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German Pages 315 [316] Year 2013
Franz Xaver Bischof, Martin Thurner (Hg.) Die benediktinische Klosterreform im 15. Jahrhundert
Münchener Universitätsschriften Katholisch-Theologische Fakultät
Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie Band 56 Begründet von Michael Schmaus t, Werner Dettloff und Richard Heinzmann Fortgeführt unter Mitwirkung von Ulrich Horst Herausgegeben von Richard Heinzmann und Martin Thurner (federführender Herausgeber)
Franz Xaver Bischof, Martin Thurner (Hg.)
Die benediktinische Klosterreform im 15. Jahrhundert
Akademie Verlag
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978-3-05-005539-8 978-3-05-006394-2
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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SusanneKaup Bernhard von Waging - sein literarisches Werk als Spiegel zentraler Themen der benediktinischen Klosterreform
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Stephan Haering Spätmittelalterliche monastische Reforminitiativen in der benediktinischen Welt. Die Reformen von Santa Giustina in Padua und von Subiaco sowie das Provinzkapitel zu Petershausen in kirchenrechtlicher Perspektive
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Christine Glaßner Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
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Roland Götz Kloster Tegernsee im 15. Jahrhundert
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Ulrike Treusch Bernhard von Waging. De esu carnium in theologischer und historischer Perspektive
143
Victoria Hohenadel „Sequere me" - Ein Brief an Bernhard von Waging. Edition und Untersuchung
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Inhaltsverzeichnis
Julia Rinser Tegernseer Kosmos: Zwischen Gelehrtengesprächen und Reformbemühungen. Betrachtungen zum Briefwechsel zwischen Nikolaus von Kues und den Tegernseer Mönchen Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging
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Philipp Lenz Die Reformen des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert
221
Beda Sonnenberg Die Entdeckung der Benediktsregel im spätmittelalterlichen Reformkloster Kastl und in seinem literarischen Umfeld
259
Victoria Hohenadel Otium und contemplatio. Reform aus dem Geist der Antike
275
Marc-Aeilko Aris Lesen und Erneuern - Kulturelle Implikationen der spätmittelalterlichen Klosterreform
291
Autorenverzeichnis
303
Personenindex
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Vorwort
Der vorliegende Band enthält die Akten der wissenschaftlichen Tagung Ansprüche und Grenzen der benediktinischen Klosterreform im 15. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum, die unter der Leitung der Herausgeber vom 19. bis 21. November 2010 in der oberpfälzischen Benediktinerabtei Plankstetten stattfand und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen der Geschichte, der Lateinischen Philologie des Mittelalters und der Theologie zu einer erfolgreichen interdisziplinären Zusammenarbeit vereinigte. Die Neubewertung des Spätmittelalters, die sich in den letzten Jahrzehnten in der allgemeinen Geschichte wie der kirchen- und theologiegeschichtlichen Forschung durchgesetzt und sich von früheren einseitigen Vorstellungen eines allgemeinen Niedergangs und Verfalls dieser Epoche gelöst hat, rückte auch epochenübergreifende ordensgeschichtliche Entwicklungen in ein neues Licht. Allerdings sind die Reforminitiativen innerhalb des spätmittelalterlichen Ordenswesens aufs Ganze gesehen noch wenig erforscht. Zahlreiche Fragen nach den Ursachen für Krise, Verfall und Erneuerung, nach den Trägern, Zielen und Methoden der Erneuerung sind ebenso ungelöst wie Fragen nach Nachhaltigkeit und Grenzen der Erneuerung und ihrer historischen Verortung im Kontext der Geschichte des ausgehenden Mittelalters und der Frühen Neuzeit.1 Das gilt auch 1
Allgemein zur Thematik: Philibert SCHMITZ, Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 3, Einsiedeln 1955; Kaspar ELM, Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. Forschungen und Forschungsaufgaben, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hg. von vom Max-Planck-Institut für Geschichte (= Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 68; Studien der Germania Sacra 14), Göttingen 1980, 188-238; DERS., Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen (= Berliner Historische Studien 14; Ordensstudien 4), Berlin 1989; Rudolf REINHARDT, Die Schweizer Benediktiner in der Neuzeit, in: Helvetia Sacra. III/l: Die Orden mit Benediktinerregel, Bern 1986, I 94-101; Klaus SCHREINER, Dauer, Niedergang und Erneuerung klösterlicher Observanz im hoch- und spätmittelalterlichen Mönchtum. Krisen, Reform- und Institutionalisierungsprobleme in der Sicht und Deutung betroffener Zeit-
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Vorwort
für das benediktinische Mönchtum, dem im 13. Jahrhundert in den Bettelorden eine bedeutende Konkurrenz entstand und das vor dem Hintergrund der Auflösung der mittelalterlichen Lebensformen in eine Krise geriet. Insbesondere die großen Benediktinerabteien dienten adeligen Mönchen und Nonnen als Versorgungsstätten. Hinzu kamen äußere Ursachen: Seuchen und Hungersnöte im 14. und 15. Jahrhundert wirkten sich auf den Zustand des Ordenslebens aus; zudem schwächte das avignonesische und das ihm folgende, in einem jahrzehntelangen Schisma gespaltene Papsttum die Konvente, ganz abgesehen von den Folgen, die der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England (1337-1453) sowie zahlreiche zwar kürzere, aber nicht minder folgenreiche lokale Kriege und Aufstände hatten. Ein schwer zu bekämpfendes Problem war vor allem in Italien, Spanien und Frankreich das Kommendenwesen - die von Papst, Bischöfen und Fürsten gehandhabte Praxis also, die Abtei als Pfründe zu verstehen, die einem Kleriker oder auch Laien übertragen werden konnte, der nicht zum Orden gehörte, folglich in der Regel den geistigen Anliegen der Mönchsgemeinschaft fernstand und den Klosterbesitz im eigenen Interesse nutzte.2 In Reaktion auf derartige Verfallserscheinungen entstanden Reformbewegungen von regionaler oder überregionaler Bedeutung, denen bei aller Verschiedenheit im Einzelnen gemeinsam war, dass sie nach neuer Verinnerlichung und Festigung des geistlichen Lebens strebten. Schon das IV. Laterankonzil hatte 1215 die monastischen Orden zur regelmäßigen Einberufung von Provinzialkapiteln und zur Kontrolle ihrer Abteien durch Visitationen verpflichtet. 1336 hatte Papst Benedikt XII. (1335-1342), ein ehemaliger Zisterzienser, die Reformbulle Summi magistri erlassen, die die Zusammenfassung der Benediktinerklöster in dreißig Provinzen und die Abhaltung von Provinzkapiteln und Visitationen alle drei Jahre vorsah, verbunden mit der Vorlage von Rechenschaftsberichten über jedes einzelne Kloster.3 Außerdem sollten die Mönche zum Studium und zum Besuch der Universitäten angehalten werden - eine Forderung, die um so ernster zu nehmen war, als die Benediktiner seit dem 13. Jahrhundert den Anschluss an die Entwicklung verloren und die Lehrstühle auf den Universitäten mehrheitlich
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genossen, in: Gert Melville (Hg.), Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, K ö l n - Weimar - Wien 1992, 295-341; Karl Suso FRANK, Geschichte des christlichen Mönchtums, Darmstadt 62010, 109-123; Gudrun GLEBA, Klöster und Orden im Mittelalter (= Geschichte kompakt), Darmstadt 4 2011, 126-133. FRANK, Geschichte (wie Anm. 1), 110; Giovanni SPINELLI, Alle origine della commenda: qualche esempio italiano (sec. XIII-XIV), in: Il monachesimo italiano nel secolo della grande crisi. Atti del V Convegno di studi storici sull'Italia benedettina, a cura di Giorgio Picasso e Mauro Taglibue (= Italia benedittina 21), Cesena 2004, 43-60. Jan BALLWEG, Konziliare oder päpstliche Ordensreform. Benedikt XII. und die Reformdiskussion im frühen 14. Jahrhundert (= Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 17), Tübingen 2001.
Vorwort
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den Bettelorden überlassen hatten. Die päpstliche Verlautbarung blieb ohne nennenswerten Erfolg, bis sie das Reformkonzil von Konstanz (1414-1418) wieder in Erinnerung rief. Noch während des Konzils beschloss hierauf 1417 das Provinzialkapitel der Benediktiner in Petershausen bei Konstanz eine Reform der deutschen Klöster.4 Eine solch zentral gesteuerte Reform ließ sich nicht durchsetzen. Doch hatte die Forderung nach einem Zusammenschluss in Provinzen oder Kongregationen vereinzelt Gestalt angenommen und es entstanden innerhalb des Benediktinertums am Ende des 14. und in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts eine Reihe von Reformzentren, über deren Strahlkraft erst teilweise gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Träger solcher monastischer Erneuerung waren in Spanien die Abtei San Benito in Valladolid und das katalanische Montserrat, in Frankreich die Abtei Saint-Pierre de Chezal-Benoit, in den Niederlanden St. Jakob in Lüttich, in Ungarn St. Martin von Pannonhalma, in Italien die Abteien Subiaco und Santa Giustina in Padua. Im deutschsprachigen Raum bildeten die Abteien Kastl in der Oberpfalz, Melk in Niederösterreich und Bursfeld an der Weser drei große Reformzentren mit beträchtlicher Breitenwirkung. Die Studien des vorliegenden Bandes konzentrieren sich auf einen eng umrissenen Ausschnitt der Gesamtthematik. Damit soll zum einen der Tegernseer Benediktiner Bernhard von Waging (um 1400-1472) 5 , dessen erhaltene Schriften seit einigen Jahren zentraler Forschungsgegenstand am Martin-Grabmann-Forschungsinstitut für mittelalterliche Theologie und Philosophie der KatholischTheologischen Fakultät und am Lehrstuhl für Lateinische Philologie des Mittelalters der Ludwig-Maximilians-Universität München sind, in der Klosterreformbewegung des 15. Jahrhunderts stärker verortet werden; zum andern wird auf diese Weise ein weiterführender Forschungsbeitrag zu einer noch wenig erforschten Thematik erstrebt. Eine erste Gruppe von Beiträgen widmet sich folglich der oberbayerischen Benediktinerabtei Tegernsee, die unter ihren Äbten
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Petrus BECKER, Benediktinische Reformbewegungen im Spätmittelalter. Ansätze, Entwicklungen, Auswirkungen, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hg. vom Max-PlanckInstitut für Geschichte, Göttingen 1980, 167-187: 174-177; DERS., Erstrebte und erreichte Ziele benediktinischer Reformen im Spätmittelalter, in: ELM, Reformbemühungen (wie Anm. 1), 23-34; Stephan HAERING, Spätmittelalterliche monastische Reformbemühungen in der benediktinischen Welt. Die Reformen in S. Giustina in Padua und in Subiaco sowie das Provinzkapitel von Petershausen in kirchenrechtlicher Perspektive, in diesem Band, S. 5 5 73.
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Über Bernhard von Waging zuletzt: Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472), ein Theologe der Melker Reformbewegung. Monastische Theologie im 15. Jahrhundert? (= Beiträge zur historischen Theologie 158), Tübingen 2011 sowie die Beiträge in diesem B a n d v o n S u s a n n e KAUP (S. 1 1 - 5 3 ) , U l r i k e TREUSCH (S. 1 4 3 - 1 5 7 ) u n d V i c t o r i a HOHENADEL (S. 1 5 9 - 1 8 3 ) .
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Vorwort
Kaspar Aindorfer (1426-1461) und Konrad Airinschmalz (1461-1492) zu einem Zentrum der Melker Reform wurde, sowie ihrem Prior Bernhard von Waging, der als geistlicher Schriftsteller und Multiplikator zeitgenössischer Reformideen im bayerischen und schwäbischen Raum eine herausragende, im Einzelnen allerdings erst ansatzweise erforschte Rolle spielte. Eine zweite Gruppe untersucht Reforminitiativen in den Benediktinerabteien Kastl, Melk und Sankt Gallen. Eine dritte Gruppe von Beiträgen schließlich greift aus kirchenrechtlicher, philologisch-editorischer und literarisch-theologischer Perspektive ausgewählte Fragen der benediktinischen Klosterreform auf. Insgesamt gelingt es, eine durchgehend quellenbasierte Zwischenbilanz über die benediktinische Klosterreform des 15. Jahrhunderts im österreichisch-süddeutsch-schweizerischen Raum mit vielfach neuen und teilweise überraschenden Erkenntnissen vorzulegen. Es bleibt den Autorinnen und Autoren für ihre kollegiale Mitarbeit herzlich zu danken! Ein besonderer Dank gilt Herrn Dipl.-theol. Sebastian Walter und Herrn Dr. Thomas Horst für die redaktionelle Bearbeitung der Aufsätze sowie dem Akademie-Verlag, Berlin, für die gewohnt freundliche Unterstützung bei der Drucklegung des Bandes.
München, im April 2012
Franz Xaver Bischof Martin Thurner
SusanneKaup
Bernhard von Waging - sein literarisches Werk als Spiegel zentraler Themen der benediktinischen Klosterreform
In den Prozess der umfassenden Kirchen- und Klostererneuerung des 15. Jahrhunderts ist auch die benediktinische Reform des Melk-Tegernseer Kreises einzuordnen, der eine Rückkehr zur ursprünglichen Intention der Regula Benedicti verfolgte, in der die Erneuerung des spirituellen Lebens, die Hebung der theologischen Bildung und der klösterlichen Disziplin mit dem Aufblühen von Kultur und Wirtschaftskraft einhergingen. Dabei spielten sowohl die Kontakte zum benediktinischen Mutter- und Reformkloster Subiaco als auch der vielfältige Gedankenaustausch mit der Universität Wien eine entscheidende Rolle. Aus der Reihe der in diesem Reformkreis tat- und gedankenmächtig wirkenden Mönche - beispielsweise seien Abt Nikolaus Seyringer und die Prioren Petrus von Rosenheim und Johannes Schlitpacher aus Melk oder die Äbte Kaspar Ayndorffer und Konrad Airinschmalz sowie die Prioren Johannes Keck und Konrad von Geisenfeld aus Tegernsee genannt - soll im Folgenden das Leben und Wirken des Tegernseer Priors Bernhard von Waging näher vorgestellt werden. Seine Bedeutung für die Anliegen der Reform wird wiederholt in zeitgenössischen Aussagen unterstrichen, wenn sein unermüdlicher praktischer Einsatz innerhalb des Reformkreises und in den Unionsverhandlungen mit den benediktinischen Reformkreisen aber auch sein scharfer von Kastl und Bursfelde - „pater providus et zelosus"1 Verstand - „vir acuti ingenii"2 - und seine spirituell-pädagogischen Fähigkeiten 1
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Abt Johann IV. von Melk in einem Brief vom 23. April 1467, abgedruckt in: Bernhard PEZ (Hg.), Bibliotheca ascetica antiquo-nova, hoc est: Collectio veterum quorundam et recentiorum opusculorum asceticorum, quae hucusque in variis mss. codicibus et bibliothecis delituerunt, tom. VIII, Regensburg 1725, 626-628 (Nachdruck Farnborough 1967). Bayerische Staatsbibliothek München, codex latinus monacensis (clm) 18599, fol. 2r: Überschrift zum Speculum mortis des Bernhard von Waging von der Hand des Tegernseer Bibliothekars Ambrosius Schwerzenbeck. - Soweit lateinische Textzitate von der Verfasserin transkribiert wurden, ist deren Rechtschreibung im Aufsatztext wie auch in den Anhängen grundsätzlich normiert nach Karl Ernst GEORGES, Ausführliches LateinischDeutsches Handwörterbuch. Aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer
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SusanneKaup
„Repperi et ibi divinae altissimaeque theologiae alumpnum non solum speculationem sed et praxi expertissimum patrem insignis vestri coenobii priorem"3 oder „non invideam mérito laborum suorum, et profectui animarum apud moniales, optassem tarnen, si deo placuisset, ante sui obitum aliquanto tempore in monasterio vestro et suo habitasse ob fratrum multorum directionem spiritualem"4 - anerkennend genannt werden. Diese Qualitäten lassen sich noch heute nachvollziehen, wenn man sich Vielfalt und Ausführung der Themen vergegenwärtigt, die Bernhard in seinen literarischen Schriften ausarbeitet. Sein Werk gibt beispielhaft für viele andere - ebenfalls unedierte Werke aus dem Umfeld des Reformkreises einen Einblick in die Bandbreite spirituell-theologischer Themen, welche die Mönche bewegten, und kann als Spiegel zentraler Anliegen der benediktinischen Reform im süddeutsch-österreichischen Raum gewertet werden. So gliedert sich der Beitrag folgendermaßen: 1. Biographie und Wirken Bernhards für die Ziele der benediktinischen Klosterreform 2. Literarisches Werk im Kontext der Klosterreform 2.1 Themen und Schriften 2.2 Aspekte des monastischen Verständnisses 2.3 Systematische Überlegungen Schluss Anhang: Kapitelüberschriften von Schriften Bernhards
1. Biographie und Wirken Bernhards für die Ziele der benediktinischen Klosterreform Bernhard stammte aus dem heutigen bis 1805 kirchlich und politisch zum Erzbistum Salzburg gehörenden Waging am See; das geht aus seiner Professurkunde hervor, in der er sich selbst Bernardus Weginger nennt,5 sowie auch aus den wiederholt vorkommenden Autorenangaben in Abschriften seiner Werke, in denen
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Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel, 2 Bde., Darmstadt 1983 (unveränderter Nachdruck der achten verbesserten und vermehrten Auflage). Diese Aussage findet sich in einem Brief des Kartäusers Sigismund von Gaming, der Bernhard im Jahr 1460 in Melk traf; clm 19697, fol. 112r (Brief 284); vgl. Virgil REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert, München 1931, 100. Johannes Schlitpacher an den Tegerseer Prior Ulrich von Landau im Oktober 1472 in seiner Würdigung des jüngst verstorbenenen condilecti patris nostri Bernardi; clm 20171, fol. 115r; ed. REDLICH, Tegernsee, 214. Archiv der Benediktinerabtei Scheyern, Tegernseer Professurkunden Nr. 13.
Bernhard von Waging
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sein Heimatort als Bäging, Bahing oder Wäging bezeichnet wird,6 der in der Nähe von Salzburg7 liegt.8 Wann Bernhard dort geboren wurde (die Forschung spricht - wohl in Anlehnung an Pez - vermutungsweise von etwa 1400)9, aus welcher Familie er stammte, ob und welche Schulbildung er erhielt, ist völlig unbekannt. Studium in Wien Auch was seine universitäre Ausbildung in Wien betrifft, die er mit dem Grad eines „baccalaureus artium" abgeschlossen haben soll, lässt sich nichts mit letzter Sicherheit belegen, denn in den Matrikeln der Artistenfakultät der Universität Wien taucht sein Name nicht auf.10 In den schon erwähnten Autorenangaben seiner Werke wird er jedoch wiederholt als „baccalaureus artium" bezeichnet." Ein weiteres Indiz führt Bernhard selbst an, wenn er in einem Brief an den Erfurter Studenten Paul Amann nicht nur eine umfassende Studienberatung hinsichtlich Methode und Inhalt des Lernens gibt, die nur aus der Erfahrung eines ehemaligen 6
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Vgl. etwa clm 18600, fol. 192r: „patrem Bernardum in Tegernsee priorem ... baccalaureum Wienensem de Bäging"; clm 18598, fol. lr: „Bernhardi prioris nostri de Bäging artium liberalium baccalarii almae Wienensis universitatis"; clm 18711, fol. 1 Or: „... in Tegernsee patrem Bernardum de Bägingen priorem nostrum"; clm 18987, fol. 1: „... fratris Bernhardi de Wäging"; John Rylands University Library Manchester (= JRUL) MS 458, fol. lr (1 lr): „Bernhardus de Bahing prior Tegernseensis"; JRUL MS 458, fol. 219r (230r): „... Bernhardi de Bahing prioris Tegernseensis"; JRUL MS 459, fol. 37r: „... Bernardi de Bahing Tegernseensis"; clm 18564 fol. 88r: „frater Bernardus de Bäging prior noster". Clm 18599, Vorsatzblatt: „In hoc volumine monasterii sancti Quirini in Tegernsee continetur spéculum mortis quadripartitum per patrem Bernhardum ibidem priorem collectum. Qui fuit baccalareus Wiennensis vir actu ingenii et fuit natus de Wägingen foro circa Salzpurgam"; clm 18600, fol. 220r: „... fratris Bernhardi ... nostri olim prioris in Tegernsee, oriundi de Bäging prope Salizpurgam". - Lediglich eine Indersdorfer Handschrift (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Indersdorf 1, fol. 62) nennt ein „Dorfen" als Heimat Bernhards. Zur Biographie Bernhards immer noch grundlegend REDLICH, Tegernsee, 91-113, 136-142. Während der Fertigstellung dieses Aufsatzes erschien die Dissertation von Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472), ein Theologe der Melker Reformbewegung (= Beiträge zur historischen Theologie 158), Tübingen 2011; die Publikation, die die bisherigen Forschungsergebnisse zu Leben und Werk Bernhards umfassend aufarbeitet, konnte hier leider nicht mehr rezipiert werden. PEZ (Hg.), Bibliotheca ascetica antiquo-nova, tom. VII, Regensburg 1725, praefatio sub X, tom. VII., Regensburg 1725, Praefatio sub X, b2: „Itaque Bernardus, ut dixi, Wagingae seu Begingae in agro Salisburgensi lucem adspecit sub fmem saeculi XIV". „Wiener Artistenregister" 1416 bis 1447, Wien 2007: www.bibliothek-univie.at/archiv/ digitales-archiv.html, hier Artistenregister AFA 2 (letzter Aufruf 25.11.2011). Vgl. Anm. 6 und 7.
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SusanneKaup
Hochschulabsolventen zu verstehen ist, sondern konkret darauf hinweist, dass in Wien der Logik eine besondere Rolle in der Ausbildung zukomme. Diese Aussage zeugt von einem Insiderwissen und ist für den Erfurter Studenten eigentlich nicht von Belang, erhält aber dann Sinn, wenn sie als Hinweis auf Bernhards eigene Ausbildung verstanden wird.12 Wann Bernhard nach Wien ging und wie lange er dort blieb, ist nach jetzigem Kenntnisstand der Quellen nicht zu beantworten. Für das Verständnis des Denkens Bernhards und seiner zukünftigen Rolle in der Klosterreform ist es indes nicht unerheblich, dass er in Wien studierte; hatte doch die Universität im 15. Jahrhundert nachdrücklichen Einfluss auf die Klosterreform im süddeutsch-österreichischen Raum. Nicht nur viele Personen, die sich in den Reformbestrebungen engagierten, hatten dort studiert (z. B. Johannes Rothuet, Bernhards Propst in Indersdorf; der Eichstätter Bischof Johann von Eych; Johannes Schlitpacher, Prior von Melk; die Tegernseer Mönche: Konrad Airinschmalz, Johannes Keck, Konrad von Geisenfeld, Wilhelm Kydrer13, Ulrich von Landau14, Christian Tesenpacher - um nur wenige Namen zu nennen); es waren vor allem das Gedankengut und die engen Beziehungen der Universität Wien zum benediktinischen Reformkloster Melk: Programmatisch hatte sich der Rektor der Universität Nikolaus von Dinkelsbühl (f 1433) in seinem „Reformationis methodus" mit der Durchführung der Reform in österreichischen Klöstern befasst. Professoren der Universität Wien hielten in Melk theologisch-geistliche Vorträge, Absolventen der Universität traten in Melk und andere Reformklöster ein, und viele theologische Themen, die sich in den Schriften Bernhards wiederfinden, aber auch Methoden des Denkens und Schreibens lassen sich nur dann richtig verstehen, wenn man sie im Kontext der Wiener Universität verortet.15 Augustinerchorherr
in Indersdorf
Nach Abschluss des Studiums in Wien ist die nächste bekannte Station im Leben des Bernhard von Waging das Augustinerchorherrenstift Indersdorf. Unter seinen beiden bedeutenden Pröpsten Erhard Prunner (reg. 1412-1442) und seines Halbbruders und Nachfolgers Johannes Rothuet (reg. 1442-1470) wurde Indersdorf zum Zentrum der Augustinerchorherrenreform in Bayern, nachdem es 1417 die Statuten des böhmischen Reformklosters Raudnitz angenommen hatte und im Laufe der Jahre etwa 20 Chorherrenstifte im süddeutschen Raum reformierte. Inhaltlich waren folgende Punkte besonders wichtig: gemeinsame Lebensweise (Wohnen, 12
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Clm 19866, fol. 205V: „In logica vero, quae in universitate Wienensi plurimum actitatur ..."; vgl. REDLICH, Tegernsee, 92. Wiener Magister, Eintritt in Tegernsee unter Kaspar Ayndorffer. Wiener Magister, Nachfolger Bernhards als Prior in Tegernsee. Grundlegend: Ernst HABERKERN, Die „Wiener Schule" der Pastoraltheologie im 14. und 15. Jahrhundert, 2 Bde. (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 712), Göppingen 2003.
Bernhard von Waging
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Speisen), persönliche Armut, einheitliche Kleidung, Förderung des geistlichen Lebens und der theologischen Bildung (Studium, Bibliothek, Unterricht), Pflege des Gottesdienstes und Seelsorge.16 Dass Bernhard vor 143517 in dieses angesehene Reformkloster eintrat, darf als eine ganz bewusste Entscheidung gewertet werden. Über seine dortigen Aufgaben lässt sich nur Weniges aus den Quellen eruieren. So sagt er selbst, er sei in der Seelsorge tätig gewesen (die ihn allerdings ob des geringen Erfolgs sehr frustriert hätte18): Seelsorge möglicherweise in einer der fast 20 dem Kloster inkorporierten Pfarreien; Seelsorge aber definitiv innerklösterlich als Beichtvater seines Propstes19 und mindestens eines Mitbruders.20 Somit ist Bernhard bereits in Indersdorf Priester gewesen, doch über Ort und Zeit seiner Weihe ist nichts bekannt. Zudem wird seine Aufgabe im Kloster als „praelati cancellarius" bezeichnet (Sekretär/persön-
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Vgl. Ernst HABERKERN, Die Raudnitz-Indersdorfer Klosterreform, in: Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf, Ausstellungskatalog hg. v. Heimatverein Indersdorf e.V., Indersdorf 2000, 37-46. 17 Dass Bernhard bereits im Jahr 1435 in Indersdorf Kanoniker war, lässt sich aus einem Brief des Propstes Johannes von Indersdorf schließen, den er anlässlich Bernhards Übertritt nach Tegernsee 1446 schreibt: „Ante annos quidem decern et amplius medicorum peritia fuimus consulti, ipsum fecerim ... ab omni conventuali onore et generaliter absolvere, quod et secus palam liquet illius semper corporali recollabante et renitente debilitate, quibus annis lapsus raro et - ut ita dicam - quasi numquam visus est in matutinis, sed et diuturnis chori officiis", clm 19697, fol. 35r (Brief 84); vgl. REDLICH, Tegernsee, 138. 18 Bernhard von Waging, Defensorium speculi pastorum, c. 10: „... dico imprimis de me ipso, qui aliquando annis elapsis iam multis dum curae animarum intenderem et in modico apud alios vel nihil proficerem ac propriae salutis dispendia non modicum sentirem salvare me cupiens, ne cum aliis perirem, quod securius elegi atque a deo inspiratus, ut credo, ad monachatum licenter confogi divinae nihilo minus ordinationi eiusque beneplacito voluntatis corde et animo semper parere paratus", Edition: Heide Dorotha RIEMANN, Der Briefwechsel Bernhards von Waging und Johannes von Eych (1461-1463). Speculum pastorum et animarum rectorum, Epistula impugnatoria, Defensorium speculi pastorum et animarum rectorum. Zur Kontroverse über Rang und Verdienst des aktiven und des kontemplativen Lebens, Köln 1985, 292. 19 „... isdem frater per me et singulos fratres nostris dilectus semper mihi prae ceteris intimior et confessor habebatur ac sine murmurc ipisus onus in caritate et patientia sit supportatum ..."; clm 19697, fol. 35r (Brief 8 4 ) ; vgl. REDLICH, Tegernsee, 139. 20 „Die, obsecro, ad quod et praesenti scripto te licentio sigillum confessionis tibi in hoc casu reserandum permittens, quotiens tibi aestus meos iam per Septem annos continuos in ipsa confessione exposui ...", so antwortet Wilhelm Kienberger nach seinem Übertritt von Indersdorf nach Tegernsee auf die Vorwürfe des noch in Indersdorf weilenden Bernhard, ihm den Plan des Übertrittes verschwiegen zu haben; clm 19697, fol. 32v (Brief 80); vgl. REDLICH, Tegernsee, 137.
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SusanneKaup
licher Referent des Propstes Johannes).21 Bernhard hat also Seelsorgserfahrung und ist mit Verwaltungsgeschäften des Klosters und Koordinationsaufgaben bei der Reform der Chorherrenstifte vertraut. Mönch im Kloster
Tegernsee
Dennoch scheint er nicht zufrieden, denn im Jahr 1446 verlässt er sehr zum Leidwesen, unter bitteren Vorwürfen einer „Nacht- und Nebelaktion" (clam tempore nocturno)22 und kirchenrechtlichen Bedenken23 von Propst Johannes das Chorherrenstift und tritt - wie vor ihm Wilhelm Kienberger und nach ihm Oswald Nott - in die die benediktinische Reform mitprägende Abtei Tegernsee über: Der Chorherr wird Mönch. Die benediktinische Klosterreform hatte sich im deutschen Sprachraum im Rahmen des Konzils von Konstanz entwickelt, als sich - angestoßen durch das Provinzkapitel der Benediktiner in Petershausen im Jahr 1417 - hier mehrere Reformkreise bildeten, die ihre Reformideen in sogenannten Consuetudines (Gebräuchen) festschrieben. Für Süddeutschland-Österreich nahm Melk eine führende Rolle ein, das die Consuetudines der ersten benediktinischen Klöster S. Scholastica und S. Speco in Subiaco übernahm. Im Jahr 1426 schloss sich nach einer Visitation das Kloster Tegernsee der Melker Reform an; zum Abt wählte man den erst 26jährigen Kaspar Ayndorffer; unter ihm trat Bernhard 1446 in Tegernsee ein.24 Was 21
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„... quotiens coram te notarium cum testibus pro licentia petenda produxi, quot instrumenta de licentia petita et non obtenta confeci quod etiam te ipsum uti praelati cancellarium ...", clm 19697, fol. 32v (Brief 80). Clm 19697, fol. 35v (Brief 84). Zum Übertritt Bernhards nach Tegernsee vgl. REDLICH, Tegernsee, 136-141; Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging: Vom Chorherren zum Benediktiner. Bemerkungen zum Verhältnis von Kanonikern und Mönchen im 15. Jahrhundert, in: Ulrich Köpf, Sönke Lorenz u. a. (Hg.), Frömmigkeit und Theologie an Chorherrenstiften (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 66), Ostfildern 2009, 157-168. Aus der Fülle der Literatur seien genannt: Joachim ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee unter Abt Kaspar Ayndorffer (1426-1461), verbunden mit einer textkritischen Edition der Consuetudines Tegernseenses (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Ergänzungsband 1 8 ) , Augsburg 1 9 6 8 ; DERS. Reform von Melk, in: Ulrich Faust, Franz Quarthai (Hg.), Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum (= Germania Benedictina 1), St. Ottilien 1 9 9 9 , 2 7 1 - 3 1 3 ; Albert GROISS, Spätmittelalterliche Lebensform der Benediktiner von der Melker Observanz vor dem Hintergrund ihrer Bräuche. Ein darstellender Kommentar zum Caeremoniale Mellicense des Jahres 1460 (= Beiträge zur Geschichte des Alten Mönchtums und des Benediktinertums 4 6 ) , Münster 1 9 9 9 ; Meta NIEDERKORNBRUCK, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 30), Wien u. a. 1994.
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zog Bernhard nach Tegernsee? Über seine Werke verstreut, finden sich mehrere Begründungen: (1) Eine erste beklagt bei der Beobachtung der Regel fehlende Liebe und mangelnde Beachtung der Intention der Regel; an diese Stelle sei die buchstäbliche Beobachtung von Satzungen und Mahnungen getreten. Man habe sich mehr bemüht, menschliche Statuten zu befolgen als das göttliche Gebot. Aus diesem Sachverhalt seien Unstimmigkeiten, Streitigkeiten, Murren und Missgunst zu erklären, weshalb er den früheren Ort und Stand verlassen habe.25 Bernhard beklagt also einen gewissen äußeren Formalismus, fehlende innere Anteilnahme und daraus resultierende Uneinigkeit in der Gemeinschaft. Das, was die Regula Benedicti (RB) etwa mit dem „Hören auf die Gebote des Meisters", das „Neigen des Herzens", die „willige Annahme der Mahnung des gütigen Vaters"26 oder die „Bereitschaft von Herz und Leib zum Gehorsamsdienst gegenüber den Geboten"27 beschreibt und fordert, ist es, was Bernhard in Indersdorf vermisst hatte. (2) Die Ausführungen, dass die Mühen des Chordienstes in Tegernsee milder seien als die knechtische, bäuerliche Arbeit in Indersdorf, durch die die Brüder Tag für Tag ermüdet würden,28 lassen sich als die in der RB geforderte Vorliebe für den Gottesdienst verstehen.29 25
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„Ubi etenim caritatis regulam non custodita, nulla regularis observatio invenitur; vel quomodo secundum regulam vel regulariter vivere credantur, inter quos crebra dissidia et dissensiones versantur. Ubi seminaria praebentur discordiae, praebentur fomenta ac occasiones ministrantur murmurationis ac detractionis; ubi odia et invidiae, ubi affectiones et cogitationes pessimae, quae seperantur a deo; ubi plus curae est de observando humano statuto quam divino praecepto; ubi ut minima regulae observentur a magnis et ad salutem necessariis ne impleri vel custodiri valeant, subditi impediuntur aut fraguntur; ubi per strictam litterae observantia statutorum aut monitorum plerumque venitur contra intentionem legislatoris et praeceptorum. Numquid de non murmurando in regulam multiplex est praeceptum non tarn humanum quam divinum etc.? Numquid de non dando occasionem murmurationis aut scandali praeceptum est nedum humanum sed et divinum secundum heu heu etc.? Nirms multiplico verba praeter intentionem, sed certe non sine causa libererei etiam amplius prosequi, sed non licet utique: Haec sunt, quae me fìigarunt a loco et statu pristino ...", so Bernhard in der Declaratio huius passus regulae S. Benedicti „In omnibus magistram sequatur regulam", clm 18656, fol. 258v. - Vgl. REDLICH, Tegernsee, 137; TREUSCH, Bernhard von Waging (2009), 162. „Obsculta, o fili, praecepta magistri et inclina aurem cordis tui et admonitionem pii patris libenter excipe et efficaciter compie", Regula Benedicti (= RB), ed. Rudolf HANSLIK, ( = Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum 75), Wien 21977, Prol. 1. „Ergo praeparanda sunt corda et corpora nostra sanctae praeceptorum oboedientiae militanda", RB, Prol. 40. „... Gloriaris insuper pro te tuisque de supportatione mecum habita; verum mihi, quamvis soli inutile inutiliter vixerim annis pluribus, non tarnen mihi continue occupationes defuere laborumque multiplicitas, minus ceteris vacavi otio; tu ipse nosti - si veritatem velis as-
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(3) Die von Bernhard für Indersdorf beklagten Unterredungen - wohl Seelsorgsgespräche - mit Männern und Frauen30 lassen eine Sehnsucht nach Stillschweigen erkennen, dem die RB das ganze sechste Kapitel widmet, und das zum Kern der geistlichen Praxis gehört. (4) Dass die Mönche in Tegernsee sich dem Lesen und Studieren hingeben könnten und nicht an der geistlichen Übung der Betrachtung gehindert würden,31 verstärkt auch das zentrale Anliegen der lectio divina, für die die RB im 48. Kapitel mehrere Stunden am Tag vorsieht. (5) Auch dass man sich in Tegernsee im Gegensatz zu Indersdorf des Fleischgenusses enthalte, sei für Bernhard ein Grund für seinen Übertritt gewesen.32 Diese asketische Übung ist ebenfalls durch die Benediktsregel gedeckt;33 in der benediktinischen Klosterreform des 15. Jahrhunderts erlangt sie hohe Bedeutung, wie nicht zuletzt aus mehreren Schriften Bernhards deutlich wird.34 (6) Gleichsam als Zusammenfassung seiner Gründe für seinen Kloster- und Ordenswechsel kann die Aussage gelten, dass er, da er in der Seelsorge fast nichts erreicht habe, aus dem Wunsch, sich zu retten und um nicht mit anderen zu Grunde zu gehen, beim sicheren Mönchtum Zuflucht gesucht habe und bereit sei, mit Herz und Verstand Gottes Anordnung und Willen zu gehorchen.35 Damit ist das
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struere - sunt autem labores chori multo leviores in monasterio, quo nunc sum, quam apud te opera etiam servilia et rusticana, quibus dietim in Undensdorfensi fatigantur fratres, et leviores pro devotionis exercitio inter laicas uterisque sexus personas crebro conversationes; item - quid quaeso - in eis numquam talis modi religio sacra poterit subsistere; possunt hic fratres singuli sacrae lectionis intendere studio superabundae internae devotioni sanctisque meditationibus insistere non prohibentur." Bernhard an Propst Johannes in Indersdorf, clm 19697, fol. 36v (Brief 86). „Ergo nihil operi dei praeponatur", RB, c. 43,3. S. o. Anm. 28. S.o. Anm. 28. „Nam apud nos de esu carnium memoria est penitus extincta; eciam si pro tempore, quod tarnen rarissimum, de fratribus quis infirmatur, de carnibus tarnen omnino nichil cogitata. ... Et quid de me profugo et ceco? Fugi ego ordinem canonicorum regularium propter ipsum esum, et eciam propter alias causas etc. Verumtamen sanior fui semper et magis valens in ordine isto sancto sancti Benedicti quam dum eram degens sub regula sancti Augustini", Bernhard an Nikolaus von Kues clm 19697, fol. 61v, Brief 156 (zwischen 18. und 21. April 1454), ed. Edmond VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance. Une controverse sur la théologie mystique au XV siècle (= Beiträge zur Geschichte und Philosophie des Mittelalters 14, 2-4), Münster 1915, 136f. „Carnium uero quadripedum omnimodo ab omnibus abstineatur comestio praeter omnino diuiles egrotos", RB, c. 39,11. Vgl. den Beitrag von U . TREUSCH in diesem Tagungsband, S . 1 4 3 - 1 5 7 . S.o. Anm. 18.
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monastische Anliegen der Umkehr zu Gott,36 die der Einzelne mittels des Gehorsams für sich selbst vollziehen muss, genannt.37 Aus der Gegenüberstellung der Gründe für den Ordenswechsel und den Passagen aus der Benediktsregel zeigt sich, dass es zentrale monastisch-asketische Aspekte sind, die Bernhard zu diesem Schritt veranlassen. Bernhard legt am 8. Dezember 1447 seine Profess in Tegernsee ab und wird bereits fünf Jahre später mit dem Amt des Priors, d. h. des Stellvertreters des Abtes, betraut, das er von 1452 bis 1465 unter den Äbten Kaspar Ayndorffer und Konrad Airinschmalz innehat. Neben seiner Aufgabe als Prior und damit „geistlicher Vater" der Mönchsgemeinschaft (worauf gleich näher einzugehen sein wird) ist Bernhard aber im Auftrag seiner Äbte auch außerhalb seiner Klostermauern für die Reform tätig: einerseits zur Unterstützung seines Freundes, des päpstlichen Legaten für die Kirchen- und Klosterreform in Deutschland/Österreich und Bischofs von Brixen, Kardinal Nikolaus von Kues, als Visitator in Südtirol (Sonnenburg und Georgenberg) und zudem als treibende Kraft bei den Verhandlungen zu einer Union der drei wichtigsten Reformkreise im deutschsprachigen Raum (Melk-Tegernsee, Kastl und Bursfelde38), die letztlich nicht zustande kam. Über die letzten Jahre seines Lebens nach der Entpflichtung vom Amt des Priors 1465 schweigen die Quellen wieder weitestgehend: 1468 geht er auf Bitten des Bischofs von Eichstätt und mit Zustimmung seines Abtes als Seelsorger in das Benediktinerinnen-Kloster Bergen39 bei Eichstätt (aufgehoben 1542). Nur weniges 36
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Z. B. „Obsculta, o fili, praecepta magistri et inclina aurem cordis tui et admonitionem pii patris libenter excipe et efficaciter compie, ut ad eum per oboedientiae laborem redeas, a quo per inoboedientiae desidiam recesseras. Ad te ergo nunc mihi sermo dirigitur, quisquis abrenuntians propriis uoluntatibus domino Christo uero regi militaturus oboedientiae fortissima atque praeclara arma sumis", RB, Prol. 1-3. RB, c. 5; c. 71. Aus Briefen von und an Bernhard lässt sich seine Reisetätigkeit zu einem Großteil rekonstruieren; auch wenn das folgende Itinerar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ist es beeindruckend: 1453, September (?), November, Dezember: mehrmals im Benediktinerinnenkloster Sonnenburg bei Bruneck/Südtirol - 1454: Sonnenburg, St. Georgenberg, Innsbruck, Brixen - 1455: Andechs, München, Sonnenburg - 1456: Benediktbeuern, Augsburg, Salzburg - 1456: Indersdorf - 1457: Augsburg - 1459: Melk, Nürnberg: Mainzer Provinzkapitel - 1460: Salzburg, Melk, Gaming - 1461: Salzburg, Eichstätt - 1463: Augsburg, Nürnberg, Eichstätt; Würzburg: Mainzer Provinzkapitel 1464: Würzburg - 1465: Oktober: Augsburg - 1467: Michaelsberg in Bamberg: Mainzer Provinzkapitel. Vgl. auch REDLICH, Tegernsee, 91, Amn. 2. „Vere reverendissime pater eam, qua decuit, reverentiam suscepi scripta, quibus vestra reverendissima paternitas me affectuosius adortatur, supplicium do pro patre conventus mei priore mittendo ad consulendum et subveniendum religiosis et devotis dominae abbatissae et sororibus in Pergen, cum quo in foro conscientiae earundem confessionis recipiendum
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weiß man aus dieser Zeit über ihn: etwa, dass er sich weiterhin für die Union der benediktinischen Reformkreise einsetzt und auch in den Frauenklöstern Kühbach und Neuburg an der Donau geistlichen Beistand leistet.40 In Bergen stirbt Bernhard am 2. August 1472 und wird dort auch begraben.
2. Literarisches Werk im Kontext der Klosterreform Nach der Zählung von Werner Höver verfasste Bernhard 19 lateinische Schriften sowie Predigten und Briefe41, die nach jetzigem Kenntnisstand in 57 Handschriften überliefert sind. Hinzu kommen drei deutsche Textfassungen.42 Diese 60 Handschriften stammen zum überwiegenden Teil aus dem Kloster Tegernsee und befinden sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München; dort liegen auch die Bernhards Schriften enthaltenden Codices u. a. aus Regensburg/St. Emmeram, Augsburg/St. Ulrich und Afra, Ebersberg, Andechs und Fürstenfeld. Melker Manuskripte befinden sich auch heute noch in großer Zahl in der dortigen Stiftsbibliothek, zwei weitere in der John Rylands Library in Manchester. Weitere einschlägige Handschriften finden sich in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, der Universitätsbibliothek Eichstätt, in der wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek Amploniana in Erfurt, im Tiroler Landesarchiv (früher: Landesregierungsarchiv) Innsbruck, im Britischen Museum London, in der Universitätsbibliothek München, der Bibliothek des Wilhelmsstiftes Tübingen und der Österreichischen Nationalbibliothek Wien. Da Bernhards literarisches Wirken auffällig mit der Zeit, in der er in Tegernsee das Amt des Priors bekleidete (1452-1465), zusammenfällt, ist es von Nutzen, seine Aufgaben im Verständnis der benediktinischen Klosterreform kurz zu
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quam atque in suis regularibus ac statum religionis concernentibus, si opertum videtur melius dispondendum etc.", so der Eichstätter Bischof Johann von Eych an den Tegernseer Abt; clm 19697, fol. 132v (Brief 315). REDLICH, Tegernsee, 113, mit Verweis auf Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Indersdorf 1, fol. 62ff Einen umfassenden Überblick zur handschriftlichen Überlieferung sämtlicher Schriften Bernhards gibt Werner HÖVER, Art. Bernhard von Waging, in: Verfasserlexikon, 2. Auflage (= 2VL), Bd. 1 (1978), Sp. 779-789. Für die beiden Traktate „Strictilogium de mystica theologia" und „Epistola de quadam visione cuiusdam virginis" ist Bernhards Verfasserschaft nicht gesichert. - Nachträge und Korrekturen zu Höver bzgl. Identifizierung von Handschriften vgl. Art. Bernhard von Waging, in: 2 VL 11 (2004), Sp. 244. „Traktat von der Erkenntnis Gottes" nach „De cognoscendo deum" (cgm 743, fol. 14115 lr), „Tröstung den betrübten und laydsamen" als Bearbeitung von Bernhards „Consolatorium tribulatorum" (cgm 746, fol. 77r-82r) und wohl auch der Bericht von der Visitation des Klosters St. Ulrich und Afra 1457 in Augsburg, an der auch Bernhard von Waging beteiligt war (cgm 1586, fol. 76r-78v).
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skizzieren: Demnach trägt der Prior, der „spiritus rector" des klösterlichen Lebens, die Verantwortung für folgende Bereiche:43 (1) Ihm obliegt die geistliche Leitung, Seelenführung und Unterweisung des Konvents durch die Auslegung der Benediktsregel, der Consuetudines und der Bibel durch Predigten und Darlegungen zu einzelnen Aspekten der monastischen Lebensweise oder durch Lektüreempfehlungen für die geistliche Lesung.44 Die zahlreichen Konventansprachen und Predigten45 Bernhards legen von dieser spirituellen Leitungskompetenz ebenso Zeugnis ab wie das Bedauern Johannes Schlitpachers, dass es Bernhard vor seinem Tod nicht mehr vergönnt war, von Bergen nach Tegernsee zurückzukehren „ob fratrum multorum directionem spiritualem".46 (2) Der Prior ist für die Einhaltung der klösterlichen Disziplin (Schweigen, lectio divina, Einhaltung von Regel und Konstitutionen) zuständig und hat auch Strafgewalt im Kapitel.47 (3) Er steht dem Konvent als Beichtvater zur Verfügung.48 (4) Für die gesamte Ordnung des Gottesdienstes und des klösterlichen Tagesablaufes ist er ebenfalls verantwortlich;49 in diesen Zusammenhang gehört auch die Erklärung des Messgeschehens.50 (5) Ist der Abt abwesend, übernimmt der Prior stellvertretend dessen Aufgaben.51
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Zum Folgenden vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform, 9 4 - 1 0 1 ; vgl. auch: REDLICH, Tegernsee, 94. Vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform, 9 7 - 1 0 0 , 1 6 6 . Nach HÖVER, Bernhard von Waging, 786f. enthalten: clm 1470, clm 7746, clm 18572, clm 18591, clm 18987, clm 19819 und clm 19857 sowie die Handschrift Tübingen, Königliches Wilhelmsstift, cod. Gb. 204 Konventansprachen und Predigten Bernhards. Clm 20171, fol. 115r (ed. REDLICH, Tegernsee, 214). „Curet summa cum diligentia, ut clausura debita, lex quoque silentii statutis temporibus et locis diligentissime custodiantur. Contra regularia excedentes instituta et disciplinam ac ceteros negligentes in quotidianis capitulis puniat iuxta suorum exigentiam demeritorum. Ad singulas fratrum cellas claves teneat, quas dum sibi vacaverit, saltem singulis anni Quattuor Temporibus visitare non praetermittat", so die Constitutiones Tegernseenses (ed. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee, 224). - Vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform, 96f. „Auctoritatem habet audiendi confessiones fratrum omnium, quotiens ad eum venerint", Constitutiones Tegernseenses (ed. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee, 223). „Quae ad suum pertinent officium cum diligentia strenue ac sollicitus exequatur, praecipue tarnen, ut cultus divino modo et tempore debito peragatur", Constitutiones Tegernseenses (ed. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee, 224). Vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform, 1 0 1 . „Insuper in abbatis absentia omnia praedicta de abbate faciat", Constitutiones Tegernseenses (ed. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee, 224).
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2.1. Themen und Schriften Die soeben skizzierten Aufgaben eines Priors bieten somit einen wichtigen Aspekt für das Verständnis von Bernhards Schriften: Sie sind aus seiner vielfältigen spirituell-pädagogischen Tätigkeit als Prior für seinen Konvent heraus zu erklären. Aus dem reichen literarischen Schaffen sollen einige zentrale Themenbereiche vorgestellt werden; dabei soll auch eruiert werden, ob sich diese Inhalte aus der Regula Benedicti bzw. den Anliegen der benediktinischen Reform erklären lassen. a) Mystik Das Thema, das Bernhards literarisches Schaffen wie eine Klammer umfasst, ist das der Mystik: Die Mystik oder das Bemühen des Einzelnen nach einer intensiven Gotteserfahrung findet in der RB im Gedanken der Liebe zu Gott bzw. Christus52 und der Gottsuche53 ihren Ansatzpunkt, aber auch im Leben Benedikts, dem - wie es von Gregor dem Großen in der Vita Benedikts beschrieben wird - eine kosmische Lichtvision zuteil wird,54 die in der benediktinischen Tradition als mystische Erfahrung Benedikts verstanden wird.55 Die Verinnerlichung („reformatio interioris hominis") ist denn auch in der Melker Reformbewegung ein zentrales Anliegen.56 In Tegernsee nimmt das Interesse an der speziellen Form der Gottsuche und Verinnerlichung, der Mystik, eine besondere Stellung ein. Nicht nur eine umfangreiche Sammlung von Mystikertexten in der Bibliothek57 oder der Exkurs zur Mystischen Theologie im Regel-Kommentar des Johannes Keck58 zeigt das hohe 52
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„Inprimis dominum deum diligere ex toto corde, tota anima, tota uirtute", RB, c. 4,1 ; „nihil amori Christi praeponere", RB, c. 4, 21. „Et sollicitudo sit, si reuera deum quaerit ...", RB, c. 58,7. „Cumque vir domini Benedictas, adhuc quiescentibus fratribus, instans uigiliis, nocturnae orationis tempora praeuenisset, ad fenestram stans et omnipotentem Dominum deprecans, subito intempesta noctis hora respiciens, uidit fusarn lucem desuper cunctas noctis tenebras exfugasse, tantoque splendore clarescere, ut diem uinceret lux illa, quae inter tenebras radiasset", GREGOR DER GROSSE, Dialoge, üb. 2, c. 35,2, ed. Adalbert DE VOGÜE (= Sources Chrétiennes 260), Paris 1979, 236-238. Bernhard bezieht sich auf diese Vision im „Defensorium laudatorii doctae ignorantiae", ed. VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance, III. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform, 43. In Tegernsee waren z. B. Handschriften mit Werken von Bernhard von Clairvaux, Bonaventura, Hugo von Balma, Johannes Gerson, Johannes Tauler, Nikolaus von Kues vorhanden; vgl. den Tegernseer Bibliothekskatalog von 1483, in: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4: Bistümer Passau, Regensburg, Freising, Würzburg (hg. von Bernhard Bischoff), Teil 2: Bistum Freising (bearb. von Günter Glauche u. a., mit Beitr. von Bernhard Bischoffund Wilhelm Stoll), München 1979, 751-863. „Tractatus de mystica theologia", clm 18150, fol. 146r-153r.
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Interesse der Tegernseer Mönche an dieser Thematik, sondern auch die Beschäftigung mit den Werken des Nikolaus von Kues: Ihm legen die Mönche im Jahr 1452 die Frage vor: „... utrum anima devota sine intellectus cognitione vel etiam sine cogitatione praevia vel concomitante, solo affectu seu per mentis apicem quam vocant synderesim Deum attingere possit, et in ipsum immediate moveri aut ferri"59; ihnen widmet Cusanus 1453 seinen mystischen Traktat „De visione Dei". Bernhard selbst hatte sich schon 1451 intensiv mit dessen „De docta ignorantia" befasst und daraufhin ein „Laudatorium doctae ignorantiae necnon invitatorium ad amorem eiusdem"60 geschrieben. 1459 sieht er sich genötigt, seine Lobschrift gegen die Angriffe des Kartäusers Vinzenz von Aggsbach (1397-1463) zu verteidigen, indem er das „Defensorium laudatorii doctae ignorantiae" verfasst.61 Im selben Jahr schreibt er zusätzlich den systematischen Traktat „De cognoscendo Deum".62 Bernhards Schriften („Laudatorium doctae ignorantiae", „Defensorium laudatorii doctae ignorantiae" und „De cognoscendo Deum") sind in die von mehreren Autoren getragene Kontroverse um die „Mystische Theologie", soweit sie sich an der „docta ignorantia" des Nikolaus von Kues im süddeutschösterreichischen Raum entzündete63, einzuordnen. In ihr geht es in der spekulativtheologischen Tradition des Dionysius (Pseudo-)Areopagita, Bonaventura, Johannes Gerson u. a. um eine genaue Begriffsklärung hinsichtlich der religiösen 59
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Brief des Abtes Kaspar Ayndorffer an Nikolaus von Kues vordem 22. September 1452 (clm 18711, fol. 160v-161), ed. VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance, 109-111, hier: 110. Zusätzlich zu den bei HÖVER, Bernhard von Waging, 780 genannten Handschriften befindet sich in clm 7673, fol. 183v-186r eine weitere Abschrift des „Laudatorium doctae ignorantiae" und ebd. fol. 177r-187r ein Textzeuge des „Defensorium laudatorii doctae ignorantiae". Die drei genannten Schriften sind ediert von VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance, 163-188, 204-212; eine neue Edition von „Laudatorium" und „Defensorium" ist von der Verfasserin erarbeitet (erscheint voraussichtlich 2013). Nach einer kurzen Einführung unter besonderer Berücksichtigung der BonaventuraRezeption edierte Martin GRABMANN, Die Erklärung des Bernhard von Waging OSB zum Schlusskapitel von Bonaventuras Itinerarium mentis in Deum, in: Franziskanische Studien 8 (1921), 125-135, das neunte von insgesamt 17 Kapiteln. Heide Dorothea RIEMANN, De cognoscendo Deum. Die Entstehungsgeschichte eines Traktats des Bernhard von Waging zum Mystikerstreit des 15. Jahrhunderts, in: Ludwig Hagemann, Reinhold Glei (Hg.), Hen kai plethos. Die Festschrift für Karl Bormann, Würzburg u. a. 1993, 121-160, verortete diesen Traktat im Spannungsfeld des Gedankengutes von Nikolaus von Kues und Vinzenz von Aggsbach und edierte die Kapitelübersicht, den Prolog und die ersten drei Kapitel. Eine vollständige Edition wird von Vlatka Cizmic erstellt (erscheint vorraussichtlich 2013). Wesentlich beteiligt waren neben Bernhard von Waging und Vinzenz von Aggsbach auch der Münchener Weltpriester Marquard Sprenger; vermittelnd wirkte der Melker Prior Johannes Schlitpacher.
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Erfahrung der Schau Gottes bzw. des Bewusstseins der göttlichen Gegenwart in der Seele und um die erkenntnistheoretische Fragestellung, in welchem Verhältnis in der mystischen Schau Intellekt und Affekt stehen. Bernhard identifiziert nach der Lektüre von „De docta ignorantia" die „theologia mystica" mit der „docta ignorantia" und favorisiert - gegen Vinzenz - ein ausgewogenes Verhältnis von Intellekt und Affekt. Mit seiner Auffassung stieß er wiederholt auf heftige Kritik des Kartäusers Vinzenz von Aggsbach.64 Wenn die Diskussion auch sehr spekulativ anmutet, so handelt es sich weder bei Bernhard noch bei Vinzenz um akademische Abhandlungen. Vielmehr wird durch ihre Schriften das Ringen um die Ernsthaftigkeit gelebter Frömmigkeit zum Ausdruck gebracht. Bernhard selbst sagt, er habe sich bemüht, die „docta ignorantia" auch anderen zu vermitteln.65 Die Kontroverse mit dem Kartäuser zeigt zum einen, dass sich Repräsentanten monastischer Orden dieses Themas der Mystischen Theologie annehmen (Bedeutung der Kartäusermystik, aber auch Schlitpacher in Melk), dass aber Bernhard sich auch bemüht, in seinen Schriften das altbewährte Gedankengut patristischer und hochmittelalterlicher Mystiker mit den neuen Gedanken des Nikolaus von Kues zu verbinden, auch in Kenntnis und Auseinandersetzung mit Johannes Gerson.66 Schließlich folgt 1463/64 (gegen Ende seines Priorates) noch das Werk „De spiritualibus sentimentis et perfectione spirituali". Das Werk „handelt von den Phänomenen des mystischen Lebens, von den Betätigungen und Erlebnissen der in 64
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Zu Vinzenz vgl. Dennis D. MARTIN, Art. Vinzenz von Aggsbach. In: 2 VL 10 (1999), 359365. Vinzenz von Aggsbach beteiligte sich an der Auseinandersetzung mit Bernhard in mehreren Beiträgen. Außer dem bei VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance, 204212, hier 206-208, edierten „Impugnatorium laudatorii" verfasste er neben Briefen folgende, bei Bernhard PEZ und Philibert HUEBER, Codex diplomatico-historico-epistularis (= Thesaurus anecdotorum novissimus 6), vol. VI 3, Augsburg - Graz 1729, 343-353, abgedruckten Beiträge: „Replicatio contra defensorium laudatorii doctae ignorantiae" „Refatatio" bzgl. „De cognoscendo Deum". Die als „Scriptum invectivum contra defensorium laudatorii doctae ignorantiae" überlieferte Schrift erweist sich in den Codices JRUL MS 458, fol. 244r/233r-246v/235v = urspr. Melk cod. 650 (356-G.16) und JRUL MS 459, fol. 48v-50v = urspr. Melk cod. 862 (843-P.33), fol. 110v-112v als inhaltlich identisch mit der „Replicatio". „Hinc amore affectus nimio, ut et ipsam ceteris graciorem redderem, necnon ad studendum in ea plurimos incitarem, in commendacionem eiusdem et laudem, quatenus sic viam legentibus patefacerem, affectu suggerente tunc fervido, quoddam et breve mox edidi scriptum" , so Bernhard im Defensorium laudatorii doctae ignorantiae (ed. VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance, 169). Zur Kontroverse weiterhin grundlegend VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance-, zusammenfassend: Bernard M C G I N N , Die Mystik im Abendland, Bd. 4 : Fülle. Die Mystik im mittelalterlichen Deutschland (1300-1500), Freiburg i. Br. u. a. 2008, 712-796.
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der Volkommenheit der göttlichen Liebe mit Gott vereinigten, dem Wirken des Heiligen Geistes sich rückhaltlos hingebenden Seele"67. Es gliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil steht die praktische Erfahrung der „vita unitiva ad Deum" im Vordergrund. Der zweite Teil bietet überwiegend eine Übersetzung vom „Buch von geistlicher Armut". Die in den Kontext der Mystischen Theologie einzuordnende Schrift „De spiritualibus sentimentis et perfectione spirituali" liegt in einer vom Kartäuser Anton Volmar 1617 vorgenommenen Überarbeitung und Verkürzung vor, die von Bernhard Pez 1724 gedruckt wurde.68 In den einleitenden Passagen bezieht sich die Schrift explizit auf Bernhards „De cognoscendo Deum". Werner Höver69 weist andeutungsweise auf die diffizile Textgenese sowie auf die umfangreichen Zitate aus dem Traktat „De lumine increato" des Johannes von Kastl und - im Anschluss an Sudbrack70 - auf die Exzerpte aus dem „Buch von geistlicher Armut" hin. Der Traktat bietet deshalb Einblick in eine im Zusammenhang der Klosterreform des 15. Jahrhunderts praktisch ausgerichtete Mystiktradition und in die Verbindung zum Gedankengut des Reformkreises von Kastl. Aufschlussreiche Ergebnisse sind vor allem für die Rezeption des „Buches von geistlicher Armut" zu erwarten. Dieser ursprünglich in deutsch verfasste mystische Traktat eines bis heute unbekannten Autors erlangte aufgrund seiner Zuschreibung an Johannes Tauler weite Verbreitung, die sich u. a. auch in einer durch den Kartäuser Surius im Jahre 1548 erfolgten lateinischen Übersetzung niederschlug.71 Sollten sich in „De spiritualibus sentimentis" große Passagen dieses Werkes befinden, so läge damit eine weit frühere lateinische Bearbeitung vor. Damit ist dann dieser Bernhard zugeschriebene Traktat nicht nur generell im Zusammenhang einer im späten Mittelalter zu beobachtenden Relatinisierung spiritueller Inhalte zu be-
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Martin GRABMANN, Bernhard von Waging (*1472'), Prior von Tegernsee, ein bayerischer Benediktinermystiker des 15. Jahrhunderts, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 60 (1946) 82-98, hier 92. Anton VOLMAR, De spirituali perfectione, in: Pez, Bibliotheca ascetica antiquo-nova, tom. V, Regensburg 1724, 1-404 (Nachdruck Farnborough 1967). - Im Anhang dieses Beitrags (S. 43-47) die Transkription des Inhaltsverzeichnisses von Bernhards Textversion nach clm 18598, fol. 3r-203r. HÖVER, Bernhard von Waging, 7 8 4 - 7 8 5 . Josef SUDBRACK: Die geistliche Theologie des Johannes von Kastl. Teil II: Texte und Untersuchungen (= Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 27,2), Münster 1966, 3. Heinrich Suso DENIFLE, Das Buch von geistlicher Armuth, bisher bekannt als Johann Taulers Nachfolgung des armen Lebens Christi. Unter Zugrundelegung der ältesten bis jetzt bekannten Handschriften, zum ersten Mal hrsg. von Heinrich Suso Denifle, München 1 8 7 7 ; Nikiaus LARGIER (Hg.), Das Buch von der geistigen Armut. Eine mittelalterliche Unterweisung zum vollkommenen Leben. Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen und mit einem Nachwort und Anmerkungen, Zürich - München 1989, 237.
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trachten,72 sondern auch die mögliche Rolle Bernhards als Übersetzer, wie sie in umgekehrter Richtung auch im Kontext des „Tegernseer Anonymus" diskutiert wird.73 b) Messe Ein zweiter Themenbereich befasst sich mit Schriften bezüglich Messe und Eucharistie. „Ergo nihil operi dei praeponatur", sagt die RB in c. 43,3. Im Vergleich zur Regel, die das Chorgebet in den Kapiteln 8-20 in ihrer äußeren Ordnung und der ihr entsprechenden Haltung des Mönches thematisiert, hat im Mittelalter die Eucharistiefeier eine höhere Beutung für den klösterlichen Tagesablauf erlangt.74 Deshalb verstehen sich die Schriften Bernhards zu diesem Themenbereich zum einen aus dieser grundsätzlichen Bedeutung der Messe für das klösterliche Leben, wie aus zahlreichen Bestimmungen der benediktinischen Reformbewegung (Consuetudines75, Bestimmungen der Reformer - Abt Kaspar hatte als Norm für 72
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Christoph BÜRGER, Direkte Zuwendung zu den ,Laien' und Rückgriff auf Vermittler in spätmittelalterlicher katechetischer Literatur, in: Berndt Hamm, Thomas Lentes (Hg.), Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis, Tübingen 2001, 85-109, hier: 86. Werner HÖVER, Theologia Mystica in altbairischer Überteragung. Bernhard von Clairvaux, Bonaventura, Hugo von Balma, Jean Gerson, Bernhard von Waging und andere. Studien zum Ubersetzungswerk eines Tegernseer Anonymus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, München 1971, 272-274; DERS., Art. Tegernseer Anonymus, in: 2 VL 9 (1995), 665-670; Christian BAUER, Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee. Untersuchungen zu Gebrauch und Uberlieferung deutschsprachiger Literatur im 15. Jahrhundert, Tübingen 1996, 137-159. Zur Entwicklung der Messhäufigkeit im Kloster vgl. Angelus A. HÄUSSLING, Mönchskonvent und Eucharistiefeier. Eine Studie über die Messe in der abendländischen Klosterliturgie des frühen Mittelalters und zur Geschichte der Messhäufigkeit (= Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 35), Münster 1973. Die Constitutiones Tegernseenses regeln die Feier der Messe unter folgenden Themen: De processu et ritibus in officio missae observandis; Quotiens et quando sacerdos in missa manus iungere debeat; De profundis inclinationibus in missa servandis; De inclinationibus mediocribus; De osculis, quae fiunt in missa; De elevatione et extensione manuum et brachiorum in missa; De inceptione introitus; De lectione epistolae et praeparatione calicis; Sequuntur avisamenta generalia tarn a sacerdote quam ab altaris ministris diligenter consideranda; De calicis praeparatione; De renovatione sacramenti; De tunsione pectoris; De benedictione in fine missae; De ministris altaris missae principalis; De thurificatione; De missis specialibus, quae certis temporibus in conventu cantantur; De numero collectarum in missa contentuali habendo; De collectis in missa publica imponendis; De Gloria in excelsis, quando in missa publica habeatur; De sequentiis seu prosis pro tempore in missa cantandis; De Credo, quando habeatur in missa; De praefationibus in missa et Communicantes certis diebus habendis; De communione fratrum in die Cenae generali de
Bernhard von Waging
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das Missale in Tegernsee das römische Missale aufgestellt76 - und Visitatoren sowie Zeremonienbüchern)77, aber auch durch einschlägige Traktate des Johannes Schlitpacher („Tractatus brevis de missa et eius compositoribus", „Brevis praeparatio sacerdotis ad missam") oder des Hieronymus von Mondsee („Opusculum de officio misse", „Modus excitandi se ad actualem dei dilectionem") und den diesbezüglichen Bemühungen des Nikolaus von Kues78 hervorgeht. Zum anderen ist diese Thematik aus der Aufgabe des Priors, den Gottesdienst zu ordnen, den Verlauf desselben zu überwachen und die Brüder in allen den Ablauf des Gottesdienstes betreffenden Fragen zu unterrichten, zu verstehen.79 So verfasst Bernhard im Jahr 1456 auf Bitten der Benediktiner von St. Ulrich und Afra in Augsburg eine Schrift „De materia eucharistiae sacramenti". Von zentraler Bedeutung aber ist seine Messerklärung „Ordinarium missae practicum" von 1461/62.80 Veranlasst durch die Bitte des Eichstätter Bischofs Johann von Eych, für den Klerus seiner Diözese eine Belehrung über die würdige Feier der heiligen Messe und über die einheitliche Beobachtung des Ritus zu verfassen, schrieb Bernhard dem Wunsch des Bischofs entsprechend einen Traktat, in dem in praktischer Weise aufgezeigt wird, wie die Priester sich auf die Messe vorbereiten und wie sie die einzelnen Handlungen in der Messe ausführen sollen. Die Schrift besteht aus vier Teilen und befasst sich mit den Fragen der Herbeiführung einer Vereinheitlichung in der Liturgie, der asketischen Vorbereitung auf die Messe und der moralischen Disposition des Priesters sowie - im eigentlichen „Ordinarium missae practicum" - mit der Erklärung des Messritus im Anschluss an das „Officium Romanum". Bernhard thematisiert in diesem Zusammenhang unter anderem den Ort der Zelebration, die Haltung der Hände, den Altarkuss und den Ablauf der Messe. Die Stärke dieser Auslegung besteht darin, dass sie weitestgehend auf eine Allegorisierung verzichtet. So urteilt Franz: „Der Prior bietet ... einen beachtenswerten Beitrag zur Geschichte der Liturgie, der bis jetzt den Fachmännern entgangen ist."81
manu abbatis; De communione fratrum non sacerdotum certis temporibus statutis; Quando fratres infra sacerdotium communicandi sint. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee, 253-271. 76
77
78 79 80
Vgl. REDLICH, Tegernsee, 109. Vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform,
101; REDLICH, Tegernsee,
(Nachdruck 2003). 81
108-110.
Robert R. BOND, TheEfforts ofNicholas of Cusa as a Liturgical Reformer, Salzburg 1962. S.o. S. 2 1 . Zum Folgenden eingehend: Adolph FRANZ, Die Messe im deutschen Mittelalter. Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens, Freiburg i. Br. 1902, 566-577 FRANZ, Die Messe im deutschen Mittelalter, 570.
28 c) Seelsorgepraktische
SusanneKaup (katechetische und pastoraltheologische)
Schriften
Aus der Aufgabe des Priors, den Konvent geistlich zu unterweisen, entstanden Bernhards seelsorgepraktische und katechetische Schriften. Bernhard lässt als geistlicher Vater seine Mitbrüder in den die Menschen des 15. Jahrhunderts beschäftigenden Fragen nach einem guten Leben und Sterben, aber auch bei der Thematik der Ängstlichkeit hinsichtlich der Sünden nicht allein. Im Jahr 1459 verfasst er den „Tractatus de morte necnon de praeparatione ad mortem". Auch diese Thematik lässt sich aus der RB ableiten, wenn es in c. 4,47 heißt: „mortem cottidie ante oculos suspectam habere". Unter dem Einfluss der Universität Wien spielt die Literaturgattung der „Ars moriendi" im Melker Reformkreis eine große Rolle, die, angeregt durch die „Ars moriendi" des Johannes Gerson bei den Wiener Magistern Johannes Nider („Dispositorium moriendi"), Nikolaus von Dinkelsbühl („Speculum artis bene moriendi") oder Wolfgang Kydrer, der 1462 in das Kloster Tegernsee eintrat („Tractatus per modum sermonis de securo moriendi"), vielfältig rezipiert wird. Dass auch Bernhard von Waging in der Abhängigkeit der Wiener Gedankenwelt steht, wird schon allein durch seine Quellen, unter anderem Johannes Gerson und Nikolaus von Dinkelsbühl, deutlich. Ziel dieser Gattung ist es, zur Todesbetrachtung anzuleiten, aber dann auch zu einem heilsamen Leben anzuregen.82 Bernhard führt aus, dass er diese Schrift auf Bitten von Mitbrüdern verfasst habe. Sie soll ihnen zur Meditation und Vorbereitung dienen; als Quellen benutzt er umfangreich die katholischen Väter, das heißt er erarbeitet eine Kompilation. Der Traktat ist nötig, um auch den einfacheren Mitbrüdern geistliche Nahrung zu geben, und begründet damit, warum die bekannten diesbezüglichen Bücher für das Anliegen der Mitbrüder nicht ausreichen.83 82
83
Zur Ars moriendi-Literatur der Wiener Schule vgl. Rainer RUDOLF, Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens (= Forschungen zur Volkskunde 39), Köln u. a. 1957, 82-99, und DERS., Art. Ars moriendi I, in: Theologische Realenzyklopädie 4 (1979), 143-149. JRUL MS 458, fol. lr (llr): „Prologus in speculum mortis. Quoniam a devotis quibusdam fratribus praesentis huius vitae contentoribus crebro pulsatus et rogatus, quatenus de utili necessariaque mortis prae meditatione ac debita ad eam praeparatione pro multorum simplicium directione aliqua ex patrum sanctorumque scriptis in unum colligerem, fasciculum quendam componerem et veluti manuale quoddam ac speculum mortis homini cuique sensato plurimum accommodum pro usu cottidiano et memoriali perhenni sub compendio conficerem, quorum tandem piis petitionibus et votis annuens quin immo mihimet ipsi utiliter prospiciens mortem ipsam inevitabiliter ac citius venturam mihi familiarem ac amicabilem facere gestiens de his, quae eam praecedunt, commitantur et secuntur et pluribus patrum catholicorum scriptis et dictis hoc praesens mortis memoriale seu speculum mortis edidi atque in unum tractatum compegi, quem etiam in quatuor partitiones distinxi: In quarum prima agitur de ipsa morte moriendique necessitudine ac perutili mortis frequenti medita-
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Er selbst gliedert seinen Traktat in vier Teile, die die Kunst des heilsamen Lebens (u. a. Nutzen der Todesbetrachtung, Herzensreinheit), die Kunst des heilsamen Sterbens, die letzten Vorbereitungen auf den Tod (u. a. Zerknirschung, Beichte) und das Leben nach dem Tod beinhalten.84 Bernhard habe sozusagen alles, was die Theologien des Mittelalters, besonders der Wiener Schule, über den Tod und die Kunst des rechten Lebens und Sterbens geschrieben habe, gesammelt und mit stupenden Kenntnissen der Hl. Schrift und der Väter zu einem umfangreichen Traktat verarbeitet, urteilt Rudolf abschließend.85 In den Zusammenhang der katechetisch-seelsorglichen Schriften gehören auch die beiden Trostbücher „Consolatorium seu remediarium tribulatorum" (1461) und „Remediarius contra pusillanimes et scrupulosos (1464/65).86 Die RB versteht sich als Anleitung zu einem Leben in Buße (RB, c. 49,1: „Licet omni tempore uita monachi quadragesimae debet obseruationem habere...") für Verfehlungen moralischer und disziplinarischer Art (RB, c. 23-30 und 43-46). Aber auch einzelne „Instrumente der geistlichen Kunst" im vierten Kapitel87 verlangen vom Mönch eine ständige Selbstkontrolle und Beobachtung seines Denkens und Handelns. Doch weiß die Regel auch, dass die Konzentration auf die Sündhaftigkeit und Unzulänglichkeit zu einer Niedergeschlagenheit führen kann, und stellt dem ausdrücklich die Aufforderung entgegen „Et de dei misericordia numquam desperare" (RB, c. 4,74). Die spätmittelalterlichen Trostschriften wollen den ängstlichen, angesichts ihrer Sünden und ihres geistlichen Unvermögens verzagenden Gewissen Hilfe geben. Diese Anfechtungsphänomene der engen, kleinmütigen und skrupulösen Gewissen „waren vor allem ein Problem der observanten Klöster, wo Menschen zu geistlichen Überanstrengungen neigten und dadurch maximale Heilssicherheit
84
tione atque ad eam sanitatis tempore praevia dispositione. In secunda tractatur de praeparatione ad earn ipsa iam morte de propinquo imminente nec non de plurimis pertinentibus ad idem. In tertia vero ponuntur beneficiorum dei cum gratitudine generalis rememoratio atque cum sui recollectione fidei debitae professio nec non ad deum et sanctos cum devotis orationibus humilis recommendatio ac sui tandem in manus dei plenaria resigantio. In quarta parte agitur de poenis et gloria vitae füturae." Ausführlich RUDOLF, Ars morìendì, 92-95. - Zum genauen Überblick über den Inhalt s. u. die transkribierte „Tabula capitulorum" Seite 48-52.
85
RUDOLF, Ars moriendi,
86
Ediert in: PEZ, Bìblìotheca ascetica, torn. VII, Regensburg 1725, 447-525. Z. B. RB, c. 4,43: „malum uero semper a se factum sciat et sibi reptutet"; c. 4,44: „Diem iudicii timere"; c. 4,50: „Cogitationes malas cordi suo aduenientes mox ad Christum allidere et seniori spirituali patefacere"; c. 4,57: „Mala sua praeterita cum labrimis uel gemitu cottidie in oratione deo confideri".
87
94f.
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suchten."88 So ist verständlich, dass Bernhard auch in dieser Thematik der angefochtenen Gewissen seinen Konventualen Ratschläge für den rechten Umgang in derartigen Situationen gibt. Bernhard ist dabei vor allem beeinflusst von der Schrift „De consolatione theologiae" des kompilatorisch arbeitenden Dominikaners Johannes von Dambach sowie von Johannes Gerson. Thematisch werden u. a. die verheerenden Folgen der Traurigkeit für die Seele beschrieben; als Heilmittel werden die Geduld und die theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe genannt; des Weiteren werden Ursachen, Merkmale, besonders gefährdete Personen untersucht und als Trost das Vertrauen in die eigenen Kräfte und auf die Barmherzigkeit Gottes angeführt.89 d) Cura animarum: Seelsorge im Kloster Die Themen Sünde und Verfehlung werden in der Regula Benedicti auch unter dem Aspekt von Schuldkapitel und Bußordnung, das heißt Bekenntnis von Verfehlungen und Strafen behandelt (RB c.23-30). Auch nach den Vorschriften der Consuetudines Tegernseenses90 sind sie ebenfalls wichtige Momente des geistlichen Lebens, die in den Verantwortungsbereich der seelsorgerischen Aufgaben des Priors91 gehören. So verfasst Bernhard ein „Confessionale seu tractatus de confessione", das eine Aufzählung von Verstößen gegen die Zehn Gebote sowie eine Beschreibung der Hauptsünden wie superbia, acedia etc. enthält,92 des Weiteren eine Schrift hinsichtlich der Strafgewalt bei der besonderen Strafe des vorübergehenden Ausschlusses vom Gemeinschaftsleben (RB c.23-26) „De forma servanda in excommunicando et qualiter sententia excommunicationis in subditos ferrenda sit". 88
89
90
91 92
Bernd H A M M , Theologie und Frömmigkeit im ausgehenden Mittelalter, in: Handbuch der Geschichte der evangelischen Kirche in Bayern. Bd. 1: Von den Anfängen des Christentums bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, hg. v. Gerhard Müller u. a., St. Ottilien 2002, 159-211, hier 173. Albert A U E R , Johannes von Dambach und die Trostbücher vom 11. bis zum 16. Jahrhundert (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 27, 1-2) Münster 1928, 309-320; umfassend zur Thematik des angefochtenen Gewissens vgl. Sven GROSSE, Heilsungewissheit und Scrupulositas im späten Mittelalter. Studien zu Johannes Gerson und Gattungen der Frömmigkeitstheologie seiner Zeit (= Beiträge zur historischen Theologie 85), Tübingen 1994. - S. u. im Anhang Seite 53 die Kapitelüberschriften dieser Schrift. „De forma confessionis et absolutionis sacramentalis et de casibus reservatis; Forma confessionis ante altare in missa et in Completorio; De modo quotidie confitendi; Alia formula confessionis compendiosior, De forma absolutionis sacramentalis, De casibus abbati reservatis" (ed. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee, 149-155). S. o. Anm. 48. HÖVER, Bernhard von Waging, 7 8 4 .
Bernhard von Waging e) Schriften zur benediktinischen
31 Lebensweise
Wenn auch Bernhard im Gegensatz zu den Prioren Johannes Keck, Christian Tesenpacher und Johannes Schlitpacher keinen Kommentar zur Benediktsregel verfasst, so äußert er sich doch in verschiedenen Schriften zu explizit benediktinischen Themen. Neben den Visitationsberichten zu den (süd-)tiroler Klöstern Sonnenburg und Georgenberg93 ist die kurze Schrift „Declaratio huius passus regulae S. Benedicti ,In omnibus omnes magistram sequantur regulam'" zu nennen, in der unter anderem das Befolgen der Intention der Benediktsregel und der Caritas gegenüber einem rein formalen Einhalten von Vorschriften betont wird. Für das Verständnis des monastischen Ideals Bernhards ist eine Diskussion aufschlussreich, die er mit dem Eichstätter Bischof Johann von Eych führte. Dieser hatte sich in einem Gespräch mit Bernhard beklagt, dass die meisten Mönche in den Klöstern für sich selbst leben und so gleichsam in untätiger Muße der Kirche keine Frucht bringen, während die Priester, die in der Welt leben, viele Menschen zum Heil führen können. Das sieht der Tegernseer Benediktiner naturgemäß anders. Alle drei aus dieser Kontroverse hervorgegangenen Schriften sind erhalten, nämlich die Stellungnahme Bernhards auf diese Anschuldigung, das „Speculum seu monitorium pastorum et animarum rectorum", als Replik die „Epistula impugnatoria" des Bischofs (1462) und der abschließende Traktat Bernhards „Defensorium speculi pastorum" (1463).94 Bernhards Argumentation ist ganz aus der Perspektive der Regula Benedicti zu verstehen, die bewusst den Rückzug aus der Welt fordert und Anweisungen gibt für ein Leben der Gottsuche, Innerlichkeit und Umkehr des Einzelnen. Aus der Perspektive, welche Form mit größerer Sicherheit zum Heil für den Einzelnen führt, hält Bernhard die monastische Form für sicherer, fruchtbarer und nützlicher. Die Diskussion, welcher Lebensform, der kontemplativ-monastischen oder der aktiv-pastoralen, der Vorzug zu geben ist, zieht sich durch die Kirchengeschichte. Bernhard bewertet die kontemplative Lebensform grundsätzlich höher als die der Seelsorge, da der Mönch mit größerer Sicherheit das Heil erlangt als ein von vielen Gefahren umgebener Weltpriester. Zudem habe das monastische Leben aber durchaus auch Nutzen für die Gemeinschaft, der darin besteht, dass das beispielgebende Leben der Mönche zeige, dass man Gott in der Tat über alles lieben, sich vor Sünden und Verfehlungen hüten, 93
94
Transkription und Übersetzung bei: Wilhelm BAUM, Karl RAUTER, Bernhard von Waging (gest. 1472): „Klagelieder über St. Georgenberg". Das Scheitern einer Klosterreform des Nikolaus Cusanus (1453/54). Mit Textpublikationen, in: Der Schiern 57 (1983) 482-494. Edition und Kommentar von Heide Dorothea RIEMANN, Der Briefwechsel Bernhards von Waging und Johannes von Eych (1461-1463). Speculum pastorum et animarum rectorum, Epistula impugnatoria, Defensorium speculi pastorum et animarum rectorum. Zur Kontroverse über Rang und Verdienst des aktiven und des kontemplativen Lebens, Köln 1985.
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alles Eitle verachten müsse; zum anderen dürfe man den Nutzen des fürbittenden Gebetes nicht gering achten. Wenn Bernhard auch zugibt, dass es im Einzelfall wichtiger sein kann, als Seelsorger tätig zu sein, und er das Engagement der Seelsorger hochschätzt, so rückt er von seiner Einschätzung und Liebe zur kontemplativen Lebensform nicht ab. Dem speziellen asketischen Thema über die Erlaubtheit des Fleischgenusses „Carnium uero quadripedum omnimodo ab omnibus abstineatur comestio praeter omnino debiles egrotos" (RB c. 39,11) - widmet Bernhard die Schriften „Epistola seu tractatus contra illicitum carnium esum monachorum ordinis S. Benedicti", „Responsio ad quaedam argumenta contra aliqua dicta in quaestione de esu carnium monachorum OSB" und „Dialogus more didascalico per quendam editus de esu et abstinentia carnium professorum regulae S. Benedicti fortium et sanorum". In der Reform des 15. Jahrhunderts nehmen die Fastenvorschriften einen weiten Raum in den Reformbestimmungen ein. Bernhard nimmt in dieser Frage eine strenge Position ein, die zum Teil in den von ihm reformierten Klöstern, aber auch in der Bursfelder Kongregation nicht geteilt wird.95 f ) Predigten/Konventansprachen
und Briefe96
Zu den Aufgaben eines Priors gehört die geistliche Führung und Unterweisung der klösterlichen Gemeinschaft97, was zu einem erheblichen Teil in Predigten und Konventansprachen zum Ausdruck kommt. Von Bernhard sind Predigten zum Kirchenjahr und Professpredigten für Mitbrüder überliefert; eine genaue Zuschreibung der
95
96
97
Zur umfassenden Interpretation vgl. TREUSCH, Bernhard von Waging, 199-276, und im vorliegenden Tagungsband S. 143-157. Das Briefcorpus Bernhards einschließlich der an ihn gerichteten Korrespondenz ist bisher wenig bearbeitet. Einzelne Briefe wurden abgedruckt von PEZ, Bibliotheca ascetica, tom. Vin, Regensburg 1725, 589-600; PEZ, HUEBER, Codex diplomatico-historico-epistularis, vol. VI 3, Augsburg - Graz 1729, 346-348, und Karl MEICHELBECK, Historia Frisingensis, vol. II 1, Augsburg 1729, 252-256; VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance, 122126, 130-138, 140, 143-156, 158-160; Vansteenberghes Edition nahmen Wilhelm OEHL, Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters 1100-1550, München 1931, 559f., und Wilhelm BAUM, Raimund SENONER, Nikolaus von Kues, Briefe und Dokumente zum Brixner Streit, Vol. I: Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), Wien 1998, als Grundlage für ihre Übersetzung ins Deutsche. Weitere Briefe finden sich bei REDLICH, Tegernsee, 195-219, und BAUM, RAUTER, Bernhard von Waging (gest. 1472): „Klagelieder über St. Georgenberg". S. o. Anm. 44.
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oft anonym überlieferten Ansprachen ist - bis auf acht Professpredigten - noch nicht erfolgt.98 Von Bernhard sind in verschiedenen Handschriften zahlreiche Briefe erhalten, von denen bisher nur ein geringer Teil gedruckt vorliegt. Ihre Edition und diejenige aller bisher nur handschriftlich vorliegenden Schriften dieses für die Reform vielfältig bedeutenden Mönches würde zu wichtigen Einsichten in die Theologie- und Spiritualitätsgeschichte des 15. Jahrhunderts führen. 2.2 Aspekte des monastischen
Verständnisses
Die Gründe Bernhards für seinen Übertritt von Indersdorf nach Tegernsee, aber auch die Thematik und Intention seiner Werke konnten auf Vorschriften der Benediktsregel bzw. Konstitutionen des Melk-Tegernseer Reformkreises zurückgeführt und so innerhalb des benediktinisch-monastischen Umfeldes verortet werden. Die Frage nach Bernhards monastischem Verständnis ist damit aber nur unvollständig beantwort. Was ist die „vita monastica", wie gestaltet sie sich, was ist ihr Ziel? Im Folgenden soll diese Thematik anhand der edierten Professpredigten Bernhards" und seiner Äußerungen in seiner Auseinandersetzung mit Bischof Johann von Eych um die Bedeutung von „vita activa" und „vita contemplativa"100 wenigstens skizziert werden. Obwohl für beide Textfamilien eine ausführliche quellenkritische Untersuchung fehlt, lässt sich dennoch feststellen, dass in ihnen zahlreiche Autoren direkt oder indirekt zitiert werden, etwa Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin, Ludolf von Sachsen, Johannes Gerson. Aufgrund der unterschiedlichen Quellen und der damit einhergehenden unterschiedlichen Begrifflichkeit für den Sachverhalt des klösterlichen Lebens lassen sich die Begriffe „status religionis", „vita regularis", „vita monastica", „vita contemplativa" für unsere Zielsetzung einer ersten Annäherung an das monastische Verständnis Bernhards als Synonyme verstehen. Explizite Zitate aus der Benediktsregel waren nicht zu finden, wohl aber an einigen Stellen der Verweis auf Regel-Kapitel. Dennoch soll im Folgenden auch versucht werden, Bernhards Äußerungen in den Kontext der Benediktsregel einzuordnen.
98
S. o. Anm. 45. Ediert wurden von dem umfangreichen Predigtwerk Bernhards bisher acht Professpredigten in Christiane ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten (clm 18572, fol. 317r-341v•), 2 Bde., Wien 1987. 99 ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 109-219 (bei der folgenden Zitation wird auf die von Öhm verwendeten Zeichen, mit deren Hilfe eine diplomatische Textwiedergabe erreicht werden soll, verzichtet; Worttrennungen und die Zeichensetzungen nach den Regeln der deutschen Rechtschreibung werden zusätzlich eingefügt). 100 RIEMANN, Der Briefwechsel, 1-313.
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a) Definition, Ziel und Wirkung Bernhard übernimmt das aus der RB bekannte Bild des monastischen Lebens als „militia Christi"101 an vielen Stellen, wenn er die Neuprofessen beispielsweise als „tyrones"102, „commilitiones"103, „miles Christi"104, als „deo soli militaturi duo viri"105, als „Christi miliciam sacre scilicet relligionis statum feliciter adepti"106 bezeichnet, die „ipsi eidem summo regi deinceps militare... deuouistis"107. Der Kampf - „grande et diuturnum id est diu duratum bellum... contra carnis et cordis vicia"108 - bestimmt das Leben des Mönches. Das Bild des Kampfes durchzieht die gesamte fünfte Predigt, die unter dem Thema steht: „Confortamini in domino et in potencia virtutis eius induite vos armaturam dei, vt possitis stare aduersus insidias etc." (Eph 6,10). Der „status religionis" besteht nach Bernhard darin, von sich selbst und Unpassendem frei zu sein und allem anderen um Christi willen zu entsagen109, in der Selbstverleugnung und täglichen freiwilligen Abtötung des Menschen110, im gottgefälligen Lebenswandel.111 Somit enthält die „vita monastica" zunächst die moralische Komponente des Kampfes gegen die Laster. In diesem Sinn ist auch das Bild des Sterbens112 und des Tot-Seins für die Welt zu sehen.113 Diese Lebensweise 101
„... quisquís propriis uoluntatibus domino Christo uero regi militaturus oboedientiae fortissima atque praeclara arma sumis", RB, Prol. 3; „Ecce lex, sub qua militare uis", RB, c. 50,10. 102 ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, Predigt 3, 136, Z. 3; Predigt 5, 148, Z. 11; Predigt 6, 166, Z. 15; Predigt 7, 181, Z. 3. 103 Ebd. Predigt 3, 133, Z. 5; Predigt 6, 162, Z. 2f. 104 Ebd. Predigt 6, 162, Z. 20. 105 Ebd. Predigt 3, 133, Z. 18f. 106 Ebd. Predigt 3, 136, Z. 4f. 107 Ebd. Predigt 7, 183, Z. 3-5. 108 Ebd. Predigt 5, 18, Z. 18-20. 109 „... sibi soli ac diversis vacare et sese pro Christo omnibus abnegatis in claustro recludere", Speculum pastorum, Praefatio (RIEMANN, Der Briefwechsel, 3, Z. lf.). 110 „... status relligionis, in quo seipsum penitus abnegai homo et diutine mortificacioni voluntarie exponit ...", Predigt 3 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 141, Z. 13f.). - Vgl. RB, c. 4,10: „Abnegare semetipsum sibi, ut sequatur Christum." 111 „... subistis ad progrediendum scilicet dietim in omni vite sanctimonia ...", Predigt 5 (OHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 148, Z. 23-25). 112 „Nam sicvt zabulón et neptalim a voluntaria mortis oblacione conmendantur, quia pro populi liberacione se morti tradiderunt, sic ymo et amplius nostri presentes in christo noui commilitiones pro suarum liberacione et salute animarum, vt eternaliter viuerent, eas temporaliter perdiderunt", Predigt 3 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 133, Z. 5 11). 113
„... sit demum sibimet piene mortuus pariter et mundo iuxta misterium, quod in se iam triduo figurate gessit", Predigt 4 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten,
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ist eine Schule zur Ausübung der Tugenden.114 Die „vita contemplativa" besteht aber auch in einer eigentlich theologischen Dimension, nämlich der Freiheit von Geschäftigkeit und der Ausrichtung allein auf die Liebe zu Gott.115 Der Mönch hat sich der Kontemplation und der inneren Ruhe hinzugeben116, er kann Gott in besonders enger Verbindung anhängen.117 Die in der monastischen Lebensform geforderte Ganzhingabe an Gott beschreibt Bernhard wiederholt unter dem Bild des „holocaustum".118 Ziel der „vita religiosa" ist die vollkommene Liebe.119 Diese Lebensform soll zum ewigen Leben120, zur dauernden Glückseligkeit führen.121 Ganz der Tradition der RB folgend - „... non ... refugias uiam salutis, quae non est nisi angusto initio incipienda"122 - wird die klösterliche Lebensweise als ein
145, Z. 23f.). - Zum Ritus der symbolischen Grablegung bei der Profess vgl. Raphael MOLITOR, Symbolische Grablegung bei der Ordensprofeß, in: Benediktinische Monatsschrift 6 (1924) 54-57. 114 „Nam et status perfectionis, qui est vita monastica, praeceptorum observantiam necessario praesupponit, cui ea, quae sunt supererogationis et consilii, sua sponte propria apponit; ñeque enim attingitur finis religionis, qui est vitae perfectio, nisi post diuturnam praeceptorum observantiam etiam consiliis, quibus sacra specialiter dedicata religio, bene ac piene servatis; patet id clarius ex multis persuasionibus et doctrinis sanctorum. Aiunt namque statum approbatae religionis scholam esse exercendae virtutis; per ordinatum autem ac debitum exercititum virtutum rite et expedit pervenitur ad verae perfectionis complementan fitque hoc ipsum in schola religionis citius, efficatius et expeditius quam extra ...", Defensorium speculi pastorum, Introductio (RIEMANN, Der Briefwechsel, 142, Z. 17143, Z. 12). - Vgl. RB, c. 4,45. „Constituenda est ergo nobis dominici scola seruitii." 115 „... contemplativa, quae vacans ab omni negotio in sola dei dilectione figitur", Defensorium speculi pastorum, c. 1 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 149, Z. 7-9). 116 „... claústralos deditus contemplationi et internae quieti ...", Speculum pastorum, c. 6 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 78, Z. 9f.). 117 „... deo possent artius familiariusque inhaerere", Speculum pastoris, c. 2 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 27, Z. 5). 118 „... status religionis sacre ad ceteros hominum status salutares se habet sicut olim in lege holocaustum se habuit ad alia sacrificia quam plurima.", Predigt 7 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 181, Z. 14-17). 119 „... suam eciam voluntatem propriam per hec assuescet contemnere, in quibus pro maxima parte hominis profectus consistit in vita regulari. Quanto enim affectus hominis liberata et depurata a proprys cupiditatibus, tanto in deum ferri potest plenius et sincerius. In hoc autem consistit perfeccio caritatis, que est finis et consumacio tocius relligionis. Ex hys omnibus clare colligitur, quam secura, eligibilis et conmendabilis est vita relligiosorum relligiose viuentium.", Predigt 5 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 160, Z. 11120
„... subistis ... atque ad promerendum celestis vite eterna gaudia.", Predigt 5 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 148, Z. 23-25). 121 Predigt 5 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 157, Z. 21). 122 RB, Prol. 48.
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harter Weg verstanden, der aber wieder gemäß der RB - „Processi! uero conuersationis et fidei dilatato corde inenarrabili dilectionis dulcedine curritur uia mandatorum dei"123 - nicht der Annehmlichkeit und Freude entbehrt,124 denn bereits zu Lebzeiten wird der Mönch einiger Belohnungen (praemia) teilhaftig, wie Trost, Freude und Friede.125 b) Vollzug Wie der Mönch sein Leben gestalten soll, buchstabiert ihm Bernhard wortwörtlich vor: „Monachus est miles strenuus in omni temptacione quantum ad litteram M; obediens et subditus sine simulacione quantum ad litteram O; nichil habens propry in absconsione quantum ad litteram N; amans deum super omnia pura mentis intencione et proximum sicvt seipsum absque omni ficcione quantum ad litteram A; castus et continens se ab omni inmundicia et pollucione quantum ad C; humilis et benignus in omni operacione quantum ad h; verax et circumspectus in omni locucione quantum ad V; simplex vt columba in omni conuersacione quantum ad litteram S."126 Einige der genannten Aspekte des monastischen Vollzugs sollen im Folgenden etwas näher bestimmt werden. Der Mönch muss gegen Versuchungen kämpfen. Diese gehen vom Fleisch, vom Teufel und von der Welt aus; ihnen muss man mit geduldigem Ertragen, Widerstehen oder Besiegen begegnen. Der Mönch ist diesen 123
RB, Prol. 49. „Hec admodum ardua via plurimum alta et arta verumtamen Christum pie colentibus est dulcis et valde iocunda, sacra scilicet regularis vita.", Predigt 5 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 157, Z. 8-12). 125 „.. .premium dominus cumulatissimum sese redditurum promisit et hoc in vita presenti pariter et futura, vt sic in vtraque vita vnum necessarium habeatur. ... hoc scilicet centuplum, quod est quoddam necessarium perfectis et vere religiosis promittit in uia, hanc scilicet vitam eternam promittit in patria, vt illud presentís sit consolatio laboris, illud future soiacium felicitatis ... Est autem centuplum datum optimum, quod descendit a patre luminum. Nunquid non videtur tibi centuplum aeeepisse, qui omnia possidet? Sed nonne omnia possidet, cui omnia in bonum cooperantur? ... An non centuplum habet, qui impletur spiritu saneto, qui vnum necessarium Christum scilicet habet in pectore, ymo nisi, quod longe plusquam centuplum est, visitatio spiritus saneti? ... hoc ergo vere est centuplum: adepcio filiorum dei, libertas et primicie spiritus, delicie caritatis, gloria consciencie et regnum dei, quod intra nos est. Non vtique regnum dei est esca et potus, sed iusticia et pax et gaudium in spiritu sancto ... Gaudium piane non solum in spe glorie, sed edam in tribulatione. ... hec est illa pax, quam suis reliquit christus, quando et suam dedit. Etenim pax est et donum electis dei, pax vite presentís et donum future glorie, pax, que exuperat omnem sensum ...", Predigt 6 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 170, Z. 1-4; 173, Z. 14-19; 174, Z. 6-10; 175, Z. 1-18). 126 Predigt 6 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 167, Z. 6 - 168, Z. 2). 124
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Mächten aber nicht schutzlos ausgeliefert, vielmehr helfen ihm die Waffen verschiedener Tugenden, nämlich das Schwert des Glaubens, der Helm der Hoffnung, das Schwert der heiligen Lesung, die Lanze der Liebe, der Panzer der guten Tat, der Bogen der Demut und die Festung der Geduld.127 In einer anderen Konzeption widersteht man der Welt durch die freiwillige Armut, dem Fleisch durch die Enthaltsamkeit und dem Teufel durch den Gehorsam.128 Der Gehorsam, die Besitzlosigkeit, die Keuschheit sind Charakteristika monastischen Lebens;129 auffällig bei Bernhard ist, dass er bei den Professpredigten nicht die benediktinische Professformel auslegt, sondern stets diese drei „vota", die erst von den Bettelorden als Gelübde institutionalisiert wurden.130 Diese drei Verhaltensweisen werden in ihrer Bedeutung dadurch begründet, dass sie den drei größten Hindernissen, die den Menschen von der Verehrung Gottes abhalten, Einhalt gebieten, nämlich materiellen Gütern, Begierden sowie ehrenvollem Renommee.131 Aufgrund der Thematik der Professpredigten ist es nicht verwunder127
„... fortes et audaces debent esse in aggrediendo dura et forcia spritualia, in sustinendo virtuose penurias, tribulationes et quelibet aduersa, jn resistendo victoriose et vincendo carnis, dyaboli et mundo temtamenta. Sit insuper virtutibus varys bene armatus contra vicia vniuersa, vt scilcet habeat specialiter fidei scutum, spei galeam, sacre leccionis gladium, caritatis lanceam, bone operacionis loricam, humilitatis arcum, in omnibus paciencie munimentum.", Predigt 3 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 136, Z. 6-16). Zum Bild der Waffen vgl. RB, Prol. 3: „... quisquis ... domino Christo uero regi militaturus oboedientiae fortissima atque praeclara arma sumus."; zur lectio vgl. RB, c. 4,55: „Lectiones sanctas liuenter audire", c. 48; zur humilitas vgl. RB c. 7; zur patiencia und passio Christi vgl. RB, Prol., 50: „... in monasterio perseuerantes passionibus Christi per patientiam participemur." 128 Vgl. im Zusammenhang der Gelübde-Begründung das Bild des Kampfes: „Preterea homo viator quilibet hostem triplicem patitur, a quibus ne deo piene seruiat, incessanter inpugnatur et impedita, quales sunt mundus, caro, dyabolus. Mundo resistita per volutariam paupertatem, carni per continenciam, dyabolo per obedienciam plenam.", Predigt 3 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 138, Z. 19-24). 129 Vgl. RB, c. 5: De oboedientia; c. 33: Si quid debeat monachi proprium habere; c. 4,64: „Castitatem amare". 130 Josef SEMMLER, Art. Gelübde, in: Lexikon des Mittelalters 4 (1999), 1208. 131 „... vt deo quiecius et liberius deseruire possent, tria principalia inposuerunt vota servanda, scilicet paupertatem, castitatem et obedienciam, ex quibus relligionis principaliter status integrata et tria maxima impedimenta homines a vero dei cultu plurimum retardancia per ea penitus resectantur. ... Tria, inquit , maxime soient homines affectare, scilicet opes, voluptates et honores. De opibus praua, de voluptate turpia, de honoribus vana procedimi. Nam opes générant cupiditatem et auariciam, voluptates pariunt gulam et luxuriam, honores nutriunt superbiam et iactanciam. Manifestum est autem, quod per tria relligionis vota predicta hec iam nominata directe eradiantur, igitur vota tria predicta directe religioni connectuntur.", Predigt 3 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 137, Z. 9-29).
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lieh, dass Bernhard wiederholt diese drei Gelübde auslegt. Sie sind ihm Ausdruck des „holocaustum", mit dem sich der Mönch in seiner Profess ganz Gott darbringt.132 Von den „vota" wird besonders ausführlich die „paupertas" behandelt, wenn die scholastische Differenzierung unter anderem zwischen der Verfehlung gegen die Armut in spe und in actu oder zwischen Besitz und Nutzung dargestellt wird.133 Das Verhältnis der drei „vota" zur benediktinischen Professformel erklärt Bernhard damit, dass sie im benediktinischen Gelübde der „conversio morum" enthalten seien bzw. „paupertas" und „castitas" unter den Gehorsam fallen.134 Das monastische Leben vollzieht sich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Bernhard kommt in den Professpredigten wiederholt auf den Gemeinschaftsaspekt
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„Denique status sew votum relligionis non simplex est sacrificium deo oblatum, sed holocaustum quoddam gratissimum, de quo gregorius super ezechielem: Holocaustum est, inquit, cum quis totum, quod habet, deo offert. Habet autem homo quilibet bonum triplex vel habere est possibilis. Primum est bonum rerum exteriorum habitorum vel habere possibilium, quas omne relligiosus deo offert totaliter per votum voluntarie paupertatis; secundum quod habet, bonum est corporis propry, quod precipue offert relligiosus per votum contincencie perpetue; tercium est bonum ipsiusmet anime, quod per obedienciam offertur, qua quis voluntatem propriam, per quam omnibus vtitur potencys anime et habitibus, plenarie abnegat et homini dei locum tenentis penitus resignat.", Predigt 3 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 137, Z. 29 - 138, Z. 18). 133 „Ita proeul dubio contra votum voluntarie paupertatis peccat sola volúntate uel spe, quando scilicet wit habere res proprias aut sperat se habiturum, eciamsi actu nullam rem propriam habeat. Ut autem me clarius intelligas, oportet considerare, quod quantum ad presens sufficit: duplex est voluntaria paupertas, vna que consistit in carencia rerum proprietarum et hec excludit omnem rem propriam et est de necessiatate salutis cuilibet relligioso; quia cadit sub regularis professionis voto non solum, ut seruetur opere, sed eciam affectu et volúntate; alioquin non esset paupertas voluntaria, sed coacta vel necessaria. Alia est voluntaria paupertas, que vocatur paupertas vsus et illa consistit in temperato seu moderato vsu rerum neccessarium et excludit illa paupertas non solum omnem rem propriam, sed eciam omnem rerum communium superfluum vsum et hec paupertas presupponit primam et est perfeccior quam prima. Et ad eam acquiredam uel habendam quilibet religiosus tendere tenetur, cuius contrarium fecit contempnens. De prima agitur in capitalo regule 33°, de secunda vero capitalo 34°", Predigt 7, (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 186, Z. 18 - 187, Z. 22). 134 „Que quidem vota quamuis in professionis forma expresse et formaliter non contineantur, virtualiter tarnen et consecutiue in eadem, vt patet, conprehenduntur et specialiter sub voto de conuersione morum. Nam suos mores monachus non conuerteret, si carnis continenciam non servaret, jnsuper ille, qui propry corporis potestatem non habet, quomodo proprium aliquid licite retinebit. Possunt eciam hec duo, paupertas scilicet et castitas, sub ipsa obediencia sufficienter conprehendi, nam ex voto obediencie tenetur monachus quilibet ad omnia, que in regula preceptiue continentur, inter que abdicatio proprietatis expresse et mulitpliciter inhibetur, vt patet capitulis 33 et 34, 55, et 56 ...", 3. Predigt (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 139, Z.15 - 140, Z. 6).
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des benediktmischen Klosterlebens zu sprechen135, wesentlich häufiger und facettenreicher aber lassen sich Ausführungen finden, die sich auf die Gottesliebe beziehen. Neben dem schon oben genannten Aspekt der in der Profess vollzogenen Ganzhingabe an Gott als „holocaustum" sind es vor allem zwei Themen, die wiederholt benannt werden: Die „imitatio Christi" und das „adhaerere creatori". Die Benediktsregel spricht explizit von der „imitatio domini", der Nachahmung Christi, nur im Zusammenhang des Gehorsam-Kapitels „sed uocem illam domini factis imitetur dicentis: Non ueni facere uoluntatem meam, sed eius, qui me misit" (RB c. 7, 32) und „Tertius humilitatis gradus est, ut quis pro dei amore omni oboedientia se subdat mai ori imitans dominum, de quo dicit apostolus: factus est oboedienes usque ad mortem" (RB c, 7, 34). Bernhard geht über diese Vorstellung hinaus, wenn er die christologischen Dimensionen von Jesu „humanitas" und „deitas" zur Betrachtung und das menschliche Leben Jesu zudem zur Nachahmung empfiehlt.136 Das Verhältnis des Mönches zu Gott wird schließlich durch die besondere Betonung der Kontemplation charakterisiert, die auf das „adherere creatori"137, „soli desiderio conditoris inhaerere"138, „mentem in deum figere"139 oder auf die „unio mentis in deum"140 zielt. Dieser Aspekt der mystischen Sehnsucht findet sich in vielen Varianten und belegt - wie schon die zahlreichen Schriften zur Mystischen Theologie - das zentrale Anliegen Bernhards nach einer Verinnerlichung des geistlichen Lebens. Zusammenfassend lässt sich diese Hochform des monastischen Lebens mit einem Zitat verdeutlichen, das zugleich noch einmal den Kern des monastischen Verständnisses Bernhards wiedergibt: „Officia contemplativae sunt: sibi et in secreto legere, in lege dei assidue meditari, secreto orare, suavitatem et dulcedinem patriae cum angelis praegustare et praesentire, soli desiderio conditoris 135
Z. B. „Nam propter hec tria a deo et hominbus probata in vobis tribus ipsi deo summe complacitum est; hec enim sunt concordia fratrum quoad vitam communem, vbi nemo, que sua sunt, querit, quia nemo proprium aliquid uel possidere aliquatenus cupit.", Predigt 7 ( O H M , Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 1 8 3 , Z. 1 8 - 2 4 ) . 136 „... ipsius mortem et wlnera sedulo meditantes, ipsius vitam et sanctam conuersationem per morum vestrorum veram conuersionem ac mentis et corporis plenam stabilicionem eficaciter imitantes. Ipsius insuper vtramque substanciam diuinam scilicet et humanam sublimiter contemplantes sibique amorose ac fiducialiter inherentes et ipse tutabit et tuebitur omnes vtriusque hominis senus vestros, ne aliquatenus ledi possint aut wlnerari; hec contemplacio domini nostri jesu christi crucifixi et passi hominis et dei, quia est facilior et amabilior, est pocior et gracior, est iocundior et vtilior, est presencior et feruencior, est amorosior et fructuosior ...", Predigt 5 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 156, Z. 4-19). 137 Speculum pastorum, c. 6 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 79, Z. 2). 138 Defensorium speculi pastorum, c. 2 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 170, Z. 1 lf.). 139 Predigt 5 (ÖHM, Bernhard von Waging, Profeßpredigten, 151, Z. 22). 140 Speculum pastorum, c. 6 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 79, Z. 2f.).
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inhaerere, exutam mentem a cunctis habere terrenis; eamque, quantum sinit humana imbecillitas, libeat in hoc mundo nihil, sed calcatis curis omnibus ad videndum faciem sui creatoris animus inardescit, adeo ut conversatio contemplativi iam quasi in caelis sit et nihil de terrenis sapiat. Contemplativus enim et vere spiritualis homo tarn fidelis debet esse in tota vita sua et in opere suo, ac si singulis horis iudicari debeat coram deo, et tarn ardenti desiderio vivere et ardere, quasi singulis horis debeat iungi angelorum coetibus ad fruendum deo aeternaliter. Et qui sie habet cor in supernis elevatum, quando sedet, quando ambulat, quando requiescit, quando aliquid aliud agit, cor a deo non recedit, omnes ad dei amorem exhortatur, deridet huius mundi gloriam et felicitatem, miratur hominum caecitatem et quam stulum sit in transitoriis fiduciam habere ostendit."141 Wenn auch bei Weitem nicht alle Aspekte von Bernhards monastischem Verständnis angesprochen werden konnten, so bleibt dennoch nach dem Gesagten festzustellen, dass er sich in den Darlegungen, die er unter dem Bild der „militia Christi" anführt, in traditionell-benediktinischen Vorstellungen bewegt. Das ändert sich bei der Auslegung der „vota", in der er von der benediktinischen Professformel abweicht, und im Verständnis von Betrachtung und Nachahmung Jesu, die sich an die Schriften zur Meditation über das Leben Jesu anlehnen. Auch die Anklänge an die Mystik gehen über die Spiritualiät der Benediktsregel hinaus, in deren Auslegungstradition sich allerdings eine mystische Richtung entwickelt hat (vgl. Anselm von Canterbury). 2.3 Systematische
Überlegungen
Bei der Auswahl der Themen für seine Schriften und der oft kompilatorischen Vorgehensweise ihrer Bearbeitung darf durchaus die Frage gestellt werden: Was ist benediktinisch an Bernhards Schriften? Benediktinisch ist der Autor. Aus den Begründungen für seinen Klosterübertritt von Indersdorf nach Tegernsee, aus der Kontroverse mit Bischof Johann von Eych hinsichtlich der „vita contemplativa" und „vita activa" und nicht zuletzt aus seinen Professpredigten wird glaubhaft deutlich, dass der monastisch-kontemplativen Lebensweise Bernhards Herz gehört. Aus der Betonung des Gemeinschaftselementes lässt sich darauf schließen, dass er sich bewusst für die zönobitische, d. h. benediktinische Lebensform anstelle einer eremitischen (z. B. derjenigen der Kartäuser) entschieden hat. Benediktinisch ist der „Sitz im Leben": Die Themen seiner Schriften lassen sich aus der RB, aus den zeitgenössischen Consuetudines und Reformzielen sowie ganz konkret aus den Aufgaben eines Priors erklären, der verantwortlich ist für die Disziplin und die Unterweisung des Konventes. Benediktinisch ist auch die Identi-
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Defensorium speculi pastorum, c. 2 (RIEMANN, Der Briefwechsel, 170, Z. 9 -171, Z. 9).
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tätsstiftung, die durch die Verbreitung der Traktate in ca. 60 Handschriften im süddeutschen Raum für den Melk-Tegernseer Reformkreis zu belegen ist. Ob und inwieweit der inhaltliche Umgang mit den Themen speziell benediktinisch bzw. monastisch ist, kann erst nach einer Edition gesagt werden. Jedenfalls reicht es Bernhard und seinem Konvent nicht, nur die bereits vorhandenen Schriften diverser Autoren zu speziellen spirituellen Fragestellungen zu lesen. Das im Anschluss an das Konzil von Konstanz/Petershausen neu aufblühende klösterliche Leben muss sich nach der vorausgehenden Periode des Niedergangs erst wieder mit der Aneignung geistlicher Lektüre befassen. Das geschieht durch die Verbindung von traditionellen Quellen mit zeitgenössischem theologisch-spirituellem und philosophischem Gedankengut. Durch sein Studium in Wien und persönliche Kontakte steht Bernhard im Austausch mit der Universität, deren Einfluss auf den Melker Reformkreis nicht unterschätzt werden darf. Durch die Ausbildung vieler Benediktiner an dieser Alma Mater und durch die engen Verbindungen der Universität zum Stift Melk hat sie großen Anteil an der Hebung der spirituell-theologischen Bildung in den süddeutsch-österreichischen Klöstern, aber auch an der Intention, die spätscholastisch geprägten theologischen Inhalte pastoral-praktisch für die Frömmigkeit des Einzelnen fruchtbar zu machen. Bernhards Beitrag für eine theologisch-spirituelle Wissensvermittlung in zahlreichen süddeutschen Benediktinerklöstern ist beachtlich. Auch wenn er kein „Originalgenie" ist - seine Werke sind durchzogen von langen Passagen, in denen er Autoren von der Patristik bis in seine Gegenwart (häufig ohne Namensnennung) zitiert - , so ist seine eklektische und kompilatorische Arbeitsweise nicht untypisch für die spätmittelalterliche Frömmigkeitsliteratur. Sie sucht nicht Originaliät, sondern eine Verbindung von patristischen, mittelalterlichen und zeitgenössischen Denkern und entspricht damit dem monastischen Prinzip einer „ruminatio". Die Kompilaton genießt im Mittelalter hohes Ansehen und wird keineswegs als „Plagiat" verstanden.142 In der Auswahl und Anordnung der Quellen und Zitate, der Zufügung eigener Passagen und Reflexionen entsteht aus dem Verarbeitungsprozess neue Literatur, die auf die Herausforderungen einer neuen Zeit - die Reform des christlichen Lebens - eingeht. Im Vergleich zur scholastischen Arbeitsweise kann man diese Methode zwar als deutliche Vereinfachung be142
Vgl. die Reflexionen eines Vinzenz von Beauvais, ediert und untersucht von AnnaDorothee VON DEN BRINCKEN, Geschichtsbetrachtung bei Vincenz von Beauvais. Die Apologia Actoris zum Spéculum Maius, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 34 (1978) 410-499; aus der Fülle der Literatur zur compilatio-Forschung sei stellvertretend genannt Alastair J . M I N N I S , Nolens auctor sed compilator reputari. The LateMedieval Discourse of Compilation, in: Mireille Chazan, Gilbert Dahan (Hg.), La méthode critique au Moyen Âge (= Bibliothèque d'histoire culturelle du Moyen Âge 3), Turnhout 2006, 47-63.
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zeichnen, doch steht hinter ihr eine pädagogische Fähigkeit der jeweiligen Schriftsteller, die anspruchsvolle Theologie auf die intellektuelle Ebene des einfachen Mönches zu transportieren.143 Zudem wird auf diese Weise der Wissensvermittlung eine Breitenwirkung und Popularisierung für zeitgenössische und sperrige Autoren erzielt, wie sie die Originalquellen kaum hatten. Diese Arbeitsmethode führt also bildungsferne Schichten zur Theologie. Dazu leistet Bernhard unbestritten seinen Beitrag.
Schluss „Die Reformbewegungen des späten Mittelalters" - so urteilt der versierte Ordenshistoriker P. Petrus Becker OSB144 - „haben dem benediktinischen Mönchtum einen Aufschwung aus dem Niedergang des 13. und 14. Jahrhunderts gebracht, sowohl organisatorisch und wirtschaftlich (...) wie vor allem in einer zeitgemäßen Erneuerung des monastischen Lebens. Dabei gab es nicht überall glatte Lösungen, aber diese Erneuerung gab doch, insgesamt betrachtet, eine Stärkung für ein wirklich monastisches Überleben, vor allem vor der gewaltigen Existenzbedrohung, die den Klöstern bald darauf in der Reformation politisch wie besonders theologisch entstehen sollte." Dass an dieser Stärkung des benediktinischen Mönchtums im süddeutschen Raum Bernhard von Waging einen wesentlichen Anteil hat, ist nicht zu bestreiten. Die eingangs zitierte Charakterisierung Bernhards als eines „vir providus ac zelosus" ist nunmehr nachvollziehbar, was den Umfang und die Vielfalt seiner Tätigkeitsbereiche betrifft. Doch diese Begriffe finden sich auch in den Tegernseer Konstitutionen über die Aufgabe des Priors und stellen somit gleichsam das Anforderungsprofil für die Person des Priors dar. Schließlich spricht das vorletzte Kapitel der Benediktsregel nachdrücklich vom guten Eifer, den die Mönche haben sollen. Wenn also Bernhard als „vir providus ac zelosus" bezeichnet wird, so heißt das nichts weniger, als dass er in den Augen seiner Zeitgenossen den Anforderungen, die die Reformbewegung an den Prior stellte, voll und ganz gerecht wurde. Darüber hinaus aber darf er als vorbildlicher Mönch gesehen werden: Er zeigt den von der Benediktsregel gewünschten „zelus bonus, qui separat a uitia et ducit ad deum et ad uitam aeternam".145
H A M M , Theologie und Frömmigkeit im ausgehenden Mittelalter, 1 6 7 , 1 6 5 . Petrus BECKER, Benediktinische Reformbewegungen im Spätmittelalter. Ansätze, Entwicklungen, Auswirkungen, in: Max-Planck-Institut für Geschichte (Hg.), Untersuchungen zu Kloster und Stift (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 68; Studien zur Germania Sacra 14), Göttingen 1980, 167-187, hier 187. 145 RB, c. 72,2. 143
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Anhang: Kapitelüberschriften von Schriften Bernhards 146 De spiritualibus sentimentis et perfectione spirituali (elm 18598, fol. 3r-203r147) Prologus epistularis in opus sequens de spiritualibus sentimentis et perfectione spi- ii. 3r rituali ad eum, cuius amore est editum < 1 > De titulo huius libri et intentione autoris cum apologia et quod cognitio est non foi. 4v solum in intellectu, sed etiam in affectu, et quid sit visio mystica et qualiter valeat obtineri. Capitulum primum De quatuor modis deum videndi et penes quid oculi spirituales in homine con- foi. 6r siderentur. De divisione quoque spiritus et animae et quid sit vere in spiritu existere. Capitulum secundum De oculis spiritualibus qui sint et quid videant et quibus modis videant. Capi- foi. 8v tulum tertium De gustus spiritualis dulcedinis pretiositate, exellentia et utilitate ex dictis et foi. iir experientia patrum sanctorum. Capitulum quartum Iterum alia sanctorum testimonia veridica de gustus suavitate interna eiusque foi. i3v dignitate permaxima. Capitulum quintum Ad idem testimonia venerabilis et magni contemplatoris Richardi. Capitulum foi. ìftsextum Iterum ad idem experimenta quorundam devotorum sexus utriusque veterum et foi. i8v novorum. Capitulum septimum Ad idem de quadam persona singulari eiusque sentimentis et exercitiis devotis foi. 2ir in generali. Capitulum octavum De sentimentis et raptibus personae supradictae magis in speciali. Capitulum foi. 24r nonum De scripturis canonicis quaedam testimonia ad praedicta et quibus fomentis ad foi. 29v gustum suavitatis perveniate. De effectibus etiam optimis consequentibus ad eundem. Capitulum decimum < 11 > De his, per quae ad gustum suavitatis internae homo disponitur habilisque et foi. 32r idoneus efficitur. Capitulum undecimum 146
Ziel der folgenden Übersicht ist es nicht, eine textkritische Edition der Kapitelüberschriften zu erstellen, sondern anhand von Lesetexten, die sich für jede Schrift exemplarisch jeweils nur auf einen (ehemals Tegernseer) Codex stützen, einen detaillierten inhaltlichen Überblick über die bisher nicht edierten Werke zu geben. 147 Karl HALM, Catalogus codicum latinorum Bìblìothecae Regiae Monacensis, Bd. 2,3, Codices, num. 15121—21313 complectens, München 1878 (Nachdruck Wiesbaden 1969), 187.
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foi. 35r De quodam praecipuo et singulari dispositione videlicet eucharistiae sacramento, pulchra et valde devota atque ad gustum internum multum allectiva. Capitulum duodecimum foi.39r De aliis duobus incitamentis ad idem pertinentibus et multum efficacibus et quod non nimium confidendum est in sentimentis huiusmodi aut eis innitendum. Insuper in quo consistât vera securitas ad vitam aeternam et de causis subtractionis sensualis devotionis. Capitulum tertium decimum foi. 44v De ingressu dei ad animarti, penes quid valeat deprehendi, necnon de ipsius in anima operationem, per quam, quod ipse sit praesens, agnitus habetur. Capitulum quartum decimum foi. 47r In qua parte animae deus supradicta et sequentia operetur et quid sit thronus dei in anima et de gradibus ascensionum ad thronum eundem. Capitulum quintum decimum foi. 50v Utrum in hac vita mortali sit possibile deum ab homine devoto in contemplatione videri et mente per gustum suavitatis attingi. Capitulum sextum decimum foi. 55r < 1 > Explicit pars prima de spiritualibus sentimentis et quibusdam dispositivis ad eadem. Incipit pars secunda de vera spirituali perfectione. De quadruplici spiritus paupertate et in quo altissima spiritus paupertas, quae est hominis summa perfectio, consistât; insuper de modo cognoscendi et amandi deum. Capitulum primum foi. 59v Qualiter in gratia et virtutibus pauperem fieri oportet eum, qui veram spiritualem perfectionem assequi intendit, ac insuper quid sit virtutis essentia necnon de paupertatis spiritualis excellencia. Capitulum secundum foi. 64r De coenobitis et sub oboedientia praelatorum in officiis constitutis, qualiter perfectam spiritus paupertatem veramque internam libertatem apprehendere possint et in ea perdurare. De vera quoque et falsa liberiate. Capitulum tertium foi. 7ir De paupertate spiritus, quod sit actus purus, eiusque operatione similiter purissima, quae in homine spiritu paupere reperito tripharia et semper pura. Capitulum quartum foi. 76r De triplici hominis cognitione earumque differentia et varia operatione. Item de gratiarum diversitate et per quae quis gratiam gratum facientem mereato necnon de eiusdem nobilissimo ortu et actu. Capitulum quintum foi. 82r De quatuor spiritibus hominem intrinsecus alloquentibus ac de discretione eorumdem. Capitulum sextum - Ad idem de allocutione spiritus maligni foi. 82v foi. 84v - Ad id< 11 >em quomodo spiritus natoalis loquato in homine foi. 86v - Ad idem de spiritu angelico, qualiter loquato in homine foi. 89v - Ad idem de allocutione spiritus domini in homine foi. 92v - Ad idem de discretione inter lumen gratiae, naturale et spirituale
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De causa potissima divinae allocutionis in homine necnon de condigna homi- foi. 96v nis dispositione ad eandem. Item indiciis probabilibus inexistentis caritatis et de virtute discretionis utilia valde. Capitulum septimum De modo unionis spiritus rationalis cum deo et de vera spiritus paupertate foi. ìoiv atque de dei in anima mirabili operatione necnon eiusdem unione cum eadem. Capitulum octavum De duobus, quibus Christo conformari debemus, ut sic tandem ad ipsius unio- foi. i06v nem in deo pertingere valeamus. Item de triplici exercitio interiori et de multiplici utilitate meditationis passionis Christi. Capitulum nonum - Ad idem de tertio exercitio interiori foi. niv De divinis personis contemplatio subtilis et de quadruplici amore in divina foi. ii5r beatissima trinitate divinarumque personarum emanatione cum inde consequentibus et ad idem pertinentibus. Capitulum decimum - Ad idem de emanatione personarum in divinis et de triplici veritate cum tripli- foi. ii7v ci fructu inde proveniente - Quod idem de amore mutuo divinarum personarum inter se necnon de triplici foi. ii9v extasi summae trinitatis < 11 > De exercitio exteriori, quo homo debet Christo conformari, et quibus modis foi. i23r aut qualiter spiritus hominis unum cum deo ac deiformis effici possit. Item de magnitudine et rectitudine animae, in quibus consistant. Capitulum undecimum De animae nobilitate eiusque excellentiae dignitate necnon qualitate et quanti- foi. i26r tate et quid potissimum in ea censendum. Capitulum duodecimum De divina in anima locutione, quae est vita et lux ipsius animae, et quod aliud foi. i30r est deum et loquentem audiri in essentia animae et aliud in potentiis eiusdem. Capitulum tertium decimum - Ad idem de lumine, quod deus loquitur in anima foi. i32v De discretione luminis naturalis a lumine divino per similitudinem solis et lu- foi. i34r nae et operationes diversas earundem. Item de volúntate perfecta necnon virtutum essentia et quid sit opus essentiale. Item de perfectae voluntatis immobilitate. Capitulum quartum decimum - Ad idem de volúntate perfecta et virtutum essentia foi. i36v - Ad idem de perfectae voluntatis immobilitate foi. i38r De quatuor causis et incitamentis ad amorem perfectae paupertatis et quod foi. i40r quatuor oportet hominem abnegare, qui vult Christum effícaciter imitari. Item de utilitate multiplici meditationis Christi necnon de modis sese in ea exercitandi. Capitulum quintum decimum - Ad idem de modis exercitandi se in Christi passione foi. i42v - Ad idem meditatio devota et amorosa ex Bonaventura foi. i46r De optimis et maximis effectibus ex meditatione passionis Christi pronae men- foi. i48v tibus. Item quid sit diligere deum ex toto corde, ex tota anima etc. Item de volúntate humana, quando vere sit libera. Item de duplici operatione divina. Item
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penes quid homo agnoscere possit, an opus suum a deo vel a seipso sit. Capitulum sextum decimum foi. i5ir De secunda et tertia causis ad amorem incitantibus perfectae paupertatis et quod mori assidue sit homini spirituali necessarium et utile valde et in speciali numerante utilitates potissimae quinque. Capitulum septimum decimum foi. i54r De quarta causa potissima, propter quam vera spiritus paupertas est maxime amanda. Item quod solus pauper spiritu deum amare veraciter potest. Item de utilitatibus maximis, quas homo consequitur ex vita contemplativa, ad quam paupertas ista optime disponit. Capitulum duodevicesimum foi. i57v De quatuor viis hominem ducentibus ad summae paupertatis perfectionem atque divinae veritatis limpidam contemplationem. Et est prima de abdicando omnia, quae contra deum sint aut quae deus ipse non sunt. Capitulum undevicesimum foi. i58r De secunda via, quae ad statum ducit perfectae paupertatis et vitae contemplativae, et est vita domini Iesu Christi. Item qualiter in eadem via progrediendi sit et quod homo omnia bona consequitur reparaturque ad statum innocentiae in Christi passionis sedula meditatione. Item qualiter singulae vires animae in eadem perficiantur. Capitulum vicesimum foi. i62r De perfectione voluntatis, quibus indiciis valeat agnosci, et numerante specialiter sex. Item de voluntatis perfectae admirabili et efficaci operatione. Capitulum vicesimum primum foi. i63v De synderesi, qualiter in Christi perficiatur passionem suamque primaevam inibi dignitatem recuperet. Item quod non est perfectio homini nec beatitelo aliqua neque veritatis cognitio pura nisi in Christi passione et vita. Capitulum vicesimum secundum foi. i65v - Ad idem quae sit causa, quod veritatem in sua puritate nude non cognoscimus, et quod huiusmodi cognitionem in sola Christi passione consequi valemus foi. i67r De via tertia ad statum verae paupertatis summaeque perfectionis ducentem, quae est mortificatio continua propriae sensualis naturae, et qualiter et quare mortificatio huiusmodi debeat fieri. Item quid facere oporteat eum, qui vere spiritualiter vivere et proficere exoptat. Item de quadruplici ordine virtutis et de sacramenti eucharistiae fructuosa perceptione. Capitulum vicesimum tertium foi. nir De virtuosa adversitatum tollerantia et quam utile et quare sit valde necessarium homini in vita praesenti plurima pati. Item quod multa et maxima bona conferì tribulatio voluntarie perpessa et introducuntur sanctorum plurimorum exempla. Capitulum vicesimum quartum foi. i73v - Ad idem quod in tribulatione et adversitate, contemptu et confusione sit homini gloriandum et cordialiter gaudendum et hoc multis de causis. Ibidem quod pati adversa voluntarie est donum nobilissimum a deo foi. i76r Utrum utilius et fructuosius sit hominem pati adversa a seipso vel ab alio. Item quod non est aliquod opus magis acceptum deo quam voluntarie pati adversa
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pro Christo et quod nullus electorum in adversitatibus tristatur aut dolet, sed magis exultât et gaudet. Capitulum vicesimum quintum Quod verus dei amicus numquam in hac vita sine tribulatione est, quia necessarium est ei semper aliquid pati et hoc quidem fit modo quadruplici et nisi aliquo modorum istorum eundem pati contingeret, salvus esse non posset. Capitulum vicesimum sextum - Ad idem de tertio patiendi modo delectabili, qui consistit in spiritu, et quomodo intelligatur ,Iustum non conturbabit, quidquid ei acciderit'. Item de duplici cognitione in homine - Ad idem de quarto patiendi modo delectabilissimo, quomodo homo patitur absorbtus in deo. Item de duplici operatione in anima. Item de duplici partu divino in anima De multis modis, quibus homo inhabitatus a deo ab omnibus peccatis praeservatur immunis, inter quos paupertas voluntaria primatum tenet. Item quid homo exterior et quid sit interior. Capitulum vicesimum septimum De quarta via ad perfectionem vitae et statum paupertatis altissimae necessaria, quae est assidua ac diligens sensuum animi custodia intus et extra atque in simplici puritate iugiter perspicere. Item de quaerendeo deum veraciter et qualiter inveniatur. Item in quo consistât hominis in hac vita perfectio summa. Capitulum vicesimum octavum De perfectissima voluntate divina, qualiter consistât in Christi doctrina et vita. Item quod vera et perfecta paupertas, unitas et intimitas conincidunt et in eodem subsistait. Item quod in mente simplici et pura sibiipsi intime unita solum apparent divina. Capitulum vicesimum nonum De tribus diligenter notandis ab eo, qui devotionum dulcedines et spiritualia in se experita sentimenta, qualis videlicet ante huiusmodi sentimentorum perceptionem et qualis in ipsa actuali perceptione qualisque postea debeat existere. Capitulum tricesimum Adhortat collector seipum et alios secum ad omnia deserendum et sese intra se colligendum atque in Iesum Christum vulneratum et crucifixum sedulo intendendum necnon per ipsum in ipsum idest per eius humanitatem in ipsius divinitatem continue intrandum. Capitulum tricesimum primum Orat collector pro seipso suasque cum sui deiectione confiteta miserias et defectus atque divinarum perfectionum et virtutum recognoscit immensitatem cum laude et magnificentia earumdem. Capitulum tricesimum secundum
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Tractatus de morte necnon de praeparatione ad mortem seu speculum mortis (elm 18599, fol. 2r-166r148) Tabula capitulorum speculi mortis et quid in quolibet capitalo contineatur. Capitala primae partis De moriendi necessitate mortisque scientia et inevitabilitate et quod divinae vocationi parendum sit sponte et quod mortem sedulo cogitare eiusque scientiam habere sit penatile valde. Capitalum primum De vitae huius brevitate mortisque inevitabilitate et quod nunc diu vivere non sit aliud quam ad mortem continue festinare. Et item iterum de mortis utili meditatione et qualiter modis diversis ad eam cottidie quisque se debeat praeparare. Capitalum secundum. De tripilici morte et fructaosa mortis cum sibi succedentibus rememoratione et quam inanis sit eius protanc poenitentia, cuius vita semper extitit mala, et de morientium multiplici differentia quodque bonam vitam nullatenus mors mala sequatar. Capitalum tertium. De morte unde dicatar et quibus ex causis sit mors ipsa hominibus maxime metaenda et quod hora mortis ante oculos mentis semper debet esse suspecta. Capitalum quartam De morte civili et spirituali monachorum et in quibus religiosi mortais assimilentar et de fragilitate vitae mundanae et quamdiu vivimus tam diu morimur et quod nihil sit vita mortalis nisi mors vivens et de amaritudine vitae mundanae. Capitalum quintam De vilitate conditionis humanae et de multis discriminibus et miseriis vitae praesentis et quod quam plurimis humana felicitas amaritadinibus respersa sit et quod mors consolatrix sola sit et ab universis malis liberatrix. Capitalum sextum De afflictione et amaritudine animae in ipsius egressione a corpore et adiudicium praesentatione malorum quoque omnium proditione necnon quantis tane anima dolore / et pavore quassabitar et insuper de cottidiana animi discussione facienda. Capitalum septimum De vivaci et assidua mortis imminentis memoria necnon fructibus bonis et multiplicibus consequentibus ad eam. De miseriis quoque plurimis et maximis vitae humanae et easdem frequenter recolere quam utile sit. Capitalum octavum De utili et attena cadaveris sui corporis post mortem meditatione eiusque conditionibus et miseranda qualitate cum condigis lamento et lueta super eodem
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necnon de his, quae occurunt animae post egressionem a corpore et specialiter de horribilissima demonum visione. Capitulum nonum De cordis puritate conquirenda et quod triplici cordis impuntati triplici pugna sit obviandum et quibus mediis aut modis ad veram compunctionem et per conseques ad perfectam cordis puritatem perveniate. Capitulum decimum < 11 > De extremi iudicii terrore et adventu ac dispositione iudicis necnon de his, quae ibidem tractabuntur. Insuper de poenis dampnatorum, nam ex his attentius cogitatis citius ingerito compunctio cordis. Capitulum undecimum De cordis purificatione contra eiusdem secundam impuritatem, quae fieri habet per desiderium caelestium et spem de caelesti quoque patriae alta consideratione, et quibus meditationibus desiderium ad eandem valeat efficacius inflammari; et enumeranto ibi plurima divina beneficia communia et privata. Capitulum duodecimum. De cordis perfecta puritate, quae consisit in vera caritate, per quam omnis impuritas prorsus expellito et ad bene moriendum quisque digne disponito. Capitulum tertium decimum De bona felicique morte qualiter possit obtineri et quod necesse sit ad bene II. v moriendum omnem altitudinem, praesidentiam et mundi sollicitudinem et se penitus abdicare. Capitulum quartum decimum De bona et recta ad mortem dispositione, quae consistit in asperitate et vilitate, et quales huiusmodi asperitates et vilitates existant. De timore quoque semper habendo et ex quibus meditationibus causeto. Capitulum quintum decimum < 16> De indulgentiarum participatione et quam necessarium et utile sit easdem nunc temporis rite accipere pro mortis bona et salubri dispositione. De generalis insuper remissionis commendatione et de ingressu religionis approbatae et eiusdem maxima utilitate. Capitulum sexton decimum De iniuriarum et tribulationum necnon quarumlibet afflictionum voluntaria perpessione pro bona hominis ad felicem mortem praeuia dispositione. De ferventi quoque deo fruendi affectione necnon salutaris hostiae frequenti et devota perceptione. Capitulum septimum decimum Capitala secundae partis speculi mortis < 1 > De lamentatione super totius vitae additate, infructuositate necnon de terrifica ad animarti allocutione, quae fit cum ingenti exasperatione. Deinde quaedam verba sui ipsius ad compunctionem et plancton incitativa. Capitulum primum De flebili planctu super peccatricis animae miserabili statu cum rememoratione compendiosa dei beneficiorum plurimorum et ingratitudinum propriarum necnon de vanitate et vilitate mundanorum gaudiorum et quarumlibet deliciarum. Capitulum secundum De septem praeparatoriis, quibus quisque moriturus sese ad mortem, dum ei approximat, debet praeparare, si velit securus ab hac vita migrare. De qui-
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busdam insuper temptationibus, quas morituri in extremis patiuntur. Capitulum tertium De remediis contra temptationes, quae hominibus eveniunt in extremis, et qualis tunc debet esse fidei, spei et caritatis actuatio, sine quibus salvari poterit nemo. Item quaedam ibidem consolatoria sanctorum dicta pro spe specialiter firmanda. Capitulum quartum De digna sumptione dominici sacramenti, per quam spes nostra plurimum iuvatur, sed et virginis gloriosae, quae est mater spei, attenta consideratio multarti nobis fiduciam praestat morituris. Similiter quod angelorum beneficentia et sanctorum promotio spem nostrani non modicum confortant. Capitulum quintum De infirmitate pro dei amore virtuose toleranda, quod est mortis praeparatorium quintum, et quod mortem quis potest laudabiliter appetere sub conditione et quod mors voluntarie accepta sit pro peccatis venialibus sufficiens poena. Item ibidem de sexto praeparatione et de interrogationibus necnon exhortationibus faciendis. Capitulum sextum De septimo et octavo ad mortem praeparatoriis et qualiter aut in quibus Christo morienti se quisque moriturus debeat conformare, si velit cum eodem feliciter regnare. Capitulum septimum De tribus, quae occurunt morituris horribilia communiter ante egressum animae a corpore, et de quibusdam consolatoriis remediis talibus abhibendis. Capitulum octavum De tertio valde horribili, quod homini in extremis pavide occurit malignorum scilicet spirituum in maxima multitudine et cum maximo terrore visibilis praesentia. Et de temptationibus eorundem gravissimis contra fidem et spem necnon de quibusdam remediis opportunis. Capitulum nonum De mortis horrore quantum ad impios et quibus ex causis tales habeant mortem vehementer timere. Ibidem exempla, quod quibusdam antequam exeat anima de corpore, ostendatur poena dampnationis aeternae. Item quod etiam iusti pluribus ex causis ad mortem cum timore se debeant praeparare. Ibidem exempla de sanctis antiquis. Capitulum decimum Capitula tertiae partis speculi mortis De ultimo mortis praeparatorio et quod meditandum sit de egressu animae a corpore, ubi verba Petri Damiani egregia sunt bene et digne ponderanda. Ibidem exclamatio beatissimi Hieronymi in sua morte de mundi huius fallacia et miserabili conditione necnon de mortis ipsius gratia et dignificatione. Capitulum primum De modo sese recolligendi morte instante et qualiter pro divina assistentia devotis exclamationibus sit confidenter orandum. Atque cum ferventi desiderio humilis deprecatio pro sacramentorum digna praemunitione fideique spei et
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caritatis finali conservatione cum sui im manus dei recondendatione devota. Capitulum secunda De plurimis et maximis divinis beneficiis animi gratiarum actionibus recolendis et qualiter se quis eadem / meditando ad compunctionem devotionis et di- foL 4v vinum amorem debeat incitare. Item ibidem rememoratio humilisque recognitio plurimorum peccatorum cum maximo lamento. Capitulum tertium De peccatorum speciali rememoratione necnon eorundem cordiali confessione cum remissionis et veniae devota supplicatione. Item ibidem de sui ipsius in Christi passionis merita totali recommendatione cum devota et sollemni oratione prò optimo fine. Capitulum quartum De vere fidei explicita professione secundum traditionem sanctorum et ecclesiae catholicae. Insuper quam sit commendabile eandem fidem a quolibet morituro in scripto retinere. Item ibidem sollemnis et pulchra professio de fide sanctissimae trinitatis. Capitulum quintum De professione spei firmissimae, quam de salutis necessitate obligatur quisque usque in finem veraciter retinere. Ibidem deprecatio ad deum et praemunitio contra desperationem. Insuper efficax et fortis animatio ad spem firmiter conservandum. Capitulum sextum De recollectione hominis intra se et qualiter observatis omnibus hucusque descriptis et iam dictis proxime rite peractis animarti seipsam alloqui debeat atque suum altissimo exitum devotius commendare. Capitulum septimum De eodem qualiter scilicet moriturus et iam fini approximans se gerere debeat et cum devotis gemitibus deo animarti suam orando commendare. Et sequuntur per ordine orationes ad dominum et recommendationes quam plures. Capitulum octavum Deinde sequuntur orationes et recommendationes ad beatam virginem, ad sanctos angelos, ad sanctum / Benedictum et ad alios sanctos ad placitum. Ca- foi- 5r pitulum nonum Deinde ponitur modus circa morituros et iam agonizantes tam regulares quam saeculares diligenter observandus cum orationibus et recommendationibus ibidem descriptis usque ad finem. Capitulum decimum Capitala quartae partis speculi mortis < 1 > De his, quae post vita praesentis terminum sequuntur, et primo de praesentatione animae ante terribilissimum iudicium dei et qualis ibidem disceptatio fiet et de malis horribilibus ipsum iudicium comitantibus et sequentibus quoad impios. Capitulum primum De animarum receptaculis in futuro saeculo et poenis peccatoribus peractis, specialiter autem de poenis purgatorii, quibus animae salvandae acerrime punientur, quas etiam vix aliquis perfectissimus evadere potest, et qualiter homo hic vivere debeat, ut poenas huiusmodi securus evadat. Capitulum secundum
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De quatuor causis specialibus, ex quibus aut aliqua earum animas per ignem purgatorium transire oportet necnon ibidem sine remedio gravissime puniri. Capitulum tertium De modis ignem et poenas purgatorii evadendi et qualiter debitum contractum et obligatio ad poenas easdem in vita praesenti valeat oboleri. Ibidem de contritione et satisfactione pro peccatis venialibus habenda. Capitulum quartum De poenis infernalibus et earum penatili recordatione et quod non hominibus, sed daemonibus principaliter sunt factae. Ibidem de diversitate et multiplicitate poenarum earundem. Capitulum quintum De poenis eiusdem earumque acerbitate, perpetuitate et innumerositate et quod dampnatis de deo cogitare poenalissimum est. Ibidem de invidia damnatorum. Capitulum sextum De poenis damnatorum ac testimoniis et approbatione scripturarum divinarum et sanctorum quantum ad ea, quae in praecendentibus duobus capitulis sunt dicta. Capitulum septimum De gaudiis caelestibus et sanctorum felicitate gaudiorumque multiplici varietate necnon voluntatis beatorum cum deo perfectissima conformitate. Ibidem quomodo in statu viae divina possit essentia per hominem videri. Capitulum octavum De beatitudine perfecta hominis utriusque in patria eiusdem glorificatione perpertua et enumerantur vitae caelesti ibidem quam plurima bona. Capitulum nonum De materia et obiecto gaudiorum in caelo multiplici et recitantur ibidem in specie quam multa et maxima valde gaudiosa plurimumque iocunda. Capitulum decimum < 11 > De conclusione finali totius tractatus, in qua cuncti avisantur, ut se dum vivunt taliter ad mortem praeparent, quatenus tormenta evadere caelestisque patriae gaudia feliciter obtinere possint. Amen. Capitulum undecimum
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Consolatorium seu remediarium tribulatorum (elm 18548b, fol 125r-162r149) Prologus in consolatorium seu remediarium tribulatorum patris Bernardi prioris foi. i25r nostri < 1 > De tribulationum origine et causa necnon earumdem commendatione. Capitu- foi. 26r lum primum. De quinque veritatibus, quibus tribulati ac maesti iuvantur et plurimum conso- foi. i29v lantur. Capitulum secundum. De multis utilitatibus et bonis effectibus, quos consequuntur, qui tribulationes foi. i33v et adversa patienter sufferunt. Capitulum tertium. De operationibus et utilitatibus tribulationum per comparationem ad ignem. foi. i37r Capitulum quartum. De utilitabilus et effectibus tribulationum per comparationem ad aquam. Capi- foi. i38v tulum quintum. De bonis plurimis, quae patientia operatur in electis. Capitulum sextum. foi. isir De tribus theologicis virtutibus necnon laudibus multis et effectibus bonis ea- foi. i54v rumdem. Et primo de fide. Capitulum septimum. Sequitur de spe. Capitulum octavum. foi. i56v Sequitur capitulum nonum de caritate. foi. i58v
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Spätmittelalterliche monastische Reforminitiativen in der benediktinischen Welt Die Reformen von Santa Giustina in Padua und von Subiaco sowie das Provinzkapitel zu Petershausen in kirchenrechtlicher Perspektive In der rund fünfzehnhundertjährigen Geschichte des abendländischen Mönchtums nach der Regel des hl. Benedikt gibt es - wie könnte es angesichts der Länge der Zeit auch anders sein - Phasen der Blüte und Zeiten des Niedergangs.1 Es gelang immer nur für eine begrenzte zeitliche Periode, dem benediktinischen Ideal der monastischen Gottsuche auf voller Höhe zu folgen. Verschiedene Faktoren waren jeweils dafür verantwortlich, dass man auf ein seichtes Mittelmaß zurücksank oder gar vom ursprünglichen Ideal nichts mehr wissen wollte. Die Gründe dafür konnten außerhalb liegen, aber auch in der klösterlichen Sphäre selbst. Der Missbrauch der Klöster durch weltliche Magnaten als Versorgungsstätten für die Söhne und Töchter des Adels, ohne nach deren geistlicher Berufung oder Eignung für das Klosterleben zu fragen, war in früherer Zeit immer wieder in erheblichem Maße für ein spirituelles Absinken der Institutionen verantwortlich. Aber auch schlicht das Nachlassen des religiösen Eifers, menschliche Trägheit und Lust an der Bequemlichkeit bei den Mitgliedern konnten Klöster nach unten ziehen. Während einerseits charismatische und begabte Führergestalten in der Lage sind, einzelne Gemeinschaften binnen relativ kurzer Zeit zu den Höhen geistlichen Lebens zu führen, kann sich andererseits deren Fehlen bisweilen dahin auswirken, dass einem Konvent der rechte Leitstern mangelt und die klösterliche Disziplin bis zu einem gewissen Grad verfällt. Doch kann auch in einer solchen 1
Große zusammenfassende Darstellungen der Geschichte des Benediktinertums bieten: Philibert SCHMITZ, Histoire de ¡'Ordre de Saint-Benoit, 7 Bde., Maredsous 1942-1956; dt. Ausgabe: Philibert SCHMITZ, Geschichte des Benediktinerordens, 4 Bde., Einsiedeln - Zürich 1947-1960; Antonio LINAGE CONDE, San Benito y los Benedictinos, 1 Bde., Braga 19911993. Kürzere Überblicke: Stephan HILPISCH, Geschichte des benediktinischen Mönchtums, Freiburg im Breisgau 1929; Der Benediktinerorden. Gott suchen in Gebet und Arbeit, hg. v. Christian Schütz und Philippa Rath, Ostfildern 42009 (mit historischen Beiträgen); knappe Zusammenfassung: Ulrich FAUST, Benediktiner, Benediktinerinnen, in: Mönchtum, Orden, Klöster. Von den Anfangen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon, hg. v. Georg Schwaiger (= Beck'sche Reihe), München 2003, 84-111.
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Situation das Wort des hl. Paulus gelten, dass dort, wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß geworden ist (vgl. Rom 5,20). In diesem Beitrag soll es um verschiedene benediktinische Reformbemühungen des Spätmittelalters gehen, die jeweils regional das Mönchtum wieder zu einer neuen Blüte geführt haben. Kennzeichnend für diese Initiativen ist, dass sie nicht zuletzt rechtlich-strukturelle Fragen berührten oder rechtliche Veränderungen in den Strukturen des benediktinischen Mönchtums nach sich zogen. Im einzelnen werden Reforminitiativen in den Blick genommen, die um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert in Erscheinung treten und mit den Namen der italienischen Abteien Subiaco und S. Giustina in Padua sowie mit dem auf Anregung und im unmittelbaren Umfeld des Konzils von Konstanz abgehaltenen Provinzkapitel zu Petershausen (1417) zusammenhängen. Wenn dabei auch über den deutschsprachigen Raum und damit über den engeren Rahmen des Tagungsthemas hinausgegriffen wird, so geschieht das, um Vergleichsmöglichkeiten für verschiedene rechtliche Konzepte einer Reform zu gewinnen. Zunächst soll in groben Strichen die allgemeine Situation des benediktinischen Mönchtums im Spätmittelalter charakterisiert werden (I). Dann werden nacheinander die drei Reforminitiativen vorgestellt, wobei zunächst die Reform von S. Giustina, dann die Erneuerung in Subiaco und schließlich das Petershausener Kapitel zur Sprache kommen (II). Im letzten Abschnitt geht es darum, die rechtlich bedeutsamen Aspekte, die mit diesen Initiativen zusammenhängen, herauszustellen und in ein ordensrechtliches beziehungsweise rechtsgeschichtliches Gesamtbild einzuordnen (III).
I. Ausgangssituation Das benediktinische Mönchtum war ein nennenswerter Träger der Kirchenreform des hohen Mittelalters, die besonders mit dem Namen des Papstes Gregor VII. (1073-1085) und dem entschlossenen Streben nach der „Liberias Ecclesiae" verbunden ist.2 Das burgundische Kloster Cluny bildete einen wichtigen Ausgangspunkt für diese Bewegung. 3 Die Reform schien sich auch für das Benediktinertum selbst belebend und befruchtend auszuwirken, entstanden doch in dieser Periode verschiedene neue Ordensverbände, die sich auf die Benediktsregel beriefen, allerdings auch geistliche Elemente des älteren Mönchtums oder sogar Ge2
3
Vgl. Friedrich KEMPF, Die gregorianische Reform (1046-1124), in: Die mittelalterliche Kirche. Erster Halbband: Vom kirchlichen Frühmittelalter zur gregorianischen Reform (= Handbuch der Kirchengeschichte III/l), Freiburg - Basel - Wien 1966, 401-461; DERS., Die innere Wende des christlichen Abendlandes während der gregorianischen Reform, in: Ebd., 485-530. Vgl. Pius ENGELBERT, Cluniazensische Reform, in: Lexikon flir Theologie und Kirche, Bd. 2, Freiburg u. a. 3 1994, Sp. 1235 f.
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dankengut der Bettelorden aufgriffen. Es zeichnete sie eine besondere Radikalität aus, die - soweit sie nicht das baldige Ende bedingte - im Lauf der Entwicklung einer gewissen Mäßigung weichen musste. Genannt seien hier nur die Zisterzienser, Kamaldulenser, Silvestriner, Vallombrosaner und Cölestiner.4 Die Benediktinerklöster selbst spielten im Prozess der gregorianischen Reform aber durchaus auch eine Rolle und man darf sagen, dass im 12. Jahrhundert ein Höhepunkt der Entwicklung erreicht wurde. Danach aber setzte ein Abstieg ein, der bis ins Spätmittelalter andauerte und erst dann durch die bedeutenden Reforminitiativen wieder umgekehrt wurde.5 Wegen des Grundsatzes der Autonomie der einzelnen Klöster konnte es aber auch in dieser Phase eines allgemeinen Niedergangs an einzelnen Orten durchaus florierende Gemeinschaften geben, wenn tüchtige Äbte ihre Häuser gut führten. Insgesamt aber befanden sich die Benediktiner besonders im 13. und 14. Jahrhundert doch in der Krise.6 Worin lagen die Gründe dafür? Zum einen waren die Benediktinerklöster in der Erfüllung ihrer mehrere Jahrhunderte lang wahrgenommenen Aufgaben an ein gewisses Ende gekommen. Die missionarische Tätigkeit und die Bildungsaufgaben, die Benediktinerklöster geleistet hatten, waren nicht mehr wie früher gefragt. Als kirchliche Bildungsträger spielten nun die jungen Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner eine weitaus größere Rolle, wenngleich in den
4
Vgl. Gregorio PENCO, Storia del monachesimo in Italia. Dalle origini alle fine del Medioevo, Milano 1983, 215-295; Valeria POLONIO, Il monachesimo nel Medioevo italico, in: Chiesa chiese, movimenti religiosi, a cura di Glauco Maria Cantarella (= Manuali Laterza 149), Roma - Bari 2001, 81-187 (Lit.). - Zu den verschiedenen benediktinischen Zweigorden (jeweils mit Lit.): Giuseppe CACCAMANI, Camaldolesi, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 1, Roma 1974, Sp. 1718-1725; Valerio CATTANA, Celestini, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 2, Roma 1975, Sp. 732-735; Louis J. LEKAI, Cistercensi, in: Ebd., Sp. 1058-1098; Ildefonso Dl NICOLA, Franco POMPEI, Ugo PAOLI, Silvestrini,
in: Dizionario
degli Istituti di Perfezione, Bd. 8, Roma 1988, Sp. 1507-1519; Nicola R. VASATTJRO, Vallumbrosa, Vallumbrosane, Vallumbrosani, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 9, Roma 1997, Sp. 1692-1702. 5
6
Vgl. Erwin ISERLOH, Das innerkirchliche Leben. Stadtpfarrei, Liturgie, Predigt, Katechese und Ordenswesen, in: Die mittelalterliche Kirche. Zweiter Halbband: Vom kirchlichen Hochmittelalter bis zum Vorabend der Reformation (= Handbuch der Kirchengeschichte III/2), Freiburg - Basel - Wien 1968, 676-697, hier: 693f. Im Hinblick auf Italien und speziell Venetien siehe Gregorio PENCO, Crisi e segni di rinascita monastica nel Trecento, in: Il monachesimo italiano nel secolo della grande crisi. Atti del V Convegno di studi storici sull'Italia benedettina. Abbazia di Monte Oliveto Maggiore (Siena) 2-5 settembre 1998, a cura di Giorgio Picasso e Mauro Taglibue (= Italia benedettina 21), Cesena 2004, 1-21; Francesco G. B. TROLESE, Decadenza e rinascita dei monasteri veneti nel basso Medioevo, in: Il monachesimo nel Veneto medioevale. Atti del Convegno di studi in occasione del Millenario di fondazione dell'Abbazia di Maria di Mogliano (Treviso) 30 novembre 1996, a cura di Francesco G. B. Trolese (= Italia benedettina 17), Cesena 1998, 169-199.
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monastischen Klöstern durchaus auch Interesse an Studien herrschte.7 Die Benediktinerklöster setzten jedoch kaum mehr Akzente und Impulse in die Gesellschaft hinein, sondern kümmerten sich sozusagen vorwiegend um sich selbst. Die Wahrung des zeitlichen Besitzes rückte in den Mittelpunkt; die Klöster wurden zunehmend als Vermögensträger und weniger als geistliche Institutionen gesehen.8 Diese Entwicklungen führten in der Summe dazu, dass man Benediktinerabteien immer mehr als zu vergebende beziehungsweise zu erlangende Lehen betrachtete und der immer häufiger von außen eingesetzte Abt als Lehnsnehmer eines weltlichen oder kirchlichen Herrn fungierte.9 Dass zumal ein Abt, der selbst nicht Mönch war, kaum die Fähigkeit mitbrachte, sein Kloster im rechten monastischen Geist zu leiten und, wie der hl. Benedikt es wünscht, ein Vorbild für seine Herde zu sein (vgl. RB 2,12fi), liegt ohne Weiteres auf der Hand. Auch die einzelnen klösterlichen Ämter stellten nicht mehr spezifische Aufgaben im Dienst an der Gemeinschaft dar, sondern wurden transformiert in eigene Pfründen. Entsprechend konnten auch immer nur so viele Mönche in ein Kloster aufgenommen werden, wie dort Pfründen zur Verfügung standen; viele monastische Klöster mutierten zum Stift für die Aufnahme und Versorgung eines bestimmten (adeligen) Personenkreises. Überwiegend als nachteilig erwies sich in diesem Prozess des monastischen Niedergangs auch die Rechtsstruktur der Benediktinerklöster, die vom Prinzip einer weitgehenden Autonomie geprägt ist. Durch das Für-sich-Stehen der einzelnen Häuser war es kaum oder gar nicht möglich, den schädlichen Tendenzen mittels einer regelmäßigen Kontrolle durch vorgesetzte Ordensorgane oder durch Unterstützung seitens anderer Klöster etwas Wirksames entgegenzusetzen. Das eben gezeichnete Bild ist sicherlich holzschnittartig und geht nicht ins Detail. Eine differenzierte Betrachtung müsste auch positive Aspekte des spätmittelalterlichen Benediktinertums, die es zweifellos gab, hervorheben. Die Klösterlandschaft ist ja auch in dieser Periode keineswegs ganz zusammengebrochen. Doch pauschal betrachtet befanden sich die Benediktiner in der genannten Zeit in einer Phase des Abstiegs, woraus verschiedene Reformbemühungen sie allmählich herauszuführen vermochten. 7
Für Italien vgl. Francesco G. B. TROLESE, Monaci, libri, Università. Influsso in Italia della «Benedictina», in: Il monachesimo italiano nel secolo della grande crisi (wie Anm. 6), 463-
8
Zur Situation der bedeutenderen italienischen Abteien im 14. Jh. siehe Giancarlo ADEMA, Le grande abbazie dell'Italia settentrionale, in: Il monachesimo italiano nel secolo della grande crisi (wie Anm. 6), 223-263; Francesco PANARELLI, Le grande abbazie dell'Italia meridionale, in: Ebd., 265-289; Mariano DELL'OMO, Montecassino nel Trecento tra crisi e
9
Vgl. Giovanni SPINELLI, Alle origine della commenda: qualche esempio italiano (secc. XIIIXIV), in: Il monachesimo italiano nel secolo della grande crisi (wie Anm. 6), 43-60.
500.
continuità,
in: Ebd., 2 9 1 - 3 2 5 .
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II. Drei Reforminitiativen 1. Santa Giustina in Padua Das Kloster S. Giustina in Padua war im Spätmittelalter von seiner früheren Blüte erheblich herabgesunken.10 Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts lag die Leitung in den Händen eines Kommendatarabtes, der sich um das monastische Leben und um den äußeren Zustand des Klosters nicht kümmerte. Unter Mitwirkung des Kommendatarabtes Kardinal Antonio Correr" (1369-1445) von Bologna wurde dadurch eine Wende eingeleitet, dass das Kloster aufgrund päpstlicher Ernennung 1408 wieder einen regulären Abt erhielt in der Person des jungen und religiös eifrigen Ludovico Barbo12 (1382-1443); Barbo war zuvor Prior der Kanoniker in Alga gewesen. Nach einem eher zähen Anfang der Erneuerungsbemühungen Barbos stellte sich zahlreicher Nachwuchs ein und der Reformer konnte sein klösterliches Ideal immer besser entfalten.13 Die Zahl der Mönche wuchs so stark, dass Ludovico Barbo bald Mönche in andere Klöster senden konnte. Diese Mönche beziehungsweise die von ihnen wiederbelebten Klöster blieben unter der Leitung des Abtes von S. Giustina. In gewisser Weise ähnelte das Modell jenem
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Zur Reform von S . Giustina siehe SCHMITZ, Geschichte des Benediktinerordens (wie Anm. 1), Bd. 3, 1955, 151-166; Angelo PANTONI, Congregazione benedettina cassinese, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 2, Roma 1975, Sp. 1477-1485; Francesco Giovanni Battista TROLESE, La riforma benedettina di S. Giustina nel Quattrocento, in: I Benedettini a Padova e nel territorio padovano attraverso i secoli. Saggi storici sul movimento benedettino a Padova. Catalogo della mostra storico-artistica nel XV centenario della nascita di San Benedetto, a cura di Alberta de Nicolò e Francesco G. B. Trolese, Padova 1980, 55-73; PENCO, Storia del monachesimo in Italia (wie Anm. 4), 308-326; Francesco Giovanni Battista TROLESE, La congregazione di S. Giustina di Padova alla fine del sec. XV, in: Il monastero di Pontida tra medioevo e rinascimento. Atti della giornata di studio Pontida 16 novembre 1991, a cura di Giovanni Spinelli (= Contributi allo studio del territorio bergamasco 12), Bergamo 1994, 19—40; Francesco Giovanni Battista TROLESE, Santa Giustina v. Padua, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, Mûnchen 1995, Sp. 1165 f.
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François-Charles UGINET, Correr, Antonio, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 2 9 , Roma 1 9 8 3 , 4 8 5 - 4 8 8 . Alessandro PRATESI, Barbo, Ludovico, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 6, Roma 1964, 244-249; Angelo PANTONI, Barbo, Ludovico, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 1, Roma 1974, Sp. 1044-1047; vgl. auch Francesco Giovanni Battista TROLESE, Ricerche sui primordi della riforma di Ludovico Barbo, in: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento Veneto. Atti del convegno per il VI centenario della nascita di Ludovico Barbo (1382-1443). Padova, Venezia, Treviso 19-24 settembre 1982, a cura di G. B. Francesco Trolese (= Italia benedettina 6), Cesena 1984, 109-133. Vgl. Giovanni LUNARDI, L'ideale monastico di Ludovico Barbo, in: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento Veneto (wie Anm. 12), 5 9-71.
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des Verbandes von Cluny, dessen Abt auch das Haupt aller von Cluniazenser Mönchen bewohnten Klöster war. Barbo erkannte in der straffen Zentralisation des Verbandes aber durchaus auch eine Gefährdung und befürchtete die Wiedereinführung des Kommendenwesens.14 Denn ein so großer und damit auch vermögender klösterlicher Verband musste als Kommende besonders attraktiv erscheinen. Abt Barbo regte daher bei Papst Martin V. (1417-1431) die Schaffüng einer Kongregation an, die 1419 eingerichtet wurde.15 Es handelte sich um einen Zusammenschluss von zunächst zehn Klöstern, die von S. Giustina aus entstanden waren, sowie drei weiteren Abteien. Die höchste Autorität nahm das Generalkapitel ein, das als Kollegialorgan gewissermaßen an die Stelle trat, die zuvor der Abt von S. Giustina eingenommen hatte. Eine führende Rolle kam auch den vier Visitatoren zu, die zwischen den Generalkapiteln die Kongregation leiteten. Für die Kongregation wurde kennzeichnend, dass die Autonomie der einzelnen Mitgliedsklöster faktisch aufgehoben war, weil die Kongregation den entscheidenden Einfluss ausübte.16 Auch die Beschränkung der Amtszeit der Oberen der einzelnen Klöster auf kurze Amtsperioden war für die Kongregation kennzeichnend. Die Verfassung der Kongregation wurde in den folgenden Jahren etwas weiterentwickelt. Papst Eugen IV. (1431-1447) erließ 1431 eine Bulle, womit vermögensrechtliche Fragen der Kongregation geordnet wurden.17 Im Jahr darauf approbierte derselbe Papst feierlich die Kongregation von S. Giustina und ihr Eigenrecht bezüglich der Durchführung des Generalkapitels sowie der Wahl und der Vollmacht der Definitoren, Visitatoren, Äbte und Prioren.18 Demnach war der einzelne Mönch rechtlich Mitglied der Kongregation, nicht aber des einzelnen Klosters, in dem er jeweils lebte. Jede Autorität in der Kongregation nahm ihren Ausgang vom Generalkapitel, das sich aus den Oberen und Delegierten der Klöster zusammensetzte. Das Generalkapitel bestellte ein neunköpfiges Definitorium, dessen Aufgabe die Kontrolle des gesamten Lebens
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Vgl. Giorgio G. PICASSO, Commenda, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 2, Roma 1975, Sp. 1246-1250. Siehe dazu Willibrord WITTERS, La legislazione monastica della congregazione di S. Giustina nel suoi primordi (1419-1427), in: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento Veneto (wie Anm. 12), 207-224. Siehe Mario Fois, I movimenti religiosi dell'osservanza nel '400: i benedettini, in: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento Veneto (wie Anm. 12), 225-262, hier: 233-240. EUGEN IV., Bulle Disposinone divina, in: Bullarum Privilegiorum ac Diplomatum Romanorum Pontificum amplissima Collectio. Cui accessere Pontificum omnium Vitae, Notae, et Indices opportuni, hg. v. Carolus Cocquelines, Bd. 3/3, Romae 1743, 3. EUGEN IV., Bulle Divina in eminentis, in: Ebd., 7-9; vgl. ferner Willibrord WITTERS, La rédaction primitive des Déclarations et Constitutions de la Congrégation de Sainte Justine de Padoue (XVe s.), in: Studia monastica 7 (1965) 127-146.
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der Kongregation war. Von diesem Definitorium wurden fünf oder sechs Visitatoren eingesetzt, die für die Einhaltung der Statuten in der Kongregation zu sorgen hatten. Aus dem Kreis der Visitatoren wurde der Präses der Kongregation bestimmt, der aber eher als ein primus inter pares zu betrachten ist denn als persönlich verantwortlicher Jurisdiktionsträger. Die Visitatoren hatten gleichsam auch die Funktion von direkten Vorgesetzten der Oberen der einzelnen Klöster. Letztere wurden zwar regelmäßig von den Mönchen des Klosters gewählt, blieben aber nur recht kurze Perioden im Amt. Im Zweifelsfall waren die Mönche den Visitatoren mehr zum Gehorsam verpflichtet als ihren lokalen Oberen. Insgesamt erinnert die Verfassung der Kongregation von S. Giustina doch sehr stark an die rechtliche Struktur etwa einer Bettelordensprovinz. Dem einzelnen Kloster war sein Eigenleben weitgehend genommen; die Stellung des örtlichen Abtes war zugunsten des Kongregationsoberen erheblich geschwächt. Die gewählte Struktur ist wohl vor allem als Antwort auf ein akutes kirchliches Problem jener Zeit anzusehen, nämlich das Kommendenwesen. Durch die Tatsache, dass die Oberen der Klöster nur begrenzte Zeit im Amt bleiben durften, und durch eine intensive Kontrolle seitens der Organe der Kongregation meinte man am ehesten verhindern zu können, dass die leitenden klösterlichen Ämter als Pfründen missbraucht wurden für Personen, die am klösterlichen Leben als solchem überhaupt kein Interesse hatten. Indem man durch dieses System die Besetzung der Abteien mit Personen verhinderte, die nur an der wirtschaftlichen Potenz eines Klosters und deren Auswertung zum eigenen Nutzen interessiert waren, konnte Raum gesichert werden für das, was ein Kloster auszeichnen soll, nämlich für den religiösen Eifer der Mönche und für solide Arbeit auf verschiedenen Gebieten, vom Handwerk bis zur Wissenschaft. Als Merkmal der neuen Blüte kann durchaus die Tatsache gelten, dass zahlreiche Mönche der Kongregation von S. Giustina angehörten, die sich durch ein hohes Bildungsniveau und durch entsprechendes Wirken auszeichneten. Daneben leistete die Kongregation aber auch in karitativer Hinsicht Beachtliches und richtete ihren Blick auf die Bedürfnisse der Armen. In der Tat übte die Kongregation über lange Zeit eine günstige Wirkung auf das monastische Leben in Italien aus und war Trägerin einer tief greifenden Erneuerung bis weit in die Neuzeit hinein.19 Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass die gewählte Struktur sich doch von dem Konzept des autonomen Einzelklosters, wie es in der Benediktsregel greifbar ist,20 relativ weit entfernt hatte. Die starke Zentralisierung des Verbandes und ein Abrücken vom Bild des Abtes als spirituellem Vater seiner Mönche, dem ein großes Maß höchstpersönlicher Verant-
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Siehe dazu verschiedene Beiträge des Sammelbands anlässlich des Jubiläums Barbos: Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento Veneto (wie Anm. 12). Vgl. dazu auch Uwe Kai JACOBS, Die Regula Benedicti als Rechtsbuch (= Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 16), Köln - Wien 1987.
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wortung für das Gedeihen des Klosters zukommt (vgl. RB 2 und 64), mag angesichts der besonderen Gegebenheiten des Spätmittelalters verständlich und legitim gewesen sein, kann aber grundsätzlich doch in Frage gestellt werden.
2. Reform von Subiaco Nur in aller Kürze sei die Reform des Klosters Subiaco erwähnt,21 auch wenn es sich bei diesem Kloster um einen Ort handelt, der für die Benediktiner von besonderer Bedeutung ist als jene Stätte, an die sich der hl. Benedikt einst zurückgezogen und wo er erstmals als Klostergründer gewirkt hat. Die Abtei Subiaco befand sich, nach einer Blütezeit zu Beginn des 12. Jahrhunderts, am Anfang des 14. Jahrhunderts in einem wenig erbaulichen Zustand. Abt Bartholomäus II. (1318-1343) versuchte, durch die Abfassung und Einführung neuer Statuten eine Wende herbeizuführen. Doch erst Abt Bartholomäus III. (1362-1369) von Siena gelang es, einen nachhaltigen Erneuerungsprozess anzustoßen, vor allem indem er eine gezielte Strategie bei der Aufnahme neuer Mitglieder verfolgte. Als Novizen nahm er bevorzugt Nichtitaliener (teutonici) in die Abtei auf und erreichte auf diese Weise, dass das Kloster allmählich dem Einfluss mächtiger italienischer Familien entzogen wurde. Im 15. Jahrhundert bildete der Konvent von Subiaco zeitweise „in der Tat eine deutsche Kolonie".22 Den bedeutendsten Reformschritt aber bildete die Einführung neuer Statuten im Jahr 1380 unter Abt Franciscus von Padua (1369-1389). Diese Consuetudines Sublacenses gewannen großes Ansehen und wurden in vielen Klöstern Italiens und darüber hinaus als willkommenes und nützliches Hilfsmittel zur Erneuerung des klösterlichen Lebens übernommen.23 Namentlich der Melker Reformkreis
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SCHMITZ, Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 3 (wie Anm. 10), 88; PENCO, Storia del monachesimo in Italia (wie Anm. 4), 259 f.; G. Paolo CAROSI, Subiaco, in: Dizionario degli Istituti di Perfezione, Bd. 9, Roma 1997, Sp. 538-541 (Lit.); Mariano-Antimo D E L L ' O M O , Subiaco, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 1997, Sp. 272 f. (Lit.); I monasteri benedettini di Subiaco, a cura di Claudio Giumelli, Cinisello Balsamo, Milano 2002. Barbara FRANK, Subiaco, ein Reformkloster des späten Mittelalters. Zur Verfassung und Zusammensetzung der Sublacenser Mönchsgemeinschaft in der Zeit von 1362 bis 1514, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 52 (1972) 526-656, hier: 561; vgl. in dem Zusammenhang der Präsenz von Deutschen in Subiaco auch den Beitrag von Uwe ISRAEL, Romnähe und Klosterreform oder Warum die erste Druckerpresse Italiens in der Benediktinerabtei Subiaco stand, in: Archiv flir Kulturgeschichte 88 (2006) 279-296. Caeremoniale regularis observatiae sanctissimi patris nostri Benedicti ex ipsius regula sumptae, secundum quod in sacris locis, scilicet specu et monasterii sublacensi practicantur, hg. v. Joachim F. Angerer (= Corpus consuetudinum monasticarum XI/1), Siegburg 1985.
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wurde ganz unmittelbar und intensiv durch die monastische Observanz von Subiaco geprägt.24 Insgesamt wurde das Instrument der Consuetudines25 für viele monastische Reformbewegungen auch nördlich der Alpen bedeutsam; es sei neben der Melker Reform auch an die Reformkreise um die Abteien Kastl und Bursfelde erinnert, die sich jeweils durch die gemeinsamen verbindlichen Gebräuche der beteiligten Klöster auszeichneten und so die innere Erneuerung der benediktinischen Gemeinschaften vor allem im bairischen beziehungsweise im rheinisch-westfälischen Raum erheblich förderten.26
3. Das Provinzkapitel zu Petershausen Das 14. Jahrhundert ist in der Kirchengeschichte insbesondere durch das Exil der Päpste in Avignon und durch das große abendländische Schisma charakterisiert. Das Papsttum befand sich jahrzehntelang in großer Abhängigkeit von der französischen Krone, bis es schließlich Papst Gregor XI. (1370-1378) gelang, 1376 mit seinem Hof nach Rom zurückzukehren. Als Nachfolger Gregors wählten die Kardinäle 1378 Urban VI. (1378-1389), verließen diesen Papst aber schon nach wenigen Monaten mit der Behauptung, die Wahl sei wegen äußeren Zwangs ungültig gewesen. Der nun zum Papst gewählte Robert von Genf nannte sich Clemens VII. (1378-1394). Das Nebeneinander von zwei und zeitweise sogar drei Päpsten währte letztlich bis zum Konzil von Konstanz,27 auf dem mit der Wahl des Papstes Martin V. das Papstschisma sein Ende fand.
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Vgl. Joachim ANGERER, Reform von Melk, in: Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum, bearb. von Ulrich Faust und Franz Quarthai (= Germania Benedictina 1), St. Ottilien 1999, 271-313 (Lit.). Vgl. Stephan HAERING, Consuetudines, in: Lexikon fiir Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 2, Freiburg u. a. 1994, Sp. 1304 f. Vgl. Peter MAIER, Die Reform von Kastl, in: Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum (wie Anm. 24), 225-269; Walter ZIEGLER, Die Bursfelder Kongregation, in: Ebd., 315-407; ferner Klaus SCHREINER, Benediktinische Klosterreform als zeitgebundene Auslegung der Regel. Geistige, religiöse und soziale Erneuerung in spätmittelalterlichen Klöstern Südwestdeutschlands im Zeichen der Kastler, Melker und Bursfelder Reform, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 86 (1986) 105-195; besonders zum westfälischen Raum: Gudrun GLEBA, Die Ordensreformen im 15. Jahrhundert und ihre Umsetzung in den praktischen klösterlichen Alltag, in: Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung. Teil 3: Institutionen und Spiritualität, hg. v. Karl Hengst (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLIV. Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Münster 2003, 101-129. Vgl. Walter BRANDMÜLLER, Konstanz, Konzil von (1414-1418), in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 19, Berlin - New York 1990, 529-535 (Quellen, Lit.); DERS., Konstanz,
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Das Konstanzer Konzil hatte freilich nicht nur das Schisma der abendländischen Kirche zu beenden, sondern es befasste sich auch mit der Reform der Kirche auf vielen Gebieten. Es bestand unter anderem auch bei den Ordensleuten mancher Bedarf der Erneuerung. Themenbereiche wie die Beziehungen der Ordensleute zur weltlichen Gesellschaft oder der Klöster zur Hierarchie wiesen besonderen Klärungs- und Reformbedarf auf. Man muss freilich anerkennen, dass die Reforminitiativen nicht erst vom Konzil in Konstanz ihren Ausgang nahmen, sondern dass bereits in den Orden selbst Bemühungen zu verzeichnen waren, das eigene Leben zu erneuern und zu verbessern. Für Italien haben wir, was den monastisch-benediktinischen Sektor des Ordenswesen angeht, von den Reformen von S. Giustina und von Subiaco gehört, für den deutschsprachigen Bereich ist an die Reformbewegungen um die Klöster Kastl und Melk zu erinnern, die bereits im späten 14. Jahrhundert angestoßen wurden. Auf dem Konzil von Konstanz waren zahlreiche Ordensleute präsent, was ohne Zweifel dazu beigetragen hat, dass in Konstanz auch Ordensthemen aufgegriffen wurden, wenn auch nicht in erster Linie vom Konzil selbst.28 Eine wichtige Frage etwa war das Eigentum der Ordensleute, namentlich das Problem der so genannten Proprietarier; darunter sind Ordensleute zu verstehen, die über privates Eigentum verfügen konnten. Der Eigenbesitz der Proprietarier musste nicht notwendig an den Oberen vorbeigehen und ihnen offiziell verborgen bleiben, sondern er konnte durchaus mit einer formlichen Dispens vom Armutsgelübde seitens des Oberen eingeführt sein. Gegen diese, dem klassischen Ideal der evangelischen Räte29 widersprechende Praxis polemisierte ein anonymer Zisterzienser mit der Feststellung: monachi proprietarii non sunt monachi sed monstra.30 Ausdrücklich nahm das Konzil die Ordensreform bei den Benediktinern in den Blick und rief in einer Bulle vom 27. November 1416 die Äbte und Prioren der Kirchenprovinz Mainz und des Bistums Bamberg nach Konstanz beziehungsweise in die nahegelegene Abtei Petershausen31 zusammen.32 Der Grund für diese
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Konzil v., in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München - Zürich 1991, Sp. 1402-1405 (Lit.). Eine breite neuere Darstellung dieser Synode bietet Walter BRANDMÜLLER, Das Konzil von Konstanz 1414-1418, 2 Bde. (= Konziliengeschichte. Reihe A: Darstellungen), Paderborn u. a. 1991/1997. Vgl. BRANDMÜLLER, Konzil von Konstanz 1414-1418 (wie Anm. 27), Bd. II: Bis zum Konzilsende, 1997, 199-207. Vgl. Johannes GRÜNDEL, Consilia Evangelica, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 8, Berlin - New York 1 9 8 1 , 1 9 2 - 1 9 6 ; Rudolf HENSELER, Evangelische Räte, in: Lexikon des Kirchenrechts, Freiburg - Basel - Wien 2 0 0 4 , Sp. 2 7 2 f. BRANDMÜLLER, Konzil von Konstanz 1414-1418, Bd. II (wie Anm. 28), 203. Vgl. Helmut MAURER, Petershausen, in: Lexikon fiir Theologie und Kirche, Bd. 8, Freiburg u. a. 3 1999, Sp. 83f.
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Initiative dürfte darin zu sehen sein, dass etwa 45 Benediktineräbte am Konzil teilnahmen und unter ihnen sich auch Vertreter einer Ordensreform befanden; namentlich sei an dieser Stelle nur der Abt von Kastl, Georg Kemnater (1399— 1434), genannt. Die erneuerungswilligen Oberen wollten das Konzil für ihre Anliegen nutzen und den Anfang für eine weit ausgreifende Reform sozusagen noch unter den Augen der Synode machen. So wurden die Äbte der genannten Sprengel für den 28. Februar 1417 nach Petershausen bei Konstanz in die dortige Abtei geladen, um ein Provinzkapitel abzuhalten. Der Einladung nachgekommen waren 126 von 133 Geladenen; vier ließen sich entschuldigen, nur drei blieben unentschuldigt fern.33 Die günstige Teilnahmequote lässt darauf schließen, dass ein breites Interesse an den Anliegen bestand. Den Vorsitz des Provinzkapitels übernahmen vier Präsidenten, die von den auf dem Konstanzer Konzil anwesenden Äbten schon im Vorfeld der Kapitelsversammlung gewählt worden waren. Die Präsidenten stammten teilweise gar nicht selbst aus der Provinz. Es handelt sich um den Franzosen Louis de La Palud34 (1380-1451) von Tournus und den Engländer Thomas Spofford von York sowie die Deutschen Johann Reicher von St. Georgen und Siegfried Gerlacher von Ellwangen.35 Die Tatsache, dass man für die Reform eintretenden Ausländern eine wichtige Rolle zuwies, lässt erkennen, dass das Petershausener Kapitel keine „provinzielle" Angelegenheit sein sollte nur für jenen Bereich, der bei dem Kapitel unmittelbar repräsentiert war; vielmehr waren wohl übergreifende Intentionen einer benediktinischen Ordensreform damit verbunden.36 Das Kapitel befasste sich mit einer langen Liste von Themen.37 Vor allem wurde auf die Einhaltung der Gelübde und insbesondere die Beseitigung privaten Eigentums gedrängt. Die Einfachheit der klösterlichen Lebensweise zu fördern, 32
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Zu dem Petershausener Kapitel ist nach wie vor grundlegend bedeutsam: Joseph ZELLER, Das Provinzkapitel im Stifte Petershausen im Jahre 1417. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformen im Benediktinerorden zur Zeit des Konstanzer Konzils, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 41 (1921/22) 1-73; eine knappe Zusammenfassung bei BRANDMÜLLER, Konzil von Konstanz 1414-1418, Bd. II (wie Anm. 28), 204f.; Abdruck der konziliaren Anordnung zur Einberufung des Kapitels: ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen, 46-48. ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 32), 20-26. Er ist von den fährenden Gestalten des Kapitels die bedeutendste gewesen; zu ihm ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 32), 16 f.; Thibout de MOREMBERT, La Palud (Louis de), in: Dictionnaire de biographie française, Bd. 19, Paris 2001, Sp. 828 f.; G. MICHIELS, La Palud (Louis de), in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques, Bd. 30, Paris 2010, Sp. 548. In der Literatur begegnet auch die Schreibweise „La Palude". ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 32), 18 f. BRANDMÜLLER, Konzil von Konstanz 1414-1418, Bd. II (wie Anm. 28), 204. ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 3 2 ) , 2 9 - 3 9 ; Abdruck der Beschlüsse: Ebd., 5 1 - 6 3 .
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war gleichfalls ein wichtiges Anliegen. Der Verzehr von Fleischspeisen sollte zurückgedrängt werden, die klösterliche Ausstattung einfach sein. Die vita communis der Mönche sollte neu belebt werden; die Einhaltung der Klausur und des Stillschweigens war streng zu beachten. Breiten Raum nahm auch die Sorge um den klösterlichen Gottesdienst ein. Das Kapitel äußerte sich zur regelmäßigen und würdigen Feier der Liturgie und zu den nötigen äußeren Voraussetzungen, die dafür erforderlich sind. Besonderes Interesse brachte das Kapitel auch der Ausbildung des klösterlichen Nachwuchses entgegen und forderte die Einrichtung einer eigenen Schule für die Novizen. Aber auch das Hochschulstudium der begabten Mönche wurde gefordert; hier könnte sich das Vorbild der Zisterzienser niedergeschlagen haben, die für das Studium an Hochschulen offen waren. Das Kapitel deklarierte „Büdung" zwar nicht im modernen Sinn zum „Megathema", erkannte aber ganz klar, dass eine solide und gründliche Ausbildung der Mönche auch zur inneren Festigung eines Klosters einen erheblichen Beitrag leistet. Auch mit der klösterlichen Vermögensverwaltung befasste sich das Kapitel. Es benannte die für diesen Bereich zuständigen Ämter und Kompetenzen und legte Grundsätze für die Handhabung der Geschäfte fest. In Erinnerung gerufen wurden die für Mönche geltenden Verbote, der Jagd nachzugehen, Waffen zu tragen und die Taufpatenschaft zu übernehmen. In seinen diversen Verfügungen war das Petershausener Kapitel von 1417 insgesamt nicht sonderlich originell. Es ging keine neuen Wege, sondern wiederholte im Wesentlichen überkommene Verfügungen, insbesondere solche der Bulle Summi magistri dignatio, die Papst Benedikt XII. (1334-1342) im Jahr 1336 erlassen hatte.38 Für die Durchsetzung der Petershausener Beschlüsse spielten die nachfolgenden Visitationen der Klöster eine wichtige Rolle.39 Die Vorschrift des Kapitels, zweimal jährlich die Beschlüsse in den einzelnen Konventen zu verlesen,40 bot allein zu wenig Gewähr, dass die unternommene Reforminitiative breite Wirksamkeit erlangen konnte. Teilweise war dagegen auch Widerstand in den Klöstern zu spüren, wo man von einer seit langem gewohnten Lebensweise nicht ablassen wollte. So wurden während der folgenden Jahre in den Klöstern durch verschiedene Beauftragte Visitationen durchgeführt, deren Erfolg freilich ein begrenzter blieb. Die Durchführung eines Kapitels wie jenes in Petershausen 1417 war kein neuer Gedanke des Konstanzer Konzils oder der auf dem Konzil anwesenden
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XII., Bulle Summi magistri dignatio, in: Bullarum Privilegiorum ac Diplomatum Romanorum Pontificum amplissima Collectio. Cui accessere Pontificum omnium Vitae, Notae, et Indices opportuni, hg. v. Carolus Cocquelines, Bd. 3/2, Romae 1741, 214-240. ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 32), 40-43. ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 32), 39. BENEDIKT
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reformwilligen Benediktineräbte. Ungewöhnlich war allenfalls die relativ lange Dauer des Kapitels von etwa drei Wochen. Bereits das IV. Laterankonzil41 (1215) hatte mit dem Dekret In singulis die Äbte einer Kirchenprovinz verpflichtet, alle drei Jahre zu einer - nur wenige Tage dauernden - Versammlung zusammenzukommen.42 Diese Versammlungen waren berechtigt, verbindliche Beschlüsse zu
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Vgl. Werner MALECZEK, Laterankonzil, IV, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München Zürich 1991, Sp. 1742-1744; Antonio GARCÍA Y GARCÍA, Lateranense IV, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 6, Freiburg u. a. 1997, 668-670 (Quellen, Lit.). Concilium Lateranense IV, Cap. XII De communibus capitulis monachorum „In singulis", in: Conciliorum Oecumenicorum Decreta. Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Giuseppe Alberigo und Josef Wohlmuth, Bd. 2, Paderborn u. a. 2000, 240 f.: „In singulis regnis sive provinciis fiat de triennio in triennium, salvo iure dioecesanorum pontificum, commune capitulum abbatum atque priorum abbates proprios non habentium, qui non consueverunt tale capitulum celebrare; ad quod omnes conveniant, praepeditionem canonicam non habentes, apud unum de monasteriis ad hoc aptum, hoc adhibito moderamine, ut nullus eorum plus quam sex evectiones et octo personas adducat. Advocent autem caritative in huius novitatis primordiis duos Cisterciensis ordinis abbates vicinos, ad praestandum sibis consilium et auxilium opportunum, cum sint in huiusmodi capitulis celebrandis ex longa consuetudine plenius informati. Qui absque contradictione duos sibi de ipsis associent, quos viderint expedire; ac ipsi quatuor praesint capitulo universo, ita quod ex hoc nullus eorum auctoritatem praelationis assumat, unde, cum expedient, provida possint deliberatione mutari. Huiusmodi vero capitulum aliquot certis diebus continue iuxta morem Cisterciensium celebretur, in quo diligens habeatur tractatus de reformatione ordinis et observantia regulari, et quod statutum fuerit, illis quatuor approbantibus, ab omnibus inviolabiliter observetur, omni excusatione et contradictione ac appellatione remotis; proviso nihilominus ubi sequenti termino debeat capitulum celebrari. Et qui convenerint, vitam ducant communem et faciant proportionabiliter simul omnes communes expensas, ita quod si non omnes potuerint in eisdem, saltem plures simul in diversis domibus commorentur. Ordinentur etiam in eodem capitulo religiosae ac circumspectae personae, quae singulas abbatias eiusdem regni sive provinciae non solum monachorum sed etiam monialium, secundum formam sibi praefixam, vice nostra studeant visitare, corrigentes et reformantes quae correctionis et reformationis officio viderint indigere, ita quod si rectorem loci cognoverint ab administratione penitus amovendum, denuncient episcopo proprio, ut illum amovere procuret; quod si non fecerit, ipsi visitatores hoc référant ad apostolicae sedis examen. Hoc ipsum regulares canonicos secundum ordinem suum volumus et praecipimus observare. Si vero in hac novitate quicquam difficultatis emerserit, quod per praedictas personas nequeat expediri, ad apostolicae sedis iudicium absque scandalo referatur, caeteris irrefragabiliter observatis, quae concordi fuerint deliberatione provisa. Porro dioecesani episcopi monasteria sibi subiecta ita studeant reformare, ut cum ad ea praedicti visitatores accesserint, plus in illis inveniant quod commendatione quam quod correctione sit dignum, attentissime praecaventes, ne per eos dicta monasteria indebitis oneribus aggraventur, quia sic volumus superiorum iura servari, ut inferiorum nolimus iniurias sustinere. Ad hoc districte praecipimus tam dioecesanis episcopis quam personis que praeerunt capitulis celebrandis, ut per censuram ecclesiasticam, appellatione remota, compescant advocatos, patronos, vicedominos, rectores et cónsules, magnates et milites seu quoslibet alios, ne monasteria praesumant offendere in per-
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fassen und die Durchsetzung in den Klöstern durch Visitatoren überwachen zu lassen. Spätere Päpste, insbesondere der Zisterzienser Benedikt XII., bauten auf dieser gesetzlichen Bestimmung weiter auf und differenzierten die Vorschriften in den Einzelheiten. Im Grunde war das Provinzkapitel von Petershausen ein sehr traditionelles ordensrechtliches Element, wenngleich ihm durch die Nähe zum Konstanzer Konzil, die sogar in einer förmlichen Belobigung durch den Konzilsprotektor König Sigismund (1411-1437) ihren Ausdruck fand,43 ein besonderer Rang zukommt. Der langfristige reformerische Effekt blieb freilich, wie bei anderen Provinzkapiteln auch, ein begrenzter. Das Konzil von Basel (1431-1449) versuchte einige Jahre später, dem monastischen Reformprozess neue Impulse zu vermitteln.44
III. Rechtliche Bedeutung der Reforminitiativen Wenn wir nun nach der spezifisch rechtlichen Bedeutung der drei vorgestellten Reforminitiativen fragen, so sind zwei Aspekte in den Blick zu nehmen. Es handelt sich zum einen um ihren Einfluss auf die Bewertung des Armutsgelübdes und der Vermögensfähigkeit der Ordensleute, zum anderen um den Beitrag, den die reformerischen Kräfte zur Entwicklung der rechtlichen Verbandsstruktur bei den Benediktinern geleistet haben.
1. Armutsgelübde und Vermögensfähigkeit Die Entwicklungen des Spätmittelalters mit seinem ausgeprägten Pfründen- und Kommendenwesen haben dazu beigetragen, dass nicht wenige Benediktinerklöster vor allem als Kommendatargüter und die inneren Klosterämter als Pfründen angesehen wurden. Für den ordensfremden Kommendatarabt musste es persönlich kein Problem bedeuten, wenn ihm eine reiche Abtei zur Aufbesserung seiner Einkünfte übertragen wurde. Vielmehr konnte ihm diese finanzielle Quelle nur willkommen sein. Für die Inhaber der klösterlichen Ämter hingegen, die ja zumeist doch Mönche waren und Gelübde abgelegt hatten, entstand eine
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sonis ac rebus; et si forsitan offenderint, eos ad satisfactionem compellere non omittant, ut liberius et quietius omnipotenti Deo valeant famulari." ZELLER, Provinzkapitel im Stifte Petershausen (wie Anm. 32), 39. Siehe Johannes HELMRATH, Capitula. Provinzialkapitel und Bullen des Basler Konzils für die Reform des Benediktinerordens im Reich. Mit einer Konkordanz und ausgewählten Texten, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift fiir Erich Meuthen, hg. v. Johannes Helmrath und Heribert Müller in Zusammenarbeit mit Helmut Wolf, Bd. 1, München 1994, 87-121.
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Spannung zwischen dem Armutsgelübde einerseits und dem persönlichen Einkommen aus der klösterlichen Pfründe andererseits. Die Einrichtung der Pfründen war freilich mit einer gewissen Notwendigkeit erfolgt, nämlich um zu verhindern, dass der Kommendatarabt alle Erträge vollständig abschöpft. Die Pfründen sicherten also den Mönchen einer Abtei ihr Auskommen. Mittels einer Dispens von gewissen Folgen des Armutsgelübdes versuchte man, diese Situation rechtlich in den Griff zu bekommen. Dass dies angesichts des ursprünglichen Charismas des zönobitischen Mönchtums nicht vollständig befriedigen konnte und Widerstände hervorrief, braucht nicht weiter zu verwundern. Es scheint aber - vielleicht ist es eine gewagte These dass auf diese Weise neue rechtliche Typen des Ordenslebens vorbereitet wurden, wie sie dann erst in der Neuzeit auftreten. Zu denken ist an jene Verbände, in denen sich die Mitglieder zwar auf die evangelischen Räte verpflichten, die persönliche Vermögensfähigkeit des einzelnen Mitglieds aber rechtlich nicht ausgetilgt wird. Das Armutsgelübde wird in den neuzeitlichen Ordensverbänden nun vielfach so verstanden, dass das Mitglied zwar weiter persönliches Eigentum besitzen kann, im Gebrauch seiner persönlichen Güter aber nicht völlig frei ist, sondern vom jeweiligen Oberen abhängig bleibt. Dass so etwas für die Angehörigen monastischer Klöster und für Bettelmönche grundsätzlich nicht in Betracht kommt, ist ohne weiteres einsichtig. Doch scheint die - als solche durchaus fragwürdige - Anwendung der Dispens auf die Gelübde monastischer Religiösen den Weg dafür bereitet zu haben, neue rechtliche Formen zu entwickeln.
2. Benediktmische Verbandsstrukturen Die Folgewirkungen der vorgestellten Reforminitiativen für die Weiterentwicklung der benediktinischen Ordensstruktur lassen sich historisch weit gesicherter benennen und darstellen als deren Auswirkungen auf das allgemeine Ordensrecht bezüglich des Armutsgelübdes. Dabei haben alle drei Initiativen S. Giustina, Subiaco und Petershausen - in den Prozess der Fortentwicklung der Strukturen etwas einzubringen. Zuerst sollen jeweils die rechtlichen Charakteristika herausgestellt werden. Der Verband von S. Giustina zeichnet sich durch seinen starken Zentralismus aus. Die Kongregation ist eine einzige Körperschaft, die - modern gesprochen einzige juristische Person des Verbandes. Den einzelnen Mitgliedsklöstern kommt weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine nennenswerte faktische Autonomie zu. Dies trägt dazu bei, mögliche Tendenzen zur Individualisierung und Absonderung zu minimieren. Die Reform von Subiaco war dagegen nicht auf die Bildung eines rechtlichen Verbandes angelegt. Die Abtei entwickelte vielmehr ein anderes Instrument der Erneuerung, nämlich ihre Consuetudines, modern gesprochen: ihre zur Bene-
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diktsregel hinzutretenden Statuten oder Konstitutionen, welche die Regel konkretisieren, spezifizieren und in manchen Einzelheiten vielleicht auch außer Kraft setzen. Diese Consuetudines gewinnen aufgrund ihrer gelungenen Konzeption und der Erfolge, die im Hinblick auf ein blühendes Klosterleben erzielt werden, eine hohe Plausibilität und Attraktivität für andere Gemeinschaften mit der Folge, dass diese sie übernehmen und sich in ihrem eigenen klösterlichen Leben danach ausrichten. Auch in diesem Fall ist es ein rechtliches Instrument, nämlich die Statuten, das zur Bildung einer Familie von Klöstern führt und die Entwicklung der zugehörigen Klöster fordert. Dabei bleibt das der Benediktsregel zugrunde liegende Konzept von der rechtlichen Autonomie des einzelnen Klosters voll gewahrt. Ähnlich verhält es sich beim Petershausener Reformmodell, wenigstens was die Berücksichtigung der Klosterautonomie angeht. Im Unterschied zum Modell von S. Giustina war das Provinzialkapitel keine eigene Rechtsperson, welche die durch ihre Oberen teilnehmenden Klöster absorbierte. Vielmehr oblag es den Verantwortlichen der einzelnen Abteien, die Beschlüsse des Kapitels in ihren Häusern umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Eine gewisse Hilfe boten dabei die Visitationen, die in der Regel auf Diözesanebene organisiert waren und - mit mehr oder minder großem Erfolg - die Erneuerung fördern konnten. Letztlich aber blieb das einzelne Kloster mit der Aufgabe der Erneuerung doch vor allem auf sich gestellt, und von den Bischöfen, die - damals wie heute - mit dem Charisma der vita consecrata und den Besonderheiten des Ordenslebens nur geringe Vertrautheit zeigen, war wenig Hilfe zu erwarten. Für viele Bischöfe waren die Klöster nur als mögliche Kommenden von Interesse. So ist letztlich auch die mit der Rückendeckung des Konstanzer Konzils schwungvoll begonnene Erneuerung, die mit dem Provinzkapitel von Petershausen verbunden ist, in vielen Klöstern doch recht bald wieder versandet. Diese Erfahrung hatte man indes schon seit der gesamtkirchlichen Einrichtung der Äbteversammlungen durch das IV. Laterankonzil gemacht. Die periodische Durchführung der Versammlungen wurde bald wieder vernachlässigt, und so bedurfte es immer wieder der Anstöße von oben, die vorgeschriebene Praxis der regelmäßigen Zusammenkünfte erneut aufzunehmen. Als Beispiel sei hier nochmals auf die von Papst Benedikt XII. erlassene Bulle Summi magistri dignatio, die sogenannte „Benedictina", hingewiesen. Es darf an dieser Stelle aber auch daran erinnert werden, dass es sich mit den Diözesan- und Provinzialsynoden, die ganz allgemein der Hebung und Förderung des kirchlichen Lebens dienen sollten, im Spätmittelalter kaum anders verhielt als mit den benediktinischen Provinzkapiteln. Auf Phasen eifriger Durchführung der
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Versammlungen folgten wieder längere Zeiten der Ermüdung und Erschlaffung, in denen man sich lokal wieder ganz selbst genügte, oft mit ungünstigen Folgen.45 Eine nachhaltig spürbare Verbesserung brachte erst das folgende 16. Jahrhundert, als das Konzil von Trient46 (1545-1563), durchaus die bestehenden Rechtstraditionen aufgreifend, ein neues Rechtsinstitut schuf, die moderne monastische Kongregation. Auf seiner 25. Session beschloss dieses Konzil das Decretum de regularibus et monialibus, worin unter anderem die Errichtung solcher Kongregationen vorgeschrieben wurde.47 In gewisser Weise vereinte dieses mehr oder minder neue Institut einer Klosterreform förderliche Elemente, wie sie je für sich bei dem Verband von S. Giustina, bei Subiaco und beim Reformkapitel von Petershausen zutage treten. Die Einrichtung ging über die obligatorischen Versammlungen der Äbte, die das IV. Laterankonzil verlangt hatte, insofern hinaus, als eine förmliche Errichtung vorgeschrieben und die Kongregation nun nicht mehr nur als eine zwar obligatorische, aber doch vorübergehende Zusammenkunft, sondern als ein juridisch stabiler Verband mit eigener Rechtspersönlichkeit zu verstehen war. Damit war ein Ansatzpunkt, die Verbindlichkeit der Äbteversammlungen und deren Beschlüsse in Zweifel zu ziehen, beseitigt. Denn das einzelne Kloster ge45
46
47
Vgl. Partikularsynoden im späten Mittelalter, hg. v. Nathalie Kruppa und Leszek Zygner (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 219. Studien zur Germania Sacra 29), Göttingen 2006. Vgl. Gerhard MÜLLER, Tridentinum, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 34, Berlin New York 2002, 62-74 (Quellen, Lit.). Concilium Tridentinum, Sess. XXV Decretum de regularibus et monialibus cap. VIII, in: Conciliorum Oecumenicorum Decreta. Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Giuseppe Alberigo und Josef Wohlmuth, Bd. 3, Paderborn u. a. 2002, 779: „Monasteria omnia, quae generalibus capitulis aut episcopis non subsunt, nec suos habent ordinarios reguläres visitatores, sed sub immediata sedis apostolicae protectione ac directione regi consueverunt: teneantur infra annum a fine praesentis concilii et deinde quolibet triennio sese in congregationes redigere iuxta formam constitutionis Innocentii III in concilio generali quae incipit In singulis, ibique certas reguläres personas deputare, quae de modo et ordine, de praedictis congregationibus erigendis ac statutis in eis exsequendis deliberent et statuant. Quodsi in his negligentes fuerint, liceat metropolitano in cuius provincia praedicta monasteria sunt tamquam sedis apostolicae delegato eos pro praedictis causis convocare. Quodsi infra limites unius provinciae non sit sufficiens talium monasteriorum numerus ad erigendam congregationem, possint duarum vel trium provinciarum monasteria unam facere congregationem. Ipsis autem congregationibus constitutis, illarum generalia capitula et ab illis electi praesides vel visitatores eandem habeant auctoritatem in suae congregationis monasteria ac reguläres in eis commorantes, quam alii praesides ac visitatores in ceteris habent ordinibus. Teneanturque suae congregationis monasteria frequenter visitare et illorum reformationi incumbere, et ea observare, quae in sacris canonibus et in hoc sacro concilio sunt decreta. Quodsi, etiam metropolitano instante, praedicta exsequi non curaverint, episcopis, in quorum dioecesibus loca praedicta sita sunt, tamquam sedis apostolicae delegatis subdantur."
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hörte nun als ständiges Mitglied der Kongregation an und konnte sich nicht mehr durch eine, freilich überzogene, Referenz auf seine Autonomie dem Anspruch der Normen des Verbandes entziehen. Hierin kommt in gewisser Weise das rechtliche Erbe von S. Giustina zum Tragen, dessen Verband als eine einzige Körperschaft, als eine Rechtsperson konzipiert war. Auf der anderen Seite wirkt auch das Erbe von „Petershausen", also das Erbe der Äbteversammlungen nach. Denn wenn auch die Regula Benedicti ihr Kloster nicht als Teil eines mehrere monastische Häuser umfassenden Verbandes konzipiert, so sieht die Regel das Kloster doch nicht als einen isoliert stehenden, sich völlig selbst genügenden Kosmos. In den Bestimmungen der Benediktsregel zur Abtswahl werden neben anderen auch die benachbarten Äbte erwähnt, denen eine Mitverantwortung für eine gute Neubesetzung des Amtes zukommt (RB 64,4-6). Diese Mitverantwortung der Nachbaräbte wurde durch die Äbteversammlungen institutionalisiert und in der Kongregation nun zu höherer Festigkeit und Verbindlichkeit ausgestaltet, ohne jedoch - und das ist entscheidend - das Einzelkloster seiner rechtlichen Autonomie zu berauben. Das Erbe, das die modernen monastischen Kongregationen von „Subiaco" übernehmen, besteht in den Satzungen, in denen gewissermaßen die alten Consuetudines fortleben. Hinter der Formulierung von Consuetudines und Satzungen steht die Erkenntnis, dass die Benediktsregel, trotz all ihrer Weisheit und Ausgewogenheit, nicht völlig ausreicht, um allen Bedürfnissen der Ordnung klösterlichen Lebens in einer bestimmten Zeit und in einem aktuellen kulturellen und kirchlichen Kontext zu genügen. Es braucht die Konkretisierung in Gestalt eines verbindlichen Regelwerks, um die Klöster je und je auf der Spur eines Lebens benediktinischer Gottsuche zu halten. Und diese Regeln müssen immer wieder auf den erforderlichen neuen Stand gebracht werden. Was für die Kirche als ecclesia Semper reformanda zutrifft, gilt nicht weniger für die Klöster: monasteria Semper reformanda, damit sie sich in ihrem Wesen und Auftrag treu bleiben können. Dabei heißt es nicht zuletzt, aller Selbstgenügsamkeit und der Gefahr bloßer Selbstbespiegelung zu wehren. Auch in den heutigen 21 Benediktinerkongregationen ist das rechtliche Erbe präsent, das sich mit den Namen von S. Giustina, Subiaco und Petershausen verbinden lässt. Bei näherer Betrachtung tritt hervor, dass die einzelnen Kongregationen jeweils eigene Akzente setzen und es keine Einheitsverfassung für alle monastischen Kongregationen der Benediktiner gibt.48 So ist etwa in
48
Siehe dazu die - trotz der in den vergangenen Jahrzehnten durchgeführten Änderungen des kongregationeilen Eigenrechts - in ihren Grundlinien nach wie vor gültige Studie von Viktor DAMMERTZ, Das Verfassungsrecht der benediktinischen Mönchskongregationen in Geschichte und Gegenwart (= Kirchengeschichtliche Quellen und Studien 6), St. Ottilien 1963.
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manchen Kongregationen die rechtliche Verbindung zwischen den Mitgliedsklöstern enger gehalten und die Stellung der Kongregationsleitung von besonderem Gewicht, während in anderen das Prinzip der Klosterautonomie stärker betont wird. Dass dies alles in der heutigen, von Papst Leo XIII. (1878-1903) im Jahr 1893 geschaffenen Benediktischen Konföderation 49 seinen Platz hat, muss man nicht als einen Nachteil ansehen; denn darin kommt die legitime Vielfalt benediktinischen Lebens auch in rechtlicher Hinsicht zum Ausdruck. Aus der Sicht des Kanonisten ist abschließend noch ein Gesichtspunkt besonders zu unterstreichen. Es fällt auf, dass mit einer Reform und einer neuen Blüte klösterlichen Lebens regelmäßig in irgendeiner Form auch ein rechtlicher Neuansatz verbunden ist, sei es durch die Formulierung neuer Normen, sei es durch die Neuschaffung oder rechtliche Wiederbelebung besonderer klösterlicher Institutionen. Reform und Recht sind einander keineswegs fremd. Sie stehen vielmehr in einem gewissen Zusammenhang und haben eine gewisse Nähe zueinander, und zwar nicht nur im Hinblick auf das Ordenselement in der Kirche. Die Betrachtung dieser Konvergenz von geistlicher Erneuerung und Kirchenrecht könnte zu einer gesteigerten Wertschätzung des ehrwürdigen rechtlichen Erbes der Kirche beitragen und eine fortgesetzte breite Auseinandersetzung mit diesem wertvollen Erbgut des Gottesvolks befördern.
49
Vgl. Frumentius RENNER, Confoederatio Benedictina. Geschichte ihrer Konstituierung von Leo XIII. bis zu Pius XII., in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 91/I-II (1980) 232-289.
Christine Glaßner
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
Einleitung Als Johannes Schlitpacher1 im Jahr 1468, damals Prior des Benediktinerklosters Göttweig, die Feder zur Hand nahm, um nach der Anrufung der Dreifaltigkeit den Beginn des Satzes Nos N. visitatores monasteriorum ordinis sancti Benedicti diócesis N. auf palimpsestiertes Pergament zu setzen, und mit der Niederschrift eines Formulars einer Visitationsurkunde sein 280 Blätter starkes Memoriale im Oktavformat, sein Handbuch mit Reformtexten einleitete, konnte der 65-jährige auf eine über 30 Jahre währende Tätigkeit im Dienste der Ordensreform zurückblicken. Schlitpacher, einer der maßgeblichen Propagandisten dieser Reform, musste vier Jahre später - 1472 - im Bericht über die nicht zustande gekommene Konferenz der Äbte in Lambach das Scheitern im Vorfeld der Unionsverhandlungen mit Kastl und Bursfelde in Cod. 1560 der Stiftsbibliothek Melk so resümieren: Ecce ita fmaliter res fuit infecta, nullum sortita effectum (Bl. 205v).2
1
2
Franz Josef WORSTBROCK, Schlitpacher, Johannes, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, 2. Auflage (= 2 VL), Bd. 8 (1992), Sp. 727-748; Bd. 11 (2004), Sp. 1382f. Vgl. Meta NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 30), Wien 1994, 36, Anm. 122. - Für eine kurze Einführung in Abläufe, Periodisierung und Inhalte der Reform vgl. Albert GROISS, Die Zeit der Melker Reform, in: Die Benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearbeitet von Ulrich Faust und Waltraud Krassnig (= Germania Benedictina m/1), St. Ottilien 2000, 28-36. Vgl. auch Joachim F. ANGERER, Reform von Melk, in: Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum, bearb. von Ulrich Faust und Franz Quarthai (= Germania Benedictina I), St. Otilien 1999, 271-313.
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1. Die komplexe Vorgeschichte der Reformbemühungen „Es waren die vielen unterschiedlichen Kräfte und Persönlichkeiten, die im Dienste unterschiedlicher Auftraggeber zunächst von 1418 ab die Klöster des Herrschaftsgebietes eben Albrechts V. visitierten, um überhaupt einmal die disziplinären Voraussetzungen für eine nachhaltige Reform - von , Melker Reform' war da noch keine Rede! - zu schaffen." 3 Stets leisteten drei Institutionen ihren Beitrag, gaben Impulse, um die Voraussetzungen für den Beginn eines nachhaltigen Reformwerks zu schaffen: Landesherr, Universität und Kloster. Es bedurfte also des Zusammenwirkens oder auch des Austrags antagonistischer Bestrebungen zwischen den Vertretern dreier Lebenswelten: Imperium, Studium und sacerdotium. Landesherr
-
imperium
Die Interessen des Landesherrn, Albrechts V., fügten sich in die Linie althabsburgischer Kirchenpolitik nahtlos ein, deren Augenmerk schon seit langem auf den Ausbau der Abhängigkeit vom Landesherrn in Richtung auf eine Landeskirche hin gerichtet war. So hatte man sich die „Unterstützung des bedrängten Papstes gut bezahlen zu lassen: mit dem immer weitergehenden Ausbau der Landeskirchen".4 Dazu kam bei Albrecht das „Verantwortungsgefühl, das mit zunehmendem Einfluss auf kirchliche Belange den Landesfürsten erfüllte oder vielmehr mit ein Grund war, dass weltliche Herrscher sich auf kirchliche Probleme einließen: die Überzeugung, dass sie nicht nur für die Wohlfahrt, sondern auch das Seelenheil der Untertanen und den Zustand des Klerus in ihren Ländern verantwortlich seien."5 Bereits ab dem 13. Jahrhundert lassen sich Beispiele für die Einflussnahme des Landesherren auf die Besetzung der an der Spitze der Konvente stehenden Prälaten nennen, denn der Klerus war als Landstand ein nicht zu vernachlässigender politischer Machtfaktor.6
3
4
Joachim F. ANGERER, [Rezension von] Meta Niederkorn-Bruck (wie Anm. 2), in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 109 (1998) 123-128, hier: 125. Gerda KOLLER, Princeps in ecclesia. Untersuchungen zur Kirchenpolitik Herzog Albrechts V. von Österreich (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Historische Kommission, Archiv für österreichische Geschichte 124), Wien 1964, 38.
5
KOLLER ( w i e A n m . 4 ) , 4 4 .
6
Beispiele bei
KOLLER
(wie Anm. 4), 69f.
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77
Universität - Studium Als Ratgeber übten Professoren der Wiener Universität maßgeblichen Einfluss auf den jungen Herzog aus, der 1411, im Alter von erst 14 Jahren, die Landesherrschaft übernahm. An vorderster Stelle ist wohl Nikolaus von Dinkelsbühl (um 1360 1433)7 zu nennen, denn seine auf dem Konzil zu Konstanz 14158 entstandene Schrift ,Reformationis methodus' oder ,Avizamenta', wie sie in der einzigen, bisher bekannt gewordenen Überlieferung (Melk, Cod. 1094, 274r-278r) betitelt wird, enthält die grundlegenden Voraussetzungen und Durchführungsvorschläge zur Reform.9 Fünf utilia werden aufgezählt, die für ein Gelingen der Reform unabdingbar wären: „Primum est, ut advocentur aliqui viri devoti, qui sub regulari disciplina et iugo regule predicti ordinis a sue professionis exordio rigorosius enutriti sunt et sancte ac religiöse vixerunt et qui de hoc eciam in hac terra et in circumiacentibus bene famati sunt et noti, quales, ut speratur, pro nunc haberi possunt de monasteriis dicti ordinis in regno Sicilie, in quibus secundum rigorem regule vivitur et secundum sanctorum patrum primaria instituta."10 Das zweite Erfordernis wäre es, ein Kloster zu finden, in dem sich die neuberufenen Mönche niederlassen können, um ihre strengere Observanz zu leben unter Ausschluss jener Mönche, die sich dieser nicht unterwerfen wollen. Zur Durchsetzung eines derartigen Vorgehens bringt Nikolaus vier mögliche modi vor (1. Abdankung eines Abtes; 2. Zurücklegung der spirituellen und administrativen Leitung, jedoch nicht der Abtwürde, dann könnte Nikolaus von Matzen als Prior eingesetzt werden; 3. Tod eines Abtes mit nachfolgender Verhinderung der Wahl und Einsetzung von Nikolaus als neuem Abt; 4. Formelle Absetzung eines Abtes). Drittens müsste eine rechtmäßige Berufung der genannten Mönche aus Italien erfolgen, in Form eines vom Landesherrn erbetenen Mandats des Konzils oder des Papstes. Viertens müsste auch eine offizielle Berufung der italienischen Mönche durch den Landesherrn geschehen. Die Anzahl der berufenen Reformatoren solle aus7
Vgl. Alois MADRE, Nikolaus von Dinkelsbühl. Leben und Schriften. Ein Beitrag zur theologischen Literaturgeschichte (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 40,4), Münster 1965; DERS., Nikolaus von Dinkelsbühl (Prunczlein, N.), in: 2 V L , B d . 6 ( 1 9 8 7 ) , S p . 1 0 4 8 - 1 0 5 9 u n d B d . 11 ( 2 0 0 4 ) , S p . 1 0 5 2 .
8
V g l . KOLLER ( w i e A n m . 4 ) , 6 3 , A n m . 122.
9
Vgl. MADRE (wie Anm. 7), 269-271 (Nr. 1); vgl. auch Alphons LHOTSKY, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (= Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 19), Graz - Köln 1963, 332f.; der Text ist gedruckt bei Anselm SCHRAMB, Chronicon Mellicense, Wien 1702, 309-312, und Martin KROPFF, Bibliotheca Mellicensis, Wien 1747, 184-187. Melk, Cod. 1094, 274r (Bleistiftfoliierung); vgl. auch den Druck: SCHRAMB (wie Anm. 9)
10
309.
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reichend sein, sodass man sie gegebenenfalls auch in mehreren Klöstern einsetzen könne. Fünftens müsste der Landesherr für Reisekosten und Wegzehrung der berufenen Mönche aufkommen. Letzlich mahnt Nikolaus von Dinkelsbühl zur Eile, denn „sepedicti fratres et potissime magister Nicolaus propter celebre nomen conversationis sue a multis tarn in concilio quam extra pro reformatione requiruntur"11. Jedoch sei Nikolaus Seyringer hoffentlich seiner Heimat zugetan, der Muttersprache wegen und der ihm geläufigen Lebensart. Die Gelegenheit, die Sache auf dem Konzil zu beschleunigen, sei günstig, denn so könnten alle nötigen Vorgänge (Botenentsendung und Geldtransfer) rasch durchgeführt werden. Nikolaus Seyringer scheint wegen der Berufung durch den Posener Bischof bereits in Konstanz anwesend gewesen zu sein,12 was der Sache zu einer raschen Entwicklung verhalf: Albrecht erkannte, wohl auch unter Einfluss seines Beraters Nikolaus von Dinkelsbühl, dass die Durchsetzung seines Anliegens mit konziliarer oder päpstlicher Unterstützung am ehesten gelänge. So wurden nach der Wahl Martins V. zum Papst Anfang Januar 1418 die Supplik des Herzogs zur Berufung Nikolaus Seyringers, genannt Nicolaus Conradi de Austria, und seiner fünf Gefährten Antonius de Catalonia, Matthias de Prussia, Nicolaus de Respitz de Austria, Petrus de Bavaria, das ist Petrus von Rosenheim, und Petrus de Austria (Petrus von Klosterneuburg) nach Österreich bewilligt.13 Der Herzog empfing die Mönche in Wien, und da auch seiner Supplik zur Visitation der Benediktiner- und Augustinerklöster seines Landes durch Abt Angelus von Rein und Prior Leonhard von Gaming unter Beiziehung geeigneter Persönlich-
11
Melk, Cod. 1094, 277v; Druck: SCHRAMB (wie Anm. 9), 312. Vermutlich bezieht sich Nikolaus hier auf ein Ersuchen des Posener Bischofs Andreas Lascari an das Konzil von Konstanz, Nikolaus Seyringer als Ordensreformator nach Polen zu berufen (vgl. KOLLER [wie Anm. 4], 87). Das entsprechende Schreiben des Konzils an Nikolaus Seyringer vom 9. November 1415 ist erhalten im Stiftsarchiv Melk (Urkunden aus dem Melker Stiftsarchiv sind online zugänglich über http://www.monasterium.net) und in folgenden Handschriften: Melk, Cod. 761, 46v-47r; Cod. 793, 350r-v; Cod. 993, 277v-278r, und Cod. 1241, 55r-v (Druck des Textes nach dieser Handschrift bei KROPFF [wie Anm. 9], 159f.); Oxford, Bodleian Library, Ms. Lyell 63, 375ra-vb (früher: Melk, Cod. alte Signatur 494,1 10). In allen diesen Handschriften, abgesehen von Cod. 793, bildet der Brief jeweils das Schlusskapitel des Traktats ,De esu carnium monachorum' des Melker Konventualen Johannes von Speyer (vgl. Herbert KRAUME, Johannes von Speyer, in: 2VL, Bd. 4 [1983], Sp. 757-760; der genannte Traktat ist nicht identisch mit dem bei Bernhard PEZ, Thesaurus anecdotorum novissimus, Bd. 2, Augsburg - Graz 1721, Teil n, Sp. 567-608 gedruckten Text gleichen Titels).
12
V g l . KOLLER ( w i e A n m . 4 ) , 8 7 .
13
Vgl. auch Melk, Stiftsarchiv, Urkunde 1418 108.
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
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keiten aus beiden Orden auf zehn Jahre stattgegeben worden war,14 konnte das Reformwerk nach der von Nikolaus von Dinkelsbühl skizzierten Methode beginnen: „Die Reformer waren mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet, konnten sich des weltlichen Armes bedienen und kirchliche Strafen verhängen; es wurde ihnen ausdrücklich bestätigt, daß sie auf päpstliche und andere Privilegien keine Rücksicht zu nehmen brauchten."15 Klostergemeinschaft
vorbildlicher Regelobservanz
-
sacerdotium
Man entschied sich dafür, die Reformmönche in ein bestehendes Kloster „einzupflanzen". Dass gerade Melk als landesherrliche Stiftung dafür ausgewählt wurde, lässt sich vielleicht mit den günstigeren Einflussmöglichkeiten im Hinblick auf die Absetzung und Neubesetzung des Abtes erklären.16 Am 30. Juni 1418 wird das durch freiwillige Resignation des seit 1412 regierenden, adeligen Abts Johannes III. von Fläming17 vakante Kloster durch Angelus von Rein, Leonhard von Gaming, Nikolaus Seyringer, Nikolaus von Respitz und Petrus von Rosenheim im Beisein von drei Vertretern der Wiener Universität, den beiden Theologen Nikolaus von Dinkelsbühl und Petrus von Pulkau18 sowie dem Kanonisten Kaspar von Maiseistein19 visitiert und von den anwesenden 15 Konventualen, darunter dem Prior Gottschalk, die Zustimmung zur Neuwahl eines Abtes eingeholt.20 Am 1. Juli erfolgte die Befreiung des Nikolaus Seyringer vom Amt des Visitators, am Tag 14
Vgl.
15
KOLLER ( w i e A n m . 4 ) , 8 9 .
16
So auch Ignaz Franz KEIBLINGER, Geschichte des Benedictiner-Stiftes Melk in NiederOesterreich, seiner Besitzungen und Umgebungen, Bd. 1, Wien 1851, 480, Anm. 1. Vgl. KEIBLINGER (wie Anm. 16), 475-482. Ob die Resignation tatsächlich freiwillig erfolgte, muss dahingestellt bleiben; zu Beginn des Jahres 1419 oder 1420 scheint Johannes jedenfalls eine Reise nach Rom beabsichtigt oder tatsächlich unternommen zu haben, da ein Fragment eines von König Sigmund ausgestellten deutschen Begleitbriefs erhalten ist (Melk, Stiftsarchiv, Urkunde 1419/20 II 02). Dieses Fragment befand sich früher vermutlich als Vorderdeckel-Spiegelblatt im Melker Cod. 785, worauf nicht nur die zum Inhalt der Handschrift passenden Einträge auf dem Urkundenfragment hindeuten, sondern auch fünf noch in der Handschrift befindliche, jeweils etwa 17 mm breite, beschriebene, jedoch quer zum Schriftverlauf geschnittene Falzstreifen, die aus dem rechten Teil der Urkunde stammen (vor Bl. 168, 180, 192, 204 und 216). Auf dem Falz vor Bl. 180 ist in Zeile 6 der Name Fläming zu lesen, auf dem Falz vor Bl. 204 in der letzten Zeile die Zahl XXVII, bei der es sich jedoch nicht um die Jahresbezeichnung (etwa [14J27) handeln kann, da Johannes von Fläming im Jahr 1420 verstarb (KEIBLINGER [wie Anm. 16], 481). Vgl. Dieter GIRGENSOHN, Peter von Pulkau, in: 2VL, Bd. 7 (1989), Sp. 443-448. Vgl. Franz MACHILEK, Maiseistein, Kaspar (von), in: 2VL, Bd. 5 (1985), Sp. 1183-1191, und Bd. 11 (2004), Sp. 959. Melk, Stiftsarchiv, Urkunde 1418 VI 30.
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KOLLER
(wie Anm. 4), 88-90.
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darauf wurde er in Melk als Abt eingesetzt21 und seine fünf Mitbrüder wurden aus Subiaco dem Konvent, von dem sich acht Mitglieder durch Erneuerung ihrer Profess der neuen Observanz anschlössen, inkorporiert.22 Nun konnte das Reformwerk ausschließlich mit Reformwilligen in Melk in Angriff genommen werden.23
2. Die Grundanliegen der Melker Reform Die neuere Forschung zum Thema „Melker Reform" hat sich vor allem auf die Organisationsformen und Abläufe, wie sie in den Brauchtexten zum Ausdruck kommen,24 und auf die Visitationen25 als Vehikel zur Verbreitung der Reform konzentriert. Mit den in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ausformulierten Sublazenser Brauchtexten, den Caerimoniae, die Mönchtum wieder im Geist Benedikts verstanden, versuchte man nun in Melk eine eigene Lebenspraxis (•observantia) zu entwickeln, in der man das Neue aus Italien mit den Traditionen des eigenen Hauses zu verbinden suchte. Das Arbeiten an dieser neuen Lebenspraxis lässt sich an der Entwicklung des Brauchtextes aus Subiaco ablesen, der mehrere Redaktionsstufen durchläuft und schließlich um etwa 1460 in eine eigene Melker Consuetudo mündet (Breviarium caerimoniarum monasterii Mellicensis). Die im Gefolge der Visitationen aufgezeichneten Visitationsrezesse und -urkunden werden dabei wiederholt als wichtige Quellen für die Benennung von Missständen und für deren Besserung bzw. für neue Vorgaben genannt.
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24
25
Die päpstliche Bestätigung erfolgte im November desselben Jahres: Melk, Stiftsarchiv, Urkunde 1418 XI14. Die Liste der verbliebenen Konventualen findet sich bei KEIBLINGER (wie Anm. 16), 488 und Anm. 1 (wohl nach Melk, Cod. 391, p. 173 = 86r). Eine kurze, formal an die Annalistik angelehnte, zeitgenössische Darstellung schildert die betreffenden Ereignisse auf dem Konstanzer Konzil bis zur Einsetzung Nikolaus Seyringers als Abt. Diese Sicht des Hauschronisten, zuweilen Petrus von Rosenheim zugeschrieben, findet sich in Melk, Cod. 391, p. 172 = 85v, und Cod. 91, 132r-v (Druck in Teilen: SCHRAMB [wie Anm. 9], 318, 356 und 363f.). Joachim F. ANGERER (Hg.), Caeremoniae regularis observantiae sanctissimi patris nostri Benedicti ex ipsius regula sumptae, secundum quod in sacris locis, scilicet Specu et monasterio Sublacensi practicantur (= Corpus Consuetudinum Monasticarum XI, 1), Siegburg 1985; DERS. (Hg.), Breviarium caeremoniarum monasterii Mellicensis (= Corpus Consuetudinum Monasticarum XI,2), Siegburg 1987; Albert GROISS, Spätmittelalterliche Lebensformen der Benediktiner von der Melker Observanz vor dem Hintergrund ihrer Bräuche. Ein darstellender Kommentar zum Caeremoniale Mellicense des Jahres 1460 (= Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinertums 46), Münster 1999. NIEDERKORN-BRUCK ( w i e A n m . 2 ) .
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert Rückbesinnung
auf die Anfänge des benediktinischen
81 Mönchtums
Dies ist am deutlichsten zu greifen in den Bezügen auf die Regula Benedicti als Leittext und Grundlage allen Handelns und Denkens. Wenn Groiß im Caerimoniale Sublacense 135, im Caerimoniale Mellicense noch weitere 18 direkte Bezüge auf den Text der Benediktregel zählt und bemerkt, dass im Melker Caerimoniale als Bezugstexte monastischer Autoren allein der Reformabt von Montecassino, Bernardus Ayglerius (nach 1200-1282)26 und sein Speculum monachorum seu quaestio de his, ad quae in professione obligatur monachus, et quae sint in regula, quae habeant vim praecepti, quae mandati et quae consilii neben Petrus Boerius ("|*1386)27 mit seinem Regelkommentar zitiert werden,28 so lässt dies auf einen programmatischen Rückbezug auf den Grundtext des Ordens und auf seine im Umfeld des Mutterklosters entstandenen Auslegungen schließen. Opus dei - Liturgie und ihre musikalische
Ausgestaltung
Als weiteres Hauptanliegen der Reform schält Joachim F. Angerer die Wiederherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Gebet und Arbeit heraus, das sich im 14. Jahrhundert durch zahlreiche Sonderoffizien zugunsten des Gebets verschoben hatte.29 Vereinfachung und Straffung, Eindämmung von Auswüchsen (z. B. Prozessionen), Reduktion von Tropen und Sequenzen lassen sich an mehreren Quellen festmachen.30 Was Angerer nur andeutet, nämlich die Übernahme des römischen Ritus,31 der in engem Zusammenhang mit der franziskanischen Liturgie steht, weist Groiß an zahlreichen Details nach.32 Dazu gehört auch eine Beobachtung im Hinblick auf die Leseordnung: Die Melker Reformtradition folgt ebenso wie die des Franziskanerordens mit der Perikope Lk 21,25-33 (Erunt signa in sole) zum 1. Adventsonntag und Mt 11,2-10 (Cum audisset Johannes) zum 2. Adventsonntag der römischen Rubrik,33 während in den 26
27
Vgl. Michaela PUZICHA, Bernhard I. v. Montecassino (Ayglerius), OSB, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. völlig neu bearb. Aufl., hg. v. Walter Kasper u. a., Bd. 2, Freiburg - Basel - Rom - Wien 1994, Sp. 273. Vgl. Réginald GRÉGOIRE, Pierre Bohier, in: Dictionnaire de spiritualité, ascétique et mystique, Bd. 12/2, Paris 1986, Sp. 1518f.
28
V g l . GROISS ( w i e A n m . 2 4 ) , 2 5 1 .
29
Joachim F. ANGERER, Die liturgisch-musikalische Erneuerung der Melker Reform. Studien zur Erforschung der Musikpraxis in den Benediktinerklöstern des 15. Jahrhunderts (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Sitzungsberichte 287,5 = Veröffentlichungen der Kommission für Musikforschung 15), Wien 1974, bes. S. 83-87. Vgl. ANGERER (wie Anm. 29), 91-94. Vgl. ebd., 126. GROISS (wie Anm. 24), 1 1 0 - 1 4 0 , zusammenfassend 253f., Textvergleiche 265-294. Vgl. etwa z. B. Melk, Cod. 575, p. 539a, und Cod. 852, lr.
30 31 32
33
82
Christine Glaßner
Melker Quellen des 14. Jahrhunderts wie auch etwa in den Diözesen Passau und Salzburg zum 1. Adventsonntag Mt 21,1-9 (Cum appropinquasset Jesus Hierosolymis) und zum 2. Adventsonntag Lk 21,25-33 (Erunt signa in sole) als Evangelienperikope Verwendung finden;34 auch die Evangelienperikopen der Donnerstage in der Fastenzeit folgen in den Melker Reformquellen der römischen Ordnung.35 Die Universität als Garant für die Nachhaltigkeit
der
Reformbestrebungen
Von den ersten Ansätzen reformerischen Bemühens, die später mit dem Melker Konvent in Verbindung zu bringen sind, war ein entscheidender Faktor die Anbindung an die Wiener Universität gewesen. Die Wege von Nikolaus von Dinkelsbühl und Nikolaus Seyringer hatten sich dort um 1400 gekreuzt, 1401 bekleidete Seyringer sogar das Amt des Rektors.36 Zwischen dem 24. Februar37 und dem 9. Juli 140338 brach Seyringer von Wien nach Subiaco auf. Sicher ist, dass im Konvent von Subiaco wegen des Schismas Personalnot herrschte,39 jedoch ist auch die Vorstellung nicht ganz von der Hand zu weisen, es habe bereits ein schon zu dieser Zeit an der Universität Wien gefasster Plan, die benediktinische Reformobödienz in Italien kennenzulernen und später in der Heimat zu propagieren, bestanden. Wiener Universitätsprofessoren spielen in der Folge eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Personalpolitik und die begleitende Beratungs- und Gutachtertätigkeit zu wichtigen Fragen der Reform. Dies lässt sich einerseits am Personen34 35
36
37
38
39
Vgl. z. B. Melk, Cod. 360, lOvaund 13ra. Zur musikalischen Praxis sind in Kürze die Ergebnisse der Quellenanalysen von Robert KLUGSEDER ZU erwarten, der eine Publikation mit dem Titel Liturgische Offiziumshandschriften der , Melker Reform' in österreichischen Benediktinerklöstern vorbereitet. Die Matrikel der Universität Wien I. Im Auftrage des Akademischen Senates hg. vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung (= Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Reihe 6: Quellen zur Geschichte der Universität Wien, Abt. 1, Graz-Köln 1954-1956), 1389 H A 14 (nachfolgend zitiert als: MUW); Acta Facultatis Artium Universitatis Vindobonensis 1385-1416. Nach der Originalhandschrift hg. v. Paul Uiblein (= Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Reihe 6: Quellen zur Geschichte der Universität Wien, Abt. 2), Graz - Wien - Köln 1968, 55lf. (nachfolgend zitiert als: AFA I); Die Akten der Theologischen Fakultät der Universität Wien (1396-1508), hg. v. Paul Uiblein, Bd. 2, Wien 1978, 687. Vgl. AFA I (wie Anm. 36), 217 Z. 24: Nicolaus (Seyringer) de Matzen und Casparus de Neuburga geben ihr Amt als Consiliarii zurück, an ihrer Stelle werden Nikolaus von Dinkelsbühl und Johannes de Septemcastris gewählt. Vgl. KOLLER (wie Anm. 4), 66 Anm. 33; Barbara FRANK, Subiaco, ein Reformkonvent des späten Mittelalters, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 52 (1972) 526-656, hier: 556, Anm. 54. V g l . FRANK ( w i e A n m . 3 8 ) , 5 5 6 .
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
83
kreis der Kompromissare40 bei den Melker Abtwahlen, besonders der ersten Reformperiode bis etwa zum Basler Konzil, andererseits am Bildungsstand der Melker Konventualen ablesen. In der Einsetzungsurkunde von Nikolaus Seyringer als Abt in Melk am 30. Juni 1418 sind als Zeugen die drei Universitätsprofessoren Nikolaus von Dinkelsbühl, Petrus von Pulkau und Kaspar von Maiseistein anwesend.41 Nikolaus von Dinkelsbühl fungiert neben den Kartäuserprioren von Gaming und Königsfeld (bei Brünn) gemeinsam mit dem licentiatus in decretis Magister Petrus Pachmüllner42 auch als Kompromissar bei der Abtwahl Leonhards von Straubing im Jahr 1426.43 Als Kompromissare bei der Wahl Christian Eibensteiners 143344 wirken die Kartäuserprioren von Mauerbach und Aggsbach und drei Vertreter der Wiener Universität: der Kanonist Conradus (Pistoris) de Haistatt,45 der Mediziner Rudolfus (Volkardi) de Heringen46 und der Theologe Narcissus Herz von Berching mit.47 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheinen als Kompromissare nur noch Kartäuserprioren, Benediktineräbte und Augustinerpröpste.48 Geht man davon aus, dass die Wahl durch externe Wahlmänner (per compromissum) auch externe Einflussnahme auf die Person des Gewählten ermöglicht, so wird der Einfluss der Wiener Universität auf die Führung des Melker Konvents in den ersten Reformjahren nicht zu vernachlässigen sein. Hinzu kommt, dass für alle neun Melker Äbte von Beginn der Reform 1418 bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine Studienzeit in Wien nachweisbar ist; vier Äbte erlangten den Grad eines Magisters.49 Insgesamt können für das 15. Jahrhundert 14 40
41 42 43 44 45 46 47
48 49
Zur Kompromisswahl, bei der das Wahlrecht nicht selbst ausgeübt, sondern Wahlmännern übertragen wird, am Beispiel des Regelkommentars des Johannes von Kastl vgl. Beda Maria SONNENBERG, Die Abtswahl nach Johannes von Kastl. Untersuchungen und Textedition (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Ergänzungsbd. 4 5 ) , St. Ottilien 2 0 0 8 , bes. 2 8 1 - 2 8 4 . Zu den Melker ReformTexten über die Abtwahl vgl. NIEDERKORN-BRUCK (wie Anm. 2 ) , 8 5 - 8 7 . Siehe oben, S. 79. MUW (wie Anm. 36) 1411 H R 70; AFAI (wie Anm. 36), 556. Vgl. Melk, Stiftsarchiv, Urkunde 1426 I 6. Vgl. Melk, Stiftsarchiv, Urkunde 1433 IX 4-5. MUW (wie Anm. 36), 1411 n A 34; AFA I (wie Anm. 36), 505f. MUW (wie Anm. 36), 1433 I S 1. M U W (wie Anm. 36), 1406 N R 7; AFA I (wie Anm. 36), 549; vgl. auch Katherine WALSH, Narcissus Herz von Berching. Zur Handschriftenüberlieferung eines spätmittelalterlichen Theologen in Tirol, in: Tirol zwischen Zeiten und Völkern. Festschrift für Helmut Gritsch zum 60. Geburtstag am 20. Juni 2002, hg. v. Eugen Thurnher (= Schlern-Schriften 318), Innsbruck 2002, 77-92. Vgl. auch GROISS (wie Anm. 24), 72f. Vgl. dazu Christine GLASSNER, Wiener Universitätshandschriften in Melk. Bemerkungen zum Lehrbetrieb an der Wiener Artistenfakultät, in: Die Universität Wien im Konzert
84
Christine Glaßner
(spätere) Melker Professen mit Magisterabschluss und 21 Bakkalare namhaft gemacht werden, eine auffällig hohe Zahl gegenüber 14 Absolventen (Bakkalare und Magistri), die man in der vergleichbar großen Abtei Tegernsee zählt.50 Die an der Wiener Universität ausgebildeten Professen brachten einerseits ihr dort erworbenes Wissen in den Melker Konvent ein und hielten die Kontakte dorthin aufrecht, andererseits wandten sie sich auch bei strittigen Fragen oder Unklarheiten an die Universität, vor allem an die Wahlkompromissare, um Gutachten einzuholen.51
3. Konkrete Auswirkungen der Reform für den Melker Konvent Obwohl die einschlägige Forschung in den letzten fünfzig Jahren zahlreiche neue Ergebnisse vorgelegt hat, fehlt es an Vorarbeiten, mehr noch an Detailuntersuchungen über die konkrete Lebenssituation in Melk selbst. Die kaum überschaubare Quellenlage zum Thema ,Melker Reform' im Kloster Melk scheint einer systematischen Aufarbeitung bisher im Wege gestanden zu sein. Deshalb sind auch an dieser Stelle nur Einzelbeobachtungen möglich, die sich auf wenige Themenbereiche konzentrieren müssen. Bücher aus Italien als Grundlage der neuen
Lebensform
Einige Indizien legen nahe, dass die aus Subiaco kommenden Reformer auch die grundlegenden, für ihr Reformwerk nötigen Texte mitbrachten. Zu nennen ist eine sicher in Italien hergestellte, mit Deckfarbenminiaturen ausgestattete, großformatige Pergamenthandschrift aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts (Melk, Cod. 3), die unter anderem die Benediktregel, die Benedictina, die Narbonner Statuten und das Speculum monachorum des Bernardus Ayglerius - alle Texte jeweils mit Kommentar des Petrus Boerius - überliefert.52 Eine weitere Regula-
50
51
52
europäischer Bildimgszentren, 14.-16. Jahrhundert, hg. v. Kurt Mühlberger und Meta Niederkorn-Bruck (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 56), Wien - München 2010, 87-99, hier: 95-97. Vgl. GLASSNER (wie Anm. 49), 94, nach Dennis D. MARTIN, Fifteenth-Century Carthusian Reform. The World of Nicholas Kempf (= Studies in the History of Christian Thought 49), Leiden 1992, 336f., Table 4 und 5. Genauere Aussagen über diese Fragen werden erst nach einer vorläufigen Gesamtsichtung vor allem des Melker Handschriftenbestandes möglich sein. Beschreibung mit weiterer Literatur: Christine GLASSNER, Inventar der Handschriften des Benediktinerstiftes Melk, Teil 1: Von den Anfängen bis ca. 1400, unter Mitarbeit von Alois Haidinger. Katalogband (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist.
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
85
Benedicti-Handschrift des 13. Jahrhunderts, von der zahlreiche, in Melk im 15. Jahrhundert entstandene Regel-Handschriften abhängig sind, wurde von Ellegast bekannt gemacht (Melk, Cod. 552).53 Vor etwa dreißig Jahren hat Joachim Angerer in drei Melker Handschriften liturgische Fragmente in beneventanischer Schrift und Notation aufgefunden und publiziert,54 die mit Sicherheit aus Süditalien, etwa dem Einzugsbereich von Monte Cassino stammen müssen, wo die Beneventana besondere Verbreitung gefunden hat. Es ist nun auffällig, dass in allen drei Codices, die derartige Einbandfragmente tragen, ein und dieselbe Schreiberhand zu erkennen ist, die in einer aus Melk stammenden, dann im Wiener Dorotheenstift befindlichen und heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrten Handschrift einem pater Antonius, professus in Mellico, qui huc venerat de Specu zugewiesen wird (Wien, Osterreichische Nationalbibliothek, Cod. 2220*, Bl. 196r).55 Es handelt sich dabei zweifellos um den schon genannten Antonius von Katalonien (de Catalonia), der mit Nikolaus Seyringer und vier anderen Sublazenser Mönchen 1418 als Reformer nach Melk kam. Er hatte 1387 seine Profess in Subiaco abgelegt, war schon dort als Kopist hervorgetreten,56 und wird als geübter Schreiber einer leicht lesbaren gotischen Buchschrift zu einem der Hauptschreiber von Melker ,Reformcodices' bis zu seinem Tod 1437.57 Bisher konnte seine Hand in rund zwei Dutzend Melker Handschriften nachgewiesen werden. Kehren wir zurück zu den drei Melker Handschriften mit beneventanischen Fragmenten: Cod. 1012, Cod. 1027 und Cod. 1740, die ersten beiden im Quartformat, Cod. 1740 im kleinen Oktav-Format. Der erste Faszikel des 158 Blätter umfassenden Codex 1012 von der Hand des Antonius de Catalonia ist auf Bl. 56v datiert mit 1416, muss also noch in Italien geschrieben worden sein und überliefert das Speculum monachorum des Bernardus Ayglerius von Montecassino (Bl. 2 r -
53
54
55
Klasse, Denkschriften 285 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters 11,8,1), Wien 2000, 66-69. Vgl. Burkhard ELLEGAST, Die Melker Handschriften zur Regula Benedicti. Bd. 1-3 (Ungedruckte Dissertation), Wien 1962, 9f. u. ö.; Burkhard ELLEGAST, Die Anfänge einer Textkritik zur Regel des heiligen Benedikt in den Kreisen der Melker Reform (15. Jh.), in: Stift Melk in Geschichte und Gegenwart 3 (1983) 8-91. Vgl. auch GLASSNER (wie Anm. 52), 247. Joachim F. ANGERER, Unbekannte Fragmente beneventanischer Provenienz aus der Stiftsbibliothek Melk, in: ,Ut mens concordet voci'. Festschrift Eugène Cardine zum 75. Geburtstag, hg. v. Johannes. B. Göschl, St. Ottilien 1980, 377-403. Für diesen Hinweis und die Beschreibung der Handschrift danke ich Dr. Andreas Fingernagel (Österreichische Nationalbibliothek, Wien).
56
V g l . FRANK ( w i e A n m . 3 8 ) , 5 9 7 , 6 3 1 , b e s . 6 3 2 .
57
Vgl. auch Meta BRUCK, Profeßbuch des Klosters Melk 1. Teil: 1418-1452, in: Stift Melk, Geschichte und Gegenwart, Bd. 4, Melk 1985, 79-202, hier: 93.
86
Christine Glaßner
56v). Es folgen Bernhards von Clairvaux Depraecepto et dispensatione (Bl. 58r74r), die Hieronymus-Briefe (Bl. 76r-118v), die Quaestio de incarnatione Christi contra Iudaeos des Nikolaus von Lyra (Bl. 119r-137v), eine Auslegung der Cantica des Alten Testaments (Bl. 138r-149v) und ein Ordo missae (Bl. 150r153r). Die zweite Handschrift, Cod. 1027, umfasst 170 Blätter und überliefert eine Sammlung von Sermones Bernhards von Clairvaux. Da ihre zeitgleiche Foliierung mit ,101' beginnt, lag es nahe, nach einem Faszikel Ausschau zu halten, der mit gleicher Hand von ,1-100' bezeichnet ist. Diesen finden wir im Cod. 994, ebenfalls von der Hand des Antonius de Catalonia, der zusätzlich zum zugehörigen ersten Teil der Sermones-Sammlung noch weitere Bernhard-Werke bzw. im Mittelalter Bernhard zugeschriebene Texte enthält, nämlich die Epístola ad fratres de Monte De i des Wilhelm von St. Thierry (Bl. 101r-128r), die Scala claustralium des Guigo Carthusiensis (Bl. 128r-133v) und Bernhards De consideratione adEugeniumpapam (Bl. 135r-172r). Im kleineren Oktavformat der dritten Handschrift, Cod. 1740, finden wir unter vielen, vielleicht auch Melker Händen, die Hand des Antonius von Catalonia zwar nur in den Rubriken, aber auch dieser Codex passt mit seinem Schwerpunkt auf Bernhard- und Bonaventura-Texte und einer eher aszetischen Ausrichtung in das weit gefasste , Programm' der Melker Reform. Ob die drei Handschriften so, wie sie sich heute darstellen, d. h. mit den beneventanischen Einbandfragmenten, aus Italien mitgebracht wurden oder erst in Melk zusammengestellt wurden, ist vorderhand nicht zu entscheiden. Möglich ist auch, dass die Bände erst in Melk gebunden wurden und dass Einzelfaszikel, wie z. B. der 1416 datierte Faszikel des Cod. 1012, aber in einem flexiblen Umschlag (vielleicht einem beneventanischen Pergamentfragment?) von den Reformern nach Melk mitgebracht wurden und hier für die endgültigen Holzdeckel-Einbände, wie sie uns heute vorliegen, weiterverwendet wurden. Antonius von Katalonien schrieb aber auch, wie dem 1460 datierten Melker Cod. 1917/1, Bl. 60v, zu entnehmen ist, ein bis dato in der Melker Bibliothek nicht auffindbares Lektionar, das er auch selbst zusammenstellte: „... qui videlicet pater Anthonius scripsit et collegit lectionarium in principio sicut dixi reformationis sicut protunc scivit et potuit ad meliorem tarnen ex post in futurum expectanciam et ad regulärem observanciam congruentem."
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert Personelle Zusammensetzung
des Konvents -
87
Prosopographie
Diese ganz grundlegende Frage kann nicht so einfach beantwortet werden, wie es zu erwarten wäre, denn ein gedrucktes Professbuch für das Stift Melk liegt bisher nur für die Zeit von 1418 bis 1452 vor.58 Damit ist ein Vergleich der personellen Struktur des Konvents vor 1418 mit der Zeit danach und eine Darstellung der Entwicklungslinien im Laufe des 15. Jahrhunderts kaum zu leisten. Aus den erhaltenen Abtswahlinstrumenten können wir auf einen Personalstand von ca. 25 bis 30 Kapitularen schließen, 1418, bei der Abdankung des Johannes Fläming zählte der Konvent 15 Personen.59 Eine Grafik, vorläufig erstellt nach den in Melk überlieferten Professurkunden und -Verzeichnissen60 möge die Anzahl und Verteilung der Professen im 15. Jahrhundert verdeutlichen. Aus dieser ist eine Wellenbewegung mit Spitzen 1418/19 und 1423/24 (unter dem Abbatiat des Nikolaus Seyringer, 1418-1425), 1433-36 und 1446 (unter Abt Christian Eibensteiner, 1433-1451) zu erkennen. Der Rückgang der Neueintritte zur Zeit der Cusanus-Reform 1451/52 und im weiteren Verlauf des 3. Viertels des 15. Jahrhunderts erstaunt und verlangt wohl eine umfassendere, auch sozialgeschichtlich orientierte Interpretation, die hier nicht zu leisten ist.
58
BRUCK ( w i e A n m . 5 7 ) .
59
Melk, Stiftsarchiv; Urkunde 1418 VI 30 (Einsetzung des Nikolaus Seyringer): 15 Kapitulare, davon blieben 8, dazu kamen 6; Urkunde 1433 IX 9 (Wahlinstrument des Abtes Christian Eibensteiner): 26 Kapitulare; 1451 DI 19/20 (Wahlinstrument des Abtes Stephan von Spannberg): 27 Kapitulare; 1453 Juli 27 (Wahlinstrument des Abtes Johannes von Welming): 31 Kapitulare. Professurkunden: Melk, Stiftsarchiv, 6/K 1. - Professenverzeichnisse: Melk, Cod. 391, 86r-88r und 89r-90r = p. 173-177; Cod. 46, 159v-162r.
60
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Christine
Glafiner
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
89
Bedenkt man nun, dass die hauptsächlichen Vorgangsweisen zur Verbreitung der Reformgedanken einerseits in der Aufnahme von Gastmönchen aus fremden Abteien bestand, die in Melk die neue Lebenspraxis kennenlernen sollten, andererseits in Visitationen und in der Entsendung von Mitgliedern des Melker Konvents in zu reformierende Klöster, so stellen die personellen Ressourcen des Konvents mit Sicherheit einen nicht zu vernachlässigenden Faktor dar. Dies mag ein aus dem Lateinischen ins Deutsche (!) übersetzter Brief des von 1433 bis 1451 regierenden Melker Abtes Christian Eibensteiner vom 29. August 1442 erhellen, den dieser an die beiden Melker Konventualen Konrad von Geisenfeld und Johannes Schlitpacher richtete, die zu diesem Zeitpunkt im bayrischen Kloster Ettal die Reform zu befördern suchten:61 Herzog Albrecht III. von Oberbayern-München (1438-1460) hatte, einer Empfehlung des Basler Konzils folgend, den Melker Abt gebeten, die Benediktinerklöster in seinem Herrschaftsgebiet zu reformieren. Er dachte dabei an die Entsendung von zehn oder zwölf Mönchen aus Melk nach Bayern. Wenn Eibensteiner sich auch durchaus bewusst ist, dass der Versuch der nachhaltigen Reformierung eines großen Konvents durch ein oder zwei Mönche kaum von Erfolg gekrönt sein wird, so kann er sich dennoch nur zu dem Vorschlag durchringen, den zur Zeit in Bayern weilenden drei Mönchen62 höchstens fünf weitere Mönche zur Unterstützung zu senden. Dann könnten Konrad von Geisenfeld und Johannes Schlitpacher jeweils drei Mönche zu sich nehmen und sich (jeweils zu viert) in zwei Konvente begeben. Der Melker Abt erwägt aber auch, die Reform durch die Übersendung von Büchern und anderen Hilfsmitteln nachhaltig zu fördern. Er legt dem Brief eine Kopie des Reformationis methodus63 als czedel bei, gefertigt nach dem Autograph des Nikolaus von Dinkelsbühl, die den beiden Melker Mönchen in Ettal von Nutzen sein möge. Der reale Hintergrund dieser ,Reformer-Arithmetik' des Melker Abtes ist aus den vorher genannten Quellen durchaus zu belegen. Der genannte Brief findet sich in einer um die Mitte des 15. Jahrhunderts durch Johannes Schlitpacher angelegten Briefsammlung im Melker Cod. 1767 über61
62
63
Ausgabe: Franz HUBALEK, AUS dem Briefwechsel des Johannes Schlitpacher von Weilheim (Der Kodex 1767 der Stiftsbibliothek Melk) (Ungedruckte Dissertation), Wien 1963, 171176, Nr. 32. Das sind eben Konrad von Geisenfeld, Johannes Schlitpacher und Johannes von Ulm, der sich in St. Ulrich und Afra aufhält; vgl. Wolfgang AUGUSTYN, Historisches Interesse und Chronistik in St. Ulrich und Afra in Augsburg im Umfeld von monastischer Reform und städtischem Humanismus. Wilhelm Wittwer und sein „ Catalogus abbatum ", in: Humanismus und Renaissance in Augsburg. Kulturgeschichte einer Stadt zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg, hg. v. Gernot Michael Müller (= Frühe Neuzeit 144), Berlin New York 2010, 329-387, hier: 361. Siehe oben S. 77f.
90
Christine Glaßner
liefert. Schlitpacher, der mit 79 Jahren (geboren 1403, Profess 1436 als Magister der Wiener Artistenfakultät, gestorben 1482) ein für diese Zeit auffällig hohes Alter erreichte, ist wohl eine der Schlüsselgestalten der Melker Reform. Den Brief kommentiert er in einem lateinischen Nachsatz so: „Hec translacio cum littera originali necessitate compellente füit publice lecta coram abbati et conventu in loco capitulari die S. Policarpi 1453." Welche necessitas compellens (zwingende Notwendigkeit) die öffentliche Verlesung dieses Briefes gemeinsam mit dem lateinischen Originalbrief im Kapitel am Tag des Hl. Polykarp, also am 26. Januar 1453, vermutlich in Melk selbst erforderte, ist derzeit nicht bekannt64. Johannes Schlitpacher: Reform als
Lebensinhalt
Kehren wir zu dem anfangs genannten Codex zurück: 1468/69 stellt Johannes Schlitpacher als Prior in Göttweig ein Handbuch, eine Summa von Reformtexten zusammen, aus dem seine Arbeitsweise unmittelbar deutlich wird, und die Franz Josef Worstbrock so zusammengefasst hat: „Der Reformschriftsteller Schlitpacher beansprucht dabei keinerlei theologische oder spirituelle Eigenständigkeit. Seine Sache sind vornehmlich Exzerption, Bearbeitung, Kompilation anderer, seine bevorzugten Instrumente das faßlich reduzierende und konsultierbare Handbuch und das memorierfähige Kompendium."65 Was in den Codex 1396 aus Schlitpachers Feder zusammengeflossen ist, liefert in den Formen versifizierter Wissensvermittlung aus Bibel und Katechese, komprimierter Regelkommentierung, in auf das Wesentliche konzentrierten Entwürfen von Urkunden zur Reform, einschließlich deren Übersetzung in die Volkssprache, in den Exzerpten aus päpstlichen Reformbullen, in Auszügen aus kanonistischen, legistischen Rechtssammlungen all das Rüstzeug, um den Geist der Reform für die Zukunft am Leben zu erhalten. Darin angesprochen sind all jene Themen und Probleme monastischen Zusammenlebens, die der regulierten Observanz bedürfen, bevorzugt jene, die der conversio morum im weitesten Sinn zuzurechnen sind. Einzig Fragestellungen und Probleme, die die liturgische Erneuerung betreffen, bleiben hier unberührt. Den Geist der Reform für die Zukunft lebendig zu erhalten, war Ziel des eifrigen Förderers der Reform. Geist der Reform, der nicht nur rückwärts gewandt, sondern wesentlich eine umfassende Bildung zur Bewältigung der Zukunft einforderte. Zeugnis der Bildung im Melker Konvent des 15. Jahrhunderts legen zahlreiche Handschriften aus Universität und Studium ab. Auch deshalb vielleicht nicht unbedacht, hat Schlitpacher als Be64
Eventuell wäre hier ein Zusammenhang mit der Absetzung des Heinrich von Carniola als Prior in St. Ulrich und Afra ins Auge zu fassen; vgl. AUGUSTYN (wie Anm. 62), 362, Anm.
65
WORSTBROCK (wie Anm. 1), Sp. 730. - Eine Monographie über Johannes Schlitpacher ist in Vorbereitung.
172.
Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert
91
schreibstoff für sein Kompendium der Reform, das damals außer Gebrauch gekommene, wieder beschreibbar gemachte, dauerhafte Pergament gewählt, um auch damit zu unterstreichen, dass dem Geist der Texte Dauer beschieden sei. Wenngleich wir über den Prozess und seine Auswirkungen, der in Handbüchern und Lexika unter dem Stichwort der „Melker Reform" abgehandelt wird, in einzelnen Bereichen und Details durch die Forschung gut unterrichtet sind, ist selbst das Material im Stift Melk in seiner Fülle keineswegs erschöpfend ausgewertet. Dies gilt ebenso für die in den österreichischen Stiften und der Österreichischen Nationalbibliothek ungehoben liegenden Materialien wie für das Quellenmaterial aus bayerischen Klöstern, das in der Bayerischen Staatsbibliothek in München seiner Erschließung harrt. Im Jahr 2018 wird sich der Beginn der Melker Reform zum 600. Mal jähren. Sollte dies nicht ein guter Anlass sein, die Erschließung der Quellen zu dieser Reform voranzutreiben?
Roland Götz
Kloster Tegernsee im 15. Jahrhundert
1. Die Reformepoche innerhalb der Klostergeschichte Mehr als 1.000 Jahre umfasst die Geschichte der am oberbayerischen Alpenrand gelegenen Benediktinerabtei Tegernsee.1 Dass innerhalb dieses Jahrtausends die beiden langen Regierungszeiten der Äbte Kaspar Aindorfer (1426-1461) und Konrad Airinschmalz (1461-1492), die miteinander fast drei Viertel des 15. Jahrhunderts ausmachen,2 eine bedeutende Epoche bilden, war schon für die klostereigene Geschichtsschreibung klar, und dies ist in modernen Darstellungen nicht anders. Den Anfang dieser Epoche sah man im Rückblick durch ein spektakuläres äußeres Ereignis markiert: 1424, im zweiten Regierungsjahr des Abtes Hildebrand Kastner (1423-1426), stürzte an einem Sonntag nach der Vesper, als alle sich beim Essen befanden, der vordere Teil des Chors der Klosterkirche ein. Menschen kamen nicht zu Schaden, doch die Trümmer zerstörten den Altar des hl.
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Eine wissenschaftliche Gesamtdarstellung fehlt. An Überblicksdarstellungen seien genannt: Simon GEIGER, Kloster Tegernsee. Ein Kulturbild (= Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 15), München 1936; Michael HÄRTIG, Die Benediktinerabtei Tegernsee 746-1803. Kurzer Uberblick über ihre Geschichte und ihre Verdienste um Wissenschaft und Kunst [...], München 1946; Joseph HEMMERLE, Die Benediktinerklöster in Bayern (= Germania Benedictina 2), Ottobeuren 1970, 297-304; Willibald MATHÄSER, Chronik von Tegernsee. Nach alten Dokumenten, aus neueren Quellen, mit persönlichen Bemerkungen zu Vergangenem und über Gegenwärtiges, München 1981; Peter A. CRÄMER, Geschichte des Tegernseer Tales. Ein Streifzug, Bad Wiessee31991. Grundlegende Literatur für diesen Zeitraum: Anton WESSINGER, Kaspar Aindotffer, Abt in Tegernsee 1426-1461. Ein Lebens- und Zeitbild, nach den Quellen dargestellt, in: Oberbayerisches Archiv 42 (1885) 196-260; Virgil REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 9), München 1931; Joachim ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee unter Abt Kapsar Ayndorffer (14251461), verbunden mit einer textkritischen Edition der Consuetudines Tegernseenses (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, 18. Ergänzungsband), Ottobeuren 1968.
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Chrysogonus und schlugen durch bis in die Gruft.3 Schon vor dieser punktuellen Katastrophe war die Lage des Klosters offenbar nicht rosig. Der Tegernseer Mönch, der in den 1470er Jahren und somit aus der Perspektive der längst durchgesetzten Reform den entsprechenden Abschnitt der Klosterchronik verfasste,4 führte den 1420 zwischen den bayerischen Teilherzögen entbrannten, 1421 altbayerisches Gebiet erfassenden Krieg5 an, in dem das Herzogtum Bayern durch Feuer, Schwert und Raub übermäßig verwüstet worden sei. Zu dieser Zeit sei das Kloster in schwere Schulden geraten, deren Last man heute (also ein halbes Jahrhundert später) noch voll Trauer spüre.6 Zahlreiche Besitzungen und Einkünfte wurden dem Kloster entfremdet; Untertanen entzogen sich der Gewalt des Klosters und probten den Aufstand. Nur Adelige fanden Aufnahme in den Konvent, und viele adelige Familien strebten danach, ihre Söhne in Tegernsee unterzubringen. Infolge dessen sei das Kloster schließlich in geistlicher wie zeitlicher Hinsicht mit vielen Übeln behaftet gewesen. Der Abfall vom regeltreuen Ordensleben sei so weit gegangen, dass davon gerade einmal das Ordenskleid geblieben sei; denn die
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Cronica domìnorum abbatum, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072, fol. 36v: „Huic successit dominus Hildebrandus, dictus Castner. Cuius altero regiminis sui anno die dominica post horam vespertinam cenantibus cunctis anterior chori pars cadens altare sancti Crisogoni, quod tunc in sanctuarii capite situatimi fuit, usque ad cryptam subruens altari ormino comminuto et archa, in qua corpus eiusdem sancti martyris conditum erat, in partes diversas destructa. Palla ipsa, in qua reliquiae sacrae inclusae erant, una cum sigillo et reliquiis omnino salvis sunt ex post repertae." Vgl. Bernhard PEZ, Thesaurus anecdotorum novissimus, HI/3, Augsburg 1721, 537538. - Eine teilweise abweichende Darstellung des Ereignisses bietet das 1464 vollendete „Senatorium" des Wiener Schottenabtes Martin von Leibitz: „Nostris temporibus contigit in Diocesi Frisingensi in Tegrinsee, quod in Ecclesia fuit Dedicatio, & ante prandium fuit multitudo populi in choro. Postea cum omnis populus tempore prandii exivisset ex choro, post Missarum sollennia cecidit testudo lapidea chori, & nullum oppressiti quae tarnen si ante prandium cecidisset, Sacerdotem in altari, & multitudinem populi oppressisset." Hieronymus PEZ, Scriptores rerum Austriacarum II, Leipzig 1725, 647. Zur Cronica domìnorum abbatum siehe Abschnitt 4. Der lateinische Wortlaut der Chronik zu den Amtszeiten von Kaspar Aindorfer und Konrad Airinschmalz ist im Anhang zu diesem Beitrag abgedruckt. Die Verweise auf die Chronik (mit Folio-Angabe) in den folgenden Anmerkungen beziehen sich auf diesen Neudruck. Vgl. zum Bayerischen Krieg (1420-1422): Max SPINDLER, Andreas KRAUS (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, I: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 21988, 256-257. Cronica dominorum abbatum, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072, fol. 36v: „[...] anno MCCCCXXI ducatus Bavariae in m[u]ltis locis fuit igne, ferro et rapinis ultra modum vastatus per Ludovicum ducem Bavariae seniorem de Ingelstat ex parte una et per duces Hainricum de Lantzhuta ac Arnestum et Wilhelmum fratres de Monaco parte ex altera. Huius itaque temporibus monasterium gravia debitorum onera incurrit, quae nos diebus nostris lugentes persensimus." Vgl. PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 536.
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Klosterinsassen wollten sich nicht einmal mehr „Mönche" nennen lassen.7 Angesichts dessen - so die Chronik nun wörtlich - hat „der Herr den Geist des edlen Fürsten Herzog Wilhelm8 von Bayern geweckt. Er sah, wie im Herzogtum Österreich durch Väter aus dem Kloster Subiaco mit der Autorität des heiligen Konzils von Konstanz die reguläre Observanz eingeführt wurde. Nach Gott leitete ihn in allem der ehrwürdige Vater in Christus Herr Johannes, genannt Grünwalder, damals Generalvikar der Kirche von Freising, später deren Bischof.9 So hat er mit Vollmacht des Papstes (nämlich Papst Martins V.) und des Bischofs Nikodemus10 im Jahr 1426 unter Beiziehung von Ordensmännern unseres Ordens (nämlich des Melker Mönchs Petrus von Rosenheim, des späteren Abts der Schotten zu Wien Johannes von Ochsenhausen und des Indersdorfer Dekans, später Propstes, Johannes) sowie anderer ehrbarer Männer diesen Ort persönlich visitiert. Und nachdem der vorgenannte Herr Hildebrand [...] auf die Abtei resignierte, wählte er auf Anraten derselben Visitatoren im Wege des Kompromisses den ehrwürdigen Vater in Christus und Herrn, Herrn Kaspar Aindorfer, der damals unter den Priestern des Konvents der jüngste war, im Alter von etwa 24 Jahren. Dieser hat mit Gottes Hilfe diesen Ort - wie heute zu sehen - nicht nur in der Befolgung der Regel, sondern auch in seinen weltlichen Verhältnissen so in die Höhe gebracht, dass nach der ersten 1 8
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Cronica dominorum abbatum, fol. 37r. Herzog Wilhelm Hl. von Bayern-München, regierend 1397-1435 zusammen mit seinem Bruder Ernst (1397-1438), 1432-1434 königlicher Statthalter und Konzilsprotektor in Basel. - Zur herzoglichen Rolle auf dem Konzil und bei der Reform der Klöster in ihrem Herrschaftsgebiet (bes. Tegernsees) siehe: Werner MÜLLER, Bayern und Basel. Studien zu Herzogshaus, Kirche und Konzil (1431-1449), in: Annuarium Historiae Conciliorum 29 (1997) 1-164 und 335-500, hier: 66-116; Helmut RÄNKL, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment in Bayern (1378-1526) (= Miscellanea Bavarica Monacensia 34), München 1971, 176-184; Dieter STIEVERMÄNN, Klosterreform und Territorialstaat in Süddeutschland im 15. Jahrhundert, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992) 149-160, hier: 153-156; Birgit STUDT, Papst Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland (= Forschungen zur Kaiserund Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 23), Köln Weimar-Wien 2004, 149-155. Johannes Grünwalder, unehelicher Sohn Herzog Johanns IL von Bayern-München, damit Halbbruder der Herzöge Wilhelm Hl. und Ernst, nach vergeblichem Bemühen um den Freisinger Bischofsstuhl ab 1423 Generalvikar des Bischofs Nikodemus della Scala, 1432-1437 auf dem Konzil in Basel, 1440 Kardinal des Gegenpapstes Felix V., nach Aussöhnung mit Papst Eugen IV. und Verzicht auf das Kardinalat 1448-1452 Bischof von Freising. Zu Leben und Werk siehe: August KÖNIGER, Johann III. Grünwalder, Bischof von Preising (= Programm des K . Wittelsbacher-Gymnasiums in München für das Schuljahr 1913/14), München 1914; Josef MASS, Das Bistum Preising im Mittelalter (= Geschichte des Erzbistums München und Freising 1), München 1986, 297-315; MÜLLER, Bayern und Basel (wie Anm. 8), 376-404. Vgl. auch die Würdigung Grünwalders im Tegernseer Verbrüderungsbuch: REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 232. Nikodemus della Scala, 1422-1443 Bischof von Freising. Vgl. MASS, Das Bistum Freising im Mittelalter (wie Anm. 9), 296-308.
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Roland Götz Plünderung des Klosters, die durch den ruchlosen Grafen von Scheyern und Herzog von Noricum Arnulf erfolgte, dieses Kloster in wirtschaftlicher wie personeller Hinsicht nie derart vorwärtskam. So wird er mit Recht als zweiter Stifter des Klosters bezeichnet."11
Mit den Säkularisationen Arnulfs „des Bösen" zur Zeit der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert12 und der Reform im 15. Jahrhundert als den beiden wichtigsten Einschnitten hat der Chronist ein einprägsames dreigliedriges Modell der Tegernseer Klostergeschichte geschaffen, das bis heute in vielen Darstellungen aufgegriffen wird. Daneben steht eine Zweiteilung mit den adeligen Brüdern Adalbert und Otkar in der Mitte des 8. Jahrhunderts als den ersten Stiftern13 und Abt Kaspar als dem zweiten.
2. Der Stand vor der Reform Innerhalb dieses Modells erscheinen das 14. und frühe 15. Jahrhundert zwangsläufig als Zeit des Verfalls.14 Das ist ihr in der Forschung zum Verhängnis geworden; denn es existiert für sie keine auch nur annähernd hinreichende wissenschaftliche Darstellung. Eine solche ist natürlich auch im Rahmen dieses Beitrags
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Cronica dominorum abbatum, fol. 37r/v. Zur Entfremdung von Tegernseer Klosterbesitz durch Herzog Arnulf „den Bösen" siehe: Kurt REINDEL, Die bayerischen Luitpoldinger 893-989 (= Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte Neue Folge 11), München 1953, 80-92; Franz TYROLLER, ZU den Säkularisationen des Herzogs Arnulf, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 65 (1953/54) 303-312; Ludwig HOLZFURTNER, Destructio monasteriorum. Untersuchungen zum Niedergang der bayerischen Klöster im zehnten Jahrhundert, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 96 (1985) 65-86. Vgl. hierzu zusammenfassend: Johann WEISSENSTEINER, Tegernsee, die Bayern und Österreich. Studien zu Tegernseer Geschichtsquellen und der bayerischen Stammessage. Mit einer Edition der Passio secunda s. Quirini (= Archiv für österreichische Geschichte 133), Wien 1983,41-51. Wolfgang Augustyn konstatiert diesbezüglich ein literarisches Muster der von der Reform geprägten klösterlichen Geschichtsschreibung, „wonach alles, was vor der Reform gegolten hatte, nur als Mangel an Frömmigkeit und klösterlicher Disziplin verstanden werden konnte, als jene dunkle Zeit, die durch das um so strahlendere klösterliche Leben unter den Richtlinien der Reform abgelöst worden war. Das monastische Leben vor der Reform musste deswegen grundsätzlich zweifelhaft erscheinen, als eine Lebensform, in der nur der Verfall der Sitten herrschte." Wolfgang AUGUSTYN, Historisches Interesse und Chronistik in St. Ulrich und Afra in Augsburg im Umfeld von monastischer Reform und städtischem Humanismus. Wilhelm Wittwer und sein „ Catalogus abbatum ", in: Gernot Michael Müller (Hg.), Humanismus und Renaissance in Augsburg. Kulturgeschichte einer Stadt zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg (= Frühe Neuzeit 144), Berlin - New York 2010, 329-387, hier: 330.
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nicht zu leisten, doch sind aus der bisherigen Literatur15 immerhin einige Anhaltspunkte zu gewinnen, um das Bild der Chronik zu modifizieren. Freilich wurden die Einkünfte des Klosters in der zweiten Hälfte des 14. und im frühen 15. Jahrhundert durch Pest, Kriege, Geldentwertung und Missernten geschmälert.16 Doch die gewaltige, weit über das Tegernseer Tal hinaus reichende Grundherrschaft17 blieb ein solider Grundstock, zumal gerade ihre geographische Streuung die Auswirkungen lokaler Schadensereignisse milderte.18 Es gibt gut geführte Stiftbücher über die Einkünfte aus den bayerischen Besitzungen für die Jahre 1354-1426,19 und 1395 war Tegernsee eines der höchstbesteuerten Klöster in Bayern.20 Die wirtschaftliche Erholung setzte - nach dem Tiefpunkt in den späten 1390er Jahren und einer letzten krisenhaften Zuspitzung 1419-1422 - schon vor 1426 ein;21 das Jahr der Reform bedeutet in dieser Hinsicht also keinen Einschnitt. Auch in personeller Hinsicht war die Lage nicht so eindeutig schlecht. Es galt der Grundsatz, dass nur Angehörige edelfreier Geschlechter aufgenommen wurden, mit allen Gefahren für die klösterliche Disziplin und die innere Freiheit des Konvents, wenn sich die Familien in Klosterangelegenheiten einmischen und wenn das Vermögen des Klosters „nicht mehr als Kirchengut, sondern als Gemeingut aller am Kloster interessierten Familien betrachtet wird"22. Wenn die Sprösslinge eingesessener bayerischer Geschlechter im Kloster eher wie adelige Stiftsherrn lebten, war man auf einen großen Konvent (auf den die Einkünfte zu verteilen waren) gar 15
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Als jüngste einschlägige Veröffentlichung ist eine Arbeit zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters im Mittelalter zu nennen: John Clifton HUBBY, Lordship and Rural Society in Medieval Bavaria: The Estates of the Abbey of Tegernsee, c. 979 - c. 1450, Diss, phil., New York (Columbia University) 2000. Vgl. HUBBY, Lordship and Rural Society (wie Anm. 15), 247-284. Vgl. hierzu die Edition des ersten vollständigen, geographisch geliederten Urbars der bayerischen Besitzungen von ca. 1289 (München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 1), das 1.081 Einzelbesitzungen aufweist: Ludwig HOLZFURTNER, Das Klostergericht Tegernsee (= Historischer Atlas von Bayern. Teil Altbayern, Heft 54), München 1985, 116-158. - Zu den Tegernseer Urbaren des 13. Jahrhunderts siehe: Johannes WETZEL, Die Urbare der bayerischen Klöster und Hochstifte vom Anfang des 11. Jahrhunderts bis 1350, Diss, phil., München (Ludwig-Maximilians-Universität) 1995, 93-95. Vgl. HUBBY, Lordship and Rural Society (wie Anm. 15), 251. München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 34 (1354—1399) und 35 (1400-1426). Vgl. Max EDELMANN, Die Almen im Tegernseer Tal Zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des ehemaligen Klostergerichtes Tegernsee, Diss. rer. pol., Innsbruck (Leopold-Franzens-Universität) 1966, 16. Vgl. HUBBY, Lordship and Rural Society (wie Anm. 15), 2 4 8 - 2 5 0 , 2 5 7 , 2 5 9 ("It is worth noting that this rise in income began prior to the tenure of Abbot Kaspar Ayndorffer [...]")• Alfons M. ZIMMERMANN, Die Familia s. Quirini im Mittelalter, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 60 (1946) 190-217, hier: 215.
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nicht aus. Jedoch: Hatte es bei der Abtswahl 1418 nur zehn wahlberechtigte Konventualen gegeben, so waren es 1426 immerhin 14 und dazu fünf Kleriker.23 Darunter finden sich Persönlichkeiten wie der Prior Leonhard Gienger, der als „guter Mann mit Liebe zum Ordensleben"24 bezeichnet wird, wie Ulrich Stöckl, der spätere Tegernseer Prior, 1432-1437 Vertreter der Benediktinerklöster des Bistums Freising auf dem Konzil von Basel,25 dann Reformabt von Wessobrunn,26 und schließlich Kaspar Aindorfer, der vielleicht schon in der Klosterschule erzogen worden war (wie einige Zeit zuvor auch Petrus von Rosenheim)27. Ohne die damaligen Tegernseer Verhältnisse schönreden zu wollen, lassen sich für die Zeit vor 1426 also doch einige positive Gesichtspunkte anführen. Gemessen an den Zielen der Reformbewegung - der strengen Regelbefolgung, der Askese, dem Leben in Gemeinschaft, dem Studium und der geistlichen Vertiefüng - waren sie jedenfalls nicht entscheidend.
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Pirmin LINDNER, Familia S. Quirini in Tegernsee. Die Äbte und Mönche der Benediktiner-Abtei Tegernsee von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Aussterben (1861). I. Abschnitt, in: Oberbayerisches Archiv 50 (1897) 18-130, hier: 58-66. Ebd., 59 (Nr. 394). Johannes HALLER (Hg.), Concilium Basiiiense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel I: Studien und Dokumente zur Geschichte der Jahre 1431-1437, Basel 1896, 54—106 (Die Berichte des Ulrich Stoeckel von Tegernsee). Vgl. LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 58-62 (Nr. 389); Pirmin LINDNER, Familia S. Quirini in Tegernsee. Die Abte und Mönche der Benediktiner-Abtei Tegernsee von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Aussterben (1861). II. Abschnitt, in: Oberbayerisches Archiv 50 (1898, Ergänzungsheft) 301; Irmtraud FREIFRAU VON ANDRIAN-WERBURG, Die Benediktinerabtei Wessobrunn (= Germania Sacra Neue Folge 39), Berlin - New York 2001, 98, 396-397; Franz Josef WORSTBROCK, Stöcklin (Stökl), Ulrich (Udalricus Wessofontanus) OSB, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon 9 (21995) 346-352. Zur Biographie: Franz Xaver THOMA, Petrus von Rosenheim O.S.B. Ein Beitrag zur Melker Reformbewegung, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 44 (1927) 94—222, hier: 98-99; Franz THOMA, Petrus von Rosenheim. Eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse, in: Das bayerische Inn-Oberland 32 (1962) 97-164, bes. 97-99, 158, 164; Meta BRUCK, Profeßbuch des Klosters Melk. 1. Teil: 1418-1452. Die Äbte von 1418-1483, in: Stift Melk. Geschichte und Gegenwart 4, Melk 1985, 79-202, hier: 86-91; Hellmut ROSENFELD, Petrus von Rosenheim OSB ( P . Wiechs), in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon 7 (21989) 518-521. - Beleg für eine besondere Verbundenheit mit dem Kloster ist u. a. ein Lobgedicht auf Tegernsee, in dem wohl Abt Georg Türndl (1418-1423) angesprochen wird. Druck und Übersetzung: Hans PÖRNBACHER, Mittelalter und Humanismus (= Bayerische Bibliothek. Texte aus zwölf Jahrhunderten 1), München 1978, 568-569.
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3. Die Reform Auf diesem Hintergrund ist der berühmte Passus über Tegernsee in der Visitationscharta von 1426 zu lesen: „Wir fanden das [...] Kloster im Geistlichen und Zeitlichen - ach! - allzusehr verfallen und des Dienstes der Erneuerung an Haupt und Gliedern vielfältig bedürftig."28 Gleichwohl wählte man Tegernsee als Ausgangspunkt der Reform in Bayern wohl nicht nur wegen des Reformbedarfs, sondern auch weil angesichts seiner Bedeutung unter den bayerischen Klöstern und der nicht ganz hoffnungslosen Lage ein Ansatz Erfolg versprechend und eine weitere Ausstrahlung zu erhoffen war. Wenn solche Überlegungen bestanden, dann haben sie durch die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte eine glänzende Bestätigung erfahren. 1452, nach der im Auftrag des Legaten Nikolaus von Kues vorgenommenen Visitation, attestierten die Visitatoren (der Wiener Schottenabt Martin von Leibitz, Abt Laurenz von Kleinmariazell und der Melker Prior Johannes Schlitpacher): „Wir fanden das Kloster im Geistlichen bei der Beobachtung der Regel löblich blühend, im Weltlichen ebenfalls in empfehlenswertem Stand."29 Nochmals zehn Jahre später, 1462, als der Weltpriester und Magister der Theologie Christian Tesenpacher sein Noviziat in Tegernsee angetreten hatte, obwohl er bislang eigentlich dem Kloster Mondsee eng verbunden gewesen war, da schrieb ihm der Mondseer Prior Hieronymus de Werdea (offenbar neidlos): „Du [...] bist nicht in irgendein Kloster eingetreten, sondern in das berühmteste unseres Ordens. Sicher ist es das bedeutendste innerhalb der regulären Observanz. In alle Welt ging durch Gottes Gnade sein Ruhm hinaus und bis an die Grenzen der Erde stömte wie süßer Wohlgeruch der Balsam seines herrlichen Rufes."30 28
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„Invenimus praefatum monasterium in spiritualibus et temporalibus heu nimis collapsum ac reformationis ministerio quam in capite tarn in membris multipliciter indigere." ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 23. „[...] invenimus ipsum monasterium in spirituali in oberservancia regulari laudabiliter viguisse, in temporalibus eciam in statu fuisse commendabili." Ignaz ZIBERMAYR, Johann Schlitpachers Aufzeichnungen als Visitator der Benediktinerklöster in der Salzburger Kirchenprovinz. Ein Beitrag zur Geschichte der Cusanischen Klosterreformen (1451-1452), in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 30 (1909) 258-277, hier: 277; ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 48. Druck der gesamten Visitationscharta (nach der Fassung für das Kloster Weihenstephan): Martin VON DEUTINGER, Beylagen [zu: Heinrich GENTNER, Geschichte des Benedictinerklosters Weihenstephan bey Treysing], in: Beyträge zur Geschichte, Topographie und Statistik des Erzbisthums München und Freysing 6 (1854) 252-350, hier: 270280 (Nr. 3). „Fugisti mundum, intrasti monasterium, non quodlibet sed ordinis nostri famosissimum. Certe nominatissimum est in religionis observantia. In omnem terram per gratiam Dei exivit fama ejus et in fines orbis terrae balsamum gloriosae opinionis in odorem suavitatis effudit. " G. DREVES, Ein Brief des Hieronymus von Mondsee, in: Zeitschrift für katholische Theologie 20 (1896) 179-
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Den Anfang der Reform in Tegernsee hatte 36 Jahre zuvor, Mitte Juli 1426, die von Herzog und Bischof autorisierte Visitationskommission gesetzt. Nach Angabe der Chronik war der Herzog sogar persönlich dabei. Man hatte alle Mönche befragt, den wirtschaftlichen Stand des Klosters erhoben, den bisherigen Abt Hildebrand zur Resignation veranlasst und den jungen, aus einem Münchner Patriziergeschlecht stammenden Kaspar Aindorfer31 als seinen Nachfolger eingesetzt.32 Der Visitationsrezess ist nicht erhalten, nur die bei der Nachvisitation knapp ein halbes Jahr später ausgestellte, ungleich allgemeinere Visitationscharta33 als künftige Leitline des Lebens im Kloster, die viermal im Jahr im Kapitel verlesen werden sollte. Sie schärfte nicht nur die strenge Befolgung der Regel und einschlägiger päpstlicher Konstitutionen ein, sondern berührte auch wirtschaftliche Fragen und forderte dazu auf, nach der regulären Probezeit jeden ernsthaften Bewerber (also auch Nichtadelige) in den Konvent aufzunehmen, soweit dies die Mittel des
Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2 ) , 5 7 Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 7 . Zu Biographie und Wirken siehe: WESSINGER, Kaspar Aindorffer (wie Anm. 2); Ludwig GLÜCKERT, Ein bayerischer Reformabt des 15. Jahrhunderts. Caspar Ayndorffer von Tegernsee, in: Benediktinische Monatsschrift 9 (1927) 280-291; ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 27-57. In der am 2. August 1426 in Wien ausgestellten Urkunde (München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterurkunden Tegernsee 408), mit der Bischof Nikodemus della Scala die Wahl Aindorfers bestätigte und seinen Weihbischof Albert von Salona mit dessen Investitur beauftragte, ist der Ablauf folgendermaßen dargestellt: „[...] frater Hil[t]prandus olim et novissime abbas eiusdem monasterii intelligens se in administratione et regimine dicti monasterii deficere, sponte et libere suae volens providere saluti abbatiae et administrationi tarn in spiritualibus quam in temporalibus praefati monasterii in Tegernsee in manus memorati domini Johannis vicarii nostri ac visitatoris nomine nostro recipientis renuntiavit atque cessit seque a praedicta abbatia et eius administratione humiliter et cum debita instantia absolvi petivit ... Idem dominus Johannes volens vacationum periculis celeriter occurrere, coassumptis sibi singulis eiusdem monasterii fratribus unacum praedicto fratre Hiltprando cedente super futuro abbatis praefectione diligenter tractare coeperunt. Et tandem collatione praevia capitulariter propterea congregati examinatis diligenter singulorum votis convenerunt maioris et sanioris partis fratrum vota ac ex post omnium et singulorum in religiosum unicum [?] fratrem Caspar Aindorffer ipsius monasterii monachum et presbyterum professimi convenisse [!]. Quapropter de unanimi consensu et voce omnium fratrum saepememoratus dominus Johannes vicarius meus et visitator totius conventus nomine publice in capitalo et solemmniter in scriptis elegit ac electum pronuntiavit. Qui et eidem electioni consensit expresse [...]" Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 28. Handschriftliche Überlieferung u. a.: München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterurkunden Tegernsee 412; München, Bayerische Staatsbibliothek clm 1005, fol. 97r-125v, und clm 1008, fol. 23r-28r. Druck (nach der Fassung für das Kloster Weihenstephan): DEUTINGER, Beylagen (wie Anm. 29), 252-268 (Nr. 1). Vgl. GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 54-55; STUDT, Papst Martin V. (wie Anm. 8), 160 (u. a. zur Datierung auf den 7. Januar 1427). 186,
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Klosters erlaubten.34 Der Angleichung der Observanz sollten die übergebenen „Gebräuche und Zeremonien" nach Melker Vorbild dienen.35 Zu deren Einübung blieb wohl Johannes von Ochsenhausen noch eine Zeit lang in Tegernsee.36 Umgekehrt hielten sich 1429 und 1430 die Tegernseer Konventualen Johannes Sundersdorffer und Sebastian Grafenreutter in Melk auf,37 nachdem Abt Kaspar das Donaukloster bereits 1427 aufgesucht hatte.38 Die weitere Aufbau- und Reformarbeit hatte auf dieser Grundlage nun vor allem der Abt zusammen mit den Gutwilligen im Konvent zu leisten.39 Kaspar Aindorfer ging dabei - und die Verhältnisse ließen es anders wohl gar nicht zu - vorsichtig zu Werk.40 So sahen sich Johannes Grünwalder und Petrus von Rosenheim im 34
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Zu diesem Punkt und seiner Umsetzung in Tegernsee vgl. Klaus SCHREINER, Mönchsein in der Adelsgesellschaft des hohen und späten Mittelalters. Klösterliche Gemeinschaftsbildung zwischen spiritueller Selbstbehauptung und sozialer Anpassung (= Schriften des Historischen Kollegs, Vorträge 20), München 1989, 46-53. - Von einem unbekannten Tegernseer Mönch stammt ein Gedicht aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit scharfer Kritik daran, dass adelige Familien Kinder zur Versorgung ins Kloster schickten; vgl. Otto MAUSSER, Adel, Priesterschaft, Mönch und Nonne. Gedanken eines Tegerneer Anonymus, in: Walhalla. Bücherei für vaterländische Geschichte, Kunst und Kulturgeschichte 4 (1908) 97-124; GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 57; Klaus SCHREINER, „Consanguinitas". „Verwandtschaft" als Strukturprinzip religiöser Gemeinschafts- und Verfassungsbildung in Kirche und Mönchtum des Mittelalters, in: Irene Crusius (Hg.), Beiträge zu Geschichte und Struktur der mittelalterlichen Germania Sacra (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 93; Studien zur Germania Sacra 17), Göttingen 1989, 176-305, hier: 230. Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 295-323; Joachim F. ANGERER (Hg.), Caeremoniae regularis observantiae sanctissimi patris nostri Benedicti ex ipsius regula sumptae, secundum quod in sacris locis, scilicet Specu et monasterio Sublacensi practicantur (= Corpus Consuetudinum Monasticarum XI,2), Siegburg 1985, CLXVIII; STUDT, Papst Martin V. (wie Anm. 8), 169-170. Vgl. THOMA, Petrus von Rosenheim (wie Anm. 27), 129; Franz THOMA, Die Briefe des Petrus von Rosenheim an Abt Kaspar Ayndorffer von Tegernsee während der Klosterreform in Südbayern 1426-1431, in: Oberbayerisches Archiv 67 (1930) 1-20, hier: 9 (Anm. 3). BRUCK, Profeßbuch (wie Anm. 2 7 ) , 1 0 9 ; Meta NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 3 0 ) , Wien - München 1 9 9 4 , 2 0 9 ; LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 2 3 ) , 6 2 (Nr. 3 9 7 ) und 6 6 (Nr. 4 0 3 ) . Dies geht aus einem Brief hervor, den der in Tegernsee weilende Petrus von Rosenheim am 21. September 1427 an den abwesenden Abt Kaspar Aindorfer richtete, u. a. mit der Bitte: „Cum ad Mellicum veneritis, mementote mei servi et aliorum." Vgl. THOMA, Die Briefe des Petrus von Rosenheim (wie Anm. 36), 11-12 (Nr. 4); BRUCK, Profeßbuch (wie Anm. 27), 90 (Anm. 15). Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 30. Dass er - wie seit Ignaz Joseph VON OBERNBERG (Reisen durch das Königreich Baiern. I. Theil: Der Isarkreis, München - Leipzig 1815, 162) immer wieder in der Literatur zu finden - zum Schutz gegen Verfolger unter dem Habit ein Panzerhemd getragen habe, ist eine nicht durch Quellen gestützte Legende. Vgl. GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 6 2 .
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Dezember 1426 zu einer milden Ermahnung veranlasst, um seinen Eifer im täglichen Kampf für die reguläre Observanz zu stärken und ihn zum rechten Verhalten angesichts seiner Gegner anzuweisen.41 Herzog Wilhelm III. und sein Bruder Herzog Ernst riefen im Februar 1427 die Bauern im Tegernseer Tal auf, hinsichtlich der von ihnen zu leistenden Abgaben dem Kloster und seinem Abt gegenüber keine „Widersässikeit" zu suchen.42 Der große Umschwung in Tegernsee vollzog sich also langsam, doch Abt Kaspar war klug und hatte einen langen Atem. Nach rund einem Vierteljahrhundert konnte er das Erreichte sichern, indem er - so die Chronik43 - „ein Buch der Güter und Einkünfte des Klosters,44 der Rechte45 und der Gewohnheiten46 zur künftigen Unterrichtung der Brüder mit großer Sorgfalt zusammenstellen und durch einen der
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THOMA, Die Briefe des Petrus von Rosenheim (wie Anm. 3 6 ) , 7 - 8 (Nr. 1); STUDT, Papst Martin V. (wie Anm. 8), 162. Die Bauern beriefen sich für ihre Abgabenverweigerung auf eine angebliche Urkunde Herzog Emsts. In zwei inhaltlich weitgehend identischen, jeweils am 2. Februar 1427 in Straubing ausgestellten Urkunden (München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterurkunden Tegernsee 413 und 414) riefen dem gegenüber die beiden Herzöge die „Pawrschaft in dem Tegernseer Winkel" angesichts der Lage und der Schuldenlast des Klosters, „darein das wirdig Gotzhaus vor bey andern Prelaten von unordenlichs und ungotlichs Lebens wegen komen ist", dazu auf, „das ir dem wirdigen Gotzhaus und seinem Prelaten der Stift und aller ander notdurftiger Sach willig und gehorsam seit und darinn kein Widersässikeit gen im suechet" (Klosterurkunden Tegernsee 413). Zugleich gaben sie darin eine Darstellung ihrer Sicht der erfolgten Klosterreform: „Nu wist ir all wol, das wir [Herzog Wilhelm LH.] heur in disem Jar mit der Hilff des almächtigen Gottes und auch mit unsers lieben Bruderfs] Hertzog Emsts Willen, Haissen und Gunst das Gotzhaus ze Tegemse zu sollichem gotlichem und ordenlichen Leben gebracht haben und nach mit aller unser Vernu[n]ft und Vermugen dem almächtigen Got zu Lob und zu Eren darob und daran sein wellen, das solichs neuer gemert und aufnemender werd. So vem wir das mit Gottes Hilff ymer getan kennen oder mugen, so maynen wir auch, das khainer so allter under ew sey, der solichs gotlichs und erbergs Wesens und Anfangs gedenck. Als dann von Gottes Genaden yetzo da und durich uns erhebt ist, dez wir uns ir und all ander kristenlich Menschen billichen frewen und Pessrung davon nemen sullen, wann sicher unzweyfelichen zu gelauben ist, das wir und das gantz Lannd zu Bayrn darumb dester mer Glucks und Sälikeit haben und gewinnen von dem almächtigen Got und seiner lieben Muter Maria [...]" (Klosterurkunden Tegernsee 414). Vgl. STUDT, Papst Martin V. (wie Anm. 8), 153, 162. Cronica dominorum abbatum, fol. 40v. Gemeint ist das 1454 angelegte, repräsentativ ausgestattete Salbuch: München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 9. Vgl. Bernhard SCHMEIDLER, Studien zur Geschichtsschreibung des Klosters Tegernsee vom 11. bis zum 16. Jahrhundert (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 20), München 1935, 54—55 (Anm. 2). Vgl. den um 1450 entstandenen Liber privilegiorum. München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 15. Zu den Tegernseer Handschriften der Consuetudines Tegernseenses siehe: ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 76-80.
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Brüder schreiben" ließ.47 Auch die langwierige Erneuerung der liturgischen Bücher konnte 1457 abgeschlossen werden.48 Als Kaspar Aindorfer am 17. Januar 1461 mit 58 Jahren starb, schrieb Prior Bernhard nach Melk: „Der beste Hirte schied von uns, unser Feldherr und tapferer Kriegsheld starb, von unserem Haupt fiel die Krone, völlig entschwunden ist all unsere Zier, die Richtschnur unseres Lebens, ein Tugend- und Sittenmuster ging dahin, unsere Leuchte ist erloschen und das Dunkel der Finsternis stürzte auf uns." Der Verstorbene wird gewürdigt „als unser würdiger Führer und Leiter, der Wiederhersteller unseres Klosters nach innen und außen, ja richtiger gesagt, dessen zweiter Gründer, der Erneuerer, Lehrer, Mehrer und Wahrer unserer heiligen Observanz." Nach einer langen Aufzählung seiner rühmenswerten Eigenschaften, bei der auch das Leiden des Abtes an seinem Amt nicht verschwiegen wird, spricht Bernhard ihn schließlich direkt an: „Abt Kaspar, guter Hirt, wer wird uns einen zweiten wie dich geben?"49 Der Konvent fand einen geeigneten Nachfolger in Konrad Airinschmalz. Der gebürtige Weilheimer, ausgebildet an der Universität Wien,50 hatte am 8. Dezember 1447 (zusammen mit Bernhard von Waging) seine Profess in Tegernsee ab47
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Zur Rolle der Schriftlichkeit vgl. allgemein: Klaus SCHREINER, Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform. Funktionen von Schriftlichkeit im Ordenswesen des hohen und späten Mittelalters, in: Hagen Keller, Klaus Grubmüller, Nikolaus Staubach (Hg.), Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, München 1992, 37-75, hier: 43^-8 (zu Consuetudines), 64—67 (zur Wirtschaftsverwaltung). Am 10. Januar 1457 meldete Abt Kaspar an Bischof Johannes Grünwalder die abgeschlossene Überarbeitung des Missale „iuxta rubricam Romanam conformiter ad observanciam Sacri Specus et monasteriorum inde reformatorum". Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 198-202; ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 34 (mit Korrektur von Redlichs Datierung auf 1450). „Siquidem recessit a nobis pastor optimus, dux noster & bellator fortis interiit, capitis nostri Corona decidit, decor omnis noster totaliter emarcuit, norma vitae nostrae & exemplar virtutum & morum occubuit, lucerna nostra extincta est, & caligo tenebrarum irruit in nos. [...] noster quondam Ductor & Praecessor dignissimus, nostri Monasterii intus & extra Restaurator, quin verius, alter Fundator, nec non nostrae sacrae Religionis oberservantiae Reparator, Institutor, Augmentator & Conservator [...]. Sed o Abba Caspar, pastor bone, quis nobis dabit alterum te?" Druck: Bernhard PEZ, Bibliotheca ascetica antiquo-nova [...] VIII, Regensburg 1725 (Nachdruck: Farnborough 1967), 589-595. Auszugsweise, zum Teil freie deutsche Übersetzungen: Johannes BÜHLER (Hg.), Klosterleben im deutschen Mittelalter nach zeitgenössischen Aufzeichnungen, Leipzig 1921, 171-173; LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 65; GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 61-62. - Vgl. hierzu den Eintrag im Tegernseer Nekrolog (München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1005, fol. 3r): „Venerabiiis pater dominus Caspar, huius monasterii abbas necnon restaurator et reformator in spiritualibus et temporalibus et veluti alter fundator, cuius mira gesta et religiosissima vita descripta habentur." Druck: Monumenta Germaniae Historica. Necrologia Germaniae HL, Berlin 1905, 138. Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 36-37.
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gelegt. Zuvor Cellerar, wurde der nun 35-Jährige am 26. Januar 1461 letztlich einmütig zum Abt gewählt.51 Abt Konrad gelang es, die hervorragende Stellung Tegernsees zu halten und weiter auszubauen. Seine lange Regierungszeit ermöglichte es ihm, alle begonnenen Unternehmungen auch zu Ende zu führen. Nachdem er „31 Jahre lang das Kloster in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten löblich geleitet" hatte, starb er am 24. Januar 1492 im 66. Lebensjahr und wurde im Mittelschiff der Kirche (vor dem Nothelfer-Altar) begraben. Seine Grabschrift rühmte ihn: „Er eiferte für das regeltreue Leben, er liebte die Brüder und die Armen, er stellte das Kloster wieder her und erneuerte es."52 In seinem äbtlichen Wirken folgte Abt Konrad - wie es die Klosterchronik ausdrückt - „in allem den Fußstapfen seines Vorgängers"53. In der Tat brachte seine Regierung die konsequente Fortführung des unter Abt Kaspar Begonnenen. So können in den folgenden thematischen Abschnitten die wichtigsten Ereignisse aus beiden Regierungszeiten jeweils zusammen abgehandelt werden.
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Zum Ablauf der Wahl, bei der sich zunächst zwei Kandidaten mit gleicher Stimmenzahl gegenüberstanden, siehe den Brief, den Prior Bernhard am 14. Februar 1461 an Johann Schlitpacher in Melk schrieb: „Porro ipsis Dominis Compromissariis [...] inter alia commissionem sub jurejurando fecimus, ut votis singulorum singillatim & secrete perscrutatis, eum in Abbatem eligerent, qui votorum pluralitatem ultra medietatem totius Conventus esset habiturus, nullum habendo respectum ad meritum vel Zelum. Expleto igitur scrutinio omnium vota exceptis duobus peregrinis in duas personas confluxerunt, quarum nulla juxta condictum ultra medietatem attigerat, sed citra numerum medium pariter stabant. Quo experto una ex his duabus Deo inspirante mox sua vota in alterum transtulit, in quam etiam illa dúo vota peregrina translata sunt. Et sie de novo omnes unanimi consensu & concordi volúntate in eandem personam consensimus eamque Deus dudum elegerat, in nostri Monasterii Abbatem & pastorem elegimus." PEZ, Bibliotheca ascética (wie Anm. 49), 595-600, hier: 599-600. - Dass der ungenannte zweite Kandidat Bernhard von Waging selbst war, geht aus einer Note Schlitpachers zu diesem Brief hervor: Ebd., 601. Crónica dominorum abbatum, fol. 45r. - Vgl. den Eintrag im Tegernseer Nekrolog (München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1005, fol. 3v): „Venerabiiis pater dominus Conradus, abbas nostrae congregationis, vitae regularis zelator, in consiliis sagax et providus, in agendis constans ac strenuus, virtutum cultor, vitiorum ultor, fratrum amator, monasterii restaurator atque fimdator." Druck: Necrologia Germaniae HI (wie Anm. 49), 139. Crónica dominorum abbatum, fol. 42r.
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4. Die Klosterchronik Bei dieser Darstellung wird immer wieder auf die spätmittelalterliche Klosterchronik54 Bezug genommen. Schon eingangs wurde sie zitiert, dabei in ihren Aussagen auch relativiert und als durch die Sicht der Klosterreform55 geprägt erkannt. In der Tat ist sie selbst ein bedeutendes Produkt der Tegernseer Reformepoche und darf als deren offiziöse Darstellung gelten. Das hier wie in vielen anderen Klöstern festzustellende besondere Interesse an der Vergangenheit ist „als Selbstvergewisserung im Rahmen der monastischen Reformanstrengungen des Spätmittelalters zu erklären"56. In Tegernsee stellt die Abfassung einer Klosterchronik einen weiteren Schritt der oben geschilderten Maßnahmen zur Absicherung der Reform durch Verschriftlichung dar. Um 1475 machte sich ein nicht sicher namhaft zu machender Tegernseer Mönch57 erstmals nach langer Zeit wieder an eine chronikalische Darstellung der Klostergeschichte. Sie reicht von den Anfängen bis zum Tod Abt Kaspar Aindorfers. Es liegt nahe, in dessen Nachfolger Konrad Airinschmalz den Auftraggeber für diese Arbeit zu sehen. Der Verfasser benutzte dafür die vorhandenen literarischen Darstellungen zur Gründungsgeschichte,58 einen bis 1102 reichenden Äbtekatalog,59 eine Chronik der Amtszeiten von Abt Berthold II. Schneck (1242-1248)
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Grundlegende Darstellung: SCHMEIDLER, Studien zur Geschichtsschreibung (wie Anm. 44), 1-65, 89-92. Vgl. auch: Sigmund RIEZLER, Geschichte Baierns III: Von 1347 bis 1508, Gotha 1889, 884; Klaus SCHREINER, Erneuerung durch Erinnerung. Reformstreben, Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung im benediktinischen Mönchtum Südwestdeutschlands an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, in: Kurt Andermann (Hg.), Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (= Oberrheinische Studien 7), Sigmaringen 1988, 35-87, hier: 86, Anm. 186. - Der lateinische Wortlaut der Chronik zu den Amtszeiten von Kaspar Aindorfer und Konrad Airinschmalz, bisher nur greifbar im Druck von Bernhard Pez aus dem Jahr 1721 (Thesaurus [wie Anm. 3], 497-574), ist aufgrund der Reinschrift (München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072) vollständig im Anhang zu diesem Beitrag abgedruckt. Zur Klosterchronistik der Reformzeit siehe allgemein: SCHREINER, Erneuerung durch Erinnerung (wie Anm. 5 4 ) ; Constance PROKSCH, Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter (= Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im Mittelalter Neue Folge 2), Köln - Weimar Wien 1 9 9 4 , bes. 2 0 3 - 2 6 8 , 2 7 3 - 2 8 9 ; AUGUSTYN, Historisches Interesse und Chronistik (wie Anm. 14). AUGUSTYN, Historisches Interesse und Chronistik (wie Anm. 14), 330. SCHMEIDLER (Studien zur Geschichtsschreibung [wie Anm. 4 4 ] , 5 2 - 5 5 ) vermutet als Verfasser P . Raphael Neupöck, 1 4 6 7 - 1 4 7 9 Bibliothekar in Tegernsee, 1 4 8 1 als Abt nach Oberaltaich postuliert. Vgl. WEISSENSTEINER, Tegernsee, die Bayern und Österreich (wie Anm. 13), 13-21. SCHMEIDLER, Studien zur Geschichtsschreibung (wie Anm. 44), 28^-2, 111-115 (Versuch einer Textrekonstruktion).
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und Abt Ulrich II. Partenhauser (1248-1261), 60 Inschriften sowie die Urkunden und Wirtschaftsaufzeichnungen des Klosterarchivs. Zumindest für einen Teil der Amtszeit Abt Kaspars darf der Autor als Augenzeuge gelten. Nicht selten zieht er Vergleiche zwischen früheren Verhältnissen und seiner Gegenwart. Die von Vorgängeräbten aufgehäufte Schuldenlast und die Abkehr von der monastischen Lebensweise sieht er ebenso kritisch wie die in der Vergangenheit immer wieder festzustellende Missachtung der Freiheit des Klosters. Das gehaltvolle Werk trägt jedoch hauptsächlich kompilatorischen Charakter und beschränkt sich auf die Geschichte des eigenen Hauses, bleibt somit in den Bahnen mittelalterlicher Klosterchronistik und erhebt keinen Anspruch auf eine literarische oder wissenschaftliche Darstellung in humanistischem Sinn.61 Noch sehr viel weniger ist dies bei der Fortsetzung der Chronik für die Amtszeit Abt Konrads der Fall, die kurz nach dessen Tod niedergeschrieben wurde. Sie besteht hauptsächlich aus einer Aufzählung von Bauten, Anschaffüngen und Gütererwerbungen, jeweils mit Angabe der Kosten. Die Biographie des nachfolgenden Abtes Quirin I. Regler (14921500) kam über Anfänge nicht hinaus und endete mitten in einem Satz. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts fand sich ein Fortsetzer.
5. Der Konvent An erster Stelle unter den Aktivitäten des Abtes Kaspar führt die Chronik auf:62 „Seine größte Sorge war die Vermehrung der ihm anvertrauten Herde, damit die durch ihn begonnene reguläre Observanz nicht einmal aus Personalmangel zu Fall komme. Deshalb erfuhr er über mehrere Jahre nicht geringe Schwierigkeiten wegen der Widersetzlichkeit einiger Brüder, die sich in wenig taktvoller Weise des Adels ihres Fleisches und ihrer Verwandtschaft rühmten und meinten, nach altem Brauch (vielmehr Missbrauch) dürfe niemand zugelassen werden, der nicht von (freilich weltlichem) Adel sei. Um größere Übel zu vermeiden, fürchtete der kluge Vater, ihnen lästig zu fallen, und verstellte sich zumeist. Als allerdings die adeligen Weltleute, die zuvor bestrebt waren, ihre Söhne hier unterzubringen, sich durch die kürzlich erfolgte Annahme des regulären Lebens in ihrer Hoffnung betrogen sahen, wurden sie zurückhaltender darin, ihre Söhne darzubieten. Doch auch der ehrwürdige Abt nahm nur erwachsene und geeignete Bewerber von gesetzmäßigem Alter auf, ohne Ansehen der Person und mit dem Rat des Konvents. Als erster von ihnen kam und gab auch anderen den Mut, hierher zu kommen, Magister Johannes Keck aus Giengen, Profes60
Vgl. SCHMEIDLER, Studien zur Geschichtsschreibung (wie Anm. 44), 43^-7; F. L. BAUMANN, De Bertholdo et Ulrico abbatibus Tegernseensibus, in: Archivalische Zeitschrift Neue Folge 11 (1904) 253-262. 61 Zur Methode und Quellenbehandlung vgl. AUGUSTYN, Historisches Interesse und Chronistik (wie Anm. 14), 346-350. 62 Cronica dominorum abbatum, fol. 38r/v.
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sor der Heiligen Schrift und der Künste, der drei Jahre lang das Amt des Priors tüchtig ausübte. Durch seine Berühmtheit wurden mehrere veranlasst, aus Eifer für das Ordensleben hierher zu kommen, um ihr Leben zu ändern, so dass in wenigen Jahren die Brüderschar die Zahl von 40, ja 50 erreichte."
Diese Größenordnung hielt sie auch in den folgenden Jahrzehnten.63 Tegernsees guter Ruf bewirkte mit der Zeit, dass zahlreiche Gelehrte aus dem Kreis der Wiener Universität eintraten;64 sie stellten seit ca. 1445 sämtliche Prioren65. Weltpriester wandten sich dem Ordensleben zu;66 es kamen Mönche aus anderen Benediktiner-Klöstern67 und sogar Mitglieder anderer Orden68 traten über (wofür Bernhard von Waging das bekannteste Beispiel ist).69 Ein Sonderfall ist der Melker 63
Vgl. Personalstände von 1459 und 1490: LINDNER, Familia S. Quirini II (wie Anm. 26), 268-
64
Vgl. die Auflistung von 14 Baccalaren und Magistern der Universität Wien im Tegernseer Konvent, zu denen noch Konrad von Geisenfeld zu addieren wäre, bei: Dennis D. MARTIN, FifteenthCentury Carthusian Reform. The World of Nicholas Kempf (= Studies in the History of Christian Thought 49), Leiden 1992, 338 (Tafel 6), 341 (Tafel 9). Um 1445 Johannes Keck, 1446-1452 Konrad von Geisenfeld, 1452-1465 Bernhard von Waging, 1465-1476(7) Ulrich von Landau, 1476-1481 Christian Tesenpacher, 1482-1504 Augustin Holzapfler. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 191 (mit Angaben zu den urkundlichen Erwähnungen der Prioren, die nicht immer die Angabe der genauen Amtsdauer ermöglichen). 1442 Johannes Keck, 1444 Eberhard Stöcklin (bzw. Eberhard von Wolfratshausen), 1446 Gregor von Otingen, 1453 Benedikt Heimfelder, vor 1458 Matthias Praittenwieser, 1457 Ulrich von Landau, 1462 Christian Tesenpacher, 1462 Wolfgang Kiderer, 1490 Maurus Leyrer. Vgl. GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 141; LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 68-
270.
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7 5 (Nr. 4 2 3 ) , 7 6 (Nr. 4 2 6 ) , 7 9 (Nr. 4 3 1 ) , 93 (Nr. 4 4 8 ) , 95 (Nr. 4 6 0 ) , 9 5 - 9 9 (Nr. 4 6 5 ) , 1 0 0 - 1 0 2
(Nr. 473), 102-103 (Nr. 474), 107-108 (Nr. 500); REDLICH, Tegernsee und die deutsche
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Geistes-
geschichte (wie Anm. 2), 38^11 (Benedikt Heimfelder), 41^15 (Wolfgang Kiderer), 45-55 (Ulrich von Landau), 55-66 (Christian Tesenpacher). Diebold Westendorffer wechselte 1433 aus Ettal nach Tegernsee, aus Benediktbeuern kam 1449 Michael Saxl und später Johannes Hausmann (nachmals Abt in Andechs), aus Reichenbach 1453 der Laienbruder Johannes Kistler. Der frühere Abt Johannes Rormayr von Kleinmariazell gelobte 1446 Stabilität in Tegernsee. Vgl. LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 67 (Nr. 417), 79 (Nr. 430), 92 (Nr. 439), 93 (Nr. 445), 94 (Nr. 450); BRUCK, Profeßbuch (wie Anm. 27), 113-114 (Johannes Rormayr). Bruder Georg kam 1437 aus dem Birgitten-Orden; vgl. LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 68 (Nr. 420). Aus dem Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf traten 1446 Dekan Wilhelm Kienberger, 1447 Bernhard von Waging und 1449 Oswald Nott in Tegernsee ein, aus Beyharting 1450 der Chorherr Johannes; vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 136-142; GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 60; LINDNER, Familia S. Quirini I ( w i e A n m . 23), 7 9 (Nr. 4 2 9 ) , 8 2 - 9 0 (Nr. 4 3 3 ) , 9 1 - 9 2 (Nr. 4 3 8 ) , 93 (Nr. 440).
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Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 43^-4; Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging (+ 1472), ein Theologe der Melker Reformbewegung. Monastische Theologie im 15. Jahrhundert? (= Beiträge zur historischen Theologie 158), Tübingen 2011, 41—49.
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Prior Konrad von Geisenfeld, der 1445 nach Tegernsee wechselte, jedoch nicht aus „Unbeständigkeit des Geistes", sondern auf Bitten der Tegernseer.70 Mit dem berühmten Johannes Keck,71 Teilnehmer des Konzils von Basel, begann 1442, also immerhin 16 Jahre nach Einführung der Reform, die Aufnahme von Nichtadeligen. Mit der Reform kamen auch die Laienbrüder wieder, die im 13. und 14. Jahrhundert weitgehend gefehlt hatten.72 Mit eigenen Regeln73 und einem deutschen Offizium sowie der Bereitstellung von geistlicher Lektüre in der Muttersprache suchte man sie ins Klosterleben einzubeziehen. In den Consuetudines von 1450/52 sind ihnen (ganz am Ende) zwei eigene Kapitel gewidmet.74 Ihr zahlenmäßiger Anteil blieb jedoch gering; 1466 war mit acht Konversen im 38-köpfigen Konvent der Höchststand erreicht.75
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LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 76-79 (Nr. 428); REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 26-28; BRUCK, Profeßbuch (wie Anm. 27), 141-145;
Hans-Jürgen STAHL, Konrad von Geisenfeld, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 5 (21985) 176-179. 71
Zu Keck siehe: LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 68-75 (Nr. 423); Virgil REDLICH, Eine Universität auf dem Konzil in Basel, in: Historisches Jahrbuch 49 (1929) 92-101; Heribert ROSSMANN, Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck über die mystische Theologie, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 13 (1978) 330-352; Heribert ROSSMANN, Keck, Johannes, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 4 (21983) 1090-1104; Wilhelm BAUM, Johannes Kecks Traktat über Klosterleben und Eremitentum für den Einsiedler Hans Frankenfurter im Halltal (1447), in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 97 (1986) 444-461; MÜLLER, Bayern und Basel (wie Anm. 8), 4 6 3 ^ 6 6 , 4 8 5 ^ 8 6 (Nr. 42); TREUSCH, Bernhard Waging (wie Anm. 69), 21-22, 172.
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Vgl. ZIMMERMANN, Die Familia s. Quirini im Mittelalter (wie Anm. 22), 213-214, der für den Zeitraum von 1270 bis 1410 unter 88 Konventualen neun Konversen auffuhrt; Barbara FRANK, Konversen und Laien in benediktinischen Reformklöstern des 15. Jahrhunderts, in: Kaspar Elm (Hg.), Beiträge zur Geschichte der Konversen im Mittelalter (= Berliner Historische Studien 2; Qrdensstudien 1), Berlin 1980, 49-66. Vgl. Christian BAUER, Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee. Untersuchungen zu Gebrauch und Überlieferung deutschprachiger Literatur im 15. Jahrhundert (= Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 107), Tübingen 1996, 14—17, 255-265. Ebd., 255-265; ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 247-251 (Nr. 117118). 1459 zählte man drei Konversen gegenüber 30 Klerikern (davon 6 Diakonen), 1466 acht im Konvent mit insgesamt 38 Mitgliedern. Zehn Laienbrüder legten ihre Profess unter Abt Kaspar Aindorfer ab, davon allein sechs zwischen 1444 und 1455; acht Neueintritte waren es unter Abt Konrad Airinschmalz. 1481 betrug der Anteil der Konversen sieben von 41 Konventualen. Unter den nachfolgenden Äbten traten nur noch wenige Laienbrüder in Tegernsee ein. Vgl. die detaillierten Angaben bei: BAUER, Geistliche Prosa (wie Anm. 73), 17-19. Personalstände von 1459 und 1490: LINDNER, Familia S. Quirini II (wie Anm. 26), 268-270.
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6. Tegernsee als Reformzentrum Die Reform sollte sich nicht auf das eigene Kloster beschränken.76 Mit Unterstützung der Herzöge Wilhelm III. und Albrecht III.77 ging eine ganze Serie von Reformierungen weiterer Klöster von Tegernsee aus: Beginnend 1435 im Augustiner-Chorherrenstift Weyarn78 und in der Benediktinerabtei Scheyern79, ab 1441 auf Grundlage eines auf herzogliche Bitte vom Konzil in Basel ausgestellten Privilegs80 und später im Zuge der zweiten Reformwelle unter Nikolaus von Kues nahm Abt Aindorfer Visitationen vor.81 Sein Prior Bernhard vertrat ihn dabei zum Teil, etwa in Tirol, in Andechs oder bei St. Ulrich und Afra in Augsburg.82 Beiden war auch die Durchsetzung einer einheitlichen benediktinischen Observanz ein großes An-
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Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 131-169. Albrecht HL von Bayern-München, Herzog 1438-1460. Vgl. Florian SEPP, Weyarn. Ein Augustiner-Chorherrenstift zwischen Katholischer Reform und Säkularisation (= Studien zur altbayerischen Kirchengeschichte 11), München 2003, 17-18; WESSINGER, Kaspar Aindorffer (wie Anm. 2), 208-209.
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Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 132; ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 40-41. Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 41; RÄNKL, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment (wie Anm. 8), 36, 189-190; STUDT, Papst Martin V. (wie Anm. 8), 154, 161. Aindorfer visitierte u. a. in Rohr (THOMA, Petrus von Rosenheim [wie Anm. 27], 145), Benediktbeuern (Ebd. 145; HEMMERLE, Die Benediktinerabtei Benediktbeuern [wie Anm. 1], 90, 169, 479^-80; REDLICH, Tegernsee
82
und die deutsche
Geistesgeschichte
[wie Anm. 2], 149-150),
Andechs (Ermengard HLAWITSCHKA-ROTH, Herzog Albrecht III. von Bayern-München und die Gründung des Benediktinerklosters in Andechs, in: Eduard Hlawitschka, Ermengard Hlawitschka-Roth, Andechser Anfänge. Beiträge zur frühen Geschichte des Klosters Andechs [= Andechser Reihe 4], St. Ottilien 2000, 99-117, hier: 115), Ebersberg (NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform [wie Anm. 37], 185), St. Georgenberg (Ebd. 190), Scheyern (Ebd. 206), Sonnenburg (Ebd. 208) und Weltenburg (Ebd. 212). Vgl. auch ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 42. Vgl. Wilhelm BAUM, Karl RAUTER, Bernhard von Waging (f 1472): „Klagelieder über St. Georgenberg". Das Scheitern einer Klosterreform des Nikolaus Cusanus (1453/54), in: Der Schiern 57 (1983) 482^94 (St. Georgenberg); Wilhelm BAUM, Nikolaus Cusanus in Tirol Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (= Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983, 164—216 (Sonnenburg); THOMA, Petrus von Rosenheim (wie Anm. 27), 145-146 (Andechs); NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform (wie Anm. 37), 210 (St. Ulrich und Afra); REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 165 (St. Ulrich und Afra); Wilhelm LIEBHART, Die Reichsabtei Sankt Ulrich und Afra zu Augsburg. Studien zu Besitz und Herrschaft (1006-1803) (= Historischer Atlas von Bayern. Teil Schwaben II 2), München 1982, 140 (St. Ulrich und Afra); TREUSCH, Bernhard von Waging (wie A n m . 69), 5 1 - 5 5 .
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liegen.83 Abt Airinschmalz setzte in Zusammenwirken mit Herzog Albrecht IV. die Visitationstätigkeit im Benediktinerorden, aber auch bei Franziskanern, Klarissen und Augustiner-Eremiten fort.84 1475 wurden die Äbte von Tegernsee und Scheyern durch die erste Freisinger Diözesansynode unter Bischof Sixtus von Tannberg (1474-1495) zu Visitatoren der Benediktinerklöster im Bistum bestellt.85 Eine spezielle Verbindung zwischen Tegernsee und den ihm enger verbundenen reformierten Benediktiner-Klöstern stellte die Übernahme der Tegernseer „Consuetudines" dar.86 Sie sind eine 1450-1452 entstandene, systematisierte und um Eigengut erweiterte Neufassung der erwähnten „antiquae ceremoniae", die aus Melk und letztlich aus Subiaco stammten.87 Nicht wenige Tegernseer Konventuale wurden andernorts zu Äbten berufen,88 so in Wessobrunn,89 in Benediktbeuern,90 Scheyern91 und Oberaltaich92. Nicht gern, 83
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Zur Tegernseer Rolle bei den Unionsbestrebungen siehe: REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 110-113; THOMA, Petrus von Rosenheim (wie Anm. 27), 178194; TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 69), 55-61. Vgl. die Zusammenstellung bei: Thomas FEUERER, Die Klosterpolitik Herzog Albrechts IV. von Bayern. Statistische und prosopographische Studien zum vorreformatorischen landesherrlichen Klosterregiment im Herzogtum Bayern von 1465 bis 1508 (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 158), München 2008, 671. Vgl. Johannes HELDWEIN, Die Klöster Bayerns am Ausgange des Mittelalters, München 1913, 16; Karl MEICHELBECK, Historia Frisingensis II/2, Augsburg 1729, 294; MASS, Das Bistum Freising im Mittelalter (wie Anm. 9), 340. Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 53-54. Dies betrifft die Klöster Scheyern, Andechs und Benediktbeuern. Ebd., 63-75. - ANGERER, Caeremoniae regularis observantiae (wie Anm. 35), CLXVHL, spricht von den Tegernseer Consuetudines als „der wohl vollständigsten, ausgewogensten, wenn auch textlich durchaus selbständigsten und eigenwilligsten Form einer Zusammenfassung und Beschreibung der observantia regularis nach Sublazener Vorbild, vermittelt durch die Melker". Zusammenstellungen: LINDNER, Familia S. Quirini II (wie Anm. 26), 243-245; Pirmin LINDNER, Monasticon Metropolis Salisburgensis antiquae, Salzburg 1908, 535-536; ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 44-45. Ulrich Stöckl, Abt 1438-1448; Peter Wittiber (Gebl), Abt 1493-1498. Vgl. ANDRIAN-WERBURG, Die Benediktinerabtei
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Wessobrunn (wie Anm. 26), 396-397, 402^-03; REDLICH, Tegernsee und
die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 132. Wilhelm von Diepolzkirchen, Abt 1441-1483. Vgl. Josef HEMMERLE, Die Benediktinerabtei Benediktbeuern (= Germania Sacra Neue Folge 28), Berlin - New York 1991, 100-101, 478485; REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 148-150. Wilhelm Kienberger, Abt 1449-1467. Vgl. Anselm REICHHOLD, Chronik von Scheyern. Von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart, Weißenhorn 1998, 195-196; REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 132-133. Raphael Neupöck, Abt 1481-1483; Christian Tesenpacher, Abt 1483-1502. Vgl. LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm 23), 99-100 (Nr. 466), 100-102 (Nr. 473); FEUERER, Die Kloster-
politik Herzog Albrechts IV. (wie Anm. 84), 223-232, 732-733. Zur Reformtätigkeit, die
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aber aufdringende Bitte des Herzogs schließlich doch, entsandte Abt Kaspar 1455 eine ganze Gruppe für den Gründungskonvent von Andechs.93 Auch drei Andechser Äbte der Anfangszeit kamen aus Tegernsee.94 Der Abt von Rott am Inn erhielt infolge der Visitation von 1452 als Unterstützung bei der Durchführung der Reform auf ein Jahr zwei Tegernseer Mönche,95 wogegen einer ähnlichen Bitte des Regensburger Bischofs für Kloster Prüfening 1486 nicht entsprochen wurde.96 1473 kam ein Ruf nach zwei für Klosterämter tauglichen Tegernseer Patres aus dem Tiroler Kloster St. Georgenberg.97 1460 nahm Tegernsee auf herzoglichen Wunsch zwei Mönche aus Prüll bei Regensburg zur Ausbildung in der regulären Disziplin auf.98 Auch der nachmalige Abt Konrad II. Mörlin (1496-1510) von St. Ulrich und Afra in Augsburg hatte nach seiner Profess die Lebensgewohnheiten in Tegernsee (sowie in der Kartause Buxheim) studiert.99 Weiteres verbindendes Element waren die Gebetsverbrüderungen mit anderen Klöstern.100 Bestehende wurden zum Teil erneuert; ungleich mehr (nahezu 40)
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Tesenpacher von Oberaltaich aus entwickelte, siehe: REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 63-65. Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 145-148; HLAWITSCHKA-ROTH, Herzog Albrecht III. von Bayern-München (wie Anm. 81), bes. 110-111; Claudia MÄRTL, Herzog Albrecht III, Nikolaus von Kues und die Gründung des Benediktinerklosters Andechs im Jahr 1455. Testgabe des Treundeskreises Kloster Andechs e. V. aus Anlass der 550. Wiederkehr der Klostergründung, Andechs 2005, bes. 20-22. Eberhard Stöcklin, Abt 1458-1462; Johannes Hausmann (ein ursprünglich Benediktbeurer Profess, der dann Stabilität in Tegernsee gelobt hatte), Abt 1462-1475; Andreas Oertl, Abt 14751492. Vgl. Benedikt KRAFT, Andechser Studien I (= Oberbayerisches Archiv 73), München 1937, bes. 2 0 4 - 2 2 1 .
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Vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform (wie Anm. 37), 205; Peter MAIER, Reformen und klösterliche Brauchtexte in Rott am Inn um 1450, in: Willi Birkmaier (Hg.), Rott am Inn. Beiträge zur Kunst und Geschichte der ehemaligen Benediktinerabtei U, Weißenhorn 2002, 111-128, bes. 115. - Möglicherweise waren schon 1427 zum gleichen Zweck zwei Tegernseer Mönche zeitweilig im Kloster Ebersberg; vgl. THOMA, Petrus von Rosenheim (wie Anm. 27), 136. 96 Vgl. NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform (wie Anm. 37), 203. 97 Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 134. 98 Vgl. ebd. 133. 99 Vgl. LIEBHART, Die Reichsabtei Sankt Ulrich und Afra (wie Anm. 82), 156-157. 100 Vgl. LINDNER, Tamilia S. Quirini II (wie Anm. 26), 292-293; NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform (wie Anm. 37), 178-213 (bei Andechs, Attel, Benediktbeuern, Ebersberg, St. Emmeram in Regensburg, Garsten, Göttweig, Kleinmariazell, Kremsmünster, Lambach, Mondsee, Niederaltaich, Oberaltaich, St. Paul im Lavanttal, St. Peter in Salzburg, Reichenbach, Scheyern, Seeon, Seitenstetten, Weihenstephan und Wiblingen sowie bei Tegernsee zu dessen Verbrüderung mit Melk). - Die Tegernseer Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek clm 1008 enthält 39 „copiae litterarum pro fraternitate, quas litteras nos habemus a monasteriis sequentibus" sowie 31 „copiae litterarum, quas nos dedimus pro fraternitate monasteriis infra scriptis".
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wurden im Lauf des 15. Jahrhunderts neu geschlossen. Die über den monastischen Bereich hinaus reichende geistliche Austrahlung des reformierten Tegernsee spiegelt sich in den mehr als 600 Namen von Weltgeistlichen und Laien im 1451 angelegten Verbrüderungsbuch.101 Durch zahlreiche neue Stiftungen ans Kloster hatte sie auch wirtschaftliche Auswirkungen.102
7. Die Wirtschaft War von der auswärtigen reformerischen Wirksamkeit in der Klosterchronik bezeichnenderweise nicht die Rede, so jedoch - wie angesichts des übernommenen Schuldenstandes103 verständlich - sehr viel von der Wirtschaft.104 Sie steht gleich an zweiter Stelle der äbtlichen Tätigkeit: „Auch die Einkünfte des Klosters hat er [d. h. Abt Kaspar] merklich vergrößert. Um vom übrigen zu schweigen: Wegen der Nachlässigkeit und des schuldhaften Wegschauens der Vorgänger hatten die Bauern des Klosters sich im Winkel [d. h. im Tegernseer Tal], der mit vollem Recht dem Kloster zugehört, Rodungsflächen auf den Bergen und in der Ebene angeeignet und sie nach Belieben untereinander ge- und verkauft, so dass der Schaden für das Kloster derart anwuchs, dass fast ein Drittel des Winkels dem Kloster entfremdet schien. Er hat in kluger Weise allmählich die einzelnen Flächen (mit wenigen Ausnahmen) zurückerworben, indem er niemanden gewaltsam bedrückte, sondern sich mit einzelnen freundschaftlich verglich, andere mit Bargeld zufrieden stellte und wieder andere durch anderweitige Guttaten befriedete. [...] Er tauschte und verkaufte auch vielfach Güter, wobei er stets bestrebt war, das Kloster schadlos zu halten. Dies findet man im Einzelnen in den Urbarbüchern verzeichnet."
Der Abt beschwor den Konvent, keiner dauerhaften Vergabe von Klostergütern oder Zehnten an weltliche Machthaber zuzustimmen, da dies zum Schaden des Klosters wäre. Bei „Besitzungen innerhalb der Mangfall-Brücke" müsse dem Kloster das Recht verbleiben, die Bauern frei ein- und abzusetzen;105 sonst gebe 101
Druck: REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 220-241. Vgl. HELDWEIN, Die Klöster Bayerns (wie Anm. 85), 36: Zwischen 1448 und 1510 erhielt das Kloster 14 neue Stiftungen. 103 In seiner Appellation an den Salzburger Erzbischof gegen die vom Freisinger Bischof Nikodemus della Scala geforderten Mterkalareinkünfte (Notariatsinstrument vom 23. Juli 1428; München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterurkunden Tegernsee 431) gab Abt Kaspar an, von den übernommenen Verbindlichkeiten seien in zwei Jahren „sexingentas [!] froren. Ducat." abbezahlt worden, noch rund 7.000 seien übrig. 104 Cronica dominorum abbatum, fol. 38v-39r und 44r-4-5r. 105 Tatsächlich gab es in den Jahren 1427-1436 im Tal nur einen Beständer, der sein Anwesen auf „Leibrecht" innehatte, während der Anteil dieser langfristigen Form der Grundleihe in anderen Besitzgebieten über 40% erreichte. Vgl. HUBBY, Lordship and Rural Society (wie Anm. 15), 345-346. In größerem Zusammenhang: Ludwig HOLZFURTNER, Die Grundleihepraxis ober102
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man ihnen Anlass, „zu rebellieren und sich der Gewalt des Klosters zu entziehen", wie zur Zeit des Abtes Hildebrand Kastner geschehen. Die bezeichnenderweise 1427 beginnende106 und von da an so gut wie lückenlose Serie vorbildlich geführter Urbare, Sal- und Stiftbücher107 ist eine eindrucksvolle Dokumentation der wirtschaftlichen Aktivitäten, die die beiden großen Äbte entfalteten. Nachdem Erholungstendenzen schon vor 1426 eingesetzt hatten, wurden in den folgenden Jahrzehnten die Bemühungen um die Klosterwirtschaft ungleich intensiver und systematischer, was zum großen Aufschwung im Verlauf des 15. Jahrhunderts führte.108 Durch Ankauf suchte man den gesamten Grundbesitz innerhalb des Klostergerichts, also im Tegernseer Tal, (wieder) in die Hand des Klosters zu bringen.109 Damit einher ging eine Vermehrung der Hofstellen durch Teilung bisheriger Anwesen (und ihrer an das Kloster zu entrichtenden Abgaben), um damit in einer Zeit des Bevölkerungswachstums mehr Familien eine Existenzgrundlage zu schaffen.110 So entstanden die für das Tal typischen 2-Höfe-Weiler. Erstmals 1427 wurden auch die zu den einzelnen Höfen gehörigen Almen verzeichnet,111 die als Sommerweide für das Vieh große Bedeutung hatten; denn Viehwirtschaft war ja der Hauptzweig der Landwirtschaft in diesem Alpental. Auch des Fernbesitzes nahm man sich neu an. Ein großer geschlossener Besitzkomplex lag um Strengberg in Niederösterreich. Um Joching an der Donau und einige Kilometer flussabwärts in Unterloiben in der Wachau hatte das Kloster umfangreiche Weinbesitzungen.112 Das 1427 begonnene Urbar und ein aus dembayerischer Grundherren im späten Mittelalter, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 48 (1985) 647-675. 106 Siehe das 1427 in übersichtlicher und großzügiger Form angelegte und mit einem Metalleinband ausgestattete Urbar: München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 11. 107 Vgl. HOLZFURTNER, Das Klostergericht Tegernsee (wie Anm. 17), 40-42, mit Betonung der Bedeutung des 1480 unter Abt Konrad Airinschmalz angelegten detaillierten Salbuchs (München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 10). Editionen der Quellen zur Tegernseer Besitzgeschichte fehlen bislang fast völlig; vgl. ebd. 116. 108 Vgl. HUBBY, Tordship andRural Society (wie Anm. 15). 109 Vgl. HOLZFURTNER, Das Klostergericht Tegernsee (wie Anm. 17), 27-28. 110 Vgl. ebd. 29, 34-37. 111 Vgl. EDELMANN, Die Almen im Tegernseer Tal (wie Anm. 20), 87, mit Bezug auf München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 95. 112 Vgl. Andreas Otto WEBER, Studien zum Weinbau der altbayerischen Klöster im Mittelalter. Altbayern - Österreichischer Donauraum - Südtirol (= Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 141), Stuttgart 1999, bes. 247-298. - Zu den Weinbesitzungen in Südtirol, für die im 15. Jahrhundert weniger Aktivitäten bekannt sind, siehe: Friedrich MERZBACHER, Tegernsee und der Südtiroler Wein im ausgehenden Spätmittelalter. Zur Weinwirtschaft eines altbayerischen Benediktinerklosters im Etschland, in: Franz Aubele (Hg.), Aus Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Ferdinand Ulmer (= Tiroler Wirtschaftsstudien 17), Inns-
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selben Jahr stammendes Weistum umschrieben die Rechte des Klosters in Unterloiben. Ausgabenrechnungen des Tegernseer Lesemeisters für die Einholung des dem Kloster zustehenden Teils der Lese sind für mehrere Jahre des 15. Jahrhunderts erhalten und bieten einen genauen Einblick in die Organisation von Weinernte und -transport aus der Wachau nach Tegernsee. 1447 beispielsweise belief sich der Gesamtertrag aus Unterloiben und Joching auf ca. 490 Hektoliter Most. Der Besitz von Weingütern war für das Kloster durchaus lohnend, war der eigene Wein doch trotz des Transportaufwandes billiger als gekaufter. Das detaillierte Urbar von 1480 verzeichnet in der Wachau insgesamt 146 Tegernseer Weingärten.113 1484 wurde der Besitz durch Zukauf nochmals erweitert, so dass man nicht nur den Eigenbedarf 14 decken, sondern auch Weinhandel treiben konnte. In Zusammenhang mit dem rigorosen Fleischverzicht der Reformklöster standen die (letztlich erfolglosen) Bemühungen um eine Förderung der Fischzucht durch Anlage von Teichen.115
8. Rechtesicherung und Verhältnis zum Landesherrn Als weitere Maßnahme zur Sicherung von Besitz und Rechten des Klosters hat Kaspar „auch die Privilegien des Klosters, die durch Nachlässigkeit der Vorgänger zerstreut waren, sorgfältig wieder gesammelt und in einer besonderen Truhe unter dem Schutz mehrerer Schlüssel verwahrt. Damit sie nicht - wie früher - zu Be-
bruck 1 9 6 3 , 1 9 9 - 2 1 3 ; Dietmar STUTZER, Weingüter bayerischer Prälatenklöster in Siidtirol, Rosenheim 1 9 8 0 , 1 8 3 - 1 8 4 . 113 Vgl. WEBER, Studien zum Weinbau (wie A N M . 1 1 2 ) , 2 6 9 , 3 9 3 - 3 9 4 , mit Bezug auf: München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Tegernsee 10. 114 Vgl. die erheblichen Weinmengen, die laut dem „Tegernseer Wirtschaftsbüchlein" in der Klosterküche verbraucht wurden: Anton BIRLINGER, Kalender und Kochbüchlein aus Tegernsee, in: Germania. Vierteljahresschrift für deutsche Alterthumskunde 9 (1864) 192-207, bes. 202207; Susanne KIEWISCH, Obstbau und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften des 14. und 15. Jahrhunderts (= Würzburger medizinhistorische Forschungen 57), Würzburg 1995, 53-61; WEBER, Studien zum Weinbau (wie Anm. 112), 19-22. 115 Vgl. Cronica dominorum abbatum, fol. 40r; WESSINGER, Kaspar Aindorffer (wie Anm. 2), 225226. - Zur Diskussion um den Fleischverzehr siehe den Beitrag von Ulrike TREUSCH in diesem Band. - Vgl. auch: Richard C. HOFFMANN, Fishers in Late Medieval Rural Society around Tegernsee, Bavaria, in: Edwin Brezette DeWindt (Hg.), The Salt of Common Life. Individuality and Choice in the Medieval Town, Countryside, and Church. Essays Presented to J. Ambrose Raftis (= Studies in Medeval Culture 36), Kalamazoo 1995, 371^08; Johann Nepomuk KISSLINGER, Das Abstinenzgebot und sein Einfluß auf die Wirtschaft des Klosters Tegernsee, in: Wissenschaftliche Beilage zur Germania. Blätter für Literatur, Wissenschaft und Kunst, Jg. 1906, Nr. 23, 177-179.
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weiszwecken aus dem Kloster verbracht werden müssen, ließ er vom Wichtigsten aus ihnen beglaubigte Abschriften anfertigen"116. Überdies vermehrte er Rechte und Vorrechte des Klosters, indem er von Papst Nikolaus V., vom Baseler Konzil, von Kardinälen, Legaten und Bischöfen, vom damaligen König (und nachmaligen Kaiser) Sigismund, von Kaiser Friedrich III. sowie den Herzögen von Bayern und Österreich neue Privilegien bzw. die Bestätigung alter erwirkte.117 So eng die Verbindung zum Landesherrn in Fragen der Klosterreform war, war Kaspar Aindorfer doch auch bereit, „die Rechte und Freiheiten des Klosters [...] tapfer gegen die weltlichen Herrscher"118 zu verteidigen. So leistete er gegen die Steuer- und Abgabenforderungen Herzog Albrechts III. gegenüber den klösterlichen Untertanen stets Widerstand;119 nur einmal gestand er sie zu, allerdings unter der Bedingung, dass die Bauern innerhalb der MangfallBrücke (also in dem Bereich, in dem das Kloster seit 1322 die niedere Gerichtsbarkeit ausübte)120 von der Steuer befreit waren. Die Beziehungen zwischen Herzog Albrecht IV.121 und dem Kloster lassen sich thematisch so zusammenfassen:122 Es ging um die Klosterreform, die Stellung des Abtes als Landstand, seine Berufung zu Gesprächen, die Beauftragung mit politischen Missionen, die Bitte um Kredite; es ging zugleich immer wieder um Hunde123 und Falken und um Geschenke von Käse und Senf.
9. Die Bibliothek Diente das Archiv zur Sicherung von Rechten und Besitz des Klosters, so materialisierte sich sozusagen in der Bibliothek die Tegernseer Geistigkeit dieser
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Cronica dominorum abbatum, fol. 4Qr; vgl. Anm. 45. Vgl. Monumenta Boica VI, München 1766, 275-290 (Nr. CH-CVII1), 303-306 (Nr. CXH1), 307308 (Nr. CXV), 310-312 (Nr. CXVE) u. ö. 118 Cronica dominorum abbatum, fol. 39r. 119 Vgl. RÄNKL, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment (wie Anm. 8), 162; 117
WESSINGER, Kaspar Aindorffer (wie Anm. 2), 202-203. 120
Vgl. HOLZFURTNER, Das Klostergericht Tegernsee (wie Anm. 17), 24—27; Maria Rita SAGSTETTER, Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 120), München 2000, 139-141, 382-385. 121 Albrecht IV. von Bayern-München, Herzog 1465/67-1508, ab 1505 des geeinten Herzogtums Bayern. 122 Vgl. die Regesten in: FEUERER, Die Klosterpolitik Herzog Albrechts IV. (wie Anm. 84), 528-557. 123 Siehe hierzu: Martina GIESE, Gebell im Kloster Tegernsee. Zur mittelalterlichen undfrühneuzeitlichen monastischen Hundehaltung samt einer Erstedition von Peter Zalers Anleitung zur Hundeaufzucht, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 121 (2010) 109-130.
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Epoche.124 Über die Erfordernisse der erneuerten Liturgie125 und der Tischlesung126 hinaus brachte die Klosterreform überhaupt eine starke Hinwendung zu Büchern und Gelehrsamkeit mit sich.127 Der Konvent zählte ja eine ganze Reihe von Gelehrten und tüchtigen Schreibern, die mit ihren Werken die Bibliothek bereicherten.128 Von Abt Kaspar heißt es in der Chronik:129 „Die Bibliothek bemühte er sich mit aller Sorgfalt wieder herzustellen. Er kaufte sehr viele alte Codices, aber auch neue, die er für das Studium der Brüder durch die Hand von Lohnschreibern schreiben ließ. Diese Bücher können jedoch nicht einzeln aufgeführt werden." Es gibt aber bis heute Handschriften mit Vermerken wie: „Zur Erbauung der Brüder gekauft [...] vom Herrn Abt Kaspar."130
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Zur Tegernseer Bibliotheksgeschichte siehe: REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 72-90; HELDWEIN, Die Klöster Bayerns (wie Anm. 85), 127-133; Günter GLAUCHE, Bistum Freising, in: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz IV,2, München 1979, 597-868, hier: 734-749. 125 Zu den liturgisch-musikalischen Veränderungen in Tegernsee im Zuge der Reform siehe: Joachim F . ANGERER, Zur Musikgeschichte des Klosters Tegernsee im 14. und 15. Jahrhundert Erkenntnisse aus der von Subiaco und Melk ausgehenden Reform, in: Sixtus Lampl (Hg.), Klingendes Tal. Zur Musikpflege von der Benediktinerabtei über den Kiem Pauli bis zur Gegenwart (= Tegernseer Jubiläumsreihe 746-1996, 1), Valley 1996, 3 2 ^ 9 ; Robert KLUGSEDER, Die Auswirkungen der Melker Reform auf die liturgische Praxis der Klöster, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 123 (2012) 169-209, hier: 187-189. 126 Vgl. Hermann HAUKE, Die Tischlesung im Kloster Tegernsee im 15. Jh. nach dem Zeugnis seiner Handschriften, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 83 (1972) 220-228. 127 Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 114—130; Winfried MÜLLER, Die Anfänge der Humanismusrezeption in Kloster Tegernsee, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 92 (1981) 28-90. - Zur Problematik des Begriffs „Klosterhumanismus", der sich auf Tegernsee noch mit am ehesten anwenden lässt, siehe: Klaus GRAF, Ordensreform und Literatur in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, in: Johannes Janota, Werner Williams-Krapp (Hg.), Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts (= Studia Augustana 7), Tübingen 1995, 100-159 (zu Tegernsee bes. 111, 120, 126); Harald MÜLLER, Habit und Habitus. Mönche und Humanisten im Dialog (= Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 32), Tübingen 2006. 128 Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2 ) , 1 9 1 - 1 9 4 ; GLAUCHE, Bistum Freising (wie Anm. 1 2 4 ) , 7 3 6 - 7 4 5 ; Gerhard STALLA, Leonhard Estermann aus Wasserburg und seine Büchersammlung in der Benediktinerabtei Tegernsee, in: Heimat am Inn 14/15 (1994/1995) 79-86. 129 130
Cronica dominorum abbatum, fol. 39v. „pro fratrum edificatione comparavit [...] dominus abbas Caspar." (wie Anm. 124), 738.
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Bistum Freising
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Abt Konrad vermehrte seinerseits „die Bücher für die Bibliothek [...] mit aller Sorgfalt, Mühe und Aufwand. Denn er kaufte rund 450 Bände, zusätzlich zu den Bänden, die von Brüdern geschrieben und von frommen Menschen dem Konvent geschenkt wurden"131. Auf diese Weise wuchs der Bücherbestand im Lauf des 15. Jahrhunderts so stark an, dass die Tegernseer Klosterbibliothek zu den bedeutendsten und umfangreichsten Sammlungen Europas gerechnet werden konnte.132 1483 begann der seit 1481 amtierende Bibliothekar Ambrosius Schwerzenbeck133 mit der Anlage eines nach Autoren alphabetisch geordneten Katalogs;134 nachdem er 14 Monate daran gearbeitet hatte, wurde der Gesamtbestand gezählt: 1.103 Bände. Zehn Jahre später ergab eine Inventur einen Zuwachs um 635 Bände. 1488 ließ Abt Konrad einen neuen Bibliothekssaal errichten, der seinerseits 1524 durch einen geräumigeren ersetzt werden musste. Die dabei dann gezählten 1.869 Bände waren nur ein Teil des Vorhandenen, da man in den Jahren zuvor die Neuanschaffungen wegen ihrer Menge gar nicht alle hatte katalogisieren können.135 Inhaltlich findet sich im Bibliotheksbestand neben den Klassikern aus allen Wissensgebieten besonders Literatur aus dem Umkreis der Universität Wien,136 der Reform und der mystischen Theologie. 131
Cronica dominorum abbatum, fol. 43r. Vgl. GLAUCHE, Bistum Freising (wie Anm. 124), 736-745. - Die auf Sigmund Riezler (Geschichte Baierns [wie Anm. 54], 829) zurückgehende, in der Tegernsee-Literatur gerne wiederholte Aussage, die Klosterbibliothek habe am Ausgang des Mittelalters mit über 2.000 Handschriften „mehr als irgendeine der berühmten Büchersammlungen in Italien, selbst die vatikanische und die der Mediceer", gezählt, trifft so nicht zu. Die Vatikanische Bibliothek wurde erst durch Papst Nikolaus V. (1447-1455) mit einem Ausgangsbestand von etwa 350 Handschriften begründet; beim Tod des Papstes zählte sie bereits rund 1.300 Handschriften und damit schon mehr als drei Jahrzehnte später die erste Tegernseer Inventur von 1484 ergab; 1484 hatte sie mit rund 3.500 Bänden den Tegernseer Bestand weit überflügelt. Vgl. Ambrogio M. PIAZZONI, Introduzione alla storia della Biblioteca Apostolica Vaticana, in: Ambrogio M. Piazzoni, Barbara Jatta (Hg.), Conoscere la Biblioteca Vaticana, Vatikanstadt 2010, 15-31, hier: 1617. Die wechselvolle Geschichte der Buchbestände der Medici lässt sich mit der einer Klosterbibliothek schwer vergleichen. Sie begann mit der Privatsammlung Cosimos des Älteren (13891464) und fand 1571 mit der Eröffnung der von Michelangelo entworfenen Bibliothek bei San Lorenzo in Florenz (mit einem Bestand von gut 3.000 Handschriften) ihren vorläufigen Abschluss. Vgl. den Überblick: Antonietta MORANDINI, Profilo storico della Biblioteca Medicea Laurenziana, in: Biblioteca Medicea Laurenziana (= Grandi biblioteche d'Italia), Florenz 1986, 13-33, bes. 15-24. 133 Zur Biographie und Wirksamkeit als Bibliothekar: REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 76-84. 134 Edition: GLAUCHE, Bistum Freising (wie Anm. 1 2 4 ) , 7 5 1 - 8 4 9 . 135 Zu den Bestandszahlen: Ebd. 751, 849. 136 Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 29-34. 132
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Immer öfter wurden in den alten Katalog Randbemerkungen wie Habemus in pressura als Hinweis auf ein gedrucktes Werk geschrieben.137 Der neue Katalog von Bibliothekar Konrad Sartori, angelegt 1500-1504, besitzt auch eine eigene Abteilung der volksprachlichen Bücher (vulgares libri).,3S Sie zeigt einen bedeutenden Bestand an deutschen Texten: Bibeln, Heiligenlegenden, Predigten, Katechesen, Werke zum geistlichen Leben und zum Ordensleben, Gebete und Lieder. Sie dienten den lesefähigen Laienbrüdern - ergänzend zur mündlichen Unterweisung - als Lektüre in den vorgeschriebenen Lesestunden.139 Das Abschreiben deutscher Texte mit breitem inhaltlichem Spektrum wurde 1463 begonnen und währte bis um 1490, danach wurde es wohl durch den Kauf von Inkunabeln abgelöst.140
10. Kontakte zu Nikolaus von Kues Die Reformbewegung, die Geistes- und die Bibliotheksgeschichte verbinden sich auf besondere Weise in der besonderen Beziehung, die das Kloster Tegernsee zum großen Gelehrten, Bischof und Kardinal Nikolaus von Kues unterhielt:141 137
Vgl. GLAUCHE, Bistum Freising (wie Anm. 124), 753. - Ein gegen Ende des 18. Jahrhunderts angelegtes Verzeichnis der Inkunabeln und Frühdrucke (bis Erscheinungsjahr 1537) der Tegernseer Bibliothek fuhrt insgesamt 4.361 Werke auf, davon 1.714 Inkunabeln, 840 undatierte Werke und 1.807 Frühdrucke. Nach der Säkularisation wurden 1.584 Inkunabeln nach München überführt, die großenteils bis heute in der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten sind. Vgl. Stephan KELLNER, Annemarie SPETHMÄNN, Historische Kataloge der Bayerischen Staatsbibliothek München. Münchner Hofbibliothek und andere Provenienzen (= Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis XI), Wiesbaden 1996, 475; Bettina WAGNER (Red), Bayerische Staatsbibliothek Inkunabelkatalog. BSB-Ink, VII: Register, Teil 2: Beiträger, Vorbesitzer, Buchbinder, Wiesbaden 2009, 256-258; Bettina WAGNER, Wege und Abwege bayerischer Inkunabeln, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 18/19 (1993/1994) 93108.
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Edition: GLAUCHE, Bistum Freising (wie Anm. 124), 849-863. 139 BAUER, Geistliche Prosa (wie Anm. 73), 22-24. 140 Nicht einzugehen ist im Rahmen dieses Beitrags auf eine mögliche Übersetzertätigkeit Bernhards von Waging. Zur Diskussion um die Identität des „Tegernseer Anonymus" siehe: Werner HÖVER, Theologia Mystica in altbairischer Übertragung. Bernhard von Clairvaux, Bonaventura, Hugo von Balma, Jean Gerson, Bernhard von Waging und andere. Studien zum Ubersetzungswerk eines Tegernseer Anonymus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (= Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 36), München 1971, 272-274; BAUER, Geistliche Prosa (wie Anm. 73), 137-159; TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 69), 66-67. 141 Zu diesem vielfach behandelten Thema siehe: Edmond VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance. Une controverse sur la théologie mystique au XVe siècle (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters XIV 2-4), Münster 1915; REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), bes. 95-104; Erich MEUIHEN, Nikolaus von Kues und die
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Nachdem er im April 1452 endlich Besitz von seinem Bistum Brixen ergriffen hatte, machte Cusanus auf der Reise zu einem Reichstag in Regensburg vom 31. Mai bis 2. Juni 1452 in Tegernsee Station. Pausavit (er ruhte aus) sagt die klösterliche Aufzeichnung und vermerkt, dass der Kardinal ganz wie die Mönche Chorgebet und Kapitelversammlung besucht und sich mit dem allgemeinen Mittagstisch begnügt habe.142 Er hielt den Mönchen einen geistlichen Vortrag und dürfte sich wohlgefühlt haben im Kreis Gleichgesinnter. So bestätigte er die in Tegernsee schon seit Langem geübten und kürzlich codifizierten Consuetudines mit seiner Unterschrift.143 Er fand hier auch adäquate Gesprächspartner zu den philosophischen und theologischen Themen, die er in seinen wissenschaftlichen Schriften behandelte, an erster Stelle sicher Bernhard von Waging. Seine Dankbarkeit für die genossene Gastfreundschaft zeigte der Kardinal in Form von Ablässen und Privilegien. Beim Abschied hinterließ er einige seiner eigenen Schriften, damit sie für die Klosterbibliothek kopiert werden konnten. Der Besuch legte den Grund zu einer lebenslangen freundschaftlichen Beziehung. Dies spiegelt sich vor allem in dem Briefwechsel, der von nun an zwischen Cusanus und Abt Kaspar sowie Prior Bernhard hin- und herging.144 Viele Wittelsbacher, in: Pankraz Fried, Walter Ziegler (Hg.), Festschrift für Andreas Kraus zum 60. Geburtstag (= Münchener Flistorische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte 10), Kallmünz 1982, 95-113; Rudolf ENDRES, Nicolaus Cusanus und das Kloster Tegernsee, in: Kazuhiko Yamaki (Hg.), Nicholas of Cusa. A Medieval Thinker for the Modern Age, Richmond 2002, 134-144. 142
München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1005, fol. 51v (im Rahmen einer Liste von Wohltätern des Klosters): „Item Nicolaus de Cusa cardinalis et episcopus Brixinensis, qui dum existens legatus sedis apostolicae in nostro per triduum pausavit monasterio, chorum, capitulum et refectorium cum fratribus visitans." Vgl. ebd. fol. 127r: „Cusanus ... apostolicae sedis legatus infra octavam Pentecostes triduo in praesenti pausans monasterio capitulum, refectorium et chorum cum fratribus visitans." REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 95-96. 143 Vgl. ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 2), 49, 103-104. Das Consuetudines-Exemplar mit der eigenhändigen Unterschrift scheint verloren. 144 Edition: VANSTEENBERGHE, Autour e la docte ignorance (wie Anm. 141), 107-162; Ergänzung und Korrekturen zu dieser Edition: Josef Koch (Hg.), Cusanus-Texte IV: Briefwechsel des Nikolaus von Cues. Erste Sammlung (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Jahrgang 1942/43, 2. Abhandlung), Heidelberg 1944, 106— 110; Textabdruck mit deutscher Übersetzung: Wilhelm BAUM, Raimund SENONER (Hg.), Nikolaus von Kues. Briefe und Dokumente zum Brixner Streit. Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), Wien 1998, 86-187; siehe hierzu meine Rezension in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 110 (1999) 112-114; deutsche Übersetzung in Auswahl: Wilhelm OEHL (Hg.), Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters 1100-1500 (= Mystiker des Abendlandes 1), München 1931 (Nachdruck: Darmstadt 1972), 547-569. - Vgl. Julia RINSER, Zwischen Klosterbibliothek und Ordensreform. Der Briefwechsel zwischen Nikolaus von Kues und den Tegernseer Mönchen Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging (1451-1456). Eine Unter-
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Bekundungen der gegenseitigen Wertschätzung finden sich darin. Oft geht es um den Austausch von Büchern zur Abschrift, manchmal reisen aber auch geräucherte Fische vom Tegernsee als spezielles Geschenk mit über die Alpen nach Brixen. Wichtiger waren freilich die gemeinsamen Bemühungen um die Ausbreitung der Klosterreform. Wie groß im ganzen Tegernseer Konvent das Interesse an Fragen der Mystik war, zeigen die wiederholten Bitten um entsprechende Texte zur Abschrift. Mit der Bitte an den Kardinal, ihnen eine leicht fassliche Einführung in seine „mystische Theologie" zu geben, sind die Tegernseer Mönche in die Geistesgeschichte eingegangen. Zunächst musste Cusanus - da zu beschäftigt - die Fragesteller vertrösten; doch gab er in seinem Brief an Abt Aindorfer vom 22. September 1452 schon einen kurzen Abriss, wie nach seiner Auffassung „die Erkenntnis mit der Liebe zusammenfällt"145. Als die in Aussicht gestellte deutlichere Antwort übersandte Cusanus 1453 die Abhandlung über die Gottesschau oder das Bild, verfasst vom in Christus verehrungswürdigen Vater und Herrn Nikolaus von Kues, Kardinalpriester von St. Peter in Ketten und Bischof von Brixen, an den Abt und die Brüder von Tegernsee}46 Das Büchlein hatte - was die Philosophen heute mehr denn je fasziniert147 - als Beigabe ein Bild, das Gemälde eines „Allsehenden", d. h. eines Christuskopfes, der einen anblickt, von wo aus immer man ihn auch betrachtet. Es sollte in einer einfachen Andachtsübung erfahrbar machen, dass Gott immer seinen liebenden Blick auf den Menschen gerichtet hat, schon bevor dieser sich ihm zuwendet und selbst wenn er sich von ihm abwendet. Noch ein zweites seiner Werke widmete Cusanus fünf Jahre später den Tegernseer Mönchen: De beryllo (d. h. Der Beryll bzw. Die - aus diesem Edelstein gefertigte - Brille).148 Darin dient das Beispiel eines konkav und konvex geschliffenen Berylls - der die betrachteten Gegenstände zugleich vergrößert und verkleinert dazu, sich über die Prinzipien des Erkennens klar zu werden. Natürlich nahmen diese beiden für Tegernsee verfassten Werke einen Ehrenplatz in der Klosterbibliothek ein. Der Katalog zeigt aber, dass man von nahezu allen Werken des Cusaners Abschriften besaß.149 Die Tegernseer Exemplare waren oft die ersten in suchung unter historischen Gesichtspunkten, Magisterarbeit, München (Ludwig-MaximiliansUniversität, Historisches Seminar, Mittelalterliche Geschichte) 2 0 0 8 , bes. 3 1 - 8 5 ; TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 6 9 ) , 1 5 0 - 1 6 3 . 145 VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance (wie Anm. 141), 1 1 1 - 1 1 3 (Nr. 4 ) . 146 Edition: Heide Dorothea RIEMANN (Hg.), De visione Dei (= Nicolai de Cusa Opera Omnia VI), Hamburg 1999. 147 Vgl. die Beiträge des Tagungsbandes: Rudolf HAUBST (Hg.), Das Sehen Gottes nach Nikolaus von Kues (= Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 18), Trier 1989. 148 Edition: Gerhard SENGER, Karl BORMANN (Hg.), De beryllo (= Nicolai de Cusa Opera Omnia X I / 1 ) , Hamburg 1 9 8 8 . 149 Vgl. GLAUCHE, Bistum Freising (wie Anm. 124), 820-821.
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Bayern, dienten als Abschreibe-Vorlagen für andere bayerische Klöster und trugen so erheblich zur Verbreitung der Werke bei.150 Inmitten seiner rastlosen und keineswegs immer erfolgreichen Tätigkeit als Bischof, als Kirchenreformer und als päpstlicher Gesandter sehnte sich Nikolaus von Kues danach, eine Zelle in Tegernsee zu beziehen, um in der Gemeinschaft der Mönche in stiller Betrachtung die Süße Gottes zu kosten. So schrieb er am 12. Februar 1454 aus Brixen an Abt Kaspar,151 der auch liebend gern alle Vorbereitungen getroffen hätte.152 Doch es kam zu keiner weiteren Begegnung mehr. So blieb - auch angesichts zunehmender Altersbeschwerden - nur die Bitte um das fürbittende Gebet.153
11. Bau- und Kunsttätigkeit Von Abt Kaspar sagt die Chronik: „Es war sein häufiges Bestreben, die Gebäude des Klosters, die täglich einzustürzen drohten, wieder herzustellen .. ."154. Zunächst ließ er naheliegenderweise 1426 bis 1429 den eingestürzten Chor der Klosterkirche samt einer doppelstöckigen Sakristei neu errichten. Anschließend sorgte er auch für dessen prachtvolle Ausstattung. „Er schmückte auch den Hochaltar im Jahr des Herrn 1445 mit einer großen Tafel." Dieser eine Chronik-Satz155 hat die bayerische Kunstgeschichte lange beschäftigt. Erst seit den Forschungen von Volker Liedke ist gesichert, dass der früher so genannte „Meister der Tegernseer Tabula Magna" der Münchner Maler Gabriel Angler war.156 Der groß dimensionierte Flügelaltar -
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Vgl. die Vorbemerkungen zu den einzelnen Werken in der Heidelberger Akademie-Ausgabe „Nicolai de Cusa Opera Omnia". 151 „Retrahor tarnen plurimum ab hijs altissimis per huius mundi occupaciones; propterea fratribus dixi michi cellam parali. Utinam concederetur michi sacro ocio frui inter fratres, qui vacant et vident quoniam suavis est dominus." VÄNSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance (wie Anm. 141), 121-122 (Nr. 9). 152 „Ceterum de vestre R. p. transita per nos omnes letantur, sed eo non piene quo citius hinc erit recessus, qui eciam obstat ad presens cellam parali. At vero, dum viri Dei transitimi eiusmodi Deo dante frequentali contigerit, parabitur cella, lectas sternetur in ea, ponetur cum candelabro mensa, aptabitur sella, sed et queque necessaria fuerint aut accomoda, celle custos procurabit et afferei abunde." Ebd., 126-128 (Nr. 12). 153 Vgl. den Brief an Abt Kaspar vom 9. September 1454. Ebd., 142-143 (Nr. 24). 154 Cronica domìnorum abbatum, fol. 39r. 155 Ebd., fol. 39v. 156 Vgl. Volker LIEDKE, Die Münchner Tafelmalerei und Schnitzkunst der Spätgotik. Teil II: Vom Pestjahr 1430 bis zum Tod Ulrich Neunhausers 1472 (= Ars Bavarica 29/30), München 1982, hier: 8-34, 139-140, 147-149; Helmut MÖHRING, Die Tegernseer Altarretabel des Gabriel Angler und die Münchner Malerei von 1430-1450 (= Stadien zur Kunstwissenschaft 71), München 1997; Sylvia HAHN, Peter B. STEINER (Red.), Münchner Gotik in Freising
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eines der wichtigsten Werke bayerischer Malerei dieser Epoche - zeigte in zwei Bildreihen übereinander die Passion Christi, bei geschlossenen Flügeln die Geschichte des Klosterpatrons Quirinus. Wohl schon etwas zuvor hatte Angler für den Kreuzaltar am Lettner der Klosterkirche eine Kreuzigungsdarstellung geschaffen, die sich durch ihre Grisailletechnik auszeichnet und mit der Darstellung des hl. Koloman neben den Tegernseer Heiligen Quirinus, Castorius und Chrysogonus auch auf die Verbindung zu Kloster Melk hinweist.157 1448 gab der Abt ein weiteres zentrales Austattungsstück in Auftrag: das neue Chorgestühl aus Eichenholz mit rund 60 Sitzen.158 Schöpfer dieses großen Werkes war der Laienbruder Johannes, der aus dem Kloster Reichenbach nach Tegernsee gekommen war. Ende 1448 begann er seine Arbeit, an Christi Himmelfahrt 1453 wurde das Chorgestühl erstmals benützt. Am 4. Juli dieses Jahres trat Frater Johannes ins Kloster Tegernsee über.159 Von den zahlreichen Stücken, um die Abt Kaspar den Kirchenschatz vermehrte, seien nur zwei wichtige genannt, ein nicht erhaltenes und ein bis heute existierendes: „Im Jahr des Herrn 1448 kaufte er das kostbare, mit Gold und Edelsteinen gezierte Brustbild von 60 Mark Gewicht, in dem das Haupt und der Großteil des Leibes des heiligen Quirinus geborgen sind. Im folgenden Jahr kaufte er die große vergoldete und mit silbernen Figuren gezierte Monstranz."160 Die Memoria der Stifter war für die Identität des Kloster natürlich stets besonders wichtig. Die Brüder erhielten nun ein neues Grabmal; denn im Zuge der Bauarbeiten hatte die alte Andreaskapelle mit den Gräbern Adalberts und Otkars weichen müssen. So öffnete man im Jahr 1445 „mit großer Ehrfurcht und in Gegenwart des Konventes und Volkes beiderlei Geschlechtes" die Stätten, in denen die Stifter seit mehr als sechshundert Jahren geruht hatten, und barg sorgsam die Gebeine.161 Das neue Grab war ein Hochgrab inmitten der Kirche.162 Zwei Seiten zierten Wappenschilde - Kronen und Seelaub von Tegernsee sowie das bayerische (= Diözesanmuseum für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising. Kataloge und Schriften 21), Freising 1999, 87-92, 166-169. 157 Vgl. MÖHRING, Die Tegernseer Altarretabel (wie Anm. 156), 8 9 - 1 3 0 . 158 Croncia dominorum abbatum, fol. 39v-4-0r. Vgl. Hans RAMISCH, Die Meister der mittelalterlichen Chorgestühle von Tegernsee und Reichenbach, in: Jahrbuch der bayerischen Denkmalpflege. Forschungen und Berichte 29 (1972-1974) 79-96. 159 Vgl. Anm. 67; LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 94 (Nr. 450); REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 142-144. 160 Croncia dominorum abbatum, fol. 39v. Vgl. Matthias KLEIN, Der Landsberger Goldschmied Hanns Kistler und die Monstranzen des Benediktinerklosters Tegernsee (= Ars Bavarica 81), München 2000. 161 Cronica dominorum abbatum, fol. 40v-4-lr. 162 Volker LIEDKE, Die Haldner und das Kaisergrabmal in der Frauenkirche zu München (= Ars Bavarica 2), München 1974, 57-59, 164.
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Löwen- und Rautenwappen. Abt Kaspar ließ dazu eine ausführliche Inschrift einhauen, die das Leben der Stifter pries und das Jahr angab, da das neue Grab aufgestellt wurde: 1457, als „Abt Kaspar dieses Kloster leitete und erneuerte". Auf der Deckplatte sind als Relief die Stifter liegend und in Lebensgröße dargestellt. Schöpfer dieser höchst qualitätsvollen Darstellung (Abb. 3) war Hans Haldner, der in München zusammen mit seinem Bruder Matthäus und seinem Sohn Markus eine vielbeschäftigte Bildhauer- und Steinmetzwerkstatt betrieb. Für Tegernsee war Haldner auch als Baumeister tätig, wölbte den Kreuzgang und den Kapitelsaal, er schuf die Figuren des Chorgestühls, eine Pieta und ein Kruzifix.163 Die Entlohnung für all diese Werke quittierte er am 8. Juni 1460.164 Mit dem Hochaltar, dem Chorgestühl, dem Reliquiar des Klosterpatrons und dem Grabmal der Stifter hat Kaspar Aindorfer seine künstlerischen Aktivitäten auf Objekte konzentriert, die für das klösterliche Leben von zentraler Bedeutung waren. Die Verehrung des Klosterpatrons Quirinus erhielt überdies noch zwei Impulse:165 „Die Kapelle bei der Quelle des heiligen Quirinus" an der Straße zwischen Gmund und Tegernsee, „die zuvor aus Holz gewesen war, ließ er aus Stein von neuem errichten". Und: „Zu seiner Zeit wurde jenseits des Sees, gegenüber der genannten Kapelle durch Brüder eine Erdöl-Ader entdeckt, die bis zur Gegenwart fließt. Mehrere von denen, die damit bestrichen wurden, vor allem Gelähmte und Verkrümmte, haben ihre Gesundheit wieder erhalten. Vornehmlich aber gegen Verbrennungen pflegt man es als überaus wirksames Heilmittel zu verwenden." Die dadurch belebte Wallfahrt zum heiligen Quirinus und die Verwendung des Quirinus-Öls als geschätztes Heilmittel für Mensch und Vieh hielt bis nach 1803 an (und hat indirekt sogar mit der Entstehung des Heilbades Wiessee 1910 zutun). 166 Zu den Bauarbeiten am Kloster:167 „Im Jahr nach der Fleischwerdung des Herrn 1455 widmete er sich ganz der Wiederherstellung der Unterkunft und Werkstätten
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Das hier erwähnte Kruzifix ist wohl identisch mit einem in Tegernsee erhaltenen Holzbildwerk aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Vgl. Kreuz und Kruzifix. Zeichen und Bild (= Diözesanmuseum für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising. Kataloge und Schriften 39), Freising - Lindenberg 2005, 200, 202 (Nr. H.24). 164 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterurkunden Tegernsee 3 3 1 0 . Vgl. LIEDKE, Die Haldner (wie Anm. 1 6 2 ) , 9; RAMISCH, Die Meister der mittelalterlichen Chorgestühle (wie Anm. 1 5 8 ) , 9. 165
Cronica dominorum abbatum, fol. 40r. 166 Vgl. Roland GÖTZ, Kurmittel. Der heilige Quirinus von Tegernsee, in: Marion Maria Ruisinger (Hg.), Heilige und Heilkunst (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt 33), Ingolstadt 2009, 38-51. 167 Cronica dominorum abbatum, fol. 40rv. - Zur Baugeschichte des Klosters im 15. Jahrhundert: Sixtus LÄMPL, Die Klosterkirche Tegernsee. Maßanalytische Untersuchungen zum Bestand, zur
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des Konvents und hat in den folgenden fünf Jahren Altes zerstört und Neues - wie man es heute sieht - errichtet, nämlich das Dormitorium, den Kreuzgang, das Refektorium, das Krankenhaus, das Gästehaus, die Abtei, die Kellerei und so weiter." Damit waren alle für ein regelgerechtes Klosterleben erforderlichen Räumlichkeiten neu hergestellt.168 Abt Konrad begann schon im ersten Jahr seiner Regierung zu bauen und hörte nicht mehr auf damit:169 Weinkeller, Bäckerei und Mühle, Stallungen und Werkstätten, den großen Getreidespeicher und eine neue Pfarrkirche für Tegernsee (später auch Kirchen in Egern und Kreuth), ein Gästehaus für Frauen, eine neue Brücke (die erste steinerne) über die Mangfall und eine größere Bibliothek ließ er errichten. 1471 „[...] begann er die [Kloster-JKirche zu bauen und vollendete sie in sieben Jahren mit allen Apsiden und Kapellen und der gemeinsamen Sakristei der Brüder. In den einzelnen darin neu errichteten Altären wurden neue Reliquien der heiligen Kirchenpatrone und anderer Heiliger beigesetzt, und sie wurden zusammen mit der Kirche im Jahr des Herrn 1476 geweiht und - wie alle sehen können - elegant geschmückt mit schönen Tafeln mit Leben, Wundern und Martyrien derselben Heiligen". Diese Altar aufbauten schuf Gabriel Mäleßkircher, Maler in München und Schwager des Abtes.170 Die Kirchenausstattung wurde darüber hinaus durch kostbare Reliquiare, Kelche und Meßgewänder bereichert. Die drei Klosterpatrone Quirinus, Castorius und Chrysogonus erhielten neue steinerne Hochgräber im Chor der Kirche, seitlich bzw. hinter dem Hochaltar.171 Als Abschluss der Baumaßnahmen am Kloster wurde angesichts der immer wieder unruhigen Zeiten im Jahr 1477 „die Befestigung begonnen zur Ehre Gottes, zum Schutz des Klosters und als Zuflucht der Armen in Kriegszeiten, und wurde in neun Jahren beendet und vollendet mit Mauern und Verteidigungsanlagen gegen Land und See, und kostete - alles zusammengerechnet - rund 10.000 Rheinische Gulden"172. Baugeschichte und zur Funktion [I: Text], in: Oberbayerisches Archiv 100 (1975) 1-141, hier: 59-63. 168 Zu baulichen Auswirkungen der Reform vgl. exemplarisch: Jürgen SYDOW, Sichtbare Auswirkungen der Klosterreform des 15. Jahrhunderts. Beobachtungen an historischen Quellen südwestdeutscher Klöster - das Beispiel Blaubeuren, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992) 209-221. 169 Cronica dominorum abbatum, fol. 43r-44r. 170 Vgl. Sophia SPRINGER, Die Tegernseer-Altäre des Gabriel Mäleßkircher (= Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München 66), München 1995. 171 Cronica dominorum abbatum, fol. 43v. Vgl. LIEDKE, Die Haldner (wie Anm. 162), 99-102, 169; Roland GÖTZ, Heilige stückweise. Drei gotische Grabsteine und ihre Geschichte, in: Tegernseer Tal 152 (2010/11) 36-37. 172 Cronica dominorum abbatum, fol. 43v-4-4r.
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Abb. 1: Die vorbarocke Klosteranlage von Tegernsee. Kupferstich von Matthäus Merian, 1644 Foto: Archiv des Erzbistums München und Freising
Abb. 2: Die vorbarocke Klosteranlage von Tegernsee. Kupferstich um 1640 Foto: Archiv des Erzbistums München und Freising
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Die älteste aussagekräftige Darstellung der so im 15. erwachsenen und dann im 16. und 17. Jahrhundert weiter ausgebauten Klosteranlage findet sich in Matthäus Merians „Topographia Bavariae" von 1644 als Teil einer Abbildung des ganzen (und in seiner Gänze ja dem Kloster gehörigen) Tegernseer Tals (Abb. I).173 Das Kloster ähnelte in seiner unregelmäßigen Anlage mit ganz unterschiedlichen Gebäuden einer kleinen Stadt, umgeben von Mauer, Türmen und Wassergraben.174 Natürlich steht im Zentrum die Klosterkirche (Nr. 1); südlich schließt sich daran das Viereck des Konvents an (Nr. 6). Es folgt der Trakt für den Abt (Nr. 5). Der anschließende Festsaalbau (Nr. 10), der sogar eine Aussichtsterrasse zum See hin besitzt (Nr. 12), ist allerdings ebenso wie der Abtsgarten am See-Eck samt Gartenhaus (der so genannten „Lust- und Wassergrotte", Nr. 14) erst unter einem weniger asketischen Abt im 17. Jahrhundert entstanden. Groß im Vordergrund stehen hufeisenförmig die Wirtschaftstrakte (Nr. 23). Besonders auffällig ist der Aquädukt, der von links her über Mauer und Graben hinweg Wasser heranführt, um zuerst die Mühle (Nr. 22) anzutreiben und dann Fischteiche (Nr. 25) und Viehstall (Nr. 24) zu versorgen. Links vorne beim Eingang zum Klosterkomplex (Nr. 27) sieht man die kleine, 1463 errichtete Pfarrkirche St. Johann Baptist „am Burgtor" (Nr. 2), die bis zur Säkularisation bestand.
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Vgl. LÄMPL, Die Klosterlärche Tegernsee I (wie Anm. 167), 14—19; Sixtus LÄMPL, Die Klosterkirche Tegernsee. Maßanalytische Untersuchungen zum Bestand, zur Baugeschichte und zur Funktion. [II:] Tafel- und Bildband (= Oberbayerisches Archiv 100, Ergänzungsheft), München 1975, Abb. 5-9. - Ungefähr gleichzeitg mit Merians Stich entstand eine zweite, großformatige und noch detailliertere Ansicht (Abb. 2); das Exemplar im Archiv des Erzbistums München und Freising (AEM GST 20580) trägt eine handschriftliche Nummerierung der Gebäudeteile, eine zugehörige Legende ist allerdings nicht erhalten. Vgl. Michael HÄRTIG, Bayerns Klöster und ihre Kunstschätze von der Einführung des Christentums bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein Bilderbuch für alle Freunde bayerischer Kunst. I. Band: Die Klöster des Benediktinerordens. 1. Heft: Die Benediktinerstifte in Oberbayern, Dießen 1913, 56 (mit einer wohl aus Merian abgeleiteten Legende); LÄMPL, Die Klosterkirche Tegernsee I (wie Anm. 167), 19-22 (zu einer auf Pergament gemalten Version der Ansicht: München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plansammlung 19549). 174 Vgl. Wolfgang BRAUNFELS, Abendländische Klosterbaukunst (= DuMont Dokumente: Kunstgeschichte in Deutung und Dokumenten), Köln 1969, 233-235.
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12. Das Erbe der Reformepoche Angesichts der vollendeten Klosteranlage sei abschließend gefragt: Was ist geblieben aus Tegernsees Reformepoche im 15. Jahrhundert? Zunächst: Eine religiöse und wirtschaftliche Grundlage, die so tragfähig war, dass sie - bei allen zwischenzeitlichen Schwankungen175 - auch durch die Reformation oder den Dreißigjährigen Krieg nicht nachhaltig erschüttert werden konnte.176 Zweitens: Das von der mittelalterlichen Chronik gezeichnete und von deren barocker Fortsetzung übernommene177 Bild einer Idealzeit klösterlichen Lebens, das für die Folgezeit vorbildlich blieb. Predigten von Johann Keck in einer durch Abt Quirin Rest (1568-1594) besorgten Ausgabe gehörten zu den ersten Büchern, die in der 1573 eingerichteten Klosterdruckerei erschienen.178 Zahlreiche Tegern175
So sah sich schon Abt Konrads Nachfolger, der durchaus reformerisch gesinnte und wirtschaftlich erfolgreiche Quirin I. Regler (1492-1500), durch Vorwürfe aus einem Teil des Konvents, er weiche von der alten Observanz ab, veranlasst, von seinem Amt zurückzutreten. Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 2), 170-180. 176 Vgl. LINDNER, Tamilia S. Quirini I (wie Anm. 23), 62; Joachim ANGERER, Reform von Melk, in: Ulrich Faust, Franz Quarthai (Hg.), Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum (= Germania Benedictina 1), St. Ottilien 1999, 271-313, hier: 281: „In einer Reihe von Klöstern ist jedenfalls die Nachhaltigkeit des Erfolgs der Melker Reform bis über die Reformation, ja bis zur Säkularisation (in Tegernsee) hinaus nachzuverfolgen." - Zu den bei Visitationen in den Jahren 1560, 1581 und 1800 festgestellten Verhältnissen siehe: Anton LÄNDERSDORFER, Das Bistum Treising in der bayerischen Visitation des Jahres 1560 (= Münchener Theologische Studien. I. Historische Abteilung 26), St. Ottilien 1986, 510-514; Bruno ALBERS, AUS Vaticanischen Archiven. Zur Reformgeschichte des Benedictiner-Ordens im XVI. Jahrh, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 22 (1901) 113-131; Stephan KAINZ, Die letzte Visitation in der bayerischen Benediktiner-Kongregation, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 53 (1935) 344-375, hier: 363-364 (Nr. 14). 177 Die Cronica dominorum abbatum bildete unverändert den ersten Teil der Tegernseer Klosterchronik, die für die Jahre 1493-1720 von P. Alphons Hueber fortgesetzt und so 1721 in der großen Quellensammlung von Bernhard Pez gedruckt wurde. Vgl. SCHMEIDLER, Studien zur Geschichtsschreibung (wie Anm. 44), 64—65, 95; PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 479, 551, 574; ebd., Observationes praeviae in tertiam partem tertii tomi thesauri anecdotorum novissimi, XXVI. Wie aus einem Brief Huebers an Pez vom 21. Februar 1718 hervorgeht, arbeitete er damals (und wohl schon mindestens seit 1716) an einer Fortsetzung der spätmittelalterlichen Klosterchronik: „[...] ego, quantum oeconomici labores continui admittunt temporis, illud in silentio impendo Chronicae nostrae describendae et a tempore nobilissimi Caspari abbatis nostri continuandae ad nostra usque tempora [...]". Freundliche Mitteilung von Dr. Thomas Stockinger, Universität Wien, aus den Vorarbeiten zum zweiten Band der Edition Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez (wie Anm. 179). 178 Selectiorum Reverendissimi Patris D. Ioannis Kekkii, s. theologiae artiumque liberalium magistri & decretorum doctoris, monachi Tegernseensis, sacrorum sermonum sylvula, quae sequutorum
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seer Texte aus der Reformzeit wurden 1712 durch den Klosterchronisten P. Alphons Hueber an den großen Melker Gelehrten P. Bernhard Pez übersandt, der diese teilweise in seiner „Bibliotheca ascetica antiquo-nova" abdruckte.179 Abt Kaspar trat sogar im Singspiel zur Tausendjahrfeier Tegernsees 1746 auf, zusammen mit dem hl. Godehard (der kurzzeitig 1001-1002 als Reformabt in Tegernsee wirkte)180 als Verkörperung des „Eifers für das Haus des Herrn". Gemeinsam verkünden sie dem darniederliegenden Kloster Tegernsee den Anbruch einer neuen Epoche des Klosterlebens.181 Bezeichnenderweise wurden bei der barocken Neugestaltung von Kirche und Kloster, die den Verlust fast aller mittelalterlichen Abtsgräber mit sich brachte, gerade die Gebeine Abt Kaspars in die neue Klostergruft überführt.182 Drittens erlauben die umfangreichen spätmittelalterlichen Bestände aus Archiv und Bibliothek, heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv bzw. der Bayerischen Staatsbibliothek, einen tiefen Blick in die damalige Zeit. Schließlich kommen dazu das bis heute bestehende, im Barock und nochmals im Klassizismus überformte Kirchengebäude samt doppelstöckiger Sakristei und eine Reihe hochrangiger, auch in ihrer theologischen Aussage eindrucksvoller Kunstwerke183. Zwei davon bergen möglicherweise noch eine weitere Erinnerung an die
doctißimi & pijßimi viri operum veluti gustum quendam legentibus exhibere potest, Tegernsee 1574. Vgl. Brigitte AMÄNN, Die Buchdruckerei der ehemaligen Abtei Tegernsee, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 60 (1946) 99-189, hier: 179. 179
Vgl. Christine GLASSNER, Neuzeitliche Handschriften aus dem Nachlaß der Brüder Bernhard und Hieronymus Pez in der Bibliothek des Benediktinerstiftes Melk (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Denkschriften 372; Veröffentlichungen der Kommission für Schrift und Buchwesen des Mittelalters IV,7), Wien 2008, 121-126 (Cod. 1637); LINDNER, Familia S. Quirini II (wie Anm. 26), 283-292; Thomas WALLNIG, Thomas
STOCKINGER, Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez. Text, Regesten, Kommentare. I: 17091715 (= Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 2,1), Wien M ü n c h e n 2 0 1 0 , 4 1 0 - 4 1 6 (Nr. 2 5 5 ) , 4 4 8 ^ 5 7 (Nr. 2 7 3 ) , 4 5 8 ^ 6 0 (Nr. 2 7 5 ) u n d 4 7 5 ^ 8 0 (Nr. 288). 180
Vgl. GEIGER, Kloster Tegernsee (wie Anm. 1), 26-27. 181 [Castorius Zeitler,] Mille anni ante oculos. Oder Tausend Jahr Des Uralten und Befreyten GottsHauß Tegernsee Anno M.DCC.XLVI. Als von Einweyhung desselben glorreichen Tausenden Jubel-Jahr Vor Augen gestellet Auf öffentlicher Schau-Bühne In dem gedachten Stüfft und Closter Tegernsee, nach dessen angefangter Erbauung ebenfahls Im Tausend siben- und zwaintzgisten Jahr, Tegernsee 1746. 182 Vgl. LINDNER, Familia S. Quirini I (wie Anm. 23), 65. 183 Alle Bildtafeln des Hochaltars sind erhalten, heute verteilt auf vier deutsche Museen (Bayerisches Nationalmuseum, München; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Diözesanmuseum für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising, Freising; Bode-Museum, Berlin). Dazu kommt die sogenannte Lettnerkreuzigung (Alte Pinakothek, München). Teile der Seiten-
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Tegernseer Reformzeit: Eine von Gabriel Anglers Hochaltar-Tafeln zeigt die Beisetzung der Quirinus-Reliquien in der Klostergruft (Abb. 4). Die dabei anwesenden vier Geistlichen mit Stab und Mitra können nur die in der Quirinuslegende erwähnten drei Bischöfe und der Abt von Tegernsee sein; mit letzterem kann wiederum nur der Gründerabt Adalbert gemeint sein184 - ungeachtet dessen, dass nach heutigem Kenntnisstand die Reliquientranslation erst nach seinem Tod stattfand. Ohne in die kunstwissenschaftliche Diskussion um das Kryptoporträt im Mittelalter185 eindringen zu wollen, soll hier der Eindruck formuliert werden, dass sich das Gesicht eines dieser Geistlichen (des zweiten von links) deutlich von den „Allerweltsphysiognomien" der übrigen unterscheidet, und dass dieser gemalte Abt Adalbert wiederum dem aus Stein gehauenen auf dem Stifterepitaph (Abb. 3) ähnlich sieht. Es wäre aufschlussreich für die Selbstsicht Abt Kaspars als „zweiten Gründers", wenn man annehmen dürfte, dass er in diesen beiden von ihm in Auftrag gegebenen und zu seinen Lebzeiten entstandenen Bildwerken sich selbst in Gestalt des Klostergründers darstellen ließ.
altäre von Gabriel Mäleßkircher sind in verschiedenen Museen erhalten (Bayerisches Nationalmuseum, München; Staatsgalerie Burghausen; Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid; Museum Tegernseer Tal, Tegernsee), ebenso Teile des Chorgestühls (Bayerisches Nationalmuseum München; Museum Tegernseer Tal, Tegernsee). Statuetten des Chorgestühls wurden in den Kirchen von Gmund und Schaftach zweitverwendet. In der ehemaligen Klosterkirche befinden sich Teile des Stifter-Hochgrabs und der Epitaphien der Klosterpatrone sowie - als einzige noch in Gebrauch stehende Objekte - die große Monstranz von 1448 und ein wohl von Hans Haldner geschaffener Kruzifix (vgl. Anm. 163). 184 Vgl. WEISSENSTEINER, Tegernsee, die Bayern und Österreich (wie Anm. 13), 254. 185 Vgl. Adolf REINLE, Das stellvertretende Bildnis. Plastiken und Gemälde von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, München - Zürich 1984, 144—146; Friedrich POLLEROSS, Das sakrale Identifikationsporträt. Ein höfischer Bildtypus vom 13. bis zum 20. Jahrhundert (= Manuskripte zur Kunstwissenschaft 18), Worms 1988, bes. 1-77.
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Abb. 3: Deckplatte des Hochgrabes der Klosterstifter von Hans Haldner, 1457 Foto: Erzbischöfliches Ordinariat München, Kunstreferat
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Abb 4.: Beisetzung der Ouirinus-Reliquien in Tegernsee. Tafelbild vom Hochaltar der Klosterkirche von Gabriel Angler, 1445 Foto: Bayerisches Nationalmuseum,
München
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Roland Götz Die Klosterchronik für die Amtszeiten der Ä b t e Kaspar Aindorfer ( 1 4 2 6 - 1 4 6 1 ) u n d K o n r a d Airinschmalz (1461-1492) 1 8 6
fol-37r
foi. 37v
Caspar
abbasm
Praeterea cum divina dementia hunc locum in spiritualibus et temporalibus desolatati miserationis intuitu inviseret atque malis plurimis, quibus in utroque statu involuta erat, finem imponere decrevisset (nam tanta tunc erat vitae regularis destitaio, ut paene nichil nisi vix habitus solius modica apparentia remansisset, nam etiam monachos se fratres vocari indigne ferebant) suscitavit Dominus spiritati illustris principis domini Wilhelmi ducis Bavariae, qui visa regulari observantia per patres monasterii Sacri Specus auctoritate sacri concilii Constantiensis in ducatu Austriae introducta, dirigente eum post Deum in cunctis venerabili in Christo patre domino Johanne, dicto Grüenbalder, decretorum doctore, tunc ecclesiae Frisingenis in spiritualibus vicario et post ibidem episcopo, auctoritate apostolica, videlicet domini Martini papae quinti, et ordinaria domini Nicodemi episcopi locum hunc anno Domini MCCCCXXVI, cum religiosis viris ordinis nostri, videlicet Petro de Rosenhaim monacho Mellicensi, et Johanne de Ochsenhausen postea abbate Scotorum Wiennae, et Johanne decano postea praeposito in Undenstorff, necnon aliis honorabilibus viris coassump- / tis personaliter visitavit. Et praefato domino Hildebrando, ut supra patat, 188 abbatiam resignante, elegit de eorundem visitatorum Consilio per viam compromissi venerabilem in Christo patrem et dominum, dominum Caspar cognomine dictum Ayndorffer, inter sacerdotes huius congregationis tunc novissimum et iuniorem aetatis annorum circiter viginti quatuor. Qui auxiliante sibi Deo locum ipsum, ut hodie cernita, nedum in observantia regulari, sed et in temporalium statu adeo sublimavit, ut post primam monasterii spoliationem per impium Arnoldum Schyrensem comitem et Noricorum ducem factam, monasterium ipsum in rebus et personis nunquam adeo profecerit, ut fimdator secundus monasterii digne nomineta. 186
Reinschrift: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072, fol. 13v-45v. - Die Wiedergabe erfolgt nach folgenden Grundsätzen: Die Schreibung von e bzw. ae, c bzw. t und y bzw. i, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zeichensetzung richten sich weitgehend nach heutigem Brauch. U, v und w sind nach Lautwert geschieden. Abkürzungen sind aufgelöst mit Ausnahme der Währungsangaben „flor. R." („floreni Reinenses"), „lb. d." („libra denariorum") und „s. d." („solidi denariorum"). Die im Original sehr spärliche Absatzgliederung wurde neu gestaltet. 187 Überschrift in Rot am Rand. 188 Cronica dominorum abbatum (wie Anm. 6), fol. 37r: „Hic anno Domini MCCCCXXVI abbatiam resignavit et residuum vitae suae in omni honestate consummavit. Obiit autem postea anno Domini MCCCCXLVI nonas Iunii, sepultus in ambitu ante capitulum." Vgl. PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 537.
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De qua monasterii visitatione et eius reformatione sunt versus isti per patrem Petrum de Rosenhaim Sacri Specus primo et post Mellicensis coenobii monachum conscripti, videlicet:189 Transactis mille vigenis sex simul annis Et quadringentis auctore Deo venerandus Grünwalder, doctor, Frisingensis vicepraesul, Eximius dominus faltus virtute superna Res nova! Coenobium praesens hoc visitat, atque Normam vivendi cum collegis sibi iunctis Sanxit servanda monachis vitamque reformat. Ergo Dei monitu frater mala facta priora Exclusis vitiis tu corrige lege professa. Haec ille. Igitur reverendus pater dominus Caspar administrationis et curae pastoralis onere in se suscepto considerans iuxta regulae sancti patris nostri Benedicti sanctionem, animarum salutem caducis et transitoriis semper fore praeferendam, institutioni vitae regularis a patribus sibi traditae fideliter inten- / debat, subditos sibi non ver- foi. 38r bis tantum, sed etiam exemplis salutaribus antecedebat. Et quantum cura domestica, quae in annos plures ei fait onerosa, permisit, frequenter orationi, lectioni sacrae et fratrum disciplinae intendebat. Summaque cura ei fait in augmento gregis sibi commissi, ne observantia regularis per eum coepta ob personarum penuriam aliquando lapsum pateretur. Ubi non parvam annis pluribus difficultatem expertus ob renitentiam fratrum quorundam, qui minus discrete de carnis suae et parentelae nobilitate gloriantes, praeter nobiliter secundum saeculum190 natos iuxta usum, imo verius abusum antiquum neminem admittendum iudicabant. Quos cum pater prudens ad maiora vitanda molestare formidaret, plurimum sapienter dissimulabat. Siquidem ipsi saeculares nobilistae, qui antea studebant pueros suos huic loco offeree, spe sua in vita regulari iam noviter assumpta se fraudari videntes, ad offerendum filios suos tardiores reddebantur. Sed et venerabilis Abbas non nisi adultae et legittimae aetatis idoneosque ad conversionem venientes absque personarum acceptatione cum Consilio congregationis libenter suscepit. Inter quos aliis fiduciam veniendi praebens ad hunc locum convertendus primus advenit magister Johannes Kekh de Giengen sacrae paginae et artium professor, qui per triennium prioratus officium strenue rexit. Cuius fama 189 190
In der Handschrift ohne Zeilentrennung. Die Buchstabenfolge der Handschrift kann entweder als „saeculum" oder als „scilicet" gelesen werden; der Druck bei PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 539, bietet „saeculum scilicet".
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celebri permoti plures sanctae religionis zelo provocati ad conversionem venerimi, ita, ut infra paucos annos fratram coetus numerarti quadragenarium imo et quinquagenarium ad- / aequaret. Qua in re venerabilis abbas vota sua cernens adimpleri, cum coenobium in observantia regulari et personis quotidie conspiceret adaugeri, laetatus est in Domino valde, asserens constanter, quod, postquam religio in loco auxiliante Deo crescere coepisset, etiam opes terrenas divina bonitas copiosius adiecisset, quod revera eventus ipse rerum ostendit. Et quamvis debita per abbates et fratres ante reformationem contracta ac per eum excredita pro comparandis observantiae regulari tam in libris quam reliqua suppellectili necessariis extenderent se ultra quatuordecim milia florenoram, nichilominus tamen hospitalitatem in pauperes et ad omnes decenter regebat. Nam et supra elemosinarti, quam libens pauperibus et egenis impendebat, et expensas, quas in aedificiis faciebat, frumento nichilominus et vino habundabat, nec vetera deficiebant, quoadusque nova advenirent. Sed et monasterii redditus notabiliter ampliavit, nam ut cetera sileamus, cum antecessoram negligentia et dissmulatione noxia coloni monasterii intra districtum Anguli pieno iure monasterio attinenti eradicata in montibus et planis sibi in ius proprium vendicassent, iamque eadem vendendo et emendo inter se pro libitu commutarent, augereturque damnum monasterii in tantum, ut tertia pars Anguli a monasterio alienata fere videretur, ipse prudenti utens Consilio, paulatim paucis exceptis singulos fundos reacquisivit, neminem vi opprimens, sed cum singulis amicabiliter componens, aliis per parats pecunias satisfaciens, alios aliis benefi- / ciis compescens. Census annuos, qui ad XL libras denarioram et amplius se extendebant, omnes redemit. Multas etiam praedioram commutationes et alienationes fecit, semper tamen studuit monasterium reservare indemne, quae singula in libris sunt fiindoram191 annotata. Denique monasterii iura et emunitates contra potentes mundi strenue defendebat. Unde dominus dux Albertus senior, monasterii advocatus, licet exactiones et steuras plures sibi subiectis imponeret, ille tamen semper se opposuit et, et una dumtaxat ei vice consensit, ea lege et condicione adiecta, ut coloni inta pontem Mangvalden a steura liberi essent, quae eatenus scripta sunt, ut legentes posteri ita faciatis.192 Admonuit autem plurimum fratres, ne quavis occasione consentirent, ut potentibus saeculi praedia monasterii aut decimae ad firmarti traderentur, asserens inde monasterium plurimum fore damnificatum; quod quidem de praediis intra pontem Mangvalden constitutis servandum seriosius persuasit, quatenus libera colonos in 191
In der Handschrift hier fälschlich: „fimdatorum". Vgl. aber die entsprechende Formulierung in fol. 40v. 192 Hier am Rand in Rot: „Nota".
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eisdem instituendi et destituendi apud monasterium facultas remaneret; ne denique eisdem, sicut aetate nostra tempore Hildebrandi abbatis accidit, rebellandi et a potestate monasterii se eximendi materia praeberetur; et ne postea in foro iudicii pro acquisitione honorum monasterii gravissimas et cum maximis fatigis facere cogerentur expensas. Fuit itaque ei frequens studium ad restaurandum monasterii aedificia, quae dietim ruinam minabantur, inter quae notabiliora aedificia, quae fecit, ob memoriam recitemus. Inprimis anno Domini / MCCCCXXIX chorum superiorem usque ad foi. 39v gradus a fundo cum crypta et sacristia ad austrum inferiori et superiori et basilica super memoria sanctae crucis opere testudinato erexit, quem chorum ex post anno Domini MCCCCXLVI a gradibus usque ad dictam basilicam testudinavit. Adauxit etiam notabiliter thesaurum ecclesiae in ornamentis, calicibus, libris missalibus, cantualibus et ceteris. Bibliotecam vero cum omni solicitudine restaurare curavit. Codices veteres quam plurimos pretio comparavit; sed et novos, quos manu scriptorum conductorum pro fratrum studio scribi permisit, qui tamen libri singillatim nominari non possunt. Praeterea thesaurum ecclesiae in sanctorum reliquiis notabiliter augmentavit, quas ab aliis ecclesiis et monasteriis multa solicitudine impetrans etiam decenter adornavi! Nam anno Domini MCCCCXLVIII comparavit pretiosam illam imaginem pectoralem auro et gemmis decoratam, ponderantem marcas LX, in qua caput et maior pars corporis sancti Quirini condita est. Denique anno sequenti comparavit monstrantiam magnarti deauratam et argenteis imaginibus adornatam. Porro calices argentei ipsius tempore renovati et de novo per eundem comparati numero sunt XXII. Calicem quoque de auro purissimo et optimo in ansa gemmis pretiosis decoratati ipse renovare [!] et in formarti debitam reduci procuravit. Porro campanam maiorem XXXVII centenarios ponderantem comparavit. Ornavit etiam altare summum anno Domini MCCCCXLV tabula magna. Denique opus sedilium in choro fratrum / artificiosum valde anno Domini MCCCCL inceptum annis tribus foi. 40r et semis perficita. Cuius operis architectus fuit frater Johannes de Reychenwach laicus conversus huius monasterii. Exteriorem quoque domum in curia a fundo per duas aestates cum omnibus officinis necessariis et repositorio decimarum erexit. Quo in tempore infra biennium piscinam in Jorgenried congregavi et sequenti anno aliam in aquis prope Harpenning in loco, qui dicita Stumpspach, colligere coepit, sed perficere nequivit. Quae piscinae ex Consilio peritorum in arte piscandi nunc desertae et vacuae aquis et piscibus derelictae sunt; et omnimodis suademus abbatibus succedentibus, ne in eisdem expensas ultra faciant, quia sine fructu et cum magno damno monasterii id fieret. Ordinavit etiam molendinum cum pistrino infra coenobii septa contra multorum spem, unde plurimum emolumenti monasterio provenit. Fodit etiam illis in temporibus puteum aitati in Holzkirchen cum labore grandi per triennium, priusquam aqua reperireta, cuius expensae ad UIC libras denariorum se extendebant, ubi et domum
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foi. 40v
foi. 4ir
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muratam comparavit. Sed et capellam muratam ad fontem sancii Quirini de novo erexit, quae prius lignea fliit. Eius etiam temporibus trans lacum ex opposito capellae iam dictae reperta est vena per fratres olei petrolei usque ad praesens tempus manans, quo liniti, praesertim paralytici et contracti, pristinae sanitati plures sunt restituti; praecipue tamen contra ustiones efficacissimum solet adhibere remedium. Insuper anno Dominicae incarnationis MCCCCLV ad instaurandum loca et officinas conventus totum se dedit, ac deinceps an- / nis sequentibus vetera destruens, nova prout hodie cernuntur infra quinquennium erexit, scilicet dormitorium, ambitati, refectorium, infirmariam, domum hospitum, abbatiam, cellaria et cetera. Ea quoque tempestate librum fundorum monasterii et reddituum, iurium et consuetudinum pro futura fratrum instructione magna cum diligentia colligens per unum de fratribus scribi ordinavit. Privilegia quoque monasterii, quae antecessorum negligentia dispersa fuerant, diligenter recollegit et in archa speciali sub custodia plurium clavium reposuit, quae, ne, ut olim, causa testificandi extra monasterium efferri opus foret, autentica manu potiora ex eis transsumi fecit, quae et notabiliter adauxit. Nam a summis pontificibus Martino quinto, Nicolao quinto, a concilio Basiliensi, a cardinalibus, legatis et episcopis, a rege et post imperatore Sigismundo sub bulla aurea, similiter a Friderico III. moderno Romanorum imperatore, et aliis principibus Bavariae et Austriae privilegia plura nova et antiquorum confirmationem impetravi! Rursum anno Domini MCCCCXLV, cum capella sancti Andreae, ubi tumuli erant fiindatorum, terra implenda esset, et murus unus a latere meridionali, cui dictum sepulchrum annexum erat, erigendus esset, aperta sunt cum magna reverenda praefata sepulchra, ubi a sexcentis et amplius annis corpora eorundem venerabilium et sanctae memoriae principum et dominorum in Domino quieverunt, et praesentibus conventu et populo utriusque sexus collecta sunt cum magna diligentia ossa eorum, et per ambitati cum cantu et pulsu religiose per ecclesiam usque ad / chorum ante altare maius reportata, atque non longe post ad ecclesiam maiorem ante altare sanctae Crucis in novo marmoreo sepulchro posita sunt, ubi et [hjactenus recondita manent. Denique ob commendationem ipsorum fimdatorum iam dictum sepulchrum metrorum epithaphio talismodi est ornatati:193
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In der Handschrift ohne Zeilentrennung.
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Annis a Domini nati de virgine Christi Cum rota D duo, C revolvit quater, X quinque Diva sunt orti parili progenie sorti Inter primores tunc cunctis celebriores. Burgundi sunt patre, sed editi Bavara matre. Albertum primum die, Ockariumque secundum. Hii multa vere qui divitias habuere, Sed Christo grati sunt linquere cuncta parati. Hinc gladios arae fratres simul imposuere. Trabeas hinc clamidemque libens deponit uterque. Legibus addicti sua sponte sunt Benedicti, Qualibus, ut valeant regi militare decertant. Insuper salvari feliciter atque beari. Hic fratrum frater, sed alter efficitur pater. Horum hac fossa clauduntur pariter ossa. Mundo sublati mira patrant hic tumulati. Daemone testato possessus, dum liberato, Tumbam dum tangit, ut fugiat, zabulum angit. Christe sanctorum cum sis corona iustorum, Hiis conregnare Iesu nos facito care. Anno milleno quadrinque quindeno septeno Post incarnatoti Dei verbum virgine natoti Hoc gubernante monasterium ac renovante Caspar abbate lapis perficito iste. Hiis ita, ut praefertur, omnibus patratis vir ipse venerabilis, cuius singula gesta satis et ad plenum / referre non possumus, cum iam statoti monasterii annis fi>i.4iv XXXIIII et sex mensibus in spiritualibus et temporalibus laudabiliter gubernasset, postque plurima et gravia, quae in suo corpore pertulit mala, cum se sentiret ad exitum iam propinquare, presentibus fratribus universis eos multis salutaribus monitis salubriter perhortans optata dataque benedictione paterna, anno Domini MCCCCLXI, aetatis vero suae LX, recepto secum devotius viatico, corpore videlicet et saguine Dominico, necnon sacro perunctus oleo XVII die mensis Ianuarii portas mortis horridas pertransiens, ac luci vitae praesentis valefaciens, paulo post solis occasum, solem adiit, qui nescit occubitum. Cuius corpus fratres in medio chori honorifice seplierunt, sub marmore condentes rubeo, cuius tale epitaphium existit:194
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In der Handschrift ohne Zeilentrennung. - Übersetzung: Anm. 2), 259-260.
WESSINGER,
Kaspar Aindorffer (wie
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Roland Götz
Pausai in hac tumba Caspar venerabilis abba, Qui Domino placuit, hic homo dum viguit. Istic ille chorum primus renovans monachorum Verbis quae docuit, moribus haec coluit. Valde locum vilem tunc iste repperit idem. Destruxit vetera, construit atque nova. Plurima, quae cernis hic muris structa modernis, Confecerat ex proprio strennuus ingenio, Continuans atque vigilanter nocteque dieque Coenobium variis hoc decorare muris. Duxerat en vitam Caspar pater iste beatam Moribus abbatis cum pietate patris. Aetatis flore sponsi currens in odore Pluribus exemplum praebuit ipse bonum. Spiritus post carne Ianuario solvitur mense. Ter dénis annis praefuit hic monachis et quatuor semis, Qui dum / vivebat, monachos in rigore regebat. Qui legis haec, oro, funde preces Domino. Hic quoque dicentes sint cuncti praegredientes: Huic superam lucem da Deus et requiem. Amen.
De abbate Conrado Defuncto divae memoriae domino Caspare abbate canonice et concordi fratrum electione successit ei in regimine dominus Conradus V1'" huius nominis, dictus Ayrinsmaltz de Weilhaim nostrae congregationis professus. Hic fuit vir mitis et humilis, in omnibus sequens vestigia sui antecessoris. Fratres suos non solum verbis, sed et exemplis salutaribus praeibat, quorum fratrum numerarti frequenter circa quinquaginta habuit, magnoram operarti patratoram [!], commune bonum privato semper praeponens. Fuit itaque ei magnum studium, ut interius et exterius aedificia reformarentur, et thesaurus ecclesiae augmentarentur. Nam in tertio anno sui regiminis in honore sanctorum patronoram nostroram Petri et Pauli apostoloram procuravit duo brachia argentea, in quibus inclusae sunt reliquiae eorandem, appenduntque octo marcas argenti. Et constant octoginta quinque florenos R. Deinde comparavit monstrantiam sexangularem in honore sancti Colomanni martyris patroni nostri in Austria pro LV fior. R. Item monstrantiam tabularem in honore sancti Hainrici et sanctae Kunegundis virginis pro quadraginta octo florenis R. Postea monstrantiam cum ovo foi. 42v strutionis ma- / iorem in honore sancti Stephani pro LXXXVI florenis Reinensibus. Item monstrantiam magnarti et pretiosam cum imagine beatae Mariae virginis pro quingentis et LXXV florenis Reinensibus. Item imaginem beatae virginis sole
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amictam pro LV florenis Reinensibus. Item imagines sancti Benedicti abbatis et sanctae Scolasticae virginis pro CCCIIII florenis Reinensibus. Item pectorale rotundum cum lapidibus pretiosis de puro auro cum kathenula et cruce inde pendente pro LXVIII florenis. Item superiorem partem, scilicet curvum baculi pastoralis maioris pro CCC florenis R. Item infialarti maiorem pro C florenis R. praeter XIIII diversa receptacula reliquiarum magna et parva, et XVIII calices sub suo regimine monasterio oblata ad fraternitatem. Deinde comparavit unam cappam rubeam et duas dalmaticas de Samat, et tres rubeas cappas de Schamaloth flavei coloris [!]. Duas casulas de Samat et unam de Schamaloth et duas cappas viridis coloris; unam cappam et duas dalmaticas discolores bruni coloris. Duas casulas et duas dalmaticas de serico nigri coloris. Duas casulas et duas dalmaticas de serico nigri coloris. Cappam unam, casulam unam et duas dalmaticas de Samat. Item cappam unam, casulam unam et duas dalmaticas de Samat discolori. Ornatum de Damasco pro sacerdote, duas casulas et duas dalmaticas de Schamaloth, demptis oblatis ad fraternitatem. Porro vasa argentea / ab ipso procurata et empta sunt haec: Primo emit duo vasa ii. 43r argentea deaurata cum pedibus et operculis, proprie ain Scheyren, et unum piccarium magnum argenteum cum pede et operculo pro CL fior. R. Aliud vas argenteum deauratum cum pede et operculo proprie ain Scheyrn. Item VII violas pro L fior. R. Item unum ciffum argenteum deauratum cum arietibus pro XXXIIII fior. R. Item unum piccarium argenteum cum pede et operculo. Aliud piccarium sine pede, sed cum operculo. Item IUI piccaria argentea praeter ea, quae oblata sunt ad fraternitatem. Item emit ornatum rubeum deauratum. Libros vero ad bibliotecam cum omni diligentia, labore et pretio augmentavit. Comparavit enim circa CCCCV Volumina, praeter volumina a fratribus scripta et a devotis personis ad fraternitatem oblata, et Constant MC libras denariorum. Hic etiam anno Domini MCCCCLXXX a duce Adalberto impetravit Privilegium de exactione vini, proprie Ungelt in taberna nostra circa monasterium, ita ut in futuro de vase Italico dentur XII s. d., de ternario Australi X s. d., de parvo vase Suevicali V s. d. Item eodem anno aliud Privilegium de ponte et vallo circa Castrum Aybling. Et ut ob memoriam successorum aedificia notabiliora, quae fecit, specificemus: Testudinavit primo anno MCCCCLXI cellarium conventus pro vino. Item officinam calcis, et super eam armamentarium locavit. Et anteriorem partem in exteriori coquina. Pistrinum cum molendino. Stabulum interius circa fontem pro equis. / fi>i.43v Item fabrile. Item secundo anno granarium magnum, et in duobus annis complevit. Item ecclesiam parochialem exterius in pomerio; et constat CCCCLX fior. R. de
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foi. 44r
Roland Götz
rebus monasterii.195 Item domum pro hospitibus feminei sexus exterius circa granarium. Item pontem super Mangkfald; constat CL R. fior. Misit depingere capellam sancti Andreae apostoli et alia. Item aedificavit bibliotecam novam. Item coepit aedificare ecclesiam anno Domini MCCCCLXXI et complevit eam in Septem annis cum omnibus absidibus et capellis, et sacristiam communem fratram.196 Et singula altaria de novo in ea erecta, cum novis sanctorum patronoram ecclesiae et alioram sanctorum inibi reliquiis reconditis una cum ecclesia praefata consecrata est [!] anno Domini MCCCCLXXVI. Et prout cunctis cernentibus patet, pulchris tabulis cum vitis, miraculis atque martyriis eorandem sanctorum eleganter decorata. Ex quibus omnibus habetur numerus XIIII tabularam, quarum quaelibet pro LXXXX fior. R. est comparata, et exurgit omnium tabularam summa MCCLX fior. R. Novissime basilicam sancti Michaelis anno Domini MCCCCLXXXII ampliavit et versus ecclesiam et absides pulchre decoravit; et constat CCXX fior. R. Rursum anno Domini MCCCCLXX tria sepulchra sanctorum patronoram ordinavit et eoram reliquias intus collocavit; et constant CVI fior. R.197 Anno Domini MCCCCLXXVII inceptum est fossatum ad honorem Dei, ad tutelarti monasterii et refugium pauperam in litibus, et in novem annis finitum et completum cum muris et propugnaculis versus terram et lacum; et con- / stat omnibus computatis circa decern milia fior. R. Penultimo et ultimo anno sui regiminis MCCCCLXXXIX et LXXXX anno aedificavit ecclesiam retro in Angulo ad sanctum Leonardum de rebus monasterii; et constat omnibus computatis circa septingenta lb. d.198 Etiam sub eius regimine scilicet anno Domini MCCCLXVI aedificata est Ecclesia de novo sancti Laurentii in Eger[n] ex sua industria et diligentia, et turrim
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Vgl. die entsprechende Notiz im Anschluss an die Cronica dominorum abbatum in München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072, fol. 50v-51r. Vgl. PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 587589. 196 Zu Kirchenbau, Weihe und Austattung der Altäre siehe detailliert die an die Cronica dominorum abbatum anschließende Annotatio consecrationis ecclesiae et altarium, in quorum honore sanctorum consecrata sunt et reliquiae ibidem reconditae sunt. München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072, fol. 46r-50v. Vgl. PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 573-587. 197 Die 1582-1586 entstandene Bearbeitung und Fortsetzung der Cronica dominorum abbatum von Johannes Fabricius fugt hier die - wohl einer zeitgenössischen Einzelnotiz entnommene Information ein: „Deinde marmor excisum supra sepulchrum praedecessoris sui Caspari pro XXXIX aureis comparavit." Vgl. SCHMEIDLER, Studien zur Geschichtsschreibung (wie Anm. 44), 63; Anonymi Monachi Tegurini Historia S. Quirini Regis et Martyris, in: Felix Andreas von Oefele, Rerum Boicarum Scriptores [...] H, Augsburg 1763, 52-80, hier: 77. 198 Vgl. die entsprechende Notiz im Anschluss an die Cronica dominorum abbatum in München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1072, fol. 51v-52r. PEZ, Thesaurus (wie Anm. 3), 589-590.
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altius erexit, et duas novas campanas emit, ad quam ipse una cum conventu obtulit L fior. R. Huius etiam tempore candela magna circa altare beatae Mariae virginis a Johanne balneatore nostro et Margaretha uxore sua fondata est, ita ut quotienscumque ibidem missa celebrato, semper ipsa incendato. Similiter etiam incendato ad Salve Regina post completorium. Eodem etiam tempore Udalricus Leittner cocus noster et Barbara uxor eius fundaverunt, ut omni die post completorium ad Salve Regina in altari beatae virginis Mariae duae candelae cereae incendanto; similiter ut illae candelae in patrociniis altarium in primis vesperis et sub officio principali in eisdem altaribus ardeant. Ne autem monasterii redditus et praedia sub suo regimine empta et ampliata a diversis et in diversis locis Bavariae a memoria successorum excidant: Emit primo annuatim XII s. d. ex nostris tribus feodis in Gachensolen. Item emit curiam et alia feoda in Ostuyen pro MCCCCLXV fior. R. Item aliud feodum ibidem pro CXCIX fior. Item / aliud feodum in Ostyen pro LXX fior. Item unum pratum proprie ain foi. 44v Anger sub Niderschuss pro CXII fior. R. Item aliud feodum super Sweinperg pro XV fior. R. Item curiam in Aichloch: Item curiam in Niderhaslang pro CCLXXXVII fior. R. Item curiam199 emit in Swerzenpach pro DCCCCXLI fior. R. Item emit domum muratam, [hjortum et attinentia pro taberna in Gmunden pro CLXXX fior. R. Item curiam in Habichau pro CCCL fior. R. Item emit quoddam feodum in Egelsee pro XL fior. R. Item pratum super Pfistertradt pro LXIII fior. R. Item emit aliqua feoda ab ecclesia in Wäkirchen pro CCXXIII lb. d. Emit unam heubam in Kurzenperg et unum feodum in Grosenhartpennig et pratum unum proprie ain Anger circa Stumpfpach pro CCLXX lb. d. Item unum moldendinum proprie die Holtzmül in Egling pro CXX fior. R. Item ibidem pratum magnum proprie den grossen Anger pro CCCCXXXIII fior. R. Item emit curiam in200 Gotzing et decimarti ibidem, quae intrat in curiam pro mille et V fior. R. Item emit feodum in Marschalck pro CLXXXIIII fior. R. Item tres lb. d. annuatim advocatiae ex nostris feodis in Bergertzhausen, et ex duabus heubis pro CXL fior. R. Haec supra nominata et potiora emit in superioribus partibus Bavariae; parva et minora causa brevitatis obmissa. Nunc sequunto redditus emp- / ti in Austria. Item emit in inferiori Leuben unum foi. 45r praedium cum quinque vineis, domo et [h]orto pro CCCXVI lb. d. Aliud praedium ibidem cum quinque vineis, domo et [h]orto pro CCLXXXX lb. d. Item emit in Tirnstain duas domos, quatuor vineas et amnem proprie ain Au pro MC fior. R. Item emit VII lb. d. advocatiae in Niderleuben. Emit in Strenberg infra scripta, primo aliquos fundos in Strenberg pro CCCXVI lb. d. Iterum alios fundos ibidem
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Hier gestrichen: „in Aichloch". In der Handschrift Dittographie „in in".
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Roland Götz
pro CCC lb. d. Item emit ibidem tertiam partem decimae ex aliquibus feodis pro LXXV lb. d. Hiis iam suprascriptis et sub omni brevitate enumeratis ipsius venerabilis Patris singula gesta ad plenum referre longum foret. Cum iam statum monasterii annis triginta et uno in spiritualibus et temporalibus (ut praedictum est) laudabiliter gubernasset, sumpto secum devotius viatico, corpore et sanguine dominico, et sacro perunctus oleo, nono Kalendas Februarii hora secunda post meridiem reddidit spiritum Deo, qui creavit eum, aetatis vero suae LXVI. Cuius corpus fratres in medio ecclesiae honorifice sepelierunt sub marmore. Cuius superscriptio talis est: Anno Domini millesimo quadringentesimo nonagesimo secundo, in profesto conversionis sancti Pauli obiit reverendus in Christo pater et dominus, dominus Conradus huius nominis abbas quintus, vitae regularis zelator, fratrum ac pauperum amator, monasterii restaurator et reformator, cuius anima requiescat in pace. Amen.
Ulrike Treusch
Bernhard von Waging. De esu carnium in theologischer und historischer Perspektive
Zur Bedeutung des Themas De esu carnium für die benediktinische Klosterreform Wer nach Ansprüchen und Grenzen benediktinischer Klosterreform im 15. Jahrhundert fragt, kommt in der Regel nicht sofort auf die Nahrungsaskese und die Schriften De esu carnium zu sprechen. Deshalb soll die These dieses Beitrags gleich zu Beginn vorgestellt werden: Die Frage nach dem Genuss von Fleisch oder vielmehr der Abstinenz von jeglichem Fleischgenuss gehört zu den zentralen Themen im Werk Bernhards von Waging, in der benediktinischen Reform von Melk-Tegernsee sowie in der monastischen Reformdebatte des 15. Jahrhunderts. Ist die Abstinenz für Bernhard von Waging persönlich heilsrelevant, so ist sie aus eben diesem Grund eine Forderung der Reformer von Melk und Tegernsee und wird zu einem Streitthema der benediktinischen Reformbewegungen im deutschsprachigen Raum. Zahlreiche Schriften entstanden im 15. Jahrhundert zu diesem Thema. Die unterschiedliche Auffassung von der Strenge der Nahrungsaskese trägt sogar zum Scheitern einer benediktinischen Union bei. Das bedeutet: Die Enthaltsamkeit vom Fleischverzehr war bei den Reformern aus Melk und Tegernsee mehr als ein Bestandteil der benediktinischen Askese und damit der klösterlichen Lebensweise. Die Abstinenz wurde zwischen 1400 und 1470 zu einem Schibboleth, an dem sich Observanz, wahrer Regelgehorsam und persönliches Heil entschieden.
1. Die De-esu-carnium-Schnilcn
in der Reformdebatte
des 15. Jahrhunderts Wichtiger Bestandteil der monastischen Lebensführung ist stets die Askese, auch die Nahrungsaskese. So wird seit der verbindlichen Einführung der Regel Benedikts für das koinobitische Mönchtum im Abendland, in der Anianischen Reform des frühen 9. Jahrhunderts (816), diskutiert, ob, wann und unter welchen Umstän-
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Ulrike Treusch
den ein Benediktiner welche Art von Fleisch verzehren darf. Ob in der Kommentierung der Benediktsregel im 9. Jahrhundert oder in der hochmittelalterlichen Diskussion des 12. Jahrhunderts, immer war die Nahrungsaskese, insbesondere der Genuss von Fleisch, ein Streitpunkt, vergleichbar dem Streit um Habit und Kleidung im benediktinischen Mönchtum.1 Die strenge Enthaltsamkeit vom Fleischverzehr und besonders schlichte Kleidung wurden dabei, z. B. bei den Zisterziensern, zu einem Kriterium der eigenen Identität, galten als Kennzeichen der Observanz und dienten zugleich der Abgrenzung von anderen Klöstern mit einer laxa observantia. Die Diskussion um die Abstinenz vom Fleisch in der benediktinischen Reformbewegung des 15. Jahrhunderts steht in dieser Tradition. Zwischen 1400 und 1470 entstanden zahlreiche lateinische Schriften De esu carnium, vornehmlich von der Hand derer, die sich für eine Klosterreform einsetzten, selbst jedoch nicht unbedingt aus dem Mönchtum kamen. Häufig verfassten diese Reformer neben einer Schrift zur benediktinischen Fleischabstinenz auch Texte zur Kleidungsaskese, insbesondere zum im 15. Jahrhundert umstrittenen Tragen von (als verweichlichend betrachteter) Leinenbekleidung (camisia). Die Schriften De esu carnium bilden eine eigene, inhaltlich bestimmte Gattung. Ungeachtet der jeweiligen Überschrift, sermo, tractatus oder epistola de esu carnium, handelt es sich um Abhandlungen, die ausschließlich ein Thema diskutieren, die Fleischabstinenz. Aus der Melker Observanz haben so neben Bernhard von Waging auch Petrus von Rosenheim, Johannes Schlitpacher sowie Johannes von Speyer aus Melk, Konrad von Geisenfeld aus Tegernsee und Hieronymus von Mondsee Schriften De esu carnium verfasst, um nur einige Autoren zu nennen.2 1
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Die Debatte um Fleischgenuss und Leinenbekleidung seit dem Frühmittelalter kann hier nicht ausführlich dargestellt werden, vgl. zur Frage der Kleidung als Teil der cura corporis im Mönchtum Gerd ZIMMERMANN, Ordensleben und Lebensstandard. Die Cura corporis in den Ordensvorschriften des abendländischen Hochmittelalters. 1. Teil: Darstellung, 2. Teil: Texte und Erläuterungen (= Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 32), Münster 1973, 88-115. Einen ersten Überblick über die De-esu-carnwm-Schriften des 15. Jahrhunderts bietet Paulus VOLK, Das Abstinenzindult von 1523, in: Revue bénédictine 40 (1928) 333-363 und 41 (1929) 46-69. Volk bezeichnete diese Schriften als Kontroversschriften und bestimmte damit ihren Sitz im Leben. Von der Forschung wurden die Schriften De esu carnium bisher unterschiedlich ins jeweilige Gesamtwerk eines Autors eingeordnet: als Reformschriften zur „Mönchsaszese" (so die Abstinenzschrift des Kartäusers Johannes Hagen bei Joseph KLAPPER, Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen. Ein Reformtheologe des 15. Jahrhunderts. Teil 1: Leben und Werk [= Erfurter theologische Studien 9], Leipzig 1960, 41), als Schriften zu Zeitfragen und zur Klosterreform (so der Traktat De esu carnium von Nikolaus von Dinkelsbühl bei Alois M A D R E , Nikolaus von Dinkelsbühl. Leben und Schriften. Ein Beitrag zur theologischen Literaturgeschichte [= Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 40], Münster 1965, 269. 21Ai), als Schriften zur allgemei-
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Verfasst wurden diese Schriften stets im Kontext der Debatte um die Klosterreform, z. B. auf dem Konstanzer oder dem Basler Konzil, oder aber im sich anschließenden Reformvollzug durch Visitationen. In der Entstehungssituation wird bereits deutlich, dass die Abstinenz vom Fleischverzehr als wichtiger Teil der benediktinischen Erneuerung verstanden wurde. Diese Erneuerung hatte das Ziel, zur observantia regularis zurückzuführen, und die angestrebte innere, geistliche Erneuerung wurde konkretisiert in der Befolgung der Nahrungsaskese nach der Benediktsregel. Nur zweimal äußert sich die Benediktsregel zum Essen von Fleisch (caro), in Kapitel 36 und 39. In Kapitel 39,11 verbietet die Regel gesunden Mönchen den Genuss von Fleisch ausdrücklich: „Carnium vero quadripedum omnimodo ab omnibus abstineatur comestio praeter omnino debiles aegrotos."3 Als vierfüßige Tiere (quadripedes/quadrupedes) werden Landtiere ohne Flügel verstanden, d. h. die Benediktsregel äußert sich nicht explizit zum Genuss von Geflügel. Die Regel gestattet aber in Kapitel 36,9 den schwachen Kranken im Krankensaal, zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit (reparatio) Fleisch zu essen. Bessert sich der Gesundheitszustand, sollen sie nach allgemeinem Brauch (more solito) wieder auf Fleisch verzichten: „Sed et carnium esus infirmis omnino debilibus pro reparatione concedatur; adubi meliorati fuerunt, a carnibus more solito omnes abstineant."4 Beide Aussagen zum Fleischgenuss stehen innerhalb der Regel im Kontext der Ausführungen zur täglichen Versorgung im Kloster (Kapitel 35-41). Aufgrund dieser Stellung kommt ihnen nicht die zentrale Bedeutung zu, die sie in der monastischen Diskussion des 9. bis 15. Jahrhunderts erlangten. Strittig war bald: Erlaubte die Regel durch das Verbot des Verzehrs vierfüßiger Tiere implizit den Genuss von Geflügel? Welche Kranken zählen zu den schwachen Kranken, die Fleisch essen dürfen? Kann vom Abstinenzgebot dispensiert werden? Damit verbunden war die Frage, ob die Abstinenzaussagen zu den Geboten (praecepta) oder den Empfehlungen (consilia) der Regel gehörten, was wiederum die Schwere der Schuld (lässliche Sünde oder Todsünde?) und die Strafe beim Verstoß gegen die geforderte Abstinenz bestimmte. Grundlegend für die Beantwortung dieser Fragen war schließlich die hermeneutische Entscheidung, ob die Regel nur litteral oder
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nen Seelsorge (vgl. Eugen HILLENBRAND, Art. Nider, Johannes OP, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Auflage [= 2VL], Bd. 6 [1987], Sp. 971-977, hier: Sp. 974f.) oder als „Schriften zum monastischen Leben" (so der Brieftraktat De non esu carnium von Vinzenz von Aggsbach bei Dennis MARTIN, Art. Vinzenz von Aggsbach, in: 2 VL, Bd. 10 [1999], Sp. 359-365, hier: Sp. 363f.), was auf eine gewisse Ratlosigkeit angesichts dieser Schriften mit einer komplexen Argumentation, aber zu einem speziellen inhaltlichen Problem schließen lässt. Regula Benedicti. Die Benediktusregel. Lateinisch/Deutsch, hg. v. d. Salzburger Äbtekonferenz, Beuron 3 2001, 168f. Ebd., 164f.
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Ulrike Treusch
auch nach Kontext und Intention interpretiert und damit aktualisiert werden dürfe, wie dies z. B. durch die Consuetudines eines Klosters geschah. Zu diesen Streitfragen, die hier nur skizziert werden konnten, nahmen ab dem 9. Jahrhundert Regelkommentare sowie päpstliche und konziliare Erlässe Stellung. Die De-esu-carnium-Schriften des 15. Jahrhunderts rezipierten die kommentierenden wie normativen Texte. Sie erläuterten, diskutierten und reflektierten kirchenrechtlich und theologisch die geübte bzw. geforderte asketische Praxis. Oft wurden sie als Positionspapiere verfasst, besonders zahlreich in zeitlicher Nähe zu den Konzilien von Konstanz und Basel. Die Konzilsbeschlüsse wiederum spiegeln nicht nur die Diskussion über das Fleischessen wider, sondern bildeten zugleich die normative Grundlage für die benediktinische Reform, wie sie sich konkret in Visitationen vollzog. Aufgrund des zum Teil heftigen Widerstands gegen eine Verschärfung der Nahrungsaskese in den visitierten Klöstern, ebenso wie durch Differenzen in dieser Frage zwischen den benediktinischen Observanzen von Melk-Tegernsee einerseits und Bursfelde andererseits entstanden in Folge wieder neue De-esu-carnium-Schriften, die die vorausgehenden Texte rezipierten, meist ohne sie ausdrücklich zu nennen. So stehen diese Texte des 15. Jahrhunderts fast am Ende einer langen Tradition monastischer wie päpstlicher Auslegung des Abstinenzgebots der Benediktsregel. Vor dem Hintergrund dieser jahrhundertelangen Auslegungstradition und zugleich der in Tegernsee praktizierten Abstinenz müssen auch die Äußerungen Bernhards von Waging de esu carnium verstanden werden.5
2. Bernhard von Waging zur Fleischabstinenz Als Bernhard von Waging 1456 seine umfangreiche Epistola contra illicitum esum carnium verfasste, hatte er bereits seit Jahren in Tegernsee auf Fleisch verzichtet und forderte die völlige Abstinenz vom Fleisch auch als Reformator, Visitator und Gesprächspartner in den Gesprächen zu einer benediktinischen Union. Daher ist es nicht erstaunlich, dass Bernhard in seinen Briefen und Schriften immer wieder auf dieses Thema zu sprechen kommt. Für Bernhard hatte die Fleischabstinenz theologische, aber auch biographische Bedeutung: Sie war für ihn als Benediktiner identitätsstiftend. So begründet er im Rückblick seinen Übertritt von den Augustinerchorherren zu den Benediktinern in einem Brief an Nikolaus von Kues unter anderem mit der unterschiedlichen Praxis der Nahrungsaskese: „Denn bei uns [in Tegernsee] ist die Erinnerung an Fleischgenuss gänzlich ausgemerzt. [...] Ich verließ die Ordnung der Regularkanoniker 5
Zu Biographie und Schriften Bernhards von Waging verweise ich auf den vorausgehenden Beitrag von Susanne KAUP in diesem Band.
Bernhard von Waging: De esu carnium
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gerade wegen der Essgewohnheiten und auch wegen anderer Gründe etc. Jedoch war ich immer gesünder und leistungsfähiger, als ich nach der Ordnung des heiligen Benedikts lebte, als während ich unter der Regel des heiligen Augustins lebte."6 Die strenge Enthaltsamkeit vom Fleischverzehr sieht Bernhard als Charakteristikum des benediktinischen Lebens. Dementsprechend wurde die Abstinenz von jeglichem Fleischgenuss auch in den Reformzentren Melk und Tegernsee in der Mitte des 15. Jahrhunderts längst praktiziert.7 Diese Abstinenz forderte er auch - mit unterschiedlichem Erfolg - als Visitator ein, so z. B. 1454 bei der Visitation des Frauenstifts Sonnenburg an der Rienz (Südtirol) und des Klosters St. Georgenberg in Tirol.8 In einem Brief an Nikolaus von Kues, der als Bischof von Brixen Bernhard mit diesen Visitationen beauftragte, lehnt Bernhard eine Dispens der Nonnen von Sonnenburg von der Abstinenz
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BERNHARD VON WAGING, Brief zwischen dem 18. und 21. April 1454 an Nikolaus von Kues, in: NIKOLAUS VON KUES, Briefe und Dokumente zum Brixner Streit. Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), hg. v. Wilhelm Baum und Raimund Senoner, Wien 1998, Nr. 41, 140f., hier: 140: „Fugi ego ordinem canonicorum regularium propter ipsum esum et eciam propter alias causas etc. Verumtamen sanior fui Semper et magis valens in ordine isto sancto Sancti Benedicti quam, dum eram degens sub regula sancti Augustini." Vgl. JOHANNES SCHLITPACHER, Hausstatuten von Melk (1451), ediert bei Albert GROISS, Spätmittelalterliche Lebensformen der Benediktiner von der Melker Observanz vor dem Hintergrund ihrer Bräuche. Ein darstellender Kommentar zum Caeremoniale Mellicense des Jahres 1460 (= Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 46), Münster 1999, 306-356, hier: 335: „Esus carnium tantummodo in infirmatione iuxta ordinacionem Regule fratribus infirmis aut omnino debilibus pro reparacione cum licencia superioris ministratur." Die Melker Caeremoniae von 1460 folgen in den Aussagen zur Abstinenz wörtlich den Consuetudines von Subiaco, vgl. Breviarium Caeremoniarum Monasterii Mellicensis, hg. v. Joachim Fridolin Angerer (= Corpus consuetudinum monasticarum 11,2), Siegburg 1987, 69. Vgl. zur Visitation des Stifts Sonnenburg Albert JÄGER, Der Streit des Cardinais Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Osterreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, Bd. 1, Innsbruck 1861, 44-73, 90-96, 122-168, 182-191; Edmond VANSTEENBERGHE, Le cardinal Nicolas de Cues (1401-1464). L'action - Lapensee, Paris 1920, 146f.; Hermann Josef HALLAUER, Eine Visitation des Nikolaus von Kues im Benediktinerinnenkloster Sonnenburg, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 4 (1964) 104-125. Vgl. zur Visitation von St. Georgenberg Albert JÄGER, a.a.O., 112-115; Wilhelm BAUM, Karl RAUTER, Bernhard von Waging (f 1472): ,Klagelieder über St. Georgenberg'. Das Scheitern einer Klosterreform des Nikolaus Cusanus (1453/54), in: Der Schiern. Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde 57,9 (1983) 482-494, hier: 486-489.
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Ulrike Treusch
an bestimmten Tagen ab: „Esum carnium sie passim indulgere certis diebus iuxta meam fatuitatem non videtur expediens."9 Bernhard schlägt vor, dass eine gottesfürchtige Äbtissin oder ein Prior nach Ermessen den Fleischgenuss einzelnen oder allen Nonnen gelegentlich erlauben möge. Wegen des Geschlechts der Nonnen will er Milde und Güte walten lassen, statt auf strenger Abstinenz zu bestehen, wie er sie in St. Georgenberg durchzusetzen versuchte. Denn die entsprechende Bitte des Abts von St. Georgenberg, an bestimmten Tagen von der Fleischabstinenz dispensiert zu werden, lehnt Bernhard in einem weiteren Brief an Cusanus ab und begründet dies mit der in Tegernsee praktizierten Abstinenz.10 Für Bernhard ist die Fleischabstinenz Kennzeichen des Gehorsams gegenüber der Benediktsregel und damit unverzichtbar. In der Abstinenz sieht er pars pro toto das Professgelübde des Mönchs erfüllt, und nur in der Erfüllung seines Gelübdes kann ein Mönch sicher sein, sich auf dem Heilsweg zu befinden. Diese theologischen Implikationen entfaltet Bernhard 1456 in seiner Epistola seu tractatus contra illicitum carnium esum monachorum ordinis S. Benedicti Die Epistola ist eine der umfangreichsten De-esu-carnium-Abhandlungen des 15. Jahrhunderts und die fast am häufigsten überlieferte Schrift Bernhards. Erhalten ist sie heute noch in 13 Codices aus dem 15. Jahrhundert mit einer Provenienz aus benediktinischen Klöstern im schwäbisch-bayerischen Raum. Zugleich gehört die 1456 entstandene Epistola im Kontext der De-esu-carniumSchriften des 15. Jahrhunderts zu den späten Schriften. Bernhard rezipiert darin, wenn auch nie in ausdrücklichem Zitat, die zeitgenössischen Schriften. Vor allem aber ist die Epistola Kernstück seiner Argumentation zur Nahrungsaskese. Denn
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Brief an Nikolaus von Kues vor dem 12. Februar 1454, in: Briefe und Dokumente zum Brixner Streit. Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), hg. v. Wilhelm Baum und Raimund Senoner, Wien 1998, Nr. 33, 112-119, hier: 116f. BERNHARD VON WAGING, Brief an Nikolaus von Kues zwischen dem 18. und 21. April 1454, in: NIKOLAUS VON K U E S , Briefe und Dokumente zum Brixner Streit. Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), hg. v. Wilhelm Baum und Raimund Senoner, Wien 1998, Nr. 41, 140f., hier: 140. BERNHARD VON WAGING, Epistola seu tractatus contra illicitum carnium esum monachorum ordinis S. Benedicti (nachfolgend abgekürzt: Epistola). Überliefert ist die Epistola in Codices aus Andechs, St. Ulrich und Afra, Ebersberg, Melk sowie mehrfach mit Tegernseer Provenienz; vgl. Werner HÖVER, Art. Bernhard von Waging, in: 2 V L , Bd. 1 (1978), Sp. 779-789, hier: Sp. 780. In diesem Beitrag wird nach clm 18600 zitiert (BERNHARD VON WAGING, Epistola, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 18600, fol. 260-310 v ); der dort überlieferte Text wurde der Lesbarkeit wegen behutsam interpunktiert und in der Schreibweise (c/t; i/y) vereinheitlicht. BERNHARD VON WAGING,
NIKOLAUS VON K U E S ,
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Bernhard verknüpft hier die Frage der Abstinenz mit den monastischen Gelübden Armut, Keuschheit und Gehorsam. Der Einleitung der Epístola zufolge war Bernhard vor Abfassung des Traktats im Augsburger Konvent St. Ulrich und Afra zu Gast. In Augsburg hatte Bernhard vor dem oder im Jahr 1456 mit einigen Mönchen eine Diskussion über das Verbot des Fleischverzehrs nach der Benediktsregel geführt. An dieser war auch der Mönch Martin Imler aus dem Heiligkreuzkloster Wiblingen (Ulm) beteiligt.12 Dessen Fragen nahm Bernhard zum Anlass, in der Epístola die Fleischabstinenz grundlegend zu erörtern, um seinen Adressaten Martin zur rechten Regelobservanz anzuleiten.13 Doch war die Schrift wohl von Anfang an für einen weiteren Adressatenkreis bestimmt. Die Epístola ist dreigeteilt, wobei die ersten beiden Teile inhaltlich durch das Thema des Fleischverzehrs verbunden sind: Im ersten Teil beantwortet Bernhard die Quaestio Martins schulmäßig in zwölf conclusiones. Im zweiten Teil erläutert er die Fleischabstinenz in Einzelaspekten und verknüpft Abstinenz und die monastischen substantialia Armut und Keuschheit. Den letzten Teil der Schrift bildet eine Klage über den Verfall des monastischen Lebens, die vermutlich später ergänzt wurde.14 Martin Imler hatte, so die Quaestio des ersten Teils, gefragt, ob „ein gesunder und starker Mönch durch den Fleischgenuss immer eine Todsünde begehe".15 Die 12
Über Martin Imler ist wenig bekannt. Pirmin LINDNER, ,Album Wiblingense'. Die Aebte und Mönche der Benediktinerabtei Wiblingen von 1099-1864. Mit bibliographischen Notizen,
Teil 1, in: D i ö z e s a n a r c h i v v o n S c h w a b e n 19 ( 1 9 0 1 ) 1 - 4 , 3 7 - 4 2 , 7 3 - 7 7 ,
108-112,
163-167, hier: 38, nennt als Sterbedatum Imlers den 7. September 1459. Der Tegernseer Bibliothekskatalog aus dem 15. Jahrhundert {Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Band 1: Die Bistümer Konstanz und Chur, bearb. v. Paul Lehmann, München 1918, 751-849, hier: 439) weiß: „Frater Martinus Ymler de Gyssling, monachus sancti Martini monasterii Wiblingensis, statura pusillus, minimus e fratribus, ille ipse ad quem Christi cultorem religionis monasticae et observantiae amatorem et veritatis exquisitorem, frater Bernardus de Tegernsee prior tractatum contra illicitum esum carnium monachorum nigrorum ordinis sancti Benedicti conscripsit. Is igitur sub Udalrico reformatore, quando disciplina laudabiliter florebat, plures libros ex iniuncta sibi obedientia ad honorem Dei et suae matris virginis conscripsit [...]." 13
V g l . BERNHARD VON WAGING, Epistola,
14
c l m 1 8 6 0 0 , f o l . 260 R .
Der dritte Teil wurde vermutlich auch selbständig überliefert. Pirmin LINDNER, Familia S. Quirini in Tegernsee. Die Aebte und Mönche der Benediktiner-Abtei Tegernsee von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Aussterben (1861) und ihr literarischer Nachlaß, in: Oberbayerisches Archiv 50 (1897) 18-130, hier: 89, führt diesen Teil unter dem Titel Lamentationes et threni super excidio ac desolatione conversationis et vitae monasticae als eigenes Werk an.
15
BERNHARD VON WAGING, Epistola,
c l m 1 8 6 0 0 , f o l . 260 R ~ V : „ U t r u m m o n a c h u s s a n u s et f o r t i s
per esum carnium seu carnes manducans Semper mortaliter peccaret, quae quidem quaestio
150
Ulrike Treusch
Schwere der Sünde und damit die Heilsrelevanz der Abstinenz wird zum Thema gemacht, wobei Bernhard gleich in den ersten Zeilen seine Antwort expliziert: Er bezeichnet diese Frage als bisher „ungehört" und erschreckend und verweist auf die strikte Abstinenz in Tegernsee, die Benediktsregel und die kanonischen Vorschriften. Doch erörtert Bernhard im ersten Teil die Quaestio schulmäßig mit These, Beweis der These durch Vernunft (ratio) und Autorität (auctoritas) sowie der Zurückweisung von Einwänden. Für Bernhard ist der Fleischgenuss allen Benediktinern nach der Benediktsregel und dem kanonischen Recht verboten.16 Denn die Abstinenz sei nützlich (utilis) und notwendig (necessarius).17 Daher handle ein Mönch, der Fleisch isst, gegen die Regel und sündige schwer. Der Fleischgenuss zählt für Bernhard nicht unter die „mittleren", sondern unter die „schweren" Sünden.18 Denn die Abstinenz vom Fleisch gehöre nicht zu den Räten (consilia), sondern zu den Geboten (praecepta) der Benediktsregel. Gelobe also der Mönch in der Profess die conversio morum, so sei die Fleischabstinenz wie das Schweigen Bestandteil der Regelobservanz und des Professgelübdes. Wichtig ist für Bernhard, dass der Fleischverzehr nicht nur die Verachtung der Regel ausdrückt, sondern dass der Mönch mit dem Vernachlässigen der Fleischabstinenz auch den sicheren Heilsweg verlässt.19 Bernhard überhöht damit die Abstinenz theologisch als entscheidenden Bestandteil des Heilswegs und lehnt auch jede Interpretation der Benediktsregel als falsch und töricht ab, die gesunden Mönchen das Essen von Geflügel zugesteht.20 Vielmehr sieht er die Abstinenz als eine gute Züchtigung des Körpers (castigatio) mit dem Ziel des vollkommenen geistlichen Lebens, der perfectio. Den ersten Teil der Epistola beschließend, analysiert und interpretiert Bernhard die päpstlichen Erlässe des 13. und 14. Jahrhunderts zur benediktinischen Fleischabstinenz, darunter das Dekret Cum ad monasterium von Papst Innozenz III. aus dem Jahr 1215 und die Bulle Summi Magistri Papst Benedikts XII. aus dem Jahr 1336.21 Die kirchenrechtliche Diskussion nimmt in der Erörterung der Quaestio
16
17 18 19 20
21
mihi prius inaudita, in nostro Tegernseense monasterio numquam disputata, sed ipsa ab esu carnium abstinentia tarn a sanis quam infirmis ab abbate et monachis prout regula et sacri canones statuunt, quinimmo et ultra deo laus Semper strictissime servata." Vgl. BERNHARD VON WAGING, Epistola, clm 1 8 6 0 0 , fol. 2 6 0 V : „Conclusio prima: Carnium esus regulae et iuris auctoritate monachis prohibetur [...]." Vgl. ebd.: „carnium abstinentia utilis et necessaria monachis aestimetur". Vgl. ebd.: „non inter mediocres sed graves culpas numeranda est". Vgl. ebd., fol. 263r. Vgl. ebd., fol. 263v: „Stultum est sentire solas quadrupedum carnes monachis esse regulariter interdictas et carnes bipedum concessas". Vgl. INNOZENZ IH., Cum ad monasterium, ediert in: Decretalen Gregors XI., Lib. IH., Tit. XXXV. De Statu Monachorum, c. 6-7, in: Corpus Iuris Canonici Pars Secunda Decretalium collectiones, hg. v. Aemilius Friedberg, Leipzig 21879 [Nachdruck Graz 1959], 599-
Bernhard von Waging: De esu carnium
151
breiten Raum ein. Denn Bernhard versucht nichts anderes, als die Übereinstimmung beider Bullen hinsichtlich ihrer Aussagen zur Fleischabstinenz zu beweisen. Zwar wurden die Aussagen beider Texte zeitgenössisch in den Reformkreisen seit dem Konzil von Konstanz diskutiert. Selten aber ging die Diskussion so weit, dass beide Dokumente in Übereinstimmung gebracht wurden. Bernhard hingegen sucht die Konkordanz beider Erlässe hinsichtlich der Aussagen zur Abstinenz in akribischer philologischer Interpretation zu beweisen. Seiner Beweisführung folgend, gebieten beide Bullen allen Benediktinern strikte Abstinenz vom Fleisch - historisch ist diese Interpretation Bernhards nicht haltbar: Die Bulle Cum ad monasterium schränkte die Möglichkeiten für gesunde Mönche, Fleisch zu essen, systematisch ein; Fleischgenuss war allenfalls den Kranken im Krankensaal erlaubt. Mit der Bulle Summi magistri (1336) dagegen strebte Papst Benedikt XII. im 14. Jahrhundert die einheitliche Observanz aller Benediktiner an und forderte um dieser Einheit willen nur noch an Mittwochen, Samstagen und in der Adventsund vorösterlichen Fastenzeit die Abstinenz vom Fleisch, von der zudem dispensiert werden konnte. Damit stehen sich in den beiden Bullen ein striktes und ein mildes Abstinenzgebot gegenüber. Bernhard zufolge aber forderten die Benediktsregel ebenso wie die beiden päpstlichen Erlässe schlicht von allen Benediktinern die Abstinenz vom Fleischverzehr. Er muss daher nur noch die Frage nach der Schuld bei Verstoß gegen das Abstinenzgebot beantworten. Für ihn gibt es keine Entschuldigung für Mönche, die Fleisch essen; häufigen Fleischgenuss kann er nur als Todsünde bezeichnen: „Crimen autem intelligo culpam esse mortalem."22 Denn Fleischgenuss bricht laut Bernhard das Armuts- wie das Keuschheitsgebot. Wahre Keuschheit kann seiner Meinung nach bei dem Mönch, der Fleisch isst, nicht gefünden werden. Bernhard beschließt daher den ersten Teil der Epistola mit der These: Wer aus Gier oder Verachtung der Regel und der Gelübde Fleisch isst, begeht eine Todsünde.23 Im zweiten Teil der Epistola antwortet Bernhard auf verschiedene Einwände und Fragen zur strikten Abstinenzforderung. Vor allem aber verknüpft er die Abstinenz noch stärker mit den Gelübden von Armut und Keuschheit.24 Die vota substantialia Armut, Keuschheit und Gehorsam und die Regelobservanz sieht er aufs Engste verbunden. Das Brechen der Gelübde aber führe dazu, dass der
22 23
24
601. BENEDIKT XII., Summi magistri [auch: Benedictina], 20. Juni 1336, ediert in: Bullarum diplomatum et privilegiorum sanctorum Romanorum pontificum [...]. Taurinensis editio, Band 4, Turin - Neapel 1859, 347 b -387 a . Vgl. BERNHARD VON WAGING, Epistola, clm 18600, fol. 277v. fol. 280v: „1. Monachus fortis et sanis comedens carnes ex sola libidine gulae peccat mortaliter totiens quotiens. 2. Monachus sanus et fortis ex contemptu comedens carnes peccat mortaliter totiens quotiens. 3. Monachus sanus et fortis qui nullum habet respectum ad regulam [...] peccat mortaliter totiens quotiens." Vgl. fol. 287 v -300 r .
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Religiöse Gott nicht erreichen und ihm nicht gefallen könne: „numquam in religione crescere neque finem suae professionis attingere nec deo poterit placere."25 Hat Bernhard bereits im ersten Teil der Epistola das Fleischessen als Bruch der Gelübde interpretiert, so verdeutlicht er im zweiten Teil der Schrift erneut die Heilsrelevanz der Abstinenz. Daneben nennt er in loser Reihung weitere Argumente für die Abstinenz: So esse der Mönch in der täglichen Eucharistiefeier ja bereits das Fleisch Christi, und Christus selbst habe abstinent gelebt.26 Der Fleischverzehr sei eine giftige Wurzel (radix toxica), aus der zwölf schlechte Früchte hervorgehen, vom Brechen der Regel über den Verlust des Bußcharakters des monastischen Lebens bis zur körperlichen Erkrankung als Folge von Fleischgenuss.27 Bernhard beschließt den zweiten Teil der Epistola mit solchen geistlichen, psychologischen und medizinischen Argumenten gegen das Fleischessen. Doch ist es nicht allein die inhaltliche Aussage, die Bernhards Epistola zu einem bedeutenden Zeugnis der De-esu-carnium-Schriften des 15. Jahrhunderts macht. Denn die inhaltliche Aussage zeigt bereits der Titel der Schrift: contra illicitum esum carnium. Es ist die theologische Argumentation und kirchenrechtliche Diskussion, die Bernhards Epistola gegenüber anderen De-esu-carnium-Schriften in ihrer Ausführlichkeit und Tiefe auszeichnen. Wie in seinen anderen Schriften hat Bernhard auch bei der Frage der Abstinenz stets das Heil des einzelnen Mönchs vor Augen, der nur in der strengen Askese das vollkommene geistliche Leben führen und darin Gott näherkommen kann. Nur durch die Askese als „via ardua, valde arta et alta via" kann der Religiöse zum Schmecken und Sehen Gottes gelangen.28 So ist die Abstinenz der sichere Weg zum Heil: „Item est apud theologos et iuristas regula magistralis quod in dubiis, maxime quae concernunt salutem animae, tenetur se homo ponere ad partem securiorem."29 Bernhards hermeneutischer Zugang zur Benediktsregel ist dabei litteral. Die Benediktsregel ist für ihn die grundlegende Autorität, weswegen er nicht quellenoder textkritisch mit ihr umgeht. Entscheidend ist für ihn der Wortlaut der Regel, während er die Aussagen der päpstlichen Bullen zur Abstinenz sowohl dem Wortlaut als auch der Intention (intentio) nach interpretiert und sie nur auf diese Weise harmonisieren kann. Die Epistola Bernhards steht im Kontext der zeitgenössischen De-esu-carniumTraktate in Argumentation und Aussage der Schrift De esu et abstinentia carnium
25
BERNHARD VON WAGING,
26
Vgl. ebd., fol. 2 9 1 " . Vgl. fol. 292r. fol. 288v. fol. 263v.
27 28 29
Epistola, clm
18600,
fol. 290".
Bernhard von Waging: De esu carnium
153
des Wiener Theologen Nikolaus von Dinkelsbühl sehr nahe.30 Nikolaus hatte De esu um 1430, „also etwa vor Beginn des Konzils von Basel (1431)",31 verfasst. Bernhard nennt weder den Namen des Nikolaus noch dessen Traktat, er macht weder Zitate noch Paraphrasen in der Epistola kenntlich. Doch beruht seine Argumentation besonders im ersten Teil stark auf dieser Schrift. Nikolaus schrieb De esu gegen eine Abhandlung seines juristischen Kollegen Kaspar von Maiseistein (f 1456), der die Abstinenzaussagen der päpstlichen Bulle Summi magistri interpretiert hatte.32 Konkreter Anlass für die Abfassung war zudem die Reform der Benediktinerklöster im Bistum Passau, denn die Schrift ist eine von drei Reformschriften des Nikolaus von Dinkelsbühl für den Passauer Bischof Leonhard von Layming.33 Inhaltlich vertrat Nikolaus in seiner Schrift die strikte Abstinenz, wie sie die Melk-Tegernseer Reformer vertraten. Bernhard schließt sich also in seiner Forderung, dass gesunde Benediktiner kein Fleisch essen dürfen, an Nikolaus und dessen Argumentation an. Beide Autoren sehen die Abstinenz als Teil der Regelobservanz an und bestimmen sie als praeceptum. Deshalb sehen sie das Fleischessen als Bruch der Gelübde und als eine Sünde, die Todsünde ist oder dazu führen kann.34 Für beide ist die Abstinenz des Mönchs heilsrelevant als der sichere Weg zu Gott, und beide betonen die Übereinstimmung von Cum ad monasterium mit den vorausgehenden päpstlichen Erlässen.35 Damit vertreten beide die Position des Reformmönchtums: Nikolaus von Dinkelsbühl als Initiator der Reformen auf dem Konstanzer Konzil, Bernhard von Waging als Vertreter der Melker Reform in Tegernsee. Im Kontext der Reform und vor dem Hintergrund der Gespräche zur Vereinheitlichung der Melker Observanz formuliert und begründet Bernhard 1456 in der Epistola exemplarisch die strenge Abstinenzforderung der Melker Observanz. Nach außen, in Visitationen wie Unionsgesprächen, vertraten Melk und Tegernsee NIKOLAUS VON DINKELSBÜHL, De esu et abstinentia carnium, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 18551, fol. 1 - 1 l r (im Folgenden abgekürzt: De esu). Diese Abschrift aus Tegernsee (15. Jh.) wird ausdrücklich Nikolaus von Dinkelsbühl zugeschrieben; Incipit und Explicit stimmen mit dem von Alois M A D R E , Nikolaus von Dinkelsbühl. Leben und Schriften. Ein Beitrag zur theologischen Literaturgeschichte (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 40), Münster 1965, 274, beschriebenen St. Emmeraner Codex (clm 14820, fol. 121 r -143 v ) überein. 31 M A D R E , Nikolaus von Dinkelsbühl (wie Anm. 30), 275. 32 KASPAR VON MAISELSTEIN, Circa Esum, Würzburg, Universitätsbibliothek, M.ch.q. 129, f. 8 9 - 9 l r . Nikolaus von Dinkelsbühl erwähnt Kaspars Namen in De esu nicht, sondern spricht nur vom „adversarius". 33 Mit M A D R E , Nikolaus von Dinkelsbühl (wie Anm. 30), 274f. 30
34
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V g l . NIKOLAUS VON DINKELSBÜHL, De esu, V
V
Vgl. ebd., fol. 2 -4 .
c l m 1 8 5 5 1 , f o l . 2R.
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die Forderung rigoroser Abstinenz in wörtlichem Gehorsam gegenüber der Benediktsregel. Zugleich stehen die Reformer im Melker Mutterkloster wie im Reformzentrum Tegernsee in regem Austausch über Fragen der Observanz. So kommentierte 1458, circa zwei Jahre nach Abfassung der Epistola, der Melker Prior Johannes Schlitpacher die Schrift Bernhards. In einer Brevis confirmatio fasste Schlitpacher den ersten Teil der Epistola zusammen und äußerte seine Zustimmung.36 Er zitiert jede These Bernhards mit den ersten Wörtern und stimmt Bernhards Schlussfolgerungen zu. Schlitpacher kommentiert aber die Schwere der Schuld bei Fleischverzehr: Vertrat Bernhard die Meinung, dass der Fleischverzehr eine Todsünde sei, zitiert Schlitpacher eine Aussage des Alexander von Haies, dass die Abstinenz nur zu den statuta gehöre und deren Übertretung damit nur lässliche Sünde sei. Er widerspricht Bernhard nicht ausdrücklich, ergänzt aber eine mildere Beurteilung der Schuld. Diese Haltung vertritt er auch in einem Brief vom 27. August 1458 an Bernhard.37 Erneut betont Schlitpacher hier, dass es entscheidend sei, ob die Abstinenz ein Gebot der Regel oder „ut statutum" sei. Im ersten Fall wäre der Fleischverzehr eine Todsünde, im letzteren eine lässliche Sünde. Schlitpacher diskutiert damit Bernhards Urteil über den Fleischgenuss und neigt in der Brevis confirmatio wie in seinem Brief dazu, das Übertreten des Abstinenzgebots milder als Bernhard zu beurteilen. In der grundsätzlichen Forderung der Abstinenz gesunder Mönche sind sich beide jedoch einig. Die Kritik Schlitpachers verweist auch auf kleine Unterschiede in der Praxis der Abstinenz in Melk bzw. Tegernsee. In beiden Konventen wurde die strenge Fleischabstinenz gesunder Mönche nach der Regel praktiziert. In Tegernsee verzichteten aber auch die Kranken stets auf Fleisch. Prior Bernhard von Waging (und mit ihm die Tegernseer Mönche) vertrat damit eine auffallend rigorose Nahrungsaskese, die vielleicht auch den Schreiber der Epistola im Ebersberger Codex zu einem Namenszusatz veranlasste. Er bezeichnet Bernhard als „dictator contra esum carnium".38
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JOHANNES SCHLITPACHER, Brevis confirmatio conclusionum in tractatu contra illicitum carnium esum, Melk, Stiftsbibliothek, cod. 960, fol. 404. JOHANNES SCHLITPACHER, Brief an Bernhard von Waging vom 27. August 1458, Melk, Stiftsbibliothek, cod. 960, fol. 405-406. BERNHARD VON WAGING, Epistola, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 5 9 5 1 , fol. 143 R .
Bernhard von Waging: De esu carnium
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3. De esu carnium und Ansprüche und Grenzen der benediktinischen Reform des 15. Jahrhunderts Die De-esu-carnium-Debatte vermag die Ansprüche und Grenzen der benediktinischen Reform des 15. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum in besonderer Weise zu zeigen. Sowohl in Melk als auch in Tegernsee wurde eine strikte Abstinenz vom Fleisch praktiziert, theologisch begründet und durch Visitationen in anderen Klöstern, die sich dieser Reformbewegung anschlössen oder zwangsweise nach dem Vorbild von Subiaco-Melk reformiert wurden, eingeführt. Regte sich in einzelnen Klöstern grundsätzlicher Widerstand gegen die Verschärfung der Nahrungsaskese, so scheint zumindest die strikte Fleischabstinenz bei kranken Mönchen auch innerhalb der Melker Observanz diskutiert worden zu sein, wie Johannes Schlitpachers Kommentar zeigt. Nach außen war das Verbot von Fleisch jedoch die einmütige Forderung der Reformer von Melk und Tegernsee und gehörte unabdingbar zu ihrem Reformverständnis. Die Fleischabstinenz war ein Anspruch der niederösterreichisch-bayerischen Reformbewegung. Dieser Anspruch wurde aber zugleich zur unüberwindbaren Grenze in den Gesprächen mit der benediktinischen Reformbewegung von Bursfelde. Neben Liturgie und Kleidung scheiterte eine Union mit Bursfelde an der Nahrungsaskese. Denn die Bursfelder maßen dieser Frage nicht die gleiche Bedeutung bei wie die Melker Reformer.39 Bernhard war an den Unionsgesprächen in den 1450er- und 1460erJahren maßgeblich beteiligt, weniger als Wortführer als vielmehr als Moderator und Schreiber, der die mühsam errungenen Gesprächsergebnisse festhielt und damit die Differenzen der Reformbewegungen genau kannte. Diese Gespräche hatten letztlich nur ein Ergebnis: Keine Einigung möglich. Scheiterte eine Union der benediktinischen Reformbewegungen im deutschsprachigen Raum Anfang der 1470er-Jahre endgültig und nicht zuletzt an der Frage „Wie hältst Du's mit dem Fleischverzehr?", so war dieses Ergebnis nach den Konzilen von Konstanz und Basel zu erwarten. Denn in beiden Konzilen stieß die Abstinenzforderung der Reformer aus deutschsprachigen Klöstern auf Widerstand von Benediktinern deutscher und anderer Nationen. In der Frage der Fleischabstinenz führte dieser Widerstand zu einem für die Reformer aus Subiaco, später auch Melk und Tegernsee, nicht befriedigenden Ergebnis: Das Provinzialkapitel der benediktinischen Provinz Mainz-Bamberg tagte 1417 in Petershausen bei 39
Nach den Consuetudines der Bursfelder Reform, wie sie erstmals 1435 Johannes Rode für sein Kloster St. Matthias in Trier promulgierte, durften auch gesunde Mönche, soweit die Regel dies gestattete, zu bestimmten Gelegenheiten und Zeiten Fleisch essen, vgl. Consuetudines monasteriorum sancii Mathiae et sancii Maximi Treverensium ab Iohannes Rode abbate conscriptae, hg. v. Petrus Becker (= Corpus consuetudinum monasticarum 5), Siegburg 1968, 240.
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Konstanz und gilt als Markstein der benediktinischen Klosterreform des 15. Jahrhunderts. Doch war die Fleischabstinenz bereits hier umstritten, und die offiziellen Beschlüsse des Kapitels stellen hinsichtlich der Abstinenz einen Kompromiss dar zwischen den Vertretern eines gemäßigten und denen eines strikten Verzichts auf Fleischgenuss. So darf den Beschlüssen zufolge zwar beim gemeinsamen Essen im Refektorium kein Fleisch gereicht werden, aber - so die Konsequenz - außerhalb des Speiseraums kann durchaus, z. B. vom Abt in dessen Räumlichkeiten, Fleisch gereicht werden. Von „der Forderung der Abstinenz am Mittwoch [...] wurde stillschweigend abgesehen."40 Die milde Abstinenz entsprach inhaltlich der von Papst Benedikt XII. bereits 1336 in Summi Magistri erlassenen Regelung für die Benediktiner.41 Dieses Ergebnis war aus Sicht der SublacenserMelker Reformer nicht ausreichend, da sie von allen gesunden Mönchen völlige Fleischabstinenz forderten - und mit dieser Forderung einige Jahre später im Konzil von Basel erneut an Grenzen stießen. Auf dem Konzil von Basel (1431-1449) erreichte die Diskussion um die Nahrungsaskese ihren Höhepunkt. Für das Konzil, während des Konzils und im Anschluss daran entstanden die meisten De-esu-carnium-Schriüen. Doch scheiterte bereits 1434 die benediktinische Gesamtreform an der Unvereinbarkeit der bereits bestehenden Reformbewegungen von Melk und Bursfelde und wiederum an der Frage der Abstinenz. Beredtes Zeugnis davon gibt der Tegernseer Mönch Ulrich Stöckl, der von 1432 bis 1437 in Vertretung des Tegernseer Abts als Prokurator der Benediktinerklöster der Diözese Freising am Konzil von Basel teilnahm. In seinem Brief vom 8. Mai 1434 schreibt er, dass zwei Punkte fortgesetzt zwischen der Melker und der Bursfelder Observanz umstritten seien, die Fleischabstinenz und die Frage nach der einheitlichen Kleidung.42 Zwei Monate später, im Juli 1434, berichtet er, dass das Konzil in seinen Ävisamenta für die Benediktinerreform die drei umstrittenen Artikel - einheitliche Fleischabstinenz, 40
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Josef ZELLER, Das Provinzialkapitel im Stifte Petershausen im Jahr 1417. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformen im Benediktinerorden zur Zeit des Konstanzer Konzils, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 4, Neue Folge 10 (1922) 1-73, hier: 31. Ebd., 59: „Item quod fratres communiter vivant et comedant in refectorio, in quo nullus omnino carne vescatur, et diligentes sint visitatores quod constitutionem Benedicti De esu et abstinentia carnium etc[.] faciant inviolabiliter observari." ULRICH STÖCKL, Brief vom 8. Mai 1434, in: Johannes Haller, Concilium Basiiiense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel, Band 1, Basel 1896, 82: „Continue litigamus pro esu et abstinencia carnium et pro habitu, quia diversi utuntur diversis habitibus, et in illis duobus articulis est maxima difficultas. Spero tarnen, quod concilium generale faciet unam declaracionem, ita quod abstinencia carnium servetur secundum regulam, et quod fiat uniformitas in habitibus. Spero eciam, quod modus noster inhibitibus [sie!] remanebit."
Bernhard von Waging: De esu carnium
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einheitliche Kleidung und einheitliche Liturgie - ausgespart habe, da sich hier schlicht keine Einigung erzielen ließe.43 Stöckls Briefe bezeugen das Scheitern der benediktinischen Union auch an der Frage der Nahrungsaskese. Die vom Konzil schließlich beschlossenen Dekrete, Inter curas innúmeras (1436) und Inter curas multíplices (1439), sowie die Statuta concilii Basiliensis ad fratres ordinis s. Benedicti (1436) forderten unter dem Einfluss der Reformbenediktiner zwar die regelgemäße Abstinenz gesunder Mönche vom Fleischverzehr.44 Doch blieb nach dem Bruch des Konzils mit Papst Eugen IV. wiederum die Verbindlichkeit der in Basel verabschiedeten Dekrete umstritten. Durchsetzen konnte sich dieser Anspruch und Beschluss zur Abstinenz nicht. Die Beschlüsse von 1417 in Petershausen, die Visitationstätigkeit der Reformer von Subiaco, Melk und Tegernsee seit den 1420er-Jahren, die Diskussion und Beschlüsse des Konzils von Basel in den 143 Oer-Jahren, Bernhards Epístola aus der Mitte der 1450er-Jahre und schließlich die Unionsgespräche bis in die 1470erJahre des 15. Jahrhunderts zeigen, dass die strikte Abstinenz vom Fleisch stets zu den Ansprüchen der Reformbewegung von Subiaco, Melk und Tegernsee gehörte. Denn in deren Verständnis stand die Abstinenz pars pro toto für den Gehorsam gegenüber der Benediktsregel und war die Enthaltsamkeit vom Fleischverzehr das Kennzeichen eines reformierten, observanten Klosters. Den dahinterliegenden theologischen Anspruch formulierte exemplarisch Bernhard von Waging in der Epístola, wenn er die Abstinenz als den sicheren Weg zu Gott und zum Heil bestimmte. War dies aber der programmatische Anspruch der Melker Reformbewegung, so muss darin zugleich die Grenze einer Minderheitsposition gesehen werden.
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Vgl. ULRICH STÖCKL, Brief an den Tegernseer Abt vom 20. Juli 1434, in: HALLER, Concilium Basiiiense (wie Anm. 42), 85f. Vgl. Johannes HELMRATH, Capitula. Provinzialkapitel und Bullen des Basler Konzils für die Reform des Benediktinerordens im Reich. Mit einer Konkordanz und ausgewählten Texten, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen. Band 2, hg. v. Johannes Helmrath und Heribert Müller, München 1994, 87-121, hier: 94-99.
Victoria Hohenadel
„Sequere me" Ein Brief an Bernhard von Waging Edition und Untersuchung
„Sequere me" - „Folge mir nach!" - mit diesen Worten beendet Wilhelm Kienberger einen Brief, den er 1446 aus dem Benediktinerkloster Tegernsee an seinen ehemaligen Beichtvater und Freund Bernhard von Waging nach Indersdorf schickt.1 Wilhelm war der erste von drei Chorherren, die Mitte des 15. Jahrhunderts das Augustinerchorherrenstift Indersdorf verließen, um in die Benediktinerabtei Tegernsee einzutreten. Ihm sollten im selben Jahr noch Bernhard von Waging sowie 1449 Oswald Nott nachfolgen. Die genaueren Umstände, die dazu geführt haben, die Personen, die sich zum Übertritt geäußert haben, sowie die Texte, in welchen das Thema des Ordenswechsels verhandelt wird, sollen im Folgenden näher untersucht werden. Das Kloster Indersdorf erfreute sich unter Erhard Brunner, der ab 1412 dem Kloster vorstand, eines erheblichen geistlichen und wirtschaftlichen Aufschwungs.2 Propst Erhard erneuerte sein Kloster in baulicher Weise; so ließ er die Kirche mit einem Gewölbe versehen, den Nordturm renovieren und verschaffte dem Kloster eine neue Mühle und Bäckerei. Auch unter Johannes Rothuet, seinem Stiefbruder und ab 1442 Nachfolger, fanden bauliche Erneuerungen statt: Er ließ die Marienkapelle errichten sowie einen Südturm mit einem neuen Glockengeläut.3 Erhard Brunners nachhaltigster Erfolg aber, der ebenfalls von seinem Bruder mitgetragen wurde, bestand in der aktiven Beteiligung an der monastischen Reform des 15. Jahrhunderts. Während die Abtei Tegernsee vom Melker Reformkreis befruchtet 1
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Der Brief ist überliefert in der Tegernseer Briefhandschrift: Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 32r-33v. Der Brief wird im Anschluss an diesen Beitrag ediert. Ernst HABERKERN, Funken aus alter Glut. Johannes von Indersdorf: Von dreierlei Wesen der Menschen (= Europäische Hochschulschriften. Reihe I Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1615), Frankfurt a. M. - Berlin - New York u. a. 1996, 239. Anton HASCHNER, Zur Geschichte des Stiftes Indersdorf in: Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf. Katalog anläßlich der Ausstellung „Die Augustinerchorherren in Bayern" im Kreuzgang des ehemaligen Stifts Indersdorf vom 29. April bis 4. Juni 2000, hrsg. vom Heimatverein Indersdorf e.V., Indersdorf 2000, 9-17, hier: 12f.
160
Victoria Hohenadel
wurde, wurde Indersdorf aus dem Norden von einer anderen Reformrichtung erreicht. Diese Erneuerungsbemühungen kamen aus Böhmen und nahmen ihren Anfang im Reformkloster Raudnitz, das der Prager Bischof Johann IV. von Drazice in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Reformkloster für die Augustinerchorherren gegründet hatte.4 Johannes Rothuet wurde als Novize ins Kloster Neunkirchen am Brand geschickt, das als erstes Kloster von Raudnitz aus reformiert worden war, und brachte von dort die Statuten dieses Reformklosters in sein Heimatkloster Indersdorf,5 welches im Rahmen der Erneuerungsbewegung fortan als eines der ersten erfolgreich reformierten Klöster seinen Einfluss auf den gesamten süddeutschen Raum ausüben sollte. Neben den Bemühungen um die Reform des klösterlichen Lebens lässt sich zudem eine Intensivierung der geistigen und literarischen Tätigkeiten beobachten, und so erfuhr auch die Bibliothek einen starken Zuwachs an Büchern. Auch wenn Propst Erhard selbst nur wenig schriftstellerisch tätig war, wuchs während seiner Amtszeit die Bibliothek erheblich durch Schenkungen, welche nicht nur auf kirchliche Stiftungen, sondern auch auf Privatpersonen zurückgingen.6 Propst Johannes hat selbst einige Werke verfasst. Er führte die Reform wohl noch energischer voran als sein älterer Bruder und begann mit „dem systematischen Aufbau einer Bibliothek", zu dem auch die Anschaffung von Chorbüchern zählte.7 Heute sind 509 Handschriften aus Indersdorf bewahrt, von welchen 500 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München liegen.8 Die meisten davon fanden ihren Weg in die Stiftsbibliothek wohl unter Erhard und Johannes.9 Auffällig ist die große Anzahl an Schriften von Lehrern der Wiener Universität, an monastischer Literatur und Reformschriften. Es finden sich aber auch zahlreiche naturwissenschaftliche und kanonistische Schriften, die sich auf die Rechtsstellung des Klosters beziehen. Indersdorf, das ja von böhmischer Seite reformiert worden war und die Raudnitzer
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Siehe hierzu Ignaz ZIBERMAYR, Zur Geschichte der Raudnitzer Reform, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg.-Heft 11 (1929) 323-394, sowie Horst MIEKISCH, Das Augustinerchorherrenstift Neunkirchen am Brand. Seine Geschichte und seine Bedeutung für die Verbreitung der Raudnitzer Reform, Bamberg 2006 (http://www.opus-bayern.de/uni-bamberg/volltexte/2006/92/ vom 9. Mai 2011); Romuald BAUERREISS, Kirchengeschichte Bayerns, V. Band, Das XV. Jahrhundert, St. Ottilien 2 1974, 45. Anton HASCHNER, Zur Geschichte des Stiftes Indersdorf (wie Anm. 3), 12. Siehe den Indersdorfer Bibliothekskatalog in: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 4/2: Bistum Freising, bearbeitet von Günther GLAUCHE, München 1979, 599-868, hier: 660. GLAUCHE, Mittelalterliche Bibliothekskataloge (wie Anm. 6), 661. HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 376. Ernst Haberkern gibt einen thematisch aufgegliederten Überblick über die Schriften der Indersdorfer Bibliothek: HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 376-409.
„Sequere me " - Ein Brief an Bernhard von Waging
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Statuten übernommen hatte, entwickelte sich im süddeutschen Raum neben Tegernsee zu einem Beispielkloster für die Augustinerchorherrengemeinschaft. Ein Kloster mit einer so hervorragend ausgestatteten Bibliothek und mit einer ausgesprochen guten Observanz, wie wir es für Indersdorf annehmen dürfen, war freilich für andere Klöster eine der ersten Anlaufstellen für die Beschaffung von Büchern. Auch die Abtei Tegernsee stand in engem Kontakt zu Indersdorf. Bereits im April 1426 wurde eine Verbrüderung der beiden Klöster geschlossen.10 Obwohl also das Kloster Indersdorf ein erfolgreiches Reformzentrum war, wenn auch einer anderen Erneuerungsbewegung als der, der das Kloster Tegernsee verpflichtet war, und sich eines geistlich niveauvollen Umfeldes erfreuen konnte, ließen sich doch drei seiner bedeutenderen Mitglieder nicht davon abhalten, ihr Kloster zu verlassen und in einen anderen Orden einzutreten. Anders als andere Chorherren, die durch den Wechsel oder das Verlassen des Klosters einer Strenge entgehen wollten, unter der sie nicht eingetreten waren," fassten diese drei aus anderen Gründen den Entschluss, dem Orden der Benediktiner beizutreten. Wilhelm Kienberger war der erste, der 1446 von einer Visitationsreise in das Augustinerchorherrenstift Ranshofen bei Braunau am Inn nicht mehr in sein Heimatkloster Indersdorf zurückkehrte. Er legte am 24. Juni 1446 in Tegernsee seine Profess ab.12 Von dort wurde er, der unter Propst Johannes Rothuet wohl Dekan gewesen war,13 1449 nach Scheyern entsandt, um dort mit großem Erfolg das Amt des Abtes zu übernehmen: 1452 führte er die Melker Reform ein und genoss hohes Ansehen beim Augsburger Bischof Otto, der ihn auch zu weiteren Visitationen heranzog.14 Die Scheyrer Chronik nennt ihn einen vir religiosus et doctus, der die Reform vorantrieb und die Klosterbibliothek durch den Erwerb von Büchern bereicherte.15 Er starb am 8. Juni 1467.16 Seinem Weg nach Tegernsee
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Virgil REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 9), München 1931, 136f. HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 316. Pirmin LINDNER, Familia S. Quirini in Tegernsee. Die Äbte und Mönche der Benediktinerabtei Tegernsee von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Aussterben (1861) und ihr literarischer Nachlass, in: Oberbayerisches Archiv 50 (1897) 18-130, hier: 79. HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 315. Laurentius HANSER, Scheyern einst und jetzt, Scheyern 1927, 62-64; REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 132f. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 1052, fol. 4vb, lin. 19-fol. 5ra, lin.12: „Anno Domini 1449 Johannes Abbas moritur. Et Wilhelmus dictus Kienberger in tegernsee professus eligitur, vir religiosus et doctus huius studio ac diligencia observancia regularis cooperante dei omnipotentis dei clemencia reintroducta est. Hic rexit usque in octavum decimum annum, multos libros comparavit. Plura edificia construxit, attamen et ipse post mortem eciam debita reliquit." HANSER, Scheyern einst und jetzt (wie Anm. 14), 65.
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folgte noch im selben Jahr Bernhard von Waging, der als späterer Prior des Benediktinerklosters entscheidend die Entwicklungen der Reformbemühungen der folgenden Jahrzehnte mitbestimmen sollte. Der letzte Indersdorfer Chorherr, der in dieser Reihe Benediktinermönch in Tegernsee wurde, war Oswald Nott, der weniger durch eigene schriftstellerische Leistung Bekanntheit erlangte, selbst wenn er unter anderem das Alte Testament ins Deutsche übersetzte, als vielmehr durch seine rege Schreibertätigkeit, die er in seinem neuen Kloster entfaltete.17 Während dieser letztgenannte Übertritt anscheinend weniger die Gemüter erhitzte - zumindest sind hierzu keine Aufzeichnungen bekannt - lösten die beiden ersten Ordenswechsel einen regen Briefwechsel zwischen den beiden betroffenen Klöstern aus, der größtenteils in einer Tegernseer Briefhandschrift überliefert ist.18 Der erste erhaltene Brief ist ein Schreiben von Wilhelm Kienberger an Bernhard von Waging. Darin nimmt er Bezug auf einen vorausgegangenen, nicht überlieferten Brief von Bernhard an Johannes Keck, der 1443-1446 Tegernseer Prior war. Dies lässt sich aus dem Brief von Wilhelm an Bernhard rekonstruieren, in dem er schreibt, dass sich Bernhard wohl recht anklagend zum Übertritt seines ehemaligen Indersdorfer Mitbruders Wilhelm geäußert habe. Wilhelm begegnet in seinem Brief an Bernhard von Waging nicht nur den Vorwürfen seiner ehemaligen Indersdorfer Mitbrüder und seines Freundes Bernhard, sondern schildert diesem auch die aus seiner Sicht wunderbaren Bedingungen an seinem neuen Aufenthaltsort und fordert ihn letztlich auf, ihm zu folgen.19 Nachdem Wilhelm in der ersten Jahreshälfte 1446 Kloster Indersdorf verlassen hatte, schrieb Propst Johannes noch am 2. Juli an Abt Kaspar Ayndorffer in Tegernsee einen Brief, in dem er darlegt, dass seine Haltung ihm gegenüber voll Aufrichtigkeit sei und dies auch für seinen ehemaligen Dekan Wilhelm gelte; Bernhards Übertritt wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwähnt. Als Bernhard allerdings kurze Zeit später ebenfalls den Weg nach Tegernsee wählt, greift der Indersdorfer Propst Johannes erneut zur Feder und 17
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LINDNER, Familia S. Quirini (wie Anm. 12), 91 f.; Dennis Martin vermutet, dass der Oswald de Trösperg, der in den Wiener Matrikelbüchern 1429 erscheint, mit unserem Oswald aus Indersdorf identisch ist. Dennis MARTIN, Fifteenth-century Carthusian reform: the world of Nicolas Kempf, Leiden 1992, 111, Anm. 116; Die Matrikel der Universität Wien I. Band 1377-1450, bearbeitet von Franz GALL U. a., Graz - Köln 1956, 164, Z. 15. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697. Die neuere Literatur stützt sich im Wesentlichen auf die Forschungen von REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 136-142; siehe auch Bernhard HAAGE, Der Traktat „von Dreierlei Wesen der Menschen", Heidelberg 1968, 161-164; HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 312-322; Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging: Vom Chorherrn zum Benediktiner. Bemerkungen zum Verhältnis von Kanonikern und Mönchen im 15. Jahrhundert, in: Ulrich Köpf, Sönke Lorenz (Hg.), Frömmigkeit und Theologie an Chorherrenstiften (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 66), Stuttgart 2009, 161-172. Siehe die Edition im Anschluss, S. 179-183.
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schreibt diesmal in wesentlich ruppigerem Ton dem Tegernseer Abt Kaspar Ayndorffer, der Bernhards Begabung gelobt und darauf gedrungen hatte, dass diese gefordert werden müsse.20 Diese Begabung leugnet Johannes, mehr noch, er führt die schlechte körperliche Verfassung von Bernhard an, die dazu geführt hatte, ihn von den Verpflichtungen des Gemeinschaftslebens zu entbinden und schreibt „mit unverhülltem Spott"21, er könne sich nicht vorstellen, dass ein solcher Mann Höheres leisten könnte, obwohl er wohl selbst die Vorzüge seines Sekretärs genau kannte.22 Dennoch sei er nicht nur seinen Mitbrüdern, sondern auch ganz besonders ihm selbst am Herzen gelegen.23 In einem späteren Brief des Johannes aus Indersdorf an Bernhard von Waging wird das ganze Ausmaß seiner Verärgerung deutlich, wenn er schreibt, nur mit einer gesiegelten Bestätigung seines neuen Abtes über seine rechtmäßige Aufnahme könne er ihn von seinem Gehorsam entbinden. Johannes drohte ihm sogar mit Exkommunikation.24 Dass Johannes hier so heftig reagiert, mag verständlich sein vor dem Hintergrund, dass er selbst erst seit vier Jahren die Leitung des Klosters innehatte und die Übertritte sicherlich auch eine Art Machtprobe für ihn bedeuteten.25 Schließlich hatte er innerhalb kurzer Zeit mit seinem Dekan und Sekretär einflussreiche Männer seines Klosters verloren.26 Neben den Klostervorstehern haben sich auch andere Personen an der Debatte über die Übertritte beteiligt. So hatte unter anderem der Indersdorfer Dekan und spätere Propst Ulrich Schirm,27 der mit Wilhelm nach Ranshofen bei Braunau am Inn aufgebrochen war, ihn in seinem Vorhaben, Indersdorf zu verlassen, unterstützt, wie Wilhelm an Bernhard schreibt. Bernhard selbst schließlich erinnert in 20 21
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Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 138. Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 319. Wilhelm nennt Bernhard in seinem Brief cancellarius prelatr, dieser hatte die Aufgabe, Schriften und Urkunden zu verfassen, was darauf schließen lässt, dass er eine Art Sekretär für seinen Propst Johannes war. Auch REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 94 und HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 312f und 318, sind davon ausgegangen, dass Bernhard in Indersdorf die Aufgabe des Sekretärs übernommen hatte. Siehe auch TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 18), 159, Anm. 12. Vgl. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 1 0 ) , 138f. Ebd., 139. Ernst Haberkern zieht die Übertritte als „einen Protest gegen seine Amtsführung" in Betracht; HABERKERN, Funken aus alter Glut (wie Anm. 2), 319. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 1 0 ) , 1 4 0 ; zur Datierung des Übertritts siehe Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472). Ein Theologe der Melker Reformbewegung (= Beiträge zur historischen Theologie 158), Tübingen 2011, 41, Anm. 1 6 . Ulrich Schirm, Propst von Indersdorf von 1 4 7 0 - 1 4 7 9 . Siehe: Graf Eberhard von FUGGER, Die Geschichte des Klosters Indersdorf von seiner Gründung bis auf unsere Zeit, München REDLICH,
HABERKERN,
1883, 59.
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einem Brief daran,28 dass dieser dem Übertritt Wilhelms positiv gegenübergestanden und auch in München dafür vorgesprochen habe.29 Diesem Brief von Bernhard, den er nach seinem Übertritt nach Tegernsee an sein ehemaliges Heimatkloster Indersdorf geschrieben hat, fehlt sowohl die Datierung als auch der Adressat. Aus dem Brief geht allerdings hervor, dass Bernhard nach seinem Eintritt in Tegernsee an einen ehemaligen Mitbruder in Indersdorf schreibt.30 So vergleicht er die Bedingungen in dem Kloster, in dem er jetzt ist, mit denen, die bei seinem Briefpartner herrschen.31 Er schlägt einen vertrauten Ton an und spricht im Verlauf des Briefes einen Udalricus im Vokativ an,32 von dem er sagt, dass er sich eben nicht nur in München für den Übertritt eingesetzt habe, sondern es überhaupt erst möglich gemacht habe, dass Wilhelm von Ranshofen nach Tegernsee gehen konnte, da er bezahlte Boten dorthin geschickt und sich darum bemüht habe, Wilhelms Wunsch zu erfüllen.33 Es liegt also nahe, Ulrich Schirm als Adressaten zu vermuten, der eben, wie bereits erwähnt, später selbst Propst in Indersdorf werden sollte. Doch scheint auch Ulrich dem Weggang Bernhards kritisch gegenübergestanden zu haben, denn Bernhard bittet diesen um Nachsicht und begründet sein Fortgehen damit, dass derselbe Geist Wilhelm und ihn erfüllt habe.34 Der Übertritt Bernhards kam nicht so überraschend, wie die heftige Reaktion des Indersdorfer Propstes vielleicht vermuten lässt. Bernhard hatte schon mehrmals um die Erlaubnis für seinen Übertritt gebeten, wie er in eben diesem Brief an Ulrich nach seinem Übertritt schreibt. Er erwähnt Schriften, die er nach Augsburg, München und Freising geschickt habe.35 Außerdem rechtfertigt er sich gegen den Vorwurf, er habe heimlich und unerwartet und ohne die erhaltene Erlaubnis In28
Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 36r-v; der Brief ist nachträglich zusammen mit den Blättern 34 und 35 direkt hinter dem hier edierten Brief Wilhelms an Bernhard (fol. 32r-33v) in den Codex eingeheftet. Er umfasst die doppelte Blattlänge und ist in der Mitte des Blattes auf die entsprechende Länge der anderen Blätter im Codex gefaltet. Siehe auch REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 139; TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472). Ein Theologe (wie Anm. 26), 42, Anm. 23. 29 Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 36v, lin. 32f.: „in ciuitate etiam Monaco voce viua et ore proprio tuum exposuisti coram propositum". 30 Ulrike Treusch denkt an Oswald Nott als Adressaten, siehe TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472). Ein Theologe, (wie Anm. 26), 42, Anm. 23. 31 Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 36v, lin. 21f.: „sunt autem labores chori multo leuiores (supra lin. mitiores) in monasterio, quo nunc sum, quam apud te". Siehe auch Anm. 83. 32 Ebd., fol. 36r, lin. 56: „o tibimet sapiens et in Christo dilecte frater Udalrice". 33 Ebd., fol. 36v, lin. 34-38. 34 Ebd., fol. 36v, lin. 38f.: „cesset igitur adversum me tua indignado, ne pro bono opere arguaris me lapidasse, ymmo condemnasse. Isdem namque, ut credo, spiritus, qui hune (sc. Wilhelm) et me aspiratus est". 35 Ebd., fol. 36r, lin. 22.
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dersdorf verlassen, denn er habe bereits dreimal um die Erlaubnis des Propstes gebeten und doch schon gewusst, dass er sie nicht erhalten werde.36 Im Folgenden beschreibt er, wie der Propst und Dekan ihn einmal nach dem Essen zur Seite genommen und versucht hätten, ihn umzustimmen.37 Ein anderes Mal kurz darauf habe er seinen Entschluss dem ganzen Konvent bekannt gegeben und auch in Freising vor dem Dekan Gabriel und Ulrich Schirm, wo er auf die Frage, ob er nach Tegernsee übertreten wolle, demütig darum gebeten habe.38 Als er dann Indersdorf verlassen habe, habe er ein scriptum copiosum zurückgelassen und auch aus Tegernsee nochmal einen langen Brief an den Propst geschrieben.39 Selbst bei Johannes Keck, dem Prior von Tegernsee, habe Ulrich für die beiden Partei ergriffen, wie Bernhard erwähnt. Dieser war es schließlich auch, der die rechtlichen Argumente der Diskussion für die beiden Chorherren beisteuerte. Der Tegernseer Prior hatte bereits 1445 bei der Stabilitätsübertragung des Konrad von Geisenfeld aus Melk eine entscheidende Rolle für den Übertretenden eingenommen. Konrad von Geisenfeld, aus Oberbayern stammend, studierte 1426 an der Universität von Wien, wo er 1431 Magister wurde, bevor er 1433 dem Benediktinerkloster Melk beitrat. Nur ein Jahr später wurde Konrad bereits Prior der berühmten Abtei.40 Als er 1441 Johannes Schlitpacher, der später ein wichtiger Briefpartner des Bernhard von Waging werden sollte, zu einer Visitationsreise nach St. Ulrich und Afra in Augsburg folgte und weiter von dort nach Ettal, kehrte er etwa zur Mitte der Fastenzeit 1443 nicht nach Melk zurück, sondern begab sich nach Tegernsee, was - zwei Jahre vor dem zitierten Briefwechsel mit Bernhard von 36
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Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 36v, lin. llf.: „namque de meo autem recessu clandestino et inopinato atque de non petita licentia causaris iniuste; auctoritate apostolica licenciam domini prelati tribus viribus petitam obtinere non potui, qui ymmo noui peroptime numquam obtinere posse". Ebd., fol. 36v, lin. 13-15: „primam petitionem pro licentia quadam dierum dum pransuri in communi refectorio simul aderamus domino prelato per scriptum obtuli. Testis est dominus decanus, cui mox finita refectione id exhibuit scriptum eademque hora patres ambo scilicet dominus prelatus et decanus me conuenerunt in contrariumque adhortati sunt." Ebd., fol. 36v, lin. 16-18: „petitio altera, que non longe post conuentui innotui, demum infra mensis spacium in stubella Freysing presentibus decano Gabrieli et te presentibus ipso domino prelato inchohante et me interrogante, an transire vellem in Tegernsee, ego letabundus surrexi de loco, quo sederam humiles obtuli preces etc. ecce petitio tertia etc." (diese dritte petitio wird von Bernhard nicht weiter erläutert). Ebd., fol. 36v, lin. 18f.: „quartam petitionem monasterium egressurus scripto reliqui copioso etc. quintam testatur epistola ex Monasterio Tegernsee domino prelato per me transmissa." Hans-Jürgen STAHL, Art. Konrad von Geisenfeld, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, 2. Aufl. (= 2VL), Bd. 5 (1985), Sp. 176-179; Meta NIEDERKORNBRUCK, Professbuch des Klosters Melk (1. Teil 1418-1452), in: Wilfried Kowarik (Hg.), Stift Melk. Geschichte und Gegenwart, Bd. 4, Melk 1985, 77-202, 141.
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Waging - einen regen schriftlichen Austausch zwischen den beiden Benediktinerklöstern auslöste.41 In nicht weniger als zehn Briefen wurde der Übertritt Konrads diskutiert. Aufseiten der Melker Mönche argumentierten der dortige Abt Christian Eibensteiner sowie der eifrige Reformer Johannes Schlitpacher, dass der ganze Konvent diesem Übertritt zustimmen müsse. Der Abt betonte zudem die Schwierigkeiten, die sich beim Übertritt ergeben würden.42 In Tegernsee griff sowohl Konrad Geisenfeld selbst zur Feder, der Schlitpacher bat, für die Übertragung seiner stabilitas loci beim Abt einzutreten, als auch der Tegernseer Prior Johannes Keck. Viermal ersuchte Keck die Melker Brüder und im Besonderen Johannes Schlitpacher um die Erlaubnis für seinen künftigen Tegernseer Mitbruder, bis Abt Christian schließlich am 16. August 1445 sein Einverständnis gab43 und Konrad von Geisenfeld nur einen Monat später, am 12. September 1445, seine Stabilitätsübertragung nach Tegernsee leisten konnte.44 Rechtlich bildete für den Übertritt innerhalb des Benediktinerordens Kapitel 61 der Regula Benedicti die Grundlage: Lediglich der Abt konnte den Übertritt in eine andere Benediktinerabtei gewähren. Der Wechsel innerhalb des Ordens forderte nur eine Stabilitätsübertragung mit einem Obödienzversprechen dem neuen Abt gegenüber, während die Ablegung der Profess nur beim Übertritt in eine andere religiöse Gemeinschaft gefordert wurde.45 Keck schrieb in seiner kanonistischen Gewissenhaftigkeit noch im selben Monat der Stabilitätsübertragung 1445 an den Abt nach Melk, er möge doch bitte Konrad von seiner Stabilität in Melk lösen, um etwaige Formfehler auszuschließen.46 Ob dies geschehen ist, ist nicht bekannt, doch versuchten der Melker Abt sowie Johannes Schlitpacher 1447, die Tegernseer dazu zu bewegen, ihren ehemaligen Prior wieder nach Melk zurückzusenden.47 Konrad von Geisenfeld aber, der nur ein Jahr nach seinem Eintritt in Tegernsee seinem Mitbruder 41
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Eine Darstellung bei NIEDERKORN-BRUCK, Professbuch des Klosters Melk (wie Anm. 40), 141, Anm. 12-15; siehe auch REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 26, Anm. 89-92; Heribert ROSSMANN, Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck über die mystische Theologie, in: Martin Bodewig, Josef Schmitz, Reinhold Weier (Hg.), Das Menschenbild des Nikolaus von Kues und der christliche Humanismus (= Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 13), Mainz 1978, 330-352, hier: 341. Heribert ROSSMANN, Art. Johannes Keck, in: 2VL, Bd. 4 (1983), Sp. 1090-1104, hier: Sp. 1099f. NIEDERKORN-BRUCK, Professbuch des Klosters Melk (wie Anm. 40), 141, Anm 12. Ebd. Ebd., 143, Anm. 13. Benedicti regula, hg. Rudolf HANSLIK (= Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum 75), Wien 1960, Cap. 61; siehe hierzu Philipp HOFMEISTER, Der Übertritt in eine andere religiöse Genossenschaft, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 108 (1928) 419-481, hier: 456. NIEDERKORN-BRUCK, Professbuch des Klosters Melk (wie Anm. 40), 141, Anm. 14. Ebd., 141, Anm. 15.
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Johannes Keck im Amt des Priors nachfolgte, das er von 1446 bis 1452 ausübte,48 blieb im oberbayerischen Kloster am Wallberg. Die schriftlichen Verhandlungen zur Übertragung der Stabilität des Konrad von Geisenfeld dauerten vom Frühjahr 1443 bis Herbst 1445, also insgesamt zweieinhalb Jahre, und zeigen allein durch ihre beträchtliche Zeitspanne, wie intensiv man sich um den aus Oberbayern stammenden Benediktiner bemühte. Anders als bei Konrad, der innerhalb seiner Gemeinschaft das Kloster wechselte, verließen Wilhelm Kienberger und Bernhard von Waging nicht nur ihr Kloster, sondern auch ihren Orden, um sich den Männern des heiligen Benedikt in Tegernsee anzuschließen. Und wieder ist es Johannes Keck, der sich zu den Geschehnissen äußert, auch wenn er diesmal keinen Bittbrief diesbezüglich an das Kloster Indersdorf schreibt. Als die beiden Chorherren Kienberger und Waging im Jahr 1446 übertreten, schreibt der ehemalige Tegernseer Prior gerade an seiner Auslegung der Benediktsregel, die er an Ostern im selben Jahr begonnen hatte.49 Dieser Kommentar stellt sein wichtigstes Werk dar, wird doch in ihm sein ganzer Eifer für das monastische Leben sichtbar.50 Keck, der erst am 8. Dezember 1442 in Tegernsee seine Profess abgelegt hatte, hatte vorher eine intensive Ausbildung an der Universität in Wien erhalten und auch an der Universität der römischen Kurie kanonistische Studien betrieben; er konnte nun in diesem Werk seine ganze Gelehrsamkeit zeigen.51 Durch die zahlreichen Exkurse und Traktate zu vielfältigen Themen wird der Kommentar zu einer „aszetischen und theologischen Summe", die überwiegend aus Kapitelpredigten entstanden ist.52 Im Prolog widmet er das Werk dem Abt von Tegernsee Kaspar Ayndorffer, worauf er eine Lobrede auf den heiligen Benedikt folgen lässt.53 In der Bayerischen Staatsbibliothek ist in clm 48
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STAHL, Art. Konrad von Geisenfeld (wie A N M . 4 0 ) , 1 7 5 . Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 25r: „in pascali anno Domini 1446". Der Kommentar ist bisher noch nicht gedruckt. Nach den Angaben von Heribert ROSSMANN, Art. Johannes Keck (wie Anm. 41), 1098 und Heribert ROSSMANN, Art. Johannes Keck, in: 2VL, Bd. 11 (2004), Sp. 835f. liegt der Kommentar neben dem Autograph (Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, Prov.: OSB Tegernsee) in drei weiteren Handschriften in vollständiger Fassung vor: Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18102 (Prov.: OSB Tegernsee), ebd., clm 6967 (Prov.: SOCist Fürstenfeld); ebd., clm 17472 (Prov.: OSB Scheyern). Auch Melk hatte vermutlich ein vollständiges Exemplar, das aber verloren zu sein scheint. Auszugsweise Überlieferungen auch in: Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4763 (Prov.: OSB Benediktbeuern), fol. 98r108v; Melk Stiftsbibliothek, cod. 959 (olim 3), fol. 173r-181v; ebd., cod. 1384, fol. 309v317v; ebd., cod. 1405, fol. 171r-189v; Wien Schottenabtei, cod. 356 (55.b.8), fol. 243r366v; ebd., cod. 312 (55.g.l6). ROSSMANN, Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck (wie Anm. 41), 347. ROSSMANN, Art. Johannes Keck (wie Anm. 41), 1090f. ROSSMANN, Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck (wie Anm. 41), 347. ROSSMANN, Art. Johannes Keck (wie Anm. 41), 1099.
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18150 ein autographes Exemplar des Regelkommentars erhalten, in welchem Keck neben Beginn und Ende der Abfassungszeit, Ostern 1446 bis Januar 1448,54 auch einen Index verfasst hat, wie er es häufig auch bei anderen seiner Schriften gehalten hat, was auf eine nutzungsorientierte Ausrichtung schließen lässt.55 In diesem Kommentar nun bezieht Johannes Keck Stellung zu der Frage, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen ein Mönch seinen Orden bzw. sein Kloster verlassen dürfe. In seiner Auslegung zum 29. Kapitel der Regel Si debeant iterum recipi fratres exeuntes de monasterio56 äußert sich Keck zu diesen Vorgängen. Dabei geht er auf die Frage ein, ob Regularkanoniker zum Mönchtum wechseln dürfen. Ausführlicher stellt er diese Frage aber ad capitulum 58 dar, in welchem die Ordnung bei der Aufnahme von Brüdern erörtert wird - Sequitur de ordine suscipiendorum fratrum,57 In 15 Unterpunkten behandelt Keck ausführlich einzelne Themen, die die Fragestellung des Kapitels betreffen, und verweist darauf ausdrücklich mithilfe von Buchstaben, die er am Ende des Kommentars in das Sachverzeichnis eingetragen hat. Dabei geht er nicht nur auf allgemeine Aufnahmeregularien von Brüdern ein, wie De religionis ingressu qualiter fiat, De impensis sufficientibus ad consumendum, Utque liceat aliquem inducere ad religionis ingressum, De stabilitate u. a., sondern behandelt auch intensiv verschiedene Fragen zum Übertritt in eine andere Gemeinschaft, De transitu de una religione ad aliam, wobei er ausdrücklich auf das Verhältnis zwischen Regularkanonikern und Mönchen eingeht.58 An dieses Kapitel über die Aufnahme von Brüdern schließt sich unmittelbar ein Traktat De voto an, der ebenfalls in weitere Einzelfragen gegliedert wird, die aber immer noch zur Auslegung von Kapitel 58 gehören.59 Im vorliegenden Fall interessiert die Frage, wie Keck den Übertritt von Regularkanonikern zu Benediktinern bewertet. Dazu schreibt er unter (k) Transitus de religione laxiori ad arctiorem, dass, wenn einer von einer religio laxior zu einer strengeren religio übertreten möchte, es genüge, wenn er die Erlaubnis nur 54 55
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Art. Johannes Keck (wie Anm. 41), 1099. Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck (wie Anm. 41), 347; Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 222r-232v. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 118r— 119r (die neue Zählung rechts oben zählt den gesamten Codex; die alte Zählung in der linken unteren Ecke, die noch REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 1 0 ) verwendet, übergeht die dem Kommentar vorangestellte Regel und beginnt die Zählung erst mit dem Beginn des Kommentars; sie ist nur noch teilweise lesbar). Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 185r-192v (neue Zählung). Siehe den Index, Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 229v: ,j) Quis sit ad solitudinem sumendus, k) Transitus de religione laxiori ad arctiorem, 1) De comparatione regulae monachorum ad regulam canonicorum, m) Canonicus regularis transire potest ad monachos." Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 188r-192v. ROSSMANN,
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erbeten, nicht aber erhalten hätte, wenn sie nur nicht leichtfertig gefordert worden wäre, wie es auch Innozenz III. in seiner Bulle Licet bestimmt habe.60 Dass aber die Lebensform der Augustinerchorherren weniger streng sei als die Regel der Benediktiner, sei bekannt, weshalb ein Übertritt möglich sei, wie es in der Bulle Sane festgesetzt wäre61 und wie es auch in Tegernsee bereits geschehen wäre, als ein Regularkanoniker aus Indersdorf aufgenommen worden war.62 Hier verweist er zusätzlich auf das Kapitel 29, in dem er sich bereits dazu geäußert hatte.63 Damit ist wahrscheinlich Wilhelm Kienberger gemeint. Innozenz III., den Keck hier heranzieht, hatte mit seiner Dekretale Licet eine dauerhaft rechtliche Grundlage geschaffen, in der es heißt, dass nur ein leichtfertiges Übertrittsgesuch verboten, einer wahrhaft demütigen Bitte aber nachgekommen werden soll; zudem hatte er festgesetzt, dass die Erlaubnis, wenn sie denn eben aus dem wahrhaftigen Eifer zu einem Leben in einer maior religio erbeten worden sei, auch erteilt werden müsse, woraus sich letztlich schließen ließ, dass es ausreichte, wenn der Betroffene nur um die Erlaubnis gebeten, diese aber nicht erlangt hatte.64 Dennoch blieb die Bitte an den Oberen als Zeichen der Ehrerbietung Voraussetzung für den Übertritt, wenn auch seine Entscheidung nicht ausschlaggebend war. Allein die inneren Beweggründe des Übertretenden, die von tiefer humilitas und puritas bewegt sein 60
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Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 187r, lin. 50: „Porro si quis de laxiori religione transeat ad arctiorem sufficit petere super hoc licentiam superioris etiam si minime obtineatur dum tarnen non levitate sed dei spiritum transiens ille ducitur ut hoc patet per capitulum licet" (de regularibus et transeuntibus ad religionem). Siehe unten Anm. 67. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 187r, lin. 53ff: „religio canonicorum regularium sancti Augustini laxior est quam regula monachorum beati Benedicti. Hinc licitum esse convincitur transitus ab illis ad nos quemadmodum factum legitur in casu capituli sane titulo quo supra et practicavimus iam altera vice (fol. 187v) suscipiendo secundum canonicum regulärem de Undensdorff qui sicut alius de quo diximus supra capitulo 29 receptus est". Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 118r, lin. 56-58: „... ut videlicet licentia petita licet non obtenta, quoniam videlicet spiritu dei ducitur celo ingressus arctioris religionis ut patet in capitulo Licet (de regularibus et transeuntibus ad religionem). Quod capitulum apud nos meo ipso fuit practicatum receptione canonici cuiusdam regularis ad nostre regule professionem". Corpus Iuris Canonici, Pars Secunda: Decretalium Collectiones. Decretales Gregorii P. IX instruxit Emil FRIEDBERG, Leipzig 1879, 3.31.18: „ne quis ex temeritate vel levitate in iacturam vel iniuriam sui ordinis sub praetextu maioris religionis ad alium ordinem transvolaret, (...) non quidem ut ei transeundi licentia denegetur, qui eam cum humilitate ac puritate duxerit postulandum, ut non ficte, sed vere ad frugem melioris vitae valeat transmigrare." - Zu dieser Dekretale von Innozenz in. siehe auch HOFMEISTER, Der Übertritt (wie Anm. 45), 426-428; Lars-Arne DANNENBERG, Das Recht der Religiösen in der kanonistischen Kommentierung des 12. und 13 (= Vita Regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen Lebens im Mittelalter 39), Berlin 2008, 304-317, hier: 228f.
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mussten, waren das entscheidende Moment, das den Wunsch nach einem „heiligmäßigen Leben" legitimieren und den Mönch vom Gehorsam gegen den Oberen entbinden konnte.65 Innozenz III. spricht dabei vom Ordensoberen (a praelato suo) als demjenigen, an den das Bittgesuch zu stellen sei, also in erster Linie an den Abt oder in unserem Fall den Propst.66 Eine wesentliche Forderung in der Dekretale Licet aber war, dass der neue Orden arctior sein müsse als der, aus welchem der Übertretende komme. Diese Auffassung stützte auch Papst Alexander III., den Keck an dieser Stelle heranzieht. Dieser erlaubte in seiner Dekretale Sane den Übertritt eines Regularkanonikers für den Fall, dass der neue Orden strenger geführt werde als der, dem er zuerst angehört hatte.67 Dass aber die Regel der Augustinerchorherren laxior sei als die der Mönche, behandelt Keck in seinem anschließenden Kapitel (1) De comparatione regulae monachorum ad regulam canonicorum.6i Darin zieht er die Dekretale Quod dei timoremm heran, in der Innozenz III. ausdrücklich eine Abstufung zwischen Regularkanonikern und Mönchen vornimmt.70 Hier wird zum ersten Mal in einer Rechtssammlung ein wertender Vergleich gezogen, der die Regularkanoniker den Mönchen gegenüber abwertet.71 Welchen Rang die Benediktiner in der Hierarchie der Orden des 15. Jahrhunderts und ganz konkret aus Sicht des betroffenen Klosters Indersdorf einnahmen, lässt sich über die kanonistischen Bestimmungen hinaus aus der Aussage des Indersdorfer Chronisten entnehmen, der über Wilhelm, Bernhard und Oswald schreibt, diese drei seien angetrieben von ihrem feurigen Eifer zu einem „höheren Orden" - ad altiorem religionem - übergetreten.72 Dieser „feurige Eifer" -fervens spiritus - aber, der die Chorherren zu einer strengeren Lebensform führt, ist es, der ihren Übertritt nach Innozenz III. und Johannes Keck legitimiert. So schreibt denn
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Das Recht der Religiösen (wie Anm. 64), 304f. Ebd., 306. Decretal. Greg, (wie Anm. 64), 3.31.10:,,... si locus ubi nunc permanet, maioris religionis, quam ecclesia (...) existat ...". Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18150, fol. 187v, lin. 4: „Quia autem religio canonicorum regularium laxior sit manifestum est quia et si illi scilicet canonici reguläres a sanctorum monachorum consortio non putentur seiuncti regulae tarnen inserviunt laxiori ut dicit capitulum ex dei timorem." Decretal. Greg, (wie Anm. 64), 3.35.5. DANNENBERG, Das Recht der Religiösen (wie Anm. 64), 230f. Gert MELVILLE, Zur Abgrenzung zwischen Vita canonica und Vita monastica. Das Übertrittsproblem in kanonistischer Behandlung von Gratian bis Hositenis, in: Ders. (Hg.), Secundum regulam vivere. Festschrift für P. Norbert Backmund O.Praem., Windberg 1978, 205-243, hier: 230f. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Klosterliteralie Indersdorf 1, f. 62r, zitiert nach REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 1 0 ) , 1 3 7 ; TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 18), 159, Anm. 14. DANNENBERG,
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Bernhard auch an Ulrich, dass ihn und Wilhelm derselbe spiritus angetrieben habe.73 Mit diesen Argumenten hatte der Tegernseer Prior die Übertritte von Wilhelm Kienberger und Bernhard von Waging auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Als Wilhelm sich nun nach seinem Eintritt in Tegernsee gezwungen sah, sein Vorgehen zu rechtfertigen, verteidigt er vor dem Hintergrund seines „herausragenden Lehrers" Johannes Keck seine Rechte. Wilhelm Kienberger war gemeinsam mit Ulrich Schirm und vier anderen Indersdorfern in das Augustinerchorherrenstift Ranshofen gereist, um eine Visitation durchzuführen, als er beschloss, von dort nicht nach Indersdorf zurückzukehren und auch nicht seine Stabilität nach Ranshofen zu übertragen, was offensichtlich von Indersdorf aus gewünscht worden wäre. Vielmehr hatte er beschlossen, neben dem Kloster auch den Orden zu wechseln und in das Benediktinerkloster Tegernsee einzutreten, wobei ihn der Indersdorfer Chorherr Ulrich Schirm, wie bereits erwähnt, auf sein Bitten hin diesbezüglich unterstützt zu haben scheint. Und so schreibt er zwei Wochen nach seinem Wechsel an Bernhard von Waging nach Indersdorf. Die zentralen Themen, die er anspricht, sind zum einen die Vorwürfe, die ihm wegen seines Übertritts offenbar gemacht worden waren, zum anderen die Unterschiede zwischen Indersdorf und Tegernsee bzw. den Augustinerchorherren und Benediktinern, die ihn letztlich zu seinem Übertritt veranlasst haben. Wie aus dem Anfang des Briefes hervorgeht, antwortet Wilhelm auf ein Schreiben, das Bernhard möglicherweise im Auftrag seines Propstes an den Prior Johannes Keck verfasst hat. In diesem scheint er seinen ehemaligen Mitbruder heftig angeklagt zu haben, wie sich aus Wilhelms Zeilen herauslesen lässt; dieser sieht sich im Folgenden veranlasst, zu diesen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Schon in diesem ersten Abschnitt wird deutlich, wie intensiv der Übertritt des Wilhelm Kienberger die Gemüter erregte. Bernhard scheint in seinem vorausgegangen Schreiben an den Prior Johannes Keck nicht nur eine violenta usurpatio der Ranshofer Mönche beklagt zu haben, Wilhelm meint sich auch gegen den Vorwurf verteidigen zu müssen, er habe sich des Verbrechens der Apostasie schuldig gemacht. Doch dieser hatte ja nicht in der Absicht den Klosterstand zu verlassen Indersdorf den Rücken gekehrt, sondern eben der fervens spiritus war es, der ihn zu Höherem angetrieben hatte, weshalb im vorliegenden Fall kaum von Apostasie die Rede sein kann.74 Wilhelm, dem vorgeworfen wurde, dass er ohne 73 74
Siehe oben Anm. 34. Der Vorwurf der Apostasie wiegt schwer und scheint im vorliegenden Kontext nicht zutreffend, da Wilhelm sein Kloster zwar ohne Erlaubnis seines Oberen verließ, aber dennoch nicht in der Absicht, seinen Ordensstand aufzugeben, sondern mit dem Vorsatz wieder in ein Kloster einzutreten, weshalb man hier lediglich von „flüchtig" (fugitivus) und nicht von „klosterabtrünnig" (apostata a religione) sprechen könnte.
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Erlaubnis seines Oberen sein Kloster verlassen habe, konnte, wie er schreibt, sowohl auf die Zustimmung des Propstes aus Ranshofen verweisen als auch auf die des Freisinger Bischofs. Er greift sogar auf eine päpstliche Legitimation zurück, hatte doch Papst Innozenz III. bereits im 12. Jahrhundert mit seiner Bulle Licet den Übertritt von Regularkanonikern zu Mönchen als einer religio arctior grundsätzlich auch ohne erteilte Erlaubnis gestattet. Deutlich klingen hier die Argumente mit an, wie wir sie später, in der im Januar 1448 fertig gestellten Regelauslegung, bei Johannes Keck finden. Der zweite große Vorwurf, auf den Wilhelm antwortet, ist der, dass er seinen Entschluss, das Kloster zu verlassen, heimlich gefasst und ohne das Wissen seines Freundes und Propstes ausgeführt habe. Er skizziert die zahlreichen vertrauten Situationen, in welchen er Bernhard seinen Gemütszustand aufgezeigt habe; nicht nur in der Beichte, auch außerhalb habe er ihm unzählige Male von seiner misslichen Lage berichtet. Bernhard solle sich erinnern, was Wilhelm ihm in so vielen Gesprächen inhiante ore mitgeteilt habe. Er habe sich ja schon nicht mehr auf die Gesänge konzentrieren können, so sehr sei sein Herz bewegt gewesen. Immer sei Bernhard zugegen gewesen, wenn er bei ihrem Propst um Erlaubnis gebeten habe. Er habe Bernhard sogar in seinem Amt als cancellarius des Propstes Johannes um die Abfassung von Briefen bezüglich seines Vorhabens gebeten. Wilhelm erwähnt, dass Bernhard selbst zugestanden habe, dass ein anderer Zustand für Wilhelm heilsamer sei, und er habe die Umstände gekannt, die Wilhelm bisher von seinem Wunsch abgehalten hatten, nämlich, dass er glaubte, ohne ihn könne das Kloster nicht sein. Erst als er auf seiner Reise nach Ranshofen bemerkt habe, dass die Brüder ohne ihn sogar besser dran seien, habe er seinen Hochmut erkannt und sei in seiner Entscheidung, das Kloster zu verlassen, nur noch bestärkt worden. Zudem scheint sein Verhältnis zu seinem Propst angespannt gewesen zu sein, da er schreibt, er sei nach dem Urteil seines Oberen eine persona onerosa et inutilis gewesen. Mit voller Bewunderung spricht er dagegen von seinem neuen Abt Kaspar Ayndorffer. Er habe ihn ohne irgendein vorausgegangenes Verdienst aufgenommen, ihn, der mit aufrichtigem Verlangen bereits vorher um Aufnahme gebeten hatte. Und obwohl er auch andere Klöster aufsuchen hätte können, habe es ihn zu diesem hervorragenden Mann gezogen. Im Folgenden weist Wilhelm erneut die Vorwürfe als unrechtmäßig zurück, die Bernhard ihm am Ende des vorausgegangenen Schreibens gemacht zu haben scheint. Von seinen ehemaligen Brüdern aus Indersdorf klang wohl recht deutlich der Vorwurf der Apostasie mit an, den Wilhelm heftig zurückweist. Nie habe er irgendetwas getan, das rechtfertigen könnte, dass sein Beichtvater ihn so sehr angreife. Wie so viele andere habe auch er eine dispensatio iuris communis erhalten, die sein Vorgehen legitimiere, weshalb er inständig bittet, Bernhard und seine Brüder sollten aufhören, ihn anzuklagen, auch damit nicht sie selber letztlich als die wahren von Gott Abgefallenen beurteilt würden. Nun ist es Wilhelm, der zum Angriff übergeht. Er spricht Bernhard ganz direkt an und nennt seine religio
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töricht, die nur das Wort der leichtfertigen und geschwätzigen Menschen und nicht die wahre Herrlichkeit, die allein von Gott kommt, betrachten würde. Von da aus lässt er den Zurückgelassenen selbst beurteilen, ob er ein verus religiosus sei. Das sind deutliche Worte aus dem Mund eines Mannes, der noch vor Kurzem selbst diesem Wort gefolgt war. Im Folgenden grenzt er sich klar von seinem alten Lebensideal ab, indem er stets von tua religio spricht. Und Wilhelm geht noch weiter: Erst jetzt, aus seiner neuen Perspektive, erkenne er seinen Irrtum, denn auch wenn er geglaubt hatte, einer richtigen religio anzugehören, so würde er nun im Rückblick erst sehen, dass seine neue Lebensform im Vergleich zur religio Bernhards, selbst bei der strengen Observanz im reformierten Indersdorf, wie das Leben der Weltleute im Verhältnis zu Regularkanonikern sei. Er bereue nur, dass er den Schritt nicht schon früher getan habe. Dann hätte er nämlich bereits eine höhere Stufe erreicht. Die Vorzüge seiner neuen Ordensgemeinschaft in Tegernsee beschreibt Wilhelm nun im letzten Teil des Briefes. Hier könne er eine höhere Stufe der Entwicklung erreichen, denn hier sei reichlich Zeit für die inneren Bedürfnisse und für das Lesen. Auch würden die Brüder immerfort unterstützt, zu ergreifen, was den Körper und den Geist nicht behindert, sodass dieser frei wirken könne. Hier geht Wilhelm auch auf den Verzehr von Fleisch ein, der in Tegernsee nicht gestattet war, was ihn aber in keinster Weise einschränken würde.75 Ein ganz wichtiger Punkt für Wilhelm ist allerdings, dass er hier nun die Stille und das Schweigen genießt; denn hier werde sein denkender Geist in der Anrede zu Gott nicht durch leere Worte gestört. So schreibt er, dass er in den 14 Tagen, in denen er bereits hier sei, den Brüdern nur beim täglichen Gebet begegne und nur wenige Namen kenne, da das Schweigen an diesem Ort so streng gewahrt werde, dass es kaum zu Gesprächen untereinander komme. In dieser Stille habe er nun endlich die Ruhe und den Sinn für die wissenschaftliche Literatur gefunden. Wenn er im Folgenden schreibt, dass er nun die Werke des Johannes Gerson oder die des Richard von St. Viktor mit Verstand liest, soll das nicht heißen, dass er in Indersdorf nichts gelesen hat, wo all diese Werke ebenfalls verfügbar waren. Doch erst in Tegernsee scheint er den wahren Zugang zu den Werken gefunden und sie wirklich verstanden zu haben. Denn in der Benediktinerabtei wurden ganz andere Schwerpunkte gesetzt, was die geistliche Literatur betraf. Wilhelm wertet aus Tegernseer Sicht seine Indersdorfer Zeit als Exil - quo fui expulsus in meo exilio. In Anspielung an Psalm 123,7 vergleicht er sich mit einem Vogel, der aus der Hand des Vogelfängers befreit worden ist, sodass sein Geist jetzt frei fliegen kann - an einer anderen Stelle stellt er seine frühere Lage dem Zustand von Wasser gegenüber, das nicht vermag 75
REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 1 0 ) , 1 3 7 f. hat diesen Brief in Auszügen paraphrasiert und versteht die Stelle folgendermaßen: „Ja selbst die fleischlose Kost würde seinen Körper nicht so hindern wie der Fleischgenuß."
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zu wachsen.76 In Indersdorf, wo es nur noch auf die Äußerlichkeiten ankomme, vermisse er die wahre Spiritualität. Er war als Dekan wohl mit zahlreichen Pflichten, die den Außenbereich betrafen, beschäftigt gewesen, und so fehlte ihm die Zeit und das Verständnis für die Literatur. In Indersdorf trat er auf der Stelle, konnte sich nicht mehr weiterentwickeln. Wilhelm bemerkt mehrmals, dass er seine jetzige Ordensgemeinschaft nie mehr verlassen werde, und bevor man ihm das Gewand des heiligen Benedikt ausziehe, werde man ihm leichter das Leben nehmen, denn um keinen Preis der Welt werde er sein erlangtes Leben wieder aufgeben. Er betont erneut, dass es nichts nützen werde, wenn seine früheren Mitbrüder ihn weiter verfolgen würden, denn selbst wenn man ihn aus diesem Kloster vertreiben würde, werde er ein anderes Kloster aufsuchen, von dessen Abt er seinen Brüdern sogar schon berichtet habe. Doch solange er in Indersdorf gewesen sei, wäre es ihm nicht erlaubt gewesen, den Namen offen auszusprechen. Dieser Abt hätte sich angeboten, ihn mit nur erbetener Erlaubnis und gegen die Indersdorfer Mitbrüder sowie gegen alle anderen, die sich dagegen wehrten, außerhalb der Diözese aufzunehmen, irgendwo in der Provinz, doch als Benediktiner. Und so bittet er um Versöhnung und Frieden mit seinem ehemaligen Kloster. Mit den Worten Vale alter ego leitet er die Schlussformel ein, in der Wilhelm seinen hoch verehrten Freund Bernhard bittet, nicht zuzulassen, dass sie getrennt würden: Fast pathetisch schließt Wilhelm seinen Brief an Bernhard mit den Worten Sequere me - Folge mir nach! Und tatsächlich sollte sich Bernhard ihm nur wenige Zeit später anschließen. Wilhelm Kienberger wurde am 24. Juni 1446 feierlich als Benediktiner in Tegernsee aufgenommen,77 und noch im selben Jahr kam Bernhard von Waging in das Benediktinerkloster, wenn er auch erst im Dezember 1447 seine Profess ablegte.78 Der Brief verfolgt vor allem zwei große Anliegen. Zum einen verteidigt Wilhelm sein Vorgehen sowohl rechtlich als auch persönlich. Aus den Ausführungen von Johannes Keck wird ersichtlich, dass Wilhelm nicht unerlaubt sein Kloster verlassen hat, was also analog auch für Bernhard gelten würde. Zum anderen möchte er Bernhard dazu bewegen, ihm zu folgen. Ein Mönch, der endlich gefunden hat, wonach er so lange suchte, schreibt an einen Freund, dem es ähnlich zu ergehen scheint. Allerdings verwundert, dass Wilhelm sich gegen so energische Vorwürfe seines ehemaligen Mitbruders wehren musste, obwohl dieser doch selber nur kurze Zeit später den gleichen Weg einschlug. Vielleicht spiegeln die Vorwürfe, die Bernhard seinem Freund machte, die Sorgen wider, die er bei seinen eigenen Übertrittsüberlegungen hegte. Vielleicht schrieb Bernhard aber auch im Amt des cancellarius im Auftrag seines Propstes, da ja das Schreiben, auf welches 76 77
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Gen 49,4; Ps 21,15. LINDNER, Famìlìa S. Quìrìnì (wie Anm. 12), 79. Ebd., 82.
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Wilhelm am Anfang des Briefes Bezug nimmt, an den Tegernseer Prior Johannes Keck gerichtet war. Doch antwortet Wilhelm nicht seinem Propst, sondern Bernhard von Waging; in ganz persönlichem Ton schreibt er an seinen Freund und Beichtvater, den er um Verständnis für seinen Schritt bittet und den er zur Nachfolge animieren möchte. Zwei Stellen treten besonders hervor. So schreibt Wilhelm: „tu ipse diiudica, an dici merearis verus religiosus an non"79 - mit unmissverständlichen Worten versucht er seinen Freund aufzurütteln, seine derzeitige religio auf den Prüfstand zu stellen. Und er gibt zu, dass auch er erst jetzt erkannt habe, was seine wahre religio sei. Die zweite auffallende Aufforderung folgt nur wenige Zeilen später, als Wilhelm gerade die Vorzüge des Schweigens beschrieben hat: „unde conice, an non merito melius modo mihi sit nunc quam tunc, cum tecum eram"80. Hier überlässt Wilhelm Bernhard selbst die Entscheidung, ob es Wilhelm in Tegernsee besser gehe als früher in Indersdorf. In diesen Aufforderungen liegt Wilhelms Hauptintention: Sein Freund soll ihm folgen, denn Wilhelm ist überzeugt davon, dass Bernhard ähnlich empfindet und auch er in Tegernsee seine vera religio finden wird. Aus dem Brief geht deutlich hervor, dass die Übertritte dieser beiden Chorherren keine Flucht vor der strengen Observanz waren, wie es bei anderen der Fall gewesen sein mag, vielmehr kann man davon ausgehen, dass im Reformzentrum Tegernsee eine besonders strenge Regelobservanz gepflegt wurde, was aus Wilhelms Ausführungen auch deutlich wird. Er vergleicht die neuen Bedingungen, die er in Tegernsee vorfindet, mit denen seiner Zeit als Chorherr in Indersdorf, und mehr als die äußeren Bedingungen ist es die richtige und wahre religio, die er nun im Benediktinerkloster gefunden hat. Eben nicht nur der Verzicht auf Fleisch und die Entbindung von seelsorgerlichen Pflichten, sondern die Zeit für das Studium geistlicher Texte, die Innerlichkeit und das Schweigen bilden das spezifische Moment, das Wilhelm seinen Weg zum Mönchtum nehmen lässt. Während von Wilhelm keine weiteren Schriften überliefert sind, die über seine Zeit als Chorherr Auskunft geben, nimmt Bernhard von Waging im Laufe seines Lebens dreimal zu seiner Zeit in Indersdorf und den Beweggründen für seinen Übertritt Stellung. So äußert er sich in dem Brief, den er kurz nach seinem Übertritt an seinen ehemaligen Mitbruder in Indersdorf schickt,81 zu den unterschiedlichen Lebensbedingungen in Indersdorf und in Tegernsee. Bernhard schreibt, er habe in Tegernsee mehr gefunden, als er erwartet hatte, weshalb er nicht aufhören wolle, täglich das Lob Gottes zu singen.82 Die Mönche könnten hier abgeschieden 79 80 81 82
Siehe unten S. 182, Z. 6f. Siehe unten S. 182, Z. 30f. Siehe oben Anm. 28. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 36r, lin. 39: „ego et amplius multo quam sperabam inueni quocirca canere non cesso quotidie gloriam in excelso deo."
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von den weltlichen Menschenmengen und zurückgezogen in ihren Klosterzellen Gott lobsingen und preisen.83 Die Observanz seiner neuen religio nennt er sehr viel höherwertig als die seines früheren Klosters.84 Zudem sei der Chordienst sehr viel levior und mitior, während in Indersdorf die täglichen Knechts- und Bauernarbeiten die Brüder ermüden würden und kaum Zeit bleibe für die exercitio devotionis, da sie doch ständig mit der Seelsorgearbeit beschäftigt wären. Hier in Tegernsee hätten sie Zeit und Ruhe für Studium und Lesung und würden durch nichts von der sancta meditatio abgelenkt.85 An einer anderen Stelle schreibt Bernhard in einem Brief an Nikolaus von Kues über die Reform in den Klöstern Sankt Georgenberg und Sonnenburg im April 1454, dass der Verzehr von Fleisch, wie er es in Indersdorf unter der Regel des heiligen Augustinus erlebte, ihm eher geschadet als geholfen habe.86 So verbindet er seine biographischen Erfahrungen mit den Anforderungen der Reform und fordert diese Anforderungen auch für die zu reformierenden Klöster. Im Jahr 1461 schließlich beklagt er in einer kurzen Schrift an Abt Kaspar Ayndorffer, in der er sich zur Benediktsregel äußert, dass mit der Zeit der Eifer, der einst Kloster Indersdorf zum reformierten Beispielkloster habe werden lassen, der bloßen Befolgung von Gesetzen gewichen sei und er deshalb diesen früheren Ort verlassen habe.87 Die beiden Indersdorfer Chorherren wurden, wie sowohl aus Wilhelms Brief als auch aus den Äußerungen Bernhards hervorgeht, von einer aus ihrer Sicht vera religio angezogen, die ihnen Hinwendung zur Innerlichkeit und Zeit für die Beschäftigung des Geistes, wie es Benedikt von Nursia in seiner Regel gefordert hatte, versprach. Sie sehnten sich nach einem Lebensideal, das ihnen contemplatio verhieß, und doch waren beide vom Geist ihrer Zeit zu anderem bestimmt. Während Wilhelm, wie schon erwähnt, bereits 1449 als Abt in das Benediktinerkloster Scheyern gerufen wurde, wo er sehr erfolgreich in den Dienst der Reform 83
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Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 36r, lin. 44: „in deo suo valeant exultare vehementer a turbis semoti in cella seclusi." Ebd., fol. 36v, lin. 9: „longe sublimior est hec sancte religionis observancia sub qua nunc milito." Ebd., fol. 36v, lin. 21-26: „sunt autem labores chori multo leuiores (supra lin. mitiores) in monasterio, quo nunc sum, quam apud te. Opera etiam seruilia et rusticana, quibus dietim in Vndenses, fatigantur fratres et pro deuocionis exercitio inter laycas utriusque sexus personas crebro conuersans etc. (...) possunt hic fratres singuli sacre lectionis intendere studio super abunde intueri devocioni sanctisque meditacionibus insistere non prohibentur." Siehe auch REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 138; TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472). Ein Theologe (wie Anm. 26), 42, Anm. 23. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 140; TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472). Ein Theologe (wie Anm. 26), 45. REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 1 0 ) , 1 3 7 ; siehe auch TREUSCH, Bernhard von Waging (f 1472). Ein Theologe (wie Anm. 26), 48.
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trat,88 sollte Bernhard von Waging im Verlauf der nächsten Jahrzehnte, in denen er unter zwei Äbten das Amt des Priors ausübte, seine Überzeugung von der Vita contemplativa zugunsten der ihm übertragenen Aufgaben zurückstellen. Beide waren auf der Suche nach der vollkommenen, idealen geistlichen Lebensform, einem Leben in Schweigen und Gebet, einem streng kontemplativ ausgerichteten Leben, das sie dennoch, gerufen von der bedrängten Welt, zurückstellten und deshalb in den aktiven pastoralen Dienst traten. Und doch konnten sie ihre Überzeugung nicht ausblenden und brachten dieses kontemplative Lebensideal mit in die Reformbemühungen ein, Wilhelm als Abt von Scheyern, Bernhard als Prior von Tegernsee mit seinen zahlreichen Tätigkeiten und Schriften, die er im Dienst der Reform ausführte: als Vertreter der Unionsbewegungen, bei sämtlichen Fragen der Reform, in Verbindung mit dem Eichstätter Bischof Johann von Eych, als Freund des Nikolaus von Kues sowie in den bewegten Schriften um die mystische Theologie. Noch als betagter Mönch greift er am Ende seines Lebens erneut zur Feder, um ein kontemplatives Ideal zu verteidigen, das er stets der Tat geopfert hatte, als er mit dem Eichstätter Bischof um die Frage nach dem höheren Lebensideal ringt.89 Bernhard entschied sich 1446 für ein Leben im Kloster Tegernsee, das allein als Reformzentrum sicherlich eine hohe Attraktivität ausübte. Als Alternative hätte Bernhard auch Melk oder Subiaco selbst aufsuchen können. Auch Kloster Raudnitz wäre im Rahmen der Augustinerchorherren eine Möglichkeit gewesen. Vielleicht veranlassten ihn zur Wahl Tegernsees die lobenden Worte über Abt Ayndorffer und Johannes Keck, die attraktive Beschreibung der Benediktinerabtei durch Wilhelm oder aber gar sein Freund Wilhelm selbst, der Bernhard aufforderte, ihm zu folgen. Der Tegernseer Abt Kaspar Ayndorffer hatte in Bernhard einen „Geist" erkannt, der für Höheres bestimmt sei.90 Und wenn man seinen weiteren Lebensweg betrachtet, hatte der Abt Recht behalten - Kloster Tegernsee hätte sich kein geeigneteres Mitglied für seinen Konvent wünschen können. Aber auch die zahlreichen anderen Ordens- und Klosterübertritte zeigen, dass hier eine Bewegung hin zum strengen Mönchtum stattgefunden hat, wobei ver88 89
S. Anm. 16; HANSER, Scheyern einst und jetzt (wie Anm. 14), 62-64. Siehe hierzu Heide Dorothea RIEMANN, Der Briefwechsel Bernhards von Waging und Johannes von Eych (1461-1463). Speculum pastorum et animarum rectorum. Epistula impugnatoria. Defensorium speculi pastorum et animarum rectorum. Zur Kontroverse über Rang und Verdienst des aktiven und kontemplativen Lebens, Köln 1985; Paul WILPERT, Vita contemplativa und vita activa. Eine Kontroverse des 15. Jahrhunderts, in: Passauer Studien. Festschrift für Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB zum 50. Jahrestag seiner Priesterweihe dargeboten von der Phil.-Theol. Hochschule Passau, Passau 1953, 2 0 9 - 2 2 7 ; HABERKERN, Funken
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aus alter Glut (wie Anm. 2), 3 4 0 - 3 4 5 . TREUSCH,
Bernhard
von Waging (f 1472). Ein Theologe (wie Anm. 26), 76-135. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697, fol. 34v, zitiert nach REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte (wie Anm. 10), 138.
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ständlicherweise die entsprechenden Reformzentren besonders anziehend wirkten. Allein Tegernsee kann auf mehrere übergetretene Mönche aus anderen Klöstern in den Jahren zwischen 1433 und 1453 verweisen. Sicher mag es auch solche Ordensmitglieder gegeben haben, die vor einer strengeren Observanz geflohen sind und aus diesem Grund ihr Kloster verließen, doch zeigen die zahlreichen Übertritte in reformierte Klöster und strengere Orden, dass die Zahl derer, die ein vollkommeneres Ideal suchten, größer war. So sieht man auch an den ausführlichen Erläuterungen im Regelkommentar des Johannes Keck ebenso wie an den intensiven brieflichen Auseinandersetzungen um einen Konrad von Geisenfeld oder auch einen Bernhard von Waging, wie hier das Phänomen Übertritt und gerade eben die Möglichkeit, zu einer strengeren Lebensform zu wechseln, verhandelt wurde. So liegt es nahe, Personen wie Konrad, Bernhard oder auch Wilhelm und deren Ortswechsel gewissermaßen als Präzedenzfälle zu sehen, die sich mit ihrem Wunsch nach Strenge und Stille und dem Weg in die Abgeschiedenheit der Mönchszelle ganz in den Dienst der Reformbemühungen des 15. Jahrhunderts stellten und so letztlich zu deren Protagonisten wurden.
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Copia epistulae ad fratrem Bernhardum tunc canonicum in Undersdorf et postea monachum in Tegernsee
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Omni praemissa, quam habet peccatoris oratio, facilitate, sincerissime fratrum fili- foi. 32r que mihi quondam dulcissime, nunc autem pater venerande! Scripta tuae caritatis magistro et patri meo singulari fratri Johanni Keck theologiae professori eximio mei ex parte missa sanius intellexi, quibus ipsius caritatem et meam pusillitatem de pluribus criminari niteris, super quibus tuae caritati respondendum duxi, ne famam negligens crudeliter diiudicer. Primum et istud unicum, quod patri mihi praecipuo imponere conaris super violenta usurpatione cuiusdam vestri fratris Wilhelmi contra iuris canonem facta. Bene scriberes, si non nostri Wilhelmi, sed monasterii Ranshofensis poneres, cum dudum omni iuri nedum in unius eiusdem Wilhelmi personam, sed et fratris Ulrici Schirm cum quatuor eisdem adiungendis habito renuntiaveris. Unde nulla tibi etiam, si esset, per istius, de quo scriptitas, Wilhelmi personam esset illata violentia, sed potius Ranshofensibus, cum tu una tuis capitularibus animo volenti praefatum Wilhelmum una cum collega suo et aliis adiungendis ibidem stabiliendum in corporatione perpetua decreveris ipsumque haeresi Eugenistorum asciveris. Super autem violenta usurpatione hortor, sileas, quoniam nihil violentum umquam in huiusmodi negotio attemptavit, sed solum ea, quae sunt caritatis, supplici rogatu praefati Wilhelmi compulsus pia devotione sollicitavit. Et si ipse sum praefatus Wilhelmus, cum quo talia actitata scribis - laus deo, qui [me] «de laqueo venerantium animam meam» eripuit, uti passerem «de manu aucupis» - demum, quia singularis affectionis fervorem circa quendam Wilhelmum - nescio, si ipse sum - commemoras, ex caritate omni semper ad te habita me ipsum esse suspicor, quem quodam affectuoso stilo quamvis non minus mordoso certis criminibus involutum esse ostendis. Primo super apostasiae crimine, quo me notas decernens omni debito et dignitate privandum; super quo nihil aliud dicere habeo nisi, quod totis medullis cordis peropto tibi et hanc accidere apostasiam, si saltem apostasia dici merebitur, cum de triplicis praelati licentia istam apostasiam incurrerim: praelati scilicet Ranshofensis, 1 M München, Bayerische Staatsbibliothek, elm 19697, fol. 32r-33v. Die Edition ist mit einem kritischen Apparat und einem Quellenapparat versehen. Der Text wird in normiertem Latein wiedergegeben. Offensichtliche Abkürzungen wurden stillschweigend aufgelöst. Eingriffe in den Text sind durch folgende Zeichen kenntlich gemacht: [...] zu tilgender Text. Notabilis epistola de fratre Wilhelmo prius canonico regulari in Understorff, postea monacho in Tegernsee ad fratrem suum Bernardum (ex Benedetum supra lin. corr.) canonicum regulärem Understorffensem de causis, cur ab ordine canonicorum regularium transierit ad ordinem Benedictinum in monasterio Tegernseense. Effecit tandem ut et ipse Benedictinus [fieret]. in marg. al. m. not. M Canonicus Understorffensis ad religionem Benedictinam transierit et professionem fecerit in monasterio Tegernseensi sub patre Casparo abbate anno [1446]. infra textum al. m. not. M 22 post uti scr. et del. M dicitur 21 Ps. 123, 7: anima nostra quasi avis erepta est de laqueo venantium. laqueus contritus est et nos liberati sumus. 22 Prov. 6, 5: Eruere quasi dammula de manu et quasi avis de insidiis aucupis.
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episcopi Frisingensis et Papae Innocentii tertii, qui expressa dedit exempla de regularibus et transeuntibus ad religionem capitulo «Licet». Sancta apostasia, quae iugum non reicit, sed in melius mutat! Laus autem deo, quod tibi tantum auctoritatis usurpas, ut me dignitate et honore omni prives. Et utinam ista tua sententia procederet ex ore apostolici, ut omnis 5 dignitatis possem carere onere, tunc carerem etiam labore et fruerer adepta quiete; sed velis nolis - honorem militiae diu cupitum chlamide sancti Benedicti indutus iam modo obtinui, sub qua militabo strenuius. Quam si exuere mihi conaberis, exues facilius et vitam. Denique honore militum non contentus assecutus sum dignitatem regiam corona regali decoratus, qua Christus caput meum circumdedit. Spero et 10 gemmis lapidibusque pretiosis coronandum demum te seductum per me. Querularis lucernam me oculi tui nominans et vehementer miraris, quod secretum foi. 32v tibi istud cordis mei non aperuerim, cum tibi nihil umquam absconderim. Sed quid, obsecro, est, amantissime frater, quod scribis, cur istud mihi imponis, cur me tantae infidelitatis arguis, ut tibi animi talem firmitatem recluserim taleque cordis mei 15 secretum occultaverim? Die, obsecro, ad quod et praesenti scripto te licentio sigillum confessionis tibi in hoc casu reserandum permittens, quotiens tibi aestus meos iam per septem annos continuos in ipsa confessione exposui, quotiens extra confessionem tibi manifestavi! Non dico semel nec decies non centies, sed plus forte quam millesies tibi super hac re, quam modo assecutus sum, mentem meam exposui. Die, 20 obsecro, mi frater: Quo devenit super tantis colloquiis, quae saepius inhiante ore tecum habui memoria, cum ipse saepius affirmaveris statum mihi ipsum salubrem fore nedum in anima, sed et in corpore? Nonne saepius coram te super ista re practicas meas exposui? Die, quaeso, quot matutinales laudes, quot alias horas istis practicis intentus plus quam cantui horae ipsius peregi, quotiens coram te notarium 25 cum testibus pro licentia petenda produxi, quot instrumenta de licentia petita et non obtenta confeci, quot etiam te ipsum uti praelati cancellarium litteras pro meo desiderio scribere postulavi? Ecce, mi frater, his omnibus inter nos gestis vel forte non inclinasti aurem aut non adhibuisti fidem, sed et illud novissimum ,vale' non recolis, quod tibi feci, cum 30 retuli ipsa domenica oratione iam praeterita me ob id de sancta Maria et in eius ara missam lectitasse ipsam et eius monasterium non tamen eius gratiam licentiaturus. Testes sunt ipsae lacrimae non devotionis, sed cuiusdam misericordiae, quas abundissime in ipsa missa me tibi dixi fudisse, cum nullam deinceps habuerim intentionem remeandi. 35 Ecce, mi frater, istorum recordare et me infidelitatis non argue super tali celatione, sed ipse nosti, quid me a talismodi meo desiderio hue usque fraudaverit: Certe 19 post plus scr. et del. M quam 2 CIC X 3.31.18
33 devotionis - misericordiae in marg. M
Sequere me " - Ein Brief von Bernhard von Waging
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ipse superbiae tyrannus semper enim alta de me praesumens videbatur, quod post meum recessum etiam muri ipsius monasterii corruerent, quare et lapides sanctuarii, fratres mihi amantissimi, «in capite dispergerentur platearum omnium» sicque dispersis habitatoribus locus redigeretur in nihilum; sed ecce iam in mea absentia videns muros, quibus timebam, magis crevisse, fratrum etiam devotionem non minoratam, sed auctam praecipue. Cum nullam viderem necessitatem meae personae in loco - cui testis est ipsa beneficentia, quam facillime obtinuissem pro stabilitione in Ranshofum, si voluissem, ad quam etiam adhortatus fui faciendam per certos e fratribus sub spe tantae reformationis, quam nullam habere potui stantibus rebus ut nunc, quia formidabam me subdere lupo, qui citius devorasset quam enutriisset. Denique intelligens anxiam sollicitudinem et curam praelati mei, quid super mea persona faceret redeunte aut quo labore me occuparet, considerans suam venerandam canitiem aliis sollicitudinibus pluribus pro rebus monasterii involutam, ne anxietatem et curam super adderem sollicitudinibus prioribus neque essem suae personae et monasterio persona onerosa et inutilis, qualis semper fui suo iudicio. Nolui foi. 33r gravare suam personam per meam praesentiam; ipsum etiam monasterium rebus spoliare sine labore, cum alias non abundet, quasi inutilis pertimui. «Ad aratrum manum posui» mentisque propositum executus; cum effectu patrem mihi venerandum dominum abbatem in Tegernsee precibus et piis desideriis per mediatores iam ultimo pulsavi; quamquam ad remotiora extenderim loca affectus mei, pedes novissime tamen circa suam reverendam paternitatem substiti. Humilis et pauper ad ostium suae personae mendicans, quo usque obtinui piam ac paternam ipsius gratiae assensu recollationem, qui me nullo meo merito praecedente, sed sua sola dignatione caritate exhibens omnem favorem ac gratiam pro adipiscenda conscientiae et animae pace recollegit. Ceterum in fine tui scripti annectis, quomodo gloriam veram criminari facto contendam et vituperium inferre nitar. Miror te, quondam virum arte conscientiae, quomodo tam statim defeceris in tam gravem culpam lapsus, ut ausu temerario me criminari tantum praesumas, ut criminatorem apostatam indignum honore et omni debito vituperatorem iniuste et absque meo de merito scripto simplici verbo non contentus nominare non timeas. Videas tu, mi frater, videant et, qui tecum sunt, ne ipsi vos gloriam veram factis criminemini, ne ipsi vobis vituperium inferatis, ne vos apostatae a deo vero verissime iudicemini. Ego teste conscientia nihil horum umquam egi, ut sic a tua caritate debeam immeritus diiudicari, sed, ut spero, ad omnia honore intravi et exivi, inter vos omnique iusta reprehensione usque in primis carni. Sed video in te tuisque complicibus fundamentum Christum Iesum in tali mea criminatione minime adesse. Numquam tibi tanta fuit cura. Loquor tuo toti corpori congregationis pro revocatione apostatarum, quos plures habes in statu damnoso 3 Lam. 4, 1: dispersi sunt lapides sanctuarii in capite omnium platearum. manum suam ad aratrum et respiciens retro aptus est regno dei.
17 Lue. 9, 62: Nemo mittens
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Victoria
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vagantes, sed forte dicis habere dispensationes suas. Habeo et ego dispensationem iuris communis. Unde, si istos non criminaris, et me persequi cesses, hortor. Times forte verbum hominum gloriam mundi, o mi frater, si tantum iam desipuit religio tua, ut solum gloriam hominum attendas et gloriam, quae a solo deo, non pensas, quoniam potius ipsam ordine perverso evertere coneris et impedire ob solum verbum 5 hominum imprudentum et fatuorum. Tu ipse diiudica, an dici merearis verus religiosus, an non! Noli, frater mi dulcissime, attendere faciem hominum, ut iustus tantum choris ipsis appareas et dicaris, sed plus contuere vultum divinae maiestatis, ut nedum illi te iustum similes, sed in veritate sis! Ceterum perhortor, tuis persuadeas, ne dilectationem exsuscitent. Donee ipsa ve- 10 lit, exuit enim tunicam suam tuae religionis vestes quomodo reinduet eam. Lavit pedes suos affectus dietim depurare incipiens, quomodo illos inquinabit. Fateor tuae caritati - credebam me aliqualiter esse in tua religione, sed in veritate experior iam luce clarius errasse me graviter. Nam tua religio huic, quam modo assumpsi, comperata talis est, qualis vita saecularium ad canononicorum regularium etiam vestrae 15 observantiae. Unde medullitus inest mihi dolor continuus, quod tanto tempore distuli, quod modo gravi labore sum assecutus. Nam sperarem, si primitus prosecutus foi. 33v fuissem, iam nunc gradum inter profectos figerem, cum nunc sim in primo gradu incipientium. Nam adest tempus copiosum interna quaerendi, sacrae lectioni insistendo Iuvantur ad haec fratres profectuose capienda. Periunge silentium, debitam 20 religiosamque provisionem de ferculis regularibus, quae non gravant corpus nec tantum impediunt spiritum, quoniam possit exire in actus suos, cuius gravaminum expertus semper fui in esu carnium. Silentium tam pie in loco servatur ita, ut rarissime conveniatur ad colloquia, ne mens effusa verbis inanibus minus effundi possit allocutura deum. Iam enim per quatuordecim dies, quibus affui, numquam aliquid 25 vidi colloquium conventualiter factum, quae vobis sunt cottidiana, et tanta est nobis sermonis raritas, ut in tanto tempore, quo hic steti, paucorum nomina cognoscam, sed solam faciem, quam cottidianam in choro intuero, fratrum quasi omnium totius congregationis recognoscam. Unde conice, an non merito melius modo mihi sit nunc quam tunc, cum tecum 30 eram «effusus sicut aqua crescere non Valens». Tu ipse scis, quotiens incepi legere Gersonem de theologica mystica, quotiens appetii stadere Richardum in opusculis suis, sed nihil sapuerunt, quae mihi non optimo condita sapiunt. Isto modico tempore plus legi saltem cum intellectu in Tegernsee quam toto tempore, quo fui expulsus in meo exilio. 35 Haec tibi ideo notifico, ut tuos instruas, ut cessent deinceps me persequi, quoniam nihil proficient; etiam in casu, quod me ibi repellent, transmigrabo ad monasterium 18 profectos cj.: perfectos M 9 NB in marg. al. m. not. M 31 Gen. 49, 4: effusus es sicut aqua non crescas; cf. Ps. 21, 15: sicut aqua effusus sum.
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aliud, de cuius abbate etiam retuli fratribus sicut fui proxime in Undersdorf, licet nomen non aperuerim, qui se obtulit ad me colligendum cum petita licentia etiam vobis contradicentibus et qualitercumque renitentibus. Ibi me fugabitis extra dyocesis et in provinciam. Militiam enim semel receptam nullo modo deseram, quando 5 pro regno adepto paratus sim decertare ad mortem ita, ut neque per minas neque blanditias dextras retrocessionis vobis tradam. Qua propter sint mentes vestrae bene pacatae ipsa pace dominum quaerentes, qui vestras caritates omnium dirigat iuxta suae bene placitum voluntatis. Vale, alter ego, frater mihi dulcissime bis terque quater praedilecte ex omnibusque io electe! Non me separari permittas a tua caritate, quam tibi inviolatam conservabo corde sincero, quam diu advixero raptim ex Tegernsee etc. Tuus frater Wilhelmus. Sequere me! Iste frater Wilhelmus fuit prius canonicus in Undersdorf et postea factus monachus in Tegernsee et tandem abbas in Scheyern.
12 tuus cj.: suus M
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Tegernseer Kosmos: Zwischen Gelehrtengesprächen und Reformbemühungen Betrachtungen zum Briefwechsel zwischen Nikolaus von Kues und den Tegernseer Mönchen Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging Einleitung In der Pfingstwoche 1452 besuchte Nikolaus von Kues für drei Tage, vom 31. Mai bis zum 2. Juni, das Benediktinerkloster Tegernsee. Erst einige Wochen zuvor hatte er von seinem Bistum Brixen Besitz ergriffen. Nun war er auf dem Weg zum Reichstag nach Regensburg. Bei seinem Aufenthalt in Tegernsee bestätigte Cusanus die ihm vorgelegte klösterliche Ordnung, die sich an den Vorgaben des Reformklosters Melk orientierte und das Leben in Tegernsee regelte. Wie Aufzeichnungen belegen, besuchte er mit den Mönchen das Chorgebet und die Kapitelversammlung und saß mit ihnen gemeinsam bei Tisch. Vor allem aber fand Nikolaus von Kues Zeit, mit den Mönchen über philosophische und theologische Fragestellungen zu sprechen.1 Diese Gespräche setzten sich fort in einem Briefwechsel in lateinischer Sprache, der sich aus dem Besuch entwickelte und 1451 bis 1456 zwischen Nikolaus von Kues und den Tegernseer Mönchen Abt Kaspar Ayndorffer (1401-1461) und Prior Bernhard von Waging (1400-1472) stattfand. Beide Tegernseer wandten sich einzeln an Cusanus, sodass Schreiben von Abt Kaspar und von Prior Bernhard an den Kardinal existieren. Der Briefwechsel ist singulär in einer Abschrift überliefert. Diese Abschrift findet sich aufgeteilt in zwei Briefcodices, die in der Bayerischen Staatsbibliothek in München liegen.2 Die beiden Handschriften stammen ursprünglich aus der reichen Bibliothek der Benediktinerabtei Tegernsee und wurden im 15. Jahrhundert niedergeschrieben. Der Codex latinus monacensis 19697, der oft auch als Tegernseer Epistolar oder Briefbuch bezeichnet wird, enthält auf 256 Blättern 454 Briefe, die 1
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Vgl. Roland GÖTZ, Vom Sehen Gottes. Nikolaus von Kues und Tegernsee, in: Tegernseer Tal 134 (2001) 40-42. Siehe auch Virgil REDLICH, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 9), München 1931, Nachdruck Aalen 1974, 95f. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697 und clm 18711.
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in der Zeit zwischen 1420 und 1470 von Tegernsee aus oder nach Tegernsee geschickt wurden. Der zweite Codex, clm 18711, wurde 1452 ebenso als Sammelband für Briefe, aber auch für Predigten und Werke des Cusanus und mit seinen Anregungen in Zusammenhang stehenden Schriften angelegt und umfasst 268 Seiten.3 Es muss hervorgehoben werden, dass die Quelle nicht den Briefwechsel selbst, sondern eine Abschrift davon darstellt. Über den Verbleib des größten Teils der Originalbriefe gibt es keine Hinweise, wahrscheinlich sind sie nicht erhalten geblieben.4 Aus welchen Gründen und mit welchen Intentionen die Abschriften zusammengestellt wurden, ist nicht rekonstruierbar. Aus dem Briefwechsel geht jedoch hervor, dass wohl Teile der Korrespondenz nicht aufgenommen und manche Sachverhalte durch das Herausnehmen eindeutiger Namen mit Absicht verschleiert wurden.5 Es könnte daher vermutet werden, dass die Abschrift des Briefwechsels und auch seine Aufteilung auf zwei Codices zu einem ganz bestimmten Zweck, vielleicht dem Vorstellen einer typischen Korrespondenz oder auch dem Aufbewahren der wertvollen Briefe, vorgenommen wurde. Wann die Briefe abgeschrieben wurden, ist nur in Ansätzen bekannt. Die Niederschrift des Codex latinus monacensis 19697, der den größeren Teil des Briefwechsels enthält, wurde wohl kaum vor 1446 begonnen, wie aus den ersten 3
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Vgl. Karl HALM U. a. (Hg.), Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis, Bd. 4, 3, München 1878, unveränderter Nachdruck Wiesbaden 1969, 200201, 270. - Beachte zur Rezeption der beiden Handschriften die Online-Datenbank „Forschungsdokumentation zu Handschriften und Seltenen Drucken" in der Bayerischen Staatsbibliothek München. Einzelne Originalbriefe sind erhalten geblieben: Zwei Schreiben des Cusanus an Bernhard von Waging, die Briefe vom 16. August und vom 9. September 1454, finden sich eingeklebt in die Vorderdeckel der Handschriften Bayerische Staatsbibliothek München, cgm 347 und clm 18624, siehe auch Cusanus-Texte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Cues. Erste Sammlung, hg. von Josef Koch (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1942/43, 2. Abhandlung), Heidelberg 1944, 109f., Nr. 36. Warum gerade diese Briefe erhalten blieben, ist unbekannt. Beispielsweise lässt der im Brief vom 9. September 1454 von Cusanus an Bernhard gegebene Hinweis auf den Umgang mit den in Andechs verehrten Bluthostien auf eine dazu zuvor gestellte Frage in einem nicht-tradierten Brief schließen. Und im Schreiben von Kaspar Ayndorffer an Cusanus, datiert vor den 18. März 1454, sind, wie aus dem Zusammenhang klar wird, sowohl die Namen des Klosters St. Georgenberg als auch der beiden Mönche Bernhard von Waging und Eberhard von Wolfratshausen (f 1462) absichtlich ausgespart worden, vgl. Edmond VANSTEENBERGHE, Autour de la Docte Ignorance. Une controverse sur la Theologie mystique au XVe siecle (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Texte und Untersuchungen XIV, 2-4), Münster 1915, 150, Nr. 26 und 128f., Nr. 13.
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Briefen deutlich wird, die bis fol. 15ra von einer Hand und in einem Zug abgeschrieben wurden. Abgeschlossen wurde das Epistolar erst um das Jahr 1481, wie aus einem Brief auf den letzten Blättern der Handschrift hervorgeht.6 Wer die Schreiben in die Codices übertrug, kann nicht mehr ermittelt werden. In Tegernsee gab es um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine große Anzahl von schreibenden Mönchen. Für den clm 19697 wurden rund zwanzig verschiedene Hände gezählt. Darunter waren auch Bernhard von Waging und Konrad von Geisenfeld (14001460), jedoch nicht als Kopisten für den Briefwechsel zwischen Tegernsee und Brixen.7 Und auch in der Korrespondenz selbst wird von „scriptores laborant rescribendo"8 in Tegernsee berichtet. Wie aber funktionierte ein solcher Briefwechsel in der Mitte des 15. Jahrhunderts überhaupt? Wie kamen die Briefe von Nikolaus von Kues nach Tegernsee und von Tegernsee nach Brixen oder zu einem anderen Aufenthaltsort des Kardinals? Die Briefe mussten zu jener Zeit, wenn der Autor sie nicht selber übergeben wollte oder konnte, durch Boten von Ort zu Ort gebracht werden. Der Briefwechsel liefert einige Hinweise, wie die Schreiben überbracht wurden. So gab es offenbar die einfache, aber auch ziemlich unsichere Möglichkeit, bestimmte Schriftstücke über mehrere Stationen und verschiedene Personen zu überstellen. Dass diese Methode nicht immer - im wahrsten Sinne des Wortes - zum Ziel führte, zeigt ein Brief Bernhards von Waging vom April 1454: Der Tegernseer hatte eine harsche Anklageschrift über die misslungene Reformierung des Klosters St. Georgenberg geschrieben, mit der Cusanus ihn betraut hatte. Über mehrere Boten, unter anderem einen gewissen „Tänczel" in Innsbruck, hätte das Schreiben zusammen mit einigen Briefen Cusanus überbracht werden sollen, was jedoch nicht geschah.9 Sicherer war es, eine bestimmte Person mit der Sendung zu betrauen. Auch diese Option wurde vom Kloster Tegernsee genutzt. An mehreren Stellen im Briefwechsel wird als Überbringer von Nachrichten und Briefen ein Laienbruder mit Namen „Georg" genannt.10 Laienbrüder hatten im Kloster die Arbeit zu verrichten, die das Verlassen der Klausur erzwang, und wurden oft als Klosterboten zum Überbringen von Briefen eingesetzt. Nicht zuletzt war dies auch eine Vorsichtsmaßnahme auf unsicheren Landstraßen, da der Mönchshabit seinem Träger größeren Schutz und Sicherheit vor Übergriffen versprach. Wenn derartige 6 7 8
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Vgl. REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 5. Ebd., 5, Anm. 3. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 123, Nr. 10. Siehe dazu auch ebd., 117f., Nr. 6. Ebd., 137f.,Nr. 19. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 157, Nr. 32 und 155, Nr. 31. - Pirmin LINDNER, Familia S. Quirini in Tegernsee. Die Abte und Mönche der Benediktiner-Abtei Tegernsee von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Aussterben (1861) und ihr literarischer Nachlass, Teil I, München 1897, 50f., nennt zweimal einen Laienbruder mit Namen „Georg", von denen sich jedoch keiner eindeutig mit dem Klosterboten identifizieren lässt.
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Klosterboten nicht zur Verfügung standen, wurden manchmal Lehenspflichtige des Klosters zum Botendienst herangezogen." Welche Personen vom Kloster Tegernsee, abgesehen von dem genannten Bruder Georg, als Boten zu anderen Orten geschickt wurden, kann nicht gesagt werden. Bekannt ist jedoch, dass Boten nicht nur mit Briefen, sondern auch mit Büchersendungen und als Nachrichtenübermittler unterwegs waren. Abt Kaspar etwa schickte im August 1454 einen Boten mit Büchern für den Kardinal und dem Auftrag, mündlich ein bestimmtes Anliegen vorzutragen, über die Alpen.12 Ferner sollten die Dienste des Boten natürlich effizient genutzt werden, was auch hieß, ihnen eine möglichst große Sendung mitzugeben.13 Die Boten fungierten nicht nur als Briefträger, sondern sie übermittelten ganz allgemein Wissen und Information. Für Nikolaus von Kues sind keine so genauen Angaben zu seinen Boten überliefert worden. Ob er immer wieder andere Personen für diesen Dienst einsetzte, ob er einen bestimmten Boten oder mehrere Vertraute hatte, ob er verschiedene Boten mit verschiedenen Sendungen beauftragte, ist nicht bekannt. Einen kleinen Hinweis liefert die Abrechnung des Amtmanns von Schloss Bruneck über Ausgaben des Kardinals während seines dortigen Aufenthalts vom 15. bis zum 26. September 1455. Darin finden sich die beiden Posten „Botenion gen Lincz" und „Botenion gen Innichen", die mit acht beziehungsweise drei Groschen aufgeführt wurden.14 Meistens waren die Boten in Cusanus' Diensten wohl einfach bezahlte Dienstboten, die aber mit genauen Aufträgen unterwegs waren. Diese Vermutung legt auch eine Stelle im Briefwechsel nahe: Cusanus erwähnt gegenüber Bernhard einen „eigenen Boten", den er nach Tegernsee schicken werde und dem Bernhard wiederum seine Antwort mitgeben sollte.15 Diese Episode gibt auch einen Hinweis auf die Frage, wie lange ein Bote unterwegs war. Der Brief des Cusanus' aus Innsbruck datiert auf den 9. April, das Antwortschreiben des Mönches auf den 12. April 1455.16 Zwischen den beiden 11
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Vgl. Ernst KIESSKALT, Die Entstehung der deutschen Post und ihre Entwicklung bis zum Jahre 1932, Erlangen ca. 1935, 34. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 138f., Nr. 20. Siehe auch ebd., 120 Nr. 8, und 143f., Nr. 25. Beachte die gleiche Datierung der beiden Briefe des Cusanus an Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging, VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 121, Nr. 9 mit 125, Nr. 11. Hermann J . HALLAUER, Abrechnung des Amtmannes von Bruneck, Jörg Pürnpeck, über die Ausgaben während des Aufenthaltes des Nikolaus von Kues in Schloß Bruneck vom 15.26. September 1455, in: Marc-Aeilko Aris (Hg.), Horizonte. Nikolaus von Kues in seiner Welt. Eine Ausstellung zur 600. Wiederkehr seines Geburtstages. Katalog zur Ausstellung im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Trier und im St. Nikolaus-Hospital in Bernkastel-Kues. 19. Mai bis 30. September 2001, Trier 2001, 79f., Nr. 64. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 154f., Nr. 30. Ebd., 154, Nr. 30, 155, Nr. 31.
Tegernseer Kosmos
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Briefen lagen demnach nur drei bis vier Tage, in denen der Brief von Innsbruck nach Tegernsee gebracht und die Replik verfasst werden musste. In der Forschung geht man von durchschnittlich 25, manche sogar von 30 bis 40 Kilometern als Tagesleistung eines geübten Läuferbotens aus.17 Bei einer Strecke zwischen Innsbruck und Tegernsee von 80 bis 90 Kilometern wäre also eine Reisedauer von gut drei Tagen denkbar. Allerdings können solche Leistungen nicht auf viele Tage hochgerechnet werden, da Ruhepausen benötigt wurden. Dazu sind die vielen Faktoren mitzubedenken, die eine Reise erheblich verzögern konnten, wie die Witterung, die unterschiedliche Beschaffenheit der Wege, vor allem in den Bergen, unvorhersehbare Zwischenfälle sowie die Jahreszeit und die damit verbundene unterschiedliche Anzahl an Stunden mit Tageslicht.18 Die Entstehungssituation des Briefwechsels und seiner Abschrift liefert Anhaltspunkte zum Kosmos des Klosters Tegernsee. Die Verortung der Quelle in ihren Kontext lässt diesen Briefwechsel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, seine Beteiligten und ihre Welt lebendig werden. Dies weist den Weg zu den Untersuchungshorizonten der folgenden Studie, zu dem Spektrum an Themen, die in den Schreiben der Tegernseer und des Nikolaus von Kues angesprochen wurden. Von der Forschung ist die Quelle in dieser Hinsicht bisher noch nicht genügend beachtet worden, obwohl die Grundlagen dafür schon vor einiger Zeit gelegt wurden. 1915 veröffentlichte der französische Theologe Edmond Vansteenberghe seine Arbeit „Autour de la Docte Ignorance. Une controverse sur la Théologie mystique au XVe siècle", in der er nicht nur eine Einführung zum Werk „De docta ignorantia" des Nikolaus von Kues gab, sondern auch eine Transkription des Briefwechsels mit Tegernsee sowie ergänzende Angaben dazu lieferte.19 1931 erarbeitete Wilhelm Oehl eine Zusammenstellung deutscher Mystikerbriefe des hohen und späten Mittelalters und veröffentlichte darin einzelne Schreiben des Briefwechsels, die er auch ins Deutsche übersetzte.20 Ludwig Baur untersuchte Anfang der 1940er Jahre die beiden Handschriften erneut, erarbeitete zahlreiche Korrekturvorschläge zu Vansteenberghes Untersuchung und entdeckte einen weiteren Brief von Kaspar Ayndorffer an Nikolaus von Kues im Tegernseer Epistolar clm 19697. Diese von Ludwig Baur vorgenommenen Verbesserungen sowie das hinzugekommene Schreiben publizierte Josef Koch zusammen mit
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18
Vgl. Wolfgang BEHRINGER, Thum und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen, München u. a. 1990, 16; Norbert OHLER, Reisen im Mittelalter, Düsseldorf 4 2004, 108. Vgl. OHLER, Reisen (wie Anm. 17), 109-112.
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VANSTEENBERGHE, Autour
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Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters 1100-1550, des Abendlandes 1), München 1972, 531-569.
(wie A n m . 5).
hg. von Wilhelm Oehl (= Mystiker
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eigenen Anmerkungen in seiner Untersuchung zum Briefwechsel des Kardinals.21 Eine Übersetzung der gesamten Korrespondenz erstellten Wilhelm Baum und Raimund Senoner Ende der 1990er Jahre im ersten Teil ihres zweibändigen Werks über die wichtigsten Schriften des Nikolaus von Kues im Zusammenhang mit dem Brixener Streit.22 Leider ist diese Arbeit aber durch zu viele Ungenauigkeiten sowie Mängel in der Konzeption und der Textgrundlage nur mit Vorbehalt zu benutzen.23 Zum Kloster Tegernsee im 15. Jahrhundert stammt die maßgebliche Arbeit von Virgil Redlich, der im Jahr 1931 sein umfassendes Werk zur Tegernseer Kulturgeschichte vorlegte.24 Ebenfalls wertvolle Informationen liefern die Untersuchungen von Pirmin Lindner und Alfons Zimmermann zu den Tegernseer Konventualen.25 Sehr hilfreich ist die Edition des Tegernseer Bibliothekskataloges von Ambrosius Schwerzenbeck aus dem Jahr 1483.26 Die beiden Tegernseer Korrespondenzpartner und hier in erster Linie Bernhard von Waging sind erst seit wenigen Jahren wieder in den Blickpunkt der Forschung gerückt.27 Die Arbeiten zu 21
Cusanus-Texte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Cues. Erste Sammlung (wie Anm. 4),
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Briefe und Dokumente zum Brixner Streit, Band I: Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), hg. von Wilhelm Baum und Raimund Senoner, Wien 1998, 83-187, und separater Anmerkungsteil. Siehe auch Roland GÖTZ, Rezension von: Nikolaus von Kues. Briefe und Dokumente zum Brixner Streit, Band I: Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450-1455), hg. von Wilhelm Baum und Raimund Senoner, Wien 1998, in: Zeitschrift flir Kirchengeschichte 110 (1999) 112-114. REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1). LINDNER, Familia (wie Anm. 10), widmet sich vor allem den Konventualen des Klosters. Er liefert interessante Einblicke in das Leben einzelner Mönche, erschließt aber nicht die gesamte Klostergeschichte. - Alfons ZIMMERMANN, Die Familia s. Quirini im Mittelalter, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 60 (1946) 190-217, konzentriert sich vorrangig auf das Hochmittelalter und weniger auf das 15. Jahrhundert. Günter GLAUCHE, Art. Tegernsee. Benediktinerkloster, in: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz 4, 2 (1979) 734-863. Vor allem das seit Frühjahr 2007 bestehende Editionsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Kritische Edition der Werke des Bernhard von Waging" am MartinGrabmann-Forschungsinstitut flir Mittelalterliche Theologie und Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München lässt auf neue Erkenntnisse hoffen. - Des Weiteren findet sich Literatur zu Bernhard von Waging bei Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging: Vom Chorherrn zum Benediktiner. Bemerkungen zum Verhältnis von Kanonikern und Mönchen im 15. Jahrhundert, in: Ulrich Köpf, Sönke Lorenz (Hg.), Frömmigkeit und Theologie an Chorherrenstiften (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 66), Ostfildern 2009, 157-168; Martin GRABMANN, Bernhard von Waging (fl472), Prior von Tegernsee, ein bayerischer Benediktinermystiker des 15. Jahrhunderts, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-
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NIKOLAUS VON KUES,
Tegernseer Kosmos
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Nikolaus von Kues, seiner Philosophie und den Reformströmungen des späten Mittelalters sind zu umfangreich, um hier aufgezählt zu werden.28 Die Verbindungen zwischen Cusanus und Tegernsee wurden bisher vorrangig im philosophisch-theologischen Zusammenhang im Bereich der von Nikolaus von Kues betriebenen mystischen Theologie betrachtet.29 Wenig beachtet blieb die Korrespondenz zwischen Cusanus und Tegernsee als historische Quelle für den Kosmos Tegernsee zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Diese Studie wird der Frage nachgehen, was der Briefwechsel über das Kloster Tegernsee und seine Beziehungen zu Nikolaus von Kues erzählt. Was bewegte die Tegernseer Mönche, besonders Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging, und den Brixener Bischof? Und wie ist die Rolle Tegernsees bei den Bemühungen des Cusanus um die Klosterreform einzuschätzen?
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Ordens und seiner Zweige 60 (1946) 82-98; Paul WILPERT, Bernhard von Waging, Reformer vor der Reformation, in: Festgabe für seine Königliche Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern, München-Pasing 1953, 260-276; Paul WILPERT, Vita contemplativa und vita activa. Eine Kontroverse des 15. Jahrhunderts, in: Passauer Studien. Festschrift für Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB zum 50. Jahrestag seiner Priesterweihe, dargeboten von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Passau, Passau 1953, 209-227. - Literatur zu Kaspar Ayndorffer: Ludwig GLÜCKERT, Ein bayerischer Reformabt des 15. Jahrhunderts. Caspar Ayndorffer von Tegernsee, in: Benediktinische Monatschrift 9 (1927) 280-291; Anton WESSINGER, Kaspar Aindorffer. Abt in Tegernsee 1426-1461, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 42 (1885) 196-260. Verwiesen sei auf das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt zu Nikolaus von Kues am Institut für Cusanus-Forschung der Universität Trier und ihr „Cusanus-Portal", das im Internet verfügbar ist. Siehe Werner BEIERWALTES, Visio Dei. Die mystische Theologie des Nikolaus Cusanus im Kontext benediktinischer Spiritualität, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 117 (2006) 81-96; Martin THURNER, Nicolaus Cusanus. Ein Jahrhundert-Denker zwischen Humanismus und Mystik, in: Münchener Theologische Zeitschrift 57 (2006) 78-89; Gunther W E N Z , De visione Dei. Nikolaus von Kues an den Abt und die Brüder von Tegernsee, in: Orthodoxe Theologie zwischen Ost und West. Festschrift für Prof. Theodor Nikolaou, hg. von Konstantin Nikolakopoulos u. a., Frankfurt a. M. 2002, 295-304; GÖTZ, Vom Sehen Gottes (wie Anm. 1); Walter Andreas EULER, Die beiden Schriften De Face fidei und De visione Dei aus dem Jahre 1453, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 22 (1995) 187-203; Margot SCHMIDT, Nikolaus von Kues im Gespräch mit den Tegernseer Mönchen über Wesen und Sinn der Mystik, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der CusanusGesellschaft 18 (1989) 25-49; Heribert ROSSMANN, Der Magister Marquard Sprenger in München und seine Kontroversschrift zum Konzil von Basel und zur mystischen Theologie, in: Heribert Roßmann, Joseph Ratzinger (Hgg.), Mysterium der Gnade. Festschrift für Johann Auer, Regensburg 1975, 350-411; Deutsche Mystikerbriefe (wie Anm. 20); Martin GRABMANN, Bayerische Benediktinermystik am Ausgang des Mittelalters, in: Benediktinische Monatsschrift 2 (1920) 196-202; VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5).
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Ein kurzer einordnender Abschnitt wendet sich dem Kloster Tegernsee im 15. Jahrhundert und Nikolaus von Kues in den jeweils wichtigsten Grundzügen und zur Zeit des Briefwechsels zu. Im folgenden Kapitel wird dann das Gespräch der Tegernseer mit Cusanus genauer betrachtet werden. Welche philosophischen und theologischen Themen interessierten die Mönche, welche den Kardinal? In welcher Form wurde der Aufbau der Klosterbibliothek Tegernsee angesprochen? Das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit Fragen nach der Beteiligung der Tegernseer Mönche an den Reformbemühungen des Nikolaus von Kues. Wie finden diese Bemühen und Hilfestellungen im Briefwechsel ihren Niederschlag? Wie sahen die Mönche die Anstrengungen um das adelige Kloster Sonnenburg in Südtirol, das Benediktinerkloster St. Georgenberg über dem Inntal und das Kloster Andechs in ihrer unmittelbaren Nähe? Was und in welcher Form erzählt Nikolaus von Kues von seinem Vorgehen den Tegernseern? Was lässt sich daraus über das Verhältnis zwischen den Briefpartnern schließen? Eine zusammenfassende Einordnung der gewonnenen Kenntnisse rundet die Untersuchung ab.
1. Kloster Tegernsee und Nikolaus von Kues Im Juli 1426 kamen mehrere Männer zum Kloster Tegernsee, um im Auftrag der Herzöge Ernst (1373-1438, reg. seit 1397) und Wilhelm von Bayern-München (1375-1435, reg. seit 1397) das Kloster zu visitieren.30 Unter der Leitung des Generalvikars der Diözese Freising, Johannes Grünwalder, und dem Mitvisitator Petrus von Rosenheim, einem Benediktiner aus Melk, wurde im verschuldeten und geistig wie geistlich darnieder liegenden Kloster die Melker Reform eingeführt.31 Als neuen Abt bestellte man den jüngsten Konventualen des Klosters, den aus einer
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In Sorge um den materiellen, geistigen und sittlichen Zustand bayerischer Klöster, aber auch aus staatspolitischen und wirtschaftlichen Interessen setzten sich die bayerischen Herzöge stark für deren Reformierung ein. Die Landesherren gaben nicht nur den Anstoß zur Visitation der Klöster, vor allem des Benediktiner- und Augustinerchorherrenordens, sondern machten auch ihren Einfluss bei der Aufstellung der Visitationskommission geltend, vgl. Helmut RÄNKL, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment in Bayern (1378-1526) (= Miscellanea Bavarica Monacensia 34), München 1971, 169-173, 175-181. Dass Tegernsee jedoch im Vergleich mit umliegenden Klöstern relativ gut dastand, zeigt auch die Tatsache, dass die Visitationskommission ihre Arbeit für den bayerischen Raum hier eröffnete, wahrscheinlich, um ein Reformzentrum zu errichten, vgl. Joachim ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee unter Abt Kaspar Ayndorffer (1426-1461), verbunden mit einer textkritischen Edition der Consuetudines Tegernseenses (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, 18. Ergänzungsband), Ottobeuren 1968, 23f.
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Münchner Patrizierfamilie stammenden Kaspar Ayndorffer, der zur Zeit seiner Einsetzung 24 Jahre alt war.32 Die Visitatoren stellten dem Kloster eine Visitationscharta aus, in der die wichtigsten Neuerungen festgeschrieben wurden. Am 6. Dezember 1426 fand eine Nachvisitation statt, deren Ergebnisse ebenfalls in einem zweiten Schreiben vom 7. Januar 1427 festgehalten wurden.33 Unter der Bedingung einer genauen Beachtung der Regeln des Ordenslebens wurde dem Konvent eine materielle Versorgung zugesichert, aber auch das Einhalten der Ordensgelübde gefordert: das gemeinschaftliche Leben des gesamten Konvents, regelmäßige Chorgebete, feierliche Durchführung der Hl. Messe, intensives Studium geistlicher Literatur, vor allem natürlich der Hl. Schrift, regelmäßige Beichte, das Schuldkapitel, das Einhalten des Sprechverbots, das Tragen der Ordenstracht und das Verbot von individuellem Besitz und Fleischverzehr.34 Dass diese neue Richtung nicht von allen im Konvent gerne aufgenommen wurde und, dass Kaspar Ayndorffer auch auf Grund der nicht regulär durchgeführten Ernennung zum Abt nicht nur Freunde im Kloster hatte, zeigt das drastische Beispiel eines Panzerhemdes, das Kaspar Ayndorffer zeitweise getragen haben soll.35 Der neue Abt sorgte sich jedoch nicht nur um die innere Zucht des Klosters. Eine weitere Neuerung in Tegernsee, wie in den meisten anderen adeligen Klöstern der Zeit, war die Öffnung des Konvents für Bürgerliche. Am 8. Dezember 1442 trat als erster Bürgerlicher Johannes Keck (1400-1450), Doktor der Theologie, in das Kloster Tegernsee ein.36 Kaspar Ayndorffer kümmerte sich um die wirtschaftliche Konsolidierung und mühsame Entschuldung des Klosters, setzte sich für den Ausbau der Klosterbibliothek und der Klosterschule ein, ließ die Räumlichkeiten im Kloster nach den Vorgaben der Reform umbauen und gab Werke für die reiche Ausstattung der Kirche in Auftrag.37 Solche reformerische Tätigkeit konnte natürlich nicht im Verborgenen geschehen. Während in den Jahren zwischen 1418 und 1426 der Tegernseer Konvent aus nur vierzehn Mönchen bestanden hatte, traten unter dem Abt Kaspar 32
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Vielleicht wurde Kaspar Ayndorffer bereits, wie manche vermuten, an der Tegernseer Klosterschule ausgebildet, vgl. WESSINGER, Kaspar Aindorffer (wie Anm. 2 7 ) , 2 0 0 . Vgl. ANGERER, Bräuche (wie Anm. 31), 24-27, 29-33. Vgl. Meta NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 30), Wien u. a. 1994, 70-80, 125-174; ANGERER, Bräuche (wie Anm. 31), 32. Vgl. ANGERER, Bräuche (wie Anm. 31), 18 und 35. Vgl. LINDNER, Familia (wie Anm. 10), 51. Die oft zitierte Bezeichnung Abt Kaspars als „Bauabt" greift aus Gründen der Fülle seiner Tätigkeiten zu kurz. Siehe auch den reichen Aufgabenkatalog des Abtes bei ANGERER, Bräuche (wie Anm. 31), 36-39, und Winfried MÜLLER, Die Anfänge der Humanismusrezeption in Kloster Tegernsee, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 92 (1981) 28-90, hier: 42-45.
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Ayndorffer 43 Kleriker in das Kloster ein. Auch kamen viele gelehrte Mönche aus anderen Klöstern nach Tegernsee, wie der Melker Benediktiner Konrad von Geisenfeld oder auch Bernhard von Waging.38 Um das Jahr 1400 in Waging geboren, trat Bernhard, wahrscheinlich nach einem Studium in Wien, um 1430 in das Augustinerchorherrenstift Indersdorf ein.39 1446 folgte er seinem Mitbruder Wilhelm Kienberger nach Tegernsee, wo er am 8. Dezember 1447 seine Profess feierte. 1452 wurde Bernhard von Abt Kaspar zum Prior des Klosters ernannt, was er bis 1465 bleiben sollte.40 Aber nicht nur über Neuzugänge, auch über reformerische Tätigkeiten knüpfte Tegernsee Verbindungen zu anderen Konventen. Bereits 1435, keine zehn Jahre nach dem Einsetzen der Klosterreform in Tegernsee, wurde Kaspar Ayndorffer selbst zum Mitvisitator in das Augustinerchorherrenstift Weyarn bestellt. Ebenso war er mitverantwortlich für die sich schwierig gestaltende Reform der Abtei Scheyern. Der Nachfolger des abgesetzten Abtes konnte dort die verlangten Neuregelungen nicht durchsetzen und wurde schließlich durch Wilhelm Kienberger aus Tegernsee ersetzt, der die Reform in Scheyern verankerte. Neuer Abt des Klosters Wessobrunn wurde 1438 der Tegernseer Mönch Ulrich Stöckl. Dieser hatte sich bereits davor um die Reform verdient gemacht, indem er ab 1432 fünf Jahre lang für seinen Abt und alle bayerischen Benediktiner am Konzil von Basel teilgenommen und viele Schreiben darüber verfasst hatte. 1440 wurde der Tegernseer
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Vgl. LINDER, Familia (wie Anm. 1 0 ) , 42-83. Der Zeitpunkt seines Eintritts in Indersdorf ist nicht gesichert. Teilweise ist in der Forschung von 1430, teilweise von 1435 die Rede, und in einigen Arbeiten wird eine genaue Zahl gänzlich beiseite gelassen, vgl. Heribert ROSSMANN, Art. Bernhard von Waging, in: Lexikon des Mittelalters 1 (1980) Sp. 2004-2005, hier: Sp. 2004; Walter Andreas EULER, Art. Bernhard von Waging, in: Lexikon für Theologie und Kirche 2 (1994) Sp. 277. - Ein Hinweis auf Bernhards Studium in Wien findet sich allein im Tegernseer Bibliothekskatalog bei Ambrosius Schwerzenbeck von 1483, vgl. GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 28), 773, nicht jedoch in den Wiener Universitätsmatrikeln, vgl. Franz GALL U. a. (Hg.), Die Matrikel der Universität Wien (= Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung VI. Reihe: Quellen zur Geschichte der Universität Wien 1, 1), Graz u. a. 1956; Paul UIBLEIN (Hg.), Acta Facultatis Artium Universitatis Vindobonensis 1385-1416 (= Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung VI. Reihe: Quellen zur Geschichte der Universität Wien 2), Graz u. a. 1968. Da jedoch bekannt ist, dass die Matrikeln nicht vollständig sind, und vermutet werden darf, dass der Bibliothekar von Tegernsee über die Ausbildung seines Mitbruders Bescheid wusste, kann Bernhards Studium in Wien als sehr wahrscheinlich angenommen werden. 40 Zu Bernhards Wechsel nach Tegernsee aus Gründen einer strengeren Auslegung der Observanz siehe REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 1 3 7 - 1 4 0 ; GRABMANN, Bernhard (wie Anm. 29), 85. 39
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Wilhelm Diepoltskircher Abt von Benediktbeuern.41 Die Bemühungen um das neu zu errichtende Benediktinerkloster Andechs werden in einem späteren Kapitel noch ausführlich betrachtet werden. Auch Bernhard von Waging betätigte sich im Sinne der Klosterreform. 1457 bis 1458 reformierte er das Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg mit so großem Erfolg, dass dieses Kloster wiederum auf einen Kreis anderer Konvente ausstrahlen konnte.42 1461 rief der Eichstätter Bischof Johannes III. von Eych (1404-1464, reg. ab 1446) Bernhard von Waging in sein Bistum, wo dieser das Kloster Bergen bei Eichstätt reformierte.43 Die Etablierung eines Reformzentrums im vorherigen Reformfall Tegernsee war innerhalb weniger Jahre geglückt. Einen besonderen Stellenwert aber hatte für Tegernsee die Verbindung zu Nikolaus von Kues. 1450 war der Philosoph und Kirchenrechtler zum Fürstbischof des Alpenbistums Brixen ernannt worden. Zwei Jahre nach der Erhebung zum Kardinal stand er damit am Höhe- und Wendepunkt seiner Karriere. Vor der Inbesitznahme seines Bistums jedoch machte sich Nikolaus von Kues zu einer großen Legationsreise durch die deutschsprachigen Gebiete auf, um die Ausrufung des Heiligen Jahres 1450 zu verbreiten und die Reform der Kirche voranzutreiben.44 Nach der Legationsreise nahm Nikolaus von Kues im April 1452 die Diözese Brixen in Besitz, setzte sich gegen den vom Brixener Domkapitel bestimmten Elekten durch und begann mit den Reformierungen seines Sprengeis. So zielsicher Nikolaus von Kues jedoch als Diplomat, so gewandt er in seinen Schriften sein konnte, so mäßig war sein Einfühlungsvermögen in die Gegebenheiten und 41
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Vgl. ANGERER, Bräuche (wie Anm. 31), 40-45. - REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 132f. und 148f. berichtet darüber hinaus über den weiteren Einfluss Tegernsees auf Benediktbeuern. Vgl. REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 165. Den Augsburger Mönchen widmete Bernhard von Waging seine Schrift „De materia eucharistiae sacramenti tractatus epistolaris", siehe Werner HÖVER, Art. Bernhard von Waging, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Auflage, Bd. 1 (1978) Sp. 779-789, hier: Sp. 781. - Zum Vermerk des Traktats im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), IIA. Vgl. WILPERT, Vita contemplativa (wie Anm. 27), 210; GRABMANN, Bernhard (wie Anm. 27), 85. Siehe zur cusanischen Legationsreise: Erich MEUTHEN, Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/1452, in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik - Bildung - Naturkunde - Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987, hg. von Hartmut Boockmann u. a. (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-historische Klasse, 3. Folge, 179), Göttingen 1989, 421-499; Ignaz ZIBERMAYR, Die Legation des Kardinals Nikolaus Cusanus und die Ordensreform in der Kirchenprovinz Salzburg (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 29), Münster 1914.
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Möglichkeiten in Tirol, und so wenig Erfolg war ihm in seinem Bistum beschieden. Besonders der Adel und der weltliche Landesherr, Herzog Sigismund von Tirol (1427-1496, reg. 1446-1490), setzten ihm in vielen Bereichen seiner Herrschaft lang anhaltenden Widerstand entgegen.45 Die Entstehungszeit des Briefwechsels war für Nikolaus von Kues von immer komplexer werdenden Problemen bei der Reform seines Bistums Brixen geprägt, während das Kloster Tegernsee viele Reformmaßnahmen erfolgreich durchführen konnte und so, wie auch durch den Zustrom an gelehrten Männern, zu einem geistigen wie geistlichen Zentrum aufstieg.
2. Gelehrtengespräche Eines der großen Gesprächsthemen im Briefwechsel ist die mystische Theologie. Bereits in den ersten Briefen der Korrespondenz wendet sich Kaspar Ayndorffer mit Fragen zur mystischen Schau Gottes an Cusanus, nicht ohne beiläufig darauf hinzuweisen, welche Schriften dazu im Kloster schon befragt worden wären und wie gelehrt die Tegernseer Mönche in diesem Thema bereits seien.46 Solche Hinweise auf die Beteiligung weiterer Tegernseer Konventualen am Briefwechsel tauchen häufig in den Schreiben auf. Der Inhalt der Briefe war den Mönchen durch das Studium des Epistolars und, wie in der Korrespondenz angedeutet wird, durch Gespräche mit Abt Kaspar und Prior Bernhard bekannt.47 Der Briefwechsel bestand daher in den Grundzügen nicht allein zwischen Kaspar Ayndorffer, Bernhard von Waging und Nikolaus von Kues, sondern zwischen dem Kloster Tegernsee und Cusanus. Deutlich wird dies anhand des Werkes „De visione Dei", das der Philosoph explizit der gesamten Tegernseer Gemeinschaft widmete.48 Dieser Widmung vorangegangen waren einige Briefe zwischen Tegernsee und Cusanus über Fragen der mystischen Theologie. Kaspar Ayndorffer wandte sich im Herbst 1452 zum ersten Mal an Nikolaus von Kues, um von diesem Näheres zur Rolle des Verstandes auf
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Vgl. Hermann J . HALLAUER, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (Trierer Cusanus Lecture 6), Trier 2000, 7-11. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 108-111, Nr. 2 und 3. Die Einbeziehung anderer Tegernseer Mönche durch Abt Kaspar wurde bereits angesprochen. Aber auch Bernhard sprach immer wieder mit seinen Mitbrüdern über die Schreiben des Cusanus, wie er diesem in einem Brief, datiert nach dem 9. September 1454, mitteilte, VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 151, Nr. 27. Da jedoch außer dem Abt und dem Prior kein weiterer Tegernseer Mönch im Briefwechsel namentlich genannt wird, ist nicht gesichert, wer sich noch in die Fragestellungen der Korrespondenz einbrachte. Vgl. BEIERWALTES, Visio Dei (wie Anm. 29), 83f.
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dem Weg zur Erkenntnis Gottes zu erfahren.49 In zwei Briefen legte daraufhin Cusanus seine philosophischen Grundgedanken vor: Weder der Verstand noch die Vernunft seien auf dem Weg zur Schau Gottes hilfreich, da Gott nicht mit menschlichem Erkenntnisvermögen fassbar sei. Cusanus unterscheidet hier sehr genau zwischen dem ordnenden Verstand und dem Intellekt oder der Vernunft, die auch etwas denken kann, was jenseits der Ordnung liege. Ein Nichtwissen, allerdings kein verzagendes, sondern ein um sein Nichtwissen wissendes Nichtwissen, ein Zusammenfall der Gegensätze, führe auf den Weg zum unbegreiflichen Gott.50 Am 8. November 1453 vollendete Nikolaus von Kues seine Schrift „Vom Sehen Gottes", welche die wichtigsten Ansätze aus dem philosophisch-theologischen Gespräch mit den Tegernseer Mönchen zusammenfasste. Darin erwähnte der Philosoph auch ein Bild eines Alles-Sehenden, das er den Mönchen mit der Schrift zuschicken wolle und das eine Anleitung zur Kontemplation zusammen mit dem Text sein solle. Er sei durch verschiedene Beispiele, unter anderem durch ein Gemälde Rogiers van der Weyden im Brüsseler Rathaus, das Cusanus bei seiner Legationsreise Anfang 1452 zu sehen bekommen hatte, zu dieser Idee angeregt worden.51 Die mystische Theologie wird im weiteren Verlauf des Briefwechsels noch in einem längeren Brief des Bernhard von Waging und in zwei Schreiben des Nikolaus von Kues angesprochen. Die beiden verband mehr als allein die philosophische Schrift für die Tegernseer. Angeregt durch das Werk „De docta ignorantia" des Nikolaus von Kues hatte Bernhard Anfang der 1450er Jahre den Traktat „Laudatorium doctae ignorantiae" verfasst.52 Diese Schrift rief den Wider49
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Autour (wie Anm. 5), 110f., Nr. 3. Ebd., 111-117, Nr. 4 und 5. Kaspar Ayndorffer bedankte sich in seinem Brief Anfang des Jahres 1454 bei Cusanus für die erhaltene Schrift, vgl. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 119f., Nr. 8. Das Bild des Alles-Sehenden hatte Cusanus bereits in seinem Brief vom 14. September 1453 erwähnt, ebd., 116, Nr. 5. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 820. - Zur „Icona Dei" siehe Gerhard W O L F , Vera Icon, in: Marc-Aeilko Aris (Hg.), Horizonte. Nikolaus von Kues in seiner Welt. Eine Ausstellung zur 600. Wiederkehr seines Geburtstages. Katalog zur Ausstellung im Bischöflichen Domund Diözesanmuseum Trier und im St. Nikolaus-Hospital in Bernkastel-Kues. 19. Mai bis 30. September 2001, Trier 2001, 104-107, Nr. 82; Alex STOCK, Die Rolle der „iconaDei" in der Spekulation „De visione Dei", in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 18 (1989) 50-90, hier: 50-52, hier: 55. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 130-135, Nr. 15 und 16, 159f., Nr. 34. - In seinem Schreiben vom 16. August 1454 erwähnte Cusanus, dass er Bernhards Traktat gelesen habe, ebd., 140, Nr. 22. Über diese Aufmerksamkeit erfreut äußerte sich Bernhard in seinem folgenden Brief mit der Absicht, die Lobrede auszubauen, ebd., 144, Nr. 25. - Die Edition dieser wie auch anderer wichtiger Schriften zum folgenden Disput findet sich bei VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5). - Zum Entstehungszeitraum des Werkes siehe
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spruch des Kartäuserpriors Vinzenz von Aggsbach hervor, der in seinem „Impugnatorium laudatorii doctae ignorantiae" entgegen der Ansicht Bernhards und Cusanus', mystische Erfahrungen würden Erkenntnis voraussetzen, die Position vertrat, dass dem Affekt die gewichtigere Rolle zugesprochen werden müsse. Im Briefwechsel findet sich ein Widerschein dieser Diskussion im Schreiben des Nikolaus von Kues vom 14. September 1453, in dem der Kardinal die Schriften des Pseudo-Dionysius Areopagita in seine und Bernhards Richtung auslegte.53 Die Beschäftigung mit der cusanischen Philosophie hielt über die Korrespondenz hinaus an. Als Replik auf die Darstellung des Kartäusers schrieb Bernhard von Waging 1459 seine Verteidigungsschrift „Defensorium laudatorii doctae ignorantiae" und das Werk „De cognoscendo Deum". Letzteres verfasste der Prior aus der Beschäftigung mit einem Text des Nikolaus von Kues, „De quaerendo Deum", heraus. 54 Dieses rege Studium der mystischen Theologie wird aber auch durch den im Briefwechsel anklingenden Sammlungsschwerpunkt für den Tegernseer Bibliothekszuwachs deutlich. Neben dem oft aufgeführten Pseudo-Dionysius Areopagita finden sich Bonaventura, Thomas von Vercelli, Hugo de Balma oder Johannes Gerson.55 Nicht alle gewünschten Werke dieser oder weiterer Gelehrter waren jedoch bereits im Besitz des Klosters. Daher waren die Namensnennungen oft mit der Bitte an Cusanus verbunden, dem Kloster bestimmte Schriften zukommen zu lassen.56 Und ebenso erbaten die Tegernseer Texte des Nikolaus von Kues selbst. Humanismusrezeption (wie Anm. 37), 5 1 f.; HÖVER, Art. Bernhard (wie Anm. 42), Sp. 779f. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 773, 820. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 113-116, Nr. 5. Vgl. ROSSMANN, Art. Bernhard (wie Anm. 39), Sp. 2004; GRABMANN, Bernhard (wie Anm. 27), 87f. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 845. Vgl. GRABMANN, Bernhard (wie Anm. 2 7 ) , 8 8 - 9 1 ; Rudolf ENDRES, Nicolaus Cusanus und das Kloster Tegernsee, in: Kazuhiko YAMAKI (Hg.), Nicholas of Cusa. A Medieval Thinker for the Modern Age, Richmond 2 0 0 2 , 1 3 4 - 1 4 4 , hier: 1 4 0 . Auch weitere Personen, wie der Münchner Magister Marquard Sprenger oder der ehemalige Tegernseer Prior Johannes Keck, wurden in die Auseinandersetzung mit einbezogen, siehe ROSSMANN, Sprenger (wie Anm. 2 9 ) und Heribert ROSSMANN, Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck über die mystische Theologie, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 13 ( 1 9 7 8 ) 3 3 0 - 3 5 2 . - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 773, 818, 820. Beispielsweise VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 110, Nr. 3, 113-117, Nr. 5 oder 123, Nr. 10. So rekapitulierte Nikolaus von Kues in seinem Brief vom 14. September 1453: „Petitis Vercellensem, Linconiensem etc. supra Dyonisium", VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 116 Nr. 5. - Nach der Edition des Tegernseer Bibliothekskatalogs besaß das Kloster spätestens zum Zeitpunkt der Anlegung des Katalogs die gewünschten Werke, siehe MÜLLER,
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Immer wieder werden im Briefwechsel Predigten des Cusanus angesprochen, die dieser den Mönchen auf deren Wunsch zukommen lassen wollte. Vielfach standen die Predigten im Zusammenhang mit den Gesprächen über mystische Theologie. Ebenso aber kamen im Briefwechsel die Betrachtungen des Cusanus zum „Vater unser" zur Sprache, die er den Mönchen zuschicken wollte57 - oder auch das Werk „De beryllo", das die Tegernseer häufig ansprachen und damit Nikolaus von Kues zur Fortführung seiner Schreibtätigkeit ermunterten.58 Darüber hinaus finden sich in der Korrespondenz Hinweise, dass Dritte an der Suche nach bestimmten Texten beteiligt waren. So berichtete der Kardinal in einem Brief vom 16. August 1454 an Bernhard von Waging, dass er bei einem Besuch im Kloster Admont einige Schriften des Aristoteles gesehen habe. Er habe damals das Kloster um Abschriften der Werke gebeten, jedoch keine erhalten. Vielleicht könnte Bernhard für Cusanus mehr erreichen. Aus der Antwort des Tegernseer Priors ist zu erfahren, dass Bernhard an verschiedenen Stellen für Cusanus nach den gewünschten Texten zu suchen gedachte.59
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GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 837 und 846. - Und in einem Schreiben Anfang des Jahres 1454 bat Kaspar Ayndorffer Cusanus ebenso um einige Schriften: „Dirigo rescriptos et relectos per fratres libellos De Visione Dei et De Pace fidei, solita et humili confidencia petens alios nobis cum presentibus transmitti, scilicet: librorum Dyonisij novam translationem, similiter libros Eusebij noviter in latinum translatos, et specialiter mustum berillum, ut videamus in docta ignorancia et alibi que multis obscura videntur, precipue de coincidencia contradictoriarum, de spera infinita, etc. Optamus eciam habere Matheum de Suecia super appockalipsim (et) complementum dyalogi super Magnificat, De Visitatione Marie, ubi christianus loquitur cum Maria, et continuatur dyalogus usque ad clausulam qua respondet Maria: „quia Deus respexit humilitatem ancille sue", et ulterius usque ad punctum ubi dicitur: „unde discípulos et eos qui faciunt voluntatem patris dicit fratrem et matrem; Iesus ipse igitur est filius si nos eius mater", et nichil sequitur ultra. De complementis quoque mathematicis nondum vidimus.", vgl. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 120fi, Nr. 8. Nach der Antwort des Cusanus zu schließen, versuchte dieser, den Bitten des Abtes nachzukommen: „Dyonisium noviter translatum, et Commentaria in apockalipsim que petitis, et De mathematicis complementis transmitió. Eusebium posthac habebitis. Propter oculorum dolorem De Beryllo quem petitis scribere non potui; scribam tarnen Deo dante quantocius etc.", ebd., 122, Nr. 9. Nach Ludwig Baur wird das Wort „apockalipsim" als „apocalypsim" gelesen, vgl. Cusanus-Texte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Cues. Erste Sammlung (wie Anm. 4), 108, Nr. 36. - Zum Vermerk dieser Schriften im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), Uli., 779fi, 817, 820. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 111-113, Nr. 4 und 151, Nr. 26. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 821. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 120, Nr. 8, 122, Nr. 9, 123, Nr. 10 oder 133, Nr. 15. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 821. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 140, Nr. 22 und 143fi, Nr. 25.
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Ebenso bemühten sich Nikolaus von Kues und Bernhard von Waging gemeinsam um die „Collationes" oder „Visiones" des Bonaventura. Ihnen bekannt waren zwei Ausgaben der Schrift. Eine davon befand sich im Franziskanerkloster in München, eine im Minoritenkonvent in Florenz. In seinem Schreiben vom Frühjahr 1454 berichtete Bernhard an Cusanus, dass in seinem Auftrag der Münchner Kleriker Marquard Sprenger die Münchener Handschrift aus dem dortigen Franziskanerkloster ausgeliehen habe. In Tegernsee wurde eine Abschrift davon hergestellt.60 Aus der Korrespondenz lässt sich gut der weitere Verlauf der Ereignisse um die Bonaventuraschrift ersehen: Nikolaus von Kues erhielt die Kopie aus Tegernsee und stellte eine weitere Abschrift davon her. Die Kopie schickte Cusanus nach Florenz, um sie mit der dortigen Ausgabe zu vergleichen und ergänzen zu lassen. Wie sich herausstellte, waren die beiden Ausgaben jedoch so unterschiedlich, dass Nikolaus von Kues beschloss, die Florenzer Handschrift vollständig abschreiben zu lassen.61 Diese Anstrengungen um bestimmte Bücher geben auch Einblicke in den handwerklichen Teil der Handschriftenherstellung. Nicht nur der Codex aus München, auch alle anderen Handschriften, die dem Kloster nur leihweise zur Verfügung gestellt worden waren, mussten abgeschrieben werden, um diese Bücher dann der Tegernseer Bibliothek eingliedern zu können. Immer wieder berichteten Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging in ihren Briefen, dass einige Mönche mit dem Kopieren bestimmter Handschriften beschäftigt seien.62 Die Vorgaben der Melker Reform hatten dem Schreiben von Texten einen wichtigen Rang zugedacht und für jede Mönchszelle ein Schreibpult, Feder, Tinte und Papier vorgesehen.63 Tatsächlich sind einige Tegernseer Mönche bekannt, die sich um die Herstellung von Handschriften für die Klosterbibliothek verdient machten. Einer von ihnen war Anton Pelchinger, der aus Hofen bei Kematen im heutigen Landkreis Rosenheim stammte, seit 1442 Konventuale im Kloster Tegernsee war und als Schreiber und Miniaturenmaler arbeitete. Aber auch Bernhard von Waging, Oswald Nott und die Tegernseer Bibliothekare Konrad von Geisenfeld und Raphael Neupöck sind als Schreiber, so beispielsweise für das Tegernseer 60
61
62
63
Autour (wie Anm. 5), 130, Nr. 15. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 769. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 140, Nr. 2 2 , 151, Nr. 2 6 , 158, Nr. 33, 159, Nr. 34. - Wie ebd., 159, Nr. 34, Anm. 2, erwähnt, könnte der von Cusanus in seinem Schreiben genannte „amicus", der in Florenz die Codices verglich, eventuell mit Paolo dal Pozzo Toscanelli gleichgesetzt werden, einem guten Freund des Nikolaus von Kues seit ihren gemeinsamen Studientagen in Padua. Ebd., 123, Nr. 10: „Duo iam scriptores laborant rescribendo unus Iohannem Climacum, alter Iohannem de Tambaco, etc." - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe VANSTEENBERGHE,
GLAUCHE, Art. Tegernsee
(wie Anm. 26), 806 und 808.
Vgl.
Melker Reform (wie Anm. 34), 164-166.
NIEDERKORN-BRUCK,
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Epistolar, belegt.64 Ferner war sei dem späten 15. Jahrhundert die Kunst des Buchbindens in Tegernsee bekannt. Für das Jahr 1494 lässt sich der Laienbruder Johannes Witzig als Buchbinder im Kloster nachweisen.65 Die Bibliothek wuchs in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts deutlich an. Das zeigt am eindruckvollsten der Tegernseer Bibliothekskatalog, den Ambrosius Schwerzenbeck als Bibliothekar des Klosters vom 2. Juni 1483 bis zum 2. August 1484 anlegen ließ. Zur Zeit seiner Entstehung verzeichnete der Katalog 1.103 Codices. Zehn Jahre später enthielt die Bibliothek bereits 1.738 Handschriften.66 Für diesen Bücherschatz trug der Bibliothekar die Verantwortung. 1488 wurden unter Abt Konrad Airinschmalz (reg. 1462-1492) Bibliotheksräume errichtet, um den Bücherzuwachs unterbringen zu können. Zuvor waren die Codices wahrscheinlich in der Sakristei untergebracht gewesen, in der auch liturgische Gebrauchswerke verwahrt wurden. Dazu gab es aber auch weiterhin kleinere Handbibliotheken im Haus.67 In diesem Streben um eine reiche Bibliothek wussten sich die Tegernseer Mönche nicht alleine. Wie Bernhard von Waging in einem Brief vom Herbst 1454 andeutet, waren im Konvent die Bemühungen von Papst Nikolaus V. (1397-1455, reg. seit 1447) wohl bekannt, der zu dieser Zeit in Rom den Grundstock der Vatikanischen Bibliothek zu legen begann. Der im Schreiben Bernhards so betonte, kostbare und unbekannte griechische Weisheitsschatz, den der Papst nun zugänglich machen wollte, darf als Hinweis auf die durch den Fall Konstantinopels 1453 gegebene Möglichkeit gewertet werden, aus der dortigen Kaiserlichen Bibliothek Handschriften für die Vaticana zu erlangen.68 64
V g l . LINDER, Familia
( w i e A n m . 10), 7 5 - 7 9 , 8 2 - 9 2 , 9 9 - 1 0 0 ; REDLICH, Tegernsee
Anm. 1), 74-76, 146, 191-194. Siehe auch GLAUCHE, Art. Tegernsee
(wie
(wie Anm. 26), 7 3 6 -
743. 65
66 67
68
Der erste Buchbindervermerk in einer Tegernseer Handschrift stammt aus dem Jahr 1464. Es wurden wohl aber bereits unter Abt Kaspar Ayndorffer Bücher gebunden. Ferner findet man in den Rechnungsbüchern des Wirtschaftsverwalters Posten über die Ausgaben für die verwendeten Materialien. Um das Jahr 1500 ist der Augsburger Buchhändler Matthäus Neukam mit mehreren Aufträgen für das Kloster belegt, vgl. GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 745. Siehe auch LINDER, Familia (wie Anm. 10), 83; REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 78f.; Peter SCHMIDT, Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern. Zum Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert (= Pictura et poesis 16), Köln u. a. 2003, 197f. Vgl. GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 751. Vgl. REDLICH, Tegernsee
(wie A n m . 1), 74, 8 1 - 8 3 ; GLAUCHE, Art. Tegernsee
(wie A n m .
26), 744f., 752. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 148, Nr. 25. Siehe zur Vaticana: Jeanne BIGNAMI ODIER, La Bibliothèque Vaticane de Sixte IV à Pie XI. Recherches sur l'histoire des collections de manuscrits avec la collaboration de José Rysschaert (= Studi e Testi 272), Città del Vaticano 1973, 9.
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3. Reformbemühungen Neben den Gesprächen über Bücher, Bibliotheken und philosophisch-theologische Fragestellungen stellen die Reformbemühungen des Nikolaus von Kues und die Unterstützung der Tegernseer Mönche dabei das zweite große Thema des Briefwechsels dar. In den Schreiben werden vor allem drei Klöster angesprochen, bei deren Reformierung und Aufbau die Tegernseer Konventualen und der Brixener Bischof zusammenarbeiteten: Das Benediktinerinnenkloster Sonnenburg im heutigen Südtirol sowie das Benediktinerkloster St. Georgenberg über dem Inntal, die sich beide gegen die Reformvorstellungen des Bischofs und die Anregungen der Tegernseer zur Wehr setzten, und das Säkularstift Andechs, das nach dem Willen des bayerischen Herzogs Albrechts III. von Bayern-München (1401-1460, reg. seit 1438) in ein Benediktinerkloster umgewandelt werden sollte, wozu ihm sowohl Nikolaus von Kues als auch die Tegernseer Mönche zu Hilfe kamen. Die Gesamtdarstellung anhand des Briefwechsels dieser zu großen Teilen in die Amtszeit des Bischofs Nikolaus von Kues verwobenen Aufgaben liefert nicht nur detaillierte Beispiele der benediktinischen Klosterreform des 15. Jahrhunderts, sondern verdeutlicht auch das Verhältnis zwischen den Tegernseer Mönchen und Cusanus. Sie zeigt darüber hinaus, welche Rolle Tegernsee bei den Bemühungen des Bischofs einnahm und wie diese Bemühungen im Kloster gesehen wurden. Ende März 1451 kam der Kardinal Nikolaus von Kues auf seiner Legationsreise durch die deutschen Länder nach München und stellte für das Stift Andechs einen Ablass aus. Es wird angenommen, dass zu diesem Anlass Cusanus mit Herzog Albrecht III. von Bayern-München zusammentraf und der Herzog dem Kardinal von seinem Wunsch berichtete, auf dem Heiligen Berg ein Benediktinerkloster zu gründen. Dem tief gläubigen und im Sinne der Klosterreform tätigen Regenten schwebte im Gegensatz zu den weltlichen Chorherren des Stiftes Andechs ein reformiertes Benediktinerkloster vor, dass sowohl für den Andechser Reliquienschatz Sorge tragen als auch als Familienkloster seines Hauses dienen sollte.69 Auf der Rückkehr von seiner Legationsreise besuchte Cusanus zur Fastenzeit 1452 Andechs und ließ sich aus dem Andechser Heiltum die drei Bluthostien vorlegen. 69
Vgl. Claudia M Ä R T L , Herzog Albrecht III., Nikolaus von Kues und die Gründung des Benediktinerklosters Andechs im Jahr 1455. Festgabe des Freundeskreises Kloster Andechs e. V. aus Anlass der 550. Wiederkehr der Klostergründung, Starnberg 2005, 9-14; Ermengard HLAWITSCHKA-ROTH, Herzog Albrecht III von Bayern-München und die Gründung des Benediktinerklosters in Andechs, in: Eduard Hlawitschka und Ermengard Hlawitschka-Roth, Andechser Anfänge. Beiträge zur frühen Geschichte des Klosters Andechs (= Andechser Reihe 4), St. Ottilien 2000, 99-117, hier: 106-109; Erich MEUTHEN, Nikolaus von Kues und die Wittelsbacher, in: Festschrift fiir Andreas Kraus zum 60. Geburtstag, hgg. von Pankraz Fried und Walter Ziegler (Münchener Historische Studien. Abteilung Bayerische Geschichte 10), Kallmünz 1982, 95-113, hier: 104.
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Erst ein Jahr zuvor hatte der Kardinal nach abergläubischen Umtrieben in der Mark Brandenburg die Verehrung von blutenden Hostien verboten. Um jedoch den frommen bayerischen Herzog nicht vor den Kopf zu stoßen und das junge Projekt des Klosters Andechs nicht zu gefährden, lehnte er die Hostien nicht gänzlich ab, umging aber ebenso geschickt eine klare Stellungnahme und brachte die Hostien zur näheren Untersuchung zu Papst Nikolaus V. nach Rom. Durch diese Vermittlung des Kardinals, aber auch durch eigene Gesandte wandte sich der bayerische Herzog an das Kirchenoberhaupt, um die Umwandlung des Stiftes Andechs zu erbitten.70 Nach der Legationsreise nahm Nikolaus von Kues im April 1452 das Bistum Brixen in Besitz und begann unverzüglich mit der Arbeit. Er war durchdrungen von der Idee, in seinem Bistum die Reformbemühungen der Legationsreise fortzusetzen. So entfaltete er neben einer umfangreichen pastoralen Tätigkeit einen großen Eifer für die Neuordnung der Klöster.71 All seine Bemühungen jedoch waren überschattet von ständigen Konflikten, vor allem mit dem Landesherren Herzog Sigismund von Tirol, dem Adel und einigen Klöstern, darunter Sonnenburg und St. Georgenberg, die im Briefwechsel zur Sprache kommen. Für diese andauernden Reibereien gab es viele Gründe: die Tatsache, dass er gegen den Willen des Domkapitels und des Herzogs als Bischof durch den Papst eingesetzt worden war; dass Cusanus Herzog Sigismund dem Stande nach gleichgestellt war, nicht jedoch von Geblüt, was der Herzog den Kardinal immer wieder spüren ließ; und schließlich, dass er mit den Jahren einem immer blinderen Reformeifer verfiel und auch vor allzu strengen Strafmaßnahmen gegen jeden, der ihm widersprach, nicht zurückschreckte.72 Immer wieder wurde bei heiklen Situationen in Brixen deutlich, dass es Cusanus hier an politischem Geschick mangelte. Mit dem Kloster Sonnenburg bestand bereits seit dem Amtsantritt des Nikolaus von Kues ein Konflikt, da Cusanus sich gegen das Kloster in einen Rechtsstreit eingemischt hatte. Dazu kam, dass der Bischof am 2. Mai 1452 die Reformierung der Klöster seines Sprengeis binnen eines Monats angeordnet hatte.73 Das Kloster Sonnenburg stellte eine rein adelige Gemeinschaft mit politischen und wirtschaftlichen Interessen und Traditionen dar. Die religiöse Erneuerungsbewegung war bis dahin unbeachtet an Sonnenburg vorübergegangen. Die Klausur wurde nicht eingehalten. Das Reformgebot des Bischofs traf auf adlige Damen, die seit langem ein
70
Vgl. MARTL, Herzog Albrecht III. (wie Anm. 69), 14-19; MEUTHEN, Nikolaus von Kues
71
Vgl. HALLAUER, Nikolaus von Kues (wie Anm. 45), 18-27. Ebd., 29-33. Vgl. Wilhelm BAUM, Sonnenburg, in: Ulrich Faust, Waltraud Krassnig (Hg.), Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (= Germania Benedictina 3, 3), St. Ottilien 2002, 604-702, hier: 644.
( w i e A n m . 6 9 ) , 1 0 1 - 1 0 4 ; BEIERWALTES, Visio Dei ( w i e A n m . 2 9 ) , 8 2 . 72 73
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eigenwilliges Verständnis von benediktinischem Leben pflegten und unter diesen Voraussetzungen auch eingetreten waren. Ohne Umsicht tastete Cusanus mit seinem Reformgebot alte Gewohnheiten der Nonnen und ihrer Familien an. Die Äbtissin von Sonnenburg, Verena von Stuben (1410-1472, reg. 1440-1458), stellte sich daher mit Unterstützung des Herzogs Sigismund und ihres Cousins, Propst Johann von Westernach, der sie im Mai 1452 besuchte, gegen den Bischof und versuchte, die Reformierung des Klosters hinauszuzögern.74 Anfang Juni 1452 weilte Nikolaus von Kues im Kloster Tegernsee. Kurz zuvor, am 14. April 1452, hatten die drei von Cusanus für die Salzburger Kirchenprovinz bestellten Visitatoren, Abt Martin vom Schottenkloster in Wien, Abt Laurentius vom Kloster Mariazell im Wiener Wald und Johannes Schlitpacher aus Melk (1403-1482), eine Visitation in Tegernsee durchgeführt und dem Kloster ein gutes Zeugnis ausgestellt.75 Mit diesem Besuch vom Juni 1452 begann der Briefwechsel zwischen Cusanus und Tegernsee. Jedoch gab es bereits vor dem Juni 1452 zwei Briefe, die mit der Korrespondenz auf merkwürdige Weise in einem indirekten Zusammenhang stehen. Am 18. Juni 1451 erreichte Abt Kaspar Ayndorffer ein Schreiben, das allem Anschein nach von Nikolaus von Kues stammte. Der Bote des Briefes, Johannes Trugsesse, gab sich als Sekretär des Cusanus aus. Allerdings war er weder jemals ein Vertrauter des Kardinallegaten, noch stammte der Brief tatsächlich von Cusanus. Trugsesse hatte sich mit diesem Schreiben lediglich die Gastfreundschaft des Klosters erschleichen wollen. So lässt sich auch der erste überlieferte, zweifellos echte Brief Kaspar Ayndorffers an Cusanus erklären, in dem sich dieser etwas verwundert zeigte, dass nicht rasch Kontakt mit Cusanus aufgenommen werden sollte, was Johannes Trugsesse natürlich verhindern wollte.76 74
75
76
Vgl. HALLAUER, Nikolaus von Kues (wie Aiim. 45), 23-25. Siehe auch B A U M , Sonnenburg (wie Aiim. 73), 644. Vgl. Ignaz ZIBERMAYR, Johann Schlitpachers Aufzeichnungen als Visitator der Benediktinerklöster in der Salzburger Kirchenprovinz. Ein Beitrag zur Geschichte der Cusanischen Klosterreformen (1451-1452), in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 30 (1909) 258-279, hier: 277. Vgl. MÜLLER, Humanismusrezeption (wie Anm. 37), 49f. Die Fälschimg des angeblichen Briefes von Cusanus wies Josef Koch in einer Studie durch genaue Untersuchimg der Datumsangabe, der verwendeten Formeln, des Schreibstils und des namentlich erwähnten Sekretärs nach, siehe Josef KOCH, Nicolaus von Cues und seine Umwelt. Untersuchungen zu Cusanus-Texte IV. Briefe. Erste Sammlung (Sitzimgsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 34, Jahrgang 1944/48, 2. Abhandlung), Heidelberg 1948, 101-110. Virgil Redlich hatte den gefälschten Brief entdeckt, allerdings noch nicht als Fälschimg erkannt und erstmals abgedruckt, vgl. REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 202f. - Zum ersten Brief des Kaspar Ayndorffer vgl. VANSTEENBERGHE, Autour (wie A M I . 5 ) , 107, Nr. 1. Koch datiert dieses erste Schreiben des Briefwechsels als Altwort auf den gefälschten Brief des Johannes Trugsesse vom 18.
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Am 14. Juni 1452 wurde mit dem Kloster Tegernsee eine Gebetsvereinbarung für die herzoglich-bayerische Familie geschlossen. Es ist denkbar, dass bereits zu dieser Zeit klar war, dass Herzog Albrecht Tegernseer Mönche für die Besiedelung des zukünftigen Benediktinerklosters Andechs wünschte.77 Papst Nikolaus V. stellte am 13. April 1453 einen päpstlichen Ablass für Andechs aus. Die Bluthostien wurden in dem Schreiben nur am Rande erwähnt. Wichtiger sei die Verehrung der Reliquien des Herrn, womit ein Stück der Dornenkrone Christi gemeint war, das der Andechser Reliquienschatz ebenso enthielt. Vor allem aber erteilte Nikolaus V. mit dieser Bulle sein Placet für die geplante Klostergründung auf dem Heiligen Berg.78 Nach mehreren Anläufen zur Visitation des Klosters Sonnenburg, um die Reform durchführen zu können, lud am 19. Oktober 1453 Cusanus die Äbte von Tegernsee, Stams und St. Peter in Salzburg zur Visitation dorthin. Aus einem Brief an den Tegernseer Konvent vom 14. September 1453 geht hervor, dass die Mönche bereits für eine frühere Visitation in Sonnenburg vorgesehen gewesen wären. Der Tegernseer Abt war für Cusanus eine feste Stütze bei der Klosterreform. Die beiden anderen Äbte hatte sich die Sonnenburger Äbtissin als Visitatoren gewünscht.79 Am 29. November 1453 begannen dann aber keiner der drei Äbte, sondern die Tegernseer Mönche Bernhard von Waging und Eberhard von Wolfratshausen, der Neustifter Dekan Johannes Fuchs und der Generalvikar von Brixen, Michael von Natz, zusammen mit Cusanus die Visitation in Sonnenburg. Der Entwurf des Bischofs für eine Reform des Klosters Sonnenburg orientierte sich
77 78
79
Juni 1451 ebenfalls auf das Jahr 1451, vgl. Cusanus-Texte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Cues. Erste Sammlung (wie Anm. 4), 107, Nr. 36. Vgl. HLAWITSCHKA-ROTH, Herzog Albrecht III. (wie Anm. 69), 114. Vgl. MARTL, Herzog Albrecht III (wie Anm. 6 9 ) , 1 7 - 1 9 . - Zur Übergabe der Bulle weilte Cusanus im Herbst 1453 wieder in Andechs, vgl. MEUTHEN, Nikolaus von Kues (wie Anm. 6 9 ) , 1 0 3 ; BEIERWALTES, Vision Dei (wie Anm. 2 9 ) , 8 2 . VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 177, Nr. 5. - Zur Einladung des Cusanus siehe Cusanus-Texte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Kues. Zweite Sammlung: Das Brixner Briefbuch des Kardinals Nikolaus von Kues, hg. von Friedrich Hausmann (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1952, 2. Abhandlung), Heidelberg 1952, 70-72. - Hermann J. HALLAUER, Eine Visitation des Nikolaus von Kues im Benediktinerinnenkloster Sonnenburg, in: Hermann J. Hallauer, Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen 1450-1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi unter Mitarbeit von Alfred Kaiser (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Brixen 2002, 215-236, hier: 221-224; BAUM, Sonnenburg (wie Anm. 73), 646.
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an den Vorgaben des Johannes Schlitpacher als Visitator für die Salzburger Frauenklöster St. Peter und Nonnberg.80 Doch nicht nur die Vorlage für die Reform des Klosters Sonnenburg sollte nach dem Willen der Visitatoren Nikolaus von Kues und Bernhard von Waging aus Salzburg kommen. In einem Brief vom Januar oder Februar 1454 schlug der Tegernseer Prior dem Bischof eine Salzburger Nonne aus St. Peter als zukünftige Äbtissin des Sonnenburger Konvents vor. Auch dachte Bernhard daran, bei größeren Problemen Sonnenburg in ein Männerkloster umzuwandeln.81 Diese Gedanken Bernhards, vor allem die Idee mit den Salzburger Ordensfrauen, griff Nikolaus von Kues auf und beauftragte in seinem Brief vom 12. Februar 1454 den Tegernseer Prior, sich um die Salzburger Nonnen zu bemühen.82 Wie der Bischof seinem Tegernseer Vertrauten in einem Schreiben vom 18. März 1454 mitteilte, war Verena von Stuben von ihrem Cousin, dem Propst Johann von Westernach, nach der Visitation Ende 1453 empfohlen worden, das Kloster zu verlassen.83 Cusanus und Bernhard hofften auf einen schnellen Führungswechsel in Sonnenburg. Doch diese Lösung des Konflikts und eine rasch erfolgende Reformierung des Klosters rückten bald wieder in weite Ferne. In seinem Brief zwischen Ende Februar und Anfang März 1454 schrieb Bernhard von Waging zwar erneut von seinem Wunsch, Salzburger Nonnen nach Sonnenburg zu schicken, doch diesmal erwähnte er auch, dass, wie er denke, weder der Abt die Klosterfrauen gehen lassen würde, noch die Nonnen selbst ihren Konvent freiwillig verlassen würden. Sinnvoller erschien für Bernhard da eher sein zweiter Lösungsansatz, die Umwandlung Sonnenburgs in ein Männerkloster, den er Cusanus erneut unterbreitete.84 Diese Anregung wurde von Cusanus jedoch endgültig abgewiegelt. In seinem Schreiben vom 18. März 1454 erläuterte er Bernhard, dass mit dem Verweis auf das Stiftertestament die Nonnen wie der Tiroler Adel, der das Kloster als Versorgungsinstitut für seine Töchter ansehe, sich einer derartigen Umwandlung widersetzen würden. Vielleicht, so beharrte der Bischof, könne Bernhard Nonnen aus einem anderen Kloster für Sonnenburg gewinnen.85
80
Vgl. B A U M , Sonnenburg (wie Anm. 7 3 ) , 6 4 6 . - Der Melker Prior Johannes Schlitpacher war einer der Visitatoren für die Benediktinerklöster in der Kirchenprovinz Salzburg 1451 bis 1 4 5 2 , vgl. ZIBERMAYR, Aufzeichnungen (wie Anm. 7 5 ) , 2 5 8 - 2 7 9 , vor allem 2 6 1 - 2 6 3 . 81 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 124, Nr. 10. - Den gemeinsamen Reformwillen hatten Tegernsee und Salzburg auch in der am 12. Januar 1454 geschlossenen Verbrüderung bezeugt, vgl. REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 168. 82 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 126, Nr. 11. 83 Ebd., 134, Nr. 16. Siehe auch B A U M , Sonnenburg (wie Anm. 73), 647. 84 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 130f., Nr. 15. 85 Ebd., 134, Nr. 16.
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In ähnlicher Weise wie mit Salzburg zu Sonnenburg verhielt es sich in Bezug auf die tätige Aufbauhilfe mit Tegernsee zu Andechs. Wohl schon einige Zeit zuvor hatte Herzog Albrecht III. von Bayern-München das erste Mal in Tegernsee nach Mönchen für sein neues Benediktinerkloster Andechs angefragt. Im Briefwechsel berichtet Abt Kaspar in seinem Schreiben vor dem 18. März 1454 Cusanus von dem Wunsch des Herzogs.86 Aus den Worten des Abtes wird sehr deutlich, dass der Abt wie die Mönche gegen diese Abgabe einiger Mitbrüder waren. Die Frage ist, worin die Gründe dafür lagen. Wie passt es zusammen, dass die Tegernseer bei Reformen in anderen Klöstern weitreichende Neuerungen predigten, zum aktiven Eintreten für die Reform in anderen Klöstern selbst aber nur bedingt bereit waren? Oder lag es vielmehr an Andechs und den mit dem neuen Kloster verbundenen Aufgaben als Familienkloster der Wittelsbacher und vor allem als Wallfahrerstätte? In andere Klöster waren zu Reformzwecken zuvor ja durchaus Mönche aus Tegernsee geschickt worden. Bernhard von Waging nannte in seinem Brief, geschrieben vor dem 12. Februar 1454, zum ersten Mal in der Korrespondenz das Kloster St. Georgenberg und erwähnte auch die von Cusanus beabsichtigte Reform. Kaspar Ayndorffer, der von Cusanus für die Visitation des Klosters vorgesehen war, ging in seinen folgenden Schreiben an den Bischof ebenfalls auf das Thema ein. Doch schränkte der Abt sofort ein, dass er sich zu schwach und zu krank für die Aufgabe fühlte. Er schlug Cusanus zwei Mitbrüder vor, die an seiner statt die Visitation in St. Georgenberg vornehmen sollten.87 Und auch Bernhard, einer der Visitatoren für St. Georgenberg, bat in einem folgenden Brief bei Nikolaus von Kues für seinen Abt um Nachsicht. In Bernhards Schreiben klingt deutlich der Zweifel am Sinn der Visitation in St. Georgenberg an.88 Warum sah Bernhard das Unternehmen derart pessimistisch? Waren diese Zweifel vielleicht der eigentliche Grund dafür, dass der tatsächlich kränkliche Abt Kaspar sich nicht an der Visitation beteiligen wollte? Das Grundproblem bei der Reformierung von St. Georgenberg war ähnlich wie bei Sonnenburg nicht das zu Recht bestehende Interesse des Bischofs an der Durchsetzung der Reform in den Klöstern seines Amtsbereiches, was ihm für St. Georgenberg sogar von Herzog Sigismund Anfang 1454 zugestanden worden war. Cusanus verkannte und missachtete vielmehr, dass seine Konflikte mit dem Tiroler Adel auch seine Reformierungsversuche in Sonnenburg und St. Georgenberg stark behinderten. Dazu kam, dass er sowohl das Wallfahrtswesen als auch den Blutreliquien-Kult stark einschränken wollte und diese für St. Georgenberg neben theo-
VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 127f., Nr. 12. Ebd., 125, Nr. 10, 127, Nr. 12, 128f., Nr. 13. 88 Ebd., 133, Nr. 15. 86
87
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logischen Argumenten auch wichtige Einnahmequellen darstellten.89 Wieder weigerte sich Cusanus, den soziokulturellen Rahmen zu berücksichtigen, in dem ein Kloster sich bewegte. In seinem Schreiben vom 4. April 1454 erteilte der Bischof Tegernsee schließlich den Auftrag zur Visitation des Klosters St. Georgenberg. Statt des gewünschten Eberhards von Wolfratshausen führte Konrad von Geisenfeld zusammen mit Bernhard von Waging die Visitation durch.90 Auch dieser Reformversuch, der mit dem Rauswurf der beiden Tegernseer Mönche aus dem Kloster St. Georgenberg endete, kann nur als Misserfolg gewertet werden. Wie Cusanus bewiesen auch die Tegernseer Mönche bei den Brixener Reformversuchen zu wenig politisches Talent. Zutiefst entrüstet verfasste Bernhard von Waging noch in Tirol seine „Klagelieder über den Fall, Absturz, die Zerstörung und Zerrüttung von St. Georgenberg und der verbrecherischen Einwohner des Stiftes" und schickte Cusanus davon eine Abschrift. Wie bereits im Abschnitt über das Botenwesen erwähnt wurde, kam diese Abschrift bei Cusanus jedoch nicht an, worüber sich Bernhard im Brief nach Ostern 1454 an den Bischof besorgt äußerte.91 In seinem darauffolgenden Schreiben an Nikolaus von Kues empörte sich Bernhard vor allem über das in St. Georgenberg nicht eingehaltene Abstinenzgebot, von dem der Abt Johannes von Freiberg sogar eine päpstliche Dispens zu bekommen erhoffte. Neben den anderen Hauptanliegen der Reformbemühungen in St. Georgenberg wie auch in Sonnenburg, der generellen Befolgung der Benediktsregel und dem Einsetzen eines neuen Abtes sowie der Aufnahme reformierter Ordensleute, die von Cusanus geteilt wurden, trat Bernhard von Waging in beiden Fällen ganz vehement für das Fleischverbot ein, dessen Nichteinhaltung er als ein Grundübel ansah.92 89
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Vgl. Wilhelm BAUM, Karl RAUTER, Bernhard von Waging (fl472): „Klagelieder über St. Georgenberg". Das Scheitern einer Klosterreform des Nikolaus Cusanus (1453/54). Mit Textpublikationen, in: Der Schiern 57 (1983) 482^-94, hier: 484-486. Um dem bayerischen Herzog und Förderer der Reform, Albrecht HL, und seinen Klosterplänen entgegenzukommen, hatte Cusanus für das entstehende Benediktinerkloster Andechs erst kurz zuvor sein eigenes, 1451 formuliertes Verbot geschickt umgangen, indem er die Andechser Bluthostien zu „normalen", geweihten Hostien zur Abwehr gegen die Pest erklärte, vgl. MÄRTL, Herzog Albrecht III. (wie Anm. 69), 15-18; MEUTHEN, Nikolaus von Kues (wie Anm. 69), 103f. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5 ) , 1 3 5 , Nr. 17. Cusanus hatte in seinem Schreiben vom 18. März 1454 nach den Visitatoren für St. Georgenberg gefragt, die sich bereits in Sonnenburg bewährt hatten, ebd., 1 2 9 , Nr. 14. Siehe auch BAUM, Klagelieder (wie Anm. 89), 4 8 6 - 4 8 8 .
91
VANSTEENBERGHE,
Autour (wie Anm. 5), 137f., Nr. 19. Siehe auch
BAUM,
Klagelieder (wie
Anm. 89), 488. 92
Autour (wie Anm. 5), 136f., Nr. 18. Bernhard von Waging hatte bereits in einem früheren Brief seine Meinung zum Thema „Fleischgenuss" in Bezug auf den Sonnenburger Konvent dargelegt, worin er allerdings auch erwähnt, dass in Ausnahme-
VANSTEENBERGHE,
Tegernseer Kosmos
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Aber nicht nur in St. Georgenberg entwickelten sich die Dinge nicht nach den Wünschen und Vorstellungen des Bischofs und seiner Tegernseer Helfer. Auch in Sonnenburg verliefen sich die anfänglichen Lösungsansätze rasch, denn im Frühjahr 1454 entschloss sich Verena von Stuben überraschend dazu, das Kloster doch nicht zu verlassen.93 Die Briefe von Bernhard und Cusanus vom April 1454 über die Reformversuche in Sonnenburg und St. Georgenberg zeigen auch Spuren der ersten Ernüchterung, die sich der eifrigen Männer bemächtigte.94 Diese Ernüchterung wird auch in den Schreiben des Cusanus von Sommer und Herbst 1454 deutlich, in denen er immer offener den Tegernseern seine Absicht darlegte, von seinem Amt zurückzutreten. Dass diese Andeutungen des Bischofs mehr waren als bloße Phrasen, beweisen die Gespräche, die Cusanus Anfang Oktober 1454 in München mit dem bayerischen Herzog Albrecht über seine Resignation als Brixener Oberhirte zugunsten eines Wittelsbacherprinzen führte.95 Erfreulicher entwickelte sich die Andechser Angelegenheit. Im September 1454 unterrichtete Cusanus Bernhard über die Andechser Bluthostien.96 Wahrscheinlich hatte sich der Tegernseer Prior in einem nicht tradierten Brief bei dem Freund erkundigt, wie man mit den Bluthostien, deren Verehrung Cusanus verboten hatte, verfahren sollte. In Tegernsee bereitete man sich darauf vor, die Verantwortung für alle Aufgabenbereiche in Andechs zu übernehmen. Die Hinweise zum Umgang mit den Bluthostien, die Cusanus Bernhard mitteilte, verdeutlichen die Schwierigkeit
93
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fällen Nachsicht mit den Frauen aufgrund ihres Geschlechts geübt werden sollte und eine Dispens vom Fleischverbot erteilt werden könnte, ebd., 124f., Nr. 10. - 1456 verfasste Bernhard den Traktat „Epistola contra illicitum carnium esum" gegen den Fleischgenuß, vgl. TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 27), 164f. sowie ihren Aufsatz in diesem Band. - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 773. Vgl. BAUM, Sonnenburg (wie Anm. 73), 647; Hermann J. HALLAUER, Eine Visitation der Abtei Sonnenburg im Jahre 1455, in: Hermann J. Hallauer, Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen 1450-1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi unter Mitarbeit von Alfred Kaiser (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Brixen 2002, 237-256, hier: 240f. „Nescio quomodo faciemus in Sonnenburg" schrieb Cusanus am 4. April 1454 aus Brixen, VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 136, Nr. 17. Und Bernhard pflichtete ihm bei: „Difficile est, et vix possibile cum mulieribus in loco ipso religionis observanciam firmiter stabiliri. Heu! ventris cura est nimia, eciam apud eos qui Deo singulariter dicati noscuntur.", ebd., 136, Nr. 18. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 139, Nr. 21, 140, Nr. 22, 149, Nr. 26. Die Ortsangabe des bischöflichen Schreibens vom 1. Oktober 1454 und der Hinweis auf den bayerischen Herzog deuten auf die Münchner Gespräche hin, ebd., 153, Nr. 28. Siehe zu den Abdankungsplänen des Cusanus auch MEUTHEN, Nikolaus von Kues (wie Anm. 69), 105. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 150, Nr. 26.
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des Reformers, zwischen den beiden Prämissen, der Hilfe für den Aufbau des Klosters Andechs und der Eindämmung abergläubischer Praktiken, einen mittleren Weg zu finden. In St. Georgenberg war die erfolgreiche Durchführung der Reform auch durch eine zu strenge Vorgehensweise gegen die Bluthostienverehrung verhindert worden. Der Kompromiss in Andechs bestand für Cusanus schließlich in dem Vorgehen, dem Volk die Hostien einmal im Jahr zu zeigen und bekannt zu geben, dass diese, wie Cusanus nach einigen Nachforschungen zugestehen konnte, als wahre Hostien angesehen werden würden. In seiner Erklärung fügte Cusanus hinzu, dass die Menschen in den Hostien ja nicht das Brot, sondern Christus verehren würden.97 Zur Vorbereitung der Tegernseer Mönche schrieb Cusanus aber nicht nur über pastorale Fragen. Auch von einem Besuch in Andechs mit Besichtigung der für die Mönche vorbereiteten Gebäude erzählte Nikolaus von Kues seinen Tegernseer Freunden.98 Im Gegensatz zu Andechs entwickelten sich die Verhältnisse im Bistum Brixen für Cusanus immer ungünstiger. Nachdem Verena davon zurückgetreten war, Sonnenburg zu verlassen, drohte der Bischof ihr geistliche Strafen an, wenn sie sich der Reform des Klosters Sonnenburg weiter widersetzen würde. Gegen dieses Vorgehen legte Verena, die Cusanus nach der alttestamentlichen Königin auch „Jezabel" als Synonym für eine hinterhältige Frau nannte, Einspruch bei Papst Nikolaus V. ein.99 Und auch andere Kleriker und Ordensleute wandten sich gegen die Maßnahmen des Bischofs. Sogar das Brixener Domkapitel erhob Einspruch gegen ein Vorgehen, das sowohl die Verflechtungen des Adels mit den Klöstern missachtete als auch das pastorale Wirken im Land blockierte. Dass Cusanus auch berechtigten Widerspruch nicht ertragen konnte, zeigt seine fast trotzige Antwort auf die im Brief vom 9. September 1454 an Bernhard zuvor beschriebenen Schwierigkeiten in Brixen, er werde durch den Widerstand nur stärker.100 Im folgenden Brief ging Bernhard wesentlich behutsamer als Cusanus mit der verfahrenen Situation um. Er war zwar ebenso für eine Absetzung Verenas von Sonnenburg, bestärkte Cusanus aber nicht in seinen Maßnahmen oder ermunterte ihn gar weiter dazu. Allerdings versuchte er auch nicht, Cusanus bei seinen Maßnahmen klar zurückzuhalten. Bernhard beschränkte sich in seinen Äußerungen zur Situation in Brixen auf wenige Sätze.101 Eine gewisse Zurückhaltung Bernhards ist Autour (wie Anm. 5), 1 5 0 , Nr. 26. Vgl. M Ä R T L , Herzog Albrecht III. (wie Anm. 69), 15-18. 98 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 153, Nr. 28. 99 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 149, Nr. 26, 160, Nr. 34, 153f., Nr. 29. Vgl. HALLAUER, Visitation der Abtei Sonnenburg (wie Anm. 93), 241 f.; B A U M , Sonnenburg (wie Anm. 73), 647. 100 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 149, Nr. 26. Vgl. HALLAUER, Nikolaus von Kues (wie Anm. 45), 28-34. 101 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 152, Nr. 27. 97
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hier zu merken; ähnlich der Scheu, den kranken Abt Kaspar zur, nach Bernhards Auffassung wenig erfolgversprechenden, Visitation nach St. Georgenberg gehen zu lassen. Und auch der Brief des Cusanus vom 13. Januar 1455, in dem er mit besonders intensiver Eindringlichkeit die Tegernseer Freunde bat, ihm weiter in Sonnenburg zu helfen, ist bemerkenswert und könnte als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Tegernseer nicht mehr ohne weiteres bereit waren, an den Reformbemühungen des Bischofs in Brixen mitzuwirken.102 Trotz dieses immer deutlicher werdenden Rückzugs der Tegernseer von den Brixener Reformbestrebungen beteiligten sich Bernhard von Waging und Eberhard von Wolfratshausen am 17. Februar 1455 erneut an einer Visitation des Klosters Sonnenburg. Am 31. Dezember 1454 hatte Herzog Sigismund mit Cusanus einen Vertrag geschlossen, der die Reformierung des Klosters Sonnenburg innerhalb der nächsten zwei Monate vorsah. Nachdem die Appellationen Verenas von Sonneburg und eine zweite von Herzog Sigismund bei Papst Nikolaus V. erfolglos geblieben waren, sah der Herzog ein, dass der Bischof über weitreichendere Verbindungen nach Rom verfügte. In einem Schreiben vom 13. Januar 1455 rief Cusanus erneut Bernhard und seinen Mitbruder Eberhard nach Brixen, wo diese gemeinsam mit den Äbten von Ettal, Ebersberg, Weihenstephan und St. Peter in Salzburg eine Visitation von Sonnenburg durchführten.103 Nach der Visitation wurde am 4. März 1455 eine Reform-Charta verfasst. Die Nonnen wurden darin auf die Klausur verpflichtet. Darüber hinaus wurde das Kloster angewiesen, in Zukunft auch bürgerliche Frauen in den Konvent aufzunehmen; ein Artikel, den die Visitatoren aus den Statuten des Johannes Schlitpachers und des Kardinallegaten Nikolaus von Kues von 1451 für die Salzburger Benediktinerinnen entnommen hatten.104 Auch kam es, als Bernhard Ende Februar 1455 zur Visitation von Sonnenburg in Brixen weilte, zu Verhandlungen mit Cusanus über dessen Pläne zu seiner Resignation zugunsten eines Wittelsbachers. Bernhard bekam den Auftrag, bei den bevorstehenden Gründungsfeierlichkeiten in Andechs geheime Gespräche mit dem bayerischen Herzog Albrecht zu führen.105 Am 17. März 1455 wurde auf dem 102
So schrieb Nikolaus von Kues: „iterum atque iterum rogo ut veniatis, omni excusatione postposita, quia nisi veneritis plura mala sequentur, et ego tanta spe privabor aliquid proficiendi.",vgl. VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 154, Nr. 29. Ludwig Bauer liest in der Handschrift statt „tanta" „tota" und statt „proficiendi" „perficiendi", vgl. CusanusTexte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Cues. Erste Sammlung (wie Anm. 4), 110, Nr. 36. 103 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 153f., Nr. 29. Vgl. Vgl. HALLAUER, Visitation der Abtei Sonnenburg (wie Anm. 93), 242-246; BAUM, Sonnenburg (wie Anm. 73), 647f. 104 Vgl. HALLAUER, Visitation der Abtei Sonnenburg (wie Anm. 93), 246-253; BAUM, Sonnenburg (wie Anm. 73), 648; HALLAUER, Nikolaus von Kues (wie Anm. 45), 24f. 105 Vgl. MEUTHEN, Nikolaus von Kues (wie Anm. 69), 105f.; Wilhelm BAUM, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (= Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983, 331-333.
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Heiligen Berg durch Abt Wilhelm von Benediktbeuern in Anwesenheit des bayerischen Herzogs, von Adel und Geistlichkeit, darunter auch des Tegernseer Abtes Kaspar Ayndorffer, die Gründung des Benediktinerklosters Andechs feierlich vollzogen.106 Am Tag darauf fanden zwischen Bernhard von Waging, Kaspar Ayndorffer, Herzog Albrecht und dem Propst Konrad Siber von Ilmmünster, einem Vertrauten des Cusanus, geheime Verhandlungen über die Nachfolge eines Wittelsbachers auf dem Brixener Bischofsstuhl statt. Dies berichtete Bernhard in einem Brief vom 12. April 1455, nachdem Cusanus einige Tage vorher in einem Schreiben um Auskunft über die Ergebnisse der Gespräche gebeten hatte. Diese fielen jedoch nicht in Cusanus' Sinne aus: Aus politischen Gründen wollte der bayerische Herzog keinen Konflikt mit dem Tiroler Landesherren Herzog Sigismund riskieren, dessen Macht durch das cusanische Projekt einer wittelsbachischen Nachfolgeregelung durchaus hätte beschnitten werden sollen. Auch auf die Person des Nachfolgers konnte man sich in der folgenden Zeit nicht einigen. Weiterführende Verhandlungen wurden schließlich durch den Konflikt des Cusanus mit Herzog Sigismund zunichte gemacht.107 Für die Untersuchung des Briefwechsels ist jedoch interessant, dass Bernhard eine lange, sehr detaillierte Beschreibung der Ereignisse Mitte März 1455 für Cusanus verfasste, aus der vor allem hervorgeht, dass bei den Verhandlungen nicht viel erreicht wurde. Vielleicht fühlte sich der Tegernseer durch den vorherigen Brief des Bischofs gedrängt, ihn nicht nur mit einer kurzen, ernüchternden Information abzuspeisen. Es scheint so, als wolle Bernhard Cusanus zeigen, wie sehr er sich trotz allem um das Anliegen des Freundes bemüht hatte.108 Am 23. April 1455 kamen sieben Benediktinermönche aus Tegernsee zur Neubesiedelung nach Andechs. Unter ihnen war auch der spätere erste Abt von Andechs, Eberhard von Wolfratshausen. Bereits zu Christi Himmelfahrt 1455 strömten mehrere tausend Menschen auf den Heiligen Berg.109 In einem Brief vom Juni oder Juli 1455 klagte Bernhard gegenüber Cusanus über die Abgabe der Mönche nach Tegernsee auf das Drängen des bayerischen Herzogs hin.110 Dass die Andechser Anfänge in Tegernsee weiterhin kritisch gesehen wurden, zeigt auch die Visitation, die Kaspar Ayndorffer 1459 in Andechs durchführte und bei der der Tegernseer Abt besonders an den Gebäuden des Klosters Mängel feststellte. Eberhard von Wolfratshausen, der, nachdem durch den Stiftsbrief vom 10. April 1458 106
Vgl. M Ä R T L , Herzog Albrecht III. (wie Anm. 69), 21; Benedikt KRAFT, Andechser Studien. Band I (= Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 73), München 1937, 211. 107 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5 ) , 154f., Nr. 30, 155f., Nr. 31. Vgl. MEUTHEN, Nikolaus von Kues (wie Anm. 69), 106f.; B A U M , Nikolaus (wie Anm. 105), 333. 108 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 155f., Nr. 31. 109 Vgl. M Ä R T L , Herzog Albrecht III (wie Anm. 69), 21; KRAFT, Andechser Studien (wie Anm. 106), 214-219. 110 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 158f., Nr. 33.
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das Priorat zur Abtei erhoben worden, am 23. Juni 1458 zum ersten Abt von Andechs geweiht worden war, widersetzte sich den angemahnten, erneuten Baumaßnahmen, um den Grunduntertanen nicht neue Lasten aufzubürden. Bis zu seinem Tod 1462 blieb Eberhard Abt in Andechs. Auch seine beiden Nachfolger in Andechs bis 1492 waren noch ehemalige Tegernseer Mönche.111 Trotz aller Widerstände speiste sich das benediktinische Leben auf dem Heiligen Berg also über drei Abtszeiten lang aus der Tegernseer Quelle. Während das Benediktinerkloster Andechs mit Tegernseer Hilfe seinen Anfang nahm, spitzten sich die Probleme um das Kloster Sonnenburg in Brixen erneut zu. Sonnenburg hatte die Reformcharta abgelehnt, worauf Cusanus nach mehreren verstrichenen Fristen Ende Juni 1455 Verena von Stuben als Äbtissin von Sonnenburg absetzte. Doch war am 8. April 1455 in Rom ein neuer Pontifex, Calixt III. (1378-1458), gewählt worden, der sich nicht mehr, wie noch Papst Nikolaus V., vorbehaltlos hinter Cusanus und sein Vorgehen stellte und den Bischof aufforderte, sich mit Sonnenburg zu einigen.112 Diese schwierige Situation zu Sonnenburg spiegelt sich auch in den letzten beiden Informationen wieder, die im Briefwechsel dazu zu finden sind. Nachdem Bernhard in seinem Brief vom Frühsommer 1455 nachgefragt hatte, wie es um das kürzlich visitierte Kloster stehe, berichtete Cusanus am 28. Juli 1455 dem Tegernseer Prior von den weiteren Begebenheiten in Sonnenburg. Im Fokus seines Unmutes stand dabei vor allem Verena von Stuben, über deren Exkommunikation Cusanus Bernhard unterrichtete. Auch hier verlief das Gespräch über Sonnenburg in der bereits beschriebenen Form der vorsichtigen Anfrage von Bernhards und der betont kämpferischen Antwort vonseiten des Cusanus.113 Wie lässt sich also die Sicht der Tegernseer Mönche auf die Reformanstrengungen des Kardinals bewerten? Was wird von Cusanus erzählt, und wie reagieren die Tegernseer darauf? Und welche Unterschiede sind zwischen den Reformbemühungen um Andechs, Sonnenburg und St. Georgenberg zu verzeichnen? In den Reformbestrebungen um die Brixener Klöster Sonnenburg und St. Georgenberg war zu Anfang bei Cusanus wie auch bei den Tegernseer Mönchen, vor allem dem Mitstreiter Bernhard von Waging, ein ähnlicher Eifer zu erkennen. In den Briefen nach der Visitation von Sonnenburg im November 1453 beschrieben 111
Die Ursachen der Kritik sind in den sehr unterschiedlichen Aufgabenfeldern der beiden Klöster zu sehen: Hier das Tegernseer Reformzentrum, dort das Wallfahrerkloster Andechs, vgl. KRAFT, Andechser Studien (wie Anm. 106), 212, 219-222. - Zeichen einer dennoch starken Verbindung zwischen Tegernsee und Andechs ist die am 19. Februar 1460 geschlossene Verbrüderung, vgl. REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 146-147. 112 Vgl. B A U M , Sonnenburg (wie Anm. 73), 649. 113 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 158, Nr. 33, 160, Nr. 34.
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Bernhard und Cusanus ihre vorrangigen Anliegen bei der Reform, die dann auch in St. Georgenberg vorgebracht wurden: Einsetzung einer neuen Äbtissin sowie Gewinnung einiger reformierter Ordensfrauen für die Verankerung der Reform. Als dritten Punkt betonte Bernhard bei beiden Klöstern die strenge Einhaltung des Fleischverbots. Dies scheint für Cusanus von weniger starker Bedeutung gewesen zu sein, da er dieses Gebot in keinem Schreiben aufgriff. Neben dieser Einigkeit aber ist früh auch eine gewisse Spannung zwischen den Reformern zu erkennen: Die Weigerung des Tegernseer Abtes etwa, die Visitation in St. Georgenberg durchzuführen, oder auch die pessimistische Sicht Bernhards auf die Erfolgsaussichten bei dem St. Georgenberger Reformversuch. Vielleicht hatten die Tegernseer Mönche angesichts der Schwierigkeiten des Cusanus in Brixen generell wie auch bei der Visitation von Sonnenburg in der Frage der zweiten Reformhilfe ihre Zweifel an dem Gelingen der Reformbestrebungen und aus diesem Grund eine etwas zögernde Haltung eingenommen. Besonders deutlich wird diese Zurückhaltung aber erst in der Zuspitzung der Situation um das Kloster Sonnenburg. Die Anmerkungen Bernhards dazu fielen immer kürzer aus, wohingegen der Bischof immer starrsinniger an seinem Willen und dem einmal eingeschlagenen Weg festhalten wollte. Bernhard und Cusanus hatten trotz aller Gemeinsamkeiten durchaus divergierende Ansichten über den Weg der Reform, der bei Cusanus gewalttätige Züge annahm, was Bernhard schon aus Gründen der reformerischen Erfahrung und Klugheit als wenig fruchtbar ansah. Der Tegernseer Prior stand für eine behutsamere Vorgehensweise bei der Reform, um auf lange Sicht etwas zu erreichen.114 Aus diesen Differenzen könnte die Reserviertheit der Tegernseer bei manchen der Brixener Reformbemühungen zu erklären sein. Anders sah es dagegen im Benediktinerkloster Andechs aus, das auf Drängen des bayerischen Herzogs und mit cusanischer Unterstützung von Tegernsee aus neubesiedelt wurde. Auf den im Briefwechsel anklingenden Unwillen der Tegernseer zum Aufbau eines reformierten Benediktinerklosters in Andechs ging Cusanus in seinen Schreiben nicht ein. Wahrscheinlich brachte er dafür schlicht kein Verständnis auf, ging es doch in Andechs nicht einmal, wie in den Brixener Klöstern, um die schwierige Aufgabe, ein bereits bestehendes Kloster neu zu ordnen, sondern darum, ein ehemaliges Chorherrenstift mit benediktinischem Leben zu erfüllen. Allein um den Kult der Bluthostien in Andechs sorgte er sich. Diesen hatte er doch an anderen Orten, auch in St. Georgenberg, untersagt. Geschickt konnte er jedoch für Andechs eine Lösung des selbst gestellten Problems finden, die dem Aufbau des Benediktinerklosters weiter den Weg ebnete. Die Tegernseer Mönche sahen Andechs kritisch. In ihren Schreiben über das entstehende Kloster ist wenig von 114
Siehe auch ENDRES, Nicolaus (wie Anm. 54), 140; Anm. 45), 33.
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jenem Reformgeist zu erkennen, der bei den Reformversuchen der Brixener Klöster wegweisend war. Andechs erwies sich auf lange Sicht jedoch als gelungene Leistung des Cusanus und der Tegernseer. Davon konnte im Bistum Brixen keine Rede sein. Die Streitigkeiten mit dem Herzog entluden sich in mehreren Gewalttätigkeiten und Kirchenstrafen, immer wieder gefolgt von Versöhnungsversuchen durch auswärtige Vermittler.115 Ebenso blieben die Streitigkeiten zwischen dem Kloster Sonnenburg und dem Brixener Bischof ungelöst.116 In St. Georgenberg jedoch wurde 1469 unter dem Nachfolger des Abtes Johannes von Freiberg, Abt Kaspar Augsburger, das Kloster reformiert und einer strengen Disziplin unterworfen, wenn auch nicht alle Vorgaben der Melker Reform umgesetzt wurden.117 Der Briefwechsel endet mit einem Schreiben des Cusanus an Kaspar Ayndorffer vom 9. Januar 1456.118 Darin berichtet Cusanus von Wigolaus Gradner, einem Adeligen und einstigen Günstling Herzog Sigismunds, der mit diesem nun im Streit lag und den Cusanus zusammen mit seinem Bruder in Tegernsee unterzubringen gedachte. Tatsächlich kamen die Brüder auf der Flucht vor dem Herzog anscheinend einige Tage in Tegernsee unter, bevor sie in die Schweiz gingen und von dort aus ihren Kampf gegen Herzog Sigismund fortsetzten.119 Leider ist kein Hinweis dazu überliefert, wie die Tegernseer Mönche diese erneute Provokation gegen den Tiroler Herzog aufnahmen. Standen sie vorbehaltlos auf Cusanus' Seite, auch wenn er sich, nur um Herzog Sigismund weiter zu schaden, in einen weitgehend fremden Konflikt einmischte? Oder hießen sie dieses Vorgehen des Cusanus zwar nicht gut, mussten sich aber in seinen Plan fügen? Nahmen sie die Adeligen gar gerne auf? Und warum endet genau hier der überlieferte Briefwechsel? Ein Blick auf das im Briefwechsel anklingende persönliche Verhältnis zwischen dem Bischof und den Tegernseer Mönchen relativiert diese Vermutungen: Cusanus verband mit Kaspar Ayndorffer, den Tegernseer Konventualen und vor allem mit Bernhard von Waging eine tief empfundene Freundschaft. Dies zeigt sich in ihren offenen und interessierten Gesprächen über mystische Theologie oder über den Austausch bestimmter Schriften. Dies zeigt sich auf besondere Weise in dem Traktat „De visione Dei", das der Philosoph den Mönchen widmete. Ersichtlich wird dies, neben wohl auch stark formalisierten gegenseitigen Respektsbe115
Vgl. HALLAUER, Nikolaus von Kues (wie Anm. 45), 30. Vgl. B A U M , Sonnenburg (wie Anm. 73), 649-660. 117 Vgl. Thomas NAUPP, Fiecht - St. Georgenberg, in: Ulrich Faust, Waltraud Krassnig (Hg.), Die Benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Germania Benedictina 3, 1), St. Ottilien 2000, 434-500, 440f. 118 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 161 f., Nr. 36. 119 Vgl. Wilhelm B A U M , Nikolaus von Kues und der Konflikt Herzog Sigmunds von Österreich mit den Schweizer Eidgenossen, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte, Revue d'Histoire Ecclésiastique Suisse 82 (1987) 5-32, hier: 7f. 116
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Zeugungen, aber auch im vertrauensvollen Austausch persönlicher Belange und Probleme. Sehr deutlich wird dieses Vertrauen bei den Brixener Problemen, die Cusanus, wenn auch natürlich aus seiner Sicht, immer wieder den Mönchen berichtet. Und obwohl die Tegernseer wohl einige Vorgehensweisen, Taten und Maßnahmen des Bischofs in der Brixener Angelegenheit nicht guthießen und sich soweit wie möglich bedeckt hielten, wurde ihre Freundschaft im Kern nicht angerührt. Bis zum Schluss unterhielten sich die Briefpartner auch über die von beiden Seiten geschätzte mystische Theologie und die Arbeit des Cusanus an seinen Werken.120 Vertrauen und Freundschaft zeigte aber auch Kaspar Ayndorffer, wenn er über seine Beschwerden berichtet, die ihn an der Visitation von St. Georgenberg hinderten. Auch wenn diese Schwäche jedenfalls in ihrer Relevanz für die Reformhilfe vielleicht teilweise nur vorgeschoben war, so beweist doch die Ausführlichkeit der Schilderungen über diverse Unpässlichkeiten, dass der Abt Cusanus nicht allein mit einem kurzen Verweis auf seine Krankheiten abweisen wollte, sondern darum bemüht war, dem Vertrauten sein Handeln verständlich zu machen.121 Diese Episode offenbart aber noch eine weitere wichtige Konstellation in der Freundschaft zwischen Tegernsee und Brixen: In einem seiner Schreiben wandte sich Bernhard mit der innigen Bitte an Cusanus, nicht auf den kränklichen Abt für die Visitation für St. Georgenberg zu bestehen.122 Offenbar hatte Bernhard das Gefühl, vielleicht war es aber auch mit Kaspar abgesprochen, dass sein zusätzliches Schreiben im besonderen Maße bei Cusanus Gehör finden würde. Bernhard stand Cusanus näher als Kaspar Ayndorffer. Ein freundschaftliches Verhältnis verband zwar beide Benediktiner mit dem Bischof, aber während Cusanus und Kaspar vorwiegend offizielle Angelegenheiten besprachen, führte Cusanus mit Bernhard tiefer gehende Gespräche über die Belange der Reform oder auch der mystischen Theologie. Bernhard schrieb einen Lobestraktat auf ein Werk des Cusanus und verteidigte die Ansichten des Freundes auch in den folgenden Disputen. Und Bernhard führte, zusammen mit anderen, die Visitationen im Bistum Brixen durch. Obwohl mit den Briefen zwischen Kaspar Ayndorffer und Cusanus die Korrespondenz begonnen hatte und Bernhard von Waging erst nach der Visitation des Klosters Sonnenburg 1453 eigene Schreiben an den Bischof verfasste, wurde Bernhard bald zum Hauptgesprächspartner des Cusanus. Wohl um die Fragen zur Unterstützung der Reform wie auch die philosophisch-theologischen Überlegungen mit Cusanus direkt zu vertiefen, hatte sich der Tegernseer Prior von seinem Mitbruder Konrad von Geisenfeld zur Kontaktaufnahme mit dem Brixener
Autour (wie Anm. 5), 159f., Nr. 34, 162, Nr. 36. Ebd., 128f.,Nr. 13. 122 Ebd., 133, Nr. 15. 120
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Bischof überreden lassen.123 Abt Kaspar dagegen wandte sich nicht wie Bernhard als Einzelperson an Cusanus. Er war der Vorsteher einer Gemeinschaft wissbegieriger und gelehrter Mönche und als solcher, beinahe als Sprachrohr des Tegernseer Konvents, verstand sich Kaspar Ayndorffer in seiner Korrespondenz. Der Abt bezog die Tegernseer Mönche in fast jedem seiner Briefe mit in das Gespräch ein und zeigte somit auch explizit, dass sich das gesamte Tegernseer Kloster in Freundschaft mit Cusanus verbunden fühlte.124 Ganz besonders deutlich wurde das Vertrauen zwischen den Briefpartnern in den schweren Stunden des Nikolaus von Kues, als er mit dem Gedanken spielte, sein Bischofsamt aufzugeben. Bereits Anfang des Jahres 1454 wird in Briefen von der Idee berichtet, in Tegernsee eine Klosterzelle für Cusanus herrichten zu lassen. Anscheinend dachte Cusanus daran, sich für einige Zeit nach Tegernsee zurückzuziehen. In einem Brief berichtet Kaspar Ayndorffer von der geplanten Zelle für Cusanus und wie schön man es ihm zu machen gedenke.125 Dieser Wunsch wurde jedoch nicht Wirklichkeit. Über die Last seines Bischofsamtes sprach Cusanus oft in seinen Briefen. Im Spätsommer 1454 griff Bernhard von Waging dieses Thema auf und legte dem Freund in einem langen Schreiben im Verweis auf Aussagen und Beispiele patristischer, mittelalterlicher und zeitgenössischer Autoritäten dar, dass er diese Last weiter tragen und seine Aufgaben erfüllen müsste.126 Dass Bernhard gerade hierzu eine Abhandlung schrieb, ist nicht verwunderlich. Der gelehrte Benediktiner beschäftigte sich immer wieder mit der Kontroverse zwischen der kontemplativen und der aktiven Lebensform. Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf hatte er einst verlassen, um in Tegernsee dem beschaulichen Mönchtum näher zu kommen. Während seiner Zeit in Tegernsee, wenn es um seine Reformtätigkeit für Brixen oder auch um die Verantwortung einiger Tegernseer Mönche für das Wallfahrerkloster Andechs ging, werden ihn diese Gedanken immer wieder beschäftigt haben. Später diskutierte er mit dem Eichstätter Bischof Johannes von Eych über die Frage, wie weit sich ein Mönch von den Angelegen123
Der erste Brief Bernhards von Waging datiert daher erst auf Anfang 1454, Autour (wie Anm. 5), 122, Nr. 10. Die tieferen Fragen der Reform wie der mystischen Theologie diskutierte Cusanus in der Folgezeit nun hauptsächlich mit Bernhard von Waging, siehe beispielsweise ebd., 134f., Nr. 16, 148-151, Nr. 26, 159f., Nr. 34. - Zur Überredung durch Konrad von Geisenfeld siehe ebd., 219; REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 96. 124 Siehe beispielsweise VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 107, Nr. 1, 110, Nr. 3. Ein schönes, handfestes Beispiel für die Freundschaft zwischen Tegernsee und Cusanus sind auch die mehrmals im Briefwechsel erwähnten, von Tegernsee nach Brixen geschickten, geräucherten Fische, mit denen Kaspar Ayndorffer Cusanus erfreuen wollte, ebd., 118, Nr. 6, 158, Nr. 33. 125 VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 119, Nr. 8, 122, Nr. 9, 127, Nr. 12. 126 Ebd., 144-148, Nr. 25. VANSTEENBERGHE,
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heiten der Welt zurückziehen dürfe.127 Das Ideal eines weitabgewandten Ordenslebens begleitete ein Leben lang den Benediktiner aus Tegernsee, der sowohl kluger Reformer in der Welt als auch gelehrter Mönch in der Abgeschiedenheit war.
Zusammenfassung In dem gelehrten Disput über die Lasten von Ämtern und Aufgaben in der Welt werden die beiden Hauptthemen des Briefwechsels, Studierlust und Reformbemühungen, einander gegenüber gestellt. Die Tegernseer Mönche, Prior Bernhard von Waging und Abt Kaspar Ayndorffer sowie Bischof Nikolaus von Kues widmeten sich beiden Seiten in dem Bemühen um ein tieferes Verständnis philosophisch-theologischer Fragen und in den Anstrengungen um ein geregeltes, frommes Ordensleben. Der Briefwechsel liefert Ausschnitte aus den Kämpfen um die Ordensreform im Bistum Brixen. Er zeigt, wie sich die Tegernseer Mönche und im Besonderen Bernhard von Waging bei den Visitationen der Klöster Sonnenburg und St. Georgenberg engagierten, wie sie weiterführende Vorschläge für die Durchsetzung der Reform einbrachten und wie sie Cusanus zur Hilfe kamen. Er zeigt dabei auch Ansprüche und Grenzen der von Nikolaus von Kues wie auch von Kloster Tegernsee für den Melker Reformkreis maßgeblich getragenen, benediktinischen Klosterreform des 15. Jahrhunderts. Die Schreiben belegen, dass die Tegernseer eigene Schwerpunkte in der Reform setzten und eigene Positionen einnahmen und sich so im Verlauf der Reformbemühungen in Brixen immer mehr von den cusanischen Methoden der Reformierung abwandten. Ebenso gibt die Korrespondenz Einblicke in die von Tegernsee kritisch gesehene, schließlich aber erfolgreiche Zusammenarbeit beim Aufbau des Benediktinerklosters Andechs. Zugleich berichtet der Briefwechsel von gelehrten Gesprächen über mystische Theologie. Hier war Bernhard der Hauptgesprächspartner für Cusanus, aber auch andere gebildete Mönche des Tegernseer Konvents wandten sich mit Fragen an den Bischof. Nikolaus von Kues selbst kam stets gerne, selbst noch in den schwierigen Phasen seines Lebens, auf die mystische Theologie zu sprechen.128 Indirekt werden 127
Die Diskussion mit dem Eichstätter Bischof schrieb Bernhard in zwei Schriften nieder, seinem „Speculum pastorum et animarium rectorum" und seinem „Defensorium speculi pastorum", vgl. WILPERT, Vita contemplativa (wie Anm. 2 7 ) ; REDLICH, Tegernsee (wie Anm. 1), 1 0 4 - 1 0 8 ; TREUSCH, Bernhard von Waging (wie Anm. 2 7 ) , 1 6 5 . - Zum Vermerk im Tegernseer Bibliothekskatalog siehe GLAUCHE, Art. Tegernsee (wie Anm. 26), 773. 128 Siehe dazu beispielsweise das Schreiben des Cusanus vom 28. Juli 1455, in dem er, bevor er auf die schwierige Situation in Sonnenburg einging, über die mystische Theologie sprach, VANSTEENBERGHE, Autour (wie Anm. 5), 159f., Nr. 34.
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über diese Dispute auch Einblicke in den Aufbau der Klosterbibliothek, in die Suche nach bestimmten Büchern und in das Herstellen neuer Handschriften gegeben. Bis in den letzten Brief der Korrespondenz werden nicht nur Brixener Probleme, sondern auch Werke zur mystischen Theologie angesprochen. Die Freundschaft zwischen Cusanus und dem Tegernseer Kloster und besonders Bernhard von Waging bestand über die Differenzen zu den Reformversuchen in Sonnenburg und St. Georgenberg hinweg. Das große Interesse an ähnlichen philosophisch-theologischen Fragestellungen hatte dafür seit dem letzten Tag im Mai 1452 eine tragfähige Verbindung geschaffen.
Philipp Lenz
Die Reformen des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert
Einleitung* In der Geschichtsschreibung zählt das 15. Jahrhundert als eine Zeit des Wiederaufstiegs des vormals darniederliegenden spätmittelalterlichen Klosters St. Gallen. Die Forschung führt die innere und äußere Stärkung der Gallusabtei einerseits auf die benediktinischen Reformbewegungen der ersten Hälfte, andererseits auf die Grundlegung des frühneuzeitlichen Territorialstaates in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zurück. Spahr hat die monastische Erneuerung in seiner verdienstvollen, 1957 und 1958 zweiteilig erschienenen Studie „Reform im Kloster St. Gallen" gründlich erforscht.1 Nach ihm reformierten drei sich ablösende bene* Abgekürzte Archiv- und Bibliothekssignaturen: St. Gallen, Stiftsarchiv = StiASG; St. Gallen, Stiftsbibliothek = Cod. Sang. Abgekürzte Quellenwerke: Caeremoniae regularis observantiae sanctissimi patris nostri Benedicti ex ipsius regula sumptae, secundum quod in sacris locis, scilicet Specu et monasterio Sublacensi practicantur (= Corpus Consuetudinum Monasticarum 11/1), hg. v. Joachim Angerer, Siegburg 1985 = CCM 11/1; Breviarium Caeremoniarum monasterii Mellicensis (= Corpus Consuetudinum Monasticarum 11/2), hg. v. Joachim Angerer, Siegburg 1987 = CCM 11/2; Consuetudines Castellenses, Pars prima et altera (= Corpus Consuetudinum Monasticarum 14/1-2), hg. v. Peter Maier, Siegburg 1996 und 1999 = CCM 14/1-2; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Teil 5 (1412-1442), bearb. v. Placid Bütler, Traugott Schiess, 6 Lieferungen, St. Gallen 1904-1913 = UBSG 5; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Teil 6 (1442-1463), bearb. v. Joseph Müller et al., St. Gallen 1955 = UBSG 6. Abgekürzte Repertorien: Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz in lateinischer Schrift vom Anfang des Mittelalters bis 1550, Bd. 3, bearb. v. Beat M. von Scarpatetti et al., Dietikon-Zürich 1991 = CMD-CH 3; Gerhard PICCARD (Bearb.), Die Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 340 (http://www.piccard-online.de) = PLCCARD-online. 1
Gebhard SPAHR, Die Reform im Kloster St. Gallen 1417-1442, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 75 (1957) 13-80 (existiert auch als Sonderdruck mit abweichender Seitenzählung 1-68); DERS., Die Reform im Kloster St. Gal-
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diktinische Observanzbewegungen das Kloster St. Gallen, nämlich 14291432/1439 die Hersfelder Reform, dann 1439-1442 die Kastler Reform und schließlich 1442-1451 die „Reform von Subiaco-Wiblingen". Als wichtigste Handlungsträger der Reformen erscheinen auswärtige Mönche, die für eine bestimmte Zeit im Kloster St. Gallen weilten. Den Inhalt der Reformen vermittelten consuetudines und liturgische Handschriften der jeweiligen Observanz. Die Ergebnisse dieser auf breiter Quellenbasis erarbeiteten Untersuchung Spahrs wurden von der nachfolgenden Forschung übernommen, aber niemals überprüft oder neu interpretiert, obschon unserer Ansicht nach dieser Arbeit in der Methode und Interpretation Probleme anhaften.2 Zu nennen sind an erster Stelle die fehlende Unterscheidung zwischen der Präsenz einer Handschrift und der Geltung ihrer normativen Texte sowie damit zusammenhängend die Überbewertung der Wirksamkeit der fremden Reformmönche im Kloster St. Gallen. Ein weiteres Problem stellen die äußerst knappen und summarischen Quellenverweise dar, die zwar den Fundort, aber eigentlich nie den Wortlaut oder den Inhalt unedierter Quellen wiedergeben und somit eine unabhängige Interpretation der Sachlage ohne den eigenen Gang ins Archiv und in die Bibliothek verunmöglichen. Insgesamt könnte man die Sichtweise Spahrs und seiner Nachfolger als observanzspezifischen Ansatz bezeichnen, dem unter anderem die erfreuliche Editionslage der consuetudines sowie die fortgeschrittene Erforschung der großen benediktinischen Reformzentren des 15. Jahrhunderts Vorschub leisten.3 Dieser observanzspezifische Ansatz soll in der folgenden Untersuchung durch einen gemeinbenediktinischen ersetzt oder ergänzt werden. Aus dieser Perspektive stehen solche Texte im Vordergrund, die sich an das gesamte benediktinische Mönchtum
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len 1442-1457, in: Schriften des Vereins fiir Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 76 (1958) 1-62. Johannes D U F T et ed., Benediktiner - St. Gallen, in: Eisanne Gilomen-Schenkel (Hg.), Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz (= Helvetia Sacra 3/1), Bern 1986, 1180-1369, hier: 1212-1213; Peter MAIER, Ursprung und Ausbreitung der Kastler Reformbewegung, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 102 (1991) 75-204, hier: 151-155; DERS., Die Reform von Kastl, in: Ulrich Faust, Franz Quarthai (Hg.), Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum (= Germania Benedictina 1), St. Ottilien 1999, 225-269, hier: 253254. Differenzierend und mit vielen nützlichen allgemeinen kritischen Bemerkungen hingegen schon Joachim ANGERER, Reform von Melk, in: Faust/Quarthal, Die Reformverbände (s.o.), 271-313, hier: 279. Vgl. das Corpus Consuetudinum Monasticarum, 14 Bde., Siegburg 1963ff und den älteren Werkstattbericht von Candida ELVERT, AUS der Werkstatt des Corpus Consuetudinum Monasticarum, in: Joachim F. Angerer, Josef Lenzenweger (Hg.), Consuetudines Monasticae. Eine Festgabe für Kassius Hallinger aus Anlass seines 70. Geburtstages (=Studia Anselmiana 85), Rom 1982, 423-435.
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oder mindestens an eine ganze Ordensprovinz richteten, allen voran die 1336 von Papst Benedikt XII. promulgierte Bulle Summi magistri dignatio, die sogenannte Benedictina,4 die Beschlüsse des Provinzialkapitels Mainz-Bamberg 5 sowie die Konzilsbulle Inter curas multíplices aus dem Jahr 1439.6 Der Einbezug dieser Dokumente erweitert außerdem den zugrundeliegenden Reformbegriff. Nicht nur die Liturgie, die klösterlichen Ämter und der monastische Tagesablauf, sondern auch die gute Wirtschaftsführung und Verwaltung des Klosters sollten geregelt und verbessert werden. Damit im Einklang bemühte sich ein weiter Kreis von Vertretern der päpstlichen Kurie, des Basler Konzils, des Provinzialkapitels Mainz-Bamberg und der eidgenössischen Orte um die Reform des Klosters St. Gallen. Die Träger der Reformen des Klosters St. Gallen und der Inhalt der entsprechenden Reformtexte laden zudem zur Überwindung der in der Forschung verbreiteten strikten Trennung zwischen dem weltlichen und dem monastischgeistlichen Bereich ein. Die Untersuchung reicht zeitlich vom Provinzialkapitel von Petershausen 1417 bis zum Ende des bedeutenden, fast dreißigjährigen Abbatiats von Ulrich Rösch 1491. Im ersten Teil soll die Bedeutung der observanzspezifischen Faktoren, d. h. der fremden Reformmönche und ihrer Brauchtexte, für das Kloster St. Gallen im 15. Jahrhundert kritisch durchleuchtet und neu beurteilt werden. Der zweite Teil ist den Visitationen, ihrer organisatorischen und inhaltlichen Verankerung sowie sonstigen äußeren Eingriffen in das Konventleben gewidmet. Am Schluss folgt eine Bilanz der Reformen.
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Die Bulle Summi magistri dignatio bzw. die Benedictina ist gedruckt in: Angelo M. (Hg.), Magnum Bullarium Romanum, Bd. 1: Ab Leone Magno ad Paulum IV., Luxemburg 1742, 218-237. Rezesse der Kapitel der benediktinischen Ordensprovinz Mainz-Bamberg 1417-1485 in München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4406. Zur handschriftlichen Überlieferung siehe Peter MAIER, Die Epoche der General- und Provinzialkapitel, in: Faust/Quarthal, Die Reformverbände (wie Anm. 2), 195-224, hier: 211, mit Anm. 39; Johannes HELMRATH, Capitula. Provinzialkapitel und Bullen des Basler Konzils für die Reform des Benediktinerordens im Reich, in: ders., Heribert Müller (Hg.), Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, Bd. 1, München 1994, 87-121, hier: 88-89, Anm. 7. Eine Art Zusammenfassung der Provinzialkapitelsbeschlüsse findet sich bei Johannes TRITHEMIUS, Operapia et spiritualia..., hg. v. Johannes Busaeus, Mainz 1604,1046-1047. Gedruckt bei TRITHEMIUS, Opera pia (wie Anm. 5), 1016-1025, 1062. Siehe dazu HELMRATH, Capitula (wie Anm. 5), 97-98. CHERUBINI
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1. Fremde Mönche und observanzspezifische Handschriften im Kloster St. Gallen Da keine Nachrichten über den Aufenthalt St. Galler Mönche in Reformklöstern zwecks Erlernung der dortigen Lebensweise erhalten zu sein scheinen, kommt einzig das Kloster St. Gallen als Ort der Vermittlung fremder Bräuche infrage. Entscheidend für die Wirksamkeit auswärtiger Mönche, consuetudines und liturgischer Texte auf das Innenleben eines Klosters war ihr Zusammenspiel. Die grundsätzlichen Einsichten, die Melville in seiner Untersuchung des normativen Schrifttums Clunys gewonnen hat, gelten auch für unseren Untersuchungsgegenstand: „Die consuetudines-Texte waren selbst nicht Träger der Geltung von Normen, sie produzierten oder reproduzierten auch keine Geltung. [...] Und von daher ist auch verständlich, dass die Lektüre der Niederschrift allein nicht ausreichen konnte und man genauere Informationen eben nur dadurch erhielt, indem man die Handlungsgewohnheiten selbst beobachtete oder sie sich von einem Eingeübten ,vorführen' ließ."7 Da die normativen Texte von den schon praktizierenden auswärtigen Mönchen den heimischen gegenwärtig vermittelt werden mussten, um Wirkung zu entfalten, spielt die Chronologie der Präsenz beider im Zielkloster eine Schlüsselrolle. Die fremden Texte sind neben ihrer Datierung und Provenienz auf Anpassungen an lokale Gegebenheiten hin zu prüfen, welche mindestens die Absicht für ihren tatsächlichen Gebrauch im Kloster St. Gallen offenbaren. Die Untersuchung der Chronologie der Anwesenheit fremder Mönche sowie der Datierung, Provenienz, Gebrauchs- und Textgeschichte ist eine äußerst aufwändige und technische Angelegenheit, die hier nicht immer in vollem Umfang ausgebreitet werden kann und häufig nicht zu Ergebnissen in gewünschter Deutlichkeit führt.
1.1 Die Hersfelder Mönche und der Liber Ordinarius (Cod. Sang. 448) Die erste Gruppe fremder Mönche kam aus dem hessischen Reichskloster Hersfeld, das seit 1414 einer Gruppe von Reformklöstern aus dem Umfeld Fuldas angehörte.8 Den frühesten Beleg dazu liefert ein unediertes, grob chronologisch ge7
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Gert MELVILLE, Handlung, Text und Geltung. Zu Clunys Consuetudines und Statuten, in: Wilfried Ehbrecht et al. (Hg.), Der weite Blick des Historikers. Einsichten in Kultur-, Landes- und Stadtgeschichte, Peter Johanek zum 65. Geburtstag, Köln 2002, 23-39, hier: 35-36. Josef LEINWEBER, Zur spätmittelalterlichen Klosterreform in Fulda - Eine Fuldaer Reformgruppe?, in: Angerer/Lenzenweger, Consuetudines Monasticae (wie Anm. 3), 303-331, hier: 319-322; Josef LEINWEBER, Die Reform von Fulda, in: Faust/Quarthal, Die Reformverbände (wie Anm. 2), 409-418, hier: 413-414 (Kurzfassung des Vorangehenden); Ludwig U N G E R et al., Hersfeld, in: Friedhelm Jürgensmeier, Franziskus Büll (Hg.), Die Bene-
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ordnetes Rechnungsbuchfragment aus der Zeit Abt Eglolf Blarers (1426-1442), welches 30 Ausgabenposten zwischen 1429 und 1432 auflistet.9 Die Ausgabenposten für die Hersfelder Mönche, welche ein gewisser Herr Wolfram und der Dekan des Klosters Hersfeld nach St. Gallen geleiteten,10 fügen sich zwischen der datierbaren Ausgabe vom 5. August 1429 und denjenigen vom 28. November, 15. Dezember und 5. Dezember 1430 ein." Die Ankunft der Hersfelder Mönche ist demnach in die zweite Hälfte des Jahres 1429 oder ins Jahr 1430 zu setzen und mit der Wohnsitznahme des kriegsbedingt exilierten Abt Eglolf Blarer am 2. Oktober 1429 vereinbar.12 Die Anzahl der Hersfelder Mönche ergibt sich aus einem zeitgenössischen Nekrologeintrag in Cod. Sang. 1044, S. 993, wonach Hieronymus von Brünn und sechs Brüder aus dem Kloster Hersfeld nach St. Gallen zur Reform geschickt worden seien.13 Neben Hieronymus von Brünn ("¡"1439 in St. Gallen), der 1432 und 1434 als Dekan im Kloster St. Gallen bezeugt ist, gehörten ihnen sicherlich der 1432 als Cellerar belegte Friedrich Kölner (verlässt St. Gallen 1436; "¡"1451) sowie der Ökonom Johannes Homberg (verlässt St. Gallen 1436) an.14 In den
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diktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Hessen (= Germania Benedictina 7), 589-629, hier: 599. StiASG, Abgelöste Buchdeckel (drei Schachteln mit zahlreichen Umschlägen) aus LA 76. Vgl. SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 36-37, mit Anm. 56. Nr. 2 der Ausgaben bezieht sich auf UBSG 5, Nr. 3510 (5. August 1429), Nr. 24 auf das Provinzialkapitel vom 11.-13. Mai 1432. Siehe dazu MAIER, General- und Provinzialkapitel (wie Anm. 5), 212; SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 54, mit Anm. 161. StiASG, Abgelöste Buchdeckel (wie Anm. 9), Nr. 10: „Item 40 guldin herrn Wolffram, do er die herren holte"; Nr. 11: „Item 12 guldin dem techand von Hersvelde zerung wider haim." Ebd., Nr. 16, 20 und 21 beziehen sich auf UBSG 5, Nr. 3578 (28. November 1430), UBSG 5, Nr. 3588 (15. Dezember 1430) und UBSG 5, Nr. 3581 (5. Dezember 1430). Siehe zum Friedensschluss mit den Appenzellem UBSG 5, Nr. 3507 (26. Juli 1429), und zum Eintritt in St. Gallen UBSG 5, Nr. 3515 (mit Zusatz bezüglich 2. Oktober 1429). Vgl. DUFT, St. Gallen
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( w i e A n m . 2), 1 3 1 6 - 1 3 1 7 .
„Qui [Hieronymus von Brünn] ob reformacionem huius monasterii missus fixit a monasterio Hersfeldensi ab antiquo huic monasterio fraternitate connexum [!] cum sex fratribus." Der vollständige Eintrag in CMD-CH 3, Nr. 251. Zu diesen und weiteren möglichen Hersfelder Mönchen siehe UBSG 5, Nr. 3909 (23. März 1436), 777 (1-2); Rudolf HENGGELER, Professbuch der fürstl. Benediktinerabtei der Heiligen Gallus und Otmar zu St. Gallen (= Monasticon-Benedictinum Helvetiae), Zug 1929, 2 3 2 - 2 3 4 , Nr. 1 - 4 , 7, 8; SPAHR, Reform
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(wie A n m . 1), 3 6 - 3 7 , mit A n m .
56; CMD-CH 3, S. 286, 289-290, 294, 295, 297 (Konrad Swab, Friedrich Kölner, Heinrich Bosch, Hieronymus Brünn, Johannes Berckammer); Peter OCHSENBEIN, Spuren der Devotio moderna im spätmittelalterlichen Kloster St. Gallen, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 101 (1990) 475-496, hier: 481, Anm. 20, 483; Anton NÄF, René WETZEL, Friedrich Kölner in St. Gallen (1430-1436), in:
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1430-er Jahren lebten im Kloster St. Gallen drei weitere eingesessene Mönche, nämlich ein Herr Simon, Gallus Kemli und Ludwig von Helmsdorf.15 Demnach hatten die Hersfelder Mönche nicht nur die wichtigsten Ämter nach dem Abt inne, sondern stellten auch die Mehrheit des Konvents, bevor durch Wegzug und Tod ihre Anzahl wieder sank.16 Die einzige Handschrift der Stiftsbibliothek St. Gallen, die vollständig und direkt mit Hersfeld in Verbindung steht, ist der Liber Ordinarius in Cod. Sang. 448.17 Ob Friedrich Kölner Teile dieser Handschrift schrieb, ist eine offene Frage.18 Das Explicit auf S. 36b stammt zunächst, entweder bis unmittelbar vor oder einschließlich der Datierung, von der Hand desselben Schreibers, der den vorausgehenden Text geschrieben hat („Explicit Ordinarius siue registrum horarum per circulum anni siue de tempore siue de sanctis, ffinitus [!] sub annis domini 1432"), die polemische und fehlerhafte Fortsetzung hingegen von Gallus Kemli („secundum chorum monasterii Hyrsfeldencium..."). 19 Falls die Texthand
Eckart C. Lutz (Hg.), Mittelalterliche Literatur im Lebenszusammenhang, Freiburg i. Ü. 1997, 317-342, hier: 322-329 mit Anm. 20. 15
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HENGGELER, Professbuch
(wie Anm. 14), 2 3 4 - 2 3 7 , Nr. 10, 15; SPAHR, Reform
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(wie Anm. 1), 37; CMD-CH 3, 290-291, 302 (Gallus Kemli, Ludwig von Helmsdorf). Die Anzahl der Konventmitglieder muss schon vor dem Tod und Wegzug einiger Hersfelder Mönche unter zwölf gelegen haben, da die Visitationsurkunde vom 15. Oktober 1435 die Verstärkung auf ein Dutzend Mönche forderte. Siehe UBSG 5, Nr. 3832g, 736 (2). Zur Gattung des Liber Ordinarius siehe Aimé-Georges MARTIMORT, Les ordines, les ordinaires et le cérémoniaux (= Typologie des sources du Moyen Âge occidental 56), Turnhout 1991, 51-85; Eric PALAZZO, Le Moyen Age. Des origines au XlIIe siècle, Paris 1993, 228-253. Ansonsten sind Abschriften von zwei Visitationsurkunden für das Hersfeld unterstellte Priorat Göllingen von 1424 und 1425 in Cod. Sang. 938, S. 722-727, sowie von Hersfelder Mönchen kopiertes Schrifttum erhalten. Siehe zu diesem OCHSENBEIN, Spuren der Devotio moderna (wie Anm. 14), 482-483. Der paläographische Nachweis wird dadurch erschwert, dass die anderen Schriften Friedrich Kölners deutsche Texte enthalten. Für die teilweise Niederschrift Kölners plädiert OCHSENBEIN, Spuren der Devotio moderna (wie Anm. 14), 481, Anm. 22, dagegen zuletzt Barbara STOCKER, Friedrich Colner, Schreiber und Übersetzer in St. Gallen 1430-1436 (mit Beigabe der deutschen Wiborada-Vita in dynamischer Edition) (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 619), Göppingen 1996, 61-63, und NÄF/WETZEL, Friedrich Kölner (wie Anm. 14), 342, während CMD-CH 3, Nr. 854 (Friedrich Kölner zugeschrieben), 289-290 (unter „Colner" nicht erwähnt), unklar ist. CMD-CH 3, Nr. 854 mit leicht fehlerhafter Transkription des Explicit: Zu lesen ist cerrimonias statt cerimonias, cerrimonijs statt cerimonijs, wahrscheinlich zweimal hoc statt hec sowie sub legibus statt sublectis [?]. CMD-CH 3, Nr. 854; OCHSENBEIN, Spuren der Devotio moderna (wie Anm. 14), 481, Anm. 22; NÄF/WETZEL, Friedrich Kölner (wie Anm. 14), 342 (mit weiterer Literatur), weisen zu Unrecht das gesamte Explicit Gallus Kemli zu. Ein grober inhaltlicher Fehler ist die Angabe des Jahres 1446 für die Ankunft der
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auch die arabischen Ziffern schrieb, dann wäre der Liber Ordinarius insgesamt mit Sicherheit im oder um das Jahr 1432 geschrieben worden. Einen terminus post quem für die Herstellung des Einbandes liefert das mitgebundene Einzelblatt S. 329/330 bzw. dessen eindeutig identifizierbares Wasserzeichen, das für das Jahr 1437 belegt ist.20 Aufschlussreich erweist sich auch die Analyse des Inhalts. Die Hersfelder Herkunft des Liber Ordinarius ist inhaltlich verbürgt durch die Erwähnung der Klosterpatrone Hersfelds im Kalendar, nämlich der Apostel Simon und Judas sowie Wigberts,21 zumal Letzterer eine rein regionale Verehrung genoss und im Kloster St. Gallen sonst keinerlei Spuren hinterließ.22 Neben diesem Hersfelder Substrat gibt es zahlreiche Nachweise dafür, dass der Liber Ordinarius an die lokalspezifischen Verhältnisse des Klosters im Steinachtal
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Hersfelder Mönche. Dieser Fehler ist umso erstaunlicher, als die Ankunft der Hersfelder im Explicit ausdrücklich in die Regierungszeit Abt Eglolf Blarers (1426-1442) fallt. Identisch mit PlCCARD-online, Nr. 120341 (1437). Die Wasserzeichen in der restlichen Handschrift fanden in PlCCARD-online keine Entsprechungen. Zu den methodologischen Anforderungen und Grundlagen der Datierung mittels Wasserzeichen siehe Jean IRIGOIN, La datation par les filigranes du papier, sowie Theo GERARDY, Die Beschreibung des in Manuskripten und Drucken vorkommenden Papiers, in: Albert Gruys, Johann Peter Gumbert (Hg.), Codicologica, Bd. 5: Les matériaux du livre manuscrit, Leiden 1980, 9-36 bzw. 37-51. Cod. Sang. 448, S. 12 in roter Tinte beim 28. Oktober bzw. S. 10 in brauner Tinte beim 13. August. Zum hl. Wigbert siehe UNGER, Hersfeld (wie Anm. 8), 590, und Stefan SCHIPPERS, Wikbert, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München 1998, 98; nach Hermann GROTEFEND, Zeitrechnung des Deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Bd. 2/1, Hannover 1892 (Neudruck Aalen 1979), 40, 61, 116; Bd. 2/2, Hannover 1898 (Neudruck Aalen 1979), 181, fand Wigbert nur in die Kaiendare von Erfurt, der Diözesen Halberstadt und Mainz Eingang. Die Register in UBSG 1-6 erwähnen Wigbert nirgends, ebenso wenig August HARDEGGERet al., Die Baudenkmäler der Stadt St. Gallen, St. Gallen 1922, 88, 98-100 (Altäre), 524 (Register); Erwin POESCHEL, Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen, Bd. 3: Die Stadt St. Gallen: Zweiter Teil: Das Stift (= Kunstdenkmäler der Schweiz 45), Basel 1961, 47-49 (Altäre), 384 (Register), 390 (ikonographisches Register); Gustav SCHERRER, Verzeichniss [!] der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, 628 (Register); Beat M. VON SCARPATETTI, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 1: Abt. IV: Codices 547-669, Wiesbaden 2003, 399 (Register); DERS., unter Mitarbeit von Philipp LENZ, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 450-546, Wiesbaden 2008, 462. Ausnahme bildet einzig das Kalendar des Cod. Sang. 878 gemäß Emmanuel MUNDING, Die Kaiendarien von St. Gallen. Aus 21 Handschriften. Neuntes bis elftes Jahrhundert. Texte (= Texte und Arbeiten 36), Beuron 1948, 14 (13. August), 90, dessen Herkunft (im Sinne des Inhalts bzw. der Vorlage, nicht der Schriftheimat) jedoch eindeutig nicht in Süddeutschland, sondern in Fulda liegt. Siehe dazu Bernhard BISCHOFF, Eine Sammelhandschrift Walahfrid Strabos, in: ders., Mittelalterliche Studien, Bd. 2, Stuttgart 1967, 34-51, hier: 38 zur Schrift, 42 zur Herkunft.
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angepasst wurde. So sind im Kalendar alle St. Galler Hausheiligen, nämlich Gallus, Otmar, Wiborada, Magnus und Notker Balbulus aufgeführt. 23 Die ebenfalls darin erwähnten Weihefeste für das Münster, die Kapelle St. Gallus, die Kapelle St. Otmar, die Kapelle St. Salvator, die Altäre der Heiligen Johannes, Nikolaus, Martin, Regula, Benedikt, Stephan und Katharina entsprechen den damals tatsächlich vorhandenen St. Galler Sakralbauten und Sakralgegenständen.24 Einzige Ausnahme ist die „dedicatio altaris Pauli heremite" auf S. 12, dessen Altar in der Baugeschichte keine Erwähnung findet. Im eigentlichen Liber Ordinarius hat Spahr die Altäre Heiligkreuz, Maria, Johannes Baptista, Petrus, Martin und Benedikt ausgemacht, wobei das spätere Schicksal bzw. der Ort des Kreuzaltars mit Fragen behaftet ist.25 Wie stark der Liber Ordinarius sanktgallisch geprägt ist, zeigen zudem die Verehrung des Klostergründers Gallus,26 einzelne Gesänge wie die Antiphonen zu den Festen der Klosterpatrone Gallus und Otmar27 sowie eine Prozession nach Rotmonten.28 Diese Prozession nach Rotmonten zur Kapelle St. Peter und St. Paul 23
24
Cod. Sang. 448, S. 6 beim 5. April: „Depositici Notkeri qui sequentias composuit"; S. 7 beim 2. Mai: „Wiborade virginis et martyris"; S. 11 beim 6. September: „Magni confessoris"; S. 12 beim 16. Oktober: „Festivitas sancti Galli confessoris" und beim 23. Oktober: „Octaua sancti Galli. Dedicatio Capelle sancti Galli"; S. 13 beim 16. November „Festivitas sancti Othmari abbatis". Zu den St. Galler Hausheiligen vgl. Peter OCHSENBEIN, Karl SCHMUKI, Sankt Galler Heilige. Handschriften und Drucke aus dem 8. bis 18. Jahrhundert (= Führer durch die Ausstellung in der Stiftsbibliothek St. Gallen 24. November 1987 bis 31. Oktober 1988), St. Gallen 1988, 19-46. Cod. Sang. 448, S. 7, 9, 12, 13. Ein Ablassbrief aus dem Jahr 1333 erwähnt im Münster die Altäre der Apostel, von Stephan, Benedikt, Johannes Baptist, Nikolaus, Felix und Regula, Otmar, Martin etc. sowie die Kapellen St. Salvator, St. Gallus und St. Katharina (von Alexandrien) u. a.; diese Altäre und Kapellen sind mit Ausnahme von Felix und Regula auch im 15. Jahrhundert und vor dem Bildersturm 1529-1532 bezeugt. Siehe UBSG 3, Nr. 1348 (20. M a i
1333);
HARDEGGER,
POESCHEL, Kunstdenkmäler 25
Baudenkmäler
(wie
Anm.
22),
93,
Fig.
25,
94-100;
3 (wie A n m . 22), 4 7 - 4 9 .
SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 43, Anm. 111. Der Kreuzaltar fehlt im Ablassbrief für das Kloster St. Gallen von 1333. Siehe UBSG 3, Nr. 1348 (20. Mai 1333), 491; HARDEGGER, Baudenkmäler
(wie Anm. 22), 99; POESCHEL, Kunstdenkmäler
3 (wie Anm. 22),
49. 26
27
28
Cod. Sang. 448, S. 203a: „Galli confessoris. Sequenti die beati Galli seruatur dedicatio per totum monasterium quia monasterium ista die consuetudine est ob reuerentiam sancti Galli. Et ipse est fiindator ecclesie nostre et causa nostre libertatis..." Cod. Sang. 448, S. 51: „Post ,Benedicamus' suffragia de patronis: de sancto Gallo antiphona ,Sancte Galle', de sancto Othmaro antiphona ,Othmare'." Cod. Sang. 448, S. 118a: ,,[F]eria quarta... in tertia et sexta cantantur in choro. Postmodum imponat cantor officium ,Exurge domine' per totum ut supra feria secunda. Post hoc omnis congregatio vadat cum processione versus Rotundam Montem cum antiphonis et collectis ut supra ostensum est. In exitu intrando ecclesiam sancti Iacobi ibique cantatur... perseverando
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stellt übrigens einen tief verankerten lokalen Brauch des Klosters St. Gallen dar, der schon für die Mitte des 12. Jahrhunderts in einem Prozessionale belegt ist und bis zur Reformation andauerte.29 Diese starke sanktgallische Prägung des Kaiendars und des Textes des Liber Ordinarius führt unausweichlich zum Schluss, dass es sich nicht um einen reinen Hersfelder Text handelt, sondern um einen in St. Gallen - vor Ort - hergestellten Text. Wie stark darin Hersfelder Brauchtum vertreten ist, wird sich auch unter großem Aufwand kaum befriedigend feststellen lassen, da Vergleichsmaterial weitgehend fehlt.30 Diese Zwischenstellung drückt sich auch darin aus, dass das Incipit in Cod. Sang. 448 auf S. 50b ursprünglich den Liber Ordinarius dem Kloster St. Gallen zuschrieb („...Incipit registrum secundum ordinem et chorum monasterii sancti Galli..."), dann aber von Gallus Kemli durch Korrektur dem Kloster Hersfeld angerechnet wurde (statt „sancti Galli" in brauner Tinte „Hyrsfeldensium"), wie er es auch in seinem tendenziösen und mangelhaften Explicit auf S. 36b vermerkte.31 Die Entstehungsumstände des Liber Ordinarius sind äußerst bedeutsam für die Geltung im Klosteralltag, die man ihm beimessen kann. Die Niederschrift konnte nicht vor oder unmittelbar nach der Ankunft der Hersfelder Mönche stattfinden, sondern erst nach Kenntnisnahme lokaler Umstände und Gewohnheiten, laut dem Explicit (S. 36b) möglicherweise im oder um das Jahr 1432. Im Sinne von Melville handelt es sich beim Cod. Sang. 448 also nicht um einen - von außen kommenden - „Text", sondern um „Handlungsnormen", die teils in St. Gallen schon seit alters gelebt, teils von Hersfelder Mönchen im Galluskloster vorexerziert wurden und deshalb grundsätzlich Geltung beanspruchen dürfen.32 Diese hier nachgewiesene Anpassung an lokale Gepflogenheiten ist geradezu charakteristisch für consuetudines und verwandte Textsorten.33
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usque ad capellam Rotundi Montis in qua cantatur antiphona ,Symon Bariona'..." Zu den ehemaligen Kappellen St. Jakob an der heutigen Langgasse sowie St. Peter und St. Paul in Rotmonten siehe HARDEGGER, Baudenkmäler (wie Anm. 2 2 ) , 2 6 3 - 2 6 5 ; Erwin POESCHEL, Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen, Bd. 2: Die Stadt St. Gallen: Erster Teil (= Kunstdenkmäler der Schweiz 3 7 ) , Basel 1 9 5 7 , 1 3 4 - 1 3 5 , 1 8 6 . Karl SCHMUKI et al., Cimelia Sangallensia, St. Gallen 2000, Nr. 67 (Cod. Sang. 360). Johannes KESSLER, Sabatta mit kleineren Schriften und Briefen, hg. v. Emil Egli, Rudolf Schoch, St. Gallen 1902, 54. Weitere ähnliche Belege bei SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 41, 46, dessen Quellenangaben jedoch bisweilen sehr summarisch und deshalb im Liber Ordinarius nicht einfach auffindbar sind (ebd., 47, Anm. 117). Nur einige wenige liturgische Handschriften, und zwar keine jünger als das 12. Jahrhundert, sind gemäß UNGER, Hersfeld (wie Anm. 8), 604-605, bekannt. CMD-CH 3, Nr. 854. MELVILLE, Handlung (wie Anm. 7), hier: 34-36. Bekannte Beispiele für die Übernahme, lokale Anpassung und Verschriftlichung fremder Bräuche sind die consuetudines von Tegernsee und von Melk, die auf diejenigen von
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1.2 Die Kastler Mönche, consuetudines und Brevier Das Kloster Kastl, seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert Zentrum einer benediktinischen Reformbewegung, soll den nächsten Reformanstoß im Kloster St. Gallen gegeben haben.34 Als einzigen datierten Beweis für die Kastler Präsenz im Galluskloster führt Spahr die urkundliche Erwähnung des Dekans Konrad von Kastl an, der am 23. Juli 1439 im Namen des St. Galler Abts dem Pfalzgericht vorsaß.35 Weitere Argumente für die Ankunft der Kastler Mönche in diesem Jahr wie die am 20. Februar 1439 vom Basler Rumpfkonzil erlassene Bulle Inter curas multíplices,36 welche die Aussetzung einer 1435 für das Kloster St. Gallen aufgestellten Ordnung und die Annahme einer neuen Observanz ermöglicht haben soll,37 sowie das vom 26. bis 28. April 1439 im Nürnberger Ägidiuskloster, einem Zentrum der Kastler Reform, abgehaltene Provinzialkapitel der Ordensprovinz Mainz-Bamberg besitzen meiner Meinung nach wenig Substanz. Dieser Befünd lässt sich weiter erhärten. Spahr wollte in dem am 9. Juli 1437 erwähnten Dekan Konrad und dem zwei Jahre später erwähnten „Konrad von Castel, Decan des Gotteshauses", zwei verschiedene Personen erblicken, um seiner Hypothese zur Ankunft der Kastler Mönche im Jahr 1439 Geltung zu verschaffen.38 In Wirklichkeit spricht alles für die Identität der beiden Personen, weil sie dasselbe Amt (Dekan), dieselbe Funktion (Vorsitz des Pfalzgerichts) an demselben Ort (Kloster St. Gallen) innerhalb von nur zwei Jahren ausübten. Mindestens als zusätzliche Stütze, wenn nicht als Beweis für eine frühere Ankunft der Kastler Mönche bietet sich ein Briefkonzept an, das auf der letzten Seite
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Subiaco zurückgehen. Siehe Joachim ANGERER, Die Bräuche der Abtei Tegernsee unter Abt Kaspar Ayndorffer (1426-1461), verbunden mit einer textkritischen Edition der Consuetudines Tegernseenses (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, 18. Ergänzungsband), Ottobeuren 1986; CCM 11/1, CLXX-CLXXIII, CLXXVII. SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 68-72; MAIER, Ursprung und Ausbreitung (wie Anm. 2), 151-155; DERS., Reform von Kastl (wie Anm. 2), 253-254. U B S G 5, Nr. 4181 (23. Juli 1439). SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 71. Zu den Basler Konzilsbullen zur Benediktinerreform siehe Johannes HELMRATH, Reform als Thema der Konzilien des Spätmittelalters, in: Giuseppe Alberigo (Hg.), Christian Unity. The Council of Ferrara-Florence 1438/39-1989 (= Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 97), Leuven 1991, 75-152 (ausführliche Literaturangaben), hier: 142-144; Johannes HELMRATH, Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992) 41-70 (Neufassung des Vorangehenden), hier: 62-63; HELMRATH, Capitula (wie Anm. 5). UBSG 5, Nr. 3852g (15. Oktober 1435), 739, Z. 40 - 740, Z. 2. U B S G 5, Nr. 4002a (9. Juli 1437); Nr. 4181 (23. Juli 1439). SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 37, Anm. 56, 71 mit Anm. 284; dagegen HENGGELER, Professbuch (wie Anm. 14), 234, Nr. 9.
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in Cod. Sang. 853, einer epistolographischen Handschrift des 15. Jahrhunderts, überliefert ist.39 Trotz vieler Streichungen, Einschübe und Unklarheiten sind einige Elemente deutlich erkennbar.40 Der Brief hat das Kloster St. Gallen zum Gegenstand; Verfasser ist ein „frater Heinricus"; Konrad, vormals Kantor in Kastl („Conradus cantor quondam in Castello"), fungiert als Gewährsmann; und der Abt von St. Gallen tritt als Verfasser eines Beglaubigungsschreibens in Erscheinung. Über die Erwähnung der Bautätigkeit ist das Briefkonzept datierbar. Da ausdrücklich der Kreuzgang, das Refektorium, das Dormitorium und andere Wirtschaftsgebäude erwähnt werden, nicht aber der Chor - das Zentrum und einer der markantesten Bauten des Klosterbezirks - ist die Abfassung in das Abbatiat Eglolf Blarers (1426-1442) und vor Baubeginn am Chor, d. h. vor oder im Jahr 1439, anzusetzen.41 Den Endpunkt für die Kastler Reform im Kloster St. Gallen setzen Spahr und seine Nachfolger mit dem Tod Abt Eglolf Blarers bzw. mit dem Beginn des Abbatiats Kaspars von Breitenlandenberg im Jahr 1442 gleich. In Tat und Wahrheit weist nichts auf eine solche Zäsur hin. Handfeste Nachweise für die Kastler Präsenz bieten einzig die mit 1439 datierte Erwähnung des Dekans Konrad von Kastl, der wahrscheinlich identisch ist mit dem 1437 bezeugten Dekan Konrad, sowie das vor oder auf 1439 datierbare Briefkonzept, das einen „Conradus cantor 39
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Cod. Sang. 853, S. 391/392, ist ein Einzelblatt, etwas kleiner als der übrige Buchblock; S. 391 enthält den Schluss des vorangehenden Textes in gleicher Tinte und von derselben Hand, S . 392 steht quer das Briefkonzept. Vgl. SCHERRER, Verzeichniss (wie Anm. 22), 289; Emil J . POLAK, Medieval and Renaissance Letter Treatises and Form Letters (= Davis Medieval Texts and Studies 9), Leiden 1994, 241-242. SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 71, Anm. 284, erwähnt zwar den Briefentwurf, konnte ihn aber nicht datieren. Cod. Sang. 853, S. 392: „...Cum igitur intra solempni sancti Galli monasterio noua religionis plantacio quam pluri[mum] commendanda in regularibus sancti Benedicti obseruantiis preciosisque fructiaris [?] ambitus, refectorii, dormitorii aliarumque officinarum pro regulari obseruancia neccessariarum inchoata sunt, que miserabiliter in ducentorum et quinquaginta annorum spacio, ut cartis inuenimus scriptis, propter regularis obseruancie obmissionem et defectum... desolata et collapsa fiierunt. Sed ex relatu fratris Cünradi cantoris quondam in Castello...Idcirco suis cum literis domini abbatis sancti Galli credencialibus missus ad... Insuper et ego frater Heinricus subscriptus prefato fratri Cünrado..." Der Baubeginn des Münsterchors ergibt sich aus einem Vollmachtsschreiben des Basler Konzils vom 19. Dezember 1438 und einem Entlassungsbrief vom 4. Februar 1439, welche dem Steinmetz und Baumeister Johannes Ostertag von Leinstetten, Mönch des Paulinerklosters St. Peter zu Kaiserstuhl bei Entingen (Baden), erlaubten, ins Kloster St. Gallen überzutreten. Siehe UBSG 5, Nr. 4114 (19. Dezember 1438); UBSG 5, Nr. 4130 (4. Februar 1439). Vgl. HARDEGGER, Baudenkmäler (wie Anm. 22), 90-92; POESCHEL, Kunstdenkmäler 3 (wie Anm. 22), 45. Damit im Einklang steht die Anordnung einer Visitationsurkunde von 1435, „ut abbas edificia pro usus fratrum necessaria, videlicet refectorium, dormitorium et alia, quantocius continuet et perficiat..." Siehe UBSG 5, Nr. 3852g (15. Oktober 1435), 737 (7).
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quondam in Castello" nennt. Demnach wäre nur ein einziger Mönch aus Kastl in der Gallusabtei belegt, und dies nur über einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Observanz von Kastl ist sowohl durch die Consuetudines Castellenses (Cod. Sang. 928, S. 113-258) als auch durch das entsprechende Brevier (Cod. Sang. 447) in der Stiftsbibliothek St. Gallen vertreten. Die beiden Handschriften lassen sich weder über das Schriftbild noch über die Wasserzeichen einem bestimmten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zuweisen.42 Die consuetudines und das Brevier sind in funktioneller Hinsicht komplementär und inhaltlich durch Verweise und gemeinsame Textstellen verbundene Texte.43 Wie Maier in seiner Einleitung zur Edition der Consuetudines Castellenses überzeugend nachgewiesen hat, besteht kein Zweifel, dass „Kastler Originaltexte des Breviarium und der Consuetudines (in der dritten Redaktionsstufe) verwendet wurden, um die entsprechenden Texte [Cod. Sang. 447 und Cod. Sang. 928, S. 113-258] für St. Gallen zu bearbeiten."44 Der Prolog („Otto divina miseratione abbas monasterii sancti Petri in Castello"), die mehrmalige Nennung der Apostel Peter und Paul (Petruspatrozinium), die Professformel („in hoc monasterio Castellensi, quod est constructum in honorem Petri Apostoli") und die genuine Lokaltradition der „tres fundatores" beweisen die inhaltliche Verankerung im Kastler Brauchtum.45 Dass die beiden Handschriften für das Kloster St. Gallen bestimmt waren, zeigt die Aufnahme der Feste der St. Galler Hausheiligen Wiborada, Gallus, Otmar und Magnus ins Brevier in Cod. Sang. 447,46 welches, wie oben erwähnt, mit den consuetudines von Kastl eine Einheit bildet. Im Vergleich zum Liber Ordinarius bewahrten die Kastler consuetudines eindeutige inhaltliche Spuren ihres Herkunftsklosters und durchliefen eine weniger radikale Anpassung an ihren Bestimmungsort St. Gallen.47 Die Aufnahme der St. Galler Hausheiligen ins Kastler Brevier lässt keinen anderen Schluss zu, als dass diese Handschriften speziell für die Abtei St. Gallen 42
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Das Format in-quarto gepaart mit beschränkter Sichtbarkeit der Wasserzeichen verunmöglicht ihre fruchtbare Auswertung. Vgl. auch CCM 14/1, S. XIX. Z. B. Cod. Sang. 447, S. 7: „Reliqua vero in capitula agenda in libro consuetudinum requirantur." Weitere solche Fälle in CCM 14/1, XIX und Anm. 13. CCM 14/1, XVIII-XX, XXXIX, Zitat XIX. CCM 14/1, IX, 1-6, Zitat 5, Z. 1-2 (Prolog), 25, Z. 14-15 u. a. (Petrus und Paulus), 372, Z. 19 - 373, Z. 3 (Professformel), 404, Z. 1-2 („tres fundatores") jeweils unter der Sigle G. Cod. Sang. 447, S. 222: „Wiborada virginis xii lectiones et v lumina...quere propriam historiam"; S. 266: „Magni confessoris in xii lectionibus et iii luminibus..."; S. 279: „Galli abbatis in xii lectionibus et in v luminibus..."; S. 289: „Festum sancti Othmari abbatis sollempniter celebratur et omnes höre diurne et nocturne canuntur in monasterio ipsius..." Stärkere lokale Anpassungen der Consuetudines Castellenses fanden aber andernorts statt, wie die Bearbeitung für das Kloster St. Magnus in Füssen illustriert. Siehe dazu CCM 14/1, XIII-XV.
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geschrieben und deshalb schon seit ihrer Herstellung an ihrem Bestimmungsort aufbewahrt wurden. Ob sie und wie lange sie dort in Gebrauch standen, ist schwieriger zu beantworten. Physische Gebrauchsspuren an den Ecken der Blätter oder punktuelle inhaltliche Anpassungen oder Ergänzungen, wie sie über Jahrzehnte bei solchen Texten entstehen können, sind weder beim Brevier noch bei den consuetudines festzustellen.48
1.3 Die Wiblinger Mönche und die consuetudines von Subiaco-Melk Die letzten auswärtigen Mönche, die im 15. Jahrhundert zur Reform ins Kloster St. Gallen zogen, stammten aus dem Benediktinerkloster Wiblingen bei Ulm, das sich anfangs der 1430er Jahre der Melker Reform öffnete und selbst zu einem Reformzentrum wurde.49 Entgegen Spahr, der den Beginn des Einflusses der Observanz von Subiaco-Melk mit dem Amtsantritt von Abt Kaspar von Breitenlandenberg im Jahr 1442 gleichsetzt,50 ist die Ankunft Wiblinger Mönche in St. Gallen zeitlich zunächst nicht genau festlegbar, weil die frühesten Zeugnisse entweder nicht genau datierbar oder inhaltlich zweideutig sind. Ein Beleg für die Anwesenheit Wiblinger Mönche im Kloster St. Gallen steht in einer Anklageschrift des Konventualen Ulrich Rösch gegen den seiner Ansicht nach verschwenderischen Abt Kaspar von Breitenlandenberg.51 Weitere Wiblinger Spuren befinden sich in einer damit zusammenhängenden Auflistung von Ausgaben aus den Jahren 1442 bis 1451.52 Ob der am 4. November 1451 ver48
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Die Korrekturen scheinen mit Ausnahme des sachfremden, unvermittelten Eintrags ,Altstetten" (Ort und äbtisches Niedergericht im Rheintal) in Cod. Sang. 928 auf S. 119 aus der zweiten Hälfte des 15. oder der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (CCM 14/1, 27, Anm. zu Z. 10) alle von der Texthand zu stammen. Joachim ANGERER, Die liturgisch-musikalische Erneuerung der Melker Reform. Studien zur Erforschung der Musikpraxis in den Benediktinerklöstern des 15. Jahrhunderts (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte, 287. Band, 5. Abhandlung), Wien 1974, 69; Immo EBERL, Wiblingen, in: Franz Quarthai (Hg.), Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg (= Germania Benedictina 5), Ottobeuren 1975, 652-667, hier: 653-654; Meta NIEDERKORN-BRUCK, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 30), Wien 1994, 212-213; ANGERER, Reform von Melk (wie Anm. 2), 2 7 9 . SPAHR, Reform 1442-1457 (wie Anm. 1), 8-9. In der Folge auch DUFT, St. Gallen (wie Anm. 2), 43; MAIER, Ursprung und Ausbreitung (wie Anm. 2), 155. StiASG, Bd. 91, fol. 96r: „. ..desglich reden wir von des [!] kosten wegen, den er dargit und maint gehept han von der von Wiblingen wegen." Diese Aufstellung der Ausgaben und Schulden Abt Kaspars von Breitenlandenberg legte Ulrich Rösch im Herbst 1451 an. Siehe UBSG 6, Nr. 5301a (20. September 1451). StiASG, Bd. 91, fol. 107r: „Item Hainrigin [!] Suter 20 lb 13 s 3 d by filtzschüchen und andern
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storbene und mehrfach in St. Gallen belegte Johannes von Füssen ein Wiblinger Mönch war, bleibt hingegen auch nach eingehender Prüfung unklar.53 Im Gegensatz zu diesen frühen Zeugnissen liegt uns in einer Urkunde vom 19. Juli 1454 ein vollständiger, klarer und datierter Beleg für den Aufenthalt Wiblinger Mönche in der Abtei St. Gallen vor.54 Laut dieser Urkunde sandte Abt Ulrich Hablüzel von Wiblingen auf Bitten des St. Galler Abts und Konvents die drei Mönche Jodok Winkelhofer von Ulm, Johannes Rapp von Herrenberg und Kaspar von Thammertingen „ad cooperandum vobis conventuique vestro in regulari observantia" ins Galluskloster, und zwar mit der Anweisung, dass Jodok Winkelhofer als Dekan mit voller Gewalt in geistlichen Dingen („in spiritualibus regendi necnon in conscientialibus confessiones audiendi et absolvendi aliisque auctoritatem huiusmodi communicandi ac omnia et singula in spiritualibus ordinandi, statuendi excessusque puniendi ac alia, quae officium prioratus sive decanatus praefatum exigere videbitur, agendi") eingesetzt werde.55 Johannes Rapp wurde schon nach zwei Monaten, um den 12. September 1454, in sein Heimatkloster zurückbeordert.56 Kaspar von Thammertingen weilte mindestens bis zu diesem Zeitpunkt im Galluskloster, während Dekan Jodok Winkelhofer mindestens bis zum 22. August 1455 dort blieb, wonach sich seine Spur in St. Gallen verliert.57
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schlichen, sid daz die von Wiblingen hie warent." Ebd., fol. 107r: „Item ain ritt tän gen Wiblingen mit 5 pfärden kostet 16 guldin." UBSG 6, Nr. 5317 (10. November 1451): Todesnachricht an den Wiblinger Abt. StiASG, Bd. 91, fol. 108v (Schulden Abt Kaspars von Breitenlandenberg): „Item Hansen Stechelin 30 guldin wurdent minem herren, als er gen Lucern rait und her Hansen von Füssen und herr Ulrich mit im." StiASG, Bd. 91, S. 123 (Schuldbegleichung dank dem Erlös aus dem Verkauf der Herrschaft Neu-Ravensburg 1450; vgl. HENGGELER, Professbuch [wie Anm. 14], 130): „Item 12 guldin herr Hansen von Biblingen [!]." Vielleicht entspricht einer der Genannten auch Johannes Öttinger, dem wohl umherreisenden Kaplan und Schreiber mehrerer Handschriften, die heute in der Stiftsbibliothek und anderen Schweizer und süddeutschen Bibliotheken liegen. Siehe OCHSENBEIN, Spuren der Devotio moderna (wie Anm. 14), 483; CMD-CH 3, 300. Johannes von Füssen ist nicht aufgeführt in der unvollständigen Zusammenstellung von Pirmin LINDNER, Album Wiblingense, in: Diözesanarchiv von Schwaben 19 (1901) 37-39. Der bei SPAHR, Reform 1442-1457 (wie Anm. 1), 25, Anm. 126, angeführte und auf Ende 1453 datierte Beleg für eine Gruppe von Mönchen, die die Visitatoren des Provinzialkapitels begleiteten und bis zur Abberufung durch ihren Abt im Kloster St. Gallen die Reformanordnungen überwachen sollten, konnte im Stiftsarchiv nicht aufgefunden werden. UBSG 6, Nr. 5717 (19. Juli 1454). Vgl. LINDNER, Album Wiblingense (wie Anm. 53), 3739, fährt unter den Nummern 85 bzw. 125 Johannes Ruppe (!) und Jodok Winkelhofer auf. UBSG 6, Nr. 5733 (12. September 1454). UBSG 6, Nr. 5735 (13. September 1454); Nr. 5857 (22. August 1455).
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Unsere Untersuchung ergibt also, dass die Anwesenheit Wiblinger Mönche zwischen 1442 und 1451 im Kloster St. Gallen zwar bezeugt ist, der Zeitpunkt ihrer Ankunft, die Dauer ihres Aufenthalts sowie ihre Anzahl hingegen im Dunkeln liegen. Im Sommer 1454 erreichten drei Mönche aus Wiblingen die Abtei St. Gallen, von denen einer schon nach zwei Monaten zurückgerufen wurde, der Dekan aber mindestens ein gutes Jahr dort verbrachte.58 Für die nachfolgende Zeit gilt zu beachten, dass die Beziehungen zwischen den Klöstern Wiblingen und St. Gallen, gespeist durch das gute persönliche Verhältnis zwischen Ulrich Hablüzel und Ulrich Rösch, nicht abriss. So empfahl Ulrich Rösch 1459 als Pfleger dem Wiblinger Abt zwei junge Burschen aus St. Gallen, die in das dortige Kloster einzutreten wünschten.59 Simon Rösch, beschlagener Schreiber und Konventuale des Klosters Wiblingen, hielt sich mindestens zeitweilig zwischen 1473 und 1485 zur Niederschrift von Handschriften im Kloster St. Gallen auf.60 Neben den Wiblinger Mönchen weilte von 1453 bis 1454 oder 1455 übrigens ein weiterer Benediktiner, Johannes Schreck von Nürnberg, als Kaplan im Kloster St. Gallen; Schrecks Heimatkloster ist jedoch unbekannt.61 Nimmt man die tatsächlich bezeugte Anwesenheit Wiblinger Mönche in St. Gallen zum Gradmesser, dann entpuppt sich Spahrs Gliederung der Klostergeschichte, der die Reform von Subiaco-Melk den Jahren 1442 bis 1451 zuschreibt, in ihrem zeitlichen Beginn und Ende als fragwürdig und irreführend.62 Die consuetudines von Subiaco-Melk sind im ehemaligen Kloster St. Gallen durch drei Handschriften vertreten, nämlich Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 932, S. 28-62 (= G), Cod. Sang. 928, S. 1-19 (= G 1 ), und Stiftsarchiv, Bd. 369, fol. 247r-256v (= G 2 ), welche aufgrund der Schrift alle dem 15. Jahrhundert angehören. Einen handfesten terminus post quem besitzt einzig Bd. 369, fol. 247r256v (= G ), in Form eines Explicit mit der Jahreszahl 1426, welches der Vorlage entnommen worden sein muss. Der Editor vermutete aus Gründen der Textüberlieferung die Abschrift von Cod. Sang. 932, S. 28-62 (= G), „vor 1436" und diejenige von Cod. Sang. 928, S. 1-19 (= G'),„ab 1430".63 Alle drei Handschriften
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Vergleichbar kurze Aufenthaltsdauer von Reformmönchen in ihren „Gastklöstern" sind auch belegt bei MAIER, Ursprung und Ausbreitung (wie Anm. 2), 125; ANGERER, Liturgischmusikalische Erneuerung (wie Anm. 49), 60, Anm. 132, 135; DERS., Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 33), 24, Anm. 9, 33. UBSG 6, Nr. 6349 (19. September 1454). CMD-CH 3, 310-311. UBSG 6, Nr. 5722 (28. Juli 1454); Nr. 5826 (4. Juni 1455). Vgl. auch SPAHR, Reform 14421457 (wie Anm. 1), 9, Anm. 35. SPAHR, Reform 1442-1457 (wie Anm. 1), 1-10. Vgl. DUFT, St. Gallen (wie Anm. 2), 1213: „1442 bis 1451 weilten Wiblinger Mönche zur Reform in St. Gallen." Siehe CCM 11/1, XLIII-LII.
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besitzen die Stempel Abt Diethelm Blarers, die nach Bezug des neuen Bibliothekssaals 1553 und vor seinem Tod 1564 angebracht wurden.64 Neue Erkenntnisse zur Datierung und Herkunftsgeschichte dieser consuetutlines-Handschri ft e n lassen sich nur durch neue Methoden gewinnen. Die Analyse der Einbände fiel unterschiedlich fruchtbar aus. Der erste Teil in Cod. Sang. 932, S. 1-117, der neben den Consuetudines Sublacenses weiteres Reformschrifttum aus dem Umkreis von Subiaco-Melk enthält, besitzt zwei Wasserzeichen, die identisch für das Jahr 1437 bzw. 1438 belegt sind.65 Die Niederschrift von G und der damit verbundenen Reformschriften ist demnach um die Jahre 1437 und 1438, sicherlich im Zeitraum von etwa 1433 bis 1442 anzusetzen.66 Die Datierung von S. 1-117 fügt sich bestens in den übrigen Cod. Sang. 932 ein, der Datierungseinträge und Kalenderberechnungen für die Jahre 1436, 1437, 1438 und 1439 enthält und anscheinend in seiner Gesamtheit zwischen 1436 und 1439 geschrieben wurde.67 Cod. Sang. 932 besitzt einen Einband aus Holzdeckeln und ist original erhalten. Zwar entspricht er insgesamt keinem der im Kloster St. Gallen gebräuchlichen Einbandtypen aus dem Jahrzehnt bis 1461, doch hat er eine für die Klosterbibliothek jener Zeit typische Langriemenschließe.68 Neben diesen mühsam gewonnenen Datierungs- und Provenienzhinweisen existiert im Bücherverzeichnis des St. Galler Mönchs Gallus Kemli, angelegt etwa 1470 und fortgeführt bis mindestens 1476, ein Eintrag, der aufgrund seiner Ausführlichkeit mit vollkommener Sicherheit dem Cod. Sang. 932 entspricht.69 64
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Cod. Sang. 928, S. 258; Cod. Sang. 932, S. 402; StiASG, Bd. 369, fol. 177v. Zum neuen Bibliotheksbau siehe HÄRDEGGER, Baudenkmäler (wie Anm. 22), 122; POESCHEL, Kunstdenkmäler 3 (wie Anm. 22), 87-88. Beispielsweise Cod. Sang. 932, S. 71/72, 89/90 bzw. S. 19/20, 91/92, die identisch sind mit PLCCARD-online, Nr. 65735 (1438) und Nr. 65737 (1437). Zu den methodologischen Grundlagen siehe Anm. 20. Den in CCM 11/1, XLVI-XLVII vermerkten Jahreszahlen auf S. 233 (1439), S. 403 (1437) und den Kalenderberechnungen auf S. 491-492 (für 1436), S. 493^194 (für 1437) und S. 495-496 (für 1438) ist der Eintrag auf S. 562 „Anno domini mcccc xxxix" hinzuzufügen. Zu den im Kloster St. Gallen in der Mitte des 15. Jahrhunderts verbreiteten Einbandtypen siehe vorläufig Jan A. SZIRMAI, Repair and Rebinding of Carolingian Manuscripts in St. Call Abbey Library in the Fifteenth Century, in: Sheila Fairbrass (Hg.), Conference Papers Manchester 1992, Manchester 1992, 165-170, besonders 67-68; Philipp LENZ, „ niiwe bücher ": Bucherwerbungen unter dem Pfleger und Abt Ulrich Rösch, in: Peter Erhart (Hg.), Schatzkammer Stiftsarchiv St. Gallen. Miscellanea Lorenz Hollenstein, DietikonZürich 2009, 57-61, hier: 57. Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, 1. Bd.: Die Bistümer Konstanz und Chur, bearb. v. Paul Lehmann, München 1918, 119-135, hier: 130, Z. 33 und 133, Z. 21. Zur Datierung vgl. ebd. 121, Z. 16, 122, Z. 32 - 123, Z. 8 und CMD-CH 3, Nr. 150 sowie allgemein Johannes DUFT, Die Handschriften-Katalogisierung in der Stifts-
Die Reformen des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert
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Erstaunlicherweise hat - mit löblicher Ausnahme von Bruggisser-Lanker - die Forschung zur Reform im Kloster St. Gallen diesem Bücherverzeichnis nie Beachtung geschenkt, obschon es seit Langem ediert vorliegt.70 Dabei stellt der ausgewiesene persönliche Besitz dieser Handschrift ihre gesamte Funktion in der Klosterreform in Frage. Die Persönlichkeit Gallus Kemlis, die durch Eigensinn und quasi universelle Interessen geprägt war, sowie seine lange Abwesenheit vom Kloster St. Gallen spitzen die Frage zusätzlich zu. Der 1417 geborene St. Galler Bürger, 1428 Professe im dortigen Kloster, schied 1443 im Streit mit Abt Kaspar von Breitenlandenberg und kehrte erst 1470 nach langen Wanderjahren und einem oder mehreren Aufenthalten an der Universität Heidelberg in den St. Galler Konvent zurück, den er jedoch nach Zwietracht mit dem Nachfolger Abt Ulrich Rösch nur ein Jahr später 1471 wiederum verließ. Nach seiner Rückkehr um 1480 landete er im Klostergefängnis. Den Lebensunterhalt verdiente er sich während seiner Wanderschaft als Kaplan und Pfarrer in verschiedenen Ordenshäusern und Kirchen und nicht zuletzt als Lohnschreiber. Nach seinem Tod 1480 oder 1481 fiel Cod. Sang. 932 zusammen mit dem übrigen Büchererbe der Klosterbibliothek anheim.71 Cod. Sang. 928 war ursprünglich wohl ein Kopert, wurde aber im 19. oder 20. Jahrhundert unter schwersten Eingriffen restauriert und mit Kartondeckeln versehen. Neue Datierungs- und Provenienzhinweise liefern einige Urkundenfragmente, die in dünne Streifen zerschnitten der Verstärkung der Lagenmitten dienen. Sie enthalten eine Datierung auf den 6. März 1437, die Nennung des St. Galler Bürgers und späteren äbtischen Hofammanns Hans Herr sowie des in der Region beheimateten Geschlechts der Goldast.72 Der Einband wurde demnach 1437 oder später gebunden, und zwar allem Anschein nach im Kloster St. Gallen, dessen Urkundenmakulatur verwertet wurde. Damit lässt sich auch die Datierung
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bibliothek St. Gallen vom 9. bis zum 19. Jahrhundert, in: Beat M. von Scarpatetti, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen. Codices 1726-1984, St. Gallen 1983, 9*-99*, hier: 36*-41*. Therese BRUGGISSER-LÄNKER, Musik und Liturgie im Kloster St. Gallen in Spätmittelalter und Renaissance (= Abhandlungen zur Musikgeschichte 13), Göttingen 2004, 25. Zu Gallus Kemli siehe CMD-CH 3, 290-291 mit weiteren Literaturangaben. Cod. Sang. 928, S. 242/243, im Falz: „...Hans Herr...[Besiegelungsvorgang]...nächsten Mittwuchen vor Mitvasten nach Crysti gepurt tusent u"; Fortsetzung S. 128/129 im Falz: „dryssig und in dem sibenden jare"; S. 198/199, im Falz: „Goldast." Zur St. Galler Familie Goldast siehe die Register in UBSG 5, 1125, und UBSG 6, 836. Otmar Goldast amtete 1449 als äbtischer Hofammann. Siehe UBSG 6, Nr. 5117 (14. November 1449; Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, Bd. 3, Neuenburg 1926, 590. Zu Hans Herr siehe UBSG 5, Nr. 4124 (14. Januar 1439) und Nr. 4303 (17. März 1441), wo dieser schon vor seiner Ernennung zum äbtischen Hofammann gerichtliche Funktionen und Aufträge wahrnahm; Paul STAERKLE, Verzeichnis der weltlichen Beamten des Stiftes St. Gallen vom 13. bis 18. Jahrhundert, StiASG, Rep. 14a, 28.
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eines anderen Teils der Handschrift vereinbaren, der aufgrund des sogenannten Hersfelder Protests im Jahr 1431 oder danach geschrieben worden sein muss.73 Die textlichen Parallelen zwischen Cod. Sang. 932 und 928 sind offensichtlich. Beide überliefern laut Angerer die zwischen 1380 und Jahrhundertende ausgearbeitete Kurzfassung e, die (wie die Kurzfassung i) unter Auslassung ganzer Kapitel von der ältesten erhaltenen Fassung a aus Subiaco abstammt und in die Langformen o und u überfließt, die ihrerseits in den Melker Eigentext y aus dem Jahr 1460 münden.74 Zudem enthalten Cod. Sang. 932, S. 27-36, und Cod. Sang. 928, S. 20-24, als einzige die Texte De officio missae seu altaris in gleicher Form. In Cod. Sang. 932, S. 1-117, stehen noch weitere Texte mit ausdrücklichem Melker Einschlag, den man in der Kurzform e selbst noch völlig vermisst.75 Die von Angerer textkritisch festgestellte Abhängigkeit der Fassung G 1 in Cod. Sang. 928, S. 1-19, von G in Cod. Sang. 932, S. 28-62, wird durch die auszugsweise Kollationierung des Textes De officio missae seu altaris in den beiden Handschriften bekräftigt.76 73
Cod. Sang. 928, S. 99. Siehe Petrus BECKER, Ein Hersfelder Protest gegen Reformbestrebungen im späten Mittelalter (1400-1431), in: Würzburger Diözesan-Geschichtsb l ä t t e r 3 4 ( 1 9 7 2 ) 2 9 - 5 8 , h i e r : 3 2 . V g l . a u c h C o d . S a n g . 9 2 8 , S. 9 1 / 9 2 u n d 9 3 / 9 4 , d a s
Wasserzeichen aus einer Hand mit einem fiinfstrahligen Stern unmittelbar darüber, welches identisch nicht gefunden wurde, in dieser Form aber ausschließlich fiir die Jahre 1431-1442 b e l e g t ist. S i e h e PLCCARD-online, N r . 1 5 5 6 5 6 - 1 5 5 6 7 0 , 1 5 5 6 7 9 - 1 5 5 6 8 0 , 74 75
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155742-1556743.
CCM 11/1, CXXIV-CCLXVIII, CCLXXXVII; CCM 11/2, IX-XVIII. Cod. Sang. 932, S. 99-102: „Incipit benedictio mensae secundum ordinem anni per singula festa secundum modum Mellicensem..." Einen indirekten Bezug zu Melk stellen zudem die in Cod. Sang. 932, S. 27-36, und Cod. Sang. 928, S. 1-19, überlieferten Texte De officio missae seu altaris dar, weil sie stellenweise auch in die consuetudines des Klosters Tegernsee aufgenommen wurden, das bekanntlich 1426 die Observanz von Melk eingeführt hatte. Siehe dazu die Erläuterungen in ANGERER, Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 33), 2 9 33; CCM 11/1, XLIV-XLVI, XLVIII-XLIX. CCM 11/1, 124-125. Tatsächlich scheint laut textkritischem Apparat in den seltenen Fällen, wo sie sich unterscheiden, immer G 1 ein oder mehrere Worte zu übergehen, so CCM 11/1, 140, Z. 12, und deutlich 141, Z. 10-11. Zweimal lässt G 1 gerade ein solches Wort aus, das in G fast unleserlich ist, nämlich CCM 11/1, 132, Z. 3 und 16, was für eine direkte Abschrift der Fassung G 1 von G spricht. Hinsichtlich der Kollationierung der beiden grundsätzlich identischen Versionen von De officio missae seu altaris siehe besonders die Auslassung aufgrund des Homöoteleuton „hymnum trium puerorum" in Cod. Sang. 928, S. 24: „Completa missa dicit sacerdos ympnum trium puerorum cantemus quem cantabant sancti..." bzw. Cod. Sang. 932, S. 26: „Completa missa dicit sacerdos ymnum trium pueorum, ,benedicite' et psalmum ,laudate dominum de celis', an[tiphonam] ymnum trium pueorum cantemus quem cantabant sancti..." Demnach kann Cod. Sang. 928 von Cod. Sang. 932 direkt abgeschrieben worden sein, aber nicht umgekehrt. Vgl. auch die entsprechende - ausgeformte - Textstelle in den consuetudines von Melk in CCM 11/2, 112, Z. 6-10. Zur Übernahme verschiedener Kapitel in andere consuetudines siehe CCM 11/1, XLIV.
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Die Datierung des Cod. Sang. 932, S. 38-62, um die Jahre 1437 und 1438, dessen persönlicher Besitz durch Gallus Kemli, die aufgrund seiner Wanderjahre auf 1428-1443, 1470-1471 und 1480-1481 beschränkte Verfügbarkeit als Abschriftsvorlage im Kloster St. Gallen, kombiniert mit dem textkritischen Befund einer direkten Abschrift und dem verbürgten Ort der Einbindung des Cod. Sang. 928 in St. Gallen 1437 oder später führen zum Schluss, dass diese Handschrift am wahrscheinlichsten zwischen 1437 und 1443 entstand, zumal die Jahre 1470-71 und 1480-1481 kurze und konfliktreiche Zeitspannen der Anwesenheit Gallus Kemlis im St. Galler Konvent darstellten. Diese Datierung fügt sich bestens in die Überlieferungsgeschichte der Kurzfassung e ein, denn die übrigen drei Handschriften derselben Untergruppe wurden angeblich ebenfalls vor dem Jahr 1450 geschrieben.77 Band 369, fol. 247r-256v, des Stiftsarchivs St. Gallen überliefert unter der Sigle G2 eine etwas spätere Kurzfassung i, die frühestens 1426 und spätestens bis zur Jahrhundertwende abgeschrieben wurde. Die genaue Entstehungszeit und die Herkunft der Handschrift bleiben im Dunkeln. Interessant ist der Überlieferungskontext des Pergamentheftes fol. 225r-256v, das neben den consuetudines von Subiaco in der Kurzform i zahlreiche, vor allem gemeinbenediktinische Reformtexte wie päpstliche Dekretalen und Bullen, Konzilsbullen und Beschlüsse des benediktinischen Provinzialkapitels von Petershausen aus dem Jahr 1417 enthält.78 Im Gegensatz zu den Hersfelder und Kastler Brauchtexten und liturgischen Handschriften entbehren die in St. Gallen überlieferten Sublazenser Kurzformen e und i jeglicher lokaler Anpassung im Original oder in Form von Nachträgen und Korrekturen.79 Gebrauchsspuren durch häufige Handhabung treten ebenfalls nicht zutage. Die beiden in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrten Kurzfassungen e der consuetudines von Subiaco sowie damit verbundenes Reformschrifttum in Cod. Sang. 932 und 928 stehen also kaum bzw. sicherlich nicht im Zusammenhang mit der irgendwann zwischen 1442 und 1451 und dann eindeutig 1454 bis 1455 bezeugten Anwesenheit Wiblinger Mönche, während für die Kurzfassung i in Bd. 369 des Stiftsarchivs St. Gallen weder ein positiver noch ein negativer Befund vorliegt.
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CCM 11/1, CCXXXVII-CCXXXIX, 123-125. Die Handschriften der zweiten Untergruppe datieren etwa um 1450, 1482 und 1466. CCM 11/1, XLIX-LII, CCXL-CCXLVI. Siehe die Editionen von e und i in CCM 11/1, 123-153, 157-196.
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1.4 Die Wirkung der Reformmönche und Reformtexte Die kurz- und mittelfristige Wirksamkeit auswärtiger Reformmönche in der Umsetzung ihres in den consuetudines und liturgica beschriebenen Reformprogramms wird in der Literatur häufig vorausgesetzt. Diese Prämisse soll an dieser Stelle hinterfragt werden, obschon sich kaum handfeste Beweise für oder wider die Wirksamkeit der Reformmönche vorbringen und nur begründete Vermutungen anstellen lassen. Kriterien für die Einschätzung der Wirksamkeit von Reformen sind erstens die Anzahl auswärtiger Mönche, die Dauer ihres Aufenthalts und die Bedeutung ihrer Amtsbefugnisse im Kloster St. Gallen, zweitens die Vollständigkeit und Ausführlichkeit der vorhandenen Reformtexte (consuetudines und liturgica) sowie der Grad ihrer Anpassung an die lokalen Verhältnisse in St. Gallen, der mindestens über die beabsichtigte Verwendung und Geltung Auskunft geben kann. Aus dieser Perspektive ist den Hersfelder Mönchen eine relativ große Wirksamkeit zuzutrauen. Belegt ist die Ankunft von sieben Hersfelder Mönchen 1429 oder 1430, von denen mindestens drei, nämlich der Dekan, der Cellerar und der Ökonom bis 1436 im Kloster St. Gallen nachzuweisen sind, sowie ein vielleicht um das Jahr 1432 geschriebener, noch in den 1430-er Jahren oder später eingebundener Liber Ordinarius in Cod. Sang. 448, dessen schwer bemessbares Hersfelder Substrat durch viele lokale Traditionen angereichert wurde. Die starke Anpassung an die Gewohnheiten des Klosters St. Gallen bedeutete allerdings zwangsläufig ein eher moderates Hersfelder Reformprogramm, das zudem einzig für die Liturgie und nicht für die übrige Ämter- und Klosterorganisation verschriftlicht wurde. Falls die Überlieferungslage uns nicht übermäßig täuscht, dann fällt die Kastler Präsenz in personeller Hinsicht im Kloster St. Gallen äußerst schwach aus. Eindeutig bezeugt ist einzig der Dekan Konrad von Kastl für das Jahr 1439, der wohl mit dem 1437 belegten Dekan Konrad sowie mit dem 1439 oder davor erwähnten „Conradus cantor quondam in Castello" gleichzusetzen ist. Der schwachen personellen Vertretung der Kastler Observanz in St. Gallen steht die Vollständigkeit des entsprechenden Schrifttums gegenüber.80 Tatsächlich verfügte das Kloster über das komplette Reformprogramm für die innere Klosterorganisation und die Liturgie in Form der Kastler consuetudines (Cod. Sang. 928, S. 113-258) und des Kastler Breviers (Cod. Sang. 447), das zu einem gewissen Grad den lokalen Gegebenheiten Rechnung trug und die St. Galler Hausheiligen aufnahm. Dass diese Handschriften zusammen mit Konrad von Kastl ins Kloster St. Gallen gelangten, ist zwar anzunehmen, aber nicht zu beweisen. 80
Vgl. die allgemeingültigen Bemerkungen von 273, sowie Anm. 81.
ANGERER,
Reform von Melk (wie Anm. 2),
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Es entbehrt nicht der Ironie, dass die durch drei Handschriften vertretene Observanz von Subiaco-Melk unserer Ansicht nach wenig Wirkung entfaltet haben dürfte, weil mindestens deren zwei schon vor bzw. unabhängig von der Ankunft der Wiblinger Mönche im Kloster St. Gallen vorhanden waren. Davon war die um 1437 oder 1438 geschriebene Kurzversion e in Cod. Sang. 932, S. 38-62, im persönlichen Besitz des streitbaren St. Galler Mönchs Gallus Kemli und Vorlage für die wohl nicht viel später im Kloster angefertigte Abschrift in Cod. Sang. 928, S. 1-19. Allen drei heute in St. Gallen aufbewahrten consuetudi«es-Handschriften ist gemein, dass sie mit den Kurzversionen e und i solche Fassungen des Sublazenser Reformprogramms überlieferten, welche die heiklen liturgischen Bestimmungen aussparten. Zwar wurden Cod. Sang. 932, S. 1-117, und Cod. Sang. 928, 1-24, durch von Melk geprägtes liturgisches Schrifttum angereichert, doch konnten diese Ergänzungen die anscheinend fehlenden liturgischen Bücher, die zur vollständigen Reform unabdingbar waren, nicht wettmachen.81 Die Wirksamkeit der auswärtigen Reformmönche hing nicht nur von ihnen selbst und den von ihnen geschaffenen Voraussetzungen ab, sondern auch von der Reaktion der eingesessenen Mönche. Tatsächlich stießen jene im St. Galler Konvent nicht auf einhellige Zustimmung und waren bisweilen größerem Widerstand ausgesetzt, obschon oder gerade weil sie immer den Dekan stellten. Gallus Kemli, der die Hersfelder selber im Steinachkloster erlebt haben muss, bemerkte mit gewohnt spitzer Zunge: „non dominum, sed dominium quesierunt."82 Ein Schreiben, in der Literatur als „Hersfelder Protest" bekannt, illustriert bestens solche Richtungsstreitigkeiten um die zu befolgende Observanz.83 Eine größere Auseinandersetzung muss zwischen dem Hersfelder Mönch Friedrich Kölner und dem einheimischen Konventualen Herrn Simon 1433 vorgefallen sein. Dieser soll Kölner beleidigt oder betrogen haben, und zwar in so schwerwiegender Weise, dass er gefangen gesetzt wurde, und die ganze Angelegenheit ans Basler Konzil 81
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Siehe CCM 11/1, CCLVII, CCLXXIV, CCXXVIII-CCXLVI. In der Kurzfassung i wird übrigens flir die Feier der Konventmesse explizit auf ein Caeremoniale verwiesen (siehe CCM 11/1, 180, Z. 15-17: „missa conventualis dicenda secundum caeremonias in libro de caeremoniis officii divini contentas"), von dem mindestens heute in St. Gallen jede Spur fehlt. Cod. Sang. 448, S. 36. Cod. Sang. 928, S. 97-111. BECKER, Hersfelder Protest (wie Anm. 73), mit Edition 39-57. Meiner Ansicht nach widerspiegelt das Schreiben allerdings eher Hersfelder als St. Galler Verhältnisse. Nach Becker müssten spätestens 1431 die Hersfelder Mönche im Kloster St. Gallen die alten Gewohnheiten und die traditionelle Liturgie gegen eine bereits eingeführte oder kurz vor der Einfährung stehende neue Observanz verteidigt haben. Eine solche neue Observanz ist aber für diese Zeit in St. Gallen nicht auszumachen, während Leinweber Sublazenser Einfluss auf das Kloster Hersfeld in den 1420er Jahren nachweisen konnte. Siehe LEINWEBER, Zur spätmittelalterlichen Klosterreform in Fulda (wie Anm. 8), 322.
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und an die von ihm bestimmten Visitatoren weitergeleitet wurde.84 Wie aus einem Schiedsspruch verschiedener in Basel versammelter Benediktiner vom 23. März 1436 hervorgeht, erhob sich letztlich auch Abt Eglolf Blarer selbst gegen die Hersfelder und ihre Reformversuche. 85 Hauptgegner des Abts und damit wichtigste Protagonisten der Hersfelder Reform waren der Cellerar Friedrich Kölner, der in diesem Konflikt als Vertreter des Konvents bezeichnet wird, und der Ökonom Johannes Homberg, die beide - „pro bono pacis et utilitate dicti monasterii" - laut dieser Urkunde für zwei Jahre bzw. ein Jahr in ein reformiertes Kloster verwiesen wurden.86 Während etwaige Widerstände gegen die Kastler Reform im Kloster St. Gallen keine schriftlichen Spuren hinterlassen haben, treten solche gegen die Reformmönche aus Wiblingen, die mit der Verbesserung der Observanz beauftragt worden waren, deutlich hervor. Jodok Winkelhofer, der als Dekan mit ganzer Vollmacht in geistlichen Dingen dem Konvent zur Überwachung der Bestimmungen des Provinzialkapitels vorgesetzt worden war, beschwerte sich bei Abt Ulrich Hablüzel von Wiblingen über die fehlende Unterstützung durch Abt Kaspar von Breitenlandenberg für die Durchführung der Reform im Kloster St. Gallen, sodass er frustriert seinen Rückzug aus diesem Kloster anbot, was jedoch am 22. August 1455 abgelehnt wurde.87 Der zweimal bezeugte Widerstand von St. Galler Äbten gegen auswärtige Reformmönche lässt es möglich erscheinen, dass ihr Motiv, fremde Mönche anzufordern, weniger dem unbedingten Willen zur Reform im Sinn einer bestimmten Observanz als der Behebung der personellen Not im Konvent entsprang. Von besonders großem Interesse ist das Erbe der letzten Reformmönche, jener aus dem Kloster Wiblingen. Da den Vertretern der Observanz von Subiaco-Melk keine weiteren Reformmönche folgten, muss mindestens die Möglichkeit einer Langzeitwirkung in Betracht gezogen werden. Zur Prüfung dieser Hypothese bietet sich eine kleine unedierte Kloster- und Ämterordnung Abt Ulrich Röschs von ca. 1467-1470 an, die unter anderem die Messhäufigkeit behandelt, einen Punkt, der mindestens für die eingefleischten Vertreter und Schriftsteller der Melker Reform zentrale Bedeutung besaß.88 Laut dieser Ordnung wurden im 84
Friedrich Kölner (wie Anm. 1 4 ) , hier besonders 3 2 3 - 3 2 4 , mit Korrekturen zu Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 4 1 . UBSG 5, Nr. 3909 (23. März 1436), 776, Z. 5-8: „cum materia dissensionis et discordie occasione reformationis faciende in capite et in membris in monasterio sancti Galli...inter dominum Eglolfum, abbatem dicti monasterii, ex una et religiosos viros conventum [!] dicti loci ex altera foret suborta..." UBSG 5, Nr. 3909 (23. März 1436), 776, Z. 25: „in hoc se [Friedrich Kölner] pro procuratore conventus gerentem"; 777 (1-2), zitiert ebd., (1), Z. 13. UBSG 5, Nr. 5717 (19. Juli 1454); Nr. 5857 (22. August 1455). NIEDERKORN-BRUCK, Melker Reform (wie Anm. 49), 125-133, 146-149. NÄF/WETZEL, SPAHR,
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Kloster St. Gallen grundsätzlich mindestens dreimal pro Tag Messen gefeiert, nämlich nach der Prim die Privatmessen der Priestermönche sowie nach der Terz und der Sext je eine Konventmesse.89 Es herrschte also das traditionelle System der doppelten Konventmesse, welches schon für Cluny und das Reichsmönchtum des späten 10. bis 11. Jahrhunderts nachweisbar und wohl ähnlich im Liber Ordinarius (Cod. Sang. 448) und in den Kastler consuetudines anzutreffen ist.90 Drei Messen pro Tag bzw. zwei tägliche Konventmessen widersprechen aber deutlich den Bestimmungen der Observanz von Subiaco-Melk. Diese sieht laut consuetudines und dem darin übereinstimmenden restlichen Melker Schrifttum grundsätzlich die Privatmessen nach dem Kapitel im Anschluss an die Prim und eine Konventmesse nach der Terz vor. Eine zweite Konventmesse ist die Ausnahme und findet nur an Sonn- und Feiertagen oder während der Fastenzeit statt.91 Diese Beschränkung auf eine tägliche Konventmesse kommt in den in St. Gallen überlieferten Kurzfassungen e und i in aller Deutlichkeit zum Ausdruck.92 Ob die Wiblinger Mönche die einmalige tägliche Konventmesse je einführten, und falls ja, ob sie nach deren Abzug noch einige Jahre fortbestand, bleibt offen. Übrigens war sich das Provinzialkapitel von Petershausen 1417 der liturgischen Vielfalt bewusst und sah als Alternativen die täglich einmalige oder doppelte Konventmesse vor.93 Die mangelnde oder beschränkte Wirkung der Reformen von Fulda (vermittelt durch Hersfeld), Kastl und Subiaco-Melk (vermittelt durch Wiblingen) ist nicht 89
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StiASG, Bd. 92, fol. 123v-127r, hier: fol. 124r-124v: „Item ordnen alle tag dry mesen zum minsten, nach der prim [124v] unnd das ampt unnd ain messen under dem apt, aber am frytag und santag messenn nach der prinn [prim]." Für die Zeit nach 1475 siehe Anm. 141. Angelus A. HÄUSSLING, Mönchskonvent und Eucharistiefeier. Eine Studie über die Messe in der abendländischen Klosterliturgie des frühen Mittelalters und zur Geschichte der Messhäufigkeit (= Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 58), Münster 1973, 3272, besonders 36-40. Zahlreiche Belege fiir eine „prior missa" und eine „summa missa" in Cod. Sang. 448, z. B. S. 24b, 25a, 53ab. Siehe auch SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 43-44. Tagesablauf aufgrund der Kastler consuetudines in CCM 14/2, 129-132 und 262 die Lemmata „missa maior" und „missa matutinalis/prior" im Register sowie aufgrund des Breviers (Cod. Sang. 447) bei SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 72-74. NIEDERKORN-BRUCK, Melker
Reform
(wie Anm. 49), 125-133, 146-149; Albert GROISS,
Spätmittelalterliche Lebensformen der Benediktiner von der Melker Observanz vor dem Hintergrund ihrer Bräuche. Ein darstellender Kommentar zum Caeremoniale Mellicense des Jahres 1460 (= Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinertums 46), M ü n s t e r 1999, 1 0 8 - 1 0 9 , 1 3 1 - 1 3 2 . 92 93
CCM 11/1, 145, Z. 5 - 146, Z. 4 (e) und 180, Z. 4-20 (i). Joseph ZELLER, Das Provinzialkapitel im Stifte Petershausen im Jahre 1417. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformen im Benediktinerorden zur Zeit des Konstanzer Konzils, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 41 (1922) 1 73, hier: 58, c. 13.
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nur auf die geringe Anzahl und kurze Aufenthaltsdauer der Reformmönche, das unvollständige Reformschrifttum, die fehlende Anpassung der consuetudines an die lokalen Bräuche und den Widerstand des Abts und Konvents von St. Gallen zurückzuführen. Entscheidend war die fehlende organisatorische Anbindung des Klosters St. Gallen an die vorgenannten Zentren benediktinischer Klosterreform. In der Tat ist keine einzige Visitation durch Fulda/Hersfeld, Kastl und Melk/Wiblingen belegt. Visitationen und andere äußere Eingriffe in die Abtei St. Gallen geschahen nicht durch die Hinwendung zu einer bestimmten Observanz, sondern im ordentlichen kirchenrechtlichen Rahmen und punktuell aufgrund weltlicher Verträge.
2. Visitationen und andere äußere Eingriffe ins Kloster St. Gallen Der Schlüssel zum Verständnis der Reformen des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert sind die Visitationen. Über die Auftraggeber der Visitationen und über den Inhalt der Visitationsurkunden lassen sich sowohl die institutionelle als auch die ideelle Einbindung in gewünschter Deutlichkeit herausarbeiten. Bevor wir eine Übersicht über alle belegten Visitationen seit dem Petershausener Provinzialkapitel 1417 bis zum Tod Abt Ulrich Röschs 1491 geben, ist kurz die kirchenrechtliche Lage der Abtei St. Gallen zu schildern. Als exemtes Kloster unterstand die Abtei St. Gallen seit etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts direkt dem Papst, der die Konfirmation, eventuell auch die Provision und Absetzung der St. Galler Äbte vollzog. Abt und Konvent entzogen sich fast vollständig der Gewalt, einschließlich des Visitationsrechts, des Konstanzer Diözesanbischofs. 94 Damit gewann das benediktinische Provinzialkapitel umso mehr an Gewicht. Im 15. Jahrhundert reifte das schon in den vorangehenden Jahrhunderten geschaffene, aber nur sporadisch wirksame benediktinische Provinzialkapitel zu einer festen Institution.95 Als Teil der Diözese Konstanz gehörte das Kloster St. 94
Die spätmittelalterliche Exemtion ist ein völlig unerforschtes Kapitel in der Geschichte der Abtei St. Gallen. Vgl. vorläufig immer noch Ildefons VON ARX, Geschichten des Kantons St. Gallen, Bd. 2, St. Gallen 1811 (Neudruck St. Gallen 1987), 195-196. Beispiele päpstlicher Provisionen, Konfirmationen und Depositionen finden sich in den Biographien der Äbte von Hermann von Bonstetten (1333-1360) bis Ulrich Rösch (1463-1491) bei DUFT, St. Gallen
95
Ursmer BERLIÈRE, Les chapitres généraux de l'ordre de S. Benoît. I.: Province de CologneTrêve, II: Province de Magdebourg-Brême, in: Revue Bénédictine 18 (1901) 364-398; DERS., Les chapitres généraux de l'ordre de S. Benoît. III.: Province de Mayence-Bamberg, IV: Province de Salzbourg, in: Revue Bénédictine 19 (1902) 38-75; ZELLER, Provinzialkapitel (wie Anm. 93); MAIER, General- und Provinzialkapitel (wie Anm. 5).
( w i e A n m . 2), 1 3 1 1 - 1 3 2 1 .
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Gallen der größten aller Ordensprovinzen, nämlich Mainz-Bamberg, an. Seit der Zusammenkunft in Petershausen 1417 bis ins beginnende 16. Jahrhundert versammelte das Provinzialkapitel regelmäßig alle zwei oder drei Jahre die Klostervorsteher unter dem Vorsitz von vier Präsidenten. Das Provinzialkapitel versuchte das eigene, in ihren Statuten kontinuierlich ausgebaute Reformprogramm kraft päpstlicher Autorität über die regelmäßig vorgesehenen Visitationen in den Klöstern zu verwirklichen. Das benediktinische Provinzialkapitel von Petershausen tagte vom 28. Februar bis zum 19. März 1417.96 Noch vor Ende der Kapitelversammlung nahmen die Visitatoren ihre Arbeit auf und besuchten als eines der ersten das geschichtsträchtige Kloster St. Gallen. Der erbärmliche Zustand des Klosters und die unwürdige Persönlichkeit Abt Heinrichs von Gundelfingen bewogen die Visitatoren und Präsidenten des Provinzialkapitels, insgesamt zwei päpstliche Visitationen zu erbitten, welche über die Vollmacht zur Absetzung des Abts eines exemten Klosters verfügten.97 Nach der Resignation Abt Heinrichs von Gundelfingen ernannte Papst Martin V. am 9. Mai 1418 den ehemaligen Visitator Konrad von Pegau zum Abt von St. Gallen, dessen Regierungszeit jedoch nicht einmal ein Jahr lang bis zur päpstlichen Provision seines Nachfolgers Heinrich von Mansdorf am 15. März 1419 dauerte.98 96
Z u m Folgenden ZELLER, Provinzialkapitel
(wie Anm. 93), 18-19, 4 0 - 4 2 ; SPAHR,
Reform
1417-1442 (wie Anm. 1), 25-27. Zur Bedeutung der Konzilien von Konstanz und Basel sowie der parallel stattfindenden benediktinischen Provinzialkapitel fiir die Ordensreform vgl. Petrus BECKER, Benediktinische Reformbewegungen im Spätmittelalter, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hg. vom Max-Planck-Institut für Geschichte (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 68; Studien zur Germania Sacra 14), Göttingen 1980, 167-238, hier: 164-183; Dieter MERTENS, Reformkonzilien und Ordensreform im 15. Jahrhundert, in: Kaspar Elm (Hg.), Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen (= Berliner Historische Studien 14; Ordensstudien 6), Berlin 1989, 4 3 1 - 4 5 7 ; HELMRATH, Reform HELMRATH, Theorie und Praxis (wie Anm. 36), 5 6 - 6 1 . 97
98
(wie Anm. 36), 131-146;
ZELLER, Provinzialkapitel (wie Anm. 93), 40-41 und 69-71. Vgl. X 3.35.8 (Ed. Emil FRIEDBERG, Corpus iuris canonici. Pars secunda: Decretalium collectiones, Leipzig 1879 [Neudruck Graz 1959], 601-602, hier: 602). Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Martins V. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reichs, seiner Diözesen und Territorien: 1417-1431, bearb. v. Karl A. Fink (= Repertorium Germanicum 4), Berlin 1943-1948, 478-479, 1187, 3 3 5 2 ; U B S G 5, N r . 2 7 4 1 ( 1 5 . M ä r z 1 4 1 9 ) ; N r . 3 1 2 0 , Z u s a t z 3 2 7 - 3 2 8 ( u m 1 4 2 2 ) . SPAHR,
Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 26, bescheinigt fälschlicherweise Konrad von Pegau eine nichtadlige Herkunft, obschon diese nicht bezeugt ist. Siehe dazu DUFT, St. Gallen (wie Anm. 2), 1315; Thomas VOGTHERR, Thomas LUDWIG, Die Äbtereihe des Benediktinerklosters St. Jakob in Pegau, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 69 (1998) 1-23, hier: 3, 15. Zum Adelsprivileg im 15. Jahrhundert siehe Klaus SCHREINER, Sozial- und standesgeschichtliche Untersuchungen zu den Benediktinerkonventen im östlichen
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Die nächste in den Quellen fassbare Visitation des Klosters St. Gallen erfolgte 1432 oder Anfang 1433. Auftraggeber war wiederum das benediktinische Provinzialkapitel, das vom 11. bis zum 13. Mai 1432 im Kloster St. Ulrich in Augsburg stattfand und Abt Johannes Kummer von Engelberg zum Visitator ernannte." Dieser erhielt vom Kloster St. Gallen drei Gulden ausbezahlt, welche dem 1422 den Visitatoren zugesprochenen Reisegeld entsprachen.100 Eine Visitationsurkunde oder ein Visitationsbericht sind nicht überliefert. Wie das Konzil von Konstanz so erwies sich auch das Basler Konzil als nahrhafter Boden für die benediktinischen Reformbemühungen. Die Reform der Benediktinerklöster erhielt ihre Impulse einerseits von eigens gebildeten Ausschüssen des Konzils, andererseits durch die nach Basel verlegten Provinzialkapitel, darunter auch dasjenige der Provinz Mainz-Bamberg vom 26. bis 28. Juni 1435, welches nach Abschluss in ein eigenes zwölfköpfiges Reformgremium überging. Zwischen den einzelnen Einrichtungen herrschte eine große personelle Durchlässigkeit, sodass z. B. auch der Konzilspräsident Kardinal Giuliano Cesarini und andere einflussreiche Reformer auf jenem Provinzialkapitel auftraten.101 Unter Einfluss des Kardinals Giuliano Cesarini ordnete das Konzil in den Jahren 1433-1434 mehrmals Visitationen der Abtei St. Gallen an, deren Durchführung jedoch nur wenige schriftliche Spuren hinterließ.102 Besser dokumentiert und eingehender untersucht ist die Visitationstätigkeit im folgenden Jahr.103 Von Februar bis April 1435 weilten vermutlich mit kleineren Unterbrüchen der erprobte Reformer Abt Johannes Rode von St. Matthias bei Trier und Magister Johannes Celi zur Visitation des Klosters in St. Gallen.104 Johannes Rode, der am Schwarzwald (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen 31), Stuttgart 1964, 92-112, besonders 105 mit Anm. 78. 99 SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 5 3 - 5 4 ; MAIER, General- und Provinzialkapitel (wie Anm. 5), 2 1 2 - 2 1 3 ; Helene BÜCHLER-MATTMANN, Gall HEER, Johannes Kummer, in: Gilomen-Schenkel, Frühe Klöster (wie Anm. 2 ) , 6 2 2 - 6 2 3 . 100 StiASG, Abgelöste Buchdeckel (wie Anm. 9), Nr. 23 und 24. 101 HELMRATH, Reform (wie Anm. 36), 138-141, mit Anm. 235 und 236; HELMRATH, Theorie und Praxis (wie Anm. 36), 59-61; HELMRATH, Capitula (wie Anm. 5), 90-92. 102 BERLIÈRE, Chapitres généraux IV {wie Anm. 95), hier: 62; SPAHR, Reform 1417-1442 (wie Anm. 1), 54-55; UBSG 5, Nr. 3820 (22. Juni 1434). Zum Wirken des Kardinallegaten Giuliano Cesarini vgl. Birgit STUDT, Papst Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland (= Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta imperii 23), Köln 2004, 682-704. 103 Siehe zum Folgenden SPAHR, Reform 1 4 1 7 - 1 4 4 2 (wie Anm. 1), 5 5 - 6 1 ; Petrus BECKER, Die Visitationstätigkeit des Abtes Johannes Rode in St. Gallen und auf der Reichenau, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 6 8 ( 1 9 7 4 ) 1 9 3 - 2 3 9 , hier: 1 9 4 - 2 0 2 . 104 UBSG 5, Nr. 3852b+e (14. Februar und 10. April 1435). Siehe Petrus BECKER, Das monastische Reformprogramm des Johannes Rode, Abtes von St. Matthias in Trier. Ein dar-
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26. Juni am Provinzialkapitel in Basel teilnahm, wurde als Visitator von St. Gallen durch den Zisterzienserabt Ambrosius von Cerreto ersetzt. Zum Abschluss der Visitation stellte Kardinal Giuliano Cesarini am 15. Oktober 1435 eine Visitationsurkunde aus, deren Inhalt laut Becker von Johannes Rode wesentlich beeinflusst worden war.105 Ambrosius von Cerreto verfasste ebenfalls eine Visitationsurkunde, die aber nicht überliefert ist. Die beiden unterschiedlichen Visitationsurkunden nährten den Streit zwischen Abt und Konvent zusätzlich, weil diejenige des Ambrosius von Cerreto dem Abt, diejenige des Giuliano Cesarini hingegen dem Konvent genehm war.106 Die Vertreter der Benediktiner sahen sich wegen des Konflikts in der Abtei St. Gallen zum Eingreifen gezwungen. In einem Brief an den Abt und Konvent von St. Gallen erklärten sie am 23. März 1436 die Visitationsurkunde Kardinal Giuliano Cesarinis für allein verbindlich, fügten ihr weitere Maßnahmen zur Entschärfung des Streits bei und bestätigten die Aufsichtsfunktion des Abts von der Reichenau.107 Die nächste dokumentierte Visitationsphase zog sich wiederum über mehrere Jahre hin. Eingeleitet wurde sie durch das Provinzialkapitel der Benediktineräbte vom 12. bis zum 14. Mai 1454 in Seligenstadt, welches allen Klöstern gebot, innerhalb eines halben Jahres „sacram ordinis nostri reformationem et observantiam" anzunehmen.108 In diesem Zusammenhang wurde auch die Visitation der Abtei St. Gallen in Auftrag gegeben.109 Unmittelbar danach präzisierten die Präsidenten, Abt Christian Kleingarn von St. Peter in Erfurt und Abt Berthold Gunther von St. Stephan in Würzburg, ihren Mitpräsidenten, den Äbten von Hirsau und Wiblingen, Wolfram Maiser und Ulrich Hablüzel, sowie dem Visitator der Bistümer Konstanz und Chur, Abt Heinrich Riff von Ettenheimmünster, den Visitationsauftrag für die Abtei St. Gallen.110 Aufgrund der Missstände und der Misswirtschaft sei es nötig, die Abtei zu durchleuchten stellender Kommentar zu seinen Consuetudines (= Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 30), Münster 1970, hier: 1-31, 191. 105 UBSG 5, Nr. 3852b (15. Oktober 1435). Siehe dazu BECKER, Reformprogramm (wie Anm. 104), 197. 106 UBSG 5, Nr. 3909 (23. März 1436), 776, Z. 21-23. 107 UBSG 5, Nr. 3909 (23. März 1436). Vgl. auch UBSG 5, Nr. 3852b (15. Oktober 1435), 737 (5), 738 (9). 108 UBSG 6, Nr. 5774 (28. Dezember 1454): rückblickend; vgl. den Provinzialkapitelsrezess Seligenstadt, 12.-14. Mai 1454, in clm 4406 (wie Anm. 5), fol. 123r, Z. 23-28. 109 UBSG 6, Nr. 5700 (28. Juni 1454), 432, Z. 1-3: rückblickend auf den 12. Mai 1454; clm 4406 (wie Anm. 5), fol. 125v, Z. 22-25: „In diocesis uero Constantiensi et Curiensi visitatores erunt domini abbates in Ettenhemmünster et prior in Augusta, demptis dumtaxat utriusque sexus in Schafhusen et sancti Galli monasteriis, in quibus visitabunt domini abbates in Hirsaw, in Wiblingen, Ettenhemmünster." 110 UBSG 6, Nr. 5682 (15. Mai 1454); identisch in clm 4406 (wie Anm. 5), hier: fol. 127r128r.
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und durchgehend neu zu ordnen („gratia visitandi, reformandi, disponendi ac ordinandi in capite et in membris accedatis"), und zwar so häufig wie notwendig. Die Visitatoren wurden mit den nötigen Vollmachten zur Neuordnung ausgestattet, einschließlich der Gewalt zur Suspension des Abtes und Einsetzung eines Verwalters sowie zum Beizug des weltlichen Arms zur Durchsetzung der Reform.111 Am 28. Juni 1454 stellten die Visitatoren eine Visitationsurkunde aus, welche die Klosterverwaltung neu organisierte, insbesondere Abt Kaspar von Breitenlandenberg wieder die volle Verfügungsgewalt über die Abtei zuerkannte.112 Obschon in der Visitationsurkunde selbst nicht vermerkt, wurde auch der Entscheid zur Entsendung eines Dekans ins Kloster St. Gallen zur Überwachung ebendieser Ordnung durch die Visitatoren gefällt.113 Die letzten Visitationen zur Zeit Abt Kaspars von Breitenlandenberg, die freilich schon Züge eines sogenannten Inquisitionsverfahrens trugen, fanden im Jahr 1456 statt.114 Angesichts der anhaltenden Missstände, inneren Streitigkeiten und Widerstände im Kloster St. Gallen beauftragten am 24. Februar 1456 die Äbte Christian Kleingarn von Erfurt und Berchtold Gunther von Würzburg abermals ihre Mitpräsidenten, die Äbte Wolfram Maiser von Hirsau und Ulrich Hablüzel von Wiblingen, mit der Visitation dieses Klosters. Diesmal sollte - als Kenner der Verhältnisse - Ulrich Rösch daran teilnehmen, alle rechtlichen Mittel sollten ausgeschöpft und die erlassene Ordnung nachdrücklich durchgesetzt werden.115 Als Ort zur Befragung des Abts und der Konventualen wurde die Stadt Wil be-
111
Vgl. X 3.35.8 für exemte Klöster. Siehe oben Anm. 97. UBSG 6, Nr. 5700 (28. Juni 1454). 113 UBSG 6, Nr. 5857 (22. August 1454), 481. Vgl. UBSG 6, Nr. 5717 (19. Juli 1454). 114 Das Inquisitionsverfahren bezeichnet vereinfacht ausgedrückt ein durch einen Richter amtshalber aufgrund eines öffentlichen Gerüchts eingeleitetes Verfahren. Vgl. dazu Winfried TRUSEN, Der Inquisitionsprozess, seine historischen Grundlagen und frühen Formen, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 74 (1988) 168-230; Lotte KERY, Inquisitio - denunciatio - exceptio: Möglichkeiten der Verfahrenseinleitung im Dekretalenrecht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 87 (2001) 226-268. Die Verquickungen zwischen den Klostervisitationen und dem Inquisitionsverfahren darf nicht allzu sehr erstaunen, wenn man ihre Gemeinsamkeiten, insbesondere das Ziel der Disziplinierung und Besserung des Klerus und den ex-officio-GsAanksn in der Durchführung von Untersuchungen und Befragungen durch eine höhere Kirchenstelle, im Auge behält. Diese sachliche Nähe schlug sich auch im sanktgallischen Urkundenmaterial nieder. Siehe z. B. UBSG 6, Nr. 6077 (10. September 1457), 567, Z. 13: „a quodam inquisitionis, visitacionis et reformacionis negocio." Vgl. hierzu TRUSEN, Inquisitionsprozess (s.o.), 188-189, 203, 208, 211-212, Anm. 37; KERY, Inquisitio - denunciatio - exceptio (s. o.), 245-246. 115 UBSG 6, Nr. 5916; Nr. 5918 (beide 24. Februar 1456). 112
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stimmt.116 Die Suspendierung Abt Kaspars von Breitenlandenberg und die Einsetzung von Heinrich Schüchti als Pfleger spätestens am 14. März 1456, die Appellation des Abts am 12. März an das auf den 18. April ins Kloster St. Peter zu Erfurt einberufene Provinzialkapitel, die Übertragung der Angelegenheit drei Tage später an ein dazu geschaffenes Gremium und schließlich am 14. September 1457 an die päpstliche Kurie zeigen, wie sich der ursprüngliche Visitationsauftrag immer mehr zu einer rechtlichen Auseinandersetzung entwickelte, der erst Kardinal Enea Silvio Piccolomini am 9. November 1457 mit einem Schiedsspruch ein Ende bereiten sollte.117 In den unruhigen 1450er Jahren, als das Kloster durch den Streit zwischen Abt und Konvent zerrissen war und wirtschaftlich am Abgrund stand, beschränkten sich die äußeren Eingriffe nicht wie früher auf päpstliche Provisionen und Visitationen durch Vertreter des benediktinischen Provinzialkapitels, sondern sie schlössen auch Schiedssprüche und Neuordnungen des Klosters von geistlicher und weltlicher Seite ein. Rechtliche Grundlage für Letztere bot das Burg- und Landrecht der Abtei St. Gallen mit den vier eidgenössischen Orten Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus vom 17. August 1451. Zwar zielte es vorab auf den Schutz bzw. die politisch-militärische Kontrolle der Abtei St. Gallen ab, doch ermöglichten die Garantie der Rechte des Klosters sowie die Vorschrift, im Streit mit Dritten die vier Schirmorte anzurufen, auf das Klosterinnere einzuwirken, zumal äußere und innere Konflikte häufig verwoben waren.118 Die Schiedssprüche, Ordnungen und sonstigen Eingriffe, die alle die Beilegung der Zwistigkeiten zwischen Abt und Konvent, die Behebung der bedrohlichen Wirtschaftslage und die Verbesserung der Verwaltungsorganisation bezweckten, erfolgten entweder allein durch die vier eidgenössischen Schirmorte 116 117
118
UBSG 6, Nr. 5923 (6. März 1456). UBSG 6, Nr. 5929 (14. März 1456). Da die Vorladung des Abts frühestens am 6. März erfolgt sein kann und ihre Nichtbefolgung gemäss UBSG 6, Nr. 5923 (6. März 1456), frühestens nach drei Tagen durch Suspension geahndet werden konnte, dürfte der Abt nicht vor dem 8. oder 9. März 1456 suspendiert worden sein. Wahrscheinlich ist die am 12. März 1456 ausgefertigte Appellation an das Provinzialkapitel (UBSG 6, Nr. 5927) eine Reaktion auf die Suspendierung; diese zeitliche Abfolge ergibt sich mindestens aufgrund von UBSG 6, Nr. 5947 (21. April 1456). Dem Erstbeleg in UBSG 6, Nr. 5924 (7. März 1456), für Heinrich Schüchti als Pfleger liegt möglicherweise ein Irrtum des Verfassers des Verzeichnisses von 1490 zugrunde. Die nächsten Erwähnungen Schüchtis als Pfleger datieren laut UBSG 6, Nr. 5930; Nr. 5932; Nr. 5933, alle vom 14. März 1456. Vgl. auch UBSG 6, Nr. 6078 (14. September 1457); Nr. 6101 (9. November 1457). U B S G 6, Nr. 5291 (17. August 1451), besonders 304 (3), 3 0 4 - 3 0 5 (5). Vgl. Leo CAVELTI,
Entwicklung der Landeshoheit der Abtei St. Gallen in der alten Landschaft, Gossau 1914, 89-90, 95-98; Philip ROBINSON, Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529. Eine Studie zur Entwicklung territorialer Staatlichkeit (= St. Galler Kultur und Geschichte 24), St. Gallen 1995, 9 0 - 9 1 .
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bzw. das Provinzialkapitel oder aber in Zusammenarbeit beider.119 Diese weitgehend intakte Kollaboration, die die Forschung bislang nicht ausreichend gewürdigt hat, äußert sich konkret in den gemischten Kommissionen zur Neuordnung des Klosters St. Gallen am 14. März und 7. September 1456 sowie in den gemeinsamen Rechnungskontrollen wohl im Herbst 1451 und am 21. März 1453.120 Mehrmals riefen die vier Schirmorte das Provinzialkapitel zur Intervention im Kloster St. Gallen auf. Am 12. Mai 1454, also am ersten Tag der ordentlichen Versammlung des Provinzialkapitels in Seligenstadt, erbaten die eidgenössischen Orte die Visitation des Klosters - an der sie übrigens teilhaben sollten - und am 22. Januar 1456 die Teilnahme des Provinzialkapitels an dem schon erwähnten gemeinsamen Schiedsgerichtstag in Wil.121 Zwar erließen die Vertreter der vier eidgenössischen Schirmorte bzw. des Provinzialkapitels auch eigenständig Ordnungen für das Kloster St. Gallen, doch scheinen diese eher einen Grundkonsens als einen Gegensatz zwischen ihnen widerzuspiegeln.122 Seit der päpstlichen Provision Ulrich Röschs zum Pfleger 1457 und zum Abt 1463 sind keine Eingriffe der eidgenössischen Orte auf die innere Klosterorganisation mehr zu verzeichnen, obschon jene durch den Abschluss des sogenannten Hauptmannschaftsvertrags 1479 und dessen Ausbau 1490 ihre politische Kontrolle über die Abtei verstärkten.123 Aus der Regierungszeit Abt Ulrich Röschs sind zwei Visitationen durch je eine (unedierte) Visitationsurkunde bezeugt. Die erste Visitation wurde am 11. November 1469 vom Abt des Klosters Michelsberg bei Bamberg und dem Mönch Johannes Balmer des Klosters Wiblingen ausgestellt, die beide durch das vom 19. bis 21. April 1467 in Bamberg abgehaltene Provinzialkapitel mit der Visitation des Klosters St. Gallen 119
Vgl. SPAHR, Reform 1442-1457 (wie Anm. 1), 10-49. StiASG, Bd. 91, fol. 97r („... vor unserem herren von Wiblingen, maister Hansen Guldin, der aidgenosßen bottes, vor denen von Wyl und andren des gotzhus amptlitten zü verrechnen und rechnung ze geben"); vgl. UBSG 6, Nr. 5301a (20. September 1451). Der Abt von Wiblingen ist als Vertreter des Provinzialkapitels Mainz-Bamberg anzusehen, als dessen Visitator er derzeit amtete. Siehe dazu clm 4406 (wie Anm. 5), fol. 113v (Provinzialkapitelsrezess Würzburg, 23.-25. Mai 1451), fol. 119v-122r (22. September 1451). UBSG 6, Nr. 5528 (21. März 1453); Nr. 5929 (14. März 1456). Die nicht edierte Ordnung ca. vom 7. September 1456 ist umschrieben von ihrem Entdecker SPAHR, Reform 1442-1457 (wie Anm. 1), 43-45. 121 UBSG 6, Nr. 5680 (12. Mai 1454); Nr. 5681 und 5682 (15. Mai 1454); Nr. 5700 (28. Juni 1454); zu den eidgenössischen Vertretern ebd., 433 (8); Nr. 5905 (22. Januar 1456); Nr. 5929 (14. März 1456). 122 UBSG 6, Nr. 5300 (14. September 1451); Nr. 5529 (24. März 1453); Nr. 5587 (6. Oktober 1453); Nr. 5746 (7. Oktober 1454). 123 CAVELTI, Entwicklung (wie Anm. 118), 89-90, 95-98; ROBINSON, Fürstabtei (wie Anm. 118), 90-91. 120
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betraut worden waren.124 Die zweite führten die Äbte der Klöster St. Stephan in Würzburg und Wiblingen durch, die am 12. November 1485 die entsprechende Visitationsurkunde ausfertigten. Etwa ein halbes Jahr früher waren die beiden Äbte auf dem Provinzialkapitel vom 24. bis 26. August in Augsburg damit beauftragt worden.125 Alle dokumentierten Visitationen des Klosters St. Gallen wurden demnach vom Kapitel der benediktinischen Ordensprovinz Mainz-Bamberg, seltener vom Papst und vom Basler Konzil in Auftrag gegeben. Die institutionelle Verankerung im Provinzialkapitel trifft insbesondere auch auf die Reformbemühungen der Jahre 1454-1456 zu, die in der bisherigen Geschichtsschreibung direkt dem Kloster Wiblingen bzw. der Observanz von Subiaco-Melk zugeschrieben wurden. Tatsächlich sind die Visitation des Klosters St. Gallen am 28. Juni 1454, die Entsendung dreier Wiblinger Mönche nach St. Gallen am 19. Juli 1454 und die Neuordnung des Klosters St. Gallens am 14. März 1456 aufs engste mit der Person des Wiblinger Abts Ulrich Hablüzel verknüpft.126 Doch amtete Abt Ulrich 124
StiASG, Bd. 109, fol. 71v-72v, dessen Beginn lautet: „Eberhardus permissione divina abbas monasterii sancti Michahelis montis monachorum Bambergensis ordinis sancti Benedicti una cum assumpto venerabili ac religioso patre Iohanne Balmer professo in Wyblingen prefati ordinis et Constantie diócesis a capitulo provinciali nigrorum monachorum provincie Maguntensis nuper Bamberge in pretacto monasterio solempniter celebrato seu certius auctoritate apostolica visitator per diocesim Constantiensem specialiter deputatus..." Zu den Visitatoren Eberhard III. von Venlo und Johannes Balmer vgl. Josef HEMMERLE, Michelsberg, in: ders. (Hg.), Die Benediktinerklöster in Bayern (= Germania Benedictina 2), Augsburg 1970, 152-157, hier: 154; LINDNER, Album Wiblingense (wie Anm. 53), 39; EBERL, Wiblingen (wie Anm. 49), 662. Zum Provinzialkapitel vom 19.-21. April 1467 im Kloster Michelsberg, Bamberg siehe MAIER, General- und Provinzialkapitel (wie Anm. 5), 214, dessen Rezess überliefert ist in clm 4406 (wie Anm. 5), fol. 161r-164v. Allerdings war laut dem Kapitelsrezess ebd., fol. 164r, ursprünglich als zweiter Visitator der Diözese Konstanz der Abt von Blaubeuren vorgesehen: „In [!] per diocesem Constantiensem visitabunt domini abbates Montismonachorum Bambergensis et Blabeyrensis." 125 StiASG, Bd. 109, fol. 125v-128r, dessen Beginn lautet: „Gregorius sancti Stephani in Herbipoli, Cünradus in Wiblingen, permissione divina monasteriorum abbates, ordinis sancti Benedicti, Herbipolensis et Constantiensis diócesis, a capitulo provinciali Maguntinensis Provincie novissime in Augusta celebrato visitatores specialiter deputati..." Zu den Visitatoren Abt Georg Salzkästner und Abt Konrad II. Ruhe (Rauhe) vgl. Josef HEMMERLE, Würzburg, St. Stephan, in: ders., Die Benediktinerklöster in Bayern (wie Anm. 124), 354358, hier 356; EBERL, Wiblingen (wie Anm. 49), 662. Siehe zum Provinzialkapitel Augsburg, 24.-26. April 1485, den Rezess in clm 4406 (wie Anm. 5), fol. 21 lr: „In diocesi Constantiensi et Curiensi visitabunt domini abbates sancti Stephani Herbipolensis et in Wiblingen." 126 UBSG 6, Nr. 5682 (15. Mai 1454); Nr. 5700 (28. Juni 1454); Nr. 5734 (12. September 1454?); Nr. 5774 (28. Dezember 1454); Nr. 5916 und 5918 (beide 24. Februar 1456); Nr. 5923 (6. März 1456); Nr. 5929 (14. März 1456).
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Hablüzel bei diesen Tätigkeiten nicht als Vertreter der Observanz von SubiacoMelk, die sein Kloster in Wiblingen befolgte, sondern vom 12. Mai 1454 bis zum 18. April 1456 als einer der vier Präsidenten des Provinzialkapitels.127 Die Provinzialkapitelsbeschlüsse von 1439 und 1444 sahen übrigens ausdrücklich vor, dass Reichsabteien wie St. Gallen durch mindestens einen der vier Kapitelpräsidenten mitvisitiert würden.128 Einzig und allein aufgrund der präsidialen Gewalt besaß der Wiblinger Abt die weitreichenden Einfluss- und Eingriffsmöglichkeiten ins Kloster St. Gallen, die er für die Neuordnung der Verhältnisse benötigte.129 Damit sollen keineswegs die zeitlich über seine Jahre als Kapitelvorsitzender hinausreichenden Kontakte und die Verbundenheit mit der Abtei St. Gallen geleugnet werden.130 Diese haben wohl zusammen mit der Zugehörigkeit des Klosters Wiblingen zur Diözese Konstanz und der relativen geographischen Nähe die Wahl zum präsidialen Visitator beeinflusst. Angesichts der Auftraggeber darf es nicht erstaunen, dass in den vier überlieferten Visitationsurkunden (1435, 1454, 1469, 1485) jegliche observanzspezifischen Bezüge fehlen. Dieser Befund ist umso höher zu bewerten, als die Visitationsurkunden für solche Klöster, die eine bestimmte Observanz befolgten oder unmittelbar vor deren Einführung standen, allem Anschein nach normalerweise die Befolgung oder Einführung entsprechender consuetudines vermerkten.131 Insgesamt scheinen die Visitationsurkunden ihren Inhalt vor allem der MAIER, General- undProvinzialkapitel (wie Anm. 5), 214. Ebd., 217, 220. 129 Siehe zur Präsidialgewalt den Provinzialkapitelsrezess von Erfurt in UBSG 5, Nr. 4594 (10. Mai 1444), 71 (7); MAIER, General- und Provinzialkapitel (wie Anm. 5), 218. 130 Siehe Anm. 59 und 60. 131 Vgl. die bei ANGERER, Liturgisch-musikalische Erneuerung (wie Anm. 49), 56, Anm. 114 angeführten Visitationsurkunden für die bayerischen Klöster von 1426: „Ordinamus igitur et volumus, ut beati patris Benedicti regula in presenti monasterio ad instar et similitudinem prefati monasterii Mellicensis aut sánete Marie alias Scotorum Wienne, salvis bonis et rationabilibus consuetudinibus huic loco dumtaxat pertinentibus practicetur et observetur..." ANGERER, Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 33), hier: 31, verweist auf die Vorrede zu den consuetudines von Tegernsee, in der die Visitation und die Einführung der Bräuche von Subiaco-Melk im Jahr 1426 mit Bezug auf die Visitationsurkunde direkt vernetzt sind: „Incipiunt consuetudines et caeremoniae regulares, quas domini visitatores imitandas monasterio in Tegernsee servandasque sanxerunt, secundum quod in charta visitationis et libro caeremoniarum de anno millesimo quandringentesimo [!] vicésimo sexto per eos traditis expressatum est." BECKER, Reformprogramm (wie Anm. 104), 215, zitiert eine Visitationsurkunde von 1446 für das Kloster Reichenau, in der die Befolgung der Trierer consuetudines ausdrücklich angeordnet wird: „ut fratres cerimonias... observent iuxta formam eis traditam a monasterio s. Mathie Treuerensis diócesis." Sie hatten wohl schon 1435 über die Visitationstätigkeit Johannes Rodes 1435 Eingang ins Bodenseekloster ge127
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Regula Benedicti, der Benedictina, den Beschlüssen des Provinzialkapitels von Petershausen und dem weiteren gemeinen Kirchenrecht entlehnt zu haben. In diese Richtung weisen mindestens zahlreiche explizite Verweise,132 die wörtliche Übernahme eines großen Teils des Provinzialkapitelsrezesses vom 19. bis 21. April 1467 in die Visitationsurkunde vom 11. November 1469133 sowie ein aussagekräftiges Sachbeispiel. So forderten die Visitatoren am 11. November 1469 in Übereinstimmung mit dem gemeinen Kirchenrecht als Mindestalter für die Profess volle 14 Jahre,134 während die consuetudines von Subiaco-Melk, Tegernsee und Kastl die höheren Mindestalter von 18 bzw. 17 festschrieben.135
fanden. NIEDERKORN-BRUCK, Melker Reform (wie Anm. 49), 38, Anm. 128, zitiert eine Visitationsurkunde ffir das Kloster Ossiach vom 28. August 1436 mit ausdrücklicher Aufforderung zur Befolgung der Brauchtexte von Subiaco und S. Speco, von denen diejenigen von Melk abgeleitet worden seien. 132 Siehe z. B. die Visitationsurkunden in UBSG 5, Nr. 3852g (15. Oktober 1435), 736 (1), 737 (5, 6. 7), 738 (9, 10, 11); UBSG 6, Nr. 5774 (28. Dezember 1454), 432, Z. 5; Nr. 5682 (15. Mai 1454), 424, Z. 18-19, sowie in StiASG, Bd. 109, fol. 72r (11. November 1469): „Benedicti XII. et alias constitutiones apostólicas"; ebd., fol. 125v (12. November 1485): „Benedicti Pape XII." Die Visitationsurkunde in UBSG 6, Nr. 5700 (28. Juni 1454) befasste sich ausschließlich mit der Beilegung des Konflikts zwischen Abt und Konvent und mit der Neuordnung der Verwaltung, der Einkünfte und der Nutzungsrechte, sodass dort kaum Entlehnungen festzustellen sind. 133 StiASG, Bd. 109, fol. 71v („In primis enim precipimus et mandamus, quatenus vos domine abbas... - ...compaternitatem contrahere permittatis quoquo modo") ist abgesehen von der Erzählperspektive (2. Person - 3. Person) bzw. den Adressaten (Abt und Konvent St. Gallen - alle Äbte und Konvente der Provinz Mainz-Bamberg) grundsätzlich wörtlich identisch mit dem Teil der Disposition des Provinzialkapitelsrezess von 1467, welcher sich mit den zu visitierenden Klöstern befasst, nämlich clm 4406 (wie Anm. 5), fol. 162r, Z. 15 - fol. 163r, Z. 10. 134 X 3.31.8 und Sext. 3.14 (Ed. FRIEDBERG, Corpus iuris canonici. Pars secunda: Decretalium collectiones [wie Anm. 97], 571, 1050-1051. Vgl. George PHILLIPS, Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 2, Regensburg 1872, 1209-1211 (§ 316); Jacques HOURLIER, L'Âge classique 1140-1378. Les religieux (= Histoire du Droit et des Institutions de l'Église en Occident 10), Paris 1971, 182-183. 135
18 Jahre als Mindestalter far die Profess in Subiaco laut CCM 11/1, 115, Z. 5, und in Melk laut CCM 11/2, 144, Z. 3, wobei gemäß 144, Z. 7-8, der Abt mit guten Gründen Ausnahmen billigen kann; 17 Jahre als Mindestalter ffir die Aufnahme ins Noviziat und 18 ffir die Profess nach ANGERER, Bräuche der Abtei Tegernsee (wie Anm. 33), 244, Z. 6-10; 16 Jahre ffir die Aufnahme ins (einjährige) Noviziat in Kastl laut CCM 14/1, 355, Z. 4.
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3. Bilanz der Reformen Das Kloster St. Gallen durchlebte im 15. Jahrhundert zahlreiche Veränderungen gegenüber dem vorangehenden Jahrhundert, die gemeinhin als erfolgreiche Reformen zu werten sind. Zunächst sei auf das Ende des Adelsprivilegs hingewiesen, das mit den bürgerlichen Äbten Eglolf Blarer (1426-1442) und Ulrich Rösch (1463-1491) definitiv aufgehoben war.136 Ein weiterer struktureller Wandel fand mit der Wiedereinführung der vita communis und des gemeinschaftlichen Klosterbesitzes unter Abt Eglolf Blarer statt. Er führte die an bestimmte Klosterämter gebundenen Einkünfte in gemeinen Klosterbesitz über, schuf die privaten Wohnhäuser der Konventualen ab und begann den Bau bzw. Wiederaufbau des Dormitoriums, des Refektoriums und des Münsterchors.137 Nach den konfliktreichen 1450er Jahren vermochte der Pfleger (1457-1463) und Abt (1463-1491) Ulrich Rösch der wirtschaftlichen Misere, die bisweilen die Wegsendung eines Teils des Konvents erforderlich machte,138 ein Ende zu bereiten und die Wirtschaftskraft des Klosters zu steigern.139 Er verbesserte maßgeblich die innere und äußere Verwaltung des Klosters und legte den Grundstein für
136 137
Siehe oben Anm. 98. Bis etwa 1424/1425 erscheinen noch solche Einkünfte, die an die Ämter des Propsts, Kustos und Portners gebunden waren. Die Güter wurden bis dahin manchmal explizit in deren Namen oder an deren Statt durch den Abt verliehen. Siehe die Beispiele UBSG 5, Nr. 2809 (30. S e p t e m b e r 1419); N r . 2 8 4 1 (20. D e z e m b e r 1419); N r . 2 8 6 2 (20. Januar 1420); Nr. 2 8 9 3
(28. M ä r z 1420); N r . 2934 (28. Juni 1420), 211 (b), 222 (e) u n d 236 (6.); Nr. 3128 (26. N o v e m b e r
1422); N r .
3228
(1. J u l i
1424); Nr.
3293
(15. Juni
1425); N r . 3 3 0 6
(28. September 1425); Nachtrag Nr. 15. Nur ein einziger vergleichbarer Beleg datiert noch aus der Zeit Abt Eglolf Blarers (1426-1442); dieser zeigt aber zugleich das Ende der an bestimmte Konventämter gebundenen Einkünfte. So bat Abt Eglolf Blarer 1432 namens des Portners (!) den Abt von St. Blasien, den Zehnten des Gotteshauses St. Gallen, genannt der Portzehend (!), den Konrad und Rudolf von Tannheim innehatten, mit 40 Gulden abzulösen und bis zur möglichen Rücklösung durch den Abt und das Kloster St. Gallen (nicht durch den Portner!) zu besitzen. Siehe UBSG 5, Nr. 3674 (24. Februar 1432). Vgl. VON ARX, Geschichten des Kantons St. Gallen, Bd. 2 (wie Anm. 94), 187-189; HARDEGGER, Baudenkmäler (wie Anm. 22), hier: 86, 90-92; POESCHEL, Kunstdenkmäler 3 (wie Anm. 22), hier: 44-49, 82, 85-86, 93-94. Vgl. diese Reformen im Kloster St. Gallen mit der Zusammenfassung entsprechender Beschlüsse des Provinzialkapitels Mainz-Bamberg bei MAIER, General- undProvinzialkapitel 138
(wie Anm. 5), 2 2 1 - 2 2 4 .
SPAHR, Reform 1442-1457 (wie Anm. 1), 32-33. 139 Eine Steuerrolle der Ordensprovinz Mainz-Bamberg fährt die Abtei St. Gallen im Jahr 1493 unter den leistungsstärksten Klöstern auf und belastete dieses mit der maximalen Steuer von 30 Gulden. Siehe Bruno ALBERS, Eine Steuerrolle für die Benedictinerabteien der mainzischen Provinz vom Jahre 1493, in: Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner- und dem Cistercienser-Orden 20 (1899) 102-122, hier: 115.
Die Reformen des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert
255
den frühneuzeitlichen Territorialstaat.140 Weniger bekannt sind seine Bemühungen um einen würdigen Gottesdienst im Münster und den umliegenden Kapellen im Klosterbezirk, den er mit der sogenannten Frühamtsstiftung 1475 und mit der Fertigstellung des gotischen Chors 1484 bewerkstelligte.141 Seine Sorge um die Klosterbibliothek zeigte sich in der Anschaffung neuer Bücher, dem Erwerb von Nachlässen, der Neuordnung und der Katalogisierung des Buchbestandes sowie der Neubindung defekter Einbände.142 Die Reform des Klosters St. Gallen stieß aber besonders im Bereich der Lebensführung an Grenzen. Die Präsenz weltlicher, darunter auch weiblicher Hilfskräfte für die Küche und Haushaltung im Klosterbezirk,143 eine päpstliche Dispens von der Fleischabstinenz an drei Tagen pro Woche,144 der mehrfache Pfründenbesitz des Konventualen und Rechtsgelehrten Johannes Bischoff nach Abschluss seiner Universitätsstudien145 und die zweifache Vaterschaft Abt Ulrich Röschs146 entsprachen nicht den hohen Idealvorstellungen der Observanzbewegungen wie derjenigen von Subiaco-Melk und teils nicht einmal den gemeinbenediktinischen Reformtexten.147
140
Siehe die unedierten Kloster- und Ämterordnungen in StiASG, Bd. 92, fol. 123v-127r (ca. 1467-1470), und Bd. 109, fol. 75r-78v (1470). Vgl. Alfred ZANGGER, Zur Verwaltung der St. Galler Klosterherrschaft unter Abt Ulrich Rösch, in: Werner Vogler (Hg.), Ulrich Rösch, St. Galler Fürstabt und Landesherr, St. Gallen 1987, 151-188; ROBINSON, Fürstabtei (wie Anm. 118). 141 Philipp LENZ, Stiftungen und Memoria unter Abt Ulrich Rösch (1463-1491), in: Peter Erhart, Jakob Kuratli Hüeblin (Hg.), Bücher des Lebens - Lebendige Bücher, St. Gallen 2010, 234-239. 142 Johannes DUFT, Abt Ulrich Rösch als Förderer der Stiftsbibliothek, in: Vogler, Rösch (wie Anm. 140), 65-79; LENZ, „nüwe bücher" (wie Anm. 68). 143 Siehe die Kloster- und Ämterordnungen in StiASG, Bd. 92, fol. 125v (ca. 1467-1470), und Bd. 109, fol. 77r-v (1470), wo neben einem Knecht, einem Koch, einem Küchenknaben auch eine Haushälterin und eine Dienstmagd erwähnt sind, die sich unter anderem um die Betten kümmerten. Gegen solche und ähnliche Verhältnisse äußert sich die Bulle Summi magistri dignatio in: CHERUBINI, Magnum Bullarium Romanum (wie Anm. 4), 231, c. 18-19. 144 StiASG, Bd. 1, S. 2 4 7 - 2 4 9 ; Regesten zur Schweizergeschichte aus päpstlichen Archiven 1447-1513, 4. Heft: Das Pontifikat Sixtus IV. 1471-1484, bearb. v. Caspar Wirz, Bern 1 9 1 3 , 7 8 - 7 9 , Nr. 1 9 8 . Zur Frage der Fleischabstinenz siehe NIEDERKORN-BRUCK, Melker Reform (wie Anm. 4 9 ) , 7 5 - 7 9 ; GROISS, Spätmittelalterliche Lebensformen (wie Anm. 9 1 ) , 1 8 3 - 1 8 8 ; Ulrike TREUSCH, Bernhard von Waging ,De esu carnium' in theologischer und historischer Perspektive in diesem Band. 145 Paul STAERKLE, Beiträge zur spätmittelalterlichen Bildungsgeschichte St. Gallens (= Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 40), St. Gallen 1939, 191-192, Nr. 174. 146 Ebd., 9 0 - 9 1 ; Magdalen BLESS-GRABHER, Abt Ulrich Rösch und Wil, in: Vogler, Rösch (wie Anm. 1 4 0 ) , 2 1 7 - 2 3 9 , hier: 2 3 1 - 2 3 3 . 147 Vgl. MAIER, General- und Provinzialkapitel (wie Anm. 5), 223.
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Angesichts der vielen Facetten der Reformen im Kloster St. Gallen gestaltet sich die Suche nach ihren Ursachen schwierig. Seit Spahr ortet die Forschung in den benediktinischen Reformbewegungen von Fulda/Hersfeld, Kastl und Subiaco-Melk/Wiblingen die wichtigsten Impulse für die Reformen im Kloster St. Gallen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Demgegenüber haben wir die Wirksamkeit der Hersfelder, Kastler und Wiblinger Reformmönche auf das Innenleben der Abtei St. Gallen, die über die momentane Behebung der personellen Schwäche des Konvents hinausging, unterschiedlich beurteilt und besonders für die Kastler und Wiblinger Mönche bezweifelt. Gerade die dreifach in St. Gallen vorhandenen Consuetudines Sublacenses konnten wohl nie Geltung beanspruchen, sondern standen dem St. Galler Abt zusammen mit weiteren, etwa gleichzeitigen Hersfelder, Kastler und Zisterzienser Brauchtexten als ,,Summe[n] bewährter Lebensmöglichkeiten" zur Verfügung, aus denen er das auswählen konnte, was ihm forderlich und mit der Haustradition vereinbar schien.148 Im Vergleich zu diesen drei Reformbewegungen haben wir die Einwirkungsmöglichkeiten des Provinzialkapitels Mainz-Bamberg auf das Kloster St. Gallen kraft seiner Statuten, rechtlichen Sanktionsmechanismen und regelmäßig vorgesehenen Versammlungen und Visitationen günstiger beurteilt, obwohl gerade Letztere viel seltener in St. Gallen stattfanden, als die Statuten festschrieben. Seine größte Wirksamkeit erreichte das Provinzialkapitel zweifelsohne in Zusammenarbeit mit der päpstlichen Kurie, dem Basler Konzil und den vier eidgenössischen Schirmorten in der Lösung konkreter Probleme und der Anordnung existenzsichernder Maßnahmen, die teils durch ordentliche Visitationen, teils auf anderen Wegen veranlasst wurden und in die Suspension und Absetzung unfähiger Äbte sowie in die mehrmalige Neuordnung der Verwaltung des Klosters mündeten. Schwenkt man entsprechend den von uns ausgemachten Trägern der Reform den Blick von den observanzspezifischen consuetudines und litúrgica auf die gemeinbenediktinischen Reformtexte, dann ändert und verbreitert sich auch der zugrundeliegende Reformbegriff, an dem die Erneuerung des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert zu messen ist. Während die consuetudines von Kastl und Subiaco-Melk vor allem das klösterliche officium divinum und die Klosterämter regelten,149 enthielten die Benedictina und die Beschlüsse des Provinzialkapitels Mainz-Bamberg sowohl Anweisungen zum klösterlichen Leben als auch zur weiteren Organisation und Verwaltung des Klosters. Unter diese fallen die gute 148
Symptomatisch die Vereinigung verschiedener normativer Texte im Cod. Sang. 928. Siehe zum Inhalt CCM 14/1, XIX-XX. Klaus SCHREINER, Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform, in: Hagen Keller et al. (Hg.), Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Akten des Internationalen Kolloquiums 17.-19. Mai 1989 (= Münstersche MittelalterSchriften 65), München 1992, 37-75, hier: 44. 149 CCM 11/1-2; CCM 14/1-2.
Die Reformen des Klosters St. Gallen im 15. Jahrhundert
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Buchführung und die regelmäßige Rechnungslegung, die Sicherung der Rechte und des Besitzes, das Anlegen von Inventaren, die Sorge um die Urkunden, den Kirchenschmuck und die Bücher, die grundsätzliche Versorgung der Mönche in Form von Nahrung und Kleidung und nicht durch Geldzuweisungen sowie die Förderung der klosterinternen und universitären Studien.150 Die Forderungen zur Rechnungsführung, zum Verwaltungsschriftgut (Zinsbücher, Urbare, Inventare) und zur Besitzwahrung finden sich häufig in den Visitationsurkunden und Schiedssprüchen zuhanden des Kloster St. Gallen vermittelt.151 Die Verbesserung der Klosterverwaltung durch Visitationen und Schiedssprüche seitens des Provinzialkapitels, der päpstlichen Kurie, des Basler Konzils und der vier eidgenössischen Schirmorte Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus seit dem Petershausener Provinzialkapitel 1417 bis in die 1450er Jahre erscheint als die größte Errungenschaft der Reformen des Klosters St. Gallen, sie wurde zu einem großen Teil den Bemühungen benediktinischer Klosterreform geschuldet. Abt Ulrich Rösch schöpfte aus diesem Erbe und befreite sich zugleich von der äußeren Einwirkung auf das Konventleben, indem er ca. 1467-1470 und 1470 zwei eigene Kloster- und Ämterordnungen erließ.152 Die benediktinischen Klosterreformen liefern - völlig unbeachtet von der Forschung zur „Schriftlichkeit" und zur „Ausbildung des frühneuzeitlichen Territorialstaates" im Gebiet der Abtei St. Gallen - mindestens eine Teilerklärung für diese beiden Phänomene.153 Die hervorragenden Leistungen entfielen auf die innere und äußere Klosterverwaltung, während sich die Hebung des geistlichen Lebens im Kloster St. Gallen auf die wichtigsten Grundsätze der vita communis und des ordentlichen officium divinum beschränkte und das Mittelmaß nicht überschritten haben dürfte. Deshalb versuchten 1485 die Visitatoren, den St. Galler Abt zu überzeugen, Mönche eines Reformklosters bei sich aufzunehmen und eigene Mönche zur Erlernung der regulären Observanz in ein Reformkloster zu entsenden.154 Nach all dem Gesagten ist wohl auch der Stoßrichtung der Gesamtbeurteilung des Klosters
150
Die Bulle Summi magistri dignatio in: CHERUBINI, Magnum Bullarium Romanum (wie Anm. 4), 218-237, hier: c. 3, 6-9, 13, 15, 17, 28; ZELLER, Provinzialkapitel (wie Anm. 93), 52-63, c. 14, 22, 24-27, 29-30. 151 UBSG 5, Nr. 3852 (15. Oktober 1435), 736-737 (4-5); UBSG 6, Nr. 5300 (14. September 1451), 308, Z. 34-40; Nr. 5587 (6. Oktober 1453), 398 (4-5); Nr. 5700 (28. Juni 1454), 432-433 (4, 7, 8); Nr. 5746 (7. Oktober 1454), 445 (2), 446-447 (19); Nr. 5929 (14. März 1454), 512 (5). 152 StiASG, Bd. 92, fol. 123v-127r; Bd. 109, fol. 75r-78v. 153 So allgemein schon SCHREINER, Verschriftlichung (wie Anm. 1 4 8 ) , besonders 6 4 - 6 7 . Für das Kloster St. Gallen auf die Ursprünge des Staates fixiert und deshalb einseitig auf den weltlichen Bereich beschränkt ZANGGER, Verwaltung (wie Anm. 1 4 0 ) , 1 5 1 - 1 8 8 , und ROBINSON, Fürstabtei (wie Anm. 1 1 8 ) . 154 StiASG, Bd. 109, fol. 127r (12. November 1485).
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St. Gallen durch die strengen Visitatoren beizupflichten: „invenimus temporalia competenter disposita et gubernata, spiritualia vero quoad fundamentalem monastice vite institutionem in multis claudicare, ita quod ex vestra conversatione nec calidi nec frigidi, quin potius tepidi comprobamini, que utique tepiditas sacra testante scriptura nauseam Deo facere perhibetur [vgl. Ape 3,15-16]." 155
155
StiASG, Bd. 109, fol. 125v (12. November 1485).
Beda Maria Sonnenberg
Die Entdeckung der Benediktsregel im spätmittelalterlichen Reformkloster Kastl und in seinem literarischen Umfeld
„Die Entdeckung der Benediktsregel im spätmittelalterlichen Reformkloster Kastl und in seinem literarischen Umfeld" ist ein Thema, das zunächst befremdlich erscheint. Muss in einem Benediktinerkloster, in dem die Mönche unter Regel und Abt leben, die Benediktsregel entdeckt werden? Anders ausgedrückt: Können Abt und Mönche in einem Benediktinerkloster leben und ihre gemeinsame Grundlage, nämlich die Regula s. Benedicti, vergessen? Der Titel wird verständlicher, wenn „Entdeckung" als „neues Verständnis" gedeutet wird. Wenn wir über die „Entdeckung der Benediktsregel im spätmittelalterlichen Reformkloster Kastl und in seinem literarischen Umfeld" nachdenken, steht uns die älteste spätmittelalterliche benediktinische Reformbewegung im bayerischen Raum vor Augen. Gründungsgeschichte, Herkunft und Besitzverhältnisse der Abtei bildeten die Grundlage für ein eigenständiges, geistliches Territorium benediktinischer Prägung. Dass dies ein langwieriger äußerlicher und innerlicher Prozess war, der eine äußerste Konzentration auf den Raum verlangt, liegt offen auf der Hand. Um sich diesem Thema in theologiegeschichtlicher Weise zu nähern, ist es zunächst notwendig, im ersten Abschnitt die Grundlagen der Abtei zu betrachten; sie haben das Kloster bis zu seiner Auflösung begleitet. In einem zweiten Abschnitt wird auf den Umgang mit der Benediktsregel in den Constitutiones Hirsaugienses fokussiert. Diese Rechtstexte hatten in der Benediktinerabtei Kastl bis zur Abfassung der Consuetudines Castellenses Geltung. Für die spätmittelalterliche Entwicklung des Regelverständnisses müssen auch die Verlautbarungen der Päpste und die Beschlüsse der Provinzialkapitel berücksichtigt werden. Im letzten Abschnitt wird der Umgang mit der Regula s. Benedicti in den Consuetudines Castellenses eingehend untersucht. Am Ende unserer Überlegungen folgt die Antwort auf die anfangs aufgeworfene Frage nach der Neuentdeckung der Benediktsregel im spätmittelalterlichen Reformkloster Kastl und in seinem Umfeld.
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1. Grundlagen der eigenständigen geistlichen Herrschaft der Abtei Kastl 1.1 Gründung des Klosters Die Bestätigungsurkunde von Papst Paschalis II. für die Benediktinerabtei Kastl nennt vier Stifter: Berengar II., Friedrich von Kastl-Habsberg, dessen Sohn Otto von Habsberg und Luitgard, Tochter von Herzog Berthold I. von Zähringen, einer Schwester des Bischofs Gebhard von Konstanz.1 Die vier Stifter sind durch Ernst I. von Schwaben miteinander verwandt. Die Kastler Reimchronik schildert die Gründungssituation der Abtei: „Uf dem Nortgev und dapei / Lank und preit lie er im frei / 95. So wildez Land nie wart gezalt. / Und hiez auch daz der Nortwalt / Da giengen Tier fraissam / Viel mer dann Frawen oder Man / Hertzog Ernestus Sa ze Han / 100. Fvr wider in daz Selant / Da nam er Frawen und Man. / All die er mohte gehan / Alt und iunge ungezalt / Und fürt sie in den Nortwalt / 105. Der im ze Aigen was gegeben / Do musten sie mit Sorgen leben ... / 115. Den Livten gab man Gewalt / Daz si abrvitten den Walt / Stain und Stoek man umbkerd / Allez nach perhafter Erd / Da der Welt nv wart ernevt / 120. Do merket man Ekker als noch hevt. / Wisen Veit reht iederman / Darnach und er schold han." 2
Dem Text ist eine Landschaftsbeschreibung des Nordgaus zu entnehmen, der sich in seiner Länge und Breite als wildes Land zeigt, in dem mehr Tiere als Menschen wohnen. Gerade die großen Waldflächen prägten das Landschaftsbild bis zum heutigen Tag; aus diesem Grund heißt der Nordgau auch Nordwald. Der Eigentümer dieser Region, Graf Ernst I. von Schwaben, siedelte hier Männer und Frauen an, die aus dem Seenland kamen, das sich nur schwer lokalisieren lässt. Sie rodeten die Wälder, drehten Stock und Stein um und haben so das Land um Kastl urbar gemacht. Die Maßnahmen waren so umfassend, dass man es heute noch, also zur Zeit des Autors, an den Äckern erkennen kann.3 Die Nennung des Grafen Ernst I. von Schwaben ist für die Gründung der Benediktinerabtei Kastl von größter Bedeutung, da er in verwandtschaftlicher Be-
1
2 3
Vgl. Joseph MORITZ, Stammreihe und Geschichte der Grafen von Sulzbach, Bd. 2 (= Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Historische Classe, Band 1,2,2), München 1822, 141 (Anm. 29). Ebd., 124. Vgl. Karl BOSL, Das Nordgaukloster Kastl. Gründung, Gründer, Wirtschafts- und Geistesgeschichte, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 89 (1939) 1-186, hier: 40.
Die Entdeckung der Benediktsregel
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ziehung zu Herzog Otto von Schweinfurt stand.4 Ernst I. gab sein Erbe Kastl und Lauterhofen an seine beiden Töchter weiter. Diese familiären Beziehungen zum Haus Schweinfurt, zu den Zähringern und zu weiteren Adelsfamilien auf dem Nordgau sind gleichsam der Boden der Kastler Klostergründung, die auf das Jahr 1098 bzw. 1103 zurückgeht.5 Über die Grundausrichtung der Benediktinerabtei Kastl und der sich ergebenden Lebensgewohnheiten gibt die schon erwähnte Bestätigungsurkunde von Papst Paschalis II. Auskunft. Dieser gewährt dem Kloster und seinen Besitzungen Rechtsfreiheit und die Aufnahme in seinen päpstlichen Schutz.6 Die Nähe zum Papst kommt auch im Patrozinium zum Ausdruck: Kirche und Kloster sind dem hl. Petrus geweiht. Mit der päpstlichen Urkunde wurden der Abtei weitreichende Möglichkeiten gegeben, dem klösterlichen Lebensraum und der Wirtschaftsführung eine eigene Gestalt zu geben. Der Erwerb, der Unterhalt und die Verwaltung der Güter liegen dauerhaft im Verantwortungsbereich des Klosters. Die Wahl des Abtes erfolgt nach den Vorgaben der Regula s. Benedicti. Ferner wird den Mönchen zugesichert, einen Vogt ohne Einmischung Dritter wählen zu können.7 Durch die von Papst Paschalis II. gewährten Freiheiten ergab sich für die Mönche die Möglichkeit, ihren Lebensbereich selbständig zu gestalten. 1.2 Herkunft der ersten Mönche im Kontext familiärer
Beziehungen
Die familiären Beziehungen spielen auch für die Klostergründung eine wichtige Rolle. Die Stifterin, Luitgard von Zähringen, ist die Tochter Bertholds I. von Zäh-
4
5 6
7
Vgl. Franz HEIDINGSFELDER, Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt. Bis zum Ende der Regierung des Bischofs Marquard von Hagel 1324. (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe 6), Erlangen 1938, 91. Vgl. ebd., 18. „Quem nimirum locum in ius proprium Beati Petri, et sedis apostolicae tutelam excipientes, deinceps ab omni mortalium grauamine liberum permanere Sancismu. Decernimus itaque, ut quascunque possessiones idem locus in praesentiarum possidet, siue in futurum, largiente Domino, concessione Pontificum, liberalitate Principum, Vestra seu quorumlibet fidelium oblatione, iuste et canonice adipsci, firma Semper et integra conserventur, eorum, pro quorum sustentatione et gubernatione concessa sunt, usibus futura." MORITZ, Stammreihe, 141f. (Anm. 2 9 ) . Ebd., 142 (Anm. 29): „Sane abbatem nullus illis, qualibet subreptionis astutia, seu violentia praeponatur, nisi quem fratres communi consensu, vel fratrum pars consilii sanioris de suo, si dignum inuenerint, vel de alieno, si oportuerit, collegio, secundum Die timorem et Beati Benedicti regulam elegerint. Abbas vero cum fratribus aduocatum sibi, quem utiliorem prouiderint instituant, qui si postmodum monasterio inutilis fiierit, fratribus grauis, remoto eo alium praeficiant."
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Sonnenberg
ringen und Schwester des Bischofs Gebhard III. von Konstanz.8 Vor seiner Wahl zum Bischof von Konstanz 1084 war Gebhard Mönch in Hirsau.9 Bischof Gebhard III. (von Konstanz) leitete 1085/86 eine monastische Erneuerung des bischöflichen Eigenklosters Petershausen bei Konstanz ein. Er setzte den bisherigen Abt Liutold ab und ersetzte ihn durch den Hirsauer Konventualen Otto, auf den noch im selben Jahr der Hirsauer Prior Theoderich als Abt folgte.10 Im Bodenseekloster Petershausen sorgte Abt Theoderich dafür, dass die Benediktsregel in ihrer ganzen Strenge eingehalten wurde. Der Erfolg seiner Reform war durchschlagend: Die Zahl der Priestermönche erhöhte sich auf 40 und die der Konversen auf 50." 1103 musste Abt Theoderich mit 12 Mönchen aus Petershausen flüchten. Über Benediktbeuern gelangten sie nach Kastl. Dort wurden sie von Bischof Gebhard III. von Konstanz, Otto von Habsberg, dessen Vater Friedrich von KastlHabsberg und einer weiteren Anzahl von Adeligen, Verwandten, Nachbarn und Freunden empfangen.12 Die Kastler Reimchronik hebt besonders Friedrich von Kastl-Habsberg hervor, wenn sie betont: „Der hup die ersten Stift hie an / Genant was er Her Friderich / Und für in den Orden williclich / Von dem hernach mer stet geschriben. / 180. Wie er sein Leben hab vertriben.[.. .?]"13 Die hier ansässigen Adeligen statteten die Klostergründung entsprechend aus. Noch im gleichen Jahr begann Abt Theoderich mit dem Bau der Klosterkirche. Es ist davon auszugehen, dass die Klostergründung auf dem Nordgau dem Bischof von Eichstätt, Eberhard I. von Hildrizhausen, persönlich entgegenkam. Dieser leitete das Bistum Eichstätt von 1099 bis 1112. Er war der Sohn des Grafen Heinrich von Hildrizhausen (bei Hirsau im Schwarzwald) und der Beatrix, Tochter des schon genannten Otto von Schweinfürt, Markgraf auf dem Nordgau und von 1048-1057 als Otto III. Herzog von Schwaben.14 Bischof Eberhard war mit der Stifterfamilie von Kastl verwandt, da der Klostergründer Friedrich von Kastl-Habsberg der
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12
Vgl. Carl WOLFF, Kastl. In: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 6, 2. völlig neu bearbeitete Auflage, Freiburg 1961, 14-16, hier: 14. Vgl. Franz QUÄRTHAL, Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. (= Germania benedictina, Band 5), 2. Auflage, St. Ottilien 1987, 485. Ebd. Vgl. Pirmin LINDNER, Professbuch der Benediktiner-Abt ei Petershausen. Mit einem Anhang: Die Aebte und Religiösen der ehemaligen Benediktiner-Reichsabtei Isny (= Fünf Professbücher süddeutscher Benediktiner-Abteien. Beiträge zu einem Monasticonbenedictinum Germaniae, Band 5), Kempten, München 1910, VH Vgl. Otto FEGER, Die Chronik des Klosters Petershausen (= Schwäbische Chroniken der Stauferzeit., Band 3), 2. Aufl., Nachdr. der Ausg. 1956, Sigmaringen 1978, 157.
13
MORITZ, Stammreihe,
14
HEIDINGSFELDER, Regesten,
129. 91.
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Schwager der Bertha/Alberada von Schweinfurt war.15 Von ihm spricht die Kastler Reimchronik wie folgt: „Den Marcgraven von Sweinfurt / Die gebar Hern Eberhart / 230. Der datz Eystet Bisschof wart / Er wart ein vil gar selic Man."16 Das Geschlecht der Grafen von Hildrizhausen stand räumlich und familiär in Kontakt zum Kloster Hirsau. Gerade in der Phase (1103-1108), in der Abt Theoderich daran ging, die Klosterkirche zu bauen, schenkte Bischof Eberhard seinem Bruder Otto, der Mönch der Abtei Hirsau war, Güter. Dies geschah vor dem Jahr 1112.17 1.3 Wirtschaftliche Grundlage der Benediktinerabtei
Kastl
Wenngleich familiäre Hintergründe die Klostergründung begünstigten, ergaben sich durch Güterbesitz und -tausch weitere Berührungspunkte mit dem Eichstätter Bischof, auf die die Reimchronik hinweist. Diese müssen deshalb besonders genannt werden, weil sie den Status einer exempten Abtei unterstreichen. Auf Bitten seiner Verwandten stimmte Bischof Eberhard von Hildrizhausen einer Zehntbefreiung zu, die vier Dörfer (Lippertshofen, Eitensheim, Möckenlohe und Buxheim) in der Gegend zwischen Eichstätt und Ingolstadt betraf. Es ist nicht sicher, ob diese Zehntbefreiung bereits unter Bischof Eberhard stattfand oder unter seinem Nachfolger Udalrich I. (1112-1125). In der Reimchronik heißt es: „Von dem ich daz gelesen han / Daz er als noch Bisschof tut / Nam in des Bischtums Gut / 235. Einhalb Eystet lagen Eigen / Die man nach wol kan gezeigen / Die waren hie der Herren / Daz sie niht nahen lagen / 240. Eins Wehseis hi do pflagen / Wan die Herren schon und gar eben / Dem Pischof musten Zehent geben / Nu geschach in einer Frist / Als man in dem Salbuch liest / 245. Mit Bet komen den Pischof an. Her Ott und auch Her Herman. Wan er irr Mumen Suon. Nar ir Bet so must er tuon. / Leuppoldshoven, Eyotenshaim / 250. Megenlach und Pvhsensheim / must der Pischof in do haben. / Und all die Zehent die sie gaben. / Geaigent er dem Closter hie / Der Wehsei also do ergie."18
Aus der Reimchronik geht hervor, dass die besagten Güter im Besitz des Bischofs Eberhard von Hildrizhausen waren und als Lehen an die Grafen Otto und Hermann von Habsberg weitergegeben worden waren. Diese waren gegenüber dem Bischof zehntpflichtig. Die Grafen Otto und Hermann traten nun an den Bischof mit der Bitte heran, die Orte dem Kloster zu übergeben. Damit wurde der Zehnt nicht mehr an den Bischof, sondern an die Benediktinerabtei Kastl gegeben. Von größter Wichtigkeit ist hier, dass dem Bischof daran gelegen war, die Eigenständigkeit und
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Ebd.
16
MORITZ, Stammreihe,
132f.
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MORITZ,
Stammreihe, Ebd., 134.
96.
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Wirtschaftskraft der Abtei durch die Güter- und Zehntübertragungen deutlich zu stärken und zu unterstreichen. Aber von nicht geringerer Bedeutung, gerade im Hinblick auf die späteren allgemeinen schismatischen Vorgänge, sind die Ausführungen über die sakramentenrechtlichen Verbindungen zwischen Kastl und Eichstätt. Die Bestätigungsurkunde von Papst Paschalis II. besagt, dass das Chrisam, die heiligen Öle, die Konsekration von Altären und die Weihe von Klerikern im Verantwortungsbereich des Bischofs liegen, unter der Voraussetzung, dass dieser in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom steht.19
2. Lebensgewohnheiten der Mönche in Kastl die Constitutiones Hirsaugienses Die Herkunft der Mönche, der Bau des Klosterkirche, die urkundlichen Überlieferungen, die familiären Beziehungen, die besitzrechtlichen Verhältnisse, die politischen Zusammenhänge und die geschichtlichen Hintergründe weisen die neugegründete Benediktinerabtei Kastl als ein Kloster hirsauischer Prägung aus. Die Benediktinerabtei Kastl hat wie die Abtei Mehrerau ihren Ursprung in Petershausen. Wie Hirsau war das Bodenseekloster Petershausen ein bischöfliches Eigenkloster. Unter der Leitung des Bischofs Gebhard III. von Konstanz wurde das Kloster Petershausen reformiert und vom vormaligen Hirsauer Prior und späteren Abt Theoderich geleitet. Der Konvent von Kastl kam aus Petershausen und lebte nach den Constitutiones Hirsaugienses. Darauf deutet eine Gebetsverbrüderung mit St. Peter in Salzburg hin. Die Abtei St. Peter in Kastl wurde in den Salzburger Liber confraternitatum recentior aufgenommen.20 Rechtlich unterschied sich Kastl von seinem Mutterkloster Petershausen darin, dass es ein päpstliches Eigenkloster und kein Kloster bischöflichen Rechts war. Dadurch war den Mönchen die Möglichkeit gegeben, ihre eigene Lebensform in allen Schattierungen, von der Liturgie bis zur Güterverwaltung, im benediktinischen Sinn auszuprägen. Wie in Hirsau und Petershausen ist auch in Kastl davon auszugehen, dass der Konvent ein strenges Leben entsprechend der Regel des hl. Benedikt führte.
19
20
MORITZ, Stammreìhe, 142 (Anm. 29): „Chrisma, oleum sanctum, consecrationes altarium, ordinariones clericorum ab episcopo, in cuius dioecesi sunt, eiusdem loci fratres accipiant, siquidem gratiam et communionem Apostolicae sedis habuerit, et si ea gratis ac sine prauitate voluerit exhibere." Vgl. BOSL, Das Nordgaukloster Kastl, 149.
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Der Lebens- und Wirtschaftsraum des Klosters wird durch Brauch- und Rechtstexte, den Constitutiones Hirsaugienses, gestaltet, die als Aktualisierung der Regula s. Benedicti zu verstehen sind. Durch die Verschriftlichung erhalten die Lebensgewohnheiten eine neue, verlässliche Gestalt und damit Dauerhaftigkeit. Die Übernahme der Constitutiones Cluniacenses in Hirsau zeigt sich als geschichtlicher Prozess. Den Winter 1077/78 verbrachte der päpstliche Legat in Deutschland, Abt Bernhard von St. Victor (Marseille), im Kloster Hirsau und trat mit dem dortigen Abt Wilhelm in Kontakt. Vermutlich wurde Abt Hugo von Cluny durch Abt Bernhard auf das Schwarzwaldkloster Hirsau aufmerksam.21 Für die Überbringung und Einführung der Constitutiones Cluniacenses in Hirsau kommt dem Mönch Ulrich von Cluny die entscheidende Rolle zu. Vor 1061 war er mit Wilhelm, dem späteren Abt von Hirsau, und mit seinem Bekannten Gerald in St. Emmeram in Regensburg zusammen. 1061 traten Ulrich und Gerald in Cluny ein. 1079 trafen sich Ulrich von Cluny und Abt Wilhelm in Hirsau. Bei dieser Begegnung erbat sich Abt Wilhelm eine Abschrift der umfangreichen Constitutiones Cluniacenses, die er den Verhältnissen in Hirsau anpasste.22 Die Constitutiones Hirsaugienses bestehen aus zwei Büchern. Das erste Buch umfasst 103 Kapitel und das zweite 79 Teilabschnitte. Im Prologus des ersten Buches schildert Abt Wilhelm, wie die Constitutiones Cluniacenses nach Hirsau kamen. Das erste Buch beginnt mit den Novizen und endet mit dem Brauch der täglichen Fußwaschung. Das zweite Buch wird mit der Wahl des Abtes eingeleitet und schließt mit der Bestattung verstorbener Mönche. Während der Schwerpunkt des ersten Teiles der Hirsauer Brauchtexte auf dem monastischen und liturgischen Brauchtum liegt, befasst sich der zweite Teil vorwiegend mit klösterlichen Ämtern und Aufgaben. Von großem Interesse ist natürlich, wie darin die Regula s. Benedicti und die benediktinische Frömmigkeit zum Tragen kamen. Aus den Constitutiones Hirsaugienses geht hervor, dass den Mönchen von Hirsau der heilige Benedikt als der Urheber der Benediktsregel gilt. Auf ihn beziehen sich die Mönche, wenn es darum geht, die Anrede des Abtes mit „Abt" und „Herr" zu rechtfertigen.23 Das Buch, in dem die Regula s. Benedicti niedergeschrieben wurde, weist Besonderheiten auf, da diese Handschrift nicht nur den Text der Regel enthält, sondern darüber hinaus auch die Namen der besonderen Wohltäter und derer, mit 21
22 23
Vgl. Gerd ZIMMERMANN, Wilhelm von Hirsau. Von 1030-1091. In: Hermann Haering, Lebensbilder aus Schwaben und Franken. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg herausgegeben. (= 9. Band der als schwäbische Lebensbilder eröffneten Reihe), Stuttgart 1963, 1-17, hier: 8. Ebd., 4. „... quibus abbas vocatur et domnus; quia et S. Benedictas auctor regulae hujus erat et officii." Abbas WILHELMUS, Constitutiones Hirsaugienses seu Gengenbacenses 1,21. In: Jacques Paul Migne (Hg.), Patrologia Latina (= PL) 150 (952 A).
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denen die Mönche in spezieller Verbindung standen.24 Zusätzlich wurden in das Anniversarium des Regelbuchs die Namen der verstorbenen Mönche eingetragen. Auf dem Hintergrund des Totengedächtnisses kommt diesem Buch eine große Bedeutung zu. Deshalb durften Namen nur mit der Erlaubnis des Abtes eingetragen werden.25 Immer wieder berichten die Constitutiones Hirsaugienses, dass aus dem Regelbuch vorgelesen wurde. So wurde täglich nach der morgendlichen Messe die Benediktsregel im Kapitelsaal verlesen und auch erklärt.26 Sollte die Predigt für die Professmönche zu lange dauern, ist dies dem Prior zu melden.27 Den Novizen soll an einzelnen Tagen eine kleine Unterweisung gegeben werden, indem über die Regula s. Benedicti gepredigt wird.28 Gerade wenn das Kapitel über den Zellerar im Kapitel vorgelesen wird, sollen die Mönche ihre Liebe zu diesem Mitbruder zeigen.29 Sehr oft wird auf die Regel als Richtschnur hingewiesen: Sie bildet die Grundlage im Umgang mit den Schenkungen30, mit den Novizen und der Zulassung zur Profess, mit Schuld31 und mit der Wahl des Abtes32. Herrschen Unklarheiten, so ist nach der Regula s. Benedicti zu verfahren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Handschrift der Benediksregel als ein Liber memorialis gelten kann, in dem der Regeltext und zusätzlich die verstorbenen Mönche und Wohltäter verzeichnet sind. Täglich wurde aus diesem 24
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,,In códice vero, quo regula S. P. B. descripta erat solummodo notabantur illustriores benefactores, et qui singulari foedere monachis conjuncti erant." Ebd. 11,17. In: PL 150 (1059 D). Ebd. (1060D) „Quotidie matutinali missa audita in capitulum fratrum veniunt, ibique super scamnum et scabellum, quae sunt in dextra parte prope ostium sedent, nullo se intermiscente, nisi solo illorum magistro. Ibi quoque sedent, usque dum sententia regulae lecta sit et expósita, sive ut in festis diebus solet, lectio evangelica." Ebd., 1,72. In: PL 150 (1000C). „Haec et his similia in priorem reclamantur, ... si sermonem, qui de Evangelio vel de regula est, plus solito protraxerit ..." Ebd., 11,17. In: PL 150 (1060A). „In privatis diebus aliquando cum admonitiuncula, quae illis congruat, ut in melius proficiant, incitantur. Interdum etiam quaedam de regula, quae eis expediant, praedicantur. Post vero de ordine instruuntur." Ebd. 1,3. In: PL 150 (936B). „Eo die, quo sententia Regulae (c. 31) de illo legitur, in capitulo habent de ipso fratres charitatem." Ebd. 11,43. In: PL 150 (1103B). „Si autem, cum venerint, aliquas in monasterio res attulerint, faciant secundum regulam S. Benedicti donationem earum (lib. n, c. 36)." Ebd., 1,1. In: PL 150 (931B). „Missus in culpam leviorem ita se habet, ut ipsa quoque sibi regula praescribit." Ebd., 1,57. In: PL 150 (987C). „Frater qui contumax, aut inobediens, vel in aliquo contrarius sanctae regulae exstiterit, hie quoque secundum regulam est tractandus." Ebd., n,5. In: PL 150 (1043A). „Tandem vero secundum regulam S. Benedicti (cap. 64) electo abbate, in ipso capitulo imponit prior antiphonam. Confirma hoc, Deus." Ebd., n,l. In: PL 150 (1039A).
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Werk vorgelesen. Im Anschluss daran wurde der Text durch eine Auslegung oder eine Predigt interpretiert. Es fällt auf, dass einzelnen Kapiteln der Regula s. Benedicti im Kontext des klösterlichen Lebens eine besondere Bedeutung zugemessen wurde.
3. Ordensreform im 13. und 14. Jahrhundert Die Reformmaßnahmen des Benediktinerordens wurden hauptsächlich durch die Päpste Innozenz III. (1198-1216), Gregor IX. (1227-41), Innozenz IV. (1243-54) und Benedikt XII. (1334-41) initialisiert und weiterentwickelt. Von weitreichender Bedeutung ist das 4. Laterankonzil (1215), denn im Dekret In singulis regnis sive provinciis führte Papst Innozenz III. für die Benediktiner die Provinzialkapitel ein, die im Spätmittelalter sehr wichtig wurden. In diesem Dekret werden wegen der Einführung der Provinzialkapitel den Benediktineräbten auch Äbte von Zisterzienserklöstern an die Seite gestellt, da diese in der Durchführung von Provinzial- und Generalkapiteln langjährige Erfahrungen hatten.33 Einen wichtigen und aufschlussreichen Einblick in die Lesung der Benediktsregel geben die Statuta ordinis nigri des Papstes Gregor IX. (1227-41), die dieser zwischen 1235 und 1237 verfasste. Sowohl in der Redaktion A als auch in der Fassung B heißt es, dass in vielen Klöstern nur von wenigen die Regula s. Benedicti verstanden wird, wenn sie vorgelesen wird. Aus diesem Grund schreibt Papst Gregor IX. vor, dass die Regel, wenn sie im Kapitel vorgetragen wird, wegen der weniger Gebildeten von demjenigen, der das Kapitel hält oder dem die Auslegung übertragen wurde, in der Landessprache erklärt werden soll.34 Obgleich sich zahlreiche Äbte von Papst Gregor IX. (1227-41) und Papst Innozenz IV. (1243-54) von der Teilnahme an den Provinzialkapiteln dispensieren ließen, wurden zahlreiche Äbteversammlungen durchgeführt, so 1253 in Salzburg, 33
34
„Sie [die Äbte] sollen aber zu Beginn dieser Neuregelung zwei benachbarte Äbte aus dem Zisterzienserorden liebevoll einladen, die ihnen durch Rat und Tat gute Dienste leisten werden, da sie in der Abhaltung von Kapiteln solcher Art aus langer Erfahrung reichliche Übung haben."; vgl. Raymon FOREVILLE, Lateran I-IV. (= Geschichte der ökumenischen Konzile, VI), Mainz 1970, 412f.: „Ein derartiges Kapitel soll einige Tage lang nach dem Brauch der Zisterzienser gefeiert werden, und man soll sich auf ihm gewissenhaft mit der Reform des Ordens und der Beobachtung der Regel befassen." „Ceterum, quia in multis monasteriis a paucis intelligitur Regula, cum legitur, precipimus ut lectio Régulé, que legitur in capitulo, propter minores statim exponatur in vulgari ab illo qui capitulum tenet, vel ab alio cui ipse duxerit injungendum." GREGORIUS , Statuta ordinis nigri, Cap. 45, in: Luden Auvray (Hg.), Les registres de Grégoire IX. Recueil des bulles de ce pape. Publ. ou analysées d'après les manuscrits originaux du Vatican par Lucien Auvray (= Bibliothèque des Écoles Françaises dAthènes et de Rome, Série 2), Paris 1907, 317- 332, hier: 329.
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1259 in Erfurt, 1261 in Salzburg, 1262 in Trier, 1275 in Salzburg und 1293 in Fulda. Am Provinzialkapitel, das 1259 in Erfurt stattfand, nahm auch der Abt von Kastl teil. Bezüglich des täglichen Kapitels wird festgelegt, dass die Mönche jeweils unter der Wahrung der gebotenen Würde und entsprechend der Regula s. Benedicti einen Vortrag über den Orden und das religiöse Leben erhalten sollen.35 Ein dem Konzil von Vienne (1311-12) zugeschriebenes Dekret „Ne in agro", das offensichtlich von Papst Clemens V. verfasst wurde, bestätigt die Reformstatuten seines Vorgängers Innozenz III. Bezüglich der Regula s. Benedicti fordert es, dass die Regel im Kapitel vorzulesen ist und für die jüngeren Mitbrüder in der Landessprache ausgelegt werden soll.36 Größten Einfluss bei der spätmittelalterlichen Reform der Orden hat Papst Benedikt XII. (1334-42). In die Reform der Orden brachte er seine Erfahrung als Zisterzienser ein. Von größter und weitreichendster Bedeutung ist die Bulle Summi magistri dignatio, die er 1336 publizierte. In 39 Kapiteln geht er auf die Leitung des Ordens, des klösterlichen Lebens, der klösterlichen Wirtschaftsführung und der Studien ein. Bezüglich der Regula s. Benedicti schreibt er, dass diese täglich in den Kapiteln verlesen und in der Landessprache entweder durch den Abt oder den Prior ausgelegt werden soll. Im Vergleich mit der Anweisung von Clemens V. fällt auf, dass die landessprachliche Deutung der Benediksregel nun allen Mönchen gilt. Von größter Wichtigkeit ist, dass diese täglichen Zusammenkünfte der klösterlichen Gemeinschaft als „nervus monasticae disciplinae", als „Nerv der monastischen Ordnung" bezeichnet wird.37 Vergleicht man nun diese Entwicklung mit der Entstehung deutschsprachiger Handschriften der Benediktsregel, so ist hier eine parallele Entwicklung zu erkennen: „[Die Zunahme der deutschsprachigen Regelüberlieferungen] setzt im 13. Jahrhundert ein, steigert sich im 14. Jahrhundert und hat einen ersten Höhepunkt im 15. Jahrhundert, in dem die Herstellung deutschsprachiger Regelexemplare 35
36
37
Vgl. Barbara FRANK, Das Erfurter Peterskloster im 15. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Klosterreform und der Bursfelder Union (= Studien zur Germania Sacra, Band 11 ; Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 34), Göttingen 1969, 365. „Regula quoque quum in capitalo legitur, ab ilio, qui preest ipsi capitalo, vel alio, cui hoc ipse iniunxerit, propter iuniores vulgariter exponatur." Clem, m, 10, 1, § 2 (Aemilius FRIEDBERG, Corpus iuris canonici. Editio Lipsiensis secunda. Pars secunda: Decretalium collectiones, Graz 1955, 1167). „Rursus quia per quotidianam & ordinatam factionem Capitali regularis fortificatur, & durât nervus monasticae disciplinae ... Et quotiens régula pronunciata fuerit a lectore per Presidentem ipsi capitalo, vel alium cui hoc ipse injunxerit, eisudem regulae sententia vulgariter exponatur." BENEDICTUS , Summa magistri dignatio, Cap. 5, zitiert nach: Laerzio Cherubini, Magnum bullarium Romanum, Tomus 1, Luxemburg 1727, 218237, hier: 222.
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gegenüber dem 14. Jahrhundert um das Achtfache gesteigert wird."38 Die zunehmende Erstellung deutscher Texte der Regel im 14. Jahrhundert lässt daher mehrere Folgerungen zu: Es ist zunächst davon auszugehen, dass in den Abteien ein Zuwachs an jungen Mitbrüdern zu vermuten ist. Sodann zeigt sich ein gesteigertes Interesse am Verständnis der Benediktsregel, obgleich der Bildungsstand und die Kenntnis der lateinischen Sprache eher gering waren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Reformbemühen der Päpste Erfolg gezeigt hat.
4. Das Werden der Kastler Reform und die Entstehung der Consuetudines Castellenses Im Kontext der Melker und der Bursfelder Reform ist die Kastler Reform die älteste spätmittelalterliche Benediktinerreformbewegung im bayerischen Raum. 1399 stirbt Abt Otto Nortweiner von Kastl, der die Consuetudines Castellenses abgefasst hat. Dies geht aus dem Prolog der Brauchtexte hervor. Galten in der Benediktinerabtei Kastl bis weit in das 14. Jahrhundert hinein die Constitutiones Hirsaugienses, so werden diese durch die Consuetudines Castellenses abgelöst. Abt Bonifaz Wöhrmüller von St. Bonifaz in München hat die Kastler Reform gründlich untersucht und ist zur Erkenntnis gekommen, dass die Consuetudines Castellenses eine Umarbeitung der Constitutiones Hirsaugienses darstellen. Durch einen Vergleich der Gliederung beider Brauchtexte und der schriftlichen Quellen kann diese Erkenntnis nur zu einem Teil bestätigt werden, denn in den Consuetudines Castellenses finden sich auch neue und zusätzliche Themen. 4.1 Die neuen Themen in den Consuetudines Castellenses und ihre literarischen Quellen Versucht man die neuen Themen in den Consuetudines Castellenses zu systematisieren, so ergeben sich folgende Teilbereiche: Neue Ämter, Chorgebet, Dienste, Eucharistiefeier, Lesung, Kleidung, Noviziat und Konversen. Folgende Kapitel sind neu: über die Dienste des Subpriors und des Praepositus; über den Pförtner und seine Helfer; über den Vestiar und seine Aufgabe; über den Verantwortlichen für die Novizen und die jungen Mitbrüder; über die Aufnahme von Novizen; über den Novizenmeister der Konversen; über die Weise des Singens, des Anstimmens der Antiphonen und der Psalmen; über die Laudes, die anderen Tagzeiten und das damit verbundene Brauchtum; nach welcher Ordnung die 38
Franz SIMMLER, Zur deutschsprachigen handschriftlichen Überlieferung der Regula Benedicti, in: Makarios Hebler (Hg.), Regulae Benedicti Studia. Annuarium Internationale, Band 16/1987, St. Ottilien 1989, 137-204, hier: 186.
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Eucharistie gefeiert werden soll; wie sich die Priester und Meßdiener bei einer öffentlichen Messe verhalten sollen; über die Privatmessen; nach welcher Ordnung sich der Konvent bei der Messe verhalten soll; wie sich die Brüder während der Zeit der Lesung verhalten sollen; über die Korrektur der Bücher; über die Aufgabe des Notars und der Schreiben; über die Disziplin und Ordnung im Refektorium; über das Verhalten der Mitbrüder gegenüber den Gästen; über das Reisen und die Handarbeit; welche Dienste von den Mitbrüdern wahrgenommen werden können und wie sie sich darin verhalten sollen und über das Konverseninstitut. Untersucht man nun die schriftlichen Quellen der oben genannten Themen, so ist festzustellen, dass Abt Otto Nortweiner auf verschiedene Quellen Zugriff hatte: Ein besonderes Interesse galt der Regula s. Benedicti, sodann den Texten benediktinischer Provenienz: den Constitutiones Hirsaugienses, den Regelkommentaren des Bernhard von Montecassino und des Petrus Boherius. Es finden sich verschiedene kirchliche Rechtstexte, hier ist besonders die Bulle Summi magistri dignatio des Papstes Benedikt XII. zu nennen. Sodann sind Auszüge aus theologischen Abhandlungen, wie De sacro altaris mysterio des Papstes Innozenz III., zu lesen. Aus dem Kartäuserorden und den benediktinischen Reformorden, wie den Zisterzienser- und den Kamaldulenserorden, wurden Texte und Abhandlungen übernommen. Hier sind die Texte des Bernhard von Clairvaux und des Petrus Damiani hervorzuheben. Schließlich sind liturgische Quellentexte zu nennen: das Sacramentarium fuldense, der Liber usuum, das Sacramentarium Gelasianum, der Liber Ordinarius (Lüttich) und der Liber pontificalis. 4.2 Die vertiefte Kenntnis der Regula s. Benedicti Bevorzugter Ort der Lesung und der Auslegung der Benediktsregel in der Benediktinerabtei Kastl ist das Kapitel, in dem täglich die Mönche und die Gäste zusammenkommen. Nachdem alle Platz genommen haben, trägt der Lektor einen Abschnitt aus der Regel vor. Diese Lesung wird mit dem Vers Tu autem beendet.39 Jeden Tag muss ein Kapitel oder ein Abschnitt mittlerer Länge daraus vorgelesen werden.40 Ein besonderes Merkmal ist die Form des Vortrages der Regel und eines Regelkommentars: An einem Tag soll der Text vorgetragen werden, am darauffolgenden Tag der Regelkommentar des Bernhard von Montecassino, der wiederum mit einem Kommentar eigener Wahl wechselt, das heißt die Mönche und Gäste 39
40
„De capitulo et fratrum correctione [...] Postquam omnes residerint, incipiat lector lectorem de regula. Qua finita per Tu autem accipiat tabulam et legat breve, si ipso die legendum fuerit. Et dum breve recitatur, qui nomen suum intellerit, inclinet."; zitiert nach: Consuetudines Castellenses, hg. von Kassius Hallinger (= Corpus consuetudinum monasticarum 14,1) Siegburg 1999, 291. „De capitulo et fratrum correctione. Nulla tarnen dies praetereat, cum regula legitur in capitulo, quin unum lectum capitulum vel medium prolixum legatur." Ebd., 294.
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hören an vier Tagen in der Woche die Regula s. Benedicti, an zwei Tagen den Regelkommentar des Bernhard von Montecassino und an einem Tag einen eigens gewählten Kommentar.41 Ein weiteres besonderes Merkmal besteht darin, dass der Prior oder ein anderer aus dem Konvent den Textabschnitt der Benediktsregel zu interpretieren hatte. Den Konversen sollte der Text in der Landessprache erklärt werden, den Mönchen in lateinischer Sprache.42 Aus den Consuetudines Castellenses geht nicht hervor, ob der Prior auch die Regelkommentare erläuterte. Ein anderes Merkmal besteht ferner darin, den Gästen einen Einblick in die Regula s. Benedicti und deren Auslegungen zu gewähren. Nach dem Vortrag der Texte und der Erläuterungen mussten die Gäste den Kapitelsaal verlassen, damit der Konvent interne Angelegenheiten besprechen konnte.43 Abt Otto Nortweiner war deutlich bemüht, die Lesung der Benediktsregel nicht zu sehr auszudehnen, um die Mönche nicht zu ermüden. Doch darüber hinaus ist auf folgendes Phänomen der Verinnerlichung der Regula s. Benedicti hinzuweisen: Im Hinblick auf das Abtsamt wird dem Amtsinhaber geraten, das Kapitel über die Eigenschaften des Abtes und seine Wahl zu lesen, damit er weiß, was zu tun und was zu lassen ist.44 Der Prior soll häufig das 48. Kapitel der Benediktsregel („Die Ordnung für Handarbeit und Lesung") lesen und es in sein Gedächtnis einprägen, damit er diejenigen, die gegen die Regel handeln, korrigieren kann.45 Ähnliches wird dem Praepositus und dem Zellerar des Klosters geraten: Er soll das 65. bzw. 31. Kapitel und die Ausführungen in den
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„De capitalo et fratrum correctione ... Potest etiam alternatis diebus legi Bernhardus Cassinensis vel unus alius regulae expositor, ita ut una die legitur textus regulae, alio die expositio. Si vero nimis prolixum capitulum regulae sit et tempus expositionem non patitur, media pars in sequentem diem exponenda reservetur." Ebd., 293 (Textfassung E); vgl. Beda Maria SONNENBERG, „An einem Tag lesen - am nächsten auslegen". Mittelalterliche Kommentare zur Benediktsregel und ihre Erklärung von RB 64,15, in: Erbe und Auftrag 83 (2007, 1) 30-41. Vgl. ders.: „One day read - the next day interpret". Medieval commentaries on RB and their explanation of RB 64.15, in: The American Benedictine review 60 (2009, 2) 135-145. „De priore claustri ... Ceterum quotiens regula pronuntiata fuerit in capitalo a lectore, secundum constitutionem Benedicti papae per priorum seu praesidentem ibidem vel alium, cui hoc ipse iusserit, eiusdem regulae sententia vulgariter praesentibus conversis, alias vero monachis in latino exponatur.", zitiert nach: Consuetudines Castellenses, hg. von Kassius Hallinger (= Corpus consuetudinum monasticarum 14,1), Siegburg 1999, 58. „De recipiendis noviciis ... Post lectionem et expositionem regulae in capitalo factam cum aliis hospitibus iubetur exire nex permittitur secretis conventualibus interesse." Ebd., 363. „De officio abbatis ... Totumque illud capitulum de qualitate et aliud de ordinando abbate frequenter relegere, ut sciat, quid facere debeat aut cavere. ..." Ebd., 22. „De priore claustri ... Denique quadragesimum octavum capitulum regulae immo totam regulam debet frequenter relegere, relectam menti firmiter imprimere, ut eam contra delinquentes sciat prompte allegare." Ebd., 59.
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Consuetudines Castellenses häufig lesen und für sich wiederholen. Dadurch sollen sie verinnerlichen, was sie zu tun und zu lassen haben.46
5. Die Entdeckung der Benediktsregel im spätmittelalterlichen Reformkloster Kastl und in seinem literarischen Umfeld Zusammenfassung Von seiner Gründung her versteht sich die Benediktinerabtei Kastl als ein exemptes geistliches Territorium, das anfangs unter den Constitutiones Hirsaugienses von Abt Theoderich geleitet wurde. Geistliche Grundlage und Richtschnur ist neben der Heiligen Schrift die Regula s. Benedicti, die den Novizen und Mönchen in lateinischer Sprache vorgelesen und gedeutet wurde. Viele Mönche des 13. Jahrhunderts verstanden aufgrund ihrer Bildung den lateinischen Text dieser Regel nicht. Der Inhalt blieb ihnen verschlossen. Deshalb musste ein neuer sprachlicher Zugang zur Benediktsregel geschaffen werden. Papst Gregor Di. verlangte, dass die Regel vulgariter, also in der Landessprache, erklärt werden müsse. Hier zeichnet sich ein entscheidendes Signum der spätmittelalterlichen Klosterreform ab: Die Tatsache, dass die Regula s. Benedicti in die Landessprache übersetzt wurde, weil die sprachlichen Barrieren zu hoch waren, zeugt von einer neuen Lebenssituation. Damit die Regel gelebt werden konnte, musste sie übersetzt werden, damit sie von den Mönchen und Konversen verstanden werden konnte. Aber es geht nicht allein um das Verständnis des Textes. Die Dokumente der spätmittelalterlichen Ordensreformen legen großen Wert auf die Verinnerlichung des Textes, damit sie in die Tat umgesetzt werden können. Deshalb wird einigen Amtsträgern in Kastl der Rat gegeben, einzelne Kapitel immer wieder zu lesen, zu wiederholen und zu meditieren. Die Inhalte der Benediktsregel sollen in Fleisch und Blut übergehen, damit die Verantwortlichen ihr Tun und Lassen automatisch nach ihr ausrichten. Aber auch hier versuchen die Consuetudines Castellenses den unterschiedlichen Mönchen möglichst gerecht zu werden. Offensichtlich waren im 14./15. Jahrhundert der Bildungsstand und die sprachliche Gewandheit der Kastler Mönche so hoch, dass man bisweilen wieder darauf verzichten konnte, die Benediktsregel vulgariter, also in der Landessprache, auszulegen.
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„De officio praepositi ... Totumque illud sexagesimum quintum capitulum de praeposito monasterii debet frequenter relegere, sed et istud praesentis nostrae consuetudinis aliquotiens ruminare, ut sciat, quid facere debeat et quid cavere." Ebd., 71. „De cellerario ... Istud etiam capitulum legere saepius non omittat, ut melius et promptius, quid facere et quid cavere debeat, scire possit." Ebd., 127.
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Jegliche Reformen der Kirche und der Klöster zielen auf den konkreten Menschen ab. Ausgehend davon, dass jeder Mensch seine persönlichen Voraussetzungen mitbringt, ist die Regula s. Benedicti den konkreten Menschen auf ihre Weise verständlich zu machen. Dies geschieht dadurch, dass die Lebenswelt der Menschen bei der konkreten Vermittlung auch heute noch entsprechend berücksichtigt wird.
Victoria Hohenadel
Otium und contemplatio. Reform aus dem Geist der Antike
Tückelhausen liegt etwa 20 km südlich von Würzburg auf dem Lambertusberg, einem Höhenzug bei Ochsenfurt. Schon im frühen Mittelalter hatte sich hier aus einer Reihe von Klausen eine augustinische Gemeinschaft gebildet. 1138 wurde eine Prämonstratenserabtei gegründet, die 1349 aufgehoben und 1351 als Cella salutis schließlich dem Orden der Kartäuser übergeben wurde.1 Die damals getätigten Umbauten in die für den Orden typischen Kartäuserhäuschen sind auch heute noch fast vollständig erhalten und werden überwiegend privat bewohnt und genutzt. Neben der ehemaligen Bibliothek, in der eine Ausstellung für moderne regionale Kunst untergebracht ist, können noch der Kapitelsaal sowie eine Musterzelle besichtigt werden. Unter den fünf anderen fränkischen Kartausen Grünau, Würzburg, Astheim, Ilmbach und Nürnberg ist Tückelhausen somit nicht nur eine der früheren Gründungen, sondern auch eine der besonders gut erhaltenen. Etwa 100 Jahre nach ihrer Gründung wurde die Cella salutis von Tückelhausen zum Austragungsort einer Kontroverse, die letztlich eine Rechtfertigung ihres eigenen Namens forderte: Zelle des Heils. Darin tritt der Kartäusermönch Jakob von Tückelhausen namentlich hervor, der mit keinem Geringeren einen Disput über „Wert und Rangordnung der idealen geistlichen Lebensform"2 führt als mit dem Eichstätter Bischof Johann von Eych. Dieser ist uns sowohl als engagierter Reformer seines Bistums als auch als Mitglied eines humanistischen Kreises in 1
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Zum Kloster Tückelhausen siehe: Ernst-Günther KRENIG, Tückelhausen in Vergangenheit und Gegenwart, in: Heinz Pritzl (Hg.), Ochsenfurt. Lebendige Tradition und wirkungsvolle Gegenwart, Ochsenfurt 1986, 128-135; James Lester HOGG, Die Kartause Tückelhausen, in: Michael Koller (Hg.), Kartäuser in Franken (= Kirche, Kunst und Kultur in Franken 5), Würzburg 1996, 101-108, hier: 101f.; Barbara SCHOCK-WERNER, Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn 1573-1617. Struktur, Organisation, Finanzierung und künstlerische Bewertung, Regensburg 2005, 291-293. Alfred WENDEHORST, Das Bistum Eichstätt 1. Die Bischofsreihe bis 1535 (= Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches, Neue Folge 45: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz), Berlin - New York 2006, 213.
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Eichstätt bekannt.3 Johann studierte an der Universität in Wien, verbrachte aber auch einige Jahre in Padua, wo er mit dem italienischen Humanismus in Berührung kam.4 Aeneas Silvio Piccolomini gehört ebenso zu seinem Bekanntenkreis wie der Kardinal Nikolaus von Kues, mit dem er über Fragen zur Reform in Kontakt stand. Als Gesandter des Königs Albrecht II. auf dem Basler Konzil lernte Johann die Reformdekrete kennen, deren Umsetzung er nach seiner Wahl zum Bischof, die am 1. Oktober 1445 unter großem Beifall des Volkes stattfand,5 energisch betrieb. Im Mittelpunkt standen vor allem die Reform der Orden und des Klerus. Neben der Verbesserung der klösterlichen Observanz galt sein besonderes Augenmerk aber den Seelsorgern und Predigern, durch deren Bildung er den Zustand der bedrohten Kirche zu verbessern glaubte. Als er 1458 mit dem Kartäusermönch Jakob in Kontakt tritt, steht Johann im Zentrum seiner Reformtätigkeit. Über seinen Briefpartner Jakob von Tückelhausen dagegen ist wenig bekannt. Aus den überlieferten Daten wird er kaum greifbar. In den Aufzeichnungen der Kartause Tückelhausen wird ein Jakob von Rothenburg namentlich erwähnt, der von 1463 bis 1468 in Tückelhausen das Amt des Priors innehatte.6 Er ist vermutlich unser Kartäuser. Sein Tod wird 1473 an das Generalkapitel des Ordens gemeldet.7 Über das Datum seines Klostereintritts ist uns nichts bekannt. Erst in dem Briefwechsel mit dem Eichstätter Bischof wird seine Person in den Quellen erkennbar. Er ist ein Mönch, dessen Lebensideal auf den Prüfstand gestellt wird. Insgesamt sind drei Briefe von ihm überliefert, die alle an Johann von Eych gerichtet sind. Zwei davon stehen in direktem Kontext mit vorliegendem Disput.8 Ein 3
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Alfred WENDEHORST, Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 2), 216; Ernst REITER, Art. Johann von Eych, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, 2. Aufl. (= 2VL), Bd. 4 (1983), Sp. 591-595, hier: Sp. 591f. Alfred WENDEHORST, Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 2 ) , 2 0 3 . Ebd., 205. Friedrich STÖHLKER, Die Rektoren und Prioren der Kartause Tückelhausen 1351-1803, in: Robert Rackowitz (Hg.), Ehemalige Kartause „Cella Salutis" Tückelhausen, Ochsenfurt Tückelhausen 1982, 44-56, hier: 50. Dieter MERTENS, Art. Jakob von Tückelhausen, in: 2 V L , Bd. 4 ( 1 9 8 3 ) , Sp. 4 9 5 - 4 9 7 , hier: Sp. 4 9 5 . Der Briefwechsel zwischen Jakob von Tückelhausen und Johann von Eich besteht aus insgesamt drei Briefen, die allesamt in der Bayerischen Staatsbibliothek München überliefert sind: 1. Die Antwort des Kartäusers Jakob datiert auf den 1.11.1458 auf ein vorausgegangenes, nicht überliefertes Schreiben von Johann (clm 3819, fol. 206v-209v; clm 15222, fol. 58r-72v neue Zählung; clm 18610, fol. 211r-215v); 2. Die Antwort des Bischofs Johann datiert auf den 1.12.1458 (clm 3819, fol. 221r-222v unvollständig; clm 18610, fol. 27r-29r); 3. Die Antwort des Kartäusers Jakob datiert auf den 18.1.1459 (clm 3819, fol. 210r-212r; clm 18610, fol. 220r-223v). Die Briefe 1 und 2 sind zudem gedruckt bei Johann Heinrich von Falckenstein, Codex diplomaticus antiquitatum Nordgaviensium, Frankfurt - Leipzig 1733, 271-278. Frau Dr. Glaßner danke ich für den Hinweis, dass ein
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dritter, undatierter Brief, oder vielmehr ein Gutachten, stammt von einem „gewissen Kartäuser" - cuiusdam Carthusiensis.9 Der Verweis auf eine für Johann von Eych verfasste epístola exhortatoria lässt Dieter Mertens auf Jakob von Tückelhausen als Verfasser schließen.10 Die Haltung, die Jakob im folgenden Streit mit dem Eichstätter Bischof einnimmt, findet man bei dem Erfürter Kartäuser Jakob von Jüterborg oder auch Jakob von Paradies wieder, der wenige Jahre früher mit Johannes Hagen über die ars bene vivendi, „die rechte Kunst zu leben", im Austausch stand. Jakob von Jüterborg postuliert in seinen Schriften, dass das Mönchtum der einzig sichere Weg zum Heil sei und bestätigt somit den Vorrang der vita contemplativa; damit trifft er in erheblichem Maße den Stand des Weltklerus, der gezwungen wird, seine Lebensform gegenüber dem kontemplativen Mönchtum zu rechtfertigen." Johannes Hagen dagegen, der sich nicht wie der Erfurter Jakob von der vita activa in die Einsamkeit des Kartäuserordens zurückgezogen hatte, sondern mit seinen Schriften aus dem Orden heraus tätig wird,12 verfährt wesentlich gemäßigter und versucht, ein Gegengewicht zu schaffen. Anders aber als in dieser Auseinandersetzung, in der zwei Männer des gleichen Ordens aufeinandertreffen, zwei Kontrahenten, die doch das gleiche Gelübde abgelegt und sich für die gleiche Lebensform entschieden haben, trifft im vorliegenden Fall der Kartäusermönch auf den Weltkleriker. Der Einsiedler und Weltflüchtige schreibt aus seiner Zelle dem Erneuerer und Seelsorger, der sich die Reform zum Ziel seines Lebens gemacht hat. Der erste erhaltene Brief zwischen Jakob von Tückelhausen und Johann von Eych, der auf den 1. November 1458 datiert ist, ist die Antwort des Kartäusers auf eine Bitte des Eichstätter Bischofs um eine epistula exhortatoria bzw. eine epístola excitatoria alicuius devotionis, die nicht überliefert ist, deren Auftrag sich aber aus der Antwort rekonstruieren lässt: „Ich habe am Tag zuvor erfahren, dass
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Auszug aus dem Brief des Johann von Eich vom 1.12.1458 an Jakob von Tückelhausen auch in Melk überliefert ist: Melk, Cod. 1835 (olim 416, H 32), p.671-673. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 18548b, fol. 234r-240r; clm 4403, fol. 123r129v (neue Zählung); clm 15180, fol. 153r-157v. Dieter MERTENS, Art. Jakob von Tückelhausen (wie Anm. 7), 469; dieser Brief ist ediert bei Paul Gerhard SCHMIDT, Amor transformat amantem in amatum. Bernhard von Waging an Nicolaus Cusanus über die Vision einer reformunwilligen Nonne, in: John Marenbon (Hg.), Poetry and philosophy in the middle ages. A Festschrift for Peter Dronke (= Mittellateinische Studien und Texte 29), Leiden - Boston - Köln 2001, 197-215, hier: 201-215. Paul Gerhard Schmidt ediert den Text nach clm 4403, fol. 123r-129v (neue Zählung) und clm 15180, fol. 153r-157v. Als Verfasser zieht er den Tegernseer Prior Bernhard von Waging in Betracht. Dieter MERTENS, Iacobus Carthusiensis. Untersuchungen zur Rezeption der Werke des Kartäusers Jakob von Paradies (1381-1465) (= Veröffentlichungen des Max-PlackInstituts für Geschichte 50; Studien zur Germania Sacra 13), Göttingen 1976, 232f. Dieter MERTENS, Iacobus Carthusiensis (wie Anm. 11), 234.
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Ihr wünscht, dass ich Euch etwas schreibe." Und wenige Sätze später gibt er an, was der Bischof wünscht: „Ihr bemüht Euch darum, von mir zu erreichen, dass ich Euch, ehrwürdiger Vater, eine Mahnschrift oder eine Anleitung zu einer bestimmten devotio schreiben soll."13 Der Anfang des Briefes ist mehr als nur rhetorische Floskel, wenn Jakob nicht nur auf Johanns ehrenwerten und beispielhaften Ruf verweist, der sich schon im ganzen Land herumgesprochen hat, sondern auch seinen besonderen Eifer lobt, den er bei der „Ausrottung der herumhurenden Priester", exstirpatio fornicantium sacerdotum, wie auch bei der Reform der regularis disciplina beweist.14 Johann hatte sich vor allem bei der Reform der Orden und des Klerus als eifriger Erneuerer einen Namen gemacht. Jakob fährt mit dem Bescheidenheitstopos fort und stellt die Frage, ob er überhaupt geeignet sei, der Anfrage des Bischofs nachzukommen. Er ringt mit sich, ob er diese Bitte erfüllen dürfe, denn weise Menschen unterrichten zu wollen sei Hochmut, Festentschlossene zu verbessern unklug. Doch wenn er nicht antworte, erscheine er ungehorsam, antworte er aber, laufe er Gefahr, der Unbesonnenheit beschuldigt zu werden. Auch wenn er sich nichts sehnlicher wünsche als die Worte der Briefe zu kosten, fürchte er sich doch, die reverentia gloriosissima des Bischofs als Unwissender anzusprechen. Und doch vertreibe die Liebe ihm die Furcht (1 Joh 4,18), und er komme dem Wunsch seines Briefpartners nach.15 Der Kartäuser bringt mit deutlichen Worten die Gefahren und Schwierigkeiten des Bischofsamtes zum Ausdruck: Es verlangt perfectio. Wer keinen festen Stand auf der Leiter der Tugenden hat, wird unweigerlich fallen. Für solche sieht Jakob nur die ruina damnosa. Für ihn kann es in den gegenwärtigen Zeiten keinen führenden Geistlichen geben, der nicht zwangsläufig vom rechten Weg abgebracht wird. Einen Praelatus perfectus gibt es nicht.16 Diese schlechten Prälaten nun wirken als schlechte Vorbilder weiter, denn ist es schon schwer zu wissen, wie man sich leiten lässt, wie viel schwerer ist es dann, die Kunst des Leitens zu beherrschen, argumentiert Jakob und nennt als seine Autorität Gregor vonNazianz. 17 Und wie leicht werden schlechte Angewohnheiten weitergegeben, während Gutes doch so schwer zu vermitteln ist. Angesichts dieser Gefahren und Schwierigkeiten erscheint dem Kartäuser die Bitte des Bischofs, er solle ihm eine epistula exhortatoria schicken, sinnlos. Vielmehr müsse sich der Bischof unter diesen Umständen fragen, was die Prälaten tun müssen, damit sie nicht den Sturz vom Berg
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Johann Heinrich von Ebd. Ebd. Ebd.
FALCKENSTEIN,
GREGORIUS NAZIANZENUS,
Oratio
Codex dìplomatìcus (wie Anm.
2,10.
Patrologia Graeca, Bd.
8), 2 7 1 .
35 (1885), 420.
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der kirchlichen Ämter in die Tiefe der ewigen Verdammnis erleiden müssen.18 Die Antwort auf diese Frage liegt für den Mönch in der vita contemplativa. Nur wenn sich die mens pastoralis von Zeit zu Zeit zurückzieht - in secreto recipiatK - und sich von den weltlichen Dingen abwendet, kann sie sich ganz auf die Reinigung von den Sünden vorbereiten. Im weiteren Verlauf schildert Jakob ausführlich die Stufen der vita contemplativa, die es abzuleisten gilt: von der purificatio bis zum raptus. Und nur so könne die perfectio erreicht werden.20 Jakob charakterisiert im letzten Teil seines Briefes die besondere Bedeutung des Priesterdienstes und verdeutlicht die hohen Ansprüche, die an diese Aufgabe geknüpft sind. Der Hirte darf nicht fliehen, wenn er Gefahr fürchtet (Joh 10,12). Er muss sich in der Vollendung der Liebe fest an das officium pastorale binden, weil es nichts Größeres gibt, als seine Seele für die Brüder zu geben.21 Der Bischof, der die Sorge für seine ganze Kirche auf sich genommen hat, muss die obedientes, die Gehorchenden, gleichermaßen lieben wie die blasphemantes, die Gotteslästerer, sowie auch die persequentes, die Verfolger. Als Nachfolger der Apostel, die Jesus wie Schafe unter die Wölfe schickt (Mt 10,16), müssen sie ihre Feinde lieben und die Schwächen derer beseitigen, die ihnen unterstehen. Und wie die Bischöfe sich bezüglich der perfectio ihrer Weihe verpflichten, tun es die Mönche in ihrem Gelübde, wie es auch im ersten Brief an Timotheus heißt: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen" (1 Tim 6,12). Und auch wenn Johann nur wenige Diener hat, die ihm bei der Verfolgung der Unmäßigkeit der Prälaten und der Missbräuche der Mönche helfen, so soll er sich nicht fürchten und sein Herz stärken - ne timueritis eos, (...), viriliter agite, et confortetur cor vestrum (Ps 30,25).22 Der Kartäuser beendet seinen Brief mit der Erklärung seiner Vorgehensweise. Er habe der Bitte um eine epístola, wie sie der Bischof von ihm wünschte, nicht entsprochen - modum et formam epistolarem non servans. Der Inhalt sei nicht gleichsam von oder aus ihm, sondern ganz aus den Worten der Autoritäten zusammengetragen, und er habe versucht, rhetorische Zier aus seiner Schrift fernzuhalten und alles aus der Wärme seines Herzen zu schreiben.23 Wenn Johann noch eine formula praeparativa oder practica für Anfänger erhalten möchte, erklärt sich der Kartäuser bereit, eine solche mithilfe seiner Mitbrüder aus den Worten der Heiligen Schrift zusammenzutragen. So würde er, nachdem die Gläubigen dem Bischof anvertraut wurden, gewissermaßen, soweit es möglich ist - quantum 18 19 20 21 22
23
Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex diplomaticus (wie Anm. 8 ) , Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex diplomaticus (wie Anm. 8 ) , Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
272f. 273f. 274. 274f.
272. 272.
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possibile - ein heilsames Korn aus der Saat der heiligen kartäusischen Ordnung auf die Erde der Eichstätter Diözese werfen - granum de sanctae Carthusianae institutionis semine in terram vestrae dioecesisprojicere - und so Gott dem Herrn dienen.24 Wenn auch der Kartäuser aus Tückelhausen mit deutlichen Worten die Prälaten angreift und ihre Schlechtigkeit verurteilt, findet er für seinen Briefpartner auch anerkennende und tröstende Worte, zollt er doch trotz aller Gefahren und Schwächen der Prälaten dem Amt des Bischofs an sich sowie dem Eichstätter Bischof im Besonderen hohen Respekt für seinen Eifer in der Reform von Klerus und Orden. Am Ende seines Briefes sieht er für beide Lebensformen ihre Berechtigung; jeder solle sich in der professio um die Erlangung der perfectio bemühen, zu der er sich berufen fühlt. Aufgrund seiner Überzeugung, dass die eigentliche Gottesnähe nur in der contemplatio zu erreichen sei, bleibt jedoch ein latenter Vorwurf bestehen. Am ersten Tag im Dezember des Jahres 1458 schreibt der Eichstätter Bischof seine Antwort. Er, der im Rahmen seiner Reformbemühungen den Mann aus dem strengsten Orden der katholischen Kirche um eine Anleitung zu einer bestimmten devotio gebeten hatte, antwortet auf die Überzeugung, dass allen Prälaten der Sturz in die ewige Verdammnis drohe und allein in der monastischen vita contemplativa das Seelenheil zu finden sei. Johann beginnt mit dem Dank für die tröstenden Worte, die ihm der Kartäuser trotz allem dennoch geschickt hat. Der Bischof ist sich voll und ganz im Klaren über die Schwierigkeit und Gefahren seiner Aufgabe und vergleicht diese mit der eines Abtes nach der Regel des heiligen Benedikt, der sich bewusst sein muss, welch schwierige und mühevolle Aufgabe er auf sich nimmt, wenn er Menschen führen und den Eigenarten vieler gerecht werden will.25 Er sieht die verdorbenen Gebräuche, mit welchen der ganze ordo Ecclesiasticus befleckt ist. Nicht nur wird das Wort der Wahrheit nicht mehr gehört, sondern auch eine Verbesserung des Lebens verschmäht.26 Er weiß, dass das Amt des Bischofs größter Sorgfalt bedarf, und so bemüht er sich, die Schwächen der Schwachen zu ertragen sowie die Tücken der Eigensinnigen zu unterdrücken. Die Sorgen und die Not der bedrohten Kirche drängen ihn zu den weltlichen Aufgaben. Und er zweifelt nicht daran, dass diejenigen, die ihr Amt verrichten, die palma Martyrii erhalten werden. Und wenn es derzeit nur wenige gebe, die für diese Auszeichnung geeignet seien, müsse der Herr den Unsicheren Mut machen.27 Nachdem der Bischof mit diesen Worten die Schwere seines Amtes und die bedrohliche Situation der Kirche 24 25
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Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex dìplomatìcus (wie Anm. 8), 275. Ebd., 275; Benedìctì regula, hg. Rudolf Hanslik (= Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum 75), Wien 1960, Cap. 2,31. Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex dìplomatìcus (wie Anm. 8), 275f. Ebd., 276.
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skizziert hat, wendet er sich der Lebensform seines kartäusischen Briefpartners zu. In ihm sieht er einen Mann, der das Leben in der Einsamkeit pflegt, der erleuchtet ist vom Licht der Liebe, so dass er für sein Seelenheil und das seiner Mitmenschen sorgen kann, der viel Mühe aufwendet für das Studium der heiligen Schriften und dabei ganz in der Nachfolge des heiligen Hieronymus steht, dessen Lehre, die sowohl aus dem Klosterleben als auch aus dem Leben des Eremiten erwachsen ist, die ganze Kirche des Herrn erhellt. Allein darin erkennt der Bischof das rechte und heilige secretum mentis, das er ein otium nennen möchte, welches die Flucht vor der Welt und allen übrigen Gemeinschaften erlaubt; ein otium, in dem man niemals weniger allein ist, als wenn man allein ist, wie der klügste Führer der Römer, Scipio Africanus der Ältere, nach Cicero zu sagen pflegte; ein otium, in dem er, der Römer, sich mit seinen Gedanken beschäftigte und so zum Nutzen und zum Gemeinwohl seiner Mitmenschen beitrug.28 Und genau in dieser Tradition sieht Johann seinen Briefpartner aus dem Orden der Kartäuser.29 Im weiteren Verlauf des Briefes richtet Johann die Anklage nun gegen die Mönche, die, obwohl sie geeignet wären zum Dienst in der Kirche, doch nur für ihr eigenes Seelenheil eintreten und ihr von Gott gegebenes Talent verbergen würden.30 Nicht wegen der schlechten Zeiten gebe es keine Seelsorger, sondern weil es keine Seelsorger gebe, wäre die Kirche überhaupt erst in Not. Er erinnert an seine bischöflichen Vorgänger Bonifatius, Willibald und Burkhard, die von der Not aus der Einsamkeit zum Dienst in der Kirche gerufen wurden und sich nicht dagegen wehrten. Diese hätten ihr Talent verdoppelt.31 Und allen, die ihm und seinem Eifer für die Kirche Gottes entgegenhalten wollen, dass es gefährlich und eine große Last sei, diesen Dienst auf sich zu nehmen, wie es ja auch der Kartäuser für sich als Rechtfertigung tut - ut ipse allegas - antwortet er, dass es freilich gefährlicher, aber auch verdienstvoller sei, wie schon Christus der Herr sagt: „Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht" (Mt 11,28).32 Der Frage, warum nun die schwierigere Aufgabe verdienstvoller sei, schickt der Bischof eine Aussage des Römers Cicero hinterher, der in seiner Pflichtenlehre sagt, die Aufgabe verspreche umso größeren Glanz, je schwieriger sie ist - sed quo difficilius, hocpraeclarius,33 Auch ist sich Johann sicher, dass derjenige, der sich für das Seelenheil seiner Nächsten einsetzt, nicht auch sein eigenes vernachlässigt. Denn die Regel des heiligen Benedikt sagt im Kapitel über den Abt: „Indem er mit seinen Ermahnungen anderen zur Besserung verhilft, schafft er es, sich auch selbst von MARCUS TULLIUS CICERO, De offlciis, hg. v. Michael Winterbottom, Oxford 1994, in, 1. Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex diplomaticus (wie Anm. 8 ) , 2 7 6 . 30 Ebd. 31 Ebd., 277. 32 Ebd. 33 CICERO, De offlciis, (wie Anm. 28) I, 64. 28
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seinen Fehlern zu befreien."34 Derjenige, der sich um die Reform der Sitten (reformatio morum), um die Ausmerzung der Fehler (extirpatio vitiorum) und die Einhaltung der Gebote sorgt (executio legum), der ist ohne Tadel. Denn das sind verdienstvolle Aufgaben! Wenn er auch den Wert der Männer anerkennt, die täglich im Gebet dem Herrn ihren Dienst erweisen, bewirken doch weit mehr diejenigen, die sich nach dem Zeugnis des Evangeliums und dem Vorbild der Apostel opfern und so das empfohlene Leben Christi führen.35 Im letzten Teil des Briefes nähert sich Johann wieder seinem Briefpartner an und bittet ihn um seine Anweisungen, die ihm in seinem Amt als Bischof nützlich sein werden. Er sieht die Lösung in der Verbindung beider Lebensideale, wie auch der Papst beide Formen verbinden muss, das aktive und das kontemplative Leben. Und wie Christus der Herr zum Gebet auf den Berg steigt, muss auch der Bischof sich an einen einsamen Ort zurückziehen, bevor er sich wieder dem Dienst der Seelsorge widmen kann. Dafür bittet er den in der ars spiritualis erfahrenen Kartäuser, dass er ihm eine formula vivendi schicke, wie er es versprochen habe, die ihm in den beschaulichen Stunden seines Lebens eine rechte Anleitung sein soll.36 So wünscht er sich die Unterstützung des kartäusischen Ordens, dem er schon immer größte Hochschätzung entgegengebracht habe und mit dessen Hilfe er sich nun zu trösten hofft.37 Johanns Ziel ist nicht die Verurteilung des Mönchsstandes, dessen Rang er voll und ganz anerkennt, sondern die Verbindung beider Lebensideale. Er zitiert häufig die Regel des heiligen Benedikt, indem er die Aufgaben des Abtes mit denen seines Bischofsamtes vergleicht und so der monastischen Regel auch in seinem Leben hohe Bedeutung zuerkennt.38 Die formula vivendi fordert der Bischof nicht für die Anfänger - pro incipientibus wie es der Kartäuser vorschlägt.39 Johann erbittet die kartäusische Anleitung zum kontemplativen Leben in erster Linie für sich selbst; sein eigenes Leben will er danach einrichten. Mit seinem Amt als Bischof ist Johann Teil einer Lebensgemeinschaft, in deren Kreis diese formula Beachtung finden wird. Indem der Kartäuser an den Bischof schreibt, erreicht er eine Form der Öffentlichkeit, in welcher seine formula vivendi über den Adressaten hinaus rezipiert wird. Aus dem Briefwechsel wird ersichtlich, dass die Kontrahenten zwar die jeweils andere Lebensform anerkennen, aber dennoch die ihre als die einzig wahre dem anderen glaubhaft zu machen versuchen. Die Positionen sind klar bezogen. Jakob 34 35 36 37 38
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Benedicti regula, (wie Anm. 25), Cap. 2,40. Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex diplomaticus (wie Anm. 8), 277. Ebd. Ebd., 278. Monika FINK-LANG, Untersuchungen zum Eichstätter Geistesleben im Zeitalter des Humanismus (= Eichstätter Beiträge 14), Regensburg 1985, 171. Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex diplomaticus (wie Anm. 8), 275.
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der Kartäuser sieht nur schlechte Prälaten in dieser Zeit, und wenn er auch seinen Briefpartner ausnimmt, treffen seine Argumente dennoch die Person im Amt des Bischofs. Die Gefahren und Schwierigkeiten, die den Klerus in der Welt erwarten, scheinen dem Kartäuser unüberwindbar. Umso wichtiger und sicherer ist ihm die Contemplatio in seiner Zelle, die ihn Gott näher bringt. Anders der Eichstätter Bischof: Er sieht die Schwierigkeit gerade darin, dass gute Männer, indem sie den Weg ins Kloster suchen, den Dienst für die Kirche in der Nachfolge des Herrn verweigern. Und doch findet er in seinem Aufruf für die vita activa ein Argument, das die Flucht seines Briefpartners aus der Welt legitimiert. Er begründet den Rückzug des Kartäusers mit dem Kirchenvater Hieronymus und mit dem in der Reihe der theologischen Autoritäten höchst überraschenden römischen Redner und Philosophen Marcus Tullius Cicero: „Ich danke dem allmächtigen Gott, dass ich hier einen Mann gefunden habe, der das Leben in der Einsamkeit pflegt, der vom Licht der Liebe erleuchtet ist, so dass er für sein Seelenheil und das seiner Mitmenschen sorgen kann, der viel Mühe für das Studium der heiligen Schriften aufwendet und dabei ganz in der Nachfolge des heiligen Hieronymus steht, dessen Lehre, die sowohl aus dem Leben im Kloster als auch aus dem Leben der Eremiten erwachsen ist, die ganze Kirche des Herrn erhellt. Und genau dieses heilige und richtige secretum mentis will ich ein otium nennen, das es erlaubt aus der Welt zu fliehen und den Umgang mit seinen Mitmenschen zu vermeiden, so dass man niemals weniger allein ist, als wenn man allein ist, wie der klügste Führer der Römer, Scipio Africanus der Ältere, zu sagen pflegte, wie es uns in Ciceros Werk De officiis überliefert ist, dass er, immer wenn er allein war, mit sich selbst im Gedankenaustausch darüber nachdachte, was dem Nutzen für die anderen diente. Das wird mir auch über Dich erlaubt sein zu sagen, geliebter Bruder!"40
Johann nennt drei zentrale Aspekte bei der Beschreibung des kartäusischen Lebens seines Briefpartners; Einsamkeit (antra deserti colentem), Erleuchtung (illustratus radio charitatis) und das Studium göttlicher Schriften (studio literarum divinarum). Darin sieht er seinen Briefpartner in der Nachfolge des heiligen Hieronymus (Jeronimi imitatus vestigia), dessen Lehre sowohl aus der Erfahrung im Kloster als auch aus dem Leben in der Einsamkeit entstanden ist (tarn ex monasterii quam heremi manante doctrina tota). Dass der Bischof ausgerechnet diesen Kirchenvater anführt, ist kein Zufall, wenn man die spätmittelalterliche Hieronymusrezeption betrachtet. Das Interesse an dem lateinischen Kirchenvater stieg ab etwa 1400 gegenüber Augustinus erheblich an, was man an der stark zunehmenden Überlieferung seiner Werke ebenso sehen kann wie an den vermehrten bildlichen und plastischen Darstellungen seiner Person.41 40 41
Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex diplomaticus (wie Anm. 8), 276. Berndt H A M M , Hieronymus-Begeisterung und Augustinismus vor der Reformation. Beobachtungen zur Beziehung zwischen Humanismus und Frömmigkeitstheologie (am Beispiel
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Die Attraktivität an Hieronymus lag darin, dass er ohne Widerspruch für verschiedene Strömungen seiner Zeit zur Identifikationsfigur werden konnte. Er verkörperte den strengen Gesetzes- und Tugendlehrer ebenso wie den Überwinder der Welt, den sich zermarternden Büßer und das Vorbild für das Leben in der Einsamkeit ebenso wie den Gelehrten an der Kurie des Papstes, was Hieronymus zur Symbolgestalt spätmittelalterlicher Laienfrömmigkeit, Ordensspiritualität und Gelehrtenkultur machte.42 Die einigende Kraft, die dem spätantiken Kirchenvater innewohnt, sieht man besonders gut in den bildlichen Darstellungen, die sich ab etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts auf zwei Bildtypen konzentrieren, den büßenden Hieronymus in der Fels- und Waldwüste, wobei er meistens mit einem Buch in der Hand abgebildet ist, und den humanistischen Bildtypus des in seiner Studierstube mit Büchern Beschäftigten.43 Die Darstellungen der Evangelisten und Kirchenväter mit Büchern und Schreibgerät gibt es schon im frühen Mittelalter. Sie ist inspiriert vom christlichen Ideal geistlicher Lesung. Vor diesem Hintergrund die Mönchszelle als Studierstube zu verstehen, zeigt den engen Zusammenhang zwischen monastischem Bücherstudium und humanistischer Gelehrsamkeit.44 In dem berühmten Stich „Hieronymus im Gehäus" von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1514 wird genau dieser Typus deutlich: ein Bild voller Stille, die als Bedingung der Betrachtung gilt, der Raum als Studierstube des Gelehrten eingerichtet. Die typischen Attribute wie Kardinalshut, Kreuz und Totenkopf sowie Hund und Löwe sind ebenfalls abgebildet. Der Heilige selbst im hellen Schein seiner Erleuchtung wird im Akt des Schreibens dargestellt.45 In diesem Bild verbindet der Kirchenvater Hieronymus das Leben der Kontemplation mit dem aktiven Studium. Sowohl lectio als auch actio. Wenn auch Dürer dieses Werk erst 56 Jahre nach unserem Briefwechsel schuf, sind die Grundzüge dieser Hieronymusrezeption bereits Mitte des 15. Jahrhunderts greifbar, die in der vorliegenden Textstelle anklingen. Im Lebenskonzept des heiligen Hieronymus sieht der Bischof das richtige und heilige secretum mentis, das er das aktive otium des Cicero nennen will. Der Begriff des secretum mentis bezeichnet hier eine Art Zurückgezogenheit; secernere in der Grundbedeutung Nürnbergsj, in: Kenneth Hagen (Hg.), Augustine, The Harvest, and Theology (1300-1650): Essays dedicated to Heiko A. Oberman, Leiden 1990, 127-235, hier: 128-134; Anja FRECKMANN, Die Bibliothek des Klosters Bursfelde im Spätmittelalter, Göttingen 2006, 355. 42 43 44 45
Berndt HAMM, Hieronymus-Begeisterung (wie Anm. 41), 134; 152. Ebd., 161. Ebd., 162. Alex STOCK, Betrachtung der Betrachtung. Zu Dürers „Hieronymus im Gehäus" (1514), in: Werner Simon (Hg.), meditatio. Beiträge zur Theologie und Religionspädagogik der Spiritualität, Günter Stachel zum 80. Geburtstag, Münster 2002, 177-188, hier: 180.
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bedeutet soviel wie „ab- und aussondern" bzw. „abschneiden" und lässt sich in Verbindung mit der mens als eine Art Absonderung oder Abgeschiedenheit des Geistes deuten. Versteht man das secretum mentis vor dem Hintergrund des Hieronymus- und des Cicerobildes nun mehr als räumliche „Abtrennung der mens" und weniger als den mystischen Ort der Vereinigung von Gott und Mensch in der Kontemplation, den Meister Eckhart „Abgeschiedenheit des Geistes" nennt,46 entsteht das Bild von einem „secretum mentis der Studierstube". Das ist für ihn der rechte und heilige Rückzugsort des Geistes und zugleich die freie Zeit, die die Flucht vor der Welt erlaubt - idque sanctum, et rectum secretum mentis dixerim otium, ob quod liceat turbas hominum jiigere - und dieses otium will Johann als das otium des antiken Feldherrn Scipio Africanus des Älteren verstanden wissen, das aus der angeführten Stelle bei Cicero ersichtlich wird: „Scipio habe, wie Cato schreibt, für gewöhnlich gesagt, dass er niemals weniger tätig gewesen sei, als wenn er frei von Tätigkeit, und niemals weniger allein, als wenn er allein gewesen sei." - P. Scipionem (...) dicere solitum scripsit Cato (...) numquam se minus otiosum esse, quam cum otiosus, nec minus solum, quam cum solus esset. Diese Worte zitiert Marcus Tullius Cicero 43 v. Chr. am Anfang des dritten Buches seines Werkes „Vom pflichtgemäßen Handeln" - De officiis.47 Nach der Ermordung Caesars 44 v. Chr. ergibt sich für Cicero ein letztes Mal die Möglichkeit, als Staatsmann für die Republik, für die er ein Leben lang gekämpft hat, einzutreten. Caesars Adoptivsohn Octavian, der spätere Augustus, ruft ihn zu Hilfe. Doch auch Marcus Antonius greift nach der Macht und drängt Cicero in das politische Abseits. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen und sich seinem otium zu widmen, das er, wie er es immer in Zeiten ohne politische Aufgaben getan hat, mit Philosophie und Schriftstellerei füllt. In dieser Zeit verfasst er die Schrift De officiis, die er seinem Sohn Marcus widmet. Zu Beginn des dritten Buches zieht Cicero nun zwei Begriffe heran, die die Zeit des Scipio und letztlich auch seine Zeit näher charakterisieren: otium und solitudo. Bei beiden Staatsmännern handelt es sich um eine Zeit, in der beide keine politischen bzw. öffentlichen Tätigkeiten ausüben und sich in die Einsamkeit zurückgezogen haben, Scipio in den Jupitertempel auf dem Kapitolinischen Hügel, um sich auf seine Amts- und Privatgeschäfte vorzubereiten,48 Cicero in seine Bibliothek und sein Arbeitszimmer auf seinem Landgut. Doch während es bei Scipio ein freiwilliges 46
47
48
Siehe hierzu Markus ENDERS, Abgeschiedenheit des Geistes - höchste „ Tugend" des Menschen und fundamentale Seinsweise Gottes, in: Theologie und Philosophie 71 (1996) 63-87; Detlef M E T Z , Gabriel Biel und die Mystik (= Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissensgeschichte 55), Stuttgart 2001, 303-314. CICERO, De officiis (wie Anm. 28), Hl, 1; Andrew Roy DYCK, A commentar on Cicero, De officiis, Ann Arbor (Michigan) 1996, hier: 497-499. Karl GROSS, Numquam minus otiosus, quam cum otiosus. Das Weiterleben eines antiken Sprichwortes im Abendland, in: Antike und Abendland 26/2 (1980) 122-137, hier: 124.
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otium ist, eine Zeit, die er wünscht, ist Cicero vom Dienst für den Staat abgehalten worden. Die politischen Gegebenheiten haben ihn zum otium gezwungen. Sein otium ist nichts anderes als ein „Mangel an Aufgaben" (inopia negotii), für ihn gibt es in der derzeitigen politischen Situation nach der Schließung der Gerichte und der Aufhebung des Senats schlichtweg keine würdige Aufgabe als Politiker mehr.49 Scipio hingegen nutzt sein selbst erwähltes otium, indem „er im Freisein von Tätigkeit über Tätigkeit nachzudenken und in seiner Einsamkeit mit sich selbst zu sprechen pflegte, so dass er niemals untätig war" - in otio de negotiis cogitare et in solitudine secum loqui solitum ut neque cessaret umquam.50 Es begegnet uns ein Staatsmann, der trotz otium nicht aufhört, seinen beruflichen Tätigkeiten nachzugehen. Cicero führt hier ein Verständnis des o//i/w?-Begriffs an, das sich am ehesten mit dem Ausdruck „Freisein von Tätigkeit" wiedergeben lässt, wie es auch Seneca in seiner Schrift „Über die Kürze des Lebens" beschreibt - vacantia temporal Es bezeichnet eine Zeit, die frei ist von verpflichtenden Beschäftigungen, und darin unterscheidet sich das otium vom bloßen Nichtstun (desidia oder inertid), da das otium als „freie Zeit" die Erfüllung der officio, der Pflichten, voraussetzt. Für den Römer stehen die officio gleichbedeutend für die politischen Tätigkeiten als Hauptgegenstand des römischen Lebensinhalts,52 und nur soweit der Staat es zulässt, ist es erlaubt sich dem otium zu widmen, wie Cicero selbst in seinem Werk über den Redner sagt: „Doch trotzdem möchte ich selbst unter diesen widrigen und beengenden Umständen meinen Studien nachgehen und das, was (...) die Politik mir an freier Zeit zugesteht, vor allem auf schriftstellerische Tätigkeiten verwenden." - quantum mihi (...) res publica tribuet otii, ad scribendum potissimum conferam,53 Indem Scipio nun seine apolitische Zeit politisch nutzt, indem er eben über die Zeit des „Nicht-otium", d. h. nec-otium nachdenkt und darin dem Gemeinwohl dient, erhält das otium seinen positiven Inhalt, nämlich die Tätigkeit und Aufgabe, d. h. negotium, die nach der Erfüllung der Pflichten ausgeführt wird.54 Während Scipio diese Zeit selbst gewählt hat und sie mit sich selbst verbringt, ohne schriftliche Aufzeichnungen zu hinterlassen, widmet sich Cicero der Philosophie und der literarischen Tätigkeit, um sein otium als Zeit ohne Politik ertragen zu können.55 49
50 51
CICERO,
De officiis (wie Anm.
2 8 ) , FFL, 2 .
Ebd., in, 1. Ernst
BERNERT,
Otium, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft hier: 8 9 .
4
(1949/1950) 89-99, 52
Ebd.
53
Rhetorica. Vol. I Libros de oratore tres continens, hg. v. August Samuel Wilkins, Oxford 1902,1, 3. Ernst BERNERT, Otium (wie Anm. 5 1 ) , 9 1 . CICERO, De officiis (wie Anm. 28), ffl, 4.
54 55
MARCUS TULLIUS CICERO,
Otium und Contemplatio. Reform aus dem Geist der Antike
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Das otium von Cicero ist ein unfreiwilliges, und im Gegensatz zu Scipio braucht er eine Beschäftigung, um diese freie Zeit zu rechtfertigen. Da er sonst die höchste und einzig richtige Tätigkeit in den Staatsgeschäften und im Dienst am Gemeinwohl sieht, macht er die Politik und damit die literarische Tätigkeit zum Inhalt seiner „freien Zeit", in der er sich in dieser Tätigkeit seines Schreibens wiederum das Wohl und den Nutzen der Gemeinschaft zur Aufgabe macht.56 Auch der Eichstätter Bischof im 15. Jahrhundert hat dieses Verständnis einer „tätigen Muße" vor Augen, das den Kartäuser nicht aus dem Kloster ruft, sondern ihm die Flucht aus der Welt erlaubt. Denn in diesem otium, in einer Zeit, in der der Mönch frei ist von den Sorgen und Ablenkungen der Welt, eine Zeit, die dem Tagesablauf fest eingeschrieben ist, wird der kontemplative Mönch aktiv: Während bei Cicero und Scipio die res publica im Zentrum ihrer Bemühungen steht, ist es für Johann die res Christiana, für die es zu kämpfen gilt und für die man jederzeit die solitudo aufgeben muss, wenn die Umstände den Anspruch dazu erheben, wie es auch Cicero postuliert: „Wer ist so leidenschaftlich bei der Betrachtung und Beschauung der Naturordnung, dass er nicht, wenn ihm bei seiner Behandlung und Betrachtung der der Erkenntnis würdigsten Gegenstände Gefahr und Bedrängnis des Staates gemeldet wird, all das aufgäbe und darauf verzichtete, weil er diesem Hilfe und Beistand leisten könnte, auch wenn er glaubte, die Sterne zählen oder die Größe des Kosmos abmessen zu können?"57 Johann von Eych fordert dieses Verständnis auch von seinem Briefpartner. Er selbst kann sich dem otium nicht hingeben; er steht analog zu Ciceros Worten ganz im Dienst der res Christiana, deren Gefahr und Bedrängnis ihm gemeldet wurde. Der Kartäuser aber hat dieses secretum mentis, den Rückzugsort des Geistes, und zugleich dieses otium, die freie Zeit, in deren Zentrum die Tätigkeit für die bedrängte Kirche stehen muss - quid aliorum utilitati conveniret. Und wie für Cicero, der sein otium, also seine freie und unpolitische Zeit, mit dem Studium der Philosophie bzw. der Literatur füllt, um diesen Nutzen zu erbringen, gilt dies auch für Hieronymus und ebenso für den Kartäuser Jakob von Tückelhausen. Die 56
57
Zur otium-Tradition in Antike und Mittelalter siehe auch Karl ENENKEL, Francesco Petrarca. De vita solitaria. Buch I. Kritische Textausgabe und ideengeschichtlicher Kommentar (= Leidse romanistische reeks van de Rijksuniversiteit te Leiden 24), Leiden 1990, 200f; 516-522. CICERO, De officiis (wie Anm. 28), I, 154. Als der Bischof Johann von Eych im Jahr 1461 mit dem Tegernseer Prior Bernhard von Waging ein zweites Mal zu diesem Thema Stellung bezieht, zitiert er genau diese Stelle aus Ciceros Werk De officiis. Siehe Der Briefwechsel Bernhards von Waging und Johannes von Eych (1461-1463). Speculum pastorum et animarum rectorum. Epistola impugnatoria. Defensorium speculi pastorum et animarum rectorum. Zur Kontroverse über Rang und Verdienst des aktiven und kontemplativen Lebens, hg. v. Heide Dorothea Riemann, Köln 1984, 120, Z. 5-11; 355357.
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literarische Tätigkeit als Inhalt des monastischen otium lässt dieses ebenso wie das antike otium zu einer tätigen Muße werden. Eine Zeit, in der man frei von äußeren Einflüssen und Verpflichtungen ist und die man dennoch aktiv nutzt - numquam minus otiosus quam otiosus. Anders als bei Scipio und Cicero, bei welchen die res publica Hauptgegenstand ihrer Bestrebungen war, tritt im Leben der Mönche zudem mit Gott ein anderes Ziel hinzu. Erst wenn der Mönch in vollkommener Einsamkeit sich auf sein Innerstes besinnt, kann er Gott begegnen, und so ist er genau dann, wenn er allein ist, am wenigsten allein: numquam minus solus est quam solus existit.5S Das Ziel, das Johann hier verfolgt, ist der aktive Dienst des Kartäusers, den dieser aus seiner Zelle heraus leisten kann. Der Bischof nimmt seinen Briefpartner aus seiner Anklage heraus, in der er den Mönchen vorwirft, dass sie nur wegen ihres eigenen Seelenheils das Kloster erstreben und der Kirche keinen Nutzen bringen würden. Allerdings nur unter der Bedingung, dass diese Einsamkeit im Sinne des aktiven otium genutzt wird. Johann sieht im kartäusischen Lebensideal seines Briefpartners eine besondere Dimension, die ihm diese „Weltflucht" erlaubt: das otium litteratum, das sich im secretum mentis, dem Rückzugsort des Geistes, ereignet. Schon immer hatte die Beschäftigung mit Büchern im Orden der Kartäuser eine besondere Bedeutung.59 Das Schreiben erfüllte in erster Linie die monastische Aufgabe der Handarbeit. Dabei ging es nicht um produktives Schreiben, sondern um das Abschreiben von Büchern. Das kartäusische Leben in Einsamkeit und Stille eignete sich in besonderer Weise für die Tätigkeit des Schreibens. Das Abschreiben von Büchern diente aber nicht nur als Handarbeit dazu, vor Müßiggang zu bewahren, sondern war auch in besonderem Maße eine Form des Gebets und der Meditation, denn im Schreiben konnten die Inhalte auch körperlich vollzogen werden. Den größten Teil verbringt der Kartäuser allein in seiner Zelle, in der er Gebet und Meditation verrichtet. Dazu benötigt er die entsprechenden Schriften. Der Bedarf an Büchern war also entsprechend hoch, weshalb die Mönche in erster Linie für den eigenen Gebrauch die Texte vervielfältigten. In den Consuetudines von Guigo heißt es dazu: „Denn uns scheint: So viele Bücher wir schreiben, so 58 59
Karl GROSS, Numquam minus otiosus, quam cum otiosus (wie Anm. 48), 129, Anm. 58. Siehe hierzu Heinrich SCHREIBER, Die Kartäuser als Bücherfreunde, in: Sankt Wiborada 1 (1933) 16-21; Paul LEHMANN, Bücherliebe und Bücherpflege bei den Kartäusern, in: Miscellanea Francesco Ehrle, vol. 5, Rom 1924, 364-389; Nikolaus STAUBACH, Pragmatische Schriftlichkeit im Bereich der Devotio morderna, in: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991) 418-461; Wolfgang SCHMITZ, Die Kartäuser und das Buch. Anmerkungen zu den Consuetudines, in: Bibliothek und Wissenschaft 28 (1995) 95-110; Bruno RIEDER, Deus locum dabit. Studien zur Theologie des Kartäuserpriors Guigo I. (1083-1136) (= Veröffentlichungen des Grabmann-Instituts, Neue Folge 42), Paderborn München - Wien u. a. 1997, 136-145; Anja FRECKMANN, Die Bibliothek des Klosters Bursfelde
(wie Anm. 41), 3 5 0 - 3 5 2 .
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viele Künder der Wahrheit schaffen wir."60 Wenn darin ein apostolisches Selbstverständnis der Kartäuser von der Art erkennbar werden sollte, dass die Schreibtätigkeit auch über die Mauern des Klosters hinaus wirksam wurde, bewegt sich dieses immer noch im Rahmen der Kopiertätigkeit. Vom produktiven Schreiben von eigenen Texten ist in der Ordensregel der Kartäuser nicht die Rede.61 Der Orden des heiligen Bruno genoss über die Jahrhunderte hinweg hohes Ansehen, und vor allem in Krisenzeiten konnte der Orden eine Art Leitfunktion erfüllen.62 So wurden im Rahmen der spätmittelalterlichen Erneuerungsbewegungen Teile seiner Verfassung in andere Gemeinschaften übernommen und die Schriften seiner reich ausgestatteten Bibliotheken stark rezipiert. Und doch war diese extrem zurückgezogene Lebensform auch Angriffsfläche für Kritik. Das Selbstverständnis des Ordens und die starke Vorrangstellung der vita contemplativa verlangten nach einer Rechtfertigung gegenüber Priestern und Seelsorgern. Der Vorwurf, die Kartäuser würden der Welt keinen Nutzen bringen, bewirkte, dass die Mönche des heiligen Bruno in ihren Schriften zu ihrer Verteidigung ihr Verständnis von der vita contemplativa veränderten.63 Mit ihrer schriftlichen Produktivität erreichte ihr Verständnis vom beschaulichen Leben eine neue Dimension, in der sie auch zunehmend namentlich hervortraten. So sind es am Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts u. a. die Kartäuser Eger von Kalkar, Johannes Hagen und Jakob von Jüterborg, die mit ihren Schriften in den Dienst der Reform treten. Ihre Texte sind es, die man in den reformierten Bibliotheken der Klöster wieder findet, wie es Dieter Mertens für den Erfurter Kartäuser Jakob von Paradies gezeigt hat.64 Der Eichstätter Bischof Johann von Eych erbittet von dem Kartäuser Jakob von Tückelhausen eine solche Reformschrift. Er möchte eine Anleitung zu einer devotio, die ihn tröstet im Dienst für die Welt. In Zeiten der bedrohten Kirche fordert er einen Beitrag dieses streng kontemplativen Ordens, den die Mönche in und nur in der Einsamkeit ihrer Zelle zu leisten vermögen. Jakob verweigert sich nicht grundsätzlich dieser Forderung, schreibt er doch, dass er bereit sei, eine formula praeparativa vel practica zu verfassen. Und auch sein apostolisches Coutumes de Chartreuse, Introduction, Texte critique, traduction et notes, par un Chartreux (= Sources Chrétiennes 313), Paris 1984, Kap. 28,4. 61 Bruno RIEDER, Deus locum dabit (wie Anm. 59), 145. 62 Heinrich RÜTHING, Die Kartäuser und die spätmittelalterlichen Ordensreformen, in: Kasper Elm (Hg.), Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen (= Berliner historische Studien 14; Ordensstudien 6), Berlin 1989, 3558, hier: 39. 63 Marc-Aeilko ARIS, Grübelnde Mönche. Wissenschaft in spätmittelalterlichen Kartausen, in: Jan A. Aertsen, Martin Pickavé (Hg.), Herbst des Mittelalters? Fragen zur Bewertung des 14. und 15. Jahrhunderts (= Miscellanea Mediaevalia 31), Berlin - New York 2004, 173— 183, hier: 175. 64 Dieter MERTENS, Iacobus Carthusiensis (wie Anm. 11).
60
GUIGUES I. PRIEUR DE CHARTREUSE,
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Bewusstsein wird erkennbar, wenn er mit der Abfassung dieser formula gleichsam ein Samenkorn der kartäusischen Ordnung in die Diözese nach Eichstätt werfen will.65 Allerdings agiert Jakob ganz nach kompilatorischer Manier. Nur aus den Worten der Heiligen will er etwas zusammenstellen und jeglichen rhetorischen Schmuck ausschließen.66 Die Neuorientierung, die hier von Johann, dem Bischof, vorgenommen wird, erstreckt sich im Besonderen auf die positive Bewertung des literarischen Dienstes, den die Mönche in ihrem otium verrichten. In der geschilderten Darstellung des Hieronymus von Albrecht Dürer wird diese Dimension deutlich. Der Kartäuser als Gelehrter in seiner Studierstube und Mönchszelle nicht beim Lesen wird er dargestellt, sondern beim Akt des Schreibens. Dabei wird auch der Inhalt dieser Tätigkeit neu bewertet. Die Vorstellung des Bischofs vom tätigen otium impliziert einen Wandel in der Beschäftigung mit Literatur. Neben die bisher anerkannten Autoritäten tritt für den Humanisten Johann neues Gedankengut hinzu - von den litterae sacrae zu den studia humanitatis.
65 66
Johann Heinrich von FALCKENSTEIN, Codex dìplomatìcus (wie Anm. Ebd., 21 Ai.
8), 2 7 5 .
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Lesen und Erneuern Kulturelle Implikationen der spätmittelalterlichen Klosterreform*
Am Anfang seines 1450 verfassten Dialogs „De sapientia" lässt Nikolaus von Kues erstmals die literarische Figur eines pauper idiota auftreten. Sie wird ihn durch vier Dialoge begleiten. Ihr tritt in der Eröffnungsszene der Dialogsequenz ein ditissimus orator, ein zu Geld gekommener Intellektueller entgegen. Wie der ditissimus orator zu charakterisieren ist, ergibt sich zuerst aus den Worten des Idiota. Er nimmt ihn als jemanden wahr, der dauernd und bis zur Erschöpfung liest,1 aber beim Lesen unselbständig verfährt: Er, der Reiche, sei wie ein Pferd, das, obwohl es eigentlich frei sein könnte, künstlich mit dem Halfter an die Futterkrippe gebunden sei, wo es nichts anderes fräße als das, was ihm vorgesetzt werde.2 Dass der Orator tatsächlich vor allem Bücher liest, und das aus Überzeugung, macht er in seinem ersten Redebeitrag deutlich. Das Studium litterarum ist es, durch das ein Mensch in der Erkenntnis Fortschritte erzielt.3 Wissen wächst quantitativ, nämlich dadurch, dass neues Wissen hinzuerworben wird.4 „Wo", fragt
* Der nachfolgende Beitrag wird in wesentlich erweiterter Form unter dem Titel „Consortium idiotae" in der Reihe „Trierer Cusanus Lecture" erscheinen und gehört zu einem umfassenderen Forschungsprojekt, das sich mit der Text- und Wissenskultur monastischer Gemeinschaften im Spätmittelalter befasst. Victoria Reinelt und Franz Xaver Bischof ist für ihre unermüdliche Unterstützung und Gesprächsbereitschaft mit Nachdruck zu danken. 1 NICOLAUS DE CUSA, Idiota de Sapientia, lib. I nr. 1, ed. Renate Steiger, Hamburg 1983 (Nicolai de Cusa Opera Omnia. Editio Heidelbergensis, V [im Folgenden abgekürzt = h mit Band-, Paragraphen- und Zeilenangabe]), 5f.: „defatigeris innumerabiles libros lectitando". 2 NICOLAUS DE CUSA, Idiota de Sapientia, lib. I (h V nr. 2 , lin. 7sq): „Pascitur enim intellectus tuus auctoritati scribentium constrictus pabulo alieno et non naturali" (Verstrickt in das Prestige der Autoren wird deine Vernunft mit fremder Kost und nicht mit natürlicher Kost genährt). 3 NICOLAUS DE CUSA, Idiota de Sapientia, lib. I (h V nr. 1, lin. 12sq). 4 NICOLAUS DE CUSA, Idiota de Sapientia, lib. I (h V nr. 3, lin. 7sq): „cum scientiae creverint per additatmenta".
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der Orator, „wenn nicht durch die Bücher der Weisen wird die Weisheit genährt?"5 Als Leser, das heißt nur insofern er liest, ist er ein Wissender. Wer viel gelesen hat, weiß auch viel. Des Orators Vertrauen in die Bücher bleibt durch alle vier Dialoge ungebrochen. Am Beginn des dritten Dialogs „De mente" betrauert er mit seinem Gesprächspartner, einem Philosophen, den Verlust vor allem der Bücher, die sich in dem Tempel befunden hätten, den Titus Attilius Crassus auf dem Kapitol der Mens geweiht habe.6 Und am Schluss des letzten Dialogs, den er mit dem Idiota führt, jubelt er, dass am Ende aller „Experimente mit der Waage" (so der Titel des Dialogs) ein Buch herauskommt. Er, so der Orator, werde nicht zögern, überall zu betreiben, dass die mit der Waage an verschiedenen Standorten erzielten Messergebnisse aufgezeichnet und zu einem Buch zusammengetragen würden, ut ad multa nobis abscondita facilius perducamur, damit wir leichter zu all dem gelangen, was uns noch verborgen ist.7 Um des Erkenntnisfortschritts freut er sich auf ein Buch. Für ihn steht unumstößlich fest: Wer viel liest, sammelt Wissen. Wer viel liest, kann vergleichen. Wer viel liest, wird dadurch gescheit. Genau diese Überzeugung macht der Idiota dem Orator zum Vorwurf. Er komme sich selbst wissend vor, obwohl er es aufgrund seiner eben unselbständigen, an den Autoritäten orientierten Lektüre nicht sei, und sei auch noch stolz darauf: Tu te scientem putas, cum non sis, hinc superbis.s Seine Lektüre sei vergebene Liebesmüh.9 Trotz dieses Tadels ist es gerade der Idiota, der zu Beginn des Dialogs über die Experimente mit der Waage das Buch fordert, dessen Erscheinen der Orator am Ende dieses und damit der vier zusammengehörenden Dialoge preist. „Mehr als viele Wälzer" würde er ein Buch schätzen, das die unterschiedlichen Messergebnisse, die sich durch Wiegen erzielen lassen, verzeichnet. Es wäre nämlich nützlich, die Gewichtsunterschiede der Dinge, die mit der Waage festgestellt wurden, in einem Buch zusammenzuschreiben.10 Das Buch, das dem Idiota vorschwebt, ist der stofflichen Wirklichkeit abgelesen. Vor seinen Augen breitet sich anders als vor den Augen des Orator die Wirklichkeit zur Lektüre aus. Wer nicht nur einzelne Wissensdaten sucht, sondern nach dem Inbegriff des Wissens fragt, muss in diesem Buch der Wirklichkeit lesen. Es ist das Buch, das 5
6 7
8 9 10
Idiota de Sapientia, lib. I (h V nr. 2, lin. 9sq): „Si non in libris sapientum est sapientiae pabulum, ubi tune est?" NICOLAUS DE CUSA, Idiota de mente, cap. I (h V nr. 53, lin. 8sq). NICOLAUS DE CUSA, Idiota de staticis experimentis (h V nr. 195, lin. 2 4 - 2 7 ) : „Indeque videtur librum illum utilissimum fiiturum ac apud magnos sollicitandum esse, ut in diversis provinciis consignentur et comportentur in unum, ut ad multa nobis abscondita facilius perducamur." NICOLAUS DE CUSA, Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 4, lin. 2sq). NICOLAUS DE CUSA, Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 2 , lin. 3 ) : „multo casso labore". NICOLAUS DE CUSA, Idiota de staticis experimentis (h V nr. 1 6 1 , lin. 12sq): „Utinam quisquam nobis hanc consignationem praesentaret! supra multa volumina caripenderem." NICOLAUS DE CUSA,
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die Weisheit selbst, Gott, mit eigenem Finger geschrieben hat." „Die Weisheit ruft auf den Gassen", zitiert der Idiota die Heilige Schrift.12 Die Bücher, die es zu lesen gilt, sind da geöffnet, wo Gottes schreibende Hand am Werk ist. „Ubi reperiuntur?" fragt der Orator. „Ubique".13 Überall und nicht nur in den Bibliotheken und Studierstuben. Überall: Darum lässt Cusanus seine Dialoge auf dem Forum Romanum oder während des Jubeljahres 1450 auf der Engelsbrücke beginnen. Überall: Darum findet das Gespräch über die Weisheit in einem Friseursalon statt: „Contrahamus igitur nos in hanc tonsoris proximam quaeso apothecam."14 Überall: auch im Laboratorium, in dem die Experimente mit der Waage durchgeführt werden. Dort, wo das wirkliche Leben ist, nähert man sich der praecisio an, die die Wirklichkeit im Ganzen bestimmt. Um dieses Wissen über die Wirklichkeit im Ganzen, das über das Einzelwissen hinausgeht und darum von Cusanus im Anschluss an die Tradition mittelalterlicher Terminologie sapientia genannt wird, geht es dem Idiota. Bücher vermitteln daher „Wissen" nur in transformierter Gestalt, nicht aber in eigentlichem Sinne, das heißt als den Inbegriff des Wissens, der geeignet ist, den Menschen über die Wirklichkeit und sich selbst als einen Teil dieser Wirklichkeit so umfassend wie möglich zu orientieren. Wissen im Sinne von sapientia ist aus Büchern nur dann zu gewinnen, wenn der Leser, während er liest, dem Text beziehungsweise der Erkennende im Erkenntnisprozess dem Erkannten selbst anverwandelt wird. Genau darin besteht der Vorsprung des Idiota gegenüber dem Orator, dass der Idiota gar nicht erst versucht, aus Büchern Wissen über Sachen zu entnehmen, zumal dann nicht, wenn über das Göttliche gehandelt wird, sondern bestenfalls angeregt von dem, was in Büchern mitgeteilt werden kann - in einer dem Gesuchten angemessenen Weise davon zu denken trachtet: „Schau, mein Bruder, der Inbegriff der Weisheit besteht darin, daß Du weißt, wie im [in dem schon genannten] Gleichnis das Unberührbare auf nicht berührende Weise berührt wird".15 Wissen, das aus diesen Quellen schöpft und auf diese Weise gewonnen wird, macht nicht nur gescheit. Es verändert den Wissenden und lässt ihn zugleich der Wissensgrenzen und des eigenen Unvermögens, Wissen zu erlangen, innewerden. Auch darin besteht die Weisheit des Wissenden: seines fehlenden Wissens bewusst zu werden.
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Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 4 , lin. 9 ) . Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 3, lin. 10-12, und nr. 5, lin. 3sq). NICOLAUS DE CUSA, Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 4 lin. lOsq). NICOLAUS DE CUSA, Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 4, lin. 20sq). NICOLAUS DE CUSA, Idiota de sapientia, lib. I (h V nr. 7, lin. 13-15): „Ecce frater: Summa sapientia est haec, ut scias quomodo in similitudine iam dicta attingitur inattingibile inattingibiliter." NICOLAUS DE CUSA,
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Am Anfang der vier Dialoge, als sie in die Frisierstube eintreten, stehen der unbelesene, erfahrungssatte Idiota und der bücherfressende, weltferne Orator einander scheinbar unversöhnt gegenüber. Am Ende des Dialogs über die Experimente mit der Waage finden das Bücherwissen des Orator und das sapientialexperimentelle Wissen des Idiota ihre Einheit in dem Buch, das alles Wissen umfasst und aus einer gleichsam endlosen Reihe von Erfahrungen und nicht bloß aus Wissensdaten addiert wird. Indem er dieses Buch erbittet, verweist der Idiota damit zurück auf den Anfang der vier Dialoge, der von der scheinbar unüberbrückbaren Differenz zwischen textuellem Wissen und Erfahrungswissen bestimmt ist. Er markiert damit innerhalb des Textes die Einheit der vier Dialoge. Nicht die Bücher sind das Problem, sondern die Art und Weise, sie zu lesen. Der Orator und der Idiota sind zwei idealtypisch gezeichnete literarische Figuren, die Cusanus miteinander ins Gespräch kommen lässt, um durch ihre Redebeiträge zu entfalten, was er darstellen will. Ihnen gesellt er im dritten der Dialoge, der den Titel „Über den Geist" trägt, einen Philosophen hinzu, der in betrachtender Distanz - wenn er nämlich von der Engelsbrücke aus die Pilger beobachtet - Anlässe für seine Reflexionen empfängt. Alle drei repräsentieren im öffentlichen Raum, nämlich auf dem Forum Romanum, auf der Engelsbrücke, im Friseurladen und schließlich im Kellergewölbe, in dem der Idiota arbeitet, Berufsbilder und Tätigkeitsprofile der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Durch ihre Beschäftigungen, ihre Kleidung und ihr Aussehen werden sie in ihrer Professionalität charakterisiert. Den Philosophen erkennt der Orator an der Blässe des Gesichts, dem bis auf die Knöchel reichenden Gewand und weiteren Anzeichen seiner gravitas, durch die er sich von seinen Zeitgenossen abhebt.16 Im Gespräch erfährt er vom Philosophen, dass dieser auf seinem Beobachtungsposten Menschen aus allen Regionen der Welt wahrgenommen hat und auch selbst die Welt durchstreift hat, um weise Menschen über die Unsterblichkeit der Seele zu befragen, mithin dass seine Eindrücke und sein Denken personen- und ortsungebunden sind - so wie die Ergebnisse seiner Reflexion unabhängig sind vom Ort, an dem sie angestellt werden und allgemeine Geltung beanspruchen.17 Den Idiota dagegen treffen der Orator und der Philosoph in seiner Werkstatt an, wie er damit beschäftigt ist, einen Löffel zu schnitzen: ein Handwerker, der sich unterhalb der von Pilgern belebten Erdoberfläche aufhält;18 ein Handwerker, der zudem sein Handwerk beherrscht. Sein Handwerk ist eine ars mit zwei Dimensionen, die sich aus der Differenz von Leib und Seele ergeben, wie sie für den gilt, der das Handwerk ausübt. Er schnitzt und verkauft Löffel und sichert so sein leibliches Auskommen. Zugleich versteht er 16
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Idiota de mente, cap. I (h V N R . 51, lin. 7-10). Idiota de mente, cap. I (h V nr. 51, lin. 16-20, und nr. 52, lin. 8-13). NICOLAUS DE CUSA, Idiota de mente, cap. I (h V nr. 54, lin. 2sq): ,,in subterraneum quendam locellum".
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sich auf die tiefere Bedeutung (symbolice)K dessen, was er tut, beziehungsweise dessen, wonach er anhand seiner Tätigkeit fragt, und sichert so sein geistiges Auskommen. In beiden Dimensionen seiner ars ist er den Prinzipien einer Bedarfdeckungswirtschaft verpflichtet: „So erreiche ich alles, was für mich notwendig ist, zur Genüge."20 In ihrer Gegensätzlichkeit repräsentieren die drei Männer aber nicht nur Berufsbilder und Tätigkeitsprofile der spätmittelalterlichen städtischen Gesellschaft. Sie stehen, wie an ihren Redebeiträgen deutlich wird, zugleich für die unterschiedlichen Verfahrensweisen, die in der spätmittelalterlichen Gesellschaft zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, sich Wissen anzueignen. Der Philosoph verfährt methodisch nach den Regeln der Dialektik, wenn er Texte auf ihren Sinngehalt hin befragt und dessen logische Konsistenz prüft;21 der Orator orientiert sich, wie durch seine Charakterisierung im Dialog über die Weisheit deutlich wurde, an der Autorität derer, die ihm durch die Texte, die sie geschrieben haben, Wissen vermitteln. Der Idiota dagegen realisiert - und dies im doppelten Sinn von „Verwirklichung" und „Bewusstwerdung" - aufgrund der Art seines Fragens durch das experimentum, die Erfahrungsdimension des eigenen Lebens, die Bedeutung dessen, was der Fall ist. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich bei ihrem Bemühen, Wissen zu erwerben, an Texten orientieren, sei es an geschriebenen Texten in Form von Büchern, sei es - wie der Idiota - am Text, der die Wirklichkeit ist, insofern sie als durch einen Autor verursacht gedacht wird. Damit repräsentieren sie zugleich die unterschiedlichen Modelle, wie Texte gelesen werden können, mithin die Varianz von Lektüren, die unter den gebildeten Ständen in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters in Gebrauch sind. Diese professionalisierten Lektüremodelle werden im Verlauf des Dialogs auf ihre Wahrheitsvalenz und Leistungsfähigkeit hin überprüft. Darum steht am Ende des Dialogs über die Experimente mit der Waage der Wunsch des Idiota, es möge ein Text verfasst werden, das Buch nämlich, das in größtmöglicher praecisio den wahren Gehalt der Wirklichkeit im Ganzen vermittelt und damit zugleich sein Lektüremodell als das leistungsfähigste erweist. Dass Cusanus diesen Wettbewerb der Lektüremodelle in der städtischen Öffentlichkeit, nämlich in Rom, ansiedelt, kann erklären, warum in den vier Dialogen der Repräsentant einer weiteren bedeutenden Lektüretradition fehlt: der Mönch. Mönche entwickeln in der Gesellschaft des Spätmittelalters eine eigene Kontur als professionelle Leser. Das wird insbesondere dort deutlich, wo monastische und zivile Welt aneinandergrenzen. In den bibliotheksgeschichtlichen Idiota de mente, cap. I (h V nr. 55, lin. 1). Idiota de mente, cap. I (h V nr. 55, lin. 2sq): ita quidem omnia mihi necessaria, quantum sufficit, attingo. NICOLAUS DE CUSA, Idiota de mente, cap. I (h V nr. 55, lin. 4-8).
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Quellen wird diese Schwelle zwischen Kloster und Stadt an zwei Phänomenen wahrnehmbar: nämlich erstens der Expansion der klösterlichen Bibliotheken, insofern diese Expansion auf die Integration von Privatbibliotheken derer zurückzuführen ist, die ins Kloster eintreten, und zweitens der Ausleihe von Büchern aus den Klosterbibliotheken an Leser, die außerhalb der klösterlichen Klausur leben. Die Herausforderung, die die Überschreitung dieser Schwelle zwischen Kloster und Stadt darstellt, veranlasst im Spätmittelalter eine breite literarische Auseinandersetzung zu Fragen der monastischen Selbstbestimmung. Ein aufschlussreiches Beispiel für diese Phänomene sowie den theoretischen Umgang damit ist die Bibliothek der im Jahre 1320 gegründeten Mainzer Kartause. In ihr lassen sich Buchbestände präzise bestimmen, die einzelne Mönche bei ihrem Klostereintritt der Klosterbibliothek übergeben haben, und die selbst dann als Bestandteil der Bibliothek gelten, wenn den Mönchen bis zum Tod die alleinige Nutzung gewährt worden sein mag. Die Zusammensetzung dieser Bücherstiftungen spiegelt vielfach die intellektuelle Biographie ihrer ursprünglichen Besitzer wider. So überlässt der um 1375 in Frankfurt geborene Ortwin Hoppener22 der Mainzer Kartause bei seinem Eintritt mindestens vierzehn Handschriften, in denen Predigtsammlungen und zahlreiche Texte des Nikolaus von Lyra einen an der pastoralen Praxis orientierten Bestand bilden, der aber durch eine Reihe von theologischen Sammelhandschriften ergänzt wird, welche die darüber hinausgehenden Interessen Hoppeners zu erkennen geben. In diesen Handschriften sind Texte aus der theologischen Tradition zusammengestellt, die für die geistliche Praxis, Gebet und Meditation, nutzbar sind (Anselm von Canterbury, Bernhard von Clairvaux, Bonaventura), sowie klassisch-scholastische Traktate zu dogmatischen Einzelfragen (Anselm von Canterbury, Wilhelm von Auvergne). Auffällig sind einzelne Werke der jüngeren dogmatischen und geistlichen Literatur (Heinrich Seuse, Heinrich von Coesfeld, Heinrich Totting de Oyta, Heinrich von Langenstein, Geert Groote, Franciscus Mayronis) sowie der Sentenzenkommentar des Konrad von Soltau, der 1393, als Hoppener dort sein Studium aufnahm, zum Rektor der Universität Heidelberg gewählt wurde. Dieser Kommentar und weitere der genannten Texte sind Hoppener überwiegend durch sein Studium in Heidelberg und Paris bekannt geworden. Im Verbund seiner Handschriftensammlung werden sie den Interessen seiner geistlichen Lebensform untergeordnet, mithin zugleich einer neuen Lektürestrategie unterworfen.
22
Zur Bibliothek der Mainzer Kartause siehe: Gerhard LIST, Gerhardt POWITZ, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz, Bd. I: Hs I 1 - I 150, Wiesbaden 1990; Gerhard LIST, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz, Bd. II: Hs I 151 - 1 2 5 0 , Wiesbaden 1998; zu Ortwin Hoppener siehe: Bd. I, 15, 43.
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Noch auffälliger ist dieser Befand bei den eng miteinander verbundenen Privatbibliotheken des Marcellus Geist und des Sixtus Mayr.23 Marcellus Geist, aus der Nähe von Deidesheim gebürtig, wurde 1445 an der Universität Heidelberg immatrikuliert und trat 1453 in die Mainzer Kartause ein. Sixtus Mayr, aus Donauwörth stammend, wurde 1441 als Kleriker der Diözese Augsburg in Heidelberg inskribiert, verließ wie Geist 1453 die Universität und war dann Schulmeister an der Pfarrkirche in Wimpfen und seit 1463 Stadtprokurator in Frankfurt. Während Marcellus Geist in den Handschriften der Mainzer Kartause auch als Autor greifbar ist, begegnet Sixtus Mayr dort vor allem als Schreiber. Ihrer gemeinsamen Heidelberger Zeit ist eine Handschrift zu verdanken, in der sie sich als Schreiber abwechseln. Während Sixtus Mayr das Soliloquium des Bonaventura sowie das „Cordiale sive de quattuor novissimis" des Gerhard van Vliederhoven kopiert, steuert Marcellus Geist den Brief des christianisierten Rabbi Samuel an Rabbi Isaac über die Erfüllung der messianischen Prophetien bei, den Alfonsus Bonihominis im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts übersetzt hat, sowie einen Ausschnitt aus „De Antichristo" des Adso von Montier-en-Der; des Weiteren marientheologische Traktate des Honorius Augustodunensis, des Bernhard von Clairvaux und seines Zeitgenossen Arnold von Bonvalle.24 Spiegelt diese Handschrift die sich Ende der 40 er Jahre in den Vordergrund drängenden spirituellen Interessen der beiden wider, belegen vier Handschriften mit den logischen Werken des Albertus Magnus sowie seiner Summa theologiae den universitären Kontext einer in Heidelberg gelehrten wissenschaftlichen Theologie. Marcellus Geist hat diese Konfliktlinie zwischen einer spirituellen Theologie, in der die Einheit von Denkform und Lebensform gesucht wird, und einer disziplinär-methodisch bestimmten Theologie, die sich in der Tradition der Scholastik versteht, biographisch nachvollzogen. Sie wird darüber hinaus sachlich in der Handschrift greifbar, die die Auseinandersetzung zwischen Nikolaus von Kues und dem Heidelberger Theologen Johannes Wenck überliefert.25 Welcher Position Marcellus Geist zuneigt, wird nicht nur an seinem Klostereintritt, sondern auch aufgrund der von ihm verfassten beziehungsweise geschriebenen Werke deutlich. Die Tradition, in der er sich zunehmend verstehen lernt, wird an zahlreichen Exzerpthandschriften aszetisch-spirituellen Inhalts sichtbar und nicht zuletzt an dem 1454 und 1455 geschriebenen Codex, der mit den kleineren Werken des Nikolaus von Kues, den Werken des Ps.-Dionysius Areopagita, der „Mystica theologia" des Johannes
23
24
25
Zu Marcellus Geist siehe: LIST/POWITZ, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz (wie Anm. 22), Bd. I, 15f, 40; zu Sixtus Mayr siehe: Ebd., 16, 61. Mainz, Stadtbibliothek Hs I 172; vgl. LIST/POWITZ, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz (wie Anm. 22), Bd. H, 139-141. Ebd., Bd. n, 175-177.
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Gerson und dem „Legatus divinae pietatis" der Gertrud von Helfta auch siebzehn Predigten des Marcellus Geist überliefert.26 Der Interessenwandel, der sich an den Handschriften der Mainzer Kartause ablesen lässt, sowie die erhebliche Expansion der Bibliothek im 15. Jahrhundert werden auf dem Hintergrund einer sich im Spätmittelalter verändernden Lektürepraxis verständlich. Die im Kartäuserorden seit dessen Gründung gepflegte Gewohnheit, sich das Verständnis eines Textes durch die Anfertigung von Exzerpten zu er-schreiben, schlägt sich in der Bestandserweiterung der klösterlichen Bibliothek nieder. Die Bibliothek gewinnt durch die Handschriften, die Mönche als eine Ausdrucksform ihres geistlichen Lebens anfertigen, ein individuelles Profil. Sie kommt nicht mehr aufgrund von Sammlungsinteressen zustande, sondern ist die Frucht von Lektüreprozessen. Die Beschaffungspolitik orientiert sich nicht mehr daran, einen Kanon von klassischen Werken in mindestens einem Exemplar zur Verfügung zu halten, so wenig wie das Abschreiben von Handschriften ein Überlieferungsinteresse verfolgt. Vielmehr werden Mehrfachexemplare ebenso in Kauf genommen wie Bestandslücken, da es nicht mehr darum geht, einen für vollständig erachteten Wissensbestand durch Handschriften zu repräsentieren, sondern darum, Leser und ihre Lektüren zu dokumentieren und aufeinander zu beziehen. So ersteht im Medium der Bibliothek ein Gespräch zwischen den schweigenden Mönchen, wenn sie einander auf lesenswerte Texte hinweisen oder miteinander ihre Lesefrüchte teilen.27 Der dadurch bedingte sprunghafte Anstieg von Handschriften in der Bibliothek machte in der Mainzer Kartause und andernorts in kurzen Zeitabständen die Neukatalogisierung der Bestände erforderlich. So ist der Mainzer Bestand in einem zwischen 1466 und 1470 entstandenen Standortkatalog erfasst und durch ein alphabetisches Schlagwortregister erschlossen und wird kaum 50 Jahre später erneut katalogisiert. Dabei werden die zahlreichen Nachträge und Ergänzungen, die den früheren Katalog unübersichtlich hatten werden lassen, integriert und der Bestand zusätzlich durch ein Autorenregister zugänglich gemacht.28 An den beigegebenen und zunehmend verfeinerten Registern wird deutlich, dass der Katalog nicht mehr als Inventar der besitzanzeigenden Bestandsdokumentation, sondern als Instrument der Bestandserschließung zu dienen hat. Damit erfüllt er Aufgaben, durch die der Katalog als Paratext zum Text, den die Bibliothek als solche bildet, angesehen werden kann. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die schon dem 26 27
28
Ebd., Bd. I, 40-42. Heinrich SCHREIBER, Die Bibliothek der ehemaligen Mainzer Kartause. Die Handschriften und ihre Geschichte (= Beiheft zum Zentralblatt für Bibliothekswesen 60), Leipzig 1927, 197f. Vgl. LIST/POWITZ, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz (wie Anm. 22), Bd. I, 13; SCHREIBER, Die Bibliothek
(wie A n m . 27), 2 0 - 3 1 , 4 1 - 4 5 .
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älteren der beiden Kataloge vorangestellte Bibliotheksordnung.29 Dem Präskript zufolge stammt sie aus der Trierer Kartause und formuliert außer einem Regelwerk zur Benutzung der Bibliothek auch das den Trierer und Mainzer Kartäusern gemeinsame Verständnis ihres Bücherbestandes und damit ihrer Lektürepraxis. „Wir, die Brüder A und B, der Prior und der ganze Konvent unseres Hauses" - feierlicher kann eine Bibliotheksordnung nicht beginnen - „wir beachten und bedenken, dass unsere Bibliothek der Tisch ist, den uns der Höchste bereitet hat im Angesicht der Feinde, die uns bedrängen, Fleisch, Welt und Teufel. Von diesem Tisch empfangen wir die Speise der Gott geweihten Lesung und des heiligen Studiums. Durch sie werden wir nicht nur im Kampf gegen unsere Feinde geistlich gestärkt. Der Geschmack dieser Speise ruft und führt die fromme Seele dazu, Irdisches zu verachten und Himmlisches zu ersehnen. Wir glauben fest, dass Gott uns diese Speise geschenkt hat, damit wir, die wir die tobenden Menschenmassen verließen und begonnen haben, ein einsames Leben zu führen, etwas besitzen, was uns in der apostolischen Einsamkeit und dem eremitischen Leben erfreut. Umso lieber sitzen wir daher mit Magdalena lesend und betrachtend zu Füßen des Herrn, je öfter und süßer wir von eben dem Herrn angesprochen wurden. Denn Bernhard von Clairvaux sagt: Wie wir im Gebet mit Gott sprechen, so spricht in der Lesung Gott mit "30
uns. Angesichts ihrer wachsenden Bibliothek bestimmen die Mainzer Kartäuser ihre Identität als Leser. So wie nach dem Diktum Bernhards von Clairvaux der Gott suchende Mönch und der von Gott angesprochene Leser ineinander konvertieren, gewinnt die Bibliothek ihre prägende Funktion für die monastische Denk- und Lebensform. Sie wird zum Prinzip der Dialogizität, durch die die monastische Art zu lesen bestimmt wird. Die Texte, die die Bibliothek bereithält, werden als adressierte Texte verstanden. Ihre Adressierung kommt dadurch zustande, dass sie einem Absender zugeordnet werden. Als dieser Absender fungiert nicht mehr der 29
Mainz, Stadtbibliothek, Hs I 577 fol. a r -b r , l v -2 r ; ediert bei A n m . 27),
30
SCHREIBER,
Die Bibliothek (wie
190-194.
SCHREIBER, Die Bibliothek (wie Anm. 2 7 ) , 1 9 0 : „Nos fratres A vel B tunc prior totusque conventus domus predicte attendimus et diligenter consideramus liberariam nostrani esse mensam, quam in conspectu nostro paravit altissimus adversus eos, qui tribulant nos, scilicet carnem, mundum et dyabolum, - mensam inquam, de qua sacre lectionis et sancti studii cibum sumimus, quo non tantum, ut dictum est, contra inimicos spiritualiter confortamur, verum eciam cuius gustus ad terrenorum fastidium et celestium desiderium devotam animam nonnumquam provocai et inducit. Hunc cibum ad hoc credimus misericorditer nobis datum a domino, ut, qui relictis tumultuosis populorum turbis vitam solitariam agere cepimus, aliquid habeamus, quod in apostolica solitudine et heremitica vita nos delectet, ut sic eo libencius cum Magdalena ociosi sedeamus ad pedes domini, quo crebrius et dulcius fuerimus ab eodem domino allocuti. Teste enim Bernardo sicut in oracione nos Deo, sic in lectione Deus loquitur nobis."
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historische Autor, sondern Gott, der die Texte in der Konstellation der jeweiligen Bibliothek providentiell vermittelt. Umgekehrt wird der Adressat durch die Adressierung als Individuum und Person konstituiert. Dadurch werden die Texte in einen neuen dialogisch bestimmten Zusammenhang integriert und mit dem Ziel ihrer Erfahrbarkeit funktionalisiert. Der auf diese Weise konstituierte hermeneutische Horizont, in dem Texte gelesen und verstanden werden, ermöglicht eine gegenüber anderen Lesekonventionen veränderte und verändernde Lektüre. Die so verstandene Bibliothek wird zur neuen Welt, durch die die verlassene Welt kompensierend ersetzt wird. Sie ist, wie die Wirklichkeit im Ganzen, Schöpfung Gottes und als solche: adressierter Text. Diesem Verständnis der Bibliothek entspricht die Anordnung, dass sie vor allem nach innen auf den latenten Dialog der Mönche mit Gott und untereinander ausgerichtet ist. „Paragraph 2: Keiner soll sich herausnehmen, irgendein Buch, und sei es noch so gering, einem Externen zur Verfügung zu stellen, ohne dass er vorher die Erlaubnis beim Prior eingeholt hat".31 Über Leihvermerk, Pfand und Rückgabetermin wird im Einzelfall entschieden, so dass es in diesem Punkt keiner ausführlichen Regelung bedarf. Dass Ausnahmefälle gleichwohl zugelassen wurden, geht aus einem Leihverzeichnis hervor, das auf zwei freien Seiten in einer Mainzer Sammelhandschrift eingetragen wurde.32 Es enthält vierzehn Einträge. Als Leihnehmer erscheinen Kleriker, Verwandte von Mönchen und Bürger aus der Stadt Mainz oder der näheren Umgebung. Überwiegend werden Handschriften pastoralpraktischen Inhalts entliehen, zwei Mal wird die Ausleihe medizinischer Schriften verbucht. Auffällig sind die Ausleihen einer Handschrift mit Exzerpten aus Raymundus Lullus (Johannes Zappe aus Oppenheim) und einer Handschrift mit Werken des Heinrich Eger von Kalkar (Hermannus Stummel). Beide Handschriften sind Ausdruck der spezifisch kartusianischen Spiritualität, letztere des Inhalts wegen, erstere ihrer Form nach. Wenigstens bis zum Ende des 15. Jahrhunderts ist der Beitrag der Mainzer Kartäuser zur Literaturversorgung der Stadt offensichtlich gering und folgt damit der strikten und knappen Regelung in der Bibliotheksordnung. En détail regelt diese dagegen den internen Leihverkehr: Wer wann Zugang zur Bibliothek hat, wem die Präzedenz bei der Auswahl der Bücher zukommt, wie viele Mönche in welcher Reihenfolge gleichzeitig den Bibliotheksraum betreten dürfen, wie viele Bücher ein Mönch gleichzeitig auf seiner Zelle benutzen darf, wie die Ausleihe verbucht wird und schließlich, dass alljährlich am ersten Werktag nach Ostern und am 1. Oktober alle Bücher zur Revision in die Bibliothek zu bringen sind. Mit diesen Regelungen wird die Bibliothek zum symbolischen Ort von Inklusion und Exklusion erhoben. Sie schließt die Kartäuser 31
32
SCHREIBER, Die Bibliothek (wie Anm. 27), 191: „Item nullus presumat aliquid quantumcumque parvum librum alicui extraneo concedere sine requisicione et licencia presidentis." Ebd., 198f.
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nach innen enger zusammen und grenzt sie nach außen von der städtischen Umgebung ab. Auf diesem Hintergrund kann verständlich werden, warum der Mönch als Gesprächspartner in den städtisch geprägten Idiota-Dialogen des Cusanus nicht erscheint. Er ist gleichwohl in der im Text zwar nur angedeuteten, aber erkennbaren Lebensform und den Auffassungen des Idiota repräsentiert: Seine handwerkliche Tätigkeit an einem abgeschirmten Ort, seine Überzeugung, dass die Wirklichkeit im Ganzen wie die Bücher im Einzelnen als adressierte Texte zu verstehen sind, seine dialogische Lektürepraxis und nicht zuletzt seine Überzeugung, dass die Lektüre performativ, das heißt eine neue Wirklichkeit setzend und den Leser verändernd, erfolgen muß, sind ohne die monastische Lektürepraxis nicht verständlich. Diese kartusianische Lektürepraxis hatte über die Devotio Moderna eine für Laien angemessene Vermittlungsform gefunden. Mönche werden damit zu Musterlesern, zu Vor-Lesern der spätmittelalterlichen städtischen Gesellschaft. Diese von der monastischen Lesekultur geprägten Laien repräsentiert der Idiota. Durch sein Vermögen, erstens praecise zu lesen, das heißt der praecisio der Wirklichkeit entsprechend, zweitens dialogisch zu lesen, das heißt als Adressat eines absolut gedachten Autors und Absenders, und drittens performativ zu lesen, das heißt, indem er den Text realisiert, entlarvt er den in der Gesellschaft des Spätmittelalters allgemein anerkannten homo literatus als in Wirklichkeit illiterat. Damit werden die Dichotomie von illiteratus und literatus, von sapientia und ignorantia und die damit verbundenen sozialen Prestigemerkmale in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters unterlaufen. Gegen eine klerikale und universitäre Lektürekonvention und Wissenschaftskultur hat sich der Idiota am Ende der Dialoge als der wahre Leser und als Individuum neu erfunden.
Autorenverzeichnis
Marc-Aeilko Aris, Dipl. Theol., Dr. phil., Professor für Lateinische Philologie des Mittelalters an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Direktor des Albertus-Magnus-Instituts, Bonn. Publikationen: Contemplatio. Philosophische Studien zum Traktat Benjamin Maior des Richard von St. Victor mit einer verbesserten Edition des Textes, Frankfurt a. M. 1996; Hildegard bei den Kartäusern. Beobachtungen zur handschriftlichen Überlieferung der Werke Hildegards von Bingen im Spätmittelalter, Trier 1999; Nicolai de Cusa, Opera omnia iussu et auctoritate academiae litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita XIX: Sermones IV (1455-1463) Fase. 2: Sermones CCXVII-CCXXXI a Marc-Aeilko Aris editi. Hamburgi MMI; (mit Regina Pütz) Bibliotheca Fuldensis. Ausgewählte Handschriften und Handschriftenfragmente aus der mittelalterlichen Bibliothek des Klosters Fulda, Fulda 2010; daneben zahlreiche Aufsätze zur Geistes- und Bibliotheksgeschichte des Mittelalters. Franz Xaver Bischof, Dr. theol., Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München, seit 2008 Geschäftsführender Vorstand des Martin-Grabmann-Forschungsinstituts für Mittelalterliche Theologie und Philosophie, München. Publikationen u. a.: Das Ende des Bistums Konstanz. Hochstift und Bistum Konstanz im Spannungsfeld von Säkularisation und Suppression (1802/03-1821/27), Stuttgart 1989; Theologie und Geschichte. Ignaz von Döllinger (1799-1890) in der zweiten Hälfte seines Lebens. Ein Beitrag zu seiner Biographie, Stuttgart 1997; (Mit-)Herausgeber mehrerer Sammelwerke, darunter Vierzig Jahre II. Vatikanum. Zur Wirkungsgeschichte der Konzilstexte, Würzburg 22005 und Das II. Vatikanische Konzil (1962-1965). Stand und Perspektiven der kirchenhistorischen Forschung im deutschsprachigen Raum, Stuttgart 2012; zahlreiche Beiträge in Sammelwerken und Zeitschriften sowie Lexikonartikel. Christine Glaßner, Mag. Dr., Wissenschaftliche Angestellte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Leiterin der Abteilung Schrift- und Buchwesen des Instituts für Mittelalterforschung. Publikationen: Inventar der
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Autorenverzeichnis
mittelalterlichen Handschriften des Benediktinerstiftes Melk von den Anfängen bis ca. 1400; Katalog der deutschsprachigen Handschriften des Benediktinerstiftes Melk des 15. und 16. Jahrhunderts (im Druck). Roland Götz, Dr. theol., Leiter der Abteilung Archivische und bibliothekarische Querschnittsaufgaben im Erzbischöflichen Ordinariat München, 1991-1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Assistent am Institut für Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München, seit 1999 Tätigkeit im Archiv des Erzbistums München und Freising, seit 2007 Archivoberrat im Kirchendienst. Publikationen: Das Freisinger Domkapitel in der letzten Epoche der Reichskirche (1648-1802/03). Studien und Quellen zu Verfassung, Personen und Wahlkapitulationen, St. Ottilien 2003; Die Firm- und Kirchweihereise des Freisinger Fürstbischofs Ludwig Joseph von Weiden ins bayerische Oberland 1786. Das Reisetagebuch des Hofkavaliers Ferdinand Wilhelm Freiherr von Bugniet des Croisettes und ergänzende Quellen als Grundlage für ein archivpädagogisches Projekt, Regensburg 2001; Tegernsee St. Quirinus (= Schnell, Kunstführer 38), Regensburg 9 2009. P. Stephan Haering OSB (Abtei Metten), Dr. theol., Dr. iur. can. habil., M. A., geb. 1959, Priesterweihe 1984; 1997-2001 Professor für Kirchenrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, seither Professor für Kirchenrecht am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik der Universität München. Publikationen: Die Bayerische Benediktinerkongregation 1684-1803. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung der Verfassung eines benediktinischen Klösterverbandes unter Berücksichtigung rechtlicher Vorformen und rechtssprachlicher Grundbegriffe, St. Ottilien 1989; Rezeption weltlichen Rechts im kanonischen Recht. Studien zur kanonischen Rezeption, Anerkennung und Berücksichtigung des weltlichen Rechts im kirchlichen Rechtsbereich aufgrund des Codex Iuris Canonici von 1983, St. Ottilien 1998; Lexikon des Kirchenrechts, Freiburg i. Br. 2004 (zusammen mit Heribert Schmitz; span. Ausgabe 2008); zuletzt: Joseph de Guibert, Documenta ecclesiastica christianae perfectionis Studium spectantia. Dokumente des Lehramtes zum geistlichen Leben. Lateinisch - Deutsch, Freiburg i. Br. 2012 (zusammen mit Andreas Wollbold); zahlreiche Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken sowie Lexikonartikel; (Mit-)Herausgeber mehrerer Sammelwerke und Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „Archiv für katholisches Kirchenrecht"; Mitwirkung an der Herausgabe von Texten der anglonormannischen kirchenrechtlichen Schule des 12. Jahrhunderts. Victoria Hohenadel, seit Oktober 2012 Forschungsaufenthalt am Institut für Mittelalterforschung, Abteilung für Schrift- und Buchwesen, Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien; früher wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für lateinische Philologie des Mittelalters, Universität München.
Autorenverzeichnis
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Susanne Kaup, Dr. theol., M.A., Leiterin des Archivs der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München, vormals wiss. Mitarbeiterin am Martin-Grabmann-Forschungsinstitut der LMU München. Publikationen: De beatitudinibus. Gerhard von Sterngassen OP und sein Beitrag zur spätmittelalterliche Spiritualitätsgeschichte, Berlin 2012; Et Ordinem Praedicatorum secundum librum de Collationibus Patrum instituit et vivere docuit. Aspekte der Wüstenväterrezeption in der Chronica parva Ordinis Praedicatorum des Galvano Fiamma OP, in: Thomas Prügl, Marianne Schlosser (Hgg.), Kirchenbild und Spiritualität. Dominikanische Beiträge zur Ekklesiologie und zum kirchlichen Leben im Mittelalter. Festschrift für Ulrich Horst OP zum 75. Geburtstag, Paderborn 2007, 197-217. Philipp Lenz, lic. phil. I, arbeitet an einem Handschriftenkatalog der Codices 670-749 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Jüngste Forschungen: Reichsabtei und Klosterreform. Das Kloster St. Gallen unter dem Pfleger und Abt Ulrich Rösch (1457-1491), Diss. phil. Univ. Freiburg i. Ü., Mai 2012; Neu entdeckte voraccursische Glossen zu den Tres Libri in St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 749 (=Sg), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Romanistische Abteilung 128 (2011) 417-441. Julia Rinser, M.A., Doktorandin der Bayerischen und Vergleichenden Landesgeschichte, Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e. V. Publikationen: Die Förderung des Priesternachwuchses im Erzbistum München und Freising. 150 Jahre St. Korbiniansverein, in: Beiträge zur Altbayerischen Kirchengeschichte 52 (2010) 287-354; Medien des begrenzten Raumes. Landes- und regionalgeschichtliche Zeitschriften im 19. und 20. Jahrhundert, in: Westfälische Forschungen 61 (2011) 505-509. P. Beda Maria Sonnenberg OSB, Lic. theol., Dr. theol., M.A., Abt der Benediktinerabtei Plankstetten, Novizenmeister, Bibliothekar, Archivar. Publikationen: Die Abtswahl nach Johannes von Kastl. Untersuchungen und Textedition, St. Ottilien 2008; Der „Liber terminorum conventus Eystettensis" im Kontext der spätmittelalterlichen Reformen der Eichstätter Bischöfe, in: Thomas Prügl, Marianne Schlosser (Hgg.), Kirchenbild und Spiritualität. Dominikanische Beiträge zur Ekklesiologie und zum kirchlichen Leben im Mittelalter. Festschrift für Ulrich Horst OP zum 75. Geburtstag, Paderborn 2007, 357-376; „An einem Tag lesen am nächsten auslegen": mittelalterliche Kommentare zur Benediktsregel und ihre Erklärung von RB 64,15, in: Erbe und Auftrag 83 (2007) 30-41. Martin Thurner, Prof. Dr. theol., Akad. Oberrat am Martin GrabmannForschungsinstitut und Dozent für Christliche Philosophie an der Katholisch-
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Autorenverzeichnis
Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Publikationen u.a.: Gott als das offenbare Geheimnis nach Nikolaus von Kues, Berlin 2001; Herausgeberschaften u.a.: Die Einheit der Person. Beiträge zur Anthropologie des Mittelalters, Stuttgart 1998; Nicolaus Cusanus zwischen Deutschland und Italien, Berlin 2002, Mittelalterliches Denken. Debatten, Ideen und Gestalten im Kontext, Darmstadt 2007; Passiones Animae. Die „Leidenschaften der Seele" in der mittelalterlichen Theologie und Philosophie, Berlin 2009. Ulrike Treusch, Prof. Dr. theol., seit 2007 Dozentin für Theologie an CVJMKolleg und CVJM-Hochschule, 2002-2007 Assistentin am Lehrstuhl für Kirchengeschichte (Institut für Spätmittelalter und Reformation), Evang.-theol. Fakultät, Universität Tübingen. Publikationen u. a.: Bernhard von Waging (f 1472), ein Theologe der Melker Reformbewegung, Monastische Theologie im 15. Jahrhundert? Tübingen 2011.
Personenindex
Adalbert (Gründerabt von Kloster Tegernsee) 96, 122, 129, 130, 136, 137 Adso von Montier-en-Der 297 Aindorfer, Kaspar (Konventual des Klosters Tegernsee) 93-98, 100106, 108, 109, 111, 112, 114-116, 119-123, 127-129, 132, 133, 137, 138, 140, 142 s. a. Ayndorffer, Kaspar Airinschmalz, Konrad (Abt von Kloster Tegernsee) 11, 14, 19, 93, 94, 103-106, 108, 110, 117, 124, 127, 132, 138,201 Albert von Salona (Weihbischof) 100 Albertus Magnus 297 Albrecht II. (römisch-deutscher König) 276 s. a. Albrecht V. Albrecht III. (Herzog von Oberbayern-München) 89, 109, 115, 134, 202, 205,207-209,211,214 Albrecht IV. (Herzog von BayernMünchen) 110,115,139 Albrecht V. 76 (Herzog von Österreich) s. a. Albrecht II. Alexander III. (Papst) 170 Alexander von Haies 154 Amann, Paul (Student in Erfurt) 13 Ambrosius von Cerreto (Zisterzienserabt) 247 Andreas (Heiliger) 136, 140
Angelus von Rein (Abt des Zisterzienserstiftes Rein) 78 Angler, Gabriel (Münchener Maler) 121, 122, 129, 131 Anselm von Canterbury 40, 296 Antonius von Katalonien/de Catalonia 78, 85 Aristoteles 199 Arnold (Graf von Scheyern) 132 Arnold von Bonvalle 297 Arnulf „der Böse" (Herzog von Bayern) 96 Augsburger, Kaspar (Abt von St. Georgenberg) 215 Augustus 285 s. a. Octavian Augustin(us) (Heiliger) 147, 283 Ayglerius, Bernardus (Abt von Montecassino) 81, 84, 85 s. a. Bernhard von Montecassino Ayndorffer, Kaspar (Abt von Kloster Tegernsee) 11, 14, 16, 19, 23, 26, 162, 163, 167, 176, 177, 185, 186, 188, 189, 191, 193, 194, 196, 199-201, 204, 207, 211, 212, 215, 216, 217 s. a. Aindorfer, Kaspar Balmer, Johannes (Mönch des Klosters Wiblingen) 250, 251 Barbo, Luovico (Prior in Alga) 59, 60 Bartholomäus II. (Abt von Subiaco) 62
308 Bartholomäus III. (Abt von Subiaco) 62 Benedikt (von Nursia) (Heiliger) 22, 51, 55, 58, 133, 137, 139, 143, 147, 228,281 Benedikt XII. (Papst) 66, 68, 70, 150,223, 267, 268 Berckammer, Johannes 225 Berengar II. (König von Italien) 260 Bernhard von Clairvaux 22, 33, 86, 270, 296, 297, 299 Bernhard von Montecassino 270 s. a. Ayglerius, Bernardus Bernhard von St. Victor (Marseille; Abt) 265 Bernhard von Waging (Prior des Klosters Tegernsee) 11-43, 53, 103, 104, 107, 109, 118, 119, 143, 144, 146-155, 157, 159, 162-167, 170179, 185-188, 190, 191, 194-201, 205-219,277 Berthold I. (Herzog von Zähringen) 260 Bischoff, Johannes (Schweizer Rechtsgelehrter) 255 Blarer, Diethelm (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 236 Blarer, Eglolf (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 225, 227, 231, 242, 254 Boerius, Petrus (Benediktiner) 81, 84 = Boherius, Petrus 270 Bonaventura 22, 23, 45, 86, 198, 200,296, 297 Bonifatius (Heiliger) 281 Bonihominis, Alfonsus 297 Bosch, Heinrich 225 Bruno (Heiliger) 289 Brunner, Erhard (Propst von Kloster Indersdorf) 159, 160 Burkhard (Heiliger) 281 Caesar 285
Personenindex Calixt III. (Papst) 213 Casparus de Neuburga (Consilarius) 82 Castorius (Heiliger) 122, 124, 140 Cato 285 Celi, Johannes (Magister) 246 Cesarini, Giuliano (Kardinal) 246, 247 Chrysogonus (Heiliger) 94, 122, 124, 140 Cicero, Marcus Tullius 281, 283287 Clemens V. (Papst) 268 Clemens VII. (Papst) 63 Conradus (Pistoris) de Haistatt (Kanonist an der Universität Wien) 83 Correr, Antonio (Kardinal) 59 Damiani, Petrus (Kirchenlehrer) 270 Diepoltskircher, Wilhelm (Abt von Benediktbeuern) 195 Dionysius (Pseudo-)Areopagita 23, 198, 297 Dürer, Albrecht 284, 289 Eberhard I. von Hildrizhausen (Fürstbischof von Eichstätt) 262, 263 Eberhard III. von Venlo 251 Eberhard von Wolfratshausen (Abt von Kloster Andechs) 186, 205, 208, 211-213 s. a. Stöcklin, Eberhard Eckhart von Hochheim (Meister Eckhart) 285 Eger, Heinrich von Kalkar (Kartäuser) 289, 300 Eibensteiner, Christian (Abt von Stift Melk) 83, 87, 89, 166 Ernst (Herzog von Bayern-München)94,95, 102, 192
Personenindex Ernst I. (Herzog von Schwaben) 260 Eugen IV. (Papst) 60, 95, 157 Fabricius, Johannes 140 Felix (Heiliger) 225 Felix V. (Papst) 95 Franciscus von Padua (Abt von Subiaco) 62 Friedrich III. (römisch-deutscher Kaiser) 115, 136 Friedrich von Kastl-Habsberg (Graf) 260 Fuchs, Johannes (Dekan von Kloster Neustift) 205 Gallus (Heiliger) 228, 232 Gebhard III. (Bischof von Konstanz) 260, 262, 264 Geist, Marcellus (Kartäuser in Mainz) 297, 298 Georg (Bruder aus dem BirgittenOrden) 107 Georg (Laienbruder im Kloster Tegernsee) 187, 188 Gerhard van Vliederhoven (asketischer Schriftsteller) 297 Gerlacher, Siegfried (von Ellwangen) 65 Gerson, Johannes (französischer Theologe) 22-24, 28, 30, 33, 173, 182, 198,297,298 Gertrud von Helfta (Heilige) 298 Gienger, Leonhard (Prior des Klosters Tegernsee) 98 Godehard (Heiliger) 128 Goldast (Familie in St. Gallen) 237 Gottschalk (Prior in Melk) 79 Gradner, Wigolaus (Adeliger) 215 Grafenreuter, Sebastian (Konventuale des Klosters Tegernsee) 100 Gregor der Große (Papst) 22, 38 Gregor VII. (Papst) 56
309 Gregor IX. (Papst) 267 Gregor XI (Papst) 63 Gregor von Nazianz (griechischer Kirchenlehrer) 278 Gregor von Otingen (Mönch im Kloster Tegernsee) 107 Groote, Geert (niederländischer Theologe) 296 Grünwalder, Johannes (Bischof von Freising) 95, 100, 101, 132, 133, 192 Guigo I. Carthusiensis 86, 289 Gunther, Berthold (Abt von St. Stephan in Würzburg) 247, 248 Hablüzel, Ulrich (Abt von Waiblingen) 234, 235, 242, 247, 248, 251,252 Hagen, Johannes (Kartäuser) 144, 277,289 Haldner, Hans (Bildhauer und Steinmetz in München) 123, 129, 130 Haldner, Markus (Bildhauer und Steinmetz in München) 123 Haldner, Matthäus (Bildhauer und Steinmetz in München) 123 Hausheimer, Johann IV. von Welming (Abt von Melk) 11 Hausmann, Johannes (Abt von Kloster Andechs) 107, 111 Heimfelder, Benedikt (Mönch im Kloster Tegernsee) 107 Heinrich II. (Heiliger) 138 Heinrich XVI. (Herzog von BayernLandshut) 94 Heinrich von Coesfeld (Kartäuser) 296 Heinrich von Gundelfingen (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 245 Heinrich von Hildrizhausen (Graf) 262
310 Heinrich von Langenstein (Theologe an der Universität Wien) 296 Heinrich von Mansdorf (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 245 Hermann von Habsberg (Graf) 263 Herr, Hans (Bürger von St. Gallen) 237 Herz von Berching, Narcissus (Theologe und Philosoph an der Universität Wien) 83 Hieronymus (Heiliger) 281, 283285, 288,290 Hieronymus de Werdea (Prior von Kloster Mondsee) 99 = Hieronymus von Mondsee 27, 144 Hieronymus von Brünn (Dekan der Fürstabtei St. Gallen) 225 Holzapfler, Augustin (Prior von Kloster Tegernsee) 107 Homberg, Johannes (Ökonom der Fürstabtei St. Gallen) 225, 242 Honorius Augustodunensis 297 Hoppener, Ortwin (Kartäuserprior in Mainz) 296 Hueber, Alphons (Chronist des Klosters Tegernsee) 127, 128 Hugo de Balma 198 = Hugo von Balma 22 Hugo von Cluny (Abt von Cluny) 265 Imler, Martin (Mönch von Kloster Wiblingen) 149 Innozenz III. (Papst) 37, 150, 169, 170, 180, 267,268 Innozenz IV. (Papst) 267 Isaac (Rabbi) 297 Jakob von Jüterborg (Kartäuser in Erfurt) 277, 289 Jakob von Paradies (Kartäuser in Erfurt) 277, 289
Personenindex Jakob von Rothenburg (Prior der Kartause Tückelhausen) 276 Jakob von Tückelhausen (Kartäusermönch) 275-283, 287-290 Johann von Eych 14, 20, 27, 31, 33, 40, 177, s. a. Johannes III. von Eych Johann II. (Herzog von BayernMünchen) 95 Johann IV. von Drazice (Bischof von Prag) 160 Johann IV. (Hausheimer) von Welming (Abt von Melk) 11 Johannes (Heiliger) 228 Johannes balneatore 141 Johannes (Chorherr des Klosters Beyharting) 107 Johannes (Dekan und Propst von Indersdorf) 95, 132 Johannes III. von Eych (Bischof von Eichstätt) 195, 217, 218, 275-282, 288-290 s. a. Johann von Eych Johannes (III.) von Fläming (Abt von Stift Melk)79, 87 Johannes de Septemcastris (Magister an der Universität Wien) 82 Johannes von Dambach (Dominikaner) 30 Johannes von Freiberg (Abt von St. Georgenberg) 208, 215 Johannes von Füssen (Mönch der Fürstabtei St. Gallen) 234 Johannes von Kastl (Benediktiner) 25 Johannes von Ochsenhausen (Abt des Schottenklosters in Wien) 95, 100,132 Johannes von Speyer (Konventuale in Melk) 78, 144 Johannes von Ulm 89 Johannes von Welming 87 s. a. Johann IV. (Hausheimer) von Welming
Personenindex Johann von Westernach 204, 206 Judas (Apostel) 227
311 (Propst)
Kaspar von Breitenlandenberg (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 231, 233, 237,242, 248, 249 Kaspar von Maiseistein (Professor an der Universität Wien) 79, 83, 153 Kaspar von Thammertingen (Mönch des Klosters Wiblingen) 234 Kastner, Hildebrand (Abt von Kloster Tegernsee) 93-95, 100, 113, 132,135 Keck, Johannes (Prior im Kloster Tegernsee) 11, 14, 22, 106-108, 127, 133, 162, 165-172, 174, 175, 177-179, 193, 198 Kemli, Gallus (Mönch der Fürstabtei St. Gallen) 226, 229, 236, 237, 239, 241 Kemnater, Georg (Abt von Kloster Kastl) 65 Kiderer, Wolfgang (Mönch des Klosters Tegernsee) 107 Kienberger, Wilhelm (Abt von Kloster Scheyern) 15, 16, 107, 110, 159, 161-164, 167, 169-183, 194 Kistler, Johannes (Laienbruder aus dem Kloster Reichenbach) 107, 122, 135 Kleingarn, Christian (Abt von St. Peter in Erfurt) 247, 248 Kölner, Friedrich (Cellerar der Fürstabtei St. Gallen) 225, 226, 241, 242 Koloman (Heiliger) 122, 138 Konrad (Kantor des Klosters Kastl) 231 Konrad von Geisenfeld (Bibliothekar im Kloster Tegernsee) 11, 14, 89, 107, 108, 144, 165-167, 178,
187, 194, 200, 208,216 Konrad (Dekan des Klosters Kastl) 230, 231,240 Konrad von Pegau (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 245 Konrad von Soltau (Bischof von Verden)296 Konrad von Tannheim 254 Kummer, Johannes (Abt von Kloster Engelberg) 246 Kunigunde (Heilige) 138 Kydrer, Wilhelm (Mönch des Klosters Tegernsee) 14, 28 Laittner, Barbara 141 Laittner, Udalricus 141 Lascari, Andreas (Bischof von Posen)78 Laurentius (Abt von Kloster Mariazell) 204 Laurenz (Abt von Kloster Kleinmariazell) 99 Leo XIII. (Papst) 73 Leonhard (Prior der Kartause Gaming) 78 Leonhard von Layming (Bischof von Passau) 153 Leonhard von Straubing (Abt von Stift Melk) 83 Leyrer, Maurus (Mönch des Klosters Tegernsee) 107 Liutold (Abt von Kloster Petershausen) 162 Ludolf von Sachsen (Kartäuser) 33 Ludwig VII. (Herzog von BayernIngolstadt) 94 Ludwig von Helmsdorf (Mönch der Fürstabtei St. Gallen) 226 Luitgard von Zähringen (Stifterin des Klosters Kastl) 260, 261 Lullus, Raymundus 200
312 Mäleßkircher, Gabriel (Maler in München) 124 Maiser, Wolfram (Abt von Kloster Hirsau) 247, 248 Marcus Antonius 285 Magnus (Heiliger) 228, 232 Margaretha (Frau des Johannes balneatore) 141 Martin (Heiliger) 228 Martin V. (Papst) 60, 63, 78, 95, 132,136, 245 Martin von Leibitz (Abt des Wiener Schottenklosters) 94, 99, 204 Matthias de Prussia 78 Mayr, Sixtus 297 Mayronis, Franciscus (französischer Scholastiker) 296 Medici, Cosimo der Ältere 117 Merian, Matthäus der Ältere (Kupferstecher) 125, 126 Michael (Heiliger) 140 Mörlin, Konrad II. (Abt von Kloster St. Ulrich und Afra) 111 Natz, Michael von (Generalvikar von Brixen) 205 Neukam, Matthäus (Augsburger Buchhändler) 201 Neupöck, Raphael (Bibliothekar des Klosters Tegernsee und Abt von Oberalteich) 105, 110, 200 Nicolaus Conradi de Austria 78 s. a. Seyringer, Nikolaus (Abt von Melk) sowie Nikolaus von Matzen Nider, Johannes (Magister an der Universität Wien) 28 Nikodemus della Scala (Bischof von Freising) 95, 100, 112, 132 Nikolaus (Heiliger) 228 Nikolaus V. (Papst) 115, 117, 136, 201,205,210,211,213 Nicolaus (III.) von Respitz (Abt des
Personenindex Wiener Schottenstiftes) 78, 79 Nikolaus von Dinkelsbühl (Theologe an der Universität Wien) 14, 28, 77-79, 8 2 , 8 3 , 8 9 , 1 4 4 , 1 5 3 Nikolaus von Kues (Cusanus) 18, 19, 22-24, 27, 99, 109, 118-121, 146, 147, 176, 185-192, 195-200, 202-219, 276, 291-295, 297, 300 Nikolaus von Lyra (Franziskaner) 296 Nikolaus von Matzen 77 s. a. Seyringer von Matzen, Nikolaus (Abt von Melk) Nortweiner, Otto (Abt von Kloster Kastl) 269, 270 Notker Balbulus (Heiliger) 228 Nott, Oswald (Mönch des Klosters Tegernsee) 16, 107, 159, 162, 164, 170,200 Oertl, Andreas (Abt von Kloster Andechs) 111 Octavian 285 s. a. Augustus Ostertag, Johannes (Steinmetz und Baumeister in Leinstetten) 231 Otkar (Klosterstifter von Kloster Tegernsee) 96, 122, 130, 136, 137 Otmar (Heiliger) 228, 232 Öttinger, Johannes (Kaplan) 234 Otto (Bischof von Augsburg) 161 Otto (Mönch der Abtei Hirsau) 262 Otto von Habsberg 260, 262, 263 Otto von Schweinfurt = Otto III. (Herzog von Schwaben) 261, 262 Pachmüller, Petrus (Magister) 83 Palud, Louis de La (Kardinal) 65 Partenhauser, Ulrich II. (Abt von Kloster Tegernsee) 106 Paschalis II. (Papst) 260, 261, 264 Paulus (Heiliger) 56, 138, 232 Pelchinger, Anton (Konventuale des
Personenindex Klosters Tegernsee) 200 Petrus (Heiliger) 138, 232 Petrus Damiani (Kirchenlehrer) 50 Petrus de Austria = Petrus von Klosterneuburg 78 Petrus von Pulkau (Theologe in Wien) 79, 83 Petrus von Rosenheim (Prior des Klosters Melk) 11, 78-80, 95, 98, 101, 132, 133, 143 Pez, Bernhard (Gelehrter in Melk) 105,127, 128 Piccolomini, Enea Silvio (Kardinal) 249,276 Pistoris, Conradus de Haistatt (Kanonist an der Universität Wien) 83 Praittenwieser, Matthias (Mönch des Klosters Tegernsee) 107 Prunner, Erhard (Propst von Kloster Indersdorf) 14 Quirinus (Heiliger) 122-124, 129, 131,135,136, 140 Rapp, Johannes (Mönch des Klosters Wiblingen) Raymundus Lullus 200 Regler, Quirin I. (Abt von Kloster Tegernsee) 106, 127 Regula (Stadtheilige von Zürich) 228 Reicher, Johann (von Kloster St. Georgen) 65 Rest, Quirin (Abt von Kloster Tegernsee) 127 Richard von St. Victor (Augustinerchorherr in Paris) 43, 173, 182 Riff, Heinrich (Abt des Klosters Ettenheimmünster) 247 Robert von Genf 63 s. a. Clemens VII. (Papst) Rode, Johannes (Abt von St.
313 Matthias bei Trier) 155, 246, 247 Rormayr, Johannes (Abt von Kloster Kleinmariazell) 107 Rösch, Simon (Schreiber und Konventuale des Klosters Wiblingen) 235 Rösch, Ulrich (Abt der Fürstabtei St. Gallen) 223, 233, 235, 237, 242, 244,248, 250, 254, 255 Rothuet, Johannes (Propst von Kloster Indersdorf) 14, 15, 16, 18, 159-163, 172 Rudolf von Tannheim 254 Rudolfus (Volkardi) de Heringen (Mediziner an der Universität Wien) 83 Ruhe, Konrad II. (Abt von Kloster Wiblingen) 251 Salzkästner, Georg (Abt von St. Stephan in Würzburg) Samuel (Rabbi) 297 Sartori, Konrad (Bibliothekar des Klosters Tegernsee) 117 Saxl, Michael (Mönch des Klosters Tegernsee) 107 Schirm, Ulrich (Dekan und Propst von Kloster Indersdorf) 163-165, 171,179 Schlitpacher, Johannes (Benediktiner im Stift Melk) 11, 12, 14,21,23, 24, 27, 31, 75, 89, 90, 99, 104, 143, 154, 165, 166, 204, 206,211 Schlüchti, Heinrich (Pfleger von St. Gallen) 249 Schneck, Berthold II. (Abt von Kloster Tegernsee) 105 Schreck, Johannes (Kaplan der Fürstabtei St. Gallen) 235 Schwerzenbeck, Ambrosius (Bibliothekar des Klosters Tegernsee) 11, 117,190,194, 201
314
Personenindex
Scipio Africanus der Ältere 281, 283-287 Scholastika von Nursia (Heilige) 139 Seuse, Heinrich (mittelalterlicher Mystiker) 296 Seyringer, Nikolaus (Abt von Melk) 11, 78-80, 82, 83, 85, 87 s. a. Nicolaus Conradi de Austria sowie Nikolaus von Matzen Siber, Konrad (Propst von Kloster Ilmmünster) 212 Sigismund von Luxemburg (König von Böhmen und römisch-deutscher Kaiser) 68, 115, 136 = Sigmund (König von Böhmen) 79 Sigismund (Herzog von Tirol) 196, 203,204, 207, 212, 215 Sigismund von Gaming (Kartäuser) 12 Simon (Apostel) 227 Simon (Konventuale der Fürstabtei St. Gallen) 226, 241 Sixtus von Tannberg (Bischof von Freising) 110 Sprenger, Marquard (Münchener Weltpriester) 23, 198, 200 Stephan (Heiliger) 228 Stephan von Spannberg (Abt von Melk) 87 Stöckl, Ulrich (Abt von Kloster Wessobrunn) 98, 110, 156, 157, 194 Stöcklin, Eberhard (Abt von Kloster Andechs) 107, 111 s. a. Eberhard von Wolfratshausen Stummel, Hermannus 300 Sundersdorffer, Johannes (Konventuale des Klosters Tegernsee) 100 Surius (Kartäuser) 25 Swab, Konrad 225 Tauler, Johannes
(Theologe
und
Prediger) 22, 25 Tegernseer Anonymus 26 Tesenpacher, Christian (Abt von Kloster Oberalteich) 14, 31, 99, 107, 110,111 Theoderich (Abt von Kloster Petershausen) 262,272 Thomas von Aquin 33 Thomas von Vercelli 198 Toscanelli, Paolo dal Pozzo 200 Totting de Oyta, Heinrich 296 Trugsesse, Johannes 204 Udalrich I. (Bischof von Eichstätt) 263 Ulrich von Landau (Prior des Klosters Tegernsee) 12, 14, 107 Ulrich von Cluny 265 Urban VI. (Papst) 63 Verena von Stuben (Äbtissin von Kloster Sonnenburg) 204-206, 209211,213 Vinzenz von Aggsbach (Kartäuserprior) 23,24,145, 198 Volkardi, Rudolfus de Heringen (Mediziner an der Universität Wien) 83 Volmar, Anton (Kartäuser) 25 Wenck, Johannes (Theologe in Heidelberg) 297 Westendorffer, Diebold (Mönch des Klosters Tegernsee) 107 van der Weyden, Rogiers (niederländischer Maler) 197 Wiborada (Heilige) 228, 232 Wigbert (Heiliger) 227 Wilhelm (Abt von Kloster Benediktbeuern) 212 Wilhelm (Abt von Kloster Hirsau) 265
Personenindex Wilhelm III. (Herzog von BayernMünchen) 94, 95, 100, 102, 109, 132,192 Wilhelm von Auvergne 296 Wilhelm von Diepoldskirchen (Abt von Kloster Benediktbeuern) 110 Wilhelm von St. Thierry 86 Willibald (Schutzheiliger) 281 Winkelhofer, Jodok (Mönch des Klosters Wiblingen) 234, 242 Wittiber, Peter (Gebl; Abt von Kloster Wessobrunn) 110 Witzig, Johannes (Laienbruder und Buchbinder des Klosters Tegernsee) 201 Wöhrmüller, Bonifaz (Abt von St. Bonifaz in München) 269 Zappe, Johannes (aus Oppenheim) 300