Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter 9783110482386, 9783110468670, 9783110481679

The Dominican Order is generally considered the preeminent monastic order of the medieval era, not only for its intellec

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German Pages 631 [632] Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
Abkürzungen und Siglen
Grußwort des Provinzials der Dominikanerprovinz Teutonia
Vorwort
Einleitung
Teil 1: Innovation und Tradition
Ketzerverfolgung, Predigt und Seelsorge – Die Dominikaner in der Stadt
Die Dominikanerinnen – ein Überblick
Mönche der Märkte und Messen. Zur Wahrnehmung und Deutung von Predigern und Städten im späteren Mittelalter
Im toten Winkel der Geschichte: Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien 1233/34–1237
Vom Stiften des Gemeinsinns und Gründen der Gemeinschaft: Textuelle Diskurspraktiken in den Ordensgründerlegenden des Dominikus
Die Errichtung der Ordensprovinz Germania Inferior („Niederdeutschland“) 1515: Neuordnung der dominikanischen Territorialstruktur
Anhang: Leo Papa X: Decet romanum pontificem
Teil 2: Wissen ist Macht
Die Stellung des Studiums im frühen Predigerorden vor dem Hintergrund seiner Gründung aus der Chorherrentradition
Sensus litteralis ad Psalmos et Prophetas. Die Anweisung der Ältesten Konstitutionen der Dominikaner in den Schriften des Hugo von St. Cher, Albertus Magnus und Thomas von Aquin
Predigerbrüder im Bienenstock des Herrn. Dominikanische Identitäten im „Bienenbuch“ des Thomas von Cantimpré
Die deutsche Dominikanerschule und Eckharts Verurteilung: der Fall Heinrich Seuse
Die dominikanische Prägung des ‚Lehrsystems‘ der deutschen Mystik
Teil 3: Hören und Sehen
Ein Konvent im Spiegel seines Chorbuchs. Das Lektionar der Regensburger Dominikanerinnen
Identitätsstiftung und Repräsentation bei den Lübecker Dominikanern. Neue Studien zum Burgkloster in der Hansestadt
Genealogie und Charisma. Imaginationen dominikanischer Verwandtschaften im Spätmittelalter
Die Ausstattung von St. Johann in Dortmund. Multimediale Glaubensverkündigung und Marienverehrung der Dortmunder Dominikaner im Spätmittelalter
Zur bildlichen Darstellung eines Formicarius-Exempels. Der illusionistische Hexenflug im Titelholzschnitt zu Geilers Predigt „Am mitwoch nach Reminiscere. Von den Unholden oder von den Hexen“, 1516
Teil 4: Das Eigene und das Fremde
Konsens, Konflikt, päpstlicher Eingriff. Die ‚Säuberungsaktion‘ in der Teutonia 1330–1334
Archivio Segreto Vaticano: Dokumente von Papst Johannes XXII. Zum Konflikt in der Teutonia 1330–1334
Konflikt und Konsens. Der Streit um das Dortmunder Dominikanerkloster 1309 – 1330
Maria Magdalena oder Katharina als Patrozinien von Dominikanerinnenklöstern – arm oder reich?
Paulus, Maria, Johannes, Maria Magdalena und Katharina von Alexandrien. Vorbilder für Kontemplation und Apostolat
Magdalena Kremerin und ihr Umgang mit der Mystik in Zeiten der Observanz
Deutsche Dominikaner im Kampf gegen Dämonen, Ketzer und Hexen
Farbtafeln
Abbildungsnachweise
Register
Bibelstellen
Handschriften und Archivalien
Orte, geographische Begriffe
Personen
Sachen
Recommend Papers

Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter
 9783110482386, 9783110468670, 9783110481679

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Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Neue Folge Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Walter Senner OP (Federführender Herausgeber) Thomas Eggensperger OP Kaspar Elm Paul Dominikus Hellmeier OP Ulrich Horst OP Klaus‑Bernward Springer

Band 21

Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter Herausgegeben von Sabine von Heusinger, Elias H. Füllenbach OP, Walter Senner OP und Klaus-Bernward Springer

ISBN 978-3-11-046867-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-048238-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-048167-9 ISSN 0942-4059 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Frontispiz: Initiale hl. Dominikus: Köln, Dombibliothek, Codex 1150 (Graduale Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud Köln), fol. 207r

Inhalt Abkürzungen und Siglen | XI  Johannes Bunnenberg OP Grußwort des Provinzials der Dominikanerprovinz Teutonia | XV  Sabine von Heusinger, Elias H. Füllenbach OP, Walter Senner OP, Klaus-Bernward Springer Vorwort | XVII  Klaus-Bernward Springer und Walter Senner OP   Einleitung | XIX 

Teil 1:  Innovation und Tradition   Sabine von Heusinger   Ketzerverfolgung, Predigt und Seelsorge – Die Dominikaner in der Stadt | 3  Sigrid Hirbodian   Die Dominikanerinnen – ein Überblick | 21  Andreas Rüther   Mönche der Märkte und Messen. Zur Wahrnehmung und Deutung von Predigern und Städten im späteren Mittelalter | 37  Nedim Rabić   Im toten Winkel der Geschichte: Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien 1233/34–1237 | 53  Matthias Standke   Vom Stiften des Gemeinsinns und Gründen der Gemeinschaft: Textuelle Diskurspraktiken in den Ordensgründerlegenden des Dominikus | 71  Guus Bary   Die Errichtung der Ordensprovinz Germania Inferior („Niederdeutschland“) 1515: Neuordnung der dominikanischen Territorialstruktur | 97  Anhang: Leo Papa X: Decet romanum pontificem | 115 

VIII | Inhalt

Teil 2:  Wissen ist Macht   Paul D. Hellmeier   Die Stellung des Studiums im frühen Predigerorden vor dem Hintergrund seiner Gründung aus der Chorherrentradition | 123  Susana Bullido del Barrio   Sensus litteralis ad Psalmos et Prophetas. Die Anweisung der Ältesten Konstitutionen der Dominikaner in den Schriften des Hugo von St. Cher, Albertus Magnus und Thomas von Aquin | 143  Julia Burkhardt   Predigerbrüder im Bienenstock des Herrn. Dominikanische Identitäten im „Bienenbuch“ des Thomas von Cantimpré | 183  Fiorella Retucci   Die deutsche Dominikanerschule und Eckharts Verurteilung: der Fall Heinrich Seuse | 207  Maxime Mauriège   Die dominikanische Prägung des ‚Lehrsystems‘ der deutschen Mystik | 225 

Teil 3:  Hören und Sehen   Christina Andrä   Ein Konvent im Spiegel seines Chorbuchs. Das Lektionar der Regensburger Dominikanerinnen | 263  Serafine Christine Kratzke   Identitätsstiftung und Repräsentation bei den Lübecker Dominikanern. Neue Studien zum Burgkloster in der Hansestadt | 273  Livia Cárdenas   Genealogie und Charisma. Imaginationen dominikanischer Verwandtschaften im Spätmittelalter | 301  Vera Henkelmann   Die Ausstattung von St. Johann in Dortmund. Multimediale Glaubensverkündigung und Marienverehrung der Dortmunder Dominikaner im Spätmittelalter | 335 

Inhalt | IX

Judith Venjakob   Zur bildlichen Darstellung eines Formicarius-Exempels. Der illusionistische Hexenflug im Titelholzschnitt zu Geilers Predigt „Am mitwoch nach Reminiscere. Von den Unholden oder von den Hexen“, 1516 | 363 

Teil 4: Das Eigene und das Fremde   Walter Senner OP   Konsens, Konflikt, päpstlicher Eingriff. Die ‚Säuberungsaktion‘ in der Teutonia 1330–1334 | 383  Archivio Segreto Vaticano: Dokumente von Papst Johannes XXII. Zum Konflikt in der Teutonia 1330–1334 | 402  Ursula Overhage   Konflikt und Konsens. Der Streit um das Dortmunder Dominikanerkloster 1309– 1330 | 421  Sabine Schmolinsky   Maria Magdalena oder Katharina als Patrozinien von Dominikanerinnenklöstern – arm oder reich? | 429  Klaus-Bernward Springer   Paulus, Maria, Johannes, Maria Magdalena und Katharina von Alexandrien. Vorbilder für Kontemplation und Apostolat | 443  Stefanie Monika Neidhardt   Magdalena Kremerin und ihr Umgang mit der Mystik in Zeiten der Observanz | 481  Peter Segl   Deutsche Dominikaner im Kampf gegen Dämonen, Ketzer und Hexen | 499  Farbtafeln | 531  Abbildungsnachweise | 575  Register   Bibelstellen | 581  Handschriften und Archivalien  | 582  Orte, geographische Begriffe  | 583  Personen  | 590  Sachen  | 600

 

Abkürzungen und Siglen †

Gestorben

a.

articulus

a.a.O.

am angegebenen Ort, im selben Werk und ggf. Band

A.D.

Anno Domini

a.M.

am Main

a.S.

an der Saale

Abb.

(Schwarz-weiß-) Abbildung im Abbildungsteil

Abh.

Abhandlungen

ACG

Acta Capitulorum Generalium Ordinis Praedicatorum, ed. Benedictus Reichert, 9 Bde., Roma 1898–1904

add.

addit – im textkritischen Apparat für Zufügung

AFP

Archivum Fratrum Praedicatorum, 1931–

AKuG

Archiv für Kulturgeschichte, 1903–

Anm.

Anmerkung

AÖG

Archiv für österreichische Geschichte, 1856–

ASV

Archivio Segreto Vaticano

BAV

Biblioteca Apostolica Vaticana

Bd., Bde.

Band, Bände

Bearb.

Bearbeiter-in, bearbeitet von

Beih.

Beiheft

Br.

Breisgau

BSB

Bayerische Staatsbibliothek (München)

c.

capitulum

Cal.

California

CChr SL

Corpus Christianorum Series Latina, Turnhout 1953–

Cgm

Codex germanicus Monacensis = deutsche Hs. der BSB

Cod.

Codex, Handschrift

Const. Ant.

Constitutiones antiquae Ordinis Praedicatorum, ed. Antonin Thomas, Leuven 1965

corr.

correxit– im textkritischen Apparat für Korrektur

CUP

Chartularium Universitatis Parisiensis, ed. Émile Châtelain u. Heinrich S. Denifle, 4 Bde., Paris 1889–1897

d.

distinctio

d.h.

das heißt

DA

Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, 1937–

del.

delevit – im textkritischen Apparat für Tilgung

ders.

derselbe (Autor u.s.w.)

XII | Abkürzungen und Siglen

dies.

dieselbe (Autorin u.s.w.)

Diss. hist.

Dissertationes historicae, Institutum Historicum OP, Roma 1931–

DQZ

Dominikanische Quellen und Zeugnisse, Leipzig 2000–

ebd.

ebenda (Werk u. Seite identisch)

ed.

Editor/in, ediert von

Ep.

Epistula, Brief

erl.

erläutert von

f.

folgende/r (Seite, Folio, Spalte u.s.w.)

fol.

Folio (bei Blattzählung)

fr.

Frater, Ordensbruder

franz.

französisch

ggf.

gegebenenfalls

Hrsg., hrsg.

Herausgeber/in, herausgeben von

Hs.

Handschrift

HStA

Hauptstaatsarchiv

Jh., Jhs.

Jahrhundert, Jahrhunderts

LiLi

Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 1971–

LMA

Lexikon des Mittelalters, 9 Bde., München [u.a.] 1980–1998

LThK3

Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl. 11 Bde., Freiburg Br. 1993–2001

MGH

Monumenta Germaniae historica

MGH SS rer. Germ.

Monumenta Germaniae historica, Scriptores rerum Germanicarum, Hannover [u.a.] 1826–

MM

Miscellanea Mediaevalia, Berlin 1962–

MOPH

Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica, Roma [u.a.] 1896–

Ms.

Manuskript, Handschrift

N. N.

Nomen nominandum

NDB

Neue Deutsche Biographie, 22 Bde., Berlin 1953–2005

NF

Neue Folge

Nr.

Nummer

o. J.

ohne Jahr

o. O.

ohne Ort

OCist

Ordo Cisterciensium, Zisterzienserorden

OFM

Ordo Fratrum Minorum, Franziskanerorden

om.

omittit – im textkritischen Apparat für Auslassung

OP

Ordo (Fratrum) Praedicatorum, Dominikanerorden

OSB

Ordo Sancti Benedicti, Benediktinerorden

PL

Patrologia Latina, Paris 1841–1864

Praed.

Praedicatores

PTS

Patristische Texte und Studien, Berlin 1948–

Abkürzungen und Siglen | XIII

q.

Quaestio

QF

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Leipzig [u.a.] 1907–1952, NF Berlin 1992–

Reg. Aven.

Registrum Avenionense (Nr.) im Archivio Segreto Vaticano

Reg. Vat.

Registrum Vaticanum (Nr.) im Archivio Segreto Vaticano

RGG4

Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Aufl., 8 Bde., Tübingen 1998–2007

S.

Seite

s.o.

siehe oben

s.u.

siehe unten

Sang.

Sangallensis (Hs. der Stiftsbibliothek St. Gallen)

SOMA

Kaeppeli, Thomas: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi, Bd. 1–4, Roma 1970–1993.

Sp.

Spalte

t.

tomus, Band

theol.

theologisch

u.a.

und andere; in [Klammern] wenn nicht (auf Titelblatt) genannt.

u.ö.

und öfter, passim

Übers.

Übersetzer-in, übersetzt von

Ue.

Uechtland

usw.

und so weiter

vgl.

vergleiche

VL

2

Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, 2. Aufl. 14 Bde., Berlin 1978–2008

Wf.

Westfalen

z.B.

zum Beispiel

Grußwort des Provinzials der Dominikanerprovinz Teutonia Es gibt nur wenige Institutionen, die auf 800 Jahre zurückblicken können. Ich meine, eine Geburtstagsfeier dürfe in diesem Fall etwas umfangreicher ausfallen. Alle gewünschten Formen des Gedenkens in ein Jahr hineinzuzwängen, würde unsere Kräfte im Orden, aber auch die Wahrnehmung in Kirche und Gesellschaft überfordern. So ist der Orden schon seit dem Generalkapitel von Bogotá im Jahre 2007 auf dem Weg, um in angemessener Weise die 800 Jahre seines Bestehens 2016 in den Blick zu nehmen. Ein zweiter Anlass für die Ausdehnung: Es gibt mehrere Gründungsakte. Die Dominikanerinnen konnten bereits 2007 auf 800 Jahre Geschichte zurückblicken; das Datum, auf das die Brüder Bezug nehmen, ist die erste päpstliche Bestätigung im Dezember 1216. So ist die Idee einer Novene, die sich auf neun Jahre erstreckt, entstanden. Wir befinden uns im letzten Drittel, sozusagen auf der Zielgeraden. Das Generalkapitel (Bogotá 2007) spricht von einer „Pilgerfahrt zu unseren Wurzeln“ mit der Absicht, in der Anknüpfung an den Ursprung das eigene Charisma zu erneuern. Das Jubiläum wird in vielfacher Weise begangen: Es gibt bereits eine Jubiläumshymne, es werden Wallfahrten an historische Orte unternommen, Ausstellungen geplant und wie hier wissenschaftliche Tagungen abgehalten. Ich bin sehr froh und dankbar, dass Frau Prof. von Heusinger die Initiative ergriffen hat und diese Konferenz organisiert hat. Seitens des Ordens hat sie P. Prof. Dr. Walter Senner vom Angelicum in Rom und P. Elias Füllenbach sowie Dr. KlausBernward Springer vom „Institut zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum“ hinzugezogen. So ist das ansprechende und anspruchsvolle Programm entstanden, das uns in diesen Tagen erwartet. Köln ist für diese Konferenz ein sehr geeigneter Ort. 1221 wurde in Köln der erste Konvent errichtet. 1248 kam Albert der Große nach Köln, um ein Generalstudium aufzubauen. Nicht zufällig steht seine Gestalt vor dem Haupteingang der Universität. 1998 haben wir der Gründung des studium generale in einer Ausstellung im Stadtmuseum gedacht. P. Walter Senner hatte sie organisiert und ihr den klangvollen Titel gegeben: „Blühende Gelehrsamkeit“. Diese Gelehrsamkeit blüht im Orden fort, aber eben auch bei vielen Wissenschaftlern, die sich mit dem Orden befassen. Ich bin erstaunt, wenn ich das Programm anschaue, wer sich alles mit dominikanischer Geschichte befasst. Ich bedanke mich bei allen, die diese Tagung vorbereitet haben, bei allen, die etwas dazu beitragen – inhaltlich und materiell. Ich wünsche uns viele neue Erkenntnisse und hilfreiche Anregungen. P. Dr. Johannes Bunnenberg OP, Provinzial

Vorwort Das Jubiläum der 800jährigen päpstlichen Bestätigung der Predigergemeinschaft des Dominikus ist ein international bedeutendes Ereignis, denn aus einer lokalen Kommunität wurde der in ganz Europa und darüber hinaus verbreitete Orden der Predigerbrüder. Schon zuvor hatte sich in Prouilhe eine Schwesterngemeinschaft gebildet, der zahlreiche Gründungen von Frauenklöstern folgten, die sich – manchmal nicht ohne Schwierigkeiten – dem Predigerorden anschlossen. Im deutschen Sprachraum entstanden die mit 95 Konventen größte Ordensprovinz Teutonia und ab 1303 die am weitesten ausgedehnte Saxonia sowie zahlreiche Schwesternklöster. Als überregionaler religiöser Personenverband eines neuen Typs gab sich der Dominikanerorden eine Satzungsstruktur, die nicht nur für andere Ordensgemeinschaften, sondern auch für den weltlichen Bereich zum Vorbild wurde. In jüngerer Zeit ist die Ordensgeschichte Gegenstand zahlreicher, jedoch verstreuter Forschungen geworden. Die Initiative zu einer interdisziplinären Tagung ging von Prof. Dr. Sabine von Heusinger aus, die eine Vernetzung der aktuellen Forschung zur Geschichte des Ordens im deutschen Sprachraum voranbringen wollte. Zeitgleich gab es seitens der Dominikaner-Provinz Teutonia umfassende Überlegungen zur Vorbereitung des 800jährigen Ordensjubiläums – und so konnte ein gemeinsames Tagungs- und Publikationsprojekt entstehen, das seither durch die Provinz auf vielfältige Weise gefördert wird. Tatkräftige Unterstützung fand das Vorhaben von verschiedenen Seiten: Die Tagung wurde durch Grußworte des Ordensprovinzials P. Dr. theol. Johannes Bunnenberg OP sowie durch den Dekan der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Stefan Grohé, eröffnet. Räumlichkeiten und Infrastruktur stellten die Universität zu Köln und vor allem die Philosophische Fakultät für die Tagung bereit; die Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln beherbergte den Abendvortrag und lud zu einem anschließenden Empfang ein. Die Dominikanerkommunität an St. Andreas öffnete die Kirche für ein Konzert mit Musik aus dem Dominikanerinnenkloster Paradies bei Soest und lud danach zum Umtrunk. Dem Ensemble ARS CHORALIS COELN unter der Leitung von Maria Jonas danken wir für das Konzert, das von dem Förderkreis Albertus-Magnus-Stiftung e. V. maßgeblich unterstützt wurde. Ohne die finanzielle Hilfe der folgenden Institutionen, die wir alphabetisch auflisten, hätte die Tagung nicht stattfinden können: Wir danken dem Dominikanerkonvent Hl. Kreuz, dem Erzbistum Köln, KölnAlumni – Freunde und Förderer der Universität zu Köln e.V., dem Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds sowie der Otto Wolff Stiftung für die großzügige Förderung. Dieses Buch wurde mit freundlicher Unterstützung des Gymnasial- und Stiftungsfonds Köln und der DominikanerOrdensprovinz Teutonia gedruckt. Während der Tagung sorgte das Lehrstuhlteam von Frau Prof. von Heusinger gemeinsam mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Düsseldorfer Domi-

XVIII | Vorwort

nikanerkonventes für einen reibungslosen Ablauf. Wir danken außerdem den beteiligten Kolleginnen und Kollegen Dr. Julia Bruch, Profes. Dres. Gisela Muschiol, Andreas Speer und Susanne Wittekind für die Leitung der einzelnen Sektionen und allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen für lebhafte Diskussionen. Einen gelungen Abschluss fand die Tagung in zwei außergewöhnlichen Führungen: Dr. Letha Böhringer erkundete auf den Spuren der Dominikaner die Stadt Köln und Dr. des. Tobias Kanngießer führte durch die Ausstellung „Die Heiligen Drei Könige – Mythos, Kunst und Kult“ im Schnütgen-Museum. Die Klosterkarten verdanken wir Frau Eva Cersovsky vom Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters / Schwerpunkt Spätmittelalter der Universität zu Köln. Auf Verlagsseite waren Dr. theol. Albrecht Döhnert und Stefan Selbmann sowie Florian Ruppenstein uns eine wichtige Hilfe. Coloniae, in festivitate sancti Alberti Magni, die 15° mensis Novembris anno Domini 2015

Sabine von Heusinger Elias H. Füllenbach OP Walter Senner OP Klaus-Bernward Springer

Klaus-Bernward Springer und Walter Senner OP

Einleitung Das Jubiläum der 800jährigen päpstlichen Bestätigung der Predigergemeinschaft des Dominikus vom 22. Dezember 1216 ist ein Anlass zum Feiern und zum Rückblick auf diese lange Geschichte – ein Rückblick, der auch eine Orientierungshilfe für den Ausblick auf neue Herausforderungen und die identitätsstiftende Kontinuität im Wandel sein soll. Das Jubiläum ist nicht nur für den Orden selbst relevant, sondern auch für die ganze Kirche, in der Predigerbrüder und Predigerschwestern tätig wurden. Das 800 Jahre zurückliegende Gründungsgeschehen war und ist gleichfalls von Bedeutung für Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur. Die dominikanische Predigt dient der Glaubensvertiefung der Getauften, der Information und Überzeugung religiös ‚Abweichender‘ und der Mission bis heute. Man kann diese Verkündigung für die Epoche des (Spät-)Mittelalters als wichtige gesellschaftlich-gemeinschaftliche ‚Sinneinprägung‘ und als Teil der Formierung abendländischer Kultur bezeichnen. Die deutschen Dominikaner stellten ab dem 13. Jahrhundert mit Albertus Magnus (und seinem Kölner Baccalaureus Thomas von Aquin), mit Dietrich von Freiberg, Meister Eckhart und anderen herausragenden Persönlichkeiten wichtige Geistesgrößen von internationaler Bedeutung. Neben einer umfangreichen Literaturproduktion in Latein entstanden auch deutschsprachige Predigtsammlungen und vielfältige geistliche Texte, Impulse für unterschiedliche Wissensbereiche, für Kunst und Kultur, aber auch die dominikanische Mystik; sie sind mitunter nur spezialisierten Forschenden bekannt. Nur fünf Jahre nach der ‚Ordensgründung‘ initiierte 1221 das Generalkapitel von Bologna die Gliederung in Ordensprovinzen, die zur Einrichtung der Teutonia im deutschsprachigen Raum führte. In dieser Zeit entstanden in einem mehrpoligen Ausbreitungsprozess die ersten Brüdergemeinschaften (conventus) in Friesach und Köln. Schon früh waren geistliche Vertiefung suchende Frauen wichtig Adressatinnen dominikanischer Verkündigung – und das besonders im deutschen Sprachraum. Zur angemessenen Würdigung von 800 Jahren Tradition und Innovation gehört der kritische, nüchterne Blick auf diese Vergangenheit, um den Anliegen der Brüder und Schwestern, den Fragen, Herausforderungen und Problemen, vor denen sie standen, gerecht zu werden. Theologisch geht es um eine Evaluation des Weges, den das Volk Gottes in dieser Zeit genommen hat und um die Bedeutung dominikanischen Lebens und Wirkens für diesen Weg. Zu diesem Rückblick gehört auch die Thematisierung der dunklen und als negativ erkannten Aspekte im Wirken des Ordens im deutschen Sprachraum. Hierzu gehört die selbstkritische Untersuchung der auch auf öffentliches Interesse stoßenden Themen von Inquisition und Hexenverfolgung, aber auch des Umgangs mit Obrigkeiten oder mit Geld. Die kritische Sichtung beinhaltet als Herausforderung,

XX | Klaus-Bernward Springer und Walter Senner OP

‚weiße Flecken‘ zu identifizieren, also Sachverhalte, die noch einer Untersuchung bedürfen. Steht für die dominikanische Ordensfamilie der Impuls des Gründers Dominikus und seiner Gefährten für die aktuelle Tätigkeit und die Reflexion auf die normativen Anfänge im Vordergrund, so sind für Kirche und Gesellschaft eine Erinnerung an wichtige und zum Teil bis in die Gegenwart hineinreichende oder nachwirkende Wurzeln nicht zuletzt in Philosophie, Theologie und Spiritualität von Bedeutung.

1 Notwendigkeit und Bedeutung interdisziplinärer Forschung Lange war Ordensgeschichte eine fast ausschließliche Domäne von einigen Ordens-, Kirchen-, Philosophie- und Theologiehistorikern sowie Mystikforschern mit Fokus auf den herausragenden mittelalterlichen Theologen und Philosophen; hinzu trat die regionalhistorische Erforschung von Ordensniederlassungen. Auch wenn ordensgeschichtliche Forschung in jüngerer Zeit in verschiedenen Disziplinen einen Aufschwung genommen hat und nicht mehr vornehmlich von Ordensleuten selbst betrieben wird, fand der Predigerorden mit seinen Zweigen im Vergleich zu anderen Orden und besonders mit Blick auf seine Bedeutung wenig Beachtung. Viele ungehobene Schätze an Archivalien, an ‚materieller Sachkultur‘ und an frühen Druckwerken sind weiterhin unbekannt bzw. unerforscht. Die aufgezeigte Bedeutung des Ordens führt dazu, dass der im Zusammenhang des 800jährigen Ordensjubiläums erfolgende ‚Blick zurück‘ nicht nur Sache des Ordens sein kann. Die Erforschung des Ordens ist für unterschiedliche Disziplinen relevant und kann nur interdisziplinär erfolgen. Der wissenschaftliche Diskurs in etlichen Bereichen – religiöse Bewegungen einschließlich religiöser Frauenbewegung, feministische Forschung und Genderforschung; Wissenschafts-, Universitäts- oder Mentalitätsgeschichte; Ortsgeschichte oder (vergleichende) Städteforschung; Geschichte der politischen Theorien, der religiösen Devianz und vieles mehr – führt immer wieder zur Geschichte der Dominikaner und Dominikanerinnen. Einen wichtigen Wandel in der Erforschung von Dominicana brachten die Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem „cultural turn“, dem mit dem Begriff „Kulturwissenschaften“ verbundenen Perspektivenwechsel. Da der Zusammenhang von kultureller Semantik und sozialer Ordnung ins Zentrum des Interesses gerückt ist, gerieten diejenigen in den Fokus, die Lehre und Predigt ausübten. Das ‚diskursive Ereignis‘ steht am Anfang von Dominikus‘ Predigtwerk (etwa im nächtlichen Dialog mit dem Toulouser Kneipenwirt); der vielfältige Dialog blieb im Zentrum dominikanischen Wirkens. Die Erforschung des Ordens zeigt, wie die abendländisch-christliche Kultur des Mittelalters han-

Einleitung | XXI

delnd und reflektierend konstruiert und neu gestaltet wurde. Die Dominikaner stellten nicht nur für das Verhältnis von Glauben und Wissen mit der Rezeption des Aristotelismus und des Neoplatonismus und daraus entwickelten neuen Synthesen Vordenker. Die magistri in sacra theologia wirkten unter der Devise des Ordens – bis heute veritas – für christliche Sinngebung und die argumentative Auseinandersetzung mit ihr. In der Bekämpfung konkurrierender Sinnsysteme und abweichenden Verhaltens waren die Predigerbrüder überzeugt, der Wahrheit zu dienen. Allerdings hat die Beschäftigung mit philosophisch-theologischen bzw. moralisch-ethischen Normen, Sinnsystemen und ihrer Geltung in den letzten Jahrzehnten – auch auf Seiten des Ordens – abgenommen. Das forschende Interesse richtete sich vermehrt auf symbolische Formen wie Sprechweisen vergangener Gesellschaften, seien sie verbal, rituell oder ikonographisch, auf hagiographische und legendarische Erzählungen oder Handlungsformen. Neben der Sozial- und Institutionengeschichte ist die Ebene der Diskurse und Vorstellungswelten vermehrt im Blick. In vielen Disziplinen wird also Dominikanisches im Rahmen eines Methodenpluralismus aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Die lange dominierende Konzentration auf die bedeutendsten Persönlichkeiten mit ihren Impulsen in Philosophie und Theologie wich einer breiter sozialwissenschaftlich konzipierten Forschung und erfährt heute unterschiedliche neue Impulse.

2 Die Tagung und ihre Inhalte Die Anregung von Professor Dr. Sabine von Heusinger, an der Kölner Universität eine Tagung zu organisieren, bei der aus verschiedenen Disziplinen aktuelle Forschung zur Geschichte des Dominikanerordens vorgestellt werden sollte, wurde auf der Basis eines zuvor gefassten Provinzkapitelsbeschlusses von der Ordensprovinz Teutonia aufgegriffen. In Kooperation mit dem Istituto San Tommaso der Pontificia Universitá San Tommaso (PUST) in Rom und dem Institut zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum der Ordensprovinz Teutonia konnte so die Tagung „Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen 1221 bis 1515“ vom 6. bis 8. November 2014 in Köln stattfinden, deren Ergebnisse hier vorgelegt werden. Der Tagung war ein Workshop für Nachwuchswissenschaftler/ innen am 6. November 2014 vorgeschaltet.

2.1 Innovation und Tradition Im ersten Teil wird das Themenspektrum von Innovation und Tradition bei der Gründung und Ausbreitung in Teutonia und Saxonia behandelt. Aus der kanoni-

XXII | Klaus-Bernward Springer und Walter Senner OP

kalen Tradition stammend und eine neue mendikantische Ordensform bildend, ist das Verhältnis zwischen Neuerung und Tradition zentral für den Orden. Ein erster zusammenfassender Blick gilt in diesem Kontext dem weitgefächerten Terrain des Forschungskomplexes „Bettelorden und Stadt“. Sabine von Heusinger (Köln): „Ketzerverfolgung, Predigt und Seelsorge – die Dominikaner in der Stadt” (S. 3–20), präsentiert dieses ‚verstädterte Ordensleben‘ beispielhaft an Köln und Basel von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert. Die Dominikaner prägten als innovative Ordensform die urbane Gesellschaft nachhaltig. Sigrid Hirbodian (Tübingen): „Die Dominikanerinnen – ein Überblick“ (S. 21– 36), bietet eine Zusammenschau zur bislang vor allem in Einzelaspekten studierten Geschichte der Dominikanerinnen im Mittelalter. Die Entwicklung wird, ausgehend vom 13. Jahrhundert mit all den Schwierigkeiten der Inkorporation in den Orden über das 14. Jahrhundert als Blütezeit der Mystik und wichtige Phase der literarischen Produktion geistlicher Literatur bis zum 15. Jahrhundert mit Krisen und Verfallserscheinungen, aber zugleich mit Erneuerung und Neuakzentuierungen skizziert. Anliegen der Observanzbewegung war Erneuerung infolge von Rückbesinnung auf die Anfänge und Wurzeln des Ordens. Andreas Rüther (Bochum): „Mönche der Märkte und Messen: Zur Wahrnehmung und Deutung von Predigern und Städten im späteren Mittelalter“ (S. 37–52), erinnert an kritische Stimmen des 15. Jahrhunderts gegenüber der beachtlichen, nicht immer unproblematischen öffentlichen Präsenz von Predigerbrüdern und ihrer Seelsorge in Stadt und Land. Ergebnisse biographisch zentrierter Forschung bietet Nedim Rabić (Sarajevo): „Im toten Winkel der Geschichte: Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien 1233/34–1237“ (S. 53–69). Der in Wildeshausen (Oldenburg) geborene spätere Ordensmeister Johannes Teutonicus wirkte nach seiner Zeit als Provinzial der ungarischen Ordensprovinz 1231–1233 als Bischof von Bosnien in einer Konfliktzone im Schnittpunkt von Ost und West, in der konkurrierende kirchliche, politische, römische bzw. ungarische Interessen aufeinanderprallten. Matthias Standke (Dresden): „Vom Stiften des Gemeinsinns und Gründen der Gemeinschaft: Textuelle Diskurspraktiken in den Ordensgründerlegenden des Dominikus“ (S. 71–95), legt Wandel und Kontinuität in der Rezeption des Ordensgründers im 15. Jahrhundert dar, dessen Persönlichkeitsbild, wenn auch nicht so prominent wie Franziskus für die Minderbrüder, Identität für die Predigerbrüder stiftet. Durch den Vergleich deutschsprachiger Dominikuslegenden des 15. Jahrhunderts wird ein Einblick ermöglicht, wie zur Realisierung dominikanischen Gemeinsinnes unterschiedliche Akzentuierungen möglich sind und in einem Text die Erwählung, in einem anderen mehr die Kirchlichkeit oder das Sich-Unterwerfen unter das Gemeinwohl betont wird. Guus Bary (Nijmegen): „Die Errichtung der Ordensprovinz Germania Inferior (‚Niederdeutschland‘) 1515: Neuordnung der dominikanischen Territorialstruktur“

Einleitung | XXIII

(S. 97–20), zeigt auf der Grundlage des päpstlichen Gründungsdokuments der niederländischen Ordensprovinz von 1515 den bestimmenden Einfluss politischer Territorialisierung auf. Die Originalfassung der Bulle aus dem Vatikanischen Archiv in Rom wurde als ergänzender Editionstext aufgenommen (S. 115–119).

2.2 Wissen ist Macht Der zweite Teil ist Fragestellungen im Kontext des dominikanischen Studiensystems gewidmet, einschließlich der Bildung bei den Dominikanerinnen wie auch der Predigt. Zur Frage nach der „Stellung des Studiums im frühen Predigerorden vor dem Hintergrund seiner Gründung aus der Chorherrentradition“ (S. 123–141) werden von Paul D. Hellmeier OP (München) Ähnlichkeiten benannt, sowie die neue Sicht, dass „Lehren und Lernen“ Verkündigung und Seelsorge beinhaltet, aber auch über pastorale Zwecke hinausgeht. Das führte dazu, dass der Orden sich dauerhaft im Bereich der Wissenschaft positionierte. Dass dies nicht im Rahmen fundamentalistisch-traditionalistischer Schulung von Predigern und Beichtvätern steckenblieb, ist zum großen Teil ein Verdienst von Albert dem Großen. Susana Bullido del Barrio (Bonn): „Sensus litteralis ad Psalmos et Prophetas: Die Anweisung der Ältesten Konstitutionen der Dominikaner in den Schriften des Hugo von St. Cher, Albertus Magnus und Thomas von Aquin“ (S. 143–181), behandelt die Bibelstudien des Dominikanerordens in der für sein intellektuelles Profil entscheidenden Zeit. In den ältesten Konstitutionen des Predigerordens wird besonders der Literalsinn als Auslegungsmethode für die biblische Exegese bestimmt. Wie er im 13. Jahrhundert verstanden wird, ist anhand der Schriftauslegungen der genannten Theologen herausgearbeitet, wie auch die Bedeutung der Psalmen und Propheten für den Predigerorden in seiner Verkündigung des Evangeliums. Julia Burckhardt (Heidelberg): „Predigerbrüder im Bienenstock des Herrn: Dominikanische Identitäten im ‚Bienenbuch‘ des Thomas von Cantimpré“ (S. 183–206), zeigt, dass in diesem Kompendium des damaligen Wissens ein Panorama religiöser Vielfalt des 13. Jahrhunderts dargestellt wird, das deutlich mendikantisch geprägt, jedoch nicht auf das Dominikanische zentriert war. Fiorella Retucci (Lecce): „Die deutsche Dominikanerschule und Eckharts Verurteilung: der Fall Heinrich Seuse“ (S. 207–224), untersucht Seuses Verteidigung Meister Eckharts nach der Zensurierung von 26 articuli aus seinen Werken. Dabei zeigt es sich, dass Heinrich mit der Summa theologiae des Thomas von Aquin und ihrer auszugsweisen mittelhochdeutschen Übersetzung argumentiert. Maxim Mauriège (Köln) analysiert in „Die dominikanische Prägung des ‚Lehrsystems‘ der deutschen Mystik“ (S. 225–259) die Quellen der sogenannten Compilatio mystica. Es wird deutlich, dass diese Kompilation starke dominikanische Prägung aufweist, insbesondere durch die ‚rheinische Dominikanermystik‘ Meister Eckharts und seines Umkreises. Somit kann von einem Dominikaner als Kompositeur ausge-

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gangen werden. Die auf der Tagung gestellte Frage, ob auch eine Dominikanerin dafür in Frage kommen könne, wurde von Mauriège verneint.

2.3 Hören und Sehen Im dritten Teil liegt der Fokus auf der kunsthistorischen Perspektive: Hören und Sehen, liturgische Ausstattung und Glaubensverkündigung in Dominikanerkirchen. Christine Andrä (Regensburg): „Ein Konvent im Spiegel seines Chorbuchs: Das Lektionar der Regensburger Dominikanerinnen“ (S. 261–271), stellt das die Lesungen der Matutin enthaltende Buch vor, das 1270/76 für die dortigen Dominikanerinnen hergestellt wurde. Darin findet sich ein Bildzyklus von 60 Initialen und Miniaturen, die von 49 Stifterdarstellungen begleitet werden, welche überwiegend Frauen zeigen, darunter zahlreiche Dominikanerinnen. Offenbar waren die Regensburger Dominikanerinnen maßgeblich an der Produktion sowie der Finanzierung des Lektionars beteiligt und verfügten über ein ausgeprägtes soziales wie auch geografisches Netzwerk. Das Bildprogramm zeigt das spirituelle Profil der Schwestern als Bräute Christi. Seraphine Christine Kratzke (Kiel): „Identitätsstiftung und Repräsentation bei den Lübecker Dominikanern: Neue Studien zum Burgkloster in der Hansestadt“ (S. 273–299), zeigt den Predigerbrüderkonvent der Hansestadt als Exempel für gezielte visuelle Selbstverortung durch seine Kunstwerke – sowohl ordensimmanent als auch in der Stadt, ihrem Rat, der Bürgerschaft, den Bruderschaften, den Stiftern und Wohltätern. Livia Cardenas (Basel): „Genealogie und Charisma: Imaginationen dominikanischer Verwandtschaften im Spätmittelalter“ (S. 301–334), verweist auf DominikanerStammbäume in mehreren Kirchen, die Dominikus als Stammvater zeigen. Aus ihm heraus wachsen als Zweige berühmte Brüder und gelegentlich auch Schwestern, parallel zur biblischen Metapher der Wurzel Jesse. Funktion der Ordensstammbäume ist es u.a., die Garanten der richtigen Theologie als Ausprägung eines behaupteten Ordenscharismas vorzustellen. Vera Henkelmann (Aachen): „Die Ausstattung von St. Johann in Dortmund: Multimediale Glaubensverkündigung und Marienverehrung der Dortmunder Dominikaner im Mittelalter“ (S. 335–362), zeigt an dem Retabel des Rosenkranzaltars, dem Marienleuchter und der Kanzel mit ihren Relieffeldern deren Funktion in Kult und Katechese. Sie macht deutlich, dass diese Gegenstände im Gesamtkontext des Kirchenraumes, seiner Ausstattung und liturgischen respektive außerliturgischen Nutzung eingebunden in ein „vielfältiges multimediales Sinnerlebnis“ zu verstehen sind. Judith Venjakob (Erlangen): „Zur bildlichen Darstellung eines Formicarius-Exempels: Der illusionistische Hexenflug im Titelholzschnitt zu Geilers Predigt ‚Am mitwoch nach Reminiscere. Von den Unholden oder Hexen“ (S. 363–379), formuliert

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die These, dass der Holzschnitt vom Anfang des 16. Jahrhunderts einen Hexenflug thematisiert und so ein von dem berühmten Prediger Geiler von Kaysersberg verwandtes Exempel aus dem Formicarius des Johannes Nider illustriert. Die Bildelemente der Ofengabel, des Schemels sowie des am Stock befestigten Tuchs symbolisieren die typische Darstellung eines Hexenfluges. Der dargestellte nackte Mann ist nach Venjakob nicht, wie oft angenommen, ein Beobachter oder ein Opfer, sondern der Teufel.

2.4 Das Eigene und das Fremde Teil vier ist der Fragestellung nach dem Eigenen und Fremden innerhalb und außerhalb des Ordens gewidmet. Anliegen des Ordens war die Verbindung von Kontemplation und apostolische Tätigkeit: das contemplari et contemplata aliis tradere. Von außen wurden an die Dominikaner Aufgaben herangetragen durch Beauftragung und Inanspruchnahme durch Päpste, Bischöfe und weltliche Obrigkeiten. Nicht zuletzt von Interesse ist der Orden im Konflikt mit sich und anderen – so im Observanzstreit, im Kontext der Inquisition, bei Judenfeindschaft und Hexenwahn. Walter Senner OP (Rom): „Konsens, Konflikt, päpstlicher Eingriff: Die ‚Säuberungsaktion‘ in der Teutonia 1330–1334“ (S. 383–401), skizziert zunächst die Leitungsstruktur des Ordens und anhand von Generalkapitelsakten und neu erschlossenen vatikanischen Quellen die ‚Säuberung‘ der Teutonia nach den Prozessen um Meister Eckhart. Als wichtigster Faktor zeigt sich dabei die Indienstnahme des Predigerordens durch Papst Johannes XXII. für die Auseinandersetzung mit dem von ihm nicht als Kaiser anerkannten Ludwig von Bayern. Anschließend sind die relevanten Schreiben Papst Johannes XXII.‘ aus den Registern im Vatikanischen Archiv ediert (S. 402–419). Ein wichtiger Untersuchungsgegenstand sind die dominikanischen Konvente als Grundeinheiten jeder Provinz. Die nach mehreren Rückschlägen schließlich erfolgreiche Gründung in Dortmund (1309–1330) in ihrer Verflechtung mit der Politik in Stadt, Region und Reich skizziert Ursula Overhage (Bremen): „Konflikt und Konsens: Der Streit um das Dortmunder Dominikanerkloster 1309–1330“ (S. 421–428). Ergänzend zu den Tagungsbeiträgen behandelt Sabine Schmolinsky (Erfurt): „Maria Magdalena oder Katharina als Patrozinien von Dominikanerinnenklöstern – arm oder reich?“ (S. 429–441) speziell diejenigen Patrozinien von Dominikanerinnenklöstern, die zwar keine positiven Rückschlüsse auf den jeweiligen Entstehungshintergrund zulassen, aber wohl negative: Kein dem Dominikanerorden inkorporierter Beginenkonvent nahm das Magdalenenpatrozinium an, kein Reuerinnenkonvent das der hl. Katharina von Alexandrien. Klaus-Bernward Springer (Köln): „Paulus, Maria, Johannes, Maria Magdalena und Katharina von Alexandrien: Vorbilder für Kontemplation und Apostolat“ (S. 443–480), zeigt eine spirituelle Dimension auf: den Themenkomplex der Patro-

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zinien und ihre Bedeutung für Kontemplation und Apostolat als wichtige Formen der Spiritualität innerhalb des Predigerordens intern und in der Verkündigung nach außen. Häufiger nachweisbare Kirchenpatronate (Paulus, Maria, Maria Magdalena, Johannes Baptist wie Evangelist und Katharina von Alexandrien) dienten als programmatische Vorbilder für Kontemplation und Verkündigung. Stefanie Neidhardt (Tübingen): „Magdalena Kremerin und ihr Umgang mit der Mystik in Zeiten der Observanz“ (S. 481–498), behandelt die Kirchheimer Chronik dieser Dominikanerin. Im Fokus steht dabei ihr Umgang mit mystischen Erfahrungen, hier speziell der Deutung von Träumen und ihrer Funktionalisierung im Zeitraum der Observanzbewegung des 15. Jahrhunderts. Am Ende des Bandes steht der öffentliche Abendvortrag von Peter Segl über „Deutsche Dominikaner im Kampf gegen Dämonen, Ketzer und Hexen” (S. 499–529) in der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln, die auch die Provinzbibliothek St. Albertus Magnus der Teutonia als Teilbestand enthält. Hier sind die Erträge historischer und theologischer Forschungen zu dem seit der Antike bedeutsamen Motiv des Dämonenkampfes für das Wirken gegen ‚ketzerische Verworfenheit‘ gebündelt.

3 Zur Redaktion Im Gemeinschaftsprojekt der vier Herausgebenden waren Klaus-Bernward Springer und Walter Senner OP für die Redaktionsarbeit verantwortlich. Die Klosterkarten der Dominikaner und Dominikanerinnen verdanken wir Eva Cersovsky vom Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters, Schwerpunkt Spätmittelalter, der Universität zu Köln; sie, Nina Kühnle und Sabine von Heusinger haben durch ihren tatkräftigen Einsatz zur Endkorrektur Wesentliches zum Erscheinen des Tagungsbandes noch im Jubiläumsjahr beigetragen. Zu danken ist auch Laura Walis (Rom) für ihre Mitwirkung bei der Erstellung der Register. Wir hoffen, dass die so vielfältige Vergangenheit Anregung für die Reflexion auf die dominikanische(n) Identität(en) sein wird, wie auch Ansporn für weitere Forschungsaktivitäten in dem weiten Forschungsfeld dominikanischer Geschichte.

| Teil 1: Innovation und Tradition

Sabine von Heusinger

Ketzerverfolgung, Predigt und Seelsorge – Die Dominikaner in der Stadt Die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts waren nicht nur vom Städtewachstum geprägt, sondern auch von der Entstehung der Bettelorden. Im Gegensatz zu den „alten“ Orden, die sich nach Weltabgeschiedenheit sehnten, ließen sich die „neuen“ Orden mitten in den Städten nieder und übernahmen eine zentrale Rolle in der Seelsorge der Bevölkerung. Auf die Nachfrage von breiten Bevölkerungskreisen nach evangelischer Nachfolge und apostolischer Armut hatten sie überzeugende Antworten. Dies führte zu ihrem immensen Erfolg, der sich in einer kontinuierlich wachsenden Anhängerschaft niederschlug. Idealtypisch wird die Ankunft von Bettelordensmitgliedern in der Stadt, die rasch zu einer Klostergründung und einer zunehmenden Anhängerschar führte, im Legendarium des Dominikanerklosters zu Eisenach geschildert. Dort findet sich am Ende des 14. Jahrhunderts ein Eintrag, der davon berichtet, wie die Gründung des Dominikanerklosters in Erfurt in den 1220er Jahren abgelaufen sei1. Der Legende nach wurden Predigerbrüder aus dem Pariser

|| 1 Ich möchte an dieser Stelle P. Prof. Dr. phil. Walter Senner OP und Herrn Prof. Dr. KlausBernward Springer ganz herzlich für zahlreiche Kommentare, wertvolle Ergänzungen und spannende Diskussionen danken, von denen mein Text sehr profitiert hat. Die eingangs zitierte Legende ist ediert in: Legendarium des Dominikanerklosters zu Eisenach, ed. Andreas L. J. Michelsen, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 4 (1860/61), S. 361–394, hier S. 368 f.: „Cum autem fratres predicatores mitterentur in omnes prouincias ad fidem Katholicam ampliandam, missus est et frater Elgerus de conuentu Parisiensis ad Thuringiam, ex eo quod esset ibi notus ex parte parentele et posset loqui principibus, comitibus et baronibus, et eo melius populo verbum Dei predicare. Cui adiuncit sunt ... viri personati, prudentes, bene docti, religiosi et deuoti, predicatores egregii ... ad quorum predicationem populi ... sequebantur. Hic cum aliis etiam fratribus ydoneis Erfordiam sunt ingressi ... Anno domini MCCXXIX. Et in Thuringia a principibus, comitibus, baronibus et ab omni populo honorifice recepti, et in Erfordia pro recepcione conuentus sine omni contradictione sunt admissi, ubi cum adiutori bonorum hominum emerunt curiam vicedomini de Rasteberg ...”. Rusteberg liegt im Eichsfeld und war im Mittelalter im Besitz der Erzbischöfe von Mainz. Für meine Überlegungen spielt es keine Rolle, dass der Quellenwert des Eisenacher Legendars vor allem von der Landesgeschichte (ganz zu Recht) in Frage gestellt wird, vgl. etwa Werner, Matthias: Mater Hassiae – Flos Ungariae – Gloria Teutoniae. Politik und Heiligenverehrung im Nachleben der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, Hrsg. Jürgen Petersohn, Sigmaringen 1994 (Vorträge und Forschungen 42), S. 449–540, hier S. 479, Anm. 150. Mir geht es vielmehr um die legendarischen Elemente, die sich an bekannten Vorlagen orientieren, z.B. Annales Erphordenses fratrum Praedicatorum a. 1220–1253, in: Monumenta Erphesfurtensia saec. XII, XIII, XIV, ed. Oswald Holder-Egger, Hannover [u. a.] 1899 (MGH SS rer. Germ. 42), S. 72–116. Zur Förderung der Ansiedlung der Bettelorden durch den erzbischöflichen Vicedominus des Eichsfeldes Dietrich von Hanstein vgl. Berger, Thomas: Die Bettelorden in der Erzdiözese Mainz und in den Diözesen Speyer und Worms im 13. Jahrhundert: Ausbreitung, Förderung, Funktion, Mainz 1994

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Konvent in alle Provinzen geschickt, um den katholischen Glauben zu verbreiten. Dabei wurde Bruder Elger nach Thüringen gesandt, weil er in der Gegend Verwandtschaft hatte und der Volkssprache mächtig war. Er trat vor Ort in Kontakt mit Fürsten, Grafen und Herren und verkündete das Gotteswort an das Volk. Ihn begleiteten gut ausgebildete, angesehene, fromme Männer, denen das Volk bei den Predigten gerne zuhörte. Im Jahr 1229 kamen sie nach Erfurt, wo sie von den Fürsten, Grafen, Herren und den Einwohnern ehrenvoll aufgenommen wurden und ohne Widerstände sofort einen Konvent gründen konnten. Mit der Unterstützung „guter Menschen“ konnten sie den Hof des Vogtes von Rusteberg kaufen und dort eine einfache Kapelle aus Holz erbauen. In dieser legendarischen Erzählung stecken bereits viele Elemente, die für das Thema „Dominikaner in der Stadt“ zentral sind: Von Paris und Italien aus wurden Dominikaner in das deutschsprachige Gebiet geschickt, um in den Städten Konvente zu gründen; zumindest einige Brüder waren der Landessprache mächtig und kamen rasch in Kontakt mit den dortigen Führungsgruppen und den Gläubigen. Sie waren sehr gut ausgebildet und hervorragende Prediger, die Zulauf beim Volk fanden, das sie von Anfang an beim Bau von Kirchen und Klöstern finanziell unterstützte.

1 Die Anfänge des Dominikanerordens Die Gründung des Dominikanerordens zu Beginn des 13. Jahrhunderts kann als Antwort auf Fragen der Zeit verstanden werden: In Südfrankreich, aber auch am Rhein fanden Häretiker eine begeisterungsfähige Anhängerschaft; in den Städten entwickelte sich unter interessierten Laien eine neue Form von Religiosität, die Teil der Armutsbewegung wurde und die Forderung nach radikaler apostolischer Nachfolge aufgriff. Weder Säkularklerus noch traditioneller Ordensklerus waren in der Lage, auf die spirituellen Bedürfnisse der Gläubigen adäquat zu reagieren. Diese Lücke konnten die Dominikaner füllen, denn sowohl von ihrer Besitzlosigkeit als auch von ihrer Predigt ging eine große Überzeugungskraft aus. Statt Handarbeit stand das Studium der Theologie an erster Stelle, um den Häretikern auch argumentativ gewachsen zu sein. Und schließlich waren die Brüder nicht länger an einen bestimmten Konvent oder einen Pfarrsprengel gebunden, sondern konnten ihren

|| (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 69), S. 51, S. 240 und S. 319 f.; Nitz, Thomas: Das Stifterbuch des Erfurter Predigerklosters als Quelle für die Baugeschichte der Predigerkirche, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 62 (2001), S. 71–101, hier S. 99 f., Anm. 97.

Ketzerverfolgung, Predigt und Seelsorge – Die Dominikaner in der Stadt | 5

Auftrag an jedem beliebigen Ort erfüllen2. Rasch fand der Orden nach seiner Konstituierung Unterstützung von drei Seiten: 1. durch die Kurie, 2. durch den Adel und 3. durch die städtischen Führungsgruppen3. Den wirtschaftlichen, sozialen und politi-

|| 2 Immer noch grundlegend sind Löhr, Gabriel M.: Der Dominikanerorden und seine Wirksamkeit im mittelrheinischen Raum, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 4 (1952), S. 120–156; Frank, Isnard W.: Mendikantenorden, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Schwelle der Neuzeit. Tl. 2: Das kirchliche Leben, Hrsg. Walter Brandmüller, St. Ottilien 1998, S. 556–597; vom „Mendikantenkloster als paraparochiales Kultzentrum” kann laut Frank erst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gesprochen werden, dazu ders.: Das mittelalterliche Dominikanerkloster als paraparochiales Kultzentrum, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 123–142; ders.: Frömmigkeit und Bildungstransfer. Das europäische Profil der Bettelorden im 13. Jahrhundert, in: Das mittelalterliche Regensburg im Zentrum Europas, Hrsg. Edith Feistner, Regensburg 2006 (Forum Mittelalter-Studien 1), S. 145–157; Senner, Walter: Die rheinischen studia der Dominikaner im Mittelalter: Alternative und Vorläufer der universitates studiorum, in: University, Council, City. Intellectual Culture on the Rhine (1300–1550). Acts of the XIIth International Colloquium of the Société Internationale pour l’Étude de la Philosophie Médiévale, Freiburg / Br., 27–29 October 2004, Hrsg. Laurent Cesalli [u. a.], Turnhout 2007 (Rencontres de philosophie médiévale 13), S. 3–46, hier S. 3 f.: Besonders durch das Bildungsniveau, das aufgrund des wachsenden Fernhandels und der dafür erforderlichen Schriftlichkeit anstieg, sei ein pastorales Defizit in den Städten entstanden, das den Bettelorden Wirkungschancen gegeben habe. Siehe auch Berger, Thomas: Die Ausbreitung der Dominikaner in den Städten des südwestdeutschen Raumes, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 143–161; sowie jüngst Oberste, Jörg: Gibt es eine urbane Religiosität des Mittelalters?, in: Städtische Kulte im Mittelalter, Hrsg. Susanne Ehrich u. Jörg Oberste, Regensburg 2010 (Forum Mittelalter-Studien 6), S. 15–34; Ertl, Thomas: Religion und Disziplin. Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum, Berlin [u. a.] 2006 (Arbeiten zur Kirchengeschichte 96), bes. S. 378–388, prägte für die sich verändernden Lebensbedingungen in der Stadt den Begriff der „Kontrollverdichtung“, die durch gesteigerte pastorale Betreuung der Gläubigen bei gleichzeitiger Verketzerung von religiösen Randgruppen entstanden sei, aber auch von anderem abweichenden Verhalten habe hervorgerufen werden können, das vom Müßiggang bis zum ehrgeizigen Aufstreben reiche. Auf kirchlicher Seite habe man auf die veränderten Lebensbedingungen beispielsweise mit Predigtfeldzügen, einer verschärften Bußpraxis oder der Betonung des Fegefeuers reagiert. Dazu habe auch die Propagierung einer Arbeitsethik und einer institutionalisierten Gewissenserforschung beigetragen. Nach der Anwendung gelehrten Wissens in der Predigtpraxis durch die Dominikaner fragt Schütz, Johannes: Gelehrte Predigt als dominikanische Innovation. Anmerkungen zur Studienorganisation und Predigtpraxis des Dominikanerordens im 13. Jahrhundert, in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte und Pragmatik eines Begriffs, Hrsg. Mirko Breitenstein [u. a.], Berlin [u. a.] 2012 (Vita regularis. Abhandlungen 48), S. 247–262. 3 Für das Folgende ist vor allem die Forschung von Jörg Oberste zu nennen, z.B. ders.: Urbane Religiosität (Anm. 2), hier S. 16 f.; vgl. auch unten Anm. 6 und 18. Siehe weiterhin Schreiner, Klaus: Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter, in: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, Hrsg. ders., München 1992 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 20), S. 1–78; Freed, John B.: The Friars and German Society in the Thirteenth Century, Cambridge / Mass. 1977 (The Mediaeval Academy of America, Publications 86), bes. S. 150–161; vgl. auch Löhr: Dominikanerorden (Anm. 2), S. 121 f. Wissenschaftsgeschichtlich

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schen Wandel in den Städten trieben vor allem die kaufmännischen Eliten voran. In einer Zeit, in der eine kommunale Identität entstand, interessierten sie sich auch für neue Formen religiöser Praxis und theologischer Diskurse. Eine neue Frömmigkeit ergriff in dieser Zeit Männer und Frauen, Adlige und städtische Eliten, sowohl fromme Menschen, die in den Klerus eintreten, als auch solche, die im Laienstand bleiben wollten4. Im Gegensatz zu den Franziskanern war für die Dominikaner das Streben nach apostolischer Armut nicht der Inhalt ihres Aufbruchs, sondern ein Mittel zur Verwirklichung ihres primären Ziels, der Bekehrung und notfalls Verfolgung von Ketzern5. Vor allem im Languedoc trat der junge Orden in die Auseinandersetzung mit den Katharern, an der zuvor die Zisterzienser gescheitert waren6. Deshalb legte der Orden besonderen Wert auf das Studium als ein Mittel der Seelsorge, die Konstitutionen sahen für jeden Konvent einen Lektor vor7. Im Dezember 1219 werden die seit September 1217 in Paris eingetroffenen Predigerbrüder urkundlich fassbar, die Universität überließ ihnen 1221 die Kirche St. Jacques mit Hospiz8. Das erste (und zu Beginn einzige) Generalstudium wurde ab 1221 dort eingerichtet9. Der erste Lehrer || immer noch von Interesse ist Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 51976 (1. Aufl. 1922), S. 285–314. 4 Die „neue Frömmigkeit“ in Europa im Spätmittelalter, Hrsg. Marek Derwich u. Martial Staub, Göttingen 2004 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 205). 5 Horst, Ulrich: Evangelische Armut und Kirche. Thomas von Aquin und die Armutskontroversen des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts, Berlin 1992 (QF NF 1), bes. S. 135–216. Für die spätere Ordenstheologie der Dominikaner wurde Thomas von Aquin maßgebend: Ders.: Bischöfe und Ordensleute. Cura principalis animarum und via perfectionis in der Ekklesiologie des hl. Thomas von Aquin, Berlin 1999, zusammenfassend S. 182–186; ders.: Wege in die Nachfolge Christi. Die Theologie des Ordensstandes nach Thomas von Aquin, Berlin 2006 (QF NF 12). 6 Oberste, Jörg: Prediger, Legaten und Märtyrer: Die Zisterzienser im Kampf gegen die Katharer, in: Studia monastica. Beiträge zum klösterlichen Leben im christlichen Abendland während des Mittelalters, Hrsg. Reinhardt Butz u. Jörg Oberste, Münster / Wf. 2004 (Vita regularis. Abhandlungen 22), S. 71–92, bes. S. 92: „Die Zeit war reif für einen neuen, aktiven, nicht-benediktinischen und für die Häretikerverfolgung besonders geschulten Orden, der aus der Predigergemeinschaft des Dominikus hervorwachsen sollte.“ 7 Scheeben, Heribert C.: Beiträge zur Geschichte Jordans von Sachsen, Vechta 1938 (QF 35), S. 96 f., warnte vor einer Überbetonung des Studiums auf Kosten der Predigt, wodurch man schlimmstenfalls aus dem Ordo Praedicatorum einen Ordo doctorum mache. Schütz: Gelehrte Predigt (Anm. 2) sieht in der „Errichtung eines ordensinternen Studiennetzwerkes“ eine wichtige Innovation (a. a. O., S. 249–253, Zitat auf S. 250). 8 Chartularium Universitatis Parisiensis, ed. Henricus Denifle [in der Folge abgekürzt als: CUP], Bd. 1: Ab anno 1200 usque ad annum 1286, Paris 1889, Nr. 34 f.: S. 93 f.; zum Hospiz a. a. O., Nr. 42: S. 99 f. 9 Ein päpstliches Schreiben vom 4. Mai 1221 informiert über den durch Johannes, Dekan von St. Quentin, bereits begonnenen Lehrbetrieb: CUP 1 (Anm. 8), Nr. 44: S. 101 f. Zum Folgenden siehe Asztalos, Monika: Die theologische Fakultät, in: Geschichte der Universität in Europa. Bd. 1: Mittelalter, Hrsg. Walter Rüegg, München 1993, S. 359–385, hier S. 363–365. Zur Beziehung zwischen

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war ein Weltgeistlicher, Johannes von St. Albans, Magister der Theologie und Dekan von St. Quentin, der von Papst Honorius III. beauftragt worden war, die Lehre zu übernehmen10 – zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine gelehrten Predigerbrüder, die diese Aufgabe hätten ausfüllen können. Da die Studienplätze in Paris schon bald nicht mehr genügten, wurden auf dem Generalkapitel von 1248 vier weitere Generalstudienhäuser eingerichtet: in Bologna, Oxford und Montpellier, die mit den dortigen Universitäten verbunden waren, sowie in Köln11. Das Generalkapitel von 1304 verpflichtete alle Provinzen (mit Ausnahme von drei besonders kleinen), ein Generalstudium einzurichten, und daraufhin entstanden fünfzehn weitere höhere Ausbildungsstätten12. Von Anfang an hielten die Konstitutionen der Dominikaner fest, dass der Orden „vor allem für die Predigt und das Heil der Menschen“ gegründet worden sei13. Gepredigt wurde in den Städten – südlich der Alpen häufig auf

|| Papst Honorius III., der den Predigerorden sehr förderte, und Dominikus siehe: Monumenta diplomatica S. Dominici, ed. Vladimir J. Koudelka, Roma 1966 (MOPH 25), Nr. 77–81: S. 71–81, Nr. 86–88: S. 86–88, Nr. 90: S. 90–95, Nr. 101–112: S. 105–118, Nr. 114–119: S. 118–122, Nr. 121–123: S. 123–126, Nr. 128: S. 131 f., Nr. 131–133: S. 135–138, Nr. 137 f.: S. 140 f., Nr. 140–145: S. 143–147, Nr. 147–151: S. 150–152, Nr. 156: S. 157, Nr. 158 f.: S. 158–160, Nr. 161–169: S. 162–168, Nr. 171 f.: S. 169 f. Zur Einrichtung der Generalstudien siehe auch Hinnebusch, William A.: The History of the Dominican Order, 2 Bde., Staten Island 1966–1973, hier Bd. 2, S. 37–56. 10 CUP 1 (Anm. 8), Nr. 44: S. 101 f. Für die Frühzeit des Ordens ist die Quellenlage sehr schwierig; vor allem die ältere Ordensforschung traute sich hier, häufig ohne Quellenbelege, sehr weitreichende Interpretationen zu, z.B. Scheeben: Beiträge (Anm. 7), z. B. S. 103 ohne irgendeinen Quellenbeleg: „Selbstverständlich hatte der Papst diese Anordnung [d. h. die Beauftragung von Johann von St. Albans] nicht aus eigener Initiative getroffen, vielmehr ist ihm dieser Plan durch Dominikus vorgetragen worden“; oder auf S. 104 eine Rechtfertigung, warum der erste Lehrer des Pariser Generalstudiums kein Dominikaner war: „Daß die Predigerbrüder sich hierbei eines ihrem Orden nicht angehörenden Professors bedienten, ist unerheblich. Es ist dies nur ein Beweis für die Großzügigkeit und Zielbewußtheit, mit der die ersten Predigerbrüder an die Ausführung ihrer Pläne herangingen. Sie hatten das große Ziel im Auge und waren weitherzig genug, die Mittel auch außerhalb des Ordens zu suchen.“ 11 Acta capitulorum generalium ordinia praedicatorum (in der Folge abgekürzt als: ACG), ed. Benedictus Maria Reichert, 9 Bde., Roma 1898–1904 (MOPH 3–4 und 8–14), Bd. 1, S. 34–41; Senner, Walter: Gli „Studia generalia” nell’Ordine di Predicatori nel Duecento, in: Archivum franciscanum historicum 98 (2005), S. 151–175, bes. S. 160–170. 12 Zu klein waren die Ordensprovinzen Graecia, Terra Sancta und Dacia, vgl. Senner, Walter: Das Studium Coloniense der Dominikaner im Mittelalter, in: Kölner Theologen: Von Rupert von Deutz bis Wilhelm Nyssen, Hrsg. Sebastian Cüppers, Köln 2004, S. 136–161, hier S. 138, der im Folgenden einen sehr guten und knappen Überblick über das Studiensystem und die wichtigsten Inhalte mit weiterführender Literatur gibt; er betont a. a. O., S. 140, mit Verweis auf die Forschung von Leonard A. Boyle: „Die Mendikantenorden hatten damit erstmals eine einheitlich geregelte qualifizierte Priesterausbildung – ein entscheidender Vorteil gegenüber dem Weltklerus, von dem nur ein Bruchteil ein universitäres oder überhaupt irgendwie qualifiziertes Studium durchlaufen hatte.“ 13 „... cum ordo noster specialiter ob praedicationem et animarum salutem ab initio noscatur institutus fuisse“ – dieser Satz stammt aus dem Prolog der Consuetudines Fratrum Predicatorum der

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öffentlichen Plätzen, nördlich der Alpen häufig in Kirchen14. Die rege Predigttätigkeit der Dominikaner fand aber weder auf Seiten der Säkulargeistlichen noch bei den Mitgliedern der alten Orden ausschließlich Zustimmung15. Es fällt auf, dass die Bettelorden von Anfang an vor allem in den wirtschaftlich aktiven Regionen wie Flandern, dem Rheinland oder Oberitalien präsent waren. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gab es die Idee einer sozial abgestuften Seelsorge; die Zusammenarbeit von Klerikern und Laien zur Rettung der Seelen – vor allem mit Hilfe der Predigt – wurde abschließend auf dem IV. Lateranum 1215 festgehalten16. Jörg Oberste nimmt eine Entwicklung an, die von der „pastoralen Wende“ um 1200 zur „kaufmännisch-bürgerlichen Wende“ im 13. Jahrhundert führte17. Damit bezeichnete er die Entstehung des Handels-, Wucher- und Zinsverdikts, das Predigt und Seelsorge vor allem der Bettelorden so nachhaltig prägte18. In der von ihm

|| Constitutiones Antique [in der Folge abgekürzt als: Const. ant.], ediert in: Thomas, Antoninus H.: De oudste Constituties van de Dominicanen: Voorgeschiedenis, tekst, bronnen, ontstaan en ontwikkeling (1215–1237), Leuven 1965 (Revue d’histoire ecclésiastique, Bibliothèque 42), Zitat auf S. 311, 15– 17. 14 Mit weiterführender Literatur siehe Oberste, Jörg: Predigt und Gesellschaft um 1200, Praktische Moraltheologie und pastorale Neuorientierung im Umfeld der Pariser Universität am Vorabend der Mendikanten, in: Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum, Hrsg. Gert Melville u. Jörg Oberste, Münster / Wf. [u. a.] 1999 (Vita regularis. Abhandlungen 11), S. 245–294. Einen differenzierten Vergleich zwischen den Predigten der Dominikaner und Franziskaner am Beispiel von Florenz bietet Lesnick, Daniel R.: Preaching in Medieval Florence. The Social World of Franciscan and Dominican Spirituality, Athens [u. a.] 1989. 15 William A. Hinnebusch betont, dass es von Anfang an Probleme mit dem Säkularklerus gegeben habe, ders.: History (Anm. 9), hier Bd. 1, S. 62–64. Am Beispiel Würzburg veranschaulicht die Spannungen Bünz, Enno: „... mehr Grüße, als Pfaffen in Würzburg leben ...“: Klerus und geistliche Institutionen im Spätmittelalter, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 67 (2005), S. 25–62, hier S. 41 f. 16 Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta, editio critica, ed. Giuseppe Alberigo [u. a.], bisher 4 Bde. in 5 Teilbd., Turnhout 2006–2014 (Corpus Christianorum), hier Bd. 2,1: Concilium Lateranense IV, const. 9 f., S. 172 f. 17 Oberste, Jörg: Zwischen Heiligkeit und Häresie, Religiosität und sozialer Aufstieg in der Stadt des hohen Mittelalters, 2 Bde., Köln [u. a.] 2003 (Norm und Struktur 17,1–2), hier bes. Bd. 1, S. 103– 206 zur „pastorale(n) Wende um 1200“ sowie Bd. 2, S. 48–51 zur „kaufmännisch-bürgerlichen Wende im 13. Jahrhundert“. Oberste zeigt damit erneut den Zusammenhang zwischen Religiosität und dem Aufstieg der Führungsgruppen auf, wie vor ihm Max Weber, Lester K. Little oder Jacques Le Goff, siehe a. a. O., Bd. 1, S. 11–26. Oberste analysiert umfänglich die Predigten dieser Zeit, vor allem die der Dominikaner Humbertus de Romanis und Raimund de Peñaforte sowie der Franziskaner Guibert von Tournai und Berthold von Regensburg, vgl. dazu ders.: Bettelorden und Seelsorge im 13. Jahrhundert, in: Zwischen Heiligkeit (wie oben), Bd. 1, S. 207–294. Siehe auch ders.: Die Reform der städtischen Seelsorge als Kommunikationsproblem, in: Kommunikation in mittelalterlichen Städten, Hrsg. Jörg Oberste, Regensburg 2007 (Forum Mittelalter-Studien 3), S. 79–97. 18 Laut Oberste wurde diese Wende in den Constitutiones des Dominikanerordens institutionell fixiert, da hier ein „Kompromiss zwischen moralischem Rigorismus und wirtschaftlichem Pragma-

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exemplarisch untersuchten Region des Languedoc blühte eben nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Häresie um 1200 auf.

2 Die Entstehung der Provinz Teutonia Das erste Generalkapitel 1220 beschloss auch für die Kommunitäten vollkommene – oder evangelische – Armut mit gemeinsamem und persönlichem Bettel. Das Generalkapitel von Bologna im Jahr 1221 legte die Grenzen für die einzelnen Ordensprovinzen fest19. Nach dem Tod von Dominikus im selben Jahr breitete sich der Orden rasch in Europa aus20. Die Entsendung von Brüdern nach England, Skandinavien, Polen, Ungarn und in den Nahen Osten vollendete die Ausbreitung und Konsolidierung des Ordens. Spätestens nach dem Generalkapitel von 1225 wurde Bernardus Teutonicus von Bologna aus nach Deutschland gesandt, um aus den bestehenden Konventen eine Provinz zu formen21. Auf dem Generalkapitel von 1226 konnte er

|| tismus, der bestimmte Formen der Zinsleihe und des kaufmännischen Gewinns für rechtmäßig und sogar förderlich ansah“, gefunden worden war, siehe ders.: Zwischen Heiligkeit und Häresie (Anm. 17), Bd. 1, S. 299. 19 Tugwell, Simon: The Evolution of Dominican Structures of Government, II: The first Dominican provinces, in: AFP 70 (2000), S. 5–109, hier S. 11, macht sich dafür stark, dass bereits um 1219/20 Provinzen und Provinzkapitel eingeführt worden seien; a. a. O., S. 16–20 diskutiert er die Frage, was überhaupt eine Provinz ist. 20 Hinnebusch: History (Anm. 9), Bd. 1, S. 57–67; Tugwell: Evolution II (Anm. 19), diskutiert auf S. 5–20 in extenso die Problematik, ob es zuerst Provinzen oder ein Generalkapitel gegeben habe; er betont auch, dass wir weder wissen, ob es Kontakte zwischen den Häusern gab, noch Kenntnis haben, ob die Provinz danach kontinuierlich wuchs; auf S. 67 geht er davon aus, dass es am Anfang bereits 12 Provinzen gegeben habe. 21 Ich folge bei meinen Ausführungen Simon Tugwell, der sich in Details gegen Freed und Scheeben wendet, siehe Tugwell: Evolution II (Anm. 19), S. 57–59; vgl. auch den 1353 zusammengestellten und später ergänzten Catalogus Provincialium Defunctorum Provinciae Teutonie in Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. 4° 237, fol. 257r–268v, ediert in: Statistisches über die Ordensprovinz Teutonia, ed. Paulus von Loë, Leipzig 1907 (QF 1), S. 23–26, hier S. 23, und die Series A.R.P. Priorum Provincialium veteris Teutonicae ad modernae Saxonicae provinciae S. Ordinis Praedicatorum in Eichstätt, Ordinariatsarchiv, B 152, ediert in: Ein Verzeichnis der Provinzialprioren der Teutonia aus dem Predigerkonvent in Eichstätt, ed. Laurentius Siemer, in: Archiv der deutschen Dominikaner 4 (1951), S. 77–96, hier S. 81 f. Die hergebrachte Auffassung vertritt auch sein Ordensbruder von Loë, a. a. O., z. B. S. 3; siehe auch Freed: Friars (Anm. 3), S. 119–134. Overhage, Ursula: Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia, Münster / Wf. 2014 (Westfalen in der Vormoderne 18), S. 59, geht davon aus, dass zuerst Konvente gegründet und diese dann auf dem Generalkapitel von Bologna 1221 in der Provinz Teutonia zusammengefasst wurden; in Kapitel 4.1 untersucht sie die Ordensprovinz Teutonia im 13. Jahrhundert, behandelt aber Köln, die wichtigste und möglicherweise älteste Gründung in der Teutonia, hier nicht. Sie listet als erste Konvente Friesach 1221 und Magdeburg 1224 auf (danach folgen Bremen, Wien, Wiener Neustadt

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bereits erste Erfolge mitteilen und wurde Provinzial. Das erste Provinzialkapitel tagte danach im selben Jahr in Magdeburg, wo Bernardus vermutlich darum bat, aus seinem Amt entlassen zu werden. Simon Tugwell vermutet, dass dort Konrad von Höxter gewählt wurde – für die ersten Jahre fehlen leider detailliertere Quellen, die eindeutige Aussagen zulassen würden22. Friesach in Kärnten gilt als der älteste Konvent in der späteren Ordensprovinz Teutonia23. Kurz danach wurde Köln gegründet. Beide frühen Gründungen waren problembeladen: In Friesach trat derjenige Bruder, der den Konvent gegründet hatte, aus dem Orden aus und in Köln wurde der erste Prior als geflohener Zisterzienser (fugitivus) identifiziert und exkommuniziert24. Im Jahr 1224 wurde der Konvent in Magdeburg gegründet und Brüder trafen in Straßburg ein, im folgenden Jahr gab es Gründungen in Trier (vielleicht von Köln aus) und Bremen. Unklar bleibt, auf wessen Initiative hin die Konvente in Würzburg und Worms im Jahr 1226 entstanden25. Die Ordensprovinzen wurden zu Beginn des 14. Jahrhunderts neu geordnet, in der Zeit zwischen 1301 und 1303 wurde die Saxonia von der Teutonia abgetrennt, die Bohemia von der Polonia, die Toulouser von der provenzalischen Provinz und Aragón von der spanischen Provinz. Die Saxonia umfasste in etwa das Gebiet nördlich des Mains und östlich des Rheins26.

|| und Worms), a. a. O., S. 59–79; Köln wird erst in Kapitel 5 „Konflikte und Fehlschläge“ behandelt, a. a. O., S. 267–281, und zwar nicht nur die Krise ab 1347, sondern auch die Gründung 1221. 22 Konrad von Höxter gilt als derjenige, der das erste Provinzialkapitel der Teutonia gefeiert hat; dies veranlasste Tugwell zur (nicht völlig überzeugenden) Hypothese, Konrad sei zuvor gewählt worden, dazu Tugwell: Evolution II (Anm. 19), S. 58 f.: „Quite possibly he [Bernardus] immediately offered to stand down, or perhaps even asked to be relieved of his office, so that a new provincial could be elected. If Conrad of Höxter was chosen in his place, the tradition of the province was correct to believe that it was he who celebrated the first provincial chapter; it is also not difficult to see why the provincialate of Bernard was remembered with gratitude in 1236, and thereafter entirely forgotten.“ 23 Zu Friesach siehe Tschiggerl, Karl: Zur Entwicklung des Friesacher Dominikanerklosters, in: Carinthia I 193 (2003), S. 195–224, hier S. 196–199; ihm folgt Overhage: Konflikt (Anm. 21), S. 59–61. Tugwell: Evolution II (Anm. 19), S. 55–59, geht davon aus, dass die Anfänge der Provinz in Deutschland völlig zufällig waren: „The beginnings of the province in Germany ... seem to be entirely accidental. The foundation in Friesach appears to have been due to the short-lived enthusiasm of some local ecclesiastics ...“ (a. a. O., S. 55). Vgl. auch Löhr, Gabriel M.: Die Dominikaner im deutschen Sprachgebiet, Düsseldorf 1927 (Religiöse Quellenschriften 43), S. 3. 24 Tugwell: Evolution II (Anm. 19), S. 55; ders.: Notes on the Life of St. Dominic, in: AFP 65 (1995), S. 5–169, hier S. 66. 25 Tugwell: Evolution II (Anm. 19), S. 55 f. Schon Scheeben, Heribert C.: Die Konstitutionen des Predigerordens unter Jordan von Sachsen, Köln 1939 (QF 38), S. 25–30, hatte nachdrücklich betont, dass das Jahr der Errichtung der Teutonia nicht feststehe, da keine zeitgenössischen Quellen überliefert seien. Vgl. auch Löhr: Dominikanerorden (Anm. 2), S. 121–123. 26 Siehe ACG (Anm. 11). Zur Problematik des Begriffs „Provinz“ und zur allmählichen Entstehung einer institutionellen Struktur im Orden siehe Tugwell, Simon: The Evolution of Dominican Struc-

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3 Das Beispiel Köln Um das Jahr 1220/21 kamen die ersten Brüder nach Köln, die aus Bologna und Paris stammten – der genaue Zeitpunkt ist unklar27. Das Kölner Andreasstift überließ ihnen als erste Unterkunft das St.-Maria-Magdalena-Hospital mit Kapelle in der Stolkgasse. Bereits in einer Urkunde von 1224 wird das Haus conventus sancte Crucis genannt28. Im Jahr 1229 erhielten die Predigerbrüder einen Teil einer angrenzenden Hofstätte, um das Atrium der Kirche vergrößern zu können – die Brüder müssen also schon zuvor mit dem Bau einer Kirche begonnen haben29. Die beiden frühen Prioren des Konvents, Heinrich von Köln und Leo, waren in Paris gemeinsam mit Jordan von Sachsen in den Orden eingetreten und hatten dort zusammen studiert30.

|| tures of Government: Terminology, Nomenclature and Ordo of Dominican Provinces, in: AFP 75 (2005), S. 29–94; zur Teutonia siehe auch Heimann, Claudia: Der Umfang der Dominikanerprovinz Teutonia im späteren Mittelalter, in: AFP 75 (2005), S. 233–258, hier S. 233–237. 27 Zur Datierung siehe Kühl, Arnold (= Justinus): Die Dominikaner im deutschen Rheingebiet und im Elsaß während des dreizehnten Jahrhunderts. Mit einem Exkurs über: Die Entwicklung dominikanischer Ordensgeschichtsschreibung, Diss. masch. Freiburg / Br. 1923, S. 34 f. mit Quellenbelegen. Zum Folgenden siehe auch: Löhr, Gabriel M.: Beiträge zur Geschichte des Kölner Dominikanerklosters im Mittelalter, 2 Bde., Leipzig 1920–1922 (QF 15–17), Bd. 1, S. 1, nimmt 1221 an und folgt damit Benedictus M. Reichert, der „anno 1221 vel 1222 erectum est coenobium Coloniense“ annotiert: Gerardus de Fracheto: Vitae fratrum Ordinis Praedicatorum necnon cronica ordinis ab anno MCCIII usque ad MCCLIV, ed. Benedictus M. Reichert, Roma 1896 (MOPH 1), S. 191, Anm. a; Löhr: Beiträge (Anm. 27), Bd. 1, S. 2, weist darauf hin, dass in den ersten Jahrzehnten die Generalkapitel immer in Paris oder Bologna abgehalten worden seien und Köln 1245 der erste Ort gewesen sei, dem diese Ehre auch zuteilwurde. Keinem wissenschaftlichen Anspruch verpflichtet ist Gaßen, Helmut: Die Anfänge der Dominikaner und Minoriten in Köln, in: Analecta Coloniensia 10/11 (2010/11), S. 81– 130. Die Ausführungen zur Kölner Stadtgeschichte bei Freed sind inzwischen häufig überholt, siehe ders.: Friars (Anm. 3), S. 93–105; dazu inzwischen z.B. Groten, Manfred: Köln im 13. Jahrhundert. Gesellschaftlicher Wandel und Verfassungsentwicklung, Köln [u. a.] 21998 (Städteforschung A 36); Militzer, Klaus: Quellen zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/63, 4 Bde., Düsseldorf 1997-2000 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 71); Almeida, Cybele Crossetti de: Führende Kölner Familien im Spätmittelalter: Eine prosopographische Untersuchung, Göttingen 2015. 28 Löhr: Beiträge (Anm. 27), Bd. 2, Nr. 1, S. 1 f.: „ ... quod conventus sancte Crucis in Stolikengazen emit domum et aream que sita iuxta sanctum Andream ...“. 29 Löhr: Beiträge (Anm. 27), Bd. 2, Nr. 4, S. 3: Godefridus Flamingus und seine Frau Kunegundis veranlassten die Schenkung; die Originalurkunde ist verloren und liegt nur noch in Abschrift vor; vgl. zu den weiteren Käufen und Schenkungen a. a. O., Bd. 1, S. 6–10. Zu den Ausgrabungen des Konvents im Jahr 1998 und detaillierteren Informationen zu Größe und Ausstattung des Gebäudekomplexes siehe Geis, Walter: Hl. Kreuz. Klosterkirche der Dominikaner (1804 abgebrochen), in: Colonia Romanica 18/19 (2003/04), S. 276–286. 30 Scheeben: Beiträge (Anm. 7), S. 35 f., S. 39 f. und bes. S. 157–166 mit wichtiger Quellenkritik. Es muss offen bleiben, wer der erste Prior der Kölner Gemeinschaft war; Gerardus de Fracheto nennt Heinrich von Köln (auch Heinrich von Mühlhausen genannt) „primus Coloniensis prior“, siehe ders.:

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Das Kölner Beispiel zeigt, dass keineswegs alle neugegründeten Bettelordenskonvente an der Stadtmauer lagen, wie die ältere Forschung postuliert hatte31. Eine Reihe von weiteren Schenkungen und Käufen erfolgte bis 1254 mit dem Ziel, das Gelände systematisch zu vergrößern, was vor allem durch den Aufbau des Generalstudiums seit 1248 nötig geworden war. Um 1250 war die große Hallenkirche fertig, die den Rang der Kölner Niederlassung betonte32, und um 1271 fanden die Baumaßnahmen an Kirche und Kloster ihren ersten Abschluss33. Von Anfang an kam es zu Konflikten mit dem Weltklerus. Erzbischof Engelbert von Berg musste die Dominikaner wie auch die Franziskaner in Schutz nehmen, da sich die Säkulargeistlichen über sie beschwerten34. Ein zentraler Konfliktpunkt war der große Zulauf, den die Dominikaner bei ihren Predigten hatten, vor allem von frommen Frauen. Es liegt nahe, hier an Beginen zu denken, die sich seit 1223 in Köln nachweisen lassen – dies ist der älteste Beleg für das Reich35. Im Jahr 1248 kam Albertus Magnus von Paris nach Köln und brachte als Geschenk von Ludwig dem Heiligen eine Kreuzreliquie mit. In Köln gründete Albertus Magnus im selben Jahr das Generalstudium für die Teutonia, zeitgleich mit den Häusern in Bologna, Oxford und Montpellier, da S. Jacques in Paris als einziges Zentrum zur ‚Ausbildung der Ausbilder‘ nicht die Nachfrage an voll qualifizierten Lektoren für den gesamten Orden decken konnte36. Albertus war schon zuvor als Lesemeister in verschiedenen

|| Vitae fratrum (Anm. 27), c. 14, 3: S. 191. Hingegen äußert sich Jordan von Sachsen weder zum Gründungsdatum noch zum ersten Prior: Jordanus de Saxonia: Libellus de principiis ordinis praedicatorum acta canonizationis, ed. Heribert C. Scheeben, Roma 1935 (MOPH 16,2), S. 1–88, hier Nr. 79: S. 63. Zu der Frage, ob nicht ein gewisser „Christianus“, zuvor Zisterzienser, erster Prior in Köln war, siehe Tugwell: Evolution, in: AFP 75 (2005) (Anm. 26), S. 55 sowie ders.: Notes (Anm. 24), S. 66. 31 Z. B. Berger: Ausbreitung (Anm. 2), S. 159 f., der primär eine „Lage im städtischen Randgebiet“ annimmt, aber auch schon eine „Lage im inneren Bereich der Stadt“ als weitere Option angibt. 32 Beuckers, Klaus G.: Köln: Die Kirchen in gotischer Zeit. Zur spätmittelalterlichen Sakralbautätigkeit an den Kloster-, Stifts- und Pfarrkirchen in Köln, Köln 1998 (Stadtspuren – Denkmäler in Köln 24), S. 79 f. und 84 f. zu Paris als Vorbild für den Kölner Konvent und S. 319–322 zu Köln Hl. Kreuz. Siehe auch Schenkluhn, Wolfgang: Ordines studentes. Aspekte zur Kirchenarchitektur der Dominikaner und Franziskaner im 13. Jahrhundert, Berlin 1985, S. 205. Zur Größe vgl. auch Löhr: Beiträge (Anm. 27), Bd. 1, S. 2–4, bes. Anm. 3, wo ausgeführt wird, wie sehr der Kölner Konvent wegen seiner Größe und vermutlich auch wegen des Schmucks im Chor von den Mitbrüdern kritisiert wurde. 33 Siehe Geis: Hl. Kreuz (Anm. 29), bes. S. 276. 34 Kühl: Dominikaner (Anm. 27), S. 35 f. 35 Böhringer, Letha: Geistliche Gemeinschaften für Frauen im mittelalterlichen Köln, Köln 2009 (Libelli Rhenani, Series minor 5), S. 48–51. 36 Zum Folgenden siehe ACG (Anm. 11), Bd. 1, S. 34,34–35,3: Inchoatio 1246; S. 38,22–27: Approbatio 1247; S. 41,13–18: Confirmatio 1248. Zu dem legislativen Verfahren vgl. Senner, Walter: Konsens, Konflikt, päpstlicher Eingriff. Die ‚Säuberungsaktion‘ in der Teutonia 1330-1334, in diesem Band; sowie ders.: Blühende Gelehrsamkeit. Eine Ausstellung zur Gründung des Studium Generale der Dominikaner in Köln vor 750 Jahren, Köln 1998, bes. S. 7–13; mit ähnlichem Inhalt, aber z. T. aus-

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Klöstern tätig gewesen und hatte in Paris den Titel eines Magisters in Theologie erworben. Zu seinen Schülern in Köln zählten Thomas von Aquin, Ulrich Engelberti und Ambrosius Sansedoni aus Siena37. In Köln nahm er zudem eine aktive Rolle im Machtkampf zwischen den Geschlechtern und dem Stadtherrn, dem Erzbischof, ein. Im so genannten Kleinen Schied im Jahr 1252 und vor allem im Großen Schied 1258 riet Albertus in seinen Gutachten dem Erzbischof Konrad von Hochstaden, die Forderungen der Bürger anzuerkennen38. Auch in den folgenden Jahren setzte er sich für das Gemeinwohl der Kölner Bürger bei den jeweiligen Erzbischöfen ein. Angeblich auf seine Anregung hin wurde 1271 mit dem Bau des frühgotischen Hochchores der Dominikanerkirche begonnen. Seine Lehrtätigkeit am studium generale übte er mit Unterbrechungen bis zu seinem Tod 1280 aus, so war er beispielsweise von 1254–1258 Provinzial und von 1260–1262 Bischof von Regensburg39. Nach Albertus’ Tod blieb die herausragende Bedeutung des Kölner Generalstudiums auch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zur zeitweiligen Vertreibung der Dominikaner zwischen 1347–1351 bestehen; berühmte Lektoren in Köln waren beispielsweise Johannes von Sterngassen, Nikolaus von Straßburg und Berthold von Moosburg40.

|| führlicher siehe ders.: Studium Coloniense (Anm. 12); ders.: Die rheinischen studia (Anm. 2); ders.: Albertus Magnus als Gründungsregens des Kölner Studium generale der Dominikaner, in: Geistesleben im 13. Jahrhundert, Hrsg. Jan A. Aertsen u. Andreas Speer, Berlin [u. a.] 2000 (Miscellanea mediaevalia 27), S. 149–169. Mit Mängeln im Studienwesen des Ordens und der zulässigen Anzahl der Studenten setzte sich 1315 das Generalkapitel auseinander und verordnete: In einem Generalstudium sollten nicht mehr als 22 Studenten von der eigenen und maximal je zwei aus allen anderen Provinzen, also 34 fremde, aufgenommen werden, was insgesamt 56 Studenten ergibt, welche die künftigen Lektoren der Provinzialstudien waren; ACG (Anm. 11), Bd. 2, S. 78, 28–84,12. 37 Vgl. z.B. Löhr, Gabriel M.: Die Kölner Dominikanerschule vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Mit einer Übersicht über die Gesamtentwicklung, Köln 1948, S. 10–12. 38 Groten, Manfred: Albertus Magnus und der Große Schied (Köln 1258). Aristotelische Politik im Praxistest, Münster / Wf. 2011 (Lectio Albertina 12), S. 7–29; und ergänzend für die Quellenüberlieferung siehe Stehkämper, Hugo: Pro bono pacis. Albertus Magnus als Friedensmittler und Schiedsrichter, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 23 (1977), S. 297– 382. 39 Füllenbach, Elias H.: Albertus Magnus als Bischof von Regensburg, in: Analecta Coloniensia 10/11 (2010/11), S. 131–150. 40 Frank, Isnard W.: Zur Studienorganisation der Dominikanerprovinz Teutonia in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und zum Studiengang des seligen Heinrich Seuse OP, in: Heinrich Seuse. Studien zum 600. Todestag 1366–1966, Hrsg. Ephrem M. Filthaut, Köln 1966, S. 39–70, hier S. 67. Ihm folgend betont Walter Senner, dass nicht nachweisbar sei, dass Meister Eckhart am Generalstudium gelehrt habe, siehe ders.: Johannes von Sterngassen O. P. und sein Sentenzenkommentar. Bd. 1: Studie, Berlin 1995 (QF NF 4), S. 131–133. Davon ging Gabriel Löhr noch aus, ders.: Die Kölner Dominikanerschule (Anm. 37), S. 42 f.

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Zur Zeit des Großen Schismas wurden in der römischen Obödienz mehrere Universitäten gegründet, so 1379 bzw. 1389–1392 in Erfurt41 oder 1386 in Heidelberg, da das Studium an der Pariser Universität nicht länger möglich war. Bei der Gründung der Kölner Universität im Jahr 1388 spielten sowohl das Generalstudium der Dominikaner als auch die Studienhäuser der Franziskaner, Karmeliter und Augustiner eine wichtige Rolle42. Sie blieben als eigene Körperschaften erhalten, wurden aber eng an die Theologische Fakultät angebunden. Im Auftrag der Stadt Köln erhielt der Dominikaner Alexander von Köln schließlich das Gründungsprivileg des Papstes an der römischen Kurie43. Mit der Errichtung der Universität stieg die Bedeutung des Kölner Generalstudiums vor allem im 15. Jahrhundert noch weiter44. Die zentrale Bedeutung Kölns für den Dominikanerorden im Mittelalter lässt sich heute leider nur noch in Ansätzen in der Quellenüberlieferung finden. Der Brand vom 2. März 1659 zerstörte das Kloster und beschädigte die Kirche, dabei wurde fast der gesamte mittelalterliche Handschriftenbestand vernichtet45. Ein weiterer Einschnitt waren die französische Besatzung und die Säkularisation, im Jahr 1804 wurde die Kirche bis auf die Grundmauern abgerissen, das Kloster wurde zur Kaserne umgewandelt und 1889 geschleift. Nur wenige Reliquien aus der Zeit des Mittelalters konnten gerettet werden, u. a. die Gebeine des Albertus Magnus (heute

|| 41 Zu den Erfurter Gründungsdaten 1379 bzw. 1389/92 vgl. Kleineidam, Erich: Universitas Studii Erffordensis: Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt, Bd. 1: Spätmittelalter 1392–1460, Leipzig 21985 (Erfurter theologische Studien 14), hier S. 5–40; Pilvousek, Josef: Erfurt im Spätmittelalter (1305–1384), in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte. Bd. 1: Christliche Antike und Mittelalter, Teil 1, Hrsg. Friedhelm Jürgensmeier, Würzburg 2000 (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 6), S. 555–568, hier S. 565. Die Auffassung einer Universitätsgründung im Jahr 1379 vertritt Gramsch, Robert: Erfurt – die älteste Hochschule Deutschlands. Vom Generalstudium zur Universität, Erfurt 2012 (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 9). 42 Zum Folgenden siehe Meuthen, Erich: Kölner Universitätsgeschichte, Bd. 1: Die alte Universität Köln, Köln 1988, S. 42–51; zu den Generalstudien der vier Bettelorden: Asztalos: Die theologische Fakultät (Anm. 9), S. 363–365; Senner: Studium Coloniense (Anm. 12), S. 144, zur Bedeutung des Dominikanerordens für die Universitätsgründung. Siehe auch Rexroth, Frank: Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln. Die Intentionen des Stifters und die Wege und Chancen ihrer Verwirklichung im spätmittelalterlichen deutschen Territorialstaat, Köln [u. a.] 1992 (AKuG, Beih. 34), S. 227–268. 43 Zur Beteiligung von Dominikanern beim Gründungsprozess vgl. Löhr: Die Kölner Dominikanerschule (Anm. 37), S. 61. Die Koelhoffsche Chronik nennt hundert Jahre später Vertreter aller vier Kölner Bettelordenskommunitäten als Prokuratoren der Stadt bei Urban VI.; Alexander von Kempen OP, Vikar des Provinzials, war eventuell Haupt einer Gesandtschaft an den Papst im Jahr 1388, auf alle Fälle aber Teilnehmer an der Gesandtschaft; vgl. Meuthen: Kölner Universitätsgeschichte (Anm. 42), Bd. 1, S. 58. 44 Löhr: Die Kölner Dominikanerschule (Anm. 37), S. 17, mit Hinweis auf ACG (Anm. 11), Bd. 3, S. 257, 27–34 und 281,19–25. 45 Vgl. Zahlten, Johannes u. Winner, Gerd: Heilig Kreuz – Dominikanerkloster in Köln, Hildesheim 2009, S. [4]–[8].

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in St. Andreas) und die Kreuzreliquie (heute in Heilig-Kreuz in der Lindenstraße). Im Jahr 1898 kehrten die Dominikaner nach Köln zurück, 1902 wurde der Grundstein für eine neue Kirche mit Kloster in der Lindenstraße gelegt, die im Zweiten Weltkrieg – bis auf einen einzigen Flügel – vollständig zerstört wurden46.

4 Die Problematik des 14. und frühen 15. Jahrhunderts So erfolgreich Gründung und Aufbau des Ordens im 13. und bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts waren, so schwierig gestaltete sich die Zeit danach mit ihren speziellen Herausforderungen. An erster Stelle ist das Schisma zu nennen, das seit 1378 die katholische Christenheit in eine römische und eine avignonesische Obödienz spaltete. Dadurch war auch der Dominikanerorden gespalten – und musste seine gesamte institutionelle Struktur verdoppeln, einschließlich des Amtes des Generalmagisters. Die Konvente der Ordensprovinz Teutonia gehörten zum größten Teil dem römischen Zweig an. Da Paris als bevorzugter Studienort für Studenten der römischen Obödienz nicht mehr zugänglich war, wurden bereits bestehende Universitätsorte aufgewertet, so das noch junge Prag, oder Universitäten neu gegründet, so in Köln. Zweitens prägten die Bestrebungen nach einer Ordensreform seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die Mehrzahl der religiösen Orden – so auch den Dominikanerorden. Allen gemein war die postulierte Rückbesinnung auf die Zeit der Ordensgründung. Gleichzeitig fand eine Welle von Neugründungen von Konventen und Orden statt, z. B. des Birgittenordens oder der Brüder und Schwestern vom Gemeinsamen Leben. Und schließlich wurden vor allem im Osten neue geographische Räume für geistliche Institutionen erschlossen47. Das Ziel der Observanten im Dominikanerorden war eine Rückkehr zur strengen Praxis der Regel und Konstitutionen, „qui ferventer desiderant reduci ad primam formam observantiae regularis“48. Dazu zählten Fragen der liturgischen Praxis und des Habits, die Einhaltung der Fastenvorschriften und

|| 46 Vgl. Senner: Blühende Gelehrsamkeit (Anm. 36), S. 13. 47 Siehe Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, Hrsg. Kaspar Elm, Berlin 1989 (Berliner historische Studien 14; Ordensstudien 6), darin Hillenbrand, Eugen: Die Observanzbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, in: a. a. O., S. 219–271; und Wolfs, Servatius P.: Dominikanische Observanzbestrebungen: Die Congregatio Hollandiae (1464–1517), in: a. a. O., S. 273–292. 48 Das Zitat stammt von Raimund von Capua aus seinem so genannten Reformdekret von 1390, das in die Bulle vom 9. Januar 1391 von Bonifaz IX. inseriert wurde, ediert in: Raymundi Capuani Opuscula et litterae, ed. Hyacinthe-Marie Cormier, Roma 21899, S. 51–56 (§ 7), hier S. 54 (= Mortier, Daniel Antonin: Histoire des maîtres généraux de l’Ordre des Frères Prêcheurs, 7 Bde. und 1 Indexbd., Paris 1903–1920, hier Bd. 3, S. 530 f., Anm. 1).

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eine Regelung des ordensinternen Dispenswesens – und vor allem die zentrale Frage der Umsetzung des Armutsideals. Die Observanzbewegung innerhalb der Teutonia lässt sich in drei Phasen unterteilen; die erste Phase begann mit dem Wiener Generalkapitel von 1388 und endete 1402 mit der Absetzung der Vikare für die Observanz durch Papst Bonifaz IX.49. Diese Phase wurde vom reformfreudigen Generalmagister Raimund von Capua geprägt, der kurz nach Ausbruch des Schismas die Ordensleitung in der römischen Obödienz übernahm und anfänglich von Bonifaz IX. unterstützt wurde. Raimund erteilte daraufhin Konrad von Preußen und seinen Anhängern die Erlaubnis, 1389 den Colmarer Konvent zu reformieren50; es folgten 1395 ein gescheiterter Versuch in Würzburg51

|| 49 Dazu siehe ausführlich von Heusinger, Sabine: Johannes Mulberg OP († 1414), Ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit, Berlin 2000 (QF NF 9), S. 13 f. und 31–38; andere Vorschläge, die Phasen der Reform zu unterteilen, siehe a. a. O., S. 14, Anm. 10. Siehe auch Heimann: Umfang (Anm. 26). Die Problematik der Ordensreform samt ihrer Begrifflichkeit diskutiert Daniel Stracke in seiner jüngst erschienenen, bemerkenswerten Dissertation am Beispiel der Franziskaner, siehe ders.: Monastische Reform und spätmittelalterliche Stadt. Die Bewegung der Franziskaner-Observanten in Nordwestdeutschland, Münster / Wf. 2013 (Westfalen in der Vormoderne 14); dazu meine Rezension: von Heusinger, Sabine: Rezension zu „Stracke, Daniel: Monastische Reform und spätmittelalterliche Stadt“, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 79 (2015), S. 312 f. 50 Johannes Meyer: Buch der Reformacio Predigerordens, ed. Benedictus M. Reichert, 2 Bde., Leipzig 1908–09 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 2–3), IV, 3–4: Bd. 2, S. 7–11; Hillenbrand: Observanzbewegung (Anm. 47), S. 227. Auf die Problematik, dass zwar einerseits Meyer als wichtigster Autor der Ordensreform gilt, andererseits aber längst nicht alle Schriften ediert oder die Editionen teilweise veraltet sind, weist Claudia Heimann hin; sie gibt auch wertvolle ergänzende Hinweise zu den einzelnen Werken Meyers, siehe dies.: Beobachtungen zur Arbeitsweise von Johannes Meyer OP anhand seiner Aussagen über die Reform der Dominikanerkonvente der Teutonia, besonders der Natio Austriae, in: AFP 72 (2002), S. 187–220. Immerhin sind einige Lücken in den letzten Jahren geschlossen worden: Für das Ämterbuch jüngst durch die Neuedition: Johannes Meyer: Das Amptbuch, ed. Sarah Glenn DeMaris, Roma 2015 (MOPH 31); zu Johannes Meyer als Redaktor der Konstitutionen und Reformordinationen während seiner Zeit im Inselkloster zu Bern siehe Engler, Claudia: Regelbuch und Observanz. Der Codex A 53 der Burgerbibliothek Bern als Reformprogramm des Johannes Meyer für die Berner Dominikanerinnen, Diss. masch. Bern 1998, bes. S. 26–41. Zur Zeit bereitet Claudia Engler eine überarbeitete und aktualisierte Fassung ihrer Dissertation vor, die voraussichtlich 2016 erscheinen wird. Zur Tätigkeit Meyers als Autor siehe auch Seebald, Christian: Schreiben für die Reform. Reflexionen von Autorschaft in den Schriften des Dominikaners Johannes Meyer, in: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken. Typologie und Geschichte, Hrsg. Christoph Jürgensen u. Gerhard Kaiser, Heidelberg 2011 (Euphorion, Beih. 62), S. 33–54. 51 Von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 25 f.; Bünz: Grüße (Anm. 15); keine weitere Erwähnung findet der gescheiterte Reformversuch bei Sehi, Meinrad: Die Bettelorden in der Seelsorgsgeschichte der Stadt und des Bistums Würzburg bis zum Konzil von Trient. Eine Untersuchung über die Mendikantenseelsorge unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Würzburg, Würzburg 1981 (Forschungen zur fränkischen Kirchen- und Theologiegeschichte).

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und die erfolgreiche Reform des Männerkonvents in Nürnberg 139652 sowie des wiedergegründeten Frauenklosters in Schönensteinbach im Jahr 139753. Zum einen fällt am Beispiel von Schönensteinbach auf, dass die Einführung der Reform in einem eigens dafür (wieder-)gegründeten Kloster außerhalb der städtischen Zentren am einfachsten durchzusetzen war. Zum anderen wurde Nürnberg im gesamten 15. Jahrhundert zu einem Zentrum der Observanz – es handelte sich um eine Großstadt, die nicht nur ein Wirtschaftszentrum war, sondern auch sehr viele geistliche Einrichtungen beherbergte und im 16. Jahrhundert ein Zentrum der Reformation wurde. Nach 1402 begann eine zweite Phase der Stagnation ohne konkrete Reformvorhaben, die bis zur Wiedervereinigung des gespaltenen Ordens nach Ende des Konstanzer Konzils 1418 reichte54. Die dritte und letzte Phase umfasste die Jahre von 1418 bis 1475. Nach dem Konzil wurde die Reform des Dominikanerkonvents in Bern 141955 und im Steinenkloster zu Basel 1429 durchgeführt56. Weitere Konvente konnten zügig reformiert werden und 1468 waren bereits die Hälfte der Schwestern- und fast ebenso viele Brüderkonvente observant. Den Abschluss dieser Phase bildete die Wahl von Jakob Fabri von Stubach zum Provinzial im Jahr 1475 durch die nunmeh-

|| 52 Johannes Meyer: Reformacio (Anm. 50), IV, 5: Bd. 2, S. 12–14; Hillenbrand: Observanzbewegung (Anm. 47), S. 229 und 240; von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 26–29. 53 Johannes Meyer: Reformacio (Anm. 50), I: Bd. 1, S. 2–25 ist der Geschichte Schönensteinbachs bis zur Zerstörung 1304 gewidmet, a. a. O., II: Bd. 1, S. 26–53 der Wiederbesiedlung und Einführung der Observanz. Offiziell wurde dieser Nonnenkonvent erst 1405 endgültig in den Orden aufgenommen: ACG (Anm. 11), Bd. 3, S. 128, 40 f.; Hillenbrand: Observanzbewegung (Anm. 47), S. 219 f.; von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 29–31. Die Ordinationen Konrad von Preußens für Schönensteinbach wurden ediert von Engler: Regelbuch (Anm. 50), S. 318–323. Die Bedeutung von Bildern bei Einführung der Reform in Schönensteinbach – inklusive ihrer Ablehnung in Form von „Bilderstürmerei“ – betont Lentes, Thomas: Bild, Reform und cura monalium. Bildverständnis und Bildgebrauch im Buch der Reformacio Predigerordens des Johannes Meyer († 1485), in: Dominicains et dominicaines en Alsace: XIIIe– XXe s. Actes du Colloque de Guebwiller, 8–9 avril 1994, Hrsg. JeanLuc Eichenlaub, Colmar 1996, S. 177–195. 54 Von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 14 und 31 f. 55 Johannes Meyer: Reformacio (Anm. 50), V, 5: Bd. 2, S. 49 f.; von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 33 f. Siehe auch Claudia Engler zu den observanten Dominikanerinnen in Bern, wo erst 1439 im Konsens mit der Ordensleitung ein Frauenkloster eingerichtet und sofort der Observanz zugeführt wurde; auf dem Gebiet der heutigen Schweiz gehörten damit nur das Basler Steinenkloster sowie die Berner Schwestern der Reformrichtung an, siehe dies.: Regelbuch (Anm. 50), S. 11 f. 56 Johannes Meyer: Reformacio (Anm. 50), V, 9: Bd. 2, S. 53.; zum Folgenden siehe Egger, Franz: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens. Die Reform des Basler Konvents 1429 und die Stellung des Ordens am Basler Konzil 1431–1448, Bern [u. a.] 1991 (Europäische Hochschulschriften 3,467); von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 33 f.; Neidiger, Bernhard: Stadtregiment und Klosterreform in Basel, in: Reformbemühungen (Anm. 47), S. 539–567; zur Entwicklung von 1429 bis 1475 siehe auch ders.: Selbstverständnis und Erfolgschancen der Dominikanerobservanten. Beobachtungen zur Entwicklung in der Provinz Teutonia und im Basler Konvent (1388–1510), in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 67–122, hier S. 84–97.

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rige Mehrheit der Observanten57. Damit stand ein observanter Bruder an der Spitze des Ordens.

5 Das Beispiel Basel Als zweites Fallbeispiel für die Beziehung zwischen Dominikanerorden und Stadt möchte ich Basel vorstellen. Am Beispiel des Basler Beginenstreits in den Jahren von 1405–1411 lassen sich Problemfelder fassen, die charakteristisch für ihre Zeit sind58. 1. Dominikaner und Franziskaner standen das ganze Mittelalter über miteinander in Konkurrenz. Die Franziskaner nahmen für sich in Anspruch, der evangelischen Armut strikter als die Dominikaner zu folgen59. In Basel hatten die Minoriten seit dem 14. Jahrhundert ihre Vermögensverwaltung den Franziskanerterziarinnen übertragen. Mit der Vertreibung der Terziarinnen aus der Stadt konnten die Franziskaner nicht länger ihre Vermögensverhältnisse verschleiern. Ironischerweise profitierten ausgerechnet sie am meisten von den Enteignungen der Beginen in den Jahren 1405, 1409 und 1411. Nachdem die Frauen endgültig aus der Stadt vertrieben worden waren, fiel deren Besitz in die Hände der Minoriten60. 2. Im Verlauf des Basler Beginenstreits formulierte der Dominikaner Johannes Mulberg seinen Tractatus contra Beginas et Beghardos61. Hier setzte er sich vehement für die Rückkehr des Ordens zur Armut ein und schärfte damit die Position der Observanten als einer ihrer profiliertesten Vertreter. Damit erhöhte er den Druck auf seine konventualen Mitbrüder – nicht nur im Basler Konvent, sondern auch innerhalb des Ordens hatten die Konventualen zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Mehrheit. Ihnen warf er das Abweichen von den ursprünglichen Intentionen ihres Or-

|| 57 Liste der Provinzkapitel, A. D. 1475, in: Statistisches, ed. Paulus von Loë (Anm. 21), S. 40. 58 Zum Folgenden vgl. Johannes Meyer: Reformacio (Anm. 50), V, 20–24: Bd. 2, S. 70–75; immer noch grundlegend ist Neidiger: Selbstverständnis (Anm. 56); siehe auch von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), bes. S. 33 und 49 f. 59 Siehe die in Anm. 5 angegebenen Werke von Ulrich Horst; von franziskanischer Seite: Schlageter, Johannes: Das Heil der Armen und das Verderben der Reichen, Petrus Johannis Olivi OFM: Die Frage nach der höchsten Armut, Werl / Wf. 1989 (Franziskanische Forschungen 34), bes. S. 17–26; als Vergleich angelegt ist der Artikel von Schürer, Markus: Armut als Sinn und Zweck. Beobachtungen zur Wertigkeit der Armut im Selbstverständnis der frühen Franziskaner und Dominikaner, in: In proposito paupertatis. Studien zum Armutsverständnis bei den mittelalterlichen Bettelorden, Hrsg. Gert Melville u. Annette Kehnel, Münster / Wf. [u. a.] 2001 (Vita regularis. Abhandlungen 13), S. 69– 88. 60 Von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 80–82. 61 Edition von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 135–173.

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densgründers vor. In der Folge kamen bedeutende Vertreter der Observanzbewegung aus dem Basler Konvent, als bekanntester Jakob Sprenger62. 3. Ein weiteres Konfliktfeld waren die Beziehungen zum Säkularklerus in den jeweiligen Städten. Auch hier ging es um wirtschaftliche Interessen, die im Streit um die kanonische Quart als Begräbnisabgabe fassbar werden. Den Weltpriestern stand diese Abgabe zu, wenn sich ein Gemeindemitglied von einem Ordensmann begraben ließ – vor allem Beginen und Terziarinnen wählten oft diese Begräbnisform. Dieser Abgabenpflicht entzogen sich die Ordensbrüder häufig, was von Seiten des Säkularklerus harsch kritisiert wurde. In Basel wurde dieser Streit bereits seit Ende des 14. Jahrhunderts an der Kurie ausgetragen und erst 1408 beendet63. Im Rückblick zeigt sich, dass all diese Probleme nur das Vorspiel für die viel existentiellere Krise sein sollten, in die der Orden durch die Einführung der Reformation in weiten Teilen Deutschlands im 16. Jahrhundert geraten sollte64!

6 Fazit Der Dominikanerorden entstand in einer Zeit von massivem Städtewachstum – die Ordensbrüder verstanden es geschickt, ihre Anliegen der Ketzerverfolgung, Predigt und Seelsorge in den teilweise noch recht jungen urbanen Zentren zu verankern und umzusetzen. In den städtischen Konventen beheimatet, brachen die Brüder von

|| 62 Schnyder, André: Jacques Sprenger, in: Dictionnaire d’Histoire et Géographie Écclésiastiques, Bd. 26, Paris 1997, Sp. 745–747. Über die Nichtbeteiligung Sprengers an der Hexenverfolgung des Heinrich Institoris siehe Senner, Walter: How Henricus Institoris Became Inquisitor of Witches, in: Praedicatores, inquisitores, Bd. 1: The Dominicans and the Medieval Inquisition. Acts of the 1st International Seminar on the Dominicans and the Inquisition, 23–25 February 2002, Hrsg. Wolfram Hoyer, Roma 2004 (Dissertationes historicae 29), S. 395–406; ders.: Sprenger, Jakob, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 10, Herzberg 1995, Sp. 1072 f. 63 Damit waren aber die Konfliktparteien festgelegt: Dominikaner, weltliches Kollegiatstift St. Peter, Augustinerchorherrenstift St. Leonhard, Cluniazenser von St. Alban und Augustiner-Eremiten gegen die Franziskaner (und z. T. den Rat); siehe von Heusinger: Johannes Mulberg (Anm. 49), S. 50 f.; und allgemein Neidiger, Bernhard: Mendikanten zwischen Ordensideal und städtischer Realität. Untersuchungen zum wirtschaftlichen Verhalten der Bettelorden in Basel (Berliner Historische Studien 5; Ordensstudien 3), Berlin 1981, S. 146 f. Thomas M. Izbicki betont, dass zu Beginn die Säkulargeistlichen nicht einmal erlauben wollten, dass die Mendikanten ihre eigenen Ordensbrüder begraben durften, „let alone to receive the corpses of laymen for burial“, siehe Izbicki, Thomas M.: The Problem of Canonical Portion in the Later Middle Ages. The Application of „Super cathedram“, in: Proceedings of the Seventh International Congress of Medieval Canon Law, Cambridge, 23–27 July 1984, Hrsg. Peter A. Linehan, Città del Vaticano 1988 (Monumenta iuris canonici C 8), S. 459– 473, hier S. 459. 64 Für den Dominikanerorden siehe Springer, Klaus-Bernward: Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung während der Reformationszeit, Berlin 1999 (QF NF 8).

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hier aus auch ins Umland auf und konnten damit Personen erreichen, die bis dahin nur selten oder gar keine seelsorgerliche Zuwendung erfahren hatten. Die Bettelordenskonvente wurden in den Städten zu zentralen Punkten der städtischen Gemeinde und häufig gar der Politik – so fanden etwa die Sitzungen des Basler Rates, bevor es ein eigenes Rathaus gab, in den Konventen der Dominikaner und Augustiner-Eremiten statt65. Dort wurden auch häufig städtische Gesandtschaften empfangen. Zudem prägten die Dominikaner mit ihrer Seelsorge die urbane Gesellschaft nachhaltig, denn die Gläubigen waren nun nicht länger auf die häufig als mangelhaft empfundene Betreuung durch schlecht ausgebildete Säkulargeistliche angewiesen. Dank der „neuen“ Orden wurde zum ersten Mal zu ihnen in der Volkssprache gepredigt und dem spirituellen Verlangen großer Bevölkerungsteile konnte in neugegründeten geistlichen Gemeinschaften und Bruderschaften entsprochen werden. Der hohe Stellenwert, den das Studium im Dominikanerorden genoss, führte außerdem in den Städten zum Ausbau von Bildungseinrichtungen. Es entstanden nicht nur ordensinterne Provinzial- und Generalstudienhäuser, sondern auch die Lateinschulen erlebten allgemein einen Aufschwung. Die Ordensstudien wurden häufig Teil der sich formierenden Universitäten. So erfolgreich die Entwicklung des Ordens in der Zeit von 1221 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts verlief, so mühsam war die darauffolgende Zeit bis zur Reformation. Hier sollen nur die Schlagworte Schisma, Reform, Konflikte mit dem Säkularklerus und Inquisition genannt werden – und schließlich sei an den Hexenwahn eines Heinrich Institoris an der Schwelle zur Neuzeit erinnert66.

|| 65 Neidiger: Mendikanten (Anm. 63), S. 212. 66 Jüngere Beiträge siehe z.B. Praedicatores, inquisitores, Bd. 1 (Anm. 62). Für Deutschland darin: Springer, Klaus-Bernward: Dominican Inquisition in the Archdiocese of Mainz (1348–1520), in: a. a. O., S. 311–393; Senner: Henricus Institoris (Anm. 62); ders.: Institoris (Henricus), in: Dictionnaire d’Histoire et Géographie Écclésiastiques, Bd. 25, Paris 1995, Sp. 1301–1304.

Sigrid Hirbodian

Die Dominikanerinnen – ein Überblick1 Schon das geringe Interesse, das dem Clarissenorden um seiner untergeordneten Bedeutung willen entgegenkommt, machte übrigens eine Beschränkung der Aufgabe nötig. Denn der Ausbreitung der Clarissen in den einzelnen Ländern nachzugehen, hat hier kaum einen Sinn, wo es sich um Frauen handelt, die sich in strenger Klausur von der Welt abschlossen. ... Das Interesse der Geschichtsforschung wie dieser Arbeit konzentriert sich vielmehr auf die aufeinanderfolgenden Regeln des Clarissenordens2.

So wie hier Eduard Lempp in seiner 1892 publizierten Darstellung zu den „Anfängen des Clarissenordens“ beurteilte die Forschung lange Zeit das Wirken und die Bedeutung geistlicher Frauengemeinschaften insgesamt: Aufgrund ihrer klausurierten Lebensweise sprach man ihnen kaum eine Wirkmacht in der Welt, ja nicht einmal eine eigene Geschichte zu – sieht man von der Entwicklung ihres Güterbesitzes, ihrer Kirchenbauten und, wie hier erwähnt, ihrer Regeln einmal ab, wobei man in allen diesen Bereichen den Frauen selbst kaum direkte Handlungsmöglichkeiten zusprach. Man betrachtete sie vielmehr als weitgehend passive Objekte der Fürsorge ihrer Ordensoberen, Beichtväter und städtischen Pfleger3. Auch die Dominikanerinnen wurden daher lange Zeit vornehmlich als Anhängsel des Männerordens von „untergeordneter Bedeutung“ gesehen, was sich in einem vorherrschenden Desinteresse an der Erforschung ihrer Geschichte niederschlug4. Dies änderte sich bekanntlich 1935 mit der Arbeit von Herbert Grundmann über die „religiöse Frauenbewegung“ des 12. und 13. Jahrhunderts, mit der die geradezu „explosionsartige Ausbreitung“ weiblichen Religiosentums im religiösen und geistesgeschichtlichen Kontext dieser Zeit zum ersten Mal als faszinierender Forschungsgegenstand in Erscheinung trat5. In den letzten Jahrzehnten sind die geistlichen Frauen des Spät-

|| 1 Die Vortragsform wurde beibehalten. 2 Lempp, Eduard: Die Anfänge des Clarissenordens, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 13 (1892), S. 181–245, hier S. 181. 3 Vgl. zu den Stereotypen der Frauenklosterforschung Gerchow, Jan u. Marti, Susan: „Nonnenmalereien“, „Versorgungsanstalten“ und „Frauenbewegung“ – Bausteine einer Rezeptionsgeschichte der mittelalterlichen Religiosen in der Moderne, in: Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern, Hrsg. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, und das Ruhrlandmuseum Essen, München 2005, S. 143–154. 4 Für die ältere Forschung sind vor allem die Arbeiten von Hieronymus Wilms zu nennen, vgl. vor allem Wilms, Hieronymus: Geschichte der deutschen Dominikanerinnen 1206–1916, Dülmen 1920. 5 Grundmann, Herbert: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts und über die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik. Mit einem Anhang: Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegungen im Mittelalter, Berlin 1935, Nachdr. Darmstadt 1977; zu Grundmann vgl. Nagel, Anne C.: „Mit dem Herzen, dem Willen und dem

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mittelalters auch im Gefolge der Genderforschung in den Fokus von Geschichtswissenschaft, Kirchen-, Kunst- und Literaturgeschichte geraten, wobei die große Ausstellung „Krone und Schleier“ 2005 sicherlich einen weiteren wichtigen Impuls gegeben hat6. Einen Überblick über die Geschichte der Dominikanerinnen im Mittelalter geben zu wollen, und sei es nur über die Dominikanerinnen der Teutonia, wie ich meinen Titel gleich einschränken muß, ist eine zugleich einfache wie schwierige Aufgabe7. Wollte man nur die äußere Entwicklung, das Entstehen von Klöstern und die Etablierung ihrer Lebensweise nachzeichnen, so wäre dies mit einem relativ geringen logistischen Aufwand wohl machbar. Allein die Vielzahl an Klosterbüchern, die in den letzten Jahrzehnten in den verschiedenen Regionen Deutschlands entstanden ist, würde eine solche Herangehensweise heutzutage erlauben – was vor 20 Jahren sicher so nicht möglich gewesen wäre8. Für die Anfänge der Dominikanerinnen in der Teutonia liegt zudem ein 2006 publizierter ausgezeichneter Überblick von Isnard W. Frank vor, auf den ich mich im folgenden ganz wesentlich stütze9. Will man

|| Verstand dabei“. Herbert Grundmann und der Nationalsozialismus, in: Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, Bd. 1, Hrsg. Otto G. Oexle u. Hartmut Lehmann, Göttingen 2004 (Veröffentlichungen des Max Planck-Instituts für Geschichte 200), S. 593–620. 6 Vgl. den oben bereits zitierten Ausstellungskatalog Krone und Schleier (Anm. 3) sowie den im Kontext der Ausstellung entstandenen Tagungsband: Frauen – Kloster – Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Beiträge zum internationalen Kolloquium vom 13.–16. Mai 2005 anläßlich der Ausstellung „Krone und Schleier“, Hrsg. Jeffrey F. Hamburger u. Carola Jäggi, Turnhout 2007. 7 Zum Männerorden in der Teutonia jetzt Overhage, Ursula: Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia, Münster / Wf. 2014 (Westfalen in der Vormoderne 18); zur Teutonia vgl. auch Heimann, Claudia: Der Umfang der Dominikanerprovinz Teutonia im Spätmittelalter, in: AFP 75 (2005), S. 233–258. 8 Hessisches Klosterbuch, Hrsg. Wilhelm Dersch, Marburg 21940 (Veröffentlichungen der historischen Kommission Hessen und Waldeck 12); Westfälisches Klosterbuch, Bd. 13, Hrsg. Karl Hengst, Münster / Wf. 1992–2003 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44; Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2); Württembergisches Klosterbuch, Hrsg. Wolfgang Zimmermann u. Nicole Priesching, Ostfildern 2003; Brandenburgisches Klosterbuch, Hrsg. Heinz-Dieter Heimann [u.a.], Berlin 2007 (Brandenburgische historische Studien 14); Nordrheinisches Klosterbuch, Bd. 1–2, Hrsg. Manfred Groten, Siegburg 2009 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 37/1–2); Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 1–4, Hrsg. Josef Dolle, Bielefeld 2012 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56/1– 4); Mecklenburgisches Klosterbuch, Hrsg. Wolfgang Hunscher [u.a.], Rostock 2013; Klosterbuch Schleswig-Holstein und Hamburg, Hrsg. Katja Hillebrand [u.a.], Regensburg 2014; Sächsisches Klosterbuch, Bd. 1, Hrsg. Enno Bünz, Leipzig 2014; daneben finden sich zahlreiche OnlineKlosterbücher wie z.B. Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, (abgerufen am 16.09.2015). 9 Frank, Isnard W.: Die Dominikanerinnen als zweiter Orden der Dominikaner, in: Fromme Frauen – unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im Mittelalter, Hrsg. Edeltraud Klueting, Hildesheim 2006 (Hildesheimer Forschungen 3), S. 105–125.

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aber die innere Entwicklung und vor allem die Agency, also die Handlungsmöglichkeiten der Frauen selbst zum Thema machen, so kommt man mit einem solchen Vorgehen nicht weiter. Aus diesem Grund habe ich mir folgende Vorgehensweise überlegt. Ich werde in drei zeitlichen Schnitten jeweils einen knappen Überblick über die Gesamtentwicklung der Dominikanerinnen in der Teutonia geben und dann für jeden dieser Abschnitte an ein oder zwei ausgewählten Beispielen – vorzugsweise aus dem Elsaß und aus Schwaben, wo ich selbst am intensivsten geforscht habe – die in der jeweiligen Zeit besonders markanten Phänomene sozusagen aus der „Innensicht“ der Frauengemeinschaften erläutern. Die drei Abschnitte sind also chronologisch geordnet: 1.) Die Anfänge im 13. Jahrhundert, 2.) Entwicklungen im 14. Jahrhundert, 3.) Konflikt und Reform im 15. Jahrhundert.

1 Die Anfänge im 13. Jahrhundert Schon zu Lebzeiten des heiligen Dominikus kam es zur Gründung von drei Frauenklöstern: in Prouille (bei Toulouse), in Rom (das Kloster St. Sixtus) und in Madrid10. Mit der vom Papst erzwungenen Aufnahme des Bologneser Klosters St. Agnes in den Orden begann 1227 eine Phase der Auseinandersetzung um die Frage, ob und unter welchen Umständen die Dominikaner weitere Frauengemeinschaften in ihren Orden aufnehmen sollten11. Gegen die Widerstände im Orden erreichte die Gräfin Amicie de Joigny, eine geborene Gräfin von Montfort, auf dem Konzil von Lyon 1245 die Aufnahme ihrer Gründung Montargis in den Orden. Sie selbst, ihr Sohn und ihr Neffe waren es dann auch, die den Papst veranlaßten, auch die ersten Frauenklöster in der Teutonia in den Orden inkorporieren zu lassen: St. Agnes, St. Elisabeth, St. Johannes, St. Katharina und St. Nikolaus in Undis in Straßburg im Mai bis Juli 1245, St. Marx, ebenfalls in Straßburg, 1246 und im gleichen Jahr St. Maria Medingen im Ries und St. Katharina in Augsburg12. Danach kam es zu einer regelrechten Gründungswelle oder genauer gesagt zur massenhaften Aufnahme bereits existierender Frauengemeinschaften in den Dominikanerorden: Zwischen 1245 und 1250 entstanden so in Oberdeutschland 32 Dominikanerinnenklöster13. Die aus Sicht der Dominikaner alles entscheidende Frage war

|| 10 Vgl. Smith, Julie A.: Prouille, Madrid, Rome. The Evolution of the Dominican Earliest Instituta for Nuns, in: Journal of Medieval History 35/4 (2009), S. 340–352; Tugwell, Simon: For Whom Was Prouille Founded?, in: AFP 74 (2004), S. 5–125; außerdem noch immer Grundmann: Religiöse Bewegungen (Anm. 5), S. 208–252. 11 Frank: Dominikanerinnen (Anm. 9), S. 116. 12 Ebd.; Grundmann: Religiöse Bewegungen (Anm. 5), S. 246 f. 13 Frank: Dominikanerinnen (Anm. 9), S. 117.

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dabei die nach ihren Betreuungsverpflichtungen diesen Gemeinschaften gegenüber. Die ersten Inkorporationen sahen die cura in spiritualibus und in temporalibus vor, d.h. die Frauen sollten von den Dominikanern nicht nur seelsorgerisch, sondern auch in allen weltlichen Angelegenheiten betreut werden. Dies stieß im Orden auf Widerspruch, was zwischenzeitlich zu einer vollständigen Ablehnung aller Betreuungsverpflichtungen führen sollte14. Erst 1262 kam es in diesem Streit zu einer abschließenden Regelung, die dem Ordensmeister Humbert von Romanis mit der Neufassung der Ordenskonstitutionen gelang. In ihnen wurden die Dominikaner ausschließlich zur cura animarum für die Frauen verpflichtet, während weltliche Belange der Klöster durch weltliche Verwalter oder eine Art Konversen-Institut geregelt wurden15. Die Dominikanerinnen wurden von nun an als rechtlich inkorporierter Teil des Ordens betrachtet, was sich auch in der Begrifflichkeit widerspiegelt: Nannten sie sich bzw. wurden sie bisher genannt z.B. Monasterium iuxta regulam beati Augustini et institutiones monasterii Sancti Sixti de Urbe oder Ordinis Sancti Augustini, so treten sie nun bald durchgehend als sorores ordinis fratrum praedicatorum auf16. Sie hatten nun teil an den Privilegien des Ordens. Isnard Frank beschreibt diese Teilhabe genauer: Sie umfaßte die Konstitutionen des Ordens, den religiösen Lebensstil und den schwarz-weißen Habit sowie die Exemtion von bischöflicher Jurisdiktion und Aufsicht; an ihrer statt unterstanden sie der Visitationspflicht des Ordensmeisters und seines Beauftragten. Weiterhin hatten die Frauen Anspruch auf die cura animarum durch die Dominikaner, die allerdings nicht in Form einer Dauerpräsenz sondern auch ex currendo durchgeführt werden konnte, d.h. es war nicht zwingend ein fest am Frauenkloster installierter dominikanischer Beichtvater vorgeschrieben. Auf den Kapitelversammlungen des Ordens waren die Frauen freilich nicht präsent, d.h. eine Repräsentation der Frauenklöster auf Ordensebene gab es nicht, es sei denn, die Männer nahmen sich ihrer Sache an17. Betrachtet man nun die räumliche Verteilung der Dominikanerinnen in der Teutonia, so ergibt sich ein merkwürdiger Befund: Die gleich zu Beginn bereits zu beobachtende Dominanz oberdeutscher Gründungen blieb bestehen. Anfang des 14. Jahrhunderts gab es insgesamt 141 Frauenkonvente in 18 Provinzen, davon lagen 65 in der Teutonia18. Diese Provinz Teutonia war 1221 initiiert worden und umfaßte zunächst den gesamten deutschsprachigen Raum. 1303 wurde von ihr die Provinz

|| 14 Ebd.; Grundmann: Religiöse Bewegungen (Anm. 5), S. 239–246. 15 Frank: Dominikanerinnen (Anm. 9), S. 120 f. 16 A.a.O., S. 121. 17 A.a.O., S. 122; Degler-Spengler, Brigitte: „Zahlreich wie die Sterne des Himmels“. Zisterzienser, Dominikaner und Franziskaner vor dem Problem der Inkorporation von Frauenklöstern, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 4 (1985), S. 37–50. 18 Frank: Dominikanerinnen (Anm. 9), S. 105.

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Saxonia abgetrennt. Die verbliebene Teutonia war fortan in vier nationes untergliedert: 1. die Alsatia (Elsaß, Baden und die Nordschweiz), 2. die Suevia (Württemberg, Bayerisch-Schwaben und Franken), 3. die Bavaria (Bayern und Österreich) und 4. die Brabantia (Brabant und die Rheinlande). In diesen nationes wiederum war die Zahl der insgesamt 65 Frauenklöster höchst unterschiedlich verteilt: Die Suevia hatte 24, die Alsatia 20, die Bavaria nur 14, die Brabantia sogar nur sechs. Schwaben und Elsaß zusammen hatten also mehr als doppelt so viele Dominikanerinnenklöster wie Bayern und Brabant19. Über die Frage, warum die regionale Verteilung so unterschiedlich ausfällt, wurde in der Forschung ausführlich diskutiert. John Freed erklärt sehr einleuchtend, wie ich finde, die geringe Verbreitung von Dominikanerinnen (übrigens auch der Klarissen, bei denen sich eine ähnliche räumliche Verteilung ergeben dürfte) insbesondere im Rheinland, am Niederrhein und in Flandern, wo man doch generell mit einem äußerst reichen geistlichen Leben und insbesondere in den Städten mit einer hochentwickelten Religiosität zu rechnen hat, gerade mit dem Entwicklungsvorsprung dieser Städteregion: Da es dort bereits vor 1200 zu einer Vielzahl an Frauenklostergründungen gekommen war, insbesondere durch Prämonstratenser und Zisterzienser, war der Bedarf beim Auftreten der Bettelorden und der Gründungswelle weiblicher Bettelordenskonvente bereits zum Teil befriedigt20. Letha Böhringer kommt bei ihrem Überblick über die Frauenklöster der Stadt Köln zu einem ähnlichen Ergebnis: In Köln entstand nur ein einziges Dominikanerinnenkloster, St. Gertrud, wenn auch im 14. Jahrhundert mit rund 100 Nonnen ein großer, reicher und sehr gebildeter Konvent21. Böhringer vermutet ebenfalls, daß die Zisterzienser mit ihren drei Frauenklöstern in bzw. vor Köln und die Reformbenediktiner sowie Augustinerchorfrauen bereits einen großen Teil des Potentials für Frauenklostergründungen abgefangen hatten. Hinzu kommen gerade in Köln aber auch eine riesige Zahl von nicht-klausuriert lebenden Beginenkonventen, die eine attraktive Alternative für Frauen aus allen sozialen Schichten, besonders auch aus Niederadels- und Patrizierfamilien boten22.

|| 19 Loë, Paulus von: Statistisches über die Ordensprovinz Teutonia/Saxonia, Leipzig 1907/11 (QF 4); Wilms, Hieronymus: Das älteste Verzeichnis der deutschen Dominikanerinnenklöster, Leipzig 1928 (QF 24); Walz, Angelus: Dominikaner und Dominikanerinnen in Süddeutschland (1225–1966), Freising 1967, S. 16–18; Ehrenschwendtner, Marie-Luise: Die Bildung der Dominikanerinnen in Süddeutschland vom 13. bis 15. Jahrhundert, Stuttgart 2004 (Contubernium 60), S. 8 f.; für das 14. Jahrhundert Barthelmé, Annette: La Réforme Dominicaine au XVe Siècle en Alsace et dans L’Ensemble de la Province Teutonie, Strasbourg 1931, S. 7–22; Heimann: Dominikanerprovinz (Anm. 7). 20 Freed, John B.: Urban Development and the “Cura monialium” in Thirteenth Century Germany, in: Viator 3 (1972), S. 311–327, hier S. 315–321. 21 Böhringer, Letha: Geistliche Gemeinschaften für Frauen im mittelalterlichen Köln, Köln 2009 (Libelli Rhenani. Series minor 5), S. 53. 22 A.a.O., S. 53–56.

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Letzterer Überlegung widerspricht aber der Vergleich mit Straßburg: Auch dort gab es ein überaus lebendiges Beginenwesen – bis zu 70 größere und kleinere Beginenkonvente im 14. Jahrhundert23. Und doch entstanden in Straßburg in den 15 Jahren zwischen 1225 und 1240 sieben Frauenklöster, sechs davon sollten Dominikanerinnen werden, 1285 kam ein weiteres hinzu24! Von den 20 Dominikanerinnenklöstern der Alsatia lagen also alleine sieben in oder genauer gesagt vor der Stadt Straßburg. Anders aber als in Köln hatte es dort vor 1245 nur einen einzigen Frauenkonvent gegeben, das Kanonissenstift St. Stephan, das bereits im 8. Jahrhundert gegründet worden war und das ausschließlich adligen Frauen offenstand25. In Straßburg fiel die Gründungswelle der Frauenklöster, die mit der oben erwähnten Unterstützung durch Amicie de Joigny 1245 begann, genau mit der Phase der städtischen Emanzipationsbewegung von der Herrschaft des Bischofs zusammen: 1262 erkämpften sich die Straßburger die Unabhängigkeit von ihrem Bischof in der Schlacht bei Hausbergen26. Dieselben Familien, die nun im Stadtrat die Geschicke der Stadt lenkten, schickten ihre Töchter in die neu entstehenden Dominikanerinnenklöster und ließen sich deren Gründung und Ausstattung unglaubliche Vermögensmassen kosten. Sicher nicht zufällig bevorzugten sie dabei die vom Bischof exemten Bettelordensklöster. Leider ist für das 13. Jahrhundert kaum zu erkennen, welchen Anteil die Frauen selbst an den zahlreichen Gründungen und Inkorporationen hatten. Wir können nur konstatieren, daß die allermeisten Dominikanerinnenklöster nicht als solche gegründet, sondern in einem typischen Dreischritt zu vollgültigen Dominikanerinnenklöstern wurden: Sie entstanden als mehr oder weniger spontane, ungeregelte Frau-

|| 23 Schmidt, Charles: Die Straßburger Beginenhäuser im Mittelalter, Mülhausen 1859; Phillips, Dayton: Beguines in Medieval Strasbourg. A Study in the Social Aspect of Beguine Life, Stanford / CA 1941; Schmitt (= Hirbodian), Sigrid: Verfolgung, Schutz und Vereinnahmung. Die Straßburger Beginen im 14. Jahrhundert, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008), S. 111–136, hier S. 112. 24 Barth, Médard: Die Rolle des Dominikanerinnenklosters St. Marx zu Straßburg in der Frühgeschichte des Ordens 1225–1242, in: Archiv für elsässische Kirchen-Geschichte 7 (1932), S. 101–112; Pfleger, Lucien: Kirchengeschichte der Stadt Straßburg im Mittelalter, Colmar 1941 (Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsaß 6); vgl. auch die entsprechenden Artikel in Barth, Médard: Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter, 2 Bde., Straßburg 1960 (Archives de l'Eglise d'Alsace, Neue Serie XI–XIV). 25 Barth: Handbuch (Anm. 24), Sp. 1485–1487; Klapp, Sabine: Das Äbtissinnenamt in den unterelsässischen Frauenstiften vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Umkämpft, verhandelt, normiert, Berlin [u.a.] 2012 (Studien zur Germania Sacra NF 3), S. 400-431. 26 Dollinger, Philippe: L'Emancipation de la ville et la domination du patriciat (1200–1349), in: Histoire de Strasbourg des origines à nos jours, Bd. 2 : Strasbourg des grandes invasions au XVIe siècle, Hrsg. Georges Livet u. Francis Rapp, Strasbourg o.J., S. 37–94; Egawa, Yuko: Stadtherrschaft und Gemeinde in Straßburg vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis zum Schwarzen Tod (1349), Trier 2007 (Trierer Historische Forschungen 62).

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enkonvente – als Beginengemeinschaften, wenn man so will –, übernahmen dann die Lebensweise der Dominikanerinnen, oft zugleich mit der Betreuung durch den örtlichen Männerkonvent, und erlangten im letzten Schritt die förmliche Inkorporation in den Orden. Man kann vermuten, daß insbesondere die ersten beiden Schritte von den Frauen selbst vollzogen oder doch initiiert wurden, während der dritte Schritt erhebliche finanzielle und politische Unterstützung erforderlich machte. Allerdingst treten auch auf dieser Ebene bemerkenswert häufig Frauen in Erscheinung, wie die oben erwähnte geborene Gräfin von Montfort. Es läßt sich vermuten, daß sich wesentlich mehr Frauengemeinschaften auf den beschriebenen Weg begaben, als schließlich das Ziel erreichten. So sind die drei reichsten Beginenkonvente Straßburgs, das Haus zum Turm, das Haus zum Innenheim und das Haus zum Offenburg, seit ihrer Gründung und der Errichtung von Statuten im Jahr 1276 eng an die Dominikaner gebunden: In ihren Gründungsstatuten wird die geistliche Betreuung wie auch die Aufsicht über die innere Ordnung des Konvents den Dominikanern unterstellt27, die Häuser befinden sich auch räumlich in unmittelbarer Nähe zum Dominikanerkloster28. Auch die finanzielle Ausstattung und die Besetzung des Konvents durch vorwiegend patrizische Frauen entspricht ganz dem Vorgehen der übrigen sieben Konvente, die mit der Inkorporation in den Orden zum erfolgreichen Abschluß gelangten. Warum die drei genannten Häuser dieses vermutlich angestrebte Ziel nicht erreichten, läßt sich nicht mehr sagen – vielleicht reichte ihre finanzielle Ausstattung nicht oder der Orden war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bereit, noch weitere Häuser in Straßburg aufzunehmen. Möglicherweise aber war ihre Gründung auch bereits überschattet vom in den 1280er Jahren zum Ausbruch gelangenden großen Dominikanerstreit in Straßburg, der zu einem langanhaltenden und nachhaltigen Konflikt zwischen der Stadt und dem Predigerorden führte, in dessen Verlauf die Dominikaner die Stadt für drei Jahre verließen29. Mit diesen Überlegungen will ich keineswegs die ältere These wiederholen, nach der im Prinzip alle Beginenkonvente eigentlich verhinderte Frauenklöster

|| 27 Schmidt: Beginenhäuser (Anm. 23), S. 42–44; Die Statuten von 1276, in: Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Hrsg. Wilhelm Wiegand [u.a.], 7 Bde., Strasbourg 1879–1900, hier Bd. 3: Nr. 78 (1276, 04 12), Nr. 79 (1276, 04 14) und Nr. 81 (1276, 05 04). Bereits im Jahr 1269 vermachen zwei Witwen, Adelheid von Meistersheim und Guta von Offenburg, ihr gemeinsam bewohntes Haus am Roßmarkt in Straßburg den Dominikanern (a.a.O., Nr. 22, 1269, 11 02). Ob es sich dabei um die Grundlagen für das spätere Haus zum Offenburg handelt, ist zweifelhaft, da dieses in der Predigergasse lag. Vgl. Schmidt: Beginenhäuser (Anm. 23), S. 42; Phillips: Beguines (Anm. 23), S. 70 f. – dort auch ein Lageplan. Doch könnten die beiden gemeinsam in einem Haus lebenden Witwen bereits ein beginenähnliches Leben geführt haben. 28 Phillips: Beguines (Anm. 23), S. 70 f. 29 Overhage bezeichnet den Konflikt der Straßburger Dominikaner mit ihrer Stadt als den „langwierigsten und bedeutendsten Streit“ in der Teutonia des 13. Jahrhunderts, Overhage: Konflikt und Konsens (Anm. 7), S. 187; zum Verlauf des Konflikts a.a.O., S. 187–202.

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gewesen seien30 – es scheint mir in vielen Fällen von Anfang an der Wille zu einer unklausurierten, alternativen Lebensweise gewesen zu sein, der die Beginenhäuser zu mehr als nur verhinderten Klöstern machte: Auf der einen Seite war es der Wille zu einer vita activa, auf der anderen Seite das Vorbild der Kanonissen mit ihrem unklausurierten und nicht an ewige Gelübde gebundenen geistlichen Leben in der Welt, die die Beginen zu einer durchaus eigenständigen geistlichen Lebensform für Frauen werden ließen31. Doch sollte man daneben auch Gründungen in Betracht ziehen, die zumindest zeitweise das Ziel eines regulierten Ordenslebens hatten. Bemerkenswert scheinen mir aber auf der anderen Seite auch die vielen Konvente zu sein, die zwar als Dominikanerinnen lebten, die aber eine förmliche Inkorporation in den Orden nie erlangen konnten. Diese mehr aus Verlegenheit als aus innerer Logik als Tertiarinnen, also Drittordenskonvente bezeichneten Gemeinschaften sind offenbar besonders in der Suebia weitverbreitet: Allein in Württemberg gab es 23 solcher Dominikanertertiarinnenkonvente (noch weit übertroffen allerdings von den 71 Franziskanertertiarinnen in derselben Region)32.

2 Entwicklungen im 14. Jahrhundert Kommen wir zum 14. Jahrhundert, in die Zeit, die gemeinhin zunächst als Blütezeit, dann, in der zweiten Jahrhunderthälfte, als Zeit des drastischen Niedergangs oder „Verfalls“ bezeichnet wird. Und hier seien zunächst die sieben Straßburger Frauenklöster noch einmal genannt, da sie zeitweise vermutlich ein Zentrum der Dominikanerinnenmystik bildeten33. Noch im 13. Jahrhundert erließ der Dominikanerpro-

|| 30 Zu dieser auf Grundmann (Grundmann: Religiöse Bewegungen (Anm. 5), S. 319–321) zurückgehenden sogenannten „Religiosenthese“ als Erklärungsmuster für die Entstehung des Beginentums vgl. kritisch u.a. Fößel, Amalie u. Hettinger, Anette: Klosterfrauen, Beginen, Ketzerinnen. Religiöse Lebensformen von Frauen im Mittelalter, Idstein 2000 (Historisches Seminar NF 12), S. 48 f.; Wilts, Andreas: Beginen im Bodenseeraum, Sigmaringen 1994 (Bodensee Bibliothek 37), S. 16–18. 31 Schmitt: Verfolgung (Anm. 23), S. 111–136, hier S. 124; Böhringer, Letha: Kölner Beginen im Spätmittelalter. Leben zwischen Kloster und Welt, in: Geschichte in Köln 53 (2006), S. 7–34, hier S. 34; dies.: Merging into Clergy: Beguine Self-Promotion in Cologne in the Thirteenth and Fourteenth Centuries, in: Labels and Libels. Naming Beguines in Northern Medieval Europe, Hrsg. Letha Böhringer [u.a.], Turnhout 2014 (Sanctimoniales 1), S. 151–186, hier S. 185 f. 32 Vgl. dazu die jeweiligen Artikel im Württembergischen Klosterbuch (Anm. 8). 33 Pfleger: Kirchengeschichte (Anm. 24), S. 135. Vgl. dazu neuerdings Nemes, Balàszs J.: Der ‚entstellte‘ Eckhart. Eckhart-Handschriften im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, in: Schreiben und Lesen in der Stadt. Literaturbetrieb im spätmittelalterlichen Straßburg, Hrsg. Stephan Mossman [u.a.], Berlin [u.a.] 2012 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 4), S. 39–98, hier S. 41; Sturlese, Loris: Meister Eckhart und die cura monialium. Kritische Anmerkungen zu einem forschungsgeschichtlichen Mythos, in: Meister-Eckhart-Jahrbuch 2 (2008), S. 1–16.

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vinzial Hermann von Minden eine Instruktion, wonach den Straßburger Dominikanerinnen von gelehrten Brüdern gepredigt werden sollte34. Ausgerechnet das „Dreigestirn der deutschen Mystik“ war in Straßburg präsent und aktiv in der geistlichen Betreuung der Nonnen: Meister Eckhart weilte ab 1313 für knapp zehn Jahre als Vikar des Ordensgenerals in Straßburg, der Straßburger Johannes Tauler engagierte sich in der Frauenseelsorge und starb in St. Nikolaus in undis, wo er zum Besuch seiner Schwester – einer Nonne des Klosters – weilte. Auch Heinrich Seuse ist in Straßburg in der Verantwortung für die cura monialium nachweisbar. Weitere prominente Ordensvertreter predigten nachweislich in Straßburger Frauenklöstern35. Daß in den süddeutschen Dominikanerinnenklöstern in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Mystik eine große Blütezeit erlebte, steht außer Frage. Wichtigstes Zeugnis hierfür sind die sogenannten Schwesternbücher oder Nonnenviten36. Sie sind ausschließlich in Süddeutschland entstanden, mit einer Ausnahme in deutscher Sprache, und schildern die idealen Lebensverläufe einzelner mystisch begnadeter Schwestern. In Zusammenhang mit der deutschsprachigen Literatur der süddeutschen Dominikanerinnen steht eine weitere Forschungsdiskussion, die hier nur kurz erwähnt werden kann: Anders als in Norddeutschland, wo sich eine sehr ausgeprägte und elaborierte lateinische Schriftlichkeit aus spätmittelalterlichen Frauenklöstern erhalten hat, ist die Überlieferung aus süddeutschen Frauenklöstern generell stark durch Volkssprachlichkeit geprägt. Bedeutet dies, daß die süddeutschen Frauenklöster erhebliche Bildungsdefizite hatten, ja daß sie nicht einmal mehr das für die Liturgie erforderliche Minimum an Latein beherrschten37? Diese Vermutung darf inzwischen als weitgehend widerlegt betrachtet werden. Zum einen haben sich neben der elaborierten deutschsprachigen Literatur genügend viele Schriftzeugnisse aus süddeutschen Frauenklöstern in Latein erhalten, die zeigen, daß auch diese Frauen eine – wenn auch in ihrer Qualität offenbar stark variierende – lateinische Bildung erhielten. Das Entstehen der deutschsprachigen religiösen Literatur wird im Gegenteil heute als ein besonderes Maß an sprachschöpferischer

|| 34 Pfleger: Kirchengeschichte (Anm. 24), S. 136. 35 A.a.O., S. 135–140. 36 Ringler, Siegfried: Viten- und Offenbarungsliteratur in Frauenklöstern des Mittelalters. Quellen und Studien, München 1980; Ehrenschwendtner: Bildung (Anm. 19), S. 62–64; Vassilevitsch, Daria: „Schrei der Seele“ oder didaktische Stilisierung? Schwesternbücher aus Dominikanerinnenklöstern, in: Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte mittelalterlicher Frauenklöster, Hrsg. Gabriela Signori, Bielefeld 2000 (Religion in der Geschichte 7), S. 213–229. 37 Mengis, Simone: Schreibende Frauen um 1500. Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen, Berlin [u.a.] 2013 (Scrinium Friburgense 28), S. 69–75; grundlegend zur lateinischen Bildung norddeutscher Nonnen: Schlotheuber, Eva: Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter, Tübingen 2004 (Spätmittelalter und Reformation NR 24), bes. S. 268–296, zum Vergleich mit süddeutschen Konventen S. 268–281.

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und -gestalterischer Kraft gedeutet, die ein hohes Bildungsniveau und eine sehr gute Kenntnis lateinischer Begriffs- und Formulierungsvorlagen voraussetzt38. Warum in den Dominikanerinnenklöstern des 14. Jahrhunderts neben einer lateinisch-gelehrten eine deutschsprachige Literatur entstand, erklärt Eva Schlotheuber in einem noch unpublizierten Beitrag, den sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, mit dem besonderen religiösen Konzept der frühen Dominikanerinnen39: Sie wollten zunächst nicht nur jungen Frauen oder Mädchen offenstehen, die in frühen Jahren für ein Klosterleben ausersehen worden waren und im Konvent eine gründliche lateinische Bildung erhielten, sondern auch solchen Frauen, die im Verlauf ihres Lebens – oft erst als Witwen – den Weg zu Gott suchten und in ein Dominikanerinnenkloster eintraten. Gerade die in den Schwesternbüchern überlieferten Nonnenviten des 14. Jahrhunderts lassen solche „alternativen“ Lebensläufe immer wieder beobachten. „Wenn aber der Klostereintritt schriftkundigen und schriftunkundigen Schwestern in gleicher Weise offenstehen sollte, musste man zwangsläufig nicht nur die Bildungsvoraussetzungen flexibel gestalten, sondern auch die Bewertung von Bildung für das geistliche Leben in neuer Weise fassen, um den illiteraten Frauen eine möglichst gleichberechtigte Teilhabe an einer Lebensform zu ermöglichen, die sich in erster Linie über den liturgischen Vollzug definierte. In diesem Kontext wird auch verständlich, warum der Orden die große Rolle der Volkssprache für den religiösen Ausdruck in den süddeutschen Dominikanerinnenklöstern förderte, der eine eigene ‚neue‘ Dignität zugewiesen wurde“40. Dennoch kann man auch in den Dominikanerinnenklöstern – im Laufe der Zeit immer regelmäßiger – die etablierte Form der Entscheidung für ein geistliches Leben von Frauen beobachten: Der Familienvorstand bestimmte, welche der Töchter für ein geistliches Leben vorgesehen wurde und gab das bzw. die Mädchen im Alter von vier bis sechs Jahren in ein Kloster. Dort erhielt das Kind eine mehrjährige Ausbildung, bis es im Alter von ca. 14 Jahren in das einjährige Noviziat eintrat, an dessen Ende die Ablegung der Profeß stand, die Leistung der ewigen Gelübde41. Daß ein Kind sich gegen diesen Weg entschied und die Profeß nicht „freiwillig“ ablegte, war angesichts der prägenden Erziehung und dem Fehlen jeglicher Alternativen sehr unwahrscheinlich. Hinzu kommt, daß die Übergabe der Kinder an das Kloster durch

|| 38 Newman, Barbara: Die visionären Texte und visuellen Welten religiöser Frauen, in: Krone und Schleier (Anm. 3), S. 105–117, hier S. 106; Ehrenschwendtner: Bildung (Anm. 19), S. 119–148. 39 Schlotheuber, Eva: Intellectual Horizons, in: Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300–1425. Inscription and Illumination in the Choir Books of a North German Dominican Convent, Hrsg. Jeffrey Hamburger [u.a.], Manuskript, deutsche Fassung, S. 1–65 (erscheint voraussichtlich Münster/ Wf. November 2016). 40 Schlotheuber: Horizons (Anm. 39), Manuskript S. 33. 41 Ehrenschwendtner: Bildung (Anm. 19), S. 82–84; vgl. dazu grundlegend Spieß, Karl-Heinz: Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 22015, S. 370–379.

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die Eltern oft bereits in der Form einer Oblation ein verbindliches Versprechen zu einem geistlichen Leben für das Kind beinhaltete42. Wenn die erste Jahrhunderthälfte des 14. Jahrhunderts eine Blütezeit der dominikanischen Frauenklöster war, dann finden sich in der zweiten Jahrhunderthälfte massenweise Anzeichen für tiefe Krisen und „Verfallserscheinungen“43. Lassen Sie mich zur Erläuterung dieser Beobachtung nochmals nach Straßburg zurückkehren. Dort kam es in den 70er Jahren des 14. Jahrhunderts zu einer aufsehenerregenden Aktion dreier Dominikanerinnenklöster, St. Katharina, St. Marx und St. Nikolaus in undis, die den Orden zu verlassen versuchten, wohl mit der Absicht, den Status von Kanonissen zu erreichen44. Als Hintergrund dürfen wir eine tiefgreifende Krise bei der Betreuung der Nonnen durch die Dominikaner annehmen. Der erste Hinweis darauf, daß das Verhältnis zwischen Dominikanern und Dominikanerinnen problematisch geworden war, läßt sich der Tatsache entnehmen, daß der Provinzialprior der Teutonia 1358 die Errichtung einer Ordnung für den Umgang seiner Ordensbrüder mit den ihnen unterstellten Frauenkonventen für notwendig erachtete45. Darin wurden strenge Vorschriften erlassen, mit denen private Kontakte einzelner Brüder zu Nonnen verhindert werden sollten. So wurden nicht nur alle gottesdienstlichen und seelsorgerischen Handlungen einer Kontrolle durch ältere Ordensbrüder unterstellt, sondern auch private Besuche von männlichen Ordensleuten, die Verwandte (swester, muome, base, bruoder- oder swestertohter) in den Frauenklöstern hatten. Die Höhe der Strafen, die bei Zuwiderhandlung angedroht wurden, machen den Ernst der Verordnung deutlich: Wer ohne Erlaubnis an die Redefenster der Frauenklöster ging, sollte zwei Monate bei Brot und Wasser im Kerker liegen und auf zwei Jahre aus der Stadt verbannt werden, wer ein Kloster unerlaubt betrat, für sechs Monate bzw. sechs Jahre. Mit besonders schweren Strafen wurden sexuelle Kontakte zwischen Ordensbrüdern und Nonnen geahndet:

|| 42 A.a.O., S. 378; zur Rechtsform der Oblation im Spätmittelalter Schlotheuber: Klostereintritt (Anm. 37), S. 222–264. 43 Hirbodian, Sigrid: Pastors and Seducers. The Practice of the Cura Monialium in Mendicant Convents in Strasbourg, in: Partners in Spirit. Women, Men, and Religious Life in Germany, 1100– 1500, Hrsg. Fiona J. Griffiths u. Julie Hotchin, Turnhout 2014 (Medieval Women: Texts and Contexts 24), S. 303–337, hier S. 308–314, dort auch ausführlicher zum folgenden Beispiel. 44 Rapp, Francis: Réformes et Réformation à Strasbourg. Église et société dans le diocèse des Strasbourg 1450–1525, Paris 1974 (Association des Publications près les Universités de Strasbourg. Collection de l'institut des hautes études alsaciennes 23), S. 106; Barthelmé: Réforme (Anm. 19), S. 17; Kothe, Wilhelm: Kirchliche Zustände Straßburgs im vierzehnten Jahrhundert. Ein Beitrag zur Stadt- und Kulturgeschichte des Mittelalters, Freiburg / Br. 1903, S. 72–74 und S. 101. 45 Urkundenbuch der Stadt Straßburg (Anm. 27), V, 1, Nr. 451, S. 390 f. (1358, 04 24).

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Weri es aber, davor Got si, das ein bruder ein swester swanger machte oder beslief, der sol zwei jor in dem kerker ligen und darnach ewiclich verwiset werden46.

Schwestern, die das Kloster öffentlich oder heimlich verließen, sollten für ein Jahr im Kerker liegen, eine Schwester, die schwanger wurde, zwei Jahre und danach nie mehr Amt und Stimme im Kapitel innehaben. Daß diese Regelung durchaus realistische Hintergründe gehabt haben dürfte, geht aus einem erschütternden Brief der Nonnen von St. Agnes an den Ammeister der Stadt Straßburg hervor, der vermutlich aus der Zeit kurz vor dem Erlaß dieser Ordnung stammt: Herlicher erwurdiger meister, der ammanmeister. Wir, die vo(n) St. Agnese, die closter frowe(n) clagent uch vo(m) grunde unsers herzen, d(as) wir nuwelinge ein ertoetet kint funden hant in unsere privegen, iemerliche, schentliche, un(d) der zu sprichet nieman nutzit. Nu treit aber ein under uns ein kint un(d) sol schiere genesen un(d) wellent uns die bredier nut zu helfe ku(m)men, wenne su foerchtent, d(as) men su ziehe, d(as) d(as) kint der bredier si, und ist in lieber, es werde och vermoerdet in deme lobeli(n) do, denne d(as) imme eine sele werde. Owe, erwurdiger meister, ku(m)ment uns zu helfe un(d) gont zu den brediern, zu den vicarien un(d) sprechent, d(as) su hergont un(d) uns zu helfe kument oder aber ir herre, der meister, wenn es getet nie so not. Die frowe het sich furborge(n), un(d) kunnent ir niergent vinden47.

Dieser Skandal in St. Agnes veranlaßte wohl die Nonnen der drei genannten Klöster, ihren Sezessionsversuch vom Dominikanerorden mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfolgen. Am Beispiel dieser Aktion läßt sich im übrigen ausgezeichnet nachverfolgen, wie geistliche Frauen aus der Klausur heraus politisch tätig werden und ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen konnten: Im Februar 1370 erklärten die drei Dominikanerinnenklöster, nicht mehr dem Gehorsam ihres Ordens und ihrer Ordensoberen verpflichtet sein zu wollen, und unterstellten sich dem Schutz des Straßburger Bischofs48. Aus dem Urteil, das Kardinal Raimund von Palästrina in dem daraufhin angestrengten Verfahren verkündete, gehen die Klagen der Nonnen deutlich hervor49: Sie bezichtigen die Dominikaner der Simonie, denn sie hätten sie gezwungen, die geistlichen Pflichten wie Beichtehören und die Spende der Sakramente zu erkaufen. Sie werfen den Dominikanern ferner vor, mit unpassender Kleidung in ihre Klöster gekommen zu sein, in Gegenwart der Frauen geflucht und sie zur Unzucht aufgefordert zu haben. Einige Nonnen in Dominikanerinnenklöstern der Diözese seien sogar von Brüdern geschwängert

|| 46 A.a.O., S. 391. 47 Archives Municipales de Strasbourg II, 21/8; vgl. auch Urkundenbuch der Stadt Straßburg (Anm. 27), V, 2, S. 980 f., Anm. 1. 48 A.a.O., Nr. 856, S. 666 (1370, 02 22). 49 A.a.O., Nr. 1000, S. 773 (stark gekürzt), Vorlage: Archives Municipales de Strasbourg, Archives St. Thomas, Hist. Eccl. I, 212 (1372, 02 07).

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worden (diese Anspielung bezieht sich möglicherweise auf den oben geschilderten Fall aus St. Agnes). All diese Ungeheuerlichkeiten hätten sie schließlich dem Bischof berichtet, in dessen Schutz sie sich begaben, woraufhin sie vom Generalmagister der Dominikaner mit dem Bann belegt worden seien. Die Nonnen und ihre Eltern befürchteten weitere Skandale, weswegen sie sich schließlich hilfesuchend an den Papst wandten. Kardinal Raimund von Palästrina untersuchte nun im Auftrag des Papstes die Angelegenheit und fällte schließlich das Urteil, daß die Nonnen zu schweigen, in den Gehorsam der Dominikaner zurückzukehren und ferner alle Kosten des Verfahrens zu tragen hätten. Die Nonnen appellierten gegen dieses Urteil an den Papst, doch wurde es im Oktober desselben Jahres ein zweites und schließlich im Jahr darauf ein drittes Mal bekräftigt50. Dennoch scheinen die Nonnen nicht bereit gewesen zu sein, unter den Gehorsam der Dominikaner zurückzukehren, denn im Februar 1374 forderte Papst Gregor XI. den Straßburger Bischof auf, dafür zu sorgen, daß die Dominikanerinnen ihren Widerstand aufgaben51. Erst nach zahlreichen weiteren Ermahnungen, vor allem aber nachdem schließlich auch der Stadtrat sich für die Rückkehr der Nonnen in ihre Klöster und unter die Aufsicht der Dominikaner ausgesprochen hatte, begann die bis dahin geschlossene Front der Schwestern zu bröckeln: 1375 erklärten sich die Frauen von St. Nikolaus sowie 20 aus St. Katharina bereit, das Urteil zu akzeptieren und in den Gehorsam des Ordens zurückzukehren52. Die Schwestern von St. Marx sowie die verbliebenen von St. Katharina harrten noch über zwei weitere Jahre in ihrem Widerstand aus und unterwarfen sich erst 137753. Diese Aktionen der Nonnen waren nicht denkbar ohne die massive Unterstützung ihrer Familien. Und natürlich stand dahinter auch der Straßburger Bischof, der die Frauenklöster unter seine Kontrolle bringen und damit zumindest zum Teil seinen zunehmend schwindenden Einfluß in der Stadt zurückgewinnen wollte54. Die spektakuläre Aktion der drei Dominikanerinnenklöster sollte übrigens nicht einmalig bleiben. Im Jahr 1482 gelang es dem Basler Dominikanerinnenkloster Klingental, den Orden zu verlassen und sich in ein Frauenstift umzuwandeln55, 1514

|| 50 Urkundenbuch der Stadt Straßburg (Anm. 27), V, 2, S. 724, Anm. 1 (Regest), Original: Archives Municipales de Strasbourg, Archives St. Thomas, Hist. Eccl. I, 213 (1372, 10 29); Urkundenbuch der Stadt Straßburg (Anm. 27), V, 2, S. 724, Anm. 1 (Regest); Original: Archives Municipales de Strasbourg, Archives St. Thomas, Hist. Eccl. I. 214b (1373, 07 01). 51 Urkundenbuch der Stadt Straßburg (Anm. 27), V, 2, Nr. 1111, S. 842 f. (1374, 02 28). 52 A.a.O., S. 873, Anm. 3 (Regest); Archives Municipales de Strasbourg, Archives St. Thomas, Hist. Eccl. I, 222 (1375, 06 24). 53 Urkundenbuch der Stadt Straßburg (Anm. 27), V, 2, Nr. 1307 (Regest); Archives Municipales de Strasbourg, Archives Hospitalières, 1843 (1377, 11 14) und 1351 (1377, 11 29). 54 Hirbodian: Pastors (Anm. 43), S. 313 f. 55 Weis-Müller, Renée: Die Reform des Klosters Klingenthal und ihr Personenkreis, Basel [u.a.] 1956 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 59), zu den Ereignissen des Jahres 1482 S. 54–56

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gelang dies dann schließlich auch dem Straßburger Kloster St. Marx, das 1377 noch gescheitert war56.

3 Konflikt und Reform im 15. Jahrhundert Die Krise des Ordens, insbesondere die Krise im Verhältnis zwischen Dominikanern und Dominikanerinnen, war gewiß einer der Gründe für den Siegeszug der Observanz, d.h. der „Reformbewegung“, die eine strengere Regelobservanz nach neuen religiösen Vorstellungen forderte. Doch muß man entgegen der in der älteren Forschung vorherrschenden Meinung, solche Skandale hätten zur „Reform“ durch die Observanz geführt, ganz deutlich sehen, daß bereits in den Jahren vor der Einführung der Observanz im konventualen Zweig des Ordens durchgreifende Reformmaßnahmen – wie die oben erwähnten Regeln für die cura monialium in Straßburg – umgesetzt wurden. D.h., Auslöser waren nicht Mißstände, wie die aus St. Agnes um 1350 beschriebenen, auch wenn die Reformer oft im Nachhinein ihr Vorgehen mit solchen vermeintlich skandalösen Zuständen zu rechtfertigen suchten. Man muß hinter der Durchsetzung der Dominikanerinnenobservanz vielmehr in erster Linie veränderte Frömmigkeitsvorstellungen sehen, die auf eine vertiefte Innerlichkeit der Nonnen und ein geschlossenes Konventsleben abzielten57. So nahm die Klausurpraxis in den der Observanz zugeführten Klöstern bisher nicht gekannte Formen an: Die Nonnen durften von nun an nicht mehr von weltlichen Personen gesehen werden oder sie sehen. Dahinter stand, wie Thomas Lentes gezeigt hat, eine Vorstellung von der Reinheit der Seelen der Nonnen, die als klare Spiegel gedacht waren, auf denen jedes Bild, das durch die Augen hineinkam, einen „Eindruck“ hinterließ. Die Nonnen sollten ihre Seelenspiegel völlig klar und rein erhal-

|| und passim; insgesamt befaßt sich die Untersuchung mit Gegnern und Befürwortern der observanten Reform in Klingenthal sowie den Gründen für deren Scheitern. 56 Archives Municipales de Strasbourg, Archives Hospitalières 1340 (1517, 11 10), 1339 (1517, 11 17) und 1341 (1518, 04 12); vgl. auch das Schutzprivileg des Papstes unter demselben Datum: Archives Municipales de Strasbourg, Archives Hospitalières 1342. 57 Hirbodian, Sigrid: Dominikanerinnenreform und Familienpolitik. Die Einführung der Observanz im Kontext städtischer Sozialgeschichte, in: Schreiben und Lesen (Anm. 33), S. 1–28, hier S. 1–4; vgl. zur Einführung der Observanz bei den Frauenklöstern der Teutonia noch immer Barthelmé: Réforme (Anm. 19); grundlegend für Südwestdeutschland Neidiger, Bernhard: Die Observanzbewegung der Bettelorden in Südwestdeutschland, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 175–196; zur Deutungshoheit, die die Observanten über den Begriff „Reform“ gewannen und deren Folge für die Historiographie bis in die 1990er Jahre vgl. grundlegend Mertens, Dieter: Monastische Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts: Ideen – Ziele – Resultate, in: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz und Basel, Hrsg. Ivan Hlavàcek u. Alexander Patschovsky, Konstanz 1996, S. 157–181.

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ten, indem sie zeit ihres Lebens nur geistliche Dinge sich darin spiegeln lassen sollten. Das setzte natürlich auch voraus, daß sie im Alter der Unschuld, also als kleine Kinder, in die Klausur gebracht wurden58. Neben den religiösen oder frömmigkeitsgeschichtlichen Aspekten standen hinter der oft zwangsweisen Einführung der Observanz aber auch politische und sozialpolitische Aspekte. Im Orden führte die Spaltung zwischen Konventualen und Observanten zu einem offenen Machtkampf, bei dem die Gewinnung eines Frauenklosters für die eine oder andere Seite oft einen Schritt zur Übernahme auch des Männerkonvents in der entsprechenden Stadt bedeuten konnte. Die weltlichen Mächte, ohne deren massive Einflußnahme keine Einführung der Observanz in einem Frauenkloster gelingen konnte, versprachen sich im Sinne des Kirchenregiments verstärkten Einfluß auf die inneren und wirtschaftlichen Belange der Klöster59. Und die in den Bürgerkämpfen des 14. und 15. Jahrhunderts an die Macht gekommenen Zünfte konnten erst mit der Einführung der Observanz für ihre Töchter im großen Stil Zugang zu den Dominikanerinnenklöstern gewinnen, die in vielen Fällen bis ins 15. Jahrhundert fast ausschließlich adligen und patrizischen Frauen offengestanden hatten. Auch deshalb unterstützten zünftig dominierte Stadträte oft eine observante Klosterreform60. Ich muß an dieser Stelle abbrechen und mir den Blick auf die Auflösung der Dominikanerinnenklöster in der Reformation bzw. die Auswirkungen des Tridentinums auf die weiterexistierenden Klöster versagen61. Die eigentlich interessanten Fragen tun sich aber auch an anderen Stellen jetzt erst auf: Welchen Einfluß hatten die Frauen selbst auf die Entstehung ihrer Konvente im 13. Jahrhundert, auf die Wahl der dominikanischen Lebensweise und die Inkorporation in den Orden? Wel-

|| 58 Lentes, Thomas: Bild, Reform und cura monialium. Bildverständnis und Bildgebrauch im Buch der Reformacio Predigerordens des Johannes Meyer († 1485), in: Dominicains et Dominicaines en Alsace XIIIe–XXe s. Actes du colloque de Guebwiller 8.–9. Avril 1994, Hrsg. Jean-Luc Eichenlaub, Colmar 1996, S. 177–195, hier S. 179 f. 59 Vgl. etwa Stievermann, Dieter: Die württembergischen Klosterreformen des 15. Jahrhunderts. Ein bedeutendes landeskirchliches Strukturelement des Spätmittelalters und ein Kontinuitätsstrang zum ausgebildeten Landeskirchentum der Frühneuzeit, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 47 (1985), S. 65–103. 60 Hirbodian: Dominikanerinnenreform (Anm. 57). 61 Für Straßburg vgl. dazu Sauerbrey, Anna: Die Straßburger Klöster im 16. Jahrhundert. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Geschlechtergeschichte, Tübingen 2012 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 69); Hirbodian, Sigrid: Die Auflösung der Straßburger Frauenklöster in der Reformation. Eine Umformung der Urbanität?, in: Urbanisierung und Urbanität. Der Beitrag der kirchlichen Institutionen zur Stadtentwicklung in Bayern, Hrsg. Helmut Flachenecker u. Rolf Kießling, München 2008 (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Beiheft 36), S. 157–185; grundlegend zur Forschungssituation Muschiol, Gisela: „Ein jammervolles Schauspiel…“? Frauenklöster im Zeitalter der Reformation, in: Frauen und Kirche, Hrsg. Sigrid Schmitt, Stuttgart 2002 (Mainzer Vorträge 6), S. 95–114.

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che Aspekte der Dominikanerinnenmystik sind von den Nonnen selbst geprägt, wie ist ihr religiöses Selbstverständnis in einem Orden, in dem intellektuelle Bildung einen so zentralen Stellenwert einnahm? Basiert es, wie Eva Schlotheuber annimmt, „auf ihrer gleichsam körperlich verstandenen Gottesnähe“, die in ihrer „herausgehobenen Stellung als Braut des höchsten Königs (sponsa Christi) zum Ausdruck“ kommt62 und wie wirkte sich dieses Selbstverständnis auf die innere Ordnung ihres Zusammenlebens aus? Wie konnten Nonnen in Krisen- und Bedrohungssituationen handeln, etwa wenn ihre geistlichen Betreuer ihre Stellung mißbrauchten oder wenn ihnen von Außenstehenden neue Ordnungskonzepte vorgeschrieben wurden, die ihrem Leben, wie sie es bisher gelebt und auf das sie die Profeß abgelegt hatten, zutiefst widersprachen? Um diese Fragen umfassend beantworten zu können, bedarf es weiterer Forschung, die sich sowohl auf neue Fallstudien als auch auf einen Vergleich verschiedener Klöster bezieht. Erste Antworten geben bereits Beiträge des vorliegenden Sammelbandes. Ziel meines Beitrags war es jedoch, einen Überblick über rund 300 Jahre der Geschichte der Dominikanerinnen in der Teutonia zu bieten.

|| 62 Schlotheuber: Horizons (Anm. 39), Manuskript S. 12.

Andreas Rüther

Mönche der Märkte und Messen Zur Wahrnehmung und Deutung von Predigern und Städten im späteren Mittelalter Von einer „verstädterte[n] Form des Mönchtums“ sprach Isnard Wilhelm Frank, bezogen auf die „Präsenz der Dominikaner in den spätmittelalterlichen Städten“1: Seine griffigen Formeln der „Bettelordenskirchen als multifunktionale Kulträume“ und „mittelalterliche[n] Bettelordensklöster als paraparochiale Kultzentren“2 haben sich in der sozial- und kulturhistorischen Mediävistik wie auch der vergleichenden Ordensforschung, ja sogar einer konfessionellen Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte weitgehend durchgesetzt3. Im Kern ist dieses Urteil aus den neunziger Jahren bislang unbestritten geblieben, beschreibt es so etwas wie das Wesen des mittelalterlichen Mendikantentums4. || 1 Frank, Isnard W.: Kirchengeschichte des Mittelalters, Düsseldorf 2008, S. 126; vgl. dazu auch ders.: Lexikon des Mönchtums und der Orden, Stuttgart 2013. 2 Ders.: Bettelordenskirchen als multifunktionale Kulträume. Ein Beitrag zur Bettelordenskirchenforschung, in: Wissenschaft und Weisheit. Franziskanische Studien 59 (1996), S. 93–112; ders.: Mittelalterliche Bettelordensklöster als paraparochiale Kultzentren, in: Wort und Antwort 36 (1995), S. 78–83; ders.: Das mittelalterliche Dominikanerkloster als paraparochiales Kultzentrum, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 123–142. 3 Rules and Observance: Devising Forms of Communal Life, Hrsg. Mirko Breitenstein, Berlin [u.a.] 2014 (Vita regularis 60); Innovationen durch Deuten und Gestalten. Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt, Hrsg. Gert Melville, Regensburg 2014 (Klöster als Innovationslabore. Studien und Texte 1); Schreiner, Klaus: Gemeinsam leben. Spiritualität, Lebens- und Verfassungsformen klösterlicher Gemeinschaften in Kirche und Gesellschaft des Mittelalters, Hrsg. Mirko Breitenstein u. Gert Melville, Berlin [u.a.] 2013 (Vita regularis 53); Melville, Gert: Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen, München 2012, S. 201–214, 247–255, 348–351, 354–356; Franziskus: Licht aus Assisi. Katalog zur Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmuseum und im Franziskanerkloster Paderborn, 9. Dezember 2011 bis 6. Mai 2012, Hrsg. Christoph Stiegemann [u.a.], München 2011. 4 Zuletzt etwa Overhage, Ursula: Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia, Münster / Wf. 2014 (Westfalen in der Vormoderne 18); Kümper, Hiram: Die Dominikaner in Lübeck. Bettelbrüder für die Handelsmetropole, in: Exspecto. Hanse, Mittelalter, Museologie. Zeitung des Europäischen Hansemuseums 2 (2013), S. 6; Wesjohann, Achim: Mendikantische Gründungserzählungen im 13. und 14. Jahrhundert. Mythen als Element institutioneller Eigengeschichtsschreibung der mittelalterlichen Franziskaner, Dominikaner und Augustiner-Eremiten, Berlin [u.a.] 2012 (Vita regularis 49); Schmies, Bernd: Seelsorge im Zeichen selbstgewählter Armut. Zur franziskanischen Präsenz in der Altmark, in: Das Mittelalter endet gestern. Beiträge zur Landes-, Kultur- und Ordensgeschichte. Heinz-Dieter Heimann zum 65. Geburtstag, Hrsg. Sascha Bütow [u.a.], Berlin 2014, S. 224–263; Ertl, Thomas: Franziskanische Armut in der Kritik. Antimendikantische Wahrnehmungsmuster im Wandel (13.–15. Jahrhundert), in: Gelobte Armut. Ar-

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Hier soll es um Nuancierungen, Ergänzungen und Erweiterungen dieses Bildes gehen, das die neuere und jüngste Literatur berücksichtigt und vor allem das Ende des Spätmittelalters einbezieht, das dritte Jahrhundert des Ordens mit seinen Quellen zu Vorstellungen von Predigern. Dieses wurde bisher nach den Jahrhunderten der Entstehung und Stifter, dem Jahrhundert der Differenzen mit dem lokalen Klerus, Konflikten um Armutsgebot und Reformen der Observanz doch weniger beachtet5. Für die Predigerkonvente in Böhmen und Mähren gab es dieses Säkulum schon gar nicht mehr, für viele Klostergemeinschaften im Reich sollte es das letzte sein, ohne daß sie dies ahnen konnten6. Unweigerlich wurde das Forschungsparadigma „Mendikanten und Stadt“ im letzten Jahrzehnt etwas aufgebrochen, zum einen durch rehabilitierende Erkenntnisse zur deutschen Pfarrkirche in der Stadt unter anderem von Arnd Reitemeier7 und zu Pfarreien im Mittelalter im europäischen Vergleich mit der Germania sacra-Tagung von Nathalie Kruppa8 sowie zum anderen durch die Erforschung ländlicher Dorfgemeinden von Enno Bünz und Gerhard Fouquet9. Allesamt machten gerade keine eigentliche Krise des Kirchenwesens aus, aus

|| mutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Hrsg. Heinz-Dieter Heimann [u.a.], Paderborn 2012, S. 369–392; Ertl, Thomas: Religion und Disziplin: Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum, Berlin 2006 (Arbeiten zur Kirchengeschichte 96), S. 61–74, 197–236. 5 Jäkel, Gerd: ... usque in praesentem diem. Kontinuitätskonstruktionen in der Eigengeschichtsschreibung religiöser Orden des Hoch- und Spätmittelalters, Münster / Wf. [u.a.] 2013 (Vita regularis. Abh. 52); Schürer, Markus: Das Exemplum oder die erzählte Institution: Studien zum Beispielgebrauch bei den Dominikanern und Franziskanern des 13. Jahrhunderts, Münster / Wf. 2005 (Vita regularis 23), S. 95–99, 141–160, 189–194, 300–304. Siehe auch die Bildsprache zeitgenössischer Miniaturen (Farbtafel 1): Dominikus auf seinem Sterbebett bei Letzter Ölung im Kreise seiner Brüder, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 144 (Elsässische Legenda Aurea), fol. 53v, Elsässische Werkstatt von 1418, Feder koloriert, 13,17 × 25,5 cm, Straßburg 1419 (, abgerufen am 10.01.2016). 6 Die hussitische Revolution: religiöse, politische und regionale Aspekte, Hrsg. Franz Machilek, Köln [u.a.] 2012 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 44); Viallet, Ludovic: Les sens de l'observance. Enquête sur les réformes franciscaines entre l'Elbe et l’Oder, de Capistran à Luther (vers 1450–vers 1520), Münster / Wf. [u.a.] 2014 (Vita regularis 57); Reformation und Mönchtum. Aspekte eines Verhältnisses über Luther hinaus, Hrsg. Athina Lexutt [u.a.], Tübingen 2008; Luther und das monastische Erbe, Hrsg. Christoph Bultmann [u.a.], Tübingen 2007 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 39); Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Ordenslandschaft des Mittelalters, Hrsg. Nicola Karthaus [u.a.], Paderborn 2011 (MittelalterStudien 25). 7 Reitemeier, Arnd: Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters. Politik, Wirtschaft und Verwaltung, Stuttgart 2005 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 177). 8 Pfarreien im Mittelalter. Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn im Vergleich, Hrsg. Nathalie Kruppa u. Leszek Zygner, Göttingen 2008 (Studien zur Germania Sacra 32). 9 Die Pfarrei im späten Mittelalter, Hrsg. Enno Bünz u. Gerhard Fouquet, Ostfildern 2013 (Vorträge und Forschungen 77); Die Pfarre in der Stadt: Siedlungskern, Bürgerkirche, urbanes Zentrum, Hrsg. Werner Freitag, Köln [u.a.] 2011 (Städteforschung A 82).

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der sich eine zwingende Notwendigkeit und etwaige Kausalität der Bettelordensentstehungen behaupten und begründen ließe10. Das Argument der bloßen Bevölkerungsvermehrung als Ursache fällt demnach zweifellos weg, das Bild differenziert sich vielmehr. Matthias Untermann hat vor kurzem sogar auf die geringe Raumkapazität für die Predigt und auf die starke Abschottung von den Gläubigen in den frühen Kirchenräumen der Franziskanerhäuser hingewiesen11. Deshalb führte insgesamt vielleicht eher die ausgesprochen gute Überlieferungslage der schreibfreudigen regularen Institutionen zu einem überproportionalen wissenschaftlichen Interesse an den bettelnden Brüdern. Darüber hinaus hat sich bei aller Affinität zur Kommune eine Hinwendung auf die religiösen Kulturen am adeligen Hof gezeigt, etwa mit von Dieter Berg herausgegebenen Bänden zu Königen, Landesherren und Bettelorden und zur starken Rolle der Bischöfe als Stadtherren bei der Mendikantenniederlassung12. Methodologisch ist jüngst eine Ausrichtung auf kulturwissenschaftliche Fragen und Herangehensweisen erkennbar, am deutlichsten mit Ramona Sickerts Dissertation zur Wahrnehmung der Franziskaner und Dominikaner im 13. Jahrhundert, die narrative, nicht nur historiographische, sondern gerade auch literarisch-fiktive Quellengruppen einbezieht13: Zu Akteuren und ihren Praktiken treten nun die Medien und deren Deutungen14.

|| 10 Bünz, Enno: Die Pfarrei in der Stauferzeit: romanische Stadt- und Dorfkirchen aus historischer Sicht. Festvortrag anlässlich der Verleihung des Romanikforschungspreises 2013, Halle 2014 (Vorträge im Europäischen Romanik-Zentrum 3); Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland: Katalog zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“, Hrsg. Hartmut Kühne [u.a.], Petersberg 2013. 11 Untermann, Matthias: Zwischen Ästhetik des Verzichts und monastischen Idealen: Die Baukunst der Bettelorden, in: Innovationen durch Deuten (Anm. 3), S. 275–290. 12 Berg, Dieter: Könige, Landesherren und Bettelorden. Konflikt und Kooperation in West- und Mitteleuropa bis zur Frühen Neuzeit, Werl 1998 (Saxonia Franciscana 10); Rüther, Andreas: Die Klöster der Dominikaner, Franziskaner und Serviten in der spätmittelalterlichen Stadt Halle, in: Kirche – Kloster – Hospital. Zur mittelalterlichen Sakraltopographie Halles, Hrsg. Klaus Krüger Halle a.S. 2008 (Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte 12), S. 185–204. 13 Sickert, Ramona: Wenn Klosterbrüder zu Jahrmarktsbrüdern werden. Studien zur Wahrnehmung der Franziskaner und Dominikaner im 13. Jahrhundert, Berlin 2006 (Vita regularis 28). 14 Siehe etwa die Darstellung eines Predigerbruders im Oberdeutschen vierzeiligen Totentanz (Farbtafel 2): Die Illumination zeigt einen Einblick über eine Arkade in einen Sakralraum, dessen Wände im Hintergrund von gotischen Maßwerkfenstern durchbrochen sind und dessen Decke eingewölbt ist. Darin steht der Prediger, der eine rote Kappe auf dem Kopf und einen dunklen Talar trägt, auf einer Kanzel und gestikuliert. Auf der Kanzelbrüstung hinter ihm steht ein Meßkelch, im Raum vor ihm ein Schriftband: („Dy gnade unsers“). Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 438 (Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz), fol. 141v, Ostmitteldeutschland, um 1455–1458, Blockbuch Papier, kolorierter Holzschnitt 27 × 20 cm (, abgerufen am 10.01.2016).

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In seinem grundlegenden Artikel zur Predigt im Mittelalter für die „Theologische Realenzyklopädie“ sah Isnard Frank denn auch die Homiletik sich zu einer erneuerten Predigt entwickeln, die den gesamten laikalen Erfahrungshorizont berücksichtigte, die nicht nur die kirchliche Wirklichkeit der Gelehrten, sondern die Lebenswirklichkeit von Laien einschloß15. Medientheoretisch gilt mit Roberto Rusconis zutreffenden Worten „La predicazione: parole in chiesa, parole in piazza“ als „Lo spazio letterario del medioevo“16. Es geht bei diesen oft unter freiem Himmel gehaltenen Predigten im weitesten Sinne um kommunikative Thematisierung von Wirklichkeit, unter anderem auch mit Sinn für bürgerlichen Berufsalltag und handelsstädtische Wirtschaft17. Man sollte mit Humbert von Romans eine Vielzahl von Seelen erreichen18. Heiligenvorbilder und Beispiele aus der natürlichen Welt berührten stets durchaus ebenso die rusticani in der Zuhörerschaft und ihre Herausforderungen und Bedürfnisse19.

|| 15 Frank, Isnard W.: Predigt. VI. Mittelalter, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 27, Berlin [u.a.] 1996, S. 248–262. 16 Rusconi, Roberto: La predicazione: parole in chiesa, parole in piazza, in: Lo spazio letterario del medioevo, Hrsg. Guglielmo Cavallo, Vol. 1: Il medioevo latino, Roma 1994, S. 571–603; Rupp, Teresa P.: ‘Love Justice, You who Judge the Earth’: Remigio dei Girolami’s Sermons to the Florentine Priors, 1295, in: Preaching and Political Society: from Late Antiquity to the End of the Middle Ages, Hrsg. Franco Morenzoni, Turnhout 2013 (Sermo 10), S. 251–266; Mecklenburg, Michael: How to Represent the Future. Narratological Aspects of Preaching and Performing the Last Judgement, in: The Last Judgement in Medieval Preaching, Hrsg. Thomas F. C. Mertens [u.a.], Turnhout 2013 (Sermo 3), S. 163–180. 17 Saller, Reinhard: Predigtwandel und städtische Ökonomie: Zum ökonomischen Rationalismus in Predigttexten Bertholds von Regensburg, in: Das mittelalterliche Regensburg im Zentrum Europas, Hrsg. Edith Feistner, Regensburg 2006 (Studien. Forum Mittelalter 1), S. 191–199; vgl. auch: Welt und weltliches Treiben im Spätmittelalter. Aus den Predigten des Volks- und Sittenpredigers Berthold von Regensburg († 1272), Hrsg. Gerhard E. Sollbach, Hamburg 1994 (Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters 3); Hubler, Alfred J.: Ständetexte des Mittelalters: Analysen zur Intention und kognitiven Struktur, Tübingen [u.a.] 1993 (Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur 66), S. 120–139. 18 Humbertus de Romanis: De eruditione praedicatorum II: De modo prompte cudendi sermones circa omne hominum et negotiorum genus, in: ders.: Opera de vita regulari, ed. Joachim J. Berthier, Bd. 2, Rom 1889, S. 373–484, Nr. 72, S. 491 f.; Early Dominicans: Selected Writings, ed. Simon Tugwell, London 1982 (The Classics of Western Spirituality), S. 32–34; Humbert of Romans: Treatise on Preaching, ed. Walter M. Conlon, London 1955, Kap. 2. 19 Économie et religion: l’expérience des ordres mendiants (XIIIè–XVè siècle), Hrsg. Nicole Bériou, Lyon 2009 (Collection d'histoire et d'archéologie médiévales 21); Arlinghaus, Franz-Josef: Wucher in einer Heiligen Stadt. Zur Dynamik eines Diskurses zwischen Religion, Politik und kommunalem Selbstverständnis, in: Prekäre Ökonomien. Schulden in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Hrsg. Gabriela Signori, Konstanz u. München 2014 (Spätmittelalterstudien 4), S. 223–241; LeGoff, Jacques: Wucherzins und Höllenqualen. Ökonomie und Religion im Mittelalter, Stuttgart ²2008; ders.: Geld im Mittelalter, Stuttgart 2011; Gilomen, Hans-Jörg: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265–301.

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Wie die politische Kontroverse städtischer Gemeinden in Köln von der philosophischen Methode des Albertus Magnus bestimmt wurde, hat bereits Hans-Joachim Schmidt gezeigt20. Die zeitliche Engführung dieses behandelten Themas auf allenfalls bis in das 14. Jahrhundert hinein kennzeichnet die Beschäftigung mit den Problemen, wie zuletzt Sita Steckel zum Predigen über die Prediger für die religiöse Identität im Kontext des Pariser Universitätsstreits erklärte21. Sogar als „Urbane Utopien“ könne man Dominikanerpredigten verstehen, stellt Ulrich Meier heraus. Er liest Predigten des Albertus Magnus, Giordano da Pisa und Girolamo Savonarola als Stadtentwürfe, also auf eine bessere Welt im Diesseits hin orientierte Inhalte und Muster22. Eliana Corbari hat mit ihrer Studie „Vernacular Theology. Dominican Sermons and Audience in Late Medieval Italy“ die weibliche Aufnahme und Ausbreitung von Texten am Fall Villanas de’ Botti betrachtet und „Dominican reading, seeing, and believing” dargelegt23. Die Vita der heiligen Katharina von Siena zwischen Ordensreform und Laienfrömmigkeit erforschte nun Thomas Brakmann mit der Edition des „Geistlichen Rosengarten“24. Die Rolle von Predigten und politischer Gesellschaft, „Dominicans, indulgences and imperial rivalry in fourteenth-Century Germany” hat soeben Robert W. Shaffern erschlossen25. Kathryne Beebe fragte jüngst nach “Pilgrim and preacher. The audiences and observant spirituality of Friar Felix Fabri”26, während Ulrich Horst mit Juan de Torquemada und Thomas de Vio Cajetan zwei Protagonisten der päpstlichen Gewaltenfülle herausgestellt hat27. Neben diesen Neuaufbrüchen stehen Spannungspole wie die Überlegungen zur sozialen Ausgrenzung im Medium der Predigt, || 20 Schmidt, Hans-Joachim: Politische Theorie und politische Praxis. Albertus Magnus und die städtische Gemeinde, in: Albertus Magnus. Zum Gedenken nach 800 Jahren. Neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven, Hrsg. Walter Senner [u.a.], Berlin 2001 (QF NF 10), S. 343–357. 21 Steckel, Sita: Predigen über Prediger. Religiöse Identität und Rhetorik im Kontext des Bettelordensstreits an der Universität Paris, in: Rhetorik in Mittelalter und Renaissance. Konzepte – Praxis – Diversität, Hrsg. Georg Strack u. Julia Knödler, München 2011 (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 6), S. 231–254. 22 Meier, Ulrich: Urbane Utopien. Die mittelalterliche Stadt in Dominikanerpredigten, in: Die Dortmunder Dominikaner und die Propsteikirche als Erinnerungsort, Hrsg. Thomas Schilp u. Barbara Welzel, Bielefeld 2006 (Dortmunder Mittelalter-Forschungen 8), S. 11–34. 23 Corbari, Eliana: Vernacular Theology. Dominican Sermons and Audience in Late Medieval Italy, Berlin 2013 (Trends in Medieval Philology 22). 24 Brakmann, Thomas: Ein geistlicher Rosengarten. Die Vita der heiligen Katharina von Siena zwischen Ordensreform und Laienfrömmigkeit im 15. Jahrhundert. Untersuchungen und Edition, Frankfurt a.M. [u.a.] 2011. 25 Shaffern, Robert W.: Dominicans, Indulgences, and Imperial Rivalry in Fourteenth-Century Germany, Lewiston / NY 2014. 26 Beebe, Kathryne: Pilgrim and Preacher. The Audiences and Observant Spirituality of Friar Felix Fabri (1437/8–1502), Oxford 2014 (Oxford Historical Monographs). 27 Horst, Ulrich: Juan de Torquemada und Thomas de Vio Cajetan. Zwei Protagonisten der päpstlichen Gewaltenfülle, Berlin 2012 (QF NF 19).

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die Michael Hohlstein zum franziskanischen Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien nachgewiesen hat, dessen Problematik von dominikanischer Seite aus nun auch breiter erforscht worden ist28. Hier sollen nur additive Elemente eines grosso modo ja stimmigen Modells geliefert und gedankliche Begründungen hinterfragt werden, auch da die Quellenbasis des Zugriffes anders gelagert als gemeinhin gewichtet sein wird und sich der öffentlichen Visibilität, gleichsam ihrer Außenseite, widmet. Bereits William Hinnebusch bezog sich 1966 in seinem klassischen Werk „The History of the Dominican Order“ auf den eingängigen, vielfach variierten typologischen Merkvers: Bernardus valles, montes Benedictus amabat, oppida Franciscus, celebres Dominicus, urbes magnas Ignatius, der den jeweiligen Sitz im Leben zum Maßstab der Religiosen erhebt29. Das bewährte Auslegungsschema der urbanen Zentren und städtischen Lebensweise soll anhand von Vorstellungsgeschichten überprüft werden. Phänomenen, die hörbar, sichtbar, faßbar, lesbar waren, also der Rezeption dominikanischer Glaubensverkündigung gilt der Ansatz. Diese Erscheinungen belegen Normierungen, spiegeln Denken wider und drücken sich in Zeichen und Bildern aus. Es waren gerade nicht die Häuser und Mauern, Tore und Türme der toskanischen Finanzmetropole, sondern der Florentiner Dom inmitten der Landschaft des Umlandes, die Andrea Bonaiuti 1368 ausmalte30. Die Predigerbrüder geleiten die gottesfürchtigen, frommen Angehörigen aus allen Ständen eben aus dieser Welt hinauf ins Jenseitige, so das Thomasfresko in der spanischen Kapelle des Kreuzgangs von Santa Maria Novella in Florenz31. Erweitert wird der Blick neuerdings durch gewissermaßen globale Perspektivachsen auf Städte an kulturellen Grenzen hinaus in die weite Welt32. Bettelmönche befinden sich auf Missionspredigt in islamischer Fremde oder orthodoxer Umwelt und stellen uns in Pilgerberichten einen besonders großstädtischen

|| 28 Hohlstein, Michael: Soziale Ausgrenzung im Medium der Predigt. Der franziskanische Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien, Köln [u.a.] 2012 (Norm und Struktur 35); Dominikaner und Juden. Personen, Konflikte und Perspektiven vom 13. bis zum 20. Jahrhundert / Dominicans and Jews. Personalities, Conflicts and Perspectives from the 13th to the 20th Century, Hrsg. Elias H. Füllenbach u. Gianfranco Miletto, Berlin 2015 (QF NF 14). 29 Hinnebusch, William A.: The History of the Dominican Order. Bd. 1: Origins and Growth to 1500, New York 1965, S. 264. 30 Tripps, Johannes: A Critical and Historical Corpus of Florentine Painting. Bd. 4: The Fourteenth Century. 7,1: Tendencies of Gothic in Florence: Andrea Bonaiuti, Firenze 1996. 31 Schüssler, Gosbert Arthur: Zum Thomasfresko des Andrea Bonaiuti in der Spanischen Kapelle am Kreuzgang von Santa Maria Novella, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz 24 (1980), S. 251–274. 32 Vgl. dazu für den nordalpinen Raum Europas: Schmieder, Felicitas: Grenzerfahrung und Grenzüberschreitung im 13. Jahrhundert, in: Aufbruch in die Gotik: Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit. Landesausstellung Sachsen-Anhalt aus Anlass des 800. Domjubiläums vom 31. August bis zum 6. Dezember 2009 im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, Hrsg. Matthias Puhle, Teil 1, Mainz 2009, S. 434–445.

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Raum vor, ob in Kairo, Jerusalem, Konstantinopel oder selbst Venedig, mit dem sie flexibel umgehen, wie Stefan Schröder33 und Juliane Schiel34 bzw. Anne Müller35 in ihren großen Arbeiten zeigen. Wir wollen im Hauptteil einige der Reformschriften unterschiedlicher Provenienz und Tendenz einer näheren Lektüre unterziehen, um dieses Sehen und Hören, Wissen und Reden, Eigene und Fremde genauer zu erkennen. Der bekannte Regensburger Domkanoniker Konrad von Megenberg36 verfaßte 1353/54 eine Enzyklopädie über die Lehre vom Haushalt im weitesten Sinn, seine „Ökonomie“37. Die drei Teile behandeln einfache Haushalte, Fürstenhöfe und kirchliche Institutionen und im 16. Kapitel dieser Oeconomicae libri tres beschreibt Konrad klischeehaft den vehementen Kampf untereinander um das Abspenstigmachen von Pfarrkindern, mit wortwörtlicher Verbissenheit, das Festbeißen der Bettelorden: Displicet eciam michi – quod et multum in cleri cedit dedecus – videlicet pastores parrochiarum atque religiosos mendicantes quolibet anno tempore Quadragesimali certatim in sermonibus ad plebem sibi mutuo propter confessiones hominum quasi caninis dentibus oblatrare, dicentibus plebanis, quod quilibet hominum utriusque sexus in suis parrochiis quolibet anno eis confiteri debeat omnia delicta cursu annuo perpetrata, secundum illud c°38.

Damit gibt Konrad ein weltklerikales, durch materielle Motive geprägtes Deutungsprofil von Dominikanern seiner Zeit wieder39. Durchaus lange weitgehend zutreffend, trat doch der Vikar der reformierten Klöster der deutschen Ordensprovinz, Basler Konzilsvater und Wiener Theologe Johannes Nider um 1430 mit einer Ausei|| 33 Schröder, Stefan: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den spätmittelalterlichen Pilgerberichten des Felix Fabri, Berlin 2009 (Orbis mediaevalis 11), S. 107–111, 131–139, 167– 180. 34 Schiel, Juliane: Mongolensturm und Fall Konstantinopels. Dominikanische Erzählungen im diachronen Vergleich, Berlin 2011 (Europa im Mittelalter 19), S. 331–340. 35 Müller, Anne: Bettelmönche in islamischer Fremde. Institutionelle Rahmenbedingungen franziskanischer und dominikanischer Mission in muslimischen Räumen des 13. Jahrhunderts, Münster / Wf. [u.a.] 2002 (Vita regularis 15), S. 135–182. 36 Konrad von Megenberg: Regensburger Domherr, Dompfarrer und Gelehrter (1309–1374) zum 700. Geburtstag. Ausstellung in der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg, St. Petersweg 11– 13, 27. August bis 25. September 2009, Hrsg. Paul Mai, Regensburg 2009 (Kataloge und Schriften. Bischöfliches Zentralarchiv und Bischöfliche Zentralbibliothek Regensburg 26). 37 Konrad von Megenberg (1309–1374). Ein spätmittelalterlicher ‚Enzyklopädist‘ im europäischen Kontext, Hrsg. Edith Feistner, Wiesbaden 2011 (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 18); Konrad von Megenberg (1309–1374) und sein Werk. Das Wissen der Zeit, Hrsg. Claudia Märtl, München 2006 (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Beiheft B 31). 38 Konrad von Megenberg: Werke. Stück 5: Ökonomik (Buch 3), ed. Sabine Krüger, Stuttgart 1984 (MGH Scriptores 10. Staatsschriften des späteren Mittelalters 3), S. 333. 39 Konrad von Megenberg: Klagelied der Kirche über Deutschland (planctus ecclesiae in Germania), Bearb. Horst Kusch, Berlin 1956 (Leipziger Übersetzungen und Abh. zum Mittelalter A 1), S. 104–107, 118–123, 139 f.

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nandersetzung mit der Wirtschaft hervor: De contractibus mercatorum ist eine Abhandlung über die Verträge von Kaufleuten, insbesondere über den Unterschied zwischen rechten und unrechten Kaufverträgen, mit der der Dominikaner Nider eine differenzierte Bewertung des ökonomischen Handelns und Wege zum Seelenheil zu entwerfen versucht40. Der Magdeburger Domherr Heinrich Toke pflegte demnach in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine herzliche Abneigung gegen jedwedes Mönchtum, dem er Hoffart und mangelnde Demut vorwarf. Sein Wolfenbütteler Rapularius ist ein nach bestimmten Stichwörtern alphabetisch angelegtes Notizbuch vielfältigen Inhalts. Unter C 318 heißt es mit Wertschätzung des eigenen Standes: Cetus clericorum dignior est cetu monachorum: Et quia ipsi [fratres mendicantes] magis deformati aliis ceteris paribus sunt, et maiorem causant ruinam in ecclesia41. Toke gibt ein beredtes Beispiel für die antimendikantische Tendenz ab. Im Mittelpunkt der Analyse soll hier jedoch der während des Konzils von Basel 1439 verfasste Traktat eines anonymen und bislang nicht identifizierten Verfassers in deutscher Sprache über die Reform von Kirche und Reich, die „Reformation Kaiser Sigismunds“ stehen42. In der Schilderung vom Verfall des Episkopats lehnt der weltgeistliche Autor die Rechte über die Inkorporation von Regularen ab: Wann man den grunt ersuchen solt, so verhengent ouch bischoff, das dye mönich, es sein Benedictiner, Bernharditten, Premonstratten, Barfussen, Prediger, Carmeliten, Augustiner und von allen orden, daz sye kyrchen regiren als weltlich priester; wo komet das recht here? das solt man gernn horen43.

Die Reformvorschläge für die Kirche betonen die Bedeutung der Seelsorge durch einen gut ausgebildeten und von der Zölibatspflicht befreiten Weltklerus gegenüber

|| 40 Johannes Nider: On the Contracts of Merchants, ed. Ronald B. Shuman, übers. Charles H. Reeves, Norman 1966; Engen, John H. van: Friar Johannes Nyder on Laypeople Living as Religious in the World, in: ders.: Religion in the History of the Medieval West, Aldershot 2004 (Variorum Collected Studies Series 793), S. 583–615; Hillenbrand, Eugen: Nider, Johannes, in: VL2, Bd. 6, Berlin [u.a.] 1987, Sp. 971–977; Bd. 11, Berlin [u.a.] 2004, Sp. 1049. 41 Der Wolfenbütteler „Rapularius“. Auswahledition, ed. Hildegund Hölzel-Ruggiu, Hannover 2002 (MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 17), S. 225. 42 Marosi, Ernö: Reformatio Sigismundi: Künstlerische und politische Repräsentation am Hof Sigismunds von Luxemburg, in: Sigismundus Rex et Imperator. Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds von Luxemburg 1387–1437. Ausstellung Budapest, Szépmüvészeti Múzeum, 18. März–18. Juni 2006, Luxemburg, Musée national d'histoire et d‘art, 13. Juli–15. Oktober 2006, Hrsg. Imre Takács, Mainz 2006, S. 24–37; Pfaff, Carl: Klerus und Laien im Spiegel der „Reformatio Sigismundi“, in: Pfaffen und Laien – ein mittelalterlicher Antagonismus? Freiburger Colloquium 1996, Hrsg. Eckart C. Lutz, Freiburg / CH 1999 (Scrinium Friburgense 10), S. 191–207; Boockmann, Hartmut: Reformatio Sigismundi, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 28, Berlin [u.a.] 1997, S. 384–386. 43 Reformation Kaiser Siegmunds, ed. Heinrich Koller, Stuttgart 1964 (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 6), S. 120.

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dem Ordensklerus, propagieren die Befreiung der Bischöfe von der Ausübung weltlicher Gewalt und die ausschließliche Verwendung der Diözesanpfründen für die Seelsorge sowie die sorgfältige Wahrung der geistlichen Disziplin durch die Bischöfe44. Item dye bettelorden sollent auch eingethan sein und mit beslossen kore singen und lesen; aber zü den fordernn altaren, wan man meß helt, mag man woll messe horen, frawen und man, und bald hereaußgen, man sol nyeman bekommernn in den closternn45.

Auf dieser groben Gegenfolie von Forderungen – als regulierte Kanoniker nach der Augustinusregel haben die Mendikanten vor allem Chordienst zu leisten – interpretieren wir die tatsächlich ausgeübte Praxis verschiedener Frömmigkeitsstile wie Seelgeräte und Jahrtagstiftungen – in der Stadt wie auch auf dem Lande46. Sye sollen kein gult han, nach sol man in kein jarzeyt setzen, wann sye sein verbunden, zü biten fur dye lebendig und dye totten, darumb man geneyget sol seyn und willig, in das almüsen zü geben; sye sein zü dem almüsenn gefrumet von der heyligen cristenheyt, wann mancher erbeyter, reich und arm, verseümet sich an got, da durch daz almüsen wirt fur in bitten. Das dye vier bettelorden zü hilff der cristenheyt thün, darumb / haben sye terminirer, das menglich in yrem gebet sey und dester baß yr notturftt haben47.

Ein Kleriker soll demnach auf seine eigentliche Aufgabe beschränkt werden, ein Mönch hat sich wieder auf die wesentlichen Ziele seiner fuga mundi zu bescheiden. Item sy sollen kein peycht hörenn noch begrebnüß han noch predigen dan mit urlaup, so es notturftig ist; der urlaup der sol gen durch den bischoff; kein closter sol thünn, das pfarkyrchen mogen thünn48.

|| 44 A.a.O., S. 230–237. 45 A.a.O., S. 204–206. 46 Siehe die Rezeption unterschiedlicher spiritueller Praktiken und Frömmigkeitsstile in der Buchmalerei (Farbtafel 3): Ein Priester zelebriert eine Messe vor einem Dominikanerkonvent, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 60 (Brandans Reise), fol. 184r, Papier, kolorierte Federzeichnungen, 28,5 × 21,5 cm, Südwestdeutschland, um 1460 (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/cpg60/0379>, abgerufen am 10.01.2016). In einem Heilsspiegel blickt der Klausner, ein Dominikaner, aus dem Fenster eines am rechten Bildrand stehenden Gebäudes auf Christus herab: Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 432, fol. 51v, „Spiegel menschlicher gesuntheit“, Gastmahl der Söhne Ijobs (Kapitel 42); Der Schmerzensmann vor dem Klausner (Kapitel 43), Pergament, kolorierte Federzeichnung, 33,2, 33,7 × 26 cm, Mittelrhein, 1420–1430 (, abgerufen am 10.01.2016). Stigmatisation eines Dominikaners durch das Schwert (Kapitel 44), Cod. Pal. germ. 432, fol. 54r (, abgerufen am 10.01.2016). 47 Reformation Kaiser Siegmunds (Anm. 43), S. 206. 48 Ebd.

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Das Glockengeläut von den Dachreitern der Ordenshäuser soll also ausbleiben. Am lautesten stößt in der Reformatio Sigismundi jedoch die Gewohnheit der Predigt eines „Stationierers“ auf Protest. Item uff yren termineyen sollen sy leyenpruder han, alle bettelorden, und sol kein priester under in gen; sy sollen im closter got dienen und das almosen verdienen; man soll in keine gebresten lon; man soll willig sein zü geben, wan yr singen und lesen ist unns trostlich, als es auch geordent ist49.

Der kanonikale Chordienst soll mit stabilitas loci beachtet werden, gerade die auswärtige Meßfeier, Wander- und Feldpredigt wird stark angegriffen, damit eine klare kirchenrechtliche Separierung insbesondere für den agrarisch-regionalen Raum gefordert. In der Fassung P heißt es weiter: „Item sü süllent das almůsen, es syge uff dem lande oder in der stat, mit eynem leygenbrůder samlen, mit keim priester, sü süllent ir regel warnemen“50. Die Sache der Beginen ist hingegen durchaus vor allem eine urbane Angelegenheit51. „Nu sol man wyssen, das an vil stetten gar vil Pegün seind und mainen zü haben eyn dritte regel sant Francissen“52. Die sich auf Kaiser Sigismund berufende Denkschrift strebt eine Ordnung der Beginen an und kritisiert ihre Mobilität heftig: Item an vil steten, so gen sie [die Beginen] mit wünder umb, si entzündent vil kertzen und leschen dann aine nach der anderen ab und treibent wünder als gauckler und machen ablas und stiften von in selberst vil wünders, das man wen, sie sein etwas53.

Insbesondere deren Glaubensformen wie Prozessionspraktiken werden angeprangert und Mißbräuche bekämpft. Doch für die Reformschrift gibt es auch berechtigte Almosenempfänger: Dye ander das sein dye vier bettelorden: Augustiner, Barfusser, Prediger, Carmeliten, darumb daz sy bitten fur meniglich in der gemein fur alles das, was yderman verseumet hat oder nit gehalten het; darumb soll man sich mit dem almusen zü in verpflichten in ir singen und lesen und in yr gute werck, das es den zü statten kume an allen yre verseümungen54.

|| 49 Ebd. 50 A.a.O., S. 207. 51 Labels and Libels: Naming Beguines in Northern Medieval Europe, Hrsg. Letha Böhringer [u.a.], Turnhout 2014 (Sanctimoniales); Mecham, June L.: Sacred Communities, Shared Devotions: Gender, Material Culture, and Monasticism in Late Medieval Germany, Turnhout 2013 (Medieval Women. Texts and Contexts 29). 52 Reformation Kaiser Siegmunds (Anm. 43), S. 217. 53 A.a.O., S. 219–221. 54 A.a.O., S. 222.

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Die Reformatio fordert das längst fällige Einschreiten der städtischen Obrigkeiten: „die richstede sulten billich hie zu thun und darzu sehen und schaffen durch die obersten, dan sollich obel abegeleget werde“55. Das Hauptaugenmerk der Klage wendet sich säkularen Motiven und profanen Gepflogenheiten der Studenten zu. In der Fassung V heißt es: Aber sie singent inn den kören yetz der welt mer° dann got; sie machen yetz orgel; sie treibent alle clughait, als wern sie lauter laypfaffen; sie studierent yetz der welt mer dan got; ainer will ein jurist seyn, der ander ain artzt und slahent nichts ab durch gotz wille56.

Ein höchst prekärer Punkt bleibt das umstrittene Terminieren57: Es sei ein sit uffgestanden, das man dye heyligen gotsgaben, dye von der heyligen kyrchen erlaubt sein zü samen in dem lande und in den stetten, dye es nü verkündent58.

Antoniter, Hospitaliter vom Heiligen Geist und weitere kleinere Bettelorden sammelten hingegen mit mobilem Altar und vom örtlichen Ambo aus: Dieselbigen die haben dann da kain hailgtöm nit ze tragen, das mugen priester wol tun, es sullen aber prüder sein und nit prister und sie sullent auch nichts verkunden in kainer pfarrkirchen noch andern gotzheüsern, es sey dann ain prister oder der recht pfarer oder da vicarius sey, der sol dann die prüder fürdern an den cancell, das ist recht und ist auch gotlich […]. Item als auch dann vor geleütert ist von den petelörden, so si dann das almüsen vordern auff den termineien59.

Eine scharfe Scheidung zwischen Laienbrüdern und geweihten Priesterbrüdern wird hingegen verlangt. Anschließend sei ein Blick geworfen auf den sogenannten „Oberrheinischen Revolutionär“, ein Kunstname für den anonymen Verfasser einer König Maximilian I.

|| 55 Ebd. 56 A.a.O., S. 223. 57 Siehe als Bildbeispiel der üblichen Bettelpraxis (Farbtafel 4): In den deutschen Altväterleben kommt ein Graf zu Pferd und mit Gefolge zu St. Antonius im Habit des Dominikanerordens, der sich auf seinen Stock stützt, ein Buch unter den Arm geklemmt hat und seine Glocke in der rechten Hand hält, im Hintergrund die Zelle des Einsiedlers, eine Kapelle. Vitaspatrum, deutsch, Graf Archilaus bittet St. Antonius um ein Gebet zu Gott für seine kranke Tochter, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 90 (Vitaspatrum, deutsch), fol. 24r, Buchmalerei, Papier, kolorierte Federzeichnung, 27,7 × 20,2 cm, Süddeutschland, 1477 (; abgerufen am 10.1.2016). 58 Reformation Kaiser Siegmunds (Anm. 43), S. 348–350. 59 A.a.O., S. 352.

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gewidmeten Reformschrift, die 1490 begonnen und bis 1509 fortgeführt wurde60. Sein Werk „Buchli der hundert capiteln“ weist ihn als juristisch gebildet aus. Nach Lauterbach sei er identisch mit Matthias Wurm († nach 1521)61, Sekretär Kaiser Friedrichs III. und Maximilians I., nach Volkhard Huth mit dem Straßburger Juristen Jakob Merswin († 1514/15)62. Der Traktat in deutscher Sprache zur Reichsreform greift auch den Gedanken auf, dass Mönchsbettelei Diebstahl sei63, wie reißende Wölfe in Schafskleidern seien die Heuchler64, denen Zwangsarbeit bei karger Kost angedroht wird. Der Oberrheinische Revolutionär sieht den Bettel für gesunde arbeitsfähige Menschen als Sünde an, so heißt es in Kapitel 60: Die pfennig predigern sagen yetz vff den cantzeln, ‚los den ablos, macht dier ein testament!‘ Do ist kein furst, der sprech, ‚du bist ein diener gotz, als du seyst, vnd haltest die gebot gottes nit65.

Das Büchlein fordert auch den weltlichen Arm zur Bestrafung der Blender auf66, wie im 30. Statut: „Was soll ein priester, der gůtz prediget und er tůt bosß?“67 Geistliche Gleißner werden der Lüge bezichtigt, ein süßes Wort im Mund, im Herzen Gift und Galle68, „ist zů glichen den glisneren, die do cap in die ougen ziehen, das man sy geistlich nennt“69. Zu welchen Schlußfolgerungen führt nun unser das Termineiwesen betreffender Befund? Aus all dem spricht eine Evidenz, die auch die ländliche Wirksamkeit und Zurückdrängung der Außenposten für Terminarier plausibel macht, in die schon lange die Geldwirtschaft durchgedrungen ist. In der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien wird eine Sammelhandschrift von 1472 aus Schlesien aufbewahrt70,

|| 60 Das Buch der hundert Kapitel und der vierzig Statuten des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ed. Annelore Franke u. Gerhard Zschäbitz, Berlin 1967 (Leipziger Übersetzungen und Abh. zum Mittelalter A 4). 61 Lauterbach, Klaus H.: Der oberrheinische Revolutionär und Jakob Merswin. Einige Anmerkungen zur neuesten Verfasserthese, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 160 (2012), S. 183– 223. 62 Huth, Volkhard: Der „Oberrheinische Revolutionär“. Freigelegte Lebensspuren und Wirkungsfelder eines „theokratischen Terroristen“ im Umfeld Kaiser Maximilians I., in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 157 (2009), S. 79–100. 63 Der Oberrheinische Revolutionär. Das buchli der hundert capiteln mit XXXX statuten, ed. Klaus H. Lauterbach, Hannover 2009 (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 7), S. 94. 64 A.a.O., S. 222. 65 A.a.O., S. 372. 66 A.a.O., S. 382. 67 A.a.O., S. 539. 68 A.a.O., S. 516. 69 A.a.O., S. 397. 70 Sammelhandschrift mit geistlichen und profanen Dichtungen, Cod. 3007. Die datierten Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek von 1451 bis 1500, Hrsg. Franz Unterkirchner,

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die neben Rezepten und Gebeten ein Lehrgedicht enthält: „Der Bauern Lob“71 betont die Wichtigkeit des Ackermanns, von dessen Arbeit am Pflug letztlich doch alle Stände abhingen. Mit der Reimpaardichtung sollte die Landflucht abgewendet werden72: Wen sy czu dem marckte farn, So kommen der frawen eyne grose schar. Sy komen vnd tragen, Was dy stete obir dy woch sullen habin. Dorummb nemen ir dy menschin war. Do kewffin sy allis das dar, Was man obir dy czeit sal han Crawt rubin mörn potter kese vnd eyr, Enten gense hunir allirley; Mancherley Wirt do vorkofft. Noch der werlde czuloff: Eppil byrne kirschen allerley fruchte; Was do czu essin tochte, Was yderman begert, Das werden sy alle wol gewert73.

Nicht nur enge Stadt-Land-Beziehungen werden mit Stadtmigration und Landflucht reflektiert, die Berührungspunkte und Schnittmengen zeigen die Versorgung der Stadt durch den täglichen Markt und wiederum den ländlichen Raum als städtisches Absatzgebiet74. Die Kirche war auf dem Land nicht nur durch Pfarreien, Klöster und Stifte, sondern auch durch die Sammelbezirke der Bettelordenskonvente in den Dörfern präsent75. Einer dieser Landpfarrer aus dem Bistum Meißen schrieb

|| Wien 1974 (Katalog der datierten Handschriften in lateinischer Schrift in Österreich 3), Textband S. 57, Tafelband S. 274 (Abb. 386). 71 Wien, ÖNB, Cod. 3007, Bl. 239v–242v; Kiepe-Willms, Eva: Der Bauern Lob, in: VL2, Bd. 1, Berlin 1978, Sp. 635–637; Bd. 11, Berlin 2004, Sp. 225. 72 Ein schlesisches Bauernlob aus dem 15. Jahrhundert, in: Ranke, Friedrich: Kleinere Schriften, Bern u. München 1971 (Bibliotheca Germanica 12), S. 88–93, hier S. 89: „VON DEM G[EB]AWER“ (in Versalien in der Edition). 73 A.a.O., S. 92, 140–154. 74 A.a.O., S. 88 f.; vgl. Ranke, Kurt: Agrarische und bäuerliche Denk- und Verhaltensweisen im Mittelalter, in: Wort und Begriff „Bauer“. Zusammenfassender Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas, Hrsg. Reinhard Wenskus [u.a.], Göttingen 1975 (Abh. der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-Hist. Kl. 3. Folge 89), S. 207–221. 75 Zuletzt siehe dazu für Mitteldeutschland Mindermann, Arend: Das Termineiwesen der Franziskaner in Thüringen; in: Für Gott und die Welt: Franziskaner in Thüringen. Text- und Katalogband zur Ausstellung in den Mühlhäuser Museen vom 29. März bis 31. Oktober 2008, Hrsg. Thomas T. Müller [u.a.], Paderborn [u.a.] 2008, S. 119–125; Bretschneider, Jana: Predigt, Professur und Provinz-

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Ende des 15. Jahrhunderts eine Satire über den Alltag solcher Niedergeistlichen in der dörflichen Seelsorge. In Teufeln verkörpert werden neun Plagen angesprochen, die dem Dorfpfarrer die religiöse Betreuung seiner Schäflein erschweren76. Da es nach der Reformation auch mehrfache Neudrucke des Textes mit einer Vorrede Martin Luthers zur Neuausgabe gibt, scheint die elementare Situation angemessen wiedergegeben zu sein. Die Epistula de miseria curatorum seu plebanorum (Leipzig 1489, Augsburg 1521, Wittenberg 1540 mit Luthers Vorrede publiziert) ziert folgendes Bild: Auf der Vorderseite des Flugblattes steht im Torgewölbe ein Pfarrer, umgeben von acht Männern, die durch ihre Tracht als Junker (adliger Patron), Bischof, Mitglieder der geistlichen Behörde, Kirchenvorsteher, Küster oder Glöckner, Kaplan, stationierender Bettelbruder (Prediger, praedicator) und Bauer kenntlich sind, aus einem Fenster blickt die Pfarrköchin, die in der Hand den Kochlöffel hält77. Diese Geister quälen den Leutpriester, der Elend und Not von falschen Mitbrüdern, von vorgeblichen Freunden, den Bettelmönchen, den Juden und Judengenossen und zahllosen anderen Beschwernissen der Landbevölkerung zu erdulden hat. Im folgenden heißt es nach der Übersetzung von Gustav Braun: Der neunte Teufel ist der Prediger (praedicator) selbst. Je berühmter er wegen seiner Gelehrsamkeit (doctrina) ist, um so aufsässiger ist er dem Pfarrer, den er, da er sich beim Volk beliebt weiß, wie eine Null für nichts (cifram pro nihilo) achtet. Und weil das Wissen (scientia) aufbläht, sollen nicht nur der Pfarrer, sondern auch seine Kapläne ihn wie einen Probst rühmen. Wenn er nicht stets ausgesuchte Speisen (delicata cibaria) zu essen und Würzwein (vinum conditum) samt dem besten Bier (cervisia optima) zu trinken bekommt, predigt er davon auf der Kanzel und macht dich vor allen Leuten schlecht (scandalizat). Mit seinem Wortgepränge (verborum apparatu) sucht er nicht deinen Vorteil, sondern sein eigenes Emporkommen ist es, um das er mit allem Eifer sich bemüht. Kannst du selbst nicht predigen, so mußt du dich von ihm so und oft einen Esel (asinus) und ein Hornvieh (cornutus) heißen lassen; der Gelehrtenstolz macht ihn brutal. Bleibt er doch unter allen Umständen dir gegenüber der Prediger, der über dein Volk Herr ist78.

|| leitung – Funktion und Struktur des franziskanischen Bildungswesens im mittelalterlichen Thüringen, in: a.a.O., S. 109–118. 76 Die Klagen eines Landpfarrers am Vorabend der Reformation. Die Epistola de miseria plebanorum seu curatorum (vor 1489), in: Pfarrkirche und Dorf. Ausgewählte Quellen zur Geschichte des Niederkirchenwesens in Nordwest- und Mitteldeutschland vom 8. bis 16. Jahrhundert, Hrsg. Michael Erbe, Gütersloh 1973 (Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte 19), Nr. 47, S. 72–81. 77 Abb. abgedruckt in: Bünz, Enno: „Neun Teufel, die den Pfarrer quälen“. Zum Alltag in den mittelalterlichen Pfarreien der Oberlausitz, in: Stätten und Stationen religiösen Wirkens. Studien zur Kirchengeschichte der zweisprachigen Oberlausitz, Hrsg. Lars-Arne Dannenberg u. Dietrich Scholze, Bautzen 2009 (Schriften des sorbischen Instituts 48), S. 19–54, hier S. 21. 78 Braun, Gustav: Epistola de miseria curatorum seu plebanorum, in: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 22 (1916), S. 27–42, 66–78, hier S. 75 f.; Werminghoff, Albert: Zur Epistola de miseria curatorum seu plebanorum, in: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 22 (1916), S. 145–169.

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Es gibt eine zweite Fassung nach der verschollenen Koblenzer Handschrift aus dem 16. Jahrhundert, das Aktenstück liegt in einer sehr freien abgekürzten Übersetzung von Leopold von Eltester aus original lateinischer Vorlage79 mit Erweiterung und pointierten Zutaten vor. In anderer Reihung heißt es da: [§ 7] Der siebente Plagegeist ist der dort stationierte Mönch, der, je mehr er sich auf seine Weisheit einbildet, desto aufsätziger gegen Dich ist. Sich allein hält er für beliebt beim Volke, Dich achtet er wie Unflat für nichts, und weil er sich mit seinem Wissen aufbläht, so verlangt er von Dir und den anderen Priestern wie ein Vorgesetzter verehrt zu werden. Drei Stunden frißt und säuft er an Deinem Tische, und wenn er da nicht immer was Leckeres zu schmausen und zu schlürfen bekommt, so streicht er Dich bei andern mit schwarzer Kreide an. Mit aller Macht sucht er Dich beim Volke verächtlich, sich selbst aber beliebt zu machen. Kannst Du selbst nicht predigen, so heißest Du ein Dummkopf und Esel; läßt Du den Dienst durch ihn verrichten, so hechelt er Deine Reden wie Schwätzereien durch, erhebt seine Kenntnisse über die Deinigen, tut Dir vielfach Schmach und Schande an, – Du magst wollen oder nicht: der Mönch behauptet gegen dich das Feld, weil er darauf ausgeht, Deine Gemeinde an der Hand zu halten80.

Die anschauliche, polemisch überspitze Schilderung von Schmerz und Grimm – ob nun richtig oder falsch – wird noch 1701 mit dem Holzschnitt Hi sunt diaboli vexantes plebanos nachgedruckt als Sendschreiben von „Neun Priesterteuffeln“81. Dieses Deutungsmuster weist auf wirkungsvolle Mitwettbewerber um die Gläubigen hin, deren Lebensformen wahrgenommen und Regelungsansätze gefordert werden. Wenn man um 1500 im deutschsprachigen Raum die Zahl der Pfarreien auf ca. 50.000 schätzt, so müssen wir für den allergrößten Teil wohl die Kirche im Dorf lassen und an Landpfarreien und dörfliche Kirchspiele denken82. Ein Konfliktverhältnis zeigt sich dabei auch für Dorfgeistliche und ihre kirchlichen Institutionen in Konkurrenz mit den Bettelmönchen und dem dominikanischen Ordensklerus, insbesondere durch die Reformbewegungen und Observanzbestrebungen83. Die spätere

|| 79 Eltester, Leopold von: Die geplagte Geistlichkeit im Mittelalter, in: Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte NF 3 (1874), S. 545–550, 633–638. 80 Werminghoff, Albert: Die Epistola de miseria curatorum seu plebanorum, in: Archiv für Reformationsgeschichte 13 (1916), S. 200–227, hier S. 222 f. 81 Bünz: Neun Teufel (Anm. 77), S. 20. 82 Vgl. Schattkowsky, Martina u. Kirchinger, Johann: Kirche im ländlichen Raum. Editorial, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 63,1 (2015), S. 8–10; Zotz, Thomas: Der Prozess der Urbanisierung und die Entwicklung der Stadt-Land-Beziehungen, in: Adel und Bauern in der Gesellschaft des Mittelalters: Internationales Kolloquium zum 65. Geburtstag von Werner Rösener, Hrsg. Carola Fey u. Steffen Krieb, Korb 2012 (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters 6), S. 65–78. 83 Woelki, Thomas: Kirchenrecht als Mittel der Reform: Nikolaus von Kues und die Seelsorgeprivilegien der Mendikantenorden, in: Renovatio et unitas – Nikolaus von Kues als Reformer: Theorie und Praxis der reformatio im 15. Jahrhundert, Hrsg. Thomas Frank u. Norbert Winkler, Göttingen 2012 (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 13), S. 117–135; Hohlstein, Michael: „Was im

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Kirchenreformation war wohl kaum nur als „städtisches Ereignis“ zu begreifen, wie es noch Arthur G. Dickens formulierte84, sondern erfaßte zudem die gesamte agrarische Gesellschaft, städtisches Um- und Hinterland, Ackerbürgerstädte und Dorfsiedlungen auf dem platten Land. Pastoralen Aufgaben stellten sich die Dominikaner im Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen demnach in der Stadt, aber sie verblieben aus den naheliegenden Gründen keineswegs dort.

|| closter mir zu gehörig ist“. Gedankliche Begründungen von Eigenbesitz im Kontext der spätmittelalterlichen Klosterreform, in: Gelobte Armut (Anm. 4), S. 393–410. 84 Dickens, Arthur G.: The German Nation and Martin Luther, London 1974, S. 182.

Nedim Rabić

Im toten Winkel der Geschichte Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien 1233/34–1237 Über die relativ kurze Tätigkeit des Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien ist wenig bekannt. Im Quellenmaterial taucht er oft unter seinem Beinamen Teutonicus auf, er war der vierte General des Dominikanerordens. Häufig kam es dazu, dass er mit anderen Personen seiner Zeit, die auch Geistliche waren, verwechselt wurde1. Er wurde in Wildeshausen in der Diözese Osnabrück geboren, das im Mittelalter zur Region Westfalen gehörte. Die Stadt hatte bis zum 13. Jahrhundert als ein wichtiges Handelszentrum regionale Bedeutung. Von Johannes von Wildeshausen sind weder das Datum seiner Geburt noch seine Abstammung bekannt. Man kann nur vermuten, dass er spätestens um 1180 geboren wurde. Dem Dominikanerorden gehörte er seit 1220 an. Johannes ist auch als Ratgeber und Begleiter päpstlicher Legaten in den Quellen zu finden. Von 1225 bis 1229 war er als Kreuzzugsprediger unterwegs. Nach Sigismundus Ferrari2 hat er sein Ordenskleid direkt vom heiligen Dominikus in Bologna erhalten. Nach Aloysius Rother hielt sich Johannes im Norden Deutschlands auf, wo er die Diözese Minden reorganisierte und nach der Abreise des Kardinallegaten Otto von S. Nicolaus in carcere Tulliano diesen auch in Bremen vertrat. Das letzte Mal wurde er in Bremen am 26. Juli 1231 erwähnt, danach ist er um die Mitte des Jahres 1232 in Ungarn zu finden3.

|| 1 Darauf verweist auch Pfeiffer, Nikolaus: Die ungarische Dominikanerordensprovinz von ihrer Gründung 1221 bis zur Tatarenverwüstung 1241–1242, Zürich 1913, S. 62 f., Anm. 67. An dieser Stelle will ich P. Viliam Štefan Dóci OP meine Dankbarkeit aussprechen, der mir dieses Buch zugänglich gemacht hat. Ich danke auch Prof. Dr. Sabine von Heusinger und Nina Kühnle für die Durchsicht des Beitrags. 2 Ferrari, Sigismundus: De rebus Hungaricae Provinciae Sacri Ordinis Praedicatorum, Viennae 1637, S. 91 f. 3 Rother, Aloysius: Johannes Teutonicus (von Wildeshausen) vierter General des Dominikanerordens, in: Römische Quartalschrift für christliche Alterthumskunde und für Kirchengeschichte 9 (1895), S. 139–170, hier S. 141–147; Pfeiffer: Dominikanerordensprovinz (Anm. 1), S. 62–64. Siehe auch: Johannes Teutonicus, Dominikaner, Ordensgeneral, in: Deutsche Biographische Enzyklopädie der Theologie und der Kirchen, Hrsg. Bernd Moeller, Bruno Jahn, Bd. 1, München 2005, S. 732 f. mit weiteren bibliographischen Angaben. Der Chronist und Zeitgenosse Thomas von Cantimpré betont insbesondere seine Liebe zur Armut, so dass er auch als Bischof von Bosnien nur einen Lastesel besessen habe und selbst stets zu Fuß gegangen sei; vgl. Thomas de Cantimprato: Bonum universale de apibus, II, ed. Gregor Colvener, Douai 1627, S. 57 f. Den Hinweis auf das Werk des Thomas von Cantimpré habe ich Frau Julia Burkhardt zu verdanken.

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Obwohl wir nur bescheidenes Quellenmaterial zur Verfügung haben, ist über die Mission des Johannes von Wildeshausen relativ viel geschrieben worden4, dennoch sind die Informationen über seine Amtszeit als Bischof von Bosnien lückenhaft. Man kann nicht genau sagen, wann er zum Bischof ernannt wurde. Der Terminus a quo ist der 30. Mai 1233, weil damals der Legat den Befehl erhielt, den alten Bischof abzusetzen und einen neuen einzusetzen5. Als Terminus ad quem kann man den 19. Februar des Jahres 1234 annehmen, weil Johannes dann zum ersten Mal als Bischof erwähnt wurde6. Den kurzen Zeitraum, in dem der deutsche Dominikaner Bischof von Bosnien war, zum Mittelpunkt dieses Aufsatzes zu machen, stellt zunächst kein leichtes

|| 4 Über die bosnische Episode des Johannes von Wildeshausen gibt es keinen eigenen Artikel, obwohl seine Amtszeit als Bischof von Bosnien in mehreren Arbeiten aufgegriffen wurde. Siehe u.a. Rother: Johannes (Anm. 3), S. 141–147; Pfeiffer: Dominikanerordensprovinz (Anm. 1), S. 50–74; Šidak, Jaroslav: Ecclesia Sclavoniae i misija dominikanaca u Bosni, in: Studije o „Crkvi bosanskoj“ i bogumilstvu, Hrsg. Jaroslav Šidak, Zagreb 1975, S. 177–209; Krasić, Stjepan: Dominikanci u srednjovjekovnoj Bosni, Đakovo 1996. Erstmals erschienen in: Ders.: Djelovanje dominikanaca u srednjem vijeku, in: Kršćanstvo srednjovjekovne Bosne. Radovi simpozijuma bosanske biskupije (1089–1989), Hrsg. Želimir Puljić, Franjo Topić, Sarajevo 1991 (Studia Vrhbosnensia 4, Vrhbosanska visoka teološka škola), S. 173–240; Jalimam, Salih: Djelatnost Dominikanaca u srednjovjekovnoj Bosni, Tuzla 1999, S. 68–74. 5 Vetera monumenta historica Hungariam sacram illustrantia, Bd. 1 (1216–1352), ed. Augustin Theiner, Rom 1859, S. 113 f., Nr. 192; Neralić, Jadranka: Srednjovjekovna Bosna u diplomatičkim spisima Rimske Kurije, in: Fenomen „krstjani“ u srednjovjekovnoj Bosni i Humu, Hrsg. Franjo Šanjek, Sarajevo-Zagreb 2005 (Zbornik radova, Institut za istoriju u Sarajevu, Hrvatski institut za povijest, Zagreb), S. 371–381, hier S. 381 f. 6 Dass die Ernennung des Johannes durch den Legaten Jakob von Praeneste vor dem 19. Februar erfolgte, bestätigt ein Brief des Papstes vom 17. Oktober desselben Jahres. „Gregorius Episcopus, Servus Servorum Dei, Venerabili Fratri Episcopo Bosnensis, Salutem, et Apostolicam Benedictionem. Exsultamus in Domino, et ei gratiarum exsolvimus actiones, quod dilectus, Filius noster Iacobus Praenestinus electus, tunc Apostolice Sedis Legatus, ad purgandam terram Bosne, que velut terra deseta, et invia diu luxit, et languit, spinis eam replentibus, et verticis, fastaque cubile draconum, et pasqua strutionum, in tenebris, et umbra mortis versabatur fere totaliter, prudenter intendens, quondam Episcopo Bosnensi exinde culpis suis exigentibus de mandato nostro amoto, te, de quo sinceram in Domino conscientiam obtinemus, genti eiusdem terre auctoritate nostra praefecit in episcopum, et pastorem. Nos igitur ratum et gratum habentes ac sperantes, quod per te, vtpote vas electum a Domino, tam in Episcopatu tuo, quam locis adiacentibus haeretica pravitas exstirpetur, Fraternitatem tuam monemus, et hortamur in Domino per Apostolica scripta tibi serio mandantes, quatenus assumta virtutis constantia, et spiritu ad fortitudinem roborato, ad hoc sic efficacius, et soleritus intendas, quod de sparso semine colligere valeas manipulos fructuum aeternorum. Ut autem officii tui debitum contra pestilentes huiusmodi liberius et efficacius prosequaris, universis catholicis per Regnum Hungarie constitutis, qui ad commonitionem tuam Crucis assumto charactere ad haereticorum exterminium se accinxerint, illam Indulgentiam, illudque privilegium elargimur, que accedentibus in Terrae Sanctae subsidium conceduntur.“ Bullarium Ordinis fratrum Praedicatorum, Bd. 1, ed. Thomas Ripoll u. Antonius Brémond, Roma 1729, S. 70 f.; Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis, Bd. 3,2 (1225– 1234), ed. György Fejér, Budae 1829, S. 398 f.

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Unterfangen dar. Der Leser, der nicht mit der Geschichte Bosniens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vertraut ist, muss die geringe Quellen- und Informationsdichte berücksichtigen; sie ist keineswegs so groß wie die für West- und Zentraleuropa oder das Byzantinische Reich und die muslimische Welt. Das bedeutet zugleich, dass der gewählte Zeitraum weder im Rahmen einer Biographie bedeutender Persönlichkeiten noch als Fixpunkt für gesellschaftliche Veränderungen herangezogen werden kann. Dennoch ereigneten sich in den Dreißigerjahren des 13. Jahrhunderts bedeutende politische Ereignisse. Der erste wissenschaftlich fundierte Beitrag über Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien wurde von Aloysius Rother verfasst. In seiner Arbeit „Johannes Teutonicus (von Wildeshausen) vierter Generalmeister des Dominikanerordens,“7 die 1895 erschienen ist, schilderte er auf knapp sieben Seiten die Tätigkeit von Johannes als Provinzial in Ungarn und Bischof in Bosnien. Allerdings bedarf dieser Teil seiner Arbeit einer gründlichen Revision. Bahnbrechend dagegen waren – für seine Zeit – die Einsichten von Nikolaus Pfeiffer8, dem die geistlich-politischen Gegebenheiten Ungarns und die Ketzergeschichte Bosniens besser bekannt waren als Rother. Es gibt viele weitere Beiträge, meist wurde die Tätigkeit des Johannes von Wildeshausen im Rahmen der Kirchengeschichte angesprochen. Große Verdienste um die Erforschung seiner Aktivitäten haben Jaroslav Šidak9, Stjepan Krasić10, Salih Jalimam11 und in geringerem Maße andere Autoren erlangt, die sich mit Johannes in zahlreichen Publikationen zur Kirchen- und Ketzergeschichte befasst haben12. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Rolle der Historiker und Histori|| 7 Rother: Johannes (Anm. 3), S. 139–170. 8 Pfeiffer: Dominikanerordensprovinz (Anm. 1), S. 50–74. 9 Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 177–209. 10 Krasić: Dominikanci (Anm. 4); Ders.: Fr. Paulus Hungarus seu, ut alii volunt, Dalmata O.P. Jedna zanimljjiva ličnost iz XIII st., in: Prilozi za istraživanje hrvatske filozofske baštine 4 (1978), S. 131–156, hier S. 139–145. 11 Jalimam: Djelatnost (Anm. 4), S. 68–74. 12 Draganović, Krunoslav: Katolička crkva u sredovječnoj Bosni, in: Povijest Bosne i Hercegovine od najstarijih vremena do godine 1463, Sarajevo ²1991, S. 734 f.; Petrović, Leon: Kršćani bosanske Crkve. Povijesna rasprava o problemu patarenstva ili bogumila u srednjovjekovnoj Bosni, Sarajevo 1953, S. 59–61 u. 71–73; Mandić, Dominik: Bogomilska crkva bosanskih krstjana, Chicago 1962, S. 149–159; Loos, Milan: Dualist Heresy in the Middle Ages, Prague 1974, S. 211–224; Fine, John V. A.: The Bosnian Church: a New Interpretation. A Study of the Bosnian Church and Its Place in State and Society from the 13th to the 15th Centuries, New York-London 1975 (East European Monographs 10), S. 137–145; Lambert, Malcolm D.: Ketzerei im Mittelalter. Eine Geschichte von Gewalt und Scheitern, Freiburg Br. [u.a.] 1991 (Herder-Spektrum 4047), S. 210 f.; Lovrenović, Dubravko: Utjecaj Ugarske na odnos crkve i države u srednjovjekovnoj Bosni, in: Sedam stoljeća bosanskih franjevaca, Hrsg. Marko Karamatić [u.a.], Samobor 1994 (Franjevačka teologija), S. 37–93, hier S. 52–54; Slišković, Slavko: Dominikanci i bosansko-humski krstjani, in: Fenomen „krstjani“ (Anm. 5), S. 479–498, hier S. 485–490; Šanjek, Franjo: Bosansko-humski krstjani i katarsko-dualistički pokret u srednjem vijeku, Zagreb 1975 (Kršćanska sadašnjost. Analecta croatica christiana. Biblioteka centra za koncil-

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kerinnen, die die politischen Geschehnisse in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts beleuchtet haben13. Da die Mission der Dominikaner in Bosnien in der Entstehungsphase der ‚bosnischen Kirche‘ stattfand und sogar mit den territorialen Bestrebungen der ungarischen Könige zeitlich zusammenfiel, kommen wir zu dem großen und unumgänglichen Thema der Entstehung und Entwicklungsgeschichte der ‚bosnischen Kirche‘. Im weiteren Verlauf wird darauf hingewiesen, warum dieses Problem von so großer Bedeutung ist und warum man es nicht außer Acht lassen darf14. Daher ist es eine Herausforderung, eine Antwort auf die Frage zu finden: In welchem Maße waren die territorialen Bestrebungen der ungarischen Könige ausschlaggebend für ein Modell kirchenpolitischer Kommunikation – war dieses ein auf Bosnien bezogenes Spezifikum oder war es charakteristisch für das Mittelalter im Allgemeinen? Die in der europäischen Geschichtswissenschaft bekannte ‚bosnische Kirche‘ ist als ein Bestandteil der europäischen Häresiebewegungen des Mittelalters anzusehen15. Der Name ‚bosnische Kirche‘ leitet sich von dem lateinischen ecclesia bosnensis ab, das man in mittelalterlichen Quellen finden kann. Die Zuschreibung eines

|| ska istraživanja, dokumentaciju i informacije. Svezak 6), S. 40 f., 77–80; Ders.: Dominikanci i Hrvati. Osam stoljeća zajedništva (13.–21. stoljeće), Zagreb 2008 (Kršćanska sadašnjost, Dominikanska naklada Istina – Analecta croatica christiana, svezak 39, Dominikanska baština, knjiga 5), S. 50 f. 13 Klaić, Vjekoslav: Geschichte Bosniens von den ältesten Zeiten bis zum Verfalle des Königreiches, Leipzig 1885, S. 90–100; Ćorović, Vladimir: Historija Bosne, Beograd 1940, S. 190–198; Perojević, Marko: Ban Matej Ninoslav, in: Povijest Bosne i Hercegovine od najstarijih vremena do godine 1463, Hrsg. Kunoslav Draganovič, Sarajevo ²1991, S. 219–224; Ćirković, Sima: Istorija srednjovekovne bosanske države, Beograd 1964, S. 58–65; ders.: Bosanska crkva u bosanskoj državi, in: Prilozi za istoriju Bosne i Hercegovine, Bd. 1, Hrsg. Enver Redžić, Sarajevo 1987 (Akademja nauka i umjetnosti Bosne i Hercegovine: Privreda i društvo srednjovjekovne bosanske države, Posebna izdanja, Bd. 79, Odjeljenje društvenih nauka, Bd. 17), S. 198–210; Klaić, Nada: Srednjovjekovna Bosna, Zagreb 1994, S. 89–119; Ančić, Mladen: „Križarske vojne“ XIII stoljeća, in: Radovi Hrvatskog društva za znanost i umjetnost 4 (1996), S. 12–35, hier S. 16–20. 14 Dieser kurze Exkurs ist notwendig, um grundlegende Informationen über die ‚bosnische Kirche‘ zu bieten, da die Mission des Johannes von Wildeshausen maßgeblich mit Bekehrungen sogenannter Häretiker zu tun hatte. 15 Einen sehr guten Überblick über diese Problematik bieten die Arbeiten von Jaroslav Šidak (1903–1986), der ca. 50 Jahre lang die Geschichtsschreibung über die ‚bosnische Kirche‘ verfolgte und sie auch als herausragender Kenner fachlich bewertete. Im folgenden Artikel hat er die wichtigsten Werke seit dem Beginn in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1975 einbezogen: Šidak, Jaroslav: L'Eglise de Bosnie au Moyen Âge, in: Annales de l'Institut français de Zagreb 3,2 (1976), S. 7–29. Derselbe Artikel wurde auch in kroatischer Sprache veröffentlicht: Ders.: Heretička Crkva bosanska, in: Slovo – Časopis Staroslavenskog instituta u Zagrebu 27 (1977), S. 149–184. Siehe auch Ćošković, Pejo: Četvrt stoljeća historiogafije o Crkvi bosanskoj, in: Radovi Filozofskog fakulteta u Sarajevu 14,1 (2010), S. 97–125, der die Zeit von 1975 bis 2005 berücksichtigt, und Dautović, Dženan: Crkva bosanska: moderni historiografski tokovi, rasprave i kontroverze (2005–2015), in: Historijska traganja 15 (2015), S. 127–160, als den jüngsten lesenswerten Beitrag zu diesem Thema.

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häretischen Wesens zur bosnischen Kirche findet sich seit dem Ende des 12. Jahrhunderts, zuerst in den Häresievorwürfen des Fürsten Vukan von Zeta gegen den bosnischen Herrscher Kulin16. Danach beginnt die Geschichte der umstrittenen schismatischen ‚bosnischen Kirche‘, die Srećko Džaja ein „verdrehtes westliches Paradigma“ nennt17. Ihre Mitglieder nannten sich selbst „Krstjani“, was in der Übersetzung „Christen“ heißt. Die Hierarchie dieser Kirche war in vier Ständen organisiert: Die ranghöchste Stufe hatte der ‚Djed‘ (‚der Großvater‘) – er war das Oberhaupt und nannte sich in den bosnischen Quellen auch der ‚wahre Episkopus‘. Nach ihm kam der ‚Gost‘ (‚der großer Gastgeber‘), der ‚Starac‘ (‚der Älteste‘) und der ‚Strojnik‘ (‚der Verwalter‘). Die letzte Benennung war jedoch auf alle Ränge außer dem ‚Djed‘ anwendbar18. Die Liturgiesprache war Slawisch, nicht Latein. Die Widersprüche um die Herkunft der Lehre der ‚bosnischen Kirche‘ sind durch unterschiedliche lateinische und slawische Quellenangaben vergrößert worden und bis heute ist es das umstrittenste Thema der einschlägigen Geschichtsschreibung. Man hat versucht, die ‚bosnische Kirche‘ mit der Bewegung der Katharer und der Bogumilen in Verbindung zu bringen. Außerdem gab es Forscher, die in der Lehre der ‚bosnischen Kirche‘ und deren Kultus keine Gemeinsamkeit mit anderen Häresien sahen. In letzter Zeit vertreten einige Forscher die These, dass es sich dabei nicht um eine häretische, sondern um eine schismatische Kirche handelte, die sich weder Rom noch Konstantinopel unterordnete19. Diesen Fall slawischer Autokephalie beschreibt Fernand Braudel so: „Der Westen schaut nach Rom, der Osten nach Konstantinopel.“20

|| 16 Vetera monumenta Slavorum meridionalium, Bd. 1 (1198–1549), ed. Augustin Theiner, Roma 1863, S. 6, Nr. 10. 17 Džaja, Srećko u. Lovrenović, Dubravko: Crkva bosanska (Ni bogumilska, ni dualistička nego šizmatička i državna crkva), in: Jukić 3839 (2008–2009), S. 237–256. 18 Siehe Ćošković, Pejo: Crkva bosanska u XV. stoljeću, Sarajevo 2005, S. 217–442; ders.: Ustrojstvo Crkve bosanske, in: Zbornik radova sa Znanstvenog skupa u povodu 500. obljetnice smrti Fra Anđela Zvizdovića, Sarajevo-Fojnica 2000, S. 61–83. 19 Einen guten Einblick in diese Thematik bietet auf Deutsch Džaja, Srećko: Die ‚Bosnische Kirche‘ und das Islamisierungsproblem Bosniens und der Herzegowina in den Forschungen nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1978 (Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des Nahen Ostens 28), S. 9–34; Podskalsky, Gerhard: Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien 865– 1459, München 2000, S. 138–142. Siehe auch Anm. 15 in diesem Aufsatz. 20 Braudel, Fernand: Grammaire des civilisations, Paris 1987, S. 340; Lovrenović, Dubravko: Srednjovjekovna Europa. Definiranje pojmova, utvrđivanje sadržaja, omeđivanje prostora, in: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest 27 (1994), S. 289–302, hier S. 301.

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Jene bosnische Kirche also war weder römisch noch konstantinopolitanisch, weder katholisch noch orthodox: Sie blieb im wahrsten Sinne des Wortes authentisch bosnisch und treu derjenigen christlichen Konfession, welche die Quellen als den ‚bosnischen Glauben‘ bezeichnen21.

Die darauffolgenden Bemühungen, dieses Phänomen zu erforschen, ähneln dem Versuch einer Quadratur des Kreises. Die bosnische katholische Kirchenprovinz wurde zum ersten Mal 1089 erwähnt, sie war schon zu dieser Zeit Suffragan der Metropolie von Split, danach wurde sie der Metropolie in Antivari untergeordnet. Seit dem Jahr 1137 war die bosnische Diözese wieder Teil der Metropolie von Split, bis sie schließlich in den Achtzigerjahren des 12. Jahrhunderts als Suffragan der Metropolie von Dubrovnik zugeordnet wurde22. Zu dieser Zeit war klar, dass sich das bosnische Bistum innerhalb der Strukturen des westlichen Christentums befand. Um das Jahr 1000 zeigte der Westen jedoch große Unterschiede, vor allem auf der lokalen Ebene, die nirgends so ausgeprägt waren wie an den Rändern der lateinischen Welt. In der Cluniazensischen Reform unter Papst Gregor VII., einem ihrer prominentesten Vertreter, wurde versucht, diese Unterschiede auszugleichen – besonders nach dem Schisma von 105423. Auf der anderen Seite kann man seit dem Tod Manuels I. Komnenos im Jahr 1180 von einem geschwundenen Einfluss des byzantinischen Reiches in der politischen Geschichte Bosniens sprechen. Dort wo die Macht dieses Reiches endete, begann der Einfluss einer anderen unübersehbaren Herrschaft – des Königreichs Ungarn. Ungefähr zu dieser Zeit begannen auch die Nachrichten in den Quellen über eine Häresie in Bosnien stetig zuzunehmen. Interessant ist es jedenfalls zu bemerken, dass diese Mitteilungen eng mit politischer Rivalität und Machtinteressen verknüpft und stets auf ungarische Ankläger zurückzuführen waren. Nicht zuletzt sind auch zu dieser Zeit die parallelen Ketzerbewegungen, wie z. B. der Katharer im Westen oder der Bogumilen im Osten, zu berücksichtigen, die sicherlich ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Häresieanschuldigungen eine völlig neue Dimension erhielten, obwohl man nur bedingt von einem Transfer häretischer Glaubensvorstellungen sprechen kann24.

|| 21 Lovrenović, Dubravko: Modelle ideologischer Ausgrenzung: Ungarn und Bosnien als ideologische Gegner auf der Grundlage verschiedener christlicher Konfessionen, in: Südost-Forschungen 63–64 (2004–2005), S. 18–55, hier S. 24. 22 Džaja: Die ‚Bosnische Kirche‘ (Anm. 19), S. 35. 23 Lovrenovic, Dubravko: Translatio sedis i uspostava novog konfesionalnog identiteta u srednjovjekovnoj Bosni, 1. Neke istraživačke postavke, in: Franjevački samostan u Gučoj Gori, Hrsg. Velimir Valjan, Guča Gora-Sarajevo 2010 (Zbornik radova sa znanstvenog skupa u povodu 150. obljetnice samostana u Gučoj Gori), S. 113–125, hier S. 122 f. 24 Lorenz, Manuel: Bogomilen, Katharer und bosnische ‚Christen‘. Der Transfer dualistischer Häresien zwischen Orient und Okzident (11.–13. Jh.), in: Vermitteln – Übersetzen – Begegnen: Transferphänomene im europäischen Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Interdisziplinäre Annähe-

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Außer den Benediktinern – den Vertretern des traditionellen monastischen Lebens – kamen als erste die Zisterzienser und die Prämonstratenser in den Vierzigerjahren des 12. Jahrhunderts nach Ungarn. Erst nach 1220 ist der Einfluss des Dominikanerordens bemerkbar. Ihr überraschend frühes Auftreten, wie auch das der Franziskaner, ist wahrscheinlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass Ungarn eine gute Grundlage für die Durchführung der Christianisierung bot, die eine der wichtigsten Aufgaben der Bettelorden war25. Die Entscheidung für die Ausbreitung des Ordens auf das Gebiet des ungarischen Königreichs wurde im Jahre 1221 auf dem zweiten Generalkapitel des Ordens in Bologna getroffen. Die katholischen Gebiete sollten ihnen als Ausgangsbasis dienen, um neue Mitglieder zu rekrutieren. Das bezeugt auch die Richtung der Ausbreitung, die Gründungszeit und die Verteilung der Dominikanerklöster in Ungarn. Allerdings wurden die bekanntesten Klöster erst nach der Amtszeit des Johannes von Wildeshausen gegründet. Dies unterstreicht zugleich die Komplexität der Mission des deutschen Dominikaners, die man berücksichtigen muss, wenn man die richtigen Schlussfolgerungen ziehen will. Die ersten Klöster in der Nähe Bosniens wurden in Slawonien zwischen den Flüssen Drau und Save gegründet. Das Kloster des Hl. Nikolaus wurde z. B. 1228 in Zagreb gegründet. Um diese Zeit müsste auch das Kloster der Hl. Maria Magdalena in Čazma erbaut worden sein. Das älteste Dominikanerkloster lag an der adriatischen Küste, das des Hl. Dominikus (um 1225) in Dubrovnik. Die Klöster in Nin und Zadar wurden um das Jahr 1228 errichtet26. Wie schon erwähnt wurde, ist die Ankunft der Dominikaner eng mit den häretischen Vorkommnissen in Bosnien verbunden. Die Aktivität der Predigerbrüder begann in städtischen Gebieten – also dort, wo die Gläubigen zahlreich auf engem Raum zusammenlebten. Dies war eine Neuerung, die den älteren katholischen Orden fehlte. Diese Herangehensweise bot den Dominikanern die Möglichkeit, stärker in der mittelalterlichen Gesellschaft zu wirken. Vor der Ernennung des Dominikaners Johannes zum Bischof von Bosnien waren stets inländische slawische Geistliche Oberhirten der bosnischen Diözese gewesen. Wir kennen Vladislav (um 1141), Milovan (um 1151), Radogost (Rhadagastus, um 1171), Dragonja (nach 1209), Bratoslav (nach 1210) und Vladimir (zwischen 1223 und 1233?)27. Ein Schreiben, das in der ersten Hälfte des Jahres 1232 der römischen Kurie gesandt wurde, enthält sehr ernste Anschuldigungen gegen den damaligen einhei|| rungen, Hrsg. Balázs J. Nemes u. Achim Rabus, Göttingen 2011 (Nova mediaevalia 8), S. 87–136, hier S. 122 f. Siehe auch Fine: The Bosnian Church (Anm. 12), S. 30–33. 25 Krasić, Stjepan: Dominikanci: Povijest Reda u hrvatskim krajevima, Zagreb 1997, S. 7 f.; Kontler, László: Povijest Mađarske. Tisuću godina u srednjoj Europi, Zagreb 2007, S. 79 f.; Šanjek: Dominikanci (Anm. 12), S. 12 f., 19 f. 26 Krasić: Dominikanci (Anm. 4), S. 10 f.; ders.: Povijest Reda (Anm. 25), S. 8 f. 27 Petrović: Kršćani (Anm. 12), S. 56–61; siehe auch Džambo, Jozo: Die Franziskaner im mittelalterlichen Bosnien, Werl Wf. 1991 (Franziskanische Forschungen 35), S. 47 f.

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mischen Bischof. In dem Brief wird behauptet, dass dort ein Mann ohne Bildung im Amt stehe und den Häretikern Zuflucht gewähre; sein eigener Bruder sei ein Häretiker. Er selbst wird der Simonie beschuldigt, außerdem beherrsche er das Ritual der Taufe und der heiligen Messe nicht. Interessant erscheint zudem, dass man auch seinen Wohnort kritisierte – er solle in einem Dorf zusammen mit Häretikern gelebt haben („cum hereticis in quandam villa moretur“)28. Darauf reagierte der Papst: Er befahl am 30. Mai 1233 seinem Legaten Jakob Pecorari, den beschuldigten bosnischen Bischof zu ersetzen. Nach dem päpstlichen Schreiben war es notwendig, aufgrund der Größe des Landes (oder vielmehr wegen des unwegsamen Geländes) zwei bis vier neue Bischöfe zu weihen, die des Lateins mächtig sein sollten29. Die Quellen verraten jedoch nicht, wie der bosnische Herr|| 28 „Gregorius episcopus servus servorum dei venerabilibus fratribus (Vgrino) archiepiscopo Colocensi et (Stephano) episcopo Zagrabiensi et dilcto filio ... preposito sancti Laurentii Colocensis dioecesis, salutem et apostolicam benedictionem. Graues et enormes venerabilis fratris nostri ... episcopi de Bozna excessus et maculas, que nuper nostro sunt apostolatui reserata non potuimus obaudire, ne ipsius culpas nostras efficere uideamur, fiatque anima nostra pro eius anima tamquam ipsum in suis iniquitatibus foueamus. Idem enim, sicut accepimus, imperfectum suum minime recognoscens, utpote litteralis expers scientie, ac hereticorum publicus defensator, per quemdam manifestum hereticum simonie uitio mediante se in episcopum procurauit assumi. Et quia que malo sunt inchoata principio uix bono exitu potiuntur, ipse qui uinee domini Sabaoth deberet cultor utilis inueniri et subditis suis proficere uerbo pariter et exemplo, nullum in ecclesia sua celebrat diuinum officium nec ministrat ecclesiasticum sacramentum, adeoque factus esse dicitur ab ecclesiasticis officis alienus, quod baptismi forme penitus est ignarus nec mirnum, quod, sicut asseritur, cum hereticus in quandam villa moretur et fratrem eius carnalem manifestum heresiarcam, quem deberet ab inico ad viam rectitudinis reuocare, idem ut eum possit illud propheticum adaptari: ‚Sicut populus sic sacerdos‘, in suo errore foueat dampnabiliter, et defendat. Quia igitur hec non debent relinqui aliquatenus indiscussa, utpote deo et hominibus odiosa, nolentes descendere et uidere, utrum premissa dictus episcopus impleuerit actione, discretioni vestre per apostolica scripta mandamus, quatinus inquirentes super hiis et aliis diligenter ueritatem que inueneritis fideliter redigatis in scriptum et sub uestris sigillis ad nostram presentiam destinetis, ut ex uestra relatione sufficienter instructi procedamus, exinde prout secundum deum uiderimus procedendum, prefixo ci termino competenti, quo nostro se conspectui representet, pro meritis recepturus. Quodsi non omnes hiis exequendis potueritis interesse, duo vestrum ea nichilominus exequantur. Datum Spoleti nonis iunii, pontificatus nostri anno sexto.“ (5.6.1232) Codex diplomaticus regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae, Bd. 3 (1201–1235), ed. Tadija Smičiklas, Zagreb 1905, S. 361–363, Nr. 315; Vgl. Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 184–186; Ćirković: Bosanska (Anm. 13), S. 201. 29 „... episcopus tamen de Bosna, prout inquisitionis tue processu diligenter examinato didicimus, qui dux aliorum esse debuerat, dampnabiliter prevaricans legem Christi ad doctrine incidit amaritudinem insensate, pabula in ministrando aliis nec gustando, sibi celestis eloquii et animas simplicium sue cure commissas inextricabilibus laqueis captivando. Quamvis autem idem episcopus ex simplicitate asserat se peccasse, quia tamen non in peccato huiusmodi decipere vel posse decipi multum differt, nos quos zelus comedit animarum, volentes earum periculis obviare mandamus, quatenus eodem episcopo a regimine Bosnensis ecclesie prorsus amoto, tam in eadem ecclesia quam in locis aliis Bosnensis diocesis, que ut dicitur non modicum est diffusa, duos vel tres aut quatuor, prout videris expedire, doctos in lege domini, quos ad hoc idoneos esse cognoveris, studeas in episcopos ordinare, metropolitani ar-

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scher auf die einseitige Entscheidung reagierte und ob er die Mission des Legaten Jakob unterstützte. Spätere Anlässe bezeugen eine andere politische Entwicklung. Der ungarische Herzog Koloman, der Sohn des ungarischen Königs Andreas II., führte in der zweiten Hälfte des Jahres 1233 Krieg in Bosnien und veranlasste den bosnischen Herrscher Ninoslav, sich ihm zu unterstellen30. Die Zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts spielen eine immense Rolle, um die Umstände zu verstehen, unter denen Johannes von Wildeshausen vom Heiligen Stuhl zum Bischof in Bosnien befördert wurde. Die Beschuldigungen, der Herrscher Bosniens toleriere Häretiker in seinem Land, wurden nach mehreren Jahren des Schweigens in den Quellen mit ganzer Wucht wiederholt. Von dieser Zeit an kann man von einer Reihe von Kreuzzügen gegen Bosnien sprechen, mit denen die römische Kurie zusammen mit dem ungarischen Hof mit Unterbrechungen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts drohen sollte. Die Geschichtsschreibung jedoch beurteilt diese Geschehnisse sehr unterschiedlich. Ohne dass hier die Absicht verfolgt würde, neue Fragen aufzuwerfen, sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Kampagnen unterschiedlich intensiv waren und nicht selten in Kreuzzugsrhetorik und mit Ge-

|| chiepiscopi iure salvo; eisdem in remissionem peccatorum iniungens, ut cum habitatores illius terre dicantur in facultatibus tenues et in malitia locupletes, utpote qui pro magna parte sunt infecti heretica pravitate, paupertatem Christi pauperis imitando ardenti spiritu ad despectos accedere non recusent, ut per exemplum boni operis et documentum sermonis eos ab errore, auctore domino revocantes, reddituri patri familias de talento sibi credito rationem, cum exultatione de sparso semine manipulos valeant reportare.“ (30.5.1233) Vetera monumenta (Anm. 5), S. 113 f., Nr. 192; Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 184–186; Krasić: Dominikanci (Anm. 4), S. 19 f. Am Anfang des 13. Jahrhunderts (1203), zur Zeit des bosnischen Herrschers Kulin, gab es bereits einen Vorschlag seitens des Legaten Johannes de Casamare an Papst Innozenz III., das bosnische Bistum in drei oder vier kleinere Bistümer aufzuteilen und einen Bischof zu weihen, der der lateinischen Sprache mächtig sei: „... Tractato negotio illorum quondam Patarinorum in Bosna, sicut iampridem scripsi sanctitati vestre, fui in Ungaria aliquantis diebus ex voluntate regia. Interim autem nuntii illius magni viri Caloiohannis venerunt ad Regem cum quibus deo duce spero me ire ad ipsum, et christianissimus Rex fecit eos super euangelia iurare in ecclesia coram altari, quod me securum usque ad presentiam eius deducerent. Confido autem in domino, quod sequenti die, quod erit festum beati Barnabe, incipiemus iter, vestris nos orationibus comitantibus et subsequente benedictione. Dicitur vero a multis et ab ipso Rege, quod devotionem habeat ille ad Romanam ecclesiam, et isti qui mecum sunt modo firmiter asserunt et affirmant. Unde recepi securitatem, quod si voluerit mittere nuntios ad sanctitatem vestram in eundo et redeundo nullam per totum Regnum Ungarie et amicitie ipsius et parentele lesionem patientur. Noueritis preterea, quod in Regno Bani Culini de Bosna non est nisi unus episcopatus et episcopus modo mortuus est. Si posset fieri, quod aliquis Latinus ibi poneretur, et aliqui etiam ibi tres vel quatuor crearentur novi, non modicum exinde utilitati accresceret ecclesiastice, quia Reguum est ipsius ad minus dietarum decem et plus ...“ Vetera Monumenta Slavorum (Anm. 16), S. 19 f., Nr. 34; Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 36, Nr. 32. 30 Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 184–86.

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währung eines päpstlichen Ablasses endeten, ohne zu weiteren Ergebnissen zu führen31. Die Einsetzung des Dominikaners Johannes von Wildeshausen hatte vermutlich Empörung hervorgerufen, da es das erste Mal war, dass der Bischof nicht nach altem Brauch gewählt, sondern mit einem Dekret als Oberhaupt eingesetzt wurde32. Es war auch das erste Mal, dass der Bischof kein Slawe war und – wie es scheint – auch nicht in Bosnien selbst residierte. Die Einsetzung des deutschen Dominikaners und der Ort seiner Residenz verweisen auf die Expansionsansprüche der ungarischen Könige33. Zudem wurde am 10. Oktober 1233 das bosnische Bistum aus der Jurisdiktion der Metropolie von Dubrovnik herausgelöst und direkt der römischen Kurie unterstellt34. Dies zeigt, dass sich die Missionstätigkeit des deutschen Dominikaners und neuen Bischofs von Bosnien mit weitreichenden Folgen und Auswirkungen auf den Zeitraum von nur wenigen Monaten 1233–34 konzentrierte. Erst zu dieser Zeit, drei Jahrzehnte nach der Mission des Legaten, hat die römische Kurie ein langfristiges Programm zur Reform der bosnischen Diözese durchgesetzt. Über die ersten Jahre seiner Mission wissen wir leider nichts. Man kann annehmen, dass die komplexe politische Situation vom Streben des ungarischen Königs nach Herrschaft bestimmt wurde35. Die Dominikaner konnten sicherlich nur mit großer Mühe in dem schwer zugänglichen Bergland ihre Predigten zu Gehör bringen. Eine offene Frage ist auch, wie sie die sprachliche Barriere überwanden. Zwei Briefe, die Papst Gregor IX. sandte, geben einige Aufschlüsse über die Lage des Bischofs Johannes von Wildeshausen; der Papst ermutigt ihn in seinem neuen Amt und erinnert ihn daran, dass er konsequent gegen die Häretiker vorgehen solle.

|| 31 Die Bezeichnung ‚Kreuzzug‘ für einen militärischen Einsatz gegen Bosnien wurde das erste Mal in einem Brief von Papst Honorius III. vom 3. Dezember 1221 benutzt (Siehe: Vetera monumenta (Anm. 5), S. 113, Nr. 192). Anführer dieses Kreuzzuges sollte der König von Ungarn Andreas II. sein, dieser aber war mit einigen Problemen im Inneren seines Reiches beschäftigt, sodass der Erzbischof von Kalocsa, Ugrin, an seiner statt ernannt wurde. Der päpstliche Legat Acontius wiederum berief eine Synode mit allen Bischöfen von „Pannonien, Thrakien und Illyrien“ nach Dubrovnik ein, mit nur einem Thema: dem Kampf gegen die „Ungläubigen“ in Bosnien. Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 184–̶186; Majnarić, Ivan: Papinski poslanik Akoncije u Dalmaciji i Hrvatskoj 1219–1223 godine, in: Humanitas et Litterae, zbornik u časi Franje Šanjeka, Hrsg. Lovorka Čoralić, Zagreb 2009, S. 79–98, hier S. 92 f. 32 Krasić: Dominikanci (Anm. 4), S. 21; Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 188. 33 Siehe z.B. Lovrenović: Utjecaj (Anm. 12), S. 37–93, hier S. 52–54; Ćorović, Vladimir: Pitanje o poreklu Kotromanića, in: Prilozi za književnost, jezik, istoriju i folklor 5 (1925), S. 15–20, hier S. 19 f. 34 Siehe Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 388–390, Nr. 335–337; Schmitt, Jürgen: Die Balkanpolitik der Arpaden in den Jahren 1180–1241, in: Ungarn–Jahrbuch 17 (1989), S. 25–52, hier S. 28 f. 35 Lovrenović: Modelle (Anm. 21), S. 18–25.

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Dabei erhielt er die Erlaubnis, diejenigen, die sich gegen die Kirche und ihre Priester erhoben hatten, zu absolvieren36. Zur gleichen Zeit, in der die Präsenz der Dominikaner nachgewiesen ist, erwähnen die Quellen zum ersten Mal den bosnischen Herrscher Matej Ninoslav. Die Umstände, unter denen er an die Macht kam, sind nicht bekannt, aber man kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er der Herrscherfamilie angehörte, die noch vor ihm in Bosnien an der Macht war. Wie man aus den wenigen Quellen schließen kann, war Ninoslav überzeugter Katholik, der auch selbst gegen die Häretiker in seinem Land vorgehen wollte, obwohl er nach einer Urkunde der päpstlichen Kanzlei zugegeben hatte, Fehler in der Glaubenslehre gemacht zu haben37. Zugleich lassen sich aus der bereits erwähnten Urkunde vom 10. Oktober 1233 weitere Folgerungen ziehen. Papst Gregor IX. hat dort die Verdienste der fratres predicatores de Bosna betont, die Ninoslav und seinen Cousin Prijezda zum katholisch geprägten Christentum geführt hatten. Als Sicherung für die Bekehrung gab Prijezda den Dominikanern seinen Sohn als Geisel38. Dieser missionarische Erfolg belegt, dass die Aktivitäten des Ordens in Bosnien schon früher als 1233 begonnen hatten, vielleicht in den späten Zwanzigerjahren. Obwohl es unmöglich ist, eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, wie es um das Verhältnis zwischen dem bosnischen Herrscher und Johannes von Wildeshausen bestellt war, kann man etwas darüber erschliessen, wenn man die damalige politische Lage bedenkt. Man kann sagen, dass sich der Banus Ninoslav während dieser Geschehnisse zwischen zwei Polen befand: || 36 Vetera monumenta (Anm. 5), S. 129 f., Nr. 220 u. 223; Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 416–418, Nr. 361 u. 363; Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 190. 37 Codex diplomaticus regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae, Bd. 4 (1236–1255), ed. Tadija Smičiklas, Zagreb 1906, S. 60, Nr. 66. 38 „Gregorius episcopus servus servorum dei dilectis filiis fratribus predicatoribus de Bosna salutem et apostolicam benedictionem. Dilectus filius nobilis vir Ninosclavus dux de Bosna nobis exposuit et nos libenter audivimus et gaudemus, quod vestre sollicitudinis studio procurante nobilis vir Ubanus dictus Priesda consanguineus eius nuper ab immunditia pravitatis heretice rediit ad catholice fidei puritatem, et ut in illa stabilis perseveret, suadente duce prefato, filium suum vobis obsidem assignavit. Verum quia de fide ipsius iam non debet, sicut idem dux asserit, dubitari, cum puram et simplicem et devotionem eiusdem erga sanctam ecclesiam iam non argumenta sed experimenta demonstrent, dum in prosequendis hereticis fideliter elaborat; nobis pro parte sua fuit humiliter supplicatum, ut dictum obsidem sibi restitui faceremus. Ideo mandamus, quatenus si vobis constiterit, quod dictus Ubanus sit plene conversus ad fidem, desiderio eius in parte ista sibi satisfacere procuretis, proviso quod per restitutionem huiusmodi nichil possit fidei contrarium procurari. Datum Anagnie VI. idu octobris, (pontificatus nostri) anno septimo“ (10.10.1233). Vetera monumenta (Anm. 5), S. 120 f., Nr. 202; Codex diplomaticus Hungariae (Anm. 6), S. 344; Acta Bosnae potissimum ecclesiastica cum insertis editorum documentorum regestis ab anno 925 usque ad annum 1752, ed. Eusebius Fermendžin, Zagreb 1892 (Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium 23), S. 8, Nr. 40; Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 389 f., Nr. 337; Klaić: Geschichte Bosniens (Anm. 13), S. 69; Ćirković: Istorija (Anm. 13), S. 62.

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Auf der einen Seite standen die römische Kurie und die Großmacht Ungarn mit ihren Forderungen und auf der anderen Seite der von der Häresie angesteckte einheimische Klerus und Adel mit dem Widerstand gegen das römische religionspolitische Establishment39.

Es ist offensichtlich, dass der ungarische König versucht hat, über die Dominikaner mehr Einfluss in Bosnien zu gewinnen. Ob das zur Zeit des Johannes Teutonicus geschah, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Wahrscheinlicher ist es, dass der lange Arm des ungarischen Königs der Magyare Ponsa (Poscha) war. Er folgte Johannes im Bischofsamt in Bosnien40. Von großer Bedeutung wäre es, mehr über das Engagement des bosnischen Adels während der Bestrebungen der römischen Kirche durch den Einsatz der Dominikaner zu erfahren. An einem Beispiel kann man den ungarischen Einfluss in der nördlichen bosnischen Provinz Usora nachvollziehen. Dort genoss der Fürst Sibislav die Zuneigung des Papstes und des ungarischen Königs41. Deshalb kann man vermuten, dass Johannes von Wildeshausen in den nördlichen Teilen Bosniens seinen Einfluss ausbauen konnte. Diese jedoch waren weit von dem eigentlichen Missionsgebiet entfernt. In der Bulle des ungarischen Königs Bela IV. von 1244 wurde hingegen bestätigt, dass Ninoslav gezwungen wurde – „nachdem er der katholischen Kirche großen Schaden und Unrecht zugefügt hatte“ – die bosnische Diözese nach dem ungarischen Modell zu organisieren und den Zehnt der Kirche zu überlassen42. Gleich zu Beginn seiner Mission ist Johannes von Wildeshausen mit einer ernsten Lage konfrontiert worden. Mitte Oktober 1234 sandte die päpstliche Kanzlei drei

|| 39 Džaja: Die ‚Bosnische Kirche‘ (Anm. 19), S. 35. 40 Rokаi, Petаr: Tri prilogа istoriji Bosne u srednjem veku, in: Spomenicа аkаdemikа Sime Ćirkovićа, Hrsg. Srđаn Rudić, Beogrаd 2011 (Istorijski institut, Zbornik rаdovа, knjigа 25), S. 211–217, hier S. 214 f.; Varga, Geza: Biskup Ponsa – Anonymus, pisac djela „Gesta hungarorum“?, in: Diacovensia 1 (1995), S. 169–175. 41 „Cum dilectum filium nobilem virum Zibisclaum kenesium de Woscora, natum quondam Stephani bani de Bosna, qui sicut letantes accepimus, inter principes Bosnensis diocesis infectus macula heretice pravitatis existit quasi lilium inter spinas, prosequendo sollicite per quod valeat augmentum christiani nominis auctore Domino provenire, sincere caritatis brachiis amplexantes, personam et terram eius cum bonis omnibus, que impresentiarum rationabiliter possidet, sub Beati Petri protectione susceperimus atque nostra, districtius inhibentes, ne quis ipsum in fide ac devotione romane ecclesie persistenem supradictis terra et bonis presumat temere molestare, iure carissimi in Christo filii nostri illustris regis Ungarie semper salvo; mandamus, quatenus non permittatis ipsum contra protectionis et inhibitionis nostre tenorem ab aliquibus indebite molestari.“ (8.8.1236) Vetera monumenta (Anm. 5), S. 147 f., Nr. 258; Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 37), S. 16, Nr. 13. Über die Tätigkeit von Sibislav und seinem Vater Stefan kann man sehr wenig sagen, da sie nur in diesem Jahr erwähnt werden. Siehe auch Anđelić, Pavao: O nekim usorskim vojvodama i političkom statusu Usore u srednjem vijeku, in: Prilozi 13 (1977), S. 17–45. 42 Ćirković: Istorija (Anm. 13), S. 67 f.; Pauler, Julije: Kako i kada je Bosna pripala Ugarskoj, in: Glasnik Zemaljskog muzeja u Bosni i Hercegovini 2,2 (1890), S. 119–124.

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Briefe an Banus Ninoslav, den Herzog Koloman und an die Dominikaner, in denen dazu aufgerufen wurde, gegen Häretiker in partes Sclavoniae vorzugehen. König Andreas II. vermied es erneut, eine direkte Rolle in diesen Plänen zu spielen; er ernannte seinen Sohn Herzog Koloman zum Führer des Heeres43, was wohl der päpstlichen Aufforderung Nachdruck verleihen sollte. Wieder einmal wurde Koloman die Herrschaft über Bosnien für seinen eventuellen Erfolg versprochen, wie schon Erzbischof Ugrin vor ihm44. Der Papst hat diese Schenkung bestätigt, noch bevor die Ungarn oder die römische Kurie Bosnien unter ihre Gewalt gebracht hatten45. Der neue Bischof Bosniens hatte in dieser Zeit große Mühe bei der Ausübung seines Amtes. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass er schon im Sommer 1235 Papst Gregor IX. bat, ihn von dem Amt zu entbinden46. Den Grund für eine solche Bitte können wir nur erahnen. Es muss aber definitiv etwas mit den ungünstigen Bedingungen zu tun gehabt haben, die durch einen Kriegszug beseitigt werden sollten. Die meisten Autoren sind sich einig, dass dies der einzige wirkliche Kreuzzug gegen Bosnien war47. Der bosnische Herrscher Ninoslav stand zuerst tatsächlich auf der Seite der Kreuzfahrer. Er berichtete Papst Gregor IX., dass er nicht nur gegen die Ketzer in seinem Land vorgegangen sei und ihren Besitz konfisziert habe, sondern auch, dass er auf großen Widerstand des Adels gestoßen sei. Am selben Tag ließ der Papst drei Briefe mit Anweisungen für das weitere Vorgehen schreiben – an Banus Ninoslav, Herzog Koloman und an die Dominikaner48. Aber bald erkannte der bosnische Herrscher, dass die religiösen Motive nur sekundäre Ziele Kolomans waren und dass die Souveränität seines Landes in Gefahr war, sodass er sich von den Angreifern zu distanzieren versuchte. Die Quellen bezeugen jedoch, dass der ungarische Herzog viel Erfolg bei dieser Kampagne hatte49. Mit Ausnahme Sibislavs, der der Herrscherdynastie angehörte, haben wir keine Informationen über andere Adelige, die den Dominikanern Unterstützung boten. In einem Brief vom 20. September 1235 hatte der Papst jedoch Johannes‘ Bitte nicht be-

|| 43 Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 415, Nr. 359; Barabás, Gábor: Das Papsttum und Ungarn in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (ca. 1198 bis ca. 1241). Päpstliche Einflussnahme, Zusammenwirken, Interessengegensätze, Wien 2014 (Publikationen der ungarischen Geschichtsforschung in Wien 6), S. 247. 44 Vetera monumenta (Anm. 5), Bd. 1, S. 55 f.; Ćirković: Istorija (Anm. 13), S. 49 u. 62. 45 Vetera monumenta (Anm. 5), Bd. 1, S. 133; Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 443, Nr. 385. 46 Pfeiffer: Dominikanerordensprovinz (Anm. 1), S. 67 f. 47 Rački, Franjo: Bogomili i patareni, in: Rad JAZU 10 (1870), S. 160–263, hier S. 164 f.; Klaić: Geschichte Bosniens (Anm. 13), S. 89; Perojević: Ban Matej Ninoslav (Anm. 13), S. 217 f.; Ćirković: Istorija (Anm. 13), S. 59; Loos: Dualist Heresy (Anm. 12), S. 212; Šidak: Ecclesia (Anm. 4), S. 182 f.; Fine: The Bosnian Church (Anm. 12), S. 135 f. u.ö. 48 Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 388 f., Nr. 335 f., S. 389 f., Nr. 337. 49 Ćirković: Istorija (Anm. 13), S. 63 f.

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rücksichtigt, sondern ihn ermutigt, seine Mission weiterzuführen50. Der Historiker Stjepan Krasić, selbst Dominikaner, geht davon aus, dass der Papst Bosnien Herzog Koloman, dem Bruder des ungarischen Königs, zugesprochen hatte und dass Johannes mit den politischen Zielen Kolomans nicht einverstanden war, da jener die religiöse Dimension außer Acht ließ51. Diese Hypothese lässt sich allerdings mit dem spärlichen Quellenmaterial nicht hinreichend untermauern. Die darauffolgenden Ereignisse können vielleicht eine Zuneigung des bosnischen Herrschers zu dem Dominikaner bezeugen, denn die Bischofskirche (dem heiligen Petrus geweiht) wurde zwischen 1238 und 1239 im Herzen des Landes im Bezirk Vrhbosna (in der Nähe der Quelle des Flusses Bosna) vollendet52. Die Nachrichten zwischen dem 26. April 1238 und dem 27. Dezember 1239 bestätigen, dass die Dominikaner den größten Beitrag zur Erbauung der ersten Kathedrale in Bosnien leisteten53. Daher kann man davon ausgehen, dass der Bau der Kirche einige Jahre

|| 50 „Gregorius episcopus, servus servorum dei, venerabili fratri (lohanni), episcopo Bosnensi, salutem et apostolicam benedictionem. Deputatus lesu Christi militie incepti cursum debet certaminis consummare, quia non pugne sed victorie gloriam, non incipientibus sed perseverantibus dominus dat coronam. Hoc quidem attendens apostolus et que retro sunt penitus obliviscens in anteriora se ad palmam superne vocationis extendit seque bonum certasse certamen asserens coronam iustitie, quam dominus diligentibus se preparat, habito de pugna triumpho confidenter expectat; aperte demonstrans, quod frustra equum, ut currat in stadium, calcaribus excitat, qui cursu non consummato deficiens optatum de ipso bravium non reportat. Igitur, frater, cessionis licentiam te postulare non convenit, quia etsi relictis cum Petro retibus dominum sequeris, si cruce officii pontificalis assumpta hostes crucifixi indutus armaturam dei hactenus viriliter expugnaris, si te belli labores opprimunt, si ad regressum e contra insurgentia pro fide certamina te inducunt; dei tamen amor id expetit anime tue ac ecclesie tibi commisse utilitas id exposcit, ut te a laboribus officii tibi a deo crediti minime subtrahas, tue potentie brachium a domini prelio non subducas, donec te de huiusmodi corporis carcere liberatum ille, pro quo nunc militas, ad vere quietis palatium deferat, et capiti tuo lapidis pretiosi coronam imponens, tue sudores militie manu placide consolationis abstergat. Audisti etenim, quod sicut in Ezechiells principio legitur, pennata animalia cum incedunt minime revertuntur, et Martinus confessor domini gloriosus, quem in omni vite sue tempore pro Christi nomine novimus certavisse, mori non timuit, et pro dei populo subire labores et vivere minime recusavit. Hinc est, quod fraternitatem tuam monemus et hortamur attente, per apostolica scripta mandantes, quatenus a cessionis petitione desistens, et ecclesiam tuam non desinens salubriter gubernare, sic hereticos et alios fidem catholicam impugnantes viriliter et potenter impugnes, quod te pugnante pro Christo merito inter se tibi locum cives angelici preparent, quo exutum corpore in celesti palatio te receptent. Datum Assisii XII. kalendis octobris, [pontificatus nostri] Anno Nono.“ Vetera monumenta historica Hungariam (Anm. 5), S. 137, Nr. 241; Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 28), S. 444 f., Nr. 387. 51 Krasić: Dominikanci (Anm. 4), S. 24 f. 52 Siehe Kujundžić, Juraj: Katedrala sv. Petra u Vrhbosni, in: Nova et vetera, XXVIII, 1–2 (1978), S. 295–303: „in supa Vrhbozna, Burdo, cum omnibus pertinentiis, ubi ipsa ecclesia cathedralis sancti Petri est fundata“, Codex diplomaticus regni Croatiae (Anm. 37), S. 239 f., Nr. 207. 53 A.a.0., S. 56 f., Nr. 50, S. 65 f., Nr. 60, S. 66 f., Nr. 61, S. 94, Nr. 87, S. 95 f., Nr. 89, S. 239, Nr. 207.

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zuvor begonnen hatte, möglicherweise am Anfang der Missionstätigkeit des Johannes von Wildeshausen54. Wahrscheinlich auf die wiederholten Bitten des deutschen Dominikaners hin löste der Papst ihn schließlich von der bischöflichen Jurisdiktion. In einem Brief vom 31. Mai 1237 wird Johannes von Wildeshausen als ehemaliger Bischof erwähnt55. Auf dem Bischofssitz folgte ein anderer Dominikaner, der Ungar Ponsa (Poscha), der sich viel energischer engagierte. Im Unterschied zu Johannes von Wildeshausen war der neue Bischof zweifellos mit dem ungarischen Herrscherhaus enger verbunden56. Die Quellen berichten über mehrere Kreuzzüge gegen Bosnien während seiner Amtszeit. Über die Resultate der Mission des Dominikanerordens in Bosnien kann man nur rätseln57. Die kurz darauf folgenden Mongolenstürme anfangs der Vierzigerjahre, in denen auch Herzog Koloman ums Leben kam, ließen die bosnischungarischen Verhältnisse in den Hintergrund treten58. Nach der Chronik Peters von Bodrogh (vor 1259) hatten die Dominikaner zwei Klöster in Bosnien. Der Chronist

|| 54 Nach der Zerstörung der wahrscheinlich im späten 15. Jahrhundert erbauten Hovadža-Kemaludin-Moschee im Jahr 1940 fand man einen Altar mit einer stark beschädigten Inschrift „[Apost]OLI PETRI VERB[osnensi],“ die auf die Kathedrale zurückzuführen ist. Siehe Sergejevski, Dimitrije: Arheološki nalazi u Sarajevu i okolici, in: Glasnik Zemaljskog muzeja u Sarajevu Nova serija 2 (1947), S. 13–50, hier S. 45 f. mit Abb. 24 auf S. 45; Kujundžić: Katedrala (Anm. 52), S. 297 f. 55 „I[ohannes] quondam Bosnensem episcopos, viros utique scientia et honestate conspicuos, quos deo dilectos et acceptos nobis ac fratribus nostris pie vite studiis, et titulo multimode probitatis, ad partes ipsas super huiusmodi negotio destinamus, spem firmam et securam fiduciam obtinentes, quod per eorum industriam et virtutem tui favoris accedente suffragio optatum subsidium eidem negotio producatur. Nos enim, ut quod pro gloria crucifixi tam digne deposcitur, effectu facili compleatur, omnes de Regno tuo in succursum eiusdem Imperii processuros, nec non eorum familiam et bona omnia donec de ipsorum reditu vel obitu certissime cognoscatur, sub protectione ac defensione sedis apostolice admittentes, tibi ac predictis et aliis qui iuxta facultatem et qualitatem suam illuc bellatores idoneos in expensis propris duxerint destinandos, nec non illis qui ad subventionem fidelium partium earundem de bonis propriis congrue ministrarint, iuxta quantitatem subsidii et devotionis affectum illam indulgentiam, idemque privilegium elargimur, que transeuntibus et subvenientibus in terre sancte subsidium conceduntur. Ceterum quod per dictos Episcopos vel eorum alterum super premissis omnibus contigerit procurari, robur habere volumus firmitatis.“ Vetera monumenta (Anm. 5), S. 155 f., Nr. 277; Codex diplomaticus Hungariae (Anm. 6), S. 89 f.; Pfeiffer: Dominikanerordensprovinz (Anm. 1), S. 67 f. 56 Basler, Djuro: Ungarn und das bosnische Bistum, in: Ungarn-Jahrbuch 5 (1973), S. 9–15, hier S. 13 f. 57 Siehe Ančić: „Križarske vojne“ (Anm. 13), S. 12–35; ders.: Jesu li u 13. stoljeću vođene križarske vojne u Bosni, in: Na rubu zapada. Tri stoleća srednjvjekovne Bosne, Hrsg. Mladen Ančić, Zagreb 2001, S. 89–106. 58 Engel, Pál: Realm of St. Stephen: a history of medieval Hungary 895–1526, London 2001 (International library of historical studies 19), S. 99 f.; Schmieder, Felicitas: Der Einfall der Mongolen nach Polen und Schlesien – Schreckensmeldungen, Hilferufe und die Reaktion des Westens, in: Wahlstatt 1241. Beiträge zur Mongolenschlacht bei Liegnitz und zu ihren Nachwirkungen, Hrsg. Ulrich Schmilewski, Würzburg 1991, S. 77–86.

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schreibt auch, dass einige Dominikaner den Unruhen zum Opfer gefallen und zu Märtyrern geworden seien, dabei seien die beiden Klöster von den Häretikern zerstört worden59. Die Mitte des 13. Jahrhunderts war eine Zeit intensivster militärischer und politischer Auseinandersetzungen zwischen Bosnien und Ungarn, als der ungarische König bedeutende militärische Vorstöße unternahm. Den Zenit erreichten diese Konflikte um 1247, als der Sitz der katholischen Bischöfe von Bosnien nach Djakovo (in Slawonien, heutiges Kroatien) und somit in ein Territorium verlegt wurde, das im Einflussbereich der ‚heiligen ungarischen Krone‘ lag. Auf der Spur dieser Zäsur, die den bosnischen Staat eines Eckpfeilers des mittelalterlichen politischen Subjektcharakters beraubte, kommt als Ausgangspunkt für die ungarischen politischen Bestrebungen das Patronatsrecht zum Vorschein, welches es seit König Stephan den ungarischen Herrschern ermöglichte, ihren Anspruch auf die Ernennung der Bischöfe und Erzbischöfe in den Ländern der ‚heiligen Krone‘ zu betonen … Darauf basierte ursprünglich die expansionistische ungarische Politik auf dem Balkan, die mit der Stärkung des Patronatsrechts unter Béla IV. während der dreißiger Jahre – also eben zur Zeit des Johannes von Wildeshausen – einen bedeutenden Impuls erhielt60.

Die Amtszeit des Johannes von Wildeshausenwar nicht von langer Dauer, aber dennoch war sie für die Gestaltung der politischen Verhältnisse bedeutend. Sie markiert einen wichtigen Wendepunkt in der komplexen Religionsgeschichte des mittelalterlichen Bosniens, weil seitdem eine ganze Reihe von Bischöfen geweiht wurden, die allesamt Fremde waren und die slawische Sprache nur sehr begrenzt beherrschten. Die Häresievorwürfe gegen Bosnier vom Anfang bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts bewegen sich kaum lokalisierbar zwischen Missverständnissen, Politik und Wahrheit. Die Dominikaner genossen die Unterstützung des ungarischen Königs, er hatte seine Aktivitäten aber so eingesetzt, dass sie ihm auch bei der Durchsetzung seiner eigenen politischen Ansprüche halfen.

|| 59 „Item in Bosnia et Dalmacia, que apud eos ecclesia Slavonie nuncupatur, missi sunt etiam fratres ad hereticos, ubi sciebant fratres innumeram animarum multitudinem perire per hereticorum errorem. Cum autem archiepiscopus Colociensis, apostolice sedis tunc legatus, cruce signatus, contra eos pluries exercitum perduxisset et modicum vel parum proficeret, tandem fratribus [nostris] tamquam negocium alias desperatum a summo pontifice per plures litteras est commissum. Qui predicationi et disputationi contra hereticos insistentes, beate memorie [vice]rege Colomano eis astante, mirabiliter profecerunt et aliqui fratres ab hereticis sunt occisi et alii multos hereticorum et credentes eorum ad fidem converterunt et multi ex iisdem qui converti nolebant, per ministrales dicti (vice)regis Colomani ignibus fuerunt traditi concremandi et ecclesie que prius destructe fuerant, in quibus spine et virgulta iam nata erant, fuerunt reparate. Ubi etiam duos conventus habuimus, quos postea heretici combusserunt.“ Gerardus de Fracheto: Vitae Fratrum Ordinis Praedicatorum, ed. Benedictus M. Reichert, Roma [u.a.] 1897 (MOPH 1), S. 307 f. 60 Lovrenović: Modelle (Anm. 21), S. 21 f.

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Die Position dieser Kirche wurde von ungarischer Seite für vorübergehende ideologische Disqualifizierungen auf konfessioneller Basis genutzt; sie reflektieren die ethnisch-territoriale Dimension des Christentums. Das Ziel der bewaffneten Einfälle nach Bosnien, die von den ungarischen Königen unternommen wurden, war nicht etwa die Bekehrung der Gegner, die selbst Christen waren (und lediglich einer anderen Konfession angehörten)61.

Die Beziehungen zwischen Ungarn und Bosnien in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zeigen ein heterogenes Bild. Meines Erachtens sind die Ursachen dafür, dass die Beziehungen Ungarns zu Bosnien, die sich in militärischen Aktionen verschiedener Art und Intensität realisierten, größtenteils bis zur Zeit Belas IV. zu expansiven ungarischen Bestrebungen werden sollten, in der abweichenden inneren Entwicklung beider Gebiete zu suchen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts machten sich in Ungarn immer intensivere westliche Einflüsse bemerkbar, die zum Abbau des alten gesellschaftlichen Gefüges führten. Während der Amtszeit des Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien manifestierte sich die militärische Kraft Ungarns, die während dieser Zeit zu einem wichtigen Faktor in der europäischen Politik wurde, als Mittel der Eroberungsbestrebungen. Der Bischof von Bosnien wurde zu einem der Glieder in der Kette dieser Expansionsansprüche. Dies bezeugt auch die Verlegung des Sitzes des bosnischen Bischofs in der Mitte des 13. Jahrhunderts auf das Territorium, das unter der Gewalt der ungarischen Könige stand.

|| 61 A.a.O., S. 55.

Matthias Standke

Vom Stiften des Gemeinsinns und Gründen der Gemeinschaft Textuelle Diskurspraktiken in den Ordensgründerlegenden des Dominikus1 Einleitend sei folgendes Bild imaginiert2: Eine Gemeinschaft entspringt ihrem Gründer, einem geheiligten Gründer, dessen Idee wie ein Saatkorn in ihm wurzelt und zu einer weitverzweigten Pflanze anwächst, deren Blüten wiederum Heilige jener Gemeinschaft hervorbringen. Die Wurzel des Gewächses bildet der heilige Dominikus, dessen Ordensgemeinschaft auf diese Weise bildlich auf ihn zurückgeführt wird und zwar in Analogie zum bekannten und im Mittelalter weit verbreiteten heilsgeschichtlichen Motiv des Stammbaums Christi, der seinerseits der Wurzel Jesse3 entspringt. Mittels der Darstellung einer solchen Radix Sancti Dominici erfolgt nicht nur eine idealisierte Abbildung der Gemeinschaft einiger auserwählter Dominikaner und Dominikanerinnen, sondern es wird gleichsam ein bestimmter Gemeinsinn für den gesamten Predigerorden evoziert4. Neben der medialen Inszenierung des ge-

|| 1 Der vorliegende Aufsatz entstand aus dem Manuskript meines Vortrags auf der Kölner Dominikanertagung im November 2014 und ich habe hier den Anregungen des dortigen Auditoriums zu danken, namentlich Pater Walter Senner. Außerdem gilt mein Dank ebenso Cristina Andenna für die mittäglichen Diskussionen sowie Marina Münkler für die konstruktiven Hinweise. 2 Die wohl bekanntesten Abbildungen dieser Art befinden sich u.a. in Frankfurt a.M. im von Hans Holbein (d.Ä.) um 1500 geschaffenen Hochaltar der Dominikanerkirche, in Bern an dem vom Berner Nelkenmeister um 1495 gestalteten Lettner der Dominikanerkirche und auf einer Schreinrückwand des Thurgauer Dominikanerinnenklosters St. Katharinental, gefertigt 1490. 3 Zum Motiv der Wurzel Jesse und ihrer genealogischen Verwendung siehe Kellner, Beate: Ursprung und Kontinuität. Studien zum genealogischen Wissen im Mittelalter, München 2004, hier S. 50–61. Kellner verweist hier auch auf die theologischen, heilsgeschichtlich begründeten Schwierigkeiten für eine weitere Ansippung an die Wurzel Jesse. Eine Parallelisierung, wie sie Hans Holbein in Frankfurt vornahm, spielt mit ebenjenem heilsgeschichtlichen Motiv und lässt auch die Gründung des Predigerordens als „heilsgeschichtliche[n] Vorgang“ erscheinen. Siehe dazu Schreiner, Klaus: Das Ordenskleid als Gnadengabe, in: Institution und Charisma. Festschrift für Gert Melville zum 65. Geburtstag, Hrsg. Franz J. Felten [u.a.], Köln [u.a.] 2009, S. 401–423, hier S. 407. 4 Klaus Krüger begreift Bilder insofern „als ein performativ wirksames Dispositiv, das sich der Praxis der sozialen und kulturellen Imagination im Sinne einer eigenen, produktiven Dimension einschreibt.“ Vgl. Krüger, Klaus: Bildlicher Diskurs und symbolische Kommunikation. Zu einigen Fallbeispielen öffentlicher Bildpolitik im Trecento, in: Text und Kontext. Fallstudien und theoretische Begründungen einer kulturwissenschaftlich angelegten Mediävistik, Hrsg. Jan Dirk Müller u. Elisabeth Müller-Luckner, München 2007 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 64), S. 123–162, hier S. 159 f.

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meinsamen Ursprungs aller Dominikaner wird nämlich ferner im Bild des Dominikus als vir perfectus ein allen entzogener, aber „gemeinsame[r] Horizont des Handelns und Verhaltens“5 entworfen, dem es idealiter zu entsprechen gilt. Es ist das Ziel aller Ordensmitglieder, dem heiligen Gründer und dessen Lebensweise in der jeweiligen imitatio nachzufolgen. So verstanden, ist Gemeinsinn6 in seiner doppelten Gerichtetheit sowohl individueller Sinn für das Gemeinsame als auch gemeinsamer Sinn der Individuen, der in seiner Wirkung eine Gemeinschaft als konkrete Sozialform stabilisiert. Diesen Entwurf eines dominikanischen Gemeinsinns sowie die Bedingungen seines Ent- und Bestehens gilt es nachfolgend zu analysieren, allerdings nicht innerhalb weiterer gleicher oder ähnlicher Bildmedien, sondern auf der Basis volkssprachlicher Texte. Dafür werden mehrere mittel- und frühneuhochdeutsche Ordensgründerlegenden des heiligen Dominikus7 exemplarisch vor dem Hintergrund der jeweils in ihnen evozierten Gemeinsinnkonzepte miteinander verglichen. Gerade der Typus der Ordensgründerlegende mit seinen diversen Erzählsträngen eignet sich dafür, da diese Legenden unterschiedlichen „Geltungsansprüchen“8 (Hei|| 5 Siehe zu dieser Vorstellung eines durch Transzendierung entzogenen, aber dennoch auf eine Gemeinschaft einwirkenden Gemeinsinns Vorländer, Hans: Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen. Eine Einführung in systematischer Absicht, in: Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen, Hrsg. ders., Berlin [u.a.] 2013, S. 1–42, hier S. 15. 6 So auch die basale Formulierung bei Münkler, Herfried u. Bluhm, Harald: Einleitung: Gemeinwohl und Gemeinsinn als politisch-soziale Leitbegriffe, in: Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, Hrsg. dies., Berlin 2001 (Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Gemeinwohl und Gemeinsinn“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 1), S. 9–30, hier S. 12 f. 7 Folgende Dominikuslegenden werden dabei berücksichtigt und nachfolgend, wenn nicht anders gekennzeichnet, entsprechend den hier genannten Ausgaben zitiert. 1. Eine alemannische Dominikuslegende aus dem Freiburger Reuerinnenkloster (1465): König, Joseph: Legende in mittelhochdeutscher Sprache, in: Freiburger Diözesanarchiv 8 (1874), S. 331–359 (nachfolgend DL); 2. die Dominikus-Legende aus dem Nürnberger Dominikanerkloster (um 1400): Der Heiligen Leben. Bd. 1. Der Sommerteil, ed. Margit Brand [u.a.], Tübingen 1996 (Texte und Textgeschichte 44), S. 333–357 (nachfolgend HL); 3. die Dominikus-Legende der elsässischen Legenda Aurea (vor 1350): Die elsässische Legenda Aurea. Bd. 1. Das Normalcorpus, ed. Ulla Williams [u.a.], Tübingen 1980 (Texte und Textgeschichte 3), S. 498–504 (nachfolgend ELA); 4. die versifizierte Dominikus-Legende aus dem Passional (13. Jh.): Köpke, Karl F.: Das Passional. Eine Legenden-Sammlung des 13. Jahrhunderts, Quedlinburg [u.a.] 1852, S. 353–374 (nachfolgend Pass.). 8 Diese differenten Geltungsansprüche sind allerdings nicht als negatives Faktum einer schlechten Erzählung zu begreifen, sondern sie bilden viel eher ein Immanentwerden institutioneller Prozesse ab. So Karl-Siegbert Rehberg im Anschluss an Arnold Gehlen, der gerade in einer „Gabelung der Legitimitätsgründe“ eine „stabilisierte Spannung“ für Institutionen und ihre „Autonomiebehauptungen“ sieht. Vgl. daher Rehberg, Karl-Siegbert: Weltrepräsentanz und Verkörperung. Institutionelle Analyse und Symboltheorien – Eine Einführung in systematischer Absicht, in: Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigungen kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart, Hrsg. Gert Melville, Köln [u.a.] 2001, S. 3–49, hier vor allem S. 13–17.

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ligkeit, Gemeinschaft, Institutionalität etc.) gerecht werden müssen. Dabei erzählen die Legenden im Kern natürlich vom jeweiligen Ordensgründer9, der als Heiliggesprochener ein wesentliches Element für die Stabilisierung, aber auch für die Legitimation seiner Gemeinschaft ist. Einerseits verschafft also gerade das Erzählen von der charismatischen Persönlichkeit und dem Wirken des Ordensgründers dem neugegründeten Orden gegenüber Institutionen wie der Kirche die angestrebte Eigenständigkeit und Legitimität. Andererseits kann innerhalb des Ordens vor allem durch den narrativen Bezug auf diesen Heilscharismatiker die Gemeinschaft stabilisiert und Gemeinsinn gestiftet werden10. Vor der exemplarischen Analyse der legendarischen Erzählungen vom heiligen Dominikus werden jedoch die hier nur skizzierten theoretischen Ansätze detaillierter dargelegt, da sie – wie sich zeigen wird – sehr voraussetzungsreich sind. Dies betrifft die Grundzüge des legendarischen Erzählens und vielmehr noch das Verhältnis dieser in textueller Form vorliegenden Narrationen zu dem innerhalb der dominikanischen Gemeinschaft existenten und sie prägenden Gemeinsinn.

1 Textuelle Gemeinsinnproduktion Gemeinsinn kann als motivationale Handlungsdisposition von … Akteuren begriffen werden, die eine prinzipiell knappe sozio-moralische Ressource darstellt. Sie bildet die ‚subjektive‘ Seite gemeinwohlorientierten Handelns, die nur partiell im Handeln selbst reproduziert werden kann. Gemeinwohl ist das normative Ideal, das uns implizit auch sagt, wieviel Gemeinsinn wir aufbringen müssen … Es bedarf aber eines Mindestmaßes an Gemeinsinn, damit wir überhaupt motiviert sind, uns für ein normatives Gemeinwohl-Ideal zu interessieren11.

Diese funktionale Begriffsbestimmung des Gemeinsinns vor dem Hintergrund des Gemeinwohls durch Herfried Münkler und Harald Bluhm offenbart neben der be-

|| 9 Insofern die Legenden bereits einen derartigen Zuschnitt aufweisen, um den diversen Geltungsansprüchen gerecht zu werden, sei hier und im Folgenden auch vom Ordensgründer respektive dessen Idee von einem Orden gesprochen. Dass die einzelnen historischen Personen nicht notwendigerweise einen eigenständigen Orden vor Augen hatten, als um sie eine erste Gemeinschaft entstand, ist für die hier angestellten Analysen der Legenden nicht von Belang, da die legendarischen Erzählungen dies sehr wohl unterstellen. 10 Siehe zu diesem Ansatz Andenna, Cristina: Heiligenviten als stabilisierende Gedächtnisspeicher in Zeiten religiösen Wandels, in: Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Hrsg. Peter Strohschneider, Berlin [u.a.] 2009 (DFG-Symposion 2006), S. 526–573; sowie Münkler, Marina: Amicus Dei. Konstruktionsformen des Heiligen am Beispiel der Franziskuslegenden, in: Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen (Anm. 5), S. 374–394. 11 Vgl. Fischer, Karsten: Gemeinwohlrhetorik und Solidaritätsverbrauch. Bedingungen und Paradoxien des Wohlfahrtsstaates, in: Ethik im Sozialstaat, Hrsg. Manfred Prisching, Wien 2000, S. 131– 154, hier S. 139; Münkler u. Bluhm: Einleitung (Anm. 6), S. 13.

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reits eingangs geschilderten doppelten Gerichtetheit auf den einzelnen und die Gemeinschaft ebenso dessen Ursprung und Fortdauer innerhalb sozialer Aushandlungsprozesse. Bezogen auf die Gemeinschaft der Predigerbrüder lässt sich dies wie folgt skizzieren: Deren Gemeinwohl beruht – sehr abstrakt gefasst12 – auf den consuetudines oder dem ordo des Ordens, also dessen institutionell gesicherten Normen und Zielen, zu denen man sich wechselseitig verpflichtet. Die Teilhabe an der spezifisch dominikanischen Form der Heilsfürsorge und damit auch an der Heiligkeit des Ordensgründers ist demgegenüber die Motivation, verstanden als Gemeinsinn der Ordensgemeinschaft, wie auch des jeweils Einzelnen innerhalb des Ordens. Für die Vermittlung und Aufrechterhaltung dieser Motivation respektive eines sinnstiftenden Potentials werden diverse sozio-kulturelle Praktiken und Semantiken (fraternitas, amicitia, unanimitas etc.) verwandt, die, um ihrer Funktion Genüge zu tun, ständiger Überprüfung und Neuaushandlung bedürfen. Doch wie lässt sich ein so verstandener Gemeinsinnbegriff in seiner Entstehung und seinen verstetigenden Transformationen theoretisch genauer verorten? Nur eine solche Verortung eröffnet nämlich Möglichkeiten zu einer analytischen Beobachtung der mit ihm verbundenen Praktiken und Semantiken. Daneben ergibt sich auch erst aus einer Aufschlüsselung dieser Zusammenhänge, inwiefern überhaupt Texte wie die vorliegenden Dominikuslegenden in jene Prozesse involviert sind respektive aus ihnen hervorgehen. Die sich hier anschließenden Überlegungen brechen insofern zunächst noch einmal mit der konkreten Darstellung des dominikanischen Gemeinsinns zu Gunsten einer allgemeineren Darlegung und theoretischen Verortung von Gemeinsinn sowie den damit verbundenen kulturellen Prozessen seiner Vermittlung.

|| 12 Zu diesem auf das Mittelalter angewandten Verständnis von Gemeinsinn und Gemeinwohl vgl. nachfolgend auch die Arbeiten von Otto Gerhard Oexle, der allerdings vorrangig coniurationes untersucht. Er versteht „Gemeinwohl als Orientierungspunkt für gemeinschaftsrelevantes Handeln und Gemeinsinn als Bereitschaft zur Orientierung am Gemeinwohl von seiten gemeinschaftsrelevant handelnder Individuen …“. Insgesamt hält Oexle zu den Mechanismen dieser Soziabilitäten respektive ihrer Entstehung fest, dass „in der Dynamik dieser Prozesse … sich die Form der Gegenseitigkeit gemeinsamen Handelns als eine Form des Zusammenlebens [erweist], die Individuen handlungsfähig macht und es ihnen ermöglicht, ihre Vorstellungen von Gemeinwohl zu realisieren. Immer geht es dabei wesentlich um die Schaffung eines partikularen, selbstgesetzten Sonderrechts, das voluntas oder consuetudo genannt wird, und um die Schaffung von Frieden und Sicherheit (securitas), nach innen wie nach außen.“ Siehe Oexle, Otto G.: Konflikt und Konsens. Über gemeinschaftsrelevantes Handeln in der vormodernen Gesellschaft, in: Gemeinwohl und Gemeinsinn (Anm. 6), S. 65–83, hier S. 65 und 73; daneben mit einer weniger spezifischen Verwendung der Begriffe ders.: Konsens, Vertrag, Individuum. Über Formen des Vertragshandelns im Mittelalter, in: Das Individuum und die Seinen. Individualität in der okzidentalen und in der russischen Kultur in Mittelalter und früher Neuzeit, Hrsg. Yuri L. Bessmertny u. Otto Gerhard Oexle, Göttingen 2001 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 163), S. 15–37.

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Der Gemeinsinn, und in Sonderheit der dominikanische Gemeinsinn, entsteht innerhalb von beziehungsweise besteht aus komplexen kommunikativen Aushandlungsprozessen, die nicht auf einzelne Personen oder deren Äußerungen reduziert werden können. Insofern ist Gemeinsinn – im Sinne Michel Foucaults 13– als Diskurs zu fassen: Man wird also darauf verzichten, im Diskurs ein Phänomen des Ausdrucks zu sehen – die wörtliche Übersetzung einer woanders vorgenommenen Synthese; man wird darin eher ein Feld von Regelmäßigkeit für verschiedene Positionen der Subjektivität sehen. Der so begriffene Diskurs ist nicht die majestätisch abgewickelte Manifestation eines denkenden, erkennenden und es aussprechenden Subjekts: Im Gegenteil es handelt sich um eine Gesamtheit, worin die Verstreuung des Subjekts und seine Diskontinuität mit sich selbst sich bestimmen können. Es ist ein Raum der Äußerlichkeit, in dem sich ein Netz von unterschiedlichen Plätzen entfaltet14.

Der Diskurs in seiner Gesamtheit umfasst – so gesehen – das in der Sprache aufscheinende Verständnis von Wirklichkeit einer jeweiligen Epoche. Doch wie wird dieses Wirklichkeitsverständnis vermittelt? Die Antwort auf diese Frage gibt letztlich Auskunft darüber, wie sich die Wirklichkeit oder die Welt überhaupt im Gumbrecht‘schen Sinne direkt „re-präsentieren“15 kann respektive als Abwesendes re-

|| 13 Ich knüpfe im Folgenden an die Überlegungen Foucaults an, die selbst einer Transformation unterliegen. Ich beziehe mich daher vor allem auf seine späteren Ausführungen in der „Archäologie des Wissens“ (franz. 1969) gegenüber denen in „Die Ordnung der Dinge“ (franz. 1966). Siehe dazu Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, hrsg. u. übers. Ulrich Köppen, Frankfurt a.M. 1974; ders.: Die Archäologie des Wissens, Hrsg. u. übers. Ulrich Köppen, Frankfurt a.M. 1981, vor allem S. 115–190. Während Foucault in „Die Ordnung der Dinge“ noch von einem alles umfassenden Diskurs ausgeht, entwickelt er in der „Archäologie des Wissens“ die Vorstellung jeweils spezifischer Diskurse, die als „individualisierbare Gruppe von Aussagen“ (S. 116) unser Wissen von der Welt vermitteln. Ich werde hier auch nicht weiter auf die (mitunter mögliche) Problematik eines eigenständigen Literaturdiskurses respektive der Literatur als „Interdiskurs“ für andere Spezialdiskurse eingehen, wie es Jürgen Link und Ursula Link-Heer ausführlich getan haben; dies vor allem auch weil Link und Link-Heer diese Diskurskonzeptionen lediglich mit einer modernen Literatur verknüpfen, der sie eine fragwürdige Vorstellung von vormoderner Literatur gegenüberstellen, die „keine Literatur“ sei. Ihrer Ansicht nach gibt es in den Texten dieser Zeit nur eine „dominante ‚delectare‘-Funktion …, [die] dazu dien[t], vor allem spannende erotische und agonale Narrationen mit Helden aller Art“ zu vermitteln. Allein diese Vorstellung offenbart die eines weiteren Kommentars unwürdige Ignoranz der Neuphilologen gegenüber dem „bunt[en] Mittelalter“ mit seiner „leuchtende[n] Form der Komplexitätsentfaltung.“ Siehe dazu Link, Jürgen u. Link-Heer, Ursula: Diskurs/Interdiskurs und Literaturanalyse, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 77 (1990), S. 88–99, hier S. 93; zum farbigen Mittelalter vgl. Strohschneider, Peter: Mediävistiken und Wissenschaftssystem, in: Farbe im Mittelalter: Materialität – Medialität – Semantik. Bd. 1, Hrsg. Ingrid Bennewitz u. Andrea Schindler, Berlin 2011, S. 15–30, hier S. 27. 14 Vgl. Foucault: Archäologie des Wissens (Anm. 13), S. 82. 15 Gumbrecht kann durch diese Schreibweisen deutlich die zwei möglichen Verweisformen hervorheben, nämlich einerseits die direkte Vergegenwärtigung als Anwesenheitszeichen und anderer-

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präsentiert wird. Beide Formen offenbaren die „zeichenhaften Verweisungssysteme [sowie] die Mittelbarkeit und Künstlichkeit des menschlichen Weltbezuges“16, wie Karl-Siegbert Rehberg mit Bezug auf Helmuth Plessner sowie Arnold Gehlen konstatiert; und er schließt an: Das bedeutet zugleich, daß die von den Menschen wahrgenommene und – selbst noch in den Erkenntnisakten – von ihnen geschaffene ‚Welt‘ stets symbolisch vermittelt ist. Als Kulturwesen ist der Mensch darauf angewiesen, jede Situation, in der er lebt, zu deuten und zugleich das Hier und Jetzt zu überschreiten. In jeder konkreten Raum- und Zeitstelle muss er auch andere Wirklichkeiten präsent halten17.

Die Welt beziehungsweise das mittels symbolischer Kommunikation evozierte Verständnis von ihr wird zu einer lesbaren Kultur18, deren zeichenhafte Komplexität per se weitere Interpretationen anregt und mitunter verlangt. Ein möglicher Ort der dafür notwendigen Aushandlungen sowie spielerischen Erprobungen und nicht allein Raum der Tradierung bestimmter Verständnis- und Wissensbestände sind Narrationen19, die als elementare Form symbolischer Textualität20 eine sinngebende Wirklichkeitsverarbeitung gestatten. Jan Dirk Müller bringt diese Zusammenhänge || seits die bloße Vermittlung als Abwesenheitszeichen. Siehe dazu Gumbrecht, Hans Ulrich: Ten Brief Reflections on Institutions and Re/Presentation, in: Institutionalität und Symbolisierung (Anm. 8), S. 69–75. 16 Vgl. Rehberg: Weltrepräsentanz und Verkörperung (Anm. 8), hier S. 4. 17 A.a.O., S. 5. Rehberg bietet nachfolgend auch einen kurzen, aber prägnanten Überblick der symboltheoretischen Forschungsansätze, siehe dazu vor allem S. 21–35. 18 Das hier aufgeworfene Konzept einer lesbaren Welt geht auf die Arbeiten von Clifford Geertz zurück, die zuletzt auch vor dem Hintergrund der Foucault’schen Idee einer Wissensarchivierung von Moritz Baßler verteidigt und in modifizierter Form fruchtbar gemacht wurde. Siehe dazu Geertz, Clifford: Dichte Beschreibungen. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a.M. 41995 (zuerst im engl. Original 1973); Baßler, Moritz [u.a.]: Kultur als Text? in: KulturPoetik 2,1 (2002), S. 102–113, hier vor allem S. 102–105. 19 Für Udo Friedrich ist das „Erzählen [also Narration; M.S.] … eine elementare Form der Wirklichkeitsverarbeitung … und ist stets verbunden mit einem Akt der Sinnbildung.“ Vgl. Friedrich, Udo: Diskurs und Narration. Zur Kontextualisierung des Erzählens in Konrads von Würzburg ‚Trojanerkrieg‘, in: Text und Kontext (Anm. 4), S. 99–120, hier S. 100. Für die Historiographie hat das jüngst Axel Rüth in einer luziden und die wissenschaftliche Diskussion reflektierenden Studie vorgeführt. Siehe Rüth, Axel: Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung, in: Narrativität als Begriff. Analysen und Anwendungsbeispiele zwischen philologischer und anthropologischer Orientierung, Hrsg. Mattias Aumüller, Berlin 2012 (Narratologia 31), S. 21–46. 20 Zum hier aufscheinenden Verständnis von symbolischer Textualität – entweder im Sinne von „Kultur als Text“ (Michel Foucault) oder als „öffentliche Symbolsysteme“ (kulturelle Praktiken und Artefakte), die einer Interpretation bedürfen (Clifford Geertz) – siehe die Darlegung und Diskussion in aller Ausführlichkeit bei Strohschneider, Peter: Kultur und Text. Drei Kapitel zur ‚Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimi‘, mit systematischen Zwischenstücken, in: Kulturwissenschaftliche Frühneuzeitforschung. Beiträge zur Identität der Germanistik, Hrsg. Kathrin Stegbauer [u.a.], Berlin 2004, S. 91–130, hier speziell S. 102–104.

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kompakt, aber sehr anschaulich und präzise in der Formel der „Welthaltigkeit … literarischer Texte“ zum Ausdruck21. Bei aller und durchaus auch berechtigter Kritik22 an einer so umfassenden Textualität offenbart dieser Ansatz doch eine wesentliche Erkenntnis, nämlich dass das Verständnis von der Welt und in unserem Fall des Gemeinsinns ein diskursives Konstrukt ist. Für solche Konstrukte, die mehrere Wirklichkeiten für ein Verständnis entwerfen, gilt systemtheoretisch gewandt: „Man kann Realität nicht verstehen, wenn man Formen und Bedeutung der Fiktion nicht kennt.23“ Die diskursiven Praktiken – also all jene Verfahren, die einen Diskurs, wie den des Gemeinsinns, konstituieren, stabilisieren, kontinuieren und auch transformieren – beruhen letztlich auf Formen des Erzählens. Deren Produktivität für einen Diskurs kann nicht einfach anhand der Gegenüberstellung von faktualem und fiktionalem Erzählen gemessen werden, denn beide Formen des Erzählens produzieren auf je eigene Weise Sinn24. Und beide Formen – darin liegt das Paradoxon – beziehen sich auf die Verständnis vermittelnde Fiktion eines Wirklichkeitskonstrukts, dem jeweiligen Diskurs. Narration als Diskurspraktik generiert allerdings zwei Formen einer im engeren Sinne textuellen Wirklichkeits- und Weltrepräsentation: Entweder vermittelt sie logisch verfahrend Erkenntnis(se) in diskursiven Texten (z.B. Traktaten) oder aber repräsentiert Handlungen und Ereignisse in narrativen Texten (z.B. Romanen). In beiden kann das Erzählen sowohl fiktional als auch faktual sein.25 So sind etwa in Traktaten

|| 21 Vgl. Müller, Jan Dirk: Literarische und andere Spiele. Zum Fiktionalitätsproblem in vormoderner Literatur, in: Poetica 36 (2004), S. 281–311, hier S. 296 f. 22 Siehe dazu nochmals Baßler [u.a.]: Kultur als Text? (Anm. 18), hier S. 105–111. 23 Siehe dazu die luzide Studie von Elena Esposito, die ausgehend von folgender These (S. 50): „Die Realität ist unwahrscheinlich, und das ist das Problem“, ein Plädoyer für einen gelernten Umgang mit Fiktionalität innerhalb einer mit mehreren Realitäten aufwartenden Welt hält. Vgl. Esposito, Elena: Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, Frankfurt a.M. 2007, hier S. 120. 24 Systemtheoretisch gesehen, ist das binäre Paar fiktional/faktual kein Sinn generierender Code der hier vorliegenden (literarischen) Kommunikation. Genau genommen erfolgt diese Unterscheidung bereits auf höherer Ebene, durch die Wahl eines Mediums – hier der Narration – für den Kommunikationsprozess. Im vorliegenden Fall geht es also um Fragen des dem Medium inhärenten Programms, das lediglich Möglichkeiten einer vereinfachten weiteren anschlussfähigen Operation aufzeigt – also fiktional oder faktual weiterzuerzählen. Siehe zu diesen Überlegungen – ungeachtet der theoretischen Vorbehalte gegenüber dem Status literarischer Kommunikation des Mittelalters – kurz, aber prägnant Werber, Nils u. Plumpe, Gerhard: Code/Programm – Stefan George, in: Systemtheoretische Literaturwissenschaft. Begriffe, Methoden, Anwendungen, Hrsg. Nils Werber, Berlin u. New York 2011, S. 91–119. 25 Siehe dazu die mitunter süffisanten, aber stets konzisen Darlegungen Gert Melvilles, der auf die selbstevozierten Probleme hinweist, die erst durch die zu enge Zusammenschau von historischer Realität und Faktizität innerhalb von Texten aufgerufen werden. Siehe dazu Melville, Gert: Fiktionen als pragmatische Erklärungen des Unerklärbaren: Mohammed – ein verhinderter Papst, in: Historisches und fiktionales Erzählen im Mittelalter, Hrsg. Fritz Peter Knapp u. Manuela Niesner, Berlin 2002 (Schriften zur Literaturwissenschaft 19), S. 27–44, hier vor allem S. 29.

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einzelne Exempelberichte oder Mirakel eingeflochten, deren Status fiktional ist, und Romane weisen mitunter in ihrem Kern faktuale Bezüge auf. Zusammengefasst heißt dies für die zu untersuchenden Dominikuslegenden, dass sie ebenso wie die eingangs imaginierte Radix Sancti Dominici an der Produktion eines Gemeinsinns teilhaben, da sie im dazugehörigen Diskurs ent- und bestehen. Beide, Bild und narrativer Text, entwerfen Narrationen, die einerseits einen spezifisch dominikanischen Gemeinsinndiskurs evozieren und andererseits erst durch ein mitunter fiktional vermitteltes Verständnis des Gemeinsinns eine weitere Partizipation an diesem Diskurs ermöglichen.

2 Legenden und legendarisches Erzählen Dominikuslegenden haben als Narrationen eine wichtige Funktion für die textuelle Gemeinsinnproduktion innerhalb des dominikanischen Gemeinsinndiskurses. Für eine Analyse dieser Legenden ist es daher unablässig, eine genauere narratologische Darlegung ihres legendarischen Erzählens vorzunehmen, um die Eigenheiten und Komplexität dieser Texte nachvollziehen und berücksichtigen zu können. Legenden und dem sie ausmachenden legendarischen Erzählen ist zu Eigen, dass sie – um mit Peter Strohschneider zu sprechen – „im Modus der symbolischen Repräsentation“26 auf Heiligkeit verweisen. Die narrative Vermittlung von Heiligkeit als Einbruch der Transzendenz in die Immanenz27 und die sukzessive Partizipation des immanenten und zukünftigen Heiligen an der Transzendenz sind das Hauptanliegen der Legende. Anders gesagt haben Legenden die mitunter widersprüchliche und insofern komplexe Aufgabe, eine biographische Erzählung eines irdischen Prot-

|| 26 Strohschneider, Peter: Textheiligung. Geltungsstrategien legendarischen Erzählens im Mittelalter am Beispiel von Konrads von Würzburg „Alexius“, in: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, Hrsg. Gert Melville u. Hans Vorländer, Köln 2002, S. 109–147, hier S. 113. Strohschneider spricht zu Recht von der Legende als Repräsentant von Heiligkeit/Transzendenz in der Immanenz „im Modus der symbolischen Verweisung“. Für ihn ist eine Legende „eine Geschichte vom Hereinragen der Transzendenz in die Immanenz, von ihrem Wirksamwerden in der Geschichte.“ 27 Zu dieser an Niklas Luhmann orientierten systemtheoretischen Darstellung siehe Münkler, Marina: Sündhaftigkeit als Generator von Individualität. Zu den Transformationen legendarischen Erzählens in der Historia von D. Johann Fausten und den Faustbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit (Anm. 10), S. 25–61, hier vor allem S. 28 f. Daneben beschreibt Edith Feistner begrifflich unschärfer so den Kern aller legendarischen Erzählungen, siehe Feistner, Edith: Historische Typologie der Heiligenlegende des Mittelalters von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation, Wiesbaden 1995 (Wissensliteratur im Mittelalter 20), S. 23.

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agonisten zu sein und gleichsam dessen Heiligwerdung respektive dessen Heiligkeit zu vermitteln. Dabei bleibt Heiligkeit eine Zuschreibungskategorie, deren Zuschreibungsprozess im Verlauf des Mittelalters einer zunehmenden Institutionalisierung unterliegt, die im päpstlich-kurialen Kanonisationsverfahren28 ab 1234 gipfelt. Neben der Institutionalisierung der Zuschreibung hat sich ferner eine Typisierung der Heiligkeit herausgebildet, die auch die Motive der Legende prägt und an der sich insofern das legendarische Erzählen morphologisch orientiert: Legendarius vocatur liber ille ubi agitur de vita et obitu confessorum, qui legitur in eorum festis, martyrum autem in Passionariis …29.

Mit dieser um 1160 von Johannes Beleth vorgenommenen Unterscheidung von Legendensammlungen in Legendare und Passionale geht ferner eine Differenzierung der ihnen zugrunde liegenden Heiligkeitskonzepte einher, die auch den Legendenmustern der rezenten Hagiographie-Forschung entspricht30. Dabei geht allen Formen der Heiligwerdung die Weltabkehr voraus und ihr folgt entweder eine Verstetigung dieser Selbstexklusion in der Askese respektive Anachorese als Bekenner oder, wenn eine Verstetigung durch das Einwirken Dritter verhindert wird, das blutige Glaubenszeugnis im Martyrium. Edith Feistner ordnet diesen Heiligentypen zwei entsprechende morphologische Erzählmuster zu, die zwischen Geburt und Tod des Heiligen geschaltet werden und die als „privilegierte“31 mittelalterliche Erzählord-

|| 28 Bereits 1171/72, also fast zeitgleich zum Entstehungszeitraum von Johannes‘ Beleth De divinis officiis, verfasste Papst Alexander III. eine Dekretale Audivimus, die die Kanonisation an den päpstlichen Stuhl band. Gregor IX. übernahm diese mit leichten Veränderungen 1234 in seine eigene Dekretalensammlung Liber extra, deren institutionelle Wirkmächtigkeit 1588 (unter Sixtus V.) durch die Errichtung einer entsprechend zuständigen kurialen Behörde, der Ritenkongregation, gesteigert wurde. Siehe dazu aus kirchenrechtlicher Perspektive Markhoff, Ulrike: Das Selig- und Heiligsprechungsverfahren nach katholischem Recht, Münster / Wf. 2002, S. 30–32; historisch hingegen Wetzstein, Thomas: Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter, Köln [u.a.] 2004; sowie sehr ausführlich Kraft, Otfried: Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstliche Kanonisation vom Mittelalter bis zur Reformation, Köln [u.a.] 2005, hier speziell S. 102– 105 und S. 416–421. 29 Dieses Zitat aus der Summa De divinis officiis des Johannes Beleth entstammt der philologisch grundlegenden Arbeit zur Hagiographie von Delehaye, Hippolyte: The Legends of the Saints. An Introduction to Hagiography, übers. Donald Attwater, London 1962 (franz. Les Légendes hagiographiques, Brüssel 1905). 30 Die begrifflich deutlichste Unterscheidung in Märtyrer- und Bekennerlegenden nimmt Edith Feistner vor, deren Arbeit seither zur bibliographischen Referenz wurde. Vgl. Feistner: Historische Typologie der Heiligenlegenden (Anm. 27), S. 24. 31 Zu dieser Einschätzung siehe Friedrich: Diskurs und Narration (Anm. 19), S. 101 f. „Für das mittelalterliche Erzählen bilden Episodenreihung und Episodenkorrelation privilegierte Ordnungsformen. Die Episodenreihung realisiert sich meist in syntagmatisch ausgerichteten Handlungssequenzen … Diesen … gegenüber bietet das Prinzip der Episodenkorrelation paradigmatische Mög-

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nungen eine sinngebende Wirklichkeitsverarbeitung leisten: Erstens für das Bauprinzip der Märtyrerlegende die „syntagmatische Verknüpfung“ mit dem „Basisnexus“ bestehend aus „Verhör – Haft – Hinrichtung“32, und zweitens für die Bekennerlegende das morphologische Prinzip der „paradigmatischen Reihung“33 einzelner Episoden aus dem Leben eines Heiligen. Darüber hinaus verfügt die Legende über zwei Ursprungs- oder Initiationsnarrative für die Heiligkeit ihres Protagonisten. Dessen Heiligwerdung kann nämlich entweder von Geburt an oder nach einer reumütigen Konversion34, der ein entsprechendes sündiges Leben vorausgegangen ist, narrativ ausgestaltet werden. Diesen morphologischen Idealtypen der Legende steht jedoch ein anderer Befund gegenüber, der vor allem vor dem Hintergrund der tatsächlichen Vielfalt von Heiligkeitskonzepten offenbar wird. Eine erste und sicherlich noch unvollständige Aufzählung dieser Heiligentypen bietet bereits Johannes Cassianus: Omnes ergo sive patriarchae, sive prophetae, sive apostoli, sive martyres, sive denique sancti omnes habuerunt quidem in se Deum et omnes filii Dei facti sunt …, sed diversa utique multo dissimilique ratione35.

All diese Heiligenmodelle36 und ihre Legenden basieren zwar auf den dargelegten morphologischen Bauprinzipien und ihre Protagonisten sind auch Geburts- oder Sünderheilige, die eine Konversion begehen, doch die konkrete narrative Umset-

|| lichkeiten der Relationierung von Erzählsequenzen … Zweiteiligkeit und Episodenkorrelation sind somit dominante Strukturmerkmale, die ganz spezifische Variations- und Kombinationsmöglichkeiten von Erzählsequenzen und damit von Sinnstrukturen eröffnen.“ 32 Feistner: Historische Typologie der Heiligenlegende (Anm. 27), hier S. 26 f. 33 A.a.O., S. 33 f. 34 Dass gerade diese Differenzierung für die jeweilige Identitätsbildung des Heiligen innerhalb des legendarischen Erzählens bedeutsam ist, betont vor allem Hans Ulrich Gumbrecht mit Bezug auf die philosophische Arbeit Max Schelers. Siehe dazu Gumbrecht, Hans U.: Die Identität des Heiligen als Produkt ihrer Infragestellung, in: Identität, Hrsg. Odo Marquard u. Karlheinz Stierle, München 1979 (Poetik und Hermeneutik 8), S. 704–708, hier S. 706 und dort Anm. 5.; Scheler, Max: Schriften aus dem Nachlaß. Bd. 1: Zur Ethik und Erkenntnislehre. Berlin 1933 (Gesammelte Werke in 15 Bänden 10). 35 Zitiert nach der Ausgabe Iohannes Cassianus: De incarnatione Christi, Paris 1846 (PL 50), l. V, c. 4,2: Sp. 103 B. 36 Bei Cassianus fehlen natürlich noch all die Heiligkeitsmodelle, die in Folge der verstärkten mittelalterlichen Frömmigkeitsbewegungen entstehen. Siehe dazu immer noch Grundmann, Herbert: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der Deutschen Mystik, Darmstadt 1977 (zuerst Berlin 1935).

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zung ihrer Biographien bringt Mischformen37 hervor. Ihre Katalogisierung38 und Kategorisierung entsprechen nicht oder nicht mehr einfach nur denen des Bekenners oder Märtyrers. Dies gilt in Sonderheit auch für die mittelalterlichen Ordensgründer und Ordensgründerinnen, denen legendarische Erzählungen über ihr Leben zugeeignet wurden und denen Heiligkeit früher oder später mittels Kanonisation institutionell zuerkannt wurde. Den mittelalterlichen Ordensgründerlegenden kommen neben der eingangs dargelegten narrativen Vermittlung der Heiligwerdung ferner zwei weitere Funktionen zu, die das Spannungsverhältnis des legendarischen Erzählens deutlich potenzieren. Neben der Selbstexklusion des Heiligen und seiner sukzessiv zunehmenden Partizipation an der Heiligkeit müssen diese Legenden ferner den Heilssorgeanspruch des jeweiligen Ordens gegenüber anderen Heilsinstitutionen wie der Kirche legitimieren und die Gemeinschaft des Ordens bezogen auf ihren Ursprung in der geheiligten Gründerfigur memorial stabilisieren39. Im Kern bearbeitet eine solche Legende also in gesteigertem Maße Dialektiken, die durch das Heilscharisma ihres Protagonisten erst erwirkt werden. Dies ist zum einen die von Peter Strohschneider aufgezeigte grundsätzliche Spannung von Institution und Charisma innerhalb legendarischen Erzählens40, die in der Ordensgründerlegende noch einmal gedoppelt wird. Ausgehend von der in ihr vermittelten Übertragung des Heilscharismas vom Ordensgründer auf die Ordensgemeinschaft muss deren legitimer Anspruch auf Heilshoheit zweifach gegenüber der Heilsinstitution Kirche verhandelt werden. Zum anderen muss eine Ordensgründerlegende die für das Heilscha|| 37 Exemplarisch sei hier nur der heilige Georg samt seinen mittelhochdeutschen Legenden genannt, der gerade innerhalb der germanistischen Mediävistik immer wieder vor diesem Hintergrund diskutiert wird, da das legendarische Erzählen von ihm sowohl syntagmatische als auch paradigmatische Züge aufweist und er entsprechend als Märtyrer oder Bekenner (Ritterheiliger) ausgestaltet wird. Siehe dazu Strohschneider, Peter: Georius miles – Georius martyr. Funktionen und Repräsentationen von Heiligkeit bei Reinbot von Durne, in: Literarisches Leben: Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag, Hrsg. Matthias Meyer u. Hans-Joachim Schiewer, Tübingen 2002, S. 781–811; Lembke, Astrid: Erzählte Heiligkeit. St. Georg in mittelalterlicher Dichtung, Berlin 2008 (Reihe Hochschulschriften 23); u. Seidl, Stephanie: Blendendes Erzählen. Narrative Entwürfe von Ritterheiligkeit in deutschsprachigen Georgslegenden des Hoch- und Spätmittelalters, Berlin 2012 (Münchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 141). 38 Gerade die von Johannes Beleth genannten Editionsarten der verschriftlichten Heiligenleben, die des Legendars und des Passionals, werden im Laufe des Mittelalters aufgebrochen durch die Abfassung größerer Einzellegenden respektive der Zunahme von Prosalegenden(-sammlungen) gegenüber Verslegenden(-sammlungen). Zu dieser nicht nur volkssprachlichen Tendenz siehe Feistner: Historische Typologie der Heiligenlegende (Anm. 27), S. 89 f. und 216–219. 39 Vgl. dazu Andenna: Heiligenviten (Anm. 10), S. 534–536; sowie Münkler: Amicus Dei (Anm. 10), S. 380 f. 40 Siehe dazu Strohschneider, Peter: Religiöses Charisma und institutionelle Ordnungen in der Ursula-Legende, in: Institution und Charisma (Anm. 3), S. 571–588.

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risma des Gründers genuine Selbstexklusion mit seinen ebenfalls genuinen Aufgaben und Funktionen als Gründer einer Gemeinschaft, in die er sui generis eingeschlossen wird, harmonisieren41. Diese enorme Komplexität legendarischen Erzählens bedarf also eingehender Betrachtungen im Hinblick auf die verwendeten narrativen Strategien und Semantiken42, vor allem auch, weil diese Texte als „Depot ausgelagerter Kommunikate“43 wesentliche Quellen für die kulturelle Erschließung des mittelalterlichen Religiosentums darstellen. Aus pragmatischen Gründen kann nachfolgend allerdings keine komplette Analyse der Dominikuslegenden vor dem Hintergrund der aufgezeigten narratologischen Probleme erfolgen. Sehr wohl wird aber mit dem Komplexität reduzierenden Fokus auf Gemeinsinn ein wesentlicher Teil dessen, nämlich das narrativ vermittelte Verhältnis von Ordensgründer und Ordensgemeinschaft innerhalb dieser Legenden, untersucht.

3 Die Dominikuslegenden Für die sich anschließenden Textanalysen der deutschsprachigen Legenden44 vom heiligen Dominikus möchte ich mich auf drei exemplarische Abschnitte innerhalb

|| 41 Die hier aufscheinende und schon bei Max Weber diskutierte „Veralltäglichung des Charismas“ eines Heilscharismatikers im Kreise seiner Jünger untersucht Cristina Andenna exemplarisch für zwei weitere Ordensgründer. Vgl. Andenna, Cristina: Dall‘esempio alla santità. Stefano di Thiers e Stefano di Obazine: modelli di vita é fondatori di ordini?, in: Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im mittelalterlichen Religiosentum, Hrsg. Gert Melville u. Markus Schürer, Münster / Wf. (Vita regularis 16), S. 177–224. Daneben siehe auch Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, besorgt von Johannes Winkelmann, Tübingen 1972, hier speziell S. 179 und S. 655 f. 42 Eine erste exemplarische, eigenständige Untersuchung für Ordensgründerlegenden liefern Marina Münkler und Matthias Standke, die innerhalb der Franziskuslegenden respektive der Viten Norberts von Xanten Freundschaft als analytische Kategorie für die Aufschlüsselung der narrativen Kommunikationsprozesse verwenden. Siehe dazu Münkler: Amicus Dei (Anm. 10); sowie Standke, Matthias: Freundschaft als Problem von Heiligkeit. Norbert von Xanten als Figur legendarischen Erzählens, in: Freundschaftszeichen. Gesten, Gaben und Symbole von Freundschaft im Mittelalter, Hrsg. Marina Münkler [u.a.], Heidelberg 2015 (Beihefte zum Euphorion 86), S. 329–355. 43 Diese an Jan Assmann orientierte Einschätzung bietet bereits Andenna: Heiligenviten (Anm. 10), S. 533; daneben siehe Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992, hier S. 91. Außerdem knüpft diese Vorstellung an die oben dargelegte Welt und Wirklichkeit vermittelnde Funktion von Narrationen innerhalb von Diskursen an. 44 Einen guten Überblick der Überlieferung der in seinem an Berthold Altaner angelehnten Urteil nach „hagiographischen Rohkost“ von Dominikus bietet Williams-Krapp, Werner: Kultpflege und literarische Überlieferung. Zur deutschen Hagiographie der Dominikaner im 14. und 15. Jahrhundert, in: Ist mir getroumet mîn leben? Vom Träumen und vom Anderssein. Festschrift für Karl-Ernst

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des ausgewählten Textcorpus45 beschränken. Insofern werden lediglich folgende Episoden mit dem Fokus auf Gemeinsinnevozierungen für eine dominikanische Ordensgemeinschaft vergleichend betrachtet: 1. Die Wahl der Ordensregel, 2. Die Vision von Petrus und Paulus und 3. Der Tod des Dominikus.

3.1 Die Wahl der Ordensregel Ordensregeln sind für mittelalterliche Religionsgemeinschaften wie den Predigerorden nicht allein ein wesentlicher Teil der institutionellen „Leitideen“46, also der Mechanismen, die der institutionellen Stabilisierung eines Ordens dienen, sondern bezogen auf die einleitende Definition des Gemeinsinns, sind sie als Orientierungspunkt der Gemeinschaft gleichsam das Gemeinwohl. Die Wahl oder der Erhalt sowie die Approbation einer Regel durch die Institution Kirche sind insofern nicht allein bloßer Bestandteil einer Ordensgründerlegende47, viel eher bieten sie gleich in mehrfacher Hinsicht Anlass zur narrativen Ausgestaltung. Inwiefern gerade innerhalb dieser Passagen Nuancen einer textuellen Gemeinsinnproduktion erfolgen, zeigt der erste Vergleich. In der Dominikuslegende aus „Der Heiligen Leben“ kehrt Dominikus nach einem Romaufenthalt, bei dem er den Papst von seiner Idee zu einer neuen Ordensgemeinschaft überzeugt hat, zu seinen Anhängern zurück, um für den daraus entstehenden Orden gemäß päpstlicher Weisung eine Regel zu wählen.

|| Geith zum 65. Geburtstag, Hrsg. André Schnyder, Göppingen 1998 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 632), S. 147–173, hier S. 149–155. 45 Siehe dazu nochmals Anm. 7. 46 Zur Konzeption und Theorie der institutionellen Leitidee siehe grundlegend Rehberg, KarlSiegbert: Die Öffentlichkeit der Institutionen. Grundbegriffliche Überlegungen im Rahmen der Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen, in: Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht, Hrsg. Gerhard Göhler, Baden-Baden 1995, S. 181–211, hier einleitend S. 182 f. Bezogen auf den Spezialfall mittelalterlicher Orden, siehe wiederum nur einleitend Melville, Gert: Rituelle Ostentation und pragmatische Inquisition. Zur Institutionalität des Ordens vom Goldenen Vließ, in: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Hrsg. Heinz Duchhardt u. Gert Melville, Köln [u.a.] 1997 (Norm und Struktur 7), S. 215–271, hier S. 220–235. Vgl. schließlich für die Regularien des Dominikanerordens Cygler, Florent: Zur Funktionalität der dominikanischen Verfassung im Mittelalter, in: Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum, Hrsg. Gert Melville u. Jörg Oberste, Münster / Wf. [u.a.] 1999 (Vita regularis 11), S. 385–428. 47 Historisch gesehen ist der Umstand der kurial abgestimmten Regelwahl respektive die vorausgehende päpstliche Legitimierung der Idee zu einer neuen Gemeinschaft von Religiosen im 12. Jahrhundert bereits ‚normal‘. Die Institutionalisierung dieses Vorgehens ist damit jedoch noch nicht abgeschlossen, lediglich die Aufnahme der Szenerie in eine Legende kann insofern als topisch gelten.

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Do fuor sant Dominicus wider haim zu Tolus zu sein prüdern, der warn sehzehen, den legt er di sach fuer. Vnd rofften den heiligen gaist an vnd erwelten sant Augustinus regeln vnd mainten prediger zu sein, als er ain lerer ist gewesen der hailigen kristenhait48.

Unter Anrufung der Transzendenz erfolgt hier also eine gemeinschaftliche Regelwahl, die in ihrem Ergebnis den Anforderungen des IV. Lateranums49 entspricht und die mit ihrem Bezug auf Augustinus50 bereits die Profession der Ordensmitglieder als Prediger hervorhebt. Gerade in der Narration der gemeinsamen Wahl liegt das zentrale Moment für die Gemeinsinnevozierung dieser Passage. Sie ermöglicht eine Darstellung des institutionellen Prozesses der Regelwahl, der bereits auf der Gemeinschaft basiert. Insofern steigert diese Erzählung nicht nur die spätere Akzeptanz der Regel, sondern motiviert zu einer Teilhabe an der Gemeinschaft, denn sie führt zugleich eine mögliche Beteiligung an deren institutionellen Prozessen vor. Diese Passage ist, ob ihrer aufgezeigten Wirkmächtigkeit, Teil aller Dominikuslegenden51, ihre Ausgestaltung kann jedoch wie im folgenden Fall des „Alemannischen Dominikuslebens“ aus dem Freiburger Reuerinnenkloster noch gesteigert werden. Die Legende erzählt dort: Da gienge der selige Dominicus wider zú sinen brúdern vnd seit inen die botschaft des babstes. Nu warent der brúder wol XVI, die von der anrúfúng des heiligen geistes ußerweltent einmueticlich die regel des seligen Augustini des vsgenommen lerers vnd brediers, das sie ouch wúrdent kunftig bredier an dem namen vnd an den werchen52.

|| 48 HL (Anm. 7), S. 357. 49 Während Karl Suso Frank vor allem die Problematik der Konkurrenzsituation der Orden untereinander im Zusammenhang mit den institutionellen Auswirkungen des IV. Lateranums thematisiert, hebt Gert Melville auch auf die Einflussnahme der Institution Kirche auf die Orden selbst und die Differenzen des ius particulare der Orden und des ius commune der Universalkirche ab. Siehe dazu Frank, Karl Suso: Geschichte des christlichen Mönchtums, Darmstadt 62010, hier S. 87; sowie Melville, Gert: Ordensstatuten und allgemeines Kirchenrecht: Eine Skizze zum 12./13. Jahrhundert, in: Proceedings of the Ninth International Congress of Medieval Canon Law, Hrsg. Peter Landau u. Jörg Müller, Città del Vaticano 1997, S. 691–712. 50 Speziell zu den Bezügen der dominikanischen Ordenssatzungen zur Augustinusregel siehe Cygler, Florent u. Melville, Gert: Augustinusregel und dominikanische Konstitutionen aus der Sicht Humberts de Romanis, in: Regula Sancti Augustini. Normative Grundlagen differenter Verbände im Mittelalter. Tagung der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim und des Sonderforschungsbereichs 537, Projekt C „Institutionelle Strukturen religiöser Orden im Mittelalter“ vom 14. bis zum 16. Dezember 2000 in Dresden, Hrsg. Gert Melville u. Anne Müller, Paring 2002 (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 3), S. 419–454. 51 In der hier ebenfalls untersuchten Fassung der ELA (Anm. 7), S. 501, fällt die Passage viel knapper aus und betont, dass neben der Wahl vor allem auch strengere Gebote für die alltägliche Lebenspraxis eingeführt wurden. 52 DL (Anm. 7), S. 336.

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Wiederum erfolgt die Wahl in der Gemeinschaft der 16 Anhänger, doch diesmal werden zwei Aspekte besonders betont. Erstens führt die Anrufung der Transzendenz, die in der vorherigen Legende als reine Formalie erschien, zu einem direkten Einwirken Gottes auf die immanente Wahlgemeinschaft. Zweitens wählt diese Gruppe beseelt vom heiligen Geist zwar auch die Augustinusregel mit dem entsprechenden Bezug auf die Profession als Prediger, doch ist diese Wahl eine betont einmütige. Der hier demonstrierte Konsens als gänzlich verstehende Übereinstimmung ist allerdings eine Fiktion, denn grundsätzlich liegt eine „Unmöglichkeit totalen Verstehens“ vor und es ist „vielfach gerade Verzicht auf Konsens oder Übersehen von Dissens die Basis realer Verständigung“53. Auch für den vorliegenden Fall ist diese Konsensfiktion als Ausnahme gestaltet, denn sie basiert auf dem transzendenten Einwirken Gottes. Der heilige Geist fungiert darin allerdings als grundsätzlich möglich gedachtes Verstehensbindeglied der einzelnen Mitglieder jener Wahlgemeinschaft. Insofern wird die Ordensregelwahl innerhalb dieser Narration54 in besonderer Weise auf die Gemeinschaft und ihren Gemeinsinn bezogen. Einerseits partizipiert nämlich in ihr die Gemeinschaft wiederum an den institutionellen Prozessen und andererseits führt die Legende die für den Gemeinsinn wichtige Teilhabe der Gemeinschaft an der Heiligkeit vor.

3.2 Die Vision von Petrus und Paulus Neben der Ordensregel basiert das Gemeinwohl einer Ordensgemeinschaft vor allem auch auf der konkreten Aufgabe des Ordens, also wie er seinem Heilssorgeanspruch gerecht werden kann und soll. An dieser Heilsfürsorge zu partizipieren, ist eine Motivation zur Teilhabe an der Gemeinschaft, die Gemeinsinn stiftet. Gerade deshalb ist eine genauere Analyse der Auftragsvergabe jener Heilsfürsorge innerhalb der legendarischen Erzählungen durchaus aufschlussreich. In den zugrunde gelegten Dominikuslegenden erfolgt die Idee für einen Orden55, der predigend innerhalb der Welt und bezogen auf das göttliche Heilsgeschehen

|| 53 Zu diesen soziologischen Beobachtungen siehe Hahn, Alois: Verständigung als Strategie, in: Konstruktionen des Selbst, der Welt und der Geschichte. Aufsätze zur Kultursoziologie, Hrsg. ders., Frankfurt a.M. 2000, S. 80–96, hier einleitend S. 80. 54 Im Passional wird eine ähnliche Wahl geschildert: „Dominicus der gotes helt / was sin vro, do er ez vernam. / zu sinen bruderen er quam, / die er gutlich zu houfe las. / niwan sehzen ir was. / die wurden vor der mere / der gottes convent gewere / nach siner girde was bereit. / si sprachen gar mit innekeit / ir gebet hin zu gote. / als die selige rote / mit schoner tugende volleist / angerief den gotes geist, / do viel ir ieglich uf daz leben, / das in mit vreuden was ergeben / Augustinus der gewere, / der gotes predigere …“. Pass. (Anm. 7), S. 359. 55 Siehe zum Vergleich ELA (Anm. 7), S. 500; HL (Anm. 7), S. 336; und DL (Anm. 7), S. 335.

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wirkt, bereits sehr früh im Zuge der Konfrontation des Dominikus mit den Ketzerbewegungen seiner Zeit. [D]o trachte der gute man [d.h. Dominikus] / mit allem vlize dar an, / wie ein orden mochte wesen / an dem amte uzerlesen, / daz er schone und offenbar / die werlt beide her und dar / predigende beliefe / unde ouch wider riefe / die ketzere an ir secte / und mit kunst entecte / des valschen ungelouben kraft …56.

Dominikus erkennt auf seinen Reisen die Notwendigkeit eines Ordens, der sich den Ketzern und ihren blasphemischen Lehren entgegenstellt, denn die Gefahr des Sektierens scheint stetig zu wachsen. In dieser Passage entspringt die Idee des Ordens und vor allem die seiner hier im Mittelpunkt stehenden Aufgaben direkt dem Gründer der Dominikaner. Spätere Episoden legen dem gegenüber einen anderen Ursprung nahe, dort wird die Aufgabe des Ordens dezidiert auf ein transzendentes Einwirken zurückgeführt, der Peter-und-Paul-Vision des Dominikus im Petersdom zu Rom. Was innerhalb der Narration als Bruch anmutet, ist letztlich eine jener einleitend genannten „Gabelungen der Geltungsansprüche“57, die gerade in Ordensgründerlegenden zu Tage treten. Im Gegensatz zur eigenständigen Idee des Dominikus, die seinen Status als Gründer betont und sein Heilscharisma mehrt58, bindet eine visionsbasierte Idee die spezifische Aufgabe der dominikanischen Heilsfürsor-

|| 56 Pass. (Anm. 7), S. 358. 57 Vgl. Anm. 8. 58 Achim Wesjohann thematisiert diese Passage ebenfalls vor dem Hintergrund eines realen und narrativen Heilscharismas des Gründers. Allerdings verknüpft er völlig unzulässig legendarisches Erzählen mit Mythisierung, um, an Max Weber und Jan Assmann orientiert, einen Zusammenhang von Charisma und Mythos zu konstruieren. Ziel seiner Argumentation ist dabei, mittels des Mythosbegriffs sowie Webers Darlegungen zum Amtscharisma das „verhältnismäßig schwache Charisma“ (S. 260) des Dominikus zu erklären, das gerade in den hagiographischen Texten nicht schwach ausfällt. Wesjohann verkennt hier eindeutig die Eigenheiten legendarischen Erzählens, die in der Vermittlung des Heilscharismas liegen. Außerdem überträgt er seine Erkenntnisse über die literarische Figur des Dominikus immer wieder auf die historische Person, obwohl er die Texte klar als bewusste narrative Konstruktionen ansieht. Vgl. Wesjohann, Achim: Flüchtigkeit und Bewahrung des Charisma. Oder: War der heilige Dominikus etwa auch ein Charismatiker?, in: Charisma und religiöse Gemeinschaften im Mittelalter. Akten des 3. Internationalen Kongresses des ‚Italienischdeutschen Zentrums für Vergleichende Ordensgeschichte‘ in Verbindung mit Projekt C ‚Institutionelle Strukturen religiöser Orden im Mittelalter‘ und Projekt W ‚Stadtkultur und Klosterkultur in der mittelalterlichen Lombardei. Institutionelle Wechselwirkung zweier politischer und sozialer Felder‘ des Sonderforschungsbereichs 537 ‚Institutionalität und Geschichtlichkeit‘ (Dresden, 10.–12. Juni 2004), Hrsg. Giancarolo Andenna [u.a.], Münster / Wf. 2005 (Vita regularis 26), S. 227–260. Zu den lateinischen Fassungen, die diese Passage entwerfen, siehe die breit angelegte Studie von Luigi Canetti, der in der Vision und den darin erfolgenden Gaben von Hirtenstab und Buch „gli oggettisimbolo della sua nuova vocazione universale“ sieht. Vgl. Canetti, Luigi: L’invenzione della memoria. Il culto e l’immagine di Domenico nella storia die primi Predicatori, Spoleto 1996 (Biblioteca di Medioevo Latino 19), hier S. 388.

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ge selbst an die Transzendenz zurück. Auf diese Weise haben all diejenigen Teil am Charisma, die der gottgegebenen Aufgabe des Ordens nachkommen. Darüber hinaus wird das Heilscharisma des Gründers durch die Heilsinstitution Kirche eingehegt, denn einerseits erfährt Dominikus die Vision innerhalb des Petersdoms als institutionellem Hauptsitz der Kirche. Andererseits sind es die die Institution Kirche verkörpernden Apostel Petrus und Paulus, die die Aufgabe der Heilsfürsorge übertragen. Diese kirchlich-institutionelle Rückbindung stellt für den Orden letztlich eine immanente Legitimation seiner heilsfürsorglichen Aufgabe gegenüber anderen dar, die ohne eine solche Legitimation in den Verdacht der Ketzerei geraten. Konkret und bezogen auf eine mögliche Gemeinsinnevozierung offenbaren die Episoden der Petrus-und-Paulus-Vision jedoch durchaus unterschiedliche Ausgestaltungen bei der Aufgabenübertragung. Im „Alemannischen Dominikusleben“ verkünden Petrus und Paulus, nachdem Dominikus bereits einen Hirtenstab sowie ein Buch von ihnen erhalten hat, gemeinsam folgenden Auftrag: „Gang vnd bredie, wanne du bist ußerwelt von got zú disern dienst.“ Vnd in der stúnd da dúnhte in, das er sine kint, sin bruedere sehe zerteilet gan dúrch alle die welt vnd bredieten das wort des herren dem volke59.

Die wortwörtliche Aufforderung zur Predigt ergeht in dieser Legende einzig an den auserwählten Gründer60, an Dominikus, und lediglich im Ausklang der Vision sieht er, dass auch seine Gefährten ihn in diesem von höchster Instanz geäußerten Anliegen unterstützen können. Ganz anders formulieren dies die Apostel in der Fassung von „Der Heiligen Leben“: „Ge aus vnd predig in allen landen, dor zu hot dich got erwelt vnd dein prueder.“ Noch den worten sant er seiner suen ie zwin vnd zwin, daz si peiht schoelten hoeren vnd veber all predigen schoelten61.

In dieser legendarischen Erzählung sendet Dominikus zwar auch seine Gefährten zur Predigt aus, doch diesmal haben sie den Auftrag zu dieser Heilsfürsorge nicht ihm oder seiner Interpretation der Vision zu verdanken, sondern sie haben den Auftrag mit Dominikus zugleich erhalten. Auch die Gemeinschaft ist auserwählt und nicht allein ihr Gründer. Die Fassung von „Der Heiligen Leben“ evoziert also geradezu überdeutlich Gemeinsinn, indem sie die Partizipation an der Heilsfürsorge in || 59 DL (Anm. 7), S. 336 f. 60 Deutlicher formuliert dies die Fassung ELA (Anm. 7), S. 501, in der die Gemeinschaft gar keine Erwähnung im Kontext der Vision erfährt. Dort sprechen die Apostel: „Gang hin vnd bredige durch die welt, wenne du bist von gotte zuo dem ambaht fúrsehen“, und danach endet der Abschnitt zur Vision. Im Passional wird die Episode mit kleinen inhaltlichen Variationen gemäß dem „Alemannischen Dominikusleben“ gestaltet; siehe Pass. (Anm. 7), S. 360. 61 HL (Anm. 7), S. 338.

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ihrem Ursprung bereits als gemeinschaftliche Aufgabe darstellt und der Gründer Teil dieser Gemeinschaft ist. Insofern hat die auf diese Weise narrativ entworfene Gemeinschaft von Anbeginn an nicht nur durch ihre Nähe zum Ordensgründer Teil an der Heiligkeit, sondern auch durch die ihr zugesprochene Aufgabe.

3.3 Der Tod des Dominikus Für einen Heiligen ist der eigene Tod eine notwendige Voraussetzung für die endgültige Exklusion von der Welt und seinen Einzug in die Transzendenz, also der völligen Partizipation an der Heiligkeit. Erst nach seinem Tod hält der Heilige Einzug in die communio sanctorum und wird als wunderwirkender Mediator für die Gesellschaft zum Ausweis einer zwar normativ stark restringierten, aber prinzipiell als möglich erachteten Teilhabe an respektive Inkludierbarkeit in Heiligkeit. Marina Münkler hält daher fest, dass „der Heilige nicht allein auf seine Vorbildfunktion festzulegen [ist]: das venerabile fordert nicht unbedingt zur imitatio auf, sondern ersetzt vielfach die imitatio durch die admiratio“62. Diese unabdingbare Konzeption zur Erlangung von Heiligkeit, die auch eine Legende vermittelt, führt im Falle eines Ordensgründers aber zu einem Problem: Die Gemeinschaft des Ordens, die ihren Ursprung dem Gründer verdankt, verliert diese charismatische Gestalt durch dessen Tod. Die hier aufscheinende Problematik darf nicht unterschätzt werden, denn mit dem Tod des Heilscharismatikers geht nicht allein eine „Veralltäglichung [seines; M.S.] Charisma[s]“63 einher, wie sie bereits durch die Gründung einer Ordensgemeinschaft entgegen der weiterhin Charisma generierenden Selbstexklusion entstand. Vielmehr kann der Tod des Gründers zu einem gänzlichen Wegbrechen seiner charismatischen und Gemeinsinn stiftenden Idee führen, was letztlich die Ordensgemeinschaft existentiell in Frage stellt. Der Bestand der charismatischen Autorität ist ihrem Wesen entsprechend spezifisch labil: … [Den Träger; M.S.] aber verlässt seine Anhängerschaft, denn das reine Charisma kennt noch keine andere ‚Legitimität‘ als die aus eigener, stets neu bewährter Kraft folgende. Der charismatische Held leitet seine Autorität nicht wie eine amtliche ‚Kompetenz‘ aus Ordnungen und Satzungen … ab64.

|| 62 Vgl. Münkler: Amicus Dei (Anm. 10), S. 380. Eine eher rezeptionsästhetische Sicht vertritt Julia Weitbrecht, die vor allem die performativen Strategien der Legende sowie des Legendenspiels hervorhebt, die zu einer imitatio auf der Rezipientenebene anregen. Siehe Weitbrecht, Julia: Imitatio und Imitabilität. Zur Medialität von Legende und Legendenspiel, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 134 (2012), S. 204–219, hier S. 208–211. 63 Zu der hier zugrunde gelegten Konzeption des (Heils-)Charismatikers und der Veralltäglichung von Charisma siehe Weber: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 41), S. 661 f. 64 Vgl. a.a.O., S. 656.

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Insofern ist es für die Ordensgemeinschaft, die in direkter Heilsnachfolge steht, von immenser Bedeutung, das reine Heilscharisma des Gründers auf den Orden selbst – also seine institutionell gesicherten Ordnungen und Satzungen 65– zu übertragen. Erst die so erlangte Verstetigung des Charismas ermöglicht eine tatsächlich gemeinsinnig motivierte Teilhabe an den ordines und consuetudines, die das Gemeinwohl einer Ordensgemeinschaft ausmachen. Auch dies wird neben der Heiligkeit innerhalb von Ordensgründerlegenden vermittelt, die dafür, wie bereits dargelegt, eine der notwendigen diskursiven Strategien bilden. Im Narrativ vom Tod des Ordensgründers treffen aber gerade innerhalb der Legenden die aufgezeigten Konzeptionen von Heiligkeit und Heilscharismatiker einerseits sowie Heilsteilhabe des Ordens und Verstetigung des Charismas andererseits in besonderer Weise aufeinander. Die abschließenden Textanalysen fokussieren genau jene Komplexität und widmen sich nachfolgend den entsprechenden Passagen in den ausgewählten Dominikuslegenden. Bereits die unterschiedliche Lage sowie die textimmanente Verknüpfung der Episode vom Tod des Dominikus innerhalb der paradigmatischen Erzählungen offenbaren die diversen Konzeptionsmöglichkeiten. In den Fassungen des Passionals und der elsässischen Legenda Aurea erfährt Dominikus durch eine Vision von seinem baldigen Ableben. Das „Alemannische Dominikusleben“ ergänzt noch eine schwere Krankheit, die den Ordensgründer plagt: Do nún kam die zit, dz er solt scheiden von dirre werlte do wz er zu Bononie vnd begond siechen mit grosser krangheit sines libes, vnd wart geoffnet sin hinscheidung in einer gesicht, wanne er sach einen allerschoensten júngelinge, der rúft im vnd sprach: „Kome min geminter, kome, kúme zu der ewige froeide66.

Bei allen drei Fassungen geht dieser Todesvision eine für das Gemeinwohl und den Gemeinsinn der dominikanischen Gemeinschaft durchaus wesentliche Disputation des Dominikus mit dem Teufel voraus. In deren Verlauf erklärt und verteidigt Dominikus gegenüber dem Teufel nicht allein die Formen des regulierten Zusammenlebens, sondern er präsentiert bei einem Rundgang durch den Konvent auch die institutionellen Mechanismen, die der Sicherung und Stabilisierung der Ordensge-

|| 65 Siehe dazu Andenna: Heiligenviten (Anm. 10); dies.: Dall‘esempio alla santità (Anm. 41). Daneben diskutiert auch Gert Melville diese Problematik am Beispiel Stephans von Thiers mit dem Fokus auf fehlenden schriftlichen (speziell autographischen) Normen für den Orden der Grandmontenser nach dessen Tod; siehe Melville, Gert: Von der Regula regularum zur Stephansregel. Der normative Sonderweg der Grandmontenser bei der Auffächerung der vita religiosa im 12. Jahrhundert, in: Vom Kloster zum Klosterverband. Das Werkzeug der Schriftlichkeit. Akten des Internationalen Kolloquiums des Projekts L 2 im SFB 231 (22.–23. Februar 1996), Hrsg. Hagen Keller u. Franz Neiske, München 1997 (Münstersche Mittelalter Schriften 74), S. 342–364. 66 DL (Anm. 7), S. 347. Vgl. entsprechend ELA (Anm. 7), S. 504 und Pass. (Anm. 7), S. 370.

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meinschaft dienen. Am Ende des Rundgangs steht dabei immer das „capitelhus“67, das als Ort der individuellen wie gemeinschaftlichen Reflexion sui generis dem Erhalt der Gemeinschaft dient und in dem der Teufel über keine Macht verfügt. Die Verknüpfung dieser Episode mit derjenigen über den Tod des Dominikus stellt den Ordensgründer kurz vor seinem Ableben noch einmal als den für die Gemeinschaft wichtigen defensor ordinis und Heilscharismatiker dar, verweist aber zugleich auf die bereits bestehenden funktionalen Nachfolgeinstitutionen. Dominikus führt so seiner Gemeinschaft deutlich vor Augen, dass sie immanent seiner nicht mehr bedarf, und insofern schließt die Episode in diesen Fassungen folgerichtig mit seinen letzten Worten: „Jr sullent úch ouch nút betrueben vmbe minen dot, wenne ich sol úch dot núczer sin denne lebende“68. Die Dominikuslegende des „Der Heiligen Leben“ kennt zwar ebenso die besagte Passage über den Disput mit dem Teufel und auch in ihr erkrankt Dominikus kurz vor seinem Ableben, es fehlt aber die Vision von seinem bevorstehenden irdischen Ende und die Anordnung der Passagen ist eine gänzlich verschiedene. In dieser Fassung wird der Disput mit dem Teufel deutlich vor dem Tod des Ordensgründers und innerhalb weiterer Erzählungen von Versuchungen des Teufels geschildert69, bei denen Dominikus als Beschützer einzelner Mitbrüder oder des gesamten Ordens auftritt. In der paradigmatischen Reihung dieser Legende geht der Erkrankung des Dominikus die Aufnahme „maister Cuonrats“ in den Orden voraus70. Dass Cuonrat sich zu diesem Schritt entschließt, wird ausdrücklich auf ein Gebet des Dominikus zurückgeführt, was noch einmal seine besondere Gottesnähe und Fähigkeit, von diesem etwas zu erwirken, offenbart. Mittels dieses Motivs kann die Legende entgegen der Fassung des „Alemannischen Dominikusleben“ in der Folge eine Verknüpfung für die Erkrankung herstellen, die so eschatologisch überformt wird: „Der lieb herr sant Dominicus begert oft, daz er durch got gemartert wuerd. Vnd do di zeit kum, daz in got von dieser werlt wolt nehmen, do ward er gar siech“71. Im Erdulden

|| 67 DL (Anm. 7), S. 347. 68 ELA (Anm. 7), S. 504. Siehe ebenfalls DL (Anm. 7), S. 348, und Pass. (Anm. 7), S. 370. Diese Episode wird im Responsorium O spem miram angesprochen: O spem miram, quam dedisti mortis hora te flentibus, dum post mortem promisisti te profuturum fratribus. Imple, Pater, quod dixisti, nos tuis iuvans precibus (O wunderbare Hoffnung, die du gegeben hast, als du im Sterben lagst, und deine Brüder um dich weinten. Versprochen hast Du uns nach deinem Todeskampf bei Gott für alle da zu sein. Erfülle, Vater, die Verheißung: Mit deinen Bitten steh uns bei!). Das Responsorium gehört ursprünglich zur 3. Nokturn der Matutin und wird heute öfters nach der Vesper gesungen. Proprium officiorum Ordinis Praedicatorum, ed. Vincent de Couesnongle, Romae 1982, S. 305; dt.: Proprium des Predigerordens, Ausg. in dt. Sprache, Hrsg. Vincent de Couesnongle, St. Ottilien 1991, S. 943 f. 69 HL (Anm. 7), S. 341–345. 70 A.a.O., S. 349. 71 Ebd.

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der Krankheit erfährt Dominikus das ersehnte Martyrium und er wird zu einem Blutzeugen Christi stilisiert. Die hier narrativ aufgerufene Todesart verweist metonymisch72, auch im Kontext der ihr vorausgegangenen Cuonrat-Szene, auf die Heiligkeit des Dominikus. Dadurch tritt allerdings dessen Funktion für die von ihm gegründete Gemeinschaft in den Hintergrund und bedarf einer gesonderten Erwähnung, zumal sogar auf der Figurenebene „sunderleich sein prueder … klagten vnd wainten, daz si irn tuegent pilder vnd irn vorweiser verliesen schoelten“73. Um die in der Narration entstehende Spannung von Dominikus‘ Einzug in die Heiligkeit und vom Verlust des Gemeinsinn evozierenden Charismatikers zu lösen, erfolgt eine konsequente Modifikation seiner letzten Worte an die Gemeinschaft: „Ev schol niht lait sein. Ich hoff, ich schuell dem orden vor got nuetzer sein wenn hie, wan wen ir mich anrueft, so wil ich ev zu hilf kumen …“74. Dominikus stellt also auch in dieser Fassung klar, dass er immanent nicht mehr wirken kann und wird, doch benennt er explizit den Orden als Gemeinschaft, dem er fortan als in der Transzendenz angesiedelter Mediator dient. Der direkte Sprechakt des Dominikus stellt klar, dass die zuvor in den Motiven der Gottesnähe und des Martyriums metonymisch vermittelte Heiligkeit zu Gunsten der Ordensgemeinschaft ausfällt. Diese verliert zwar freilich ihren Gründer, erhält und partizipiert dafür aber an einem besonderen Fürsprecher bei Gott.

|| 72 Harald Haferland untersucht die Erzählform der Metonymie u.a. auch für die Legende. Um metonymisches Erzählen handelt es sich dann, „wenn eine längere narrative Sequenz bzw. ihr Inhalt etwa die Eigenschaften einer Figur demonstriert, wenn sie für den (Teil-)Inhalt einer anderen Sequenz ,steht‘ oder über sich selbst hinaus- und auf etwas anderes weist, wenn sie also im Sinne der Kontiguitätsrelation und nicht nur über eine Kausalität der Ereignisse an vorher Erzähltes angeschlossen oder zeichenhaft wird … .“ Siehe Haferland, Harald: Metonymie und metonymische Handlungskonstruktion. Erläutert an der narrativen Konstruktion von Heiligkeit in zwei mittelalterlichen Legenden, in: Euphorion 99 (2005), S. 323–364, hier S. 338 f. Dominikus‘ Heiligkeit wird in den abschließenden Szenen dieser Legende genau über eine solche Kontiguitätsrelation vermittelt. Im vorliegenden Fall ist es eine doppelte Kontiguitätsrelation, denn einerseits wird der Aussagegehalt der Cuonrat-Sequenz Teil der nachfolgenden, die beide die Eigenschaft der Gottesnähe des Dominikus demonstrieren. Andererseits verweist das Motiv vom Märtyrertod über sich hinaus auf die von ihm selbst im Tod angestrebte imitatio Christi. 73 HL (Anm. 7), S. 349. 74 Ebd.

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4 Im legendarischen (Kon-)Textfeld des Diskurses – Ein Fazit In seinem berühmten Essay „Im Weinberg des Textes“ hält Ivan Illich am Beginn der 1990er Jahre mit Bezug auf seinen Untersuchungsgegenstand, das Didascalicon Hugos von St. Victor, resümierend fest: Das Buch als Symbol, Analogon und Metapher ist in Hugos Zeit vor allem ein Symbol für das Lesen, als mäeutisches Entziffern der Wirklichkeit vorgestellt und erlebt, mittels dessen der Leser, wie die Hebamme – in Gottes unsichtbarem Licht – den Sinn hervorholt, mit dem alle Schöpfung trächtig ist, Gottes Wort75.

Was Illich hier fast beiläufig am Ende seiner Studie über eine mehr und mehr diskursiv gestaltete Schriftkultur der Monasterien des 12. Jahrhunderts anmerkt, ist die die mittelalterliche Mentalität prägende Vorstellung76, dass die Welt im Sinne eines Buches lesbar sei. Allerdings – und das ist der große Verdienst dieser Studie – zeigt Illich darüber hinaus, dass in dem von ihm betrachteten Zeitraum eine fundamentale Transformation des „symbolische[n] Vektor[s] des Buches“77 stattfand: Die Wandlung des Buchs von einem Verweis auf die Welt zu einem Verweis auf den Verstand … Aus dem Symbol für kosmische Wirklichkeit ist ein Symbol für das Denken hervorgegangen. Statt des Buchs wird jetzt der Text zum Gegenstand, in dem Gedanken gesammelt und gespiegelt werden78.

Auch wenn Illich sich vorrangig mit seinen Aussagen auf konkrete, diskursive Texte einer bestimmten Soziabilität und eben nicht allgemeiner auch auf narrative Texte bezieht, so zeigt er doch insgesamt eine Bewusstwerdung symbolischer Textualität in der Zeit des zwölften Jahrhunderts, die das Wirklichkeitsverständnis ausmacht. Ein solches Funktionswissen über den symbolisch sinngenerierenden Text und die ihn konstituierenden Narrationen ermöglicht einen nicht unbedingt intentionalen79,

|| 75 Siehe dazu Illich, Ivan: Im Weinberg des Textes. Als das Schriftbild der Moderne entstand. Ein Kommentar zu Hugos Didascalicon, übers. Ylva Eriksson-Kuchenbuch, Frankfurt a.M. 1991, hier S. 132 (Hervorhebung im Original). 76 Zu den mentalitätsgeschichtlichen Entwicklungen siehe Blumenberg, Hans: Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt a.M. 1986, hier vor allem S. 17–57. 77 Vgl. Illich: Im Weinberg des Textes (Anm. 75), S. 130. 78 A.a.O., S. 126 f. (Hervorhebung im Original). 79 Zur Problematik der Intentionalität, gerade im Kontext der ebenso schwierigen Autorschaftsfrage mittelalterlicher Texte, aber auch bezogen auf eine generelle Textintentionalität siehe einleitend Winko, Simone: Einführung: Autor und Intention, in: Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs, Hrsg. Fotis Jannidis [u.a.], Tübingen 1999 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 71), S. 39–46.

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aber doch bewussten Umgang mit seinen konkreten Ausformungen, also den Traktaten, Romanen oder auch den Legenden. Dass Sinnstiftungen und im Besonderen Gemeinsinnevozierungen in narrativen Texten wie den Dominikuslegenden erfolgen, haben die vorherigen exemplarischen Analysen gezeigt. Inwiefern aber mit diesen Narrationen im Hinblick auf den in ihnen evozierten Gemeinsinn respektive die durch sie stattfindende Partizipation an diesem Diskurs auch in concreto bewusst umgegangen wurde80, soll abschließend hinterfragt werden. Nachfolgend richten sich die Beobachtungen daher nicht allein auf das legendarische Textfeld des Diskurses, sondern schweifen auch über die ebenso zum Diskurs gehörenden kontextuellen Felder, in denen die Legenden entstanden. Aus dem vorliegenden Textcorpus sei noch einmal in aller Kürze das „Alemannische Dominikusleben“ herausgegriffen, dessen Gemeinsinnevozierungen vor dem Hintergrund einer Kontextualisierung sehr deutliche Beobachtungen zulassen. Diese um 1465 verfasste Dominikuslegende81 entstammt dem sogenannten Freiburger Reuerinnenkloster82, das wie so viele seiner Art der Maria Magdalena geweiht war. Diese Angaben verschweigen allerdings zwei wesentliche Umstände, die die Gemeinschaft der in diesem Kloster lebenden Frauen geprägt haben. Erstens waren die Freiburger Reuerinnen im Zuge der institutionellen und kurial unterstützten Einhegungsversuche83 dieses Frauenordens mit ihrem Konvent bereits 1316 in den

|| 80 Dass Legenden vor allem im Kontext der jeweiligen Kultpraxis, Liturgie bzw. memoria für einen Heiligen bewusst gebraucht wurden, steht außer Frage. Mir geht es nachfolgend vielmehr darum, ob die am Gemeinsinndiskurs beteiligten Legenden einen etwaigen Einsatz erfuhren bzw. ihnen ein gewisses Potential zugesprochen wurde, tatsächlich sinnstiftend auf Gemeinschaften zu wirken. Edith Feistner erörtert sehr ausführlich mit dem Fokus auf die Träger einer Legendenkommunikation die Gebrauchskontexte der Legende; siehe dazu Feistner: Historische Typologie der Heiligenlegende (Anm. 27), S. 49–88. 81 Zur Provenienz des Textes siehe Williams-Krapp: Kultpflege und literarische Überlieferung (Anm. 44), hier S. 154. 82 Zur Geschichte des Klosters siehe Denne, Ulrike: Die Frauenklöster im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau. Ihre Einbindung in den Orden und die städtische Kommunität, Freiburg / Br. [u.a.] 1997 (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 39), hier S. 39–41. 83 Herbert Grundmann diskutiert diese Institutionalisierungen vor allem unter dem Aspekt der fehlenden Organisation und der „wirtschaftlichen Absicherung“, die durch eine Aufnahme in die dominikanischen Strukturen gegeben war. Siehe dazu Grundmann: Religiöse Bewegungen im Mittelalter (Anm. 36), S. 301–303 und dort Anm. 230. Neuere Untersuchungen bietet dazu vor allem Voigt, Jörg: Beginen im Spätmittelalter: Frauenfrömmigkeit in Thüringen und im Reich, Köln [u.a.] 2012 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe 32), S. 44–84 und S. 171–198. Eine allgemeinere Analyse dieser diffizilen Institutionalisierungsprozesse bietet Cariboni, Guido: Monasteri e ordini religiosi nella struttura ecclesiastica. Osservazioni e problematiche circa la posizione giuridica e i rapporti istituzionali tra meta XI e meta XIII secolo, in: Mittelalterliche Orden und Klöster im Vergleich. Methodische Ansätze und Perspektiven, Hrsg. Gert Melville u. Anne Müller, Münster / Wf. 2007 (Vita regularis 34), S. 211–239.

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weiblichen Zweig des Dominikanerordens84 inkorporiert worden. Zweitens erfolgte im Zeitraum der Abfassung der Legende eine Reformierung des Klosters85, die die Gemeinschaft zur Annahme der streng klausurierten Observanz zwang. Das „Alemannische Dominikusleben“ entstand also innerhalb einer oder für eine Gemeinschaft, die in ihrem Ursprung nicht dominikanisch war und die durch die aufgezwungene Observanz samt strenger Klausur die Möglichkeiten ihrer vorherigen Heilsfürsorge verlor. Bezogen auf die Beobachtungen zur spezifischen Gemeinsinnevozierung dieser Legende, lassen die Fakten durchaus auf einen bewussten Umgang mit den Narrationen als textuelle Diskurspraktiken schließen. So schildert gerade diese Fassung die göttlich erwirkte, einmütige Regelwahl, ein Umstand, der der Freiburger Frauengemeinschaft nicht gegeben war. Sie hatten die Wahl anderer zu akzeptieren. Die dadurch deutlich betonte Konsensfiktion dieser Legendenfassung wird zumindest der Generation der an der Reformierung beteiligten Schwestern aufgefallen sein. Gleiches gilt auch für die Petrus-und-Paulus-Vision dieser Legende, in der allein der Ordensgründer zur Heilsfürsorge erwählt wird und eine Teilhabe an dieser von seiner Entscheidung als Ordensoberer abhängt. Diese Darstellungen heben vor allem auf die Unverfügbarkeit der Normen und Ziele der Dominikaner ab, das Gemeinwohl des Ordens ist von allen seinen Mitgliedern zu akzeptieren. Der dahinter verborgene Gemeinsinn entsteht gerade in der Akzeptanz dieser Einsicht, denn der regelgerechten Teilhabe am dominikanischen Ordensleben entspricht eine Partizipation an dessen Heil. Das wird letztlich ebenso in der mit dem Teufelsdisput verknüpften Sterbeszene des Dominikus offenbar. Auch hier entwirft das „Alemannische Dominikusleben“ einen bestimmten Gemeinsinn, der weniger die Heiligkeit des Gründers, viel mehr aber die heilssichernde Funktion der institutionellen Mechanismen86 der Ordensgemeinschaft betont. Für die ehemaligen

|| 84 Arnold Kühl geht sogar von einer Inkorporation im Jahr 1289 aus, also bereits drei Jahre nach der vom Kardinallegaten Giovanni Boccamazza erwirkten temporären Eingliederung der Reuerinnen in den weiblichen Dominikanerzweig und der Unterstellung unter die Visitationshoheit des deutschen Provinzials Hermann von Minden. Siehe dazu Kühl, Arnold: Die Dominikaner im deutschen Rheingebiet und im Elsaß während des dreizehnten Jahrhunderts. Mit einem Exkurs über: Die Entwicklung dominikanischer Ordensgeschichtsschreibung, Diss. masch. Freiburg / Br. 1923, S. 196. Daneben die noch ältere, aber deutlich profiliertere Arbeit von Simon, André: L’Ordre des Pénitentes de Ste Marie Madeleine en Allemagne au XIIIme siecle, Fribourg / CH 1918, S. 85–104 und S. 114 f. 85 Siehe zu diesen Vorgängen und den damit verbundenen Austritten wiederum Denne: Die Frauenklöster (Anm. 82), S. 76–80. 86 Diese Mechanismen weiß die reformierte Frauengemeinschaft allerdings zu nutzen, um ihr Patrozinium der Maria Magdalena zu erhalten. Werner Williams-Krapp verweist in seiner Studie zur dominikanischen Kultpflege auf die Häufigkeit dieses Verfahrens im Kontext der inkorporierten und reformierten Frauengemeinschaften, die zwar das dominikanische Schrifttum und darin eingeschlossen die entsprechenden Heiligenlegenden förderten, aber nur selten dominikanische Heilige als Patronin oder Patron verehrten. Er hält fest: „Selbstverständlich pflegten die Schwestern die Festtage der kanonisierten Dominikaner …, aber zum besonderen Enthusiasmus scheint es eher

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Freiburger Reuerinnen ist eine solche Gemeinsinnkonzeption, die geprägt ist von der Unverfügbarkeit des neuen Gemeinwohls und die eine Heilsteilhabe gerade in der regelkonform gelebten Gemeinschaft offeriert, das motivationale Moment, in einer oktroyierten dominikanischen Gemeinschaft zu leben. Insofern gilt es festzuhalten, dass die deutschsprachigen Dominikuslegenden nicht nur Gemeinsinn entwerfen, sondern dass sie als diskursive Praktiken Teil jenes Gemeinsinndiskurses sind, der mitunter spezifische Gemeinsinnkonzepte für einzelne dominikanische Gemeinschaften evoziert. Das legendarische Erzählen vom Ordensgründer und dem Gründen seiner Gemeinschaft ist nicht allein für die liturgische Kultpraxis, seine memoria oder die Repräsentation der Heiligkeit jenes Gründers oder seines Ordens von Belang, es bietet eben auch den textuellen Rahmen zur diskursiven Gemeinsinnstiftung und dessen narrativer Vermittlung. Die Ordensgründerlegende birgt insoweit ein nicht zu unterschätzendes soziales, aber auch institutionelles Stabilisierungspotential für die jeweilige Ordensgemeinschaft.

|| selten gekommen zu sein.“ Siehe Williams-Krapp: Kultpflege und literarische Überlieferung (Anm. 44), S. 171 f.

Guus Bary

Die Errichtung der Ordensprovinz Germania Inferior („Niederdeutschland“) 1515 Neuordnung der dominikanischen Territorialstruktur Im Jahr 1515 wurden sechsundzwanzig Dominikanerklöster in ebenso vielen Städten an oder nahe der Nordsee zu einer neuen Ordensprovinz vereinigt1. Neunzehn dieser Klöster waren im 13. Jahrhundert gegründet worden, dreizehn von ihnen gehörten zu jener Zeit zur Ordensprovinz Teutonia2. Die kanonische Errichtung geschah durch eine Bulle, die Papst Leo X. am 2. Juli 1515 an den Ordensmeister Thomas de Vio Cajetanus, den späteren Kardinal, und an die Brüder des Ordens richtete. Das war damals üblich, wenn es um Privilegien ging, die auf Ersuchen eines Fürsten verliehen und als Bullen ausgefertigt wurden3.

1 Forschungslage Bis heute beruht die historische Forschung über die genannte Bulle durchgehend auf dem Druck im Bullarium Ordinis Fratrum Praedicatorum von Ripoll und Brémond 17324, der einem Werk des Bernardus de Jonghe von 1719 entnommen ist5. Es || 1 Ich verwende hier meinen Rufnamen „Guus Bary“; er ist referenzidentisch mit den Namensformen „Eugenius Bary“ bzw. „E. H. Bary“, unter denen einige frühere Publikationen erschienen sind. Diese Arbeit ist anlässlich der Tagung „Die Deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen 1221– 1515“ (Köln, vom 6.–8. November 2014) entstanden. Meine Anwesenheit als Niederländer und die Teilnahme an der Diskussion hat zu diesem Beitrag geführt. Besonders danke ich den Veranstaltern Prof. Dr. Sabine von Heusinger, Elias Füllenbach OP, Dr. Klaus-Bernward Springer und Prof. Dr. Walter Senner OP für die Aufnahme in diesen Band, dem Letztgenannten auch für die Übersetzung aus dem Niederländischen. 2 Das betrifft die Periode bis zur Errichtung der neuen Ordensprovinz Saxonia 1303, die durch die Generalkapitel seit 1301 vorbereitet wurde; siehe: Acta Capitulorum Generalium Ordinis Praedicatorum (in der Folge: ACG), ed. Benedictus M. Reichert, Bd. 1. Ab anno 1220 usque ad annum 1303, Rom [u.a.] 1898 (MOPH 3), S. 301–325. 3 Meistens sind Bullen an die Fürsten selbst gerichtet, hier jedoch an den Ordensmeister auf Ansuchen des Fürsten. Karl V. betreffend siehe: Van Peteghem, Paul P.J.L.: De Nederlanden en het Vrijgraafschap Bourgondië tussen paus en keizer. De rol van het apostolische indult in de staatkundige centralisatie en desintegratie onder Karel V (1500–55–58), Deventer 2015, S. 2. 4 Bullarium Ordinis Fratrum Praedicatorum (in der Folge: BOP), ed. Thomas Ripoll & Antoninus Brémond, Bd. 4, Rom 1732, S. 323–325. Das BOP ist auch im Internet konsultierbar unter anderen: oder: (zuletzt eingesehen am 6.07.2016). Ein Auszug aus der Bulle findet sich in: Corpus Documentorum Inquisitionis Haereticae Pravitatis Neerlandicae. Verzameling van stukken betreffende de pauselijke und bisschoppelijke inquisitie in de Nederlanden, ed. Paul Frédérique, Bd. 1, Gent – ’s Gravenhage 1889, Nr. 426, S. 508–510. 5 De Jonghe, Bernardus: Belgium Dominicanum sive Historia provinciae Germaniae Inferioris Ordinis Fratrum Praedicatorum, Bruxellis 1719, S. 11 f. 6 Archivio Segreto Vaticano (ASV), Arm. XL 3, fol. 11r–12r. Siehe die Edition des Dokuments als Anhang dieses Beitrags, S. 117–120. Dr. van Peteghem, der die Ereignisse ab dem 5. Juli 1515 jüngst untersucht hat (Anm. 3), brachte mich auf die Spur des Grundtextes vom 2. Juli 1515 im Archivio Segreto Vaticano. Pater Tiemen Brouwer OP (Santa Maria Maggiore und Friezenkerk in Rom) ließ mir eine Reproduktion der Bulle durch das ASV anfertigen. Beiden danke ich sehr für ihre Hilfe. 7 Acta capitulorum Provinciae Germaniae Inferioris Ordinis Fratrum Praedicatorum ab anno MDXV usque ad annum MDLIX, ed. Servatius P. Wolfs, Hagae Comitis (= ’s-Gravenhage) 1964. Die Einleitung auf Niederländisch: S. I–XLI (in der Folge: Wolfs: Acta).

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2 Die Bulle Decet Romanum pontificem (1515) Eine kirchliche Bulle aus jener Zeit hat eine feststehende Einteilung. Das beginnt mit dem Namen des Ausstellers, hier Papst Leo X., der sich an den Ordensmeister Thomas de Vio Cajetano8 und an alle Brüder des Predigerordens richtet9. Danach beginnt die lange dispositio mit den Gründen für das Erlassen der Bulle. Hier ist der Anlaß ein Ersuchen von Karl, König der spanischen Gebiete, Erzherzog von Österreich, dem Zustand ein Ende zu bereiten, daß die Holländische Kongregation auch Klöster außerhalb der Länder des Fürsten (Karl V.) zählt, und auch die Exemtion jener Klöster von der Jurisdiktion der (territorialen) Provinziale zu beenden. Das kann am besten durch die Errichtung einer neuen Ordensprovinz geschehen. König Karl habe an Kardinal Nicolaus de Flisco als Protektor des Ordens dieses Ansinnen gerichtet und dieser soll sich mit dieser Angelegenheit dringend beschäftigt haben. Danach werden die verschiedenen Motive des Kardinals dargelegt, die ich in den folgenden Abschnitten besprechen werde. Das alles führt dazu, daß der Papst mitteilt, er errichte aufgrund der „Bitten eines so großen Königs“ die neue Provinz. Er nennt in diesem Zusammenhang sechsundzwanzig Brüderklöster; dabei geht er von einer reformierten – das heißt observanten – Struktur aus, wie sie in der Holländischen Kongregation bestand. Weiterhin sagt der Papst, daß religiose Frauengemeinschaften (Konvente des Zweiten Ordens und Gemeinschaften des Dritten Ordens) und Büßende zu der neuen Ordensprovinz gehören können, wenn sie reformiert sind. Diese werden nicht mit Namen genannt – wir werden auf sie bei der Behandlung der Umsetzung der Bulle zurückkommen. Sowohl die Männer als auch die Frauen müssen im Einklang mit den Satzungen des Ordens und den Richtlinien des Ordensmeisters leben. Danach folgen zwei praktische Punkte: eine vorläufige Maßregel, wie in der Zwischenzeit und zur Vorbereitung verschiedenes zu regeln ist, damit die Errichtung tatsächlich verwirklicht werden kann, und eine ganze Reihe von Bestimmungen für den Fall, daß dem Inhalt dieser Bulle nicht nachgekommen werden sollte; dies letztere in kanonistisch-juridischer Terminologie. Die Bulle endet mit der Datierung: „gegeben zu Rom, beim heiligen Petrus unter dem Fischerring10, am zweiten Juli 1515, im zweiten Jahr Unseres Pontifikats“. Darunter steht, deutlich von anderer Hand und aller Wahrscheinlichkeit nach eigenhändig die Unterschrift des Kardinal-Protektors des Ordens: „N. Cardinalis de

|| 8 Ein Name wird im Konzept nicht genannt, wohl aber in den späteren Abschriften und so wahrscheinlich auch in der ausgefertigten Bulle (siehe Anhang, S. 117,1). 9 Dieser Teil steht zwar im Konzept, aber nicht in den späteren Abschriften, also möglicherweise auch nicht in der ausgefertigten Bulle (siehe Anhang, S. 117,1–2). 10 Dieser Teil fehlt im Konzept, stand aber möglicherweise in der ausgefertigten Bulle (siehe Anhang, S. 120,108 f.).

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Flisco, protector“ (N. Kardinal de Flisco, Protektor). Am Schluß findet sich die Abkürzung „Ia. Sad.“, für „Iacobus Sadoletus“, dem damaligen Papstsekretär und späteren Kardinal.

2.1 Der geopolitische Aspekt: die in der Bulle genannten sechsundzwanzig Dominikanerklöster im staatlichen Kontext In der Bulle vom 2. Juli 1515 geht es um die sechsundzwanzig Konvente, die von nun an die neue Ordensprovinz Germania Inferior bilden. In Anbetracht dessen, daß es heute immer gebräuchlicher wird, geographische Namen in der Sprache des betreffenden Landes anzugeben, nenne ich die Ortsnamen in der heute dort gesprochenen Sprache – wobei ich für Nordfrankreich die niederländische zufüge; ggf. wird in Klammern auch die deutsche und die lateinische Namensform angegeben. 1. Gent, 2. Lille / Rijsel (Insula), 3. Valenciennes / Valencijn (Valenchenensum), 4. Douai / Dowaai, 5. Brugge (Brügge), 6. Ieper (Ypern), 7. Bergues / Bergen, auch: St. Winoksbergen11, 8. Arras / Atrecht, 9. Saint Omer / St. Omaars, 10. Utrecht (Traiectum inferior), 11. Haarlem, 12. Zierikzee,13. ’s-Gravenhage – auch Den Haag genannt, 14. Rotterdam, 15. Nijmegen (Nimwegen / Noviomagus), 16. Zutphen, 17. Leeuwarden, 18. Groningen, 19. Kalkar, 20. Zwolle, 21. Winsum12, 22. Antwerpen, 23. Leuven (Löwen / Lovanium), 24. ’s-Hertogenbosch, 25. Maastricht (Traiectum superior), 26. Brussel / Bruxelles (Brüssel). Der Begriff „Nederlanden“ (Niederlande, Pluralform) war im Mittelalter bis ungefähr zur Mitte des 16. Jahrhunderts noch nicht konsistent als geographische Bezeichnung in Gebrauch. Die „Niederlande“ sind ein späteres Konstrukt beziehungsweise eine retrospektive Sicht13; im Niederländischen sprechen Historiker(innen) lieber von den „Lage Landen“, im Englischen von den „Low Countries“. Seit 1815 gibt es die Unterscheidung zwischen „Nederland“ (Singularform) und Belgien. Die Niederlande waren vor ca. 1500 eine Gemenge von Herrschaften, Grafschaften, Herzogtümern, geistlichen Fürstentümern und mehr oder minder unabhängigen kleinen Bauernrepubliken. Die Benennung „Holland“ ist irreführend, da damit nur der

|| 11 Bergues / St. Winoksbergen fehlt auf der Karte von Dominikanerklöstern in: Der Große Historische Weltatlas. Bayerischer Schulatlas, Bd. 2, München 1970, Karte 83. 12 In Corpus Documentorum Inquisitionis (Anm. 5) fälschlich „Windesheim“; noch übernommen von: Fühner, Jochen A.: Die Kirchen- und die antireformatorische Religionspolitik Kaiser Karls V. in den siebzehn Provinzen der Niederlande 1515–1555, Leiden 2004, S. 158. 13 Axters, Stephanus G.: Bibliotheca dominicana neerlandica manuscripta 1224–1500, Leuven 1970. Axters beginnt mit dem Kloster in Rijsel / Lille (1224), das im mittelalterlichen Flandern lag, und betrachtet die Zeit retrospektiv vom 2. Juli 1515 aus; er rechnet so auch die Klöster in Luik / Liège (Lüttich) und Luxemburg dazu.

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westliche Teil (heute zwei Provinzen) gemeint ist oder umgangssprachlich als pars pro toto für das heutige Nederland. Von den sechsundzwanzig 1515 in der Bulle genannten Klöstern befanden sich dreizehn im heutigen Nederland, sechs in Flandern und Brüssel, sechs in Nordwestfrankreich und eines (Kalkar) in Deutschland. Die Reihenfolge der sechsundzwanzig Klöster ist offensichtlich so, daß zuerst neun Konvente auf dem bisherigen Territorium der Francia, dann zwölf aus der Saxonia und zum Schluß fünf aus der Teutonia genannt werden. Es sind also Teile der Territorien bestehender Ordensprovinzen neu zusammengefaßt worden. Nicht genannt werden Luik / Liège (Lüttich) in der Francia und Luxemburg / Luxembourg in der Teutonia; diese Konvente blieben 1515 bei den Provinzen, zu denen sie bislang gehörten. Innerhalb der Ordensprovinzen bestand seit dem Generalkapitel von Bologna 1276 die Möglichkeit, große Provinzen aufgrund von regionaler Ein- bzw. Eigenheiten in nationes – auch contratae (Kontrate) genannt – zu unterteilen, die nach dem jeweils wichtigsten Gebiet geographische Namen erhielten14. Die Provinz Teutonia hatte vier große nationes, unter denen das Gebiet des Rhein- und Maaslandes den Namen Brabantia trug. Davon ging 1515 der westliche Teil auf die neue Provinz über, der Rest wurde hinfort Rhenus genannt. Bei der Saxonia, die neun kleinere nationes zählte, blieb der Konvent in Norden, obwohl er zu der alten natio Frisia gehörte, während Leeuwarden, Winsum und Groningen zur Germania inferior kamen. Im Herzogtum Kleve (Kleef) kam Kalkar auf dem linken Rheinufer, aber nicht Wesel auf dem rechten zur neuen Provinz. Im Fall der friesischen Gegenden hat, wie wir sehen werden, die Politik, im anderen Fall haben die historischen Bande des Kalkarer Konvents mit Klöstern im Westen und die spirituelle Richtung dort die ausschlaggebende Rolle gespielt. Die Bulle entstand auf Ansuchen von König Karl. Der 1500 in Gent geborene Karl, bekannt als der spätere Karl V., stammte aus dem Haus Burgund–Habsburg (–Lothringen). Er wurde 1506 zum „Herr der Niederlande“ ernannt, auch: „Herr der Lande von jenseits herwärts“ genannt. Karl war dann auch Erzherzog von Österreich und König der spanischen Gebiete. Er wurde allerdings in seinen Aspirationen zur Landesherrschaft noch durch regionale Fürsten behindert. Das sollte noch bis 1543 dauern, bis alle niederländischen Gegenden – bis auf das Fürstbistum (Hochstift) Liège (Luik, Lüttich) – unter Karl in einen „Staat“ zusammenkamen; wir kennen sie als die „Siebzehn vereinigten Niederlande“, die sich im Nordwesten vom Wattenmeer bis einschließlich Luxemburg und dem Artois (Artesië) im Süden erstreckten. Inzwischen war 1528 ein Ende an die weltliche Macht des Fürstbistums Utrecht in

|| 14 MOPH (Anm. 2), Bd. 3, S. 177.

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den späteren Provinzen Utrecht, Overijssel und Drenthe gekommen15. In der Bulle wird deutlich, daß die Anpassung der Ordensprovinzen und ihrer Klöster das Regierungsgebiet von König Karl, „Herren der Niederlande“ betrifft „mit ihren Nachbarhäusern“ (domibus illic convicinis). Der größte Teil dessen, was ab 1515 Germania inferior (Niederdeutschland) heissen sollte, war Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation; in diesem Reich wurde der Deutsche König und Römische Kaiser durch Wahl bestimmt. Der Südwesten der neuen Ordensprovinz befand sich mehr oder weniger im Einflußgebiet der Französischen Könige, aber dennoch ist in der Bulle die Südgrenze der Provinz in Konformität mit dem Burgundischen Kreis festgelegt. König Karl (V.) wollte seine Erblande sicherstellen und das nach dem Vorbild der burgundischen Herzöge in den Niederlanden. Im Norden war die neue Ordensprovinz noch nicht ganz in Entsprechung zu dem tatsächlichen politischen Zustand von 1515 abgegrenzt. Verschiedene gewünschte landesherrliche Rechte hatte Karl (V.) erlangt – wie in der heutigen Provinz Friesland (Westerlauwers Friesland), verschiedene nicht – wie in Geldern, Groningen und Drenthe. Vor 1515 hatte es zugleich mit Verschiebungen in der Sprache große politische Veränderungen gegeben16. Kurz: nachdem Albrecht von Sachsen 1498 durch Kaiser Maximilian zum Reichsstatthalter von Friesland ernannt worden war, um die Friesen unter einen einzigen Herrscher zu bringen, hatte Graf Edzard von Ostfriesland 1506 seine Verbindung mit Albrecht aufgehoben und von 1506–1514 auch die Stadt Groningen und ihr Umland regiert, die auch gegen Albrecht aufgestanden waren, also das Gebiet westlich der Ems. 1514 wählte sich die Stadt Groningen Karl von Egmond, Herzog von Geldern, zum Landesherrn. Kurz vor dem 2. Juli 1515, nämlich am 19. Mai 1515, hatte Albrechts Nachfolger, Georg von Sachsen, seine Rechte, die der Sachsenherzog noch über Westerlauwers Friesland (die heutige Provinz Friesland) besaß, an Karl von Burgund, den späteren Karl V., übertragen17. Erkennbar gingen die Aspirationen Karls von Burgund (Karl V.) nicht so weit, daß er Ostfriesland zu den Niederlanden gerechnet hätte. Erst nach 1515 endete der politische Konflikt: 1517 kam eine Übereinkunft zwischen Edzard und Karl von Burgund zustande, in der Karl den Besitz der Reichsgrafschaft Ostfriesland durch Edzard anerkannte. Das erklärt, warum der Dominikanerkonvent Norden 1515 bei

|| 15 Gatz, Erwin, Bary, Eugenius H. [u. a.]: Bistum und Hochstift Utrecht um 1500, in: Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart: Heiliges Römisches Reich – Deutschsprachige Länder, Hrsg. Erwin Gatz, Regensburg 2009, S. 138 f. 16 Vries, Oebele: Het Heilige Roomse Rijk en de Friese vrijheid, Leeuwarden 1986. 17 Man kann hypothetisch die Frage stellen: Wenn die friesische Einheit nicht 1506 aufgehoben worden wäre, wären dann die Klöster von Leeuwarden, Groningen und Winsum auch zur Germania Inferior gekommen? Sicher nicht.

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der Provinz Saxonia blieb, die anderen drei friesischen Klöster, Leeuwarden, Winsum und Groningen, jedoch nicht. Im Herzogtum Geldern war Karl von Egmond seit 1492 Herzog. Er hatte die Macht der Habsburger bezwingen wollen und hatte zu diesem Zweck sogar ein Bündnis mit Frankreich geschlossen. Auf dem Höhepunkt der Macht Karls von Geldern, um 1506, hatte dieser zeitweise auch Friesland, Groningen und das Niederstift (Overijssel und Drenthe) besetzt. Ob es zu den politischen Aspirationen Karls von Burgund gehörte, auch das Herzogtum Kleve unter seine Landesherrschaft zu bringen, muß bezweifelt werden. Die starken geographischen und spirituellen Verbindungen des Kalkarer Klosters – die weiter unten noch behandelt werden – sprechen für eine Aufnahme in die neue Provinz, im Gegensatz zu dem jenseits des Rheins benachbarten Konvent in Wesel, der im selben Herzogtum Kleve gelegen war. Kalkar paßt zu dem in der Bulle sogenannten „Nachbarhaus“. An der Südostgrenze der neuen Provinz fällt auf, daß sowohl Liège / Luik (Lüttich) als auch Luxemburg nicht zu ihr gehören. Das Hochstift Liège / Luik (Lüttich) gehörte nicht zu den Aspirationen Karls von Burgund. Das Dominikanerkloster von Liège, 1221 möglicherweise als eine Gründung der Teutonia intendiert, war von Predigerbrüdern aus Reims bezogen worden und dadurch an die Francia gekomen – und das ist das ganze Mittelalter über so geblieben. Die Fürstbischöfe von Liège neigten, je nach ihrer Vorliebe, mal in die französische, mal in die deutsche Richtung. In den Jahren 1569–1580 und 1794–1795 wird der Konvent in Liège dann wieder zur Germania Inferior gehören. Obwohl das Herzogtum Luxemburg zum burgundischen Erbbesitz gehörte, wurde das dortige Kloster nicht der neuen Provinz zugeteilt. Vielleicht spielte hier 1515 kein politisches Motiv die Hauptrolle, sondern der räumliche Abstand18. Das wichtigste Problem liegt in den Präsentationsrechten und anderen Rechten eines Fürsten an kirchlichen Besitzungen und Angelegenheiten. In dieser Hinsicht war Karl nicht einzigartig; sein wichtigster politischer Rivale, der französische König, war ihm darin vorangegangen. Ludwig XII. hatte es bereits irritierend gefunden, daß ausländische Fürsten das Sagen über kirchliche Besitzungen in seinem Land hatten. Im Zusammenhang mit den Observanzbewegungen – darüber weiter unten mehr – hatte er eine eigene Gallikanische Dominikanerkongregation erhalten. Ludwig bekam mittels der Bulle an den Ordensmeister „Charissimus in Christo filius noster Ludovicus“ vom 28. Oktober 1514 die Erlaubnis dazu19. Im Januar 1515 starb er; sein Nachfolger war Franz I. Unter Karl von Burgund änderte sich die fürstliche Kirchenpolitik nicht. Politische Rivalen konkurrierten miteinander auch um die Gunst des Papstes. Ludwig XII.

|| 18 1680 kamen die heutigen nordfranzösischen Konvente wieder zur Francia, Luxemburg blieb aber bei der Germania Inferior. 19 BOP (Anm. 4), Bd. 4, S. 313–314.

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wollte die Dominikanerklöster in seiner Congregatio Gallicana unterbringen, aber keiner der Konvente in Nordfrankreich war dazu geneigt gewesen. Sie gehörten zu jener Zeit entweder schon zur Provinz Francia oder zu der im Anschluß zu besprechenden Congregatio Hollandiae. Aus gleichen Gründen wollte Karl die dominikanischen Häuser, die in dem von ihm regierten Gebiet lagen – und dazu gehörten auch Klöster der Holländischen Kongregation – in einer neuen Provinz vereinen. Er hatte dabei im Vergleich mit Ludwig XII. und dessen Nachfolger Franz I. viel mehr Erfolg gehabt.

2.2 Der Ordensaspekt: Observante und Nichtobservante in den Niederlanden in historischer Sicht In der Bulle wird vom großen Fortschritt des regulierten Lebens in den Häusern der Holländischen Kongregation berichtet, weshalb sich ihr immer mehr Häuser, sowohl inner- als auch außerhalb von Karls Herrschaftsgebiet, angeschlossen hatten. Es wurde auch festgehalten, daß diese Klöster mit ihren Prioren der Jurisdiktion der Provinziale entzogen waren. Eine solche Exemtion kann zu viel Ärgernis führen – und dieses Ärgernis wird beendet, wenn eine neue Provinz errichtet wird. Wie waren die Klöster in den Niederlanden im Lauf des Mittelalters entstanden und auf Provinzen verteilt worden? Die Predigerbrüder hatten sich im 13. Jahrhundert vor allem in den dicht bevölkerten Handelsstädten entlang der Nordsee und entlang der in sie mündenden Flüsse niedergelassen. Obwohl das kleinere Winsum eine Ausnahme war, so lag aber auch dieser Ort günstig am Wasser20. Die Klosterlandschaft war der Intention nach mehr oder weniger flächendeckend, sodaß die Brüder zum Predigen und zum Betteln an einem Tag zu den verschiedenen Orten und wieder zurück kommen konnten. Wo das nicht möglich war, wurde ein Terminierhaus mit Übernachtungsmöglichkeit eingerichtet. Auf den Provinzkapiteln wurden zwischen benachbarten Konventen Terminiergrenzen festgelegt, um gegenseitiger Konkurrenz und daraus erwachsendem Streit vorzubeugen21. Verglichen mit dem größten Bettelorden, den Minderbrüdern, hatten die Predigerbrüder weniger Klöster, wählten sie öfter als die Franziskaner die größten Städte, hatten aber auch in den Niederlanden die meisten Brüder pro Bettelordenskloster22.

|| 20 Wolfs, Servatius P.: Studies over Noordnederlandse dominicanen in de middeleeuwen, Assen 1973, besonders Kap. 1: ‚Stichting, vestiging und canonieke erkenning van de oudste dominicanenkloosters in Nederland‘, S. 1–18; Simons, Walter: Bedelordekloosters in het Graafschap Vlaanderen: chronologie en topografie van de bedelordenverspreiding voor 1350, in: Sacris erudiri 30 (1987/88), S. 5–203, hier S. 63–86. 21 Ders.: Stad en apostolaat. De vestiging van de bedelorden in het graafschap Vlaanderen (ca. 1225 – ca. 1350), Brüssel 1987, S. 187–193. 22 A.a.O., S. 149–156.

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1303 hatte die weit ausgebreitete Provinz Teutonia 95 Klöster, darunter zwölf in den Niederlanden (neun im heutigen Nederland, drei in Belgien). In jenem Jahr wurde die neu gebildete nord- und ostdeutsche Ordensprovinz Saxonia von ihr abgeteilt23. Am westlichen Rand der beiden Provinzen bildeten die Maas und die (Wester-) Schelde die Trennlinie. Schon zuvor waren die ursprünglich in der Provinz Teutonia gegründeten Klöster von Gent und Brugge (Brügge) unter politischem Druck 1259/1260 an die Francia übertragen worden. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts kamen in den Niederlanden noch Groningen und Saint Omer (St. Omaars) als Neugründungen hinzu, danach jedoch war dieses Saeculum eine Periode der Stagnation: nicht nur infolge der Großen Pest, sondern auch durch Erschlaffung in Lebensform und Ordenszucht; manche Brüder lebten mehr oder weniger herumstreichend außerhalb der Klöster. Als Reaktion auf diese Erschlaffung entstanden Observanzbewegungen, nicht nur bei den Dominikanern sondern in Klöstern verschiedener Orden, mit Gewicht auf genauer Befolgung des Armutsgebots, Chorgebets, der geregelten Lebensweise und ‒ besonders bei den Dominikanern – gründliches Studium der Theologie. Für die Ordensprovinz Teutonia bespricht Eugen Hillenbrand die Observanzbewegung von 1388 bis 1475 und gibt eine Liste der zwischen 1389 und 1475 reformierten Konvente dieser Provinz. In jenem letztgenannten Jahr wurde der Kandidat der Observanten zum Provinzial gewählt24 und die Nichtobservanten erhielten einen eigenen Vicarius generalis25. Ganz anders war die Situation in der Saxonia und der Francia, wo – wie wir sehen werden – die Observanz inzwischen zu jeweils einer eigenen Kongregation geführt hatte. Observante Gruppierungen gab es nicht nur in den Bettelorden, auch monastische Orden wie die Benediktiner und die Zisterzienser kannten sie, wie in den Niederlanden die Bursfelder Kongregation oder die Sammlung (colligatio) von Sibculo. Am besten bekannt ist jedoch die keinem bestimmten Orden verbundene Bewegung der Devotio moderna (‚moderne devotie‘), unter anderen die Kongregation von Windesheim, nach dem Entstehungsort nahe bei Zwolle genannt. Diese hat weit auf bestehende Orden ausgestrahlt, in denen es Verlangen nach Reform gab.

|| 23 Freed, John: The Friars and German Society in the Thirteenth Century, Cambridge Mass. 1977, S. 212–221. Leider gibt er nicht an, welche Klöster 1303 die Provinz Saxonia bildeten (S. 210 f.). 24 Hillenbrand, Eugen: Die Observantenbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, Hrsg. Kaspar Elm, Berlin 1989 (Berliner historische Studien 14, Ordensstudien 4), S. 219–271, besonders S. 220 u. 271. 25 Wolfs, Servatius P.: Middeleeuwse dominicanenkloosters in Nederland, Assen 1984, S. 87 u. 91 f. gibt an, daß ’s-Hertogenbosch 1483 observant wurde und Maastricht und Leuven 1494/1495 (S. 156 u. 162 f.). Hillenbrand: Die Observantenbewegung (Anm. 24), S. 271, nennt noch Brüssel 1465, dieses Kloster kam aber erst 1468 zur Teutonia.

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Bei den Predigerbrüdern gab es die Congregatio Hollandiae („Holländische Kongregation“). Aus der Perspektive der Neueinteilung 1515 ist das Jahr 1464 wichtig, da in jenem Jahr die damals bereits bestehende gleichnamige Observanzbewegung von den Provinzialen exemt erklärt wurde. Das kann als ihre rechtliche Geburt betrachtet werden. Eine solche Kongregation hatte einen eigenen Vikar an ihrer Spitze, den man mit einem Provinzial vergleichen kann; die Kongregation hielt jährlich eine eigene Konvokation (convocatio) ab, zu vergleichen mit einem Provinzkapitel, und wurde, als sie anwuchs, auch in nationes eingeteilt. Daß diese Strukturen zwischen 1464 und 1515 zu viel Streit zwischen den Provinzialen und dem Vikar der Kongregation führten, läßt sich nicht leugnen. Auch in den Klöstern gab es oft Uneinigkeit. Prioren blieben filius des Konvents, in dem sie in den Orden eingetreten waren, auch wenn dieser zur anderen Richtung gehörte; nicht alle Brüder waren mit den Trennungen einverstanden. Mehr als einmal gab es Zwang, auch von seiten des Ordensmeisters. Die Kapitelsakten der Holländischen Kongregation hat Albert de Meyer ediert26. Er gibt auch eine ausführliche französische „Étude générale“ über die Kongregation27, sie behandelt allerdings besonders das heutige Belgien sowie Nordfrankreich und weniger Nederland. Für die Aufnahme einzelner Klöster in die Kongregation ist die Beilage 14 „Ordo in quo conventus Congregationi Hollandiae se junxerunt“ ein guter Ausgangspunkt28. Ergänzend und zugleich de Meyer korrigierend gibt es eine Studie von Servatius P. Wolfs auf Deutsch, in der von der anderen Seite stärker auf das Entstehen der Kongregation eingegangen wird als auf den Zustand kurz vor und um 151529. Das Wort „observant“ finden wir in unserem Kontext erstmals für das Rotterdamer Dominikanerkloster (gegründet 1444). Nach einer Papsturkunde vom 19. Oktober 1448 leben die Klosterbewohner „sub regularibus illius ordinis habitu et observantia“30. Bald danach kommt diese Bezeichnung auch im Zusammenhang mit dem im frühen 15. Jahrhundert gegründeten Konvent in ’s-Gravenhage / Den Haag vor, und dem in Haarlem aus dem 13. Jahrhundert. Diese drei Klöster, zur Provinz Saxonia gehörig, lagen alle in der damaligen Grafschaft Holland (die beiden heutigen niederländischen Provinzen Zuid-Holland und Noord-Holland). 1456, ungefähr gleichzeitig mit Haarlem, treffen wir Spuren dieser Bewegung im flämischen Gent und in Kalkar, von Rotterdam aus in jenem Jahr gegründet; ein Jahr später auch in

|| 26 Meyer, Albert de: La Congrégation de Hollande ou la réforme dominicaine en territoire Bourguignon, 1465–1515, Liège 1946, dort S. 1–316. 27 A.a.O., S. XXIV–CXXII. 28 A.a.O., S. 433–435. 29 Wolfs, Servatius P.: Dominikanische Observanzbestrebungen: Die Congregatio Hollandiae (1464–1517), in: Reformbemühungen (Anm. 25), S. 274–292. 30 BOP (Anm. 5), Bd. 3, S. 263; Wolfs: Observanzbestrebungen (Anm. 29), S. 274.

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Lille / Rijsel. Gent und Lille / Rijsel gehörten zur französischen Ordensprovinz. Politisch gesehen gehörten zu dieser Zeit die Grafschaft Holland, das Herzogtum Brabant und die Grafschaft Flandern zu Burgund. Wolfs nennt diese Phase die Wiege der Holländischen Kongregation31 – das ist allerdings nicht eindeutig; wir müssen immer noch von einer Bewegung innerhalb der bestehenden Provinzstrukturen der Saxonia und der Francia sprechen. Am 4. Oktober 1457 findet eine Inauguration der Holländischen Kongregation durch den Ordensmeister Martial Auribelli in Lille / Rijsel statt; mit den Konventen von Lille / Rijsel, Gent, Rotterdam, ’s-Gravenhage (Den Haag), Kalkar und dem Vikarshaus in Brüssel32. Auch zu diesem Zeitpunkt wird nicht von einer juristisch unabhängigen Instanz gesprochen. Daß gerade im Jahr 1459 ein Generalkapitel zu Nijmegen stattfindet, verwundert nicht: solche Kapitel wurden oft dort abgehalten, wo Spannungen herrschten, in diesem Fall nicht nur im Herzogtum Geldern, sondern auch im Herzogtum Kleve, wie das Gebetsgedenken für beide Herzöge bezeugt33. Der Herzog von Kleve, auf dessen Initiative das observante Kloster von Kalkar gegründet worden war, wollte, daß durch Brüder aus Kalkar auch im Konvent von Wesel die Observanz eingeführt werden sollte34. Zahllos waren die in den Jahren 1460–1471 unternommenen Versuche, auch dort Reformen durchzuführen, doch ohne bleibendes Ergebnis. 1515 sollte der Konvent von Wesel, anders als derjenige von Kalkar, bei der alten Provinz Saxonia bleiben. Der Ordensmeister Martialis Auribelli hatte 1457 auch versucht, in Zutphen die Reform einzuführen, dies ist jedoch nicht vor der juristischen Selbständigkeit der Kongregation 1464 geglückt35. Die juristische Selbständigkeit kam am 9. Oktober 1464 zustande, als wiederum in Lille / Rijsel, unter dem Ordensmeister Konrad von Asti, die konstituierende Versammlung der Kongregation stattfand. Hierbei waren neben Lille/Rijsel, Gent und Douai/Dowaai aus der Provinz Francia, Rotterdam, ’s-Gravenhage, Haarlem und Kalkar aus der Provinz Saxonia vertreten, sowie das direkt unter dem Ordensmeister stehende Kloster in Brüssel36. Auf der anderen Seite ging Brüssel bereits 1468 an die Provinz Teutonia über; zu der Zeit war Zutphen bereits reformiert und in Zwolle wurde in jenem Jahr ein neues Kloster für die Kongregation errichtet. Besonders im niederländischen Gebiet der Saxonia schloßen sich beinahe alle Klöster früher oder später, mit oder ohne Druck, der neuen Kongregation an; das

|| 31 Wolfs: Observanzbestrebungen (Anm. 29), S. 273 f., 278. 32 Meyer: Congrégation (Anm. 26), S. XXXIII. 33 MOPH 8 (= ACG 3) (Anm. 2), S. 268–279. 34 Prieur, Jutta: Eine Klostergründung mit Hindernissen. Das Kalkarer Dominikanerkloster St. Vinzenz im 15. Jahrhundert, in: Die Dominikaner in Kalkar. Begraben und vergessen?, Kalkar 2013, S. 20–61, besonders S. 41–45. 35 Wolfs, Servatius P.: De invoering van de observantie in het dominicanenklooster te Zutphen (1464–1465), in: Wolfs: Studies (Anm. 20), S. 55–72. 36 Meyer: Congrégation (Anm. 26), S. 3–6.

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Kloster von Zwolle stand nie unter der Jurisdiktion des Provinzials der Saxonia. Innerhalb von fünf Jahren schlossen sich auch außerhalb der Niederlande Klöster aus dieser Provinz der Congregatio Hollandiae an, wie 1468 Magdeburg und um diese Zeit auch Halle, Wismar, Rostock und Tangermünde. Vor allem Magdeburg wurde ein wichtiges studium für die Kongregation. Allmählich wuchs so ihr Umfang. Im heutigen Nederland haben die zur Saxonia gehörenden Konvente von Zierikzee und Winsum am längsten Widerstand geleistet. Der Ordensmeister hatte sogar am 29. November 1512 und auch noch am 4. April 1513 den Anschluß an die Kongregation befohlen37, aber die ab 8. September 1513 in Jena und ab 27. August 1514 in Berlin gehaltenen Provinzkapitel der Saxonia hatten sich noch immer mit Winsum beschäftigt38. Nach Wolfs wurde möglicherweise die natio Hollandiae der natio Frisiae der Sächsischen Provinz zugeschlagen, sodaß der Prior von Zierikzee für die natio Frisiae als Diffinitor auf dem letztgenannten Provinzkapitel auftreten konnte39. Auf dem Territorium der Provinz Francia, dem heutigen Nordwestfrankreich und den belgischen Provinzen West- und Ost-Flandern, gab es große Unterschiede: Gent, Bergues / Sint-Winoksbergen, Lille / Rijsel, Douai / Dowaai und Valenciennes / Valencijn waren seit kürzerer oder längerer Zeit Mitglieder der Holländischen Kongregation; Brugge (Brügge), Ieper (Ypern), Saint Omer / St. Omaars und Arras / Atrecht gehörten 1515 zur Francia. Die Congregatio Hollandiae hatte in großen Teilen Europas eine bedeutende Wirkung, vor allem auf die Provinz Saxonia, in der 1513 vierundzwanzig der neunundfünfzig Konvente zu dieser Kongregation gehörten40. Sie zählte im Ganzen damals mindestens sechsundsechzig Klöster, von den siebzehn (mit Kalkar) in den Niederlanden lagen. Zu ihr gehörte auch der Philosoph und Theologe Alanus de Rupe, der von 1459-1475 in Paris / Parijs, Lille / Rijsel, Douai / Dowaai, Gent und Rostock wirkte; er tat auch viel für die Verbreitung der Rosenkranzfrömmigkeit. Mein erster Eindruck ist, daß die Spannungen bestehen blieben: Prioren wurden wohl häufig, aber nicht immer aus einem Kloster derselben Ausrichtung gewählt; innerhalb der Konvente gab es auch Meinungsverschiedenheiten über den angestrebten Kurs; sogar verschiedene Ordensmeister haben daran mitgewirkt, bestehende Provinzen durch Inkorporierungen von Klöstern in die neue Kongregation zu schwächen. Ob es in den damals bestehenden Strukturen der Saxonia und der Francia tatsächlich so viele Probleme gab, muss erst noch untersucht werden. || 37 MOPH (Anm. 2), Bd. 17 (= Registrum litterarum fr. Thomae de Vio Caietani OP, magistri Ordinis 1508–1513), ed. Albert de Meyer, Rom 1935, S. 305 f. 38 Löhr, Gabriel: Die Kapitel der Provinz Saxonia im Zeitalter der Kirchenspaltung 1513–1540, Vechta [u.a.] 1930 (QF 26), S. 14 und 34. 39 Wolfs: Dominicanenkloosters (Anm. 25), S. 291. 40 Springer, Klaus-Bernward: Die Dominikaner, in: Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und Katholischer Reform 1500–1700, Hrsg. Friedhelm Jürgensmeier, Regina E. Schwerdtfeger, Bd. 2, Münster Wf. 2006 (Katholisches Leben und Kirchenreform 66), S. 9–47, hier S. 15.

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Gab es Druck von oben, aus dem Orden, oder von außen, etwa von weltlichen Herrschern? Manchmal hatten es die Predigerbrüder allerdings auch mit zwei höheren Oberen zu tun: Im Löwener Kloster zum Beispiel mit einem Generalstudium, zu dem viele Studenten aus der Teutonia und aus den Niederlanden kamen, gab es die beiden Vorgesetzten aus der Teutonia und der Congregatio Hollandiae. Das Schwesternkloster von Asperen, auf der Grenze von Teutonia und Saxonia gelegen, war sogar Spielball von drei höheren Oberen. In der Bulle wird der reformierten Richtung, wie sie in der Holländischen Kongregation herrschte, Vorrang gegeben. Die neue Provinz bestand dann fast ganz aus observanten Häusern. Auf den Generalkapiteln nahm die Stimmenzahl der Observanten zu. Damit wurde durch den Aufstieg der Reformbewegung, so die Bulle, dem Klosterleben sein Glanz zurückgegeben. Auf die neue Provinz sollten die Gunsterweise, Privilegien, Exemptionen, Indulte und Vermögen der Kongregation, sowohl in geistlichen als auch in zeitlichen Dingen, übergehen, beides unter Vorbehalt der Ordenskonstitutionen und der Autorität des Ordensmeisters. In der Bulle wird nicht erwähnt, was mit den Klöstern der Holländischen Kongregation außerhalb der Niederlande geschehen sollte.

2.3 Zwei weitere Faktoren: die Infrastruktur und die Sprache Zwei in der Bulle genannte Einflußgrößen spielen ebenfalls eine nicht unwichtige Rolle: die Infrastruktur (Gebiete an den Rändern der bestehenden Provinzen) und die Entwicklung der Sprachen und Mundarten (Idiome). Im ersten Fall geht aus der Bulle hervor, in der Vergangenheit habe es die Ausdehnung der Provinzen mit sich gebracht, daß die Randgebiete nicht mehr angemessen visitiert werden konnten und deshalb auch keine Korrektur möglich gewesen war. Hierbei kann man auch an das Umgekehrte denken: Manche Brüder waren kaum in der Lage, aus den Randgebieten einer so ausgedehnten Provinz zu einem Kapitel zu kommen. Indem eine neue Provinz errichtet wurde, entfiel die Notwendigkeit, zu so entfernten Zielen wie Erfurt oder Rostock zu reisen. Mutatis mutandis galt das auch für die Teutonia und die Francia. Auch die Sprache trägt zu einer neuen Identität bei. Es war wünschenswert, daß sich nicht nur die Brüder gegenseitig austauschen konnten, sondern auch ihre Predigt vom Volk verstanden wurde. Hier gab es im Spätmittelalter verschiedene idiomatische Veränderungen im deutschen Sprachraum, die ich nur äußerst kurz andeuten möchte. Seit etwa 1350 erfuhr das Mittelhochdeutsche rapide und auseinandergehende lautliche Entwicklungen. Während in großen Teilen der Teutonia wie der Saxonia das Mittelhochdeutsche beziehungsweise Mittelsächsische gebräuchlich wurde, waren in den Niederlanden und ihrem Umland eigene Dialekte aus dem Niederfränkischen und Niedersächsischen entstanden. Eine neue Provinz würde also Menschen verbinden, die die Mundart des jeweils anderen ohne Mühe verste-

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hen und sprechen konnten. Am Südwestrand der südlichen Niederlande wurde freilich neben Flämisch auch Französisch gesprochen, aber es gab keine strikte Sprachgrenze wie es heute der Fall ist. Im heutigen deutschen Ostfriesland und im Groninger Umland war das Friesische bereits verschwunden und spielte für die neue Provinzeinteilung keine Rolle mehr41. Vielleicht hat auch die Mundart der Klever Region dazu beigetragen, daß sie zu ‚Nederduytschland‘ zugeschlagen wurde.

3 Umsetzung der Bulle bei den Dominikanern und Dominikanerinnen In der Bulle steht, daß bis zum Amtsantritt des ersten Provinzials die Prioren der Konvente in Gent, Antwerpen, Utrecht und Nijmegen (Nimwegen) einen Provinzvikar bestimmen sollten42. Zuvor sollte die Leitung von dem Vikar der Holländischen Kongregation wahrgenommen werden. Die Prioren vertraten offensichtlich vier auf der Grundlage einer vorherigen Situation geformte nationes: Flandern (neun Klöster, davor zur Francia gehörig und bereits damals oft natio Picardiae genannt), Brabant (fünf Klöster, zuvor Teil der gleichnamigen natio der Teutonia), Holland (fünf Klöster der Saxonia) und Geldern-Friesland (sieben Klöster, ebenfalls zuvor auf dem Territorium der Saxonia)43. Das geschah allerdings nicht so, wie es in der Bulle stand: der Vikar der Holländischen Kongregation, Jacobus de Stella, blieb im Amt und bereits am 29. September 1515 fand in Gent das erste Provinzkapitel statt, wobei der Prior von Gent, ein Professor aus Löwen, und die Prioren von Haarlem und Zwolle die nationes vertraten. Nicht alle Klöster und nicht alle Brüder waren gleichermaßen enthusiastisch. Wohl unterwarfen sich im Norden 1515 oder 1516 die Konvente von Zierikzee und Winsum nach einem vergeblichen Appell an den Papst; aber im Süden führten die Vorschriften der Bulle zu Scherereien in vier Klöstern: Arras, Saint Omer, Ieper (Ypern) und Brugge (Brügge). Wolfs beschreibt die Entwickelungen chronologisch44. Brugge und Ieper gaben ihren Widerstand in den Jahren 1517-1519 auf, Arras und

|| 41 Handbuch des Friesischen / Handbook of Frisian Studies, Hrsg. Horst Haider Munske, Tübingen 2001, besonders Kap. 51–65 (S. 538–670); vgl. auch Hill, Eugen: Einführung in die historische Sprachwissenschaft des Deutschen, Darmstadt 2013. 42 Meyer: Congrégation (Anm 26), S. CII, versteht die Einteilung in ‚nationes‘ nicht, wenn er Utrecht und Maastricht (Trajectum inferior und Trajectum superior) durcheinander bringt. 43 De Mecheleer, Lieve: De orde van de Dominicanen, Brüssel 2000, S. 33, teilt Nimwegen zu unrecht einer ‚Hollandse natio‘ zu, nach einer Erwähnung durch den Nijmwegener Priors muß es ‚natio Gelriae et Frisiae‘ heißen. 44 Wolfs: Acta (Anm. 7), S. XXXV–XXXVIII.

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Saint Omer in 1521. Erst 1522 waren auf dem Kapitel von Haarlem alle Konvente friedlich zusammen und effektiv in die Provinz aufgenommen. Im Jahr 1515 hatten die Dominikanerinnen monasteria (des Zweiten Ordens) und collegia (des Dritten Ordens). Oft war durch den Provinzial oder einen Vikar einer Congregatio – es kann aber auch ein Vikar eines Provinzials gewesen sein – ein Pater als confessionarius (Beichtvater) ernannt worden, manchmal für große Schwesternklöster – wie in Leiden – mit einem socius oder capellanus. Durchgehend war der Pater intern untergebracht. Seine geistliche Ausrichtung spielte oft eine Rolle für die spirituelle Richtung des Klosters. Historisch sicher ist, daß Leiden, Roermond, Tiel-Westroyen und Wijk bij Duurstede sich unmittelbar der neuen Provinz anschlossen. Größere Unsicherheit besteht hinsichtlich Asperen, Burgh in Zeeland (nicht weit von Zierikzee), Reide, zwischen den Brüderkonventen von Norden und Winsum gelegen, und ’s-Hertogenbosch45. Das Dominikanerinnenkloster von Reide wurde oft von Überschwemmungen heimgesucht, die meisten Schwestern flüchteten sich bei diesen Überflutungen nach Jeverland in Ostfriesland. Es ist auch nicht sicher, ob das Kloster von Reide in verkleinerter Form wohl um 1530 zur Germania Inferior gekommen ist, wie De Jonghe behauptet46; Quellen dafür fehlen. 1525 kam ein Dominikanerinnenkloster in Leeuwarden dazu, als eine Nonnengemeinschaft zum Orden übertrat. Im heutigen Belgien gab es 1515 drei Schwesternklöster: Ouderghem, Temse und Engelendale bei Brugge (Brügge). Ouderghem schloß sich unmittelbar der neuen Ordensprovinz an, Temse auch – wurde aber bereits 1518 durch den ersten Provinzial ausgegliedert. Das heute noch bestehende Kloster Engelendale (Brugge) blieb – anders als es bei den Brüdern der Fall war – bis in die fünfziger oder sechziger Jahre jenes Saeculums bei der französischen Provinz47. Die drei im heutigen Nordfrankreich gelegenen Klöster L’Abiette bei Lille / Rijsel, Beaumont bei Valenciennes / Valencijn und La Thieuloie bei Arras / Atrecht waren 1515 nicht reformiert und blieben bei der Francia. Erst 1551 kamen diese Schwesternklöster auch zur Germania Inferior48. Was geschah mit den Klöstern der Congregatio Hollandiae, die außerhalb des Territoriums der neuen Provinz lagen? Am 29. September 1515, auf dem ersten Provinzkapitel in Gent, war die Kongregation noch nicht aufgelöst. Ihr Vikar war noch als solcher im Amt. In Wismar wurde eine Zusammenkunft abgehalten, auf der über die Bedingungen verhandelt wurde, unter denen sie in die mehrheitlich nicht obser|| 45 Für Details: Wolfs, Servatius P.: Middeleeuwse dominicanessenkloosters in Nederland, Assen 1988. 46 Historische beschryvinghe der cloosters van het order van den H. Dominicus, geschreven in’t jaer 1715 door Pater Bernardus de Jonghe, predikheer, ed. Ambrosius M. Bogaerts, Brüssel 1965 (Bouwstoffen voor de geschiedenis der Dominikanen in de Nederlanden 1), S. 173. 47 Wolfs: Acta (Anm. 7), S. XL, spricht von 1551, De Mecheleer, Lieve: De orde van de Dominicanessen, Brüssel 2001, S. 69 f.: vermutlich 1566. 48 Wolfs: Acta (Anm. 7), S. XL, korrigiert hiermit Meyer: Congrégation (Anm. 26), S. CI.

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vante Provinz Saxonia aufgenommen werden könnten. Rostock und Pasewalk würden auf jeden Fall mitziehen. Es gelang dem Ordensmeister Kajetan am 5. Februar 1517, alle reformierten Klöster wieder in die Provinz Saxonia einzufügen. Neben dem Provinzial wurde Cornelius von Sneeck, Prior in Rostock, als besonderer Vikar für die Observanten in der Provinz Saxonia eingesetzt. Damit waren alle deutschsprachigen Mitglieder der Kongregation wieder in einer allgemeinen Ordensprovinz untergebracht und auch die Eigenständigkeit der Holländischen Kongregation beendet worden.

4 Schlußbetrachtung Fürstliche Kirchenpolitik ging 1515 zusammen mit einem Versuch, einen Richtungsstreit im Dominikanerorden zu beenden. Mit dem Regierungsantritt von Karl V. und seinen Zentralisierungsbestrebungen für die Verwaltung der Niederlande – ein früher Schritt auf den späteren ‚Nationalstaat‘ hin – hängt die damalige Kirchenpolitik dieses und anderer Fürsten zusammen. Sowohl die Könige von Frankreich als auch die Habsburger wollten die Kirche kontrollieren und duldeten keine ausländischen Oberen für Klöster in ihren Herrschaftsgebieten. Diese letzte Feststellung gilt mir (G.B) als ‚Sitz im Leben‘ dieser Bulle. Auf Anfrage des Hofes von Karl V. gab der Papst – er war immerhin damals derjenige, der letztendlich zustimmen mußte – dem Ordensmeister und dem Orden die Erlaubnis, eine neue Provinz zu errichten. Wenn man die Liste der Klöster in der Bulle in Augenschein nimmt, fällt auf, daß darin auch Klöster in Regionen enthalten waren, in denen Karl V. (noch) nicht regierte. Der Vikar der Holländischen Kongregation war auch der Obere in verschiedenen (Landes-) Herrschaften ausserhalb der Niederlande. Durch das Aufkommen der Burgundischen und der Habsburger Herrscher gab es in den Niederlanden große politische Entwicklungen; Fürsten und die Dominikaner selbst haben für eine neue Ordnung der Ordensangelegenheiten im ‚Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation‘ gesorgt. Nach 1517, dem Jahr, in dem angeblich Luther seine Thesen an die Tür der Wittenberger Schloßkirche anschlug, waren kirchliche Neueinteilungen in den Niederlanden, bei denen auch der weltliche Herrscher die Initiative ergriff, vor allem auf die Bekämpfung der Reformation ausgerichtet, so bei den Augustiner-Eremiten (1522)49 und den Franziskanern (1529)50, die ihre Ordensprovinz Germania Inferior anpaßten. Einige Jahrzehnte später fasste Philipp II. den Plan zur Neuordnung von

|| 49 Fühner: Religionspolitik (Anm. 12), S. 159. 50 Kok, Johannes A. de: Acht eeuwen minderbroeders in Nederland. Een oriëntatie, Hilversum 2007, S. 113–119.

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Bistümern (1559) mit drei neuen Kirchenprovinzen: Mechelen, Utrecht und Cambrai / Kamerijk51. Damals wurde auch die Kölner Kirchenprovinz grundlegend verändert und an die neue politische Lage angepaßt. Bei den Predigerbrüdern ist der Name Germania Inferior über den Westfälischen Frieden von 1648 hinaus bis zum heutigen Nederland nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten geblieben; erst 1946 ist der Name – aus übrigens verständlichen Gründen – in Provincia Neerlandia geändert worden. Die heutige Ordensprovinz in Nederland ist die Fortsetzung der Provinz, die am 2. Juli 1515 begründet wurde. Freilich war das Territorium damals größer als heute. Die Rückkehr einiger Klöster zur Provinz Francia 1680 und die Aufteilung in getrennte Ordensprovinzen in Nederland und Belgien 1859/1860 haben zusammen mit dem Verlust des Klosters von Kalkar 1802 die neue Provinz auf das heutige Nederland reduziert. Ordenshistoriker wie de Meyer und Wolfs tendieren dazu, die Entwicklungen von 1515 primär als eine Ordensangelegenheit zu sehen, zu der die weltlichen Herrscher nur ein kleines Steinchen beigetragen hätten. Wolfs versteht die neue Provinz als Fortsetzung der Holländischen Kongregation – aus dem Blickwinkel der Orden ist das richtig. Wenn wir aber auf das achten, was ich (G.B.) den ‚Sitz im Leben‘ nenne, meine ich, daß die Bulle zumindest ebenso sehr als politischer Akt verstanden werden muß. Bisher wurde die Frage noch gar nicht behandelt, wie weit der Druck durch Fürsten und Ordensobere möglicherweise gerechtfertigt gewesen war. Während Historiker und Historikerinnen eher Sympathie für die reformierte oder observante Richtung durchscheinen lassen, drängt sich die Frage auf, wie es bei den wohlmeinenden Provinzialen und Klosterbrüdern der alten Ordensprovinzen aussah? Waren die Nicht-Observanten wirklich so schlechte Predigerbrüder? Das Jahr 1515 ist in organisatorischer und in spiritueller Hinsicht für den Dominikanerorden im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation das definitive Ende des Mittelalters. Einzigartig für die Dominikaner war es, daß es im Gebiet zwischen Arras/ Atrecht und Winsum zu einem bleibenden Bruch zwischen den reformierten und den nicht-observanten Klöstern mit einer neuen Ordensprovinz von hauptsächlich observanter Prägung kam. Damit war auch die Möglichkeit eröffnet, um in kurzer Zeit im Rest der Provinz Saxonia zu einer größeren Einheit zwischen der bestehenden Ordensprovinz und der Holländischen Kongregation zu gelangen.

|| 51 Dierickx, Michel: De oprichting der nieuwe bisdommen in de Nederlanden onder Filips II, 15591570, Antwerpen 1950.

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Abb. 1: Papst Leo X. errichtet mit der Bulle „Decet Romanum Pontificem” am 2. Juli 1515 die niederländische Dominikaner-Provinz, Archivio segreto Vaticano, Arm. XL 3, fol. 11v. © Archivio Segreto Vaticano

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Anhang: Decet romanum pontificem Bulle Papst Leos X. zur Errichtung der Ordensprovinz Germania Inferior Die Transkription erfolgte anhand von Reproduktionen der Handschrift Archivio Segreto Vaticano (ASV), Brev. tom. 3 = Arm. XL, 3, fol. 11r-12r, verzeichnet in: Leonis X. Pontificis Maximi regesta: gloriosis auspiciis Leonis XIII. feliciter regnantis e tabularii vaticani manuscriptis voluminibus aliisque monumentis, adjuvantibus tum eidem archivio addictis tum aliis eruditis viris collegit et edidit Jos. [Joseph] Hergenroether, Bd. 2, Freiburg Br. 1884–1891, S. 129, Nr. 16253. Der hier wiedergegebene Text ist ein Lesetext, keine vollständige diplomatische Edition, auch wenn er möglichst weitgehend dem Grundtext angenähert ist. Die Handschrift trägt alle typischen Kennzeichen einer Minute (Urschrift) aus der päpstlichen Kanzlei. Einige der Richtlinien dieser Transkription sind: – Die durch Löcher und Falze im Papier unlesbaren Textteile sind ergänzt durch einen Abgleich mit dem Bullarium Fratrum Ordinis Praedicatorum, ed. Thomas Ripoll & Antoninus Brémond, Bd. 4, Romae 1732, S. 323–325. Das wurde in der Transkription durch vermerkt. Auf diese Weise kommen wir dem Original so nahe wie möglich. Wichtige Abweichungen des Drucks von 1732 (Version B) von der Handschrift von 1515 (Version A) sind in den Fußnoten vermerkt. – Bei der Orthographie der sechsundzwanzig lateinischen Ortsnamen wird dem Grundtext A gefolgt; in Version B finden sich nur kleine Veränderungen. Lediglich bei ‚Winsum‘ wird auch Version B in den Fußnoten wiedergegeben, um Verwechslungen vorzubeugen. – Durchstreichungen in der Version A werden in der Transkription nicht wiedergegeben. – Abkürzungen werden zumeist aufgelöst, was aber nicht kursiv gesetzt ist. – Personennamen und topographische Namen beginnen, wo nötig, mit einem Großbuchstaben. – Einige Absätze und Satzzeichen sind hinzugefügt worden, um die Lesbarkeit zu verbessern, allerdings nicht so ausführlich wie in der Edition von 1732, wo das recht störend wirkt. – ,ij‘ ist in ‚ii‘ aufgelöst. Weiterhin ist der Schreiber von A nicht immer konsequent, besonders bei ‚i‘ und ‚y‘. Es findet sich auch ‚e‘ wo mensch heute ‚ae‘ erwarten würde – es sei denn, daß in der Handschrift selbst ‚ae‘ steht. Soweit es nicht in einer Fußnote angemerkt wird, ist der nicht ‚normalisierte‘ Originaltext wiedergegeben.

Leo Papa X

Decet Romanum Pontificem 5

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Dilectis filiis Magistro Generali1 et fratribus universis2 ordinis Praedicatorum salutem et apostolicam benedictionem: Decet Romanum Pontificem, cui dominici gregis universalis cura commissa est, his3 intendere, quibus profectui ac statui religiosarum personarum, earum presertim que verbo et exemplo animarum saluti insistunt, consulitur, maxime si id fiat non solum pacis ac religionis zelo, sed etiam clarissimorum hominum pia et sincera4 intercessione. Sane his diebus dilectus filius, nobilis vir Carolus, princeps Hispaniarum, archidux Austriae etc.5, nobis exponi fecit, plerasque domos ordinis Praedicatorum in terris sibi subiectis, cum maiorum suorum diligentia atque cura per legitimam superiorum auctoritatem a iurisdictione priorum Provincialium exemptae fuissent, unamque Hollandiae congregationem constituissent, plurimum in vitae regularis observantia profecisse ita ut etiam aliae quaedam eiusdem ordinis domus extra terras dicti principis constitutae, tanta religione allectae, cum prioribus in eadem congregatione unirentur et cum domus huiusmodi aepissime a prioribus Provincialibus, quorum in provinciis existunt, propter talem exemptionem fuerint molestatae, vetur talis molestia cessatura, si ex eisdem domibus nova provincia constitueretur. Quae si etiam alia illic vicinas et in eodem idioma dominioque convenientes complecteretur: et iustum domorum numerum ad constituendam provinciam esset habitura, et domus ipsae facilius libentiusque in his que sunt religionis mutuo sese iuvarent. Ad haec dilectus filius noster Nicolaus tituli S. Priscae S.R.E. Cardinalis de Flisco vestri ordinis protector, cui etiam de hac re idem princeps, ut accepimus, scripsit, sinando adiunxit: huius novae provinciae constitutionem, si modo praedicto fiat, fore, nedum quoad dictarum domorum ex idiomatis ac temporalis dominii ua