Die deutsche Religionsphilosophie und ihre Bedeutung für die Theologie der Gegenwart: Eine Einleitungsvorlesung 9783111681085, 9783111294711


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Die deutsche Religionsphilosophie
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Die deutsche Religionsphilosophie und ihre Bedeutung für die Theologie der Gegenwart: Eine Einleitungsvorlesung
 9783111681085, 9783111294711

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und ihre Bedeutung für die

Theologie -er Gegenwart.

IS i ii e E i n l e i t >i 11 g s v o v l e f >i >i g von

Dr. Otto psieiderer, 'Dirs. r.

i» Berlin.

Berlitt, l£nuf und Bering von

1875.

e ev g Reimer.

t

^Fch habe zum Gegenstand meiner ersten öffentlichen Vorle­ sung an dieser Hochschule „die Entwicklung der deutschen Religions­ philosophie" gewählt aus einem doppelten Grunde, einem besonderen und einem allgemeinen. Gestatten Sie mir, zunächst in einigen per­ sönlichen Bemerkungen von dem besondern Grunde zu sprechen. Ich wollte für mein eigenes künftiges Wirken an dieser Stätte der Wissenschaft als leitende unb schirmende Genien die Geister der Männer anrufen, deren Namen mit der Geschichte dieser Hochschule unzertrennlich verknüpft sind, eines Fichte und Schleiermacher, eines Schelling und Hegel.

Sind es doch die­

selben Geistesheroen, zu denen ich als Jüngling schon aufge­ schaut habe als zu den Leitsterne»! und Idealen meines eigenen wissenschaftlichen Strebens, und zu denen ich im Verlauf der Jahre und Studien immer wieder aus aller Beschäftigung mit historischen Positivitäten am liebsten zurückgekehrt bin,

um in»

reinen Aether ihres Denkens das Auge mir zu klären und die Seele zu weiten!

Der Glanz dieser erhabenen Gestalten hatte

aber a»»ch von jeher meine Vorstelülng von der Berliner Hoch­ schule mit einem idealen Nimbus umkleidet (— ein Nimbus, der zu meiner Entschließung, hieher überzusiedeln, vielleicht mehr, als einem so ganz idealen Motiv Zustände, mitgetvirkt hat).

Ich

hatte nehmlich meine ersten Vorstellungen dieser Hochschule aus den begeisterten Schilderungen jener Aelteren unter meinen Lands­ leuten geschöpft, die einst als wissensdurstige Jünglinge nach Berlin

4 gepilgert kamen, um zu den Füßen eines Schleiermacher und Hegel sich das höhere wissenschaftliche Bewußtsein erschließen zu lassen. Freilich, diese Zeiten sind dahin! feindlichen Zeitströmung

und

die

falsche

Die Ungunst einer Gunst

kurzsichtiger

Freunde und Gönner hat in den letzten Decennien gerade die idealsten Wissenschaften, Theologie und Philosophie, am schwersten an Kraft und Ansehen geschädigt.

Aber wie schmerzlich wir auch

diesen Contrast des Sonst und Jetzt empfinden mögen, ferne sei es von uns, darum den Muth sinken zu lassen! hebräischen Propheten

Wie die

„in den Tagen der geringen Dinge"

ihres Volkes sich im Geist in die herrliche Vorzeit des Davi­ dischen Königthums zurückversetzten und aus dieser Anschauung die Hoffnung auf Wiederkehr besserer Tage schöpften: so wüßte ich auch für uns in diesen Tagen der geringen Dinge unserer idealen Wissenschaft kein besseres Trost- und Stärkungsmittel, als das Aufschauen zu den großen Vorkämpfern und Bahn­ brechern unserer Wissenschaft, das immer erneute und immer tiefere Hinabsteigen in die Geistesschachte, aus welchen jene ihr Gold gruben, das unermüdliche Durcharbeiten und Durchläutern der edlen Schätze, die sie uns hinterlassen haben, hinterlassen nicht als trägen Besitz, sondern als Pfund, mit dem wir wuchern sollen.

Wie sehr man auch die verschiedenartigen Versuche und

Bestrebungen der neusten Zeit, dem Nothstand der Kirche und Theologie abzuhelfen, freudig begrüßen und mit lebhafter Theil­ nahme begleiten mag, doch will es mir scheinen, als hätten alle die andern Mittel zu diesem Zweck, also namentlich auch alle die wohlgemeinten Verfassungsbestrebungen auf kirchenpoli­ tischem Gebiet, nur sekundäre Bedeutung,

und sei die

einzige durchschlagende Wirkung nur davon zu erwar­ te», daß die theologische Wissenschaft sich verjünge.

Verjüngen aber wird sie sich nur dann, wenn sie wieder an­ knüpft an die Religionsphilosophie der letzten Jahrzehnte des vorigen und der ersten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts; wenn sie von ihr wieder lernt,

scharf und klar, frei und weit zu

denken, von den Umstrickungen unwissenschaftlicher Voraussetz­ ungen sich loszumachen und die Probleme, die sie 31t behandeln hat, nicht bloß mit äußerlichem Raisonnement, spielend und tastend gleichsam hin und her zu wälzen, sondern mit mannhafter Ent­ schlossenheit prinzipiell bis auf den Grund durchzudenken; wenn sie dabei die Fehler jener älteren Religionsphilosophie, durch die fehlgehenden Cousegueuzen gewitzigt, vorsichtig vermeidet und das reiche Ergebniß exakt historischer Forschung, das wir jetzt vor unsern Vätern voraus haben, als Stoff wie als Regulativ für den philosophischen Gedanken verwerthet. Ich weiß freilich sehr wohl, daß gerade dieses Heilmittel in unserer Zeit nur wenig und bei Wenigen in Credit steht, daß die große Mehrzahl von Freund und Feind mir meine so­ eben ausgesprochene Ueberzeugung als individuelle Liebhaberei wo

nicht Idiosynkrasie

damit Recht,

anrechnen wird.

Und

sie hätten' ja

wenn die deutsche Religionsphilosophie wirklich

nur das wäre, wofür sie jetzt so vielfach gilt: ein willkührlicher Versuch Einzelner,

Undenkbares zu denken,

ein leeres Hirn­

gespinst müßiger Köpfe oder auch eine schöne Dichtung träumender Phantasie.

Aber, meine Herren, das ist eine arge Verkennung

dessen, was die deutsche Religionsphilosophie ist und zu bedeuten hat.

Ich meine vielmehr — und dies ist der allgemeine Grund,

der mich bestimmte, sie Ihnen hier vorzutragen — daß sie nichts Geringeres sei, als die Quintessenz des deutschen Protestantismus auf theoretischem Gebiet, die legitime Tochter der deutschen Refor­ mation, die Erbin und Mehrerin der idealen Geistesgüter, welche

6

unser Volk Jahrhunderte lang mit seinem Herzblut erkaufen mußte. Den Beweis dessen wird diese ganze Vorlesung das Semester über im Detail zu geben haben. Heute erlauben Sie mir nur, einige einleitende Andeutungen zur allgemeinen Orientirung über die Bedeutung des Stoffes dieser Vorlesung vorauszuschicken. Wie bei der deutschen Reformation von Anfang sich zwei Seiten unterscheiden lassen: das protestantisch-kritische und das evangelisch-mystische Element, die in ihrem ebenmäßigen Gleich­ gewicht und wechselseitigen Sichbinden und Fördern eben den eigenthümlicheil Charakter der deutschen Reformation ausmachten, so ist es auch das specifische Merkmal der deutschen Religions­ philosophie, daß Kritik und Speculation, Auflösen und Aufbauen bei ihr stets Hand in Hand gehen, eines das andere fordernd und fördernd. Und zwar setzt diese Religionsphilosophie nach diesen ihren beiden Seiten gerade da ein, wo die Reformation ihr Werk unvollendet stehen ließ. Die Reformatioir hatte ihre protestireilde Kritik gegen Sitte mtb Glauben des mittelalterlich­ römischen Christenthums gekehrt; aber schon vor den altkirch­ lichen Dogmen, noch entschiedener vor dem Buchstaben der Schrift hatte sie Halt gemacht. Eben hier war es, wo Lessing's scharfsinnige Kritik deil Hebel ansetzte. Indem er unterscheiden lehrte zwischeil Buchstaben und Geist der Schrift, zwischen Bibel und Religion und zwischen dem zufällig Geschichtlichen und dem ewig Vernünftigen am Christenthum, hat er die Reformation nach ihrer negativen, protestantisch-kritischen Seite vollendet und das deutsche Gewissen von dem unerträglichen Joch des Buch­ stabens befreit, ohne ihm doch in frivolem Skepticismus den festen Halt ewiger religiös-sittlicher Ideen zu rauben.' Die lutherische Reformation hatte ferner in ihren Lehren von „Glauben

7 und Werken", von „Rechtfertigung und Heiligung" die innige Verbundenheit von Frömmigkeit und Sittlichkeit auszudrücken gesucht, aber sie hatte es in der dogmatischen Formulirung dieser Lehren in der Weise versehen, daß der sittliche Geist ernstlich in seiner Reinheit und Freiheit gefährdet erschien.

Das war

wieder der Punkt, wo Kant's Kritik ansetzte: sie zerstörte allen Dogmatismus, metaphysischen wie kirchlichen, sie wies alles leere, von der sittlichen Idee nicht durchdrungene und nicht durchdringbare Glauben als eitlen Wahnglauben auf, aber sie that dies doch nur zu dem Ende, um dafür gut protestantisch den Menschen in die Tiefe seines eigenen Gewissens hinabzuführen und ihm hier den unbeweg­ lichen Punkt zu zeigen, von dem aus die Welt der Geister 511 bewegen und an die Stelle der zerstörten Traumwelt einer kindliche» Phan­ tasie eine festere Welt idealer sittlicher Lebensordnung aufzubauen sei. Sie sehen, die Kritik, mit welcher die deutsche Religions­ philosophie anhob und ohne welche es weder eine philosophische noch auch eine theologische Wissenschaft geben kann, diese Krink ist mit Nichten eine willkührliche Erfindung modernen Vorwitzes, sondern sie ist die ehrliche und ernstliche Fortsetzung der- pro­ testantischen. Polemik,

ohne welche

es ja

gar nie zu

einer

Reformation gekommen wäre; sie ist so alt, als der Prote­ stantismus selber, und so wird sie wohl auch mit ihm stehen oder fallen.

Darum wollen wir uns nur ja nie bange machen

oder geniren lassen durch das jetzt zur Mode gewordene ärm­ liche Gerede von der „zersetzenden Kritik", der „ungläubigen Kritik", der „gottlosen Kritik"! Die so reden, wissen nicht, was sjx thun; wissen nicht, daß siegln Wahrheit dem Mutterschoß fluchen,

der ihre Kirche geboren hat,

den heiligen Geist der

Wahrheit lästern, der ihre Kirche allein zu erhalten vermag! „Zersetzend" — ja freilich ist das die Kritik und muß es sein,

8 aber nur so, wie das Feuer des Schmelzofens es sein muß, um aus den Schlacken das lautere Gold zu gewinnen;

„un­

gläubig" — ja freilich ist sie das, aber nur so, wie auch die Reformatoren es waren gegenüber dem officiellen Aberglauben des scholastisch-hierarchischen Systems, und wie Jesus selber es war gegenüber der pharisäischen Bolksreligiou; „gottlos" — ja freilich ist sie das in demselben Sinn, in welchem einst die Christen so gescholten wurden von den Heide», weil sie sich nicht vor deren Götzen beugten;

denn allerdings kann und darf sich

die gewissenhafte Wissenschaft nicht beugen vor den Abgöttern der Welt, vor dem trägen Wahn und dem leidenschaftlichen Borurtheil, vor der kleinmüthigen Furcht und dem selbstischen Interesse;

sie glaubt nicht an den Gott dieser Welt, der die

Sinne der wahrhaft Ungläubigen gefangen hälb (2 Cor. 4, 4), weil sie wahrhaft glaubt an den Herrn, der der Geist ist, und dessen Geist Freiheit ist (3, 17.)! Dieß Glauben im wahrhaft geistigen Sinn, diese positive Kehrseite zur Kritik, dieß Aufbauen »eben dem Auflösen findet sich wiederum in der deutschen Religionsphilosophie ganz eben­ sogut, wie in der deutschen Reformation, und zwar wiederum in augenscheinlichem Zusammenhang mit den Grundideen der letzter».

Beim Zusammenbruch der mittelalterlichen Welt, ihres

scholastischen

Wahns und

unsere Väter ihren

ihres

festen Anker

hierarchischen Trugs, hatten gefunden in dem

einfachen

evangelischen Herzensglauben, der nach Luther's tiefsinnigem Worte „nichts anderes ist als das rechte, wahrhaftige Leben in Gott", eine Erhebung des ganzen Menschen über die Endlichkeit mit ihren schmerzlichen Disharmoniee», ihrem Irren und Fehlen, zum Gefühl seliger Beruhigung,

zur Kraft heiligen Wollens,

zur Anschauung ewiger Wahrheit,

Alles zumal und in Einem.

9 Und eben das ist der Weg, den unsere Religionsphilosophen weiter verfolgten.

Dem scholastischen Scheinwissen eines neuen

Dogmatismus und seiner fadenscheinig sophistischen Apologetik setzte ein Lessing entgegen „den Beweis des Geistes und der Kraft" und verstand darunter das „in seinem Glauben sich so selig fühlende" Gemüth des Frommen und „die Reinheit des Herzens, die uns die Tugend um ihrer selbst willen zu lieben fähig macht;"

Gottergebenheit und Menschenliebe aus reinem

Herzen — das ist ihm der einzige Probirstein für die Echtheit der streitenden Religionen, das also ist ihm das wahre Wesen der Religio».

Kant hat dasselbe noch ansschließlicher in der

Reinheit der moralischen Gesinnung gefunden; Jakobi, Fries, Schleiermacher vornehmlich in der Lebendigkeit und Innigkeit des unmittelbaren Gefühls einer Abhängigkeit von Gott, einer Verbundenheit und Lebensgemeinschaft mit Gott; die spekulative Religionsphilosophie eines Schelling und Hegel aber fand den Kern der Religion in der Vertiefung des denkenden Geistes zur Erfassung der höchsten ewigen Wahrheit,

zur Anschauung

der Gegenwart des unendlichen Geistes als der ordnenden Ver­ nunft und allversöhnenden Harmonie in der Welt der Endlichkeit und der Widersprüche.

Das Gemeinsame, was allen diesen

Religionstheorieen zu Grunde liegt,

ist es nicht offenbar eben

jener Kerngedanke des Luther'schen Tiefsinns,

daß der Glaube

unser Leben in Gott und Gottes Leben in uns sei?

Wenn der

Eine dies Jn-Gott-leben im reinen Willen, der Andere im be­ seligten Gefühl, der Dritte im begreifenden Denken findet, — sind damit nicht eben nur die verschiedenen Momente des posiriven reformatorischen Prinzips auseinandergelegt in ebensoviele prinzipielle Ansichten vom Wesen der Religion, die eben damit, daß sie je eine besondere Seite in den Vordergrund stellen und

10 gründlich analysiren,

sich gegenseitig zur schönsten Ergänzung

dienen und zusammengenommen die denkbar reichste Entfaltung des religiösen Geistes darstellen? Indeß finden sich

diese verschiedenen Anschauungsweisen

auch schon von Anfang beisammen in der Geistesrichtung des­ jenigen unter unseren klassischen Meistern, der an Vielseitigkeit Alle übertraf, an Tiefsinn Keinem nachstand, an plastischer Ge­ staltungskraft seiner Ideen den Besten es gleichthat, und nur an dialektischer und kritischer Schärfe hinter einem Lessing und Kant zurückstand: ich meine Herder.

Man hat Lessing schon

den Luther des 18. Jahrhunderts genannt; nicht ganz mit Recht; es überwog bei ihm zu sehr die kritische Schärfe über die in­ tuitive Kraft; aber nehmen wir Lessing und Herder zusammen: — ja, die Beiden sind allerdings der Luther des 18. Jahr­ hunderts, ebenso wie Schiller und Göthe zusammen der Shake­ speare unserer Epoche sind.

Herder hat selbst kein System ge­

bildet und e6' ist nicht leicht, seine Philosophie in einer kurzen Skizze zu zeichnen *); aber ich glaube, es wäre wohl ohne ihn das eine und andere System nicht erdacht worden.

Die Auf­

fassung der Natur als der Entwickelungsgeschichte der sich bil­ denden und organisirenden Kraft und Vorstufe der Menschheits­ geschichte, dieser Grundgedanke der Schelling'scheu Naturphilo­ sophie hat seine Wurzeln in Herder.

Nicht minder auch die

Hegel'sche Betrachtung der Geschichte als des Prozesses der in Vermittlung nnd Ueberwindung aller einseitig partikulären Stre­ bungen sich selbst behauptenden und verwirklichenden absoluten Vernunft und vernünftigen Freiheit.

Speziell die Religions-

*) Ich habe dieselbe nach ihrem.gegensätzlichen Verhältniß zur Kant'scheu Philosophie zu schildern versucht in einem Aufsatz des eben erschienenen Heftes 4. der „Jahrb. für Protest. Theol."

11

Philosophie aber verdankt Herder die Erweiterung ihres Hori­ zonts auf das ganze große Gebiet menschheitlicher Religion, von ihren niedersten naturwüchsigsten Stufen und Formen an bis zur höchsten, der christlichen; sie verdankt ihm die Entdeckung jener Tiefen des Unbewußten, in welchen der doppelte Born der Religion und der Dichtung zumal geheimnißvoll entspringt, jenes naturwüchsig dichtenden Volksgenius, der die tiefsinnigsten Ahnungen des Uebersinnlichen in die einfältigsten Bilder aus der Sinnenwelt einkleidet, kurz sie verdankt ihm das Verständ­ niß der naiv shmbolisirenden und personificirenden Phantasie­ thätigkeit oder der Mythologie, womit ein für allemal einer der wichtigsten Schlüssel für so manche Probleme der Religions­ wissenschaft überhaupt und auch der christlichen Theologie im Besondern gefunden war. Auch auf den Zusammenhang der Religions- und Sprachbildung, woraus die neueste Religions­ wissenschaft so viele fruchtbare Aufschlüsse über älteste Religions­ geschichte zu gewinnen wußte, hat Herder zuerst mit Bestimmt­ heit hingewiesen. Ist er mit all dem der unmittelbare Vor­ gänger der speculativen, in Schelling'S und Hegel's Schule-ge­ pflegten Religionsphilosophie gewesen, so hat er andererseits zugleich die von jener Schule zurückgestellte praktische Seite der Religion, die Motive des empfindenden und wollenden Gemüths in einer Weise betont und zur Erklärung der religiösen Phänomene beigezogen, daß man ihn nach dieser Seite als Vorgänger der Ge­ fühls- und Glaubensphilosophen betrachten kann; so mag auch seine Ansicht von Christo, „dem Sohn Gottes tmfc Weltheiland" als nächstes Vorbild der Schleiermacher'schen Christologie gelten. Lessing und Herder, die beiden ältesten unserer großen Dichter und Denker, eröffnen also auch den Reigen der deutschen Religionsphilosophen; — ein verheißungsvolles Zeichen dafür,

12 daß

zwischen

echter

protestantischer Religionswissenschaft und

echter klassischer Bildung kein Zwiespalt bestehen kann!

Doch

eben dies, daß jene Männer mehr Dichter als Systematiker waren, machte ihre direkte Einwirkung auf die Schule und schul­ mäßige Pflege unserer Wissenschaft verhältnißmäßig sehr klein. Die Impulse, die sie gegeben, mußten erst mehr systematisch verarbeitet sein, um einen nachhaltigen Umschwung der Reli­ gionswissenschaft hervorzubringen.

Lessing's Kritik mußte erst

im Kant'scheu Kriticismus ihre systematische Begründung fin­ den,

um dann bei Schleiermacher zur völligen Resorption

alles

transscendenten Dogmatismus in

frommen Selbstbewußtseins zu führen.

die Innerlichkeit des Und Herder'S Ideen

mußten in Schelling'S und Hegel's Schule erst in schulge­ rechte Begriffe und Formeln umgegossen werden-

um sich zu

handlichem Material eines spekulativen Neubaues zu eignen. In mehr

als

einer Hinsicht kann man in Schleier-

macher's und Hegel's Religionsphilosophie eine höhere und reichere Entwicklung der Standpunkte und Geistesrichtungen von Lessing und Herder erblicken.

Auch hier das Ueberwiegen

des scheidende» Verstandes auf der einen, des zusammenschanenden Tiefblicks auf der andern Seite; Schleiermacher geht, wie Lessing, aus von der scharfen Unterscheidung zwischen der Religion als dem unmittelbaren frommen Leben und Fühlen und der Reli­ gionslehre als der reflektirten Theorie, dem dogmatischen oder philosophischen

Wissenschaftssystem,

eine

Unterscheidung,

die

Beide wohl auch bis zum Gegensatz von Glauben und Wissen überhaupt spannen; Hegel dagegen drängt, wie Herder, so über­ wiegend auf Versöhnung dieses Gegensatzes und Einheit des ganzen Geisteslebens, daß darüber auch der specifische Unter­ schied jener beiden Geistesthätigkeiten fast verwischt oder doch

zu einem bloß formalen herabgesetzt wird, nicht ohne empfind­ liche Schädigung der reinen Eigenartigkeit sowohl des Glaubens als des Wissens.

Bei Schleiermacher wie bei Lessing die un­

vergleichliche Kunst, das Gewebe dogmatischer Vorurtheile und Ueberlieferungen in seine letzten Fasern aufzulösen und 51t zer­ reiben; dagegen bei Hegel wie bei Herder vielmehr die Fähig­ keit, die eigene Subjektivität zu entäüßern an das Objekt, sich in den historisch gegebenen Stoff so hinein zu versetzen, daß der­ selbe seine spröde Fremdheit für den Betrachter verliert und seinen innersten Geist ihm ausschließt, die Fähigkeit also, aus dem eigenen Geist der Geschichte heraus ihre Produkte zu be­ greifen (mb aus ihrem Werden ihr Wesen, aus ihrer inneren historischen Dialektik ihre absolute Bedeutung und bleibende Idee zu erkennen.

Daher dann aber auch bei Schleiermacher wie

bei Lessing ein gewisser Hang zu souveränem, skeptischem Spielen mit dem Objekt, das gar leicht entweder zu Berzicht auf objek­ tive Erkenntniß führt (bekannt ist das Lessing'sche Wort, daß das stete Suchen der Wahrheit dem Besitzen derselben vorzuziehen sei), oder dann zuletzt einen Halt sucht durch Berufung auf -rein subjektive Instanzen, wie Gefühlspostulate (was Schleiermacher z. B. im entscheidenden Punkt seiner Dogmatik, in der Christo­ logie, thut).

Bei Hegel dagegen wie bei Herder vielmehr die

entgegengesetzte Neigung, aus Respekt vor der objektiven Ver­ nunft der Geschichte es mit der verständigen Kritik zu leicht zu nehmen und das geschichtlich Ueberkommene unmittelbar auch schon als solches für das wahrhaft Vernünftige zu halten, also es kritiklos )U konserviren und zu restauriren.

Eben darum nun, weil auch

bei diesem jüngeren Dioskurenpaar, wie bei jenem älteren, die Stärke und die Schwäche eines Jeden auf entgegengesetzter Seite liegen, so sind auch sic bestimmt, einander'gegenseitig zu ergänzen.

14

In der That lehrt der weitere Fortgang der Geschichte der Re­ ligionsphilosophie, daß jede der beiden Schulen in demselben Maße mehr auf Abwege gerieth, in welchem sie das Recht der andern ignorirte, daß dagegen die Wissenschaft überall da am meisten För­ derung erfuhr, wo man von beiden Seiten zu lernen bestrebt war. Weil Schleiermacher die Unabhängigkeit des unmittelbaren religiösen Gefühls vom Wissen und von WissensshstemeN proklamirt hatte, so acccptirten dieß Viele seiner Schüler utiliter als Freibrief dafür, daß sie auch bei der theologischen Behand­ lung der Religion und des Christenthums nach den Gesetzen der Wissenschaft nichts mehr zu fragen brauchen, und so kam aus der Schule des verstandesscharfsten Theologen jene, „Pektoraltheologie" auf, die mit einer bisher in der Geschichte der Theologie imerhörten Ungenirtheit die Unterdrückung deS Ver­ standes unter die absoluten Machtgebote der subjektiven Gefühle zum Prinzip machte. Mit vollem Recht erhob die Hegel'sche Schule gegen diesen Terrorismus des subjektiven Gefühls ener­ gischen Protest zu Gunsten der objektiven Vernunft. Aber wenn man nun ihrerseits diese „Vernunft" in dunstigen Gebilden aus den abgezogensten Categorieen und aus phantastischen Mythologieen zu konstruiren unternahm, oder auch in dem scholastisch und sophistisch restaurirten kirchlichen Dogma die wahre Ver­ nunft zu finden meinte, so mochte man wohl billig fragen, ob hiebei die wirkliche Vernunft nicht aus dem Regen in die Traufe gekommen sei? Doch auch abgesehen von derartigen äußersten Excessen haftete der Hegel'schen Religionsphilosophie immer die Neigung zu einseitig intellektualistischer Auffasstmg der Religion an; sie nahm die Allssagen des religiösen Bewußtseins meistens zu unmittelbar als Sätze von theoretischem Werth und von meta­ physischer Bedeutung lind erschwerte sich dadurch auch in ihren

besonnensten und solidesten Arbeiten das feinere exakte Verständ­ niß der letzten religionspsychologischen Motive und Prozesse im religiösen Subjekt.

Dieser Mangel findet seine natürlichste

Korrektur von Seiten der Schleiermacher'schen Religionsphilo­ sophie; indem diese die Religion auf das unmittelbare Selbst­ bewußtsein, auf das fromme Gefühl zurückführte, vermochte sie den springenden Punkt der Bildung und Entwicklung der reli­ giösen Anschauungsweisen im praktisch-ästhetischen Seelenleben der Individuen viel unmittelbarer zu treffen.

Im selben Maße

freilich hatte sie wiederum weniger Verständniß für die auch in der Geschichte des Dogmas doch immer mitwirkenden philo­ sophischen Motive, Zeitrichtnngen lind Theoreme, für jene all­ gemeinen objektiven „Ideen",

die ganze Zeitalter und Kreise

beherrschen, als die gemeinsame geistige

Atmosphäre

großer

Gruppen, als die aus der Tiefe des Unbewußten wirkende Trieb­ kraft, welche über alle individuelle Sonderstrebungen übergreift und sie in ihren Dienst zieht.

Der Mangel an Verständniß

für dieß wirksame Allgemeine im imb über dem Besondern er­ schwerte aber der Schleiermacher'schen Schule nicht bloß.das Erfassen des dominirenden Schwerpunkts einzelner, zumal speku­ lativer Systeme, sondern auch und iloch mehr die Erkenntniß großer historischer

Eiltwicklungsprozesse, ihrer inneren Noth­

wendigkeit und allgemeingültigen typischen Gesetzmäßigkeit.

Der

Vorzug der Schleiermacher'schen Religionsphilosophie lag in der mikroskopischen Analyse des religiösen Einzelorganismns, aber die Stärke der Hegel'schen im weitschauenden Ueberblick über den historischen Gesammtorganismus des religiösen Gemein­ schaftslebens und in der genialen Erfassung der vernünftigen Gesetzmäßigkeit oder „der objektiven Idee" in den mannigfachen historischen Verwicklungen und Bewegungen.





Es ist daher gewiß nicht bloßer Zufall,

daß die epoche­

machenden historischen Arbeiten der neueren Theologie gerade von der Hegel'schen Schule ausgegangen sind.

In ihr hat ein

Baur und hat die Mehrzahl seiner Schüler jene großartige, wahrhaft ethisch ideale Selbstlosigkeit historischer Objek­ tivität gewonnen, die sie befähigte, alle die mannigfachen Schleier und Nebel kirchlicher Tradition, rationalistischer Verdrehungen ästhetisch-sentimentaler Vorurtheile und Neigungen zu durchbrechen und die Entstehung und Entwicklung des Christenthums als wahrhaft geschichtlichen Prozeß zu begreifen und denselben in lebensvollen Zügen voll konkreter Anschaulichkeit nachzuzeich­ nen.

Diese Leistungen der „Tübinger Schule" gehören nicht

nur zu den großartigsten, genialsten und fruchtbarsten Entdeckun­ gen der gesammten neueren Geschichtswissenschaft, sondern sie sind auch für die Erkenntniß des Wesens des Christenthums und damit zuletzt für die Philosophie der Religion überhaupt von unschätzbarem Werth.

Denn das Wesen einer Erscheinung

begreifen wir ja erst, wenn wir ihr Werden verstanden haben; das Werden aber einer historischen Erscheinung zu verstehen, setzt die richtige Einsicht in den Charakter ihrer Urkunden vor­ aus.

Das Verständniß z. B. für die religiöse Persönlichkeit

Jesu, diesen Kardinalpunkt sowohl der historischen wie der syste­ matischen Theologie, — wie unsäglich wurde es den Früheren erschwert durch ihre irrige Ansicht von den evangelischen Quellen; ihre Unsicherheit, Verschwommenheit, ihr tastendes Schwanken gerade in centralen Fragen erklärt sich uns jetzt großentheils aus ihrer Verlegenheit gegenüber den vermeintlichen Geschichts­ urkunden; ihre so peinlichen, weil immer gewaltsamen und nie gelingenden Versuche, das für reale Geschichte Gehaltene durch subjektive

idealisirende Deutung

unserem Denken rationell zu

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vermitteln, — sie sind »ns jetzt von vornherein dadurch erspart, daß wir wissen, daß jene „Geschichte" schon in ihren ersten Dar­ stellungen durchweg mit idealen Elementen versetzt, theilweise so­ gar durchaus unter ideale Gesichtspunkte gestellt und zur symbo­ lischen Einkleidungsform religionsphilosophischer Ideen ausge­ prägt ist. Statt uusererseits subjektiv uud damit immer willkührlich uud unwahr zu idealisiren, haben wir jetzt einfach zu begreife», in welcher Art und nach welchem Gesetz der ob­ jektive religiöse Geist der geschichtlichen Gemeinde seinerseits von Anfang an „idealisirt" d. h. die gemeine Wirklichkeit zur durch­ sichtige» Hülle seiner ewigen Wahrheit verklärt uud umgebildet hat. Damit soll übrigens nicht gesagt sein, daß nunmehr durch die literarische Duelleuforschuug schon Alles erklärt wäre; sondern nur der Weg zu einem durchdringenden richtigen Verständniß ist uns dadurch gebahnt. Das ist wahrlich sehr viel, aber es ist darum doch uoch lange nicht Alles; es ist das unentbehrliche Mittel, aber noch nicht auch letztes Ziel. Daß vielmehr die historische Arbeit, wie sie selbst einer philosophischen Schule ihre Impulse verdankte, so auch zuletzt immer wieder zur philosophi­ sche» Verarbeitung ihrer Resultate dränge, soll sie nicht zur bloßen gelehrten Stoffsammlung werden, hieran zu erinnern, scheint mir um so zeitgemäßer, als die Mahnung an die hier zu lö­ sende Aufgabe erst vor Kurzem in brüsker Herausforderung an die wissenschaftliche Theologie ergangen ist und zwar von einer Seite aus, woher sie solche Mahnung am wenigsten erwartet hatte: von David Friedrich Strauß. Seit Strauß in seinem bekannten letzten Buch wie dem Ehristenthum überhaupt, so auch der gesammten christlichen Theologie und ganz speciell der freien protestantischen Wissen­ schaft den Fehdebrief geschrieben hat, ist sein Name von der

18

gegnerischen Seite zum Schreckgespenst gemacht worden, mit welchem das protestantische Volk und die theologische Jugend von Allem, was Kritik und Philosophie heißt, zurückgescheucht werden sollte unter die schützenden Fittige eines massiven kirch­ lichen Positivismus. Die Takiik war nicht übel und mag ja wohl da und dort gewirkt, deit imb jenen stutzig gemacht haben. Gleichwohl vertraue ich zur Mündigkeit und Mannhaftigkeit unseres protestantischen deutschen Volkes und seiner studirenden Jugend, daß es sich von einem Schreckgespenst nicht bange machen lasse. Sehen wir uns dasselbe nur getrost einmal näher an! „Strauß — so geht die Rede — hat ein für alle­ mal gezeigt, zu welchem Nihilismus die Konsequenz der im= gläubigen Kritik und der hochinüthigen Philosophie führe; also hüte sich Jeder schon vor dem ersten Anfang dieses schlimmen Weges, der zum Verderben führt." Es wäre freilich sehr fatal, wenn dem so wäre, denn damit wäre ja nicht etwa blos der modernen Kritik und Philosophie, sondern zugleich dem Pro­ testantismus überhaupt, der jene mit Nothwendigkeit aus sich erzeugt hat und immer wieder erzeugen muß, das Todesurtheil gesprochen. Aber vielleicht dürfte die kritische Theologie auch dieser abermaligen Todeserklärung gegenüber wieder ebenso, wie vor Jahren ihr Altmeister Baur, zu sprechen in der Lage sein: „Wir erscheinen als die Sterbenden — und siehe, wir leben!" *) Ja vielleicht erweist sich's, daß die wilden Wasser, die sie zu verschlin­ gen drohten, ihr zum Heil werden imb sie nach oben reißen. Ich meine nehmlich, Strauß habe seinem früheren positiven Ver­ dienst um die Theologie, da er ihr das kritische Gewissen schärfte und Ui der kritischen Arbeit Mllsterhaft voranging, durch sein ') Nach 2 Cor. 6, 9.

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letztes Buch ein neues Verdienst — wider Willen freilich — hinzugefügt, das negative nehmlich, ihr zu zeigen, woran es ihr noch wesentlich fehle, daß es mit der bloßen Kritik nicht gethan sei, daß zn ihr vielmehr die positiv bauende philosophische Ar­ beit hinzukommen müsse, nur aber freilich eine wirklich philo­ sophische Arbeit und nicht ein dilettantisches Surrogat derselben! Indem Strauß als das scheinbare Resultat seiner Kritik eine Weltanschauung aufstellte, die (mindestens nach ihrer theoretischen Seite) ein wahres Zerrbild dessen ist, was die deutsche Philo­ sophie in ihrer klassischen Epoche war und sein wollte, so hat er damit in der That der philosophischen wie der theologischen Wissenschaft die unabweisliche Aufgabe gestellt, mit den neu errungenen Ergebnissen unserer exakten Wissenschaften (zu­ nächst der historischen, weiterhin auch der naturwissenschaftlichen) die religionsphilosophischen und metaphysischen Probleme ernst­ lich und gründlich wieder aufzunehmen, um sie mit reicheren Mitteln und schärferen Werkzeugen, aber im echtesten Sinn und Geist unserer großen klassischen Denker neu durchzuarbeiten. Es wird demnach der theologischen Wissenschaft nicht er­ laubt sein, weder sich auf den Jsolirschemel des frommen Selbst­ bewußtseins zu stellen, um hier, unberührt von den Geistes­ strömungen um sie her, mit der allzu bescheidenen Arbeit einer blos empirischen Beschreibung der Aussagen des „frommen Bewußtseins" rein als solchen sich zu begnügen; noch aber auch in phantastischem Jkarusflug nach schwindelnden Höhen leerer Spekulation den soliden Boden des exakten Wissens und der besonnenen Induktion zu verschmähen. Bor diesen beiden Ab­ wegen der großen von dieser Hochschule ausgegangenen Schulen wird unsere Wissenschaft sich zu hüten haben; aber behalten und immer mehr lernen wird sie von Schleiermacher die Feinheit

20 der psychologischen Beobachtung und die Schärfe der dialektischen Analyse, von Hegel die Freiheit der geschichtlichen Betrachtung und

die Produktivität der spekulativen Synthese.

Was schon

zu Anfang dieses Jahrhunderts der jugendliche Schelling als die allein wahre Idee der Theologie erkannte:

„Verbindung

der spekulativen und der historischen Eonstruktion des Christen­ thums", genau das ist durch den ganzen seitherigen Gang unserer Wissenschaft, durch ihre Fortschritte wie Rückschritte, ihre Er­ rungenschaften wie Abwege, durch ihre Freunde wie Gegner als ihre wesentliche Aufgabe in der Gegenwart erwiesen worden. Je muthiger und treuer sie ihre Arbeit nach beiden Seiten, nach der kritischen und nach der philosophisch-spekulativen treibt, je mehr es ihr gelingt, beide Seiten in Fühlung mit einander, ja vielmehr in lebendigste Wechselwirkung zu bringen,

desto

gewisser wird sie ihren vielen Gegnern zur Linken und Rechten den Thatbeweis dafür liefern, daß echter Protestantismus und echte Wissenschaft heute noch so gut wie zu Lessing's und Herder's Zeiten sich gegenseitig trefflich vertragen.

Und kommen wird

einst der Tag (gleichviel, ob unsere Generation es noch erlebe oder nicht), wo die evangelische Gemeinde und die Welt der echten Bildung

in

der Anerkennung übereinstimmen werden,

daß das unter aller Ungunst dieser Zeit unbeirrte Wirken der wissenschaftlichen protestantischen Theologen doch das rechte und wahre gewesen,

ein

wahrhaft treuer Dienst an der großen

Mission unseres deutschen Volkes, dem von der Reformation her die ebenso erhabene wie schwierige Aufgabe zugetheilt ist: die Schärfe des kritischen Verstandes mit der tiefen ruhigen Innerlich­ keit eines im Höchsten und Ewigen lebenden Gemüthes zu verbinden.