 143, 152 f.; BVerfG v. 26.01.1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, 352 f.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 75; ders., StuW 1983, 103 ff.; Arndt/Schumacher, NJW 1994, 961, 962; Vogel, StuW 1984, 197 ff. 1426 Hall/Rabushka, Flat Tax, 1983, S. 87. 1427 Vgl. Jacobs/Scheffler, Steueroptimale Rechtsform, S. 303.
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Abzug zu bringen und beim Unternehmer zu besteuern. Dies führte allerdings zur Aufgabe der Einheit der Rechtsordnung, da derartige „Arbeitsverhältnisse“ zivilrechtlich als In-Sich-Geschäfte unwirksam, steuerrechtlich aber anzuerkennen wären1428; derartige Widersprüche finden sich andererseits auch im geltenden Steuerrecht, etwa im Zusammenhang mit § 41 AO. Ferner wäre der Unternehmer gezwungen, zwei Steuererklärungen abzugeben, eine für das Unternehmen und eine als Arbeitgeber. Schließlich könnte man Einzelunternehmern die Möglichkeit der Option zur Besteuerung als Arbeitnehmer einräumen, was indessen zur Konsequenz hätte, dass sie auch die Nachteile der Arbeitnehmerbesteuerung (kein Abzug erwerbsbezogener Aufwendungen, kein Verlustausgleich) hinnehmen müssten. Dies könnte Einzelunternehmer im Ergebnis davon abhalten, ihr persönliches Existenzminimum in Anspruch zu nehmen. Die Gewährung des Freibetrages auch für Einzelunternehmer wäre somit die vorzugswürdige Option. Um die Neutralität des Steuersystems zu erhalten, müsste ein Freibetrag dann aber allen Unternehmen unabhängig von der Rechtsform eingeräumt werden. Ein Problem bestünde des Weiteren in dem Fall, dass Arbeitnehmern zugleich Verluste aus unternehmerischer Tätigkeit erwachsen. Eine Verrechnung wäre ausgeschlossen. Nach den Beschlüssen des BFH vom 06.03.20031429 könnte ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip vorliegen, weil Einkommensteuer auf die Arbeitnehmervergütung selbst dann anfällt, wenn dem Steuerpflichtigen in diesem Fall auf Grund der Verluste möglicherweise nicht genügend liquide Mittel zur Abdeckung des eigenen Existenzminimums verbleiben könnten. Diese Sichtweise ist indes abzulehnen. Auf das Kriterium der liquiden Mittel kann es schon deshalb nicht ankommen, weil auch andere Konstellationen denkbar sind, in denen dem Steuerpflichtigen keine liquiden Mittel zur Verfügung stehen, er aber dennoch zur Steuer herangezogen wird. Zu denken ist etwa an die Pflicht zur Rückzahlung eines privat veranlassten Kredits oder an Aufwendungen für steuerlich irrelevante Liebhaberei1430. Auch das Bilanzsteuerrecht kann dazu führen, dass ein steuerlicher Gewinn bereits vor dem Zufluss liquider Mittel entsteht1431. Auf dieses Kriterium kann es also nicht ankommen. Vielmehr genügt es, wenn das Steuerrecht den Zugriff auf das Existenzminimum durch Freistellung in Form einer tariflichen Nullzone oder eines Abzugs ___________ 1428
Jacobs/Scheffler, Steueroptimale Rechtsform, S. 303. BFH v. 06.03.2003, XI B 7/02, BStB. II 2003, 516; BFH v. 06.03.2003, XI B 76/02, BStBl. II 2003, 523. 1430 Weber-Grellet, Stbg 2004, 31, 37. 1431 Weber-Grellet, Stbg 2004, 31, 37. 1429
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von der Bemessungsgrundlage verhindert. Dieser Anforderung wird auch die Flat Tax gerecht.
d) Sonstige Privataufwendungen Schwieriger zu beurteilen ist die Lage bei sonstigen Privataufwendungen, die im bisherigen Einkommensteuerrecht unter die Tatbestände der Sonderausgaben und der außergewöhnlichen Belastungen fallen. Das bestehende Einkommensteuerrecht sieht hier ein Konglomerat privater Abzüge vor; im Einzelnen ist dabei jedoch nicht klar, inwieweit diese Abzüge notwendig sind, um das subjektive Nettoprinzip zu verwirklichen1432. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang nur zurückhaltend geäußert. So folge aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dass auch solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich „von Bedeutung“ seien, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung und somit im privaten Bereich anfallen und unvermeidbar seien1433. Ferner hat es festgestellt, die vom Gesetzgeber zugelassenen Abzugstatbestände dürften nicht „fern jeder Realität“ sein1434. Demgegenüber soll der Sonderausgabenabzug nach einer starken Literaturmeinung, die sich auch auf Entscheidungen des BFH stützen kann1435, lediglich eine Steuervergünstigung und damit eine Billigkeitsregelung darstellen, zu der der Gesetzgeber nicht verpflichtet wäre1436. Während diese Auffassung zu pauschal sein dürfte, kann auch nicht von einer generellen Pflicht des Gesetzgebers, alle „zwangsläufigen“ Privataufwendungen zu berücksichtigen, ausgegangen werden. Vielmehr ist dies unabhängig für jeden einzelnen der in den §§ 10, 10 a, 33–33 c EStG festgelegten Abzugstatbestände zu beurteilen, da diese teilweise unterschiedliche Zwecke verfolgen und auf unterschiedliche gesetzgeberische Wertungen zurückzuführen sind. ___________ 1432 Ähnlich Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 76; ders., StuW 1990, 331, 341; Biergans/Wasmer, FR 1985, 57 ff. A. A. wohl Weber-Grellet, Stbg 2004, 31, 37, der alle Aufwendungen der Grundvorsorge für Krankheit und Alter berücksichtigen will. 1433 BVerfG v. 03.11.1982, 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319, 344. 1434 BVerfG v. 22.02.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223; zust. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 3 Rn. 40. 1435 BFH v. 10.10.1975, VI R 19/75, BStBl. II 1976, 69, 71; BFH v. 12.11.1976, VI R 167/74, BStBl. II 1977, 154, 155. 1436 Stöcker, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 10 Rn. 3; Steiner, in: Lademann, EStG, § 10 Rn. 46; Rindermann/Schlenker, in: Littmann/Bitz/Pust, § 10 EStG Rn. 1 a; vgl. auch Hutter, in: Blümich, § 10 EStG Rn. 27.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
aa) Unterhaltsleistungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG erlaubt, Unterhaltsleistungen an einen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten als Sonderausgaben abzuziehen, um so die Folgen des Wegfalls des Ehegatten-Splittings zu entschärfen („Realsplitting“1437)1438. Eine derartige Entschärfung wäre bei Geltung eines indirekt progressiven Tarifs zwar nicht obsolet, aber doch weniger dringlich1439. Darüber hinaus wären jedenfalls freiwillige Unterhaltsleistungen nicht zwangsläufig; für diese besteht daher auch keine Berücksichtigungspflicht1440. Somit verbleiben Unterhaltsleistungen, die auf einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung beruhen. Geht man davon aus, dass diese die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners mindern, so müssten sie grundsätzlich Berücksichtigung im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips finden1441. Hiergegen spricht aber, dass die Regelung erst seit dem Veranlagungszeitraum 1979 Anwendung findet1442. Zuvor war ein Sonderausgabenabzug wegen § 12 Nr. 2 EStG nicht möglich, weshalb lediglich eine Berücksichtigung nach § 33 a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung in Betracht kam1443. Um die geminderte Leistungsfähigkeit im Rahmen der Flat Tax zu berücksichtigen, wäre denkbar, den Freibetrag des Unterhaltsschuldners zu erhöhen, wie dies auch im Falle anderer Unterhaltsberechtigter geschieht (s. o.), und so die Unterhaltsaufwendungen in pauschaler Form zu berücksichtigen. Denn davon, dass Unterhaltszahlungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten stets in voller Höhe abzugsfähig sein müssen, geht auch der Gesetzgeber nicht aus, da ein Höchstbetrag von 13.805,– € in § 10 Abs. 1 Nr. 1 vorgesehen ist. Darüber hinaus gezahlter Unterhalt ist auch nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig1444. Diese Tatsache spricht dafür, dass jedenfalls keine verfassungsrechtliche Pflicht besteht, Unterhaltsleistungen stets in voller Höhe zu berücksichtigen. Dies wiederum spricht dafür, dass auch die ___________ 1437 Voraussetzung: Der Unterhaltsempfänger hat empfangene Beträge gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 a EStG zu versteuern. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 52; WeberGrellet, in: Schmidt, EStG, § 22 Rn. 90; Birk, Steuerrecht, Rn. 938 a. 1438 BFH v. 12.11.1997, X R 83/94, BStBl. II 1998, 148, 149; FG Köln v. 27.04.1995, 2 K 3854/94, EFG 1995, 893. 1439 A. A. Knaupp, S. 116: Ehegatten-Splitting „im herkömmlichen Sinne“ sei nicht mehr notwendig, daher auch kein Ausgleich für dessen Wegfall. Knaupp übersieht den Effekt der indirekten Progression. 1440 Knaupp, S. 116. 1441 So Knaupp, S. 116. 1442 Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 52. 1443 Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 52. 1444 Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 55; Birk, Steuerrecht, Rn. 938 a.
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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pauschale Berücksichtigung in Form eines Freibetrages für Unterhaltsschuldner verfassungskonform wäre.
bb) Renten und dauernde Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) Der Wegfall der Abzugsfähigkeit von Renten und dauernden Lasten wäre verfassungsgemäß. Denn Voraussetzung zumindest des Sonderausgabenabzugs1445 ist das Vorliegen besonderer Verpflichtungsgründe; Hauptanwendungsfall sind Zahlungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung1446; diesen soll das Moment der Freiwilligkeit fehlen, weil sich der Übertragende in Gestalt der Versorgungsleistungen Erträge seines Vermögens vorbehält, die zwar vom Übernehmenden erwirtschaftet, jedoch an den Übertragenden weitergeleitet werden müssen1447. Dies darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Übernehmende freiwillig mit der Regelung einverstanden erklärt haben muss. Es handelt sich insoweit um Belastungen, die auf den freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zurückzuführen sind, nicht um zwangsläufige Belastungen1448. Eine Berücksichtigung im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips ist daher nicht geboten.
cc) Vorsorgeaufwendungen Die gemäß §§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 – 4 a, 10 a EStG abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen wären bei Geltung der Flat Tax ebenfalls nicht mehr abzugsfähig. Insbesondere geht es hier um die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, also zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung, zu privaten Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie für bestimmte andere Formen der Altersvorsorge. Diese sollen nicht schon Werbungskosten darstellen1449; der Abzugstatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 EStG wirkt somit konstitutiv. ___________ 1445 Str. ist, ob Renten und dauernde Lasten begrifflich ebenfalls das Vorliegen besonderer Verpflichtungsgründe voraussetzen. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 61; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 22 Rn. 20. 1446 Birk, Steuerrecht, Rn. 937. 1447 BFH v. 05.07.1990, GrS 4–6/89, BStBl. II 1990, 847, 851 f. 1448 Ebenso Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 24. 1449 BFH v. 29.07.1986, IX R 206/84, BStBl. II 1986, 747, 748; BFH v. 28.01.1992, IX R 144/86, BFH/NV 1992, 587, 588; Stark, in: Littmann/Bitz/Pust, § 9 EStG Rn. 91; wohl auch BVerfG v. 20.08.1997, 1 BvR 1523/88, HFR 1998, 397; a. A. aber Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 9 Rn. 5, 38; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. J-04-8; Söhn, StuW 1985, 395, 404; Fischer, DStJG 24, 463, 502 (bezogen auf Renten).
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Gerade in Bezug auf Vorsorgeaufwendungen ist umstritten, ob und inwieweit ihre steuerliche Berücksichtigung verfassungsrechtlich erforderlich ist. Nach der einen Auffassung handelt es sich wegen der gesetzlichen Pflicht zur Abführung um zwangsläufige Aufwendungen.1450 Danach wäre allerdings die auch jetzt schon existierende Obergrenze (grundsätzlich 20.000,– € oder 2.400,– €, §§ 10 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EStG) für diese Aufwendungen verfassungswidrig1451. Nach der Gegenauffassung soll nur die Abziehbarkeit existenznotwendiger Aufwendungen von Verfassungs wegen erforderlich sein, da der Begriff der Zwangsläufigkeit nicht trennscharf sei.1452. Und in der Tat sind hier Zweifel angebracht. Zutreffend ist zwar, dass die Beiträge des Arbeitnehmers zu den Sozialversicherungen von Gesetzes wegen einbehalten und abgeführt werden müssen, dies gilt aber auch für andere Geldleistungspflichten, die an die Person des Steuerpflichtigen anknüpfen, namentlich die Lohn- und Einkommensteuer und die Vermögensteuer1453. Zu überlegen wäre, ob der Steuerpflichtige darüber hinaus auch andere Steuer- und Abgabenlasten müsste geltend machen können, etwa für gemeindliche Abgaben, die ebenfalls zwangsläufig sind und das Einkommen verringern. Auch könnte man mit der Argumentation der Zwangsläufigkeit die Berücksichtigung von Geldbußen und -strafen für erforderlich halten, denn deren Anordnung beruht ebenso auf einer gesetzlichen Grundlage. Natürlich ließe sich hiergegen wiederum – zu Recht – einwenden, der Steuerpflichtige könne durch rechtmäßiges Verhalten die Verhängung derartiger Sanktionen vermeiden. Das Moment der Freiwilligkeit dürfte indes bei den unterschiedlichen von §§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 EStG genannten Aufwendungen unterschiedlich zu beurteilen sein, weshalb es angebracht ist, die Aufwendungen getrennt zu betrachten.
(1) Gesetzliche Altersvorsorge Beiträge zur gesetzlichen Altersvorsorge (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG) werden in der Regel aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gezahlt. Insofern wird vertreten, jedenfalls die Aufwendungen Pflichtversicherter seien zwangsläufig und müssten daher im Rahmen der Besteuerung Berücksichtigung finden1454. ___________ 1450 Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 246; Birk, DStZ 1998, 74, 75; Lehner, JZ 2002, 772, 773; Seer, StuW 1996, 323, 333; Söhn, StuW 1986, 324, 325. 1451 Ebenso Wernsmann, StuW 1998, 317, 327. 1452 Fischer, DStJG 24, 463, 502 (Fn. 206); Wernsmann, StuW 1998, 317, 328. 1453 Diese wird allerdings nach dem Beschluss des BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 148 f. seit dem 01.01.1997 nicht mehr erhoben. 1454 Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 25; ders., StuW 1990, 356, 359; Nolde, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 5; Birk,
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Aus den bereits aufgezeigten Gründen ist dies indes zweifelhaft1455. Hinzu kommt, dass diese Auffassung übersieht, dass dem Steuerpflichtigen durch seine Beitragszahlung ein geldwerter Vorteil erwächst, nämlich die – verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG abgesicherte1456 – Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sieht man davon ab, dass es sich bei der Rentenversicherung seit der Umstellung vom Kapitaldeckungs- auf das Umlageverfahren1457 nicht um eine echte Form der Kapitalanlage handelt1458, sondern fingiert dies1459, so könnte eine Steuerfreistellung der Zinsen wiederum durch Zins- oder Sparbereinigung erfolgen1460. Zinsbereinigung wäre gleichbedeutend mit vorgelagerter, Sparbereinigung gleichbedeutend mit nachgelagerter Besteuerung der Renten1461. Die Flat Tax wählt – insofern systemkonform, denn finanzwirtschaftliche Transaktionen sind steuerlich irrelevant – die Methode der Zinsbereinigung und damit der vorgelagerten Besteuerung. Allerdings wird die vorgelagerte Besteuerung im Bereich der Altersvorsorge bisher nicht befürwortet1462, sondern weitgehend abgelehnt1463, und zwar mit ___________ DStZ 1998, 74, 75; v. Eichborn, DB 2000, 944, 949 („Zwangscharakter der Beiträge“); Seer, StuW 1996, 323, 333; Beschlüsse des 57. DJT (1988), S. N211 ff., N215; WeberGrellet, Stbg 2004, 31, 37. 1455 So auch BFH v. 12.11.1976, VI R 167/74, BStBl. II 1977, 154, 155. 1456 BVerfG v. 28.02.1980, 1 BvL 17/77, 7, 9, 14, 15, 16, 37, 64, 74, 78, 100/78, 5, 16/79 und 1 BvR 807/78, BVerfGE 53, 257, 289 ff.; BVerfG v. 01.07.1981, 1 BvR 874/ 77, 322, 324, 472, 543, 694, 752, 753, 754/78; 1 BvL 33/80, 10, 11/81, BVerfGE 58, 81, 109; BVerfG v. 28.04.1999, 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1, 32; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 34. 1457 Hierzu Seer, StuW 1996, 323, 324 f. 1458 BVerfG v. 26.03.1980, 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11, 16 ff.; BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 80 f.; Seer, StuW 1996, 323, 324 f.; Saß, FR 1993, 217, 219. 1459 Bei „wirtschaftlicher Betrachtungsweise“ soll es sich um die Auszahlung eigenen Vermögens zuzüglich Zinsen handeln. BVerfG v. 26.03.1980, 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11, 30; Birk/Wernsmann, DB 1999, 166, 169; Fischer, DStJG 24, 463, 473. 1460 Birk, StuW 1999, 321, 322. 1461 Dorenkamp, StuW 2000, 121, 124, 127 f.; der von Birk/Wernsmann, DB 1999, 166, 167 und Birk, StuW 1999, 321, 323 gewählte Begriff der vorgelagerten Besteuerung und des vorgelagerten Korrespondenzprinzips für eine Form der Besteuerung von Altersvorsorgeleistungen, die die Beiträge zur Rentenversicherung voll und Rentenzahlungen in Höhe des Ertragsanteils besteuert, ist demgegenüber ungenau und hier nicht gemeint. Krit. dazu Dorenkamp, StuW 2000, 121, 128 (Fn. 70); Krause-Junk/Müller, DB 1999, 2282, 2283. 1462 Wiegard, ifo-Schnelldienst 21/2000, 8, 10. 1463 Andel, Finanzwissenschaft, S. 318; Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, BMF-Schriftenreihe 74, S. 10; Kroker/Fuest, ifo-Schnelldienst 21/2000, 6; Peffekoven, ifo-Schnelldienst 21/2000, 3, 4; Wissenschaftlicher Beirat
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
dem Argument, dass die Aufwendungen für die Altersvorsorge zum indisponiblen Einkommen gehörten1464. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Definition des Begriffs der Zwangsläufigkeit ist dies kaum überzeugend1465. Darüber hinaus wird vertreten, die nachgelagerte Besteuerung sei für den Steuerpflichtigen aufgrund des Liquiditätsvorteils und der geringeren tariflichen Belastung im Alter vorzugswürdig1466. In Bezug auf den Liquiditätsvorteil ist dies indes nicht zutreffend, da im Falle der Zinsbereinigung eine Steuerfreistellung der Zinsen erfolgt, diese bei der Sparbereinigung aber voll zu versteuern sind. Folglich bleibt nur der Progressionsvorteil, der auch im Rahmen der Flat Tax wegen des Grundfreibetrages eine Rolle spielen kann. Dieser fällt indes nicht so hoch aus, dass eine vorgelagerte Besteuerung deswegen von vornherein unzulässig wäre. Denn der Progressionsgrad im Rahmen der Flat Tax fiele flacher aus als im bisherigen System. Und auch der Spitzensteuersatz wäre voraussichtlich deutlich niedriger. Das Progressionsargument verliert also im Rahmen der Flat Tax an Bedeutung. Dies alles spricht dagegen, dass eine Pflicht zur steuerlichen Berücksichtigung von Rentenbeiträgen und damit zur nachgelagerten Besteuerung von Renten besteht1467. Es dürfte nämlich auch einen Unterschied machen, ob Steuerpflichtige zu Aufwendungen gezwungen werden, für die sie einen Gegenwert erhalten, oder ob sie hierfür keinen Gegenwert erhalten1468. Wollte man dies anders sehen, so wäre Konsequenz, dass Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung immer nur nachgelagert besteuert werden dürften1469; wegen der theoretischen Gleichwertigkeit von Spar- und Zinsbereinigung1470 überzeugt dies nicht (dazu bereits S. 52). Daher ergäbe sich auch kein Problem in Bezug auf Beamtenpensionen, die nach derzeitigem Recht nachgelagert besteuert werden. Da es hier derzeit nur fiktive Beiträge der Beamten während ihrer Erwerbsphase gibt, gilt eine Um___________ beim BMF, BMF-Schriftenreihe 38, S. 9 f.; Söhn, StuW 1986, 324, 325. Anders aber zutreffend Birk/Wernsmann, DB 1999, 166, 172. 1464 Kroker/Fuest, ifo-Schnelldienst 21/2000, 6; Peffekoven, ifo-Schnelldienst 21/ 2000, 3, 4; wohl auch Birk/Wernsmann, DB 1999, 2285, 2286 f. 1465 So wohl noch Wernsmann, StuW 1998, 317, 328. 1466 Birk/Wernsmann, DB 1999, 166, 171; dies., DB 1999, 2285, 2286; Birk, StuW 1999, 32, 326; hiergegen zutreffend Krause-Junk/Müller, DB 1999, 2282, 2283. 1467 So aber Peffekoven, ifo-Schnelldienst 21/2000, 3, 4. 1468 Vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 110; a. A. wohl Saß, FR 1993, 217, 219 f. 1469 Ebenso Birk/Wernsmann, DB 1999, 2285, 2287. 1470 Vgl. BVerfG v. 26.03.1980, 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11, 26; a. A. Bareis, StuW 2002, 135, 142; wohl auch Krause-Junk, DB 1999, 2282, 2283.
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stellung auf vorgelagerte Besteuerung als schwierig1471, wäre aber nicht ausgeschlossen. Allerdings ist der Gesetzgeber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht verpflichtet, die Besteuerung von Altersbezügen einheitlich nur vor- oder nur nachgelagert vorzunehmen1472. Da vor- und nachgelagerte Besteuerung theoretisch gleichwertig sind, läge es nicht außerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, Renten vor- und Beamtenpensionen nachgelagert zu besteuern, wie dies die Flat Tax vorsieht. Bedenken ergeben sich allerdings insofern, als der Rentenversicherte lediglich eine Anwartschaft erwirbt, die weder beleihbar noch vererblich ist. Insofern besteht ein Unterschied zu anderen Formen der Geldanlage1473. Dies ist jedoch im Zusammenhang mit der Flat Tax hinzunehmen, da auch im Übrigen die Methode der Zinsbereinigung verwirklicht wird. Ferner sind auch andere Anlageformen denkbar, bei denen der Anleger seine Ansprüche nicht vererben kann, etwa private Rentenversicherungen. Hieraus abzuleiten, dass die Besteuerung derartiger Anlageformen nur nachgelagert erfolgen könne, überzeugt nicht. Prinzipiell wäre daher auch eine vorgelagerte Besteuerung vertretbar1474. Problematisch ist aber, dass der Arbeitgeber die von ihm gezahlten Rentenversicherungsbeiträge im System der Flat Tax ebenfalls nicht mehr soll steuerlich geltend machen können, da es sich insoweit nicht um Lohn handelt, der vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gezahlt wird. Der Arbeitgeber erhält für die Zahlung seiner Beiträge indes später anders als der Arbeitnehmer auch keine Gegenleistung. Insofern passt die Flat Tax nicht zum System der paritätisch finanzierten Sozialversicherung. Vorzugswürdig wäre daher, die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge als Teil des Lohns zu behandeln und einen Abzug zu gestatten. Dies entspräche auch der Tatsache, dass es sich wirtschaftlich betrachtet um Lohnkosten handelt.
(2) Freiwillige Altersvorsorge Noch deutlicher ist dies bei Beiträgen zur freiwilligen Altersvorsorge (§§ 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 10 a EStG). Diesen fehlt wegen der Freiwilligkeit bereits das für eine Pflicht zur Berücksichtigung erforderliche Element der Zwangsläufig___________ 1471
Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, BMFSchriftenreihe 74, S. 10. 1472 BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 123; hierzu auch Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, BMF-Schriftenreihe 74, S. 10. 1473 So zu Recht Bareis, StuW 2002, 135, 142. 1474 Ebenso Richner, ASA 73, 593, 629.
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keit. Sie stehen grundsätzlich zur Disposition des Steuerpflichtigen1475. Außerdem käme auch hier die Methode der Zinsbereinigung zum Tragen, sodass Auszahlungsbeträge steuerfrei vereinnahmt werden könnten. Es ist dann nur konsequent, wenn das Einkommen im Moment der Einkommenserzielung voll belastet wird. Beiträge zur privaten Altersvorsorge müssen daher nicht berücksichtigt werden1476. Gleiches gilt für Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen.
(3) Kranken- und Pflegeversicherung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden ebenfalls von den meisten Arbeitnehmern aufgrund einer gesetzlichen Pflicht gezahlt. Insofern ergibt sich in diesem Zusammenhang wiederum die Frage nach der Unvermeidbarkeit. Es handelt sich hierbei auch nicht um eine Form der Geldanlage, sodass nicht auf eine vorgelagerte Besteuerung verwiesen werden kann. Allerdings soll es sich bei diesen Beiträgen nach der Rechtsprechung des BFH um Ausgaben handeln, die der Absicherung existenzieller, zukünftiger Risiken dienten, deren Berücksichtigung im Rahmen der Einkommensteuer daher nicht erforderlich sei1477. Dies überzeugt im Ergebnis, denn die Vorsorge für Krankheiten gehört in der Tat in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen. Allenfalls könnte man den Gesetzgeber für verpflichtet ansehen, im Zuge des Existenzminimums zu berücksichtigen, dass dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Gesundheitsvorsorge entstehen können1478. Dies geschähe im Rahmen der Flat Tax durch den erhöhten Grundfreibetrag.
(4) Arbeitslosenversicherung Für die Arbeitslosenversicherung gilt im Wesentlichen das zur Kranken- und Pflegeversicherung Gesagte entsprechend. Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Vergleich mit Selbstständigen, die sich zwar nicht gegen Arbeitslosigkeit versichern, wohl aber Rücklagen aus versteuertem Einkommen bilden können, dass Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit auch mit versteuertem Einkommen möglich ist1479. ___________ 1475
Birk, StuW 1999, 321, 326. Ebenso – allerdings mit anderer Begründung – Knaupp, S. 119. 1477 BFH v. 11.12.2002, XI R 17/00, BStBl. II 2003, 650, 652; dazu Verfassungsbeschwerde anhängig beim Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 2 BvR 912/03. 1478 In diesem Sinne Knaupp, S. 128. 1479 So Knaupp, S. 129. 1476
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(5) Haftpflichtversicherung Haftpflichtversicherungen können zwar auf gesetzlicher Pflicht beruhen; dennoch handelt es sich nicht um zwangsläufige Aufwendungen. Denn zwar besteht etwa für Halter von Kraftfahrzeugen die gesetzliche Pflicht, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen (§ 1 PflVG). Indes stellt die Entscheidung für ein Kraftfahrzeug in aller Regel einen freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen dar.
dd) Kirchensteuerabzug (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) Beim Kirchensteuerabzug, der bisher in § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorgesehen ist, ist umstritten, ob und inwieweit er sich verfassungsrechtlich begründen oder rechtfertigen lässt. Während ein Teil des Schrifttums, zumeist unter Verweis auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 6 WRV, den Kirchensteuerabzug für verfassungsrechtlich geboten ansieht1480, stellen andere die Freiwilligkeit der Kirchenzugehörigkeit in den Vordergrund und stellen sogar die Berechtigung der Norm insgesamt in Frage1481. Die Versagung des Kirchensteuerabzugs erscheint vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht als unvertretbar, da es auch hier an der „Zwangsläufigkeit“ der Aufwendungen fehlen dürfte.
ee) Steuerberatungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F.) Die Abziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben ist mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben worden1482. Derartige Aufwendungen sind somit nurmehr als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn eine steuerliche Beratung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erforderlich war1483. Eine Übernahme dieser Regelung im Rahmen der Einführung der Flat Tax erscheint vertretbar, da die Flat Tax sich bei der Besteuerung von Arbeitnehmern im Vergleich zur bestehenden Einkommensteuer durch ein erhöhtes Maß an Transparenz und Einfachheit auszeichnet. Arbeitnehmer hätten in der Regel keine Veranlassung mehr, professionelle Hilfe bei der Steuererklärung in Anspruch zu nehmen. ___________ 1480 Schön, DStZ 1997, 385, 391; im Ergebnis auch Kirchhof, DStZ 1986, 25, 32, der allerdings auf Art. 4 Abs. 1 GG abstellen will. 1481 So wohl Birk, Steuerrecht, Rn. 937. 1482 BGBl. I 2005, 3682. 1483 Birk, Steuerrecht, Rn. 937.
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ff) Aus- und Fortbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Aus- und Fortbildungskosten dürften sich auch in pauschalierter Form durch den erhöhten Freibetrag abgelten lassen. Wenn es verfassungsrechtlich zulässig ist, die mit einer bestimmten Berufsausübung in Zusammenhang stehenden Werbungskosten lediglich pauschal zu berücksichtigen, so muss dies erst recht für Aus- und Fortbildungskosten im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG gelten, die erst mit einer geplanten späteren Berufsausübung in Zusammenhang stehen1484.
gg) Schulgeld (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG) Das gem. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG an Privatschulen gezahlte Schulgeld dürfte sich ebenfalls durch den vorgesehenen Kinderfreibetrag pauschal abgelten lassen. Im Übrigen dürfte auch keine verfassungsrechtliche Pflicht bestehen, derartige Zahlungen dem Grunde nach zu berücksichtigen, da insoweit den elterlichen Unterhaltspflichten bereits durch den Familienleistungsausgleich und Ausbildungsfreibeträge Rechnung getragen wird1485. Im Rahmen der Flat Tax gälte nichts anderes.
hh) Außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33 b EStG) Schwieriger dürfte die verfassungsrechtliche Beurteilung bei den gem. § 33, 33 b EStG abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen sein. Der Rechtsgedanke des § 33 b EStG könnte durch Übernahme entsprechender Pauschbeträge in die Regelungen der Flat Tax integriert werden, ohne dass dies zu einer signifikanten Verkomplizierung führen müsste. Allerdings ist fraglich, ob dies aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist. Insoweit könnte man erwägen, behinderte Menschen nicht mit den Mitteln des Einkommensteuerrechts, sondern durch direkte Transferleistungen zu fördern. Damit bleibt die Frage zu beantworten, ob eine § 33 EStG entsprechende Regelung durch das subjektive Nettoprinzip geboten ist. Bejaht man dies, wäre weiter zu fragen, ob eine Pauschalierung entsprechender Aufwendungen zulässig wäre. Im Schrifttum wird vielfach angenommen, dass es sich bei der Regelung des § 33 EStG nicht um eine bloße Billigkeitsregelung handle, sondern eine Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen verfassungsrechtlich erforderlich ___________ 1484 1485
Vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 120. Vgl. BVerfG v. 16.04.2004, 2 BvR 88/03, DStRE 2004, 951, 952.
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
341
sei1486. Dem kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. Die Privatsphäre des Steuerpflichtigen ist für die Einkommensbesteuerung grundsätzlich irrelevant. Es dürfte daher nicht verfassungswidrig sein, auf eine Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen im Rahmen der Einkommensbesteuerung ganz zu verzichten. Ganz außergewöhnlich gelagerte Härtefälle lassen sich in diesem Fall über Billigkeitsmaßnahmen nach der AO einer vertretbaren Lösung zuführen1487. Hierfür spricht auch, dass die Rechtsprechung den Tatbestand des § 33 EStG eng auslegt: So soll eine Anwendung ausgeschlossen sein, soweit dem Steuerpflichtigen durch die getätigten Aufwendungen ein gewisser Gegenwert erwächst („Gegenwerttheorie“)1488. Die Gegenwerttheorie wird als verfassungsgemäß angesehen1489. Gerade sie zeigt aber, dass die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen nicht von vornherein dazu führt, dass diese im Rahmen der Einkommensteuer zu berücksichtigen sind. Denn selbst wenn dem Steuerpflichtigen ein Gegenwert erwächst, so ändert dies an der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen nichts. Ferner hat der Steuerpflichtige im Rahmen des § 33 EStG eine zumutbare Belastung in gewisser Höhe (vgl. § 33 Abs. 3 EStG) selbst zu tragen. Auch dies spricht dagegen, dass zwangsläufiger Aufwand stets im Einkommensteuerrecht Berücksichtigung finden muss. Denn anderenfalls wären auch diese Einkommensgrenzen verfassungswidrig1490. Ob sich hingegen die Regelung des § 33 EStG für eine Pauschalierung eignet, ist zweifelhaft. Denn Pauschalierungen sollen gerade den typischen Fall erfassen, während außergewöhnliche Belastungen per definitionem den atypischen Fall darstellen. Wird jedem Steuerpflichtigen ein Pauschbetrag gewährt, so handelt es sich nicht mehr um die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen1491. Insgesamt wäre die ersatzlose Abschaffung des Tatbestands der außergewöhnlichen Belastungen jedenfalls dann nicht verfassungswidrig, wenn für Härtefälle Billigkeitsmaßnahmen möglich wären. ___________ 1486 Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 1; Birk, Steuerrecht, Rn. 942; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 719. 1487 Ähnlich Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 157; a. A. aber Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 719. 1488 BFH v. 04.03.1983, VI R 189/79, BStBl. II 1983, 378, 379. 1489 BVerfG v. 13.12.1966, 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, 1, 4. 1490 Diese Konsequenz ziehen etwa Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 720; Tipke, StRO II, S. 831. 1491 s. auch § 33 Abs. 1 EStG: „Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, …“.
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
e) Rechtfertigung von Durchbrechungen des subjektiven Nettoprinzips Ob die Flat Tax nicht nur das objektive, sondern auch das subjektive Nettoprinzip durchbräche, hängt davon ab, ob man über die Berücksichtigung existenznotwendigen Aufwands auch die Berücksichtung angeblich zwangsläufigen Aufwands für verfassungsrechtlich geboten hält. Denn in diesem Zusammenhang ist schwieriger zu beurteilen, welche Abzugstatbestände zur Verwirklichung des subjektiven Nettoprinzips vorgesehen sein müssten oder nicht. Oder anders gewendet: Verlangt das subjektive Nettoprinzip stets die Berücksichtigung jeglichen zwangsläufigen privaten Aufwandes in voller Höhe? Dies wird in der Literatur zu Recht angezweifelt. Zum einen wird ausgeführt, das subjektive Nettoprinzip verlange lediglich die Berücksichtigung bestimmter zwangsläufiger Aufwendungen1492, zum anderen wird auch nur eine Berücksichtigung in realitätsgerechter Höhe gefordert1493. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat jüngst darauf hingewiesen, dass „bislang noch nicht abschließend geklärt“ sei, „wie weit über den Schutz des Existenzminimums hinaus auch sonstige unvermeidbare oder zwangläufige private Aufwendungen zu berücksichtigen sind“1494. Vieles spricht daher dafür, dass die Abgeltung zwangsläufiger privater Aufwendungen durch einen erhöhten Freibetrag, wie von der Flat Tax vorgesehen, als Pauschalierung nicht grundsätzlich unzulässig wäre1495, jedenfalls dann nicht, wenn der Freibetrag in realitätsgerechter Höhe bemessen wäre. Denn zum einen ist eine Definition von „Zwangsläufigkeit“ trennscharf nicht möglich1496, sodass Zweifel darüber bestehen, welcher Aufwand zum Abzug zugelassen werden müsste. Zum anderen dürfte nach dem bisher Ausgeführten auch eine Rechtfertigung der Pauschalierung aus wichtigem Grund in Betracht kommen. Als wichtiger Grund, den der Gesetzgeber mit der Abschaffung der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen verfolgen könnte, kommt wiederum die Vereinfachung des Steuerrechts in Betracht. Gerade in Verbindung mit der Abschaffung der Abzugstatbestände auf der Ebene des objektiven Nettoprinzips ergibt sich für Arbeitnehmer eine deutliche Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens: Belege müssen nicht mehr gesammelt, Ausgaben nicht im Einzelnen nachgewiesen werden; die Finanzverwaltung auf der anderen Seite kann Steuererklärungen von Arbeitnehmern wesentlich schneller bearbeiten. Erst das Zusammenspiel der Streichung von Abzugstatbeständen für ___________ 1492
Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 146. Schutter, StW 2001, 147, 155. 1494 BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 48. 1495 Ähnlich Schutter, StW 2001, 147, 155 für die Regelung des Karlsruher Entwurfs. 1496 Fischer, DStJG 24, 463, 502 (Fn. 206); Wernsmann, StuW 1998, 317, 328. 1493
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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Erwerbsaufwendungen und für private Aufwendungen erreicht diese Vereinfachung. Aus diesem Grunde wäre auch eine Durchbrechung des subjektiven Nettoprinzips aus wichtigem Grund verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
4. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Die Flat Tax unterscheidet in grundlegender Weise zwischen zwei Steuerarten, der „Lohnsteuer“ auf Löhne und Gehälter von Arbeitnehmern und der „Unternehmenssteuer“ auf Gewinne aus unternehmerisches Handeln im weiteren Sinne. Hieran knüpft die Flat Tax zum Teil auch unterschiedliche Rechtsfolgen: So soll bei der Lohnsteuer der Erwerbsaufwand durch den Grundfreibetrag mit abgegolten werden, während bei der Unternehmenssteuer Erwerbsaufwand unbegrenzt und in jedem Einzelfall steuerlich Berücksichtigung finden soll. Der Steueranspruch des Staates soll nach dem Willen von Hall/Rabushka bei Arbeitnehmern und Unternehmern auch in unterschiedlicher Weise durchgesetzt werden: Während Arbeitnehmer mit ihren Einkünften dem Quellensteuerabzug unterliegen, sollen Arbeitnehmer erst nach Abschluss des Veranlagungszeitraumes zur Steuer veranlagt werden. Der Zeitpunkt des Abflusses der Steuer ist folglich bei Arbeitnehmern und Unternehmern unterschiedlich. Diese offensichtliche Ungleichbehandlung von unselbstständigen und unternehmerisch tätigen Steuerpflichtigen bei der steuerlichen Berücksichtigung von Erwerbsaufwand und beim Zeitpunkt der Besteuerung könnte gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen1497.
a) Schutzbereich Das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG besitzt einen grundsätzlich umfassenden Schutzbereich, der nur dort keine Anwendung findet, wo spezielle Gleichheitsrechte eingreifen1498. Träger des Grundrechts sind sowohl natürliche Personen (Deutsche wie Ausländer1499) als auch inländische juristische Personen des Privatrechts1500. Adressat des Grundrechts soll neben Verwaltung und ___________ 1497
In diesem Sinne Borell/Schemmel/Stern, S. 24 (Fn. 45). BVerfG v. 16.12.1981, 1 BvR 898, 1132, 1150, 1333, 1181/79, 83, 416/80, 1117/ 79 und 603/80, BVerfGE 59, 128, 156; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 2; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 77. 1499 BVerfG v. 20.03.1979, 1 BvR 111/74 und 1 BvR 283/78 , BVerfGE 51, 1, 22; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 69. 1500 BVerfG v. 13.01.1976, 1 BvR 631/69 und 24/70 , BVerfGE 41, 126, 149; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 3 Rn. 12; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 72; Ipsen, Grundrechte, Rn. 752. 1498
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
Rechtsprechung auch der Gesetzgeber sein (s. S. 44). Der Schutzbereich wäre folglich bei der Umsetzung der Flat Tax in deutsches Recht eröffnet.
b) Beeinträchtigung Eine Beeinträchtigung des Schutzbereiches von Art. 3 Abs. 1 GG liegt unter anderem dann vor, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird1501. Dies setzt die Vergleichbarkeit zweier Sachverhalte voraus1502. Vorliegend werden die einkommensteuerliche Behandlung des erwerbsbezogenen Aufwands sowie die Veranlagungszeitpunkte bei Arbeitnehmern verglichen mit der einkommensteuerlichen Behandlung des erwerbsbezogenen Aufwands sowie dem Veranlagungszeitpunkt bei Unternehmern. Die generelle Vergleichbarkeit der Sachverhalte könnte möglicherweise mit dem Argument in Frage gestellt werden, es handle sich hier um zwei unterschiedliche Steuerarten im Sinne eines Schedulensystems, die der Gesetzgeber auch unterschiedlich ausgestalten könne. Insofern läge daher keine Vergleichbarkeit vor, und ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wäre von vornherein ausgeschlossen. Diese Betrachtung überzeugt indes nicht: In beiden Fällen geht es um die Regelung einer Steuer, deren zwei Unterarten nach dem Willen ihrer Urheber lediglich Teile eines einheitlichen Systems sein sollen1503. Bei der „Lohnsteuer“ und der „Unternehmenssteuer“ handelt es sich folglich um zwei Unterarten einund derselben Steuer. Nun wäre dies durch den Gesetzgeber möglicherweise korrigierbar, indem die von Hall und Rabushka vorgeschlagene einheitliche Einkommensteuer tatsächlich in zwei verschiedene Steuerarten aufgespalten würde. Zu bedenken ist aber, dass gerade dies nicht gewollt sein dürfte, da man damit endgültig eine Schedulenbesteuerung einführen würde. Auch ist fraglich, ob das bloße Aufspalten der Flat Tax in zwei selbstständige Steuern den Gesetzgeber aus seiner Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG entlassen könnte1504. So hat der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar einen großen Ermessensspielraum bei der Auswahl des steuerlichen Belastungsgegenstands; eine einmal getroffene Belastungsentscheidung muss er dann aber auch „folgerichtig im Sinne der Belastungsgleich___________ 1501
Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 GG Rn. 4; Pieroth/Schlink, Rn. 431; Sachs, Grundrechte, S. 215 f.; Kirchhof, StuW 1984, 297, 303; vgl. Kannengießer, in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, Art. 3 Rn. 14. 1502 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 GG Rn. 4; Pieroth/Schlink, Rn. 431; Ipsen, Grundrechte, Rn. 755 ff. 1503 Hall/Rabushka, Flat Tax, 2. Aufl., 1995, S. 55. 1504 Vgl. auch BVerfG v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271.
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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heit“ umsetzen1505. Selbst in dem Fall, dass eine Schedulenbesteuerung eingeführt würde, ginge es in beiden Fällen um die Erfassung und Besteuerung des konsumierten Einkommens in der Volkswirtschaft, und zwar zum einen auf der Ebene der Arbeitnehmer und zum anderen auf der Ebene der Unternehmen. Die Sachverhalte sind schon aus diesem Grunde vergleichbar. Die Ungleichbehandlung dieser vergleichbaren Sachverhalte liegt auf der Hand: Unselbstständig Tätige dürfen erwerbsbezogenen Aufwand nicht steuermindernd geltend machen, und zwar selbst dann nicht, wenn er den pauschal abgegoltenen Aufwand übersteigt, während Unternehmer diesen Aufwand unbeschränkt geltend machen können. Ferner sind die Zeitpunkte, zu dem die Steuerzahlung erfolgen soll, unterschiedlich: Während die Lohnsteuer im Wege des Quellenabzugs sofort einbehalten wird, sollen Unternehmer erst im auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr eine Steuererklärung abgeben; Vorauszahlungen sind nicht vorgesehen. Eine grundrechtsrelevante Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem liegt folglich vor.
c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Ungleichbehandlungen können vor Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden, wenn sachliche Gründe hierfür vorliegen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll der Gleichheitssatz dabei umso strikter sein, je mehr eine Regelung „den Einzelnen als Person betrifft“1506, und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden1507. In seinem Urteil zur Aufhebung des Arbeitnehmer- und Weihnachstfreibetrages im Rahmen der Lohnsteuer1508 hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Einkommensteuer Vorgaben zur Rechtfertigung gesetzgeberischer Ungleichbehandlungen bei den unterschiedlichen Einkunftsarten der Einkommensteuer gemacht. Danach darf der Gesetzgeber nur dann im Rahmen der Einkommensteuer verschiedene Einkunftsarten unterscheiden und hieran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen, wenn jene ihre Rechtfertigung, sei es in typisierender und generalisierender Weise, in sachlichen Gründen finden1509. Allein die sys___________ 1505
BVerfG v. 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 47 m. w. N. BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6; BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 94. 1507 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6; vgl. auch Pieroth/ Schlink, Rn. 438 ff. 1508 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1. 1509 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6; auch BVerfG v. 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95. 1506
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§ 5 Das System der „Flat Tax“ nach Hall/Rabushka
tematische Unterscheidung von Einkunftsarten als solche komme als Rechtfertigungsgrund dabei nicht in Betracht1510. Zu überlegen ist folglich, ob zwischen Einkünften von Arbeitnehmern und Einkünften aus unternehmerischem Handeln Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht existieren, die eine Ungleichbehandlung der Erwerbsaufwendungen rechtfertigen können. Möglicherweise lässt sich hier wiederum mit dem typischen Fall argumentieren: Erwerbsausgaben von Arbeitnehmern lassen sich im Regelfall leichter typisieren als solche von Unternehmern1511. Und nicht alle Unternehmen sind gleich profitabel: Dies führte dazu, dass die Grenze der zulässigen Typisierung überschritten wäre, wenn bei jedem Unternehmer derselben Anteil der Einnahmen als Erwerbsausgaben anerkannt würde1512. Dies dürfte selbst bei Unternehmen innerhalb derselben Branche gelten1513, erst recht aber bei Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Folglich scheidet eine Typisierung der Erwerbsaufwendungen bei Unternehmern aus den genannten Gründen aus1514. Aus dem Gesagten folgt, dass es zwar bei Arbeitnehmern möglich ist, den typischen Fall der Erwerbsausgaben zu erfassen, nicht aber bei Unternehmern. Folglich ist die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Unternehmern in diesem Punkt gerechtfertigt1515. Anders stellt sich die Lage beim Zeitpunkt der jeweiligen Steuerzahlung dar. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts soll der Gleichheitssatz „nach den Vorgaben des Einkommensteuergesetzes“ von allen Steuerpflichtigen eine gegenwartsnahe Leistung der Steuerschuld zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs erfordern1516. Dieser Grundsatz wird verletzt, wenn Arbeitnehmer ihre Steuer noch im Monat der Lohnzahlung abzuführen haben, Unternehmer jedoch erst im auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr belastet werden. Hier verlangt der Gleichheitssatz eine steuerliche Belastung zu ver___________ 1510 BVerfG v. 08.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 363 f.; BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6. 1511 Tipke, StRO II, S. 778. 1512 Tipke, StRO II, S. 778. 1513 Seer, StuW 1995, 192. 1514 Ebenso Tipke, StRO II, S. 778 f.; Schön, in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 147, 169; ders., StuW 1995, 366, 371 f.; Wagner, StuW 2001, 354, 355; Jachmann, StuW 1998, 193, 206; dies., in: FS Offerhaus (1999), S. 1071, 1087 f. Dies meint wohl auch Ruppe, DStJG 21, 29, 53 f., wenn er (für den Bereich unternehmerischer Einkünfte zu Recht) darauf hinweist, dass mit anomalen Fällen zu rechnen sei. 1515 Vgl. auch FG S-H v. 25.04.1967, II 59/67, EFG 1967, 351, 352 zu Differenzierungen zwischen Land- und Forstwirten und Freiberuflern einerseits und Arbeitnehmern andererseits. 1516 BVerfG v. 10.04.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 7.
G. Vereinbarkeit der Flat Tax mit dem Grundgesetz
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gleichbaren Zeitpunkten. Folglich wäre die Flat Tax in ihrer von Hall/Rabushka vorgeschlagenen Ausgestaltung in diesem Punkt verfassungswidrig. Dieser Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ließe sich indes relativ einfach dadurch ausräumen, dass Unternehmer wie im bisher geltenden Steuerrecht auch zu Vorauszahlungen auf ihre Steuerschuld verpflichtet werden.
III. Fazit Die Flat Tax nach dem Modell von Hall/Rabushka ist in ihrem Grundkonzept mit dem Grundgesetz vereinbar; lediglich in Details wäre ihr Aufbau nicht verfassungsgemäß. Diese kleineren Problemfälle lassen sich indes durch Modifikationen beseitigen. Es bestehen daher keine grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Umsetzbarkeit eines Steuersystems nach Art der Flat Tax auch in Deutschland1517.
___________ 1517
A. A. ohne nähere Begründung Weber-Grellet, ZPR 2003, 279, 285.
§ 6 Abschließende Bewertung der Flat Tax und Schluss Was folgt aus der Betrachtung der Flat Tax für das deutsche Einkommensteuerrecht? Natürlich schneidet ein bestehendes Steuersystem im Vergleich mit einem gedanklichen Ideal wie der Flat Tax schlecht ab. Die Flat Tax erfüllt die eingangs dargelegten Anforderungen (§ 2, S. 27 ff.) an ein gutes Steuersystem. Im Vergleich zum bestehenden Einkommensteuerrecht bietet sie vor allem Effizienzvorteile. Der von Hall/Rabushka vorgeschlagene Übergang zur Konsumbesteuerung vermag hingegen nicht zu überzeugen. Zwar kann neben dem Einkommen auch der Konsum tauglicher Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sein. Indes wird der Konsum in Deutschland bereits durch die Umsatzsteuer steuerlich belastet. Eine zusätzliche Umstellung auch der Einkommensbesteuerung auf Konsumbasis erscheint daneben nicht sinnvoll. Hinzu kommt, dass auch das Konzept der Flat Tax Schwächen aufweist. Zu den behebbaren Schwächen gehören der vorgeschlagene Freibetrag für Verheiratete, der weniger als doppelt so hoch sein soll wie der für Alleinstehende, die Verrechnung von Verlusten beim Verlustvortrag mit der Steuerschuld, nicht mit der Bemessungsgrundlage, sowie das Verbot der Verlustverrechnung zwischen Einkünften aus unselbstständiger Arbeit und unternehmerischen Einkünften. Auch mit dem System der Sozialversicherungen ist die Flat Tax eher schlecht kompatibel, genügt aber verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das vorgeschlagene Konzept der Betriebsteuer erschwert es, das Existenzminimum von Einzelunternehmern steuerlich zu berücksichtigen. Die aufgezählten Schwachpunkte ließen sich durch entsprechende Modifikationen beseitigen. Schwerer wiegen die Mängel der Flat Tax, die sich nicht ohne weiteres beseitigen lassen. Hierzu gehört das Problem der Manipulierbarkeit von Zahlungsströmen im System der Cash Flow Besteuerung und die einkommensteuerliche Erfassung von Finanzintermediären im Rahmen der Cash Flow Besteuerung auf R-Basis. Die Einführung eines Systems der Cash Flow Besteuerung vom R-Typ kann daher nicht empfohlen werden. Nichtsdestoweniger verdeutlicht das Konzept von Hall und Rabushka die Schwächen des existierenden Einkommensteuerrechts; einige Elemente der Flat Tax ließen sich ohne weiteres in das bestehende deutsche Einkommensteuersystem übernehmen und führten auch hier zu einer deutlichen Verbesserung.
B. Verbreiterung der Bemessungsgrundlage
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Insofern sollte der alten Devise, dass alte Steuern gute, neue Steuern aber schlechte Steuern sind1, gefolgt werden, und das deutsche Einkommensteuersystem sollte entsprechend angepasst werden.
A. Indirekt progressiver Tarif An erster Stelle zu nennen ist in diesem Zusammenhang der von der Flat Tax vorgesehene indirekt progressive Steuertarif. Dieser weist im Vergleich zum direkt progressiven Tarif Effizienzvorteile auf, ohne dass Gründe der Steuergerechtigkeit eindeutig für einen direkt progressiven Tarif sprechen. Kritikern eines Übergangs zum indirekt progressiven Tarif ist überdies Folgendes entgegenzuhalten: Der bestehende Grundfreibetrag hat, nicht zuletzt angestoßen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Steuerfreiheit des Existenzminimums, im Laufe der letzten Jahre ohnehin ein immer größeres Gewicht bei der Herstellung der tariflichen Progression des bestehenden Einkommensteuertarifs erhalten2. Dies wird schon dadurch deutlich, dass der nach dem Tarif 1990 bestehende Grundfreibetrag in Höhe von 2871,– €, der bis 1995 galt3, inzwischen nach dem Tarif 2005 auf 7664,– € angehoben, gleichzeitig aber der Spitzensteuersatz von 53 % auf 42 %4 gesenkt wurde. Den Gegnern einer indirekten Progression ist daher entgegenzuhalten, dass der bestehende Einkommensteuertarif bereits in großem Umfang indirekt progressive Elemente aufweist. Ein Übergang zu einem proportionalen Steuersatz stellte folglich lediglich die Vollendung einer ohnehin bereits begonnenen Entwicklung dar.
B. Verbreiterung der Bemessungsgrundlage Auch die von der Flat Tax vorgesehene Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ist ein erstrebenswertes Ziel. Eine breitere Bemessungsgrundlage verwirklicht besser den Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit und ermöglicht zudem die Senkung der Steuersätze5. Überdies wird auch der Verwaltungsaufwand reduziert, wenn weniger Ausnahmen bei der Ermittlung der ___________ 1 Canard, Principes d’économie politique, S. 197: „Donc on peut avencer cette grande vérité, que tout vieil impôt est bon, et tout vouvel impôt est mauvais“ (Hervorhebung im Original). s. auch Folkers, Ursachen der Steuerzahlerrevolte, S. 28. 2 Schlick, Wirtschaftsdienst 2001, 582, 584 f. 3 Hierzu Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 81; BVerfG v. 25.09.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 ff. 4 Hierzu Broer, DStZ 2004, 257; Keß, StuerStud 2004, 639; Laux, BB 2002, 1995; ders., BB 2004, 1031; Maiterth/Müller, BB 2003, 2373. 5 Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 235.
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§ 6 Abschließende Bewertung der Flat Tax und Schluss
Bemessungsgrundlage zu beachten sind. Und Ineffizienzen werden reduziert, wenn Steuerpflichtige ihre Steuerschuld nicht beeinflussen können und nicht durch „Steuersparmodelle“ volkswirtschaftlich an sich unsinnige Investitionen tätigen6. Vorbild könnte die große Steuerreform von 1986 in den Vereinigten Staaten sein. Zur Verwaltungsvereinfachung könnte auch die Pauschalierung von Abzugstatbeständen für Arbeitnehmer beitragen. Eine Umsetzung wäre auch im geltenden Einkommensteuerrecht möglich. Eventuelle verfassungsrechtliche Bedenken wären unbegründet.
C. Behandlung unternehmerischer Einkünfte Der Sofortabzug unternehmerischer Investitionen, wie ihn die Flat Tax mit ihrer Cash Flow Besteuerung vorsieht, weist nicht nur Neutralitätsvorteile auf, sondern hat auch Nachteile (s. o.). Eine Alternative könnte darin bestehen, zwar keinen Sofortabzug zuzulassen, aber vergleichsweise kurze Abschreibungsperioden von nur drei bis fünf Jahren zuzulassen. Diese kämen in ihrer Neutralitätswirkung der Sofortabschreibung jedenfalls dann relativ nahe, wenn die verbleibenden Raten verzinslich und unbeschränkt vorgetragen werden könnten7. Dabei wären die im Bereich der reinen Cash Flow Rechnung zu befürchtenden Missbrauchsprobleme eingeschränkt. Die Ausgestaltung der Unternehmensbesteuerung als rechtsformneutrale und investitionsneutrale Betriebsteuer wäre auch ohne den radikalen Übergang zur Flat Tax möglich. So könnte für Einzelunternehmer und Personengesellschaften ein Optionsrecht für die Besteuerung nach dem KStG geschaffen werden. Ferner müsste für die Sicherstellung von Finanzierungsneutralität die Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital beendet werden. Dies wäre möglich durch die Zinsbereinigung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (sog. „ACE-Ansatz“8)9. Die Vorteile der Cash Flow Besteuerung könnten auch mit einem Übergang zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung, wie sie in § 4 Abs. 3 EStG bereits jetzt im Wesentlichen für Freiberufler vorgesehen ist, erreicht werden. Die mit der Bilanzierung verbundenen Vorteile (insb. Glättung von Einkommensspitzen durch Abschreibung)10 wären im System einer indirekt progressiven oder pro___________ 6
Musgrave/Musgrave/Kullmer, S. 236. Brown, in: Income, Employment and Public Policy, S. 300, 301. 8 „ACE“ steht für „Allowance for Corporate Equity“. s. Lammersen, S. 59 (Fn. 61). 9 Dazu ausführlich Jacobs, in: FS Debatin, S. 207, 232 f. 10 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 190; Hennrichs, StuW 1999, 138, 153. s. auch Birk, Steuerrecht, Rn. 861. 7
D. Behandlung des intertemporalen Verlustausgleichs
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portionalen Betriebsteuer weniger wichtig. Auf der anderen Seite stellt der Übergang zur Überschussrechnung einen wichtigen Schritt in Richtung auf die Gleichbehandlung aller Unternehmen und damit zur Verwirklichung der Rechtsformneutralität dar11. Ferner stellten sich die mit der Bilanzierung verbundenen Probleme hier nicht, sodass eine echte Vereinfachung vorläge. In Verbindung mit einer kurz bemessenen AfA ließen sich auch die Missbrauchsprobleme in den Griff bekommen, ohne dass wirtschaftliche Impulse verloren gingen.
D. Behandlung des intertemporalen Verlustausgleichs Einen Schritt in die richtige Richtung stellt auch die Behandlung des intertemporalen Verlustausgleichs bei Unternehmern dar. Dass ein unbegrenzter Verlustvortrag gewährt wird, stellt sicher, dass Verluste nicht durch Zeitablauf verloren gehen. Dass dieser verzinst wird, stellt sicher, dass aufgelaufene Verluste ihren Realwert behalten. Beide Merkmale sind wichtige Schritte zu mehr Neutralität im Steuersystem.
___________ 11 Birk, Steuerrecht, Rn. 861; Ehrhardt-Rauch, DStZ 2001, 423, 427; Elicker, StuW 2002, 217, 229 ff.
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Personen- und Sachwortregister
Abschnittsbesteuerung 116, 122, 323 Abschreibungen 91, 107, 210, 238, 300 Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung 65, 109, 133, 207, 209 f., 237, 255, 351 Abzugstatbestand 78, 82, 91, 121, 149 f., 224–228, 232, 235, 241, 281, 301, 312, 331, 333, 342, 350 Abzugsverbote 102 f., 224, 226, 245, 259, 301, 306, 310, 320–322 Aktiengesellschaft 88 allgemeiner Gleichheitssatz 39 f., 43 f., 46, 283, 287, 292, 303, 305, 325, 343, 347 Alliierter Kontrollrat 67, 72 Allokation von Ressourcen 30–32, 35, 210 Altersvorsorge 85, 200, 334–338 – private Altersvorsorge 85, 337 f. Anreiz-Argument 118, 120 Anstiegsprogressionseffekt 122 f. Anstoßtarif 61 f., 69, 71 Äquivalenztheorie 45, 152–156 Arbeitnehmer 77, 85 f., 91, 94, 96 f., 102 f., 118, 125, 137, 149, 151, 157, 222, 225–228, 231, 237, 241, 245, 262, 268–270, 295, 301, 305 f., 308, 310–312, 316–320, 322, 325, 327, 330, 333 f., 337, 339, 342 f., 345 f., 350 Arbeitsbereitschaft siehe Leitungsbereitschaft Arbeitseinkommen 53, 55, 82, 86, 96 f., 177, 197 f. 220, 222, 292, 325 f., 329
Arbeitseinkünfte siehe Arbeitseinkommen Arbeitslosengeld 94, 233 Arbeitslosenversicherung 110, 338 Arbeitsstätte 76, 103, 317–319, 325 Aristoteles 42 Armey, Richard 82 f., 85, 98, 246, 249, 268, 278 Aufwendungen – erwerbssichernde Aufwendungen 55 f., 86, 109, 301, 305 f. – Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 76, 103, 317–319, 325; siehe auch Entfernungspauschale – persönliche Aufwendungen 55 f., 86, 102, 266, 327–342 – Privataufwendungen siehe persönliche Aufwendungen – Privatsphäre siehe persönliche Aufwendungen Ausnahmetatbestände 104, 180, 233, 235 Ausschüttung 36, 89, 106, 109, 136 f., 257, 271, 321 außergewöhnliche Belastungen 86, 103, 224, 280, 311, 329, 331 f., 340–342
Baden 66, 69 „Badisches Notopfer“ 69 Banken 92 f., 250 Basiszins 92 Bayern 69 Bedürfnisbefriedigung 46, 164 Bedürfnisbefriedigungspotenzial 47, 159
396
Personen- und Sachwortregister
Bemessungsgrundlage siehe Steuerbemessungsgrundlage Besatzungsmächte 72 Besteuerung siehe auch Einkommensteuer – Allgemeinheit 29, 40 – Bequemlichkeit 28 – Bestimmtheit 28 – deadweight loss siehe dort – Effizienz 25, 29 f., 35, 41 f., 47 f., 63, 115 f., 127, 140 f., 187, 190–192, 212, 223–226, 229 f., 232–234, 236, 243, 251, 310, 348 f. – Erhebungsbilligkeit 30, 41 – Erhebungskosten 28, 41, 127, 233 – excess burden siehe dort – Gegenstand siehe Steuerobjekt – Gerechtigkeit siehe dort – Gleichheit 43, 158 f., 323 – Gleichmäßigkeit 28 f., 42 f. – Ineffizienz 33, 307, 350 – Mäßigkeit 29 – nach der Leistungsfähigkeit 28, 43– 47, 55, 64, 132, 136, 141–143, 150, 157–159, 167, 179 f., 187, 191, 212, 216, 222, 226, 228, 231, 283, 286– 289, 292–294, 300 f., 306, 308, 321– 323, 328, 331 f., 348 – nachgelagerte Besteuerung 53, 106, 109 f., 196, 200, 335–337 – Nettoergiebigkeit 28 – Neutralität siehe dort – Objekt siehe Steuerobjekt – Praktikabilität 29 – Stetigkeit 29 – Systemhaftigkeit 29, 312 – Transparenz siehe dort – vorgelagerte Besteuerung 53, 335– 337 – Wettbewerbsneutralität siehe dort – Wohlfeilheit 30, 41 – Zusatzlast siehe dort
beteiligungsbezogene Transaktionen 88– 90 Betriebsausgaben 76, 91, 93, 136 f., 203 f., 245, 255 f., 260, 262–264, 269, 273, 274 f., 339 Betriebsteuer 87 f., 230, 258 f., 329, 348, 350 f. Betriebsvermögen 108, 123, 134, 244, 263, 267 f., 275 Betriebsvermögensvergleich 106, 113, 133, 144, 205, 248, 282 Blum, Walter J. 83 Brown, E. Cary 89 Brown, Jerry 82 Bulgarien 101 Bundesfinanzministerium 114 Bundesrepublik Deutschland 67, 72 „Business Tax“ 88 Cash Flow 97, 102, 113, 191, 238, 242 f., 249, 254 f., 272, 277, 350 – Besteuerung 88, 90 f., 93, 102, 191, 201, 203, 205, 208 f., 211, 223, 237 f., 242 f., 248, 254–256, 258, 267, 275– 277, 279, 282, 348, 350 – Steuer vom R+F-Typ 89 – Steuer vom R-Typ 88 f., 92, 190, 200, 202, 212, 251, 272, 274, 348 – Steuer vom S-Typ 89, 109 Community Charge siehe Staatsbürgersteuer Darlehen 181, 261, 263–265; siehe auch Kredit deadweight loss 30; siehe auch Zusatzlast DeConcini, Dennis Webster 81 „degression“ 59 De Guicciardini, Francesco 117 Deutsche Bundesbank 92, 111 Deutsches Reich 66 f., 69 Deutschland 26, 63, 67, 79 f., 87, 93, 103 f., 114, 121, 131, 148, 189, 191 f.,
Personen- und Sachwortregister 199 f., 203, 207 f., 212, 223, 239, 247– 249, 283 f., 297, 311, 347 f.; siehe auch Bundesrepublik Deutschland Dividenden 89 f., 102, 106, 109, 113, 121, 127 f., 202, 239–241, 248 f., 252, 261 doppelte Haushaltsführung 317–319 Dreier, David 82 duale Einkommensteuer 55, 104 Dualismus der Einkunftsarten 108 Durchreichgesellschaft 112 Durchschnittssteuersatz 57–62, 65, 68, 72, 129, 132, 134, 213, 278 f., 281, 284, 288 Effizienz 25, 29 f., 35, 41 f., 47 f., 63, 115 f., 127, 140 f., 187, 190–192, 212, 223–226, 229 f., 232–234, 236, 243, 251, 310, 348 f. Ehegatten 71, 74, 110, 125, 132 f., 135, 226, 332 Ehegatten-Splitting 74, 125, 130, 132, 135, 332 Einfachheit 30, 41 f., 208, 223, 226, 228 f., 237, 243, 251, 307, 310, 320, 339 Einfachsteuer 26, 58, 80, 101, 103, 111 Einfachsteuergesetz 111; siehe auch Heidelberger Entwurf Einheitssatz 69 Einkommen 28, 35, 37, 46, 49–52, 59, 61, 65 f., 68–77, 82, 84–87, 93 f., 96, 99, 107–110, 113, 117, 119, 121–125, 129 f., 132–135, 140–143, 145–147, 149–151, 153 f., 156–168, 170 f., 174, 181 f., 184–187, 189, 193, 211–213, 216–222, 225, 228, 232, 235, 241– 243, 246, 252, 260, 262, 267, 271, 280, 282–288, 294, 296, 300, 303 f., 322, 326, 329, 334, 336, 338, 348 – Arbeitseinkommen siehe dort – Definition 49–51, 77, 212, 243 – disponibles Einkommen 56, 327, 336
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– Haig/Simons-Definition 50, 211 – Kapitaleinkommen siehe dort – konsumierbares Einkommen 52, 110, 212, 292, 296 – konsumiertes Einkommen 52, 110, 197, 212, 219, 292, 296, 345 Einkommensbesteuerung siehe Einkommensteuer Einkommenseffekt 119, 177, 196 Einkommensteuer 29, 45, 49, 51, 53–56, 60 f.; 64–69, 80 f., 84, 95, 99 f., 102, 106–109; 118, 120, 123, 126, 129, 131, 133 f., 137, 140 f., 145, 147–149, 152, 157, 163, 167–170, 173 f., 177 f., 182, 184–187, 190–198, 200, 202– 204, 206, 210–213, 216, 218, 220, 222–225, 228, 232–234, 236, 240, 242–244, 248, 251, 271, 274, 278, 281–283, 285 f., 291, 293, 295–297, 299–301, 304, 311, 326, 330, 334, 338 f., 341, 344 f.; siehe auch Besteuerung – Bemessungsgrundlage 26, 49 f., 52, 54, 56–58, 60–63, 65, 70, 73, 76 f., 79, 81, 84–87, 91 f., 96 f., 105, 109 f., 112–114, 122 f., 129, 145, 148, 150, 158, 202 f., 224 f., 227, 240, 249, 251, 256 f., 263, 266, 278 f., 281–283, 285, 292–294, 299, 301, 303, 320–322, 327, 331, 348–350; siehe auch Steuerbemessungsgrundlage – duale Einkommensteuer 55, 104 – Effizienz siehe dort – Einfachheit siehe dort – flache Einkommensteuer 26, 99 f., 140, 183, 239 f., 246 – Gerechtigkeit siehe dort – Gesetz siehe EStG – Grundsätze 27–29, 44 f., 47 – Kapitaleinkommensteuer siehe dort – konsumorientierte Einkommensteuer siehe dort – Maximen siehe Grundsätze
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Personen- und Sachwortregister
– Netto-Einkommensteuer 103, 107– 111 – Neutralität siehe dort – optimale Einkommensteuer 29, 33, 174 – Postulate siehe Grundsätze – Prinzipien siehe Grundsätze – Progression siehe dort – scheduläre Einkommensteuer 55, 231, 325 – synthetische Einkommensteuer 29, 55, 231, 326 – Transparenz siehe dort – US-amerikanische 77 f., 98, 103, 118, 148, 237 – zinsbereinigte Einkommensteuer 102, 299 Einkommensteuergesetzbuch 103–107 – Bemessungsgrundlage 105 f. – Tarif 107 Einkommensverwendung 36, 51, 96, 216, 294, 300, 321 Einkünfte – aus nicht selbststänidger Tätigkeit 65, 70, 72, 98, 112, 127, 213, 229, 231, 238, 292, 301, 325 f., 329 – aus selbstständiger Tätigkeit 88, 112, 293 Einkunftsarten 55, 65, 70, 77, 98, 121, 225, 242, 253, 259, 301, 322, 324– 326, 345 f. Einlagen 89, 94, 108 f. Einnahmen-Überschuss-Rechnung 106, 144, 205, 209, 238, 243, 279, 350 Einstufen-Steuer 26, 58, 65, 80, 83, 99, 101, 103–105, 113 f., 118, 128, 130, 132, 138, 140, 152, 278, 280, 292 Einzelkaufmann 88 Elicker, Michael 103, 107–111, 114, 287 England 65 Entfernungspauschale 114 Entnahmen 108 f. 127, 204, 275 Entscheidungsprozess 31, 42, 185
Entsparen 52 Ersparnisse 96, 219 Erster Weltkrieg 67–70, 78 erwerbssichernde Aufwendungen 55, 86, 301, 306 Erwerbsvermögen 108, 144 EStG 56, 67–77, 113, 144, 216, 239, 254, 280, 297, 321, 328 – badisches EStG 1900 69 – bayerisches EStG 1910 69 – EStG 1946 72 – EStG 1948/49 73 – EStG 1955 73 f. – EStG 1958 63, 74 – EStG 1990 75 – EStG 2007 76 – hessisches EStG 1869 69 – oldenburgisches EStG 1864 69 – preußisches EStG 1891 67–69 – REStG 1920 69 f. – REStG 1925 70–72 – REStG 1934 71, 73, 296 f. – sächsisches EStG 1874/78 69 – württembergisches EStG 1903 69 Estland 99 f., 110 excess burden 30, 41, siehe auch Zusatzlast Existenzminimum 47 f., 65 f., 75 f., 151, 169, 173, 175 f., 290, 308, 328–330, 338, 342 – Steuerfreiheit 47, 84, 127, 137, 217, 279, 285–287, 348 f. externe Effekte 34 Finanzdienstleistungen 92 f. Finanzierungsneutralität 35 f., 109, 126, 201–204, 210 f., 282, 350 Finanzintermediäre 92 f., 250 f., 348 finanzwirtschaftliche Transaktionen 88– 91, 191, 201 f., 279, 321, 335 Finanzwissenschaft 27–29, 32, 45, 126, 164, 170, 233 f. Flat Tax 26, 47, 57 f., 75, 80–83, 85,
Personen- und Sachwortregister 89 f., 93–99, 102, 104, 108, 111 f., 114–116, 122 f., 124–128, 132 f., 135, 137 f., 140 f., 150–152, 190 f., 194, 197, 201–204, 206, 210–212, 217– 219, 223 f., 227–232, 237–247, 249, 251–256, 258–260, 263, 266–276, 278–284, 286 f., 292, 294–297, 300– 302, 305 f., 308, 310–315, 319–322, 324–327, 329, 331–333, 335–340, 342–344, 347–350 – Bemesungsgrundlage 85–94 Forbes, Steve 82 Formeltarif 61–63, 74, 138 Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch 103 f. Forstwirte 121 Frankreich 66 Freedom and Fairness Restoration Act 83 Freibetrag siehe Grundfreibetrag Freigrenze siehe Grundfreigrenze Friede von Amiens 66 Friedman, Milton 80 Fuisting, Bernhard 50 gemischte Aufwendungen 245 Gehalt 54, 84 f., 87 f., 91, 94, 97, 262, 272, 343 Generalklausel 55, 77, 88 Georgien 99 Gerechtigkeit 29 f., 42–48., 63, 115, 141, 151, 170, 176 f., 183, 191 f., 212–221, 224, 226–228, 231 f., 284, 290 f., 312, 319; siehe auch Sachgerechtigkeit und Steuergerechtigkeit Gesamtmengenstaffelung 61 Gewerbebetrieb 88 Gewinneinkünfte 77, 105, 108, 144 Grenzsteuersatz 57–62, 74 f., 77, 116, 118 f., 121, 129 f., 132, 137, 139, 149 f., 189, 197, 199, 271, 279, 281, 284, 288 Großbritannien 33 Grundfreibetrag 59, 70, 72–76, 82, 84,
399
86 f., 90, 98, 100, 107, 110 f., 113– 115, 122, 124 f., 127, 133, 137, 140, 145 f., 148 f., 151, 190, 217, 219, 225– 227, 269–272, 278 f., 287 f., 301, 306, 308, 312, 327, 329 f., 331 f., 336, 338, 340, 342 f., 348 f. Grundfreigrenze 65, 68, 145 f., 225 Haig/Simons-Konzept 50, 211, 243 Halbeinkünfteverfahren 121, 128, 136, 205, 298 Hall, Robert Ernest 25 f., 58, 80–83 Haushalt 56, 90, 110, 185 f., 271 Haushaltsseite der Besteuerung 52, 54, 84, 86, 97 f., 102, 112, 194, 201, 300 Heidelberger Entwurf 103, 111–113 – Bemessungsgrundlage 111 f. – Tarif 113 Hessen 66, 69 horizontale Steuergerechtigkeit 40, 44– 46, 56, 141, 149–152, 169, 190, 212 f., 226, 231, 235, 283, 294, 349 Ideal 34, 348 Individualvergütungen 85–87, 92, 94, 140, 269 f. Internal Revenue Code 77 f., 148 interpersonale Einkommensverlagerung 122, 124 f., 271 f. intersektorale Neutralität 36, 201, 235 Investitionen 35 f., 52–54, 82, 96 f., 109, 113, 116, 123, 129, 194, 203, 206, 210 f., 216 f., 228, 243, 256–259, 262, 269, 275–277, 279, 282, 350 – Barinvestitionen 123 – Finanzinvestition 201 – Kapitalinvestitionen 259, 261 – Nettoinvestitionen 208 – Realinvestitionen 35, 201, 259, 261 f. – Sachinvestitionen 123, 206, 222 f. – Sofortabschreibung siehe Sofortabzug – Sofortabzug 82, 113, 194, 203, 243, 255 f., 258, 268, 279, 350
400
Personen- und Sachwortregister
Investitionsneutralität 35 f., 109, 126, 201, 210, 212, 272, 282, 294, 350 Investmentgesellschaften 92 Jahreseinkommen 123, 145, 254, 280 Jahressteuer 123 Jahressteuergesetz 1996 75 juristische Person 70, 111 f., 343 Kanada 81 Kapitaleinkommen 55, 96, 197, 218, 292 Kapitaleinkommensteuer 51 f., 54, 102, 105 f., 191, 196, 210 f., 213 f., 218, 220, 222 f., 236, 240, 296 f., 299 Kapitaleinkünfte 55, 86, 95, 197, 215, 218, 220, 240, 252, 259, 292–294, 299, 321; siehe auch Kapitalerträge, Zinsen Kapitalerträge 53, 86, 96 f., 122, 195, 198, 207 f., 220, 223, 259, 261, 273, 279, 282, 294, 301, 321; siehe auch Kapitaleinkünfte, Zinsen – Steuerfreistellung 53 f., 86, 259, 261, 273, 279 Kapitalgesellschaft 40, 94, 126–128, 230, 237 f., 257, 259 kapitalorientierte Einkommensteuer siehe Kapitaleinkommensteuer Kapitalvermögen siehe Kapitalerträge Karlsruher Entwurf 104–107 Kennedy, John F. 78 Kindergeld 94 Kirchensteuer 110, 339 Kirchhof, Paul 104 f., 156 f., 236, 308 Knicktarif 76 Kommanditgesellschaft 124 Konsum 36 f., 46 f., 49, 51 f., 54, 95 f., 110, 112, 117, 165, 168 f., 186, 190– 194, 212, 214–219, 221–223, 296, 348 Konsumbesteuerung 83, 85, 88, 93, 95– 98, 123, 191–201, 205–207, 209 f., 212–218, 220, 224, 235, 279, 292,
294, 321, 348; siehe auch Konsumsteuer – in Kroatien 101 f. Konsumeinkommensteuer siehe konsumorientierte Einkommensteuer konsumorientierte Einkommensteuer 49, 51–54, 86, 95, 102, 105–111, 114, 191 f., 195–198, 200, 213 f., 217, 223, 250, 293, 296, 299, 301 Konsum-Spar-Entscheidung 37, 110, 194 Konsumsteuer 51–54, 97, 173, 190–199, 201, 203, 208, 212, 214–219, 221 f., 224, 236, 243, 247, 278, 293, 295–299 Kontrollaufwand 41, 226 f., 229, 310, 327 Kopfsteuer 32 f., 64, 118, 159 f., 222 Koreakrieg 78 Körperschaftsteuer 85, 109, 128, 136, 201, 205, 237, 242–244, 291, 298, 350 Körperschaftsteuergesetz siehe KStG Krankenversicherung 94, 110, 181 f., 333, 338 Kredit 89 f., 203, 221, 261–263, 277, 321, 330; siehe auch Darlehen Kreditmarkt 53 f., 221 Kriegswirtschaftsverordnung 71 Kroatien 101 f., 232, 236, 248 KStG 56, 70, 94, 106, 109 – KStG 1920 70 Laffer, Arthur 82 Laffer-Kurve 281 Landwirte 121 Lang, Joachim 102 Lebenseinkommen 122 f., 141–143, 145, 281 Lebensversicherung 77, 110, 122, 196, 201, 338 Leistungsbereitschaft 119 Leistungsfähigkeit 28, 43–47, 55, 64, 132, 136, 141–143, 150, 152 f., 157– 159, 167, 179 f., 187, 191, 212, 216,
Personen- und Sachwortregister 222, 226, 228, 231, 283, 286–289, 292–294, 300 f., 306, 308, 321–323, 328, 331 f., 348 Leistungsfähigkeitsprinzip siehe Leistungsfähigkeit Lenkungsnorm siehe Lenkungssteuern Lenkungssteuer 38, 40, 104, 232–236 Lenkungstatbestand siehe Lenkungssteuer Lenkungswirkung 34, 232 Lenkungsziele siehe Lenkungssteuern Lessius, Leonardus 47, 153 Lettland 99 Litauen 99, 114 Lohn 54, 84 f., 87 f., 90–92, 94, 96 f., 128, 174 f., 228, 262, 337, 343, 346 Lohnersatzleistungen 85, 94, 132, 233 Lohnsteuer 85, 90 f., 98, 147, 301, 334, 343–345 Lohnsteuer-Abzugsverfahren 70, 92 marginaler Steuersatz siehe Grenzsteuersatz Markt 31 f., 34, 39, 51, 53 f., 105, 155– 157, 171 f., 174 f., 198, 260, 270, 300 Markteinkommen 105 Markteinkommenstheorie 49–51, 105, 156, 216 Marktzinssatz 92–94, 112, 251, 261 Meade-Kommission 90 Mehrwertsteuer 90, 95–97, 191, 247; siehe auch Umsatzsteuer Mirrlees, James 33 nachgelagerte Besteuerung 53, 106, 109 f., 196, 200, 335–337 Napoléon 65 natürliche Person 56, 64 f., 70, 94, 106 f., 111 f., 126 f., 136 f., 191, 343 Netto-Einkommensteuer 103, 107–111 – Bemessungsgrundlage 108–111 – Tarif 111
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Nettokapitalwert 36 Nettoprinzip 55 f., 224 f., 303, 322–324 – objektives Nettoprinzip 55 f., 66, 225, 227, 301–304, 306, 310, 312, 318, 320–322, 325–328, 342 – subjektives Nettoprinzip 56, 66, 227, 308, 327 f., 330–333, 340, 342 f. Neues Testament 64 Neutralität 30–41, 46, 116, 141, 225, 227 f., 233, 243, 246, 251, 258, 270, 307, 321, 330, 350 – als Verzerrungsfreiheit 31 f. – im verteilungspolitischen Sinn 38 f. – intersektorale Neutralität 36, 201, 235 – intertemporale Neutralität 37, 109, 192–194, 200, 230, 243, 258 – Investitions- und Finanzierungsneutralität 35 f., 109, 126, 201 f., 204, 211, 272 – Rechtsformneutralität siehe dort – Verwendungsneutralität 36 f., 110 – Wettbewerbsneutralität siehe dort Neutralitätsverletzung 32, 209 f., 225, 230–232 Nominalwert 123, 207 Nullzone 115, 137, 270, 330 obere Progressionszone 74 obere Proportionalzone 60, 74 f., 288 Oldenburg 66, 69 optimal tax theory siehe Theorie der optimalen Besteuerung optimale Steuer 29, 33, 174; siehe auch Theorie der optimalen Besteuerung Österreich 26, 192 Pauschalsteuer 118, 225; siehe auch Kopfsteuer Pauschbetrag 103, 146, 227, 241, 305, 307 f., 314, 316–320, 340 f.; siehe auch Werbungskosten-Pauschbetrag Pensionen 84 f., 87, 196, 336 f.
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Personen- und Sachwortregister
Person – juristische siehe juristische Person – natürliche siehe natürliche Person – steuerjuristische siehe steuerjuristische Personen Personengesellschaft 40, 56, 94, 112, 126 f., 136, 230, 242, 250, 350 – einkommensteuerliche Transparenz 56, 126, 242 persönliche Aufwendungen 55 f., 86, 102 f., 266, 327 f., 331, 342 f. persönliche Ausgabensteuer 52, 299 f. Pflegeversicherung 94, 110, 181, 333, 338 phasing out 76 Pigou-Steuern 34, 233 Polen 101 poll tax siehe Staatsbürgersteuer Portfolio 92, 121 Postkarte 84, 98, 226, 237 f., 241, 273 Prepayment-Ansatz siehe vorgelagerte Besteuerung Preußen 66, 69, 79 private Vermögensverwaltung 86, 244, 263 Produktionsfaktoren 55, 96 Progression 46, 54, 57–61, 64 f., 67 f., 78, 80, 84 f., 97, 100, 116 f., 129, 121 f., 130, 133, 135, 140, 144, 147, 156–163, 167, 170–173, 177 f., 182, 184, 186–191, 237, 283, 286, 349; siehe auch Steuertarif – beschleunigte Progression 60 f. – direkte Progression 58 f., 75, 95, 105, 115 f., 118, 120–138, 140 f., 149, 152, 167, 169, 179, 182, 184 f., 187, 190, 283–292 – indirekte Progression 58 f., 84, 86, 95, 97 f., 111, 115 f., 118, 123, 130, 132, 138, 140, 146, 149–151, 182, 184, 187, 190, 239, 282–284, 286–289, 292, 332, 349
– „kalte“ Progression 141, 146–149, 243 – lineare Progression 60, 75 f., 107, 138 – verzögerte Progression 60 f. Progressionsvorbehalt 130–132, 135, 150 Progressionszone 74 f., 100 f.; siehe auch obere/untere Progressionszone proportionaler Steuertarif siehe unter Steuertarif Proportionalzone 115, 270; siehe auch obere/untere Proportionalzone Quellenbesteuerung 86, 105 f., 127 f., 227, 240, 247 f., 274, 312, 343, 345 Quellensteuerabzug siehe Quellenbesteuerung Quellentheorie 49 f., 67–70, 216 R+F-Typ 89 R-Typ 88–91, 190, 194, 202, 212, 251, 272, 274, 348 Rabushka, Alvin 26, 58, 80–82 Reagan, Ronald W. 78 Reagan’sche Steuerreform 78 f., 81 Realisation siehe Realisierung Realisierung 50 f., 123, 134, 196, 211, 222 f. realwirtschaftliche Transaktionen 88–90, 95, 201 Rechtsform 37–40, 56, 87 f., 126 f., 151, 229, 330 Rechtsformneutralität 37–40, 126 f., 205, 212, 229 f., 241, 282, 294, 350 f. Regression 57 , 60 f., 156 f., 160–162, 167–169, 181 f., 218 f.; siehe auch Steuertarif – indirekte Regression 58, 60, 182 Reichensteuer 77 Reinvermögenszugangstheorie 49 f., 69 f., 216 Rente 77, 106, 196, 333, 335–337 – Rieser-Rente 200 f. – Rürup-Rente 200 f.
Personen- und Sachwortregister Rentenversicherung 85, 181, 200, 333, 335–337 Ressourcen 30–32, 41, 129, 238, 274 – Allokation 30–32, 35, 110; siehe auch Allokation von Ressourcen – Fehlallokation 117 – Lenkung 31 – Verbrauch 41 – Verschwendung 41 Riskio 126, 139, 173 f., 265 f. Risikobereitschaft 126 Rose, Manfred 103, 111 f., 114 Rumänien 99 Ruppe, Hans Georg 51 Russland 99 f. S-Typ 89, 109 Sachgerechtigkeit 43, 142, 220, 303, 326 Sachsen 66, 69 scheduläre Einkommensteuer 55, 89, 231, 241, 325, 344 f. Schedulensystem siehe scheduläre Einkommensteuer Schutzzinsen 102, 113 Schwankungsprogressionseffekt 122 selbstständige Tätigkeit 65, 72, 88, 112, 238, 268 f., 293, 338 Selbstveranlagung 98 Serbien 99 Shelby, Richard 82 f., 98 Slowakei 99 Smith, Adam 27–30 – Besteuerungsmaximen 27–30, 153 Sofortabzug 82, 113, 194, 201, 203, 243, 255–258, 268, 279, 350 Sonderabschreibungen 73, 114, 211 – für Fabrik- und landwirtschaftliche Betriebsgebäude 73 – für Schiffe 73 – für Wohngebäude 73 Sonderausgaben 70, 86, 102 f., 200, 224, 241, 279, 311, 328, 331–333, 339, 342
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Sonderbedarf 110 Sonderbestimmungen 65, 78, 94, 114, 121, 130, 134 f., 138, 209, 211, 230, 232 f., 235, 254 f., 260, 266, 279, 307 Sonderfreibetrag 74 Sonderregelungen siehe Sonderbestimmungen Sondertatbestände siehe Sonderbestimmungen Sozialausgleichsbetrag 107 Sozialstaat 48, 152, 169, 173, 184, 187 Sozialstaatsprinzip 170, 283, 289–292, 328 Sparbereinigung 52 f., 97, 109, 193, 213, 220, 293, 299, 335 f. Sparen 36 f., 51 f., 96, 109 f., 121, 143, 165, 191, 193–195, 197–201, 211 f., 215 f., 217–222, 300 Sparer-Freibetrag 76 f., 114, 196, 204, 207, 211 Spitzensteuersatz siehe Grenzsteuersatz Splitting 74, 125, 130, 132, 135, 332 Staatsbürgersteuer 33 Standardzinssatz 110 Steuerbemessungsgrundlage 47–49, 54– 58; 60–63, 97, 122, 158; siehe auch unter Einkommensteuer Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 76, 242 Steuererklärung 92, 234, 249 f., 310, 312, 330, 339, 342, 345 – per Postkarte 84, 98, 226, 237 f., 241, 273 Steuergegenstand siehe Steuerobjekt Steuergerechtigkeit siehe auch Gerechtigkeit – horizontale Steuergerechtigkeit 40, 44–46, 56, 141, 149–152, 169, 190, 212 f., 226, 231, 235, 283, 294, 349 – vertikale Steuergerechtigkeit 44–47, 64, 141, 152, 184, 190, 212, 217, 226, 283, 285 Steuerhinterziehung 121, 138 f., 202, 273
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Personen- und Sachwortregister
steuerjuristische Personen 106 f. Steuermoral 41 f., 116, 128, 138 Steuerobjekt 47, 49–56, 63, 84, 88, 212, 214, 296, 300 Steuerpflichtiger 28, 30–32, 34, 37, 41, 45 f., 51–56, 64, 70–75, 86 f., 98, 101, 103, 105, 108, 110, 116–125, 127, 129–135, 138–143, 145, 147–149, 151, 157 f., 166, 168, 179, 187, 191, 193 f., 200, 211, 213–215, 217, 219, 221, 225–231, 233–235, 237 f., 240 f., 243, 245, 247, 251–254, 256, 259, 261–265, 266–268, 270, 272, 278– 283, 286 f., 299 f., 304, 309–311, 313– 317, 319, 321 f., 326–330, 333–336, 348 f., 341, 343, 345, 350 Steuerpolitik 34, 38, 40 f., 83, 174, 180 Steuerrecht – Reformbedarf 25 – Systemhaftigkeit 29, 312 Steuersatz 53 f., 65, 68 f., 78 f., 81–85, 90, 98–101, 107, 115, 117 f., 121, 124 f., 127–131, 137, 139, 148, 161, 186, 189, 197, 202, 205, 210, 223 f., 240 f., 253, 270, 277–279, 284, 289, 315, 320, 349 – durchschnittlicher Steuersatz 57–62, 65, 68, 72, 129, 132, 134, 213, 278 f., 281, 284, 288 – Eingangssteuersatz 70–72, 75 f., 100 – einheitlicher Steuersatz siehe Einstufen-Steuer – erdrosselnder Steuersatz 67 – ermäßigter Steuersatz 134 – Grenzsteuersatz 57–62, 74 f., 77, 116, 118 f., 121, 129 f., 132, 137, 139, 149 f., 189, 197, 199, 271, 279, 281, 284, 288 – marginaler Steuersatz siehe Grenzsteuersatz – Nominalsteuersatz 68
– progressiver Steuersatz siehe unter Steuertarif – proportionaler Steuersatz siehe unter Steuertarif – Spitzensteuersatz siehe Grenzsteuersatz Steuerschlupfloch 78, 129 Steuerschuld 28, 31, 42, 56 f., 68, 74, 92, 109, 122, 137, 139, 145, 149, 155, 179, 228, 240, 252, 256 f., 266 f., 270 f., 279, 295, 311, 326, 346 f., 348, 350 Steuersubjekt 40, 49, 56, 94, 105, 107 f., 112 f., 136, 142, 230, 242, 250, 271, 296 Steuersystem 27, 38, 41 f., 45, 70, 83 f., 101 f., 125, 139, 183, 202, 310, 348 – Effizienz 48 – Gerechtigkeit 28, 42 f., 48, 151, 170, 173, 179 f., 224, 228 – Komplexität 25, 116, 128, 130, 136, 138, 140, 211, 224, 228, 235, 251, 273 – Neutralität 34–36, 204, 210, 228, 251, 307, 330 – nichtverzerrendes Steuersystem 31–33 Steuertabelle 62, 71 Steuertarif 46 f., 49, 57–64, 71, 123, 130, 137, 145, 160, 185, 189, 283 – Anstoßtarif 61 f., 69, 71 – Formeltarif 61–63, 73 f., 138 – Gesamtmengenstaffelung 61 – progressiver Steuertarif 46, 54, 57–61, 64 f., 67 f., 69, 78, 80, 84 f., 97, 100, 111, 116 f., 119, 121 f., 130, 133, 135, 140, 144, 147, 156–163, 167, 170– 173, 177 f., 182, 184, 186–191, 237, 283, 286, 349 – proportionaler Steuertarif 26, 57 f., 60, 70, 80, 82–84, 103 f., 106, 111, 125 f., 133, 135 f., 138, 141, 151, 156 f., 161 f., 173, 178, 184, 187 f.,
Personen- und Sachwortregister 190, 201, 227, 237–239, 241, 271, 283 f., 287, 291, 349 – regressiver Steuertarif 57, 60 f., 156 f., 160–162, 167–169, 181 f., 220 f – Stufenbetragstarif 61, 68 – Stufensatztarif 61 – Stufentarif 61 f., 107 – Teilmengenstaffelung 61 Steuerumgehung 121, 128, 139 Steuerwiderstand 33, 41 f. Stipendien 94 Stufenbetragstarif 61, 68 Stufensatztarif 61 Stufentarif 61 f., 107 Substitutionseffekt 117, 119, 177, 195 f., 226 Subtraktionsmethode 97, 252 synthetische Einkommensteuer 29, 55, 231, 327 Tarif siehe Steuertarif Teilmengenstaffelung 61 Theorie der optimalen Besteuerung 33 Thesaurierung 36, 100, 109 f., 209 Transaktionen – beteiligungsbezogene 88–90 – finanzwirtschaftliche 88–90, 92 – realwirtschaftliche 88 f. Transferzahlung 59 f., 155 Transparenz 29 f., 41 f., 128, 138, 226, 240, 310–313, 320, 339 – von Personengesellschaften 56 Überschusseinkünfte 105, 108, 144 Ukraine 99 Umsatzsteuer 39, 52, 61, 95, 97, 100, 168 f., 223 f., 247, 258, 295, 298, 348 Umsatzsteuerbefreiung 39 Umsatzsteuergesetz siehe UStG Umverteilung 38, 65, 68, 152, 155, 169 f., 173–183, 289–291, 300 Unfallversicherung 85, 94, 110, 333
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Ungarn 101 Ungleichbehandlung 32, 127, 143–145, 151, 205 f., 214, 222, 231, 259, 269, 292, 315, 324, 326, 343, 345 f., 350 untere Progressionszone 74 untere Proportionalzone 74 f., 148 Unterhalt 110, 125, 136, 226, 328 f., 332 f., 340 Unternehmen 52, 54, 56, 84, 87, 89–92, 94, 96 f., 105, 109, 112 f., 127, 151, 203–205, 209, 229, 231, 239, 241 f., 249–251, 255–259, 262, 266–269, 272–277, 295, 321, 329 f., 345 f., 351 Unternehmensseite der Besteuerung 84, 102, 109, 112, 194, 201, 250 Unternehmenssteuer 87 f., 90–94, 98, 102, 127, 135, 238, 246, 258, 269 f., 329, 343 f. Unternehmer 37, 91, 96, 112 f., 204, 230 f., 237 f., 242, 245, 249, 252, 254, 256 f., 260, 266, 269 f., 282, 295, 307, 321 f., 326, 330, 345–347 UStG 93 Veranlagungszeitraum 56, 96, 110 f., 122, 132 f., 212 f., 219, 226, 229, 231, 234, 253–258, 305, 323 f., 326, 343, 345 f. Verbrauchsteuer 61, 295 Vereinfachung 62, 75, 78, 81, 115, 138, 205, 224, 226–228, 237–243, 273, 282, 294, 303, 308, 310–315, 324, 342 f., 350 f. Vereinfachungspauschale 107 Vereinigte Staaten von Amerika 25, 66, 77, 79–81, 83, 85, 95, 98, 103, 121, 189, 192, 199, 224, 278, 350 Verhaltenslenkung siehe Lenkungswirkung Verkürzungsprogressionseffekt 122–124, 141, 146 Verlust 56, 87, 91–93, 97, 119, 122, 129, 135, 145, 163, 203, 229–231, 242,
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Personen- und Sachwortregister
246, 250, 255, 269, 272 f., 276, 322– 324, 326 f., 330, 348, 351 Verlustausgleich 56, 110, 144, 201 f., 229 f., 322–327, 330, 351 Verlustrücktrag 87, 110, 229, 231, 322– 324 Verlustvortrag 87, 91, 110, 229, 231, 244, 246, 255, 272, 276 f., 322–324, 326, 348, 351 Verlustzuweisungsgesellschaft 122, 230 Vermietung und Verpachtung 88, 238 Vermögen 35, 46 f., 50 f., 55, 120, 158, 170, 172, 174, 178, 182, 189, 206, 211, 217–221, 243, 246, 275, 282, 293, 300, 333 Vermögensteuer 182, 218, 300, 334 Vermögensverwaltung 86, 244, 263 Versicherung 92–94, 110 Verteilungsgerechtigkeit 35 Verwendungsneutralität 36 f., 110 Verzerrungen 31 f., 34, 122, 144, 233, 240, 307; siehe auch Zerrwirkungen Verzerrungsfreiheit 31 f. von Aquin, Thomas 47, 152 von Schanz, Georg 50 Vorauszahlungen 92, 145, 345, 347 vorgelagerte Besteuerung 53, 335– 338 Weimarer Reichsverfassung 67, 69, 284, 339 Weißrussland 101 Weltkrieg – Erster Weltkrieg 67–70, 78 – Zweiter Weltkrieg 67, 71, 78
Werbungskosten 76, 86, 102, 203, 224, 241, 269, 279, 281, 301, 311, 313 f., 316–319, 325, 333, 339 f. Werbungskosten-Pauschbetrag 76, 269, 316–319 Wettbewerbsneutralität 29, 37–39 wirtschaftliche Leistungsfähigkeit siehe Leistungsfähigkeit Wissenschaftlicher Beirat beim BMF 104, 113 f., 118, 278, 280, 315, 320 Wohngeld 94, 181 Württemberg 69 Zahlungsstrom 88 f., 95, 205, 207–210, 249, 258, 266, 278, 348 Zerrwirkungen 121, 140, 144 f., 210 – internationale Zerrwirkungen 122, 125 – interpersonale Zerrwirkungen 122, 124 f., 272 – intertemporale Zerrwirkungen 121– 124 Zinsbereinigung 52 f., 86, 96, 102, 193 f., 209, 213, 218, 220, 223, 248, 293, 299 f., 335–338, 350 Zinsen 52 f., 77, 86, 89–91, 93–95, 102, 106, 109, 112, 121, 193 f., 197 f., 202– 204, 206, 211, 213 f., 216, 240, 248, 250–252, 259–262, 264, 273, 277, 282, 294, 299, 301, 320–322, 335 f. – Steuerfreistellung 53, 202, 208, 215, 259, 294, 321 f., 335 f. Zusatzkosten siehe Zusatzlast Zusatzlast 30, 32, 34, 41 Zweiter Weltkrieg 67, 71, 78 Zweiverdienerehe 120, 122