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German Pages 344 Year 1993
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 125
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613 a auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer
Von
Michael Bossmann
Duncker & Humblot · Berlin
M I C H A E L BOSSMANN
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613 a auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 125
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer
Von Dr. Michael Bossmann
Duncker & Humblot - Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Bossmann, Michael: Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613 a auf Wettbewerbsverbote / von Michael Bossmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 125) Zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 1992/93 ISBN 3-428-07849-7 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-07849-7
Vorwort Die Arbeit wurde von der Universität Bielefeld zu Beginn des Wintersemesters 1992/93 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis einschließlich Februar 1992 berücksichtigt werden. Auf das Urteil des EuGH v. 16.12.1992, NZA 1993, 169 ff zum Recht des Arbeitnehmers, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, habe ich an entsprechender Stelle hingewiesen. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Grunsky für seine freundliche Betreuung und die Erstellung des Erstgutachtens. Ihm verdanke ich auch die Überlassung des Themas. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Herbert Kronke für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Zu danken habe ich ferner Herrn Assessor Ernst Schwindl für das Lesen der Korrekturen und seine unermüdliche Diskussionsbereitschaft. Für letzteres gilt mein Dank auch Herrn Richter am Arbeitsgericht Thomas Holbeck. Ganz besonderer Dank gebührt jedoch meinem Kanzleisozius, Herrn Rechtsanwalt Erhard Exner, der so manche zusätzliche Belastung auf sich nahm, um mir Zeit für die Fertigstellung der Arbeit zu gewähren. Und schließlich danke ich ganz herzlich meiner Frau für ihr Verständnis, ihre Unterstützung und ihre außerordentliche Geduld.
Regensburg, im Mai 1993
Michael Bossmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung
21
Erster Teil
Grundlagen zum Betriebsübergang
23
1. Der Regelungsgehalt des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB - Austausch des Vertragspartners
23
2. Betrieb und Betriebsteil
26
a) Rechtsprechung und Schrifttum
26
b) Stellungnahme
31
3. Der Zeitpunkt des Eintritts
35
4. Die Zuordnung der Arbeitnehmer
37 Zweiter Teil
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die gesetzlichen Wettbewerbsverbote Abschnitt
39
A
Das gesetzliche Wettbewerbsverbot als Teil der Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis
39
1. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses in §613 a BGB
39
2. Das Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen und sonstigen Arbeitnehmer ..
40
3. Ergebnis
43 Abschnitt
Β
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots
44
8
nsverzeichnis 1. Kapitel Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
44
1. Die Bestimmung von Inhalt und Umfang nach dem Geschäftszweig des Arbeitgebers
44
a) Handlungsgehilfen
44
aa) Betrieb eines Handelsgewerbes
45
bb) Geschäftemachen im Handelszweig des Prinzipals
47
b) Sonstige Arbeitnehmer
49
c) Die Bedeutung der Unternehmensstruktur
50
d) Ergebnis
51
2. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei gleichbleibendem Geschäftszweig des Erwerbers a) Erscheinungsformen des Betriebsübergangs
52 52
aa) Fortführender Betriebsübergang
52
bb) Eingliedernder Betriebsübergang
53
b) Die Auswirkungen bei fortführender Betriebsübernahme
53
3. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei erweitertem Geschäftszweig des Erwerbers
54
a) Problemstellung
54
b) Einschränkungen des arbeitnehmerseitigen Handlungsspielraums ohne Betriebsübergang
55
aa) Einschränkungen durch vertragliche Maßnahmen
55
bb) Einschränkungen durch organisatorische Maßnahmen
56
aaa) Die Meinung im Schrifttum
56
bbb) Stellungnahme
57
ccc) Ergebnis
60
c) Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei Erweiterung des Geschäftszweiges
61
aa) Die Meinung im Schrifttum
61
bb) Stellungnahme
62
cc) Ergebnis
64
nsverzeichnis d) Betriebsübergangsbedingte Erweiterung des Geschäftszweiges und Nebentätigkeitserlaubnis
65
aa) Problemstellung und Meinungsstand
65
bb) Die Auslegung der Nebentätigkeitsgenehmigung
66
cc) Lösungsansatz
67
ee) Ergebnis
70
4. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei eingeschränktem Geschäftszweig des Erwerbers
70
5. Ergebnis
72 2. Kapitel Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf ein inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
1. Die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit
73 73
a) Einwilligung durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung
73
b) Einwilligung durch vertragliche Vereinbarung
75
2. Der Eintritt in die durch die Einwilligung begründete Pflichtenstellung
76
3. Die Lösung von der einseitig erklärten Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
77
a) Problemstellung
77
b) Der Widerruf der Einwilligung
78
aa) Die rechtliche Einordnung der Einwilligung
78
aaa) Anwendbarkeit der §§ 182 ff BGB ?
78
bbb) Die Einordnung der Einwilligung in die "Gestaltungsrechte"
80
bb) Der Widerruf der vorbehaltlos erklärten Einwilligung
81
aaa) Grundsätzliche Unwiderruflichkeit wirksam ausgeübter Gestaltungsrechte
81
bbb) Widerruflichkeit der Einwilligung wegen der auf der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos beruhenden Interessenlage?
82
ccc) Widerruflichkeit der Einwilligung wegen der besonderen Interessenlage bei Betriebsübergang?
86
ddd) Ergebnis
90
eee) Auswirkungen des Ergebnisses auf die Problematik der Nebentätigkeitsgenehmigung
90
10
nsverzeichnis c) Der Widerruf der unter Vorbehalt erklärten Einwilligung
91
4. Die Lösung von der konkurrenzrechtlichen Erlaubnis durch ordentliche Änderungskündigung
92
a) Problemstellung
92
b) Die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung zur Beseitigung der Einwilligung
94
c) Die Kausalitätsproblematik
99
d) Ergebnis
103
5. Außerordentliche Änderungskündigung zur Beseitigung der Einwilligung?
104
6. Anpassung der Einwilligung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage? 105 7. Änderungsvertrag
107
8. Zusammenfassung der Ergebnisse
109
Abschnitt
C
Der Widerspruch des Arbeitnehmers und die Auswirkungen auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot 1. Das Widerspruchsrecht nach der Rechtsprechung des BAG
111 Ill
2. Veränderung der Rechtslage durch das Urteil des EuGH vom 5.5.1988?
113
3. Auswirkungen des Widerspruchs auf das Wettbewerbsverbot
116
a) Problemstellung
116
b) Grundüberlegungen zur Rechtsnatur des Widerspruchsrechts
117
aa) Zustimmungs-
und
Gestaltungsrechtslösung
als
unterschiedliche
Grundauffassungen zur Rechtsnatur des Widerspruchsrechts bb) Stellungnahme
118 119
c) Der zeitliche Rahmen für den Widerspruch und die Auswirkungen auf das Wettbewerbsverbot 4. Ergebnis
121 125
Abschnitt
D
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Rechtsfolgen bei Verletzungen des Wettbewerbsverbots 1. Der Eintritt in den Unterlassungsanspruch
126 126
nsverzeichnis 2. Der Eintritt in den Schadensersatzanspruch
129
3. Die Auswirkungen auf das Eintrittsrecht
132
a) Die Auswirkungen auf das Wahlrecht nach § 61 HGB
132
b) Der Übergang des Eintrittsrechts
133
4. Der Übergang des Anspruchs auf Auskunft und Rechnungslegung
135
5. Die Auswirkungen des Übergangs auf das Kündigungsrecht
136
a) Der Eintritt in das Recht zur ordentlichen bzw. außerordentlichen Kündigung
136
b) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschulden bei fristloser Kündigung
138
aa) Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Wegfalls des Wettbewerbsverbots in Rechtsprechung und Schrifttum
138
bb) Stellungnahme
139
cc) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB
141
Dritter Teil
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote Abschnitt
144
A
D e r Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede
144
I. Kapitel Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses
144
1. Rechtsgrundlagen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots
144
2. Die Wettbewerbsabrede als Bestandteil der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
147
a) Problemstellung
147
b) Meinungsstand
147
c) Stellungnahme
149
3. Der Eintritt in die Wettbewerbsabrede
155
4. Betriebsübergang und das Formerfordernis nach § 74 Abs. 1 S. 1 HGB
157
12
nsverzeichnis 2. Kapitel Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
159 159
a) Problemstellung
159
b) Meinungsstand
164
aa) Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum
164
bb) Die Mindermeinung
166
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB - Auslegung des Merkmals "bestehendes Arbeitsverhältnis"
168
a) Wortlaut
168
b) Systematische Auslegung
170
c) Historisch-genetische Auslegung
176
aa) Übersicht über die Rechtslage zum Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang vor Inkrafttreten des § 613 a BGB bb) Die Anlehnung an die "einschlägige Rechtsprechung" in der Begründung des Regierungsentwurfs
177 180
aaa) Die Rechtsprechung des BAG
180
bbb) Die Rechtsprechung der Instanzgerichte
186
ccc) Ergebnis und Bewertung
187
cc) Die weitere Entstehungsgeschichte nach Inkrafttreten des § 613 a BGB
189
dd) Der Vorschlag der Arbeitsgesetzbuchkommission
191
ee) Ergebnis
193
d) Teleologische Auslegung
193
e) Ergebnis
198
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
200
a) Die Methode der Lückenschließung durch Analogie
200
b) Feststellung der Regelungslücke
204
aa) Keine Regelungslücke wegen der Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung?
204
bb) Die aus der Entstehungsgeschichte erkennbare Regelungsabsicht
210
aaa) Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Betriebsverfassungsgesetz
211
nsverzeichnis bbb) Die Regelungsabsicht nach den Materialien zum Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz
214
ccc) Der Vorschlag der Arbeitsgesetzbuchkommission
215
ddd) Der Einfluß des SpTrUG
216
eee) Zwischenergebnis
216
cc) Gesetzesimmanente Teleologie
217
dd) Feststellung der Regelungslücke
219
c) Feststellung der Ähnlichkeit
220
aa) Kontinuität des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis
220
bb) Die auf die unternehmerische Tätigkeit bezogene Schutzfunktion des Wettbewerbsverbots
222
cc) Interessenlage
223
aaa) Die Interessen des Arbeitnehmers
223
bbb) Die Interessen des Betriebsveräußerers
226
ccc) Die Interessen des Betriebserwerbers
228
d) Ergebnis
229 Abschnitt
Β
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede
231
1. Kapitel Die Ausgangslage: Vertragliche und gesetzliche Komponeneten zur Bestimmung der Reichweite
232
2. Kapitel Die Auswirkungen auf die durch Vertrag bestimmte Reichweite 1. Die Bestimmung der Reichweite der Wettbewerbsvereinbarung
234 234
a) Die Bestimmung der konkurrierenden Tätigkeiten
234
b) Der Drittbezug nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
240
2. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs
242
a) Präzisierung der Problemstellung
242
b) Die Auswirkungen des Übergangs auf tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbote
243
aa) Erweiterte Geschäftstätigkeit des Erwerbers
244
14
nsverzeichnis bb) Eingeschränkte Geschäftstätigkeit des Erwerbers
249
c) Die Auswirkungen des Übergangs auf in sonstiger Weise eingeschränkte Wettbewerbsverbote
251
d) Die Auswirkungen des Übergangs auf unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote
252
aa) Gleichbleibender Geschäftszweig
252
bb) Erweiterte Geschäftstätigkeit des Erwerbers
253
aaa) Betriebsübergang vor Ausscheiden des Arbeitnehmers
253
bbb) Betriebsübergang nach Ausscheiden des Arbeitnehmers
254
cc) Eingeschränkte Geschäftstätigkeit des Erwerbers dd) Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsvereinbarung gehöriger Arbeitnehmer
255 konzernzu256
e) Zwischenergebnis
258 3. Kapitel
Die Auswirkungen des Übergangs auf das berechtigte geschäftliche Interesse nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB
260
1. Das berechtigte geschäftliche Interesse als Korrektiv der Wettbewerbsabrede a) Veränderungen der ursprünglichen Interessenlage b) Das gesetzliche Erfordernis des berechtigten geschäftlichen Interesses
260 260
...
263
c) Auswirkungen von Veränderungen der Geschäftstätigkeit auf das berechtigte geschäftliche Interesse
265
d) Berechtigtes geschäftliches Interesse bei Wettbewerbsverboten, die sich auf konzernzugehörige oder verbundene Unternehmen erstrecken 2. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs
270 272
a) Das maßgebliche geschäftliche Interesse bei Betriebsübergang
272
b) Auswirkungen bei gleichbleibender Geschäftstätigkeit
273
c) Auswirkungen bei Erweiterungen der Geschäftstätigkeit durch den Erwerber
273
aa) Erweiterungen bei bestehendem Arbeitsverhältnis
273
bb) Erweiterungen während der Karenzzeit
274
d) Auswirkungen bei Einschränkungen der Geschäftstätigkeit durch den Erwerber 275
nsverzeichnis aa) Einschränkungen der Geschäftstätigkeit bei Zuordnung des Arbeitnehmers zum übergehenden Betrieb oder Betriebsteil
276
bb) Einschränkungen der Geschäftstätigkeit, wenn der Arbeitnehmer nicht dem übergehenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen ist f) Anwendung der gefundenen Grundlagen auf das berechtigte geschäftliche Interesse bei konzernweit geltenden Wettbewerbsverboten
277 279
4. Kapitel Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das Verbot der unbilligen Fortkommenserschwerung
281
5. Kapitel Der Schutz des Veräußerers vor Wettbewerb 1. Das Schutzbedürfnis am Beispiel des Betriebsteilsübergangs
284 284
a) Problemstellung
284
b) Die Meinung des Schrifttums
284
c) Stellungnahme
287
aa) Übergang des Betriebsteils vor Ausscheiden des Arbeitnehmers
287
bb) Übergang des Betriebsteils nach Ausscheiden des Arbeitnehmers
291
2. Das Sonderproblem bei Betriebsaufspaltung
292
a) Problemstellung
292
b) Lösungsansatz
295 Abschnitt C
Ausübung des Widerspruchsrechts auch während der Karenzzeit? Abschnitt
300
D
Der Eintritt in die Rechtsfolgen bei Verletzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots Abschnitt
Ε
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Wettbewerbsverbote in Kollektivvereinbarungen 1. Kollektivrechtliche Regelungen der Wettbewerbsverbote a) Tarifverträge
301
303 303 303
16
nsverzeichnis aa) Modifizierung individualrechtlich vereinbarter Wettbewerbsverbote durch Tarifvertrag
303
bb) Begründung von Wettbewerbsverboten durch Tarifvertrag
305
b) Betriebsvereinbarungen
307
c) Zwischenergebnis
308
2. Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Kollektiwereinbarungen a) Tarifverträge
*
309 310
aa) Kollektivrechtliche Fortgeltung von Tarifverträgen
310
bb) Fortgeltung von Tarifverträgen nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
311
cc) Individualrechtliche Fortgeltung nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB
311
dd) Vorrang bereits bestehender Tarifverträge
313
b) Betriebsvereinbarung
315
3. Auswirkungen des Übergangs auf Wettbewerbsverbote a) Auswirkungen bei bestehendem Arbeitsverhältnis
317 318
aa) Vertragliche Ausgestaltung
318
bb) Auswirkungen auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots
319
b) Auswirkungen bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern
Literaturverzeichnis
319
322
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
abgedr.
abgedruckt
abl.
ablehnend
ABl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
AcP
Archiv für civilistische Praxis
ADHGB
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
a.E.
am Ende
AiB
Arbeitsrecht im Betrieb
AktG
Aktiengesetz
amtl.
amtlich
Anm.
Anmerkung
AnwBl
Anwaltsblatt
AP
Arbeitsrechtliche Praxis
AR-Blattei
Arbeitsrechtsbl attei
ArbGG
Arbeitsgerichtsgesetz
ArbR
Arbeitsrecht
ARdGw
Arbeitsrecht der Gegenwart
ARST
Arbeitsrecht in Stichworten
Art.
Artikel
AT
Allgemeiner Teil
AuA
Arbeit und Arbeitsrecht
Aufl.
Auflage
AuR
Arbeit und Recht
ausdr.
ausdrücklich
BAG
Bundesarbeitsgeri cht
BAGE
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
BB
Betriebsberater
BBiG
Berufsbi ldungsgesetz
Bd.
Band
Beil.
Beilage
BetrAVG
Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung
18
Abkürzungsverzeichnis
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BFHE
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
Bl.
Blatt
BlStSozArbR
Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht
BR-Drucks.
Bundesrats-Drucksache
BT
Besonderer Teil
BT-Drucks.
Bundestags-Drucksache
BuV
Betriebs- und Unternehmensverfassung
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
DB
Der Betrieb
ders.
derselbe
DGB
Deutscher Gewerkschaftsbund
Diss.
Dissertation
ebd.
ebenda
Einl.
Einleitung
Entsch.
Entscheidung
erg.
ergänzt
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGHE
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
EZA
Entscheidungen zum Arbeitsrecht
f, ff
folgend, folgende
FS
Festschrift
Fußn.
Fußnote
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Grunds.
Gründsätze
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
HGB
Handelsgesetzbuch
hrsgg.
herausgegeben
i.V.m.
in Verbindung mit
insbes.
insbesondere
i.S.d.
im Sinne des
JA
Juristische Arbeitsblätter
JZ
Juristen Zeitung
Kap.
Kapitel
Abküzungsverzeichnis KR-Verfasser
Gemeinschaftskommentar zum gesamten Kündigungsrecht/Verfasser
krit.
kritisch
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
KTS
Zeitschrift für Insolvenzrecht
LAG
Landesarbeitsgericht
m.
mit
m.w.Hinw.
mit weiteren Hinweisen
m.w.Nachw.
mit weiteren Nachweisen
MK-Verfasser
Münchener Kommentar/Verfasser
neubearb.
neubearbeitet
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NWB
Neue Wirtschaftsbriefe
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
OHG
Offene Handelsgesellschaft
ο. V.
Ohne Angabe des Vornamens
o.J.
Ohne Angabe des Erscheinungsjahres
R
Rückseite
RAB1.
Reichsarbeitsblatt
RdA
Recht der Arbeit
Rdn.
Randnummer
rechtl.
rechtlich
RG
Reichsgericht
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
S.
Satz, Seite, siehe
SAE
Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen
SpTrUG
Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen
steuert.
steuerlich
TVG
Tarifvertragsgesetz
u.a.
und andere
u.U.
unter Umständen
UWG
Gesetz über den unlauteren Wettbewerb
v.
vom
VersR
Zeitschrift für Versicherungsrecht
vgl.
vergleiche
Vorbem.
Vorbemerkung
WG
Versicherungsvertragsgesetz
WA
Westdeutsche Arbeitsrechtspraxis
ZfA
Zeitschrift für Arbeitsrecht
20
Abkürzungsverzeichnis
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZPO
Zivilprozeßordnung
zust.
zustimmend
Einleitung Seit Einführung des § 613 a in das BGB 1 ist die Diskussion um Anwendungsbereich und Reichweite der Vorschrift nicht abgerissen.2 Die besondere Aufmerksamkeit, die dem Gesetz in Literatur und Rechtsprechung zuteil wurde, ist in letzter Zeit durch einen weiteren Aspekt verstärkt worden. Zu dem "klassischen" Anwendungsbereich der Sanierung und Umstrukturierung von Betrieben, bei dem rechtsgeschäftliche Betriebs- oder Betriebsteilsübertragungen schon bisher eine wesentliche Rolle gespielt hatten, ist der Bereich der Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe der DDR durch die Treuhandanstalt hinzugetreten.3 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich nur mit einem kleinen Ausschnitt der bei einer rechtsgeschäftlichen Betriebsübertragung entstehenden Probleme. Gegenstand der Untersuchung ist die arbeitsrechtliche Fragestellung nach den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, daß der neue Inhaber, auf den ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft übergeht, in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Damit stellt sich zunächst die Frage, inwieweit sich die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die jeweiligen Wettbewerbsverbote erstreckt. Zwei Arten von Wettbewerbsverboten lassen sich im Arbeitsrecht grundsätzlich unterscheiden. Neben den sogenannten "gesetzlichen" Wettbewerbsverboten, die dem Arbeitnehmer für die Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit verbieten, gibt es die "nachvertraglichen" Wettbewerbsverbote, die aufgrund gesonderter Vereinbarung fur eine bestimmte Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten.
1
§ 613 a BGB wurde anläßlich der Novellierung des BetrVG 1972 mit Wirkung vom 19.1.1972 in das BGB eingefügt; zur geschichtlichen Entwicklung vgl. ausführl. unten III. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 2. c. 2 3
Vgl. hierzu nur Willemsen, RdA 1991, 204 f. m.w.Nachw.
Schauby A u A 1991, 225 (227); Kempen, BB 1991, 2006; vgl. ferner Commandeur, NZA 1991, 705 ff; Weimar/Alfes, DB 1991,1830.
22
Einleitung
Der Frage des Eintritts des Erwerbers in die Rechtsstellung aus dem Wettbewerbsverbot schließt sich eine weitere Fragestellung von zentraler Bedeutung an: Es geht um die Frage nach den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang der Wettbewerbsverbote. Eine Betriebs- oder Betriebsteilsveräußerung kann auf Erwerber- wie auf Veräußererseite zu einschneidenden Veränderungen der geschäftlichen Aktivitäten des Arbeitgebers führen. Entsprechend der geschäftlichen und unternehmerischen Neuorientierung kann sich die Bestimmung dessen, was als Konkurrenztätigkeit anzusehen ist, verändern. Es wird somit zu untersuchen sein, in welcher Weise nach den geltenden gesetzlichen Regelungen eine Anpassung der Reichweite der Wettbewerbsverbote an veränderte geschäftliche Situationen erfolgt. Es gilt, den Konnex von Betrieb, unternehmerischer Tätigkeit und arbeitsrechtlich verbotener Konkurrenztätigkeit zu klären. Entsprechend der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für Wettbewerbsverbote ist der Gang der Untersuchung - neben einer Darstellung der allgemein geltenden Grundlagen - in zwei Hauptbereiche unterteüt. Während in einem Teil die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die gesetzlichen Wettbewerbsverbote sowie die damit zusammenhängenden Fragestellungen behandelt werden, wird in einem weiteren Teü untersucht, inwieweit § 613 a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote anwendbar ist und welche Schlußfolgerungen sich hieraus für die Reichweite der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ergeben.
Erster Teil
Grundlagen zum Betriebsübergang § 613 a BGB regelt die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für das bestehende Arbeitsverhältnis. Im folgenden Abschnitt werden einige für das Vorverständnis grundlegende Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang dargestellt. Hierzu gehört zunächst die Ausgangsfrage nach dem Regelungsgehalt des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Des weiteren sollen die Merkmale "Betrieb" und "Betriebsteil" erörtert werden, nicht nur, weil die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar an die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Betriebes oder Betriebsteils anknüpft, sondern weil sich hier möglicherweise auch erste Hinweise auf den Zusammenhang von Veräußerungsobjekt und Wettbewerbsveibot ergeben. Von allgemeiner Bedeutung für die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Wettbewerbsverbote ist schließlich noch der Zeitpunkt des Übergangs sowie die Frage, nach welchen Kriterien sich die Zuordnung des Arbeitnehmers zum übergehenden Betrieb oder Betriebsteil bestimmt.
1. Der Regelungsgehalt des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Austausch des Vertragspartners Entgegen einer früher vertretenen Ansicht ist die Rechtsfolgenanordnung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB keineswegs in dem Sinne zu verstehen, daß das Arbeitsverhältnis als personenbezogener Rechtszusammenhang zwischen den bisher daran Beteiligten erhalten bliebe und lediglich die hieraus erwachsenden Rechte und Pflichten auf den Erwerber übergingen.1 Nach ganz herrschender Meinung handelt es sich bei der Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 vielmehr um den Fall eines gesetzlich angeordneten Vertragspartnerwechsels; das Arbeitsverhältnis geht demnach kraft Gesetzes auf den Erwerber über, der die
1
So noch Erman-Küchenhoffy 6. Aufl., Rdn. 40; zur Kritik vgl. nur Borngräber, S. 65; nach Herschel, Z f A 1977, 219 (235 ff) ist der Betriebsübergang analog einem Gesellschafterwechsel bei der OHG oder GmbH zu behandeln.
24
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
volle Arbeitgeberstellung erhält. 2 Der bisherige Arbeitgeber scheidet aus der Rechts- und Pflichtenstellung des Arbeitsverhältnisses aus. 3 Nach § 613 a Abs. 2 B G B bleibt seine Haftung jedoch für Verpflichtungen bestehen, die vor Betriebsübergang entstanden sind und vor A b l a u f v o n einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden. § 613 a B G B knüpft also an den Tatbestand des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs die Sonderrechtsnachfolge in die Gesamtheit der aus der A r beitgeberstellung des früheren Betriebsinhabers fließenden Rechte. 4 V o r dem Übergang entstandene Rechte und Pflichten des Arbeitgebers gehen i n v o l l e m Umfang auf den neuen Betriebsinhaber über. 5 Der Gesetzgeber hat, w o r a u f
2
BAG AP Nr. 1 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 2 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 4 zu § 613 a BGB; BAG EZA § 613 a BGB Nr. 11; BAG EZA § 613 a BGB Nr. 69; BAG SAE 1976, 196 (198); BAG SAE 1977, 296 (297); BAG SAE 1978, 52 (53); BAG DB 1977, 680 (681); BAG AP Nr. 15 zu 613 a BGB (Bl. 468); Becker-Schaffner, BlStSozArbR 1975 305 (307); Beisel/Klumpp, Rdn. 499, 531; Berkowsky, DB 1983, 2683 (2684); Beuthien, § 613 a BGB Anm. 1; Birk, Anm. zu EZA § 613a BGB N r . l (S.15); ders., BB 1976, 1277 (1228); Birk/Deffher, Anm. zu EZA § 613a BGB Nr. 11 (S. 62 b); Blank/Blanke, S. 183, 188; Borngräber, S. 65; Everhardt, BB 1976, 1611 (1613); Falkenberg, DB 1980, 783 (784, 786); Fischer, S. 148; Fuß, S. 1; Galperin, S. 17; Gaul, Κ 1 Rdn. 9; ders., GRUR 1981, 379 (380); ders., Anm. zu EZA § 613a BGB Nr. 26 (S. 161); ders., BB 1979, 1666; ders., BuV 1972, 181 (184 f); ders., DB 1980, 927 (928); ders., DB 1980, 98 (99); ders., GRUR 1990, 163 (165); ders., Betriebsübergang, S. 21, 33; Gockel, S. 13, 16; Hadding/Häuser, SAE 1978, 54 (55); Hasford, BB 1973, 526 (528); Heinze, DB 1980, 205 f; ders., ARdGw Bd. 28, 79 (80); Herschel, Anm. zu AP Nr. 21 zu § 613 a BGB (Bl. 118 R); Hess, BB 1977, 501 (502); v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (330, 333); Jauernig/Schlechtriem, § 613a BGB Anm. 3; Kraft, FS-BAG, S. 299 (307, 310); Krejci, S. 248; Larenz, SchR I § 35 III; Leinemann/Lipke, DB 1988, 1217; Lepke, BB 1979, 526; Lieb, § 2 I 3a; Neumann-Duesberg, BB 1972, 620; ders., NJW 1972, 665; ders., NJW 1973, 268 (272); Pottmeyer, S. 1; Probst, S. 1; Richardi, RdA 1976, 56 (57); Sack, S. 77; Säcker/Joost, DB 1978; 1030/1078 (1079); Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 118 I I I , 1.; ders., M K § 613 a Rdn. 39; ders., ARdGw Bd. 18, 71 (76); ders., ZIP 1984, 272 (275); Schmitt, H., BB 1978, 1724 (1726); Schmitt, J., Z f A 1979, 503 (508); Schreiber, RdA 1982, 137 (139); Schwerdtner, FS-Müller, S. 557 (572); Seiter, AR-Blattei, Β I I I 2 a, S. 32; ders., Anm. zu AP Nr. 5 zu § 613a BGB (Bl. 222); ders., Anm. zu AP Nr. 12 zu § 613a BGB (Bl. 799); Soergel-Kraft, § 613 a Rdn. 19; Steckhan, FS-Schnorr v. Carolsfeld, S. 463 (470); Stratmann, SAE 1976, 78; Sulzberger-Schmitt, S. 43, 82, 84; Uhlenbruch KTS 1974, 1; Wendling, S. 29, 39; Willemsen, Anm. zu AP Nr. 14 und 15 zu § 613a BGB (Bl. 471); Wollenschläger/Fröhlich, AuR 1990,314 (318); Zöllner, § 20 I I (S. 215). 3
Vgl. nur Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 32 unter Β I I I 2 a.
4
Heinze, DB 1980, 205; Birk, Anm. zu BAG EZA Nr. 1 zu § 613a BGB; Schreiber, RdA 1982, 137 (139); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 32; Zöllner, § 20 III, S. 215. 5 Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 35; Borngräber, S. 67; Becker-Schaffner, BlStSozArbR 1975, 305 (307). Im Gegensatz zu § 571 Abs. 1 BGB, §§ 69 Abs. 1, 151 Abs. 2 W G kann § 613 a BGB nicht in der Weise interpretiert werden, daß eine Beschrän-
1. Der Regelungsgehalt des § 613 a BGB
25
Heinze 6 zutreffend verweist, die Arbeitgeberstellung des bisherigen Betriebsinhabers als eine Rechtsstellung angesehen, die gerade unter dem Gesichtspunkt der Wahrung ihrer inhaltlichen Identität einer Rechtsnachfolge fähig ist. Demgemäß behält das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Überleitung insgesamt die Ausgestaltung bei, die es im Laufe der Zeit bei dem früheren Arbeitgeber erhalten hatte.7 Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vollzieht sich zunächst ohne Änderung des individualarbeitsrechtlichen "status quo", wobei allerdings die Beibehaltung der Identität des Arbeitsverhältnisses nur punktuell auf den Zeitpunkt der Übernahme begrenzt ist. 8 Wenn der Betriebsübergang den vollständigen Austausch des Vertragspartners zur Folge hat, steht zu vermuten, daß der Erwerber auch in die Rechtsstellung aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot eintritt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß festgestellt werden kann, daß das Wettbewerbsverbot als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angesehen werden kann. Ohne daß diese Frage zunächst vertieft werden muß, 9 kann als Zwischenergebnis vorläufig festgehalten werden, daß der wesentliche Regelungsgehalt des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB darin besteht, daß mit dem Übergang eines Betriebes oder Betriebsteiles ein vollständiger Vertragspartnerwechsel stattfindet.
kung auf diejenigen Rechte und Pflichten stattfindet, die nach dem Übergang aus dem Rechtsverhältnis hervorgehen, Borngräber, S. 67. 6
DB 1980, 205 (206).
7
BAG EZA § 613 a Nr. 8; BAG BB 1975, 468; BAG BB 1978, 914; BAG BB 1985, 1794; BAG AP Nr. 11 zu § 613 a; BAG AP Nr. 34 zu § 613 a; BAG DB 1985, 2409 (2411); BAG BB 1989, 2332; Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1975, 305; Blank/Blanke, S. 236; Falkenberg, DB 1980, 783 (784); Gaul, BB 1979, 1666 (1670); Gitter, FS-BAG, S. 133 (139 ff); Hasford, BB 1973, 526 (527); Heinze, DB 1980, 205 f; ders., ARdGw Bd. 28, S. 79; v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); Roemheld, BB 1976, 845 (847); MK-Schaub, § 613 a BGB Rdn 60; Schreiber, RdA 1982, 144; Schwerdtner, FS-Müller, S. 557 (572); zur Fortgeltung von Kollektivnormen vgl. nur Gaul, DB 1980, 99; Hanau/Vossen, FS-Hilger/Stumpff, S. 271 ff; Röder, DB 1981, 1980 ff; Seiter, DB 1980, 877 ff; KR-Wolf, § 613 a Rdn. 56; Wollenschläger/Fröhlich, AuR 1990, 314 (318). 8
Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1975, 305 (307); MK-Schaub, § 613 a BGB, Rdn. 60; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 33 m.w.Nachw.; vgl. auch v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334). 9 Für die gesetzlichen Wettbewerbsverbote siehe hierzu unten II. Teil, Abschn. A ; für die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote siehe unten III. Teil, Abschn. A , 1. Kap, 2.
26
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
2. Betrieb und Betriebsteil a) Rechtsprechung und Schrifttum
Da grundlegende Voraussetzung des Vertragspartnerwechsels nach dem Gesetzeswortlaut die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Betriebes oder Betriebsteils ist, fragt es sich, wodurch der Veräußerungsgegenstand gekennzeichnet ist. 1 0 Trotz der eindeutigen Wortwahl des Gesetzgebers scheint dieser nur schwer faßbar. Gerade in jüngerer Zeit ist mit Blick auf die Definition der Merkmale "Betrieb" und "Betriebsteil" kritisiert worden, daß die Bestimmung des Tatbestands des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in einer kaum noch überschaubaren Kasuistik unterzugehen drohe. 11 Bei der Definition des Merkmals "Betrieb" geht die Rechtsprechung zunächst vom allgemeinen arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff aus. Allgemein wird unter einem Betrieb im Anschluß an Jacobi eine organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Mitarbeitern mit Hüfe von sächlichen und immateriellen Mitteln arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. 12 Im Zusammenhang mit § 613 a BGB greifen Rechtsprechung und wesentliche Teile der Literatur auf diesen Definitionsansatz zurück, wobei man sich weitgehend einig ist, daß Arbeitnehmer nicht als Bestandteil des Betriebes angesehen werden können. 13 Der Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils ist von der Veräußerung lediglich einzelner Wirtschaftsgüter bzw. deren Summe abzugrenzen. Unter diesem Aspekt bereitet vor allem die Definition des Betriebsteils besondere Schwierigkeiten. Fraglich ist, welche sächlichen und immateriellen Betriebsmittel auf einen neuen Inhaber übergehen müssen, damit der Veräußerungsge-
10
Zur Untersuchung des Tatbestands des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB vgl. insbesondere die Arbeit von Pietzko, passim. 11
So die Ansicht von Willemsen, RdA 1991, 204 m.w.Nachw, der betont, daß der Tatbestand des § 613 a BGB als "wenig gesichert" gelte; vgl. ferner Schmalenberg, NZA 1989, Beil. 3, S. 14 ff. 12 Jacobi, Betrieb und Unternehmen, S. 8; vgl. ferner die Nachw. bei Hueck/Nipperdey, § 16 II, Fußn. 3 u. Nikisch, § 18 I Fußn. 4. Zur Entwicklung des Betriebsbegriffs vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 48 ff. 13
BAG AP Nr. 24, AP Nr. 42; AP Nr. 53; AP Nr. 58; AP Nr. 63; AP Nr. 69; AP Nr. 72; AP Nr. 74; AP Nr. 76 zu § 613 a BGB; weitere Rechtsprechungsnachweise finden sich bei Pietzko, S. 4, Fußn. 14; aus dem Schrifttum vgl. nur Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 18; ders., in: Hölters, V Rdn. 5; Blank/Blanke, S. 184; Bulla, RdA 1976, 233 (235 f); Häuser, Anmerkungen zu SAE 1986, 31 (32); Kerschner/Köhler, S. 16; Schaub, ARdGgw 18, 71 (72); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 49; Schwerdtner, FSMüller S. 557 (564).
2. Betrieb und Betriebsteil
27
genstand hinreichend gekennzeichnet ist und die tatbestandlichen Voraussetzungen des Betriebsübergangs erfüllt sind. Das BAG vertrat in einer frühen Entscheidung zunächst die Auffassung, der Übergang eines Betriebsteils liege dann vor, wenn ein Teil eines Betriebes Gegenstand rechtsgeschäftlicher Veräußerung sein könne. 14 Diese Ansicht hat es später präzisiert. Vom Übergang eines Betriebsteils könne dann gesprochen werden, wenn der Erwerber mit dem veräußerten Substrat einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck im wesentlichen unverändert fortführen könne. 15 Von einer bloßen Ansammlung einzelner Betriebsmittel unterscheide sich ein Betriebsteil dadurch, daß mit ihm bestimmte Teilaufgaben wahrgenommen werden könnten. Um zu entscheiden, ob nicht im Gegensatz hierzu lediglich untergeordnete Hilfsfünktionen übernommen werden würden, sei die zu erfüllende Aufgabe betriebsspezifisch zu beurteilen. Ob eine eigenständige Teilaufgabe vorliege, richte sich unter anderem nach Organisationsdichte und Größe des jeweiligen Betriebes. 16 Die Veräußerung unwesentlicher Bestandteüe des Betriebsvermögens bleibe jedenfalls außer Betracht. 17 Die Rechtsprechung des BAG beurteilt dementsprechend nach betriebsspezifischen Kriterien, von dem jeweüigen arbeitstechnischen Zweck ausgehend, ob ein Betrieb oder Betriebsteil an einen anderen Inhaber übertragen wurde. Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist dabei die Frage, ob der neue Inhaber mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke unverändert fortführen
1 4 BAG AP Nr. 1 zu § 613 a BGB; zur Kritik vgl. nur Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 20; Fischer, S. 34; Herschel, AUR 1975, 382; Schwerdtner, FS Müller, S. 557 (564); Sulzberger-Schmitt, S. 36. Zum Meinungsstand im Schrifttum vgl. die ausführliche Darstellung bei Pietzko, S. 9 ff. Die Ansätze des Schrifttums zur Definition des Betriebsteils reichen von einem an den Kriterien des § 4 BetrVG orientierten Ausgangspunkt, Hasford, BB 1973, 526 (528); Herschel, AuR 1975, 382, (384), bis hin zu einem den Schutzzweck des § 613 a BGB hervorhebenden Ansatz, wonach das Merkmal spezifischer Gefährdung von Arbeitsplätzen erfüllt sein müsse, Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 52. In ähnlicher Weise verlangt Birk, Anm. zu EZA § 613 a BGB Nr. 1 (Bl. 13), daß ein aus einem Gesamtkomplex herauslösbares, funktionelles und einen wirtschaftlichen Eigenwert repräsentierendes Einzelelement vorliegen müsse, an dem eine gewisse Anzahl von Arbeitsplätzen hänge. Nach v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (333) muß ein abgrenzbarer arbeitstechnischer Teilzweck weiter verfolgt werden können, vgl. auch Kraft, FS BAG, S. 304 u. Schwerdtner, a.a.O. S. 564. Bauer, in: Hölters, S. 247 meint, es sei nahezu unmöglich, der Praxis verläßliche Kriterien an die Hand zu geben. Zu den Schwierigkeiten bei der Definition des Betriebsteils vgl. auch Gamillscheg, TIA 1975, 357 (368 ff). 15
BAG A P Nr. 2 zu § 613 a BGB (zu 1 a der Gründe); BAG SAE 1986,136 (137).
1 6
BAG A P Nr. 42 zu § 613 a BGB (Videorecorder).
17
BAG a.a.O.
28
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
kann. 18 In den Vordergrund der Beurteilung rückt damit weniger die Frage nach Zahl und Eigenart der einzelnen Betriebsmittel. Entscheidend ist vielmehr die Frage nach deren Funktion. Aus der Möglichkeit der unveränderten Fortführung wird auf die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel und damit auf den Übergang des Betriebes oder Betriebsteils selbst zurückgeschlossen.19 Diese Betrachtungsweise führt nahezu zwangsläufig zu kasuistischen Ergebnissen. Für einen Produktionsbetrieb sei es beispielsweise erforderlich, daß die wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel auf einen anderen Inhaber übergingen. Die bloße "Funktionsnachfolge" ohne Übertragung dieser Betriebsmittel könne den Tatbestand des § 613 a BGB nicht erfüllen. 20 Dagegen müsse bei einem Einzelhandelsgeschäft entscheidend auf den Erhalt des Kundenkreises abgestellt werden. Bedeutsam seien deshalb die Übernahme von Betriebsräumen in ihrer Geschäftslage, die Betriebsform und das Warensortiment. 2 1 Dies gelte in ähnlicher Weise für die Übernahme eines Cafes. 22 Bei einem Großhandel seien demgegenüber die Lieferverträge und die Rechtsbeziehungen zu den Einzelhändlern beachtlich, auf die Übernahme der Betriebsräume komme es nicht an. 2 3 Bei einem Dienstleistungsunternehmen sprächen der Eintritt in die Abnahme- und Lieferbeziehungen und die Übernahme von Schutzrechten für einen Betriebsübergang. Auch bei einem Anzeigenblatt komme es deshalb nicht auf die Übernahme der Büroräume und der Firmenfahrzeuge an, wesentliche Betriebsmittel seien dort Geschäftspapiere, Kundenlisten und Adressen für den Anzeigenverkauf. 24 Bei einem technischen Dienstleistungsunternehmen stünden Firma, "know-how" und "good-will" im Vordergrund. 25 Bei einem Bewachungsunternehmen seien besondere Fachkenntnisse zwar den Arbeitnehmern zuzurechnen, doch könnten "good-will" und "knowhow" auch unabhängig von den Arbeitnehmern übertragen werden. 26 Auch bei der Übernahme einer Bowlinganlage komme es nicht vorwiegend auf die Geschäftsräume an. Trotz Entfernung der Anlage habe ein Betriebsübergang vorgelegen, wefl der Veräußerer ebenso wie der Erwerber geplant habe, die 18 BAG AP Nr. 69 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung. Kritisch hierzu Willemsen, RdA 1991, 204 (210). 19
Willemsen, RdA 1991, 204 (207).
2 0
BAG AP Nr. 42 zu § 613 a BGB.
2 1
BAG AP Nr. 58 zu § 613 a BGB; vgl. hierzu Eitel, KTS 1988, 455 ff; Rath, DB 1989,1723 2 2
BAG AP Nr. 63 zu § 613 a BGB.
2 3
BAG A P Nr. 74 zu § 613 a BGB.
2 4
BAG AP Nr. 41 zu § 613 a BGB = BAG EWiR § 613 a BGB 8/85, 622 m. Anm. v. Grunsky. 2 5
BAG AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG.
2 6
BAG AP Nr. 76 zu § 613 a BGB.
2. Betrieb und Betriebsteil
29
Anlage auszutauschen.27 Auch die Veräußerung einer Wohnanlage könne zu einem Betriebsübergang führen, wobei der arbeitstechnische Zweck in dem Ziel gesehen werden könne, diese in einem sachgemäßen Zustand zu erhalten. 28 Und im Fall der Beendigung eines Handelsvertretervertrages sei die an den Prinzipal zurückfallende Berechtigung des Handelsvertreters, Produkte im Namen des Prinzipals zu vertreiben, als das übertragbare immaterielle Betriebsmittel anzusehen.29 Auffallend an dieser Rechtsprechung ist, daß das BAG das Veräußerungsobjekt im Rahmen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht lediglich nach dem Übergang sächlicher Betriebsmittel bestimmt. Im Einzelfall kann auch die jeweils vorherrschende bzw. sogar ausschließliche Übertragung immaterieller Betriebsmittel die Rechtsfolge des Betriebsübergangs auslösen. Allerdings geht das BAG nicht so weit, daß es die Übernahme eines Teils einer fachlich geschulten Belegschaft als einen durch Rechtsgeschäft übertragbaren Betriebsteil angesehen hätte. Die Belegschaft stelle keinen "in Verbindung mit der Funktionsnachfolge in sachlicher Hinsicht" aus einem Gesamtbetrieb herauslösbaren Funktionszusammenhang von eigener wirtschaftlicher Bedeutung dar. Vielmehr sei der Übergang der Arbeitsverhältnisse Rechtsfolge des Betriebsübergangs.30 Im Schrifttum ist der Rechtsprechung des BAG zum Teü mit Kritik begegnet worden. So wird beispielsweise die Ansicht vertreten, daß es nicht genüge, für die Frage, ob der Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils stattgefunden BAG AP Nr. 53 zu § 613 a BGB = SAE 1988, 51 ff mit krit. Anm. von Reiff, wonach bei einer Bowlinganlage gerade die "prägende Kraft des Standortfaktors" bedeutsam sei. 2 7
2 8
BAG AP Nr. 69 zu § 613 a BGB mit krit. Anm. v. Windbichler.
2 9
BAG AP Nr. 72 zu § 613 a BGB mit zust. Anm. von Mühl = EZA § 613 a BGB Nr. 73 m. krit. Anm. von Moll = EWiR § 613 a BGB 1/89, 29 m. Anm. von Tschöpe. Das BAG hatte in diesem Fall nicht auf die unveränderte Benutzung des Inventars und der Büroräume abgestellt. Moll, a.a.O. sieht mit dieser Entscheidung die Grenze zur von § 613 a BGB nicht mehr gedeckten Funktionsnachfolge überschritten. 3 0 BAG AP Nr. 42 zu § 613 a BGB = BAG SAE 1986, 133 ff (136). Das BAG lehnt in dieser Entscheidung die gegenteilige Ansicht des LAG Berlin v. 12.7.1983 - 8 SA 18/83 - EzA zu § 613 a BGB Nr. 35 ab. Dieser Rechtsprechung des BAG hat namentlich Loritz, RdA 1987, 65 (69); ders., Anm. zu BAG SAE 1985, 133 ff (141); mit der Begründung zugestimmt, daß der Arbeitnehmer wegen Art. 1 GG nicht sächlichen Betriebsmitteln gleichgestellt werden könne, ebenso Borngräber, S. 34; differenzierend Pietzko, S. 39. Loritz, RdA a.a.O. betont jedoch, daß "know-how" und "good-will" selbst dann übertragen werden könnten, wenn sich diese Betriebsmittel in der Person eines einzelnen Arbeitnehmers manifestierten und sich die Parteien bei Übernahme des Arbeitnehmers lediglich einen umfassenden schriftlichen oder mündlichen Informationsaustausch ersparten; offengelassen von BAG AP Nr. 82 zu § 613 a BGB. Für die Einbeziehung der Belegschaft in den Betriebsbegriff im Rahmen des § 613 a BGB sprechen sich u.a. aus: Gaul, DB 1979, 1666 (1669); Tschöpe, S. 115; Falkenberg, DB 1980, 783).
30
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
habe, auf die bloße hypothetische Fortführungsmöglichkeit abzustellen, da dabei die Absichten des Erwerbers als wesentliches Kriterium außer Betracht blieben. Entscheidender Anknüpfungspunkt sei die Frage, ob der Erwerber der konkreten Organisationseinheit, die durch die Betriebsmittel verkörpert werde, diese auch tatsächlich zur Verfolgung eigener betrieblicher Zwecke ausnutze.31 Bemerkenswert sei auch die in der Rechtsprechung des BAG feststellbare und zunehmende Tendenz zur "Entmaterialisierung" des Betriebsbegriffs.32 Im Ergebnis zeige diese Rechtsprechung, daß im Rahmen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB der herkömmliche Betriebsbegriff aufgegeben werde. 33 Zudem stelle die Rechtsprechung häufig nicht nur auf die Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks ab. Wenn sie zur Beurteüung, ob ein Betrieb oder Betriebsteü übertragen worden sei, Kriterien wie "Kundenstamm" und "Kundenbeziehungen" heranziehe, würde damit der unternehmerisch-wirtschaftlichen Zielsetzung ein zu starkes Gewicht beigemessen. Kundenstamm und Kundenbeziehungen seien das Ergebnis der Betriebstätigkeit. 34 Fehle es am Übergang materieller Wirtschaftsgüter, könne die Frage allenfalls lauten, ob ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände ein Betriebsübergang in Betracht komme. 35 Dem steht die Ansicht von Joost gegenüber, der angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Betriebsveräußerung kürzlich vorgeschlagen hatte, im Zusammenhang mit § 613 a BGB den Betriebsbegriff neu zu überdenken und anstelle des arbeitstechnischen Zwecks den wirtschaftlich-unternehmerischen Zweck in den Vordergrund zu stellen. Dem Normzweck entspreche es, den Arbeitsplatz zu erhalten. Der Erhalt des Arbeitsplatzes beruhe auf dem Fortbestand der unternehmerischen Tätigkeit. Der Übergang des Betriebes sei deshalb in Wirklichkeit der Übergang eines unternehmerischen Tätigkeitsbereichs von einem bisherigen Unternehmer auf einen neuen Unternehmer. Dabei könne "Unternehmer" gleichgesetzt werden mit "Arbeitgeber" 3 6
31
Willemsen, RdA 1991, 204 (211).
3 2
Willemsen, ZIP 1986, 477 (482); Moll, Anm. zu EZA § 613 a BGB Nr. 73; ders., AnwBl. 1991, 282 (286). 3 3
Moll, Anm. zu EZA § 613 a BGB Nr. 73; ders., AnwBl. 1991, 282 (289).
3 4
Moll, AnwBl. 1991, 282 (291).
35
Moll, Anm. zu EZA § 613 a BGB Nr. 73.
3 6
Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 367 ff (382 ff); in ähnlicher Weise w i l l Haase, NZA Beil. 3/1988, 11 (17) Betrieb und Unternehmen gleichsetzen; auch Krahl, A u A 1990, 211 (212) meint, auf den Unterschied zwischen Betrieb und Unternehmen komme es nicht an, da § 613 a BGB auch auf die Veräußreung von Unternehmen angewendet werde.
2. Betrieb und Betriebsteil
31
b) Stellungnahme
Es kann im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes nicht darum gehen, die strittigen Fragen hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale "Betrieb" und "Betriebsteil" abschließend zu klären. Zwei Gesichtspunkte sind dennoch im Hinblick auf die Wettbewerbsverbote herauszugreifen. Dies betrifft vor allem die in der Rechtsprechung erkennbare Tendenz zur Entmaterialisierung des Betriebsbegriffs und die in der Literatur aufgestellte These von der Gleichsetzbarkeit von "Betrieb" und "unternehmerischer Tätigkeit". Beide Positionen können nicht unbesehen akzeptiert werden, weil andernfalls die Gefahr besteht, daß "der Tatbestand des Betriebsübergangs vollends jegliche Konturen verliert". 37 Zuzugestehen ist, daß die starke Betonung immaterieller Betriebsmittel im Einzelfall aus dem Bestreben gerechtfertigt erscheinen mag, bei einer Veräußerung der Betriebsmittel wirtschaftlichen Wert und Arbeitsplatz wieder zusammenzuführen. Rückt man immaterielle Betriebsmittel jedoch allzusehr als Gegenstände rechtsgeschäftlicher Veräußerung in den Vordergrund, so entsteht das Risiko der Überbetonung unternehmerischer Aspekte. Im Schrifttum wurde zu Recht vorgetragen, daß immaterielle Betriebsmittel häufig nicht Bestandteil eines Betriebes sind, sondern daß sie bereits das wirtschaftliche Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit bezeichnen.38 Bei einem solchermaßen weit gefaßten Verständnis der immateriellen Betriebsmittel würde der Betriebsbegriff tatsächlich entgegen dem Gesetzeswortlaut in den unternehmerischen Bereich verlagert. Die starke Gewichtung immaterieller Betriebsmittel bei der Kennzeichnung des Veräußerungsgegenstandes kann somit im Ergebnis dazu führen, daß die Unterschiede zwischen den Merkmalen "Betrieb" und "Unternehmen" aufgelöst werden. 39 Andererseits hat Joost zutreffend betont, daß die Betriebsmittel nach dem Verständnis des BAG ein begriffliches Doppelleben als "Betrieb" und "Vermögensgegenstände" führten. 40 Hieraus entstünde die begriffliche Abgrenzungsproblematik, unter welchen Voraussetzungen die Betriebsmittel der einen oder der anderen Kategorie zuzuordnen seien. Seine Lösung, daß diese Schwierigkeit nicht entstünde, wenn man als Betrieb i.S.d. § 613 a BGB statt der Betriebsmittel den unternehmerischen Tätigkeitsbereich ansehe, hält jedoch einer Prüfung nicht stand.
3 7
Willemsen, RdA 1991, 204 (214).
3 8
Moll, AnwBl. 1991, 291.
3 9
Moll, a.a.O.
4 0
Joost, a.a.O. S. 384.
32
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
Die Ansicht, es könne im Rahmen des § 613 a BGB vermehrt auf den unternehmerischen Zweck abgestellt werden, ist zunächst vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt. Während es bei der Organisationseinheit "Betrieb" nach allgemeiner Ansicht auf die Verwirklichung arbeitstechnischer Zwecke ankommt, kann das "Unternehmen" als die organisatorische Einheit definiert werden, unter der eine natürliche oder juristische Person einen oder mehrere wirtschaftliche oder ideelle Zwecke fortgesetzt verfolgt 4 1 Auf die Verfolgung wirtschaftlich-unternehmerischer Zwecke kommt es jedoch weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck des § 613 a BGB an. Aus historisch-genetischer Sicht muß man davon ausgehen, daß der Gesetzgeber bei Einfügung des § 613 a in das Bürgerliche Gesetzbuch den herkömmlichen Betriebsbegriff zugrundegelegt hat. 4 2 In Kenntnis der gebräuchlichen Unterscheidung von "Betrieb" und "Unternehmen" hat der Gesetzgeber jedenfalls nicht den Begriff des "Unternehmensübergangs" gewählt. Für die Auslegung muß unterstellt werden, daß der Gesetzgeber sich an die gebräuchliche Verwendung der Termini "Betrieb" und "Unternehmen" halten wollte. Zumindest im Rahmen des § 613 a BGB erscheint es auch weiterhin sinnvoll, an dieser Terminologie festzuhalten.43 Ersetzte man "Betrieb" durch "Unternehmen", liefe man Gefahr, daß die Rechtsfolge des Eintritts in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis schon bei jeder Veräußerung eines nur einigermaßen wirtschaftlich bedeutsamen Substrats in Betracht käme. Damit aber würde der Schutzzweck des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB überdehnt 44 Das Ziel des § 613 a BGB besteht darin, den Arbeitsplatz da zu erhalten, wo arbeitstechnische Zwecke weiterhin verfolgt werden können 45 und - folgt man der Ansicht von Willemsen - weiterhin verfolgt werden. 46 Welche wirtschaftlichen Ziele der Erwerber zu verfolgen beabsichtigt, spielt indessen keine
4 1
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 18 I V m.w.Nachw; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 79; vgl. auch Dietz-Richardi, BetrVG § 1 Rdn. 59; Hueck/Nipperdey, § 16 VI; Nikisch, § 18 IV, 1 , Zöllner, Arbeitsrecht § 44 II. Auch Bauer in: Hölters, V Rdn. 7, betont, daß die wirtschaftliche Zielsetzung nicht Bestandteil des Betriebsbegriffs ist; ebenso Büchner, ZfA 1979, 335 (338). 4 2 § 613 a BGB wurde durch § 122 BetrVG 1972 eingefügt. Vgl. hierzu ausführlich unten III. Teil, Abschn. A , 2. Kap, 2. c. 4 3
Im Ergebnis ebenso Sulzberger-Schmitt,
S. 21 f m.w.Nachw.
4 4
Zum Schutzzweck des § 613 a BGB vgl. ausführlich III. Teil, Abschn. A , 2. Kap, 2. d. 4 5
v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (332) verstehen die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB als die Herstellung der Einheit von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis; vgl. ferner Willemsen, ZIP 1986,477 (481); Pietzko, S. 36. 4 6
Willemsen, RdA 1991, 204 (211).
2. Betrieb und Betriebsteil
33
Rolle. 4 7 Entscheidender Ansatzpunkt für die Frage, welche Betriebsmittel übergehen müssen, damit die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ausgelöst wird, ist vielmehr die grundsätzliche Untersuchung, ob der Erwerber arbeitstechnische Zwecke weiterhin verfolgen kann. Die Notwendigkeit der Rückbesinnung auf die arbeitstechnische Zwecksetzung und die Abgrenzung zur unternehmerischen Tätigkeit bei der Bestimmung des Veräußerungegenstandes zeigt sich auch am Beispiel der rechtlichen Einordnung der Wettbewerbsverbote: Wettbewerbsverbote regeln ein Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es steht deshalb zu vermuten, daß sie auf der Rechtsfolgenseite des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB anzusiedeln sind. 48 Wenn jedoch zuträfe, daß der Übergang des Betriebes in Wirklichkeit mit dem Übergang der unternehmerischen Tätigkeit gleichgesetzt werden kann, und wenn zudem ein Betriebsübergang auch durch die Übertragung immaterieller Betriebsmittel erfolgen kann, dann liegt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Frage nahe, ob Wettbewerbsverbote nicht als immaterielle Betriebsmittel aufgefaßt werden müssen, die dann konsequenterweise dem Tatbestand des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zugeordnet werden müßten. Diese Vorstellung könnte sich auf die Überlegung stützen, daß Ansprüche auf Einhaltung von Wettbewerbsverboten bedeutsame immaterielle Werte verkörpern. Wettbewerbsverbote sichern die wirtschaftliche Nutzung von Betriebsmitteln, indem sie marktbeeinflussende Störungen von Seiten der Arbeitnehmer verhindern. Mit Recht hat das BAG in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, daß der Wert eines Unternehmens zu einem erheblichen Teil in dem Kundenkreis liegt, den es sich geschaffen hat und mit dem es rechnet. 49 Wettbewerbsverbote schützen somit die geschäftlichen Aktivitäten des Arbeitgebers; letztlich dienen sie der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Unternehmens.50 Da ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot die Marktstellung des Arbeitgebers schwächen kann, ist dessen Bedeutung für die unternehmerische Tätigkeit somit unübersehbar.
4 7
Man mag zwar einwenden, daß ein Unternehmer ohne wirtschaftliche Ziele die Betriebsmittel nicht erwerben würde. Für die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB, die den Eintritt des Erwerbers in das Arbeitsverhältnis anordnet, kann es darauf jedoch nicht ankommen: Typisches Merkmal abhängiger Arbeit ist, daß dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Last um die Daseinsvorsorge abgenommen wird. 4 8 Voraussetzung hierfür ist, daß festgestellt werden kann, daß Wettbewerbsverbote als Bestandteil der "Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis" angesehen werden können, vgl. hierzu unten II. Teil Abschn. A. 4 9
BAG AP Nr. 5 zu § 60 HGB (unter 1 c der Gründe).
5 0
Buchner, AR-Blattei [D] Wettbewerbsverbot I I A I .
34
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
Ein Ergebnis, wonach Wettbewerbsverbote als immaterielle Betriebsmittel dem Tatbestand des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zugeordnet werden müßten, wäre jedoch unzutreffend und wegen dessen Rechtsfolgenanordnung tautologisch. Wettbewerbsverbote sind keine immateriellen Betriebsmittel, die als Bestandteil eines Betriebes oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber übergehen können. 51 Ausgehend vom herkömmlichen Betriebsbegriff müssen immaterielle Betriebsmittel, um den Merkmalen "Betrieb" bzw. "Betriebsteil" zugeordnet werden zu können, der Verwirklichung arbeitstechnischer Zwecke dienen. Dieser Zwecksetzung dienen Wettbewerbsverbote nicht: Wettbewerbsverbote sind nicht unmittelbar auf das Erreichen eines arbeitstechnischen Zieles, etwa der Herstellung einer Maschine, der Leistung von Diensten oder ähnlichem gerichtet, sondern sie haben die Verhinderung geschäftlicher Aktivitäten des Arbeitnehmers im Geschäftszweig des Arbeitgebers zum Ziel. Wettbewerbsverbote dienen damit der wirtschaftlichen Absicherung des erreichten Produktionszieles.52 Die Chancen, hergestellte Produkte am Markt absetzen zu können, sollen nicht durch die konkurrierende Verwertung innerbetrieblicher Kenntnisse gefährdet werden. 53 Bei einem Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot würde der unter Einsatz der Betriebsmittel zu erreichende arbeitstechnische Zweck nur mittelbar gefährdet. Durch Konkurrenztätigkeit würde die Verwirklichung eines arbeitstechnischen Zwecks nicht im tatsächlichen Sinn unmöglich. Erst die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verstoßes gegen ein Wettbewerbs verbot könnten ein Projekt gegebenenfalls unrentabel werden lassen; im arbeitstechnischen Sinne wäre die Herstellung von Maschinen oder das Erbringen von Dienstleistungen dennoch möglich. Dementsprechend dienen Wettbewerbsverbote nicht dem Schutz arbeitstechnischer Zwecke, sondern sie schützen vielmehr die unternehmerische Tätigkeit. Am Beispiel der rechtlichen Einordnung der Wettbewerbsverbote zeigt sich somit, daß "Betrieb" und "Unternehmen" in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden dürfen. Will man vermeiden, daß Wettbewerbsverbote als Bestandteü des Veräußerungsgegenstandes gesehen werden können, muß an der klaren Trennung von Betrieb und Unternehmen festgehal5 1 Im Ergebnis ebenso für Patente, Gebrauchsmuster, Warenzeichen u. ähnl. Gault Betriebsübergang, S. 36 f.; für Immaterialgüterrechte ebenso wie für "know-how" ders.y bei Boewer S. 155. 5 2
Buchner, AR-Blattei [D] Wettbewerbsverbot I (A) II. 2. betont, daß der Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung ein Begleitverhalten schulde, das ihm gebiete, den Leistungserfolg nicht anschließend durch Konkurrenztätigkeit zunichte zu machen. Das Arbeitsverhältnis und sein Pflichteninhalt dürften nicht losgelöst von der Zuordnung zum Unternehmenszweck gesehen werden. 53
Buchner, ZfA 1979, 335; ders, AR-Blattei [D] Wettbewerbsverbot I (A) II. 2.
3. Der Zeitpunkt des Eintritts
35
ten werden. Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ist dementsprechend nicht die unternehmerische Tätigkeit, sondern - entsprechend dem Ansatz der Rechtsprechung - die Frage, ob der Erwerber mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke unverändert fortführen kann. Dabei muß auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abgestellt werden. Soweit vorwiegend immaterielle Betriebsmittel übergehen, muß danach unterschieden werden, ob sie bereits das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit sind oder ob sie konkret zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks dienen. Auf diese Weise läßt sich weitgehend vermeiden, daß die Grenzen zwischen Betrieb und Unternehmen verwischt werden.
3. Der Zeitpunkt des Eintritts Nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den "im Zeitpunkt des Übergangs" bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. 5 4 Da der Betriebsübergang eine Vielzahl einzelner Übertragungsakte erfordert,55 die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken können, ist fraglich, wodurch der Zeitpunkt bestimmt wird, von dem ab der Erwerber das Wettbewerbsverbot für sich in Anspruch nehmen darf. Nach überwiegender Ansicht ist es ein Kennzeichen des Betriebsübergangs, daß der Erwerber durch Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel den Betrieb so fortführen kann wie der bisherige Inhaber. 56 Die Fortführungsmöglichkeit ist dem Erwerber eröffnet, wenn er über die Planungs- und Leitungsmacht des Betriebes verfügt. 57 Der Zeitpunkt der Eröffnung der Fortführungsmöglichkeit ist in der Regel nicht identisch mit dem sachenrechtlichen Abschluß der Übertragungsgeschäfte. Diese können sich beispielsweise beim Erwerb von Grundstücken über einen längeren Zeitraum hinziehen. 58 Auch der Zeitpunkt, 5 4 Zutreffend weist Pottmeyer, S. 112 darauf hin, daß sich aus dieser Formulierung nicht der Zeitpunkt des Übergangs ergibt. 55
Heinze, DB 1980, 205 (209); Wendling, S. 86.
5 6
BAG DB 1988, 126 (127); BAG ZIP 1987, 1072 (1074); BAG ZIP 1987, 734 (735); BAG NZA 1987, 458; BAG ZIP 1986, 1595; BAG DB 1985, 2459 (2460); BAG DB 1985, 2409 (2410); BAG ZIP 1985, 1158 (1159); BAG AP Nrn. 31, 11, 2 zu § 613 a BGB; Bauer, in: Hölters, S. 272 Rdn. 5; Falkenberg, DB 1980, 783; Gaul, BB 1979, 1669; Heinze, DB 1980, 205 (207); v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 ff; Kraft, FS BAG S. 299 (304); MK- Schaub, § 613 a, Rdn 37; ders., ZIP 1984, 272 (275); ders., ARdGw 18, 71 (75); Schwerdtner, FS Müller S. 557 (565 f); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 54; Wendling, S. 76. Vgl. hierzu auch das soeben unter I. Teil, 2. Ausgeführte. 5 7 5 8
Birk, EZA 613 a BGB Nr. 1 Bl. 14.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt für den rechtsgeschäftlichen Übergang eines fremdgenutzten Mietshauses i.S.d. § 613 a BGB vgl. BAG EZA § 613 a BGB Nr. 66.
36
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
zu dem das dem Übergang zugrundeliegende Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, ist für den Zeitpunkt des Übergangs kein idealer Anknüpfungspunkt. Allein durch den Abschluß des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts wird der Erwerber noch nicht in die Lage versetzt, den Betrieb tatsächlich fortzuführen. 59 Als maßgeblich für den Wechsel der Arbeitgeberstellung ist deshalb der Zeitpunkt anzusehen, von dem ab der Erwerber objektiv in der Lage ist, arbeitsorganisatorische Zwecke weiter zu verfolgen und die betriebliche Organisation zu gestalten. 60 Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Erwerber die betriebliche Leitungsmacht vertraglich zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt wurde. 61 Entscheidend ist die tatsächliche Überlassung der Leitungsmacht. 62 Dies kann schon dann der Fall sein, wenn der Erwerber eine Position erlangt hat, die die Möglichkeit zur Weiterführung des Betriebes bietet. In diesem Fall ist der Übergang vollzogen. 63 Allerdings darf dies nicht in der Weise verstanden werden, daß auf das Merkmal rechtsgeschäftlicher Übernahme grundsätzlich verzichtet werden könnte. 64 Hat beispielsweise ein Hauptgläubiger intern die faktische Leitungsmacht inne, kann daraus noch nicht die Rechtsfolge des § 613 a BGB abgeleitet werden. 65 Für die auf dem Wettbewerbsverbot beruhenden Rechte des Arbeitgebers bedeutet dies, daß der Erwerber ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Übernahme der Leitungsmacht anspruchsberechtigt ist. Kann der Erwerber wegen der Überlassung der betrieblichen Leitungsmacht sich wie ein Betriebsinhaber gerieren, ist es konsequent, den Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf diesen Zeitpunkt festzulegen. Vom Zeitpunkt der Über5 9
Ähnlich Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 75; Staudinger-Richardi,
§ 613 a Rdn.
117. 6 0 BAG AP Nr. 4 zu § 613 a BGB zu 1 a der Gründe; BAG AP Nr. 24 zu § 613 a BGB zu 2 c der Gründe; BAG EZA § 613 a BGB Nr. 53, Nr. 66; Bauer, S. 42; BeckerSchaffner, BIStSozArbR 1975, 305; Borngräber, S. 64; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 43; Falkenberg, DB 1980, 783; Fischer, S. 43; Heinze, DB 1980, 205 (209); Kerschneri Köhler, S. 19; Kraft, S. 304; ähnl. Krahl, AuA 1990, 211 (213); Krejci, S. 159; Oberhofer, Der Betriebsrat 1983,573 (575); Palme, BIStSozArbR 1977, 386; Posth, S. 101 f; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 118 II, 2.; Schwerdtner, FS Müller S. 557 ff (573); Seiter, a.a.O., S. 76; Sulzberger-Schmitt, S. 57; Tschöpe, S. 42; Wendling, S. 87; KRWolf, § 613 a Rdn. 48. Für den Zeitpunkt des Erlöschens der Prokura infolge Betriebsübergangs stellt Köhler, BB 1979, 912 (914) auf den Wechsel der Inhaber- bzw. Arbeitgeberfunktion ab. 61
Staudinger-Richardi,
62
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 76; Sulzberger-Schmitt,
a.a.O.
6 3
BAG EZA § 613 a Nr. 28, Nr. 55, Nr. 57; KR-Wolf, Rdn. 37. 6 4
Willemsen, Anm. zu EZA § 613 a Nr. 67 Bl. 11 f.
65
Willemsen, a.a.O.
S. 57.
a.a.O.; MK-Schaub, § 613 a
4. Die Zuordnung der Arbeitnehmer
37
nähme der Leitungsmacht an kann der Erwerber das Direktionsrecht ausüben66 und muß deshalb als neuer Arbeitgeber und Gläubiger des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gelten.
4. Die Zuordnung der Arbeitnehmer Ein Wechsel des Arbeitgebers kann nur eintreten, wenn feststeht, daß der Arbeitnehmer dem übergehenden Betrieb oder Betriebsteü zuzuordnen ist. Die Frage der Zuordnung des Arbeitnehmers ist unproblematisch, sofern nur ein Betrieb vorhanden ist und der gesamte Betrieb veräußert wird. Schwierigkeiten treten jedoch auf, wenn ein Betrieb aus einer Organisation ausgegliedert wird oder wenn ein Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übergeht. Ist ein Arbeitnehmer in mehreren organisatorisch verbundenen Abteilungen tätig, kann die Frage, ob er dem übergehenden Betriebsteü zuzuordnen ist, zweifelhaft sein. Nach der Rechtsprechung ist der Wille der Beteüigten maßgeblich. 67 Wenn die Parteien sich einig seien, daß ein Arbeitnehmer, der für mehrere Betriebsteüe gearbeitet habe, bei Übergang eines Betriebsteils bei dem Erwerber arbeiten solle, sei auf den Wülen abzustellen. Dieser Rechtsprechung wurde entgegengehalten, sie vermenge die Frage der Zuordnung mit der Frage des Übergangs des Arbeitsverhältnisses. Auf den übereinstimmenden WÜlen der Parteien komme es nicht an, wenn die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB gegeben seien. 68 Die Zuordnung könne nur nach objektiven Kriterien erfolgen. 69 Demgegenüber wurde kürzlich darauf hingewiesen, daß sich die Frage der Zuordnung erübrige, wenn sich die Beteiligten einig seien. 70 Soll die Zuordnung auf der Grundlage des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB entschieden werden, können nur objektive Kriterien in Betracht kommen. Es mag zwar zutreffen, daß sich bei Wülensübereinstimmung die Frage der Zuordnung erübrigt, doch bleiben dann Zweifel, ob sich der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes vollzieht. 71 Subjektive Erwägungen sind in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht vorgesehen. 6 6
Schwerdtner,
FS-Müller S. 557 ff (573).
6 7
BAG AP Nr. 31 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG.
6 8
Kreimer, S. 199; ders, NZA 1990,429.
6 9 Zur Zuordnung nach objektiven Kriterien vgl. Kreitner, Richardi, § 613 a Rdn. 115. 7 0 7 1
a.a.O.; Staudinger-
So zutreffend Moll, AnwBl. 1991, 282 (286).
Zu denken wäre hier an die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme.
38
I. Teil: Grundlagen zum Betriebsübergang
Wird die Zuordnung nach objektiven Kriterien bestimmt, so richtet sie sich nach der Funktion des Arbeitsplatzes. 72 Nach vorherrschender Ansicht kommt es dabei entscheidend auf den Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an. 7 3 Vorstellbar ist, daß sich gelegentlich kein Schwerpunkt herausstellen wird. Für diesen Fall werden im Schrifttum mehrere Lösungsmodelle angeboten. Vorgeschlagen wird u. a., der Arbeitgeber habe ein Recht, nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) die übergehenden Arbeitsverhältnisse zu bestimmen. 74 Nach anderer Ansicht müsse auf den Übergang des Substrats des Arbeitsverhältnisses abgestellt werden, 75 und wieder andere meinen, dem betroffenen Arbeitnehmer stünde ein Wahlrecht zu. 7 6 Und schließlich wird die Ansicht vertreten, im Zweifel sei der Arbeitnehmer wegen der Schutzfunktion des § 613 a BGB und dem ihm andererseits zustehenden Widerspruchsrecht dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen.77 Ohne besonderen Rechtsgrund kann das Arbeitsverhältnis nicht auf einen anderen Arbeitgeber übergeleitet werden. Läßt sich objektiv kein Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers erkennen, können für diesen Arbeitnehmer die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht als erfüllt angesehen werden. Hieran kann auch die der Vorschrift zugrundeliegende Schutzfunktion nichts ändern. 78 Diese betrifft lediglich das sich auf das Arbeitsverhältnis beziehende Bestandsrisiko. Zweifelsfälle der Zuordnung können damit nicht gelöst werden. 79 Im Zweifel kann das Arbeitsverhältnis deshalb nicht dem übergehenden Betriebsteil zugeordnet werden; ein Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB findet dann nicht statt. 80
72
Staudinger-Richardi,
a.a.O.; Kreitner,
NZA 1990,429 (430); Moll, a.a.O.
73
Bauer, DB 1983, 1097, KR-Wolf,\ § 613 a Rdn. 58; Kreitner, NZA 1990, 429 (430); Moll, AnwBl. 1991, 282 (286); MK-Schaub, § 613 a Rdn. 22 d. 7 4
Bauer, DB 1983, 1097.
75
Loritz, RdA 1987, 65 (80).
7 6
v. Hoyningen-Huene/Windbichler,
77
Staudinger-Richardi,
RdA 1977, 329 (334).
§ 613 a Rdn. 116.
7 8
Zu den Schutzfunktionen ausführlich unten III. Teil, Abschn. A , 2. Kap, 2 d.
79
Kreitner,
8 0
Im Ergebnis ebenso Kreitner,
NZA 1990, 329 (331). a.a.O.; Moll, AnwBl. 1991, 282 (287).
Zweiter Teil
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die gesetzlichen Wettbewerbsverbote Abschnitt
A
Das gesetzliche Wettbewerbsverbot als Teil der Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis Soll die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB sich auch auf die Wettbewerbsverbote erstrecken, die sich auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis beziehen, so ist erforderlich, daß sie dem Arbeitsverhältnis zugeordnet werden können. Hierzu muß zunächst untersucht werden, wie das Merkmal "Arbeitsverhältnis" in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB verstanden wird.
1· Der Begriff des Arbeitsverhältnisses in § 613 a BGB Der Gebrauch des Tatbestandsmerkmals "Arbeitsverhältnis" in § 613 a BGB unterscheidet sich nicht von der sonst im Arbeitsrecht üblichen Verwendung.1 Dies geht nicht zuletzt auch aus der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf aus dem Jahre 1972 hervor, wonach die Vorschrift die Rechtsfolgen "für Arbeitsverhältnisse allgemein" 2 regeln sollte. Der Gesetzgeber hat hier indirekt zum Ausdruck gebracht, daß er nicht vom üblichen Verständnis des Begriffs "Arbeitsverhältnis" abweichen wolle. Nach der herrschenden Vertragstheorie ist das Arbeitsverhältnis das Rechtsverhältnis, das aufgrund des Arbeitsvertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsteht.3 Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind dem1
Bauer, S. 43; Falkenberg, DB 1980, 783.
2
Bundestags-Drucksache VI/1786, S. 59, abgedruckt bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 152. 3
Zu dem nicht mehr aktuellen Theorienstreit zwischen Vertragstheorie und Eingliederungstheorie vgl. nur Schauby Arbeitsrechtshandbuch, § 29 II. m.w.Nachw.
40
II. Teil, Abschn. Α.: Das gesetzliche Wettbewerbsverbot
nach Rechte und Pflichten aus dem Rechtsverhältnis, das sich aufgrund des Arbeitsvertrages ergibt; 4 § 613 a BGB kann insoweit mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG verglichen werden.5 Ansprüche, die nicht auf einem Arbeitsverhältnis, sondern auf einem sonstigen Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhen, gehen nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht auf den neuen Betriebsinhaber über. Ausnahmen sollen gelten, wenn ein so enger Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht, daß eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 613 a BGB erwogen werden kann. 6 Freüich bleibt die Formel vom "engen Zusammenhang" vage. So wird der enge Zusammenhang bei Werkmietwohnungen7 oder Arbeitgeberdarlehen8 verneint, obwohl die Wohnung wohl nicht vermietet oder das Darlehen wohl nicht gewährt worden wäre, wenn der Mieter oder Darlehensnehmer nicht Arbeitnehmer des Vermieters bzw. Darlehensgebers gewesen wäre. Richtig dürfte sein, im Zweifelsfall neben dem Kriterium des "engen Zusammenhangs" zu prüfen, ob Sinn und Zweck des § 613 a BGB den Übergang auch dieser Rechte und Pflichten gebieten.9
2. Das Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen und sonstigen Arbeitnehmer Im Bereich der abhängigen Arbeit gibt es gesetzliche Regelungen zu Wettbewerbsverboten nur für kaufmännische und technische Angestellte sowie für Auszubildende. Mit Ausnahme der Regelungen für Handlungsgehilfen beziehen sich diese Vorschriften jedoch nur auf Wettbewerbsverbote für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (nachvertragliche Wettbewerbsverbote). 10 4
Borngräbery S. 66; Zöllner, Arbeitsrecht § 4 III.
5
Vgl. Borngräber y a.a.O., der sich auf den früheren § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG bezieht m.w.Nachw.; Fischery S. 105. 6 Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 64; v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 78 unter Β V I I 2 b bb; Sulzberger-Schmitt, S. 93; Schaub, ZIP 1984, 277. 7
v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); MK-Schaub, § 613 a Rdn 59; Wendling, S. 127 ff. Zur Behandlung von Wehrdienstwohnungen vgl. Gockel, S. 139 f. 8
Wendling, S. 122 ff; v. Hoyningen-Huene/Windbichler,
9
So die Vorgehensweise von Köhler, BB 1979, 912 ff (913).
RdA 1977, 329 (334).
10 §§ 74 ff HGB, § 133 f GewO, § 5 Abs. 1 i.V.m § 19 BBiG. Zu Wettbewerbsbeschränkungen auf der Grundlage von §§ 823, 826 BGB, § 1 UWG vgl. Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Ε m.w.Nachw.
2. Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen und anderer
41
Für bestehende Arbeitsverhältnisse finden sich Wettbewerbsverbotsregelungen in §§ 60 f HGB. Danach darf der Handlungsgehüfe ohne Einwüligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben, noch in dessen Handelszweig für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen (§ 60 Abs. 1 HGB). Die Vorschrift gilt nur für Handlungsgehilfen.11 Handlungsgehilfe ist, wer nach der Legaldefinition des § 59 HGB "in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt" ist. § 60 HGB enthält gesetzliche Regelungen, die die Arbeitnehmerpflichten aus dem Arbeitsverhältnis konkretisieren und die für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gelten. Mit dieser Feststellung ist zugleich klargestellt, daß das gesetzliche Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses angesehen werden muß. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man die im Schrifttum vertretene Ansicht teilt, daß das Wettbewerbsverbot als ein neben der primären Leistungspflicht geschuldetes Begleitverhalten verstanden werden kann, mit dem der Arbeitnehmer auf die Erfüllbarkeit des eigenen Schuldverhältnisses Rücksicht nimmt. 1 2 Für andere als kaufmännische Arbeitnehmer sind für die Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses keine gesetzlichen Regelungen vorgesehen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß diese Arbeitnehmer keinem Wettbewerbsverbot unterlägen. In seinem grundlegenden Beschluß vom 17.10.69 hat das BAG ausgesprochen, daß ein Arbeitnehmer während eines rechtlich fortbestehenden, tatsächlich aber nicht mehr ausgeübten Arbeitsverhältnisses auch ohne besondere Vereinbarung die Pflicht habe, sich des Wettbewerbs zu enthalten. Aufgrund des Arbeitsvertrages habe sich der Arbeitnehmer für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich sei. Der Arbeitsvertrag schließe für die Dauer seines Bestehens ein Wettbewerbsverbot ein, das über den persönlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinausgehe. Das Verbot, im Handelszweig des Arbeitgebers für eigene und fremde Rechnung Geschäfte zu machen, enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auf der Treuepflicht des Arbeitnehmers beruhe. 13
11 Röhsler/Borrmann, S. 26; Schlegelberger-Schröder, mann/Schrader, DB 1980, Beil. Nr. 4, S. 3. 12 13
§ 59 Rdn. 2; Weise-
Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I A I. 1.
BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht mit Anm. v. Canaris; ebenso bereits BAG AP Nr. 1 zu § 306 BGB v. 26.3.1965 (zu 1.5 der Gründe); BAG AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht v. 21.10.1970 mit Anm. v. Lüderitz, der zutreffend ausführt, daß in dem vom BAG entschiedenen Fall der Rückgriff auf die Treuepflicht nicht erforderlich gewesen wäre, da der dem Wettbewerbsverbot unterliegende Arbeitnehmer hier als Handlungsgehilfe i.S.d. § 60 HGB anzusehen sei. Vgl. ferner BAG AP Nr. 8 zu
42
II. Teil, Abschn. Α.: Das gesetzliche Wettbewerbsverbot
In der Literatur hat die Ausweitung des Wettbewerbsverbots auf nichtkaufmännische Arbeitnehmer breite Zustimmung gefunden.14 Es entspreche der heute im gewerblichen Bereich vorherrschenden Interessenlage, wenn beispielsweise auch für die dort beschäftigten Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot gelte. 15 Wenn auch im Schrifttum in der Sache weitgehend Übereinstimmung herrscht, so unterscheiden sich doch die Ansichten zur dogmatischen Verankerung des Wettbewerbsverbots im Arbeitsverhältnis. Nach überwiegender Ansicht wird die Grundlage des Wettbewerbsverbots in der "Treuepflicht" des Arbeitnehmers gesehen.16 Nach herkömmlichem Verständnis ergab sich die Treuepflicht aus einem das Arbeitsverhältnis kennzeichnenden "personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis".17 Nach dieser Auffassung würde die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb vor allem aus der personenrechtlichen Bindung folgen. Dieser Interpretation der Treuepflicht ist jedoch zu Recht mit heftiger Kritik begegnet worden. Namentlich Schwerdtner hatte die Auffassung vertreten, daß die gesamte Dogmatik der Treue- und Fürsorgepflichten im Bereich der allgemeinen schuldrechtlichen Lehre von den Schutz- und Nebenpflichten angesiedelt werden müsse. 18 Demgemäß kann das für alle Arbeitnehmer geltende § 60 HGB, wo das BAG jedoch eine schematische Übernahme des § 61 Abs. 2 HGB auf alle Arbeitnehmer abgelehnt hatte; kritisch hierzu Röhsler/Borrmann, S. 66. 14 Bandasch-Etzel, § 60 Rdn. 1; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II B C I; Gamillscheg, Nrn. 80 u. 81; Gaul, F I Rdn. 7, S. 412; Götz, S. 51 f; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 4; Hohn, S. 33; Röhsler/Borrmann, S. 62; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 V; MK-Schwerdtner, § 626 Rdn. 72; Söllner, § 29 II; Staudinger-Neumann, § 611 Rdn. 163; Weisemann/Schräder, I I 1 a, insbes. aa; Zöllner, § 13 I, 4. Bereits vor der einschlägigen Rechtsprechung des BAG war gelegentlich die Auffassung vertreten worden, daß auch die Gruppe der sonstigen Arbeitnehmer während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses einem Wettbewerbsverbot unterläge. So hatte beispielsweise Sinzheimer, S. 172 ein Wettbewerbsverbot für Arbeitnehmer während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses anerkannt, jedoch nicht auf einer Treuepflicht (deren Bestehen er ablehnte) sondern auf § 242 BGB beruhend. Kaskel/Dersch, S. 148, lehnte ein Wettbewerbsverbot für Arbeitnehmer zwar grundsätzlich ab, wollte aber "je nach Sachlage aus der Treuepflicht" eine Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb anerkennen; auf der Grundlage der "Pflicht zur Treue" für eine analoge Anwendung der §§ 60 ff HGB auch Schnorr von Carolsfeld, § 8 Β II, S. 333 (334). 15
Vgl. nur Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 3.
16
Vgl. die Rechtsprechungsnachw. oben Fußn. 13 sowie Hueck/Nipperdey, 2; Nikisch, § 34 III, 1. 17
Vgl. nur Hueck/Nipperdey, Privatrecht, S. 13 u. 18. 18
§ 38 I,
§§ 37 I; 22 II, 1; ders., Der Treugedanke im modernen
Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 79; ders., TIA 1979, 1 ff (12, 14). Im Anschluß an diese Kritik war eine lebhafte Diskussion über die dogmatische Qualifizierung der Treu- und Fürsorgepflichten in Gang gekommen, vgl. nur die Beiträge bei Tomandl, passim.
3. Ergebnis
43
Wettbewerbsverbot als eine aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 242 BGB folgende Nebenpflicht aufgefaßt werden. Nach anderer Ansicht sei die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb Bestandteil der Arbeitspflicht Der Arbeitnehmer habe innerhalb seiner Arbeitsaufgabe die Betriebsziele zu fördern und Beeinträchtigungen von diesen abzuwenden.19 Deshalb sei das Wettbewerbsverbot insoweit Hauptleistungspflicht Daneben gebe es auch außerhalb der Arbeitsaufgabe Interessen des Arbeitgebers, die aus wettbewerbsrechtlicher Sicht schutzwürdig seien. Insoweit resultiere die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb aus einem Schutzpflichtverhältnis und müsse als Nebenpflicht angesehen werden. 20 Ob Wettbewerbsverbote tatsächlich als Bestandteil der Arbeitsaufgabe anzusehen sind und ob daraus folgt, daß sie damit den Hauptleistungspflichten zugeordnet werden müssen, erscheint zweifelhaft. 21 Der Meinungsstreit muß hier nicht entschieden werden. Für den weiteren Fortgang der Untersuchung ist lediglich entscheidend, daß unabhängig vom dogmatischen Ansatz von keiner Richtung in Frage gestellt wird, daß das Wettbewerbsverbot zutiefst im Arbeitsverhältnis wurzelt. Das für alle Arbeitnehmer geltende Wettbewerbsverbot ist deshalb ebenso wie das gesetzliche Wettbewerbsverbot als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses anzusehen.22 Da § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB den vollständigen Arbeitgeberwechsel zur Folge hat, kann im vorliegenden Zusammenhang die Frage dahingestellt bleiben, ob es seine Grundlage in arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten findet.
3. Ergebnis Der Betriebsübergang hat, wie bereits festgestellt wurde, einen Arbeitgeberwechsel zur Folge. Weiterhin steht fest, daß der Gebrauch des Merkmals "Arbeitsverhältnis" sich nicht von der sonst im Arbeitsrecht üblichen Verwendung unterscheidet. Gesetzliche Wettbewerbsverbote, die für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gelten, sind als dessen Bestandteil anzusehen.
19
Motzer, S. 103.
2 0
Motzer, S. 104.
2 1
Kritisch zu einer Zuordnung von Verbindlichkeiten zum primären Leistungsinteresse und einer danach ausgerichteten Einteilung in Haupt- und Nebenpflichten Kramer, S. 101. 2 2 Im folgenden wird kein Unterschied zwischen dem Wettbewerbsverbot sonstiger Arbeitnehmer und dem Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen gemacht. Soweit erforderlich, wird gesondert auf die Unterschiede verwiesen.
44
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Daraus folgt, daß der Erwerber ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs als neuer Arbeitgeber die Rechte aus dem arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbot wahrnehmen kann. Nach dem Betriebsübergang gilt die Verbotsregelung zugunsten des Betriebserwerbers.23
Abschnitt
Β
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots Die das Wettbewerbsverbot bei bestehendem Arbeitsverhältnis betreffende Regelungsmaterie erstreckt sich auf die Bestimmung von Inhalt und Umfang des Verbots sowie auf Regelungen der Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot. Bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot stehen dem Arbeitgeber u.a. Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunftund Rechnungslegung sowie ein Eintritts- und Kündigungsrecht zu. Mit der soeben getroffenen Feststellung des Gläubigerwechsels aus dem Wettbewerbsverbot ist deshalb noch nicht viel gewonnen: abgesehen davon, daß noch untersucht werden muß, wie sich der Betriebsübergang auf die Rechte und Pflichten auswirkt, die bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot gegeben sind, ist vor allem die Frage offen, wie sich der Betriebsübergang auf Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots auswirkt. Hierzu ist es zunächst erforderlich, die Kriterien zu untersuchen, die Inhalt und Umfang der gesetzlichen Wettbewerbsverbote bestimmen.
1. Kapitel
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt 1. Die Bestimmung von Inhalt und Umfang nach dem Geschäftszweig des Arbeitgebers a) Handlungsgehilfen
§ 60 Abs. 1 HGB enthält zwei Alternativen, die dem Handlungsgehilfen eine Konkurrenztätigkeit verbieten. Ohne Einwüligung des Prinzipals darf der 2 3
Commandeur, S. 74; Gaul,, Betriebsübergang, S. 92 f; ders., NZA 1989, 697 (698); Sack, S. 86; Schaub, ZIP 1984, 272 (275).
1. Bestimmung von Inhalt und Umfang nach dem Geschäftszweig
45
Handlungsgehilfe weder ein Handelsgewerbe betreiben, noch in dessen Handelszweig für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Die Bestimmung von Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots soll hier zunächst ohne Berücksichtigung einer eventuell erteilten Einwüligung erfolgen.1
aa) Betrieb eines Handelsgewerbes Der Wortlaut der ersten Alternative, die sich auf den Betrieb eines Handelsgewerbes bezieht, ist sehr weit gefaßt: danach ist dem Handlungsgehüfen, unabhängig davon, ob er im Handelszweig des Arbeitgebers tätig wird, der Betrieb jedweden Handelsgewerbes untersagt.2 In verfassungskonformer Auslegung schränkt das BAG deshalb die Regelung ein. 3 Der Betrieb eines Handelsgewerbes könne dem Handlungsgehüfen insbesondere wegen Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG 4 nur verwehrt werden, wenn der Angestellte ein Handelsgewerbe im Handelszweig des Arbeitgebers betreibe, das den Interessen des Arbeitgebers aus Gründen des Wettbewerbs zuwiderlaufe.5 Deshalb könne selbst die Ausübung eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers nur dann vom Verbot des § 60 Abs. 1 HGB erfaßt werden, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf dem Markt als Gegner entgegenträten.6 Diese Ansicht des BAG wird von der Literatur geteüt.7 Nach der ersten Verbotsalternative des § 60 Abs. 1 HGB komme es darauf an, ob der kaufmännische Angestellte im Geschäftszweig des Arbeitgebers als dessen Gegner auf-
1
Zur Einwilligung und den damit für den Betriebsübergang verbundenen Auswirkungen vgl. ausführlich II. Teil, Abschn. B, 2. Kapitel. 2 Ob eine auf Dauer angelegte, berufsmäßige, selbständige und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübte Tätigkeit als Handelsgewerbe qualifiziert werden kann, richtet sich nach den §§ 1 - 7 HGB. Neben den in § 1 HGB aufgezählten Gewerbebetrieben sind dies insbesondere Minderkaufleute, Kaufleute kraft Eintragung (§ 5 HGB) sowie gegebenenfalls auch Sollkaufleute, die eine Eintragung nach § 2 HGB unterlassen haben, vgl. Bandasch-Nickel, § 1 1 . Mit Recht hat Schmidt, S. 449, darauf hingewiesen, daß die Frage der Eintragung im Handelsregister nicht dafür maßgeblich sein könne, ob eine Konkurrenztätigkeit erlaubt oder verboten sei. Statt "Handelsgewerbe" sei dehalb "Unternehmen" zu lesen. 3
BAG AP Nr. 4 zu § 60 HGB; BAG AP Nr. 7 zu § 60 HGB.
4
Das BAG bezieht sich in AP Nr. 4 zu § 60 HGB auf BVerfGE 21,173 (179).
5
BAG AP Nr. 4 zu § 60 HGB; BAG AP Nr. 6 zu § 60 HGB.
6
BAG AP Nr. 10 zu § 60 HGB; so liegt wegen fehlendem Interessengegensatz kein Wettbewerb vor, wenn z.B. ein Arbeitnehmer als Zulieferer nur mit dem Arbeitgeber Geschäfte abschließt, vgl. Grunsky, Wettbewerbsverbote, S.7.
46
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
trete. Dabei sei es unerheblich, ob der Arbeitgeber ohne die Marktbetätigung des Arbeitnehmers ein konkretes Geschäft abgeschlossen hätte.8 Sofern er nicht den für das Bestehen des Wettbewerbsverbots maßgeblichen Geschäftszweig des Arbeitgebers beeinträchtige, stehe es dem Arbeitnehmer dagegen nach § 60 Abs. 1,1. Alt. HGB frei, eine Nebentätigkeit auszuüben9, sei sie abhängig oder freiberuflich, fortgesetzt oder nur gelegentlich. Für die Frage, ob die Tätigkeit des Arbeitnehmers Wettbewerb i.S.d. § 60 Abs. 1, 1. Alt. HGB sei, spiele es darüberhinaus keine Rolle, ob der Handlungsgehilfe das Handelsgewerbe für eigene oder fremde Rechnung betreibe. 10 Ein Handelsgewerbe betreibe derjenige, in dessen Namen der Betrieb geführt werde und der Träger der dabei entstehenden Rechte und Pflichten sei. 11 Unabhängig davon verstoße auch der Handlungsgehilfe, der einen Strohmann vorschiebe, gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 H G B . 1 2 Auch die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft sowie die Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften betreiben ein Handelsgewerbe, das unter das Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB fallen könne. 13 Beteiligt sich der Handlungsgehilfe dagegen nur kapitalmäßig an einem Konkurrenzunternehmen, müsse bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise darauf abgestellt werden, ob er unternehmerischen Einfluß geltend machen wolle oder ob es lediglich um eine Kapitalanlage gehe. 14 Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, daß für die Frage der Konkurrenztätigkeit entscheidend auf den Handelszweig des Arbeitgebers abzustellen ist. Außerhalb des Geschäftszweiges des Arbeitgebers ist es dem Arbeitnehmer ohne Einschränkung erlaubt, ein Gewerbe zu betreiben, da es in diesem Bereich nicht zu einer Interessenkollision zwischen den arbeitsvertraglich übernommenen Aufgaben und dem eigenen Gewerbebetrieb kommen kann. 7 Baumbach/Duden/Hopt, § 60 Anm. 1 A a; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II, Β I.; Gaul, BB 1984, 346, 347 f.; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S.6; Röhsler/Borrmann, S. 29 f; MK-Söllner, § 611, Rdn. 195; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57, II. 1. 8
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S.5; Gaul, BB 1984, 346 (348). Zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen und Konkurrenztätigkeit Röhsler/Borrmann, S. 31. 9
Zur Nebenbeschäftigung in der Rechtsprechung Becker-Schaffner, 1980, 321 ff; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 43. 10
Röhsler/Borrmann,
S. 24 m.w.Nachw.
11
Röhsler/Borrmann,
S. 30 m.w.Nachw.
12
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II., 1.
13
BAG AP Nr.l zu § 61 HGB; Röhsler/Borrmann, berger-Sehr öder, § 60 Anm. 6. 14
BIStSozArbR
a.a.O. m.w.Nachw.; Schlegel-
Vgl. ausführlich Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 13 ff. Nach StaudingerRichardi, § 611 Rdn. 385 fällt die kapitalmäßige Beteiligung nicht unter ein Wettbewerbsverbot.
1. Bestimmung von Inhalt und Umfang nach dem Geschäftszweig
47
bb) Geschäftemachen im Handelszweig des Prinzipals Nach der zweiten Verbotsalternative des § 60 Abs. 1 HGB ist es dem Handlungsgehilfen nicht erlaubt, im Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen. Unter "Geschäftemachen" wird jede "spekulative", auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr verstanden, die nicht zur Befriedigung eigener privater Bedürfhisse des kaufmännischen Angestellten erfolgt. 15 Auch ein gelegentliches, einzeln abgeschlossenes Geschäft wird von dem Verbot erfaßt, sofern der Arbeitgeber in diesem Geschäftszweig tätig ist. Im Schrifttum wird darauf verwiesen, daß die Reichweite des § 60 Abs. 1, 2. Alt. HGB abstrakt nicht eindeutig festzulegen sei. 1 6 Generell sei dem Handlungsgehilfen jede Form von Tätigkeit verboten, die dem Arbeitgeber Konkurrenz machen könne. Hierunter falle insbesondere das Anbieten von Diensten und Leistungen im Marktbereich des Arbeitgebers. 17 Etwas anderes gelte, wenn ein Geschäft völlig außerhalb des Rahmens der geschäftlichen Betätigung des Unternehmens liege. 18 Auch die zweite Alternative des § 60 Abs. 1 HGB enthält mit dem Verbot des Geschäftemachens trotz der inhaltlichen Beschränkung auf den Handelszweig des Prinzipals eine zu weit gefaßte Regelung. So würde nach dem Wortlaut grundsätzlich jede unselbständige Nebentätigkeit des Handlungsgehüfen bei einem Konkurrenzunternehmen vom Wettbewerbsverbot erfaßt. 19 Es wird deshalb gefordert, wegen Art. 12 GG zunächst den Begriff des Konkurrenzunternehmens eng auszulegen.20 Aber selbst bei eindeutigen Konkurrenzverhältnissen könne der Arbeitgeber nicht in jedem Fall die Unterlassung von Wettbewerb verlangen. 21 Teile der Literatur wollen deshalb im Anschluß an das Reichsgericht22 Dienstleistungen, die in keinem direkten Zusammenhang zum Warenumsatz stehen, wie beispielsweise Buchführungs-, Schreib- oder Verpackungsarbeiten und ähnliche Leistungen, vom Verbot des § 60 HGB ausnehmen. Selbst wenn der Konkurrent durch die Betätigung des 15 BAG AP Nr 1 zu § 61 HGB; BAG Nr. 3 zu § 60 HGB; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II, Β I, 1. b; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II. 2.; SchlegelbergerSchröder, § 60 Anm. 8 b; Weisemann/Schräder, S.4; Röhsler/Borrmann, S. 32 f.; Winterstein, NJW 1989, 1463. 16
Röhsler/Borrmann,
S. 32; Buchner, a.a.O.
17
Röhsler/Borrmann,
S. 33 m.w.Nachw.
18
Schlegelberger-Schröder,
19
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S.13.
2 0
Grunsky, a.a.O., S. 12.
2 1
Grunsky, a.a.O.
2 2
RGZ 67, 4.
§ 60 Anm. 8 a.
48
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Arbeitnehmers unterstützt werde, fehle es an dem für den Begriff des "Geschäftemachens" spekulativen Charakter.23 Der Ansicht, daß der Begriff des "Geschäftemachens" bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen restriktiv ausgelegt werden müsse, ist zuzustimmen. Der Arbeitnehmer kann nicht umfassend in die Pflicht genommen werden, sondern nur da, wo seine persönlichen Interessen an einer ungehinderten Berufsausübung wegen besonderer schutzwerter Belange des Unternehmens zurückstehen müssen. 24 Zu den schutzwerten Belangen des Unternehmens gehört dessen Stellung als Wettbewerber auf dem Markt. Der Markt soll von der Gefahr nachteiliger, zwielichtiger oder zweifelhafter Beeinflussung freigehalten werden. 25 Die Gefahr einer solchen Beeinflussung kann jedoch nicht vorliegen, wenn der Arbeitnehmer nicht in markterheblicher Weise auf den Abschluß von Umsatzgeschäften einwirkt. So kann im Bereich der abhängigen Arbeit nicht jede Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen unter das Merkmal "Geschäftemachen" subsumiert werden. 26 Ob die notwendige Einschränkung jedoch durch das Erfordernis der spekulativen, gewinnorientierten Teünahme am Geschäftsverkehr erzielt werden kann, erscheint zweifelhaft. 27 Grunsky hat vorgeschlagen, daß der Arbeitgeber am Wettbewerbsverbot entsprechend § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB ein berechtigtes geschäftliches Interesse vorweisen können müsse. 28 Nur dann sei das Tatbestandsmerkmal verfassungskonform ausgelegt. Diese Lösung entspricht eher der Systematik der Wettbewerbsverbote. Sie ist gegenüber der Forderung nach spekulativer und gewinnorientierter Teünahme am Geschäftsverkehr vorzuziehen, da sie darauf verzichtet, ein bestehendes Tatbestandsmerkmal durch ein systemfremdes anderes zu ersetzen.29 2 3 Brüggemann-Würdinger 9 § 60 Anm. 3; Röhsler/Borrmann, S. 32; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II., 2. Nach BAG AP Nr.l zu § 61 HGB, Bl. 215 fällt die Tätigkeit als Arbeitnehmer für ein Konkurrenzunternehmen "überhaupt nicht" unter den Begriff des "Geschäftemachens". 2 4
Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II, A I., 1.
25
BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht zum für alle Arbeitnehmer geltenden Wettbewerbsverbot. 2 6
Vgl. hierzu die von Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 12 f genannten Fallbei-
spiele. 2 7 Bei dieser Terminologie wird allzu leicht suggeriert, es müsse sich um Spekulationsgeschäfte etwa im Sinne des § 23 EStG handeln. Allein auf eine auf Gewinn ausgerichtete, spekulative Tätigkeit kann es aber für die Konkurrenztätigkeit nicht ankommen. 2 8 2 9
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 12 f.
Der Unterschied zu § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB besteht jedoch darin, daß es hier nicht um die Frage der Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots geht, sondern um die Bestimmung eines Tatbestandsmerkmals.
1. Bestimmung von Inhalt und Umfang nach dem Geschäftszweig
49
b) Sonstige Arbeitnehmer
Gewerbliche oder technische Arbeitnehmer leisten keine kaufmännischen Dienste in einem Handelsgewerbe. Inhalt und Umfang der Konkurrenztätigkeit müssen daher auf andere Weise bestimmt werden. Auszugehen ist von der Funktion des Wettbewerbsverbots. Der Arbeitnehmer soll durch seine geschäftliche Betätigung nicht die wettbewerblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen.30 Für die Bestimmung des Wettbewerbsverbots ist damit der Marktbereich des Arbeitgebers maßgeblich. Dieser soll vor nachteüigen Beeinflussungen durch den Arbeitnehmer geschützt sein. 31 Dem Arbeitnehmer ist deshalb die selbständige Konkurrenztätigkeit im Geschäftszweig des Arbeitgebers ebenso untersagt wie eine Tätigkeit als Arbeitnehmer in den Diensten eines Konkurrenzunternehmens, soweit er dadurch die Wettbewerbsinteressen seines Arbeitgebers gefährdet.32 Prinzipiell lassen sich somit die zum Handlungsgehilfen entwickelten Grundsätze auf die sonstigen Arbeitnehmer übertragen. 33 Es besteht deshalb bezüglich der Reichweite zwischen dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot aus § 60 Abs. 1 HGB und dem unmittelbar auf der Treuepflicht beruhenden Wettbewerbsverbot kein Unterschied.34 Betätigt sich demnach ein Arbeitnehmer in einem Unternehmen, das auf demselben Tätigkeitsfeld wie sein Arbeitgeber Geschäfte betreibt, liegt keine Konkurrenztätigkeit vor, wenn der bei beiden Arbeitgebern wahrgenommene Arbeitsbereich keinerlei Zusammenhang aufweist. 35 Auch bei den sonstigen Arbeitnehmern muß der Arbeitgeber ein berechtigtes geschäftliches Interesse daran haben, daß der Arbeitnehmer nicht bei einem Konkurrenzunternehmen tätig wird. 3 6 Nicht gefolgt werden kann insoweit der Ansicht, daß dem Arbeitnehmer während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses jede Art der Konkurrenztätigkeit verboten sei. 37
3 0
Röhsler/Borrmann,
3 1
BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht.
S. 63.
3 2
Büchner, [D] Wettbewerbsverbot II C I. 2; die Wettbewerbsbeschränkung gilt auch für Leiharbeitnehmer, vgl. L A G Berlin DB 1981,1095. 3 3
Nach BAG AP Nr. 8 zu § 60 HGB gilt die für Handlungsgehilfen in § 60 Abs. 1 HGB geregelte Pflicht für alle Arbeitnehmer. 3 4
Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I C I. 2.
35
Buchner, a.a.O.
3 6
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 13 i.V.m. S. 5.
3 7
So aber KR-Becker, § 1 KSchG, Rdn. 280.
50
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt c) Die Bedeutung der Unternehmensstruktur
Wie gezeigt wurde, ist der Geschäftszweig des Arbeitgebers einer der maßgeblichen Faktoren für die Bestimmung von Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots. Der Arbeitgeber kann seine geschäftlichen Aktivitäten auf zahlreichen unterschiedlichen organisatorischen Ebenen entfalten. Bedient sich der Arbeitgeber einer dezentralen Unternehmensstruktur, so muß die Frage gestellt werden, ob sich das Wettbewerbsverbot auf den einzelnen, dem Unternehmen zugehörigen Betrieb oder auf das gesamte, mehrere Betriebe erfassende Unternehmen bezieht. 38 Im Falle des Betriebsübergangs könnte dies für Inhalt und Umfang des Verbots bedeutsam werden, wenn als Erwerber ein Unternehmen auftritt, dem mehrere Betriebe angehören. Hier könnte möglicherweise eine betriebsübergangsbedingte Ausdehnung des Wettbewerbsverbots in Betracht kommen. Umgekehrt wäre zu untersuchen, ob der Betriebsübergang eine Einschränkung des Wettbewerbsverbots zur Folge hat, wenn ein Betrieb als Teil eines Unternehmens auf einen anderen Inhaber übergeht. Wäre der für das Wettbewerbsverbot maßgebliche Geschäftszweig in diesem Sinne unternehmensbezogen aufzufassen, könnte der Betriebsübergang eine Veränderung der Reichweite des Wettbewerbsverbots mit sich bringen. 39 Der Frage nach der unternehmensbezogenen Reichweite des Wettbewerbsverbots liegt das Problem zugrunde, wo die Grenze zwischen der arbeitsvertraglichen Interessenwahrungspflicht und dem verfassungsrechtlich garantierten Recht an ungehinderter Berufsausübung zu ziehen ist. Nach der gängigen Definition der Treuepflicht ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich für die Interessen des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist. 4 0 Hieraus kann jedoch noch nicht geschlossen werden, daß eine Organisationsform, die mehrere Betriebe enthält, nicht Gegenstand der Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers sein könnte. Zu denken wäre hier an den leitenden Angestellten, der innerhalb des Unternehmens in mehreren Betrieben an führender Stelle eingesetzt wird. Auch wenn der Arbeitgeber im Einzelfall Interesse an einer betriebsübergreifenden Reichweite des Wettbewerbsverbots haben kann, so gibt dennoch nur die von ihm gewählte Organisationsform für Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots den Ausschlag. Ist der Betrieb in mehrere rechtlich selbständige 3 8 Zur Definition der Merkmale Betrieb und Unternehmen vgl. oben I. Teil, 2. Nach BAG BB 1976, 414 ist der Begriff des Unternehmens weiter als der des Betriebes, kann sich aber im Einzelfall mit diesem decken. 3 9
Zu der betriebsübergangsbedingten Veränderung der Wettbewerbssituation aufgrund unterschiedlicher Unternehmensinteressen vgl. Gaul, NZA 1989, 697 (698); ders., Betriebsübergang, S. 93. 4 0
BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht.
1. Bestimmung von Inhalt und Umfang nach dem Geschäftszweig
51
Abteilungen untergliedert, so ist Maßstab des Wettbewerbsverbots die rechtlich selbständige Abteilung, der der Arbeitnehmer angehört, mögen die Abteilungen im übrigen noch so intensiv zusammenwirken.41 Eine enge wirtschaftliche Verbundenheit reicht nicht aus, um rechtlich selbständige Betriebe oder Abteilungen dem Geschäftszweig zugehörig zuzuordnen. Dies ergibt sich für unmittelbar nur für einen Betrieb tätige Arbeitnehmer aus der verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung des § 60 HGB bzw. einer entsprechenden Beurteüung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung. Gerade bei einer stark dezentral organisierten Unternehmensform kann der Arbeitgeber nicht verlangen, daß ein Arbeitnehmer sich gegenüber einem - ihm möglicherweise sogar unbekannten - Unternehmensteil, in dem er nicht beschäftigt ist, des Wettbewerbs enthält. Es güt somit der von Windbichler geprägte Satz, daß derjenige, der sich der rechtlichen Verselbständigung seiner Interessen als Organisationsform bediene, diese auch als selbständig behandeln lassen müsse.42 Für den an übergeordneter Stelle tätigen leitenden Angestellten kann nichts anderes gelten. Wül der Arbeitgeber einen solchen Arbeitnehmer in ein Wettbewerbsverbot einbinden, das sich auf alle dem Unternehmen zugehörigen selbständigen Betriebe erstreckt, muß er entweder versuchen, auf vertraglichem Wege eine Erweiterung des Wettbewerbsverbots zu erreichen, oder er muß den Arbeitnehmer als Angestellten eines übergeordneten Betriebes führen. 43
d) Ergebnis
Für die Bestimmung von Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots ist der Geschäftszweig des Arbeitgebers ausschlaggebend. Dies güt sowohl für den Betrieb eines Handelsgewerbes als auch für die sonstige Teilnahme am Geschäftsverkehr. Der Betrieb eines Handelsgewerbes ist jedoch nur dann Konkurrenztätigkeit, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer am Markt als Gegner gegenüberstehen. Der Begriff des Konkurrenzunternehmens ist eng zu fassen. Hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Wettbewerbsverbot, kann auch die unselbständige Teünahme am Geschäftsverkehr einen Wettbewerbsverstoß darstellen. Auch bei gewerblichen und technischen Arbeitnehmern bestimmt sich die Reichweite des Wettbewerbsverbots nach dem Geschäftszweig des Arbeitgebers.
4 1
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 8, der als Beispiel die als GmbH geführte Serviceabteilung einer Maschinenfabrik nennt und ausführt, daß das verbundene Unternehmen nicht fürsorgepflichtig sei, weshalb auch keine Treue verlangt werden könne. 4 2 4 3
Windbichler,
S. 248.
Zur vertraglichen Erweiterung des Wettbewerbsverbots vgl. unten II. Teil, Abschn. B, 1. Kap. 3 b, aa.
52
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Selbständige Drittunternehmen sind nicht durch das Wettbewerbsverbot geschützt. Insofern ist die Organisationsform maßgeblich für die Bestimmung des Geschäftszweiges.
2. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei gleichbleibendem Geschäftszweig des Erwerbers Nachdem festgestellt werden konnte, daß Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots entscheidend vom Geschäftszweig abhängen, kann im folgenden untersucht werden, welche Auswirkungen sich bei Betriebsübergang für den Geschäftszweig und den Verbotsumfang ergeben. Für die Frage, wie sich der Betriebsübergang auf die Wettbewerbsverbote auswirkt, ist von entscheidender Bedeutung, wie der übergehende Betrieb oder Betriebsteil von dem neuen Inhaber weitergeführt wird. So kann bedeutsam sein, ob er unverändert weitergeführt wird, ob er in eine bestehende oder neu gegründete Organisation integriert wird und ob er dabei seine Selbständigkeit verliert.
a) Erscheinungsformen
des Betriebsübergangs
aa) Fortführender Betriebsübergang Der Übergang eines Betriebes kann sich auf vielfältige Weise vollziehen. Im einfachsten Fall wird ein Betrieb oder Betriebsteil von einem Erwerber übernommen, der ihn in seiner bisherigen Beschaffenheit als selbständigen Betrieb weiterführt. Es findet lediglich ein Wechsel des Betriebsinhabers statt, Veränderungen des Geschäftszweiges werden im Zuge des Betriebsübergangs nicht vorgenommen. In diesem Fall läßt sich von "fortführendem Betriebsübergang" sprechen.44 Diese Fallgestaltung liegt auch vor, wenn sich auf Veräußerer- oder Erwerberseite Änderungen in der Unternehmensstruktur ergeben, ansonsten der Betrieb aber unverändert fortgeführt wird. So ist beispielsweise denkbar, daß ein selbständiger Betrieb auf Erwerberseite in ein bestehendes Unternehmen eingegliedert wird bzw. auf Veräußererseite aus einem bestehenden Unternehmen ausgegliedert wird. Soweit die Änderung der Zugehörigkeit des Betriebes zum Unternehmen auf dessen kontinuierliche Fortführung keinen Einfluß hat, kann auch diese Fallvariante als "fortführender Betriebsübergang" bezeichnet werden. 4 4 Zur Unterscheidung zwischem fortführendem und eingliederndem Betriebsübergang vgl. auch Kreitner, S. 104, Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 20.
2. Auswirkungen bei gleichbleibendem Geschäftszweig
53
bb) Eingliederader Betriebsübergang Eine andere Sachlage kann sich ergeben, wenn der Erwerber den übernommenen Betrieb nicht unverändert weiterführt, sondern in eine bereits bestehende Betriebsorganisation eingliedert. Dieser Fall kann insbesondere bei Übergang eines Betriebsteües eintreten. Denkbar wäre auch, daß ein übernommener Betrieb und ein bestehender Betrieb unter Bildung eines neuen Betriebes zusammengelegt werden. 45 In diesen Fällen können sich Änderungen im Geschäftszweig des Arbeitgebers ergeben, so daß die Auswirkungen auf die Reichweite des Wettbewerbsverbot gesondert untersucht werden müssen.46
b) Die Auswirkungen bei fortführender
Betriebs Übernahme
Hinsichtlich des Umfangs des Wettbewerbsverbots ergeben sich bei einem schlichten Inhaberwechsel keine Änderungen. Wenn der Erwerber bisher in noch keinem Handelszweig geschäftliche Aktivitäten entwickelt hatte, hat der Betriebsinhaberwechsel auf die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb keine Auswirkungen. Zum Zeitpunkt des Übergangs erfährt der Handelszweig des Betriebes keine Veränderungen. Ob der Erwerber beabsichtigt, nach erfolgter Übernahme in weiteren Geschäftszweigen tätig zu werden, ist für Inhalt und Umfang des gesetzlichen Wettbewerbsverbots zum Zeitpunkt des Übergangs unerheblich. 47 Dieses Ergebnis tritt auch ein, wenn der Erwerber zwar bereits in einem Geschäftszweig tätig ist, dieser aber vollständig mit dem des Veräußerers identisch ist. Auch hier findet infolge des Betriebsübergangs keine inhaltliche Veränderung des Handelszweiges statt. In diesem Fall spielt es auch keine Rolle, ob der Erwerber beabsichtigt, den zu übernehmenden Betrieb als unselbständigen oder selbständigen Betrieb in eine bestehende Organisation einzugliedern. Da für das Wettbewerbsverbot der Geschäftszweig des Arbeitgebers maßgeblich ist, kann sich bezüglich der Reichweite der Wettbewerbsverbote keine Änderung ergeben, solange die Geschäftszweige im zur Veräußerung anstehenden Betrieb oder Betriebsteil und im Erwerberbetrieb identisch sind. Daß der Erwerber nunmehr mit einer veränderten Marktmacht aufzutreten in der Lage ist und sich dadurch möglicherweise im späteren Verlauf der geschäftlichen Entwicklung Änderungen im Geschäftszweig ergeben können, hat auf den Umfang
45 Falkenberg, "Verschmelzung". 4 6 4 7
BB
1987,
328
(329)
bezeichnet
diesen
Vorgang
als
Vgl. hierzu II. Teil, Abschn. B, 1. Kap. 3 c und 4.
Zu den Einschränkungen des arbeitnehmerseitigen Handlungsspielraums durch geschäftliche Aktivitäten des Arbeitgebers vgl. II. Teil, Abschn. B, 1. Kap. 3. b, bb.
54
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
des arbeitnehmerseitigen Wettbewerbsverbots zum Zeitpunkt des Übergangs keine Auswirkungen.
3. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei erweitertem Geschäftszweig des Erwerbers a) Problemstellung
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über, so hat der Wechsel in der Rechtsinhaberschaft im Betrieb nicht nur einen Wechsel der Arbeitgeberstellung zur Folge. Vielmehr kann der Übergang des Betriebes oder Betriebsteüs auch Veränderungen der wirtschaftlich unternehmerischen Zielsetzung mit sich bringen. Diese Veränderungen der unternehmerischen Zielsetzung können sich im Zuge des Betriebsübergangs unmittelbar auf den für das Wettbewerbsverbot maßgeblichen Geschäftszweig auswirken. Der Betriebsübergang kann beispielsweise zur Folge haben, daß sich der Geschäftszweig des Betriebes, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, gegenüber dem Zustand vor der Veräußerung erweitert. Unter anderem kann es zu einer Erweiterung des Geschäftszweiges kommen, wenn ein oder mehrere Betriebe durch den Betriebsübergang einer einzigen organisatorischen Verbundenheit als rechtlich unselbständige Einheiten zugeführt werden. Die gleiche Wirkung kann sich ergeben, wenn nur ein abgrenzbarer Teü ernes Betriebes auf einen anderen Betrieb mit einer im Vergleich zum Veräußererbetrieb weiteren wirtschaftlichen Zielsetzung übergeht. Eine Erweiterung im für das Wettbewerbsverbot maßgeblichen Geschäftszweig ist immer dann vorstellbar, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil in eine bestehende unternehmerische Organisation als rechtlich unselbständige Einheit eingegliedert wird, wenn es sich also um eine eingliedernde Betriebsübernahme handelt. Eine Erweiterung des Geschäftszweiges kann auch dann in Betracht kommen, wenn mehrere Betriebe oder Betriebsteile zu einem neuen Betrieb zusammengeführt werden. Betreibt die neue unternehmerische Organisation einen erweiterten oder anderen Geschäftszweig, kann dies Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation haben. Die Erweiterung des Geschäftszweiges kann dazu führen, daß die wirtschaftlichen Betätigungen des Arbeitnehmers, die bislang wettbewerbsrechtlich unbedenklich waren, durch den Betriebsübergang gegenüber dem Erwerber und neuen Arbeitgeber konkurrenzrechtliche Relevanz erhalten. Bislang erlaubte Tätigkeiten können unerwartet von der Reichweite des Verbots erfaßt werden. Unter diesen Umständen ist es fraglich, ob und wie eine Anpassung an die veränderte Wettbewerbssituation zu erfolgen hat. Eine notwendig erscheinende
. Auswirkungen bei e e i e e m Geschäftszweig
55
Anpassung an die neue Wettbewerbslage kann für den Arbeitnehmer, der möglicherweise erhebliche Investitionen getätigt hat, ebenso weitreichende Folgen haben, wie umgekehrt die Beibehaltung der ursprünglich vor Betriebsübergang geltenden Wettbewerbssituation sich für den Erwerber als außerordentlich nachteilig erweisen kann. Bevor im folgenden untersucht wird, wie sich die betriebsübergangsbedingten Veränderungen im Geschäftszweig des Arbeitgebers auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer auswirken, soll zuvor ermittelt werden, durch welche Maßnahmen der Handlungsspielraum des Arbeitnehmers eingeschränkt werden kann und wie sich insbesondere die Erweiterung des Geschäftszweigs ohne Betriebsübergang auf die Wettbewerbssituation auswirkt. Ergibt sich, daß der Arbeitnehmer diese Erweiterungen ohne Anspruch auf Beibehaltung des wettbewerbsrechtlichen status quo hinnehmen muß, ist sodann zu prüfen, ob die hier gefundenen Grundgedanken auf eine durch Betriebsübergang veränderte Wettbewerbslage übertragbar sind.
b) Einschränkungen des arbeitnehmerseitigen ohne Betriebsübergang
Handlungsspielraums
aa) Einschränkungen durch vertragliche Maßnahmen Nach der verfassungsrechtlich gebotenen einengenden Auslegung des § 60 HGB hat der Handlungsgehilfe außerhalb des Handelszweiges des Prinzipals die Freiheit, seinen geschäftlichen Interessen nachzugehen, ohne daß dies vom Arbeitgeber eingeschränkt werden könnte. 48 Grenzen finden sich da, wo in zulässiger Weise 49 vertragliche Einschränkungen zugunsten eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers vorgenommen werden 50 oder wo der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. 51 4 8
Dieser durch Art. 12 GG geschützte Freiraum besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer einer selbständigen oder unselbständigen Betätigung nachgeht. 4 9
Zur Frage der Zulässigkeit einzelvertraglicher Beschränkungen der Nebentätigkeit vgl. ausführlich Oligmüller, S. 68 ff. 5 0
BAG AP Nr. 68 zu § 626 BGB; Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1980, 321; KRBecker, § 1 KSchG Rdn. 279; Boldt, NWB Fach 26, 1721; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Β I 2; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 27 u 10 ff; Oligmüller, S. 82 ff; Röhsler/Borrmann, S. 37; Weisemann/Schräder, DB Beil. 4/80 S. 3; Winterstein, NJW 1989,1463. 5 1
BAG AP Nr. 4 zu § 60 HGB; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 11 weist zu Recht darauf hin, daß diese Frage mit dem Wettbewerbsverbot nichts zu tun hat; ebenso Gaul, Arbeitsrecht F V I I Rdn. 4 und D I Rdn. 9. Zu den weiteren gesetzlichen Grenzen einer Nebentätigkeit Oligmüller, S. 20 ff; Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1980, 321 (323 f)·
56
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Eine Grenze kann sich für abhängige Arbeit auch aus der AZO ergeben.52 Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer in seiner wirtschaftlichen und beruflichen Betätigungsfreiheit geschützt. Dies güt ebenso für Arbeitnehmer, die dem Wettbewerbsverbot auf der Grundlage arbeitsvertraglicher Rücksichts- und Schutzpflichten unterliegen. Das Wettbewerbsverbot kann also aufgrund vertraglicher Vereinbarung nur erweitert werden, soweit hierzu ein berechtigtes Interesse besteht, etwa wenn die wettbewerbsrechtliche Stellung des Arbeitgebers bei einer beabsichtigten Expansion des Geschäftsbereichs vorbeugend geschützt werden soll. Hier besteht der für das berechtigte Interesse des Arbeitgebers erforderliche Bezug zur wettbewerbsrechtlichen Stellung in ausreichendem Maße. 53
bb) Einschränkungen durch organisatorische Maßnahmen Anders als bei der rechtsgeschäftlichen Einschränkung des Umfangs erlaubter Wettbewerbstätigkeit findet die Veränderung der Wettbewerbssituation infolge des Betriebsübergangs ohne die Mitwirkung des Arbeitnehmers statt. 54 Deshalb ist der Fall der Einschränkung des arbeitnehmerseitigen Handlungsspielraums durch Betriebsübergang mit dem der Einschränkung durch organisatorische Maßnahmen vergleichbar. Für die Frage, ob der wettbewerbsrechtliche Handlungsspielraum des Arbeitnehmers durch Betriebsübergang eingeschränkt werden kann, ist es somit bedeutsam, ob und inwieweit dieser Handlungsspielraum ausschließlich durch organisatorische Maßnahmen eingeschränkt werden kann.
aaa) Die Meinung im Schrifttum Nach einhelliger Meinung im Schrifttum 55 kann der wettbewerbsrechtlich relevante Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers schon allein durch organisatorische Maßnahmen eingeschränkt werden. 56 Es spiele keine Rolle, ob der Ar5 2
Becker-Schaffner, BIStSozArbR Hanau/Adomeit, G IX 2 a. 53
1980,
321
(322);
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 27; Röhsler/Borrmann,
Gaul,
D
I
Rdn.
9;
S. 37.
5 4
Es sei denn, der Arbeitnehmer macht von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch. Dann tritt der Erwerber nicht in das Arbeitsverhältnis ein, der Veräußerer hat aber gegebenenfalls das Recht zur betriebsbedingten Kündigung. Zum Widerspruchsrecht vgl. ausführlich II. Teil, Abschn. C. 5 5 5 6
Soweit ersichtlich, war die Rechtsprechung mit dieser Frage noch nicht befaßt.
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 6 f; Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 14; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II, 2; Schlegelberger-Schröder, § 60 Rdn. 8 a; Röhsler/Borrmann, S. 38.
. Auswirkungen bei e e i e e m Geschäftszweig
57
beitgeber eine Geschäftsart erst nach der Anstellung des Arbeitnehmers in seinen Betrieb aufgenommen habe. 57 Der Unternehmer könne durch nachträgliche Geschäftserweiterung den dem Arbeitnehmer für eigene Geschäfte zustehenden Rahmen verkleinern, wobei der Gesamtumfang des Unternehmens maßgeblich sei, nicht der Zweig des Unternehmens, in dem der Arbeitnehmer tätig ist. 5 8 Die Argumentation stützt sich im wesentlichen darauf, daß der Arbeitnehmer der Treuepflicht unterliege, aus der eine Förderungspflicht für das Unternehmen folge. Allerdings sind auch vorsichtige Einschränkungen dieser Ansicht zu beobachten. So sind Röhsler/Borrmann der Ansicht, daß bei organisatorischen Maßnahmen, die zu einer geschäftlichen Betätigung in einem anderen Handelszweig fuhren, eine interessengerechte Lösung angezeigt sei. Zumindest wenn der Arbeitnehmer bisher selbst unangefochten ein nicht in Konkurrenz stehendes Geschäft betrieben habe, könne die sofortige Aufgabe dieser Betätigung nicht verlangt werden. Wenn der Arbeitnehmer allerdings nicht freiwülig zu einem Verzicht auf diese Konkurrenztätigkeit bereit sei, könne das Beschäftigungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. Für eine nur gelegentlich betriebene, einzelne Geschäftstätigkeit folge demgegenüber aus der Wertung des § 60 HGB, daß der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen könne, diese Tätigkeit für die Zukunft zu unterlassen.59
bbb) Stellungnahme Grundsätzlich genießt der Arbeitnehmer neben dem allgemeinen Bestandsschutz auch einen das Arbeitsverhältnis mit seinem konkreten Inhalt betreffenden Schutz. 60 Welche inhaltliche Ausgestaltung das Arbeitsverhältnis angenommen hat, richtet sich nach den einzelvertraglichen Bestimmungen sowie den gesetzlichen Regelungen, wie beispielsweise nach § 60 HGB. § 60 HGB enthält keine ausdrücklichen Hinweise, wie bei einer Erweiterung des Geschäftszweiges des Arbeitgebers zu verfahren ist. Allerdings ist die Vorschrift verfassungskonform auszulegen.61 5 7 Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II B I 1 b; Grunsky, a.a.O; Heymann-Honsell, a.a.O; Schlegelberger-Schröder, a.a.O. 5 8 Schlegelberger-Schröder, a.a.O; Brüggemann-Würdinger, § 60 Anm 3. Nach dem oben II. Teil, Abschn. Β, 1. Kap., 1. c zur Bedeutung der Unternehmensstruktur für das Wettbewerbsverbot Gesagten ist jedoch danach zu differenzieren, ob es sich um rechtlich selbständige oder unselbständige Abteilungen des Unternehmens handelt. 5 9
Röhsler/Borrmann,
6 0
Vgl. nur KR-Wolf,
6 1
Vgl. hierzu die Nachw. oben II. Teil, Fußn. 26.
S. 38 f. Grunds. Rdn. 30.
58
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Das gesetzliche Wettbewerbsverbot stellt sich insoweit als privatrechtlicher Interessenausgleich von im Kern grundrechtlich qualifizierten Schutzgütern dar; es stehen sich arbeitgeberische Berufsfreiheit, arbeitgeberisches Eigentum und arbeitnehmerische Freiheit zu persönlicher und beruflicher Entfaltung gegenüber. 62 Dabei kann § 60 HGB die Wertung entnommen werden, daß die geschäftliche Betätigung des Arbeitgebers Vorrang hat vor der geschäftlichen Betätigung des Arbeitnehmers.63 Wenn das gesetzliche Wettbewerbsverbot als privatrechtlicher Ausgleich des Interessenkonflikts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verstanden werden kann, stellt sich die Frage nach dem die arbeitgeberische Betätigung privilegierenden Grund. Die innere Rechtfertigung der Pflicht des Arbeitnehmers, nicht in schutzwerte Belange des Arbeitgebers einzugreifen, die dessen Stellung auf dem Markt betreffen, ergibt sich nicht lediglich aus einer allgemeinen arbeitsrechtlichen, außerhalb von Tendenzbetrieben bestehenden Pflicht zur Tendenzförderung. 64 Die Pflicht zu Rücksicht, Leistungstreue oder Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Schuldverhältnisses ist lediglich das Ergebnis der schuldrechtlich begründeten Pflichtenstellung. Ansatzpunkte für die eigentliche Begründung des in Form des gesetzlichen Wettbewerbs Verbots gefundenen Interessenausgleichs lassen sich finden, 65 wenn man einen Blick auf die jüngere Theorie zur Definition des Arbeitnehmerbegriffs bzw. Arbeitsverhältnisses wirft. 6 6 Danach sei die Arbeitnehmereigenschaft im wesentlichen dadurch geprägt, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft fremdnützig zur Verfügung stelle. Die fremdnützige Beschäftigung nehme dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, selbst am Marktgeschehen teilzunehmen. Kraft des Arbeitsvertrages sei die Dispositionsmöglichkeit über die Arbeitskraft auf den Arbeitgeber übertragen worden. Aus dem Verlust dieser Dispositionsmöglichkeit und der damit verbundenen Unmöglichkeit der eigennützigen unternehmerischen Betätigung resultiere die die Entwicklung des Arbeitsrechts begleitende und rechtfertigende Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers. Die Belastung des Arbeitgebers mit der Daseinsvor62 Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I A I I 1; Gaul, BB 1984, 384; Scholz, ZfA 1981, 265 (272 f); Westhoff,\ RdA 1976, 353 ff. 63
Röhsler/Borrmann,
S. 38.
6 4
Vgl. hierzu aber den Titel des von Buchner, in ZfA 1979, 335 ff veröffentlichten Vortrags: "Tendenzförderung als arbeitsrechtliche Pflicht". Der Autor vertritt die Ansicht, daß der Arbeitnehmer u.a. in Form des auf der Pflicht zur Leistungstreue beruhenden Wettbewerbsverbots an die Unternehmenszielsetzung gebunden sei; vgl. auch ders.y [D] Wettbewerbsverbot II A I 1.; ähnlich Röhsler/Borrmanny S. 38 f. 65 Auf die historischen Bezüge der Entwicklung der Treuepflicht soll hier nicht eingegangen werden, vgl. hierzu Richardi, in: Tomandl, S. 41 ff. 6 6
Vgl. Lieby Arbeitsrecht, S. 5 m.w.Nachw.; Βeuthien/Wehler,
RdA 1978, 2 (5).
. Auswirkungen bei e e i e e m Geschäftszweig
59
sorge des Arbeitnehmers werde dadurch gerechtfertigt, daß er seinen unternehmerischen Spielraum durch die Indienstnahme fremder Arbeitskraft nicht unerheblich erweitern könne. 67 Es mag hier dahingestellt bleiben, ob diese Theorie das Arbeitsverhältnis hinreichend zu kennzeichnen vermag. Im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverbot scheint jedoch der diesen Überlegungen zugrundeliegende Gedanke wichtig: Der Arbeitnehmer hat mit dem Eingehen in das Arbeitsverhältnis die Daseinsvorsorge auf den Arbeitgeber übertragen. Damit hat er eine Grundentscheidung getroffen, die der unternehmerischen Betätigung des Arbeitgebers in dessen Marktbereich den Vorrang einräumt. 68 Wenn der Arbeitnehmer sich unter die Obhut des Arbeitsverhältnisses mit all seinen Schutz- und Fürsorgepflichten auslösenden Momenten begibt und andererseits der Arbeitgeber das volle wirtschaftliche Risiko 6 9 trägt, dann rechtfertigt es dies, den Arbeitnehmer mit der Pflicht zu wirtschaftlicher Enthaltsamkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers zu belasten. Diese Belastung ist auch zumutbar, soweit der Arbeitnehmer in seiner beruflichen, wirtschaftlichen und persönlichen Betätigungsfreiheit nicht außerhalb der auf den Geschäftsbereich bezogenen Interessen des Arbeitgebers eingeschränkt wird. Die Übertragung des wirtschaftlichen Risikos auf den Arbeitgeber muß dazu führen, daß dieser sich am Markt frei betätigen kann, ohne dort der Gefahr einer Beeinträchtigung durch den Arbeitnehmer ausgesetzt zu sein. 70 Kann dies bei Abschluß des Arbeitsvertrages als die eigentliche Grundlage der Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung angesehen werden, dann zeigt sich damit zugleich, daß Erweiterungen im Geschäftszweig des Arbeitgebers, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses stattfinden, sich nicht auf diesen Begründungszusammenhang auswirken. Auch bei erweitertem Geschäftszweig nimmt der Arbeitnehmer die Schutz- und Fürsorgefunktionen des Arbeitsverhältnisses in Anspruch, und das wirtschaftliche Risiko bleibt weiterhin auf Seiten des Arbeitgebers bestehen. Wenn aber der Arbeitgeber weiterhin das unternehmerische Risiko trägt, dann muß der Arbeitnehmer als Nutznießer dieser Verteilungslage grundsätzlich eine bei Ausdehnung der Geschäftstätigkeit wachsende Einschränkung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und persönlichen Betätigungsfreiheit hinnehmen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich im Verlauf des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitnehmer ein begründetes Ver6 7
Lieb a.a.O.
6 8
Dieser Gedanke klingt auch an, wenn das BAG in AP Nr. 4 zu § 60 HGB (Bl. 279 R) ausführt, daß die Verpflichtung, sich der Konkurrenztätigkeit zu enthalten, eine Folge der freiwillig übernommenen vertraglichen Bindung gegenüber dem Arbeitgeber sei. 6 9
Zum Wirtschaftsrisiko vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 101 VI.
7 0
Vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht.
60
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
trauen auf die Beibehaltung des ursprünglichen Handlungsspielraums entwickeln durfte, wie dies beispielsweise durch eine vertragliche Vereinbarung geschehen kann. 71 Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß der zurückhaltenden Ansicht von Röhsler/Borrmann 7 2 nicht gefolgt werden kann. Ohne Unterschied, ob der Arbeitnehmer einzelne Geschäfte getätigt hat oder in einem anderen Handelszweig als dem des Arbeitgebers ein Handelsgewerbe betreibt, ist er grundsätzlich verpflichtet, diese geschäftliche Betätigung aus konkurrenzrechtlichen Gründen zu beenden, wenn der Arbeitgeber selbst in diesem Geschäftszweig tätig wird.
ccc) Ergebnis Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß der Arbeitnehmer die aus der Erweiterung der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers folgenden Einschränkungen seines Handlungsspielraums hinnehmen muß. Etwas anderes kann nur gelten, wenn ein gesonderter Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der den Arbeitnehmer in seinem wirtschaftlichen Handlungsspielraum schützt. Unabhängig von der rechtlichen Konstruktion der Wettbewerbsenthaltungspflicht beruht dieses Ergebnis darauf, daß der Arbeitnehmer mit Beginn des Arbeitsverhältnisses das eigene wirtschaftliche Risiko auf den Arbeitgeber übertragen hat. Damit ist die Grundentscheidung getroffen, daß eigene unternehmerische Interessen des Arbeitnehmers hinter denen des Arbeitgebers zurückstehen müssen. Diese Grundentscheidung ist nicht nur punktuell für den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses getroffen, sondern beansprucht Gültigkeit, solange der Arbeitnehmer aus wirtschaftlicher Sicht unter der "Obhut" des Arbeitsverhältnisses steht, solange also die unternehmerischen Risiken dem Arbeitgeber übertragen bleiben. Es hat sich gezeigt, daß konkurrenzrechtlich bedeutsame Einschränkungen des arbeitnehmerseitigen Handlungsspielraums bei berechtigtem Interesse des Arbeitgebers durch vertragliche Vereinbarungen entstehen können. Für die Frage nach den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Wettbewerbsverbote bei erweitertem Geschäftszweig des Erwerbers kommt es jedoch darauf an, ob bereits durch organisatorische Maßnahmen der Handlungsspielraum des Arbeitnehmers eingeschränkt werden kann. Dies war zu bejahen. Bei Erweiterung
7 1 Zur Problematik der Nebentätigkeitsgenehmigung vgl. unten II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 3. d. 7 2
A.a.O., S. 38.
. Auswirkungen bei e e i e e m Geschäftszweig
61
des Geschäftszweiges des Arbeitgebers haben die geschäftlichen Interessen des Arbeitnehmers grundsätzlich hinter denen des Arbeitgebers zurückzustehen.
c) Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei Erweiterung
des Geschäftszweiges
aa) Die Meinung im Schrifttum Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung die Frage noch nicht entschieden, wie sich der Betriebsübergang bei erweitertem Geschäftszweig auf den Handlungsspielraum auswirkt, der dem Arbeitnehmer nach dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot noch verbleibt. Bei den im Schrifttum vertretenen Auffassungen lassen sich zu dieser Fragestellung zwei Meinungsstandpunkte erkennen. Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, daß im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang das Verbot des § 60 HGB restriktiv ausgelegt werden müsse. Zwar könne die Konkurrenztätigkeit untersagt werden, doch könne nicht die Einstellung eines bislang nicht konkurrierenden Handelsgewerbes verlangt werden. 73 Dies ergebe sich aus der Treuepflicht. 74 Demgegenüber argumentiert die Gegenmeinung, der Arbeitnehmer sei gegenüber dem neuen Inhaber verpflichtet, eine gewerbliche Tätigkeit einzustellen, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dem alten Inhaber unbedenklich war. Der Arbeitnehmer könne sich nicht darauf berufen, daß er die Veränderung der Verhältnisse nicht habe voraussehen können. 75 Auch müsse der Arbeitnehmer hinnehmen, daß eine ohne ausdrückliche Einwilligung ausgeübte Nebentätigkeit nicht weitergeführt werden dürfe. 76
73 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II. 2; unter Berufung auf Schaub a.a.O. will Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 14 den Handlungsgehilfen für den Fall des Erwerbs weiterer Betriebe durch den Prinzipal Bestandsschutz zubilligen. Auch nach StaudingerRichardi, § 613 a Rdn. 152 soll der Arbeitnehmer geschützt sein, soweit er vor Betriebsübergang ein Gewerbe gegründet hat, das in den Handelszweig des neuen Betriebsinhabers fällt. 7 4
Schaub, a.a.O.
75
Borngräber, S. 71.
7 6
Gaul, NZA 1989, 697 (698); ders., Betriebsübergang, S. 94.
62
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
bb) Stellungnahme Bei der Frage, ob der Betriebsübergang eine Einschränkung des dem Arbeitnehmer verbleibenden konkurrenzrechtlich erlaubten Handlungsspielraums zur Folge haben kann, ist zunächst die grundlegende Unterscheidung von fortführendem und eingliederndem Betriebsübergang bedeutsam.77 Wie gezeigt wurde, hat der fortführende Betriebsübergang keine Unterbrechung der unternehmerischen Kontinuität zur Folge. 78 Zwar mag der neue Betriebsinhaber vorhaben, auf schnellstem Wege neue unternehmerische Ideen und Initiativen zu ergreifen und diese auch in Form der Erweiterung des Geschäftszweiges zu verwirklichen, doch kann die Umsetzung dieser Vorhaben regelmäßig erst unmittelbar nach Betriebsübergang stattfinden, nämlich dann, wenn er die betriebliche Leitungsmacht innehat. Bei fortführender Betriebsübernahme bringt der Betriebsübergang nicht automatisch Veränderungen im Geschäftszweig mit sich. Die Erweiterung des Geschäftszweigs ist in diesem Fall regelmäßig erst die Folge einer selbständigen unternehmerischen Entscheidung, die im Anschluß an den Betriebsübergang verwirklicht wird. Damit stellt sich für den Arbeitnehmer dieser Vorgang nicht anders dar, als hätte der frühere Betriebsinhaber durch organisatorische Maßnahmen den Geschäftszweig verändert. Nach Betriebsübergang muß deshalb der Arbeitnehmer die durch Erweiterung des Geschäftszweiges bedingten Einschränkungen seines Handlungsspielraums grundsätzlich in gleicher Weise hinnehmen wie vor Betriebsübergang.79 Ein Vertrauen darauf, daß ein neuer Betriebsinhaber alles "beim alten lassen" würde, besteht nicht. Anders als bei der fortführenden Betriebsübernahme kann es bei einem eingliedernden Betriebsübergang bereits durch die Tatsache des Übergangs zu einer Erweiterung des konkurrenzrechtlich relevanten Geschäftszweiges kommen. Wird beispielsweise ein Betriebsteil in einen bestehenden Betrieb eingegliedert, stellt sich deshalb die Frage, ob die mit dem Übergang verbundene Erweiterung des Geschäftszweiges dazu führen kann, daß der Arbeitnehmer eine Einschränkung seines Handlungsspielraums hinnehmen muß. Dies könnte zu unerwarteten Härten führen, etwa dann, wenn der Arbeitnehmer ein bislang wettbewerbsrechtlich unbedenkliches Gewerbe aufgegeben müßte. 7 7
Zu den Unterschieden zwischen fortführendem und eingliederndem Betriebsübergang vgl. oben II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 2 a. 7 8 7 9
Oben a.a.O.
Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, nach Sinn und Zweck des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB müsse der arbeitsrechtliche status quo gesichert werden. Diese Sicherung ist zunächst nur punktuell und schüzt nicht vor im Arbeitsverhältnis zulässigen Veränderungen, mit denen der Arbeitnehmer auch ohne Betriebsübergang hätte rechnen müssen; vgl. hierzu die Nachw. oben I. Teil, Fußn. 8.
. Auswirkungen bei e e e m
Geschäftszweig
63
Auch bei einem eingliedernden Betriebsübergang muß der Arbeitnehmer grundsätzlich Einschränkungen semes Handlungsspielraums hinnehmen, wenn sie darauf zurückzuführen sind, daß sich der Geschäftszweig des Arbeitgebers infolge des Übergangs erweitert hat. Zur Begründung läßt sich anführen, daß der Betriebsübergang selbst als eine den Geschäftszweig erweiternde organisatorische Maßnahme des früheren Arbeitgebers angesehen werden kann, der sich der Arbeitnehmer grundsätzlich zu beugen hat, sofern er kein begründetes Vertrauen auf den Fortbestand seines ursprünglichen Handlungsspielraums bilden durfte. 80 Diese Begründung wird durch eine weitere Überlegung gestützt: Die innere Rechtfertigung für den grundsätzlichen Nachrang des geschäftlichen Interesses des Arbeitnehmers war der Gedanke, daß er bei Abschluß des Arbeitsverhältnisses sein eigenes wirtschaftliches Risiko auf den Arbeitgeber übertragen hat. 8 1 Hält man sich nun vor Augen, daß § 613 a BGB im wesentlichen die Funktion zukommt, bei Betriebsübergang die Fortdauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu sichern, dann wird deuüich, daß § 613 a BGB damit auch die Aufgabe hat, die für das wirtschaftliche Risiko bestehende Verteüungslage weiterhin zu erhalten. Die Anordnung des Arbeitgeberwechsels in § 613 a BGB hat gerade den Sinn, trotz Übergangs des für das Arbeitsverhältnis maßgebenden sächlichen Substrats an einen anderen Inhaber den Fortbestand dieser Verteüungslage zu sichern. Wenn aber die Verteilung des wirtschaftlichen Risikos bei Betriebsübergang erhalten bleibt, dann erscheint es gerechtfertigt, daß auch bei betriebsübergangsbedingter Erweiterung des Geschäftszweiges das geschäftliche Interesse des Arbeitnehmers gegenüber den Interessen des Arbeitgebers zurückstehen muß. Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer grundsätzlich ein infolge des Betriebsübergangs konkurrierendes Gewerbe aufgeben muß. Im Ergebnis spielt es somit letztlich keine Rolle, ob die Erweiterung des Geschäftszweiges durch Betriebsübergang oder durch sonstige organisatorische Maßnahmen zustande kommt. Der eingangs angeführten Literaturmeinung, nach der vom Arbeitnehmer nicht die Einstellung eines bislang nicht konkurrierenden Handelsgewerbes verlangt werden könne, 82 kann somit im Ergebnis nicht gefolgt werden, soweit sie in verallgemeinernder Weise den Arbeitnehmer schützen wül. Hat der Ar8 0
In diesem Zusammenhang läßt sich auch die Frage stellen, ob der eingliedernde Betriebsübergang sich tatsächlich wesentlich vom fortführenden Betriebsübergang unterscheidet. Es wäre auch denkbar, die Eingliederung nach einer "logischen Sekunde" des Übergangs als organisatorische Maßnahme zu begreifen, die der Arbeitnehmer wie jede andere Erweiterung der Geschäftstätigkeit durch organisatorische Maßnahmen des Arbeitgebers hinnehmen müßte. Im Ergebnis änderte sich durch eine solche Betrachtungsweise nichts. 8 1
Siehe hierzu oben II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 3 b, bb.
8 2
Vgl. hierzu die Nachw. oben Fußnote 73.
64
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
beitnehmer seinen Handlungsspielraum nicht abgesichert, bedeutet dies, daß er seine eigene Geschäftstätigkeit einstellen muß, wenn sie infolge des Betriebsübergangs im konkurrenzrechtlich geschützten Geschäftskreis des Arbeitgebers liegt. Wül der Arbeitnehmer diese Auswirkung des Betriebsübergangs beispielsweise wegen der beim Aufbau seines Gewerbes entstandenen Investitionen verhindern, bleibt nur der Weg, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Dies würde jedoch wegen der Gefahr einer betriebsbedingten Kündigung beinhalten, daß er sein gesamtes Arbeitsverhältnis zur Disposition stellt. 83 Man mag hierin eine besondere Härte für den Arbeitnehmer sehen. Im Ergebnis scheint diese Auswirkung des Betriebsübergangs dennoch gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, daß das Arbeitsverhältnis den Arbeitnehmer von den Risiken der eigenen Daseinsvorsorge entlastet. Natürlich soll nach Sinn und Zweck des § 613 a BGB der arbeitsrechtliche status quo, der sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses entwickelt hat, nicht durch den Betriebsübergang geschmälert werden. Deshalb güt der Grundsatz, daß der Arbeitnehmer die betriebsübergangsbedingte Erweiterung der Geschäftstätigkeit hinzunehmen und seine eigene Geschäftstätigkeit einzustellen habe, dann nicht, wenn der Arbeitnehmer den Bestand seines Handlungsspielraums abgesichert hat. Das ist möglicherweise dann der Fall, wenn eine Nebentätigkeit durch eine Einwilligung oder Vereinbarung genehmigt wurde.
cc) Ergebnis Damit läßt sich im Ergebnis feststellen, daß unabhängig davon, ob es sich um einen fortführenden oder eingliedernden Betriebsübergang handelt, eine betriebsübergangsbedingte Erweiterung des Geschäftszweiges des Arbeitgebers sich auf Inhalt und Umfang des gesetzlichen Wettbewerbsverbots ebenso auswirkt wie eine auf sonstigen organisatorischen Maßnahmen beruhende Erweiterung. Dies folgt im wesentlichen aus der Tatsache, daß § 613 a BGB die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis aufrechterhält und damit auch die für das Arbeitsverhältnis typische Verteilung des wirtschaftlichen Risikos fortbesteht. Infolgedessen muß der Arbeitnehmer seine eigene Geschäftstätigkeit aufgeben, wenn sie wegen des Betriebsübergangs mit der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers konkurriert.
83
Zum Widerspruchsrecht vgl. unten II. Teil, Abschn. C.
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65
d) Betriebsübergangsbedingte Erweiterung des Geschäftszweiges und Nebentätigkeitserlaubnis
aa) Problemstellung und Meinungsstand Ein Vertrauenstatbestand auf Beibehaltung des Handlungsspielraums könnte für den Arbeitnehmer entstanden sein, wenn er von seinem Arbeitgeber eine Nebentätigkeitsgenehmigung eingeholt hat. Viele Betriebe sichern sich vor wettbewerbswidrigem Tätigwerden eines Arbeitnehmers durch eine Nebentätigkeit dadurch ab, daß sie deren Ausübung unter den Vorbehalt der besonderen Erlaubnis stellen. 84 Sofern kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers gegeben ist, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erteüung der Genehmigung; 85 insoweit ergibt sich keine unterschiedliche Bewertung zur Einschränkung des arbeitnehmerseitigen Handlungsspielraums durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung. 86 Ein berechtigtes Interesse kann regelmäßig dort bejaht werden, wo der Umfang der Nebentätigkeit die vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitnehmers beeinträchtigen würde, was insbesondere dann der Fall ist, wenn Wettbewerbsinteressen berührt werden. 87 Hat der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeitsgenehmigung eingeholt, ist fraglich, wie der Fall zu behandeln ist, wenn die Nebentätigkeit durch Erweiterung des Geschäftsbetriebes des Arbeitgebers in den wettbewerbsrechtlich geschützten Bereich fällt. Nach dem oben Angeführten könnte daran gedacht werden, daß der Arbeitgeber mit der Erteüung der Genehmigung in einem Teübereich semer unternehmerischen Betätigungsfreiheit die grundsätzliche Nachrangigkeit der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Arbeitnehmers aufgehoben hat. Damit könnte ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein, der dem Arbeitnehmer den Bestand seines Handlungsspielraums sichert, auch wenn sich der Geschäftszweig des Arbeitgebers künftig ändern sollte. Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, daß die Nebentätigkeit, die infolge des Betriebsübergangs zur Konkurrenztätigkeit werde, geschützt sei, wenn sie dem Arbeitnehmer durch eine Vereinbarung gestattet worden sei. Der Erwerber sei an die vertragliche Genehmigung gebunden.88 Nach anderer Ansicht 8 9 müsse gemäß § 315 BGB geprüft werden, ob eine bislang ausdrücklich erlaubte 8 4
Gaul, Arbeitsrecht, D I Rdn. 9.
85
BAG AP Nr. 68 zu § 626 BGB.
8 6
Becker-Schaffner, Abschn A, 1. Kap., 3 b.
BIStSozArbR 1980, 321; Oligmüller, S. 135 und oben II. Teil,
87
Winterstein,
8 8
Posth, S. 160.
8 9
Gaul, NZA 1989, 697; ders., Betriebsübergang, S. 94 f.
NJW 1989, 1463 m.w.Nachw.
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II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Nebentätigkeit unverzüglich oder nach einer Auslauffrist mit Rücksicht auf Treu und Glauben einzustellen sei. Bei einer ausdrücklichen Vereinbarung könne auch eine Kündigung nach § 626 BGB in Betracht kommen, wohingegen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen sei, weü für beide Parteien es nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liege, daß der Betrieb einmal veräußert werde. Nach dem Rechtsgedanken des § 1004 BGB müsse geprüft werden, ob und in welchem Umfang Ausgleichsansprüche in Betracht kämen.
bb) Die Auslegung der Nebentätigkeitsgenehmigung Die Antwort auf diese Fragestellung hängt davon ab, wie die Nebentätigkeitsgenehmigung bei Würdigung der Gesamtumstände auszulegen ist. Zwei Möglichkeiten können unterschieden werden: Zum einen kann die Genehmigung der bloßen Informationsbeschaffung dienen. In diesem Fall ist sie lediglich als im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien bestehende Mitteüungspflicht zu verstehen, die sicherstellen soll, daß zum Zeitpunkt der Erteüung der Genehmigung kein Verstoß gegen ein gesetzliches oder arbeitsvertragliches Verbot vorliegt. Die arbeitsvertragliche Statuierung einer solchen Mitteüungspflicht ist rechtlich unbedenklich, da hierdurch nicht in durch Art. 12 GG geschützte Rechte des Arbeitnehmers eingegriffen wird. 9 0 Ist die Nebentätigkeitsgenehmigung in diesem Sinne zu verstehen, erwächst aus ihr kein schützenswertes Vertrauen in den Bestand des arbeitnehmerseitigen Handlungsspielraums. Trotz der wenig geglückten Wahl des Wortes "Genehmigung" kann der Arbeitnehmer sich nicht darauf verlassen, daß seme Nebentätigkeit konkurrenzrechtlich unbedenklich bleibt, wenn erkennbar nur das Erfordernis der Mitteüung gemeint ist, daß eine Nebentätigkeit ausgeübt wird. Diese Auslegung ist auch geboten, wenn der Arbeitgeber eine einseitige Genehmigung erteüt, die er im Sinne von "Erlaubnis" verstanden wissen will. Ohne weitere Anhaltspunkte wird sich nicht die Schlußfolgerung ziehen lassen, daß der Arbeitgeber mit einer solchen Zusage auf seinen Schutz vor Wettbewerb verzichten wolle. Dies folgt im wesentlichen aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber ohnehin jede Nebentätigkeit genehmigen muß, gegen die er kein berechtigtes Interesse geltend machen kann. Legt man die oben dargestellte Wertung zugrunde, aus der der grundsätzliche Nachrang der arbeitnehmerischen Betätigung im Geschäftszweig des Arbeitgebers folgt, 9 1 kann aus der Obliegenheit zur Erteüung der Nebentätigkeitsgenehmigung keine Bindung des Arbeitgebers entstehen, im Fall künftiger Erweiterung semer Geschäftstätigkeit 9 0
Oligmüller, S. 113.
91
II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 3 b, insbes. bb.
. Auswirkungen bei e e r t e m Geschäftszweig
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auf seine berechtigten Interessen zu verzichten. 92 Hier kommt der Nebentätigkeitsgenehmigung nur deklaratorische Wirkung zu. Anders liegt der Fall bei der zweiten in Betracht kommenden Auslegungsalternative. Vorstellbar ist, daß der Arbeitgeber eine bindende Zusage i.S.d. § 60 HGB erteilen will, die es dem Arbeitnehmer gestatten soll, eine Nebentätigkeit auszuüben, ohne konkurrenzrechtlich von künftigen Entwicklungen der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers abhängig zu sein. Bei einer solchen Einwilligung wäre der Arbeitnehmer hinsichtlich der künftig ungehinderten Ausübung seiner Nebentätigkeit geschützt.93 Auch für den Fall, daß die Nebentätigkeit bei Erweiterung der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers in den wettbewerbsrechtlich geschützten Geschäftsbereich fiele, unterläge sie dann keinem Wettbewerbsverbot. Ob die Nebentätigkeitsgenehmigung besagt, daß die geschäftliche Betätigung des Arbeitnehmers von der geschäftlichen Entwicklung des Arbeitgebers unbeeinflußt bleiben kann, ist somit eine Frage der Auslegung im Einzelfall. Nur wenn sie im Sinne einer Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit verstanden werden kann, kann der Arbeitnehmer Vertrauen darauf entwickeln, daß er bei Erweiterung der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers seine Betätigung nicht aufgeben muß.
cc) Lösungsansatz Hiervon ausgehend läßt sich auch ein Lösungsansatz für die Fragestellung finden, ob ein Arbeitnehmer, der über eine Nebentätigkeitsgenehmigung verfügt, seine Beschäftigung aufgeben muß, wenn sie infolge des Betriebsübergangs zur Konkurrenztätigkeit wird. Die Erweiterung der Geschäftstätigkeit durch Betriebsübergang wirkt sich ebenso aus wie erne Erweiterung durch eine organisatorische Maßnahme ohne Betriebsübergang. Das bedeutet, der Arbeitnehmer muß grundsätzlich eine solche Erweiterung hinnehmen, wenn er nicht in seinem Vertrauen auf Beibehaltung seines Handlungsspielraums geschützt ist. Ob ein solcher Vertrauensschutz bei einer Nebentätigkeitsgenehmigung besteht, ist eine Frage der Auslegung.
9 2 Zu diesem Ergebnis wird man insbesondere dann gelangen, wenn der Arbeitgeber grundsätzlich und für jedes Arbeitsverhältnis eine solche Genehmigung verlangt; hier ist es unwahrscheinlich, daß der Arbeitgeber derartig weitreichende und umfangreiche Beeinträchtigungen in seiner künftigen unternehmerischen Betätigung beabsichtigt. 93 Es sei denn, der Arbeitgeber hätte einen Widerrufsvorbehalt erklärt, vgl. hierzu unten II. Teil, Abschn. B, 2. Kap. 3 c.
68
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
Die Nebentätigkeitsgenehmigung kann vertraglich begründet werden oder durch einseitige Erklärung erteilt werden. Das Zustandekommen des Vertrages setzt jedoch ein Angebot voraus, das zumindest stülschweigend nach § 151 BGB angenommen werden muß. Allerdings verlangt diese Konstruktion, daß die Willensbildung des Arbeitgebers auf den Abschluß eines Vertrages gerichtet ist. Häufiger wird man deshalb eine solche Genehmigung als einseitige Willenserklärung verstehen müssen. Kann die einseitig erklärte Nebentätigkeitsgenehmigung als vorweggenommene Einwilligung verstanden werden, ist der Arbeitnehmer hinsichtlich der sachlichen Reichweite seiner Betätigung grundsätzlich geschützt. Der Erwerber tritt in die geschützte Rechtsstellung ein und kann nicht verlangen, daß der Arbeitnehmer infolge des Betriebsübergangs seine Nebentätigkeit aufgibt, selbst wenn sie infolge des Betriebsübergangs zur Konkurrenztätigkeit wird. Allerdings muß noch untersucht werden, ob die in der Nebentätigkeitsgenehmigung enthaltene Einwilligung widerrufen werden kann und ob sich aus Anlaß des Betriebsübergangs aufgrund einer Interessenabwägung besondere Gründe zum Widerruf ergeben können. 94 Demgegenüber kann die rein deklaratorische Nebentätigkeitsgenehmigung kein Vertrauen auf den Fortbestand der ursprünglich gegebenen Wettbewerbssituation begründen. Daher muß der Arbeitnehmer eme betriebsübergangsbedingte Einschränkung seines Handlungsspielraums hinnehmen. Ähnlich verhält es sich bei einer vertraglich vereinbarten Nebentätigkeitsgenehmigung. Auch hier ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln, ob sie eine vertraglich begründete, vorweggenommene Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit enthält. Bei einer vertraglichen Regelung der Nebentätigkeit wird man häufig zu diesem Auslegungsergebnis gelangen. Auszugehen ist nämlich davon, daß der Arbeitgeber die Nebentätigkeit nicht verhindern kann, soweit er kein berechtigtes Interesse hieran hat. 9 5 Die Genehmigung ist deshalb grundsätzlich zu erteilen. Hierfür würde jedoch die einseitige Erklärung genügen. Die ausdrückliche vertragliche Regelung der Nebentätigkeit des Arbeitnehmers ist somit mehr, als nach den Umständen zur Erteilung der Erlaubnis erforderlich gewesen wäre. Der Grund hierfür kann nur darin gesehen werden, daß ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit bezüglich des Inhalts der Nebentätigkeitserlaubnis erzielt werden sollte. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß dem Vertragsschluß unbesehen die Wirkung der vorweggenommenen Einwüligung beigemessen werden kann. Im Einzelfall muß geprüft werden, ob der tragende Grund der Vereinbarung darin bestand, daß der Arbeitnehmer sich darauf verlassen können sollte, daß 9 4
Vgl. hierzu II. Teil, Abschn. B, Kap 2,3 b,bb,eee.
95
Vgl. hierzu den Nachw. oben Fußn. 85.
. Auswirkungen bei e e r t e m Geschäftszweig
69
der in der Nebentätigkeitsvereinbarung genannte Umfang der Geschäftstätigkeit vom Geschäftszweig des Arbeitgebers unbeeinflußt bleiben sollte. Ein Indiz hierfür kann sein, daß die Parteien keine gesonderten Regelungen über das Ende der Nebentätigkeit, den Konkurrenzschutz, die Befristung oder über auflösende oder aufschiebende Bedingungen getroffen haben. Durch die Vereinbarung solcher Vertragsbestandteile hätte es der Arbeitgeber in der Hand, ob sich auf Seiten des Arbeitnehmers Vertrauen bezüglich der fortdauernden Reichweite seines Handlungsspielraums entwickeln kann. Fehlen sie, spricht dies für die Auslegung zugunsten der vorweggenommenen Einwilligung, weil andernfalls eine Regelung im Wege der Vereinbarung nicht erforderlich gewesen wäre. Bei Betriebsübergang tritt der Erwerber gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Nebentätigkeitsvereinbarung ein. Läßt sich der Vereinbarung entnehmen, daß sie eine vorweggenommene Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit auf vertraglicher Grundlage enthält, kann sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Erwerber hierauf grundsätzlich auch dann berufen, wenn der Betriebsübergang eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit mit sich bringt, die die Nebentätigkeit zur Konkurrenztätigkeit werden läßt. Auch ohne Betriebsübergang würde sich die Erweiterung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken können. Allein der Arbeitgeberwechsel und die damit verbundene Erweiterung der Geschäftstätigkeit läßt für das Verlangen nach einer Einstellung der Tätigkeit auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen billigen Ermessens (§ 315 BGB) keinen Raum. 96 Allerdings kann dieses Ergebnis vorerst nur als Zwischenergebnis festgehalten werden. Sollte sich im Zuge der weiteren Untersuchung herausstellen, daß es aufgrund der besonderen Interessenlage bei Betriebsübergang Fallkonstellationen gibt, die den Widerruf der Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit rechtfertigen würden, so könnten die dort vorzufindenden Gründe möglicherweise unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auch auf eine auf vertraglicher Grundlage beruhende Einwilligung durchschlagen. Für diesen Fall wäre zu prüfen, ob die Nebentätigkeitsvereinbarung einer entsprechenden Korrektur bedarf. 97 Unabhängig hiervon wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu prüfen sein, inwieweit der Erwerber sich von seiner Bindung auch durch Beendigungs- oder Änderungskündigung lösen kann. 98
9 6
So aber offenbar Gaul, oben Fußn. 76.
9 7
Vgl. hierzu II. Teil, Abschn. B, Kap 2,3 b,bb,eee.
9 8
Vgl. hierzu II. Teil Abschn. B, 2. Kap.,4.
70
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
ee) Ergebnis Im Ergebnis ist damit deutlich geworden, daß die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung nicht stets einen Vertrauenstatbestand auf Beibehaltung des Umfangs der erlaubten Tätigkeit begründet. Die Nebentätigkeitsgenehmigung, die einseitig erklärt werden oder auf vertraglicher Vereinbarung beruhen kann, bedarf der Auslegung. Ergibt die Auslegung, daß der Nebentätigkeitsgenehmigung nur deklaratorische Wirkung zukommt, muß der Arbeitnehmer seine Nebentätigkeit emsteilen, wenn sie aufgrund einer Erweiterung der Geschäftstätigkeit in den vom Wettbewerbsverbot geschützten Bereich fällt. Der Arbeitnehmer kann insoweit kein berechtigtes Vertrauen auf den ungehinderten Fortbestand seines Handlungsspielraums entwickeln. Etwas anderes gilt, wenn die Auslegung ergibt, daß die Nebentätigkeitsgenehmigung dem Arbeitnehmer den Fortbestand seiner Nebentätigkeit sichern sollte. Wurde die Nebentätigkeitsgenehmigung im Wege einer ausdrücklichen Vereinbarung erteüt, wird die Auslegung häufig zu diesem Ergebnis führen. Eine in der Nebentätigkeitsgenehmigung enthaltene Sicherung des Arbeitnehmers kann als vorweggenommene Einwüligung in eine mögliche Konkurrenztätigkeit verstanden werden. Bei Betriebsübergang tritt der Erwerber in die Rechtsstellung aus der Nebentätigkeitsgenehmigung ein. Allein die betriebsübergangsbedingte Erweiterung des Geschäftszweiges führt bei berechtigtem Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Fortbestand seiner Tätigkeit noch nicht dazu, daß ihre Einstellung verlangt werden kann, wenn sie mit der Tätigkeit des Erwerbers konkurriert.
4. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs bei eingeschränktem Geschäftszweig des Erwerbers Nicht nur Erweiterungen, auch Einschränkungen des Geschäftszweiges können die unmittelbare Auswirkung des Betriebsübergangs sein. Solche Einschränkungen können sowohl auf Erwerberseite wie auch auf Veräußererseite eintreten. Eine Einschränkung auf Erwerberseite kann beispielsweise eintreten, wenn aus einer bestehenden Organisation ein Betriebsteil ausgegliedert wird, der einen der Geschäftszweige des Veräußerers repräsentiert. Findet auf seiten des Erwerbers keine Eingliederung dieses Betriebsteüs in eine vorhandene betriebliche Organisation statt, hat der Betriebsübergang für den übergegangenen Betriebsteil eine Einschränkung des für das Wettbewerbsverbot maßgeblichen Geschäftszweiges zur Folge."
4. Auswirkungen bei eingeschränktem Geschäftszweig
71
Da für den Umfang des Wettbewerbsverbots der Geschäftszweig des Arbeitgebers maßgeblich ist, kann sich der Handlungsspielraum des Arbeitnehmers, der dem übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen i s t , 1 0 0 bei einem solchen Sachverhalt ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs vergrößern. Der Arbeitnehmer kann damit nach Betriebsübergang zum Veräußerer in Konkurrenz treten. Der Veräußerer ist als früherer Arbeitgeber in den bei ihm verbliebenen Geschäftszweigen nicht mehr auf der Grundlage des gesetzlichen bzw. arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbots vor Wettbewerb des übergegangenen Arbeitnehmers geschützt. Das gesetzliche Wettbewerbsverbot bezieht sich nur auf das bestehende Arbeitsverhältnis. Gefragt werden könnte allenfalls, ob der Veräußerer mit dem Arbeitnehmer noch vor Betriebsübergang für die Zeit danach eine gesonderte Wettbewerbsvereinbarung abschließen kann. 1 0 1 Aus der Sicht des Arbeitnehmers wird hierzu regelmäßig keine Veranlassung bestehen. Aber auch auf der Seite der bei dem Veräußerer verbleibenden Arbeitnehmer kann infolge des Betriebsteilsübergangs eine Einschränkung des Geschäftszweiges eintreten. Dies wäre beispielsweise der Falll, wenn der Veräußerer in einem bestimmten Geschäftszweig nicht mehr tätig sein wül und gerade deshalb den entsprechenden Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übertragen hat. Ein solcher Vorgang würde zu einer Einschränkung des Verbotsumfangs für die Arbeitnehmer führen, die nicht dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen waren. Auch hier wird der Arbeitnehmer keine Veranlassung haben, etwa mit dem Erwerber eine Wettbewerbsvereinbarung zu schließen. Auch kann der Veräußerer mit den bei ihm verbliebenen Arbeitnehmern keine Vereinbarung treffen, die den Geschäftszweig des übergegangenen Betriebes oder Betriebsteils schützen würde. Ist der Veräußerer in dem übergegangenen Geschäftszweig nicht mehr selbst aktiv, mangelt es am berechtigten Interesse zum Abschluß einer einzelvertraglichen Wettbewerbsvereinbarung.102 Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Veräußerer sich gegenüber dem Erwerber verpflichtet haben sollte, dessen Interesse ebenfalls wahrzunehmen. Wäre dies möglich, könnte
9 9 Dies ist ebenso auch bei Übergang eines Betriebes denkbar, wenn der Arbeitnehmer dem übergehenden Betrieb zuzuordnen ist und das Wettbewerbsverbot sich auf mehrere Betriebe erstreckte. Zur Bedeutung der Unternehmensstruktur für das Wettbewerbsverbot vgl. II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 1 c. 1 0 0
Zur Zuordnung vgl. I. Teil, 4.
1 0 1
Da sich in diesem Zusammenhang die Frage stellt, ob eine solche Vereinbarung nach den Regelungen über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zu behandeln wäre, werden die den Schutz des Veräußerers betreffenden Fragestellungen erst im 3. Teil der Untersuchung behandelt, vgl. dazu unten III. Teil, Abschn. B, 5. Kap. 1 0 2
Zur einzelvertraglichen Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots und dem Erfordernis des berechtigten Interesses vgl. oben II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 3 b, aa.
72
II. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Wettbewerbsverbot mit gesetzlichem Inhalt
das aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Erfordernis des berechtigten Interesses stets leicht durch Vereinbarung über die Wahrung von Fremdinteressen umgangen werden. Im Ergebnis muß damit festgehalten werden, daß sich der Wettbewerbsschutz bei betriebsübergangsbedingter Einschränkung des Geschäftszweiges grundsätzlich auf den nunmehr jeweils maßgeblichen Geschäftsbereich beschränkt.
5· Ergebnis Die Untersuchung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots hat für den Fall, daß keine Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit erteilt wurde, folgendes Ergebnis erbracht: Für Handlungsgehilfen besteht ein gesetzliches Wettbewerbsverbot, dessen Umfang sich maßgeblich nach dem Handelszweig des Arbeitgebers richtet. Auch für sonstige Arbeitnehmer gibt es ein während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehendes Wettbewerbsverbot. Bei diesen auf einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht beruhenden Wettbewerbsverboten richtet sich der Umfang ebenfalls nach der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers. Hinsichtlich der Auswirkungen des Übergangs auf den Umfang des Wettbewerbsverbots ist zu unterscheiden zwischen fortführender und eingliedernder Betriebsübernahme. Bei fortführender Betriebsübernahme kommt es zu keinen unmittelbar auf Betriebsübergang beruhenden Veränderungen des Umfangs des Wettbewerbsverbots. Bei eingliedernder Betriebsübernahme kann es zu sachlichen Erweiterungen des Wettbewerbsverbots kommen. Der Arbeitnehmer ist hiervor grundsätzlich nicht geschützt Ein vom Arbeitnehmer betriebenes Handelsgewerbe muß deshalb aufgegeben werden, wenn es infolge des Betriebsübergangs vom Schutzbereich des Wettbewerbsverbots erfaßt wird. Eine Ausnahme kann sich ergeben, wenn der Arbeitnehmer begründetes Vertrauen in den Fortbestand semes Gewerbes entwickeln durfte. Eine allgemeine Nebentätigkeitserlaubnis reicht hierzu nicht aus. Anders ist dies, wenn diese Erlaubnis als Einwüligung in eine Konkurrenztätigkeit verstanden werden kann. Durch Betriebsübergang können sich auch Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs des Wettbewerbsverbots ergeben. Findet ein Arbeitgeberwechsel statt, so ist der bei dem Veräußerer verbleibende Geschäftszweig nicht mehr durch das Wettbewerbsverbot geschützt.
73
1. Die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit
Zweites Kapitel Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf ein inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot Bisher wurde untersucht, wie sich der Betriebsübergang auf das Wettbewerbsverbot auswirkt, wenn der Arbeitgeber außer durch seine Geschäftstätigkeit auf die inhaltliche Gestaltung des Verbots keinen Einfluß genommen hat. Im folgenden soll untersucht werden, wie sich der Betriebsübergang auswirkt, wenn dem Arbeitnehmer gestattet wurde, gegenüber dem Arbeitgeber in Konkurrenz zu treten. Dies kann zunächst durch eine Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit geschehen.
1. Die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit a) Einwilligung durch einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung
Der durch § 60 HGB vorgegebene Konkurrenzschutz ist nicht zwingend. 103 Der Arbeitgeber kann durch die Erklärung der Einwilligung den Handlungsspielraum des Arbeitnehmers vergrößern. 104 Die Einwilligung unterliegt als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung den zivilrechtlichen Vorschriften über die Wirksamkeit von Willenserklärungen. 105 Sie kann als vorherige oder nachträgliche Zustimmung in die Konkurrenztätigkeit ausgesprochen werden. 1 0 6 Wie jede Willenserklärung kann die Einwüligung auch stillschweigend erklärt werden. 1 0 7 Dies setzt jedoch voraus, daß der Arbeitgeber vor Aufnahme der Konkurrenztätigkeit Kenntnis von den wesenüichen Einzelheiten hatte und einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, aus dem der Arbeitnehmer mit
103
Brüggemann- Würdinger,
§ 60 Anm. 1; Röhsler/Borrmann,
S. 35.
1 0 4
Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60 HGB kann die Einwilligung auch gegenüber sonstigen Arbeitnehmern erklärt werden. 105 Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 25; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 28; Röhsler/Borrmann, S. 35; Schlegelberger-Schröder y § 60 Rdn. 9. 1 0 6 Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Β I 4 d; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 28; Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 25 u. 26; Röhsler/Borrmann, S. 35; SchlegelbergerSchröder, § 60 Rdn 9. 1 0 7
RGZ 109, 355; Baumbach/Duden/Hopt, § 60 Anm. 2; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II Β I 4 b; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 28; Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 25; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 III 1; Schlegelberger-Schröder, § 60 Rdn. 9.
74
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
Recht annehmen kann, daß der Arbeitgeber keine Einwände gegen die Konkurrenztätigkeit erheben würde. 1 0 8 Die Reichweite der Einwüligung ist durch Auslegung zu ermitteln. 109 Die Einwüligung kann zeitlich, inhaltlich oder auf die Art der Konkurrenztätigkeit beschränkt erklärt werden. 110 Die Beschränkung der Einwilligung kann sich auch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. 111 Außerdem ist zu beachten, daß nicht immer darin die Zustimmung zu künftiger Konkurrenztätigkeit gesehen werden muß, wenn der Arbeitgeber gegen einen ihm bekannten Wettbewerbsverstoß nicht vorgegangen i s t . 1 1 2 Eine besondere Auslegungsregel enthält § 60 Abs. 2 HGB. Danach güt die Einwüligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes113 als erteilt, wenn dem Arbeitgeber bei Einstellung bekannt ist, daß der Arbeitnehmer ein konkurrierendes Gewerbe betreibt und die Aufgabe dieses Betriebes nicht ausdrücklich vereinbart wird. Ob der Betrieb eines Handelsgewerbes gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, hängt damit davon ab, ob die Aufgabe des Betriebes ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht wurde und ob dem Arbeitgeber die Tätigkeit positiv bekannt ist. Fahrlässige Unkenntnis steht dem nicht gleich, "kennen müssen" genügt nicht. 1 1 4 Erlangt der Arbeitgeber erst nach Abschluß des Arbeitsvertrages Kenntnis von der Konkurrenztätigkeit, greift § 60 Abs. 2 HGB
108 Röhsler/Borrmann, S. 36; einschränkend auch Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 28; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Β I 4 b; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II 1 will eine konkludent erteilte Einwilligung bereits grundsätzlich dann annehmen, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis vom Konkurrenzgeschäft nicht einschreitet. 1 0 9
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 30; Heymann-Honsell, § 60 Rdn 25.
1 1 0
Bandasch-Etzel, § 60 Rdn. 8; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 30.
111
Schlegelberger-Schröder,
112
Baumbach/Duden/Hopt,
§ 60 Rdn. 11. § 60 Anm. 2; Schlegelberger-Schröder,
§ 60 Rdn. 9.
113
§ 60 Abs. 2 HGB privilegiert nur den Betrieb eines Handelsgewerbes. Werden einzelne Geschäfte im Handelszweig des Arbeitgebers vorgenommen (§ 60 Abs. 1, 2. Alt.), so sind diese nicht von der Fiktionswirkung des § 60 Abs. 2 HGB erfaßt, Baumbach/Duden/Hopt, § 60 Anm. 2; Brüggemann-Würdinger, § 60 Anm. 4; Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 27; Röhsler/Borrmann, S. 36; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 I I I 2; Schlegelberger-Schröder, § 60 Rdn 10; zweifelnd Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 29. Sachlich ist die Differenzierung darin begründet, daß bei vereinzelter Vornahme von Geschäften der Arbeitgeber - anders als beim Betrieb eines Handelsgewerbes - nicht ohne weiteres vom Fortsetzungswillen des Arbeitnehmers auszugehen braucht, vgl. Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II Β I 4 c. 1 1 4 Bandasch-Etzely § 60 Anm. 9; Baumbach/Duden/Hopt, § 60 Anm. 2; Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II Β I 4 c; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 29; Schaub, Arbeitsrechtshandbucb, § 57 III 2.; Schlegelberger-Schröder, § 60 Rdn. 10.
1. Die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit
75
nicht. Hier kommt allenfalls eine stillschweigende Einwilligung nach § 60 Abs. 1 HGB in Betracht. 115 Übereinstimmend mit der Rechtsprechung116 trug nach der bisher im Schrifttum vorherrschenden Meinung 1 1 7 der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, daß die Einwilligung erteilt wurde. Nach der Rechtsprechung handelte es sich bei der Einwilligung um einen Rechtfertigungsgrund, der als Ausnahmetatbestand von demjenigen zu beweisen war, der sich darauf berief. 1 1 8 Diese Rechtsprechung hat das BAG aufgegeben, als es über eine außerordentliche Kündigung im Zusammenhang mit einer Einwilligung zu entscheiden hatte. 1 1 9 Aus § 60 HGB lasse sich eine Beweislast des Arbeitnehmers für die Erlaubnis des Arbeitgebers nicht entnehmen. Hinsichtlich der Einwilligung bestehe kein Regel- Ausnahmeverhältnis. Vielmehr treffe ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung auch bei der außerordentlichen Kündigung den Kündigenden die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. 120 Im Ergebnis trägt damit der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und den Umfang der Gestattung. 121
b) Einwilligung durch vertragliche
Vereinbarung
Nicht stets muß die erlaubte Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers auf einer einseitig erklärten empfangsbedürftigen Willenserklärung beruhen. Möglich ist auch, daß der Arbeitnehmer aufgrund einer besonderen vertraglichen Vereinbarung Wettbewerb betreiben darf. 1 2 2 Für eine solche Vereinbarung gilt allgemeines Vertragsrecht. Sie ist als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses anzusehen, da sie letztlich regelt, welche arbeitsvertraglichen Nebenpflichten vom Arbeitnehmer zu erfüllen sind. Zu unterscheiden ist sie von einer vertraglichen 115
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 29.
1 1 6
BAG AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8.
117
Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Β I 4 c; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 30; Heymann-Honsell, § 60 Rdn 25; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 II, 1; Schlegelberger-Schröder, § 60 Rdn 10; Röhsler/Borrmann, S. 36. 1 1 8
BAG a.a.O.
1 1 9
BAG NJW 1988,438 f.
1 2 0
Es gelte eine abgestufte Beweislast, bei der der Arbeitgeber nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungsgründe zu widerlegen brauche. Der Umfang der konkreten Darlegungs- und Beweislast richte sich danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einlasse. 121
KR-Becker, § 1 KSchG Rdn. 280.
1 2 2
Röhsler/Borrmann,
S. 35; Schlegelberger-Schröder,
§ 60 Rdn. 9.
76
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
Vereinbarung über die Nebentätigkeit, von der nicht immer angenommen werden kann, daß sie erne Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit enthalt, 123 da diese auch den Charakter einer ausschließlichen Anzeigepflicht haben kann.
2. Der Eintritt in die durch die Einwilligung begründete Pflichtenstellung Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB bewirkt, daß das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Überleitung die Ausgestaltung beibehält, die es im Laufe der Zeit bei dem früheren Arbeitgeber erhalten hatte. 1 2 4 Damit güt die Einwilligung mit dem vom Veräußerer erteilten Inhalt auch gegenüber dem Erwerber, 125 gleichgültig, ob sie konkludent oder ausdrücklich erklärt wurde und ob sie auf einseitiger Erklärung oder auf vertraglicher Vereinbarung beruht. Eine besondere Fragestellung tritt im Hinblick auf § 60 Abs. 2 HGB auf. Es könnte gefragt werden, ob nicht entsprechend § 60 Abs. 2 HGB die Fiktion der Einwüligung eintreten kann, wenn der Handlungsgehüfe bereits vor Betriebsübergang ein Handelsgewerbe betreibt, von dem der Betriebsübernehmer positiv Kenntnis hat und welches nach Betriebsübergang in den Geschäftszweig des neuen Inhabers fällt. Wäre dies der Fall, müßte der Arbeitnehmer trotz Erweiterung des Geschäftszweiges die konkurrierende Betätigung nicht aufgeben. Für eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 2 HGB ist jedoch kein Raum. Im Unterschied zu der in § 60 Abs. 2 HGB geregelten Situation handelt es sich bei der Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber nach § 613 a BGB gerade nicht um eine Neubegründung, sondern um eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses. Nur die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses kann zu der Fiktionswirkung des § 60 Abs. 2 HGB führen. Die Ursache der Fiktion liegt in der Entwicklung eines Vertrauenstatbestandes: trotz positiver Kenntnis des Arbeitgebers wurde die Aufgabe der Geschäftstätigkeit des Arbeitnehmers nicht ausdrücklich vereinbart. Der Betriebsübergang ist mit dieser Sachlage nicht vergleichbar. Hier wird das Arbeitsverhältnis fortgeführt, und während des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, daß er sein Handelsgewerbe nicht aufgeben muß, es sei denn, der Arbeitgeber habe in die Konkurrenztätigkeit eingewilligt. 1 2 6 1 2 3
Vgl. hierzu oben II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 3 d, bb.
1 2 4
Vgl. die Nachw. I. Teil, Fußn. 7.
125
Röhsler/Borrmann,
S. 39; Schaub, ZIP 1984, 272 (275); KR-Wolf
74. 126 Ygi hierzu die Ausführungen oben II. Teil, Abschn. B., 1. Kap., 3.,b.
§ 613 a Rdn.
3. Lösung von der Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
77
3. Die Lösung von der einseitig erklärten Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs a) Problemstellung
Wenn der Betriebsübergang zur Folge hat, daß der neue Inhaber in das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten eintritt und sich daraus auch eine Bindung an die bereits erteilte Einwilligung ergibt, wird der neue Betriebsinhaber nicht selten nach Mitteln und Wegen suchen, die Wirkung der Einwüligung wieder zu beseitigen. Abgesehen von dem nicht seltenen Grundfall, daß der neue Arbeitgeber nicht auf mögliche Einnahmequellen verzichten wül, wäre als weiterer Grund hierfür vorstellbar, daß sich der neue Betriebsinhaber neue Märkte erschließen wül, in denen jedoch bereits der Arbeitnehmer mit einer vorweggenommen Einwüligung des Veräußerers tätig ist. Möglich wäre auch, daß die erlaubte Konkurrenztätigkeit vor dem Betriebsübergang noch nicht sonderlich ins Gewicht gefallen ist, und daß diese Situation sich aufgrund anderer Marketingstrategien des Erwerbers grundlegend geändert hat. Ein weiteres Motiv, sich von einer einmal erteilten Einwilligung zu lösen, könnte darin bestehen, daß der erworbene oder zu erwerbende Betrieb oder Betriebsteü in eine bestehende Organisation eingegliedert werden soll, deren geschäftlicher Schwerpunkt gerade in dem Bereich liegt, in dem der Arbeitnehmer aufgrund der Einwilligung ein Handelsgewerbe betreibt. Besonders deutlich kann die Motivation zur Lösung von der Einwilligung im Fall der sanierenden Betriebsübernahme hervortreten. Beabsichtigt ein Erwerber einen insolvenzbedrohten Betrieb zu sanieren, könnte sich eine Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit als besonders lästig erweisen, wenn aus Sanierungsgründen gerade in dem von der Einwüligung erfaßten Geschäftsbereich neue oder bisher vernachlässigte Aufgabenstellungen am Markt wahrgenommen werden sollen. Hier könnte gegebenenfalls auch ein Interesse des Veräußerers vorhanden sein, sich rechtzeitig vor Veräußerung des Betriebes von solchen Belastungen wie einer Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit zu befreien, um den Betrieb für den Verkauf attraktiv zu halten. Damit stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten einer Lösung von der Einwüligung des Veräußerers aus Anlaß des Betriebsübergangs. Hierbei muß untersucht werden, welche Möglichkeiten der Lösung von der Einwilligung sich nach den allgemeinen Grundsätzen ergeben und ob infolge des Betriebsübergangs in diesem Zusammenhang Besonderheiten zu berücksichtigen sind.
78
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot b) Der Widerruf
der Einwilligung
Zunächst ist zu fragen, ob die Einwilligung widerrufen werden kann. Der Widerruf einer nach § 60 HGB erteilten Einwilligung ist gesetzlich nicht geregelt. Zu der Frage der Statthaftigkeit eines solchen Widerrufs herrschen in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Häufig wird die Einwilligung, sofern kein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt erklärt wurde, als unwiderruflich angesehen.127 Nach anderer Ansicht sei die Widerruflichkeit der Einwüligung eine Frage der Auslegung. 128 Ferner wird darauf hingewiesen, daß eine vorherige Zustimmung nur bis zur Vornahme der erlaubten Tätigkeit widerruflich sei; 1 2 9 der Widerruf sei nicht möglich, wenn die Einwilligung zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemacht wurde. 1 3 0 Und schließlich wird die Auffassung vertreten, daß sich die Widerruflichkeit der Einwüligung als Folge des Betriebsübergangs aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach Maßgabe der Büligkeit (§ 315 BGB) ergeben könne. 1 3 1
aa) Die rechtliche Einordnung der Einwilligung aaa) Anwendbarkeit der §§ 182 ff BGB? Für die Frage, ob die Einwilligung widerruflich ist, ist zunächst von Bedeutung, wie sie rechtlich einzuordnen ist. Die Einwilligung kann als einseitige empfangsbedürftige Wülenserklärung sowohl vor als auch nach Ausübung der Konkurrenztätigkeit erteilt werden. 132 Dies legt die Vermutung nahe, daß die
127 Baumbach/Duden/Hopt, § 60 Anm. 2, der die Widerruflichkeit der Einwilligung grundsätzlich ablehnt; ebenso ablehnend: Brüggemann-Würdinger, § 60 Anm. 4; Grobe, BIStSozArbR 1969, 140. Auch nach Nikisch, S. 452 und Hueck/Nipperdey, § 38 I, 1 kann die einmal erteilte Einwilligung im Zweifel nicht zurückgenommen werden. Die Widerruflichkeit der Einwilligung bei Erklärung eines Widerrufvorbehalts erkennen an Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Β I 4 a; Röhsler/Borrmann, S. 36; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 III 3; Schlegelberger-Schröder, § 60 Rdn. 11; Hueck/ Nipp er dey y a.a.O. 1 2 8 Grunsky y Wettbewerbsverbote, S. 31, der hervorhebt, daß der Widerrufsvorbehalt nicht immer ausdrücklich erklärt sein müsse.
129
Heymann-Honselly § 60 Rdn 25.
1 3 0
Heymann-Honsell a.a.O.; ebenso unterscheidet Gauly NZA 1989, 697 (698) zwischen der bloßen Einwilligung und einem Nebentätigkeitsvertrag. 131
Gaul, NZA 1989, 697 (698); ders.y Betriebsübergang, S. 94.
132
Vgl. die Nachw. oben Fußn. 129.
3. Lösung von der Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
79
Regelungen der § 182 ff BGB über die vorherige und nachträgliche Zustimmung auch auf die Einwilligung i.S.d. § 60 HGB anwendbar sind. 1 3 3 Wären die §§ 182 ff BGB auf die Einwilligung anwendbar, so wäre sie bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts, auf das sie sich bezieht, regelmäßig frei widerruflich, es sei denn, es ergäbe sich aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis etwas anderes (§ 183 BGB). Nach Vornahme des Rechtsgeschäfts wäre die Einwilligung grundsätzlich nicht mehr widerruflich. 134 Die Anwendung der § 182 ff BGB auf die Einwüligung nach § 60 HGB stößt allerdings auf Bedenken. Hinsichüich der Wirkungen der jeweiligen Einwüligungen ergeben sich nämlich grundlegende Unterschiede. Zunächst fällt auf, daß sich die Einwüligung nach dem bürgerlichen Recht grundsätzlich auf bestimmte einzelne Rechtsgeschäfte bezieht, während die Einwüligung nach § 60 HGB regelmäßig auf eine unbestimmte Zahl von Rechtsgeschäften gerichtet ist. Ein bedeutsameres Unterscheidungsmerkmal ist jedoch, daß die Einwilligung nach § 182 BGB dazu dient, einem andernfalls unwirksamen Rechtsgeschäft die Wirksamkeit zu verleihen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine vorherige oder nachträgliche Zustimmung handelt. Fehlt die Zustimmung, bleibt das zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäft unwirksam. Dagegen hat die Einwüligung nach § 60 HGB auf die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte des Arbeitnehmers keinen Einfluß. Ohne die erforderliche Einwilligung ist lediglich § 60 HGB bzw. die arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt. Während die durch Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot hervorgerufene Pflichtverletzung zwar bestimmte Sanktionen wie Schadensersatzanspruch, Eintrittsrecht u.ä. auslösen kann, 1 3 5 bleibt die Wirksamkeit der wettbewerbswidrig abgeschlossenen Rechtsgeschäfte hiervon völlig unberührt. 136 1 3 3
So offenbar Heymann-Honsell, § 60 Rdn. 25; Brüggemann-Würdinger,
§ 60
Anm. 4. 1 3 4
Der Widerruf einer i.S.d. §§ 182 ff BGB verstandenen Einwilligung kann durch Gesetz (§§ 876; 880 Abs. 2 u. 3; 1071; 1178 Abs. 2; 1183; 1245 II; 1276; 1283 Abs.l. BGB) oder durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen sein. Zur Problematik des Widerrufs aus wichtigem Grund bei unwiderruflich erklärter Einwilligung i.S.d. §§ 182 ff BGB vgl. Flume, § 55; Palandt-Heinrichs, § 183 Anm. 1 i.V.m. § 168 Anm. 3 b; Medicus, A T Rdn. 942. 135 Ygj hierzu im einzelnen unten II. Teil, Abschn. D. 1 3 6 Auf diesen Unterschied macht bereit Kardarasy S. 68 f aufmerksam. Zwar bezieht sich seine Untersuchung vorwiegend auf die Einwilligung der persönlich haftenden Gesellschafter in die Wettbewerbstätigkeit eines Mitgesellschafters nach § 112 HGB. Kardarasy weist jedoch darauf hin (S. 67), daß bereits die Vorgeschichte des HGB zeige, daß sich die Normen des Art. 96 ADHGB (§ 112 HGB) und Art. 59 ADHGB (§ 60 HGB) entsprechen.
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II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
Dieses wesentliche Unterscheidungsmerkmal der Einwilligung nach § 60 HGB von der bürgerlichrechtlichen Einwüligung ist zugleich der ausschlaggebende Grund, die Anwendbarkeit der §§ 182 ff BGB auf die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit abzulehnen. Wegen der völlig anderen Rechtsfolge, die die §§ 182 ff BGB auslösen, sind sie nicht auf die im arbeitsrechtlichen Wettbewerbsverbot erteüte Einwilligung anwendbar.
bbb) Die Einordnung der Einwüligung in die "Gestaltungsrechte" Wenn die Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit nicht nach den §§ 182 ff BGB beurteüt werden kann und sich insoweit keine Hinweise auf die Widerruflichkeit ergeben, muß nach weiteren Möglichkeiten der rechtlichen Einordnung gesucht werden. Untersucht man die der Einwilligung zugrundeliegende Ausgangssituation, so ist festzustellen, daß einer der Vertragspartner frei auf eine bestehende Rechtslage einwirken kann, während der andere sich dieser Einwirkung zu unterwerfen hat. Diese Ausgangslage ist typisch für Gestaltungsrechte. Gestaltungsrechte verleihen die Berechtigung, ohne Mitwirkung des anderen Teils auf eine bestehende Rechtslage einzuwirken. 137 Dieser Einwirkungsmöglichkeit entspricht ein "besonderes Verhältnis der Gebundenheit" des Gestaltungsgegners. 1 3 8 Dieses Verhältnis von Einwirkungsmöglichkeit und Gebundenheit zeigt sich bei der Einwüligung in die Wettbewerbstätigkeit deutlich: Der Arbeitnehmer ist aufgrund der als Treuepflicht bezeichneten arbeitsvertraglichen Nebenpflicht hinsichtlich seiner uneingeschränkten Wettbewerbstätigkeit gebunden. 139 Andererseits kann der Arbeitgeber durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auf Inhalt und Ausmaß dieser Gebundenheit einwirken, ohne daß es dazu der rechtlichen Mitwirkung des Arbeitnehmers bedürfte. Mit welchem inhaltlichen Ergebnis der Arbeitgeber auf den Rechtskreis des Arbeitnehmers einwirkt, muß von diesem hingenommen werden. 140 Da diese bei den Wettbewerbsverboten vorzufindende Ausgangslage des "Duldenmüssens" ein137 Becker, AcP 188, S.24 (28) m. zahlr. Nachw.; Flume, S. 137; Hübner, Rdn. 277; Staudinger-Dilcher, Einl. zu §§ 104-184 Rdn. 48; Medicus, A T Rdn. 79. StaudingerDilcher, § 182 Rdn. 10 weist ausdrücklich darauf hin, daß die Zustimmung nach §§ 182 ff BGB kein Gestaltungsrecht ist. 1 3 8
Becker, a.a.O.; Larenz, A T § 13 I I 7., S. 220.
1 3 9
Die Gebundenheit aus dem Gestaltungsrecht kann sich sowohl aus Gesetz als auch aus Vertrag ergeben, vgl. nur Larenzy A T S. 220. 1 4 0 Becker, S. 28 m.w.Nachw. spricht in diesem Zusammenhang von einem "Akt privater Zwangsvollstreckung".
3. Lösung von der Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
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seitiger Rechtsgestaltung aufgrund vertraglicher Gebundenheit zugleich Kennzeichen der Gestaltungsrechte ist, muß die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit als Gestaltungsrecht angesehen werden. 141 Als Besonderheit ist dabei hervorzuheben, daß die Ausübung dieses Gestaltungsrechts nicht - wie beispielsweise eine Kündigung - die Rechtsposition des Gestaltungsgegners einschränkt, sondern vielmehr erweitert. Allem dies verbietet jedoch nicht, die Einwilligung den Gestaltungsrechten zuzuordnen. Wie die Beispiele des Wiederverkaufs- und des Vorkaufsrechts zeigen, sind "positive Gestaltungsrechte", die dem Gestaltungsgegner eine Rechtsposition einräumen, dem Rechtssystem nicht fremd. 1 4 2
bb) Der Widerruf der vorbehaltlos erklärten Einwilligung aaa) Grundsätzliche Unwiderruflichkeit wirksam ausgeübter Gestaltungsrechte Ausgehend von diesem Ergebnis kann die Frage der Widerruflichkeit untersucht werden. Grundsätzlich güt, daß ein wirksam ausgeübtes Gestaltungsrecht unwiderruflich i s t . 1 4 3 Dies folgt aus dem Gedanken der Rechtssicherheit. Der Gestaltungsgegner, der die fremde Einwirkung in seinen Rechtskreis zu dulden hat, soll nicht auch noch einer Ungewißheit über seine Rechtsposition ausgesetzt sein. 1 4 4 Der Widerruf einer Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit, für die der Widerruf bei Abgabe der Erklärung nicht vorbehalten wurde, ist damit grundsätzlich nicht mehr zulässig, wenn sie dem Arbeitnehmer zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Hier bleibt auch kein Raum für einen Widerruf nach billigem Ermessen, da die Voraussetzungen des § 315 BGB nicht vorhanden sind. Für die Anwendbarkeit der §§ 315 ff BGB wäre es erforderlich, daß die von einer der Vertragsparteien vorzunehmende Leistungsbestimmung vertraglich vorbehalten
1 4 1 Ebenso Kardaras, S. 72 ff für die Einwilligung nach § 112 HGB. Kardaras, prüft noch andere Rechtsinstitute, wie beispielsweise die Ermächtigung, deren Vorliegen er aber ablehnt. Insoweit wird auf seine Ausführungen S.70 ff verwiesen. Vgl. ferner Söllner, Leistungsbestimmung, S.43, der als Beispiel eines gesetzlich begründeten Gestaltungsrechts des Arbeitgebers den Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nach § 75a HGB anführt. 1 4 2
Vgl. Medicus, A T Rdn. 87.
1 4 3
LAG Düsseldorf DB 1975, 1081; Palandt-Heinrichs, § 104 Anm. 3 d; Kardaras, S.76; Staudinger-Dilcher Einl. zu §§ 104-185 Rdn. 49; Medicus, A T Rdn. 90; Söllner, Leistungsbestimmung, S.114. 1 4 4
Medicus, A T Rdn. 90.
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II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
wurde. 1 4 5 Ist ein wirksamer Vertrag zustandegekommen, ohne daß ein derartiger Vorbehalt bestimmt wurde, können die §§ 315 ff BGB nicht herangezogen werden. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich völlig frei, seine Einwilligung zu erteilen. Wenn er sie erteilt, verzichtet er jedoch auf einen möglichen Schutz des Gesetzes. Insoweit hat er eine bindende Willenserklärung abgegeben. Diese Willenserklärung kann nicht widerrufen werden, wenn sie dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Es handelte sich bei dem Widerruf der Einwilligung insoweit nicht um die Wahrnehmung des einem der Vertragspartner zustehenden Rechts auf Leistungsbestimmung, sondern um den Widerruf der Willenserklärung. Hat der Arbeitgeber sich den Widerruf nicht vorbehalten, muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Widerruf nicht einseitig erklärt werden kann.
bbb) Widerruflichkeit der Einwilligung wegen der auf der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos beruhenden Interessenlage? Als bisheriges Ergebnis steht damit fest, daß die vorbehaltlos erklärte Einwilligung grundsätzlich unwiderruflich ist. Allerdings muß gefragt werden, ob dieses Ergebnis einer Überprüfung der Interessenlage standhält. Oben wurde erwähnt, daß der Arbeitnehmer sein eigenes wirtschaftliches Risiko in bezug auf die Daseinsvorsorge für die Dauer des Arbeitsverhältnisses auf den Arbeitgeber übertragen hat. 1 4 6 Diese Verteilungslage ist beiden Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Einwüligungserklärung bekannt. Es fragt sich, ob deshalb dem unternehmerischen Interesse des Arbeitgebers am Widerruf Priorität eingeräumt werden muß gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers am Bestand der Einwilligung. Im folgenden soll deshalb zunächst geprüft werden, ob es allgemeine Fallkonstellationen gibt, die unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall zur Widerruflichkeit der Einwilligung führen können. Daran anschließend muß untersucht werden, ob bei Betriebsübergang eine besondere Situation entstehen kann, die den Widerruf der Einwüligung erlaubt. Dem Grundsatz der Unwiderruflichkeit könnte entgegengehalten werden, daß der Ausschluß des Widerrufs den Arbeitgeber in unangemessener Weise binde. Immerhin habe er das wirtschaftliche Risiko zu tragen und die Bindung an die Einwüligung zwinge dazu, bei Veränderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und marktmäßiger Umorientierung möglicherweise erhebliche Nachteüe für das Unternehmen in Kauf zu nehmen. So vertritt beispielsweise Gaul die Ansicht, daß der Unternehmer nicht über eine einmal erteüte oder hin145
v. Hoyningeti-Huene, Billigkeit, S. 56.
1 4 6
Vgl. hierzu oben II. Teil, Abschn. B, 1. Kap., 3 bb, bbb.
3. Lösung von der Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
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genommene Einwilligung an der Änderung der Unternehmenszwecke und der Ausübung dieser Arbeitnehmertätigkeit gehindert werden könne. 1 4 7 Das Interesse am Widerruf der Einwilligung ergibt sich auch, wenn der Arbeitgeber bei Erteüung der Einwilligung das Ausmaß der arbeitnehmerseitigen Wettbewerbstätigkeit nicht in ausreichendem Maß übersehen hatte oder übersehen konnte. Besonders deutlich tritt ein Interesse am Widerruf der Einwilligung jedoch hervor, wenn ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise geraten ist. Wird die Sanierung des Betriebes unumgänglich, könnte die einmal erteüte Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit den Sanierungsinteressen entgegenstehen. 148 Ein weiteres Beispiel nennt Grunsky: Danach soll der Widerruf auch bei vorbehaltlos erklärter Einwilligung möglich sein, wenn der Arbeitgeber in Zeiten der Hochkonjunktur die Einwilligung erteilt hatte, um sich von hinderlichen Kleinaufträgen zu entlasten, und die Geschäfte im späteren Verlauf nachlassen. 1 4 9 Dem Widerrufsinteresse des Arbeitgebers kann auf der anderen Seite ein erhebliches Interesse des Arbeitnehmers an einer eindeutigen und sicheren Rechtslage gegenüberstehen. Aufgrund einer erteüten Einwüligung schließt der Arbeitnehmer mit Dritten Rechtsgeschäfte, in deren Folge möglicherweise weitere rechtliche Verpflichtungen erwachsen. Ferner ist denkbar, daß der Arbeitnehmer im Vertrauen auf die einmal erteilte Einwilligung erhebliche Investitionen zum Betrieb des konkurrierenden Handelsgewerbes getätigt hat. Der Widerruf der Einwilligung könnte ihm deshalb gravierende Vermögenseinbußen zufügen, die weit über nicht realisierbare Gewinnmöglichkeiten hinausgehen. Wägt man die gegenüberstehenden Interessen ab, dann überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Unwiderruflichkeit der Einwilligung auch dann, wenn man die arbeitsvertragstypische Verteilung des wirtschaftlichen Risikos berücksichtigt. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zunächst muß man sich nochmals die Ausgangslage vor Augen halten: Grundsätzlich ist eine Konkurrenztätigkeit nach § 60 HGB nicht überhaupt verboten, sondern nur, wenn die erforderliche Einwilligung fehlt. So betont das BAG, daß ein Regel-Ausnahmeverhältnis bezüglich eines möglichen Verhal1 4 7
Gaul, NZA 1989, 697 (698); ders., Betriebsübergang, S. 95.
1 4 8
Bei Betriebsübergang kann diese Problematik besonders deutlich hervortreten, siehe dazu bereits die Problemstellung unter II. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 3 a, sowie sogleich unten unter ccc). 1 4 9 Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 31. Gerade dieses Beispiel zeigt, daß es zunächst notwendig ist, Inhalt und Umfang der Einwilligung durch Auslegung exakt zu ermitteln.
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II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
tens des Arbeitgebers nicht besteht, da es jeweils eine Frage des konkreten Einzelfalls sei, ob der Arbeitgeber einer Nebentätigkeit zustimme oder nicht. 1 5 0 Daraus folgt, daß der Arbeitgeber die Einwilligung jedenfalls nicht mit der Begründung widerrufen kann, daß ein Interesse an der Wiederherstellung des Regelzustandes bestehe. Des weiteren ist der Arbeitgeber auch bei einer erteilten Einwilligung keineswegs gehindert, eine Änderung seines Unternehmenszweckes vorzunehmen. 1 5 1 Kraft seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit kann er den unternehmerischen und betrieblichen Zweck jederzeit ändern. 152 Aus der einmal erteilten Einwilligung folgt nicht, daß der Arbeitgeber nun seinerseits gegenüber seinem Arbeitnehmer einem Konkurrenzverbot unterläge. Zuzugestehen ist allerdings, daß es Fälle geben kann, in denen sich die Ausübung des vom Arbeitnehmer betriebenen Konkurrenzgeschäfts für den Arbeitgeber aus tatsächlichen Gründen nicht mehr lohnen mag. Auch eine erhebliche Sanierungsbedürftigkeit oder ein drohender Konkurs führen nicht dazu, daß der Arbeitnehmer Einbußen in seiner Rechtsstellung hinnehmen muß. Im Bereich der Insolvenzvermeidung sind gewichtige Interessen des Arbeitgebers am Widerruf der Einwilligung nicht zu bestreiten. Dennoch reichen sie nicht aus, eine unwiderruflich erklärte Einwüligung in eine widerrufliche umzuwandeln. Selbst wenn man anerkennt, daß auch die Sanierungsförderung als eines der grundlegenden arbeitsrechtlichen Prinzipien angesehen werden kann, 1 5 3 so dürfen doch die Grenzen der Effektivität arbeitsrechtlicher Sanierungsmittel nicht übersehen werden. Die Sanierung eines notleidenden Unternehmens kann in der Regel nur durch den Einsatz weiterer wirtschaftlicher Mittel erfolgreich sein. 1 5 4 In diesem Zusammenhang haben Rechtsprechung und Teüe der Literatur die Ansicht vertreten, daß auch vorbehaltlos versprochene und gewährte Leistungen des Arbeitgebers widerrufen werden könnten, wenn dies erforderlich und geeignet wäre, ein Unternehmen zu erhalten, das sich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet. 155 So können nach der Rechtsprechung des BAG die Gesichtspunkte der Solidarität und der Betriebsverbundenheit dazu führen, daß
1 5 0
BAG NJW 1988,438 (439).
1 5 1
Vgl. hierzu die Nachw. oben Fußn. 147.
1 5 2 Zu eventuellen Beteiligungsrechten des Betriebsrats vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 244. 153
Hanau, Gutachten, Ε 13.
1 5 4
Grunsky, ZIP 1982, 772.
155
Vgl. die Nachw. bei Hanau, a.a.O. in Fußn. 32 (E 2)6.
3. Lösung von der Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
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der Arbeitnehmer zur Abwendung des Konkurses des Arbeitgebers beispielsweise auf ihm zustehende Gratifikationsansprüche verzichten muß. 1 5 6 Diese Grundsätze können auf die Frage des Widerrufs der vorbehaltlos erklärten Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit nicht übertragen werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Erteilung der Einwilligung überhaupt mit der Gewährung freiwüliger Leistungen vergleichbar i s t . 1 5 7 Selbst wenn man letzteres bejahen wollte, scheiterte die Übertragung der Grundsätze zum Widerruf freiwülig gewährter Leistungen bei wirtschaftlicher Notlage am Erfordernis der Geeignetheit. Der Widerruf der Einwilligung ist nicht das angemessene, ausreichende und notwendige Mittel, einen insolvenzbedrohten Betrieb zu retten. Hier dürften in erster Linie der rasche Zufluß von Kapital, die Ersparnis von Ausgaben, richtige Kapitalverwendung und ähnliche Maßnahmen erforderlich sein. 1 5 8 Deshalb kann sich beispielsweise ein Beitrag zur betrieblichen Solidarität in Form des Verzichts auf eine Gratifikation noch als geeignetes Sanierungsmittel erweisen. Dagegen kann nicht ipso iure davon ausgegangen werden, daß sich der Widerruf der konkurrenzrechtlichen Einwilligung in geeigneter Weise insolvenzverhindernd auswirkt. Sanierungsmaßnahmen müssen außerdem in aller Regel rasch wirken. Dies wäre beim Widerruf der Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit grundsätzlich nicht der Fall. Erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände könnte sich der Widerruf möglicherweise positiv auf das Unternehmensergebnis auswirken: So müßte beispielsweise sichergestellt sein, daß der Arbeitgeber tatsächlich Geschäftsbeziehungen zu den Kunden des Arbeitnehmers aufnehmen kann; es müßte des weiteren eine ordnungsgemäße betriebliche Organisation gewährleistet sein, damit eventuelle Gewinne aus solchen Geschäften nicht wieder aufgezehrt werden und ähnliches mehr. Bereits diese Beispiele zeigen, daß der Widerruf der Einwüligung im allgemeinen nicht geeignet und erforderlich ist, die zur Sanierung unmittelbar erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Ein solcher Widerruf würde darüberhinaus nur einige wenige Arbeitnehmer betreffen. Es bestünde die Gefahr, daß das arbeitsrechtliche Prinzip der "Sanierungsförderung durch die gesamte Gläubigerschaft" verletzt würde, wollte man von einzelnen Arbeitnehmern ein Sonderopfer in Form der Widerruflichkeit der Einwüligung verlangen. 159 Besondere Gründe, die ein solches Sonderopfer rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt
1 5 6
BAG AP Nr. 51 zu § 611 BGB Gratifikation m.w.Nachw.
1 5 7
Zudem ergäbe sich das praktische Problem der Bestimmung derjenigen Kriterien, die den Zustand einer "wirtschaftlichen Notlage" erfüllen. Zur Überwindung dieses Problems könnten möglicherweise die zu § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG entwickelten Grundsätze herangezogen werden. 1 5 8
Zu den Ursachen der Unternehmenskrise vgl. Angermann, S. 22.
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der Insolvenzverhütung kann deshalb im Ergebnis nicht zu einem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers am Widerruf der einmal erteilten Einwüligung führen. 160 In die Interessenabwägung muß noch ein weiteres Argument einfließen: Rechtssicherheit und -klarheit verlangen eine ausreichende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen. Zu bedenken güt, daß es dem Arbeitgeber freisteht, die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit zu erteilen, inhaltlich zu beschränken, unter Widerrufsvorbehalt zu stellen oder zu versagen. Auf das Ergebnis dieses unternehmerischen Entscheidungsprozesses hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Einfluß. Damit ist dem Arbeitgeber hinreichend Gelegenheit gegeben, entsprechend der Verteilung des Wirtschaftsrisikos von seiner unternehmerischen Aufgabe Gebrauch zu machen. Hat er jedoch vorbehaltlos eingewilligt, überwiegt das Vertrauensschutz- und Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist im Interesse der Rechtssicherheit an seine Entscheidung gebunden. Will der Arbeitgeber eine endgültige Bindung an die Einwüligung verhindern, kann er sie rechtzeitg unter den Vorbehalt des Widerrufs stellen. In diesem Fall ist sichergestellt, daß der Arbeitnehmer kern Vertrauen hinsichtlich des Bestandes der Einwüligung entwickeln kann, und dem Arbeitgeber bleibt nicht nur die rechtliche, sondern auch die faktische Möglichkeit erhalten, über seine Unternehmenszielsetzung zu disponieren. Im Ergebnis kann damit festgestellt werden, daß auch bei Abwägung der arbeitsvertragstypischen Interessen daran festgehalten werden kann, daß die Einwüligung in die Wettbewerbstätigkeit als Gestaltungsrecht grundsätzlich unwiderruflich ist. Es bleibt zu prüfen, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert, wenn in die Interessenabwägung beim Betriebsübergang besonders zu beachtende Gesichtspunkte einfließen.
ccc) Widerruflichkeit der Einwilligung wegen der besonderen Interessenlage bei Betriebsübergang? Vor einer eventuellen Neubewertung der Interessenlage beim Betriebsübergang muß zunächst die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob es sich der Arbeitnehmer gefallen lassen muß, daß die möglicherweise schwerer wiegenden
1 5 9
Dieses Prinzip wurde insbesondere zu § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG entwickelt, vgl. hierzu Hanau, a.a.O., Ε 51. 1 6 0 Im Ergebnis ebenso Hanau, a.a.O. für den Widerruf vorbehaltlos gewährter freiwilliger Leistungen.
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Interessen des neuen Arbeitgebers in die Abwägung eingehen. 161 Diese Frage muß bejaht werden. Zwar bewirkt § 613 a BGB die Überleitung des Arbeitsverhältnisses in seinem gegenwärtigen status quo. 1 6 2 Ein Schutz hinsichtlich der Beibehaltung einer einmal gegebenen Interessenlage läßt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Auch ohne Betriebsübergang besteht ein solcher Schutz nicht. Die das Wettbewerbsverbot betreffende Interessenlage kann sich aufgrund unternehmerischer Entscheidung jederzeit zuungunsten des Arbeitnehmers ändern. Da auch der Betriebsübergang auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, ist der Arbeitnehmer in bezug auf die Aufrechterhaltung der ursprünglichen Interessenlage nicht schutzwürdig. 163 Das soeben gefundene Ergebnis zur Widerruflichkeit der Einwilligung 1 6 4 könnte sich möglicherweise ändern, wenn der Aspekt des Betriebsübergangs in den Abwägungsvorgang einbezogen wird. Dabei kann jedoch nur eine unmittelbar auf dem Betriebsübergang beruhende Verschiebung der Interessengewichtigkeit berücksichtigt werden. Die wirtschaftlichen Aktivitäten, die der neue Inhaber nach Betriebsübergang unternimmt und die nicht unmittelbar auf die Tatsache des Übergangs zurückzuführen sind, sind in diesem Zusammenhang unbeachtlich, auch wenn sie den vom früheren Arbeitgeber durch die Einwüligung gesteckten Rahmen des Wettbewerbsverbots berühren. Wül der neue Inhaber nach Betriebsübergang aus anderen als betriebsübergangsbedingten Gründen von der Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit abrücken, kann dies nicht anders beurteilt werden als in den sonstigen Fällen, in denen sich ein Arbeitgeber ohne das Ereignis des Betriebsübergangs von der Einwilligung lösen wül. Zu keinen unmittelbar auf dem Betriebsübergang beruhenden Veränderungen der Interessenlage kommt es im Fall der fortführenden Betriebsübernahme. 165 Wenn lediglich ein neuer Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag eintritt, im übrigen der Betrieb aber unter gleichbleibenden Bedingungen weitergeführt wird, ist erne Veränderung der Interessenlage infolge des Betriebsübergangs nicht ersichtlich. Der neue Inhaber bleibt deshalb an die vorbehaltlos erklärte Einwilligung gebunden, der Betriebsübergang wirkt sich nicht auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots aus. 1 6 1 Ähnlich Grunsky, SAE 1977, 224 (225), Anm. zu BAG SAE a.a.O., S. 220, zu einer auf Umorganisation beruhenden Änderung des Tätigkeitsbereichs eines Arbeitnehmers, um einen Betriebsübergang zu ermöglichen. 162 Vgl hierzu die Nachw. oben I. Teil, Fußn. 7.
163 Recht betont Grunsky, a.a.O., daß es wenig zutreffend erscheint, eine nicht mehr bestehende Interessenlage als fortbestehend zu fingieren. 1 6 4 165
Siehe hierzu oben bbb).
Zur Unterscheidung zwischen fortführendem und eingliederndem Betriebsübergang vgl. oben II. Teil, Abschn. B., 1. Kap., 2. a.
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II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
Etwas anderes könnte sich aber ergeben, wenn durch den Übergang ein Betriebsteil oder ein Betrieb in das Erwerberunternehmen eingegliedert werden soll oder wenn das Erwerberunternehmen durch den Betriebsübergang erst entstehen soll. Gerade wenn der Erwerberbetrieb oder der neu zu gründende Betrieb den Schwerpunkt semer wirtschaftlichen Aktivitäten auf den von der Einwüligung erfaßten geschäftlichen Bereich gelegt hat bzw. verlegen will, kann sich die Einwüligung als besonders hinderlich erweisen. Diese Veränderung der Interessenlage beruht dann unmittelbar auf dem Betriebsübergang. Dem Interesse des Erwerbers stünde dabei das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber, die einmal erlangte Rechtsposition aufrechtzuerhalten und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aus inhaltlicher Sicht zu sichern. Zumindest aus der Perspektive des Arbeitnehmers ist diese Situation mit der Fallgestaltung vergleichbar, in der der bisherige Arbeitgeber versucht, seine Geschäftstätigkeit in einem von ihm zwischenzeitlich wenig beachteten Geschäftszweig auszudehnen. Ohne Betriebsübergang würde diese Absicht nicht von der Bindungswirkung der vorbehaltlos erteüten Einwilligung befreien. Für den Fall des Betriebsübergangs hat der Gesetzgeber in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB bereits eine Wertung zur Lösung dieses Interessenkonflikts getroffen: nach der ratio des § 613 a BGB soll der arbeitsrechtliche status quo bei Betriebsübergang beibehalten werden; der Erwerber tritt in das Arbeitsverhältnis so ein, wie er es vorgefunden hat. Daraus folgt, daß die betriebsübergangsbedingte Eingliederung in einen Erwerberbetrieb keine ausreichende Grundlage für ein Abweichen von dem oben als vorrangig bezeichneten Prinzip der Rechtssicherheit bilden kann. Auch bei eingliedernder Betriebsübernahme ist die vorbehaltlos erteilte Einwüligung unwiderruflich. Dieses Ergebnis bedeutet für den Erwerber auch keine unbülige Härte, da er sich vor Erwerb informieren kann, mit welchen arbeitsrechtlichen Belastungen der Betrieb behaftet ist und sodann frei entscheiden kann, ob er sein Erwerbsinteresse realisiert. Eine erhebliche Verschiebung der Interessenlage könnte sich schließlich dann ergeben, wenn ein notleidender Betrieb zur Abwendung des Konkurses oder in sonstiger Sanierungsabsicht durch "übertragende Sanierung" 166 auf einen anderen Inhaber übergehen soll. Hier stellt sich die Frage, ob bereits das Ziel der sanierenden Betriebsübernahme eine andere Beurteilung der Interessenlage dergestalt verlangt, daß der Arbeitgeber die Einstellung der Konkurrenztätigkeit verlangen kann. Zur Beantwortung dieser Frage können die bisher gewonnenen Ergebnisse herangezogen werden: allem die Notwendigkeit der Sanierung kann nicht zur Widerruflichkeit der Einwilligung führen. 167 Hieran kann sich auch nichts ändern, wenn die Sanierung im Wege der Betriebsübernahme erfolgen soll, denn 1 6 6
Zum Begriff der "übertragenden Sanierung" ν gl. Angermann, S. 19.
1 6 7
Vgl. hierzu oben II. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 3 b, bbb.
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auch der Betriebsübergang führt, wie soeben festgestellt, bei isolierter Betrachtung nicht zu einer anderen Interessenbewertung. Wenn beide Aspekte bereits für sich genommen nicht zur Widerruflichkeit führen, müßten bei ihrem Zusammenwirken schon besondere Umstände hinzutreten, um zu einem anderen Ergebnis gelangen zu können. Im allgemeinen sind solche besonderen Umstände nicht ersichtlich. Es läßt sich deshalb feststellen, daß die sanierende Betriebsübernahme grundsätzlich nicht zur Widerruflichkeit der Einwilligung führt. Möglicherweise könnten solche Umstände jedoch in der drohenden Gefahr des Scheiterns der sanierenden Übernahme und damit dem Ende einer betrieblichen Tätigkeit überhaupt gesehen werden. 1 6 8 Dieser Fall könnte eintreten, wenn ein sanierungswilliger Erwerber die Betriebsübernahme vom Widerruf der Einwüligung abhängig machen würde, weil die aus der Konkurrenztätigkeit der Arbeitnehmer resultierenden wirtschaftlichen Verluste für den Betrieb nicht mehr tragbar wären. Bei Scheitern der Betriebsübernahme stünde am Ende anstelle des von § 613 a BGB bezweckten Erhalts des Arbeitsplatzes dessen Verlust. 1 6 9 Damit könnte der Druck des potentiellen Erwerbers, die Sanierung des Betriebes ohne Beseitigung dieses (und anderer) arbeitsvertraglicher Hindernisse zur Disposition zu stellen, zu einer anderen Bewertung der Interessenlage zwingen. Gegen die Widerruflichkeit der vorbehaltlos erklärten Einwilligung bei dieser Fallgestaltung spricht jedoch, daß dann gegen die ratio legis des § 613 a BGB verstoßen würde. Es soll nach der Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB dem Erwerber gerade nicht möglich sein, den Betriebsübergang mit Änderungen der Arbeitsbedingungen zu erkaufen. Vielmehr tritt der Erwerber ausnahmslos in alle bestehenden Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein. Diese Zielsetzung wird ergänzt durch § 613 a Abs. 4 BGB. Danach ist eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs unwirksam. Die Vorschrift bezieht sich auch auf die Änderungskündigung. 170 Ohne daß hier bereits auf die Ein1 6 8 So wird beispielsweise häufig das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. IV BGB als Sanierungshemmnis gesehen, vgl. nur die Nachw. bei Hanau, Gutachten, Ε 39 in Fußn. 39 und die Besprechung von Grunsky, ZIP 1982, 772 (775) sowie die Nachw. bei Wickler, S.54. Zuweilen wird sogar von der arbeitsplatzvernichtenden Wirkung des § 613 a BGB gesprochen, Uhlenbruch KTS 1974, 1 (2); Angermann, S. 115 ff; vgl. hierzu auch die Nachweise bei Drukarczyk/Rieger, KTS 1986, 235 (236) in Fußn. 1. Zur Einschränkung der Rechtsfolgen aus § 613 a BGB im Unternehmenskonkurs vgl. Mohrbutter, NZA 1985, 105 ff. 1 6 9 Eingehend zur Theorie der arbeitsplatzvernichtenden Wirkung des § 613 a BGB Drukarczy kl Rieger, a.a.O. 170 Bauer, DB 1983, 713; ders., Unternehmensverkauf S. 82; ders., in Hölters V Rdn. 92; Besgen, A i B 1986, 131; Bieler, BB 1981, 435 (437); Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 120; Falkenberg, DB 1980, 783; HessIGotters, BIStSozArbR 1984, 74 ff(75); Kracht, S. 126; Kreitner, S. 123; Wickler, S. 109 m.w. Nachw.; KR-Wolf, § 613 a Rdn.
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zelheiten zu § 613 a Abs. 4 eingegangen werden m u ß , 1 7 1 läßt sich dieser Vorschrift die auf den Widerruf der Einwilligung übertragbare Wertung entnehmen, daß die einseitige Änderung von Arbeitsbedingungen aus Anlaß des Betriebsübergangs grundsätzlich verhindert werden soll. Auch in diesen Fällen ist deshalb der Widerruf der vorbehaltlos erklärten Einwilligung nicht möglich.
ddd) Ergebnis Die ohne Vorbehalt des Widerrufs erklärte Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit ist unwiderruflich. Dieses Ergebnis hält auch einer Bewertung der im Arbeitsverhältnis gegebenen Interessenlage stand. Weder führen die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses noch die des Betriebsübergangs dazu, daß hinsichtlich der Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit von dem Grundsatz abgewichen werden müßte, daß Gestaltungsrechte unwiderruflich sind. Der Betriebsübergang wirkt sich somit nicht in der Weise aus, daß der auf der Einwilligung beruhende Vertrauensschutz des Arbeitnehmers, seine bisher erlaubte Konkurrenztätigkeit fortzuführen zu dürfen, verloren ginge. Der neue Arbeitgeber ist an eine zuvor von dem Rechtsvorgänger vorbehaltlos erteilte Einwüligung gebunden. 172 Es kann damit festgehalten werden, daß der Betriebsübergang sich insoweit nicht auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots auswirkt.
eee) Auswirkungen des Ergebnisses auf die Problematik der Nebentätigkeitsgenehmigung Dieses Ergebnis ist auch für die oben angesprochene Problematik um die Nebentätigkeitsgenehmigung von Interesse: Gerät die durch die vorweggenommene Einwilligung abgesicherte Nebentätigkeit infolge des Betriebsübergangs in den vom Wettbewerbsverbot geschützten Bereich, ist diese unwiderruflich, wenn kein Wiederrufsvorbehalt erklärt wurde. Die dem Betriebsübergang zugrundeliegende Interessenlage erfordert keine Korrektur des bisher zur 108; Palandt-Putzo § 613 a Anm. 5 a, aa; Schaub, ARdGw Bd. 18, S. 71 (77); ders., Arbeitsrechtshandbuch § 118 V I I I 2 a; ders., M K § 613 a Rdn. 46; ders., ZIP 1984, 272 (276); Seiter, S. 114; Wollenschläger, JA 1987, 11 (12). 1 7 1 172
Zu den Einzelheiten vgl. unten II. Teil, Abschn. B., 2. Kap., 4.
MK-Schaub, § 613 a Rdn. 7; vgl. auch Gaul, NZA 1989, 697 (698), der der Ansicht ist, daß ein Arbeitnehmer ohne die ausdrückliche Einwilligung nach § 60 Abs. 2 HGB hinnehmen müsse, daß im Fall des Betriebsübergangs eine Nebentätigkeit nicht weitergeführt werden dürfe.
3. Lösung von der Einwilligung aus Anlaß des Betriebsübergangs
91
Nebentätigkeitsgenehmigung gewonnenen Ergebnisses. Es macht von der Sache her keinen Unterschied, ob die Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit isoliert erklärt wurde oder ob sie im Rahmen einer Nebentätigkeitsgenehmigung vorab erteilt wurde. Der Erwerber muß somit eine Tätigkeit des Arbeitnehmers, die auf einer in diesem Sinne verstandene Nebentätigkeitsgenehmigung beruht, hinnehmen. Ansatzpunkte für einen Widerruf nach Treu und Glauben ergeben sich nicht.
c) Der Widerruf
der unter Vorbehalt erklärten Einwilligung
Die Bindungswirkung der Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit kann der Arbeitgeber umgehen, wenn er die Einwilligung unter Vorbehalt des Widerrufs erklärt. Widerrufsvorbehalte sind grundsätzlich dort zulässig, wo der Arbeitgeber freiwillig Leistungen gewährt, die eigentlich nicht erbracht werden müssen. 1 7 3 Im allgemeinen enthält der Vorbehalt eines Widerrufs keine materiellrechtlichen Regelungen, die einen Überprüfungsmaßstab für die Ausübung des Widerrufsrechts an die Hand geben. Um die wülkürliche Ausübung des Widerrufsrechts zu verhindern, vertritt deshalb das Schrifttum überwiegend die Meinung, daß der Widerruf der Einwilligung nur nach dem gerichtlich nachprüfbaren Maßstab der Billigkeit gemäß § 315 BGB erklärt werden könne. 1 7 4 Nach ihrem Wortlaut gelten die §§ 315 ff BGB nur "im Zweifel". 1 7 5 Solche Zweifel sind regelmäßig vorhanden, wenn keine Regelung zur Ausübung des Widerrufsrechts vorhanden sind. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Wenn ein Widerrufsvorbehalt erklärt wurde, kann der Arbeitgeber die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit auch nur in einem Teübereich widerrufen. Damit ist die Ausübung des Widerrufsrechts für den Arbeitnehmer von verschiedenen Unsicherheiten begleitet. Abgesehen davon, daß der Zeitpunkt des Widerrufs ungewiß ist, ist auch ungewiß, in welchem Umfang die Einwilligung widerrufen wird und schließlich auch, ob dem Arbeitnehmer nicht eine angemessene Auslauffrist zu gewähren ist. Da eine Regelung über solche Einzelheiten fehlt, besteht für die Ausübung des Widerrufsrechts eine materiellrechtliche Lücke, die weder durch Auslegung noch durch den Grundsatz von Treu und Glauben ausgefüllt werden kann. Damit ist der Widerrufsvorbehalt als Recht zur einsei173
Staudinger-Neumann, Vorbem. zu § 620 Rdn. 83.
1 7 4
Buchner, [D] Wettbewerbsverbote II Β I 4 a; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 31; Röhsler/Borrmann, S. 36; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 III, 3; Schlegel· berger-Schröder, § 60 Rdn. 11. 1 7 5
Zum Subsidiaritätsgrundsatz sowie zu den sonstigen Voraussetzungen der Anwendbarkeit von § 315 BGB vgl. v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 57; MK-Söllner, § 315 Rdn. 4.
92
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
tigen Leistungsbestimmung einer Gerechtigkeitskorrektur 176 am Maßstab der Billigkeit nach § 315 BGB zu unterstellen. Die Bestimmung dessen, was nach § 315 BGB billigem Ermessen entspricht, erfordert eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände. 177 Damit ist bei der Abwägung der Interessen auf den Einzelfall abzustellen. Insbesondere wird es für die Frage, in welcher Weise der Widerruf ausgeübt wird, auf Art und Umfang der erlaubten Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers und auf die betrieblichen Gründe ankommen. Der Arbeitnehmer kann sich jedenfalls nicht auf ein etwa gebüdetes Vertrauen in den Bestand seiner Konkurrenztätigkeit berufen. Für den Fall des Betriebsübergangs kann die Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen, daß ein Widerruf der unter Vorbehalt erklärten Einwilligung in Betracht kommen kann, wenn berechtigte Interessen des Erwerbers berührt sind. Diese Interessen sind insbesondere dann berührt, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers mit der durch das Wettbewerbsverbot geschützten Tätigkeit kollidiert. Die Betriebsübernahme mit erweitertem Geschäftszweig berechtigt somit zum Widerruf, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers sich infolge des Übergangs zur Konkurrenztätigkeit wandelt. Auch kann der Aspekt der Sanierungsförderung im Rahmen des büligen Ermessens eine ausreichende Grundlage für den Widerruf büden. 1 7 8 Gegebenenfalls sind jedoch angemessene Auslauffristen zu gewähren. 179 Je nach Umfang der erlaubten Tätigkeit könnte sich eine solche Frist an § 622 Abs. 1 S. 1 BGB orientieren.
4. Die Lösung von der konkurrenzrechtlichen Erlaubnis durch ordentliche Änderungskündigung a) Problemstellung
Wenn der Erwerber als neuer Arbeitgeber die vorbehaltlose Einwilligung nicht widerrufen kann, bleibt zu prüfen, ob er sich von der Bindungswirkung durch Kündigung befreien kann. Diese Alternative muß auch erwogen werden,
1 7 6
§ 315 BGB dient insbesondere dazu, die Austauschgerechtigkeit zu erhöhen, vgl. v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 57; MK-Söllner, § 315 Rdn. 16. 1 7 7
BAG SAE 1977, 220 ff (223) mit Anm. v. Grunsky; v. Hoyningen-Huene, S. 119 f; MK-Söllner, § 315 Rdn. 14. 178
Hanau, Gutachten, Ε 26.
1 7 9
Vgl. Gaul, NZA 1989, 697; ders., Betriebsübergang, S. 94.
4. Konkurrenzrechtliche Erlaubnis und Änderungskündigung
93
wenn die Bindung an die Einwüligung auf vertraglicher Grundlage beruht, 1 8 0 denn wenn keine besonderen Gründe vorliegen, beispielsweise für Rücktritt oder Kündigung, kann sich keiner der Vertragspartner einseitig von der Bindungswirkung des Vertrages lösen. 1 8 1 Die Möglichkeit, sich von der Einwilligung durch Kündigung zu lösen, ist jedoch beschränkt. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß die Einwilligung, auch wenn sie auf gesonderter vertraglicher Grundlage beruht, nicht isoliert vom Arbeitsverhältnis gesehen werden kann. Vielmehr stehen die Bedingungen eines solchen Vertrages in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag und in Wechselwirkung mit diesem, da sie Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis regeln. Die Vereinbarung dieser Nebenpflichten steht in einem ausgewogenen Verhältnis von gegenseitigem Geben und Nehmen, 1 8 2 unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie getroffen w i r d . 1 8 3 Wollte man einer Partei das uneingeschränkte Recht einräumen, durch Kündigung die vertraglich festgelegten Bedingungen des Arbeitsverhältnisses gegen den Wülen der anderen Partei einseitig zu ändern, würde das vertragliche Äquivalenz- und Ordnungsgefüge empfindlich gestört. Erne solche Kündigung wäre als Teükündigung anzusehen, 184 die nach zutreffender Ansicht aus den genannten Gründen unzulässig ist. In Betracht kommen kann jedoch - neben der Möglichkeit der Umgestaltung durch Änderungsvertrag - eine Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Verbindung mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzuführen. 185 Die Änderungskündigung kann als ordentliche oder außerordentliche Kündigung erklärt werden. 1 8 6 Wegen des im Rahmen des Kündigungsschutzrechts geltenden ultima-ratio-Prinzips hat die Änderungskündigung grundsätzlich Vorrang 1 8 0 Zu denken ist hier an die auf vertraglicher Grundlage beruhende Einwilligung bzw. an die Nebentätigkeitsvereinbarung mit (vorweggenommener) Einwilligung. 181
Medicusy Bürgerliches Recht, Rdn. 31; Esser/Schmidt,
1 8 2
Vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung.
§ 24 vor I.
183 G.Hueck, RdA 1968, 201 ff (204). Dies wird beispielsweise in dem Fall deutlich, in dem ein Arbeitnehmer aufgrund der Bereitschaft des Arbeitgebers, mit einer vertraglichen Abrede in die Konkurrenztätigkeit einzuwilligen, von einer zuvor ins Auge gefaßten Kündigung des Arbeitsverhältnisses absieht. 1 8 4 G.Hueck, RdA 1968, 201 ff (202); zur Teilkündigung vgl. ferner die Nachweise bei KR-Wolf, Grunds. D. II. 4. 185 KR-Wolfy Rdn. 127; zu den Erscheinungsformen der Änderungskündigung vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 137 I. 3; Schwerdtner, 25 Jahre BAG, S. 555 ff (556
ο· 1 8 6
BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung; LöwischlKnigge, Anm. zu BAG a.a.0; BAG DB 1986, 2236; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 123 III. 4. Zur außerordentlichen Änderungskündigung siehe Unten Teil II, Abschn. B, 2. Kap., 5.
94
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
vor der Beendigungskündigung. 187 Bei einer Änderungskündigung müssen alle Erfordernisse einer Kündigung und die Regeln des Kündigungsrechts einschließlich des KSchG eingehalten werden, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen. 188 Bei Anwendbarkeit des KSchG kommt es deshalb auf die soziale Rechtfertigung der ordentlichen Änderungskündigung an (§ 2 KSchG). 1 8 9
b) Die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung zur Beseitigung der Einwüligung \
Zur Begründung der Änderungskündigung könnten dringende betriebliche Gründe angeführt werden. Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung ist, daß dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur Änderungskündigung sich auf solche Änderungen beschränkt hat, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen m u ß . 1 9 0 Ferner muß die Sozialauswahl fehlerfrei i.S.v. § 1 Abs. 3 KSchG sein. 1 9 1 Die Grundlage der betriebsbedingten Kündigung ist meist die unternehmerische Entscheidung, 192 die die betrieblichen Bedürfnisse bestimmt und die einem veränderten Arbeitsbedarf Rechnung trägt. Die unternehmerischen Ent-
1 8 7
BAG AP Nr. 70 zu § 626; BAG AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 137 I.,5.; krit. MK-Schwerdtner, vor § 620 Rdn. 245, 249 (252 ff). 1 8 8
Löwischl Knigge, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung; MK-Schwerdtnery vor § 620 Rdn. 44; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 137 I. 2; Hiersemanny ARdGw Band 6 S. 67 ff (72). 1 8 9 Unterfällt die Änderungskündigung nicht dem KSchG, kann sie ausgesprochen werden, ohne daß sie sozial gerechtfertigt sein muß. Der Arbeitnehmer hat lediglich die Wahl, ob er das Änderungsangebot annimmt oder nicht, Dänzer-Vanotti/Engelsy DB 1986, 1390. 1 9 0 BAG EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 34; BAG EZA § 2 KSchG Nr. 6 mit Anm. v. Löwisch/B ernards; BAG NZA 1987, 155; BAG AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG (unter IV. 1 der Gründe); BAG BB 1990, 1843 (1844); vgl. auch Ra-
tajczaky S. 120. 191 1 9 2
BAG NZA 1987,155.
Hierzu gehören Entscheidungen, die der Unternehmer im Hinblick auf den Markt trifft, wie beispielsweise die Entscheidung über die Hereinnahme oder Nichthereinnahme eines Auftrags, die Planung der Absatzgebiete, die Werbung sowie die Einkaufspolitik. Ebenso gehören hierzu unternehmensinterne Entscheidungen, wie Betriebseinschränkungen, Änderungen des Betriebszwecks, des Produktions- und Investitionsprogramms, Rationalisierungsvorhaben und Organisationsänderungen, vgl. nur BAG EZA § 1 KSchG Nr. 54.
4. Konkurrenzrechtliche Erlaubnis und Änderungskündigung
95
Scheidungen unterliegen nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle. 1 9 3 Sie können nur daraufhin untersucht werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erfolgten. 194 Keine hinzunehmende Organisationsentscheidung ist die Kündigung selbst; sie kann nur deren Folge sein. 1 9 5 Auszugehen ist somit vom Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung.196 Gerichtlich überprüfbar ist damit jedoch, ob dringende innerbetriebliche oder außerbetriebliche Umstände vorliegen, die die Kündigung bedingen. 197 So kann von den Arbeitsgerichten überprüft werden, ob unter Berücksichtigung von Vertrags- und Betriebsfaktoren die Arbeitsmenge für eine weitere Besetzung des Arbeitsplatzes ausreicht oder nicht. 1 9 8 Nur wenn feststeht, daß für die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer infolge inner- oder außerbetrieblicher Umstände kein Bedürfnis mehr besteht, kann eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. 1 9 9 Das Erfordernis, daß zur sozialen Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung die Beschäftigungsmöglichkeit entfallen muß, ist für die Beendigungskündigung entwickelt worden. Überträgt man dieses Erfordernis unbesehen auf die Änderungskündigung, so führt dies zu Schwierigkeiten, wenn der Arbeitsplatz beibehalten werden soll und lediglich einzelne Bedingungen sich ändern sollen - wie beispielsweise die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit: Die Änderungskündigung, die lediglich die Beseitigung der Einwilligung zum Ziel hat, wäre sozial nicht gerechtfertigt, weil das Beschäftigungsbedürfhis nicht entfallen ist. Damit stellt sich die Frage, wie das Kriterium, daß die Beschäftigungsmöglichkeit entfallen sein muß, in den Fällen ersetzt werden kann, in denen der ursprüngliche Arbeitsplatz beibehalten wird. Im Schrifttum ist erwogen worden, 193 Schaub, NZA 1987, 217 (218) m.w.Nachw.; ders., Arbeitsrechtshandbuch § 131 I 2 a; a.A. Schwerdtner, ArbR I, S. 176, der sich gegen jegliche gerichtliche Kontrolle von Unternehmerentscheidungen ausspricht. 1 9 4
Vgl. nur BAG AP Nr. 8 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG EZA § 1 KSchG Nr. 54\Berger-Delhey, DB 1991, 1571 (1572) m.w.Nachw. 195
BAG DB 1986, 2442; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn. 298; Schaub, NZA 1987, 217
(218). 1 9 6
Vgl. nur BAG AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; KRBecker, § 1 KSchG Rdn. 294 m.w.Nachw. 1 9 7
Innerbetriebliche Gründe können Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einstellung der Produktion sein. Umsatzrückgang, Gewinnverfall oder Unrentabilität gehören zu den außerbetrieblichen Umständen, Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 113 I 3 a u. b. 1 9 8 1 9 9
BAG AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; Schaub, NZA 1987, 217 (218).
BAG AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.
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II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
auf eine Interessenabwägung abzustellen. 200 So stünde dem Interesse des Arbeitnehmers am Inhaltsschutz bezüglich der Reichweite des Wettbewerbsverbots das Interesse des Arbeitgebers an Erhalt und Ausbau des Betriebes und seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht mit § 2 KSchG zu vereinbaren, da diese Vorschrift ausdrücklich auf § 1 Abs. 2, S. 1 - 3 KSchG verweist. 201 Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist stets erforderlich, daß neben der Prüfung des betrieblichen Erfordernisses eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessenlage stattfindet. Entweder geschieht dies im Rahmen der Dringlichkeitsprüfung oder bei einer abschließenden Interessenabwägung.202 Würde bei der Änderungskündigung lediglich auf die Interessenlage abgestellt, würde dies einem Verzicht auf die Prüfung des betrieblichen Erfordernisses entsprechen. Im Ergebnis bestünde die Gefahr, daß reine Billigkeitserwägungen über die Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung entscheiden würden und somit erheblicher Rechtsunsicherheit Vorschub geleistet würde. 2 0 3 Dies ist abzulehnen; allein die Suche nach einem Ersatz für das Erfordernis des Wegfalls des Arbeitsplatzes rechtfertigt es nicht, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung, bei der der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz beibehalten soll, nur eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Auch ein im Vergleich zur Beendigungskündigung milderer Prüfüngsmaßstab kann das Kriterium des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit nicht ersetzen. 204 Aus § 2 KSchG läßt sich nicht entnehmen, daß bei der Änderungskündigung ein milderer Prüfungsmaßstab angewendet werden müßte. 2 0 5 Zu Recht hat Schwerdtner darauf hingewiesen, daß erne ordenüiche oder außerordentliche Änderungskündigung nur dann sozial gerechtfertigt bzw. rechtswirksam sein könne, wenn auch eine ordentliche oder außerordentliche Beendi-
2 0 0
So wohl auch Herschel/Löwisch,
§ 2 Rdn. 34.
2 0 1
So auch Dänzer-Vanotti/Engels, DB 1986, 1390 ff für die betriebsbedingte Änderungskündigung zur Senkung von Lohnkosten. 2 0 2
Vgl. hierzu Borrmann, ARdGw, Band 28, S. 71 (84 ff); nach BAG AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. Bei einer betriebsbedingten Kündigung kann die Interessenabwägung sich jedoch nur in seltenen Fällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. 2 0 3
Im Ergebnis ebenso Dänzer-Vanotti/Engels,
a.a.O.
2 0 4
So das BAG in AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung mit Anm. von Lieb; ders., Arbeitsrecht S. 107; Herschel-Löwisch, § 2 Anm. 31; vgl. ferner die ausführlichen Darstellungen des Meinungsstands bei KR-Rost, § 2 KSchG Rdn 78 ff m.w.Nachw. in Rdn. 80 ff sowie MK-Schwerdtner, vor § 620 Rdn 651 ff m. zahlr. Nachw.; ferner Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 137 III. 3. 2 0 5
MK-Schwerdtner, vor § 620 Rdn. 661; Lieb, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung; Dänzer-Vanotti/Engels, DB 1986 1390, 1392.
4. Konkurrenzrechtliche Erlaubnis und Änderungskündigung
97
gungskündigung gerechtfertigt sei. 2 0 6 Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß nach Ablehnung des Änderungsangebots die Änderungskündigung zur reinen Beendigungskündigung w i r d . 2 0 7 Aus einem bei der Änderungskündigung im Vergleich zur Beendigungskündigung anderen Prüfungsgegenstand darf deshalb keine Änderung des Prüfungsmaßstabes abgeleitet werden. Diese Überlegung hat zur Folge, daß für die betriebsbedingte Änderungskündigung zwar nicht verlangt werden kann, daß die Beschäftigungsmöglichkeit tatsächlich entfallen ist, sondern nur, daß sie entfallen würde, wenn das Arbeitsverhältnis unter den bisherigen Bedingungen weitergeführt werden würde. 2 0 8 Eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die die Lösung von der Einwüligung zum Ziel hat, kann somit nur gerechtfertigt sein, wenn ohne den Wegfall der Einwilligung die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfiele. Darüberhinaus ist jedoch auch erforderlich, daß die betriebsbedingten Gründe dringend sind. Dringend sind sie, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch Kündigung zu entsprechen. Nach der Rechtsprechung liegt insoweit kerne verdeckte Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung vor, sondern es wird mit diesem Erfordernis vielmehr dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen. Im Rahmen der Dringlichkeit genügt es nicht, wenn die dem unternehmerischen Konzept entsprechende Maßnahme an sich geeignet wäre, den angestrebten Zweck zu erreichen. Unter mehreren geeigneten Mitteln muß vielmehr dasjenige gewählt werden, das den Arbeitnehmer am wenigsten belastet. 209 Damit kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, daß die Änderungskündigung, die auf die Lösung von der Einwüligung in die Wettbewerbstätigkeit gerichtet ist, sich nur dann auf betriebsbedingte Gründe stützen kann, wenn ohne sie der Arbeitsplatz entfallen würde und die Änderung geeignet ist, den Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern und sich als müdest mögliches Mittel darstellt. 210 Legt man diese allgemeinen Grundsätze dem Fall zugrunde, daß ein Arbeitgeber beabsichtigt, in dem von der Einwilligung erfaßten Geschäftszweig selbst verstärkt tätig zu werden, so läßt sich feststellen, daß einem solchem Vorhaben 2 0 6
Schwerdtner,
2 0 7
MK-Schwerdtner,
25 Jahre BAG, S. 555 ff (571); ders., M K vor § 620 Rdn. 660. a.a.O. Rdn. 662.
2 0 8
So auch Dänzer-Vanotti/Engels,
2 0 9
BAG BB 1990, 1843 (1845) m.w.Nachw.
2 1 0
DB 1986, 1390 (1392).
Für die Senkung von Lohnkosten im Ergebnis ebenso Dänzer-Vanotti/Engels, DB 1986 1390 (1392).
98
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
eine unternehmerische Entscheidung zugrundeliegt, die augenscheinlich nicht unsachlich, unvernünftig oder wülkürlich ergeht. 211 Es käme somit eine Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. Nach dem soeben Ausgeführten setzt die Änderungskündigung aus dringenden betrieblichen Gründen jedoch voraus, daß die Beschäftigungsmöglichkeit entfallen müßte, wenn das Arbeitsverhältnis unter den bisherigen Bedingungen weitergeführt werden würde. So könnte in der bloßen Absicht des Arbeitgebers, in dem von der Erlaubnis erfaßten Geschäftsbereich verstärkt tätig werden zu wollen, kein dringendes betriebliches Erfordernis erkannt werden, weil nicht ohne weiteres angenommen werden kann, daß die Beschäftigungsmöglichkeit entfiele, wenn die Einwilligung weiterhin bestehen bleibt. Dagegen könnte ein dringendes betriebliches Erfordernis grundsätzlich in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber den Betrieb sanieren muß und deshalb zur Vermeidung einer Betriebsstülegung selbst dringend auf die Geschäftstätigkeit in dem von der Einwilligung erfaßten Geschäftszweig angewiesen ist. Entsprechend hat das BAG - allerdings im Zusammenhang mit der Senkung von Personalkosten - ausgeführt, daß eine wirtschaftliche Notlage für eine betriebsbedingte Änderungskündigung ausschlaggebend sein kann. Die Unrentabüität könne ohne weitere Rationalisierungsmaßnahmen ein Grund für eine betriebsbedingte Änderungskündigung sein, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stillegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden könne. 2 1 2 Allerdings hat das BAG neuerdings auch entschieden, daß weder die Unrentabüität einer Betriebsabteilung noch der Umstand, daß die dort verursachten Kosten deutlich über den Marktpreisen lägen, Änderungskündigungen sozial rechtfertigen könnten, die mit dem Ziel erklärt worden waren, außertarifliche Zulagen abzubauen. Es sei auf den gesamten Betrieb abzustellen, wobei auch Erträge in anderen Abteüungen berücksichtigt werden müßten. 2 1 3 Trotz dieser einengenden Rechtsprechung können Fälle vorstellbar sein, wonach die Beseitigung der Einwüligung zumutbar und geeignet ist, um als dringendes betriebliches Erfordernis die betriebsbedingte Änderungskündigung sozial zu rechtfertigen. Zu denken wäre hier insbesondere an notleidende Kleinbetriebe, für die andernfalls die Alternative der Betriebsschließung in Betracht käme. Allerdmgs wird auch in diesen Fällen zu bedenken sein, daß der Arbeit2 1 1
Vgl. dazu die Nachw. oben zu Fußn. 194.
2 1 2
BAG EZA § 2 KSchG Nr. 6, Bl. 46. Auch Hanau, Gutachten, Ε 28 ist der Ansicht, daß der Arbeitgeber nach §§ 2, 4 KSchG eine Änderungskündigung aussprechen könne, um sanierungsgerechte Arbeitsbedingungen zu erreichen, wenn dies zur Erhaltung des Unternehmens erforderlich ist. 2 1 3
BAG DB 1990, 2024; vgl. hierzu Berger-Delhey, DB 1991, 1571 ff.
4. Konkurrenzrechtliche Erlaubnis und Änderungskündigung
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geber trotz einer erteüten Einwüligung in dem sie betreffenden Geschäftszweig tätig sein kann. Besondere Aufmerksamkeit verdient deshalb auch der Aspekt der Dringlichkeit. Im Ergebnis läßt sich daher feststellen, daß die betriebsbedingte Änderungskündigung zur Beseitigung der Einwilligung nur unter der engen und wohl selten vorzufindenden Voraussetzung gerechtfertigt ist, daß ohne die Änderung die Beschäftigungsmöglichkeit entfiele.
c) Die Kausalitätsproblematik
Schwieriger gestaltet sich die Frage nach der Wirksamkeit der Änderungskündigung, wenn sie im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgesprochen wird. Nach § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB ist eine Kündigung unwirksam, wenn sie vom bisherigen Arbeitgeber oder vom neuen Inhaber "wegen" des Betriebsübergangs ausgesprochen wird. Unberührt bleibt dabei gemäß § 613 a Abs. 4 S. 2 BGB das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen. 214 Nach einhelliger Meinung im Schrifttum bezieht sich das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 BGB auch auf Änderungskündigungen. 215 Die Beurteilung der Wirksamkeit der Änderungskündigung mit dem Ziel der Beseitigung der Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit hängt damit unmittelbar von der Beurteüung der Kausalitätsproblematik ab. Dabei muß das Verhältnis der beiden Sätze in § 613 a Abs. 4 BGB aufgeschlüsselt werden. Wenig Schwierigkeiten bereitet die Kausalitätsfrage, wenn der Betriebsübergang eindeutig die alleinige Ursache der Änderungskündigung war. Dies kann sich bereits aus der Kündigungsbegründung 216 oder aus anderen belegbaren Äußerungen des Arbeitgebers - beispielsweise anläßlich der Übernahmever2 1 4 § 613 a Abs. 4 BGB enthält ein eigenständiges Kündigungsverbot, das nicht nur die Sozialwidrigkeit einer Kündigung bestätigt, die nach § 1 KSchG zu beurteilen wäre, BAG AP Nr. 40 zu § 613 a BGB; KR-Wolf, § 613 a Rdn. 106; Hillebrecht, NZA 1989, Beil. 4, 10 (13). Zu der bis 31.12.1992 befristet geltenden besonderen Regelung für die neuen Bundesländer (§ 16 SpTrUG i.V.m. Art. 232 § 5 EGBGB) vgl. ausführlich Commandeur, NZA 1991, 705 ff. 2 1 5 Bauer, DB 1983, 713; ders., Unternehmensverkauf S. 82; ders., in Hölters V Rdn. 92; Besgen, A i B 1986, 131; Bieler, BB 1981, 435 (437); Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 120; Falkenberg, DB 1980, 783; Hess/Gotters, BIStSozArbR 1984, 74 ff(75); Kracht, S. 126; Kreitner, S. 123; Wickler, S. 109 m.w. Nachw.; KR-Wolf, § 613 a Rdn. 108; Palandt-Putzo, § 613 a Anm. 5 a, aa; Schaub, ARdGw Bd. 18, S. 71 (77); ders., Arbeitsrechtshandbuch § 118 V I I I 2 a; ders., M K § 613 a Rdn. 46; ders., ZIP 1984, 272 (276); Seiter, S. 114; Wollenschläger, JA 1987, 11 (12). 2 1 6 Nach der Rechtsprechung des BAG ist allerdings nicht die Bezeichnung des Kündigungsgrundes allein maßgebend, sondern es kommt darauf an, ob tatsächlich der Betriebsübergang tragender Grund der Kündigung war, BAG AP 74 zu § 613 a BGB (Bl. 831); BAG A P 75 zu § 613 a BGB (Bl. 59).
100
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
handlungen - ergeben. In diesen Fällen ist die Änderungskündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot unwirksam. 2 1 7 Solche Fallgestaltungen werden indessen vergleichsweise selten auftreten. Gerade angesichts des im Gesetz festgehaltenen Kündigungsverbots wird es der Arbeitgeber vermeiden, sich bei Ausspruch der Änderungskündigung auf den Betriebsübergang zu berufen. Die Kausalitätsfrage stellt sich deshalb vor allem dann, wenn Betriebsübergang und Gründe, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermögen, zusammentreffen. Bei solchen "Mischtatbeständen" ist zweifelhaft, wo die Grenze zu ziehen ist, jenseits derer eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde und infolgedessen als unwirksam anzusehen ist.218 In der Literatur ist versucht worden, die Kausalitätsproblematik allein durch positive Bestimmung des Merkmals "wegen des Übergangs" einer Lösung näher zu bringen. Der Versuch, qua definitionem eine quantitative Grenze für den Anteü des Betriebsübergangs am Kündigungsgrund bzw. -motiv ziehen zu wollen, erweist sich jedoch zur exakten Grenzziehung als wenig hüfreich. 2 1 9 Definitionsversuche wie "überwiegende Ursache", 220 "wesentlich mitbestimmender Grund", 2 2 1 "wesentlich bedingendes M o t i v " 2 2 2 erlauben im Grunde ebensowenig eine genaue Grenzziehung wie die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, sofern sie isoliert zur Bestimmung der Kausalität herangezogen werden. Die Rechtsprechung des BAG hat deshalb für die Mischtatbestände im Anschluß an Willemsen 2 2 3 methodisch einen etwas anderen Weg gewählt. 2 2 4 Aus dem Normzweck ergebe sich, daß § 613 a Abs. 4 BGB gegenüber § 613 a Abs. 1 BGB nur eine Komplementärfunktion habe und als spezialgesetzliche Rege-
2 1 7
Kreitner,
S. 52, 74; Kracht, S. 100; Wickler,
S. 25; Schreiber, RdA 1982, 137
(147). 2 1 8
Kracht, S. 100 f; Wickler,
2 1 9
Zur Kritik vgl. ausführlich Kreitner,
S. 37. S. 56 f.
2 2 0
MK-Schaub y § 613 a Rdn. 47; ders., Arbeitsrechtshandbuch § 118 V 2 b; ders., ARdGw Bd. 18 S. 71 (77). 2 2 1 Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 82; ders., in: Hölters V Rdn. 93; ders., DB 1983, 713; Beisel/Klumpp, Rdn. 516; Schreiber, RdA 1982, 137 (148); KR-Wolf, § 613 a Rdn. 112; Tschöpe, S. 47. 2 2 2
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 112; ähnl. Mohrbutter, NZA 1985,105 (106).
2 2 3
Willemsen, ZIP 1983, 411 (412 f); vgl. auch ders., ZIP 1986,477 (487).
2 2 4
Die Methode des BAG wird gelegentlich als "Negativabgrenzung" bezeichnet, S. 47 ff; Kreitner, S. 57 ff.
Wickler,
4. Konkurrenzrechtliche Erlaubnis und Änderungskündigung
101
lung des allgemeinen Umgehungsverbots verhindern solle, daß der Bestandsschutz nach § 613 a Abs. 1 BGB funktionslos gestellt werde. 2 2 5 Aus einem Vergleich von § 613 a Abs. 4 S. 2 mit § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB ergebe sich, daß nicht jede Kündigung, die im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgesprochen wird, am Verdikt des § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB scheitern müsse. Für die Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB sei stets zu prüfen, ob es - neben dem Betriebsübergang - einen sachlichen Grund gebe 2 2 6 , der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermöge. Dabei komme es auf die Frage der Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB bereits nicht mehr an, wenn die Kündigung aus "anderen Gründen" i.S.d. § 613 a Abs. 4 S. 2 BGB nicht wirksam sei. 2 2 7 Sei dagegen ein sachlicher Grund vorhanden, der die Kündigung rechtfertigen könne, sei darauf abzustellen, ob der Betriebsübergang nur äußerer Anlaß oder der tragende Grund für die Kündigung gewesen sei. Dementsprechend sei eine Kündigung rechtsunwirksam, bei der der Betriebsübergang Beweggrund für die Kündigung sei, mithin das Motiv für die Kündigung wesentlich durch den Betriebsübergang bedingt w a r . 2 2 8 Gegen diese Rechtsprechung ist unter anderem kritisch eingewandt worden, daß für ein Kriterium des "sachlichen Grundes", sofern ihm ein eigener materiellrechtlicher Gehalt zugeordnet werden solle, im geltenden Kündigungsschutzsystem kein Raum sei. 2 2 9 Wolle man dagegen das Kriterium als reines Umgehungsverbot verstehen, dann habe dies zur Folge, daß es sich bei § 613 a Abs. 4 BGB um eine im Grunde überflüssige Vorschrift handle. 230
2 2 5
BAG AP Nr. 34, BAG AP Nr. 40, BAG AP Nr. 74, BAG AP Nr. 75 zu § 613 a BGB; Willemsen, ZIP 1983, 411 (413); Gaul, Betriebsübergang, S. 175; Erman-Hanau, §613 a Rdn. 117 ff. 2 2 6 In den Entscheidungen BAG AP Nr. 34 (Bl. 1318), BAG AP Nr. 39 (Bl. 722 R.), BAG AP Nr. 47 (Bl. 890 R.) zu § 613 a BGB ist in Anlehnung an Willemsen, ZIP 1983, 411 (412) vom Erfordernis des "sachlichen Grundes" die Rede. 2 2 7
BAG AP Nr. 39 (Bl. 722) zu § 613 a BGB.
2 2 8
Ständige Rechtsprechung seit BAG AP Nr. 34 (B I I I 1 und V 1 der Gründe) zu § 613 a BGB; BAG AP NR. 39 (B I I I 1 der Gründe), BAG AP Nr. 40 (IV 2 b der Gründe), BAG AP Nr. 47 (B II 2 b der Gründe), BAG AP Nr. 74 (IV 1 a der Gründe), BAG AP Nr. 75 (V 2 b cc der Gründe) zu § 613 a BGB; ebenso LAG Frankfurt LAGE (Stahlhacke) § 613 a Nr. 16. 2 2 9 2 3 0
Kreitner,
S. 59 m.w.Nachw.; Vossen, BB 1984,1557 f.
Kreitner, a.a.O. m.w.Nachw.; nach Hillebrecht, NZA 1989, Beil. 4 S. 10 (12) kommt § 613 a Abs. 4 tatsächlich nur eine Komplementärfunktion bzw. deklaratorische Wirkung zu. Kritisch zur Rechtsprechung des BAG auch Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 211 sowie Wickler, S. 48, der der Ansicht ist, daß es sich bei dem Wirksamkeitserfordernis des sachlichen Grundes nur um eine "Leerformel" handle, wenn es lediglich zur Bestimmung dessen diene, was sich ohnehin aus § 1 Abs. 2 KSchG ergebe.
102
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
Dieser Kritik an der Rechtsprechung des BAG kann nicht gefolgt werden. Das BAG hat das Kriterium des "sachlichen Grundes" nicht isoliert zur Bestimmung der Kausalität herangezogen, sondern deutlich gemacht, daß es im Grunde darum gehe, eine Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB zu verhindern. 231 Eine Umgehungsprüfung kann jedoch nur erfolgen, wenn sich objektiv aus den Umständen eine Umgehung ergeben kann, wenn also eine an sich wirksame Kündigung und der Betriebsübergang zusammentreffen. Wenn das BAG eine Prüfung des sachlichen Grundes, der "aus sich heraus" die Kündigung rechtfertigen könne, für erforderlich hält, so kann dies nur als notwendiger Zwischenschritt zur Prüfung der Umgehung des § 613 a Abs. 1 S.l B G B , 2 3 2 nicht aber als zusätzliches Unwirksamkeitskriterium verstanden werden. Die Ansicht, daß im geltenden Kündigungsrecht kein Raum für das zusätzliche Kriterium des sachlichen Grundes bestehe, geht deshalb insoweit fehl. 2 3 3 Als Zwischenergebnis kann somit für das Kausalitätsproblem folgendes festgehalten werden: Auch Änderungskündigungen fallen unter das Verbot des § 613 a Abs. 4 BGB. Nicht jede Änderungskündigung, die sich auf die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit bezieht und die im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgesprochen wird, erfolgt "wegen" des Betriebsübergangs. Die Kündigung aus anderen Gründen bleibt vom Verbot des § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unberührt. Unwirksam sind nach dem Verdikt des § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB nur solche Änderungskündigungen, bei denen die Kausalität feststellbar ist. Ob die Änderungskündigung "wegen" des Betriebsübergangs erklärt wurde, muß vor dem Hintergrund untersucht werden, daß § 613 a Abs. 4 BGB dazu dient, eine Umgehung des Bestandsschutzgedankens nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zu verhindern. Die Umgehung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB und damit ein Verstoß gegen § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB läßt sich nur feststellen, wenn objektiv die Voraussetzungen hierfür gegeben sind und subjektiv der Betriebsübergang tragender Beweggrund für die Kündigung war.
2 3 1
BAG AP Nr. 34 zu § 613 a BGB; Hillebrecht, NZA 1989, Beil. 4, 10 (12).
2 3 2
Kracht, S. 101 f.
2 3 3
Zustimmmend auch Hillebrecht, NZA 1989, Beil. 4, 10 (13). Dagegen schlägt Kreitner, S. 74 ff vor, mit Hilfe verfeinert τ objektiver Kriterien, beispielsweise dem zeitlichen und funktionellen Zusammenhang, eine wertende Zuordnung zu den Kündigungen vorzunehmen, die wegen Betriebsübergang erfolgten. Auf den zeitlichen Zusammenhang stellt u.a. auch das BAG AP Nr. 75 zu § 613 a BGB (Bl. 59 R) ab; vgl. insoweit auch Angermann, S. 113 u. 145; Gaul, in: Boewer S. 140 (146).
4. Konkurrenzrechtliche Erlaubnis und Änderungskündigung
103
d) Ergebnis
Für die Änderungskündigung bezüglich der vorbehaltlos erteilten Einwilligung, die im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgesprochen wird, läßt sich damit folgendes Ergebnis finden: Ausgehend von der Rechtsprechung des BAG zur Kausalität muß gefragt werden, ob es einen sachlichen Grund gibt, der die Änderungskündigung aus sich heraus rechtfertigen kann. Bei der Frage, ob es Gründe gibt, die die Änderungskündigung zu rechtfertigen vermögen, muß sodann unterschieden werden zwischen Kündigungssachverhalten, auf die das KSchG anzuwenden ist und solchen, die nur im Rahmen der allgemeinen Maßstäbe überprüft werden (§§ 134,138,242 BGB). Ist das KSchG anwendbar, dann ist nach dem zuvor Gesagten die Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen mit dem Ziel der Beseitigung der Einwüligung nur gerechtfertigt, wenn ohne die Änderungskündigung der Arbeitsplatz entfallen würde und die Änderung geeignet ist, den Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern und die Änderungskündigung sich als müdest mögliches Mittel darstellt. 234 Damit sind die Anforderungen an die soziale Rechtfertigung zur Beseitigung der Einwüligung so hoch gestellt, daß sie nur ausnahmsweise erfüllt sein können. Ausgehend von dieser Überlegung erscheint es kaum mehr möglich, daß bei sozialer Rechtfertigung der Änderungskündigung noch der Nachweis gelingen könnte, daß der Betriebsübergang der tragende Grund der Änderungskündigung war. Vielmehr wird man von dem Grundsatz ausgehen müssen, daß der durch § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB gewährleistete Bestandsschutz im allgemeinen nicht umgangen wird, wenn die Änderungskündigung zur Beseitigung der Einwilligung aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt ist. Wegen der hohen Anforderungen an die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung überwiegen die betriebsbedingten Gründe, so daß im Rahmen der Kausalitätsprüfung den betriebsübergangsbedingten Gründen grundsätzlich kaum noch Bedeutung zugemessen werden kann. Der Betriebsübergang kann insoweit grundsätzlich nicht mehr das wesentlich bedingende Motiv der Änderungskündigung sein. Anders stellt sich die Sachlage dar, wenn das KSchG nicht anwendbar ist. Dann findet eine Überprüfung der Kündigung lediglich an allgemeinen Maßstäben statt. Hier kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Änderungskündigung auch "wegen" des Betriebsübergangs erfolgt. Läßt sich in diesen Fällen die Kausalität feststellen, ist die Änderungskündigung wegen § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam.
2 3 4
Vgl. oben II. Teil, Abschn. B, Kap. 2, 4 b.
104
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
So wäre beispielsweise eine Änderungskündigung unwirksam, die ausschließlich unter Druck des Erwerbers ausgesprochen werden würde. Lehnt es der Erwerber ab, einzelne Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, wäre für die deshalb ausgesprochene Änderungskündigung der Betriebsübergang tragender Grund. Aus Entstehungsgeschichte, Gesetzestext und Normzweck des § 613 a BGB folgt, daß eine Kündigung "auf Druck" des potentiellen Erwerbers ausgeschlossen ist und nicht willkürlich zu Lasten der Arbeitnehmer erkauft werden kann. 2 3 5 In den Fällen fehlender Anwendbarkeit des KSchG bietet es sich an, bei der Prüfung der Kausalitätsfrage zu ermitteln, ob Gründe vorhanden sind, denen eine ähnlich schwerwiegende Bedeutung zukommt wie dem dringenden betrieblichen Erfordernis bei der sozialen Rechtfertigung des KSchG. Ist durch die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen und durch die künftige Konkurrenztätigkeit nur eine geringe Auswirkung zu befürchten, spricht ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wird. Sind dagegen Gründe vorhanden, die eine betriebsbedingte Kündigung unter Anwendung des KSchG rechtfertigen könnten, spricht dies gegen die Kausalität. Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß eine Änderungskündigung hinsichtlich der vorbehaltlos erklärten Einwüligung zunächst auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen ist. Nur selten wird sich feststellen lassen, daß die Voraussetzungen des KSchG erfüllt sind. Ist dies ausnahmsweise doch der Fall, läßt sich regelmäßig nicht davon sprechen, daß der Betriebsübergang tragender Grund der Änderungskündigung gewesen sei. Dagegen kann die Kausalität eine Rolle spielen, wenn das KSchG nicht anwendbar ist. Hier ist nach den vom BAG zur Kausalität entwickelten Grundsätzen zu prüfen, ob der Betriebsübergang tragender Beweggrund für die Änderungskündigung war. Ist dies der Fall, ist die Änderungskündigung wegen ernes Verstoßes gegen § 613 a Abs. 4. S. 1 BGB unwirksam.
5. Außerordentliche Änderungskündigung zur Beseitigung der Einwilligung? Denkbar wäre auch, daß der Arbeitgeber versuchen möchte, sich von der Einwüligung durch außerordentliche Änderungskündigung zu befreien. Die 2 3 5 Willemsen, ZIP 1983, 411 (415); BAG AP Nr. 34 zu § 613 a BGB m. Anm. v. Grunsky; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 128; Kerschner/Köhler, S. 34; Kreitner, S. 107 m.w.Nachw.; KR-Wolf, § 613 a Rdn. 113; die Zulässigkeit einer Änderungskündigung wird für diesen Fall auch von Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 114, abgelehnt. Zur Rechtslage vor Einführung des § 613 a Abs. 4 BGB bereits Borngräber, S. 69.
6. Einwilligung und Wegfall der Geschäftsgrundlage
105
außerordentliche Änderungskündigung ist jedoch nur dann begründet, wenn für die Änderung ein wichtiger Grund besteht, § 626 Abs. 1 BGB. Die fristlose Abänderung des Vertrages muß unabweisbar erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar sein. 2 3 6 Zwar sind Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot an sich geeignet, einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung zu bilden. 2 3 7 Anders ist dies jedoch, wenn erne Einwüligung vorliegt und insoweit kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot gegeben ist. Hier würde die außerordentlichen Kündigung lediglich auf die Veränderungen der Interessenlage auf Seiten des Arbeitgebers gestützt. Soweit sie die Konkurrenztätigkeit betreffen, bahnen sich solche Veränderungen im allgemeinen nicht unvorhergesehen an. Die außerordentliche Änderungskündigung bezüglich der Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit wird deshalb grundsätzlich nicht begründet sein. Regelmäßig kann dem Arbeitgeber zugemutet werden, die Frist für die ordentliche Änderungskündigung abzuwarten. Zu bedenken güt ferner, daß auch der Arbeitnehmer, dem die Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit erteilt wurde, noch ausreichend Zeit haben muß, seine Geschäftstätigkeit im ordentlichen Geschäftsgang einzustellen. Auch beim Betriebsübergang kann, abgesehen von der Problematik um § 613 a Abs. 4 BGB, die außerordentliche Änderungskündigung grundsätzlich nicht begründet sein. Selbst wenn eine bislang durch vorweggenommene Einwüligung abgesicherte Nebentätigkeit infolge des Betriebsübergangs mit dem Geschäftszweig des neuen Betriebsinhabers konkurriert, kann bei Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Erwerber grundsätzlich zugemutet werden, an der Einwilligung bis zum Ablauf einer ordentlichen Änderungskündigung festzuhalten. 238 Das Prinzip der ultima ratio verwehrt also hier die Möglichkeit der außerordenüichen Änderungskündigung.
6· Anpassung der Einwilligung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage? Gerade das zuvor genannte Beispiel könnte zu der Überlegung führen, ob bei Betriebsübergang im Einzelfall der Rahmen der erlaubten Konkurrenztätigkeit nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage neu abgesteckt werden muß. Zu denken wäre hier insbesondere an die Fälle der Äquivalenzstö2 3 6
BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung; AP Nr. 10, AP Nr. 17 zu § 620 BGB Änderungskündigung. 2 3 7
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 125 V. 2.
2 3 8
Anderer Ansicht offenbar Gaul, NZA 1989, 697 (698).
106
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
rung. 2 3 9 Eine Anpassung der Vertragsbedingungen nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage könnte erfolgen, wenn das nach dem Vertrag vorausgesetzte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung durch ein unvorhersehbares Ereignis gestört würde. Bei Betriebsübergang wäre zu prüfen, ob dieser Fall in bezug auf die durch Einwilligung erlaubte Konkurrenztätigkeit eintreten kann, insbesondere dann, wenn der Schwerpunkt der geschäftlichen Betätigung des Erwerbers ausgerechnet im vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Geschäftszweig liegt. Eine Anpassung der Einwüligung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist jedoch abzulehnen. Zunächst ist davon auszugehen, daß es für die Beteüigten nicht als völlig unvorhersehbar angesehen werden kann, daß der Betrieb eines Tages veräußert werden und sich infolgedessen der Geschäftszweig verändern kann. Bereits deshalb ist für eine Anpassung der Einwüligung kein Raum. 2 4 0 Voraussehbare, von den Parteien in den Kreis der Erwägungen einbezogene Änderungen begründen kern Recht aus § 242 B G B . 2 4 1 Hinzu kommt, daß der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko übernommen hat. Dementsprechend steht ihm bei Erteilung der Erlaubnis zur Konkurrenztätigkeit ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung, das es ihm ermöglicht, je nach den Umständen des Einzelfalls die Einwüligung einseitig zu erklären, unter Widerrufsvorbehalt zu stellen oder gar vertraglich zu regeln. Die Art und Weise der Regulierung unterfällt somit seinem Risikobereich. Nach ständiger Rechtsprechung geben Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen, dieser grundsätzlich kein Recht, sich auf das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. 242 Etwas anderes könnte nur gelten, wenn das Äquivalenzverhältnis so stark gestört wäre, daß die Grenze des übernommenen Risikos überschritten und das Interesse der Beteiligten nicht mehr annähernd gewahrt wäre. 2 4 3 Dies ist bei der Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit jedoch grundsätzlich auch dann nicht der Fall, wenn sich infolge des Betriebsübergangs die Bedeutung der Geschäftszweige des Arbeitgebers wandelt. Eine Anpassung der Einwüligung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann somit in aller Regel nicht in Betracht kommen.
2 3 9
Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs,
§ 242 Anm. 6 C a.
2 4 0
Im Ergebnis ebenso Gaul, NZA 1989, 697 (698); ders., Betriebsübergang, S. 94.
2 4 1
BGH DB 1969, 833.
2 4 2 BGH NJW 1976, 566; BGH NJW 1978, 2391; vgl. ferner Palandt-Heinrichs, § 242 Anm 6 A d. m.w.Nachw. 2 4 3
BGHZ 77,198.
7. Änderungsvertrag
107
7. Änderungsvertrag Wie gezeigt wurde, ist eine einseitige Lösung von der Einwilligung in die Wettbewerbstätigkeit anläßlich des Betriebsübergangs nur in engen Grenzen möglich. Es fragt sich deshalb, ob es dem Schutzzweck des § 613 a BGB widerspricht, wenn der bisherige Inhaber bzw. der Erwerber im Zuge des Betriebsübergangs eine Vereinbarung über die Aufhebung der Erlaubnis zur Konkurrenztätigkeit schließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt der Schutzzweck des § 613 a BGB Änderungsvereinbarungen über einzelne Arbeitsbedingungen nicht grundsätzlich aus. Zwar könne die Vereinbarung unwirksam sein, wenn dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu angemessenen Bedingungen genommen werde. Im Einzelfall könnten aber sachliche Gründe für die Wirksamkeit solcher Verträge sprechen. 244 Solche sachlichen Gründe seien beispielsweise gegeben, wenn ein vertraglicher Verzicht auf freiwillig begründete Leistungen den Erhalt von Arbeitsplätzen erst ermögliche 245 oder wenn der Erlaß rückständiger Löhne den neuen Arbeitgeber erst in die Lage versetze, den Betrieb weiterzuführen. 246 Im Schrifttum wird das von der Rechtsprechung geforderte Kriterium des sachlichen Grundes überwiegend abgelehnt. 247 Kritisiert wird insbesondere, daß das BAG Auflösungsvereinbarungen, die sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis beziehen, ohne weitere Voraussetzungen für zulässig hält. 2 4 8 Wenn eine Auflösungsvereinbarung nicht gegen den Schutzzweck des § 613 a BGB verstoße, könne es den Parteien erst recht nicht verwehrt werden, einen inhaltlich 2 4 4
BAG AP Nr. 4 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB BAG AP Nr. 18 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 71 zu § 613 a BGB; BAP AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG. Ebenso: Birk, Anm. zu BAG EZA § 613 a BGB Nr. 11; Falkenberg, DB 1980, 783 (784); Fischer, S. 77; KR-Wolf § 613 a Rdn. 7. 2 4 5
BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB.
2 4 6
BAG AP Nr. 4 zu § 613 a BGB.
2 4 7
BeiseHKlumpp, Rdn. 535; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 72; Grunsky, Anm. zu BAG EWiR § 613 a BGB 4/86, S. 774; Hadding/Häuser, Anm. zu BAG SAE 1978, 54 (56); Kotthaus, S. 18; Kraft, FS-BAG, S. 299 (312); Kreitner, S. 191 f; Pietzko, S. 182; Roemheld, Anm. zu BAG SAE 1977, 298; Schwer dîner, FS-Müller, S. 1557 (584); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 99; ders., Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB; Soergel-Kraft, § 613 a Rdn. 26; Willemsen, RdA 1987, 327 (328). Für die Zulässigkeit von Aufhebungsverträgen auch Bauer, DB 1983, 713 (716); Schmalenberg, NZA 1989, Beil. 3,14 (25). 2 4 8
BAG AP Nr. 2 zu § 613 a BGB für eine Vereinbarung zwischen Erwerber und Arbeitnehmer; Voraussetzung ist allerdings auch hier, daß keine Umgehung des § 613 a Abs. 4 S. 1 vorliegt, vgl. hierzu BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung sowie Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 223.
108
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
anderen Vertrag rechtswirksam zu schließen, ohne an die vom BAG geforderten sachlichen Gründe gebunden zu sein. 2 4 9 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Bs ist nicht einzusehen, weshalb die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis zwar aufheben, kraft ihrer Vertragsautonomie nicht aber in gleicher Weise eine Änderung der Arbeitsbedingungen herbeiführen können sollen. Zuzustimmen ist der Ansicht des B A G , 2 5 0 daß der Zweck des § 613 a Abs. 4 BGB dahingehe, den Übergang des Arbeitsverhältnisses zu gewährleisten und Umgehungsgeschäfte, durch die dieses Regelungsziel vereitelt werden könnte, zu verhindern. Deshalb müssen auch Aufhebungsverträge aus Anlaß des Betriebsübergangs verboten sein, wenn sie vom Betriebsveräußerer allein veranlaßt werden, um dem bestehenden Kündigungsschutz auszuweichen. Eine Umgehung des Schutzzwecks des § 613 a BGB, insbesondere des § 613 a Abs. 4 BGB, kann jedoch in einer Vereinbarung zur Aufhebung der Einwüligung in die Wettbewerbstätigkeit nicht gesehen werden. Gegen eine solche Annahme spricht, daß der Arbeitnehmer keineswegs gezwungen ist, Angebote zum Abschluß eines Änderungsvertrages anzunehmen. Vielmehr kann er den Arbeitgeber darauf verweisen, den Weg über eine Änderungskündigung zu wählen. 2 5 1 Allein durch das Angebot eines Änderungsvertrages wird § 613 a BGB nicht funktionslos gestellt. Das Gesetz zielt nur darauf ab, den Arbeitnehmer vor einseitigen Änderungen seines Arbeitsvertrages von Seiten des gegenwärtigen oder künftigen Arbeitgebers zu schützen; § 613 a BGB bezweckt insoweit einen Schutz vor Fremdgefährdung, nicht aber einen Schutz vor möglicher Selbstbenachteüigung. 2 5 2 Der Vorschrift ist jedoch kein Hinweis zu entnehmen, daß die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien eingeschränkt sein soll. Daß Arbeitnehmer angesichts eines drohenden Verlusts des Arbeitsplatzes in existenziellen Drucksituationen auch bereit sein könnten, auf unbillige Forderungen einzugehen, ist, wie Willemsen 2 5 3 gezeigt hat, kein Spezifikum des Betriebsübergangs und der Schutznorm des § 613 a BGB. Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß der Inhaber bzw. Erwerber des Betriebes durch Änderungsvereinbarung grundsätzlich eine Lösung von der Einwüligung in die Konkurrenztätigkeit erreichen kann, ohne daß es eines sachlichen Grundes bedarf. Eine solche Vereinbarung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer eine Konkurrenztätigkeit ausübt, die den 2 4 9
Beisel/Klumpp, Rdn. 535; Kotthaus, S. 23; Roemheld, Anm. zu BAG SAE 1977, 298 (299); Soergel-Krafty § 613 a Rdn. 26; Willemsen, RdA 1987, 327 (329). 2 5 0
Vgl. BAG DB 1988,400.
2 5 1
Kotthaus, S. 15; Seiter, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 613 a BGB.
2 5 2
Pietzko, S. 38.
2 5 3
Willemsen, RdA 1987, 327 (330).
8. Zusammenfassung der Ergebnisse
109
Schwerpunkt des wirtschaftlichen Interesses des Erwerbers bildet. Hier kann möglicherweise gegen Zahlung einer Abfindung - erreicht werden, daß der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgibt, ohne daß die engen Voraussetzungen der Änderungskündigung vorliegen müssen. 254
8. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Untersuchung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das Wettbewerbsverbot, dessen Inhalt und Umfang durch den Arbeitgeber modifiziert wurde, hat folgende Ergebnisse erbracht: Der gesetzliche Umfang des Wettbewerbsverbots kann durch einseitige oder vertraglich vereinbarte Einwüligung modifiziert werden. Der Betriebserwerber tritt wegen § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auch in die auf diese Weise modifizierte Rechtsstellung ein. Da der Erwerber die Schwerpunkte semer Geschäftstätigkeit im Vergleich zum Veräußerer nicht selten anders setzen wül (bzw. bei eingliederndem Betriebsübergang bereits anders gesetzt hat), stellt sich die Frage, wie er sich von der Bindung an die Einwilligung lösen kann. Wird die Einwilligung in die Wettbewerbstätigkeit einseitig erklärt, handelt es sich um die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Gestaltungsrechte sind grundsätzlich nicht frei widerruflich. Abweichungen von diesem Grundsatz sind weder wegen der Besonderheiten der arbeitsvertragstypischen Verteilung des wirtschaftlichen Risikos zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angezeigt, noch sind sie aufgrund einer sich verändernden Interessenlage bei Betriebsübergang möglich. Dies güt auch für die in einer Nebentätigkeitsgenehmigung erteüte, möglicherweise vorweggenommene Einwilligung. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die Einwüligung unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt wurde. Die Erklärung des Widerrufs muß nach billigem Ermessen erfolgen. Beruht die Einwilligung auf vertraglicher Grundlage, kommt möglicherweise eine Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. Für die außerordentliche Änderungskündigung fehlt es regelmäßig am wichtigen Grund, bzw. ist es zumutbar, den Ablauf der Kündigungsfrist abzuwarten. Die Änderungskündigung aus dringenden betrieblichen Gründen mit dem Ziel der Beseitigung der Einwilligung ist sozial gerechtfertigt, wenn ohne die Änderung die Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers entfiele und die Änderung geeignet ist, den Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern und die Maßnahme zumutbar ist. Damit verbleiben für den Arbeitgeber kaum Möglichkeiten, sich 2 5 4
Hatten die Parteien bei Abschluß des Vertrages die Schriftform zur Aufhebung der Arbeitsbedingungen vereinbart (§ 125 BGB), so sind mündliche Vereinbarungen dennoch wirksam, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben, BAG DB 1989,1628.
110
II. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Inhaltlich modifiziertes Wettbewerbsverbot
von der Einwilligung durch Änderungskündigung zu lösen. Zu denken wäre jedoch an einen von der Stillegung bedrohten, sanierungsbedürftigen Betrieb, bei dem der Arbeitgeber dringend selbst auf die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Geschäftstätigkeit angewiesen ist. Erfolgt die Änderungskündigung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang, darf sie nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgen. Die Kausalitätsfrage läßt sich entsprechend der Rechtsprechung des BAG durch eine Verbindung von objektiven und subjektiven Umständen bestimmen. Es ist im einzelnen darauf abzustellen, ob die Änderungskündigung zur Umgehung der Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ausgesprochen wird. Dies ist nur der Fall, wenn die Änderungskündigung an sich sozial gerechtfertigt ist, jedoch tragender Beweggrund der Kündigung der Betriebsübergang ist. Im Ergebnis sind damit de facto die Möglichkeiten des Betriebserwerbers begrenzt, sich von der Einwilligung zu lösen. Auch der Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eröffnet keine Chance, sich von der vorbehaltlos erklärten Einwilligung zu lösen bzw. diese an eine veränderte Situation hinsichüich des Geschäftszweiges anzupassen. Für die Arbeitsvertragsparteien ist es nicht völlig unvorhersehbar, daß der Geschäftszweig sich ändern kann. Zudem hat der Arbeitgeber es nach der arbeitsvertraglichen Risikoverteilung in der Hand, Inhalt und Umfang der Einwilligung rechtzeitig zu bestimmen. Damit bleibt nur, sich durch Änderungsvertrag an die veränderten Rahmenbedingungen hinsichüich der Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit anzupassen. Eine solche Vereinbarung erfordert entgegen der Rechtsprechung nicht, daß ein sachlicher Grund gegeben ist. Allerdings wäre die Vereinbarung unwirksam, wenn sie allem vom Betriebsveräußerer veranlaßt würde, um die Wirkungen des § 613 a Abs. 4 BGB zu umgehen. Im Ergebnis kann damit die Schlußfolgerung gezogen werden, daß aus der Sicht des Arbeitgebers bei Erteilung der Einwilligung stets die Möglichkeit der betriebsübergangsbedingten Verlagerung des Schwerpunktes der Geschäftstätigkeit in das Kalkül einbezogen werden sollte. Eine Sicherung vor unerwünschten Auswirkungen ergibt sich am ehesten, wenn die Einwilligung unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt wird.
1. Das Widerspmchsrecht nach der Rechtsprechung des BAG
111
Abschnitt C
Der Widerspruch des Arbeitnehmers und die Auswirkungen auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot 1. Das Widerspruchsrecht nach der Rechtsprechung des BAG Der rechtsgeschäftliche Übergang des Betriebes hat den Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zur Folge. Damit tritt der Betriebserwerber auch in die Rechtsstelllung aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot ein. Maßgeblich für den Umfang der Unterlassungspflicht ist damit der Umfang der Geschäftstätigkeit des Erwerbers. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer nicht davor geschützt, daß er infolge des Betriebsübergangs erne bislang konkurrenzrechtlich nicht bedeutsame Tätigkeit aufgeben muß, weil der Erwerber als neuer Arbeitgeber nunmehr in einem Handelszweig tätig werden möchte, der auch die bisherige Tätigkeit des Arbeitnehmers erfaßt. Sofern der Arbeitnehmer keine Einigung mit dem neuen Betriebsinhaber erzielen kann - beispielsweise in der Form, daß dieser ihm eine Einwilligung i.S.d. § 60 Abs. 1 HGB erteilt - könnte er diese Auswirkung des Betriebsübergangs nur vermeiden, wenn er insgesamt verhindern kann, daß der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eintritt und Ansprüche aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot geltend machen kann. Eine solche Möglichkeit hat das BAG seit dem Urteü vom 2.10.19741 in ständiger Rechtsprechung anerkannt. Einer der Kernpunkte dieser Entscheidung ist, daß dem Arbeitnehmer das Recht zustehe, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen. Nach Ansicht des BAG ergebe sich diese Folge bereits aus der durch § 613 a BGB nicht geänderten Auslegungsregel des § 613 S. 2 BGB, sowie aus dem § 415 Abs. 1 BGB für das Schuldrecht allgemein zu entnehmenden Grundsatz, daß bei einem Schuldnerwechsel dem Arbeitnehmer ohne Zustimmung kern neuer Gläubiger aufgedrängt werden könne. Schließlich dürfe auch das personelle Element des Arbeitsverhältnisses nicht außer acht gelassen werden. Es sei letztlich eine Frage der Menschenwürde, daß dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt werden müsse, dem Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis widersprechen zu können. Bedenken gegen einen Übergang ohne Beachtung des Willens des Arbeitnehmers ergäben sich auch aus Art. 12 Abs. 1 GG.
1
BAG AP Nr. 1 zu § 613 a BGB = EZA zu § 613 a Nr. 1 m. Anm. v. Birk.
112
II. Teil, Abschn. C : Auswirkungen des Widerspruchsrechts
Trotz zum Teil heftiger Kritik in der Literatur, 2 in der unter anderem hervorgehoben wurde, daß dem Arbeitnehmer schließlich das Recht zur Eigenkündigung offenstehe,3 hat das BAG an seiner Rechtsprechung zum Widerspruchsrecht festgehalten4 und seine anfänglich nur auf den Übergang von Betriebsteilen beschränkte Judikatur auch auf den Übergang ganzer Betriebe erstreckt.5 In einem später ergangenen Urteil hat der vierte Senat des BAG darüberhinaus klargestellt, daß er für die Begründung des Widerspruchsrechts vor allem das Gebot der verfassungskonformen Auslegung des § 613 a Abs. 1 BGB für wesenüich erachte und daß das Recht zum Widerspruch dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräume, auf den durch § 613 a BGB erweiterten Bestandsschutz zu verzichten.6 Im übrigen sei die Gewährung des Widerspruchsrechts eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung, die insoweit nicht gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft verstoße.7 Auch wenn das Widerspruchsrecht viele noch nicht vollständig geklärte Fragen aufgeworfen hat, 8 gab es auch Befürworter der BAG-Meinung. 9 Bei den Kritikern ist dagegen eine gewisse Resignation insoweit festzustellen, als zumindest für die Praxis davon ausgegangen wird, daß das BAG seine Rechtsprechung nicht ändern werde. 10
2 Birk, Anm. zu BAG EZA § 613 a BGB Nr. 1 (S. 16 ff); ders., Anm. zu AP Nr. 10 zu § 613 a BGB; Commandeur, S. 10; Gaul, in Boewer S. 149 (156 f); Gitter, FS-BAG S. 133 ff; Heinze, DB 1980, 205; Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB; Hess, BB 1977, 501 f; Lücke, Anm. zu AP Nr. 55 zu § 613 a BGB; Pietzko, S. 270; Roemheld, BB 1976, 845 ff; Schmitt, ZfA 1979, 503 ff; Schreiber, RdA 1982, 137 (142); Schwerdtner, FS-Müller S. 557 (574 ff); Ziege, BB 1978, 203 f. 3
Vgl. neuerdings Gaul, Betriebsübergang, S. 195.
4
BAG AP Nr. 8, AP Nr. 10, AP Nr. 21, AP Nr. 37, AP Nr. 55, AP Nr. 81 zu § 613 a BGB. 5
BAG AP Nr. 21 zu §613 a BGB.
6
BAG AP Nr. 55 zu § 613 a BGB.
7
Zustimmend Hitzfeld,
8
BB 1991,199 (201).
Vgl. hierzu insbesondere die von Pottmeyer, entspr. Nachw. genannten Fragestellungen.
ZfA 1989, 239 (240), Fußn. 5 mit
9 KR-Wolf, § 613 a Rdn. 60 ff; Konzen, Z f A 1978, 451; Palandt-Putzo, § 613 a Anm. 2 e; Posth, S. 51 ff; Pottmeyer, ZfA 1989, 241 ff; ders., NZA 1988, 521 ff; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 118 II. 4.; ders., M K § 613 a Rdn. 41; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 66; Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn 121; Tschöpe, S. 26. 10 Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 54; Commandeur, S. 10 ff; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 48; Gaul, Betriebsübergang, S. 193 ff; Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB; Pietzko, S. 272 m.w.Nachw.
2. Rechtslage nach dem Urteil des EuGH vom 5.5.1988
113
2. Veränderung der Rechtslage durch das Urteü des EuGH vom 5.5.1988? Eine möglicherweise völlig neue Rechtslage hat sich durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergeben. Mit Urteil vom 5.5.1988 hat der EuGH Einwände des Arbeitnehmers gegen eine Befreiung des Betriebsveräußerers von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten für unbeachtlich erklärt. 11 Entsprechend haben sich im deutschen Schrifttum erste Stimmen zu Wort gemeldet, die die Rechtsprechung des BAG zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers für Makulatur halten. 12 Dem ist kürzlich Joost mit beachüichen Gründen entgegengetreten.13 Soweit ersichtlich, hat das BAG bislang noch nicht Gelegenheit gehabt, hierzu Stellung zu nehmen. 14 Dem Urteü des Europäischen Gerichtshofs lag ein Vorlagebeschluß des "Höge Raad der Nederlande" zugrunde, bei dem es neben hier nicht interessierenden Fragen zur rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Betriebes durch Mietkauf insbesondere um die Frage ging, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 15 dahin auszulegen sei, daß der Veräußerer nach dem Übergang des Unternehmens für die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr einzustehen habe. Für den Fall, daß dies bejaht werden könne, sollte geklärt werden, ob es für die Haftungsbefreiung der Zustimmung des Arbeitnehmers bedürfe; für den Fall, daß dies verneint werde, sei zu klären, ob der Eintritt dieser Rechtsfolge durch den Widerspruch des Arbeitnehmers mit dem Ergebnis verhindert werden könne, daß der Arbeitnehmer im Dienst des Veräußerers verbleibe. 16 Im Ergebnis hat der Europäische Gerichtshof entschieden, daß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 dahin auszulegen sei, daß der Veräußerer nach dem Zeitpunkt des Übergangs von seinen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis befreit sei, selbst wenn die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer dem nicht zustimmten oder Einwände erheben würden. Dies gelte jedoch unter dem Vorbehalt, daß das Recht der Mitgliedstaaten die gesamtschuldnerische Haftung des Veräußerers oder Erwerbers ab dem Zeitpunkt des Übergangs vorsehen könne. Mit verhältnismäßig kurzer Begründung 17 führt der EuGH aus, daß der Übergang des Unternehmens ipso iure den Übergang der Arbeitgeberpflichten 11
EuGHE 1988, 2550 ff.
12
Bauer, NZA 1990, 881 (883); Meilicke,, DB 1990,1770.
13
Joost, ZIP 1991, 220.
14
Vgl. jedoch BAG ZIP 1991, Heft 4, S. X.
15
Richtlinie des Europäischen Rates 77/187 v. 14.2.1977, ABl. EG Nr. L 61 v. 5.3.1977, S. 26, abgedr. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 159 ff. 16
Vgl. EuGHE 1988, 2550 (2562).
17
Bauer, NZA 1991, 882 (883).
114
II. Teil, Abschn. C.: Auswirkungen des Widerspruchsrechts
aus dem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis vom Veräußerer bewirke. 18 Die Richtlinie bezwecke die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Betriebsinhabers. Sie bezwecke jedoch nicht die Fortsetzung des Arbeitsvertrages oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer für den Fall, daß die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nicht für den Erwerber fortsetzen wollten. Die beim Übergang eines Unternehmens oder Betriebes auf einen anderen Inhaber anwendbaren Bestimmungen sollten den Bestand der Arbeitsverhältnisse, die Teil der übertragenen wirtschaftlichen Einheit sind, im Interesse der Beschäftigten wahren. Aus diesem Grund könne der in einigen Mitgliedstaaten geltende Grundsatz, daß ein Schuldnerwechsel nur mit Zustimmung des Gläubigers erfolgen könne, hintangestellt werden. 19 Die Entscheidung ist auch für das nationale Recht von Bedeutung, auch wenn nach Art. 177 Abs. 3 EWGV der Europäische Gerichtshof im Vorlageverfahren nur über die Auslegung des europäischen Rechts zu entscheiden hat. Zunächst haben bereits die Kläger des Ausgangsverfahrens darauf hingewiesen, daß Art. 3 der Richtlinie 77/187 an die ursprüngliche Fassung des im deutschen Recht geltenden § 613 a BGB angelehnt sei. Darüber hinaus ist § 613 a BGB durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz an die Richtlinie 77/187 angepaßt worden. 20 Gemäß Art 177 Abs. 3 EWGV sind letztinstanzliche Gerichte außerdem verpflichtet, Vorlageentscheidungen, die in anderen Verfahren ergangen sind, zu berücksichtigen.21 Damit ist die Entscheidung auch für das BAG bindend. Die Bedeutung des Urteüs beschränkt sich jedoch auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 und auf die Frage, ob nach dieser Vorschrift die Enthaftung des Veräußerers ohne Zustimmung des Arbeitnehmers eintritt. 22 Nur hierzu hat der Europäische Gerichtshof Stellung genommen. 23 Das Gericht hat sich nicht dazu geäußert, ob das Freiwerden des Veräußerers von seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis zusätzlich von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann.
18
EuGH a.a.O., S. 2581.
19
EuGH a.a.O., S. 2582.
2 0
Vgl. die amtl. Begründung zum Regierungsentwurf des Arbeitsrechtlichen EGAnpassungsgesetzes, BR-Drucksache 353/79 v. 17.8.1979, A I. 2., abgedr. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 164. Allerdings hat im Rahmen dieser Anpassung § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB keine Änderung erfahren. 21
Meilicke, DB 1990, 1770; Bauer, NZA 1990, 881 (883) m.w.Nachw.
2 2
Im Ergebnis ebenso Joost, ZIP 1991, 220 (221).
2 3
Abgesehen von der bereits eingangs erwähnten und hier nicht zur Debatte stehenden Einzelfrage zur rechtsgeschäftlichen Übertragung.
2. Rechtslage nach dem Urteil des EuGH vom 5.5.1988
115
Eine Regelung, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, weitere Voraussetzungen für die Enthaftung des Arbeitgebers aufzustellen, ist in Art. 7 der Richtlinie 77/187 enthalten. Danach bleibt den Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht vorbehalten, für die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Das vom BAG gewährte Widerspruchsrecht könnte dieser "Günstigkeitsklausel" entsprechen. Hierauf hat sich das BAG bereits lange vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs berufen. Wörtlich führte es im Urteü vom 6.2.1980 aus, daß die "Gewährung eines Widerspruchsrechts an den Arbeitnehmer durch die deutsche RechtsordnungM...Meine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung" wäre und "deshalb nicht gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft" verstoße. 24 Es ist somit zu fragen, ob die Regelungen, denen das BAG das Widerspruchsrecht entnimmt, sich tatsächlich als günstigere Regelungen i.S.d. Art. 7 der Richtlinie darstellen. Die Kritiker des Widerspruchsrechts führen aus, daß sich die Ausübung des Widerspruchsrechts häufig nachteilig auswirke, weü der Veräußerer wegen des Betriebsübergangs regelmäßig zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung gezwungen sei und diese Kündigung in aller Regel sozial gerechtfertigt sei. 25 Ein solches Ergebnis wäre für den Arbeitnehmer nicht günstig. Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig. Insbesondere bei Übergang eines Betriebsteils ist es denkbar, daß der Arbeitnehmer in einem anderen, bei dem Veräußerer verbleibenden Betriebsteü weiter beschäftigt werden kann. Anders als bei einer von ihm ausgehenden Kündigung wird dem Arbeitnehmer durch das Widerspruchsrecht die - wenn auch selten realisierbare Chance eingeräumt, das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortzusetzen.26 Das Widerspruchsrecht enthält insofern eine Verbesserung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers. Darüberhinaus wird es dem Arbeitnehmer durch das Widerspruchsrecht ermöglicht, selbst über den Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu entscheiden. 2 4
BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB, Bl. 117 R.
25
Birk, Anm. zu EZA § 613 a BGB Nr. 1, S.18; Gitter, FS-BAG, S. 133 (149); Herschel,, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB; Lücke, Anm. zu BAG AP Nr. 55 zu § 613 a BGB, Bl. 890; Schwerdtner, FS-Müller S. 557 (576). Dazu, daß das Widerspruchsrecht auch zur Auslösung der Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 AFG führen kann, Pottmeyer, NZA 1988, 521 ff; a.A. Pietzko, S. 312; zu den nachteiligen Auswirkungen auf nicht verfallbare Versorgungsanwartschaften Gaul, Betriebsübergang, S. 206 f. 2 6 Dies übersieht beispielsweise Gaul, Betriebsübergang, S. 195, ders., ZfA 1990, 87 (89), wenn er betont, daß rechtspolitisch kein Bedürfnis nach einem Widerspruchsrecht bestehe, weil dem Arbeitnehmer das Recht zur Kündigung offenstehe.
116
II. Teil, Abschn. C.: Auswirkungen des Widerspruchsrechts
Auch wenn dem BAG von der Kritik zutreffend vorgeworfen wird, es sehe die Situation des Arbeitnehmers "zu rosig", 27 muß doch im Ergebnis davon ausgegangen werden, daß das vom BAG eingeräumte Widerspruchsrecht die Rechtsstellung des Arbeitnehmers verbessert und ihn insofern günstiger stellt. 28 Das BAG hatte diese Auffassung bereits im Urteil vom 6.2.1980 vertreten. 29 Im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 5.5.1988 hatte es zunächst offengelassen, ob es an semer Rechtsprechung zum Widerspruchsrecht festhalten wird. 3 0 Nach der nunmehr in jüngster Zeit ergangenen Entscheidung des EuGH 3 1 wird man trotz der teilweise berechtigten Kritik an der Rechtsprechung des B A G 3 2 davon ausgehen können, daß es seine bisherige Rechtsprechung auch künftig nicht aufgeben wird und daß somit der Arbeitnehmer dem Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis widersprechen kann. 33
3. Auswirkungen des Widerspruchs auf das Wettbewerbsverbot a) Problemstellung
Wenn davon auszugehen ist, daß der Arbeitnehmer dem Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis widersprechen kann, dann stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Ausübung des Widerspruchsrechts auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot zeitigt. Die Vermutung liegt nahe, daß die Erklärung des Widerspruchs dem Arbeitnehmer dann zustatten kommen kann, wenn er in einem Handelszweig tätig ist, der erst durch den Betriebsübergang konkurrenzrechtliche Relevanz bekäme. In diesem Fall könnte der Widerspruch zur Folge haben, daß sich der Umfang des Wett2 7
Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB.
2 8
Joost, ZIP 1991, 220 (222); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 66 f.; Moll, AnwBl 1991, 282 (296). 2 9
BAG AP Nr. 68 zu § 626 BGB.
3 0
BAG v. 18.10.1990 - 2 AZR 172/90, ZIP aktuell, 4/91, S. XI.
3 1
In der Entscheidung vom 16.12.1992 RaC 132/91, NZA 1993, 169 ff hat der EuGH nunmehr festgestellt, daß die bisherige Rechtsprechung des BAG nicht im Widerspruch zum Europäischen Recht stehe, da das Widerspruchsrecht für den Arbeitnehmer eine günstige nationale Regelung darstelle. Die Richtlinie 77/187 EWG verwehre es einem beim Veräußerer beschäftigten Arbeitnehmer ni dit, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. 3 2
Vgl. hierzu insbesondere Gitter, FS-BAG S. 133 ff; Lücke, Anm. zu BAG AP Nr. 55 zu § 613 a BGB; Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB sowie die oben Fußn. 2 genannten; Pietzko, S. 229 ff. 3 3
Im Ergebnis ebenso Hitzfeld,
BB 1991, 199 ff.
3. Auswirkungen des Widerspruchs auf das Wettbewerbsverbot
117
bewerbsverbots weiterhin nach dem Handelszweig des bisherigen Arbeitgebers richtet. Könnte diese Wirkung des Widerspruchs bejaht werden, so würde ein deutiicher Unterschied zwischen der Möglichkeit der ordentlichen Arbeitnehmerkündigung und der des Widerspruchs offenbar. Im Fall der fristgemäßen Kündigung würde der Erwerber Gläubiger des gesetzlichen Wettbewerbsverbots, wenn der Betriebsübergang während der Kündigungsfrist erfolgte, 34 da insoweit kein Unterschied zum Übergang eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses bestünde. Der Erwerber könnte während des Laufes der Kündigungsfrist die Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend machen. Dagegen könnte die Erklärung des Widerspruchs zur Folge haben, daß der Erwerber keine Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend machen kann. Von einer solchen Annahme könnte jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn sich als Folge des Widerspruchs ergäbe, daß der Betriebserwerber auf keinen Fall - auch nicht vorübergehend - als neuer Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis einträte. Beträchtliche Probleme könnten sich aber ergeben, wenn der Widerspruch auch noch dann erklärt werden kann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Betriebsübergangs längst erfüllt sind. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer erst nach vollzogenem Betriebsübergang vom Arbeitgeberwechsel Kenntnis erlangt und demzufolge erst nach dem Betriebsübergang seinen Widerspruch erklären kann. Hier wäre denkbar, daß der Erwerber wegen der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB bis zur Erklärung des Widerspruchs vorübergehend in das Arbeitsverhältnis eingetreten ist. Neben der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Widerspruch auch noch nach Vollzug des Betriebsübergangs erklärt werden kann, muß deshalb im folgenden untersucht werden, ob der Erwerber Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot bereits dann geltend machen kann, wenn noch nicht feststeht, ob der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnis widersprechen wird oder nicht.
b) Grundüberlegungen zur Rechtsnatur des Widerspruchsrechts
Ausgangspunkt der Überlegungen ist zunächst die Frage, welches Verständnis der Rechtsnatur des Widerspruchs zugrundeliegt.
3 4 Anders wäre dies, wenn man dem Arbeitnehmer im Fall des Betriebsübergangs ein Recht zur fristlosen Kündigung zubilligte, vgl. hierzu Gaul, Betriebsübergang, S. 195.
118
II. Teil, Abschn. C.: Auswirkungen des Widerspruchsrechts
aa) Zustimmungs- und Gestaltungsrechtslösung als unterschiedliche Grundauffassungen zur Rechtsnatur des Widerspruchsrechts Zur Rechtsnatur des Widerspruchs werden überwiegend zwei Möglichkeiten diskutiert: 35 nach einer Auffassung ist der Widerspruch im Sinne eines Zustimmungserfordernisses zu verstehen, mit der Folge, daß der Betriebserwerber erst dann in das Arbeitsverhältnis eintritt, wenn kein Widerspruch erklärt worden ist. 3 6 Insbesondere Pottmeyer hat sich in jüngerer Zeit dieser Auffassung angeschlossen und betont, daß das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers es erfordere, daß der Übergang des Arbeitsverhältnisses von der positiven Entscheidung des Arbeitnehmers abhängig gemacht werde. Andernfalls würde das Widerspruchsrecht den Arbeitnehmer lediglich vor die Entscheidung stellen, ob er sich als Objekt behandeln lassen wolle oder nicht. Bereits dies verstoße gegen die Menschenwürde.37 Richtigerweise könne der Widerspruch deshalb nur als Verweigerung der erforderlichen Zustimmung des Arbeitnehmers zum Übergang des Arbeitsverhältnisses zu verstehen sein. 38 Nach anderer Ansicht handelt es sich bei dem Widerspruchsrecht um ein Gestaltungsrecht. So hat das BAG mit Urteü vom 30.10.1986 klargestellt, daß der Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen nicht die Einwilligung in Form der Zustimmung oder Genehmigung der Arbeitnehmer voraussetze.39 In Übereinstimmung mit einem beachtlichen Teü der Literatur vertrat das BAG die Ansicht, daß das Widerspruchsrecht als Gestaltungsrecht aufzufassen sei, mit dem der Arbeitnehmer den Übergang des Arbeitsverhältnisses verhindern oder rückgängig machen könne. 40 Das BAG ging somit konsequenterweise davon aus, daß das Arbeitsverhältnis als Folge des Betriebsübergangs automatisch
3 5 Zu weiteren Diskussionsansätzen vgl. die Nachw. bei Pottmeyer, ZfA 1989, 241 ff, Fußn. 9 u. 10.; die dort aufgeführten Literaturmeinungen führen im vorliegenden Zusammenhang nicht zu abweichenden Lösungen, weshalb an dieser Stelle nicht weiter auf sie eingegangen werden muß. 3 6 So noch BAG AP Nr. 1 zu § 613 a BGB; BAG AP Nr. 8 zu § 613 a BGB (unter II 2 b); BAG AP Nr. 10 zu § 613 a BGB (unter I 2 a) m. Anm. v. Birk, wonach das Widerspruchsrecht als Optionsrecht aufgefaßt werden könnte, das durch Unterlassung des Widerspruchs stillschweigend ausgeübt werde. 3 7
Pottmeyer, ZfA 1989, 249.
3 8
Pottmeyer, a.a.O., S. 250.
3 9
BAG AP Nr. 55 zu § 613 a BGB, Bl. 888.
4 0
Das BAG a.a.O. beruft sich dabei auf Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 66 (68); im Ergebnis ebenso Tschöpe, S. 30; Pietzko, S. 275 m.w.Nachw. in Fußn. 274.
3. Auswirkungen des Widerspruchs auf das Wettbewerbsverbot
119
auf den neuen Inhaber überginge, 41 es sei denn, der Arbeitnehmer widerspreche rechtzeitig. 42 Je nachdem, welcher der Auffassungen man folgt, können sich im Hinblick auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben. Wäre der Widerspruch als Verweigerung der Zustimmung zu verstehen, würde dies für Ansprüche aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot bedeuten, daß der Betriebserwerber diese erst dann geltend machen könnte, wenn definitiv feststünde, daß der Arbeitnehmer seine Zustimmung zum Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erteilt. Erst mit der positiv erteilten Zustimmung - die dadurch zum Ausdruck gebracht werden könnte, daß der Arbeitnehmer von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch macht könnte feststehen, daß der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, und frühestens dann könnten von ihm Ansprüche aus einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden. Während einer eventuell laufenden Überlegungsfrist könnten dagegen noch keine Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden. Legt man demgegenüber dem Widerspruch die "Gestaltungsrechtslösung" zugrunde, und hat der Betriebsübergang während einer Überlegungsfrist stattgefunden, wäre der bereits erwähnte Fall denkbar, daß der Betriebserwerber infolge des automatischen Eintritts in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Erklärung des Widerspruchs kurzzeitig neuer Arbeitgeber geworden ist. Zweifelhaft wäre dann, ob der Betriebserwerber während der noch laufenden Überlegungsfrist vom Arbeitnehmer Unterlasssung von Wettbewerb verlangen könnte. Bedeutsam könnte diese Frage werden, wenn die außerbetriebliche und bislang nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstoßende Betätigung des Arbeitnehmers sich nunmehr infolge des Übergangs im neu hinzugekommenen Handelszweig des neuen Betriebsinhabers befindet.
bb) Stellungnahme Auch wenn die "Zustimmungslösung" im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung aus dem Wettbewerbsverbot ein eindeutigeres Ergebnis erbrächte, ist sie dennoch abzulehnen. Das Widerspruchsrecht ist mit der tatbestandlichen Systematik des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nur dann zu vereinbaren, wenn es als Gestaltungsrecht verstanden wird. 4 3 Würde man den Widerspruch als Verweigerung der Zustimmung zum Eintritt des Erwerbers in das Arbeitsverhältnis 4 1
So jetzt auch EuGH NZA 1993, 137 f.
4 2
So bereits BAG DB 1984, 1403 f.
4 3
Vgl. eingehend Pietzko, S. 274 ff m.w.Nachw.
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II. Teil, Abschn. C.: Auswirkungen des Widerspruchsrechts
auffassen, würde dies letztlich bedeuten, daß der Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht automatisch, sondern durch dreiseitigen Vertrag zustande käme 4 4 und sich erst zum Zeitpunkt der Zustimmung vollziehen würde. Im Ergebnis würde sich die Übertragung nach § 613 a BGB nicht von der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Schuldverhältnisses unterscheiden.45 Dies entspricht jedoch nicht der gesetzgeberischen Intention. 46 Dabei muß besonders der Auffassung widersprochen werden, daß die Notwendigkeit, den Widerspruch als Verweigerung der Zustimmung zu sehen, sich aus dem Selbstbestimmungsrecht ergäbe.47 Das Selbstbestimmungsrecht erfordert nicht, daß die Einwirkungsmöglichkeit des Arbeitnehmers in der Form eines positiven Zustimmungsakts erfolgt. Soweit man das Widerspruchsrecht aus dem Selbstbestimmungsrecht ableiten w i l l , 4 8 genügt es, wenn dem Arbeitnehmer überhaupt die Möglichkeit verschafft wird, auf das Geschehen einzuwirken. 4 9 Auch ist der Einwand abzulehnen, daß bei Fehlen des positiven Zustimmungsakts der Mensch unter Verstoß gegen die Menschenwürde einem Objekt gleichgesetzt werde. Abgesehen davon, daß diese Gefahr grundsätzlich auch bei der Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Zustimmung bestünde, übersieht diese Argumentation, daß die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes darauf gerichtet ist, den Arbeitsplatz auch dann zu erhalten, wenn dem Arbeitnehmer die Nutzung der sächlichen und immateriellen Betriebsmittel durch die Betriebsveräußerung entzogen wird. Durch die Anordnung des ausnahmslosen und automatischen Eintritts des Betriebserwerbers in die Arbeitsverhältnisse wird dieser Schutzzweck effektiv und zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer verwirklicht. Hieraus ableiten zu wollen, daß der Mensch zum bloßen Objekt degradiert würde, hieße die gesetzgeberische Intention geradezu auf den Kopf zu stellen. 50
4 4
Pietzko, S. 275.
4 5
Deshalb kritisch gegenüber der "Zustimmungslösung" Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 68; Tschöpe, S. 30 f; Pietzko, S. 277. 4 6
Vgl. hierzu das Ergebnis der Untersuchung von Pottmeyer, andere Schlußfolgerungen aus diesem Ergebnis zieht. 4 7
S. 128 f, der jedoch
So aber Pottmeyer, oben Fußn. 37.
4 8
Denkbar wäre auch, daß das Selbstbestimmungsrecht bereits durch die Möglichkeit der fristlosen oder fristgemäßen Eigenkündigung ausreichend verwirklicht ist. 4 9 5 0
Im Ergebnis ebenso Gaul, Betriebsübergang, S. 193 ff (195 f).
In AP Nr. 10 zu § 613 a BGB hat das BAG zur Begründung des Widerspruchsrechts ausgeführt, daß kein Mensch sich gegen seinen Willen "verkaufen" lassen müsse, eine Formulierung, die darauf schließen läßt, daß das BAG die Gefahr der Gleichstellung des Arbeitnehmers mit Objekten durchaus erkannt hat. Allerdings ist dem hinzuzufügen, daß die Gefahr nicht bereits dadurch entsteht, daß ein automatischer Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis angeordnet wird, sondern
3. Auswirkungen des Widerspruchs auf das Wettbewerbsverbot
121
Vorzuziehen ist deshalb die Auffassung der neueren Rechtsprechung des BAG, wonach das Widerspruchsrecht als Gestaltungsrecht aufzufassen ist. 5 1 Der Übergang des Arbeitsverhältnisses hängt nicht davon ab, daß der Arbeitnehmer seine Zustimmung bekundet, indem er von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch macht. Vielmehr geht das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes auf den neuen Inhaber über. Die rechtsgestaltende Einwirkungsmöglichkeit des Arbeitnehmers besteht nach Ansicht des BAG lediglich darin, daß der Arbeitnehmer durch Ausübung des Widerspruchsrechts den Übergang des Arbeitsverhältnisses verhindern oder rückgängig machen kann. 52
c) Der zeitliche Rahmen für den Widerspruch und die Auswirkungen auf das Wettbewerbsverbot
Wenn der Widerspruch als Gestaltungsrecht zu verstehen ist, dann bedeutet dies, daß der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in jedem Fall erfolgt, wenn der Arbeitnehmer sich überhaupt nicht erklärt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß der Widerspruch erst nach Übergang des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Fraglich bleibt jedoch, unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist und welche Wirkung der Widerspruch in diesem Fall hätte. Grundsätzlich ist das BAG der Auffassung, daß der Widerspruch nur bis zum tatsächlich erfolgten Betriebsübergang erklärt werden könne 5 3 Dies gelte jedoch nur für den Regelfall, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitg vom Betriebsübergang unterrichte. 54 Mit dieser Information könne der Arbeitgeber die Aufforderung verbinden, daß der Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist dem Eintritt des Erwerbers gegebenenfalls ausdrücklich widersprechen möge. Lasse der Arbeitnehmer diese Frist verstreichen, so sei ein späterer Widerspruch regelmäßig unbeachtlich. 55
erst dann, wenn für den Arbeitnehmer grundsätzlich keine Möglichkeit mehr besteht, sich gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses zu wehren. 5 1
Im Ergebnis ebenso Blank/Blanke, S. 251; Tschöpe, S. 31; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 50 m.w.Nachw.; Kerschner/Köhler, S. 30 f; Pietzko, S. 274 ff; StaudingerRichardi, § 613 a Rdn. 123. 5 2
BAG AP Nr. 68 zu § 626 BGB.
5 3
BAG AP Nr. 10; AP Nr. 37 zu § 613 a BGB; AP Nr. 55 zu § 613 a BGB.
5 4
BAG AP Nr. 37; AP Nr. 55 zu § 613 a BGB.
5 5
BAG AP Nr. 10 zu § 613 a BGB.
122
II. Teil, Abschn. C.: Auswirkungen des Widerspruchsrechts
Diese Auffassung hat in der Literatur Zustimmung gefunden. 56 Widerspricht der Arbeitnehmer vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs,57 ergeben sich keine Probleme hinsichtlich der Anspruchsberechtigung aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Berechtigt ist einzig und allein der Betriebsveräußerer, weil der Erwerber bereits mangels der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB noch nicht in das Arbeitsverhältnis eingetreten ist. Für einen Eintritt des Erwerbers fehlt es an der Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht; ist im Zuge der Betriebsveräußerung die betriebliche Leitungsmacht auf den Erwerber übergegangen, steht dem Eintritt in das Arbeitsverhältnis der rechtzeitige Widerspruch entgegen. Der Widerspruch kann somit nur vor dem Betriebsübergang erklärt werden, 58 wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig und ordnungsgemäß vor Betriebsübergang vom Betriebsinhaberwechsel informiert worden ist. 5 9 Die Rechtzeitigkeit richtet sich dabei nach der Dauer der angemessenen Überlegungsfrist. Zur Dauer der Überlegungsfrist finden sich im Schrifttum unterschiedliche Vorstellungen. Während zum Teil vorgeschlagen wird, in Anlehnung an das KSchG eine Überlegungsfrist von drei Wochen 60 bzw. in Anlehnung an § 569 a BGB von einem Monat zu gewähren, 61 wird an anderer Stelle vorgeschlagen, sich an der Regelung des § 626 Abs. 2 BGB zu orientieren. 62 Vorzuziehen ist unter der Voraussetzung der ordnungsgemäßen Information die kurze Überlegungsfrist analog § 626 Abs. 2 BGB. Sie wird den Interessen aller Beteüigten am ehesten gerecht. 63 Wird der Arbeitnehmer somit noch zwei Wochen vor der Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht informiert, kann der Widerspruch rechtzeitig vor Betriebsübergang erklärt werden. Hat es die Arbeitgeberseite unterlassen, den Arbeitnehmer rechtzeitig vom Betriebsübergang zu informieren, kann der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG auch noch nach Vollzug des Betriebsübergangs von seinem Widerspruchsrecht innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist Gebrauch 5 6
Pietzko, S. 287 m. zahlr. w. Nachw. in Fußn. 328.
5 7
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Betriebsübergangs vgl. oben I. Teil, 3.
5 8
Vgl. hierzu BAG AP Nr. 10 zu § 613 a BGB; BAG DB 1984, 1403 (1404); Bauer, in: Hölters V, Rdn. 60; Kerschner/Köhler, S. 32. 5 9 Zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Information im einzelnen Pietzko, S. 289 f. 60 Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 57; ders., in Hölters V Rdn. 55; Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 613 a BGB; Borngräber, S. 121. 61
Blank/Blanke,
S. 252; Seiter, S. 71; Tschöpe, S. 33.
62
Gaul, Betriebsübergang, S. 201; Moll, AnwBl 1991, 282 (297); Pietzko, S. 288; im Ergebnis ebenso (wenn auch mit anderer Begründung) Pottmeyer, ZfA 1989, 239 (256). 63
Vgl. die ausführliche Begründung bei Pietzko, S. 287 Fußn. 336.
3. Auswirkungen des Widerspruchs auf das Wettbewerbsverbot
123
machen. 64 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da das Recht zum Widerspruch durch fehlende oder mangelhafte Information nicht ausgehöhlt werden darf. Nach Betriebsübergang kann der Widerspruch somit nur bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Information erklärt werden. 65 Auch hier muß jedoch eine angemessene Überlegungsfrist beachtet werden, nach deren Ablauf die Erklärung des Widerspruchs ausgeschlossen ist. Entsprechend dem Wesen der Gestaltungsrechte66 beginnt die Frist zu laufen, sobald der Arbeitnehmer vom Betriebsübergang Kenntnis erlangt. 67 Wenn davon auszugehen ist, daß der Widerspruch auch noch nach Betriebsübergang erklärt werden kann, so stellt sich im Hinblick auf die Ansprüche aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot die Frage nach dem Zeitpunkt der Wirkung des Widerspruchs. 68 Der Widerspruch kann entweder ex tunc oder ex nunc wirken. Würde der Widerspruch ex nunc wirken, käme man zu dem Ergebnis, daß der Erwerber infolge des Betriebsübergangs bis zur Erklärung des Widerspruchs zwischenzeitlich Arbeitgeber geworden ist. Demgemäß könnte sich die Reichweite des gesetzlichen Wettbewerbsverbots bis zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs nach dem Handelszweig des Erwerbers richten. Probleme können sich auch bei ex tunc-Wirkung des Widerspruchs ergeben, wenn für die Zeit bis zur Erklärung des Widerspruchs nach den Grundsätzen über das faktische Arbeitsverhältnis zu verfahren wäre. Die überwiegenden Gründe sprechen dafür, daß der Widerspruch ex tunc w i r k t 6 9 , was sich insbesondere aus dem Zweck des Widerspruchs ergibt. Bei genauerer Untersuchung der Auswirkungen des Widerspruchsrechts auf das Wettbewerbsverbot zeigt sich jedoch, daß es im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem gesetzlichen Wettbewerbs verbot nicht auf diese möglicherweise für die Rückabwicklung von gegenseitigen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis bedeutsame Fragestellung ankommt. Ein solcher Anspruch steht dem Erwerber nicht zu. Selbst wenn er bis zur Erklärung des Widerspruchs kurzzeitig in das Arbeitsverhältnis eingetreten ist, folgt daraus nicht, daß er Ansprüche aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot 6 4 BAG AP Nr. 55 zu § 613 a BGB; BAG DB 1984 1403 (1404); LAG Frankfurt ARST 1980, 22. 65 Moll, AnwBl. 1991, 282 (297) weist im Anschluß an BAG AP Nr. 10 zu § 613 a BGB darauf hin, daß der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zugestimmt habe, wenn er in Kenntnis des Betriebsübergangs bei dem Erwerber die Arbeit ohne Vorbehalt fortsetze. Zur Zustimmungslösung vgl. jedoch oben b, aa u. bb. 6 6
Vgl. beispielsweise §§ 121, 124,569 a, 626 Abs. 2 BGB.
67
Pietzkoy
6 8
Zur Wirkung des Widerspruchs vgl. Pietzkoy S. 296.
6 9
Ausführlich Pietzko, S. 296 ff m.w.Nachw.
S. 287 m.w.Nachw.
124
II. Teil, Abschn. C. : Auswirkungen des Widerspruchsrechts
geltend machen könnte, soweit letzteres infolge des Betriebsübergangs umfangreicher wäre, als dies nach den geschäftlichen Verhältnissen des Veräußerers der Fall war. Ob der Widerspruch ex tunc oder ex nunc wirkt, wirkt sich nämlich auf den bis zur Erklärung des Widerspruchs geltenden Umfang des Wettbewerbsverbots nicht aus: Bereits oben wurde festgestellt, daß die Erklärung des Widerspruchs nach Betriebsübergang grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn von der Arbeitgeberseite versäumt wurde, den Arbeitnehmer rechtzeitig auf den bevorstehenden Betriebsübergang hinzuweisen. Nach vorherrschender Ansicht handelt es sich hierbei um eine Informationsobliegenheit,70 nach anderer Ansicht um eine Informationspflicht, 71 die sowohl auf Seiten des Veräußerers als auch auf Seiten des Erwerbers besteht. Kann der Arbeitnehmer wegen der fehlenden Information von seinem Widerspruchsrecht nicht rechtzeitig Gebrauch machen, so wäre ein eventueller Verstoß des Arbeitnehmers gegen Wettbewerbsinteressen des neuen Inhabers allein der Arbeitgeberseite zuzuschreiben. Wegen des Fehlens der notwendigen Information wird dem Arbeitnehmer von vornherein nicht die Möglichkeit eröffnet, sich entsprechend der wettbewerblichen Interessen des neuen Arbeitgebers zu verhalten. Wenn der neue Arbeitgeber in dieser Weise gegen seine eigenen Interessen verstößt, wäre es rechtsmißbräuchlich und mit dem Grundgedanken des § 242 BGB nicht vereinbar, wenn er zugleich Ansprüche aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot geltend machen könnte, die über den dem Arbeitnehmer bekannten Umfang hinausgingen. 72 Insoweit käme auch der Grundsatz des "venire contra factum proprium" zum Tragen. 73 Auch für die Dauer einer nach Betriebsübergang in Lauf gesetzten Überlegungsfrist kann nichts anderes gelten. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) müssen dem neuen Inhaber bis zum Ende der Überlegungsfrist die Rechte aus § 60 f HGB bezüglich der im Verhältnis zum Veräußerer erweiterten Geschäftstätigkeit versagt werden, wenn der Arbeitnehmer sich vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs in einem wettbewerblich unbedenklichen Handelszweig betätigte, der durch den Betriebsübergang wegen des erweiterten Tätigkeitsfeldes des neuen Inhabers kurzzeitig wettbewerbsrechtliche Bedeutung erhalten hat. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot, welches in seiner Reich7 0
Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 56; Kerschner/Köhler, triebsinhaberwechsel S. 71. 71
Blank/Blanke,
S. 32; Seiter, Be-
S. 208; Pietzko, S. 292; wohl auch Moll, AnwBl 1991, 282 (296).
7 2
Vgl. zu den Fällen unzulässiger Rechtsausübung bei Verletzung eigener Pflichten Palandt-Heinrichs, § 242 Anm. 4 C b. 7 3
Zu diesem Grundsatz vgl. nur Palandt-Heinrichs,
a.a.O., Anm. 4 C d.
4. Ergebnis
125
weite von dem des Veräußerers abweicht, ist rechtsmißbräuchlich, solange die Überlegungsfrist wegen der Verletzung der arbeitgeberseitigen Informationspflicht noch nicht abgelaufen ist. Bis zum Ende der Überlegungsfrist kann der neue Inhaber hinsichtlich des "überschießenden Teüs" keine UnterlassungsAuskunfts- oder Schadensersatzansprüche geltend machen, weil die Überlegungsfrist dem Arbeitnehmer gerade Gelegenheit geben soll, in den Entscheidungsprozeß für oder gegen den neuen Arbeitgeber auch Überlegungen hinsichüich der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf arbeitsvertragliche Nebenpflichten einzubeziehen.74
4. Ergebnis Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß das dem Arbeitnehmer zustehende Widerspruchsrecht sich in bezug auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer günstiger auswirkt als das Recht zur ordentlichen Kündigung. Stünde dem Arbeitnehmer nur das Recht zur ordentlichen Kündigung offen, so würde während des Laufs der Kündigungsfrist der Erwerber in das Arbeitsverhältnis eintreten und alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen können. Er könnte somit auch Unterlassung von Wettbewerb verlangen, wenn sich seine Geschäftstätigkeit infolge des Betriebsübergangs im Verhältnis zum Veräußerer ausgedehnt hätte. Anders ist dies, wenn dem Arbeitnehmer das Recht zum Widerspruch gegen den Eintritt des Erwerbers in das Arbeitsverhältnis zusteht. Erfolgt der Widerspruch rechtzeitig vor dem Betriebsübergang, tritt der Erwerber bereits von Anfang an nicht in das Arbeitsverhältnis ein. Findet dagegen der Betriebsübergang während einer bereits laufenden Überlegungsfrist statt, oder wird der Arbeitnehmer erst nach Betriebsübergang über den Betriebsinhaberwechsel informiert, ist der Erwerber zwischenzeitlich wegen der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB kraft Gesetzes in das Arbeitsverhältnis eingetreten. In diesem Fall ist es dem Erwerber jedoch regelmäßig nach Treu und Glauben versagt, vom Arbeitnehmer Wettbewerbsunterlassung bezüglich derjenigen Tätigkeiten zu verlangen, die infolge des Betriebsübergangs wettbewerbsrechtliche Relevanz erlangen. Dies beruht darauf, daß bei Betriebsübergang der Arbeitgeberseite eine Informationspflicht bzw. Informationsobliegenheit zukommt und der Widerspruch nur dann nach dem Betriebsübergang erklärt werden kann, wenn diese Informationspflicht verletzt wurde. Erst wenn die dem Arbeitnehmer zustehende angemessene Überlegungsfrist 7 4
Gaul, ZfA 1990, 87 (108) weist außerdem darauf hin, daß das Unterlassen der rechtzeitigen Information durch die Arbeitgeberseite auch Gefahren für den Erwerber mit sich bringen kann, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende der Überlegungsfrist konkurrenzrechtlich verwertbare Kenntnisse im Erwerberbetrieb erlangt.
126
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
abgelaufen ist, ohne daß der Widerspruch erklärt wurde, kann der Erwerber auch bezüglich seiner gegenüber dem Veräußerer erweiterten Geschäftstätigkeit Wettbewerbsunterlassung verlangen. Die Möglichkeit des Widerspruchs eröffnet dem Arbeitnehmer im Ergebnis einen begrenzten Schutz, nicht überraschend einem in seiner Reichweite erweiterten Wettbewerbsverbot ausgesetzt zu sein. Dies kann für ihn bedeutsam sein, wenn er einer wirtschaftlichen Betätigung nachgeht, die bislang nicht gegen die Wettbewerbsinteressen des Veräußerers verstieß und die nicht - beispielsweise durch erne vorweggenommene Einwüligung i.S.d. § 60 Abs. 1 HGB - abgesichert war. Allerdings bleibt nicht zu übersehen, daß die Erklärung des Widerspruchs regelmäßig damit verbunden ist, gegenüber dem Arbeitnehmer die betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Die Position des Arbeitnehmers bleibt deshalb schwach, wenn er seine eigenen Interessen nicht gegenüber dem Arbeitgeber abgesichert hat.
Abschnitt D
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Rechtsfolgen bei Verletzungen des Wettbewerbsverbots 1. Der Eintritt in den Unterlassungsanspruch Verstößt der Arbeitnehmer gegen ein Wettbewerbsverbot, so steht dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Unterlassung der Konkurrenztätigkeit zu. Dieser Anspruch ist gesetzlich nicht geregelt, ergibt sich jedoch aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 60 HGB bzw. aus der als Treuepflicht bezeichneten arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des für sonstige Arbeitnehmer geltenden Wettbewerbsverbots.1 Droht Wiederholungsgefahr, kann der Arbeitgeber auf Unterlassung klagen.2 Die Wiederholungsgefahr wird widerlegbar vermutet, wenn ein Wett1 RGZ 63, 252 (254); RGZ 73, 423; BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht; LAG Baden-Württemberg ARST 1968, 45; Buchner, AR-Blattei [D] II Β II 5 sowie C I I 5; Brüggemann-Würdinger, § 60 Anm.5; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 38; Röhsler/Borrmann, S. 54; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 IV 1. Ein Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerb kann auch auf § 1 UWG und § 826 BGB gestützt werden, vgl. Brüggemann-Würdinger, a.a.O. 2 Buchner, [D] Wettbewerbsverbot I I Β I I 5; Röhsler/Borrmann, S. 54; Stein-JonasSchumann, vor § 253 Rdn. 11. Vgl. auch Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 38 m.w.Nachw. u. dem Hinweis, daß trotz der Diskussion um die Klagbarkeit von auf Nebenpflichten beruhenden Unterlassungpflichten Einigkeit über die selbständige Klagbarkeit von der Unterlassungspflicht aus Wettbewerbsverboten besteht; vgl. hierzu auch Motzer, S. 150 ff.
. Der Eintritt in den
n e r a s p r u c h
127
bewerbsverstoß begangen wurde. 3 Den Anspruch kann der Arbeitgeber auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen.4 Fraglich ist, ob der Erwerber einen bereits vor dem Übergang entstandenen Unterlassungsanspruch geltend machen kann. Zunächst kann festgestellt werden, daß der Unterlassungsanspruch Gegenstand der Rechte und Pflichten ist, die aus dem Arbeitsverhältnis stammen. Ein Eintritt in diesen Anspruch ist somit grundsätzlich möglich. Die Geltendmachung setzt allerdings voraus, daß weiterhin Wiederholungsgefahr besteht. Außerdem muß der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht werden, da ihm sonst die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden kann. Da Unterlassungsansprüche auf die Verhinderung zukünftigen Fehlverhaltens gerichtet sind und nicht als Sanktionen aus vergangenen Wettbewerbsverstößen zu verstehen sind,5 ist für die Geltendmachung des Anspruchs Wiederholungsgefahr erforderlich. Diese kann durch den Betriebsübergang möglicherweise entfallen, wenn der Erwerber das unternehmerische Konzept des übergegangenen Betriebes vollständig ändert. Geht beispielsweise nur ein Betriebsteil über, dem der Arbeitnehmer zuzuordnen ist, und wird dieser Betriebsteil in einen bestehenden Betrieb eingegliedert, mit dem ein völlig anderer Geschäftszweig verfolgt wird als beim Veräußerer, kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr widerlegt werden. Selbst wenn der Arbeitnehmer die Geschäftstätigkeit wiederholen würde, unterfiele sie wegen der Änderung des Geschäftszweiges in diesem Fall nicht mehr dem vom Wettbewerbsverbot geschützten Bereich. Der Unterlassungsanspruch kann ferner nur durchgesetzt werden, wenn er nicht verjährt ist. Grundsätzlich wird der Lauf von Ausschluß- und Verjährungsfristen für Arbeitgeber- oder Arbeitnehmeransprüche von dem mit dem Betriebsübergang verbundenen Vertragspartnerwechsel nicht berührt.6 Für Handlungsgehilfen güt § 61 Abs. 2 HGB. Danach unterliegen Ansprüche aus einer Verletzung des § 60 HGB zumindest hinsichtlich der Rechte, die § 61 Abs. 1 HGB einräumt, einer absoluten Verjährungsfrist von fünf Jahren und bei
3
Buchner, a.a.O.; Stein-Jonas-Schumann, vor § 253 ZPO Rdn. 11. Die Kenntnis von einer verbotenen Tätigkeit versetzt den Arbeitgeber häufig noch nicht in die Lage, den Hauptanspruch zu wählen und mit ausreichend bestimmtem Klageantrag zu verfolgen. Deshalb kann Unterlassung u.U. erst auf dem Weg über die Stufenklage (§ 254 ZPO) erreicht werden. Zur Bestimmtheit des Klageantrags, der die Grenzen der Rechtskraft erkennen lassen und vollstreckungsfähig sein muß vgl. Stein-Jonas-Schumann, § 253 ZPO Rdn. 59 sowie Stein-Jonas-Münzberg, § 890 ZPO Rdn 9. 4
Heinze, RdA 1986, 273 (280 f); Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 38.
5
Röhsler/Borrmann,
6
Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 68.
S. 61.
128
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
positiver Kenntnis des Arbeitgebers einer Verjährungsfrist von drei Monaten. 7 Ob auch der Unterlassungsanspruch v o n der kurzen Verjährungsfrist erfaßt wird, ist strittig. 8 Das B A G hatte in einer früheren Entscheidung jegliche Analogie zu dem Wortlaut des § 6 1 Abs. 2 H G B abgelehnt. 9 Demgegenüber hat es neuerdings ausgesprochen, daß die kurze Verjährungsfrist für alle Ansprüche des Arbeitgebers gelte, die dieser aus Wettbewerbsverstössen i.S.d. § 60 H G B herleite, auch soweit die Ansprüche auf andere Rechtsgrundlagen gestützt würden, z.B. auf positive Forderungsverletzung oder unerlaubte H a n d l u n g . 1 0 Die überwiegende Ansicht i m Schrifttum w i l l zu Recht die kurze Verjährungsfrist auf Unterlassungsansprüche entsprechend § 6 1 Abs. 2 H G B anwenden.11 Eine andere Frage ist, inwieweit die kurze Verjährungsfrist auch für die übrigen Arbeitnehmer gilt. Entgegen der Rechtsprechung des B A G 1 2 muß sich die Verjährungsfrist auch auf die Unterlassungspflicht für sonstige Arbeitnehmer beziehen. Wenn das Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen die für alle Arbeitnehmer geltende Treuepflicht konkretisiert, 1 3 ist kein Grund ersichtlich,
7
Entgegen dem zu engen Wortlaut des § 61 Abs. 1 HGB bezieht sich die kurze Verjährungsfrist nicht nur auf Ansprüche, die sich aus dem Abschluß einzelner Geschäfte ergeben, sondern auch auf das verbotswidrige Betreiben eines Handelsgeschäfts oder die Beteiligung an einem solchen, BAG AP Nr. 4 zu § 60 HGB; Röhsler/Borrmann, S. 61 m.w.Nachw. 8 Das RG hatte dies mit der Begründung bejaht, daß der Zweck der kurzen Verjährungsfrist darin bestehe, den Arbeitgeber zu veranlassen, seine Ansprüche möglichst rasch geltend zu machen, RGZ 63, 253 ff. 9
BAG AP Nr. 8 zu § 60 HGB; ablehnend auch LAG München ARST 1978, 176; einschränkend auch L A G Hamm ARST 1976, S. 64. Gegen eine Anwendung des § 61 Abs. 2 auf den Unterlasssungsanspruch auch Röhsler/Borrmann, S. 61. 10 BAG AP Nr. 2 zu § 61 HGB, Bl. 1085. Diese Entscheidung trägt allerdings insoweit nicht vollständig zur Klärung der Verjährung des Unterlassungsanspruchs bei, als das Gericht im Leitsatz 1 des Urteils ausdrücklich nur auf Ersatzansprüche des Arbeitgebers Bezug genommen hat. 11 Baumbach-Duden-Hopt, § 61 HGB Anm.4; Beuthien/Janzen, Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 60 HGB; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S.43 ff., der bei Veränderungen im Umfang des Wettbewerbsverstoßes (wenn der Arbeitnehmer seine verbotswidrige Tätigkeit ausdehnt) die Frist neu beginnen lassen will; Heymann-Honsell, § 61 HGB Rdn. 20; Schlegelberger-Schröder, § 61 HGB Rdn. 10 und 9. Überzeugend ist die Argumentation von Beuthien/Janzen, a.a.O., wonach der Vergleich mit § 113 Abs. 3 HGB und § 88 Abs. 3 HGB zeige, daß der Gesetzgeber bewußt eine Bewertung für die kurze Verjährungsfrist getroffen habe. Es ist nicht einsehbar, weshalb ein Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerb des Handlungsgehilfen einer anderen Verjährungsfrist unterliegen soll als die übrigen Ansprüche aus Wettbewerbsverstößen. 12
BAG AP Nr.8 zu § 60 HGB; Baumbach-Duden-Hopt, § 61 HGB Anm. 4.
13
BAG AP Nr. 7 zu § 60 HGB.
2. Der Eintritt in den Schadensersatzanspruch
129
weshalb für andere als kaufmännische Angestellte eine andere inhaltliche Regelung gelten soll. 1 4 Teilt man die hier vertretene Auffassung, daß der Unterlassungsanspruch der kurzen Verjährung unterliegen kann, muß sich der Betriebserwerber gegebenenfalls die Einrede der Verjährung entgegenhalten lassen,15 denn soweit auf die positive Kenntnis des Arbeitgebers von dem Wettbewerbsverstoß abzustellen ist, muß der neue Betriebsinhaber sich die Kenntnis des Veräußerers anrechnen lassen. Dies folgt aus dem durch § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angeordneten vollständigen Wechsel der Arbeitgeberstellung.
2. Der Eintritt in den Schadensersatzanspruch Gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 HGB kann der Prinzipal vom Handlungsgehüfen Schadensersatz verlangen, wenn dieser das Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB verletzt. Für sonstige Arbeitnehmer ergibt sich der Anspruch auf Schadensersatz aus den Grundsätzen zur positiven Vertragsverletzung i. V. m. §§ 249 ff B G B ; 1 6 die Spezialvorschrift des § 61 Abs. 1 HGB enthält insoweit nur, was aus den allgemeinen Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung folgt. 1 7 Der Schadensersatzanspruch aus § 61 HGB bzw. positiver Vertragsverletzung kann mit Ansprüchen aus §§ 826 BGB, 1 UWG zusammentreffen, wobei sich diese Ansprüche gegebenenfalls auch gegen Dritte richten. 18 Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt demgegenüber regelmäßig nicht in Betracht. Dieser Anspruch setzt Betriebsbezogenheit voraus und besteht nur, soweit erne Lücke im Rechtsschutz vorliegt, was für den Bereich der gesetzlichen Wettbewerbsverbote nicht der Fall ist. 1 9 Hat der Arbeitnehmer schuld-
14
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 42 f. Dies erscheint um so mehr konsequent, als die Rechtsprechung die analoge Anwendung der §§ 74 ff HGB für wettbewerbswidriges Verhalten im nachvertraglichen Bereich ohne Bedenken auch auf nichtkaufmännische Arbeitnehmer anwendet, BAG AP Nr.24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BAG AP Nr.23 zu § 133 f. Auch nach Staudinger-Richardi, § 611 Rdn. 388 ist die Regelung der kurzen Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB für alle Arbeitnehmer anzuwenden. 15
Zum Beginn der Verjährungsfrist vgl. Grunsky, a.a.O., S. 43 f.
16
Röhsler/Borrmann,
17
Buchner, a.a.O.
18
Heymann-Honsell, § 61 HGB Rdn. 7; Röhsler/Borrmann,
1 9
S. 64; Buchner, Wettbewerbsverbot [D] I I C II 1. S. 52.
BGHZ 45, 296; Buchner, Unternehmensschutz, S. 84 ff; Palandt-Thomasy § 823 Anm. 6 g.
130
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
haft 2 0 das Wettbewerbsverbot verletzt, kann der Arbeitgeber gemäß § 249 BGB verlangen, so gestellt zu werden, als hätte der Arbeitnehmer keine Konkurrenz betrieben.21 Geht ein Betrieb nach § 613 a BGB durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, kann fraglich sein, ob dieser den Schadensersatzanspruch aus einem Wettbewerbsverstoß geltend machen kann, der bereits vor dem Betriebsübergang stattgefunden hat. Dazu muß zunächst gefragt werden, ob der Schadensersatzanspruch den Rechten und Pflichten "aus dem Arbeitsverhältnis" zugeordnet werden kann. Für den Schadensersatzanspruch aus § 61 Abs. 1 HGB ist dies nicht zweifelhaft. Der gesetzliche Anspruch bezieht sich ausdrücklich auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Aber auch für den Anspruch aus positiver Forderungsverletzung trifft dies zu. Der Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis tritt bei nichtkaufmännischen Arbeitnehmern gerade deshalb deutlich hervor, weü der Ersatzanspruch auf der positven Verletzung des Arbeitsvertrages beruht. 22 Ob ein Schadensersatzanspruch auf deliktischer Grundlage, insbesondere aus § 826 BGB, ebenfalls zu den "Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis" gezählt werden kann, ist dagegen fraglich. Anders als der Ersatzanspruch aus § 61 HGB beruht der Anspruch aus § 826 BGB nicht lediglich auf einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, sondern auf der vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung fremden Vermögens, das gesetzlich geschützt ist. Der Schutzbereich des § 826 BGB enthält gegenüber dem des § 61 HGB insoweit einen anders gelagerten Schwerpunkt. 23 Zudem richtet sich deliktischer Schutz anders als bei den relativen Rechten gegen jedermann. 24 Allein aus dieser unterschiedlichen Gewichtung läßt sich jedoch kerne Aussage darüber treffen, ob die Pflicht zur Ersatzleistung sich als Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstellt oder nicht. Grundsätzlich muß für die Frage der Zuordnung zum Arbeitsverhältnis darauf abgestellt werden, ob ein enger Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht bzw.ob Sinn und Zweck des § 613 a BGB den Übergang dieser Rechte und Pflichten gebieten.25 Ein enger Zu2 0 Das Verschuldenserfordernis ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Schadenshaftung, vgl. Buchner, Wettbewerbsverbot [D] II Β II 1. 21
Röhsler/Borrmann,
2 2
Im Ergebnis ebenso Borngräber, S. 71.
S. 51.
2 3
Vgl. auch Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II Ε II, der hervorhebt, daß es für die Erfüllung des deliktischen Tatbestands eines "weitergehenden Unrechtsgehalts" bedarf. 2 4 25
Fikentscher,
§103,1.
Köhler, BB 1979, 912 (913). Zu der Frage welche Rechte und Pflichten dem Arbeitsverhältnis i.S.d. § 613 a BGB zugeordnet werden können vgl. ferner oben II. Teil, Abschn. A, 1.
2. Der Eintritt in den Schadensersatzanspruch
131
sammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht bei einem auf § 826 BGB beruhenden Schadensersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot schon deshalb, weil die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ohne die gleichzeitige Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nicht möglich ist. 2 6 Einer weiteren Prüfung, ob der Übergang des Schadensersatzanspruchs auch von Sinn und Zweck des § 613 a BGB erfaßt wird, bedarf es nicht. Dies güt auch, sofern wegen des Wettbewerbsverstoßes ein Anspruch nach § 1 UWG bejaht werden könnte. Beide Anspruchsgrundlagen knüpfen an ein bestehendes Arbeitsverhältnis an. Des weiteren stellt sich die Frage, ob der bei dem früheren Arbeitgeber entstandene Schadensersatzanspruch selbst dann geltend gemacht werden kann, wenn der Erwerber nicht mehr in dem Geschäftszweig tätig ist, der vor Betriebsübergang vom Wettbewerbsverbot geschützt wurde. Dieser Fall kann beispielsweise eintreten, wenn sich der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot auf einen Betriebsteil bezieht, der bei dem alten Inhaber verblieben ist, während der wettbewerbswidrig handelnde Arbeitnehmer dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen war. Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ist, daß der Arbeitgeber die Verletzung des Wettbewerbsverbotes und die Entstehung des Schadens nachweisen kann. 27 Der Betriebsübergang läßt den Schaden nicht entfallen; auch ändert er an der Möglichkeit des Schadensnachweises nichts. Infolge des Betriebsübergangs tritt der Erwerber als neuer Arbeitgeber in den Schadensersatzanspruch ein. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betriebsübergang einen umfassenden Wechsel im für das Wettbewerbsverbot maßgeblichen Geschäftszweig zur Folge hatte und der Arbeitnehmer deshalb künftig nicht mehr gegen das in früherer Form bestehende Wettbewerbsverbot verstoßen kann. 28 Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts, so daß der neue Inhaber nur beweisen muß, daß zum damaligen Zeitpunkt der Schaden eingetreten war. 2 9 Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß der Schadensersatzanspruch, der dem Veräußerer gegen den Arbeitnehmer wegen Verletzung des Wettbewerbsverbots zusteht, bei Betriebsübergang auf den neuen Inhaber übergeht. Dies dürfte nicht stets der Interessenlage entsprechen. 2 6 Nach Grunsky, ArbGG, § 2 Rdn. 89 ist für die Frage, ob es sich um einen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis handelt, allein maßgeblich, daß an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses angeknüpft wird; es spielt keine Rolle, ob der Anspruch auf Vertrag oder Gesetz beruht. Im Ergebnis ebenso Seiter, Betriebsinhabenvechsel, S. 78 unter Β V I I 2 b bb (1); MK-Schaub, § 613 a BGB Rdn. 42 u. Rdn. 61. 2 7
Röhsler/Borrmann,
2 8
Borngräber, S. 71; Staudinger-Richardi,
2 9
S. 51. § 613 a Rdn. 153.
Eine andere Frage ist es, ob der Erwerber insoweit mit dem Veräußerer Ausgleichsansprüche vereinbart, vgl. hierzu Borngräber, a.a.O .
132
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
Bezüglich des Umfangs des Schadenersatzanspruchs bleibt anzumerken, daß für die Ersatzleistung nicht der Umfang des Gewinns maßgeblich ist, den der Betrieb unter der Regie des neuen Inhabers hätte erzielen können. Nur der Schaden ist ersatzfähig, für den der Wettbewerbsverstoß adäquat kausal war. 3 0 Maßgeblich für den Ersatz des entgangenen Gewinns ist daher der Gewinn, der zum Zeitpunkt des Wettbewerbsverstoßes durch ein Geschäft des damaligen Arbeitgebers hätte erzielt werden können. 31
3. Die Auswirkungen auf das Eintrittsrecht a) Die Auswirkungen auf das Wahlrecht nach § 61 HGB
Statt des Schadensersatzanspruchs kann der Prinzipal bei Verletzung des Wettbewerbsverbots nach § 61 Abs. 1 HGB verlangen, daß der Handlungsgehüfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Schadensersatzanspruch abtritt. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, zwischen Schadensersatzanspruch und sogenanntem Eintrittsrecht 32 zu wählen. Nach der in der Literatur vorherrschenden Meinung ist dieses Wahlrecht keine echte Wahlschuld i.S.d. § 262 BGB, weshalb insbesondere auch § 264 Abs. 2 BGB mit der Folge, daß der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zwingen könnte, nach einer Fristsetzung vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, nicht anwendbar ist. 3 3 Das Wahlrecht wird durch einseitige Wülenserklärung ausgeübt, der Prinzipal ist an die Wahl gebunden. 34 Hat er das Eintrittsrecht gewählt, so kann er nicht mehr Schadensersatz verlangen, auch wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Hand-
3 0
Der Arbeitgeber ist dafür darlegungs- und beweispflichtig, daß ihm infolge der Konkurrenztätigkeit ein Schaden entstanden ist. Er muß nachweisen, daß er selbst die verbotenen Geschäfte abgeschlossen hätte; vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 IV 2.; Röhsler/Borrmann, S. 51. 3 1
Vgl. auch Schlegelberger-Schröder,
§ 61 HGB Rdn. 3.
3 2
In der Literatur wird mit Recht darauf verwiesen, daß die Bezeichnung "Eintrittsrecht" irreführend ist, da der Unternehmer nicht selbst Vertragspartner der Verträge zwischen Handlungsgehilfen und Drittem wird, vgl. nur Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II Β II 2 a; ebenso Baumbach/Duden/Hopt, § 61 Anm. 3; HeymannHonsell, § 61 Rdn. 9; Schmidt, § 16 V I aa. 3 3
Es handelt sich um den Fall einer "facultas alternativa", Buchner, a.a.O. Β I I 2 c; Röhsler/Borrmann, S. 50 f; Schaub, § 57 III, 3; Schlegelberger-Schröder, § 61 Rdn 4; a.A.: Heymann-Honsell, § 61 Rdn. 1 ("elektive Konkurrenz"). 3 4
Heymann-Honsell, § 61 Rdn. 4.
. Die Auswirkungen auf das
inrecht
133
lungsgehilfe ein Geschäft zu ungünstigeren Bedingungen als erwartet abgeschlossen hatte. 35 Hat der frühere Inhaber noch keine Wahl getroffen, so steht das Wahlrecht dem Erwerber als neuem Arbeitgeber ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu. Das Wahlrecht kann ebenso wie der Schadensersatzanspruch als Recht aus dem Arbeitsverhältnis angesehen werden. Hat der Veräußerer bereits von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht, ist der Erwerber wegen § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB an die bereits getroffene Wahl des Veräußerers gebunden.
b) Der Übergang des Eintrittsrechts
Auch das Eintrittsrecht nach § 61 Abs. 1, 2. Halbs. HGB ist ein Recht aus dem Arbeitsverhältnis, das infolge des Betriebsübergangs nach § 613 a BGB auf einen neuen Inhaber übergeht. Auch hier gilt die Argumentation, die den Schadensersatzanspruch als Recht aus dem Arbeitsverhältnis kennzeichnete, entsprechend. Der neue Inhaber kann, sofern der Veräußerer noch keine Wahl getroffen hat, sich für das Eintrittsrecht entscheiden und die Vorteile des verbotswidrigen Geschäfts abschöpfen.36 Gegenüber dem Anspruch auf Schadensersatz hat das Eintrittsrecht den Vorzug, daß kein konkreter Schaden nachgewiesen werden muß. 3 7 Eine gesetzliche Regelung des Eintrittsrechts findet sich allerdings nur für Handlungsgehilfen. Dementsprechend soll nach verbreiteter Auffassung bei sonstigen Arbeitnehmern kein Eintrittsrecht gegeben sein. 38 Dem Arbeitgeber bliebe in diesem Fall nur, die wirtschaftlichen Vorteüe des verbotswidrigen Geschäfts nach § 687 Abs 2 BGB i.V.m. §§ 681 S.l, 667 BGB an sich zu ziehen. 3 9 § 687 Abs. 2 BGB setzt jedoch voraus, daß ein objektiv fremdes Geschäft vorliegt und daß der Arbeitnehmer weiß, daß er ein solches Geschäft als sein eigenes behandelt. Selbst wenn bejaht werden würde, daß ein objektiv
35 Bandasch-Etzel, § 61 Rdn. 3; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 33; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 I V 3; Schlegelberger-Schröder, § 61 Rdn. 4; BrüggemannWürdinger, § 61 Rdn. 2. 3 6
Ein Vorteil ist insbesondere dann gegeben, wenn der Gewinn beispielsweise aufgrund des besonderen Verkaufsgeschicks des Handlungsgehilfen höher liegt als der über den Schadensersatz liquidierbare. 3 7 3 8
Röhsler/Borrmann,
S. 52.
LAG Berlin DB 1970, 1645; Baumbach/Duden/Hopt, mann/Schräder, S. 5; Palandt-Putzo, § 611 Anm. 4 c. 3 9
§ 61 Anm. 3; Weise-
Vgl. BAG AP Nr. 14 zu § 242 BGB Auskunftspflicht mit Verweis auf BAG AP Nr. 3 zu § 687 BGB; ferner BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht.
134
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
fremdes Geschäft vorliegt, 40 würde auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber nicht ausreichen, um den wirtschaftlichen Vorteü abschöpfen zu können. Gewerbliche Arbeitnehmer, die sich über die Grenzen des Wettbewerbsverbots irren, wären gegenüber Handlungsgehüfen, für die § 61 Abs. 1, 2. Halbs. HGB güt, insoweit besser gestellt. Berücksichtigt man, daß das BAG das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB nur als Spezialfall der für alle Arbeitnehmer geltenden Treuepflicht ansieht, 41 so liegt es nahe, auch für die übrigen Arbeitnehmer die Regelung des § 61 Abs. 1, 2. Halbs. HGB entsprechend anzuwenden.42 Das Eintrittsrecht bewirkt, daß der Prinzipal verlangen kann, daß die Geschäfte, die der Handlungsgehüfe unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot im eigenen Namen und für eigene Rechnung gemacht hat, als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten. 43 Entsprechendes güt beim Betriebsübergang: hat der Handlungsgehilfe vor dem Betriebsübergang Geschäfte für eigene Rechnung gemacht, so hat der Betriebsübergang zur Folge, daß der neue Inhaber verlangen kann, daß die für Rechnung des Handlungsgehüfen gemachten Geschäfte als für Rechnung des neuen Inhabers eingegangen gelten. Ebenso wie beim Schadensersatzanspruch spielt es für den Eintritt in das Eintrittsrecht keine Rolle, ob der neue Betriebsinhaber noch in dem Geschäftszweig des Veräußerers tätig ist. 4 4 Verlangt der neue Inhaber in Ausübung des Eintrittsrechts die Herausgabe des Gewinns, kann er nur den Gewinn verlangen, den der Handlungsgehüfe aus dem Geschäft erzielt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber selbst in der Lage gewesen wäre, eine höhere Vergütung zu erzielen. Auch der frühere Inhaber, der eine höhere Vergütung erlangt hätte als der verbotswidrig handelnde
4 0
Kritisch Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II, C II, 2; Röhsler/Borrmann
4 1
Vgl. die Nachw. oben II. Teil, Abschn. A, Fußn. 13.
,S. 65.
4 2 Zustimmend Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II, C II, 2.; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 35; Röhsler/Borrmann, S. 65 u. S. 53; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 V. 4. Für eine analoge Anwendung der § 61 HGB spricht außerdem, daß das BAG die Regelungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen analog auf nichtkaufmännische Arbeitnehmer anwendet vgl. dazu Röhsler/Borrmann, a.a.O. sowie oben Fußn. 363. 4 3 Grundsätzlich ausgeschlossen ist das Eintrittsrecht, wenn der Arbeitnehmer einer konkurrierenden Gesellschaft beigetreten ist oder wenn er abhängige Arbeit für einen Konkurrenten leistet, zu den Einzelheiten Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 35 f; zweifelhaft ist ferner, ob das gewählte Eintrittsrecht alle verbotswidrigen Geschäfte betrifft oder nur einzelne, vgl. hierzu Heymann-Honsell, § 61 Rdn. 14 ff sowie Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 34. 4 4
Vgl. dazu die Nachw. oben Fußn. 377.
4. Der Übergang des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs
135
Handlungsgehilfe, hätte nur den vom Handlungsgehilfen erreichten Gewinn verlangen können. 45 Hat der Handlungsgehilfe Geschäfte für Rechnung eines Dritten getätigt, kann der Prinzipal nach § 61 Abs. 1 HGB die Herausgabe der Vergütung bzw. Abtretung des Vergütungsanspruchs verlangen. Infolge des Betriebsübergangs tritt der Erwerber auch insoweit in die Rechtsstellung des Veräußerers ein. Macht der neue Inhaber sein Eintrittsrecht geltend, so muß er sich, auch wenn sich eine solche Verpflichtung nicht ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt, so behandeln lassen, als sei der Handlungsgehilfe sein Beauftragter gewesen. 46 Insbesondere gelten die Grundsätze über die Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht hinsichtlich Abschluß, Inhalt und Durchführung des Geschäfts (§ 666 BGB) sowie über die Herausgabe des Erlangten (§ 667 BGB). Dementsprechend kann der Handlungsgehüfe Ersatz semer Aufwendungen geltend machen. 47 Der neue Betriebsinhaber kann somit nur die Herausgabe des Nettogewinns verlangen.
4. Der Übergang des Anspruchs auf Auskunft und Rechnungslegung Nach der Rechtsprechung steht dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Auskunft zu, wenn er sich Gewißheit über Existenz und Umfang ernes Schadensersatzanspruchs verschaffen w i l l . 4 8 Der Auskunftsanspruch ergänzt das Wahlrecht, weü der Arbeitgeber die Entscheidung, wie er von seinem Wahlrecht Gebrauch machen wül, erst treffen kann, wenn er Kenntnis über die Einzelheiten der konkurrierenden Geschäftstätigkeit hat. 4 9 Hat der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen, steht dem Arbeitgeber auch ein Anspruch auf Rechnungslegung zu. 5 0 Infolge des Betriebsübergangs tritt der Erwerber auch in dtese dem Arbeitgeber zustehenden Rechte ein. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungsle45
Schlegelberger-Schrödery
§ 61 Rdn. 6 a.
4 6
Heymann-Honsell, § 61 Rdn. 11; Röhsler/Borrmanny Schrödery a.a.O. 4 7
Schlegelberger-Schröder
S. 55 f.; Schlegelberger-
y § 61 Rdn. 6 a.
4 8
BAG AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG AP Nr. 3, AP Nr. 8 zu § 60 HGB; LAG Frankfurt AuR 1987, 242; Weisemann/Schradery DB 1980, Beil. 4, S. 5 m.w.Nachw.; Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1980, 321 (327); Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 39; Röhsler/Borrmanny S. 56. 4 9 5 0
Röhsler/Borrmanny
S. 56; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 57 IV 5.
BAG AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht sowie die Nachw. zum Schrifftum oben Fußn. 48.
136
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
gung geht nicht dadurch verloren, daß der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot lediglich in einem Bereich verletzt hat, der den neuen Inhaber nicht betrifft. 5 1
5. Die Auswirkungen des Übergangs auf das Kündigungsrecht a) Der Eintritt in das Recht zur ordentlichen bzw. außerordentlichen Kündigung
Verstößt der Arbeitnehmer gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot, so steht dem Arbeitgeber je nach Schwere der Pflichtverletzung das Recht zur ordentlichen bzw. außerordentlichen Kündigung zu. 5 2 Die ordenüiche Kündigung kann als verhaltensbedingte Kündigung i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein. 53 Regelmäßig bedarf es vor Ausspruch der Kündigung wegen der Verletzung eines Wettbewerbsverbots einer Abmahnung. Die Abmahnung ist unter anderem entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer ohne weiteres davon ausgehen konnte, daß der Arbeitgeber sein Verhalten nicht hinnehmen würde. 54 Erforderlich ist ferner, daß bei Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheint.55 Dabei braucht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht schlechthin unzumutbar zu sein; dies würde bereits die außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dem Arbeitgeber muß es jedoch unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus fortzusetzen.56 Für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB genügt die Verletzung des Wettbewerbsverbots allein nicht. Der Arbeitgeber muß vielmehr nachweisen, daß bei Abwägung aller Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht verlangt werden kann; die außerordentliche Kündigung kommt nur als ultima ratio in Betracht. 57 Nach § 626 Abs. 2 BGB ist die Aus5 1
Vgl. insoweit die Ausführungen zum Schadensersatzanspruch oben S. 112 ff.
5 2
KR-Becker, § 1 Rdn. 279 f.
53
KR-Becker, a.a.O.
5 4 Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1980, 321 (326). Zur Abmahnung bei verhaltensbedingter Kündigung vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 130 I. 5.; Beispiele nicht tolerierbaren Verhaltens finden sich bei Röhsler/Borrmanny S. 59. 55
Buchner, Wettbewerbsverbot I I Β II 6. b.
5 6
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 1301. 1. d.
5 7
Zum wichtigen Grund bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vgl. BAG JZ 1971, 381; BAG AP Nr. 7 zu § 60 HGB; BAG BB 1977, 174; L A G Baden
5. Die Auswirkungen des Übergangs auf das Kündigungsrecht
137
schlußfrist von zwei Wochen zu beachten, die ab dem Zeitpunkt beginnt, von dem ab der Arbeitgeber im wesentlichen Kenntnis von der Konkurrenztätigkeit erhält. 58 Als Folge des Betriebsübergangs geht das Recht zur außerordentlichen und ordenüichen Kündigung auf den neuen Inhaber über. 59 Dabei wirken grundsätzlich alle kündigungsrechtlich relevanten Faktoren fort. 6 0 Weder soll sich der Wechsel des Vertragspartners zum Nachteü des Arbeitnehmers auswirken, noch soll dieser durch den Wechsel unangemessen bevorzugt werden. Auch muß der Erwerber wegen des Eintritts in die volle Arbeitgeberstellung sich die für den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erforderliche Kenntnis des Veräußerers von der Konkurrenztätigkeit zurechnen lassen. 61 Dem Recht, bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung auszusprechen, steht auch nicht die Regelung des § 613 a Abs. 4 BGB entgegen. Das dort enthaltene Kündigungsverbot bezieht sich nur auf Kündigungen, für die der Betriebsübergang wesentlicher und tragender Grund war. 6 2 Dies ist bei einer Kündigung wegen Verletzung des Wettbewerbsverbots nicht der Fall. Zweifelhaft ist die Frage, ob bei der kündigungsrechtlich notwendigen Abwägung der Interessen die Gewichtung nach den Maßstäben des veräußernden Betriebs oder nach den Maßstäben des erwerbenden Betriebes vorzunehmen ist. Wegen der höheren Einzelfallgerechtigkeit erscheint es vorzugswürdig, die Interessenabwägung nach den Maßstäben des erwerbenden Betriebes vorzunehmen. 6 3
Württemberg BB 1969, 759; MK-Schwerdtner, 1722. 5 8
Röhsler/Borrmanny
§ 626 Rdn. 86; Boldt NWB Fach 26,
S. 58 m.w.Nachw.
5 9
Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1975 , 305 (308); Borngräber, S. 68; v. Hoyningen-Huene, SAE 1978, 282 f; Krejeciy S. 164 ff; Posth, S. 119; Seiter Betriebsinhaberwechsel, S. 84. 6 0
Kreitner y S. 174.
61
MK-Schauby § 613 a Rdn. 66.
6 2
Zur Kausalitätsproblematik s.o. II. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 4., c.
6 3
Ebenso Kreitnery
S. 174 f m.w.Nachw.
y
138
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
b) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschulden bei fristloser Kündigung
aa) Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Wegfalls des Wettbewerbsverbots in Rechtsprechung und Schrifttum Ein besonderes Problem betrifft die Folgen einer fristlosen Kündigung wegen ernes Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot. Durch die fristlose Kündigung wird der Arbeitnehmer von der Bindung an das Wettbewerbsverbot frei und könnte nunmehr erst recht und ungehindert Wettbewerb betreiben. Nach der Rechtsprechung des BAG soll dieses Ergebnis der fristlosen Kündigung durch § 628 Abs. 2 BGB verhindert werden: Nach § 628 Abs. 2 BGB kann der Arbeitgeber den Ersatz des Schadens verlangen, der durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstanden ist, sofern der Arbeitnehmer die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten veranlaßt hat. In Anwendung der §§ 628 Abs. 2, 249 S. 1, 251 Abs. 2 BGB hat das BAG dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Schadensersatz auch für den Fall zugesprochen, daß ein Vermögensschaden entsteht, weil durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses der gesetzliche Konkurrenzschutz entfällt. 64 Der Anspruch erstreckt sich auf den Zeitraum, der für den Arbeitnehmer bei einer ordentlichen Kündigung maßgeblich gewesen wäre. Das BAG übersieht nicht, daß der Schadensersatzanspruch dem Arbeitgeber de facto ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verschafft, für das er keine Karenzentschädigung leisten muß. Nach Ansicht des BAG liegt es deshalb nahe, die Konkurrenztätigkeit soweit außer Betracht zu lassen, als sie einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nicht unterworfen werden kann. 65 Die Rechtsprechung des BAG ist verschiedentlich kritisiert worden. 66 So vertritt Lieb die Auffassung, daß § 60 HGB vor den spezifischen Gefahren schützen solle, die dem Arbeitgeber drohten, wenn der Arbeitnehmer Konkurrenz betreibe, während er noch in das Unternehmen integriert sei. Diese besondere Gefahrensituation ende oder vermindere sich in erheblichem Maße, wenn der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheide. Da nach fristloser Kündigung diese Gefährdungslage nicht mehr bestehe, müsse der Arbeitgeber recht6 4
BAG AP Nr. 8 zu § 628 BGB m. Anm. von Lieb; BAG AP Nr. 6 zu § 75 HGB m.Anm.v. Beitzke; vgl. ferner Buchner, [D] Wettbewerbsverbot II Β I I 6 a bb; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 26; Röhsler/Borrmann, S. 43 ff, S. 58; MK-Schwerdtner, § 628 Rdn. 20; Boldt, NWB Fach 26, S. 1721 (1722). 65 6 6
BAG AP Nr. 8 zu § 628 BGB.
Kritisch insbesondere Lieb, Anm. zu BAG Ap Nr. 8 zu § 628; Herschel, Anm. zu AR-Blattei, Kündigung VII: Entscheidung Nr. 52; Beitzke, Anm. zu BAG AP Nr. 6 zu § 75 HGB.
5. Die Auswirkungen des Übergangs auf das Kündigungsrecht
139
zeitig ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren, wenn er sich vor den Konsequenzen einer fristlosen Kündigung schützen wolle. 6 7 Herschel wendet ein, daß dem Zwang zur Unterlassung von Wettbewerb keinerlei arbeitgeberseitiges Äquivalent gegenüberstehe. Er empfiehlt deshalb, neben der am Schutzbereich der Norm orientierten Kausalanalyse sorgfältig das Verschulden des Arbeitnehmers zu untersuchen und bei der Schadenshöhe im Rahmen haftungsausfüllender Kausalität zu prüfen, ob der Umsatzrückgang auf dem Verhalten des Arbeitnehmers als alleiniger Ursache beruhe. Auch sei der Gedanke der Vorteüsausgleichung zu berücksichtigen.68 Röhsler/Borrmann weisen schließlich im Anschluß an Beitzke 69 nach, daß der Arbeitgeber über § 628 Abs. 2 BGB im Wege der Naturalrestitution nicht erreichen könne, daß der ausgeschiedene Arbeitnehmer weiterhin der Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb nach § 60 HGB unterliege. 70 In diesem Fall würde der Arbeitgeber systemwidrig etwas erhalten, ohne selbst eine Gegenleistung zu erbringen. Röhsler/Borrmann schlagen deshalb vor, diese Regelungslücke durch analoge Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB i.V.m. § 242 BGB zu schließen. Danach solle der Arbeitnehmer verpflichtet sein, sich fur die Zeit, die eine ordentliche Kündigungsfrist gedauert hätte, auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot einzulassen.71
bb) Stellungnahme Zunächst ist dem Ansatz der Rechtsprechung zuzustimmen: Es kann nicht rechtens sein, daß der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung provozieren kann, um danach vorzeitig vom Wettbewerbsverbot befreit zu sein. 72 Die Kritik an der Rechtsprechung des BAG konzentriert sich deshalb vor allem darauf, daß dem Arbeitgeber auf dem Weg über den Schadensersatz eine Rechtsposition zukommt, die zu der gesetzgeberischen Wertung im Widerspruch stehen könnte, da ein Wettbewerbsverbot im nachvertraglichen Bereich nur aufgrund 6 7
Liefe, a.a.O.
e s
Herschel, a.a.O.
6 9
Beitzke, a.a.O.
7 0
Röhsler/Borrmann, S. 44 ff begründen dies mit der vergleichbaren Regelung des § 326 Abs. 1 BGB, wonach der Anspruch auf Erfüllung ausgeschlossen ist, wenn der Gläubiger nach Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gefordert hat. Überdies sei bei einem gegenseitigen Vertrag der Vertragspartner, der Beseitigung seines Schadens durch Naturalrestitution fordere, seinerseits verpflichtet, die geschuldete Leistung zu bewirken. 71
Röhsler/Borrmann,
S. 47.
7 2
Röhsler/Borrmann,
S. 44.
140
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
einer Vereinbarung und nur gegen Zahlung einer Karenzentschädigung zu erreichen ist. 7 3 Dieser sich durch die Gegenüberstellung von Ersatzanspruch und nachvertraglichem Wettbewerbsverbot ergebende Wertungswiderspruch hat jedoch sachliche Gründe. Während ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot erst durch eine besondere vertragliche Vereinbarung entsteht, handelt es sich bei dem Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschuldens um eine nachwirkende Pflicht aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag. 74 Darin liegt ein qualitativer Unterschied zum vertraglich begründeten Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Frage der Karenzentschädigung rechtfertigt 75 Insoweit erscheint auch die Ansicht des BAG unzutreffend, das eine Einschränkung des Ersatzanspruchs nach Maßgabe der §§ 74 ff HGB vornehmen w ü l . 7 6 Der Schadensersatzanspruch weist keinerlei Nähe zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auf, auch wenn er sich auf eine Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses bezieht. Anknüpfungspunkt des Schadensersatzanspruchs ist § 60 HGB. Er wird dafür gewährt, daß das Wettbewerbsverbot in dem Umfang entfällt, wie es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestand. Liebs 7 7 Einwand, die besondere Gefahrenlage, die § 60 HGB kennzeichne, bestehe nach einer fristlosen Kündigung nicht mehr, kann grundsätzlich zugestimmt werden. Deshalb kann vom Arbeitnehmer auch nicht Unterlassung von Wettbewerb verlangt werden. Der Wegfall der spezifischen Gefahrenlage macht den Schadensersatzanspruch jedoch nicht obsolet: Der Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB besteht gerade darin, die Folgen aus dem Wegfall der Integration des Arbeitnehmers in den Betrieb durch einen Ersatzanspruch aufzufangen.78 § 628 Abs. 2 BGB trifft die Wertung, daß die durch das Auflösungsverschulden herbeigeführte Wirkung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf den Kündigenden abgewälzt werden darf. Gerade dieser Effekt würde aber eintreten, wollte man sich darauf berufen, daß zwar eine Vereitelung des Vertragszwecks stattgefunden habe, aber eben deshalb die typische Gefahrenlage aus einer Konkurrenztätigkeit nicht mehr bestehe.
7 3
BAG AP Nr. 5 zu § 75 HGB; BAG AP Nr. 6 zu § 75 HGB mit Anm. v. Beitzke.
7 4
Gessert, S. 97.
75
Gessert, a.a.O.
7 6
Vgl. hierzu BAG oben Fußn. 65. Kritisch zu dieser Ansicht des BAG auch Hadding, SAE 1976, 219 (222). 1 1
Lieb, a.a.O.
7 8
Vgl. auch MK-Schwerdtner,
§ 628 Rdn. 1 u. 14.
5. Die Auswirkungen des Übergangs auf das Kündigungsrecht
141
Dennoch darf dies im Ergebnis nicht so weit führen, daß aus der Pflicht zur Ersatzleistung auf dem Wege über die Naturalrestitution Unterlassung von Wettbewerb gefordert werden kann. 7 9 Auszugehen ist davon, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung beendet ist. Der Arbeitgeber kann deshalb nur Schadensersatz als Ausgleich für die durch den Wegfall des Wettbewerbsverbots entstehenden Schäden verlangen. Es läßt sich somit festhalten, daß der Rechtsprechung des BAG gefolgt werden kann, soweit sie dem Arbeitgeber einen Ersatzanspruch zuspricht, wenn durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Wegfall des Wettbewerbsverbots ein Vermögensschaden entsteht. Stimmt man dem zu, stellt sich die Frage, wie der Betriebsübergang sich auf den Ersatzanspruch auswirkt. Insbesondere ist fraglich, ob der neue Inhaber in den Schadensersatzanspruch eintritt, wenn während des Zeitraums, den die ordentliche Kündigung gedauert hätte, ein Betriebsübergang stattfindet.
cc) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ordnet in seinem Rechtsfolgenteil nur den Eintritt in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen an. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann damit der Erwerber nicht in den Schadensersatzanspruch eintreten, wenn der Betriebsübergang während der Zeit stattfindet, die die Frist für die ordentliche Kündigung in Anspruch genommen hätte. Es handelt sich insoweit nicht um einen Anspruch aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Auch fuhrt die weitere Auslegung des § 613 a BGB zu keinem anderen Ergebnis: weder läßt sich aus der Entstehungsgeschichte80 noch aus der Teleologie des § 613 a BGB entnehmen, daß der Schadensersatzanspruch auf den Erwerber übergehen müßte. Der Schutzzweck des § 613 a BGB besteht im wesentlichen darin, die bestehenden Arbeitsverhältnisse zu schützen, die Kontinuität des Betriebsrats zu gewährleisten, die Haftung des neuen und des alten Arbeitgebers zu regeln sowie die Auswirkungen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu ordnen. 81 Hieraus läßt sich nicht ableiten, daß der
7 9
So die zutreffende von Röhsler/Borrmann,
oben Fußn. 70 geäußerte Ansicht.
8 0
Zur Entstehungsgeschichte des § 613 a BGB vgl. ausführlich unten III. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 2 c. 8 1 Vgl. nur MK-Schaub, § 613 a Rdn. 2; ausführlich hierzu unten III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap., 2 d.
142
II. Teil, Abschn. D.: Auswirkungen auf die Rechtsfolgen
Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet ist, auf den Erwerber übergehen müßte. Es ließe sich jedoch fragen, ob der Eintritt des Erwerbers in den Schadensersatzanspruch durch analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB erzielt werden könnte. Dies würde voraussetzen, daß eine Regelungslücke bestünde, die wegen der Vergleichbarkeit des geregelten mit dem nicht geregelten Falltypus durch Analogie geschlossen werden könnte. 82 Selbst wenn man davon ausginge, daß hinsichtlich des Übergangs des Schadensersatzanspruchs eine für den Analogieschluß erforderliche Regelungslücke bestünde, mangelt es jedoch an der Vergleichbarkeit beider Falltypen. Der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB hat kerne Ähnlichkeitist mit den Ansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Der Ersatzanspruch soll nach seinem Schutzzweck den Arbeitgeber nicht so stellen, als ob das Arbeitsverhältnis noch bestünde. Deshalb kann auch nicht Unterlassung von Wettbewerb verlangt werden. Wäre dies der Fall, würde der Arbeitgeber in der Tat etwas erhalten, wofür er keine Gegenleistung erbringen muß. 8 3 Soweit das Wettbewerbsverbot betroffen ist, besteht der Zweck der Schadensersatzregelung lediglich darin, dem Arbeitgeber für einen begrenzten Zeitraum eine außerhalb des Arbeitsvertrages liegende Anspruchsgrundlage auf Ersatz der Vermögensschäden zu verschaffen, die aufgrund der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers entstehen können. Daß nach dem Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB keine Gleichstellung mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis beabsichtigt ist, wird auch aus einer weiteren Überlegung deutlich: Wer einen kündbaren Vertrag abschließt, muß damit rechnen, daß der andere Teü von seinem Recht zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung Gebrauch macht. Der Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB kann deshalb nur die im Laufe des jeweiligen Kündigungszeitraums entstehenden Schäden erfassen, nicht aber Schäden, die auf der grundsätzlichen Erwartung der Nichtausübung des Kündigungsrechts beruhen. Durch den Ersatzanspruch soll somit der Empfänger der Kündigung nicht so gestellt werden, als ob das Vertragsverhältnis noch fortbestünde. Der Anspruch findet seine Rechtfertigung lediglich darin, daß das Ende des Arbeitsverhältnisses durch vertragswidriges Verhalten herbeigeführt wurde. Wenn davon auszugehen ist, daß der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB gerade keine Gleichstellung mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis bezweckt, dann kann er nicht so behandelt werden wie Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Das Erwerberinteresse am Eintritt in den 8 2 Zu den Voraussetzungen des Analogischlusses vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 366 ff; sowie ausführlich unten III. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 3 a. 83
Vgl. hierzu oben Fußn. 70.
5. Die Auswirkungen des Übergangs auf das Kündigungsrecht
143
Schadensersatzanspruch reicht für die analoge Anwendung nicht aus. Wäre § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf den Ersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB analog anwendbar, würde er Ansprüchen aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gleichgesetzt. Dies verbietet sich jedoch nach seinem Schutzzweck. Für den Betriebsübergang bedeutet dies im Ergebnis, daß der Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt des Übergangs hinsichtlich des übergehenden Geschäftszweiges von der Verpflichtung frei werden kann, für künftig entstehende Vermögensschäden Ersatz leisten zu müssen. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, daß der Veräußerer selbst nicht mehr in dem Geschäftszweig tätig ist, der auf den Erwerber übertragen wurde. Bereits entstandene Schadensersatzansprüche bleiben vom Betriebsübergang unberührt.
Dritter
Teil
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote Im Gegensatz zu den gesetzlichen Wettbewerbsverboten werden nachvertragliche Wettbewerbsverbote erst "aktuell", wenn der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Damit ergeben sich Zweifelsfragen hinsichtlich der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote, da die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB an "bestehende Arbeitsverhältnisse" anknüpft. Es fragt sich deshalb, ob und in welcher Weise sich ein Eintritt des Erwerbers in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bei Betriebsübergang vollzieht. Die Untersuchung soll im folgenden dieser Frage nachgehen. Dabei wird zunächst zwischen den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten noch beschäftigter und bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer unterschieden. Daran anschließen wird sich die weitere Frage nach den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Reichweite nachvertraglicher Wettbewerbsverbote. Weiterhin soll geprüft werden, welche Auswirkungen der Betriebsübergang auf tarifvertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote zeitigt. Abschnitt
A
Der Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede Erstes Kapitel
Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1. Rechtsgrundlagen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots Bevor die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer untersucht werden können, stellt sich zunächst die Frage nach der rechtlichen Grundlage des Wettbewerbsverbots.
1. Rechtsgrundlagen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots
145
Ein Wettbewerbsverbot, das nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wirksam werden soll, bedarf einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung.1 Hierin liegt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Ohne die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots ist der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in der Verwertung seiner Arbeitskraft grundsätzlich frei. 2 Für Handlungsgehüfen enthalten die §§ 74 ff HGB gesetzliche Regelungen, wonach nachvertragliche Wettbewerbsverbote besonderen Beschränkungen unterliegen. In § 74 Abs. 1 HGB ist das Wettbewerbs verbot als eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen definiert, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Hierzu kann auch das Verbot der Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zählen.3 In § 74 a HGB ist festgelegt, daß ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Prinzipals am Wettbewerbsverbot bestehen muß (§ 74 a Abs. 1 S. 1 HGB) und daß Wettbewerbsverbote keine unbülige Erschwerung des Fortkommens des Handlungsgehüfen enthalten dürfen (§ 74 a Abs. 1 S. 2 HGB). In zeitlicher Hinsicht ist die Pflicht zur Konkurrenzenthaltung auf höchstens zwei Jahre begrenzt (§ 74 a Abs. 1 S. 3 HGB). In § 74 Abs. 2 HGB ist die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung festgehalten, und schließlich sind in § 75 a HGB die Voraussetzungen des Verzichts auf die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb geregelt. Für gewerbliche Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber in § 133 f GewO lediglich geregelt, daß ein Wettbewerbsverbot nur verbindlich ist, soweit die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers bedeutet. Eine weitere gesetzliche Regelung, die nachvertragliche Wettbewerbsverbote betrifft, findet sich in § 5 Abs. 1 S. 1 BBiG. Danach sind Vereinbarungen, die den Auszubildenden für die Zeit nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses beschränken, nichtig, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 S. 2 BBiG vorliegen.
1
Allgemeine Meinung, vgl. den Wortlaut des § 74 Abs. 1 HGB sowie statt vieler Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 18; Grüll, S. 16; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 46; ders., FS-Söllner, S. 41 ff, ferner BAG AP Nr. 24 zu § 74 HGB m. Anm. v. Diedrichsen. 2
12. 3
Vgl. nur Röhsler/Borrmann,
S. 69; Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 18; Gör g, S.
LAG Hamm DB 1986, 2087; Görgy S. 17; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 46 ff (48); Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 54, 4; vgl. auch BAG DB 1988,1020.
146
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Für andere als die in diesen Vorschriften genannten Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber keine Regelungen bezüglich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote vorgesehen.4 Seit der Entscheidung vom 13.9.1969 wendet das BAG in seiner Rechtsprechung die §§ 74 ff HGB jedoch einheiüich auf alle Arbeitnehmer in analoger Weise an.5 Dieser Rechtsprechung ist überwiegend zugestimmt worden, 6 teilweise ist sie auch auf Kritik gestoßen.7 Trotz aller dogmatischer Schwierigkeiten ist unterdessen von der gefestigten Rechtsprechung des B A G 8 auszugehen, die die §§ 74 ff HGB auf alle Arbeitnehmer analog anwendet.9 Für die Untersuchung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bedeutet dies, daß der Betriebsübergang sich auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote für alle Arbeitnehmer in gleicher Weise auswirkt, unabhängig davon, ob es sich um einen gewerblichen Arbeitnehmer oder um einen kaufmännischen Angestellten handelt. Wegen der analogen Anwendung der §§ 74 ff HGB stellt sich die Frage, wie sich der Betriebsübergang auf eine zwischen Arbeitnehmern und früherem Arbeitgeber geschlossene Wettbewerbsabrede auswirkt, damit für alle Arbeitnehmergruppen einheiüich.
4
Vgl. hierzu die Kritik von Monjau, RdA 1986, 208 ff.
5
BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel mit zustimmender Anm. von Wiedemann, und Küchenhoff. 6
Buchner, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 74 HGB; ders., Wettbewerbsverbot, S. 27 ff; Hofmann, Anm. zu BAG AP Nr. 23 zu § 133 f GewO; ders. NJW 1969, 1985 (1988 f); Pleyer, SAE 1970, 184 ff; Wiedemann/Steinberg, Anm. zu BAG AP Nr. 24 zu § 611 Konkurrenzklausel ; Gitter, SAE 1972, 208; Martens, Anm. zu BAG SAE 1972, 101; Monjau, ARdGw Bd. 7 S. 75 ff; Diedrichsen, Anm. zu BAG AR-Blattei "Wettbewerbsverbot": Entsch. 71; Gumpert, BB 1970, 178; Seiter, ZfA 1970, 355 (405). 7
Lieb, § 2 V 3. m.w.Nachw.; ders., DB 1973, 69; Canaris, SAE 1971, 11; Meilicke, DB 1970, 396; Sieg, VersR 1985, 401; Westhoff, S. 82 ff, 105 ff. Nach Hanau/Adomeit, S. 196 habe es sich um eine "kühne Analogie" gehandelt, a.A. Gamillscheg, RdA 1975, 13 (15); an dieser Stelle kann insoweit keine Auseinandersetzung mit der Kritik erfolgen; vgl. jedoch hierzu insbesondere Buchner, S. 27 ff. Kritisch zu einer schematischen Übernahme der §§ 74 ff HGB auf andere Arbeitnehmer auch Birk, Anm zu BAG SAE 1974,5 ff (8). 8 BAG AP Nr. 23 zu § 133 f GewO mit zust. Anm. von Hofmann·, AP Nr. 26 zu § 74 a HGB; AP Nr. 28 zu § 74 a HGB; AP Nr. 26 zu § 74 HGB; AP Nr. 27 zu § 74 HGB. 9
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 50 f m.w.Nachw.; Plett,(Welling, DB 1986, 2282. Nach Larenz, Methodenlehre, Kap. V 2 a) a.E. handelte es sich nicht um die Ausfüllung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie, sondern um einen Fall der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung.
2. Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhältnis
147
2. Die Wettbewerbsabrede als Bestandteil der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis a) Problemstellung
Ebenso wie bei den gesetzlichen Wettbewerbsverboten stellt sich die Frage, inwieweit nachvertragliche Wettbewerbsverbote als Bestandteil der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis angesehen werden können. Der Eintritt des Erwerbers in die Rechtsstellung aus dem Wettbewerbsverbot kann nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nur erfolgen, wenn es Bestandteil der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ist. Wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot außerhalb der Rechtsfolgenanordnung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB stünde, könnte es bei Betriebsübergang nur rechtsgeschäftlich und nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers auf einen Dritten übertragen werden. 10 Für eine gewisse Eigenständigkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots könnte sprechen, daß es zu seiner Begründung einer besonderen vertraglichen Abrede bedarf. Dabei muß der Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages nicht mit dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Wettbewerbsabrede identisch sein. 11 Hinzu kommt, daß das nachvertragliche Wettbewerbsverbot während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nur erne "latente Bedeutung" hat. 1 2 Eine prinzipielle Verschiedenheit von Arbeitsverhältnis und Wettbewerbsverbot zeigt sich darin, daß das Wettbewerbsverbot erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktualisiert wird. Erst dann kann es seine Wirkungen entfalten. 13
b) Meinungsstand
Nach der ganz überwiegenden Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Schrifttum wird nicht in Frage gestellt, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses angesehen werden müssen. So ging bereits das BAG vor Einführung des § 613 a BGB davon aus, daß die Übertragung der Rechte aus einem Arbeitsverhältnis zugleich auch die Übertragung der Rechte aus einer bestehenden Wettbewerbsabrede zur Folge 10
Dies entsprach jedenfalls der Rechtslage vor Inkrafttreten des § 613 a BGB, vgl. Schaub, RdA 1971, 268 (270); Hohn, DB 1971, 94 (99); Görg, S. 46 sowie ausführlich unten II. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 2 c, aa. 11
Schlegelberger-Schröder,
12
Grunsky, FS-Söllner, S. 41 (43).
13
Birk, Anm. zu BAG SAE 1974,5 (9).
§ 74 Rdn. 3.
148
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
habe. 14 Auch nach Inkrafttreten des § 613 a BGB scheint das BAG der Ansicht zuzuneigen, daß Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsabrede für den Fall des Betriebsübergangs als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses anzusehen sind. Dies läßt sich der Entscheidung vom 6.2.1980 15 entnehmen. Dort hatte das BAG das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter anderem damit begründet, daß es für den Arbeitnehmer bedeutsam sein könne, daß er nur dem Betriebsveräußerer Wettbewerbsenthaltung schulde. Damit hat das BAG zu erkennen gegeben, daß es die Auffassung vertritt, daß im Fall des Betriebsinhaberwechsels ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auf den neuen Inhaber übergehen könne. Im Schrifttum hat vor allem Birk nach Inkrafttreten 16 des § 613 a BGB die Frage aufgegriffen, ob Wettbewerbsverbote als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses angesehen werden können. 17 Nach seiner Ansicht könne das Wettbewerbsverbot zwar selbständig vereinbart werden, doch sei es in eigenartiger Weise mit dem Arbeitsvertrag verknüpft. Aus der zumindest zeitweiligen Verflechtung mit dem Arbeitsverhältnis folge, daß es als dessen Bestandteü anzusehen sei. 18 Nach Schreiber 19 soll "die Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses vielleicht der erste Schritt" sein, "um der Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots Wirkung auch zugunsten des Betriebserwerbers zuzumessen." Nicht übergehen würden Verpflichtungen, für deren Entstehung das Arbeitsverhältnis lediglich Voraussetzung sei. Dies beträfe Pflichten, die "nicht aus dem Arbeitsverhältnis erwachsen." Auch andere Autoren sind der Ansicht, daß das nachvertragliche Wettbewerbsverbot Bestandteü des Arbeitsverhältnisses sei, 2 0 ohne dies jedoch immer explizit hervorzuheben.21 14
BAG AP Nr. 17 zu § 74 a HGB; BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB.
15
DB 1980, 1495.
16 Vor Inkrafttreten des § 613 a BGB war man im Schrifttum nahezu einhellig der Ansicht, daß die Wettbewerbsabrede im Fall der Veräußerung des Unternehmens mit dem Arbeitsverhältnis übertragen werden könne, Hohn, DB 1967, 1038 ff, 1852 ff 1895 ff; ders., Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, S. 13 f; ausf. auch Zöllner, Anm. zu BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB sowie Birk, Anm. zu BAG SAE 74,10. 17
Birk, Anm. zu BAG SAE 1974,5 (9).
^ Birk, a.a.O.m.w.Nachw. 19 2 0
Schreiber, RdA 1982,137 (145).
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 114; nach Grüll, S. 17 ist die Konkurrenzklausel nur eine Nebenabrede im Rahmen des Arbeitsvertrages und ferner nur im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis denkbar, vgl. auch S. 71; nach Küchenhoff, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel (Bl. 468) kann das Wettbewerbsverbot von den übrigen im Arbeitsverhältnis niedergelegten Bestimmungen nicht isoliert
2. Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhältnis
149
Einen engen Zusammenhang zwischen Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhältnis stellt auch Bengelsdorf her. 2 2 Er charakterisiert die Wettbewerbsabrede als unmittelbare Fortsetzung des während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ohne weiteres geltenden Wettbewerbsverbots, wodurch das Arbeitsverhältnis infolge der damit zwingend verbundenen Parteiabrede nachwirke. Der Anspruch auf Karenzentschädigung beruhe somit auf der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Neuerdings hat vor allem Grunsky 23 betont, daß die Wettbewerbsabrede Bestandteil des Arbeitsvertrages sei, wobei es keine Rolle spiele, ob sie gleichzeitig mit dem Arbeitsvertrag oder erst später abgeschlossen wurde. Dies zeige sich gerade am Beispiel des Betriebsübergangs, werde aber auch deutlich, wenn eine Partei sich vom Wettbewerbsverbot lösen wolle: einseitig könne dies nur im Wege des Verzichts nach § 75 a HGB oder durch eine den gesamten Arbeitsvertrag erfassende Änderungskündigung erfolgen. Demgegenüber vertritt Nägele 24 die Auffassung, daß Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsabrede nicht solche sein könnten, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Ausgehend von dem Grundsatz, daß Arbeitsvertrag und Wettbewerbsabrede in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander unabhängig sein können, folge aus der Tatsache, daß ein Wettbewerbsverbot bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses sowie nach dessen Beendigung vereinbart werden könne, daß die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede nicht aus einem Arbeitsverhältnis entstünden.
c) Stellungnahme
Nägele begründet seine Auffassung, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote nicht als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses angesehen werden könnten, behandelt werden; vgl. ferner Löwe, S. 125; nach Martens, Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 188 ist das Wettbewerbsverbot rudimentärer Bestandteil des Arbeitsverhältnisses; Sack, S. 86; Seiter, AR-Blattei Betriebsinhaberwechsel [D] Β V I I 2 c aa; ders., Betriebsinhaberwechsel S. 79; Posth, S. 159. 2 1 Hier können alle diejenigen Autoren genannt werden, die unter Geltung des § 613 a BGB den Übergang des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf den neuen Inhaber grundsätzlich bejahen, unabhängig davon, ob sie danach differenzieren, ob der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist oder nicht, vgl. hierzu ausführlich die Nachw. unten Fußn. 55 sowie die Nachw. in Abschn. A , 1. Kap. 2 b. 2 2
Bengelsdorf,
2 3
Grunsky, FS-Söllner S. 41 (42 ff).
2 4
Nägele, BB 1989, 1480 f.
DB 1985, 1585 (1588).
150
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
insbesondere damit, daß sie sowohl vor Beginn als auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden könnten. Dieser Ansatzpunkt ist in zweifacher Hinsicht abzulehnen. Zunächst erscheint es unrichtig, ausgehend von der Eigenart nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bestimmen zu wollen, was unter dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 613 a Abs. 1 S. 1 verstanden werden kann. Vielmehr scheint der umgekehrte Weg richtiger: danach wäre zunächst das Merkmal "Arbeitsverhältnis" zu bestimmen und sodann zu prüfen, ob nachvertragliche Wettbewerbs verböte unter dieses Merkmal subsumiert werden können. Darüberhinaus kann auch den Ausführungen und Schlußfolgerungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nicht gefolgt werden. 25 Soweit Nägele die Ansicht vertritt, Wettbewerbsverbote könnten vor Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, erscheint diese These insoweit zweifelhaft, als offen bleibt, wie der Verfasser den Beginn des Arbeitsverhältnisses definiert. 26 Soweit darauf abgestellt wird, daß Wettbewerbsverbote auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden können, wird das Wesen der den §§ 74 ff HGB entsprechenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbote verkannt. Die Frage, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote vor Beginn oder nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart werden können, vermag nur darüber Aufschluß zu geben, ob diese Vereinbarungen als Wettbewerbsverbote anzusehen sind, die den Beschränkungen der §§ 74 ff HGB unterliegen. 27 Dagegen kann den zeiüichen Aspekten kein Hinweis entnommen werden, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote i.S.d. §§ 74 ff HGB als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses zu gelten haben. Die Untersuchung der Problematik, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote als Bestandteü der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis angesehen werden können, muß deshalb zunächst von der Bestimmung des Merkmals "Arbeitsverhältnis" i.S.d. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ausgehen. Bereits oben 28 wurde ausgeführt, daß sich der Gebrauch des Merkmals nicht von der im Arbeitsrecht sonst üblichen Verwendung unterscheidet. Danach ist das Arbeitsverhältnis dasjenige Rechtsverhältnis, das aufgrund des Arbeitsvertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsteht.29 Während der Ar2 5
Auch Gaul, Betriebsübergang, S.97 (in Fußn. 50) lehnt die Ausführungen Nägeles mit der Begründung ab, daß das Gesetz (§ 74 HGB) hierfür keine Grundlage biete. 2 6 Vgl. hierzu den allerdings nicht mehr aktuellen Streit zwischen den Anhängern der Vertragstheorie und denen der Eingliederungstheorie mit Nachw. bei Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 29 II. 2 7 Zu den zeitlichen Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote SchlegelbergerSchröder, § 74 Rdn. 3. 2 8
Vgl. oben II. Teil, Abschn. A , 1.
2 9
Vgl. die Nachw. II. Teil, Fußn. 3 u. 4.
2. Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhältnis
151
beitsvertrag als der Rechtsgrund angesehen werden kann, durch den sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zur Leistung fremdbestimmter Arbeit gegen Zahlung von Entgelt verpflichtet, 30 kann das Arbeitsverhältnis somit als das Dauerschuldverhältnis verstanden werden, das die Gesamtheit aller arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber enthält. 31 Insofern ist der Begriff des Arbeitsverhältnisses weiter als der des Arbeitsvertrages.32 Damit fragt sich, ob die Wettbewerbsabrede dieser Definition des Arbeitsverhältnisses zugeordnet werden kann. Zunächst läßt sich feststellen, daß zwischen Arbeitsverhältnis und nachvertraglichem Wettbewerbsverbot insofern ein Zusammenhang besteht, als grundsätzlich die Existenz eines Arbeitsvertrages notwendige Voraussetzung für die Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots i.S.d. §§ 74 ff HGB ist. 3 3 Untersucht man den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbart werden können, die den §§ 74 ff HGB entsprechen, so läßt sich zunächst erkennen, daß dies frühestens gleichzeitig mit dem Arbeitsvertrag geschehen kann. 3 4 Nur die Parteien eines Arbeitsvertrages können wirksam ein solches Wettbewerbsverbot vereinbaren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages sofort oder erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden. Betrachtet man darüberhinaus den spätesten Zeitpunkt, zu dem nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbart werden können, so ergibt sich, daß dies spätestens bis zum Ende der Kündigungsfrist geschehen muß. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffene Wettbewerbsabreden fallen nicht mehr unter die Regelung der §§ 74 ff H G B . 3 5 Die Vereinbarung eines Arbeitsvertrages ist damit notwendige Voraussetzung für die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.
3 0
MK-Söllner, § 611 Rdn. 121.
3 1
Hueck/Nipperdey, Bd. 1, S. 115; Lieb, § 1 II 1; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 29 II; Zöllner, § 4 III. Es soll hier nicht verkannt werden, daß durch diese Umschreibung noch nicht die Merkmale, die das Arbeitsverhältnis im einzelnen kennzeichnen, genannt werden, vgl. hierzu beispielsweise Heuberger, Sachliche Abhängigkeit als Kriterium des Arbeitsverhältnisses, passim. Für den weiteren Fortgang der Untersuchung genügt es aber, sich auf diese Definition zu beschränken. 3 2
Becker-Schaffner,
BIStSozArbR 1975, 307.
3 3
Schlegelberger-Schröder, a.a.O.; Grüll, S. 16; Heymann-Honsell § 74 Rdn 1; auf die Problematik fehlerhafter Arbeitsverträge braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden, vgl. hierzu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 35 I I I 3 m.w.Nachw. 3 4
Grüll, S. 17; Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 3; Schlegelberger-Schröder,
§ 74 Rdn.
3. 3 5 Schlegelberger-Schröder, § 74 Rdn. 3; Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 4; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 58 m.w.Nachw. Solche atypischen Vereinbarungen müssen hier grundsätzlich außer Betracht bleiben.
152
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Dies geht bereits aus der Legaldefinition des § 74 Abs. 1 S. 1 HGB hervor, nach der ein Wettbewerbsverbot i.S.d. §§ 74 ff HGB dann vorliegt, wenn eine Vereinbarung bestimmten Inhalts zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses geschlossen wird. Auch ein Blick auf die Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897 zeigt, daß das Bestehen eines Dienstvertrages zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen bereits damals selbstverständliche Voraussetzung für die Begründung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots war. 3 6 Darüberhinaus entspricht dies auch der Interessenlage: nur wenn dem Handlungsgehilfen überhaupt die Möglichkeit eröffnet wird, sich während des Dienstverhältnisses entsprechende Kenntnisse zu verschaffen, entsteht das Bedürfnis, nachvertragliche Wettbewerbsverbote zu begründen, und nur dann stellt sich die Frage nach dem Ausgleich zwischen Wettbewerbsschutz des Arbeitgebers und den Freiheitsinteressen des Arbeitnehmers. Auch dem vom BAG mit Urteil vom 3.2.1987 37 entschiedenen Fall lag ein wirksamer Arbeitsvertrag zugrunde. Dort hatte ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot ausnahmsweise vor Dienstantritt Bedeutung erlangt, weü ein Arbeitnehmer vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn intensiv in seinen neuen Aufgabenbereich eingewiesen wurde. Statt dann aber die vorgesehene Tätigkeit anzutreten, setzte der Arbeitnehmer seine Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber fort. Auch in diesem Fall war die Vereinbarung eines Arbeitsvertrages zwischen künftigem Arbeitgeber und Arbeitnehmer Voraussetzung für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Geht man damit von der Prämisse aus, daß ein Arbeitsvertrag notwendige Voraussetzung für die Begründung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist, läßt sich zwar ein sachlicher Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis und Wettbewerbsverbot konstatieren. Letztlich ist jedoch damit noch nicht abschließend darüber entschieden, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot als Teü der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis angesehen werden kann. Mit Recht hat Schreiber 38 hervorgehoben, daß Verpflichtungen nicht al3 6
In den Beratungen wurde der Entwurf u.a. damit begründet, daß die Handlungsgehilfen durch rücksichtslose Anwendung der Konkurrenzklausel unter schweren Druck gerieten; vgl. den "Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines Handelsgesetzbuches", abgedr. bei Schubert/Schmiedl/Krampe, Bd. II, 2. Halbband, S. 1289 sowie die "Protokolle über die Berathungen der Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs", 8. Sitzung v. 29.11.1895, abgedr. bei Schubert/ Schmidl/Krampe, Band II, 1. Halbband S. 358. Zur historischen Entwicklung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote vgl. ferner Löwe, S. 41 ff; Schnedes, S. 15 ff. 3 7 3 8
BAG DB 1987, 2023.
Schreiber, RdA 1982, 137 (145); insofern ist mit der Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Grundlage des Wettbewerbsverbots tatsächlich (nur) der erste Schritt getan, vgl. hierzu oben Schreiber, bei Fußn. 19.
2. Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhältnis
153
lein deshalb nach § 613 a BGB übergehen, weil für ihre Entstehung ein Arbeitsverhältnis Voraussetzung ist. Ausschlaggebend für die Zuordnung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zu den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ist der äußerst enge Zusammenhang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit der Erfüllung der auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Das (beiderseitige) konkrete Schutzbedürfnis zur Vereinbarung ernes Wettbewerbsverbots entsteht gerade durch die Abwicklung der Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote regeln einen Problemkreis, der seine unmittelbare Ursache in den arbeitsvertraglich begründeteten Rechtsbeziehungen hat. 3 9 Die Notwendigkeit der Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ergibt sich letztlich daraus, daß die Arbeitsvertragsparteien ihren Leistungspflichten aus dem Dauerschuldverhältnis nachkommen und hieraus für den Arbeitgeber Risiken entstehen, die über das Ende des Arbeitsvertrages hinauswirken. Bei den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten handelt es sich also - um mit Schreiber zu sprechen - um Vereinbarungen, für die das Arbeitsverhältnis nicht nur Voraussetzung ist, sondern um solche, die "aus dem Arbeitsverhältnis erwachsen."40 Da sie ihre unmittelbare Ursache in der arbeitsvertraglich begründeten Rechtsbeziehung haben, müssen sie als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses angesehen werden. Auch wenn nachvertragliche Wettbewerbsverbote eigene Hauptleistungspflichten begründen, so regeln sie doch Pflichten, die sich nachwirkend aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Damit kann auch der Auffassung Grülls gefolgt werden, wonach die Vereinbarung ernes Wettbewerbsverbots ihrem Wesen nach ein Arbeitsverhältnis voraussetzt und nur im Zusammenhang mit diesem denkbar ist. 4 1 Rechtlich unerheblich ist es dabei, ob die Wettbewerbsabrede im Arbeitsvertrag selbst enthalten ist oder in einem gesonderten, vom Arbeitsvertrag getrennten Vertragswerk niedergelegt ist. 4 2 Daß nachvertragliches Wettbewerbsverbot und Arbeitsvertrag in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander unabhängig sein können, widerspricht der soeben getroffenen Aussage nicht. Ob die Auslegungsregel des § 139 BGB bei Unwirksamkeit des einen oder des anderen Teils greift, richtet sich zum einen nach den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses und denen des jeweiligen Falls, zum anderen danach, ob man Wettbewerbsverbot und Arbeitsvertrag als
3 9
Ähnlich Bengelsdorf
4 0
Schreiber, a.a.O.
4 1
Grüll, S. 16.
4 2
Schlegelberger-Schröder,
DB 1985,1585 (1588); Dorndorf S. 163.
§ 74 Rdn. 3; Grüll S. 16.
154
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ein einheitliches Rechtsgeschäft begreifen w i l l . 4 3 Eine nach den Merkmalen des § 139 BGB eventuell fehlende Einheitlichkeit bedeutet nicht, daß damit zugleich die Frage entschieden wäre, ob Wettbewerbsverbote Bestandteil der Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses sind. Wie über die Auswirkung der Nichtigkeit einer der beiden Teüe entschieden wird, kann nicht zur Lösung der Problematik führen. 44 Ausschlaggebend scheint vielmehr, daß sich diese Frage wegen der engen Verzahnung von Wettbewerbsverbot und Arbeitsvertrag überhaupt stellt. Dies spricht deutlich dafür, Wettbewerbsverbote als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Gegen die Auffassung, daß das nachvertragliche Wettbewerbsverbot Bestandteü des Arbeitsverhältnisses ist, spricht schließlich auch nicht, daß es seine Wirkung erst entfalten kann, wenn der Arbeitsvertrag bezüglich der Hauptpflichten keine Rechtswirkungen mehr erzeugen kann. Zöllner hat ausführlich dargelegt, daß die allgemeine Vorstellung vom Ende des Dienstverhältnisses durch Kündigung oder Zeitablauf ungenau ist. 4 5 Was in Wahrheit endet, ist nur der Teü des Dauerschuldverhältnisses, "der die Neuentstehung von Hauptleistungspflichten trägt." 46 Zu Recht hebt Zöllner hervor, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungs- bzw. Befristungswirkung in ein neues Stadium übergeleitet werde, bei dem Erhaltungs- und Abwicklungszwecke an die Stelle des Zweckes zur Erlangung der Gegenleistung träten. 47 In ähnlicher Weise äußert sich Grunsky, wenn er bemerkt, daß das Wettbewerbsverbot mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die "Durchführungsphase" trete und sich von seinem Ursprung als Bestandteil des Arbeitsvertrages "abnable", 48 um sich in einen selbständigen gegenseitigen Vertrag umzuwandeln. 49
4 3
Zweifelnd Röhsler/Borrmann,
S. 73.
4 4
Auch die unterschiedlichen Regelungen des § 75 HGB sagen insoweit nichts darüber, ob Wettbewerbsverbote Bestandteil des Arbeitsverhältnisses sind. 45 Zöllner, in: Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 96; als Pflichten, die nach dem Ende der Hauptleistungspflichten noch weiterbestehen, nennt Zöllner beispielsweise die Pflicht zur Zeugniserteilung oder die Pflicht zur Auskunft über den ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Zu anderen nachvertraglichen Pflichten vgl. Schering, S. 18 f. 4 6
Zöllner, a.a.O.
4 7
Zöllner, a.a.O., S. 97.
4 8
Grunsky, FS-Söllner, S. 41 ff (43).
4 9
Grunsky, a.a.O. S. 42, weist ferner darauf hin, daß das Wettbewerbsverbot als Bestandteil des Arbeitsvertrages angesehen werden müsse, da eine einseitige Lösung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot - abgesehen von der Möglichkeit des Verzichts nach § 75 HGB - nur auf dem Weg über eine den gesamten Arbeitsvertrag erfassende Änderungskündigung erfolgen könne.
155
3. Der Eintritt in die Wettbewerbsabrede
Im Ergebnis läßt sich damit festhalten: Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist wegen der engen Verknüpfung mit dem Arbeitsvertrag als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Dabei können die Konkurrenzklausel und der übrige Teil des Arbeitsvertrages unterschiedlichen rechtlichen Entwicklungen unterliegen. Selbst wenn sich das Wettbewerbsverbot zu Beginn seiner "Durchführungsphase" in einen selbständigen gegenseitigen Vertrag umwandelt, bleibt es Bestandteil der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Damit kann die Rechts- und Pflichtenstellung aus nachvertraglichen Wettbewerbsverboten grundsätzlich nach § 613 a BGB auf einen neuen Betriebsinhaber übergehen.
3. Der Eintritt in die Wettbewerbsabrede Wenn feststeht, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote i.S.d. §§ 74 ff HGB dem Kreis der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen sind, so können sie grundsätzlich auch von der Rechtsfolge des § 613 a BGB erfaßt werden. Der neue Inhaber, der den Betrieb oder Betriebsteil rechtsgeschäftlich erwirbt, kann damit kraft Gesetzes in die durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot begründete Pflichtenstellung eintreten, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a BGB im übrigen vorliegen. Die Besonderheit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote besteht darin, daß sie ihre Wirkungen erst entfalten, wenn keine arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten mehr entstehen. Andererseits hat der Gesetzgeber die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB an das Merkmal des bestehenden Arbeitsverhältnisses geknüpft. Nach dem insoweit "klaren Wortlaut" 5 0 erstreckt sich die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nur auf Arbeitnehmer, die noch im "aktiven" Dienstverhältnis stehen. 51 Der Wortlaut setzt offensichüich voraus, daß das Arbeitsverhältnis, in das der Erwerber eintreten soll, noch nicht beendet ist. 5 2 Findet der Betriebsübergang statt, bevor der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, 5 3 kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Betriebserwerber nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede eintritt. Hier handelt es sich noch um Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis, auch wenn sie sich auf 5 0
Borngräber, S. 60.
5 1
Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 57, Kerschner/Köhler,
5 2
S. 38.
Zur ausführlichen Auslegung des Merkmals "bestehendes Arbeitsverhältnis" siehe sogleich unten unter Abschn. A , 2. Kap., 2. 5 3
Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs vgl. oben I. Teil, 3.
156
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
einen Zeitraum nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen. Solange das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist, gehen die Rechte und Pflichten aus der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede kraft Gesetzes auf den neuen Inhaber über. Bis zum Ende der Kündigungsfrist gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt wurde. 54 Nach nahezu einhelliger Meinung im Schrifttum wird dementsprechend zu Recht für bestehende Arbeitsverhältnisse der Eintritt des Erwerbers infolge des Betriebsübergangs auch in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bejaht. 55 Die grundsätzliche Wirkung des Betriebsübergangs besteht darin, daß ein Arbeitgeberwechsel stattfindet. 56 Die Rechtsstellung des neuen Betriebsinhabers aus dem Wettbewerbsverbot ist an die Arbeitgeberstellung geknüpft. Der Betriebsübergang hat also auch hinsichüich der Wettbewerbsvereinbarung einen Vertragspartnerwechsel zur Folge. Daraus folgt, daß der Veräußerer ab dem Zeitpunkt des Übergangs grundsätzlich keine Rechte mehr aus dem Wettbewerbsverbot herleiten kann. 57 Ob er in jedem Fall schutzlos bleibt, wird noch zu untersuchen sein. 58 Scheidet der an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebundene Arbeitnehmer erst nach dem Betriebsübergang aus dem Arbeitsverhältnis aus, so bedeutet dies, daß er gegenüber dem neuen Inhaber keinen
5 4
Staudinger-Richardi,
§ 613 a Rdn. 110; KR-Wolfi
§ 613 a Rdn. 13; Fischer, S.
149. 55
Bauer, Untemehmensveräußerung, S. 70; ders., in: Hölters V., Rdn. 77; ders., DB 1983, 713 (716 f); Beisel/Klumpp, Rdn. 507; Birk, Anm. zu BAG SAE 1974, 5 (9); Blank/Blanke, S. 236; Borngräber, S. 72; Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 110; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 64; Etzel, GK-HGB, §§ 74-75 Rdn. 22 u. 65; Gaul, BB 1979, 1666 (1668); ders., NZA 1989, 697 (699); ders., Betriebsinhaberwechsel, S. 95 f; Gockel, S. 18; Grüll, S. 71; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 139; ders., FS-Söllner, S. 42; Heinze, DB 1980, 205 (210); Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 36; v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); Küchenhoff, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; Löwe, S. 125; Martens, Arbeitsrecht der Leitenden Angestellten, S. 188 f; ders., FS-Herschel, 237 (245) in Fußn. 14 sowie S. 250, Fußn. 22; Röhsler/Borrmann, S. 126; Sack, S. 86; Schaub, ZIP 1984, 272 (275); ders., M K § 613 a Rdn. 7; ders., Arbeitsrechtshandbuch, § 58 II, 4; Schlegelberger-Schröder, § 74 Rdn. 6 sowie Rdn. 16 b Nr. 6, der außerdem darauf hinweist, daß das Wettbewerbsverbot nur mit dem Handelsgeschäft übertragbar sei; Schreiber, RdA 1982, 137 (146); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 79; ders., AR-Blattei Betriebsinhaberwechsel [D] I Übersicht 4 e aa; Soergel-Kraft, § 613 a Rdn. 21 (expressis verbis für ausgeschiedene Arbeitnehmer); Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 154; Zöllner, § 20 I I I 2 und 4; a.A. Nägele, BB 1989,1480 f. 5 6
Vgl. hierzu I. Teil, 1.
5 7
Borngräber, S. 73; Buchner, S. 71 u. 110 ff; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 141; Martens, Recht der leitenden Angestellten, S. 188; Röhsler/Borrmann, S. 126; Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 154. 5 8
Vgl. dazu unten Abschn. B, 5. Kap.
4. Betriebsübergang und Formerfordernis nach § 74 HGB
157
Wettbewerb betreiben darf. Allerdings können sich durch den Betriebsübergang Auswirkungen auf die Reichweite des Verbots ergeben.59 Auch bei Übergang eines Betriebsteüs tritt nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB der Betriebserwerber in die Wettbewerbsabrede ein. Voraussetzung ist jedoch, daß der Arbeitnehmer dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen ist. 6 0 Die Fragestellungen hinsichtlich der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Reichweite des Verbots und den Veräußererschutz können insbesondere bei Übergang eines Betriebsteils eine Rolle spielen.
4. Betriebsübergang und das Formerfordernis nach § 74 Abs· 1 S. 1 HGB Nach § 74 Abs 1 HGB steht die Wettbewerbsvereinbarung zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen unter Formzwang. Das Wettbewerbsverbot ist nur wirksam (§ 125 BGB), wenn die Schriftfonn (§ 126 BGB) eingehalten wurde 6 1 und die Urkunde an den Arbeitnehmer ausgehändigt wurde. Die gesetzliche Schriftform verlangt eigenhändige Namensunterschrift (bzw. notariell beglaubigte Handzeichen) beider Parteien auf ein- und derselben Urkunde (§ 126 Abs. 1 und 2 S. 1 BGB). Bei gleichlautenden Urkunden genügt die Unterzeichnung der für die andere Partei bestimmten Ausfertigung (§ 126 Abs. 2 S. 2 BGB). Zur Wahrung der Form ist es nicht erforderlich, daß das Wettbewerbsverbot in einer besonderen Urkunde festgehalten wird; erne Vereinbarung im Arbeitsvertrag reicht aus. 62 Als ausreichend wurde es von der Rechtsprechung auch angesehen, wenn eine nicht unterschriebene Wettbewerbsklausel fest mit dem Arbeitsvertrag verbunden ist, in dem seinerseits auf die Wettbewerbsabrede verwiesen wird. 6 3 Entgegen dem insoweit zu engen Wortlaut des § 74 Abs. 1 HGB gilt das Schriftformerfordernis für die Wettbewerbsabrede in ihrem ganzen Umfang; damit ist auch die zu vereinbarende Entschädigungszusage (§ 74 Abs. 2 HGB) formbedürftig. 64
5 9
Vgl. dazu ausführlich unten Abschn. B.
6 0
Zur Zuordnung des Arbeitnehmers zum übergehenden Betriebsteil vgl. oben I. Teil, 4. 6 1 LAG Köln EZA § 74 HGB Nr. 43. Nach Baumbach-Duden-Hopt soll die Vereinbarung einer Wettbewerbsklausel in einem Tarifvertrag die Schriftform ersetzen, § 74 Anm. 2 B. 62
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 59 f.
6 3
BAGE 47, 125; vgl. auch Grunsky, a.a.O.; Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 24; Plett/Welling, DB 1986, 2282. 6 4 BAG AP Nr. 35 zu § 74 HGB; Schlegelberger-Schröder, § 74 Rdn. 10 b; Buchner, S. 50; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 60; Grüll, S. 33; Heymann-Honsell § 74 Rdn. 24; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 I I 3; ders., RdA 1971, 268 (269). Zur
158
III. Teil, Abschn. Α., . Kap.:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Formbedürftigkeit des Wettbewerbsverbots steht im Fall der Betriebsveräußerung dem Eintritt des Erwerbers in die wettbewerbsrechtlich begründete Pflichtenstellung nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen.65 Bereits im Urteü vom 24.10.1972 66 hatte das BAG vertreten, daß bei einem inhaltlich unveränderten rechtsgeschäftlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses der neue Arbeitgeber auch in solche Rechte und Pflichten eintrete, die nur unter Wahrung einer bestimmten Form begründet werden können. Borngräbers67 Auffassung, daß dies erst recht unter Geltung des § 613 a BGB zutreffen müsse, ist zuzustimmen. Die Funktion des Formzwangs liegt im Übereilungsschutz (Warnfunktion) und der Sicherstellung der Rechtsklarheit.68 Genau diesen Aspekten wird in bezug auf den Arbeitnehmer ausreichend Genüge getan, wenn der Formzwang erstmalig bei Vereinbarung des Wettbewerbsverbots beachtet wird. Einer nochmaligen Beachtung des Formerfordernisses bedarf es im Fall des Betriebsübergangs deshalb grundsätzlich nicht, solange das Wettbewerbsverbot inhalüich unverändert beibehalten wird. 6 9 Anders kann der Fall liegen, wenn im Zuge des Betriebsübergangs das Wettbewerbsverbot inhaltlich in der Weise ausgeweitet werden soll, daß noch zusätzliche Interessen des neuen Arbeitgebers geschützt werden sollen, die nach dem Inhalt des Verbots bisher noch nicht vom Schutz durch das Wettbewerbsverbot erfaßt waren. 70 So verlangt das BAG mit Recht eine förmliche Anpassung für jede Erweiterung des Wettbewerbsverbots.71
Frage, ob das Vertragswerk eine Entschädigungszusage enthält, vgl. Grunsky, NZA 1988, 713 ff. 65 Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 60 f; Borngräber, S. 72; GK-Etzel, §§ 74 - 75 d Rdn. 22. 6 6 BAP AP Nr. 31 zu § 74 HGB = SAE 1974, 5 ff mit Anm. von Birk, § 613 a BGB war jedoch auf den dort vom BAG entschiedenen Fall noch nicht anwendbar. 67
Borngräber, S. 72.
6 8
BAG a.a.O.; Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 18; Löwe, S. 70; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 II, 1. 6 9
Im Ergebnis ebenso Windbichler, S. 130, die unter Berufung auf BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB keine Notwendigkeit sieht, ein Wettbewerbsverbot neu zu vereinbaren, wenn ein Arbeitsverhältnis durch Vertragsübernahme auf einen neuen Inhaber übergeht. Hiervon zu trennen ist der die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots betreffende Gesichtspunkt, ob und inwieweit sich der Betriebsübergang auf das berechtigte geschäftliche Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB auswirkt; vgl. hierzu die Ausführungen unten Abschn. B., 3. Kap. 7 0 Zur Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bei betriebsübergangsbedingter Erweiterung der Geschäftstätigkeit vgl. unten Abschn. B, 2. Kap. 2 c sowie 3. Kap. 2 c. 7 1
BAG AP Nr. 2 zu § 74 a HGB (Speiseeis) m. abl. Anm. von Duden = SAE 1967, 200 m. abl. Anm. von Schnorr v. Carolsfeld; Grüll S. 71.
1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
159
Zweites Kapitel
Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB a) Problemstellung
Wie gezeigt wurde, vollzieht sich der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede bei Betriebsübergang jedenfalls dann nach § 613 a Abs 1 S. 1 BGB, wenn der Arbeitnehmer noch nicht aus dem Betrieb ausgeschieden ist. Fraglich ist, ob der Betriebsübergang den Eintritt in die Rechte und Pflichten auch dann zur Folge hat, wenn der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden ist und die Karenzzeit noch läuft. Folgt man dem Wortlaut, dann muß davon ausgegangen werden, daß Arbeitnehmer, die sich bereits in der Durchführungsphase des Wettbewerbsverbots befinden, nicht von dieser Regelung erfaßt werden. Demnach würde der Erwerber nicht in die Rechtsstellung aus dem Wettbewerbsverbot eintreten. Für den Schutz, den das Wettbewerbsverbot bezweckt, hätte dies zumindest bei Übergang des gesamten Betriebes weitreichende Folgen: Trotz des Übergangs der sachlichen Grundlagen, die die unternehmerische Tätigkeit ermöglichen, bestünden Vertragsbeziehungen weiterhin nur zum Veräußerer. Der Betriebserwerber, der bei der vollständigen Veräußerung des Betriebes in der Regel daran interessiert sein wird, daß die unternehmerische Betätigungsfreiheit durch den Fortbestand des Konkurrenzschutzes weiterhin gesichert ist, könnte sich nicht auf das Wettbewerbsverbot berufen. Er könnte weder Wettbewerbsenthaltung verlangen, noch würde er Schuldner der Karenzentschädigung.72 Will er sich vor Konkurrenztätigkeit schützen, müßte das Wettbewerbsverbot im Wege der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme oder durch Abtretung des Unterlassungsanspruchs auf ihn übertragen werden. 73 Im Fall der Vertragsübernahme wäre zudem die Mitwirkung des Arbeitnehmers erforderlich, der der Übertragung des Schuldverhältnisses auf den Erwerber zustimmen müßte. 74 Auch für die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung zeigen sich bei einer vollständigen Betriebsübertragung nachteilige Auswirkungen, wenn der Erwerber nicht kraft Gesetzes in das Wettbewerbsverbot eintritt. Es bestünde die Gefahr, daß der Veräußerer die Karenzentschädigung weiterhin bezahlen 7 2
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 143.
73
Grunsky, a.a.O.; ders., FS-Söllner S. 41 (56).
7 4 Zur Übertragung des Schuldverhältnisses im Wege der Vertragsübemahme vgl. unten Abschn. A , 2. Kap., 2 c, aa.
160
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
muß, obwohl er infolge des Betriebsübergangs keinen Bedarf mehr am Konkurrenzschutz hat. Dem geltenden Recht ist allerdings diese Situation nicht fremd. § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB bestimmt, daß ein Wettbewerbsverbot nur insoweit verbindlich ist, als ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers am Wettbewerbsverbot besteht. Entfällt das berechtigte geschäftliche Interesse, so geht dies grundsätzlich zu Lasten des Arbeitgebers. Das Wettbewerbsverbot würde unverbindlich, mit der Folge, daß der Arbeitnehmer wählen könnte, ob er am Wettbewerbsverbot festhalten und die Karenzentschädigung erhalten oder ob er zu seinem früheren Arbeitgeber in Konkurrenz treten w i l l . 7 5 Man könnte nun annehmen, daß diese Rechtslage auch einträte, wenn der Betrieb vollständig an einen anderen Inhaber veräußert w i r d . 7 6 Die Veräußerung des Betriebes bedeutet, so könnte man argumentieren, daß ab dem Zeitpunkt des Übergangs das berechtigte geschäftliche Interesse des früheren Arbeitgebers am Wettbewerbsverbot entfallen sei, weshalb dem Arbeitnehmer das Wahlrecht zustünde. Je nach dessen Wahl würde sich die Entscheidung für den Erwerber oder den Veräußerer ungünstig auswirken. Bei vollständiger Übertragung des Betriebes wird die Rechtslage jedoch regelmäßig anders aussehen: Der Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers wird vielfach entgegenstehen, daß der Veräußerer bei Übertragung des gesamten Betriebes in dem von der Veräußerung betroffenen Geschäftsbereich mangels sachlicher und rechtlicher Voraussetzungen77 nicht mehr tätig sein wird bzw. sein kann. Der Betrieb ist als sachliches Substrat, mit dessen Hilfe der Veräußerer in dem Geschäftszweig tätig sein konnte, nicht mehr in dessen Händen. Es fehlt somit an der tatsächlichen und oft auch an der rechtlichen Möglichkeit, der bisherigen Geschäftstätigkeit nachzugehen. Häufig wird zwischen Erwerber und Veräußerer im Rahmen des Veräußerungsvertrages ein Wettbewerbsverbot vereinbart sein. Auch wo dies nicht der Fall ist, wird regelmäßig mit dem BGH anzunehmen sein, daß sich stillschweigend oder nach ergänzender Vertrags-
7 5 Für den Fall der Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots hat die Rechtsprechung dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein entsprechendes Wahlrecht eingeräumt, BAG AP Nr. 21 zu § 74 HGB; AP Nr. 3 zu § 74 a HGB; BAG DB 1991, 709; vgl. ferner Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 74 (76); Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 101 f; ders., FS-Söllner, S. 41 (54); Grüll, S. 29, 41; Heymann-Honsell, § 74 a Rdn. 16; Kopp, BB 1977, 1406 (1407); Röhsler/Borrmann, S. 114; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 III, 2 m.w.Nachw.; kritisch zum vom BAG in richterlicher Rechtsfortbildung eingeräumten Wahlrecht bei Unverbindlichkeit wegen bedingter Wettbewerbsverbote Brune, S. 42 ff. 7 6
So in der Tat BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB; Röhsler/Borrmann,
S. 129; Grüll, S.
72. 7 7
Zu den Schranken der die Unternehmensveräußerung betreffenden Wettbewerbsverbote zwischen Veräußerer und Erwerber vgl. Hirte, ZHR 1990, 443 ff.
1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
161
auslegung nach § 242 BGB ein solches Wettbewerbsverbot ergibt. 78 Dies bedeutet, daß es wegen des betriebsübergangsbedingten Wegfalls der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer unmöglich ist, Wettbewerb zu betreiben. Die Situation ähnelt der der Betriebsstillegung. Für Betriebsstülegungen ist anerkannt, daß zwangsläufig jeder Wettbewerb unterbleiben muß, wenn das zu schützende Unternehmen endgültig untergegangen ist. In diesem Fall ist das Betreiben von Wettbewerb unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1 B G B . 7 9 Das Ergebnis kann kern anderes sein, wenn der Betrieb vollständig auf einen anderen Inhaber übergeht. In diesem Fall ist die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers gegenüber dem Veräußerer wegen des Betriebsübergangs nachträglich unmöglich geworden. 80 Unmöglichkeit i.S.d. §§ 275 ff BGB kann auch bei Erfüllung von Unterlassungspflichten in Betracht kommen. 81 Nach wohl herrschender Ansicht liegt Unmöglichkeit der Unterlassung vor, wenn der Schuldner objektiv nicht mehr in der Lage ist, einer Vereinbarung zuwider zu handeln. 82 Henckel führt als Beispiel an, daß, wer vereinbart habe, ein Grundstück nicht zu bebauen, diese Unterlassungspflicht nicht erfüllen könne, wenn nach der Vereinbarung für das Grundstück ein Bauverbot erlassen worden sei. 83 Übertragen auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote bedeutet dies, daß die Unmöglichkeit eines Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht zugleich deren Erfüllung unmöglich macht. 84 Auf die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers kommt es nicht an, weil "die Unmöglichkeit schon in dem Augenblick besteht, in der der Schuldner sich vor die Frage des 'Ob' überhaupt gestellt sehen könnte." 85 Die vollständige Veräußerung des Betriebes ohne Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot hat deshalb die Unmöglichkeit der Unterlassung von Wettbewerb durch den Arbeitnehmer zur Folge.
7 8 RGZ 117, 176 (179 f); RGZ 163, 311 (313); BGHZ 16, 71 (76 ff); Beisel/Klumpp, Rdn. 678 m.w.Nachw.; MK-Roth, § 242 Rdn. 156; Palandt-Heinrichs, § 242 Anm. 4 Β a. 7 9
Görg, S. 90; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 117 f; ders., FS-Söllner, S. 41 (53).
8 0
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 143.
81
MK-Kramer,
§ 242 Anm. 8 m.w.Nachw. in Fußn. 20.
8 2
Löwe, S. 62 m.w.Nachw.; weitergehend Görg, S. 76 ff, der in der Verfehlung des mit der Unterlassungspflicht verbundenen Leistungszwecks einen Unmöglichkeitsgrund sieht. 83
Henckel, ACP 1974, 124 f.
8 4
Grunsky, FS-Söllner S. 41 (45).
85
Görg, S. 95.
162
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Damit fragt sich, wie sich dieses Ergebnis auf die Karenzentschädigung auswirkt. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind synallagmatischer Natur, weshalb die für gegenseitige Verträge geltenden §§ 320 ff BGB anwendbar sind. 86 Ist die Unterlassung von Wettbewerb wegen der Veräußerung des Betriebes unmöglich, dann richtet sich nach den §§ 323 ff BGB, wer das Risiko hinsichtlich der Erfüllung des Anspruchs auf Karenzentschädigung trägt. Dies ist davon abhängig, ob man - ähnlich wie für den Fall der Betriebsstülegung87 davon ausgehen kann, daß der Veräußerer die Unmöglichkeit zu vertreten habe. Die Leistungsgefahr in bezug auf die Karenzentschädigung könnte bei dem Veräußerer liegen, wenn er gemäß § 324 Abs. 1 BGB die Unmöglichkeit der Konkurrenztätigkeit zu vertreten hätte. Dies ist zu bejahen, da das "Vertreten müssen" i.S.d. § 324 BGB nicht nur dann vorliegt, wenn der Gläubiger die Unmöglichkeit durch einen Verstoß gegen vertragliche Pflichten herbeigeführt hat, sondern auch dann, wenn der Unmöglichkeitsgrund nach der vertraglichen Risikoverteüung zu Lasten des Gläubigers geht. 88 Für eine solche Verteüung spricht die Lehre vom Betriebsrisiko. 89 Danach liegen betriebliche Risiken, die die Führung des Betriebes betreffen, regelmäßig in der Sphäre des Arbeitgebers, so daß sich die Unmöglichkeit zu seinen Lasten auswirkt. Die Veräußerung eines Betriebes oder Betriebszweiges ist der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen.90 Entfällt die Möglichkeit, Wettbewerb zu betreiben, weil ein solches Risiko realisiert wurde, so wirkt sich die Unmöglichkeit zu Lasten des Arbeitgebers aus; er hat die Unmöglichkeit gemäß § 324 Abs. 1 BGB zu vertreten. Ist § 324 Abs. 1 BGB anwendbar, hätte dies zur Folge, daß der ausgeschiedene Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs von seiner Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb frei würde, gleichwohl aber von seinem früheren Arbeitgeber die Karenzentschädigung verlangen könnte. 91
8 6 BAG AP Nr. 38, AP Nr. 42; AP Nr. 49 zu § 74 HGB; BAG AP Nr. 27 zu § 611 Konkurrenzklausel; Grunsky, Wettbewerbsverböte, S. 118 m.w.Nachw.; ders., FS-Söllner S. 41 m.w.Nachw; Moritz, AuR 1975, 363; Röhsler/Borrmann, S. 72. 87
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 117; ders., FS-Söllner S. 41 (53 f) m.w.Nachw.; Görg, S. 82, S. 90. 8 8
Palandt-Heinrichs, § 324 Anm. 2 c; MK-Emmerich, § 324 Anm. 6 ff; Grunsky, FS-Söllner S. 41(53). 8 9
Vgl. hierzu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 101 I, II.
9 0
Görg, S. 45.
91
Im Ergebnis ebenso Grunsky, FS-Söllner S. 41 (55) für den Fall, daß § 613 a BGB unmittelbar auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer angewendet würde; ders., Wettbewerbsverbote, S. 143; auch Görg, S. 90; wohl auch Sack, S. 87, ohne sich jedoch expressis verbis auf die Unmöglichkeit zu berufen.
1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
163
Hält man sich dieses Ergebnis vor Augen, so steht zu vermuten, daß es der tatsächlichen Interessenlage nicht gerecht wird. Darüberhinaus zeigt sich auch, daß bei dieser Rechtslage der ausgeschiedene Arbeitnehmer keine Veranlassung haben wird, an der rechtsgeschäftlichen Übertragung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, die oben als eine der Möglichkeiten zum Schutz des Erwerbers genannt wurde, mitzuwirken. Da er, wie Grunsky mit Recht bemerkt, ohnehin "alles darf' und "alles kriegt", könnte ihm eine solche Vereinbarung nur Nachteile bringen. 92 Würde der Betriebserwerber dagegen kraft Gesetzes auch in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsvereinbarung bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer eintreten, bliebe dem neuen Inhaber der Schutz vor Wettbewerb erhalten; allerdings würde er auch Schuldner der Karenzentschädigung. Natürlich sind auch zahlreiche Fallgestaltungen vorstellbar, bei denen es dem Arbeitnehmer trotz des Betriebsübergangs grundsätzlich weiterhin möglich wäre, Wettbewerb zu betreiben und bei denen es den Interessen des Veräußerers zuwiderlaufen würde, den Wettbewerbsschutz zu verlieren. Zu denken wäre hier insbesondere an den Übergang eines Betriebsteils, während andere Betriebsteüe beim Veräußerer verbleiben. Das gleiche güt, wenn einer von mehreren Betrieben übergeht und das Wettbewerbsverbot sich auf alle Betriebe des Arbeitgebers erstreckt hatte. 93 Hier endet die unternehmerische Tätigkeit des Arbeitgebers nicht wegen des Betriebsübergangs. Welche Auswirkungen dies auf das Wettbewerbsverbot und den Schutz von Erwerber und Veräußerer hat, wird noch zu untersuchen sein. 94 Die vorerst nur skizzierte Interessenlage zeigt bereits, daß die Frage des Eintritts des Erwerbers in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote einer sorgfältigen Analyse der Rechtslage bedarf. Im folgenden soll deshalb zunächst untersucht werden, ob die Auslegung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB trotz des entgegenstehenden Wortlauts nicht doch zu dem Ergebnis führt, daß die Vorschrift auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer anwendbar ist. Sollte dies zu verneinen sein, wäre zu prüfen, ob nicht eine analoge Anwendung des § 613 a BGB in Betracht kommt, was dazu führen könnte, daß der Betriebserwerber bei Betriebsübergang während der Karenzzeit automatisch in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote aus bereits beendeten Arbeitsverhältnissen eintreten würde.
9 2
Grunsky, FS-Söllner, 41 (56).
9 3
Zur Frage, inwieweit ein solch weitgehendes Wettbewerbsverbot Bestand hat, vgl. unten Abschn. B, insbes. Kap. 2 u. 3. 9 4
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. B.
164
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses b) Meinungsstand
aa) Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum Das BAG hat sich, soweit ersichtlich, seit Einführung des § 613 a BGB mit der Frage der Anwendbarkeit der Vorschrift auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote noch nicht befaßt. Allerdings scheint das BAG aus grundsätzlichen Erwägungen abgeneigt zu sein, § 613 a BGB auf Rechtsverhältnisse ausgeschiedener Arbeitnehmer anzuwenden. So hat es die Haftung des Betriebserwerbers für Provisionsansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer verneint, auch wenn das provisionspflichtige Geschäft erst von dem Erwerber ausgeführt wurde. 95 Die unmittelbare Anwendung des § 613 a BGB scheide nach dem Wortlaut aus, und für die Analogie sei keine Gesetzeslücke erkennbar. Das BAG sieht keinen Grund, bei Lohnansprüchen von seiner Rechtsprechung zu den Ruhegeldansprüchen abzuweichen. Nach Ansicht des BAG ist § 613 a BGB auf Ruhestandsverhältnisse nicht anwendbar.96 Bei Provisionsansprüchen gebiete die Interessenlage ebenfalls nicht, den Erwerber für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis haften zu lassen, die bereits geendet hatten. Einen Erfahrungssatz für die bessere Zahlungsfähigkeit des Erwerbers gebe es nicht. Auch daß das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis fortbestehe, erfordere nicht, von Wortlaut und Zweck der Vorschrift abzuweichen, denn auch bei Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung sei die Sachlage nicht anders. Auch die überwiegende Meinung im Schrifttum lehnt eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer ab. 9 7 Zur Begründung wird angeführt, daß der Wortlaut einer
95
BAG BB 1987,1603.
9 6
Das BAG weist insoweit auf seine ständige Rechtsprechung in AP Nr. 6 und AP Nr. 12 zu § 613 a hin. Vgl. hierzu auch BAG AP Nr. 15 zu § 613 a BGB. Auch nach herrschender Ansicht im Schrifttum findet § 613 a BGB auf Ruhestandsverhältnisse keine Anwendung, Heinze, DB 1980, 205 (210); Palandt-Putzo, § 613 a Anm. 1 c; Posth, S. 127 ff; Seiter y Betriebsinhaberwechsel, S. 60; a.A. Säcker-Joost, DB 1978, 1030 ff, 1070 ff. Ebenso gehen nach Ansicht des BAG a.a.O. nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaften nicht auf den Betriebserwerber über, auch wenn der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist; vgl. hierzu auch Gockel, S. 74 ff. 97
Bauer, Unternehmensveräußerung S. 70; ders., DB 1983, 713 (716 f); Birk, Anm zu BAG SAE 1974, 5; Borngräber, S. 72 ff; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 64; Gaul, BB 1979, 1666; ders., Betriebsübergang, S. 95 ff; Bandasch-Etzel, §§ 74-75 a HGB; Grüll, S. 71; Heinze, DB 1980, 205 (210); Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 36; v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); Küchenhoff, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel ; Nägele, BB 1989, 1480; Posth, S. 138; Röhsler/Borrmann, S. 124 ff; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 I I 4; Schwedes, S. 96 f; StaudingerRichardi, § 613 a Rdn. 154; Zöllner, § 20 III, 4.
1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
165
unmittelbaren Anwendung entgegenstehe.98 Es fehle an einem bestehenden Arbeitsverhältnis . " Auch die Analogie finde im Gesetz keine Stütze. 100 Gegen eine analoge Anwendung spreche, daß es an einer organisatorischen Eingliederung der ausgeschiedenen Arbeitnehmer und an einem arbeitsrechtlichen Anspruch fehle, der übergehen könne. 1 0 1 Da der Unterlassungsanspruch aus der Wettbewerbsabrede abgetreten werden könne, sei erne Analogie mangels Lücke nicht erforderlich. 102 Der Umfang der Ansprüche richte sich nach den Verhältnissen des Veräußerers. 103 Zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbsschutzes sei eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme möglich. 1 0 4 Auch könne erne zusätzliche Vereinbarung zwischen dem Erwerber und dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer in Betracht kommen, 1 0 5 oder es könne zwischen Erwerber und Veräußerer vertraglich vereinbart werden, daß der Veräußerer den Unterlassungsanspruch geltend mache. 1 0 6 Es gebe auch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach in der Regel nicht mehr der bisherige Betriebsinhaber, sondern nur der Betriebserwerber an der Einhaltung der Unterlassungspflichten interessiert sei; bei Betriebsteüsübergang sei gerade das Gegenteil der F a l l . 1 0 7 Zusätzliche Schwierigkeiten ergäben sich bei analoger Anwendung, wenn ein Betrieb von mehreren übergehe. 108 Es 9S
Zöllner, § 20111,4.
9 9
v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); Gaul, BB 1979, 1666; Gockel, S. 138; Heinze, DB 1980, 205 (210); Holzapfel/Ρöllath, S. 308. 1 0 0
Gaul, Betriebsübergang, S. 95 ff.
101
Birk, Anm zu BAG SAE 1974, 5.
102 Borngräber, S. 74; Zöllner, § 20 III, 4. Auch nach Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 37 kommt eine Abtretung in Betracht, soweit abgesehen vom Gläubigerwechsel damit keine Inhaltsänderung des Wettbewerbsverbots verbunden sei. Dagegen ist Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 70 sowie ders., DB 1983, 713 (716 f) der Ansicht, daß ohne Zustimmung des Arbeitnehmers der Unterlassungsanspruch nicht an den neuen Inhaber abgetreten werden könne. 103 Zöllner, Anm. zu BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB (Bl. 59). Bei einer Abtretung könnten dem Erwerber nicht mehr Rechte verschafft werden, als dem Zedenten zustünden. Sollten auch die Verhältnisse des Veräußerers berücksichtigt werden, dann müsse die gesamte vertragliche Stellung aus dem Wettbewerbsverbot im Wege der Vertragsübernahme erfolgen, was die Zustimmung des Arbeitnehmers erfordere. 1 0 4
Birk, a.a.O.; Posth, S. 138; Bandasch-Etzel, §§ 74-75 a; Zöllner, a.a.O.
105
Gaul, Betriebsübergang S. 95 ff.
1 0 6
Holzapfel/Pöllath,
S. 308 f.
1 0 7
Posth, a.a.O.; ähnl. v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (334); Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 112, der jedoch dem Veräußerer keinen eigen Anspruch zubilligen will. 1 0 8
Bauer, DB 1983, 713 (716 f unter Berufung auf Seiter, Betriebsinhaberwechsel S. 80); ders., in: Hölters V Rdn. 78; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 64.
166
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
müsse dann zu einem gespaltenen Wettbewerbsverbot kommen. 1 0 9 Nach anderer Ansicht scheidet eine Analogie aus, wenn der bisherige Betriebsinhaber sich weiterhin unternehmerisch betätige. 110 Man könne eine Analogie nur erwägen, wenn der bisherige Betriebsinhaber seine unternehmerische Tätigkeit einstelle und der neue Inhaber den gleichen Unternehmenszweck verfolge. Für einen Analogieschluß fehle es dabei aber an der Vergleichbarkeit der Ausgangslage. 1 1 1 Die Interessen des früheren und des neuen Inhabers könnten eine Analogie jedenfalls nicht rechtfertigen. 112 Die Analogie könne auch dann nicht in Betracht kommen, wenn man berücksichtige, daß ein Arbeitsverhältnis auch nachvertragliche Treuepflichten zur Folge haben könne. 1 1 3 Die Situation ähnle der der Ruheständler, 114 für die die analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht anerkannt werden könne. 1 1 5 Auch belege der betriebsverfassungsrechtliche Ausgangspunkt des Gesetzgebers, daß § 613 a BGB Nachwirkungen wie Wettbewerbsverbote und Ruhegeldanwartschaften ausschließe. 116
bb) Die Mindermeinung Die Vertreter der Gegenmeinung sind ebenfalls grundsätzlich der Ansicht, daß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nicht unmittelbar auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer angewendet werden könne. 1 1 7 § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB enthalte jedoch eine Regelungslücke, 118 die durch dessen analoge Anwendung zu schließen sei. 1 1 9 Der Zweck der Wettbewerbsverbote werde ver-
1 0 9
Bauer, DB 1983, 713 (716 f).
1 1 0
Staudinger-Richardi,
§ 613 a Rdn. 154.
111
Staudinger-Richardi,
112
Röhsler/Borrmann,
113
Grüll, S. 71.
1 1 4
Posth, S. 1 3 H e i n z e , DB 1980, 205 (210); Nägele, BB 1989,1480.
115
Vgl. hierzu die Nachw. oben Fußn. 96.
1 1 6
Heinze, a.a.O.
a.a.O. S. 124 ff (128 f); Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 II, 4.
117
Grunsky, Wettbewerbsverböte, S. 142; Löwe, S. 130; a.A. Buchner, S. 114 sowie Soergel-Kraft § 613 a Rdn. 21. ns
Löwe, S. 134; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 134; MK-Schaub § 613 a Rdn. 7; Sack, S. 86; Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1975, 305 (307). 1 1 9
Becker-Schaffner, mon, ZfA 1987, 311 (327).
a.a.O.; Sack, a.a.O.; KR-Wolf
§ 613 a Rdn. 13; wohl auch Si-
1. Das Problem der Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
167
fehlt, wenn ein bloßer Betriebsinhaberwechsel den ausgeschiedenen Arbeitnehmer von einem vereinbarten Wettbewerbsverbot entbinden könnte. 1 2 0 Die Rechtsprechung des BAG zu den Ruhegeldanwartschaften stehe einer analogen Anwendung nicht entgegen. 121 Der rechtliche Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis und Wettbewerbsabrede sei sehr viel stärker ausgeprägt als der zwischen Arbeitsverhältnis und Pensionsverhältnis.122 Es handle sich auch nicht um eine Arbeitgeberleistung, die im Hinblick auf eine früher erbrachte Leistung gewährt werde, sondern - wie im Arbeitsverhältnis - um eine gegenseitige Leistung. 123 Beim Ruhestandsverhältnis habe der Arbeitnehmer seine Leistungen bereits in das Betriebsvermögen eingebracht, wogegen beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot kontinuierlich neue Rechte und Pflichten erwüchsen. 124 Darüberhinaus habe regelmäßig nur der Betriebserwerber ein Interesse an der Einhaltung der Wettbewerbsabrede.125 Wolle man dem Erwerber einen funktionsfähigen Betrieb verschaffen, so sei die analoge Anwendung des § 613 a BGB geboten. 126 Die gesamte Interessenlage spreche für die analoge Anwendung, jedoch unter der Maßgabe, daß der Inhalt der Wettbewerbsabrede nicht erweitert werden dürfe. 1 2 7 Für die Analogie sprächen auch praktische Bedürfnisse. 1 2 8 So käme auch bei einer unechten Betriebsaufspaltung eine Analogie in Betracht. 129 Nach anderer Ansicht könne die Interessenlage nicht als Argument für oder gegen den Übergang der Konkurrenzklausel dienen; lediglich das Interesse des Arbeitnehmers an einer gesicherten Karenzentschädigung könne ausschlaggebend sern. 130
1 2 0
Sack, a.a.O.
121
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 80.
122
Martens, Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 188.
123
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 80.
1 2 4
Schaub, ZIP 1984, 272 (275); ders., M K § 613 a Rdn. 7.
125
Seiter, a.a.O.; Schaub, ARdGw Bd. 18, 71 ff (76 f); ders., ZIP 1984, 272 (275); ders., M K § 613 a Rdn. 7. 1 2 6
Schaub, ARdGw a.a.O. S. 76.
127
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 143; ders., FS-Söllner, S. 41 (52); Schmalenberg, NZA Beil. 3/1989,14 (15). 1 2 8
Commandeur, S. 26.
1 2 9
Blank/Blanke,
1 3 0
Löwe, S. 131.
S. 45 f; vgl. hierzu ausführlich unten Abschn. B, 5. Kap., 2.
168
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1. S. 1 BGB Auslegung des Merkmals "bestehendes Arbeitsverhältnis" Bevor entschieden werden kann, ob eine analoge Anwendung des § 613 a BGB erforderlich und geboten ist, muß zunächst untersucht werden, ob nicht dessen unmittelbare Anwendung auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer in Betracht kommen kann. Eine solche Untersuchung hat unter Anwendung der Auslegungskriterien vom Wortlaut der Vorschrift auszugehen. 1 3 1 Der Primat des Gesetzes verlangt, zuerst alle dem Gesetz immanenten Wertungen herauszufinden, um dieses umfassend und sinngemäß auszulegen. 1 3 2 Erst wenn nach dem Ergebnis der Auslegung feststeht, daß eine unmittelbare Anwendung von § 613 a BGB nicht in Betracht kommen kann, kann erwogen werden, ob die Vorschrift auf die vorliegende Problemstellung analog angewendet werden kann. 1 3 3
a) Wortlaut
Nach § 74 Abs. 1 HGB gilt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot "für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses". Ist ein Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden, scheint es nach dem konventionellen Wortsinn nicht mehr möglich, von einem "bestehenden" Arbeitsverhältnis zu sprechen. Zweifelhaft ist aber, wodurch das Ende des Arbeitsverhältnisses nach dem Sinnverständnis des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB markiert wird. Auch wenn der Arbeitnehmer aus dem aktiven Teil des Arbeitsverhältnisses ausgeschieden ist, können noch Rechtsbindungen aus dem Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber bestehen. 134 Würde man dem Begriff des bestehenden Arbeitsverhältnisses ein äußerst extensives Verständnis zugrundelegen, ließe sich behaupten, daß es erst dann als beendet und damit als nicht mehr bestehend im Sinne des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angesehen werden könnte, wenn sämtliche aus ihm resultierenden Forderungen erfüllt sind. In diese Richtung geht die Argumentation von Buchner, 1 3 5 wenn er ausfuhrt, daß die rechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber 131
Larenz, Methodenlehre, S. 332; Zippelius, S. 41, S. 66.
132
Germann, S. 121.
133
Zum Verhältnis von Gesetzesauslegung und (richterlicher) Rechtsfortbildung vgl. Larenz, a.a.O., S. 350 ff; Engisch, S. 150. 134 Ygi d ^ y Zöllner, Die vorvertragliche und nachwirkende Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 91 ff. 135 Buchner, S 114, der im Zusammenhang mit seinen Ausführungen auf die von Säcker/Joost, BB 1978, 1030 ff und Schwerdtner, SAE 1978, 62 verwendeten Begrün-
.
are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
169
und Arbeitnehmer so lange bestehe, als überhaupt noch Pflichten, nicht nur Hauptpflichten zu erfüllen seien. Deshalb solle § 613 a BGB sich auch auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer beziehen. Es handle sich insoweit um ein Fortbestehen arbeitsvertraglicher Rechtsbeziehungen, die lediglich auf die Abwicklung der Wettbewerbsabrede reduziert seien. Ein solch extensives Verständnis kann jedoch mit dem in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB gewählten Wortlaut nicht gemeint gewesen sein, da sich sonst die Einschränkung auf bestehende Arbeitsverhältnisse erübrigt hätte. Wenn hier konkretisierend danach gefragt wird, was nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB unter einem "bestehenden" Arbeitsverhältnis verstanden werden kann, so handelt es sich um ein Problem der Grenzziehung, bei der der Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB abgesteckt wird. Es ist also nach der Grenze zu suchen, jenseits derer die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr einem "bestehenden" Arbeitsverhältnis zuzuordnen sind und damit nicht mehr von den Rechtsfolgen des § 613 a BGB erfaßt werden. Ein erster Hinweis, wo diese Grenze gefunden werden könnte, ergibt sich aus § 620 BGB. Danach endet ein Arbeitsverhältnis entweder durch Zeitablauf oder durch Kündigung. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung. Von diesem Zeitpunkt ab werden, wie Zöllner es ausdrückt, 136 keine gegenseitigen Hauptleistungspflichten mehr generiert. Gleichwohl gibt es Rechtsbindungen aus dem Arbeitsverhältnis, die auch nach diesem Zeitpunkt fortbestehen, wie nicht zuletzt das Beispiel nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zeigt. 1 3 7 Da es außer den in § 620 BGB genannten Tatbeständen für das Arbeitsverhältnis noch weitere Beendigungstatbestände g i b t , 1 3 8 läßt sich das Ende des Arbeitsverhältnisses exakter fassen, wenn es dadurch definiert wird, daß infolge eines Beendigungstatbestandes keine gegenseitigen Hauptleistungspflichten mehr generiert werden. Damit scheint sich aus dem Wortlaut des § 613 a BGB ableiten zu lassen, daß Rechtsbeziehungen, die nicht mehr im Kontext der Neuentstehung gegenseitiger Hauptleistungspflichten gesehen werden können, nicht nach § 613 a BGB auf den Betriebserwerber übergeleitet werden. Damit würde auch das düngen zum Übergang der Ruhegeldverpflichtungen verweist, ohne hierzu jedoch dezidiert Stellung zu nehmen; ebenso Soergel-Kraft, § 613 a Rdn. 21. 1 3 6
Zöllner, a.a.O.
1 3 7
Zu weiteren Rechtsbindungen vgl. Schering, Die nachvertraglichen Verbindlichkeiten des Arbeitnehmers, passim. 1 3 8
Zu nennen wären hier Aufhebungsvertrag und auflösende Bedingung, vgl. MKSchwerdtner, § 620 Rdn. 10 ff, 21 ff.
170
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
nachvertragliche Wettbewerbsverbot, das sich in seiner "Durchführungsphase" befindet, nicht auf den Betriebserwerber übergehen können. Diese Vermutung wird erhärtet, wenn man sich nochmals vor Augen hält, daß ein gänzlicher Verzicht auf die vom Gesetzgeber getroffene Einschränkung auf die "bestehenden" Arbeitsverhältnisse zur Folge gehabt hätte, daß sich der Eintritt auf alle Rechte und Pflichten beziehen würde, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhen, gleichgültig, ob der Arbeitnehmer bereits aus dem aktiven Teü des Arbeitsverhältnisse ausgeschieden ist oder nicht. Da die Einschränkung einen Sinn gehabt haben muß, bleibt vorerst nur die genannte, nach dem Wortlaut sich anbietende, Auslegung.
b) Systematische Auslegung
Wenn sich bereits nach dem Wortlaut ergibt, daß nachwirkende Pflichten nicht unter die Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis subsumiert werden können, ist zunächst fraglich, inwieweit noch Raum für systematische, historische oder teleologische Auslegungsmethoden besteht. In der Tat würde es sich nicht mehr um eine Frage der Auslegung handeln, sondern um ergänzende oder umbüdende Rechtsfortbildung, wollte man den Bereich des möglichen Wortsinns verlassen. 139 Die Grenze des möglichen Wortsinns ist auch die Grenze der Auslegung. 140 Bei der hier anstehenden Fragestellung nach dem "Grenzverlauf', bei der Frage also, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer in die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB einzubeziehen sind, handelt es sich jedoch trotz der vom Wortlaut her eindeutig erscheinenden Beschränkung auf "bestehende" Arbeitsverhältnisse dennoch um eine im Bereich des möglichen Wortsinns liegende Deutung. Die Möglichkeit, den Begriff des Arbeitsverhältnisses in § 613 a BGB als Schuldverhältnis im weiteren Sinne zu verstehen, für das zwar keine Hauptleistungspflichten mehr generiert werden, aus dem aber bis zur endgültigen Abwicklung noch gegenseitige Rechtspflichten bestehen und erfüllt werden, öffnet den Weg zur Anwendung weiterer Auslegungsmethoden. Zwar ist nach dem Ergebnis der Wortauslegung zuzugestehen, daß der Gesetzgeber eine Beschränkung der auf den Erwerber übergehenden Rechte und Pflichten anstrebte. Die Tatsache, daß eine Beschränkung angestrebt wurde, besagt jedoch noch nichts über die Qualität dieser Beschränkung. So kann a priori nicht ausgeschlossen werden, daß der Gesetzgeber bei seiner "eindeutigen" Wortwahl beispielsweise lediglich Ruhestandsverhältnisse 1 3 9 1 4 0
Larenz, Methodenlehre, Kap. 4, 2 a.
Zippelius, S. 43 mit Hinweisen auf BVerfGE 71, 115, sowie S. 56; Müller, S. 183, 186.
.
are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
171
von den Rechtswirkungen des § 613 a BGB ausschließen wollte. Es wäre denkbar, daß sich diese Wirkung nicht auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer beziehen sollte, da von diesen Arbeitnehmern während der Karenzzeit in Form der Wettbewerbsenthaltung noch immer vertragliche Pflichten zu erfüllen sind. Anders als bei den Ruhestandsverhältnissen hat beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot der Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Betrieb die von ihm zu erbringende Leistung noch nicht erfüllt. 1 4 1 Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sind die von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Synallagma stehenden Forderungen erst während der Karenzzeit erfüllbar. Zwar beruhen diese Pflichten auf der Wettbewerbsabrede, doch sind sie den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zugehörig. Es ließe sich also die These aufstellen, daß, solange sich diese im Synallagma stehenden Forderungen gegenüberstehen, das Arbeitsverhältnis im weiteren Sinne noch nicht beendet ist. Damit ließe die vom Gesetzgeber getroffene Beschränkung auf "bestehende" Arbeitsverhältnisse die Deutung zu, daß nur diejenigen Rechtsbeziehungen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeklammert werden sollten, für die nicht mehr laufend gegenseitige Pflichten generiert werden. Im Ergebnis kann deshalb trotz des "eindeutigen" Wortlauts die Auslegung nicht ohne weiteres bei der Untersuchung des Wortlauts abgebrochen werden. Es ist vielmehr im folgenden zu untersuchen, ob sich unter Anwendung weiterer Auslegungsmethoden Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage finden lassen, ob nach vertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB infolge des Betriebsübergangs auf den Erwerber des Betriebes übergeleitet werden. Möglicherweise lassen sich mit der systematischen Auslegungsmethode nähere Erkenntnisse hierüber gewinnen. Ziel der systematischen Auslegung ist es, den Regelungsgehalt einer Norm aus ihrer Stellung im Gesetz und ihrem Verhältnis zu anderen Normen der Rechtsordnung zu erkennen. 142 § 613 a BGB wurde unter die den "Dienstvertrag" 143 betreffenden Normen in das BGB eingefügt. Die Vorschriften des BGB über das Dienstverhältnis enthalten keine Regelungen über Pflichten, die ähnlich wie nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommen. 1 4 4 Da andererseits nachvertragliche Wettbewerbsverbote ihre gesetz141
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 80; Schaub, ZIP 1984, 272 (275).
1 4 2
Palandt-Heinrichsy
1 4 3
So die Überschrift des Sechsten Titels des Zweiten Buchs des BGB.
Einl. vor § 1 Anm. V I 3 b bb.
1 4 4 Als Ausnahme könnte vielleicht der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 630 BGB genannt werden. Aber nach dem Gesetzeswortlaut besteht die Pflicht zur Zeugniserteilung bereits "bei" Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Als Konkretisierung der Fürsorgepflicht kann der Arbeitnehmer die Erteilung des Zeugnisses bereits
172
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
liehe Regelung nach der Rechtsprechung des BAG im wesentlichen in den §§ 74 ff HGB finden, kann aus der systematischen Einordnung des § 613 a BGB im Dienstvertragsrecht für die vorliegende Problemstellung insoweit nichts abgeleitet werden. Eine ähnliche Regelung wie in § 613 a BGB findet sich in § 571 B G B . 1 4 5 § 571 BGB ist vor Einführung des § 613 a BGB herangezogen worden, um bei Betriebsübergang den automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu begründen. Bei beiden Vorschriften handelt es sich um Fälle des gesetzlichen Vertragspartnerwechsels.146 Aus systematischer Sicht ist insoweit fraglich, ob sich hieraus Anhaltspunkte für eine Auslegung ergeben, wonach der Erwerber auch in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer eintritt. Das BAG hat eine Vergleichbarkeit der beiden Vorschriften unter anderem mit der Begründung abgelehnt, daß bei Arbeitsverhältnissen im Gegensatz zum Mietverhältnis die persönliche Beziehung der Vertragsparteien im Vordergrund stünden. 147 Angesichts der berechtigten Kritik, die die Lehre vom Arbeitsverhältnis als dem "personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis" erfahren hat, 1 4 8 scheint diese Begründung zumindest fragwürdig. Weiterhin ist das BAG der Ansicht, daß der Vermieter im Gegensatz zum Arbeitgeber lediglich den Gebrauch der Sache zu gewähren habe, nicht aber Zahlungsansprüche erfüllen müsse. 149 Ob dem gefolgt werden kann, mag für die vorliegende Problemstellung dahinstehen. 150 Entscheidend scheint im vorliegenden Zusammenhang vielmehr, daß § 571 BGB einen erheblich engeren Schutzbereich erfaßt als § 613 a BGB. Nach § 571 BGB tritt der Erwerber nur in "die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen" ein. Dagegen erfolgt kern Eintritt in Verpflichtungen, die - wie beispielsweise Schavor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schwerdtner, § 630 Rdn. 23.
verlangen; vgl. zu den Einzelheiten MK-
145
Falkenberg, RdA 1967, 121 ff sowie die ausführlichen Nachw. bei Pottmeyer, S. 53, Fußn. 107. 1 4 6
Zu § 613 a BGB vgl. die Nachw. oben I. Teil, 1.; zu § 571 BGB vgl. nur die Ausführungen von Schmitt, ZfA 1979, 503 ff (511). Der Übergang eines Schuldverhältnisses auf einen Rechtsnachfolger außerhalb einer Gesamtrechtsnachfolge ist außer in den genannten Vorschriften ferner vorgesehen in §§ 569 a Abs. 1 S. 1 BGB; 569 a Abs. 2, 1 BGB; 581 Abs. 2 BGB; 1251 Abs. 2 S. 1 BGB; §§ 69 W G ; 151 Abs. 2 W G und § 177 Abs. 1 S. 1 W G . 147
BAG AP Nr. 1 zu § 613 a unter III. 4 a.
148 Ygi hierzu nur Schwerdtner,
Fürsorge- u. Entgelttheorie, passim.
1 4 9
BAG a.a.O.
1 5 0
Kritisch Schmitt, ZfA 1979,517.
.
are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
173
densersatzansprüche - bereits früher entstanden sind. Anders ist § 613 a BGB strukturiert. Ohne daß dies bereits endgültige Schlußfolgerungen auf die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer zuließe, steht jedenfalls fest, daß nach § 613 a BGB der Erwerber als neuer Arbeitgeber auch in Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs begründet wurden. 1 5 1 Da § 571 BGB bereits die Haftung für Ansprüche ausschließt, die vor dem Zeitpunkt des dinglichen Erwerbs des Grundstücks entstanden sind und damit ein grundsätzlicher struktureller Unterschied zu § 613 a BGB zutage tritt, ist diese Vorschrift aus systematischer Sicht für die hier zu untersuchende Problemstellung ungeeignet. Zur Bestimmung derjenigen Rechtsbeziehungen, die aus einem im Sinne des § 613 a BGB "bestehenden" Arbeitsverhältnis stammen, könnte des weiteren in systematischer Hinsicht untersucht werden, ob sich aus den Haftungsnormen des § 419 BGB und § 25 HGB Parallelen feststellen lassen, die zu dem Auslegungsergebnis führen, daß der neue Inhaber nach § 613 a BGB trotz des beschränkenden Wortlauts entsprechend der Systematik dieser Haftungsregelungen auch in nachwirkende Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer eintritt. Diese Überlegungen sind insbesondere im Hinblick auf Ruhestandsverhältnisse angestellt worden, 1 5 2 für die § 613 a BGB nach dem Wortlaut ebenfalls keine Anwendung findet. 1 5 3 Ausgangspunkt dieser Überlegungen war, daß § 613 a BGB als "Sonderfall einer TeüVermögensübernahme" gesehen werden könnte. Zwar setze ein Betriebsübergang nicht überall notwendig eine Teüvermögensübernahme voraus, doch stelle die Vermögensübertragung den Regelfall dar. Um § 613 a BGB richtig zu erfassen, sei es deshalb notwendig, ihn mit § 419 BGB zu vergleichen. Werde das Vermögen durch Vertrag als Ganzes übertragen, so hafte der Erwerber gemäß § 419 BGB für die bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstandenen Verbindlichkeiten des Veräußerers. Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift solle dem Gläubiger das Vermögen als Haftungsobjekt erhalten bleiben. Die Haftung bestehe ohne Unterschied, ob es sich um bedingte oder nur ansatzhaft vorliegende Ansprüche handle. 154 Fasse man § 613 a BGB als besonderen Fall einer Teilvermögensübernahme auf, müßten konsequenterweise alle betrieblich veranlaßten Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen zur Haftung des Erwerbers führen. 155
151
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 34; auf diesen Unterschied weisen zutreffend hin Säcker/Joost, DB 1978, 1080 sowie Pottmeyer, S. 52. 152
Säcker/Jost, a.a.O. S. 1078; Gockel, S. 92 f. 153 Vgl d i e Nachw. oben Fußn. 96. 1 5 4
155
Säcker/Joost,
a.a.O. S. 1078.
Säcker/Joosty
a.a.O.
174
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Bezogen auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote würde dies bedeuten, daß der neue Inhaber dem Arbeitnehmer für Ansprüche aus der Wettbewerbsvereinbarung haften würde. Praktische Konsequenzen hätte dies insbesondere für den Anspruch auf die Karenzentschädigung; dem Arbeitnehmer würde ein weiterer Schuldner zur Seite gestellt. Der Vergleich der Haftungsregelung des § 419 BGB mit § 613 a BGB vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst kann nicht regelmäßig davon ausgegangen werden, daß sich ein Betriebsübergang als Vermögensübertragung darstellt. Dies zeigt beispielsweise die Tatsache, daß nach der Rechtsprechung § 613 a BGB auch Anwendung findet, wenn ein Betrieb lediglich durch Pacht oder Nießbrauch übergeht. 156 Selbst wenn aber eine Vermögensübertragung vorliegen würde, so läßt sich hieraus nicht der Schluß ziehen, daß § 613 a BGB entsprechend der Regelung des § 419 BGB ausgelegt werden müßte. Die Regelungsstrukturen des § 419 BGB und des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB sind nicht vergleichbar. 157 § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB betrifft den Fall des Vertragspartnerwechsels, wohingegen nach § 419 BGB das Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner unberührt bleibt. Dem Gläubiger wird lediglich ein weiterer Schuldner zur Seite gestellt. Im Einzelfall mag deshalb die Anwendung des § 419 BGB zur Folge haben, daß der neue Inhaber auch die Karenzentschädigung schuldet, doch läßt sich hieraus nichts für die Auslegung des § 613 a Abs. 1 S. 1 gewinnen. Im übrigen passen diese Überlegungen, die noch für das Ruhestandsverhältnis in Erwägung gezogen werden konnten, nicht auf die für Wettbewerbsverbote relevanten Fragestellungen. Typisch für das Ruhegeld ist, daß es als aufgespeichertes Entgelt und/oder Versorgung für erwiesene Betriebstreue in der Vergangenheit gesehen werden kann. 1 5 8 Der Anspruch auf Ruhegeld ist damit das Ergebnis einer Vorleistung des Arbeitnehmers. Insofern geht es mit Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand tatsächlich nur noch um die Frage der Sicherung seiner Ansprüche. Anders ist dies beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Hier hat der Arbeitnehmer nicht nur erne Leistung in Form der Karenzentschädigung zu empfangen, sondern auch eine Leistung in Form der Wettbewerbsunterlassung zu erbringen. Es geht also bei der Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht nur um die Frage des Erhalts des Haf1 5 6
Für die Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf Pachtverhältnisse BAG AP Nr. 14 zu § 613 a BGB; AP Nr. 24 zu § 613 a BGB; AP Nr. 59 zu § 613 a BGB; Meilicke, DB 1982, 1168 ff. Zur Anwendbarkeit auf Nießbrauchsverhältnisse Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 45; Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 73. 1 5 7
Hierauf weist zutreffend hin Gockel, S. 93; vgl. auch Derleder, AuR 1976, 129
(131 f). 158
Säckerl Joost, a.a.O., S. 1035; Steckhan, FS-Schnorr von Carolsfeld S. 436 ff (471 f); vgl. auch Schwerdtner, SAE 1978, 60 (63).
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are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
175
tungssubstrats, sondern es geht auch um die Frage, wer als Gläubiger der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistung in Form der Wettbewerbsenthaltung zu betrachten ist. Der Vergleich des § 419 BGB mit § 613 a BGB führt deshalb in diesem Kontext nicht weiter. Keinesfalls läßt sich jedoch aus einer möglicherweise vorkommenden Vermögensübernahme der Schluß ziehen, § 613 a Abs. 1 S. 1 müsse wegen § 419 BGB stets in der Weise ausgelegt werden, daß der neue Inhaber notwendig in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede auch bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer eintrete. Auch aus den bei Fortführung eines Handelsgeschäftes nach § 25 HGB geltenden Grundsätzen ergibt sich nichts anderes. Zwar mag zutreffen, daß für die Haftung des Firmenerwerbers ein vorheriges Ausscheiden des Arbeitnehmers keine Rolle spielt, 1 5 9 doch ist auch hier die Regelungsstruktur der Haftungsnorm nicht mit der des § 613 a BGB vergleichbar. Während die zwingende Regelung des § 613 a BGB sich nur auf die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis beschränkt, ist in § 25 HGB eine umfassende, im Rahmen des § 25 Abs. 2 HGB dispositive Haftung für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten normiert. 1 6 0 Während es sich bei § 613 a BGB um einen Fall des gesetzlichen Vertragspartnerwechsels handelt, haftet nach § 25 HGB der Erwerber neben dem Veräußerer als Gesamtschuldner.161 Schließlich besteht ein weiterer Unterschied darin, daß es sich bei § 25 HGB nach der Rechtsprechung des B G H 1 6 2 um eine Rechtsschemhaftung handelt. 163 Auch die Haftungsregelung des § 25 HGB kann deshalb nicht zu dem Auslegungsergebnis führen, daß § 613 a BGB im System der Haftungsregelungen der §§ 419 BGB und 25 HGB gesehen werde müsse. Der Eintritt des Erwerbers in die nachvertraglichen Wettbewerbs verböte ausgeschiedener Arbeitnehmer kann hieraus nicht abgeleitet werden. Damit erweist sich, daß nach der systematischen Auslegung die Frage, ob die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer noch unter § 613 a Abs. 1 S. 1 subsumiert werden können, verneint werden muß. Die Stellung der Norm im Gesetz sowie die Überprüfung ihres Verhältnisses zu anderen Normen der Rechtsordnung führt nicht zu dem Ergebnis, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer in die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB einzubeziehen sind. 1 5 9
Säcker/Joost, a.a.O., S. 1079. 160 dieser Begründung lehnt beispielsweise Derleder, AuR 1976, 129 (131) eine Parallelität der Regelung zu § 613 a BGB ab. 161
Baumbach/Duden/Hopt, § 25 Anm. 1 Ε c; eine beschränkte gesamtschuldnerische Haftung für den Veräußerer gibt es nach § 613 a Abs. 2 BGB. 162 Vgl hierzu die Nachw. bei Baumbach/Duden/Hopt, § 25 Anm 1 A. 1 6 3
Auf diesen und die vorstehenden Unterschiede weist auch Gockel, S. 95 hin.
176
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses c) Historisch-genetische
Auslegung164
Läßt sich aus der Stellung des § 613 a BGB im Regelungssystem des BGB für die Frage, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer von den Rechtsfolgen des Betriebsübergangs erfaßt werden, nichts gewinnen, so können möglicherweise die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien zu § 613 a BGB weitere Anhaltspunkte zur Auslegung der Vorschrift geben. Wenn die Überprüfung der Rechtslage vor Einführung des § 613 a BGB ergeben sollte, daß bei einem Betriebsübergang das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in gleicher Weise wie die übrigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis übertragen wurde, und wenn sich zudem herausstellen würde, daß bei der Überleitung der Rechtsstellung aus nachvertraglichen Wettbewerbsverboten nicht zwischen bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnissen unterschieden wurde, so würde sich hieraus ein deutlicher Hinweis zur rechtlichen Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nach Inkrafttreten des § 613 a BGB entnehmen lassen, sofern die Gesetzesmaterialien es erlauben, an die vorherige Behandlung des Problems anzuknüpfen. § 613 a BGB wurde anläßlich der Novellierung des BetrVG 1972 mit Wirkung vom 19.1.1972 in das BGB eingefügt. 165 In der Tat läßt sich der amtiichen Begründung des Regierungsentwurfs zum Betriebsverfassungsgesetz166 entnehmen, daß der Gesetzgeber an die frühere Rechtslage anknüpfen wollte. In der Begründung heißt es unter anderem: "Die Vorschrift lehnt sich an die einschlägige Rechtsprechung an, erstreckt deren Grundsätze jedoch gleichmäßig auf alle Arbeitnehmer..."
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Bevor die "einschlägige Rechtsprechung" im einzelnen untersucht wird, soll zunächst ein allgemeiner Überblick zur Rechtslage bei Betriebsübergang vor Inkrafttreten des § 613 a BGB gegeben werden.
1 6 4
Zum Begriff Müller, S. 204 ff.
165
Zwar war die neue Bestimmung ursprünglich in § 122 BetrVG 1972 enthalten, doch ist die Vorschrift deshalb nicht auf den Geltungsbereich des BetrVG beschränkt, BAG DB 1980,1495. 166 BT-Drucksache V I 1786, S. 59. 167 BT-Drucksache a.a.O.
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177
aa) Übersicht über die Rechtslage zum Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang vor Inkrafttreten des § 613 a BGB Schon lange Zeit vor Inkrafttreten des § 613 a BGB war über die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs kontrovers diskutiert worden. So hatte bereits § 90 des Entwurfs eines Gesetzes über das Arbeitsverhältnis aus dem Jahre 1938 einen gesetzlich angeordneten Eintritt des neuen Unternehmers in bestehende Arbeitsverhältnisse vorgesehen. 168 Dieser Entwurf ist nicht Gesetz geworden und konnte dementsprechend in der Folgezeit nicht ohne weiteres für die Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs auf die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis herangezogen werden. 1 6 9 Insbesondere bezweifelte man, ob es mit dem grundrechtlich gesicherten Persönlichkeitsrecht der Arbeitsvertragsparteien vereinbar sei, wenn das Arbeitsverhältnis in dieser Weise an den Betrieb gebunden werde, und ob eine solche Bindung andererseits mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen einer freien und sozialen Marktwirtschaft zu vereinbaren sei. 1 7 0 Auszugehen war deshalb zunächst von der im BGB vorgesehenen Regelung, wonach auf rechtsgeschäftlichem Wege lediglich einzelne Ansprüche übertragen werden können (§§ 398 ff, 414 ff BGB), nicht jedoch ein Schuldverhältnis als Ganzes. Um den Austausch einer Partei des Schuldverhältnisses zu ermöglichen, versuchte man sich entweder damit zu behelfen, daß alle Ansprüche aus dem Schuldverhältnis abgetreten wurden, wobei in Kauf genommen werden mußte, daß die Summe der Einzelansprüche noch nicht das gesamte Schuldverhältnis kennzeichnet, oder man begründete durch Novation ein neues Schuldverhältnis. 171 Erst in jüngerer Zeit wurde in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, daß bei Zustimmung aller Beteüigter die Übertragung eines ganzen Schuldverhältnisses im Wege der Vertragsübernahme erfolgen könne, sofern es unverändert bleibe. 1 7 2 Nach der Rechtsprechung des BAG konnten Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübergang durch ein dreiseitiges Rechtsgeschäft 1 6 8
Arbeitsberichte der Akademie für Deutsches Recht, Sonderheft 8, S. 30. Bereits der Gesetzgebungsentwurf aus dem Jahre 1923 (RAB1. 1923, 498 (499) hatte sich mit dem Übergang des Unternehmens befaßt und in § 25 vorgeschlagen, daß Ansprüche auf Arbeitsleistung sowie Verpflichtungen des Arbeitgebers im Zweifel übertragbar seien und als übertragen gelten sollten. 169 Vgl hierzu im einzelnen Gaul, Betriebsübergang, S. 23. 1 7 0
Gaul, Betriebsinhaberwechsel und Arbeitsverhältnis, S. 88; ders., Betriebsübergang, S. 24 m.w.Nachw. 1 7 1 1 7 2
Vgl. hierzu die Nachw. bei Brecher, FS-Schmidt-Rimpler, S. 181 (189 ff).
Vgl. nur Larenz, Schuldrecht Bd. 1, § 35 III; BGHZ 44, 229; für den Übergang von Arbeitsverhältnissen BAG AP Nr. 2 zu § 282 ZPO; BAG AP Nr. 1 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge; AP Nr. 6 zu § 419 Betriebsnachfolge; BAG AP Nr. 22 zu § 419
178
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
eigener Art auf den neuen Inhaber übertragen werden. 173 Es blieb jedoch streitig, ob Arbeitsverhältnisse nach der Zergliederungs- oder nach der Einheitstheorie überginge. 174 Die Auslegungsregel des § 613 S. 2 BGB, wonach der Anspruch auf Arbeitsleistung nicht übertragen werden kann, wurde für den Fall des Betriebsübergangs der Verkehrssitte und dem mutmaßlichen Willen des Arbeitnehmers entsprechend als stillschweigend abbedungen gesehen. 175 Darüberhinaus sollte im Zweifel anzunehmen sein, daß bei Veräußerung des Betriebes mit der Abtretung des Anspruchs auf Arbeitsleistung auch die Übertragung des ganzen Arbeitsverhältnisses verbunden sei, wobei allerdings die Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers erforderlich sei. 1 7 6 Diese Zustimmung konnte auch stillschweigend erklärt werden, wenn der Arbeitnehmer bei Kenntnis des Übergangs ohne Widerspruch und Kündigung die Arbeit im Betrieb fortsetzte. 177 Der wesentliche Nachteil dieser vor Inkrafttreten des § 613 a BGB herrschenden Rechtslage bestand darin, daß der Betriebserwerber wegen der Notwendigkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Arbeitsverhältnisses dessen Übergang verhindern oder für den Fall der Übernahme diese von der Vereinbarung neuer Arbeitsbedingungen abhängig machen konnte. 1 7 8 Lehnte der Betriebserwerber den Übergang des Arbeitsverhältnisses ab, führte dies in der Regel zum Verlust des Arbeitsplatzes, da eine Kündigung des bisherigen Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen (§ 1 Abs. 1 KSchG) regelmäßig dann
BGB Funktionsnachfolge; BAG AP Nr. 1 zu § 74 a HGB; BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB. 1 7 3
BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB, vgl. ferner Hueck/Nipperdey,
§ 54 III, 1 - 4.
1 7 4
Nach der Zergliederungstheorie soll ein Schuldverhältnis durch Einzelabtretung aller Ansprüche nach § 398 BGB und durch Übernahme aller Verpflichtungen nach § 414 ff BGB auf den Erwerber übergehen, vgl. hierzu BGH NJW 1961, 453 (454). Nach der Einheitstheorie soll die Übertragung des Schuldverhältnisses durch dreiseitiges Rechtsgeschäft eigener Art auf einen Dritten erfolgen, BGHZ 44, 229 (231). Vgl. zum Ganzen die umfangreichen Nachw. bei Pottmeyer, S. 72, Fußn. 150 f. 175
Hueck/Nipperdey,
§ 54 III, S. 515; BAGE 2, 127 (128).
176
Hueck/Nipperdey, a.a.O., S. 518 f. Die Zustimmungsbedürftigkeit ergab sich sowohl aus § 613 S. 2 BGB als auch aus § 415 Abs. 1 BGB analog, weil mit der Auswechslung des Arbeitgebers ein Schuldnerwechsel eintrat, vgl. hierzu BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB Bl. 117 m.w.Nachw. 177
Hueck/Nipperdey, a.a.O., S. 519, m.w.Nachw, zum Meinungsstand vor Einführung des § 613 a BGB vgl. ausführlich Gitter, FS-BAG S. 133 (134 ff); Hueck/Nipperdey, § 38 I I A 4 a, S. 254 vertraten im übrigen die Ansicht, daß bei Veräußerung des Geschäfts der Unterlassungsanspruch aus dem Wettbewerbsverbot in der Regel auf den Veräußerer übergehe. 178
Wendling, S. 19.
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are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
179
sozial gerechtfertigt war, wenn der Betrieb gänzlich auf einen neuen Inhaber überging. Diese Lösung hielt vor allem Nikisch für nicht mit den Grundgedanken des Kündigungsschutzes vereinbar. 179 Nikisch griff die Lösung des Gesetzesentwurfs von 1938 wieder auf und schlug vor, den Betriebserwerber kraft Gesetzes in die Arbeitsverhältnisse eintreten zu lassen, wobei sich der Eintritt analog § 571 BGB vollziehen sollte. 1 8 0 Dieser Vorschlag fand zunehmend Zustimmung. 181 Aber auch die Anhänger der Lehre von der rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses empfanden die damit verbundene Möglichkeit der Negativauslese als sozialpolitisch unerwünscht. 182 Nikisch hatte im übrigen klargestellt, daß der Erwerber des Betriebes nur noch in die bestehenden Arbeitsverhältnisse eintreten könne. Habe der frühere Inhaber bereits gekündigt, so ende das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist und könne nur wieder neu begründet werden. 183 Ein Hinweis auf das Schicksal der Wettbewerbsabreden ausgeschiedener Arbeitnehmer findet sich bei Nikisch in diesem Zusammenhang nicht. Hinsichtlich bestehender Ruhegeldverpflichtungen sollte es nach Nikisch naheliegen, daß diese nicht auf den Erwerber übergingen, wobei es im Einzelfall auf die vertragliche Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber ankommen sollte. Um den mißbräuchlichen Erwerb von Betrieben mit dem bloßen Ziel, sie alsbald stillzulegen zu verhindern, hatte der DGB in einem Entwurf zur Änderung des BetrVG 1970 gefordert, den Betriebsübergang als solchen der Mitbestimmung des Betriebsrats zu unterstellen. 184 Der Regierung^entwurf zu § 613 a BGB ist dem Vorschlag, der Problematik auf betriebsverfassungsrechtlicher
1 1 9
Nikisch, S. 659 ff.
Nikisch, S. 660 ff. 1 8 1 Zur Entwicklung der These vom Übergang des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes vgl. die Nachw. bei Bötticher, FS-Nikisch, S. 3 ff; vgl. ferner die Nachw. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 26, der jedoch auch auf die Entscheidungen AP Nr. 1 und AP Nr. 6 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge hinweist, in denen das BAG Bedenken gegen diese Lehre geäußert hatte. Abgelehnt wurde ein Übergang analog § 571 BGB beispielsweise von Galperin, DB 1962, 1078 ff; Kirschner, DB 1964, 1061 (1063) sowie Küchenhoff, AuR 1964, 225 (231 ff). 1 8 2
Ausführliche Nachw. hierzu sowie zum Streitstand finden sich bei Pottmeyer, S. 99 f (insbes. Fußn. 223). 183
Nikisch, S. 665.
1 8 4
Vorschläge des DGB zur Änderung des BetrVG S. 30.
180
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ebene zu begegnen, allerdings nicht gefolgt. 1 8 5 Vielmehr wurde die Lösung vorgezogen, die kraft Gesetzes einen automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf individualrechtlicher Ebene anordnet. 186 Hält man sich insoweit die Rechtslage zum Übergang des Arbeitsverhältnisses vor Inkrafttreten des § 613 a BGB vor Augen, ergibt sich hieraus noch kein unmittelbarer Ansatz zur Auslegung und damit zur Lösung der Frage, ob der Betriebserwerber nach § 613 a BGB auch in die Rechte und Pflichten aus nachvertraglichen Wettbewerbsverboten bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer eintritt.
bb) Die Anlehnung an die "einschlägige Rechtsprechung" in der Begründung des Regierungsentwurfs Daß die Verfasser des Regierungsentwurfs die Formulierung "Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung" verwendeten, 187 kann nur bedeuten, daß sie die wesentliche Rechtsprechung, die sich inhaltlich mit dem Betriebsinhaberwechsel auseinandergesetzt hatte, zur Abfassung ihres Entwurfs herangezogen haben, wobei diese Rechtsprechung noch Modifikationen erhalten haben kann. 1 8 8 Für das Verständnis des § 613 a BGB in dem hier zu behandelnden Zusammenhang ist es deshalb entscheidend, wie die "einschlägige Rechtsprechung" nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Betriebsübergang behandelt hat. Möglicherweise finden sich hier auch Anhaltspunkte für die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer, die auf die seit Inkrafttreten des § 613 a BGB geltende Rechtslage übertragen werden können.
aaa) Die Rechtsprechung des BAG Das BAG hatte sich vor Inkrafttreten des § 613 a BGB in mehreren Entscheidungen mit dem rechtlichen Schicksal nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bei Betriebsübergang auseinandergesetzt. 185 Im ersten Satz der amtl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache VI/1786, S. 59, abgedr. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, Anh. I, S. 152, wurde dies ausdrücklich abgelehnt. 1 8 6
Zum automatischen Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vgl. Pottmeyer, S. 94 ff, 112 ff sowie Gitter, FS-BAG S. 133 ff. 1 8 7
BT-Drucksache a.a.O., vgl oben Fußn. 166.
1 8 8
So zutreffend Pottmeyer, S. 69 f.
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are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
181
In dem der Entscheidung vom 29.9.1963 189 zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Beklagte mit dem Veräußerer des Betriebes eine Wettbewerbsvereinbarung geschlossen, deren Verletzung die Zahlung einer Konventionalstrafe zur Folge haben sollte. Einige Zeit nachdem der Betrieb auf einen anderen Inhaber übergegangen war, schied der Beklagte aus dem Unternehmen aus und betätigte sich bei einer Konkurrenzfirma. Er wurde deshalb von dem Betriebserwerber auf Zahlung der Konventionalstrafe in Anspruch genommen. Der fünfte Senat des BAG beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob der Betriebserwerber Vertragspartner des Arbeitnehmers geworden war. Entsprechend der damaligen Rechtsauffassung ging er davon aus, daß dies der Fall sei, weil nach der Verkehrssitte und dem mutmaßlichen Willen der Parteien des Arbeitsvertrags anzunehmen sei, daß § 613 S. 2 BGB abbedungen sei. Da dem Beklagten der Wechsel des Betriebsinhabers offenkundig gleichgültig war, sah das BAG unter diesen Umständen "keine Bedenken gegen die Annahme", daß die den Betrieb veräußernde Finna "mit Zustimmung des Beklagten ihre Rechte aus dem Vertrag" ... "und damit auch die Rechte aus dem Wettbewerbsverbot auf die Klägerin übertragen hat." 1 9 0 In der Entscheidung vom 28.1.1966 machte sich der dritte Senat die Auffassung des fünften Senats zu eigen. 1 9 1 Er vertrat die Ansicht, daß bei der Veräußerung eines Unternehmens 192 die Rechte aus einer Wettbewerbsabrede ebenfalls mitübertragen werden können, sofern der Arbeitnehmer zustimmt. Ohne die Zustimmung, die im vorliegenden Fall fehlte, konnte die Gläubigerstellung aus einer Mandantenschutzklausel nicht übertragen werden. 193 Etwas anderes sollte gelten, wenn sich der Übergang des Betriebes durch Erbfolge vollzieht. 1 9 4
1 8 9
BAG AP Nr. 1 zu § 74 a HGB.
1 9 0
BAG a.a.O., Bl. 124.
1 9 1
BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB.
1 9 2
Im zu entscheidenden Fall handelte es sich um eine Steuerberatungsgesellschaft in Form einer GmbH. 1 9 3 In seiner Urteilsanmerkung vertrat dagegen Zöllner, BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB Bl. 58 ff die Ansicht, daß die bloße Abtretung des Unterlassungsanspruchs aus der Wettbewerbsabrede nicht der Zustimmung des Arbeitnehmers bedürfe, da § 613 S. 2 BGB auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar sei. Anders sei dies, wenn das gesamte Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehe und die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verbots sich auch nach dem Erwerber richten sollten. Das sei im vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall gewesen. 1 9 4 Die Besonderheit der Fallgestaltung bestand darin, daß der Arbeitnehmer der Übertragung seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zwar nicht zustimmte, daß er jedoch in der Art eines Leiharbeitnehmers nach Weisung des Erwerbers weiterarbeitete.
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Nicht um einen Fall der Betriebsveräußerung handelte es sich bei einem weiteren vom dritten Senat des BAG entschiedenen Fall. 1 9 5 Dort hatte ein Arbeitgeber seinem Handwerksbetrieb einen Betriebsteil ausgegliedert und auf eine zu diesem Zweck neu geschaffene GmbH übertragen, deren maßgebender Gesellschafter und Geschäftsführer er selbst war. Das BAG behandelte diesen Sachverhalt nicht als Veräußerung, sondern als Fall einer finanziellen Umschichtung. Trotz der Ausgliederung hatte das BAG deshalb angenommen, daß ein Arbeitnehmer, der bereits vor der Ausgliederung in dem ausgegliederten Betriebsteü tätig war und nun seine Dienste innerhalb der neuen Gesellschaft erbrachte, mangels anderer Abreden weiterhin der Angestellte des Arbeitgebers geblieben sei. Dies hatte zur Folge, daß nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis die Aktivlegitimation des Arbeitgebers bei der gerichtlichen Geltendmachung einer Vertragsstrafenabrede wegen Verstoßes gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot erhalten blieb. Da das BAG diese Fallgestaltung nicht als einen typischen Fall der Betriebsveräußerung behandelte, kann nicht angenommen werden, daß er Teil der "einschlägigen" Rechtsprechung war, die die Verfasser des Regierungsentwurfs im Fall des Betriebsübergangs vor Augen hatten. Um einen Fall der Übertragung einer Steuerberaterkanzlei handelte es sich bei dem dem Urteil vom 26.11.1971 zugrundeliegenden Sachverhalt, 196 der ebenfalls vom 3. Senat des BAG entschieden worden war. Die Steuerberaterkanzlei war vom Vater auf den Sohn übertragen worden. Bereits mit dem Vater hatte ein Angestellter eine entschädigungslose und mit einem Vertragsstrafenversprechen bewehrte Mandantenschutzklausel vereinbart, die es ihm verbot, während der Karenzzeit frühere Mandanten seines bisherigen Arbeitgebers zu betreuen. Zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung war die Mandantenschutzklausel nach damaliger Rechtsauffassung trotz fehlender Karenzentschädigung wirksam. 1 9 7 Bevor die Kanzlei an den Sohn überging, schied der Angestellte aus dem Arbeitsverhältnis aus und betreute sodann unter Verstoß gegen die Mandantenschutzklausel Mandate seines früheren Arbeitgebers. Im zeitlichen Ablauf waren dabei drei Stadien zu unterscheiden: Zum einen gab es Verstöße gegen die Mandantenschutzklausel zu einer Zeit, als nur der Vater Inhaber der Kanzlei war. Sodann gab es eine Übergangsphase, in der Vater und Sohn als Sozii Kanzleiinhaber waren, und schließlich gab es Verstöße zu einem Zeitpunkt, als der Sohn alleiniger Inhaber der Kanzlei war. 195
Urteil v. 18.2.1967, BAG AP Nr. 19 zu § 133 f GewO.
1 9 6
BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel mit zust. Anm. von Küchenhoff = BAG SAE 1972, 203 mit in bezug auf die Wettbewerbsabrede zust. Anm. von Gitter. 1 9 7
Zur Entwicklung der Rechtsprechung im Hinblick auf die Anwendbarkeit der §§ 74 ff HGB vgl. die Anm. von Küchenhoff zw BAG a.a.O., Bl 460 ff.
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Das BAG führte zunächst aus, weshalb es der Ansicht war, daß nach neuerer Rechtsauffassung auch allgemeine Mandantenschutzklauseln entsprechend §§ 74 ff HGB zu behandeln waren und weshalb der ausgeschiedene Arbeitnehmer hinsichtlich des Vertragsstrafenversprechens sich nicht auf die wegen fehlender Karenzentschädigung nunmehr unverbindliche Wettbewerbsabrede berufen konnte. Sodann führte der 3. Senat aus, daß der Sohn allenfalls Ansprüche während seiner Zeit als Sozius geltend machen könne, nicht aber für die Zeit seiner alleinigen Inhaberschaft. Das Gericht begründete seine Ansicht mit § 613 S. 2 BGB. Zwar sei anerkannt, daß ein Anspruch auf Leistung von Diensten übertragbar sei, wenn der Arbeitnehmer der Übertragung zugestimmt habe oder ohne ausdrückliche Erklärung ein solches Einverständnis anzunehmen sei. Das gelte grundsätzlich auch für die Übertragung einer Mandantenschutzklausel. Wenn aber das Arbeitsverhältnis, in dessen Rahmen die Mandantenschutzklausel vereinbart war, beendet sei, bevor der Betrieb mit den in ihm begründeten Rechten auf den Erwerber übertragen worden sei, müsse die Auslegungsregel des § 613 S. 2 BGB zugunsten des bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmers greifen. Wörtlich führte es aus: "Bei den noch tätigen Arbeitnehmern ist vielfach im Zweifel anzunehmen, daß sie ihr Arbeitsverhältnis fortsetzen wollen, wenn der Betriebsinhaber wechselt, und zwar auch dann, wenn es mit einem beim Ausscheiden wirksam werdenden Wettbewerbsverbot belastet ist; denn bei ihnen steht meist das Interesse im Vordergrund, den Arbeitsplatz zu behalten. Die Interessenlage eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers, der nur noch durch ein Wettbewerbsverbot oder eine Mandantenschutzklausel an seinen früheren Betrieb gebunden ist, ist regelmäßig anders. Er kann eher bestrebt sein, von den Beschränkungen loszukommen, die ihm eine solche Klausel auferlegt, zumal wenn er sie als eine persönliche Bindung gegenüber seinem früheren Arbeitgeber betrachtet, sie aber nicht ohne weiteres gegenüber einem Dritten gelten lassen will."
Ausgehend von einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Eintritts in die Wettbewerbsabrede vertrat das BAG somit die Ansicht, daß bei einem Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht entsprechend der Verkehrsauffassung davon ausgegangen werden könne, daß § 613 S. 2 BGB stillschweigend abbedungen sei. Vielmehr müsse die Auslegungsregel des § 613 S. 2 BGB in diesen Fällen gerade eingreifen, weshalb im Zweifel anzunehmen sei, daß die Wettbewerbsabrede ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht übergegangen sei. Da das BAG seine Ansicht unter anderem damit begründete, daß der Arbeitnehmer ein Interesse daran haben könne, von den Beschränkungen loszukommen, die ihm die Wettbewerbsabrede auferlege, läßt sich der Schluß ziehen, daß nach seiner Auffassung das Wettbewerbsverbot in diesem Fall keine Wirkung mehr entfalten konnte. 1 9 8 l9
*Hohn, DB 1971, 94 (99) vertrat die Ansicht, daß die Rechtswirkungen des Wettbewerbsverbots bei Veräußerung untergehen würden, wenn das Arbeitsverhältnis bereits gegenüber dem früheren Arbeitnehmer beendet war.
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Fraglich ist allerdings, ob das soeben genannte Urteil trotz seiner Lösungsansätze für die eingangs gestellte Frage zur Auslegung des § 613 a BGB herangezogen werden kann. Soweit man sich auf die Begründung des Regierungsentwurfs bezieht und § 613 a BGB als Norm ansehen möchte, die sich an die "einschlägige Rechtsprechung" vor Abfassung des Regierungsentwurfs anlehnt, ist dies nicht der Fall. Der Regierungsentwurf wurde mit Schreiben vom 29.1.1971 vom damaligen Bundeskanzler Brandt an den Präsidenten des Deutschen Bundestages übersandt. 199 Das BAG-Urteil, zum Übergang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer erging jedoch erst zum 26.11.1971, zu einem Zeitpunkt also, als der Gesetzesentwurf bereits eingebracht war. Zumindest auf das BAG-Urteü konnten sich die Verfasser des Entwurfs somit nicht bezogen haben. Auch in die späteren Beratungen ist das Urteü nicht eingeflossen. Die Stellungnahme des Bundesrats 200 bezog sich im wesentlichen darauf, daß die Haftung des bisherigen Arbeitgebers durch den Betriebsübergang nicht unangemessen erweitert werden sollte. 2 0 1 Auch aus der Gegenäußerung der Bundesregierung ist nicht ersichtlich, daß das Urteü insoweit eine Rolle gespielt haben könnte. 2 0 2 Allerdings könnte bereits die Entscheidung der Vorinstanz, des L A G Bayern, 2 0 3 Gegenstand der "einschlägigen Rechtsprechung" im Sinne des Regierungsentwurfs gewesen sein. Jedoch scheint auch dies zweifelhaft: Zum einen wurde - soweit ersichtlich - die Entscheidung des L A G nicht veröffentlicht. Dies spricht nicht ohne weiteres dafür, daß es sich bei dem Urteil um "einschlägige Rechtsprechung" gehandelt haben dürfte. Zum anderen ist das Urteü nicht rechtskräftig geworden und konnte deshalb schwerlich der "einschlägigen Rechtsprechung" zugerechnet werden. Auch aus inhaltlicher Sicht bestehen insoweit Bedenken. Der Begründung zum BAG-Urteü ist zu entnehmen, daß das L A G in tatsächlicher Hinsicht nicht geklärt hatte, ob der Kläger Ansprüche aus der Zeit der Sozietät geltend machen durfte. Auch ist von den Parteien zur Frage der für die Übertragung der Mandantenschutzklausel notwendigen Zustimmung nichts vorgetragen worden. 2 0 4 Ferner hatte das L A G
1 9 9 Schreiben des Bundeskanzlers Brandt zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache VI/1786, S. 1. 200 BT-Drucksache VI/1786, S. 67.
201 BT-Drucksache a.a.O. 2 0 2
Gegenäußerung der Bundesregierung, zu BT-Drucksache VI/1786, S. 2.
2 0 3
LAG Bayern, Außenstelle Nürnberg, - 7 SA 130/70.
2 0 4
BAG a.a.O., Bl. 457 R.
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are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
185
die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Dies alles legt die Vermutung nahe, daß das L A G die Frage nach dem Übergang des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots des ausgeschiedenen Arbeitnehmers auf den Erwerber nicht voll ausdifferenziert hatte. Damit kann im Ergebnis der dem Urteil des BAG zugrundeliegende Sachverhalt sowie dessen rechtliche Behandlung in der Rechtsprechung nicht zur Auslegung des § 613 a BGB, die sich auf die Materialien zur Entstehungsgeschichte stützt, herangezogen werden. 205 Aus Gründen der Vollständigkeit sei noch erwähnt, daß noch bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten des § 613 a BGB das BAG nochmals Gelegenheit hatte, seine Rechtsprechung zum Übergang des Arbeitsverhältnisses und der Wettbewerbsabrede bei Betriebsübergang abzurunden. 206 Dabei war § 613 a BGB auf den vom BAG zu entscheidenden Sachverhalt noch nicht anwendbar, weil er sich noch zu einer Zeit vor dessen Inkrafttreten zugetragen hatte. 2 0 7 Wieder ging es um die Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf das Arbeitsverhältnis und die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer, wobei allerdings der Betriebsübergang vor Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis stattfand. Neben den bereits zitierten Erwägungen zu den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die für nachvertragliche Wettbewerbsverbote erforderliche Schriftform 208 bekräftigte das Gericht, daß das Arbeitsverhältnis als Ganzes durch einen dreiseitigen Vertrag übertragen werden könne, was allerdings nur möglich sei, wenn es abgesehen vom Parteiwechsel unverändert bestehen bleibe und der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses wegen § 613 S. 2 BGB und der entsprechenden Anwendung von § 415 Abs. 1 zugestimmt habe. 2 0 9 Nach Ansicht des BAG sei das Wesen der Übernahme darin zu sehen, daß lediglich auf der personalen Seite ein Wechsel stattfinde.
2 0 5
Freilich ist damit noch nicht ohne weiteres gesagt, daß den Fällen des Übergangs nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer unter Geltung des § 613 a BGB eine völlig andere rechtliche Behandlung zukommen müßte. 2 0 6
BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB = BAG SAE 1974, 5 ff m. Anm. v. Birk.
2 0 7
Birk, a.a.O., S. 10 m.w.Nachw.
2 0 8
Vgl. oben Fußn. 66. 209 ßfrj^ wendet sich in seiner Urteilsanmerkung SAE 1974, 5 (10) gegen den vom BAG eingeschlagenen Weg über § 613, 2 BGB mit der Begründung, daß mit dem Wettbewerbsverbot kein Anspruch auf Arbeitsleistung übertragen werde. Die Mitwirkungsbedürftigkeit leite sich vielmehr aus dem allgemeinen Rechtsgedanken ab, daß sich niemand gegen seinen Willen einen Vertragspartner aufdrängen lassen müsse. Im Ergebnis kommt er damit freilich dem auch vom BAG zitierten § 415 Abs. 1 BGB nahe.
186
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Das soeben genannte Urteil muß im Zusammenhang mit der Anlehnung des Regierungsentwurfs an die "einschlägige Rechtsprechung" jedoch ebenfalls außer Betracht bleiben, weil es erst nach Inkrafttreten des § 613 a BGB erging.
bbb) Die Rechtsprechung der Instanzgerichte Aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte sind vor allem ein Urteil des LAG Bremen 2 1 0 und ein Urteil des L A G Baden Württemberg 211 zu nennen. Hervorzuheben ist insbesondere die Entscheidung des L A G Bremen, in der es um die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ging, das bereits mit dem Betriebsveräußerer vereinbart worden war. In seinem bereits vor der maßgeblichen BAG-Rechtsprechung ergangenen Urteüsspruch lag das L A G gänzlich auf der Linie der damals herrschenden Meinung, wonach ein Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Arbeitnehmers auf den Erwerber übertragen werden konnte. 2 1 2 Das L A G ging dabei davon aus, daß nach dem mutmaßlichen Wülen der Arbeitsvertragsparteien § 613 S. 2 BGB abbedungen und die Zustimmung stillschweigend erteüt sei. Nach Ansicht des L A G habe damit das Arbeitsverhältnis nach der Übertragung in unveränderter Form weiterbestanden und mithin sei auch das Wettbewerbsverbot auf den Erwerber übergegangen. 213 Da das nach damaliger Rechtslage zutreffende Urteü des L A G Bremen einen Fall des Übergangs vor Ausscheiden des Arbeitnehmers betraf, kann es zur Lösung der hier anstehenden Problematik jedoch nicht beitragen. Auch das L A G Baden-Württemberg war der Meinung, daß beim Übergang eines Gewerbebetriebes der Eintritt in die Arbeitsverhältnisse mit Zustimmung der Arbeitnehmer möglich und zulässig sei, wobei die bisherigen Arbeitsbedingungen abgeändert werden können sollten. 2 1 4 Darüberhinaus vertrat das L A G die Ansicht, daß "Unterlassungsrechte wie das Wettbewerbs verbot"... "auch gegen den Willen des Verpflichteten" übertragen werden könnten. Es sei dabei nicht erforderlich, daß das Arbeitsverhältnis selbst vom Veräußerer auf den Erwerber übergehe. In diesem Zusammenhang solle auch "ein bereits vor dem Geschäftsübergang in Wirksamkeit gesetztes Wettbewerbsverbot" übertragbar sein. 2 1 0
LAG Bremen, Urteil v. 15.11.1961, W A 1962, 145 f.
2 1 1
LAG Baden-Württemberg, Kammer Stuttgart v. 24.4.1963, DB 1963, 1000.
212
' s . dazu oben III. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 2 c, aa.
2 1 3 2 1 4
Zustimmend Galperin, DB 1962, 1078 (1113).
Dem ist jedoch das BAG in Anlehnung an Pieper, S. 118 in AP Nr. 31 zu § 74 HGB, Bl. 117, entgegengetreten, ohne sich ausdrücklich auf die Entscheidung des L A G zu beziehen.
.
are Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
187
Ob gerade dieses Urteil der "einschlägigen Rechtsprechung", an die sich die Verfasser des Regierungsentwurfs anlehnen, zuzurechnen ist, erscheint äußerst zweifelhaft. Fragwürdig erscheint zunächst die Ansicht des LAG, wonach aus Anlaß des Betriebsübergangs die Arbeitsbedingungen unter Fortführung des Arbeitsverhältnisses verändert werden könnten. Das BAG vertrat demgegenüber zu einem späteren Zeitpunkt die Ansicht, eine Änderung der Arbeitsbedingungen bei Betriebsübergang bedeute, daß ein neues Arbeitsverhältnis abgeschlossen worden sei. 2 1 5 Bedenken ergeben sich außerdem im Hinblick darauf, daß das BAG im späteren Verlauf wiederholt geäußert hatte, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot könne nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers übertragen werden. 2 1 6 Die Auffassung des LAG, die Unterlassungsrechte aus dem Wettbewerbsverbot könnten auch ohne den Wülen des Verpflichteten übertragen werden, steht damit im deuüichen Widerspruch zu der später ergangenen Rechtsprechung des BAG. Resümierend läßt somit feststellen, daß das Urteü des L A G Baden-Württemberg nicht zu der "einschlägigen Rechtsprechung" gezählt werden kann. Vielmehr handelt es sich um eine vereinzelt gebliebene Rechtsprechung, die im übrigen in wesentlichen Gesichtspunkten der Auffassung des BAG aus der Folgezeit widersprach. Hätten die Verfasser des Regierungsentwurfs dem Urteil des L A G Bedeutung zumessen wollen, so hätte es wegen dessen Abweichung von der einschlägigen Rechtsprechung des BAG einer besonderen Hervorhebung bedurft.
ccc) Ergebnis und Bewertung Zusammenfassend läßt sich an dieser Stelle die "einschlägige Rechtsprechung" zum Übergang des Arbeitsverhältnisses infolge Betriebs Inhaberwechsels und den Auswirkungen auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wie folgt würdigen: Vor Inkrafttreten des § 613 a BGB war das BAG der Ansicht, daß bei Übergang eines Betriebes das Arbeitsverhältnis auf rechtsgeschäftlichem Wege auf einen anderen Inhaber übertragen werden könne, sofern es keine inhaltliche Veränderung erfahre. Die Übertragung des Arbeitsverhältnisses bedurfte stets 2 1 5 2 1 6
BAG AP Nr. 2 zu § 282 ZPO; BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB.
BAG AP Nr. 1 zu § 74 a HGB; deutlicher: BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB Bl. 56 R, wobei allerdings gerade dieser Gesichtspunkt von Zöllner in seiner Urteilsanmerkung zu BAG a.a.O. m.w.Nachw. kritisiert wurde; ferner BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel, Bl. 457.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
der Zustimmung des Arbeitnehmers, wobei auch ohne ausdrückliche Erklärung davon ausgegangen werden konnte, daß dessen Einverständnis erteilt sei. § 613 S. 2 BGB galt als stillschweigend abbedungen. Wurde das Arbeitsverhältnis auf einen anderen Arbeitgeber übertragen, hatte das BAG keine Bedenken gegen die Annahme, daß damit auch die Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsabrede auf den Betriebserwerber übergehen würden. Darüberhinaus war bis zur Einreichung des Regierungsentwurfs die Frage, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer ebenfalls auf den Erwerber übergehen könnten, vom BAG nicht entschieden worden. 2 1 7 Dagegen hatte das L A G Baden Württemberg in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung auch zum Übergang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer Stellung genommen. Da das Urteil aber in wesenüichen Punkten zur später ergangenen Rechtsprechung des BAG in Widerspruch steht, kann es kaum zur "einschlägigen Rechtsprechung" gezählt werden, auf die die Verfasser des Regierungsentwurfs sich berufen haben. Damit stellt sich die Frage, worin die "Anlehnung" des Regierungsentwurfs an die "einschlägige Rechtsprechung" bestanden haben kann. Die Untersuchung der einschlägigen BAG-Rechtsprechung zum Betriebsübergang hat zunächst gezeigt, daß die Einführung des § 613 a BGB eine deutliche Wende in der Behandlung der Überleitung der Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübergang gebracht hat. Die Einführung des § 613 a BGB hatte zur Folge, daß die rechtsgeschäftliche Übertragung des Arbeitsverhältnisses bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen durch den automatischen Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes ersetzt wurde. In diesem Zusammenhang ist man allerdings eher geneigt, die rechtlichen Unterschiede beider Lösungen hervorzuheben, als die "Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung" zu diagnostizieren. 218 Aus der Untersuchung der einschlägigen BAG-Rechtsprechung kann in bezug auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote somit zunächst nur festgestellt werden, daß sie auch vor Einführung des § 613 a BGB als Bestandteü des Arbeitsverhältnisses angesehen wurden. Soweit der Wortlaut des Gesetzes sich auf "bestehende" Arbeitsverhältnisse beschränkt, läßt sich im Zusammenhang mit den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten weiterhin feststellen, daß diese Einschränkung nicht eine Folge des Umstands sein kann, daß sich die Verfasser des Regierungsentwurfs dies2 1 7
Diese Frage ist auch in der Literatur nur ganz vereinzelt diskutiert worden, vgl. Hohn DB 1971, 94; Schaub, RdA 1971, 268. 2 1 8
Pottmeyer y S. 83 vermutet deshalb, daß die Verfasser des Regierungsentwurfs davon ausgingen, daß § 613 a BGB den rechtsgeschäftlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses anordnen sollte. Dem steht freilich der eindeutige Wortlaut "...tritt..." "...ein..." entgegegen.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB?
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bezüglich an eine einschlägige Rechtsprechung des BAG anlehnen konnten. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Regierungsentwurfs war das Problem der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer noch nicht vom BAG behandelt worden. Zum einen konnte deshalb daraus nicht gefolgert werden, daß das BAG im Fall des Betriebsübergangs den Übergang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht für möglich und zulässig halten würde. Aber selbst wenn das Urteil des B A G , 2 1 9 das zu den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer Stellung nimmt, vor Einreichung des Regierungsentwurfs ergangen wäre, hätte eine Anlehnung an die Rechtsprechung die Verfasser des Entwurfs nicht genötigt, den Eintritt in die Rechte und Pflichten auf bestehende Arbeitsverhältnisse zu beschränken. In dem betreffenden Urteil hatte das BAG den Übergang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer auf den Betriebserwerber nicht generell für unzulässig erklärt. Es hatte lediglich betont, daß grundsätzlich der Auslegungsregel des § 613 S. 2 BGB zu folgen sei. Im Ergebnis kann deshalb an dieser Stelle nur festgehalten werden, daß die Untersuchung der im Regierungsentwurf verwendete Formel von der "Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung" nicht zu dem erhofften Ziel geführt hat, daß sich hieraus weitere Anhaltspunkte für die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer unter Geltung des § 613 a BGB finden lassen könnten. Es bleibt zu untersuchen, ob sich aus der weiteren Entstehungsgeschichte zu § 613 a BGB Hinweise finden lassen, die die im Gesetz enthaltene Beschränkung auf bestehende Arbeitsverhältnisse erschließen.
cc) Die weitere Entstehungsgeschichte nach Inkrafttreten des § 613 a BGB Im Jahr 1974 legte die EG-Kommission einen Vorschlag "zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen und Vergünstigungen der Arbeitnehmer bei Gesellschaftsfusionen, Betriebsübertragungen sowie Unternehmenszusammenschlüssen"220 vor, auf dessen Grundlage es zum Erlaß der "Richtlinie des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieb
2 1 9 2 2 0
BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel.
Vorschlag der EG-Kommission, BT-Drucksache 7/2312; vgl. hierzu die weiteren Nachw. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 27 u. 153 f.
190
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
oder Betriebsteilen" 221 kam. Der daraufhin von der Bundesregierung vorgelegte "Entwurf eines Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang" (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz)222 wurde im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung leicht verändert 223 und ist am 21.8.1980 in der geänderten Fassung in Kraft getreten. Dem bisherigen § 613 a BGB wurden Abs. 1, S. 2 - 4 und Abs. 4 hinzugefügt. Die genannten Materialien gehen nicht ausdrücklich auf die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ein. Allerdings enthält Art. 3 Abs. 1 der EG-Richtlinie die Bestimmung, daß "die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs" ... "bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis" aufgrund des Betriebsübergangs auf den Erwerber übergehen. Da diese Formulierung im wesenüichen der des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB entspricht, führt sie für die Auslegung nicht weiter, 2 2 4 zumal diesen Materialien keine Hinweise auf die rechtliche Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote entnommen werden können. Auch aus der jüngsten Änderung des § 613 a B G B 2 2 5 lassen sich für die vorstehende Problematik keine Auslegungsergebnisse gewinnen. Durch § 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (SpTrUG) vom 5.4.1991 226 wurde § 613 a BGB in Abs. 3 geändert. Durch die Änderung wurde der Ausschluß der in § 613 a Abs. 2 BGB geregelten Haftung des bisherigen Arbeitgebers für den Fall der Verschmelzung oder Umwandlung auch auf den Fall der Spaltung nach dem SpTrUG ausgedehnt. Des weitern wurde durch § 16 Abs. 2 SpTrUG Art. 232 EGBGB ergänzt. Danach gilt § 613 a Abs. 4 S. 2 BGB im Bereich der neuen Bundesländer ab dem 5.4.1991 bis zum 31.12.1992 mit folgendem Wortlaut: "Satz 1 läßt das Recht der Kündigung aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, unberührt." Zudem ist § 613 a BGB im genannten Zeitraum im Gesamtvollstrekkungsverfahren nicht anzuwenden.
2 2 1
EG-Richtlinie 77/187, ABl. EG Nr. L 61 vom 5.3.77, S. 26, abgedr. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel S. 159 ff. 2 2 2
BT-Drucksache 8/3317 v. 6.11.1979.
2 2 3
BT-Drucksache 8/4259 v. 19.6.1980.
2 2 4
Joost, ZIP 1991, 220 (222) weist darauf hin, daß Art. 3 der Richtlinie nach dem Vorbild der bereits vorhandenen Regelung in § 613 a BGB gestaltet wurde. 2 2 5
Vgl. hierzu ausführlich Commandeur, NZA 1991, 705 ff.
2 2 6
BGBl. I 854.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB?
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Diese Änderungen lassen die Problematik um die Einbeziehung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote vollständig unberührt. Sie beruhen einzig und allein auf den Besonderheiten und den Folgen des Beitritts der neuen Länder.
dd) Der Vorschlag der Arbeitsgesetzbuchkommission Parallel zu der Entwicklung auf EG-rechtlicher Ebene kam es auf nationaler Ebene zu Bemühungen, das Arbeitsvertragsrecht in einem Arbeitsgesetzbuch zu kodifizieren. Die seit Ende 1970 von der damaligen Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgesetzbuchkommission hat ihre Beratungsergebnisse 1977 vorgelegt. 2 2 7 Der Entwurf des Arbeitsgesetzbuchs enthielt in § 80 f auch eine Regelung zu den Rechtsfolgen des Betriebsübergangs: (1) Wird ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übertragen, so gehen die in dem Betrieb oder Betriebsteil bestehenden Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Inhaber über. Bei der Übertragung eines Betriebsteils geht das Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Inhaber über, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Übergangs widerspricht. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für Wettbewerbsvereinbarungen aus beendeten Arbeitsverhältnissen, wenn nichts anderes zwischen den beiden Arbeitgebern oder mit dem früheren Arbeitnehmer vereinbart ist. Im übrigen gehen nachwirkende Rechte und Pflichten aus beendeten Arbeitsverhältnissen über, soweit dies zwischen dem bisherigen und dem neuen Inhaber vereinbart ist; dies gilt nicht, wenn der Übergang durch Vereinbarung mit dem früheren Arbeitnehmer ausgeschlossen i s t . 2 2 8
Mit § 80 f Abs. 2 S. 1 wurde erstmalig in einem Gesetzentwurf die Problematik um die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer angesprochen. Nach dem Entwurf sollten Wettbewerbsvereinbarungen entsprechend den übrigen Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich auf den Erwerber übergehen, wogegen andere nachwirkende Rechte und Pflichten grundsätzlich nicht übergehen sollten. Jeweüs abweichende Vereinbarungen sollten den Parteien vorbehalten bleiben. Die Vorschläge der Arbeitsgesetzbuchkommission zum Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs sind von der Bundesregierung nicht weiter verfolgt worden. 2 2 7 Arbeitsgesetzbuchkommission, Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches, Allgemeines Arbeitsvertragsrecht. 2 2 8 Die Fassung des § 80 f Abs. 2 S. 1 (Kommission) war identisch mit den Fassungen der Diskussionsgrundlage und der Ausschüsse, vgl. Arbeitsgesetzbuchkommission S. 102.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Anläßlich der Ergänzungen, die § 613 a BGB durch das "Arbeitsrechtliche EGAnpassungsgesetz" erfahren hat, hat § 80 f Abs. 2 des Entwurfs der Arbeitsgesetzbuchkommission ebenfalls keine Berücksichtigung gefunden. Damit fragt sich, ob hieraus die Schlußfolgerung gezogen werden kann, daß der Gesetzgeber bei Verabschiedung des "Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes" zwar das Problem um die Wettbewerbsverbote bei beendeten Arbeitsverhältnissen gesehen hat, dieses aber bewußt nicht in der von der Arbeitsgesetzbuchkommission vorgeschlagenen Weise lösen wollte. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Zunächst würde dabei der Anlaß der Änderungen des § 613 a BGB übersehen. Die Änderungen beruhten auf einer Initiative der Europäischen Kommission, die das Ziel hatte, die den Betriebsübergang betreffenden Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene zu vereinheiüichen. Mit der Verabschiedung des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes kam der deutsche Gesetzgeber seiner sich aus § 189 Abs. 1 und 3 EWGV ergebenden Verpflichtung nach. Die Entwicklungen auf europäischer Ebene zur Harmonisierung der den Betriebsübergang betreffenden Rechtsvorschriften und die Entwicklungen auf nationaler Ebene zur Kodifizierung des Arbeitsvertragsrechts verliefen parallel und unabhängig voneinander. Die europäischen Harmonisierungsbestrebungen berührten die Frage nachvertraglicher Wettbewerbsverbote nicht. Zudem beruht die Tatsache, daß die Vorschläge der Arbeitsgesetzbuchkommission nicht in das Gesetzgebungsverfahren gelangt sind, nicht darauf, daß man sich speziell in der Frage der Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer uneinig gewesen wäre. Die Ursache hierfür ist vielmehr darin begründet, daß das Konzept eines Arbeitsgesetzbuches, Allgemeines Arbeitsvertragsrecht, wegen allgemein mangelnder Einigkeit der damaligen Regierungskoalition 229 und der Ablehnung durch die Arbeitgeb e r 2 3 0 nicht in das Gesetzgebungsverfahren gelangte. Es läßt sich deshalb hieraus nicht der Schluß ziehen, die Gründe, daß § 613 a BGB durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz nicht in einer den Vorschlag des § 80 f Abs. 2 des Entwurfs der Arbeitsgesetzbuchkommission berücksichtigenden Weise geändert wurde, beruhten darauf, daß der Gesetzgeber grundsätzlich nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht in die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs habe einbeziehen wollen.
229 Ygi 2 3 0
auc
h Gaul, Betriebsübergang, S. 27.
Schnedes, S. 36.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB?
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ee) Ergebnis
Nach dem Ergebnis der historischen Auslegung kann damit festgehalten werden, daß sich aus der Entstehungsgeschichte des § 613 a BGB keine Hinweise auf die Behandlung uachvertraglicher Wettbewerbsverbote bei beendeten Arbeitsverhältnissen finden lassen. Die Einführung des § 613 a BGB hat eine grundsätzliche Änderung hinsichtlich der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs erbracht, weil von nun an der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes erfolgen sollte. Zwar läßt sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 613 a BGB der Hinweis entnehmen, man habe sich an die "einschlägige Rechtsprechung" angelehnt. Im Zusammenhang mit der Überleitung des Arbeitsverhältnisses und dem Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot kann hieraus jedoch nur gefolgert werden, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit dem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen sollen. Die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer während der Karenzzeit bleibt jedoch offen. Es liegt die Vermutung nahe, daß diese Problematik übersehen wurde. Die späteren Ergänzungen des § 613 a BGB betrafen den Bereich des Übergangs der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht grundlegend. Da die deutsche Rechtslage im wesentlichen bereits der EG-RichÜinie entsprach, genügte es, daß die Änderungen sich auf die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder Betriebsvereinbarung entstehenden Fragestellungen sowie auf die Regelung des Kündigungsverbots aus Anlaß des Betriebsübergangs bezogen. 231 Auch die durch den Beitritt der neuen Bundesländer veranlaßten Änderungen betreffen nicht die Problematik der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote. Damit kann nach dem Ergebnis der historisch-genetischen Auslegung nicht angenommen werden, daß in § 613 a BGB eine Regelung bezüglich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer enthalten wäre.
d) Teleologische Auslegung Zur Beantwortung der Frage, ob § 613 a BGB unmittelbar auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer angewendet werden kann, bleibt letztlich nur noch die Untersuchung von Sinn und Zweck der Vorschrift. Zu prüfen ist, ob nach der ratio legis Gründe für die Annahme sprechen können, 2 3 1
Ebenso Gockel, S. 119; Schreiber, RdA 1982, 145.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
daß der Schutz vor einer durch ausgeschiedene Arbeitnehmer drohenden K o n kurrenzgefahr zugleich m i t der Übertragung des Betriebes auf den Erwerber übergeleitet wird. Der zentrale, sowohl in Rechtsprechung 2 3 2 und S c h r i f t t u m 2 3 3 als auch bereits hier wiederholt hervorgehobene Gesetzeszweck w i r d darin gesehen, daß § 613 a B G B der Sicherung und dem Erhalt des Arbeitsplatzes dient. Nach ganz herrschender Meinung liegt die Primärbedeutung des § 613 a B G B somit in der Bestandsschutzfiinktion, die bezweckt, den arbeitsrechtlichen status quo zu erhalten und die Möglichkeit einer Negativauslese zu verhindern. Neben der bestandssichernden Funktion hat § 613 a B G B die weitere Bestimmung, das Betriebsratsamt zu erhalten und zu sichern. § 613 a B G B soll die Kontinuität des amtierenden Betriebsrats sowie dessen Mitwirkungsrechte gew ä h r l e i s t e n . 2 3 4 Dies geht unter anderem aus der Begründung zum Regierungs-
2 3 2 BAG AP Nr. 1, BAG AP Nr. 6, BAG AP Nr. 8, BAG AP Nr. 18, BAG AP Nr. 19, BAG AP Nr. 21, BAG AP Nr. 22, BAG AP Nr. 36, BAG AP Nr. 42 zu § 613 a; BAG AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG; BAG EZA § 613 a Nr. 41; LAG Frankfurt DB 1982, 132; LAG Düsseldorf DB 1984, 918; LAG Rheinland-Pfalz ZIP 1985, 305 (306). 2 3 3 Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 18; ders., DB 1983, 713; Becker Schaffner, BIStSozArbR 1975, 305 (310); Berkowsky, DB 1983, 2683; Besgen, A i B 1986, 131; Bieler, BB 1981, 435 f; Birk, Anm. zu EZA § 613 a BGB Nr. 1 (S. 12); Blank/Blanke, S. 226; Borngräber, S. 33; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 3; Falkenberg, DB 1980, 783 (784); Fischer, S. 8 f; Gockel, S. 115; Hadding/Häuser, SAE 1978, 55; Haase, NZA 1988, Beil. 3 S. 16; Hasford, BB 1973, 526 (527); Henckel, ZIP 1980, 2 (6); Hess/Gotters, BIStSozArbR 1984, 74 (76) v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 (330); Kerschner/Köhler, S. 13 f; Kraft, FS-BAG, S. 299 (302); Krejci, S. 246 f; Lepke, BB 1979, 526; Posth, S. 42; Pottmeyer, S. 91; Richardi, RdA 1976, 56 ff; ders., Staudinger, § 613 a Rdn. 9; Sack, S. 78; Säcker/Joost, DB 1978, 1030 (1079); Schaub, ARdGgw 18, 71 (72 ff); ders., ZIP 1984, 272 f; ders., M K § 613 a Rdn. 2; ders., NZA 1989, 1 (6); Schreiber, RdA 1982, 137 (140, 143); Schwerdtner, FS-Müller S. 557 (560); ders., Anm. zu BAG SAE 1978, 60 (61); Seiter, Betriebsinhabeiwechsel, S. 30; Steckhan, FS-Schnorr v. Carolsfeld, S.463 (470); Sulzberger-Schmitt, S. 4; Tschöpe, S. 134; Wiedemann/Willemsen, RdA 1979, 418 (420); KR-Wolf, § 613 a Rdn. 3. 2 3 4 BAG EZA § 613 a Nr. 18; BAG AP Nr. 18, BAG AP Nr. 21, BAG AP Nr. 22 zu § 613 a BGB; BAG BB 1983, 2116. Bauer, Untemehmensveräußerung, S. 18; ders., in: Hölters Teil V, Rdn. 4; Berkowsky, DB 1983, 2683; Blank/Blanke, S. 226; Borngräber, S. 32 f; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 3; Fischer, S. 8 f; Gockel, S. 116; Haase, a.a.O.; Kerschner/Köhler, S. 14; Kraft, FS-BAG, S. 299 (302); Lepke, BB 1979, 526; Löwisch, Rdn. 1443; Richardi, RdA 1976, 56 ff; ders., Staudinger, § 613 a Rdn. 9; Röder, DB 1981, 1980; Sack, S. 78; Schaub, ARdGgw 18, 71 (72); ders., ZIP 1984, 272 f; ders., M K § 613 a Rdn. 2; Schreiber, RdA 1982, 137 (143); Schwerdtner, FS-Müller S. 557 (560); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 29; Sulzberger-Schmitt, S. 4; Tschöpe, S. 134; Wendling, S. 22; Wiedemann/Willemsen, RdA 1979, 418 (420); KR-Wolf, § 613 a Rdn. 3.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB?
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entwurf 2 3 5 hervor. Ursprünglich wurde der Betriebsinhaberwechsel aus einem betriebsverfassungsrechtlichen Blickwinkel gesehen. Durch die Erstreckung der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf alle Arbeitsverhältnisse allgemein und den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber wird erreicht, daß der Erwerber die Übernahme von Betriebsratsmitgliedern nicht ablehnen und das Mitbestimmungsrecht nicht umgehen kann. Eine weitere wesentliche Aufgabe des § 613 a BGB besteht darin, die Verteüung des Haftungsrisikos zwischen dem alten und dem neuen Arbeitnehmer festzulegen. 236 Dies ergibt sich als Folge des durch die Überleitung der Arbeitsverhältnisse bewirkten Arbeitsplatzschutzes. Der Wechsel der Arbeitgeberstellung bewirkt nicht nur, daß der Erwerber als neuer Arbeitgeber für künftige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einzustehen hat, sondern er führt auch dazu, daß er für die vor Betriebsübergang entstandenen "Altschulden" aus dem Arbeitsverhältnis haftet. Der bisherige Arbeitgeber haftet für diese Schulden nur noch nach Maßgabe des § 613 a Abs. 2 BGB. Neben dieser "Zwecktrias" 237 werden noch weitere Zwecksetzungen des § 613 a BGB genannt. So habe § 613 a BGB die Aufgabe, Rechtssicherheit und -klarheit herzustellen. 238 Häufig wird auch betont, § 613 a BGB diene der Erhaltung der Betriebskontinuität. 239 Dabei solle dem übernehmenden Arbeitgeber gewährleistet werden, daß er einen Betrieb erhalte, der nicht von Arbeitnehmern entblößt s e i . 2 4 0 Ausgehend von diesen Regelungszielen stellt sich nunmehr die Frage, ob es aus teleologischer Sicht der gesetzgeberischen Intention entspricht, den Erwer2 3 5
BT-Drucks. VI/1786, S. 59.
2 3 6
BAG AP Nr. 1, BAG AP Nr. 4, BAG AP Nr. 11 zu § 613 a BGB; Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 18; ders., in Hölters V Rdn. 4; Berkowsky, DB 1983, 2683; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 5; Gockel, S. 116 f; Kerschneri Köhler, S. 13 f; Palandt-Putzo, § 613 a Anm 3 a; Richardi, RdA 1976, 56 ff; ders., Staudinger, § 613 a Rdn. 10; Sack, S. 78; Schaub, ARdGgw 18, 71 (72); ders., ZIP 1984, 272 (273); ders., M K § 613 a Rdn. 2; Schreiber, RdA 1982, 137 (140 ff); Schwerdtner, FS-Müller S. 557 (560); ders., Anm. zu BAG SAE 1978, 60; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 30 f; Tschöpe, S. 134; Wiedemann! Willems en, RdA 1979, 418 (420); KR-Wolf, § 613 a Rdn. 3. 2 3 7 Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn 10; Gockel, S. 119 weist darauf hin, daß die Regelungsziele durch die Novellierung durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz keine Änderung erfahren haben. 2 3 8
Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 18; ders., in Hölters a.a.O.; Becker-Schaffner, BIStSozArbR 1975, 305 (310); Birk, SAE 1974, 12; ders., Anm. zu BAG § 613 a BGB EZA Nr. 1; Posth, S. 41; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 31; Wendling, S. 23. 2 3 9
Bieler, BB 1981, 436 f; Birk, Anm. zu BAG EZA § Gl 3 a BGB Nr. 1; PalandtPutzo, § 613 a Anm. 1 b; MK-Schaub, § 613 a Rdn. 2; kritisch: Sulzberger-Schmitt, S. 5. 2 4 0
Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 613 a BGB.
196
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ber eines Betriebes auch in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer treten zu lassen. Die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer werden von dem Regelungsziel, bei Übergang des Betriebes den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu sichern, nicht berührt. 241 Der Bestandsschutz des § 613 a BGB bezieht sich nur auf die Sicherung und den Erhalt bestehender Arbeitsverhältnisse. Die Bestandsschutzfunktion soll verhindern, daß der Arbeitgeber sich lediglich die ihm nützlichen Arbeitsverhältnisse aussucht, während die übrigen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren. Der Verlust des Arbeitsplatzes steht bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern jedoch nicht mehr zu Disposition. Die Gefahr der Negativauslese besteht grundsätzlich nicht, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in dem auf den Erwerber übergegangenen Betrieb tätig i s t . 2 4 2 Der in § 613 a BGB intendierte Bestandsschutz erstreckt sich nicht notwendig auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Allerdings könnte das Bestandsschutzinteresse der im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer betroffen sein. Tritt der Erwerber bei Übergang des gesamten Betriebes nicht in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer ein, hat dies in aller Regel zur Folge, daß der frühere Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt des Übergangs Wettbewerb betreiben darf und den Anspruch auf Karenzentschädigung behält. 2 4 3 Die Möglichkeit, ungehindert in Konkurrenz zum Inhaber des übergegangenen Betriebes treten zu können, könnte zumindest mittelbar zu einer Gefährdung der Arbeitsplätze führen. Damit könnte es dem Bestandsschutzinteresse der noch beschäftigten Arbeitnehmer widersprechen, wenn das Wettbewerbsverbot nicht auf den Erwerber überginge. Aber auch diese Überlegung führt nicht dazu, daß die Wettbewerbsverbote aus beendeten Arbeitsverhältnissen ausgeschiedener Arbeitnehmer nach dem Schutzzweck des § 613 a BGB in dessen Rechtsfolge einzubeziehen wären. § 613 a BGB schützt nur den arbeitsrechtlichen status quo zum Zeitpunkt des Übergangs. Der neue Arbeitgeber ist beispielsweise nicht gehindert, eine betriebsbedingte Kündigung wegen eines sich zu einem späteren Zeitpunkt ergebenden Auftragsmangels auszusprechen. Durch die Möglichkeit einer aus Gründen des Betriebsübergangs ungehinderten Konkurrenztätigkeit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers wird der Schutz der bestehenden Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübergang nicht beeinträchtigt. Eine eventuelle Wettbewerbstätigkeit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers führt nicht dazu, daß ein Arbeitnehmer 2 4 1
Gaul, DB 1980, 929 f.
2 4 2
Allenfalls könnte die Frage der Haftung für die Karenzentschädigung betroffen sein, dazu sogleich unten. 2 4 3
Vgl. dazu oben III. Teil, Abschn. A , 2. Kap., 2 a.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB?
197
seinen Arbeitsplatz unmittelbar aus Anlaß des Betriebsübergangs verlöre. Das Regelungsziel, den Erhalt der Arbeitsplätze bei Betriebsübergang zu sichern, verlangt somit nicht, auch die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer in die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs einzubeziehen. Auch der gelegentlich genannte Zweck der Erhaltung der Betriebskontinuität ist hiervon nicht betroffen. Dieser Zweck kann gewissermaßen als das "Gegenstück" der Bestandsschutzsicherung gesehen werden, da ihm die Funktion zukommen soll, dem Arbeitgeber Kontinuität in personeller Hinsicht zu gewähren. 244 Im Gegensatz zu der Bestandsschutzfunktion lassen sich hierfür jedoch weder im Gesetz noch in der Begründung zum Regierungsentwurf Anhaltspunkte finden. 2 4 5 Auch durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz ist ein solcher Zweck nicht in § 613 a BGB implementiert worden. § 613 a BGB ist eine Arbeitnehmerschutzvorschrift, nicht jedoch eine Arbeitgeberschutzvorschrift. 246 Das Bestehen eines solchen Schutzzwecks ist deshalb abzulehnen. Soweit der Wettbewerb eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers dazu führen könnte, daß das Arbeitsverhältnis eines im Betrieb verblieben Arbeitnehmers, in dessen Rechte und Pflichten der Betriebserwerber eingetreten ist, gekündigt werden müßte, könnte es bereits aus diesem Grund nicht zu einer Verletzung der "Kontinuität des Betriebes" kommen. Auch der in § 613 a BGB enthaltene Zweck, die Kontinuität des amtierenden Betriebsrats zu sichern und dessen Mitwirkungsrechte zu erhalten, rechtfertigt nicht die Annahme, daß die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bereits beendeter Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergingen. Aufgabe des Betriebsrates ist es, die Interessen der aktiven Arbeitnehmer zu vertreten. So ergibt sich unter anderem aus §§5 und 7 BetrVG, daß der Betriebsrat die aktive Belegschaft repräsentiert. 247 Arbeitnehmer, die aus dem Betrieb ausgeschieden sind und sich nicht im Ruhestandsverhältnis befinden, sind deshalb von diesem Schutzzweck nicht betroffen.
2 4 4 2 4 5
Birk, Anm. zu EZA Nr. 1 zu § 613 a.
Sulzberger-Schmitt, m.w.Nachw.
S. 6; ablehnend auch Gaul, DB 1980, 930; Pottmeyer, S. 117
2 4 6 Der Betriebserwerber könnte einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers beispielsweise nicht mit dem Hinweis auf die notwendige Erhaltung der Kontinuität widersprechen. 2 4 7
Der Arbeitnehmer verliert nach Ablauf der Kündigungsfrist oder bei fristloser Kündigung sein aktives Wahlrecht, Dietz/Richardi, § 7 Rdn. 9. Fehlt das Wahlrecht, ist auch anzunehmen, daß der Betriebsrat den ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht repräsentiert. Auch im Ruhestand befindliche Arbeitnehmer kann der Betriebsrat nicht repräsentieren, BAG AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt Unterstützungskassen. Zu den auf Betriebsvereinbarung beruhenden Wettbewerbsverboten vgl. unten Abschn. E, 1, b.
198
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Damit bleibt zu prüfen, ob das Ziel, eine Verteüung des Haftungsrisikos zu bewerkstelligen, es nahelegt, nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer unter § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zu subsumieren. Würden nach vertragliche Wettbewerbs verböte bei bereits beendeten Arbeitsverhältnissen auf den Betriebserwerber übergehen, bedeutete dies zugleich, daß dieser entsprechend der Regelung der Haftungsverteilung des § 613 a Abs. 2 BGB für die Karenzentschädigung einstehen müßte. Allein daraus, daß zu den Regelungszielen des § 613 a BGB auch die Frage der Verteilung des Haftungsrisikos gehört, 2 4 8 läßt sich jedoch noch nicht schließen, daß der Betriebserwerber auch in die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer eintreten müßte. Die Tatsache, daß § 613 a BGB eine Regelung der Haftungsverteilung bezweckt, besagt noch nichts über Umfang und Reichweite, also das "Wie" dieser Regelung. Nach dem Wortlaut und der bisherigen Untersuchung kann vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den Regelungsbereich auf bestehende Arbeitsverhältnisse eingeschränkt hat. Aus dem Gesetzeszweck der Verteüung des Haftungsrisikos folgt damit noch nicht zwingend, daß auch die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer in diesen Regelungsmechanismus einbezogen werden müßten. Vielmehr bleibt die Frage der Grenzziehung 249 auch unter Beachtung dieses Zwecks weiterhin offen. Etwas anderes kann auch nicht gelten, wenn der Überlegung das Regelungsziel der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zugrundegelegt wird. Abgesehen davon, daß wiederholt Zweifel angemeldet wurden, ob es dem Gesetzgeber im Fall des § 613 a BGB gelungen ist, dieses Regelungsziel zu erreichen, 250 ist dies letztlich eine Intention, die in mehr oder weniger erfolgreicher Weise hinter allen normativen Bestrebungen steht. Das Ziel, durch normative Akte Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeizuführen, kann damit nicht dazu führen, vom Wortlaut her nicht ohne weiteres gedeckte Sachverhalte unter den Gesetzestatbestand zu subsumieren.
e) Ergebnis § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ist auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht unmittelbar anwendbar. Dies hat die Untersu2 4 8 Dieses Regelungsziel ging auf eine Initiative des Bundesrats zurück, vgl. BTDrucksache VI/1789 S. 67. 2 4 9
Siehe dazu oben III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap., 2 a.
250 V g l d i e heftige Kritik am Gesetzgeber von Schwerdtner, SAE 1978, 60 (61); ders., FS-Müller S. 557 (586); Seiter, DB 1980, 877; Lepke, BB 1979, 526.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB?
199
chung des Merkmals, das die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf "bestehende" Arbeitsverhältnisse beschränkt, erbracht. Der Eindruck, daß es sich insoweit um eine "eindeutige Wortwahl" handelt, hat sich bestätigt. Es konnte nicht nachgewiesen werden, daß bei Auslegung des Merkmals möglicherweise auch Rechtsbeziehungen in die Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB einbezogen werden müßten, für die auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch gegenseitige Leistungspflichten erfüllt werden. Damit können nachvertragliche Wettbewerbsverbote dann nicht mehr von den Rechtsfolgen des Betriebsübergangs erfaßt werden, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor Veräußerung des Betriebes beendet wurde und die Karenzzeit noch andauert. Weder die systematische, noch die historisch-genetische Auslegung führten zu einem Ergebnis, das zu einer anderen Auffassung genötigt hätte. Zwar konnte nach der Untersuchung der "einschlägigen Rechtsprechung", die vor Inkrafttreten des § 613 a BGB zur Übertragung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bei Übergang des Betriebes auf einen anderen Inhaber ergangen war, die These bestätigt werden, daß die Wettbewerbsverbote als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses anzusehen seien. Darüberhinaus konnten jedoch aus der Rechtsprechung keine Anhaltspunkte gewonnen werden, die für ihre Behandlung unter Geltung des § 613 a BGB übertragbar gewesen wären. Auf das einzige hierzu einschlägige Urteil des BAG konnten sich die Verfasser des Regierungsentwurfs nicht berufen haben, da es erst zu einem Zeitpunkt ergangen war, als der Gesetzgebungsentwurf bereits in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden war. Aus dem Urteü ergibt sich jedoch, daß das BAG den Übergang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote auf einen anderen Inhaber grundsätzlich für zulässig gehalten hat, sofern der betroffene Arbeitnehmer hierzu seine Zustimmung gab. Schließlich konnte auch nach teleologischer Auslegung nicht gefunden werden, daß § 613 a BGB auf die vorliegende Problemstellung anwendbar wäre. Im Ergebnis steht damit fest, daß wegen der Beschränkung auf "bestehende" Arbeitsverhältnisse die durch den möglichen Wortsinn gezogene Grenze für die Übertragbarkeit der aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten da verläuft, wo aufgrund eines Beendigungstatbestands kerne gegenseitigen Hauptpflichten mehr generiert werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 613 a BGB kann deshalb auf nachvertragliche Wettbewerbs verböte vor Betriebsübergang ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht stattfinden.
200
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Nachdem feststeht, daß auch bei extensiver Auslegung eine unmittelbare Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bei bereits beendeten Arbeitsverhältnissen nicht in Betracht kommen kann, muß nun untersucht werden, ob § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die vorstehende Problematik analog angewendet werden kann.
a) Die Methode der Lückenschließung durch Analogie
Unter Analogie wird die entsprechende Anwendung eines Gesetzes oder Rechtsgedankens auf einen gesetzlich nicht geregelten Sachverhalt verstanden. Der Grundgedanke der Analogie besteht darin, daß ein gesetzlich geregelter Falltypus mit einem nicht geregelten Falltypus verglichen wird. Dabei wird im Wege der Wertung untersucht, ob beide Falltypen wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu behandeln sind. 2 5 1 Ergibt die Bewertung, daß dies erforderlich ist, so können die Tatbestandsmerkmale, die einer Gleichbehandlung beider Falltypen entgegenstünden, außer Betracht gelassen werden. Die verbleibenden, im Gesetz angelegten allgemeinen Merkmale kennzeichnen dann die notwendigen Voraussetzungen der analogen Anwendbarkeit der Norm. 2 5 2 Es ist nicht zu übersehen, daß ein solches Abweichen von einem Normverständnis, das von Auslegung und Subsumtion geprägt ist, erhebliche Risiken in sich birgt. 2 5 3 Es besteht die Gefahr der Vernachlässigung des Gewaltenteilungsprinzips und des Grundsatzes der Rechtsstaaüichkeit, und darüberhinaus güt es zu bedenken, daß der Analogieschluß letztlich "nur der formale Ausdruck von Bewertungsvorgängen" ist, "die zum großen Teil aus der dogmatischen Erfassung herausfallen". 254 Damit ist bereits der Kern der Schwierigkeiten und Unsicherheiten, die die Methode der analogen Anwendung begleiten können, genannt: der Analogieschluß beruht auf Bewertungsvorgängen, wobei die Bewertungsmaßstäbe häufig im dunkeln bleiben, 255 auch wenn versucht wird, diese durch sorgfältiges methodisches Vorgehen transparent zu machen. Um zu verhindern, daß der Analogieschluß lediglich von individuellen oder rechtspolitischen Zielsetzungen getragen wird, wird gefordert, daß untersucht 251
Larenz y Methodenlehre, S. 366.
2 5 2
ZippeliuSy S. 62; ähnlich Larenz, Methodenlehre, S. 367.
2 5 3
Allerdings sollte auch nicht übersehen werden, daß die Subsumtion ebenfalls wertende Elemente enthält, Esser, S. 77. 2 5 4
Esser, S. 181.
2 5 5
Vgl. Esser, S. 175 ff.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
201
werden müsse, ob erne Lücke im Gesetz bestehe, 256 für die wegen der Ähnlichkeit der Falltypen ein Bedürfnis nach Schließung durch Analogie vorhanden sei. Eine solche Regelungslücke sei vorhanden, wenn das Gesetz keine Regelung für eine Frage enthalte, die nach der zugrundeliegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedürfe 257 , oder wenn eine Regelung Fälle miterfasse, die aus der Regelung auszunehmen wären. 2 5 8 Man könne Regelungslücken in mehrfacher Hinsicht unterscheiden. So gebe es bewußte und unbewußte, anfängliche oder nachträgliche, offene oder verdeckte Lücken. 2 5 9 Eine unbewußte anfängliche Lücke liege beispielsweise vor, wenn der Gesetzgeber ein regelungsbedürftiges Problem übersehen habe. 2 6 0 Mit dem Begriff der Gesetzeslücke werde die Grenze der gesetzesimmanenten Rechtsfortbüdung gekennzeichnet, die sich an Regelungsabsicht, Plan und immanente Teleologie des Gesetzes halte. 2 6 1 Das Aufdecken einer Regelungslücke setzt jedoch offenbar die Annahme voraus, daß ein Regelungswerk da, wo es unvollständig ist, vollständig sein müsse. 262 Dabei ist die Vorstellung der Vollständigkeit abhängig vom Vorverständnis der Ordnungsbedürftigkeit, 263 mithin also eine Frage wertender Einschätzung. Esser drückt dies deutlich aus, wenn er ausführt, daß "im Recht die Bejahung einer Lücke kerne Aussage über den Gegenstand und seine Defektheit, sondern ein Werturteü über die Regelungsbedürftigkeit und -möglichkeit innerhalb akzeptierter positiver Muster eines Ordnungsprogramms" enthalte. 264 Die bestimmende Ursache für das Werturteil über die Regelungsbedürftigkeit besteht darin, daß aus Gründen der Gerechtigkeit ein Bedürfnis danach vorhanden ist, ähnliche Sachverhalte in gleicher Weise zu behandeln. Ausschlaggebendes Argument für die analoge Übertragung des gesetzlich geregelten Falltypus auf den nicht geregelten ist deshalb der Grundsatz der Gleichbehandlung. 265 Die für die Gleichbehandlung erforderliche Ähnlichkeit der Fall 256 Ygi hierzu Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, passim. 2 5 7
Larenz, Methodenlehre S. 356 ï, Zippelius, S. 59.
2 5 8
Zippelius, a.a.O.
2 5 9
Zu den Klassifizierungen vgl. im einzelnen Larenz, Methodenlehre, S. 363.
2 6 0
Larenz, a.a.O.
2 6 1
Larenz, Methodenlehre, S. 354; ähnl. Gertnann, S. 119. Larenz, a.a.O. weist zugleich darauf hin, daß damit noch nicht die Grenze der möglichen und zulässigen Rechtsfortbildung überhaupt festgelegt werde. 2 6 2
Larenz, Methodenlehre, S. 355.
2 6 3
Esser, S. 175.
2 6 4
Esser, S. 176; Zippelius, S. 59 spricht insoweit auch von "Wertungslücken", ebenso Germann, S. 119 ff. 2 6 5
Zippelius, S. 59, S. 62; Larenz, Methodenlehre, S. 367.
202
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
typen setzt voraus, daß der zu bewertende Fall der gesetzlichen Regelung zwar nicht in allen, aber doch in den für die Bewertung maßgeblichen Aspekten gleicht; dabei dürften die verbleibenden Unterschiede die Übertragung der gesetzlichen Wertung nicht ausschließen. 266 Die Feststellung der Ähnlichkeit ist in methodischer Hinsicht unverzichtbar, doch gilt es auch hier, sich bewußt zu sein, daß die Beurteilung der Ähnlichkeit und des "Divergenzfaktors" 267 auf einem wertenden Vorgang beruht. Ebenso wie die Feststellung der Regelungslücke beruht auch deren Ausfüllung auf einem Werturteü. Dabei sollen die maßgeblichen Bewertungsmaßstäbe für die vorzunehmende Lückenausfüllung je nach Art der Lücke 2 6 8 nur dem Gesetz selbst oder der Rechtsordnung entnommen werden können. Für das Schließen einer Gesetzeslücke 269 im Wege der Analogie könnten nur die dem Gesetz immanenten Wertungen herangezogen werden. Dies erfordere, daß die in der gesetzlichen Regel enthaltenen Wertungen aufgedeckt würden. 2 7 0 Entscheidend seien Zweck und Grundgedanken der zu übertragenden gesetzlichen Regelung. 271 Würde davon abgesehen werden, hinsichtlich des Bewertungsmaßstabes auf die ratio legis zurückzugreifen, so würde die Lücke nicht durch analoge Rechtsanwendung geschlossen, sondern durch gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung. 272 Insbesondere bei der Lückenausfüllung tritt deutlich zutage, daß es sich bei einem Analogieschluß um ein Werturteil handelt und nicht um einen Vorgang formal logischer Gedankenoperationen.273 Die Feststellung, daß sich hinter der Technik der analogen Anwendung eine wertende Beurteilung verbirgt, ist nicht neu. Wenn diese Tatsache hier dennoch hervorgehoben wird, so geschieht dies nicht, weil die Methode der Rechtsfortbüdung durch analoge Gesetzesanwendung grundsätzlich in Frage gestellt werden soll. Bei der Vielzahl komplexer Lebenssachverhalte ist die analoge
2 6 6
Larenz, Methodenlehre, S. 367; Engisch, S. 148.
2 6 7
Esser, S. 181. 268 Ygi hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 402. 2 6 9
Vgl. zum Begriff Larenz, S. 354; zum Unterschied von Gesetzesanalogie und Rechtsanalogie vgl. auch Esser, S. 182; Larenz, a.a.O. S. 368; Engisch, S. 151. 2 7 0
Larenz, Methodenlehre, S. 366.
271
Larenz, Methodenlehre, S. 367; Engisch, S. 150 weist darauf hin, daß die Fragen der Methodik der Auslegung "mutatis mutandis" bei der Analogie wiederkehren. 2 7 2 Larenz, Methodenlehre, S. 359; ähnl. Germann, S. 175; auch zur gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung können die Gerichte unter bestimmten Voraussetzungen befugt sein, vgl. Larenz, a.a.O. S. 402 ff. 2 7 3
Larenz, Methodenlehre, S. 367 Engisch, S. 156.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
203
Rechtsanwendung unentbehrliches und allgemein anerkanntes Mittel effizienter Rechtsgewährung. Hier ging es im wesentlichen darum, nochmals aufzuzeigen, daß analoge Rechtsanwendung nicht lediglich bedeutet, daß mit logischen und systemimmanenten Mitteln rechtliche Erkenntnisse gewonnen werden können, sondern daß - allenfalls durch Anlehnung an diese - nur ein letztlich auf wertender Betrachtung beruhendes Ergebnis gefunden werden kann. 2 7 4 Dies bedeutet nicht, daß das durch Werturteil gefundene Ergebnis weniger sachgerecht oder weniger überzeugend als das durch Auslegung und Subsumtion gefundene Ergebnis ausfallen müßte. 2 7 5 Die Erkenntnis, daß dem Analogieschluß Wertungen zugrunde liegen, scheint vielmehr deshalb bedeutsam, weil das Urteü über die Regelungsbedürftigkeit eines Falltypus nicht in den Händen des Gesetzgebers liegt, sondern im Moment der Rechtsfindung bei demjenigen, der dLj Recht anzuwenden h a t . 2 7 6 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Normanwendung bei gesetzlich geregelten Tatbeständen. Diese im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip bedeutsame Kompetenzverlagerung kann nur dann hinreichend legitimiert sein, wenn in Kenntnis der Wertungssituation entsprechend behutsam mit dem Instrument der Analogie umgegangen w i r d . 2 7 7 Dies güt gleichermaßen für den Aspekt der Rechtssicherheit. 278 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß die Analogie der Schließung einer gesetzgeberischen Lücke dient. Dies geschieht wegen der Ähnlichkeit zweier Falltypen durch einen bewertenden Vorgang und findet seine tiefere Ursache im Prinzip der Gleichbehandlung. Bezogen auf die hier anstehende Untersuchung bedeutet dies, daß die Frage der analogen Anwendung des § 613 a BGB auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer zu einem Ergebnis führen wird, das auf wertender Betrachtung beruht. Dies ist insoweit unbedenklich, als die Wertungskriterien sich nicht aus subjektiven Vorstellungen oder rechtspolitischen Desiderata ergeben, sondern ihre Grundlage im Gesetz, dessen Entstehungsgeschichte und dem Grundsatz der Gleichbehandlung finden.
2 7 4
Zur Logik des Analogieschlusses vgl. Engisch, S. 146 ff m.w.Nachw.
2 7 5
Gerade die Bewertung, daß die nicht analoge Anwendung zu keinem sachgerechten Ergebnis führen würde, macht ja den Analogieschluß erforderlich. 2 7 6
Zippelius, S. 60.
2 7 7
Zur Legitimation vgl. Zippelius, S. 64.
2 7 8
Zippelius, S. 60.
204
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses b) Feststellung der Regelungslücke
aa) Keine Regelungslücke wegen der Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung? Es fragt sich nun, ob die Tatsache, daß die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht in unmittelbarer Anwendung des § 613 a BGB von dessen Rechtsfolgen erfaßt werden, auf eine Lücke im Gesetz zurückzuführen ist. Einige Stimmen im Schrifttum, die die analoge Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ablehnen, begründen ihre Ansicht damit, daß die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede auf rechtsgeschäftlichem Wege übertragen werden könnten und deshalb kerne Regelungslücke bestehe. 279 Auf rechtsgeschäftlichem Wege könnte das Wettbewerbsverbot entweder in seiner Gesamtheit durch Vertragsübernahme auf den Erwerber übertragen werden, oder es könnte der Unterlassungsanspruch aus dem Wettbewerbsverbot gemäß § 398 ff BGB isoliert an ihn abgetreten werden. Allerdings erscheint es fraglich, ob der Ansicht gefolgt werden kann, daß allein diese Möglichkeiten der rechtsgeschäftlichen Übertragung es gestatteten, ohne nähere Untersuchung die Existenz einer Regelungslücke zu leugnen. Ob eine Regelungslücke besteht, richtet sich danach, ob ein Gesetz keine Regel für eine Frage enthält, die nach der zugrundeliegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedarf. 280 Bisher konnte festgestellt werden, daß § 613 a BGB für nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer keine Regelung enthält. Mithin kann die Frage, ob eine Regelungslücke besteht, erst dann endgültig beantwortet werden, wenn die zugrundeliegende Regelungsabsicht untersucht wurde. Im übrigen würde die These, die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit der Rechte und Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot stehe der Annahme einer Regelungslücke entgegen, voraussetzen, daß bei Betriebsübergang der Schutz des Erwerbers vor Wettbewerb des ausgeschiedenen Arbeitnehmers ebenso erzielt werden könnte wie im Fall eines kraft Gesetzes erfolgenden Eintritts in die Wettbewerbsabrede. Nur dann ließe sich behaupten, daß die Anordnung eines gesetzlichen Eintritts mangels Regelungslücke obsolet wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Weder durch die Möglichkeit der Vertragsübernahme noch durch die Möglichkeit der Abtretung des Unterlassungsanspruchs aus dem Wettbewerbsverbot sind dieselben Voraussetzungen gegeben wie beim gesetzlichen Eintritt in die Wettbewerbsabrede. 2 7 9
Vgl. die Nachw. Fußn. 102.
2 8 0
Vgl. die Nachw. Fußn. 257.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
205
Durch die Vertragsübernahme könnte der Erwerber zwar in die Gläubigerstellung aus der Wettbewerbsabrede einrücken, doch hätte diese Lösung den Nachteü, daß sie nicht zwingende Rechtsfolge des Betriebsübergangs wäre. Soll das Wettbewerbsverbot durch Vertragsübernahme281 auf einen Dritten übertragen werden, bedarf es der Mitwirkung des Arbeitnehmers. Die in Literatur und Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 613 a BGB zur Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis herrschende Ansicht, daß § 613 S. 2 BGB bei Betriebsveräußerung stillschweigend abbedungen sei, 2 8 2 güt nicht für die Übertragung der Gläubigerstellung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. 283 Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur rechtsgeschäftlichen Übertragung der Wettbewerbsabrede ist auch erforderlich, wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden i s t . 2 8 4 Dagegen bestünde das Erfordernis der Mitwirkung nicht bei Übergang des Schuldverhältnisses kraft Gesetzes. Das Zustimmungserfordernis zeigt, daß der rechtsgeschäftlichen Übertragung der Gläubigerstellung eine andere rechtliche Qualität zukommt als der gesetzlichen Übertragung. Geht man davon aus, daß dem Arbeitnehmer bei Übergang des gesamten Betriebes die Unterlassung von Wettbewerb gemäß § 324 Abs. 1 BGB unmöglich werden kann, 2 8 5 so wird er sich nicht veranlaßt sehen, einer Vertragsübernahme zuzustimmen, 286 es sei denn, die Durchsetzbarkeit seines gegen den Veräußerer weiterhin bestehenden Anspruchs auf die Karenzentschädigung wäre infolge des Betriebsübergangs gefährdet. Darüberhinaus ist die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht notwendig an Erwägungen geknüpft, die etwas mit dem Schutzzweck des Wettbewerbsverbots und dem Betriebsübergang zu tun haben müßten. Ob der Arbeitnehmer dem Eintritt des Erwerbers in die Wettbewerbsabrede zustimmt, steht letztlich in seinem freien Belieben, das nicht an der Sache orientiert sein muß. Insoweit böte der Betriebsübergang dem Arbeitnehmer die unverhoffte Gelegenheit, die ursprünglich auf Dauer angelegte Bindung aus der Wettbewerbsabrede und die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb aus Anlaß des Betriebsübergangs erneut zur Disposition zu stellen. 287 Anders wäre dies bei einem kraft Gesetzes erfolgen2 8 1
Zur Vertragsübernahme vgl. die Nachw. oben Fußn. 172. 282 Vgl dazu die Nachw. oben Fußn. 175. 2 8 3
BAG AP Nr. 1 zu § 74 a HGB; BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB.
2 8 4
BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel mit insoweit zust. Anm. von Küchenhoff. 2 8 5 Zu den Voraussetzungen der Unmöglichkeit vgl. oben III. Teil, Abschn. A , 2. Kap. 1, a. 2 8 6 2 8 7
Vgl. hierzu oben S. 145.
Dabei könnte er die Entscheidung aus einer gesicherten Position heraus treffen; wegen der Rechtsfolge des § 324 Abs. 1 BGB bräuchte er nicht um seine Karenzentschädigung zu fürchten.
206
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
den Übergang. Hier wäre entsprechend dem Fortbestand des Betriebes die konkurrenzrechtliche Kontinuität gewährleistet. Damit wird ersichtlich, daß die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme in bezug auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht ohne weiteres dem gesetzlichen Eintritt in das Schuldverhältnis gleichgestellt werden kann. Die Annahme, die rechtsgeschäftliche Übertragungsmöglichkeit stehe einer Regelungslücke von vornherein entgegen, erweist sich deshalb als unzutreffend. Gegenüber der rechtsgeschäftlichen Übertragung hat die gesetzliche Anordnung des Eintritts in die Wettbewerbsabrede insoweit einen eigenständigen Regelungsgehalt. Anders als bei der Vertragsübernahme kommt es bei der Forderungsabtretung grundsätzlich nicht auf die Mitwirkung des Schuldners a n . 2 8 8 Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein hinreichender Schutz des Erwerbers eventuell dadurch erreicht werden kann, daß der Veräußerer den Anspruch auf Unterlassung aus dem Wettbewerbsverbot gemäß § 398 BGB abtritt. Möglicherweise läßt sich hier feststellen, daß die sich anbietende Alternative der Abtretung des Unterlassungsanspruchs aus der Wettbewerbsabrede an den Erwerber der Annahme einer Regelungslücke entgegensteht. Rechtsprechung 289 und Schrifttum haben sich mit der Frage der Abtretbarkeit des Unterlassungsanspruchs aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot im wesentlichen zu einer Zeit beschäftigt, als § 613 a BGB noch nicht in Kraft getreten war. Die überwiegende Literaturmeinung lehnt eine völlig vom Wettbewerbsverbot losgelöste Abtretbarkeit der Unterlassungsverpflichtung aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot a b , 2 9 0 da die Übertragung mit den Zwecken des Wettbewerbsverbots unvereinbar wäre. 2 9 1 Dagegen hat Zöllner ausgeführt, daß die Abtretung des Unterlassungsanspruchs aus der Wettbewerbsabrede auf einen Dritten ohne Zustimmung des Arbeitnehmers zulässig sei, wenn diese im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Unternehmens erfolge. Dabei hat er besonders betont, daß in diesem Zusammenhang der Unterlassungsanspruch auch isoliert abgetreten werden könne. 2 9 2 Abweichend hiervon hat Birk die Auffassung vertreten, daß die Abspaltung eines selbständigen Unterlassungsanspruchs aus dem Wettbewerbsverbot dessen strengem
2 8 8
Palandt-Heinrichs,
2 8 9
Vgl. die Nachw. oben Fußn. 283.
§ 398 Anm. 1 a.
2 9 0 Schlegelberger-Schröder, § 74 Rdn. 6; Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 36; Zöllner, Anm. zu AP Nr. 18 zu § 74 HGB m.w.Nachw; Birk Anm. zu SAE 1974, 5 (9). 2 9 1 2 9 2
Schlegelberger-Schröder,
§ 74 Rdn. 6.
Zöllner, Anm. zu BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB mit zahlr. w. Nachw.; kritisch zu Zöllner: Küchenhoff, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB, Bl. 468.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
207
Gegenseitigkeitscharakter zuwiderlaufen würde. 2 9 3 Demnach solle nur das Wettbewerbsverbot insgesamt auf einen anderen übertragen werden können, nicht aber der bloße Unterlassungsanspruch.294 Der Ansicht Birks muß widersprochen werden, soweit er sich auf das Synallagma bezieht. Seiner Begründung steht entgegen, daß eine Forderung grundsätzlich auch dann abgetreten werden kann, wenn sie im Synallagma steht. 295 Es ist nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb für den Unterlassungsanspruch aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot hiervon abweichende Regeln gelten sollten. Gegen die Abtretung des Unterlassungsanspruchs sprechen jedoch andere Gründe. Bedenklich erscheint es zunächst, wenn die Abtretbarkeit des Unterlassungsanspruchs für möglich gehalten wird, ohne daß dies im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung geschieht. Insoweit spricht die Eigenart des Wettbewerbsverbots selbst gegen die eigenständige Abtretbarkeit des Unterlassungsanspruchs. Das Wettbewerbsverbot hat den Zweck, den Arbeitgeber vor Verwertung im Betrieb erworbener Kenntnisse und Erfahrungen durch den Arbeitnehmer zu schützen. Dieser Schutz des Arbeitgebers stellt kein selbständig verwertbares Wirtschaftsgut dar, das durch Abtretung beliebig an Dritte übertragen werden könnte. Wäre der Unterlassungsanspruch aus dem Wettbewerbsverbot selbständig abtretbar, käme er in seiner Bedeutung einem eigenständig verwertbaren Wirtschaftsgut gleich. Damit würde er sich von seiner ursprünglich auf die unternehmerische Tätigkeit des Arbeitgebers bezogene Schutzfunktion lösen und nicht mehr seinem eigentlichen Zweck entsprechen. 2 9 6 Da der Unterlassungsanspruch von Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers abhängt, spricht vieles dafür, daß dessen Umwandlung in ein selbständig verwertbares Wirtschaftsgut zu einer inhaltlichen Veränderung des Anspruchs führt, weshalb die Abtretung wegen § 399, 1. Alt. BGB unzulässig wäre. Die Gefahr der Lösung von der ursprünglichen Schutzfunktion besteht jedoch möglicherweise dann nicht, wenn die Abtretung im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung an den Erwerber erfolgen würde. 2 9 7 In diesem Zusammenhang mag es zweifelhaft sein, ob die Abtretung des Unterlassungsan2 9 3 Birk, Anm. zu BAG SAE 1974, 5 (9), ohne sich jedoch ausdrücklich auf Zöllner zu beziehen. 2 9 4
Birk, a.a.O.
2 9 5
Vgl. nur Palandt-Heinrichs,
§ 398 Anm. 4 und 5 b.
2 9 6
In diesem Zusammenhang ist es auch zweifelhaft, ob das Wettbewerbsverbot noch dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen des Arbeitgebers dienen würde, vgl. §74 a Abs. 1 S. 1 HGB. 2 9 7
Ähnl. für Wettbewerbsverbote unter selbständigen Kaufleuten, Palandt-Heinrichsy § 398 Anm. 2 m.w.Hinw. auf RGZ 96, 172 und 102,129.
208
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
spruchs aus der Wettbewerbsabrede, wie Zöllner meint, tatsächlich ohne Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen kann. 2 9 8 Hiergegen könnte § 613 S. 2 BGB sprechen. 299 Im Ergebnis kann jedoch diese Frage dahingestellt bleiben, weil die bloße Abtretung des Unterlassungsanspruchs aus anderen Gründen kein taugliches Mittel ist, durch das der Erwerber vor Wettbewerb des Arbeitnehmers geschützt werden könnte. Die bloße Abtretung des Unterlassungsanspruchs könnte dem Zessionar nicht die vollständige Rechtsstellung aus dem Wettbewerbsverbot verschaffen, die dem Zedenten vor Abtretung zuteil wurde. Dies güt vor allem hinsichtlich der Reichweite des Verbots. Die Reichweite des Wettbewerbsverbots wird ganz wesentlich durch die geschäftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers bestimmt. Ohne daß an dieser Stelle bereits ausführlich auf die Komponenten eingegangen werden muß, die die Reichweite des Wettbewerbsverbots und damit den Umfang der Unterlassungspflichten bestimmen, sei angemerkt, daß dies zum einen durch die vertragliche Vereinbarung und zum anderen durch eine gesetzliche Inhaltskontrolle dieser Vereinbarung geschieht. Während die Parteien der Wettbewerbsabrede zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung inhalüich konkretisieren, welche Tätigkeiten von den Parteien als konkurrierend angesehen werden, stellt sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht wird, die Frage, ob das Wettbewerbsverbot verbindlich ist. Insbesondere ist das Wettbewerbsverbot gemäß § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB nur verbindlich, soweit es dem Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Ändern sich die geschäftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers während der Karenzzeit, so kann dies möglicherweise zu einem Wegfall des für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots erforderlichen berechtigten geschäftlichen Interesses führen und sich insoweit auch auf die Reichweite des Unterlassungsanspruchs auswirken. 300 Was dies für die isolierte Abtretung des Unterlassungsanspruchs an einen Dritten bedeutet, hat Zöllner verdeutlicht. Im Zusammenhang mit der Frage der Abtretbarkeit des Unterlassungsanspruchs hat er auf einen erheblichen Unter 2 9 8 2 9 9
Zöllner, Anm. zu BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB.
Zweifel an der Auffassung Zöllners bestehen deshalb, weil der Unterlassungsanspruch aus der Wettbewerbsabrede ebenso wie die Pflicht zur Dienstleistung stark auf die Person des Arbeitnehmers bezogen ist. Die Gründe, die vor Einführung des § 613 a BGB nach herrschender Ansicht dafür sprachen, bei Betriebsübergang das Zustimmungserfordernis für die Abtretung des Dienstleistungsanspruchs für stillschweigend zu halten (vgl. Hueck/Nipperdey, S. 514 ff), greifen bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Unterlassungsanspruchs aus der Wettbewerbsabrede nicht ohne weiteres. So läßt sich nicht behaupten, daß ohne den Übergang des Unterlassungsanspruchs die Veräußerung des Unternehmens regelmäßig erschwert werde oder sich die Gefahr der Auflösung und Stillegung von Betrieben vergrößere. 300 y g i ausführlich zum Ganzen unten Abschn. B.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
209
schied zwischen der isolierten Abtretung und der Vertragsübernahme hingewiesen. Wesentliches Merkmal der Abtretung sei, daß dem Erwerber nicht mehr Rechte verschafft werden könnten, als dem Zedenten zur Verfügung stünden. Der Unterlassungsanspruch könne nur in dem Umfang abgetreten werden, in dem er dem Zedenten zustünde. Dies bedeute, daß bei der isolierten Abtretung des Unterlassungsanspruchs der Umfang der Ansprüche, die der Erwerber geltend machen könne, sich nach den Verhältnissen beim Veräußerer richtete. Anders sei dies nur im Fall der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme. Sei die "abstrakte" Übertragung des Wettbewerbsverbots in der Form erwünscht, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verbots, wie der Geschäftszweig des Prinzipals oder der geschützte Kundenstamm sich nunmehr auch nach den Verhältnissen des Erwerbers richten sollten, könne dies nur im Wege der Vertragsübernahme erfolgen, die die Zustimmung des Arbeitnehmers erfordere. 301 Dieser Auffassung muß zugestimmt werden. Durch die Abtretung kann der Veräußerer dem Erwerber nicht mehr Rechte verschaffen als er selbst hat. Es güt der Satz "nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet". 3 0 2 So kann der .\rbeitgeber den Unterlassungsanspruch nicht in der Weise abtreten, daß nach dem Zeitpunkt der Abtretung die bei ihm vorliegenden und auf die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots und damit auch auf den Unterlassungsanspruch einwirkenden Faktoren keine Berücksichtigung mehr finden müßten. Die bloße Abtretung des Unterlassungsanspruchs bewirkt, daß der Zessionar das Recht auf Unterlassung nur in dem Umfang geltend machen kann, wie es dem Zedenten zusteht. Der Zessionar muß sich damit eine Änderung der Verhältnisse des Zedenten bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs entgegenhalten lassen. Damit zeigt sich, daß die Abtretung des Unterlassungsanspruchs bereits dann zu Schwierigkeiten führen würde, wenn der Veräußerer seine Geschäftstätigkeit einschränken oder infolge der Betriebsveräußerung ganz aufgeben würde. Konsequenterweise müßte man zu dem Ergebnis gelangen, daß bei Veräußerung des gesamten Betriebes die tatbestandlichen Voraussetzungen des Wettbewerbsverbots bei dem Zedenten nicht mehr vorhanden sind. 3 0 3 Wenn bei isolierter Abtretung des Unterlassungsanspruchs die Verhältnisse des Zedenten weiterhin maßgeblich sind, dann wäre es dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer wegen der Beendigung der geschäftlichen Tätigkeit des Veräußerers in aller Regel unmöglich, ihm gegenüber Wettbewerb zu betreiben. Dies wiederum hätte zur Folge, daß der Arbeitnehmer von seiner Unterlassungsverpflichtung gemäß § 324 Abs. 1 BGB frei würde. Dies müßte sich der Zessionar entgegen-
3 0 1
Zöllner, Anm. zu BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB. 302 Vgl hierzu beispielsweise Fikentscher, § 57 II, 2. 3 0 3
Diese Konsequenz wird freilich von Zöllner, a.a.O. nicht angenommen.
210
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
halten lassen, da er vom Arbeitnehmer nicht mehr fordern könnte, als dem Zedenten zusteht. Stimmt man dem zu, kann der Erwerber durch die isolierte Abtretung im Ergebnis nicht geschützt werden. Entsprechendes muß gelten, wenn der Veräußerer seine Geschäftstätigkeit einschränken würde und das vereinbarte Wettbewerbsverbot beispielsweise in Teilen nicht mehr einem berechtigten geschäftlichen Interesse dienen würde. Auch insoweit wären für den Unterlassungsanspruch die Verhältnisse beim Zedenten maßgeblich. Damit wird deutlich, daß die Abtretung des Unterlassungsanspruchs nur dann zu dem Ziel führen kann, den Erwerber vor Wettbewerb des ausgeschiedenen Arbeitnehmers zu schützen, wenn die gesamte Rechtsstellung aus dem Wettbewerbsverbot übertragen werden kann. Dies kann jedoch nur aufgrund eines dreiseitigen Rechtsgeschäfts im Wege der Vertragsübernahme oder durch Einzelabtretung aller wechselseitiger Ansprüche erfolgen. Für die Übertragung der gesamten Rechtsstellung aus der Wettbewerbsabrede wäre jedoch die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Dagegen steht der isolierten Abtretung des Unterlassungsanspruchs aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot entgegen, daß dieser eng mit den geschäftlichen Verhältnissen des Arbeitgebers verknüpft ist. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß es zwar nicht das strenge Synallagma ist, das die isolierte Abtretung verhindert, sondern vielmehr die Besonderheit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, das hinsichtlich seiner Reichweite auch während der Dauer der Karenzzeit noch Korrekturen erfahren kann, die sich auf den Umfang des Unterlassungsanspruchs auswirken können. Die isolierte Abtretung des Unterlassungsanspruchs kann dem Erwerber deshalb keinen Schutz vor Konkurrenz des Arbeitnehmers bieten. Dieser ist nur durch Mitwirkung des Arbeitnehmers erreichbar. Da aber die Mitwirkung des Arbeitnehmers nur bei rechtsgeschäftlicher Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede erforderlich ist, kann aus den genannten Gründen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sich die Untersuchung des gesetzlichen Eintritts in die Wettbewerbsabrede mangels Regelungslücke erübrigt.
bb) Die aus der Entstehungsgeschichte des § 613 a BGB erkennbare Regelungsabsicht Nachdem feststeht, daß die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragbarkeit der Wettbewerbsabrede der Untersuchung der Regelungslücke nicht von vornherein entgegensteht, kann im folgenden die Frage nach der dem § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zugrundeliegenden Regelungsabsicht gestellt werden. Ergibt sich, daß ein Sachverhalt, für den das Gesetz keine Regel enthält, nach der zugrundeliegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedarf, kann eine Rege-
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
211
lungslücke festgestellt werden, 3 0 4 wobei es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes handeln kann. 3 0 5 Die Frage, wie bei Betriebsübergang bezüglich der Rechte und Pflichten aus Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer verfahren werden soll, hat im Gesetz keine ausdrückliche Regelung gefunden. Im folgenden soll deshalb untersucht werden, ob nach der dem § 613 a Abs. 1 BGB zugrundeliegenden Regelungsabsicht diese Frage einer Regelung bedarf. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, ob die zugrundeliegende Regelungsabsicht nicht vielleicht sogar den "argumentum e contrario"-Schluß 3 0 6 zuläßt, daß die Frage der rechüichen Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer gerade nicht geregelt werden sollte. Zur Untersuchung der zugrundeliegenden Regelungsabsicht muß erneut auf die Entstehungsgeschichte und die Materialien zu § 613 a BGB zurückgegriffen werden. 3 0 7 Sodann muß überprüft werden, ob sich aus der gesetzesimmanenten Teleologie nähere Erkenntnisse hierzu finden lassen. 308 Ob der Sachverhalt nach der insoweit festgestellten Regelungsabsicht einer Regelung bedarf, ist des weiteren eine Frage der wertenden Beurteilung. 309
aaa) Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Betriebsverfassungsgesetz In den Materialien zum Regierungsentwurf zum BetrVG heißt es unter anderem:
"Da gelegentlich Betriebe erworben werden, um sie alsbald stillzulegen, war gefordert worden, den Betriebsübergang als solchen der Mitbestimmung des Betriebsrats ausdrücklich zu unterwerfen. Der Entwurf ist diesem Vorschlag nicht gefolgt. Er sieht vielmehr die Einführung eines neuen Paragraphen in das Bürgerliche Gesetz-
304 Ygi hierzu die Nachw. in Fußn. 257. 3 0 5
Larenz, Methodenlehre, S. 358 m.w.Nachw.
3 0 6
Vgl. hierzu Engisch, S. 148 f.
3 0 7
Im Ergebnis wird mutatis mutandis erneut auf die Methodik der Auslegung zurückgegriffen, vgl. hierzu Engisch, oben Fußn. 271. 3 0 8 3 0 9
Larenz, Methodenlehre, S. 358.
Hiervon zu trennen ist die weitere Wertungsfrage, ob die so festgestellte Lücke durch analoge Anwendung des § 613 a BGB geschlossen werden kann; vgl. dazu die Ausführungen oben S. 185 f.
212
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses buch vor, mit dem die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für die Arbeitsverhältnisse allgemein geregelt werden." 3 1 0
Auch wenn man den Wortlaut der Begründung nicht mit ebenso strengen Maßstäben beurteilen kann wie den von Gesetzen, läßt sich feststellen, daß der Satz, man wolle die Rechtsfolgen für die Arbeitsverhältnisse "allgemein" regeln, auf zweierlei Weise verstanden werden kann: Der Einführung des § 613 a BGB war der Entwurf des DGB vorausgegangen, wonach die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs der Mitbestimmung unterworfen werden sollten. 3 1 1 Deshalb könnte das Wort "allgemein" bedeuten, daß die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nicht nur in Betrieben mit Betriebsrat geregelt werden sollten, sondern getrennt von Fragen der Mitbestimmung für alle Arbeitnehmer gelten sollten. Dies wäre wegen des entstehungsgeschichtlichen Zusammenhangs die naheliegendere Interpretation. Man könnte die Verwendung des Wortes "allgemein" allerdings auch so verstehen, daß § 613 a BGB eine allgemeine Lösung der bei Betriebsübergang in bezug auf Arbeitsverhältnisse anfallenden Rechtsfragen anstrebe. Dann könnte es der Intention des Gesetzgebers entsprochen haben, mit Einführung des § 613 a BGB eine umfassende und abschließende Regelung für sämtliche den Eintritt in die Rechte und Pflichten aus Arbeitsverhältnissen bei Betriebsübergang betreffende Fragestellungen zu schaffen. Unabhängig davon ist auffallend, daß der Entwurf davon spricht, daß die Rechtsfolgen für die Arbeitsverhältnisse geregelt werden sollten. Auch diese Wortwahl könnte darauf hinweisen, daß die Rechtsfolgen für Arbeitsverhältnisse in umfassender Weise geregelt werden sollten; andernfalls hätte es genügt, wenn man formuliert hätte, daß der Entwurf die Einfügung eines neuen Paragraphen vorsehe, der "Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für Arbeitsverhältnisse" regele. Im Gegensatz zu der Annahme einer solch umfassenden Regelungsabsicht steht freilich der Wortlaut des Gesetzes, der die Beschränkung auf Rechte und Pflichten bestehender Arbeitsverhältnisse enthält. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sich Hinweise für eine Regelungsabsicht ergeben, daß Rechte und Pflichten aus Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht von der Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB erfaßt werden sollten. Solche Anhaltspunkte sind jedoch nicht auffindbar. Es läßt sich nicht annehmen, der Gesetzgeber habe die Regelung der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer bewußt von den Rechtsfolgen des Betriebsübergangs ausnehmen wollen. Eher lassen sich weitere Hinweise für 310 BT-Drucksache V I 1786, S. 59; es folgt der bereits oben S. 176 zitierte Satz. 3 1 1
Vorschläge des DGB zur Änderung des BetrVG S. 30.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
213
die gegenteilige Regelungsabsicht ausfindig machen. Gegen die Absicht, Wettbeweibsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer gesondert zu behandeln, spricht, daß vor Einführung des § 613 a BGB diskutiert wurde, ob der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis automatisch analog § 571 BGB erfolgen sollte oder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung. 312 Der Gesetzgeber hat sich für den Übergang kraft Gesetzes entschieden, nicht zuletzt, um die unerwünschte Folge zu verhindern, daß insbesondere der Erwerber Einfluß auf die Frage der Überleitung des Arbeitsverhältnisses nimmt. 3 1 3 Mit der Vorstellung der automatischen Überleitung der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber verträgt es sich jedoch nicht, wenn man meint, daß die Rechte und Pflichten aus nachvertraglichen Wettbewerbsverboten nur durch ein gesondertes Rechtsgeschäft im Wege der Vertragsübernahme oder Abtretung auf den Erwerber übertragen werden können. Wenn insoweit eine Ausnahme vom automatischen Eintritt hätte gelten sollen, läßt der Entwurf eine Begründung vermissen. Ein weiterer Aspekt scheint in diesem Zusammenhang interessant. Es wurde bereits erwähnt, daß Nikisch der maßgebliche Verfechter des automatischen Übergangs der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis w a r . 3 1 4 Nach seiner Vorstellung sollte sich der Eintritt des Erwerbers in das Arbeitsverhältnis analog § 571 BGB vollziehen. In diesem Zusammenhang hatte Nikisch klargestellt, daß der Eintritt sich nur in bestehende Arbeitsverhältnisse vollziehen könne, weü ein gekündigtes Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist beendet sei und allenfalls wieder neu begründet werden könne. 3 1 5 Grund für die Beschränkung des Eintritts auf bestehende Arbeitsverhältnisse war für Nikisch also nicht, daß der Eintritt in nachwirkende Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen werden sollte, sondern eben nur die Tatsache, daß das Arbeitsverhältnis bereits beendet war. Nikisch hatte in diesem Zusammenhang die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote überhaupt nicht erwähnt. Lediglich hinsichtlich bestehender Ruhegeldverpflichtungen erachtete er es als naheliegend, daß diese nicht auf den Erwerber übergehen würden. Dagegen hat er an anderer Stelle sich keineswegs gegen ein Übertragung der Rechte aus der Wettbewerbsabrede ausgeschiedener Arbeitnehmer auf den neuen Betriebsinhaber ausgesprochen. 3 1 6
3 1 2
Vgl. oben S. 179.
3 1 3
Zum Problem der "Negativauslese" vgl. oben S. 178.
3 1 4
Oben S. 179.
3 1 5
Nikisch, S. 663.
3 1 6
Nikisch S. 461 m.w.Nachw.
214
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Vermutung, daß die Verfasser des Regierungsentwurfs sich an die im Zusammenhang mit der analogen Anwendung des § 571 BGB gewählte Formulierung Nikischs anlehnten, als sie die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf bestehende Arbeitsverhältnisse beschränkten, ist wegen der vorausgegangenen Diskussionen um den automatischen Eintritt nicht ganz von der Hand zu weisen. Wäre dies der Fall, so könnte dies dafür sprechen, daß die Verfasser des Regierungsentwurfs die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für nachvertragliche Wettbewerbsverbote schlicht übersehen hatten, als sie die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf bestehende Arbeitsverhältnisse beschränkten. 317 In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, daß das Problem der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer bis zur Einführung des § 613 a BGB im wissenschaftlichen Schrifttum kaum diskutiert wurde, 3 1 8 und daß auch die einschlägige Rechtsprechung dieses Problem erst nach Vorlage des Gesetzesentwurfs wenn auch nach früherer Rechtslage - zu beurteüen hatte. 319 Es kann damit nicht ausgeschlossen werden, daß die Verfasser des Regierungsentwurfs zwar erne umfassende Regelung der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis schaffen wollten, daß sie jedoch die Problematik zu den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht gesehen hatten. Insoweit gibt es Anzeichen für eine unbewußte Regelungslücke. 320
bbb) Die Regelungsabsicht nach den Materialien zum Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz Die Materialien zum Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz lassen ebenfalls erkennen, daß eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf Arbeitsverhältnisse angestrebt war. So ist bereits Art. 3 Abs. 1 des Vorschlags der EG-Kommission 321 zu entnehmen, daß rechtsgeschäftliche Erklärungen des Veräußerers oder Erwerbers, die den Übergang von Arbeitsverhältnissen ausschließen oder einschränken, ohne weiteres nichtig sein sollten. Auch diese Regelung kann als Indiz dafür gewertet werden, daß die
3 1 7
Ebenso: Löwe, S. 134.
3 1 8
Vgl. insbes. Hohn, DB 1971, S. 94 ff (99).
3 1 9
BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel.
3 2 0
Zum Begriff vgl. Fußn. 259.
3 2 1
Abgedr. in RdA 1975, 124.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
215
Rechtsfolgen des Betriebsübergangs möglichst umfassend geordnet werden sollten. Art. 3 der EG-Richtlinie 322 läßt ebenfalls das Bestreben nach einer umfassenden Regelung erkennen. Nach dieser Vorschrift sollen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs "... bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis ..." auf Grund des Betriebsübergangs auf den Erwerber übergehen (Art. 3 Abs. 1 S. 1). Dabei trifft die Richtlinie in Art. 3 Abs. 3 S. 2 eine Unterscheidung in Arbeitnehmer und solche Personen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden waren. Soweit die Regelung auf ausgeschiedene Arbeitnehmer verweist, bezieht sie sich jedoch nur auf Rechte, die Leistungen bei Alter und Leistungen für Hinterbliebene betreffen (Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie). Trotz der soeben genannten Einschränkungen läßt das Regelungsbemühen erkennen, eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen und jedenfalls nicht bestimmte, in Zusammenhang mit einem Betriebsübergang regelungsbedürftige Ziele auszuklammern. Der Entwurf der Bundesregierung zum Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz 323 hat den bestehenden § 613 a BGB nur in einigen Aspekten ergänzt und damit das innerstaatliche Recht an die Richüinie angepaßt. 324 Außerhalb dieser Ergänzungen ließ der Gesetzgeber den Gesetzestext unberührt. Dies läßt darauf schließen, daß der Gesetzgeber anläßlich der Novellierung des § 613 a BGB der Ansicht war, die Vorschrift entspreche den Anforderungen der Richtlinie der EG-Kommission. Stimmt man dem zu, so muß auch nach der Novellierung davon ausgegangen werden, daß § 613 a BGB erne umfassende Regelung der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für Arbeitsverhältnisse anstrebt.
ccc) Der Vorschlag der Arbeitsgesetzbuchkommission325 Die Arbeitsgesetzbuchkommission hatte mit ihrem Vorschlag erstmals ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß es sich bei der Frage der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer um einen regelungsbedürftigen Komplex handelt. Nach § 80 f Abs. 3 2 2
ABl. EG Nr. L 61 vom 5.3.1977, S. 26, abgedr. bei Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 159 ff. 3 2 3
BT-Drucks. 8/3317 vom 6.11.1979.
3 2 4
Vgl. dazu oben S. 189.
3 2 5
Arbeitsgesetzbuchkommission, Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches, Allgemeines Arbeitsvertragsrecht; vgl. dazu auch oben S. 191.
216
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
2 S. 1 des Entwurfs sollte die für bestehende Arbeitsverhältnisse geltende Regelung entsprechend auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer angewendet werden. Der Vorschlag der Verfasser läßt darauf schließen, daß sie in der damals (und in den entscheidenden Punkten auch heute noch) geltenden Fassung des § 613 a BGB in bezug auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote eine Regelungslücke erkannt hatten. Der Vorschlag ist nicht in das Gesetzgebungsverfahren gelangt und auch nicht anläßlich der Novellierung des § 613 a BGB in das Gesetz aufgenommen worden. Wie bereits erwähnt, läßt sich hieraus jedoch nicht der Schluß ziehen, die Frage des Übergangs der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer habe grundsätzlich nicht geregelt werden sollen. 3 2 6 Vielmehr hat der Gesetzgeber sich zu dieser Frage überhaupt nicht geäußert. Nach der Entstehungsgeschichte muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber der Ansicht war, die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für Arbeitsverhältnisse seien umfassend und ausreichend geregelt.
ddd) Der Einfluß des SpTrUG Das den jüngsten Änderungen des § 613 a BGB zugrundeliegende Regelungsziel ist erkennbar nur auf die spezielle Situation in den neuen Bundesländern zugeschnitten. An der ursprünglich angestrebten umfassenden Regelung für Arbeitsverhältnisse ändert sich nichts. 3 2 7
eee) Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat sich zur Frage der rechtlichen Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht geäußert. Allerdings läßt sich bei Untersuchung der Materialien erkennen, daß eine umfassende Regelung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis beabsichtigt war. Hinweise aus dem "argumentum e contrario", daß Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nach der zugrundeliegenden Regelungsabsicht von der Regelung ausgenommen sein sollten, sind nicht ersichtlich. Es bestehen ferner Zweifel, ob aus der Beschränkung der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf bestehende Arbeitsverhältnisse abgeleitet werden kann, die Rechte und Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer hätten nach der zugrunde3 2 6
S. 192. 327 Vgl hierzu die Ausführungen oben S. 190.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
217
liegenden Regelungsabsicht keiner Überleitung auf den Erwerber bedurft. Es ergeben sich eher Anzeichen dafür, daß der Gesetzgeber diese Problematik nicht erkannt hatte.
cc) Gesetzesimmanente Teleologie Möglicherweise ergeben sich auch aus der gesetzesimmanenten Teleologie Anhaltspunkte, die dafür sprechen, daß nach der dem § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zugrundeliegenden Regelungsabsicht die Frage des Eintritts in die Rechte und Pflichten aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer einer Regelung bedurft hätte. Dieser Fragestellung ließe sich bereits im methodischen Ansatz entgegenhalten, daß schon oben ausgeführt wurde, daß es sich aus teleologischer Sicht nicht zwingend ergebe, daß die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer in die Regelung des § 613 a BGB einzubeziehen seien. 328 Stimmt man dem zu, könnte zweifelhaft erscheinen, ob sich unter teleologischen Gesichtspunkten Anhaltspunkte dafür bieten können, daß hinsichüich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote eine "planwidrige Unvollständigkeit" vorliege. Diese Überlegung ist jedoch unzutreffend. Wurde oben gefragt, ob der Zweck das Auslegungsergebnis rechtfertigen könne, daß der Erwerber in die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer eintrete, geht es hier um die Frage, ob sich aus dem Zweck des § 613 a BGB Hinweise für die Regelungsabsicht und die Regelungsbedürftigkeit des Problembereichs entnehmen lassen. Ausgehend von der Bestandsschutzfunktion des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich diese Notwendigkeit nicht. Das Ziel, die Sicherung und den Erhalt bestehender Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten, erfordert es nicht, auch ausgeschiedene Arbeitnehmer in die Rechtsfolge des § 613 a BGB einzubeziehen. Ein Bestandsschutzinteresse im Sinne des Erhalts des Arbeitsplatzes hat der ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht mehr. Allenfalls kann er ein Interesse daran haben, daß sich die Reichweite des Wettbewerbsverbots nicht ändert und in bezug auf den Anspruch auf Karenzentschädigung ein leistungsfähiger Vertragspartner erhalten bleibt. Diese Interessen ließen sich unter dem Aspekt "Sicherung des status quo" zusammenfassen. Die Bestandsschutzfunktion kann bei Betriebsübergang die Sicherung des "status quo" jedoch immer nur punktuell, bezogen auf den Zeitpunkt des Übergangs, gewährleisten. 329 3 2 8
Oben III. Teil, Abschn. A , 2. Kap., 2, d.
3 2 9
Vgl. die Nachw. im I. Teil, Fußn. 8.
218
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Der Regelungszweck, Funktion und Kontinuität des Betriebsratsamts zu sichern, läßt ebenfalls nicht erkennen, daß sich die Notwendigkeit ergäbe, den Eintritt in die Rechte und Pflichten aus Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer i.S.d. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zu regeln. Ebenso führt die Tatsache, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote auch durch Betriebsvereinbarung geregelt werden können, 3 3 0 insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Etwas anderes könnte sich aus dem Regelungsziel ergeben, das die Verteilung des Haftungsrisikos zum Gegenstand hat. Die Haftungsverteüung des § 613 a Abs. 2 BGB sieht vor, daß der bisherige Arbeitgeber für Verpflichtungen des neuen Arbeitgebers neben diesem als Gesamtschuldner haftet, sofern sie vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr fällig werden. Zudem haftet der Betriebsveräußerer nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil des Bemessungszeitraums entspricht (§ 613 a Abs. 2 S. 2 BGB). Damit soll erreicht werden, daß der bisherige Arbeitgeber grundsätzlich nicht mehr für die Vergütung von Leistungen haftet, die nach Betriebsübergang erbracht worden sind. 3 3 1 Abgesehen davon, daß die Regelung nach dem Worüaut des § 613 a BGB nur auf bestehende Arbeitsverhältnisse anwendbar ist, ist dieser Verteüung des Haftungsrisikos doch die Grundentscheidung zu entnehmen, daß der Veräußerer von Verpflichtungen frei werden soll, soweit ihm nicht bereits hierfür Gegenleistungen erbracht worden sind, und daß die Haftung im wesentlichen auf denjenigen verlagert werden soll, der Inhaber des Betriebes ist und dem die Vorteüe der zu erbringenden Leistungen zufließen. Diesen Regelungszielen widerspricht die bei unmittelbarer Anwendung des § 613 a BGB für nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei beendeten Arbeitsverhältnissen geltende Rechtslage. Danach steht dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer der Anspruch gegen den Veräußerer auf Karenzentschädigung auch dann weiterhin zu, wenn der Betrieb während der Karenzzeit gänzlich auf einen anderen Inhaber übergegangen ist. Vertragspartner der Wettbewerbsabrede bliebe auch künftig der Veräußerer. Wie gezeigt wurde, wird der Veräußerer nicht von seiner Entschädigungspflicht frei, auch wenn es dem Arbeitnehmer unmöglich wird, Wettbewerb zu betreiben. 332 Soweit man nicht nur die Tatsache anerkennen will, daß § 613 a Abs. 2 BGB nur grundsätzlich eine Verteilung des Haftungsrisikos zum Ziel hat, sondern darüberhinaus anerkennt, daß auch das "Wie" der Verteilung vom Regelungsziel erfaßt wird, muß festgestellt werden, daß bei Fixierung auf den Wortlaut des § 613 a BGB dieses Ziel für nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausge3 3 0
Siehe dazu unten Abschn. E.
3 3 1
Seitery Betriebsinhaberwechsel, S. 103.
3 3 2
Vgl. oben III. Teil, Abschn. A, 2. Kap. 1 a.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
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schiedener Arbeitnehmer nicht erreicht wird. Die dem Regelungsziel zu entnehmende Wertung, daß der Veräußerer eines Betriebes von seiner Haftung grundsätzlich frei werden soll, soweit er nicht selbst Leistungen erhalten hat, kommt hierbei nicht zum Zuge.
dd) Feststellung der Regelungslücke Die Ergebnisse der Untersuchung der Regelungsabsicht und der gesetzesimmanenten Teleologie bedürfen nunmehr der Bewertung. Es konnte festgestellt werden, daß der Gesetzgeber angestrebt hatte, eine umfassende rechtliche Lösung für die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Hinweise für ein bewußtes Ausklammern der die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer betreffenden Rechte und Pflichten aus dem Regelungswerk haben sich nicht gefunden. § 613 a BGB sollte den automatischen Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bewirken; insoweit hatte man den dem § 571 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedanken vor Augen. Auch bei der Diskussion um die automatische Überleitung des Arbeitsverhältnisses war von einer Ausklammerung der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht die Rede. Dies sind deutliche Anzeichen für das Vorliegen einer unbewußten Regelungslücke, zumal man vor Einführung des § 613 a BGB eine Überleitung der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote auf den Betriebserwerber ebenso wie bei den Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis für möglich gehalten hatte. Verstärkt wird diese Anschauung bei Untersuchung der gesetzesimmanenten Teleologie. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die dem Regelungszweck der Verteüung des Haftungsrisikos zu entnehmende gesetzliche Wertung, wonach der Erwerber ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs für entstehende Verpflichtungen aus bestehenden Arbeitsverhältnissen haftet, im Fall der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer eine Ausnahme finden sollte. Bei wertender Betrachtung läßt sich damit im Ergebnis feststellen, daß eine unbewußte Regelungslücke vorliegt. 3 3 3 Es lassen sich keine Anhaltspunkte finden, die auf eine bewußte Differenzierung hinweisen. Weder lassen Gesetz, Zweck noch Materialien sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener und nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer erkennen. Vielmehr sprechen einige Anzeichen dafür, daß man diesen Fragenkomplex übersehen hatte. Nicht zuletzt der Entwurf der Ar3 3 3
Im Ergebnis ebenso die Nachw. in Fußn. 118 u. 119.
220
III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
beitsgesetzbuchkommission zeigt, daß man später erkannt hatte, daß hinsichtlich der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für nachvertragliche Wettbewerbsverbote eine Regelungslücke besteht. Allerdings wurde es versäumt, anläßlich der Novellierung des § 613 a BGB durch das Arbeitsrechtliche EGAnpassungsgesetz eine entsprechende Regelung einzufügen.
c) Feststellung der Ähnlichkeit Ob die Regelungslücke durch analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ausgefüllt werden kann, entscheidet sich danach, ob der gesetzlich geregelte Falltypus dem gesetzlich nicht geregelten ähnlich ist und diese Ähnlichkeit es aufgrund vergleichender Bewertung geboten erscheinen läßt, § 613 a BGB auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer analog anzuwenden.
aa) Kontinuität des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis Hält man sich vor Augen, daß der Gesetzgeber die Arbeitgeberstellung des bisherigen Betriebsinhabers als eine Rechtsstellung angesehen hat, die unter dem Gesichtspunkt der Wahrung ihrer inhaltlichen Identität einer Rechtsnachfolge fähig i s t , 3 3 4 so wird ein Effekt des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB deutlich: Die Vorschrift gewährt ein erhebliches Maß an Kontinuität des im Arbeitsverhältnis stattfindenden Leistungsaustauschs. Nach dem zugrundeliegenden Bestandsschutzzweck soll sich der Betriebsübergang auf die Leistungsbeziehungen im Arbeitsverhältnis nicht einschneidend auswirken. Unabhängig von der Frage, welche Person letztlich die Position des Arbeitgebers ausfüllt, soll der Arbeitnehmer sicher sein können, daß sein Anspruch auf Vergütung der von ihm erbrachten und zu erbringenden Leistungen auch bei Betriebsübergang erhalten bleibt, und umgekehrt soll der Arbeitgeber sich darauf verlassen können, daß der Arbeitnehmer auch nach Betriebsübergang seine Dienste leisten wird. Durch die Rechtsfolgenanordnung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB wird das Arbeitsverhältnis in seiner Funktion als Dauerschuldverhältnis nicht aufgrund des Betriebsübergangs in Frage gestellt. Nach der Regelung des § 613 a BGB ist die Kontinuität des Leistungsaustauschs jedoch nur gewahrt, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Ist das Arbeitsverhältnis wie im Fall des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ausgeschiedener Arbeitnehmer beendet, ergibt sich bei unmittelbarer Anwendung des § 613 a Abs. 1 S.l BGB bei einer vollständigen Betriebsübertragung eine 3 3 4
Heinze DB 1980, 205 sowie oben 1. Teil, 1.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
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Durchbrechung dieser Kontinuität, im Fall der Unmöglichkeit 335 darf der Arbeitnehmer noch Wettbewerb betreiben, und dennoch muß der frühere Arbeitgeber die Karenzentschädigung leisten; der Erwerber des Betriebes ist nicht vor Wettbewerb des ausgeschiedenen Arbeitnehmers geschützt, obwohl dieser eine Karenzentschädigung erhält und obwohl der Betriebsinhaber vor Betriebsübergang vor Konkurrenztätigkeit geschützt war. Die Unterbrechung der Kontinuität des Leistungsaustauschs ist auffällig, weil sich Ähnlichkeiten der auf der Wettbewerbsvereinbarung beruhenden Leistungsbeziehung mit der auf dem Arbeitsvertrag beruhenden ergeben. Beide Rechtsbeziehungen sind Dauerschuldverhältnisse336, und beide sind synallagmatischer Natur. 3 3 7 Wettbewerbsenthaltung und Karenzentschädigung sind durch den Gesichtspunkt des "do ut des" ebenso verbunden wie Dienstleistung und Vergütung. Auch wenn die Leistung des Arbeitnehmers nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in einem Unterlassen besteht, ist der Leistungsaustausch auf der Grundlage des Wettbewerbsverbots strukturell ähnlich demjenigen, der aufgrund des Arbeitsvertrags erfolgt. Im Gegensatz zu der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht wird jedoch bei unmittelbarer Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB die Kontinuität des das Wettbewerbsverbot betreffenden Leistungsaustauschs durch den Betriebsübergang unterbrochen. Zwar hat der Betriebsübergang insoweit keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Synallagma der Wettbewerbsvereinbarung oder auf deren Eigenschaft als (auf höchsten zwei Jahre begrenzte) 338 Dauerrechtsbeziehung, doch läßt sich, wenn der Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit Wettbewerb zu betreiben, von seiner Unterlassungspflicht frei wird, nicht behaupten, der frühere Arbeitgeber zahle die Karenzentschädigung, damit der Arbeitnehmer keinen Wettbewerb betreibe. Auch findet die Dauerrechtsbeziehung zumindest hinsichtlich der Unterlassungspflicht des Arbeitnehmers mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ein rasches Ende. Würde demgegenüber § 613 a BGB auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer entsprechend angewendet, fände der vor Betriebsübergang stattgefundene Leistungsaustausch seine Fortsetzung. Ab dem Betriebsübergang würde der Erwerber in die Pflicht zur Karenzentschädigung eintreten und der Arbeitnehmer würde weiterhin während der restlichen Dauer der Karenzzeit Wettbewerb unterlassen. Diese Fortführung der Kontinuität der Leistungsbe-
3 3 5
Vgl. dazu oben III. Teil, Abschn. A , 2. Kap., 1, a.
3 3 6
Für Wettbewerbsverbote vgl. Görg, S. 26; Löwe, S. 58; Schaub, ZIP 1984, 272 (275); Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 80. 3 3 7
Für Wettbewerbsverbote vgl. die Nachw. oben Fußn. 86.
3 3 8
§74 a Abs. I S . 3 HGB.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ziehungen spricht für eme analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer.
bb) Die auf die unternehmerische Tätigkeit bezogene Schutzfunktion des Wettbewerbsverbots Bereits oben wurde ausgeführt, daß Wettbewerbsverbote nicht unmittelbar auf die Verwirklichung eines arbeitstechnischen Zwecks gerichtet sind, sondern daß sie vielmehr dem Ziel dienen, die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen durch rivalisierende Ausnutzung interner Kenntnisse zu verhindern. 339 Der Konkurrenzschutz soll sicherstellen, daß der Arbeitgeber seine unternehmerischen Ziele verfolgen kann, ohne am maßgebenden Markt durch Aktivitäten des Arbeitnehmers beeinträchtigt zu werden. Wird Wettbewerb betrieben, richtet sich diese Tätigkeit gegen das unternehmerische Handeln des Arbeitgebers. Das Wettbewerbsverbot schützt deshalb die unternehmerische Betätigung. Rechtlich knüpft die Gläubigerstellung hinsichtlich der Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung an die Arbeitgeberstellung an, inhaltlich bezieht sie sich jedoch auf den Arbeitgeber in semer Eigenschaft als Unternehmer. Das Wettbewerbs verbot geht nach Zweck und rechtlicher Konstruktion davon aus, daß die Funktion des Arbeitgebers und des Unternehmers in einer Person vereint ist. Die Verwirklichung der unternehmerischen Ziele beruht im allgemeinen darauf, daß dem Arbeitgeber mit Hüfe des Betriebes ein Instrumentarium zur Verfügung steht, welches ihm erst die Grundlagen für die Betätigung am Markt verschafft. Wird der Betrieb veräußert, stehen ihm diese Grundlagen grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung. Durch den Betriebsübergang ist das sachliche Substrat zur Verwirklichung der unternehmerischen Ziele auf den anderen Inhaber übergegangen. Dies hat im Schrifttum bereits zu dem Vorschlag geführt, die Rechtsfolge des § 613 a BGB an den Übergang des Unternehmens zu knüpfen. 340 Die Doppelfunktion des Betriebsinhabers als Arbeitgeber und Unternehmer wird beim Betriebsübergang in aller Regel im Verhältnis zum Arbeitnehmer nicht erkennbar, denn wenn der Betrieb (und damit die Grundlagen zur unternehmerischen Betätigung) auf einen anderen Inhaber übergeht, ordnet § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB den Arbeitgeberwechsel an, so daß sich im Ergebnis beide Eigenschaften auf der Erwerberseite finden. Für Wettbewerbsverbote bleibt der
3 3 9
Ähnl. Bengelsdorf, DB 1985, 1585.
3 4 0
Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 370.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
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Betriebsübergang deshalb so lange unproblematisch, wie beide Funktionen anläßlich des Inhaberwechsels auf den Erwerber übergehen. Probleme müssen sich jedoch zwangsläufig dann ergeben, wenn die Rechtsstellung aus der Wettbewerbsabrede beim Arbeitgeber verbleibt, während die Unternehmerfunktion infolge des Betriebsübergangs vom ursprünglichen Inhaber abgetrennt und auf den neuen Inhaber übertragen wird. Gerade dieser Fall kann bei Veräußerung des gesamten Betriebes und unmittelbarer Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 auf das Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer eintreten. Diese Abspaltung der Unternehmerfunktion von der Gläubigerstellung aus der Wettbewerbsabrede widerspricht dem auf die unternehmerische Tätigkeit bezogenen Schutzzweck des Wettbewerbsverbots. Sinnvoller erscheint es deshalb, den Übergang der Rechte und Pflichten aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot an den Übergang der unternehmerischen Funktion zu koppeln. 3 4 1 Unter Beachtung des für das Wettbewerbsverbot geltenden unternehmerischen Schutzzwecks mutet es geradezu verwunderlich an, daß bei bestehenden Arbeitsverhältnissen der Übergang des nachvertraglichen Wettbewerbsschutzes gewährleistet sein soll, bei beendeten Arbeitsverhältnissen jedoch nicht, obwohl gerade hier für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, Konkurrenz zu treiben, in greifbare Nähe gerückt ist. Eine andere Frage mag sein, ob der Veräußerer dann noch Schutz vor Wettbewerb verdient, wenn er selbst noch einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht. 3 4 2 Dies ändert jedoch nichts an der Grundaussage, daß es bei Übergang des gesamten Betriebes nach dem Schutzzweck des Wettbewerbsverbots geboten erscheint, den Schutz demjenigen zugute kommen zu lassen, der die unternehmerische Funktion ausübt. Insoweit ist die Situation mit den gesetzlichen Wettbewerbsverboten bzw. mit den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten bei bestehendem Arbeitsverhältnis vergleichbar. Durch analoge Anwendung des § 613 a BGB auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer könnte das Wettbewerbsverbot seinen Schutzzweck wieder erfüllen. cc) Interessenlage aaa) Die Interessen des Arbeitnehmers Das Interesse des Arbeitnehmers, der eine Wettbewerbsvereinbarung unterzeichnet hat, wird sich bereits während der Zeit des Bestehens des Arbeitsver3 4 1 In ähnliche Richtung zielt auch Schaub, ArdGw, Band 18, 71 (76), wenn er ausführt, die Entscheidung über die analoge Anwendbarkeit des § 613 a BGB hänge davon ab, ob man dessen Funktion auch darin sehe, dem Erwerber einen funktionsfähigen Betrieb zu verschaffen. 342 Vgl ( j ^ u unten II. Teil, Abschn. B, 5. Kap.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
hältnisses darauf richten, daß sich der Betriebsübergang für eine nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses anschließende Karenzzeit nicht nachteüig auswirkt. Der Arbeitnehmer wird deshalb daran interessiert sein, daß ihm auch nach Betriebsübergang zu Beginn der Karenzzeit ein leistungsfähiger Schuldner gegenübersteht, der in der Lage ist, die Karenzentschädigung zum Fälligkeitszeitpunkt zu entrichten. Für die Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses wird dieses Interesse regelmäßig dadurch geschützt, daß nach der Regelung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB der Vertragspartnerwechsel den Inhaberwechsel am Betrieb und damit den Übergang der haftenden Masse voraussetzt. Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird sich das Interesse des an das Wettbewerbsverbot gebundenen Arbeitnehmers darauf richten, daß die Zahlung der Karenzentschädigung sichergestellt ist. Insoweit ist die Interessenlage mit der Situation vor Betriebsübergang ähnlich. Tritt nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses der Erwerber nicht in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede ein, besteht die Gefahr, daß der Arbeitnehmer nicht mehr auf das Vermögen des Betriebes als haftende Masse zurückgreifen kann. Die wirtschaftliche Gegenleistung, die der Veräußerer für den veräußerten Betrieb möglicherweise erhalten hat, bietet dem Arbeitnehmer insoweit keine ausreichende Sicherheit, da deren Verbleib für ihn nur schwer zu kontrollieren i s t . 3 4 3 Ausgehend von dieser Interessenlage ist die analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot geboten. Anders wäre dies möglicherweise nur, wenn sich für den Arbeitnehmer wegen der Rechtsfolge des § 324 Abs. 1 BGB die Gelegenheit bieten würde, sich aus Anlaß des Betriebsübergangs von der Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung zu befreien. Hier stellt sich jedoch die Frage, weshalb das zufällige Ereignis des Betriebsübergangs eine Freistellung von der Unterlassungspflicht bewirken sollte. Ausgehend von den oben erwähnten Grundgedanken der Kontinuität des Leistungsaustausches und dem auf die unternehmerische Tätigkeit bezogenen Schutzzweck des Wettbewerbsverbots ist nicht ersichtlich, weshalb der Arbeitnehmer insoweit privilegiert werden sollte. Mit dem Betriebsübergang sind die durch ihn bestehenden Risiken hinsichüich der Konkurrenztätigkeit nicht untergegangen^ 613 a BGB wurde anläßlich der Novellierung des BetrVG 1972 mit Wirkung vom 19.1.1972 in das BGB eingefügt. 344
3 4 3 Löwe, S. 132; Säcker/Joost, DB 1978, 1031; a.A. Küstner/von Manteuffel, Anm. zu BAG AP Nr. 60 zu § 613 a BGB, wonach wegen des beim Erwerber befindlichen Äquivalents für die Betriebsveräußerung kein sachlicher Grund bestünde, dem Arbeitnehmer einen zusätzlichen Schuldner zur Verfügung zu stellen. 3 4 4 Zwar war die neue Bestimmung ursprünglich in § 122 BetrVG 1972 enthalten, doch ist die Vorschrift deshalb nicht auf den Geltungsbereich des BetrVG beschränkt, BAG DB 1980, 1495.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
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Demgegenüber hat das BAG betont, daß es für den Arbeitnehmer bedeutsam sein könne, daß er Wettbewerbsenthaltung nur dem Veräußerer persönlich schulde. 345 Daß der Arbeitnehmer ein solches Interesse haben könnte, kann im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Hierfür spricht zunächst der Grundgedanke der Vertragsautonomie. Der Arbeitnehmer könnte daran interessiert sein, persönliche Bindungen nur zu Vertragspartnern einzugehen, die ihm genehm sind. Gründe hierfür könnten beispielsweise in der Bonität des Erwerbers zu finden sein. Fraglich kann nur sein, ob im Rahmen der Untersuchung der Ähnlichkeit dieses Interesse als schützenswert erscheint, insbesondere dann, wenn man den geregelten und den nicht geregelten Falltypus vergleicht. Der Auffassung, daß solche Interessen berücksichtigt werden sollten, muß jedoch entgegengehalten werden, daß die personale Beziehung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers zu seinem Vertragspartner regelmäßig nicht mehr die Intensität enthält, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestand. Wenn aber während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber ein Vertragspartnerwechsel zugemutet werden kann, ist nicht einzusehen, weshalb dies beim ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht der Fall sein soll, zumal der Vertragspartnerwechsel an dieselben sachlichen Voraussetzungen geknüpft wäre. Im übrigen gilt in diesem Zusammenhang auch, daß der tragende Grund für die Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots darin zu sehen ist, daß nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses der bereits während dessen Dauer geltende Schutz der unternehmerischen Betätigung fortgesetzt werden soll. Persönliche Interessen stehen insoweit nicht im Vordergrund. Deshalb kann den persönlichen Interessen des Arbeitnehmers bei Wechsel des Vertragspartners hinsichtlich des Wettbewerbsverbots keine Bedeutung zugemessen werden. Soweit das Interesse des Arbeitnehmers an der Bonität des Vertragspartners eine Rolle spielen sollte, ist darüberhinaus nicht ersichtlich, weshalb der ausgeschiedene Arbeitnehmer anders behandelt werden sollte als der noch im Arbeitsverhältnis befindliche. Auch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses kann es vorkommen, daß bei Betriebsübergang der bisherige Arbeitgeber durch einen weniger finanzkräftigen Arbeitgeber ersetzt wird. Im Ergebnis zeigt sich damit, daß bei Betriebsübergang die Interessenlage bezüglich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf Seiten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers durchaus der entspricht, die bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis vorhanden ist. Wegen der Ähnlichkeit der Interessenlage erscheint die analoge Anwendung des § 613 a BGB insoweit geboten.
3 4 5
BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB; BAG DB 1980, 1495; BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. Vgl. hierzu auch Röhsler/Borrmann, S. 129.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
bbb) Die Interessen des Betriebsveräußerers Das Interesse des Betriebsveräußerers am nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wird regelmäßig nur solange bestehen, wie er Inhaber des zu veräußernden Betriebes ist. Mit Veräußerung des Betriebes hat er die wirtschaftliche Verantwortung für den Betrieb auf den Erwerber übertragen. Daraus folgt, daß auch das Interesse am Wettbewerbsverbot, das wirtschaftliche Interessen schützt, grundsätzlich nicht mehr bei dem Veräußerer liegt. 3 4 6 Geht man davon aus, daß der Veräußerer bei Übergang des ganzen Betriebes nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB weiterhin Schuldner der Karenzentschädigung bleibt, hierfür aber wegen Unmöglichkeit der Konkurrenztätigkeit keine Gegenleistung erhält, 3 4 7 wird ebenfalls deutlich, daß der Veräußerer an der Aufrechterhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ausgeschiedener Arbeitnehmer selbst kein Interesse mehr haben wird. Vielmehr wird es seinem mutmaßlichen Wülen entsprechen, sich in diesem Fall vollständig von der Wettbewerbsvereinbarung und der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung zu lösen. Aus der Sicht der Interessen des Veräußerers spricht dies für den Eintritt des Erwerbers in die Wettbewerbsabrede des ausgeschiedenen Arbeitnehmers entsprechend § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Dagegen könnte bis zum Zeitpunkt einer Übertragung des Wettbewerbsverbots an den Erwerber ein Interesse des Veräußerers an der Rechtsstellung aus dem Wettbewerbsverbot anzunehmen sein, wenn man dem Vorschlag folgen wollte, daß der Veräußerer seine Rechte aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach §§ 398 ff BGB abtreten könne und der Erwerber die Verpflichtung zur Leistung der Karenzentschädigung nach §§ 414 ff BGB übernehmen könne. Dieser Vorschlag hat jedoch ebenso wie die Konstruktion der Vertragsübernahme, bei der die Wettbewerbsvereinbarung durch dreiseitiges Rechtsgeschäft auf den Erwerber übertragen werden könnte, schon wegen der Mitwirkungsbedürftigkeit des Arbeitnehmers den Nachteü mangelnder Praktikabüität. Hierauf wurde bereits hingewiesen. 348 Damit zeigt sich, daß zumindest bei Übergang des gesamten Betriebes die analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer dem Interesse des Veräußerers am ehesten gerecht würde. Darüberhinaus würde der Veräußerer in die Lage versetzt, einen durch nachvertragliche Wettbewerbsverbote geschützten Betrieb veräußern zu können.
3 4 6
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 111; Schaub, ARdGw Bd. 18, S. 71 (76).
3 4 7
Vgl. oben III. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 1., a.
3 4 8
Vgl. oben III. Teil, Abschn. A, 2. Kap., 3., b, aa.
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
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Anders könnte die Interessenlage sein, wenn der Veräußerer weiterhin im Geschäftszweig des übergegangenen Betriebes tätig bleibt. Im Schrifttum wird gelegentlich angeführt, daß sich insbesondere beim Betriebsteilsübergang zeige, daß auch der frühere Inhaber noch ein Interesse am Wettbewerbsverbot haben könne und daß deshalb nicht davon ausgegangen werden dürfe, daß sich dieses auf den neuen Inhaber verlagere. 349 Zunächst muß Buchner zugestimmt werden, der darauf hinweist, daß es vordergründig nicht darauf ankomme, ob ein Betrieb vollständig oder ob nur ein Betriebsteü übertragen werde. Entscheidend müsse für die Interessenlage vielmehr sein, ob der Betriebsveräußerer noch einen anderen Betrieb oder Betriebsteil mit entsprechender gewerblicher Zielsetzung fortführe. 350 Danach ist zuzugestehen, daß Fälle vorstellbar sind, bei denen der Veräußerer noch ein Interesse am Schutz vor Wettbewerb haben kann. Zweifelhaft erscheint aber, ob es hinsichtlich des Schutzes vor Wettbewerb bei Veräußerung eines Betriebes oder Betriebsteils grundsätzlich auf das Anliegen des Veräußerers ankommt. Insoweit begegnet die von den Kritikern vorgetragene Fragestellung bereits im Ansatz Bedenken. Geht man für den Wettbewerbsschutz von der Rechtslage bei bestehenden Arbeitsverhältnissen aus, kommt es hierfür nicht auf die Interessen des Veräußerers an. Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ist für den Wettbewerbsschutz vielmehr entscheidend, ob der Arbeitnehmer, der an das Wettbewerbsverbot gebunden ist, dem übergehenden Betrieb oder Be triebsteil objektiv zuzuordnen ist und ob deshalb kraft Gesetzes ein Arbeitgeberwechsel stattfindet. 351 Ist das Arbeitsverhältnis dem übergehenden Betriebsteü zuzuordnen, dann tritt der Erwerber vollständig in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und damit in die Wettbewerbsabrede e i n . 3 5 2 Ist es dem übergehenden Betriebsteil nicht zuzuordnen, bleibt das Arbeitsverhältnis zwischen den bisherigen Arbeitsvertragsparteien bestehen. Es fragt sich daher, weshalb bei Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer zugunsten der Veräußererinteressen eine andere Regelung gelten sollte. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung ausgeschiedener und nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer sind nicht ersichtlich; vielmehr sind beide Falltypen ähnlich. Zu bedenken ist auch, daß der Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers im übergehenden Betriebsteü zu finden sein muß, wenn der Ar-
3 4 9
Vgl. die Nachw. III. Teil, Fußn. 107.
3 5 0
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 111.
3 5 1
Zur Zuordnung vgl. Teil 1,4.
3 5 2
Zu Möglichkeit und Grenzen des Veräußererschutzes vgl. ausführlich III. Teil, Abschn. B, 5. Kap.
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
beitnehmer dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen sein soll. 3 5 3 Dann aber erscheint es auch sinnvoll, wenn der Wettbewerbsschutz dem übergehenden Betriebsteü zugute kommt, auch wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
ccc) Die Interessen des Betriebserwerbers Regelmäßig wird man davon ausgehen können, daß der Betriebserwerber ein Interesse an einem fortlaufenden Schutz vor Wettbewerb h a t . 3 5 4 Wenn gelegentlich behauptet wird, daß es keinen allgemeinen Grundsatz gebe, wonach nicht mehr der bisherige Betriebsinhaber, sondern nur der Betriebserwerber an der Einhaltung der Unterlassungspflicht interessiert sei, 3 5 5 so ist das in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Zunächst scheint es naheliegend, daß derjenige, der den Betrieb vollständig erwirbt, auch das Interesse am Schutz der wirtschaftlichen Substanz des Betriebes hat und daß derjenige, der den Betrieb übergibt, dieses Interesse ab Übergabe verliert. Auch hier ist die Interessenlage bezüglich des Wettbewerbsverbots ausgeschiedener Arbeitnehmer ähnlich der Interessenlage bei bestehenden Arbeitsverhältnissen. Deshalb erscheint es auch insoweit geboten, § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer analog anzuwenden. Man könnte dem entgegenhalten, daß der Erwerber möglicherweise ein Interesse daran haben könnte, einen Betrieb zu erwerben, der frei von unrentablen "Altlasten" i s t . 3 5 6 Als eine solche "Altlast" könnte auch die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung empfunden werden, wenn diese auf den Erwerber überginge. Dabei würde allerdings übersehen, daß diese Belastungen, soweit sie als solche anerkannt werden könnten, über den für den Betrieb zu entrichtenden Kaufpreis kompensiert werden könnten. 357 Für die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer ergibt sich jedoch noch ein weiterer Aspekt. Hat sich der Arbeitgeber des noch nicht übergegangenen Betriebes bei Vereinbarung des Wettbewerbsverbots hinsichüich seines Interesses "verkalkuliert", 358 d.h., stellt er zu einem späteren Zeitpunkt fest, daß sein Interesse am Wettbewerbsverbot entfallen ist, dann zeigt die Wertung 3 5 3
Vgl. die Nachw. im I. Teil, Fußn. 73.
3 5 4
Nachw. im III. Teil, Fußn. 125; a.A. Posth, S. 138.
3 5 5
Vgl. die Nachw. im III. Teil, Fußn. 107.
3 5 6
Daß fehlende Rentabilität sich als Sanierungshemmnis auswirken kann, wurde bereits oben S. 84 ff u. S. 88 besprochen. 3 5 7
Gockel, S. 130.
3 5 8
Vgl. hierzu Grunsky, FS-Söllner, S. 41 (51).
3. Analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB
229
des § 75 a HGB, daß er dieses Risiko nach Ausscheiden des Arbeitnehmers allein trägt und nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen kann. Ein Verzicht auf die Wettbewerbsabrede, mit der Folge, daß der Arbeitgeber mit Ablaufeines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung frei wird, ist nur vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich. Der analogen Anwendung des § 613 a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer kann deshalb nicht entgegengehalten werden, daß der neue Inhaber infolge der durch den Übergang bedingten Veränderungen sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots verlieren könnte. Sollte der neue Inhaber wegen des Betriebsübergangs oder Betriebsteilsübergangs oder erst später sein Interesse am Wettbewerbsverbot verlieren, so muß er dieses Risiko tragen, ebenso wie es der frühere Inhaber tragen mußte. Ein Interessenwandel auf Arbeitgeberseite kann sich nach der Grundentscheidung des § 75 a HGB nicht zu Lasten der ausgeschiedenen Arbeitnehmer auswirken.
d) Ergebnis Die Frage, ob auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer bei Betriebsübergang § 613 a BGB analog angewendet werden kann, kann bei Bewertung der Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung nur positiv beantwortet werden: Die Ermittlung der zugrundeliegenden Regelungsabsicht anhand der Entstehungsgeschichte und der gesetzesimmanenten Teleologie führten zu dem Schluß, daß eine planwidrige Unvollständigkeit in Form einer unbewußten Regelungslücke vorliegt. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung, daß es für einen Analogieschluß an der Vergleichbarkeit der Ausgangslage fehle, konnte nach der Untersuchung der Ähnlichkeit festgestellt werden, daß der geregelte und der nicht geregelte Falltypus vergleichbar sind. Dies ergibt sich bereits, wenn der durch § 613 a BGB gegebene Effekt der Kontinuität des Leistungsaustauschs betrachtet wird. Auch bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer findet ein Leistungsaustausch statt. Sachliche Gründe, die das Ende des Leistungsaustauschs aus Anlaß des Betriebsübergangs rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Wettbewerbsverbote dienen dem Schutz der unternehmerischen Tätigkeit. Der Betriebsübergang führt regelmäßig zu einer Übertragung der sachlichen Grundlagen der unternehmerischen Betätigung auf einen anderen Inhaber, der nunmehr die unternehmerischen Aufgaben wahrnehmen kann. Ausgehend von dem auf die unternehmerische Tätigkeit bezogenen Schutzzweck des Wettbe-
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III. Teil, Abschn. Α., 2. Kap.: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
werbsverbots erscheint es deshalb erforderlich, daß der Betriebserwerber geschützt ist. Dem Schutzzweck des Wettbewerbsverbots wird am ehesten entsprochen, wenn auch das Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer entsprechend § 613 a BGB auf den Erwerber übergeht. Auch die Analyse der Interessenlage ließ die Vergleichbarkeit von geregeltem und ungeregeltem Falltypus erkennen. So ist das Interesse des Arbeitnehmers sowohl vor als auch nach Betriebsübergang darauf gerichtet, während der Karenzzeit sich einen leistungsfähigen Schuldner für die Karenzentschädigung zu erhalten. Diese Leistungsfähigkeit ist am ehesten gesichert, wenn auf den Betrieb als haftende Masse zurückgegriffen werden kann. Das Interesse des Betriebsveräußerers richtet sich darauf, nur solange in Anspruch genommen zu werden, als dies für seine Inhaberschaft am Betrieb vorteühaft ist. Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erlischt dieses Interesse. Wie gezeigt wurde, wird die analoge Anwendung des § 613 a BGB dieser Interessenlage gerecht. Insbesondere stünde die Tatsache, daß der Veräußerer trotz des Betriebsübergangs weiterhin Karenzentschädigung zahlen müßte, wogegen der ausgeschiedene Arbeitnehmer ungehindert Wettbewerb betreiben dürfte, in deutlichem Widerspruch zu den Interessen des Veräußerers. Soweit Besonderheiten der Interessenlage bei Betriebsteilsübergang betroffen sind, konnte festgestellt werden, daß für nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer auch hier Ähnlichkeiten zu der Konstellation bei bestehenden Arbeitsverhältnissen vorzufinden sind. Entscheidender Ansatzpunkt für den Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerb ist bei Übergang eines Betriebsteils bei bestehendem Arbeitsverhältnis nicht das Interesse des Veräußerers oder Erwerbers. Vielmehr richtet sich der Anspruch nach der nach objektiven Maßstäben zu untersuchenden Zuordnung des Arbeitsverhältnisses zu dem übergehenden Betriebsteil. Für nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer kann nichts anderes gelten. Auch das Interesse des Betriebserwerbers ist im Hinblick auf die Wettbewerbsverbote ausgeschiedener und nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer vergleichbar. Ihm muß es auf jeden Fall darum gehen, in unternehmerischer Hinsicht einen funktionsfähigen Betrieb zu erhalten. Die Funktionsfähigkeit in bezug auf die wirtschaftliche Verwertung der Betriebsergebnisse ist regelmäßig am ehesten gewährleistet, wenn eine hinreichende Sicherung durch Wettbewerbsverbote besteht. Soweit der Erwerber kein Interesse am Wettbewerbsverbot des ausgeschiedenen Arbeitnehmers hat, muß ihm entgegengehalten werden, daß auch dem Veräußerer ein Verzicht auf das Wettbewerbsverbot gegenüber dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht möglich wäre. Unterzieht man die genannten Gründe einschließlich der bei Feststellung der Regelungslücke gefundenen Faktoren einer abschließenden Bewertung, so kann das Ergebnis nur zugunsten der Lösung für die analoge Anwendung des § 613 a
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Abs. 1 S. 1 BGB ausfallen. Anders als bei Ruhestandsverhältnissen stehen sich bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten in der Karenzzeit noch gegenseitig zu erfüllende Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber. Hier ergeben sich Parallelen zu den Rechten und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen. Auch deshalb ist der Ansicht zuzustimmen, daß der Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis und Wettbewerbsverbot sehr viel stärker ausgeprägt sei als der zwischen Arbeitsverhältnis und Ruhestandsverhältnis.359 Es ließen sich keine Gründe finden, die zu der Bewertung gezwungen hätten, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer anders als Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen behandelt werden müßten. Dagegen konnten mehrere Gründe gefunden werden, die für eine Gleichbehandlung sprechen. Auch der Gesetzgeber hat keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ausgeschiedener und nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer bei Betriebsübergang zu erkennen gegeben. Das Gebot der Gleichbehandlung erfordert deshalb die analoge Anwendung des § 613 a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer. Als Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß beim Betriebsübergang der Erwerber auch in die Rechte und Pflichten aus den Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer eintritt. Er ist deshalb berechtigt, anstelle des Veräußerers Unterlassung von Wettbewerb zu verlangen, und ist im Gegenzug verpflichtet, die Karenzentschädigung zu leisten.
Abschnitt
Β
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede Wenn feststeht, daß der Erwerber bei analoger Anwendung des § 613 a BGB in nachvertragliche Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer eintritt, so wirft dies einige weitere Fragen auf. Insbesondere betrifft dies den Umfang und die Reichweite des Wettbewerbsverbots bei Betriebsübergang sowie die Frage, ob auch der Veräußerer noch vor Wettbewerb geschützt werden kann. Diese Fragen stellen sich jedoch nicht nur im Zusammenhang mit den Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer, sondern bei Übergang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote überhaupt. Deshalb soll die Untersuchung sich im weiteren Fortgang wieder auf alle Fragestellungen beziehen, die
3 5 9
Vgl. die Nachw. im III. Teil, Abschn. Α., Fußn. 122 - 124.
232
III. Teil, Abschn. Β., 1. Kap.: Vertragliche und gesetzliche Komponenten
durch den Betriebsübergang für nachvertragliche Wettbewerbsverbote entstehen.
Erstes Kapitel Die Ausgangslage: Vertragliche und gesetzliche Komponenten zur Bestimmung der Reichweite Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kommt erst dann zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden ist. Zwischen dem Abschluß der Vereinbarung und dem Beginn der Karenzzeit liegt damit regelmäßig eine erhebliche Zeitspanne, innerhalb derer sich die anfangs gegebene Interessenkonstellation beispielsweise durch Umstrukturierungen, Betriebsübernahmen oder Stillegungen, Geschäftseinschränkungen oder Geschäftserweiterungen erheblich verändern kann. 1 Im Hinblick auf einen in diesen Zeitraum fallenden Betriebsübergang stellt sich die Frage, inwieweit hierdurch Auswirkungen auf Inhalt und Umfang vertraglich vereinbarter Wettbewerbsverbote festgestellt werden können. Für die folgende Untersuchung ist von besonderem Interesse, wie sich Einschränkungen oder Erweiterungen der Geschäftstätigkeit, die auf einem Betriebsübergang beruhen, auf die Reichweite der nachvertragl ichen Wettbewerbsverbote und damit auf die Rechts- und Pflichtenstellung der Parteien der Wettbewerbsabrede auswirken. Zahlreiche weitere Fragestellungen, zum Beispiel, ob und wie es möglich ist, den Inhalt der Vereinbarung an eine veränderte Geschäftssituation anzupassen, schließen sich an. Auch stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein Schutz des Veräußerers trotz des Betriebsübergangs noch in Betracht kommen kann. Bevor die Auswirkungen des Betriebsübergangs im einzelnen untersucht werden können, muß der grundlegenden Frage nachgegangen werden, welche Faktoren den Inhalt und die sachliche Reichweite nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bestimmen. Hier lassen sich zunächst zwei hauptsächliche Komponenten unterscheiden: zum einen sind es die Parteien des Wettbewerbsvertrages selbst, die Art und Umfang der verbotenen Tätigkeiten vertraglich festlegen; zum anderen wird die sachliche Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots durch gesetzliche Erfordernisse bestimmt, wie etwa durch das in § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB enthaltene Merkmal des berechtigten geschäftlichen Interesses oder durch das nach § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB festgelegte Verbot der unbilligen Fortkommenserschwerung. Die Verletzung der gesetzlich bestimmten Mindestanforderungen führt entweder zur Unwirksamkeit oder zur Unver1 Zur bei Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten gegebenen Interessenlage der Vertragsparteien vgl. Gamillscheg, RdA 1975,13 (15 f).
III. Teil, Abschn. B., 1. Kap.: Vertragliche und gesetzliche Komponenten
233
bindlichkeit der Wettbewerbsabrede.2 Die Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots wird demnach durch das duale Zusammenwirken von gesetzlichen und vertraglichen Faktoren bestimmt.3 Dabei bildet insbesondere das Erforderais des berechtigten geschäftlichen Interesses nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB ein wichtiges Korrektiv zur Reduktion ursprünglich zu weit gefaßter Wettbewerbsverbote.4 Wenn Inhalt und Umfang nachvertraglicher Wettbewerbsverbote durch vertragliche und gesetzliche Faktoren bestimmt werden, dann sind bei der Fragestellung, ob und inwieweit sich der Betriebsübergang auf den Inhalt nachvertraglicher Wettbewerbsverbote auswirkt, in methodischer Hinsicht beide Komponenten getrennt zu untersuchen. Der Betriebsübergang kann sich möglicherweise sowohl auf die vertragliche Komponente auswirken als auch auf diejenige Komponente, die den gesetzlichen Erfordernissen gerecht wird. Gerade die Frage, wie sich der Betriebsübergang auf das vom Gesetz geforderte berechtigte geschäftliche Interesse auswirkt, wird im Schrifttum relativ häufig diskutiert.5 Dagegen findet der Umstand, daß der Betriebsübergang sich möglicherweise auch auf die Komponente auswirken kann, die den Verbotsumfang auf vertraglicher Ebene bestimmt, kaum Erwähnung.6 Bevor im folgenden untersucht wird, wie sich der Betriebsübergang auf den vertraglich bestimmten Inhalt der Wettbewerbsabrede auswirkt, soll zunächst dargestellt werden, mit welcher inhaltlichen Ausgestaltung die sachliche
2
Da es hier um die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den vertraglich bestimmten Inhalt geht, sollen die Gründe, die bereits von Anfang an zur Nichtigkeit des Wettbewerbsabrede führen, außer Betracht bleiben. Als Nichtigkeitsgründe sind insbesondere zu nennen § 74 Abs. 1 HGB i.V.m. § 125 BGB; § 74 Abs. 2 HGB; § 74 a Abs. 2 S. 2 HGB, § 133 f Abs. 2 GewO; § 5 Abs. 1 S. 1 BBiG; § 74 a Abs. 2 S. 2 HGB; § 74 a Abs. 2 S. 3 HGB; § 138 BGB. Zu den Besonderheiten des § 74 a Abs. 2 S. 1 HGB vgl. nur Grüll, S. 25 f. Ferner bedarf es an dieser Stelle keiner Erörterung, inwieweit sich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Art. 12 GG vereinbaren läßt; vgl. hierzu BAG AP Nr. 3 zu § 133 f GewO; AP Nr. 7 zu Art. 12 GG; AP Nr. 21 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; Achterberg, JZ 1975 , 713 ff; Brune, S. 5; Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 18 ff; Grunsky, Wettbewerbsverbote S. 45; Lenzen, NJW 1964, 139 ff; Löwe,, S. 52 ff; Monjau, RdA 1968, 208 (210 ff); Plett/Welling, DB 1986, 2282; Röhsler/Borrmann, S. 24; Schwabe, JZ 1976, 439; Westhoff, RdA 1976, 353 ff. 3
Ähnlich Dorndorf, S. 225, der zwischen dem Aspekt der Auslegung von Wettbewerbsverboten und dem der Inhaltskontrolle unterscheidet. 4 Martens, FS-Herschel, S. 237 (247); Dorndorf, S. 223 weist "Begrenzungsfunktion" des berechtigten geschäftlichen Interesses hin.
auf
die
5
Zu den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das berechtigte geschäftliche Interesse vgl. unten Abschn. B, 3. Kap. und die dort angeführten Nachweise. 6 Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 140 weist darauf hin, daß sich der Inhalt des Verbots bei erweitertem Tätigkeitsbereich des Erwerbers ausweiten könne.
234
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
Reichweite des Wettbewerbsverbots auf vertraglicher Ebene festgelegt werden kann.
Zweites Kapitel
Die Auswirkungen auf die durch Vertrag bestimmte Reichweite 1. Die Bestimmung der Reichweite der Wettbewerbsvereinbarung a) Die Bestimmung der konkurrierenden
Tätigkeiten
Wettbewerbsabreden können in bezug auf die Art der verbotenen Tätigkeit eine vielfältige inhaltliche Ausgestaltung erfahren.7 Rechtsprechung und Schrifttum unterscheiden vornehmlich tätigkeits- und unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote.8 Die tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbote erfassen nur bestimmte, in der Wettbewerbsvereinbarung näher umschriebene Tätigkeiten. Hierzu gehören Vereinbarungen, die dem Arbeitnehmer verbieten, sich in bestimmten Arbeits- und Fertigungsbereichen zu betätigen.9 Aus inhaltlicher Sicht reicht es für das Vorliegen eines solchen Wettbewerbsverbots aus, wenn die Vereinbarung die wirtschaftliche Tätigkeit des Arbeitnehmers in nicht unbedeutender Weise beschränkt.10 Ist ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart, ist der Arbeitnehmer nicht generell gehindert, sich in einem Konkurrenzunternehmen zu betätigen. 11 Allerdings darf seine Tätigkeit im Konkurrenzunternehmen nicht unter eine vom Wettbewerbsverbot erfaßte Tätigkeit fallen. 12
7 Vgl. hierzu einige Vorschläge von Schaub, Formularsammlung, § 4, 2. Beispiele mit Hinweisen auf die Rechtsprechung finden sich bei Dorndorf, S. 224 f. Nach Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 120, bildet allerdings § 60 HGB eine Obergrenze. Was der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses tun dürfe, könne ihm nach Beendigung nicht versagt werden. 8
BAG AP Nr. 17 zu § 133 f GewO; AP Nr. 21 zu § 133 f GewO m. Anm. v. Sintitis; AP Nr. 24 zu § 133 f GewO m. Anm. v. Simitis; Ap Nr. 1 zu § 75 b HGB; Boldt, NWB Fach 26, 1724; Buchner, S. 66; Dorndorf, a.a.O.; Martens, Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 172 f; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 II. 1.; ders., RdA 1971, 268 (269); vgl. auch Grüll, S. 37 und Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 121, die noch weiter differenzieren. 9
Grüll, S. 37.
10
Schlegelberger-Schröder,
11
BAG AP Nr. 17 zu § 133 f GewO.
12
Röhsler/Borrmann,
S. 78.
§ 74 Rdn. 4; Grüll, S. 36.
1. Die Bestimmung der Reichweite der Wettbewerbsvereinbarung
235
Dagegen stellen unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote entscheidend auf den künftigen Beschäftigungsbetrieb ab. 1 3 Ist ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart, so bezieht sich das Verbot auf alle Betätigungen, die ein Arbeitnehmer überhaupt für ein Konkurrenzunternehmen ausüben kann. 14 Weitere inhaltliche Abstufungen der Wettbewerbsabrede können sich ergeben, wenn dem Arbeitnehmer nicht schlechthin die Betätigung in einem Konkurrenzunternehmen verboten ist, sondern nur einzeln aufgeführt wird, in welchem Geschäftszweig er nicht tätig werden darf. 15 Einschränkungen der Betätigung können beispielsweise in regionaler oder marktspezifischer Hinsicht (Schutz nur bestimmter Absatzmärkte) vereinbart werden. 16 Auch bei diesen eingeschränkten Wettbewerbsverboten handelt es sich um unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote,17 wenn der maßgebliche Anknüpfungspunkt dafür, ob eine Betätigung wettbewerbswidrig ist, bei dem in Betracht kommenden Konkurrenzunternehmen und nicht bei einer konkret bezeichneten Tätigkeit des Arbeitnehmers zu suchen ist. Fehlt eine vertragliche Konkretisierung, hat der Arbeitnehmer jeglichen Wettbewerb zu unterlassen.18 Die Bestimmung derjenigen Unternehmen, die den Konkurrenzunternehmen zugeordnet werden können, bereitet häufig Schwierigkeiten. 19 Unzweifelhaft ist zunächst, daß ein Unternehmen, das auf demselben Markt wie der Arbeitgeber tätig ist, als aktuelles Konkurrenzunternehmen einzuordnen ist. 2 0 Hier ist die Konkurrenzsituation der beiden Unternehmen entscheidend.21 Allerdings erfährt dieser Grundsatz eine erste Durchbrechung dadurch, daß die Tätigkeitsbe13
Röhsler/Borrmann, S. 79. Eine derartige Vereinbarung ist nach der Rechtsprechung zulässig: BAG AP Nr. 17 zu § 133 f GewO (zu I I b); AP Nr. 19 zu § 133 f GewO (zu III, 1); AP Nr. 21 zu § 133 f GewO (zu 6 a). Wenn nachvertragliche Wettbewerbsverbote ihre Funktion wirksam erfüllen können sollen, muß man der Rechtsprechung zustimmen. Zur Korrektur von zu weit gefaßten Wettbewerbsabreden vgl. unten Abschn. B, 3. Kap. 14
BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO m. Anm. von Simitis.
15
Röhsler/Borrmann,
16
Grunsky, Wettbewerbsverbote S. 121; Schlegelberger-Schröder,
17
Röhsler/Borrmann,
18
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 122.
1 9
Ausführlich Dorndorf,
S. 78. § 74 Rdn. 4.
S. 78. S. 226 ff.
2 0
BAG AP Nr. 25 zu § 133 f GewO. Im Gegensatz zu Begriff der "aktuellen Konkurrenz" steht der der "potentiellen Konkurrenz". Dabei geht es um die Frage, ob der durch das Wettbewerbsverbot gewährte Schutz sich auch auf möglicherweise erst in den Markt eintretende Unternehmen beziehen kann, vgl. dazu Dorndorf S. 223 ff, 237 ff. 2 1
Zu Einzelheiten bezüglich der Feststellung der Konkurrenzsituation vgl. Dorndorf S. 227 ff, der insbesondere zwischen "Nachfrageverwandtschaft" und "Produktionsverwandtschaft" unterscheidet.
236
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
reiche der in Betracht kommenden Unternehmen nicht vollständig identisch sein müssen. Auch eine partielle Übereinstimmung der Tätigkeitsbereiche genügt für das Eingreifen des Wettbewerbsverbots.22 Des weiteren ist es bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten nicht erforderlich, daß der Arbeitnehmer im als Konkurrenzunternehmen in Frage kommenden Betrieb derselben Beschäftigung nachgeht wie in seinem bisherigen Betrieb. 23 Solange seine Kenntnisse für den künftigen Arbeitgeber verwertbar sind, muß der bisherige Arbeitgeber durch das Wettbewerbsverbot geschützt sein. Etwas anderes kann nur da der Fall sein, wo sich klare organisatorische Abgrenzungen ergeben, denenzufolge der bisherige Arbeitgeber nicht gefährdet ist. Dies kann beispielsweise dann in Betracht kommen, wenn eine Beschäftigung in einem Konzernunternehmen vorgesehen ist und ein anderes Unternehmen des Konzerns mit dem bisherigen Arbeitgeber in Wettbewerb steht. Sofern der bisherige Arbeitgeber nicht dadurch einer konkreten Gefahr ausgesetzt ist, daß der Arbeitnehmer konzernübergreifend tätig wird, beispielsweise weil er eine Leitungsfünktion in der Konzernspitze übernimmt, stehen seiner Beschäftigung in einem nicht konkurrierenden Konzernbetrieb grundsätzlich keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegenüber.24 Ob es sich um ein tätigkeits- oder unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot handelt, muß im jeweiligen Einzelfall untersucht werden. 25 Gegebenenfalls muß der konkrete Inhalt des Wettbewerbsverbots durch Auslegung ermittelt werden. Hierzu müssen die allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) herangezogen werden. 26 Insgesamt sind die Erklärungen in der Wettbewerbsabrede nicht weiter, aber auch nicht enger auszulegen als bei anderen Verträgen. 27 Neben dem Wortlaut soll auch der Zweck der getroffenen Vereinbarung beachtet werden, 28 darüberhinaus soll das Formerfordernis "nicht zu einer strengen Bindung ausschließlich an die Wortauslegung" führen. 29 Bei Unklarheit 2 2 Simitis, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO; Röhsler/Borrmann, m.w.Nachw. 2 3
S. 78
Simitisy a.a.O.
2 4
Grunsky y Wettbewerbsverbote, S. 124; Martens, FS-Herschel, S. 253; Simitist a.a.O.; Windbichler, S. 134. Zur Frage des Drittbezuges nachvertraglicher Wettbewerbsverbote s. sogleich unter b). 25
Röhsler/Borrmanny
2 6
Grülly
2 7
Buchner y Wettbewerbsverbot, S. 66.
S. 78.
S. 38; zu einzelnen Auslegungsfragen vgl. Röhsler/Borrmanny
S. 78 f.
2 8 AP Nr. 23 zu § 74 HGB m. Anm. von Weitnauen Röhsler/Borrmanny Schlegelberger-Schröder y § 74 Rdn. 5. 2 9
Windbichler y S. 130; a. A. Krachty BB 1970, 584 f.
S. 78;
1. Die Bestimmung der Reichweite der W e t t b e w e r b s v e r e i n b a r u n g 2 3 7
des Wortlauts ist der wirkliche oder mutmaßliche Wille der Parteien im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu ermitteln. 30 Die grundsätzliche Klassifizierbarkeit in tätigkeitsbezogene und unternehmensbezogne Wettbewerbsverbote bringt nicht immer Klarheit, welche Betätigung noch als wettbewerbsrelevant anzusehen ist. Die Gefahr, die mit einer rein begriffsorientierten Rechtsanwendung verbunden ist, erhellt beispielsweise deutlich der vom BAG mit Urteil v. 30.1.1970 entschiedene Fall. 3 1 Obwohl die diesem Fall zugrundeliegende Wettbewerbsvereinbarung auf konkrete Tätigkeiten Bezug genommen hatte, entschied das BAG zu Recht, daß es sich um ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot handle. Die bloße Unterscheidung zwischen unternehmensbezogenen und tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten sei zu eng, sofern man den zugehörigen Sachverhalt außer Betracht lasse. Die tatsächlichen Gegebenheiten spielten für die Auslegung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots eine entscheidende Rolle. 32 Auch Simitis hebt dies hervor, wenn er betont, daß nichts verfehlter wäre, "als die Wettbewerbsverbote in zwei säuberlich voneinander getrennte Bereiche aufteilen zu wollen. Begriffe wie 'Tätigkeit' und 'Unternehmen' spiegeln nicht verbindlich inhaltliche Unterscheidungen wider. Was allem zählt, ist ein Vergleich, der jede Tätigkeit nicht isoliert betrachtet, sondern auf das Gesamtunternehmen bezieht und von dort aus bewertet." 33 Dem kann ohne weiteres gefolgt werden. Dennoch ist die Unterscheidung in Unternehmens- und tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbote nicht völlig ohne Belang. Für die hier anstehende Untersuchung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die durch Vertrag bestimmte Reichweite nachvertraglicher Wettbewerbsverbote besteht ihre Aufgabe darin, zu verdeutlichen, daß es Wettbewerbsverbote gibt, die bereits in ihrer vertraglich angelegten Struktur unterschiedliche Reichweiten enthalten können. Wenn davon auszugehen ist, daß es unterschiedlich strukturierte Wettbewerbsverbote gibt, muß sogleich auf ein für die Untersuchung wesentliches Unterscheidungsmerkmal hingewiesen werden: beide Arten des Wettbewerbsverbots weisen bei Veränderungen der Geschäftstätigkeit verschiedenartige Folgen bezüglich ihrer Reichweite auf. Ist ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart, so wirkt sich erne im Laufe des Arbeitsverhältnisses stattfindende Einschränkung oder Erweiterung der Geschäftstätigkeit nicht auf 3 0
Röhsler/Borrmanny
3 1
BAG AP Nr. 24 zu § 133 f GewO m. zust. Anm. v. Simitis.
S. 79.
3 2 BAG a.a.O.; Dorndorf, S. 251 betont, daß es dem BAG wohl wesentlich darauf ankam, sich von der Dichotomie der Tätigkeits- und Unternehmensbezogenheit der Wettbewerbsverbote zu trennen. 3 3
252.
Simitis, Anm. zu BAG AP Nr. 24 zu § 133 f GewO; vgl. hierzu auch Dorndorf
S.
238
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
die vertraglich vereinbarte Reichweite des Verbots aus. Dem Arbeitnehmer bleibt nach wie vor eine fest definierte Tätigkeit untersagt, wobei freilich bei Untersuchung der eingangs erwähnten gesetzlichen Komponente 34 zu prüfen ist, ob dieses Verbot verbindlich bleibt. 3 5 Bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten steht die maximale Reichweite des Verbots bereits bei Abschluß der Vereinbarung fest. Maßgeblicher Zeitpunkt für die durch Vertrag bestimmte Reichweite des Verbots ist der Zeitpunkt der Wettbewerbsvereinbarung. Korrekturen zu weit gefaßter Wettbewerbsabreden erfolgen über die gesetzliche Komponente bei Prüfung der Verbindlichkeit des Verbots. Anders ist dies bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten. Zwar steht auch hier bei Vereinbarung die Art des Verbots fest, doch richtet sich dessen Reichweite danach, welche Unternehmen aufgrund der geschäftlichen Entwicklung im Laufe des Arbeitsverhältnisses, spätestens jedoch bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, als Konkurrenzunternehmen zu betrachten sind. 3 6 Damit ist für die Reichweite des Wettbewerbsverbots die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers entscheidend. Durch seine geschäftliche Entfaltung am Markt bestimmt der Arbeitgeber, welche Unternehmen zu ihm in Wettbewerb stehen. Welche Unternehmen als Konkurrenzunternehmen einzuordnen sind, steht erst bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem aktiven Arbeitsverhältnis fest. Bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Wettbewerbsvereinbarung kann sich damit eine Ausdehnung oder Einschränkung des Umfangs der Enthaltungspflicht in sachlicher und regionaler Hinsicht ergeben. Die sich aus allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts ergebende Forderung, daß Inhalt und Umfang der Wettbewerbsabrede für den Arbeitnehmer bei ihrer Vereinbarung erkennbar sein müssen, 37 steht der Tatsache nicht entgegen, daß als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Reichweite des unternehmensbezogenen Verbots nicht der Zeitpunkt der Vereinbarung in Betracht kommt. Auch wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung dem Arbeitnehmer noch nicht bekannt ist, welche konkrete sachliche Reichweite das Wettbewerbsverbot annehmen wird, ist die Vereinbarungen deshalb nicht unwirksam. Immerhin hat der Arbeitnehmer Kenntnis darüber, daß nach der Vertragsgestaltung alle in der Zeit zwischen Abschluß der Vereinbarung und Ende des Arbeitsverhältnisses
3 4
Vgl. oben III. Teil, Abschn. B, 1. Kap.
35
In Betracht kommen kann insbesondere ein Wegfall des berechtigten geschäftlichen Interesses; vgl. dazu unten Abschn. B, 3. Kap. 3 6 Das trifft auch auf unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote zu, die in irgendeiner Weise eingeschränkt sind. Beispielsweise kann trotz regionaler Beschränkung des Wettbewerbsverbots eine Ausdehnung der Geschäftstätigkeit in sachlicher Hinsicht in Betracht kommen. 3 7
Vgl. nur Windbichler,
S. 130.
1. Die Bestimmung der Reichweite der W e t t b e w e r b s v e r e i n b a r u n g 2 3 9
konkurrierenden Unternehmen als Betätigungsfelder ausgeschlossen sind. Dies reicht für die Erkennbarkeit der Reichweite des Verbots aus. Würde man solche Vereinbarungen nicht zulassen, wäre letzüich der Sinn nachvertraglicher Wettbewerbsverbote obsolet. Da im Laufe des Arbeitsverhältnisses sich regelmäßig erhebliche geschäftliche Entwicklungen und Veränderungen der Marktlage ergeben können, würde ein "Einfrieren" des status quo die Risiken, die das Wettbewerbsverbot auffangen soll, gerade nicht verhindern. Die zum Zeitpunkt der Wettbewerbsvereinbarung bestehenden Risiken sind zum Zeitpunkt der Durchführungsphase häufig nicht mehr wettbewerbsrelevant, und umgekehrt können im Laufe des Arbeitsverhältnisses neue Risiken entstehen. Es zeigt sich damit, daß anders als bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten die vertraglich bestimmte Reichweite unternehmensbezogener Wettbewerbsverbote von der geschäftlichen Entwicklung bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers abhängig ist. 3 8 Die Ausweitung des Geschäftsbetriebes kann also eine Erweiterung der sachlichen Reichweite des Wettbewerbsverbots zur Folge haben, soweit es sich um eine unternehmensbezogene Wettbewerbsabrede handelt und das Arbeitsverhältnis noch andauert.39 Eine nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers stattfindende Ausweitung der Geschäftstätigkeit kann sich dagegen auf die Reichweite des Verbots nicht mehr auswirken, da das Wettbewerbsverbot nur vor den spezifischen Gefahren schützen kann, die dem Arbeitgeber durch die Beschäftigung des Arbeitnehmers bei ihm entstanden sind. 4 0 Eine Ausweitung des Verbots in sachlicher oder regionaler Hinsicht ist deshalb nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich. Spätestens mit Beginn der Karenzzeit muß der Arbeitnehmer konkret wissen, welche Betätigungen in welchem Umfang verboten sind. 41 Wenn feststeht, daß die Reichweite unternehmensbezogener Wettbewerbsverbote unter anderem von der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers während des Arbeitsverhältnisses abhängt, dann ist damit auch vorstellbar, daß sich ein Betriebsübergang auf die durch Vertrag bestimmte Reichweite des Verbots auswirken kann, da die Geschäftstätigkeit sich unmittelbar mit dem Betriebsübergang oder in der Folgezeit verändern kann.
3 8 Auch Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 123 sieht als maßgeblichen Zeitpunkt, nach dem sich bestimmt, ob eine Tätigkeit Wettbewerb bedeutet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Mit Recht hebt er hervor, daß die Interessenlage hier eine andere sei als bei § 60 Abs. 1 HGB, wo es auf den jeweils konkreten Zeitpunkt der Wettbewerbstätigkeit ankomme. 3 9
Im Ergebnis wohl ebenso Heymann-Honsell, § 74 a Rdn. 10.
4 0
Vgl. dazu auch die Ausführungen oben S. 153, die zur Begründung der Ansicht angefühlt wurden, daß Wettbewerbsverbote Bestandteil des Arbeitsverhältnisses seien. 4 1
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 123.
240
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite b) Der Drittbezug nachvertraglicher
Wettbewerbsverbote
Die genannten Gegenstandsbereiche nachvertraglicher Wettbewerbsverbote betreffen nur einen Teilaspekt ihrer möglichen Reichweite. Fraglich ist, ob Wettbewerbsverbote sich auch auf Drittunternehmen beziehen können, wobei insbesondere ihre Erstreckung auf konzernangehörige Unternehmen von Interesse sein kann. 42 Die Frage, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote konzerndimensional gelten, läßt sich aus zwei Blickrichtungen untersuchen. Zum einen kann die Frage gestellt werden, ob neben dem Arbeitgeber auch andere, mit diesem insbesondere innerhalb eines Konzerns verbundene Unternehmen in den Genuß des Wettbewerbsschutzes gelangen können. Zum anderen kann die bereits angeschnittene Frage erörtert werden, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auch darauf abzielt, den Eintritt des Arbeitnehmers in ein Konzernunternehmen zu verhindern, das zwar selbst nicht mit dem Arbeitgeber konkurriert, das aber im Konzern mit einem Konkurrenten des Arbeitgebers verbunden ist. Hier kann bereits an die ausführlichen Untersuchungen zur Frage der konzerndimensionalen Geltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote angeknüpft werden. 43 Aus vertraglicher Sicht gilt zunächst grundsätzlich, daß das Einbeziehen von Drittunternehmen einer besonderen Vereinbarung bedarf. 44 Sofern nichts anderes vereinbart ist, gilt die Wettbewerbsabrede nur zugunsten desjenigen, der das Verbot als Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart hat. Insoweit ist vom "Grundsatz der rechtsformgebundenen Geltung" des Wettbewerbsverbots auszugehen.45 Im Schrifttum wird allerdings zu Recht hervorgehoben, daß bei einem Wettbewerbsverbot, das nach seinem Wortlaut nur den Vertragsarbeitgeber begünstige, das im übrigen aber umfassend auf den gesamten Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers Bezug nehme, eine Erstreckung der gegenständlichen Reichweite über die Unternehmensgrenzen durchaus in Betracht komme, wenn
4 2 Bereits oben wurde im Zusammenhang mit der Bestimmung des Konkurrenzunternehmens ein Gesichtspunkt erwähnt, der die unternehmensübergreifende Reichweite des Wettbewerbsverbots betrifft, vgl. oben bei Fußn. 24. 4 3
Vgl. hierzu insbesondere Martens, FS-Herschel 237 ff; Windbichler, S. 127 ff; Kracht BB 1970, 584 f; Dorndorf, S. 254 ff (258 ff). Hervorzuheben ist, daß sich die Frage des Drittbezugs der Wettbewerbsabrede nicht nur im Konzern stellt. Auch wenn Unternehmen eine besonders enge Form der Zusammenarbeit gefunden haben, ist diese Frage von Interesse, vgl. hierzu Kracht, a.a.O., Windbichler, S. 130. 4 4 Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 124; Kracht, BB 1970, 584; Martens, FS-Herschel S. 244; ders., Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 174. 45
Martens, FS-Herschel S. 244.
1. Die Bestimmung der Reichweite der W e t t b e w e r b s v e r e i n b a r u n g 2 4 1
der Arbeitnehmer entsprechend konzernoffen beschäftigt sei. 46 Dies könne auch der Fall sein, wenn ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart sei. 47 Die Auslegung kann damit ergeben, daß ein Wettbewerbsverbot vereinbart ist, das die am Vertragsarbeitgeber orientierten Grenzen überschreitet. 4 8 Zu Recht wird ausgeführt, daß das Wettbewerbsverbot hier an die Kontinuität des Arbeitsplatzes und nicht an die der Rechtsform anknüpfe. 49 Ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verbundene Unternehmen begünstigt, ist somit eine Frage der Vertragsgestaltung und eine Frage des Auslegungsergebnisses.50 Festzuhalten bleibt, daß ein solcher Vertrag vereinbart werden kann, wobei die Frage der Verbindlichkeit, insbesondere die des berechtigten geschäftlichen Interesses, einer gesonderten Prüfung unterliegt. Wie bereits ausgeführt wurde, findet umgekehrt das Wettbewerbsverbot grundsätzlich da seine Grenzen, wo der Arbeitnehmer in ein Unternehmen eintreten wül, das zwar nicht selbst mit dem bisherigen Arbeitgeber konkurriert, das aber mit einem Konkurrenzunternehmen im Konzern verbunden ist. 5 1 Auch hier können andere Grenzen vereinbart sein, mit der Folge, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen das Wettbewerbsverbot sich auch auf solche Unternehmen erstreckt. Ob diese konzernverbundenen Unternehmen auch vom Wettbewerbsverbot erfaßt werden, ist damit wiederum eine Frage der Vertragsgestaltung bzw. des Auslegungsergebnisses.52
4 6 Hier kommt insbesondere das Beschäftigungsverhältnis leitender Angestellter in Betracht. 4 7 Windbichler, S. 130 m.w.Nachw.; Martens, FS-Herschel, S. 244 ff, der noch weitere Ausnahmen von den grundsätzlich am Vertragsarbeitgeber orientierten Grenzen des Wettbewerbsverbots anführt. 4 8
In der Literatur wird beispielsweise entgegen einer Entscheidung des BAG, vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 74 a HGB "Speiseeis" (anders aber BAG AP Nr. 19 zu § 133 f GewO) vertreten, daß ein Wettbewerbsverbot sich ausnahmsweise rechtsformübergreifend auch auf ein Tochterunternehmen erstrecken könne, wenn der Arbeitnehmer in diesem Bereich tätig war, Martens, Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 175; ders., FS-Herschel S. 237 (244); Windbichler, S. 130. 4 9
Martens, Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 176.
5 0
Beim Schutz verbundener Unternehmen dürfte es sich rechtlich um unechte Verträge zugunsten Dritter handeln, weil das begünstigte Unternehmen nicht selbst das Recht erhält, aus dem Wettbewerbsverbot gegen den ehemaligen Arbeitnehmer vorzugehen, Kracht, BB 1970, S. 584 (585); Windbichler, S. 130. 51 Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 67; Grunsky, vVettbewerbsverbote, S. 124; Martens, FS-Herschel, S. 253; Windbichler, S. 134. 5 2 Martens, FS-Herschel, S. 253 betont, daß auch hier eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sei. So könne das Wettbewerbsverbot sich dann auf solche Unternehmen erstrecken, wenn es sich um einen leitenden Angestellten handle oder wenn es sich um ein nicht konkurrierendes Unternehmen handle, das wesentliche Funktionen für
242
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
Wenn nachvertragliche Wettbewerbsverbote sich nach ihrer vertraglichen Gestaltung grundsätzlich auch auf Konzernunternehmen erstrecken können, dann ist damit ein weiterer Bereich markiert, auf den sich der Betriebsübergang auswirken kann. Es wird zu untersuchen sein, ob der Betriebsübergang eine Veränderung der konzern- bzw. unternehmensdimensionalen Reichweite des Wettbewerbsverbots bewirken kann. Immer dann, wenn ein Betrieb, der einem Konzern angehört, auf einen anderen Inhaber übertragen wird, der nicht dem Konzern angehört, stellt sich die Frage, inwieweit dies zu Veränderungen der Reichweite des Verbots führt. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob sich die Reichweite des Verbots ändert, wenn der Betrieb infolge des Betriebsübergangs einem Konzern eingegliedert wird.
2. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs a) Präzisierung der Problemstellung
Bereits oben wurde ausgeführt, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses anzusehen sind und daß § 613 a Abs 1 S. 1 BGB entweder unmittelbar oder entsprechend Anwendung auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote findet, wenn ein Betrieb durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übertragen wird. Die Folge der Anwendbarkeit des § 613 a Abs 1 S. 1 BGB ist, daß der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede eintritt, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer vor oder nach dem Betriebsübergang aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Wenn der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eintritt, dann stellt sich die Frage, wie sich der Betriebsübergang auf den Inhalt und die Reichweite des Wettbewerbsverbots auswirkt. Ohne daß hier zunächst auf die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen wie "berechtigtes geschäftliches Interesse" und Verbot der "unbüligen Erschwerung des Fortkommens" eingegangen wird (§ 74 a Abs. 1 S. 1 u. 2 HGB), soll an dieser Stelle nur untersucht werden, welche Folgen der Übergang auf die auf der vertraglichen Vereinbarung beruhende Reichweite des Verbots zeitigt. Auszugehen ist von der Überlegung, daß der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede so eintritt, wie er sie beim Veräußerer vorgefunden hat. Das Arbeitsverhältnis behält die Ausgestaltung bei, die es bis zum Zeitpunkt der Überleitung erhalten hatte. 53 Dies ist die unmittelbare Folge ein anderes Unternehmen erfülle, das seinerseits mit dem Arbeitgeber in Konkurrenz stehe. 5 3
Vgl. hierzu die Nachw. im I. Teil, Fußn. 7.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
243
der Anwendbarkeit des § 613 a BGB. Deshalb würde es auch dem § 613 a BGB widersprechen, wenn Veräußerer und Erwerber im Zuge des Betriebsübergangs ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers eine Erweiterung der Wettbewerbsenthaltungspflicht vereinbaren könnten. 54 Insofern ergibt sich durch § 613 a BGB keine Veränderung der Rechtslage gegenüber der Zeit vor Inkrafttreten des § 613 a BGB. 5 5 Auf den vertraglich vereinbarten Inhalt der Wettbewerbsabrede hat der Betriebsübergang unmittelbar keinen Einfluß. Daß aber der Betriebsübergang auf den Inhalt der Wettbewerbsvereinbarung unmittelbar keinen Einfluß hat, besagt nicht, daß die auf dem Inhalt beruhende Reichweite des Verbots keinen Änderungen unterliegt. Der Zusammenhang zwischen Inhalt der Wettbewerbsvereinbarung und Reichweite des Verbots wurde soeben ausführlich dargestellt. Danach hat sich ergeben, daß Änderungen der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers sich möglicherweise auf den Umfang des Wettbewerbsverbots auswirken können, ebenso wie Änderungen der Konzernzugehörigkeit Auswirkungen auf die Reichweite des Verbots zur Folge haben könnten. 56 Die Frage nach den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarung ist somit dahingehend zu präzisieren, daß gefragt werden muß, ob und welche Auswirkungen sich durch den Übergang auf der Grundlage des Vertrages auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots in tatsächlicher Hinsicht ergeben können. Die Erkenntnis, daß § 613 a BGB die Beibehaltung des vertraglich vereinbarten status quo sicherstellt, besagt noch nicht, daß der Betriebsübergang sich nicht auf die tatsächliche Reichweite des Verbots auswirkt.
b) Die Auswirkungen des Übergangs auf tätigkeitsbezogene
Wettbewerbsverbote
Haben die Parteien der Wettbewerbsvereinbarung den Umfang der verbotenen Betätigung dahingehend eingeschränkt, daß nur ganz bestimmte Tätigkeiten verboten sind, so tritt der Erwerber in eben diese durch die Beschränkung gekennzeichnete Rechtsstellung ein. Der Erwerber muß das tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbot wegen der Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ge5 4
Löwe, S. 127.
5 5
Vgl. BAG AP Nr. 31 zu § 74 HGB; das BAG hatte in diesem Fall ausgeführt, daß die Übertragung des Arbeitsverhältnisses als Ganzes nur möglich sei, wenn dessen Identität gewahrt bleibe. Wolle man die Übernahme eines Arbeitsverhältnisses auch dann für möglich halten, wenn - vom Arbeitgeberwechsel abgesehen - zugleich der Inhalt des Arbeitsverhältnisse geändert werde, so wäre nach Ansicht des BAG eine sinnvolle Abgrenzung zwischen Vertragsübernahme und Neuabschluß des Vertrages nicht mehr möglich gewesen. 5 6
s. dazu oben III. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 1., b.
244
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
gen sich gelten lassen. Für ausgeschiedene Arbeitnehmer güt § 613 a BGB entsprechend. Dies ist für den Erwerber so lange unproblematisch, wie er den übergegangenen Betrieb in gleichem Umfang weiterführt. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich der Betriebsübergang auf den Wettbewerbsschutz auswirkt, wenn der Erwerber gegenüber dem Veräußerer in sachlicher oder örtlicher Hinsicht einen erweiterten Geschäftsbereich wahrnimmt. Eine solche Ausdehnung der Geschäftstätigkeit kann sich unmittelbar durch eingliedernden Betriebsübergang oder durch eine im Laufe der Zeit stattfindende Erweiterung der geschäftlichen Aktivitäten ergeben. Stellt der neue Inhaber beispielsweise erne erweiterte Produktpalette her, und muß der Arbeitnehmer deshalb neue und zusätzliche Aufgaben übernehmen, auf die sich die Wettbewerbsvereinbarung nicht bezieht, fragt sich, ob und wie der Arbeitgeber vor Wettbewerb durch den Arbeitnehmer geschützt wird.
aa) Erweiterte Geschäftstätigkeit des Erwerbers An der Reichweite des tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbots kann sich infolge des Betriebsübergangs nichts ändern, da diese nicht von der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers abhängt, sondern vom Inhalt der Vereinbarung. Das Ausmaß der Enthaltungspflicht, das zum Zeitpunkt der Vereinbarung festgelegt wird, unterliegt keiner automatischen Anpassung an die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers. Unproblematisch ist dies, wenn der Betriebsübergang eine Ausdehnung der wirtschaftlichen Aktivitäten nur in regionaler Hinsicht zur Folge hat, im übrigen aber auf den Arbeitnehmer keine neuen Tätigkeiten zukommen, die wettbewerbsrelevant sind. Ungünstiger für den Erwerber gestaltet sich die Rechtslage, wenn der Veräußerer ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart hatte und infolge des Betriebsübergangs weitere Tätigkeiten hinzukommen, die vor Wettbewerb geschützt werden müssen. Wül der Erwerber aufgrund eines gegenüber dem Veräußerer erweiterten Tätigkeitsbereichs eine inhalüiche Änderung des tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbots herbeiführen, muß er diese - unter Einhaltung der dafür vorgesehenen Form - vertraglich vereinbaren. Diese rechtliche Lösung ergäbe sich auch, wenn der Betrieb nicht übergehen würde und der Arbeitgeber neue Tätigkeitsbereiche in das Wettbewerbsverbot einbeziehen wollte. Im Fall eines auf eine Tätigkeit beschränkten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bewirkt die nachträgliche Ausweitung des Geschäftsbetriebes keine Erweiterung der Wettbewerbsabrede.57 5 7 Heymann-Honsell y § 74 Rdn. 10; Röhsler/Borrmann, dery § 74 a Rdn. 3 b.
S. 80; Schlegelberger-Schrö-
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
245
Zu einem entsprechenden Ergebnis gelangt man, wenn der Arbeitnehmer etwa durch Umsetzung - infolge des Betriebsübergangs anstelle seiner bisherigen betrieblichen Betätigung einen gänzlich anderen wettbewerbsrechtlich schützenswerten Tätigkeitsbereich übernehmen soll als bisher. Auch hier bedarf es einer gesonderten Abrede, wenn der neue Tätigkeitsbereich in ein bisher tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot einbezogen werden soll. Die Bindung des neuen Inhabers an die wegen des Betriebsübergangs nunmehr möglicherweise zu geringe Reichweite des tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbots wird häufig im Gegensatz zu seinen tatsächlichen Interessen stehen. Meist wird der neue Inhaber - insbesondere bei sanierender Betriebsübernahme - kapitalkräftiger sein und mit neuen Investitionen sich neue Märkte erschließen wollen. Wachsen die Aufgaben des Arbeitnehmers mit, wird eventuell ein tätigkeitsbezogenes nachvertragliches Wettbewerbsverbot den arbeitgeberseitigen Risiken nicht mehr gerecht. Man wird deshalb versucht sein, nach "Lücken" der Beschränkung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu suchen. Hier könnte sich zunächst die Möglichkeit anbieten, durch ergänzende Vertragsauslegung zu einer umfassenden Interpretation des Wettbewerbsverbots zu gelangen, die auch Erweiterungen des Geschäftsbereichs erfaßt. Dies ist jedoch abzulehnen. Auch durch ergänzende Auslegung kann in den genannten Fällen grundsätzlich kern anderes Ergebnis gefunden werden. Wenn die Parteien bei Vereinbarung des tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbots nicht an eine betriebsübergangsbedingte Aufnahme eines anderen Tätigkeitsbereichs durch den Arbeitnehmer gedacht hatten, mag man zwar gegebenenfalls anerkennen, daß bei Vereinbarung des Wettbewerbsverbots ein regelungsbedürftiger Bereich übersehen wurde. Gegenüber der ergänzenden Vertragsauslegung ist jedoch grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Insbesondere darf sie nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen. 58 Auch im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestrebte Rechtsklarheit ist vorrangig zu fordern, daß die Parteien bei grundlegenden Veränderungen der für die Wettbewerbsabrede maßgeblichen Umstände unter Wahrung der Form die bisherige Vereinbarung ergänzen oder ersetzen.59
5 8 5 9
BAG AP Nr. 3 zu § 157 BGB m. Anm. von Reinhardt.
Schlegelberger-Schröder § 74 a Rdn. 3b; Röhsler/Borrmann, S. 80. Demgegenüber ist Grüll, S. 38, der Ansicht, daß die allgemeinen Auslegungsregeln angesichts der freien Gestaltungsmöglichkeit der Parteien eine angemessene Berücksichtigung nachträglich eingetretener Änderungen der Verhältnisse zuließen. Soweit diese "Änderungen in den Verhältnissen" bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten auf einer durch Betriebsübergang bedingten Erweiterung der Geschäftstätigkeit beruhen, ist dem aus den genannten Gründen nicht zuzustimmen.
246
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
Wenn die ergänzende Vertragsauslegung nicht dazu führen kann, daß eine auf dem Betriebsübergang beruhende Erweiterung der Geschäftstätigkeit eine Erweiterung der auf bestimmte Tätigkeiten beschränkten Wettbewerbsvereinbarung zur Folge hat, mag noch daran gedacht werden, dieses Ergebnis durch die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) zu erzielen. Grundsätzlich können diese Regeln Anwendung finden, wenn bei Abschluß eines Vertrages beiden Parteien bestimmte Vorstellungen über das Vorhandensem oder den künftigen Eintritt bestimmter Umstände erkennbar waren, und der Geschäftswüle der Parteien auf diesen Umständen aufbaute.60 Der Wegfall der Geschäftsgrundlage kann dazu führen, daß der Vertrag angepaßt werden muß. 6 1 Waren die Parteien bei der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots fest von der Unveränderlichkeit des geschäftlichen Spektrums des Arbeitgebers ausgegangen, könnte man meinen, daß die Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote wegen des Wegfalls der bei Vertragsschluß bestehenden Umstände zu einer Vertragsanpassung führen müßte, die - gegebenenfalls gegen entsprechende Entschädigung - zu einer Aufnahme der wettbewerbsrelevanten Tätigkeiten in die Unterlassungspflicht führen könnte. Die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote ist jedoch strikt abzulehnen.62 Zum einen enthalten die §§ 74 ff HGB abschließende Sonderregelungen bezüglich des Umfangs des Wettbewerbsverbots und bezüglich der Möglichkeiten der Anpassung der Wettbewerbsvereinbarung an Veränderungen der Interessenlage. Insbesondere ist hier an die Vorschriften, die die Unverbindlichkeit des Verbots betreffen (§ 74 a Abs. 1 HGB) und an die Regelung des Verzichts (§ 75 a HGB) zu erinnern. Das gesamte Regelungssystem der §§ 74 ff HGB ist gemäß § 75 d HGB zwingendes Recht, so daß sich bereits aus diesen Gründen eine Aufweichung über Generalklauseln verbietet. Des weiteren sind die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur anwendbar, wenn die "Opfergrenze" eines der Vertragspartner überschritten wird. Dabei kommt es wesenüich auf die sich aus dem Zusammenhang ergebende Riskoverteüung an. Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen, geben grundsätzlich kern Recht, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. 63 Gerade die Einschätzung, ob und welches Wettbewerbsverbot vereinbart werden muß, fällt jedoch in den Risiko6 0
Vgl. nur Palandt-Heinrichs,
61
Palandt-Heinrichs,
§ 242 Anm. 6 B a.
a.a.O., Anm. f.) m.w.Nachw.
6 2 Das BAG hatte im umgekehrten Fall, bei dem der Arbeitnehmer aus bei ihm liegenden tatsächlichen Gründen keine Möglichkeit hatte, Wettbewerb zu betreiben, die Anwendbarkeit der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage verneint, BAG NJW 1969, 676 (677). 6 3
Palandt-Heinrichs y a.a.O., Anm. c.) u. d.) m.w.Nachw.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
247
bereich des Arbeitgebers. Er hat es regelmäßig in der Hand, die Reichweite des Wettbewerbsverbots zu bestimmen. Schränkt er den Umfang des Wettbewerbsverbots ein, weil er meint, ein umfassenderer Geltungsbereich sei nicht erforderlich, so ist dies seinem Risikobereich zuzuschreiben. Diese Risikoverteilung muß sich der neue Inhaber im Falle eines Betriebsübergangs wegen der Wirkungen des § 613 a BGB anrechnen lassen. Im übrigen ginge auch ohne Betriebsübergang ein Irrtum über die künftige Geschäftsentwicklung zu Lasten des Arbeitgebers. Sollte das vereinbarte Wettbewerbsverbot sich als unzureichend erweisen, so kann deshalb nur eine vertragliche Lösung zu einer Erweiterung der Reichweite führen. Entgegen einer von Schröder 64 vertretenen Auffassung kann man auch nicht auf § 242 BGB und den Grundsatz von Treu und Glauben rekurrieren, um eine Bindung des Arbeitnehmers auch in dem erweiterten Geschäftsbereich zu erreichen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote beruhen nicht auf einer nachwirkenden Treuepflicht. Vielmehr bedürfen sie der formgerechten vertraglichen Vereinbarung. Dieses Ergebnis bedeutet für den Arbeitgeber auch keine nach § 242 BGB zu beurteilende unverhältnismäßige Härte, da er während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hinsichüich seiner Geschäftstätigkeit im Rahmen von § 60 HGB vor Wettbewerb geschützt ist. Es bleibt ihm damit in aller Regel ausreichend Zeit, nach Betriebsübergang auf eine interessengerechte Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hinzuwirken. Der hier zum Tragen kommende Grundsatz der Gestaltungsautonomie bedeutet jedoch auch, daß der Erwerber den Arbeitnehmer nicht zwingen kann, ein den veränderten Anforderungen entsprechendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Wegen der bestandssichernden Funktion des § 613 a BGB befindet sich der Arbeitnehmer auch nicht in der sonst regelmäßig bei Vereinbarung des Wettbewerbsverbots gegebenen Situation des faktisch schwächeren Vertragspartners. Anders als bei Begründung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer nicht ohne weiteres veranlaßt, der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots allem deshalb zuzustimmen, weil er auf den Erhalt des Arbeitsplatzes angewiesen ist. 65 Im Ergebnis kann damit der Betriebsübergang bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten nicht automatisch zu einer Erweiterung des Umfangs der Wettbewerbsverbote führen, auch wenn bei einer betriebsübergangsbedingten Erweiterung der Geschäftstätigkeit ein Interesse des Arbeitgebers an einem entsprechenden Wettbewerbsverbot bestehen würde. 6 4 65
Schlegelberger-Schröder,
§ 74 a Rdn. 3b a.E.
Ähnlich Brune, S. 16. Freilich dürfen in diesem Zusammenhang auch die tatsächlichen Abhängigkeiten während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht übersehen werden.
248
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
Nach diesem Ergebnis läßt sich die Frage stellen, ob für bestehende Arbeitsverhältnisse eine Erweiterung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nicht auch durch eine Änderungskündigung erzielt werden könnte. Gegenstand einer solchen Änderungskündigung müßten dann geänderte "Arbeitsbedingungen" in Form des erweiterten Wettbewerbsverbots sein. Grunsky 66 hält es grundsätzlich für möglich, daß bei bestehenden Arbeitsverhältnissen hinsichtlich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine Änderungskündigung zumindest dann ausgesprochen werden könne, wenn eine Partei sich von einem lästig gewordenen Wettbewerbsverbot befreien wolle. Angesichts der Regelung des Verzichts in § 75 a HGB ist es jedoch fraglich, ob es dem Arbeitgeber überhaupt möglich ist, sich durch eine Änderungskündigung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen. Diese Regelung könnte nämlich als Sonderregelung aufgefaßt werden, die die einseitige Lösung des Arbeitgebers von der Wettbewerbsabrede abschließend zum Gegenstand hat, soweit nicht das Arbeitsverhältnis durch Beendigungskündigung endet. 67 Im Zusammenwirken mit § 74 a Abs. 1 HGB könnte § 75 a HGB auch als gesetzliche Wertung verstanden werden, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich die Risiken eines Irrtums über die (zu kurze) Reichweite eines Wettbewerbsverbots zu tragen habe. Abgesehen hiervon wurde jedoch bereits oben festgestellt, daß eine betriebsbedingte Änderungskündigung nur in Betracht kommen kann, wenn ohne die Änderungskündigung der Arbeitsplatz entfallen würde und die Änderung geeignet ist, den Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern. 68 Für nachvertragliche Wettbewerbsverbote erscheint es nicht denkbar, daß hierfür der Nachweis erbracht werden könnte. Da darüberhinaus der Betriebsübergang auch nicht die außerordentliche Änderungskündigung rechtfertigen kann, ist die Änderungskündigung nicht das geeignete Mittel, um eine Anpassung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots an die erweiterte Geschäftstätigkeit zu erreichen. Ein unzureichender Schutz kann somit für den Erwerber nur durch eine entsprechende Vereinbarung beseitigt werden. 69 Dieselbe Lösung ergibt sich auch für den Fall, daß die Parteien überhaupt kein nachvertragl iches Wettbewerbs verbot vereinbart hatten, beispielsweise weil wegen des bisherigen Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers hierzu kein Bedürfnis bestand. Entsteht ein solches Bedürfnis infolge des Betriebsübergangs, kann der neue Inhaber den Arbeitnehmer nicht zu einem Abschluß der
66
Grunsky, FS-Söllner S. 41 (42).
67
Schlegelberger-Schrödery
6 8
Vgl. hierzu oben II. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 4.
6 9
Im Ergebnis ebenso Grüll, S. 71.
§ 75 a Rdn. 1 a.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
249
Wettbewerbsvereinbarung zwingen. Auch aus dem Gesichtspunkt der 'Treuepflicht" besteht insoweit kein Anspruch. Erst recht gilt dies, wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Betrieb ausgeschieden ist. Zwar wäre auch hier grundsätzlich die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots - das nicht den Anforderungen der §§ 74 ff HGB entsprechen muß - zulässig, doch ergibt sich hierzu (etwa aus dem Gedanken nachwirkender Treuepflicht) keine Verpflichtung des Arbeitnehmers. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote unterliegen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen der Vertragsfreiheit, zu der insbesondere auch der Grundsatz der Abschlußfreiheit zu zählen ist. 7 0 Die bisherigen Ausführungen beziehen sich auf tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbote bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis. Aber auch für die Wettbewerbsabrede ausgeschiedener Arbeitnehmer güt nichts anderes. Der Erwerber tritt analog § 613 a BGB in das tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbot ein, die Erweiterung der Geschäftstätigkeit wirkt sich auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots nicht aus. Wollte der Erwerber den Schutz des Wettbewerbsverbots ausdehnen, bestünde ebenfalls die Möglichkeit, die Wettbewerbsabrede durch Vereinbarung zu ergänzen. Diese die Ergänzung betreffende Vereinbarung müßte wegen des bereits beendeten Arbeitsverhältnisses nicht den Anforderungen der §§ 74 ff HGB entsprechen. In der Regel wird jedoch ein konkretes Schutzbedürfnis des neuen Betriebsinhabers nicht aufgrund einer betriebsübergangsbedingten Erweiterung der Geschäftstätigkeit bestehen, da der ausgeschiedene Arbeitnehmer keine neuen wettbewerbsrelevanten Kenntnisse in Erfahrung bringen kann. Auch wird der ausgeschiedene Arbeitnehmer sich grundsätzlich nicht veranlaßt sehen, an einer solchen Vereinbarung mitzuwirken.
bb) Eingeschränkte Geschäftstätigkeit des Erwerbers Bisher wurde nur der Fall der Ausdehnung der Geschäftstätigkeit behandelt. In gleicher Weise kann die Frage gestellt werde, ob der Betriebsübergang, der eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit mit sich bringt, zur Veränderung der durch den Vertrag definierten Reichweite des Verbots führt. Eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit kann sich beispielsweise bei Übergang eines Betriebsteils ergeben. Einem tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbot kann möglicherweise weitgehend der Boden entzogen werden, wenn der neue Inhaber infolge des Betriebsübergangs wirtschaftliche Aktivitäten und Zielvorstellungen, die vor Betriebsübergang bedeutsam waren, nicht mehr verfolgt.
7 0
Vgl. nur Fikentscher,
§ 2 1 I V u. V.
250
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
Betriebsübergangsbedingte Einschränkungen der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers haben auf die vertragliche Vereinbarung unmittelbar zunächst keinen Einfluß. Tritt der Erwerber in das Arbeitsverhältnis und damit auch in das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ein, bleibt dessen vertraglich vereinbarte Reichweite in vollem Umfang erhalten. Wenn sich infolge des Betriebsübergangs herausstellt, daß die Wettbewerbsabrede weiter gefaßt wurde als es nunmehr notwendig ist, kann bei Ausscheiden des Arbeitnehmers eine interessengerechte Korrektur nach § 74 a Abs. 1 HGB erfolgen. 71 Will der Arbeitgeber während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht mehr an dem Wettbewerbsverbot festhalten, besteht als einseitige Maßnahme nur die Möglichkeit des Verzichts nach § 75 a HGB. Im übrigen bliebe es den Parteien unbenommen, durch vertragliche Vereinbarung das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufzuheben.72 Trotz des Formerfordernisses bei Vereinbarung des Wettbewerbsverbots können die Parteien eines Arbeitsvertrages das Wettbewerbsverbot jederzeit durch mündliche Vereinbarung aufheben.73 Der Verzicht hat zur Folge, daß der Arbeitgeber mit Ablauf eines Jahres seit Verzichtserklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung frei wird. 7 4 Eine Besonderheit ergibt sich, wenn der neue Arbeitgeber nach Verzicht berechtigterweise außerordentlich kündigen würde. In diesem Fall verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf Karenzentschädigung nicht erst nach einem Jahr, sondern sofort. 75 Fällt infolge des Übergangs ein Teil des Bereichs weg, auf den sich die Wettbewerbsvereinbarung erstreckt hatte, kann der Arbeitgeber auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots für diesen Teil verzichten. Allerdings wird der Arbeitgeber durch den teilweisen Verzicht nicht von seiner Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei. Der teilweise Verzicht befreit insoweit nur den Arbeitnehmer. 76 Jedoch kann die Entschädigung niedriger werden oder entfallen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Verzichts nunmehr höhere anrechenbare Einkünfte nach § 74 c HGB erzielen kann. 77 Die Möglichkeit des Verzichts bietet sich auch an, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise bei Übergang eines Betriebsteüs - bei seinem bisherigen Arbeit-
7 1
Vgl. hierzu unten 3. Kap.
72
Schlegelberger-Schröder,
§ 75 a Rdn. 1; Röhsler/Borrmann,
101. 7 3
BAG AP Nr. 57 zu § 74 HGB.
7 4
BAG NJW 1987, 2768; Röhsler/Borrmann,
75
BAG DB 1987, 1444.
7 6
Schlegelberger-Schröder,
§ 75 a Rdn. 4.
77
Schlegelberger-Schröder,
a.a.O.
S. 128.
S. 116; Buchner, S.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
251
geber verbleibt, weil sein Arbeitsverhältnis nicht dem übergehenden Betriebsteü zugeordnet werden muß. 7 8 Nach § 75 a HGB kann ein Verzicht nur schriftlich und nur vor Beendigung des Dienstverhältnisses erklärt werden. Gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern kann somit kein wirksamer Verzicht ausgesprochen werden. Den Verzicht kann auch nur der Arbeitgeber erklären. Auf Seiten des Arbeitnehmers bleibt bei dessen Ausscheiden für die Korrektur der Wettbewerbsabrede nur der Weg über § 74 a Abs. 1 HGB.
c) Die Auswirkungen des Übergangs auf in sonstiger Weise eingeschränkte Wettbewerbsverbote
Wettbewerbsverbote können in mehrfacher Hinsicht in nur beschränktem Umfang vereinbart werden. In Betracht kommen können beispielsweise zeiüiche, regionale und produktspezifische Beschränkungen. Wie bereits mehrfach gezeigt wurde, tritt der Erwerber in das Wettbewerbsverbot mit dem Inhalt ein, der mit dem Veräußerer vereinbart worden war. 7 9 Ohne Auswirkungen auf die sachliche Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bleibt der Betriebsübergang, wenn das Wettbewerbsverbot lediglich mit einer zeitlichen Beschränkung versehen wurde, die unterhalb der Zwei-Jahres-Grenze des § 74 a Abs. 1 S. 3 HGB liegt. Der Erwerber, der in die Rechts- und Pflichtenstellung des Wettbewerbsverbots nach § 613 a BGB eintritt, muß eine vereinbarte zeitliche Limitierung gegen sich gelten lassen. Wül er bei einem nur für kürzere Zeit vereinbarten Wettbewerbsverbot die mögliche Dauer der Karenzzeit von zwei Jahren voll ausschöpfen, so bedarf es einer neuen formgerechten Vereinbarung, bei der je nach Lage der Dinge auch eine Anhebung der Karenzentschädigung in Betracht kommen kann. Erscheint dem Erwerber dagegen die vereinbarte Dauer des Wettbewerbsverbots zu lang, beispielsweise, weil aufgrund des Betriebsübergangs und der damit verbundenen neuen Marktsituation für ihn kein Interesse mehr am Wettbewerbsverbot besteht, so bleibt als einseitige Maßnahme lediglich die Möglichkeit, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Wettbewerbsverbot nach § 75 a HGB zu verzichten. Auch für auf eine bestimmte Region oder auf ein bestimmtes Produkt beschränkte Wettbewerbsverbote güt, daß der Arbeitgeber, der den Schutz vor Wettbewerb über diese Grenzen hinaus erweitern will, mit dem Arbeitnehmer eine entsprechende Vereinbarung treffen muß. Hat der Betriebsübergang bei7 8
Zur Zuordnung vgl. oben I. Teil. 4.
7 9
III. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 2., a.
252
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
spielsweise eine regionale Erweiterung der vor Wettbewerb zu schützenden Geschäftstätigkeit zur Folge, bedarf es bei bestehenden Arbeitsverhältnissen einer gesonderten, den §§ 74 ff HGB entsprechenden Vereinbarung. Soll eine Aufhebung der Beschränkungen erst nach Ausscheiden des Arbeitnehmers stattfinden, so muß eine Vereinbarung, die den zu ergänzenden Teil betrifft, nicht den §§ 74 ff HGB entsprechen. Entsprechendes güt für den Verzicht oder die einvernehmliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots, wenn es sich nach Betriebsübergang trotz der Beschränkung noch als zu weit erweisen sollte. 80 Allgemein läßt sich auch für diese Art der Wettbewerbsverbote feststellen, daß deren Erweiterungen nur durch vertragliche Vereinbarung bewirkt werden können. Für die Klärung der Frage nach den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf beschränkte Wettbewerbsverbote können deshalb die Ausführungen zu den tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten entsprechend herangezogen werden.
d) Die Auswirkungen des Übergangs auf unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote
aa) Gleichbleibender Geschäftszweig Eine grundsätzlich andere Rechtslage entsteht, wenn die Wettbewerbsabrede sich allgemein auf eine Betätigung in einem Konkurrenzunternehmen bezieht und die Reichweite des Verbots sich nach der Definition des "Konkurrenzunternehmens" bestimmt. 81 Zunächst allerdings güt auch hier, daß sich der vereinbarte Inhalt der Wettbewerbsabrede nicht infolge des Betriebsübergangs ändert. Der Erwerber tritt also wegen der direkten oder analogen Anwendbarkeit des § 613 a BGB ohne betriebsübergangsbedingte Modifikationen der Vereinbarung in die Rechte und Pflichten aus dem unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbot ein. Wird der Betrieb ohne Änderung der wettbewerbsrelevanten Geschäftstätigkeit in kontinuierlicher Weise fortgeführt, bedeutet dies zunächst, daß auch die Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbs Verbots konstant bleibt.
8 0
Unabhängig von diesen auf vertraglicher Ebene sich bietenden Möglichkeiten sei jedoch nochmals daran erinnert, daß noch auf gesetzlicher Ebene eine Inhaltskontrolle stattfinden muß. Vgl. unten Kap. 3 u. 4. 81
Vgl. dazu oben III. Teil, Abschn. B, 2. Kap. 1., a.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
253
bb) Erweiterte Geschäftstätigkeit des Erwerbers aaa) Betriebsübergang vor Ausscheiden des Arbeitnehmers Handelt es sich um unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote, die in regionaler oder marktspezifischer Hinsicht eingeschränkt sind, 82 dann tritt der Erwerber auch in diese Beschränkungen ein und muß sie grundsätzlich gegen sich gelten lassen. Allerdings kann der neue Inhaber auch bei regionaler Beschränkung des Wettbewerbsverbots seine Geschäftstätigkeit nicht nur in regionaler Hinsicht, sondern auch in sachlicher Hinsicht ausdehnen. So können beispielsweise weitere Produkte in den Fertigungsbereich aufgenommen werden, so daß bisher wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Unternehmen in den Kreis der Konkurrenzunternehmen einbezogen werden können. Der Arbeitnehmer kann damit trotz der regionalen Beschränkung des Wettbewerbsverbots mit einer Erweiterung der Geschäftstätigkeit in sachlicher Hinsicht konfrontiert sein. Dies gilt in entsprechender Weise, wenn ein marktspezifisch eingeschränktes Wettbewerbsverbot vereinbart wurde und der Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit in regionaler Hinsicht ausdehnt. Und schließlich könnte die Erweiterung der Geschäftstätigkeit erst recht bedeutsam werden, wenn ein in keiner Weise beschränktes unternehmensbezogenes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde. Für beschränkte unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote stellt sich die Frage nach den Auswirkungen einer betriebsübergangsbedingten Erweiterung der Geschäftstätigkeit hinsichtlich der nicht beschränkten Bereiche daher ebenso, wie sie sich für unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote stellt, die überhaupt keinen Beschränkungen unterliegen. Alle genannten Erweiterungen der Geschäftstätigkeit können unmittelbar oder mittelbar auf einen Betriebsübergang zurückzuführen sein. Es stellt sich damit die Frage, wie der Betriebsübergang, der eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers zur Folge hat, sich auf die Reichweite eines unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbots auswirkt. Bereits oben wurde festgestellt, daß bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten die Reichweite der Enthaltungspflicht im Gegensatz zu den tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten nicht von dem Zeitpunkt der Wettbewerbsvereinbarung abhängt, sondern daß hier spätestens der Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb ausschlaggebend ist. 8 3 Welche Betriebe als Konkurrenzbetriebe gelten, richtet sich nach dem Umfang der geschäftlichen Aktivitäten des Arbeitgebers. Die maximale Reichweite des Verbots liegt somit spätestens zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb vor. Bei Ausdehnung der geschäftlichen Aktivi8 2
Vgl. hierzu oben S. 235.
83
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 140.
254
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
täten des Arbeitgebers genießt der Arbeitnehmer bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten während der Dauer des Arbeitsverhältnisses auch ohne Betriebsübergang keinen Schutz auf Beibehaltung der tatsächlichen Reichweite des Verbots. Voraussetzung ist nur, daß die Änderungen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses stattfinden. 84 Diese Grundsätze gelten auch für den Fall des Betriebsübergangs. Wird die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers infolge des Betriebs- oder Betriebsteilsübergangs erweitert - gleichgültig ob nach fortführendem oder durch eingliedernden Betriebsübergang - ist der Arbeitnehmer, der einem unternehmensbezogenem Wettbewerbsverbot unterliegt, zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Betrieb in seiner Betätigungsfreiheit entsprechend dem Umfang der Geschäftstätigkeit des neuen Inhabers vertraglich eingeengt.85 Die betriebsübergangsbedingte Ausweitung des Geschäftsbetriebes auf bisher nicht berücksichtigte Handelszweige bewirkt eine Erweiterung der ursprünglich bei Vereinbarung der Wettbewerbsabrede gegebenen Reichweite des Wettbewerbsverbots. Wie gezeigt wurde, ist die Erweiterung der Reichweite des Verbots kein Spezifikum des § 613 a BGB, denn auch ohne Betriebsübergang wäre der Arbeitnehmer dieser Möglichkeit ausgesetzt. Ob sich eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auswirkt, ist somit bereits eine Frage der ursprünglich vereinbarten Ausgestaltung der Wettbewerbsabrede. Der Arbeitnehmer, dem jedwede Wettbewerbstätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen verboten ist, ist in dem Umfang an das Wettbewerbsverbot gebunden, der sich aus der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers spätestens bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem aktiven Teil des Arbeitsverhältnisses ergibt.
bbb) Betriebsübergang nach Ausscheiden des Arbeitnehmers Zu einem späteren Zeitpunkt stattfindende Erweiterungen der Geschäftstätigkeit können sich nicht mehr auf die Reichweite des Verbots auswirken. 86 Spätestens zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb muß feststehen, welche Unternehmen als Konkurrenzunternehmen anzusehen sind. Wül der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingehen, so muß er die Reichweite des Wettbewerbsverbots kennen, um der Unterlassungspflicht vereinbarungsgemäß nachkommen zu können. Insbesondere kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nicht erst nach dessen Ausscheiden aus dem Betrieb verlangen, wegen der 84
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 123 f.
85
Schlegelberger-Schröder, ler/Borrmann, S. 127. 8 6
Oben S. 239.
§ 74 a Rdn. 3b; Grunsky, a.a.O., S. 141; Röhs-
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
255
Erweiterung seiner Geschäftstätigkeit eine zunächst zulässigerweise aufgenommene Tätigkeit wieder einzustellen. 87 Maßgeblicher Zeitpunkt ist somit der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch im Fall des Betriebsübergangs. Wird beispielsweise ein Betrieb oder Betriebsteil nach Ausscheiden des Arbeitnehmers infolge Betriebsübergangs einem anderen Betrieb eingegliedert, und enthält der neue Betrieb Geschäftszweige, die vor dem Betriebsübergang noch nicht wettbewerbsrechtlich bedeutsam waren, so kann der neue Inhaber auch bei analoger Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB von dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht Wettbewerbsenthaltung bezüglich der neu hinzugekommenen Geschäftszweige verlangen. Die Erweiterung der Geschäftstätigkeit bleibt bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern unabhängig vom Betriebsübergang grundsätzlich ohne Auswirkungen. Damit zeigt sich auch an dieser Stelle, daß die analoge Anwendung des § 613 a BGB auf das Wettbewerbsverbot bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer der ursprünglich bei Vereinbarung des Verbots gegebenen Interessenlage nicht entgegensteht: eine betriebsübergangsbedingte Erweiterung des Tätigkeitsbereichs des Arbeitgebers nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb hat keine Erweiterung der dem Arbeitnehmer verbotenen Tätigkeiten zur Folge. Geht der Betrieb auf einen anderen Inhaber über, so tritt der neue Inhaber nur in dem Umfang in das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ein, der sich bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers ergeben hatte. 88 Auf die anfänglich gegebene Interessenlage wirkt sich die analoge Anwendung des § 613 a BGB nicht nachteilig aus.
cc) Eingeschränkte Geschäftstätigkeit des Erwerbers Wird ein Betriebsteil veräußert, ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Geschäftstätigkeit des Erwerbers ein geringeres Ausmaß annimmt, als sie zuvor bei dem Veräußerer unter Einsatz des gesamten Betriebes angenommen hatte. Eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit infolge des Betriebsübergangs ist jedoch noch in zahlreichen anderen Fällen denkbar, so zum Beispiel dann, wenn ein Betrieb zur Sanierung übernommen wurde und unrentable Geschäftszweige nicht weiter verfolgt werden. Schränkt der Erwerber seme Geschäftstätigkeit im Zuge des Betriebsübergangs ein, ist fraglich, ob sich dies auch auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots auswirken kann. 87 8 8
Grunsky, a.a.O., S. 123.
Natürlich bleibt dann immer noch zu untersuchen, ob auch die gesetzlichen Voraussetzungen des Wettbewerbsverbots erfüllt sind. Zur Frage der Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots s.u. Abschn. B, 3. Kap., 1. c.
256
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
Die Einschränkung der Geschäftstätigkeit infolge des Betriebsübergangs führt nicht zu einer Einschränkung der vertraglich vereinbarten Reichweite des Wettbewerbsverbots. Der Erwerber tritt bei bestehenden Arbeitsverhältnissen gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Wettbewerbsabrede ein. Maßgeblich ist deshalb die vereinbarte Reichweite des Wettbewerbsverbots. Entsprechendes güt bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern in analoger Anwendung des § 613 a BGB. Auszugehen ist auch hier von der Überlegung, daß sich bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten die Reichweite des Verbots danach bestimmt, welche Unternehmen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses als Konkurrenzunternehmen anzusehen sind. Hat sich die Zahl und Art der Konkurrenzunternehmen im Vergleich zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots während der Dauer des Arbeitsverhältnisses verringert, bedeutet dies jedoch noch nicht, daß damit automatisch auch die Reichweite des Verbots verringert werden würde. Entscheidend ist für die durch Auslegung zu bestimmende Reichweite, welche Unternehmen zum Zeitpunkt der maximalen Geschäftstätigkeit als Konkurrenzunternehmen angesehen werden müssen. Auf diese Unternehmen erstreckt sich die Reichweite des Verbots nach der vertraglichen Vereinbarung. Infolge des Betriebsübergangs tritt damit der Erwerber in ein Wettbewerbsverbot ein, das für seine Verhältnisse möglicherweise zu weit gefaßt ist. Stellt sich bereits während der Dauer des Arbeitsverhältnisses heraus, daß das Wettbewerbsverbot wegen der Einschränkung der Geschäftstätigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden muß, so kann der Arbeitgeber bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers auf das Wettbewerbsverbot nach Maßgabe des § 75 a HGB verzichten. Sollte sich erst nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers herausstellen, daß das "Maximum an Geschäftstätigkeit" nicht mehr schützenswert ist, so kann nur noch eine Korrektur in Form einer Inhaltskontrolle des Wettbewerbsverbots nach § 74 a Abs. 1 HGB in Betracht kommen.
dd) Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsvereinbarung konzernzugehöriger Arbeitnehmer Wie gezeigt wurde, ist es ein Frage der Vertragsgestaltung, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot konzerndimensionale Geltung erhält, bzw., sofern die Unternehmen nicht im Konzern verbunden sind, ob sich die Wettbewerbsabrede auch auf diese Unternehmen erstreckt.89 Geht ein konzernzugehö8 9
Im folgenden sollen insbesondere die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Wettbewerbsvereinbarung konzernangehöriger Arbeitnehmer untersucht werden.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
257
riger Betrieb auf einen Inhaber über, der selbst keinem Konzern zugehört, und war ein Wettbewerbsverbot vereinbart, das die konzernzugehörigen Unternehmen schützt, ändert sich wegen § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB am vertraglich vereinbarten Inhalt des Wettbewerbsverbots nichts. Der neue Inhaber tritt damit in eine Vereinbarung ein, deren Reichweite weit über das für die tatsächlichen Gegebenheiten Notwendige hinausgeht. Die Korrektur dieser Vereinbarung kann wiederum auf zwei Wegen erfolgen: zum einen könnte der Erwerber nach § 75 a HGB auf die Einhaltung des Verbots verzichten, zum anderen könnte der Arbeitnehmer sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots wegen Fehlens des berechtigten geschäftlichen Interesses und (bzw. oder) wegen einer unbüligen Erschwerung des Fortkommens berufen. 90 Eine unmittelbare Auswirkung auf die vertraglich vereinbarte Reichweite ist jedoch nicht festzustellen, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil aus dem Konzern ausgegliedert wird und an einen neuen Inhaber übergeht, der keinem Konzern angehört. Umgekehrt kann eine Wettbewerbsabrede, die nur auf einen Betrieb beschränkt war, nicht automatisch auf einen Konzern ausgedehnt werden, wenn dieser Betrieb infolge des Betriebsübergangs einem Konzern zuwächst. 91 Dies folgt aus der Tatsache, daß für eine konzerndimensionale Geltung der Wettbewerbsabrede grundsätzlich eine entsprechende Vereinbarung erforderlich ist. Soll das Wettbewerbsverbot nach dem Betriebsübergang auch innerhalb eines Konzerns gelten, so bedarf es deshalb einer entsprechenden formgerechten Vereinbarung. Eine einseitige Veränderung der Reichweite des Verbots muß der Arbeitnehmer nicht hinnehmen, wenn diese nicht von Wettbewerbsabrede getragen wird. Wird einem Konzern ein weiteres Unternehmen zugeführt, und war mit einem Arbeitnehmer, der in dem Konzern beschäftigt ist, ein konzernweit geltendes Wettbewerbsverbot vereinbart, erstreckt sich das konzernweit vereinbarte Wettbewerbsverbot - zumindest was den Inhalt der Wettbewerbsabrede betrifft - zusätzlich auch auf das zum Konzern hinzugekommene Unternehmen. Diese Sachlage ist mit der Vereinbarung eines unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbots vergleichbar. Aus vertraglicher Sicht ist der Arbeitnehmer bis zu seinem Ausscheiden in bezug auf Veränderungen der Reichweite des WettbeDabei lassen sich jedoch die hier gefundenen Grundsätze auch auf Unternehmen übertragen, die mit dem Vertragsarbeitgeber allein durch die Form der Zusammenarbeit verbunden sind, vgl. hierzu oben III. Teil, Abschn. B, 2. Kap. 1. b. 9 0
Zu beiden Korrekturmöglichkeiten vgl. unten Kap. 3. u. 4. Hier geht es nur um die Untersuchung, ob der Betriebsübergang sich auf die vertragliche Vereinbarung auswirkt. 9 1
Entsprechend führt MK-Schaub, § 613 a Rdn. 7 aus, daß die Reichweite des Verbots sich nicht automatisch auf Dritte erweitert. Die Verpflichtungen aus der Wettbewerbsabrede werden infolge des Betriebsübergangs nicht erweitert, wenn der Erwerber noch andere Betriebe hat.
258
III. Teil, Abschn. B., 2. Kap.: Die vertraglich bestimmte Reichweite
werbsverbots, die sich auf Veränderungen der Konzernzugehörigkeit gründen, nicht geschützt, sofern überhaupt die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines konzernweit geltenden Wettbewerbsverbots gegeben waren. 92 Ob die tatsächliche Reichweite des Wettbewerbsverbots bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem konzernzugehörigen Betrieb auch die neu hinzugekommenen Unternehmen schützt, ist wiederum eine an dieser Stelle (noch) nicht zu prüfende Frage der Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots. Insoweit bedarf die Wettbewerbsabrede noch der gesetzlichen Inhaltskontrolle. Entsprechend verhält es sich, wenn mit dem Arbeitnehmer ein konzernweites Wettbewerbsverbot vereinbart worden war und der konzernzugehörige Betrieb auf einen anderen Inhaber, der einem anderen Konzern zugehört, übertragen wird. Ein betriebsübergangsbedingter Wechsel von einem Konzern zum anderen bedeutet zunächst, daß der neue Inhaber gemäß § 613 a BGB in die Wettbewerbsabrede eintritt. Da der neue Arbeitgeber damit ebenfalls Gläubiger eines konzernweit geltenden Wettbewerbsverbots wird, kann der Betriebsübergang für den Arbeitnehmer zur Folge haben, daß sich die Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots je nach Zahl und Art der dem neuen Konzern zugehörigen Unternehmen erweitert oder einschränkt. Ob das Wettbewerbsverbot jedoch seme Verbindlichkeit behält, ist ebenfalls hiervon getrennt zu untersuchen. Für ausgeschiedene Arbeitnehmer kann sich eine Erweiterung der Reichweite des Wettbewerbsverbots infolge von Veränderungen der Konzernzugehörigkeit nicht mehr ergeben. Zwar führt der Betriebsübergang dazu, daß der Erwerber analog § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Wettbewerbsabrede eintritt, doch steht ähnlich wie bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten bereits mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die maximale Reichweite des Verbots fest. Der Schutz des neuen Inhabers vor Wettbewerb erstreckt sich damit höchstens nur auf den Umfang, der zur Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses für den Veräußerer galt.
e) Zwischenergebnis
Die Untersuchung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den vertraglich bestimmten Inhalt hat gezeigt, daß der Umfang der dem Arbeitnehmer nach Betriebsübergang verbotenen Tätigkeit zunächst wesentlich vom Inhalt der Wettbewerbsvereinbarung abhängt. Zu unterscheiden sind unternehmensund tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbote. Im Falle des Betriebsübergangs tritt der neue Inhaber gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die sich aus dem 9 2
s. dazu oben III. Teil, Abschn. B, 2. Kap., 1., b.
2. Auswirkungen auf die vertraglich bestimmte Reichweite
259
Wettbewerbsverbot ergebenden Beschränkungen ein. Bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern gilt § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend. Ist ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart worden, erstreckt sich bei Erweiterungen der Geschäftstätigkeit der Wettbewerbsschutz nicht automatisch auf den erweiterten Geschäftsbereich. Bei bestehendem Arbeitsverhältnis bedarf eine betriebsübergangsbedingte Erweiterung des Tätigkeitsbereichs einer formgerechten ergänzenden Vereinbarung, wenn das tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbot die neu hinzugekommene Geschäftstätigkeit noch nicht erfaßt und ein entsprechender Schutz vor Wettbewerb erforderlich ist. Ist der Arbeitnehmer bereits ausgeschieden, muß sich eine das Wettbewerbsverbot ergänzende Vereinbarung nicht nach den Vorschriften der § 74 ff HGB richten. Auf dem Betriebsübergang beruhende Einschränkungen der Geschäftstätigkeit wirken sich auf die vertraglich bestimmte Reichweite des tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbots ebenfalls nicht aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer bereits ausgeschieden ist oder ob es sich noch um ein bestehendes Arbeitsverhältnis handelt. Nur bei bestehenden Arbeitsverhältnissen hat der neue Inhaber die Möglichkeit, nach Maßgabe des § 75 a HGB auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Ein teüweiser Verzicht wirkt sich auf die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung nicht unmittelbar aus. Neben der einvernehmlichen Aufhebung der Wettbewerbsvereinbarung bleibt damit nur die Untersuchung, inwieweit eine Korrektur durch die das Wettbewerbsverbot bestimmende gesetzliche Komponente in Betracht kommt. Allgemein lassen sich die zu den tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten gefundenen Erwägungen auch auf in anderer Hinsicht beschränkte Wettbewerbsverbote übertragen. Insbesondere wäre hier an zeitlich, regional oder produktspezifisch beschränkte Wettbewerbsverbote zu denken. Ist ein unternehmensbezogenes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, dann ist dem Arbeitnehmer nach dem Inhalt des Verbots jegliche Betätigung in einem Konkurrenzunternehmen untersagt. Der spätest mögliche Zeitpunkt, nach dem sich die maximale Reichweite unternehmensbezogener Wettbewerbsverbote bestimmt, ist der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Findet der Betriebsübergang vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt, richtet sich aus vertraglicher Sicht der Umfang des Wettbewerbsverbots nach dem Umfang, den die Geschäftstätigkeit während der Dauer des Arbeitsverhältnisses angenommen hatte. Erweiterungen der Geschäftstätigkeit, die auf einem Betriebsübergang beruhen, können sich deshalb bei bestehenden Arbeitsverhältnissen auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots auswirken. Ist der Arbeitnehmer vor Betriebsübergang aus dem Betrieb ausgeschieden, bleibt es bei dem Grundsatz, daß diejenigen Unternehmen als Konkurrenzunternehmen gelten, mit denen der Veräußerer bis spätestens zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers in Konkurrenz stand. Erne betriebsübergangsbe-
260
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
dingte Erweiterung des Geschäftsbereichs nach Ausscheiden des Arbeitnehmers auf Arbeitgeberseite hindert in diesem Fall den ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht, bezüglich des von der Erweiterung betroffenen Bereichs Konkurrenz zu treiben. Findet der Betriebsübergang nach Ausscheiden des Arbeitnehmers statt, so ist er wegen der entsprechenden Anwendung des § 613 a BGB dem neuen Inhaber nur in dem Umfang zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet, der sich aus der Geschäftstätigkeit des Veräußerers ergab. Demgegenüber hat eine auf dem Betriebsübergang beruhende Einschränkung des Geschäftsbereichs auf die sachliche Reichweite des Wettbewerbsverbots zunächst keine Auswirkungen. Hier kann nur anhand der gesetzlichen Inhaltskontrolle bei der Prüfung der Verbindlichkeit der Wettbewerbsabrede (§ 74 a Abs. 1 HGB) untersucht werden, ob sie korrigiert werden muß. Ebenso wie bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten kommt bei unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten auf Seiten des Arbeitgebers die Möglichkeit eines Verzichts nach § 75 a HGB in Betracht, solange der Arbeitnehmer noch nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Betriebsübergangsbedingte Veränderungen der Konzernzugehörigkeit können sich nur auswirken, wenn ein konzernweites Wettbewerbsverbot vereinbart wurde. In diesem Fall tritt der neue Inhaber in das konzerndimensional geltende Wettbewerbsverbot ein. Je nachdem, ob der neue Inhaber einem Konzern zugehört, kann sich die Wettbewerbsvereinbarung infolge des Betriebsübergangs auf den neuen Konzern erstrecken. Sind mit dem Betriebsübergang Erweiterungen der Reichweite des Wettbewerbsverbots verbunden, so können sie sich nur auf bestehende Arbeitsverhältnisse auswirken. Eine andere Frage ist, ob das konzernweit geltende Wettbewerbsverbot zum Zeitpunkt des Ausscheidens für den Arbeitnehmer verbindlich ist.
Drittes Kapitel
Die Auswirkungen des Übergangs auf das berechtigte geschäftliche Interesse nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB 1. Das berechtigte geschäftliche Interesse als Korrektiv der Wettbewerbsabrede a) Veränderungen
der ursprünglichen Interessenlage
Nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nur insoweit verbindlich, als es dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Das Erfordernis des berechtigten geschäftlichen Interesses stellt damit ein wichtiges Instrument zur Korrektur ursprünglich zu
1. Berechtigtes geschäftliches Interesse als Korrektiv
261
weit gefaßter oder im Laufe der Zeit zu weit gewordener Wettbewerbsabreden dar. 93 Die Notwendigkeit eines solchen Instruments offenbart sich bereits bei der zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots gegebenen Interessenlage. So liegt es auf der Hand, daß der Arbeitgeber im allgemeinen ein möglichst weitgehendes Interesse daran haben wird, sich durch die Wettbewerbsvereinbarung gegen eine Beeinträchtigung seiner Geschäftsinteressen abzusichern. 94 Dem Schutzinteresse des Arbeitgebers stehen andererseits gewichtige Interessen des Arbeitnehmers an der Wahl und Ausübung seines Berufes, der Verwertung seines Fachwissens sowie seiner wirtschaftlichen Mobilität gegenüber. Die §§ 74 ff HGB haben zum Ziel, einen für beide Seiten tragbaren Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu schaffen.95 Dementsprechend ist auch das gesetzliche Kriterium des berechtigten geschäftlichen Interesses, von dem die Verbindlichkeit des Wettbewerbs Verbots abhängt, Ausdruck des hier notwendigen Interessenausgleichs. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kann die ursprünglich bei der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots gegebene Interessenlage erheblichen Veränderungen unterliegen. 96 Ursachen hierfür können sowohl im innerbetrieblichen als auch im außerbetrieblichen Bereich oder in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers liegen. In Betracht kommen können beispielsweise Stillegungen von Produktionszweigen, Veränderungen von Marktchancen, Umsetzungen des Arbeitnehmers und vieles andere mehr. Auch der Betriebsübergang kann eine Veränderung der ursprünglich gegebenen Interessenlage bewirken. 97 Zu denken ist hier beispielsweise daran, daß der neue Inhaber im Fall der Erweiterung der Geschäftstätigkeit - etwa durch einen eingliedernden Betriebsübergang - möglicherweise ein erhebliches geschäftliches Interesse am konkurrenzrechtlichen Schutz auch des erweiterten Geschäftsbereichs haben wird. Demgegenüber kann bei betriebsübergangsbedingter Einschränkung der Geschäftstätigkeit ein ursprünglich gegebenes berechtigtes geschäfüiches Interesse in Frage stehen. Vorstellbar wäre auch, daß der neue Inhaber unabhängig davon kein Interesse mehr an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots hat. 93
Martens, FS-Herschel, S. 237 (247); Dorndorf,;
S. 223; Canaris, AcP 184, 201
(241). 9 4
Gamillscheg, RdA 1975, 13 (15 f).
95
Brune, S. 11.
9 6
Insoweit spricht auch das auf Arbeitgeberseite vorzufindende Interesse, bedingte Wettbewerbsverbote zu vereinbaren, eine beredte Sprache. So hebt Grunsky, in seinen Anm. zu BAG AP Nr. 29 zu § 74 HGB hervor, daß es dem Arbeitgeber häufig erst lange nach Abschluß des Wettbewerbsverbots möglich sei, konkret zu übersehen, welche Wettbewerbsrisiken auf dem Spiel stünden. 9 7
Borngräber y S. 73.
262
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
Würde der Inhalt des Wettbewerbsverbots von den Parteien allein durch die vertragliche Vereinbarung bestimmt, dann hätte dies nicht nur zur Folge, daß sich die Vereinbarung häufig nur zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken würde, 98 sondern es erwiese sich auch das Wettbewerbsverbot als relativ unflexibel gegenüber Veränderungen, die sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses ergeben. Wie gezeigt wurde, können sich aus inhaltlicher Sicht Anpassungen an eine veränderte Interessenlage bei Erweiterungen der Geschäftstätigkeit nur im Rahmen der unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbote ergeben, weil bei diesen Wettbewerbsverboten spätestens der Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers für die Reichweite des Verbots maßgeblich ist. 9 9 Weitere begrenzte Anpassungsmöglichkeiten an Veränderungen gegenüber der ursprünglich gegebenen Interessenlage bieten sich durch § 75 a HGB bei Verzicht des Prinzipals auf das Wettbewerbsverbot vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 oder durch die die Fälle der Kündigung betreffenden Vorschriften des § 75 HGB sowie durch Aufhebungsvertrag. Als weitaus flexibleres Instrument, einer im Laufe des Arbeitsverhältnisses veränderten Interessenlage gerecht zu werden, erweist sich dagegen das für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots geforderte berechtigte geschäftliche Interesse nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB. Für die weitere Analyse der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer steht deshalb zu vermuten, daß es wesentlich darauf ankommt, wie sich der Betriebsübergang auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirkt. Bevor im folgenden die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das berechtigte geschäftliche Interesse untersucht werden, soll zunächst dargestellt werden, wodurch dieses gekennzeichnet wird.
9 8 Nach § 75 d HGB kann sich der Prinzipal nicht auf eine Vereinbarung berufen, die zum Nachteil des Handlungsgehilfen von den Vorschriften der §§74 bis 75 c HGB abweicht. 9 9 1 0 0
Vgl. dazu oben S. 238. Vgl. dazu oben S. 256.
1. Berechtigtes geschäftliches Interesse als Korrektiv b) Das gesetzliche Erfordernis
263
des berechtigten geschäftlichen Interesses
Nach der Rechtsprechung des B A G , 1 0 1 der im Schrifttum weitgehend zugestimmt w i r d , 1 0 2 ist es für das Vorliegen des berechtigten geschäftlichen Interesses erforderlich, daß der Arbeitgeber gerade wegen der Tätigkeit des Arbeitnehmers veranlaßt ist, sich vor dessen Konkurrenz zu schützen. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer Gelegenheit hatte, bei seinem früheren Arbeitgeber Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben oder Beziehungen herzustellen und zu festigen, die für die Konkurrenz von Interesse sind. Das berechtigte geschäftliche Interesse ist somit nur gegeben, wenn das Wettbewerbsverbot unternehmerischen Zwecken dient und in Beziehung zu den Kenntnissen und Fertigkeiten steht, die sich der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber erwerben konnte. Im Einzelfall ist entscheidend, daß das Wettbewerbsverbot nach Art und Umfang berechtigt erscheint. 103 Das bloße allgemeine Interesse, sich vor unerwünschter Konkurrenz zu schützen, reicht für die Verbindlichkeit der Wettbewerbsabrede nicht aus. 1 0 4 Erforderlich ist, daß sich der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit spezielle Kenntnisse erworben hat und gerade durch deren Verwertung in die Lage versetzt wird, künftig Konkurrenz zu betreiben. 105 Grundsätzlich kann die Konkurrenztätigkeit nicht allgemein untersagt werden, solange der Arbeitnehmer nicht eine wettbewerbsrelevante Tätigkeit ausübt. 106 Für ein ganz allgemeines, auf jede Betätigung gerichtetes Wettbewerbsverbot fehlt jedenfalls regelmäßig das berechtigte geschäftliche Interesse. 107 Ausnahmen können sich bei leitenden Angestellten ergeben 108 oder wenn wegen der 1 0 1 BAG AP Nr. 2 zu § 74 a HGB mit Anm. von Duden; AP Nr. 1 zu § 611 BGB Abwerbung; AP Nr. 22 zu § 611 Konkurrenzklausel; AP Nr. 15 u. Nr. 21 zu § 133 f GewO. 1 0 2
Bandasch-Etzel §§ 74 - 75 d HGB, Rdn. 4; Baumbach!Duden/Hopt, §§ 74 a Anm. 1 A ; Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 68 f; Gamillscheg, RdA 1975, 13 (22); Grüll, S. 39; Heymann-Honsell § 74 a Rdn. 4 ff; Martens, FS-Herschel, 237 (239 f); Plett/Welling, DB 1986 Beil. 4., 2282 (2283); Schaub, RdA 1971, 268 (272); ders., Arbeitsrechtshandbuch, § 58 III. 9; a.A. Schlegelberger-Schröder, § 74 a Rdn. 3 a, wonach es für das berechtigte geschäftliche Interesse ausreichen soll, daß der Handlungsgehilfe durch die ihm verbotene Tätigkeit den Wettbewerb eines anderen zum Nachteil des Unternehmens unterstützen werde. 1 0 3
Röhsler/Borrmann,
1 0 4
BAG AP Nr. 15 zu § 133 f GewO, BAG BB 1966,1025.
1 0 5
BAG AP Nr. 22 zu § 611 Konkurrenzklausel.
S. 111.
1 0 6
BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO; AP Nr. 24 zu § 133 f GewO m. Anm. v. Simitis; Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 69. 1 0 7 1 0 8
Windbichler,
S. 131; Röhsler/Borrmann,
S. 111.
Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 69; Martens, Recht der leitenden Angestellten, S. 179; Simitis, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu 113 f GewO.
264
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
besonderen Organisationsstruktur des Konkurrenzbetriebes109 oder den Besonderheiten des zu betreuenden Marktes 1 1 0 eine räumliche, sachliche und personelle Trennung nicht gewährleistet werden kann. Kein berechtigtes geschäftliches Interesse ist ferner gegeben, wenn nur die Arbeitskraft des Arbeitnehmers für den Unternehmer gesichert werden s o l l . 1 1 1 Übereinstimmend mit dem BAG kann davon ausgegangen werden, daß ein Wettbewerbsverbot dann nicht schützenswert ist, wenn ihm seine "normale Funktion fehlt, die Weitergabe geschäftlicher Geheimnisse und den Einbruch in den Kunden- und Lieferantenstamm zu verhindern." 112 § 1 \ a Abs. 1 S. 1 HGB enthält mit dem Erfordernis des berechtigten geschäftlichen Interesses einen über den handelsrechtlichen Bereich hinausgehenden Rechtsgedanken, der für alle arbeitsrechtlichen Wettbewerbsverbote g ü t . 1 1 3 Nach Gaul soll der Arbeitgeber berechtigt sein, dem Arbeitnehmer die gleichen Beschränkungen aufzuerlegen, wie sie durch § 60 Abs. 1 HGB bei verfassungskonformer Auslegung kraft Gesetzes bestehen. 114 Bezüglich des Zeitpunkts, zu dem das berechtigte geschäftliche Interesse vorliegen muß, läßt sich zunächst feststellen, daß nicht der Zeitpunkt des Abschlusses der Wettbewerbsvereinbarung entscheidend i s t . 1 1 5 Im allgemeinen wird im Schrifttum auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem die Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden. 1 1 6 Allerdings bedarf diese Ansicht noch einer weiteren Differenzierung. 117 Entscheidend kommt es darauf an, welche Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden. Macht der Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch geltend, so ist auf den Zeitpunkt der schädigenden Handlung abzustellen, da im Augenblick der Wettbewerbstätigkeit ein berechtigtes geschäftliches Interesse am Wettbewerbsschutz bestehen muß. Wird dagegen ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht, ist der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs maßgeblich. Das berechtigte geschäftliche Interesse muß damit für den Unterlassungsanspruch
1 0 9
BAG AP Nr. 24 zu § 133 f GewO m. Anm. v. Simitis.
1 1 0
BAG AP Nr. 1 zu § 75 b m. Anm. v. Ballerstedt.
1 1 1
BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO; Winterstein,
1 1 2
BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO m.zahlr. Nachw. aus der Rechtsprechung.
1 1 3
BAG AP Nr. 18 zu § 74 HGB m.w.Nachw.
NJW 1989,1463 (1464).
1 1 4
Gaul, BB 1984, 346 (348); zum berechtigten Interesse im Rahmen des § 60 HGB vgl. oben S. 29. 115
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 70; Schlegelberger-Schröder,
§ 74 a Rdn. 3.
1 1 6
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 70; Grüll, S. 41; Heymann-Honsell, § 74 a Rdn. 8; Röhsler/Borrmann, S. 111 f; Schlegelberger-Schröder, § 74 a Rdn. 3. 1 1 7
Dies hat zu Recht Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 94 hervorgehoben.
1. Berechtigtes geschäftliches Interesse als Korrektiv
265
zum Beginn der Karenzzeit vorliegen. Da sich der Anspruch auf Unterlassung auf künftige Tätigkeiten richtet, kann bei zwischenzeitlich fehlendem berechtigten geschäftlichen Interesse die Unterlassung für die Zukunft nicht mehr verlangt werden. 1 1 8 Die skizzierte Darstellung des berechtigten geschäftlichen Interesses zeigt deuüich die Wechselwirkung, in der es sowohl zum vereinbarten Wettbewerbsverbot als auch zu der Diensüeistung aus dem Arbeitsverhältnis steht. Dadurch, daß das berechtigte geschäftliche Interesse in der Regel dann vorliegen muß, wenn aus dem Wettbewerbsverbot Rechte abgeleitet werden, ist eine Anpassung der verhältnismäßig starren vertraglichen Regelung an eine bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis veränderte Interessenlage gewährleistet. Das berechtigte geschäftliche Interesse kann durchaus ein anderes sein, als es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wettbewerbsvereinbarung w a r . 1 1 9 Das Erfordernis des berechtigten geschäftlichen Interesses erlaubt eine Beurteilung der Wettbewerbsabrede aus der Retrospektive und, soweit der Arbeitnehmer dies wünscht, eine dementsprechende Korrektur. 120
c) Auswirkungen von Veränderungen
der Geschäftstätigkeit
auf das berechtigte geschäftliche Interesse
Hält der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses den Umfang seiner Geschäftstätigkeit in gleichem Maße bei, wie er zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots gegeben war, so wird regelmäßig ein berechtigtes geschäftliches Interesse an der Einhaltung eines vereinbarten Wettbewerbsverbots bestehen, sofern die oben skizzierten Voraussetzungen erfüllt sind. Das Wettbewerbsverbot bleibt dann in dem vereinbarten Umfang verbindlich. Erweitert der Arbeitgeber im Laufe des Arbeitsverhältnisses seine Geschäftstätigkeit, stellt sich die Frage, inwieweit sich dies auf das berechtigte Interesse auswirkt. Entscheidender Ansatzpunkt der Überlegung ist, daß ein berechtigtes Interesse nur soweit vorhanden sein kann, wie die Reichweite des Wettbewerbsverbots vereinbart wurde. 1 2 1 Soll auch der erweiterte Bereich vom Wettbewerbsschutz erfaßt sein, setzt dies somit zunächst voraus, daß entweder ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot vereinbart wurde oder daß ein tätigkeitsbezogenes oder in sonstiger Weise eingeschränktes Wettbewerbsver1 1 8
Vgl. Grunsky, a.a.O.
1 1 9
Grüll, S. 41; vgl. auch oben Fußn. 96.
1 2 0
Zu den Folgen des Wegfalls des berechtigten geschäftlichen Interesses siehe sogleich unter c). 121
Schlegelberger-Schröder,
§ 74 a Rdn. 1 a.
266
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
bot durch formgerechten Vertrag auf die nicht vor Wettbewerb geschützten Bereiche ausgedehnt wird. Kann auf vertraglicher Ebene festgestellt werden, daß die Reichweite der Wettbewerbsvereinbarung die im Laufe des Arbeitsverhältnisses erweiterte Geschäftstätigkeit umfaßt, ist es auch möglich, daß das Wettbewerbsverbot dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses dient. Bei Vorliegen der vertraglichen Voraussetzungen kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit durch die Aufnahme neuer Marktsegmente erweitert hat und der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden auch auf diesem Gebiet erworbene Kenntnisse und Erfahrungen ausnutzen kann. 1 2 2 Mangelt es dagegen bereits an einer ausreichenden vertraglichen Grundlage, kann das bloße geschäftliche Interesse an der Wettbewerbsenthaltung bezüglich des erweiterten, von der Wettbewerbsabrede nicht gedeckten Bereichs für sich allein keine Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung begründen. Soll der erweiterte Geschäftsbereich in den Schutz vor Wettbewerb einbezogen werden, bedarf es vielmehr stets der Kongruenz von Wettbewerbsabrede und berechtigtem geschäftlichen Interesse. Erweitert der Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit erst nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers, folgt aus dieser Überlegung ebenfalls, daß die Erweiterung nicht dazu führen kann, daß ein berechtigtes geschäftliches Interesse am Schutz vor Wettbewerb entsteht. Auf die Frage des berechtigten geschäftlichen Interesses kommt es nämlich nicht an, wenn es bereits an der vertraglichen Grundlage mangelt. An einer solchen Grundlage mangelt es, wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und erst dann die Erweiterung der Geschäftstätigkeit erfolgt. Auf vertraglicher Ebene steht die Reichweite des Wettbewerbsverbots spätestens mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis fest. 1 2 3 Eine nachträgliche Erweiterung des geschäftlichen Spektrums vermag die Reichweite der Wettbewerbsabrede nicht auszudehnen. Aus der notwendigen Kongruenz von berechtigtem geschäftlichen Interesse und Wettbewerbsabrede ergibt sich deshalb, daß sich eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit während der Karenzzeit nicht zu Lasten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers auswirken kann. Der Arbeitgeber mag zwar ein Interesse daran haben, daß auch die nach Ende des Arbeitsverhältnisses erweiterte Geschäftstätigkeit vor Wettbewerb geschützt wird, doch kommt es hierauf nicht an. Insoweit wird die bereits oben zitierte Ansicht des BAG bestä-
1 2 2 Ausnahmen von dieser Einschränkung können sich wiederum bei leitenden Angestellten ergeben. 123
Vgl. dazu oben S. 238.
1. Berechtigtes geschäftliches Interesse als Korrektiv
267
tigt, daß das geschäftliche Interesse für sich allem keine Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung begründen könne. 1 2 4 Anders verhält es sich bei Einschränkungen der Geschäftstätigkeit. Schränkt der Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit ein, kann dies zum Wegfall des berechtigten geschäftlichen Interesses führen, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Hat der Arbeitgeber z.B. Produktion und Vertrieb von Waren in einem bestimmten Geschäftszweig aufgegeben, ist für diesen Bereich das Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots nicht mehr schutzwürdig. Das zu weite Wettbewerbsverbot wird dann wegen Fehlens des berechtigten geschäftlichen Interesses zum Teü unverbindlich. Zwar kann die Einschränkung der Geschäftstätigkeit grundsätzlich zum Wegfall des berechtigten geschäftlichen Interesses führen, doch wird nach dem Wortlaut des § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB das Wettbewerbsverbot nur "insoweit" unverbindlich, als es nicht dem Schutz ernes berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Die Unverbindlichkeit besteht also darin, daß nur der "überschießende T e i l " 1 2 5 nicht anzuerkennen i s t . 1 2 6 Im übrigen bleibt der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot gebunden. 127 Ist ein berechtigtes geschäftliches Interesse überhaupt nicht vorhanden oder ist im Einzelfall die Abgrenzung ernes verbindlichen Teüs nicht möglich, so ist das Wettbewerbsverbot dem ganzen Inhalt nach unverbindlich. 128 Die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots hat zur Folge, daß der Arbeitnehmer wählen kann, ob er an dem Wettbewerbsverbot festhalten und Karenzentschädigung erhalten oder zu seinem früheren Arbeitgeber in Konkurrenz treten w ü l . 1 2 9 Bei teüweiser Unverbindlichkeit verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entschädigung teilweise, sofern er im Rahmen der Unverbindlichkeit das Wettbewerbsverbot nicht beachten w i l l . 1 3 0 Das Wahlrecht muß zu Beginn der Karenzzeit ausgeübt werden und ist für die gesamte Karenzzeit verbindlich. 1 3 1
1 2 4
Oben bei Fußnote 104
125
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 74.
1 2 6
Vgl. nur Heymann-Honselly § 74 a Rdn 18; Röhsler/Borrmann,
S. 115.
1 2 7
BAG AP Nr. 22 zu § 74 HGB; AP Nr. 21 zu § 133 f GewO m. zust. Anm. von Hofmann; Buchner, Wettbewerbsverbot S. 75. 1 2 8
Löffly
S. 49.
1 2 9
Vgl. die Nachw. in Fußn. 75.
1 3 0
Schlegelberger-Schröder,
131
BAG AP Nr. 36 u. 37 zu § 74 HGB; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 103.
§ 74 a Rdn. 4 c.
268
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
Auf das Fehlen des berechtigten geschäftlichen Interesses kann sich nur der Arbeitnehmer berufen, 132 der dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt. 1 3 3 Das BAG begründet seine Ansicht zu Recht damit, daß nach den Zielsetzungen der §§ 74 ff HGB der Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen nicht unbillig belastet werden dürfe. Dies ergebe sich aus der Auslegung des § 74 a HGB, der ausschließlich auf die Belange des Arbeitnehmers abstelle, sowie aus § 75 d HGB über den einseitigen zwingenden Charakter der Vorschriften über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot Dagegen bestehe für den Arbeitgeber nach den §§ 74 ff HGB kein Schutz. Würde der Arbeitgeber sich auf ein berechtigtes geschäftliches Interesse berufen können, hieße dies, Mdas Gesetz geradezu auf den Kopf' zu stellen. 134 Der Auslegung des BAG ist zuzustimmen. Könnte der Arbeitgeber sich auf ein Fehlen des berechtigten geschäftlichen Interesses berufen, hätte er es auch nach Ausscheiden des Arbeitnehmers in der Hand, ob er am Wettbewerbsverbot festhalten wollte. Damit ergäbe sich für den Arbeitnehmer eine ähnliche, sein berufliches Fortkommen erschwerende Lage wie bei der Vereinbarung eines bedingten Wettbewerbsverbots. Die Interessen des Arbeitnehmers an einer nicht unbilligen Belastung seines beruflichen Fortkommens überwiegen insoweit. Auch ist Hofmann 1 3 5 darin zuzustimmen, daß es letzüich bedeuten würde, die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf die Konkurrenzklausel für anwendbar zu erklären, wollte man dem Arbeitgeber die Möglichkeit einräumen, sich auf das Fehlen des berechtigten geschäftlichen Interesses zu berufen. Dem steht jedoch die gesetzliche Wertung der §§ 74 f f HGB entgegen. 136 Dies bedeutet aber auch, daß das Risiko einer Fehleinschätzung der Rechtslage auf dem Arbeitnehmer lastet. 1 3 7 Kommt der zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtete Arbeitnehmer zu der Ansicht, daß die Konkurrenzklausel teilweise unverbindlich ist, so kann er zwar in diesem Rahmen eine Konkurrenztätigkeit
1 3 2
BAG AP Nr. 21 zu § 74 zu IV, 2 der Gründe; AP Nr. 3 zu § 74 a zu 2.; AP Nr. 6 zu § 628 zu I I 2 b der Gründe; BAG BB 1971, 1412 zu III; Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 76; Grüll, S. 41; Röhsler/Borrmann, S. 114. 133
Schlegelberger-Schröder,
1 3 4
BAG AP Nr. 22 zu §74.
135
Hofmann, Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 74 HGB.
1 3 6
s. 0 . 2 ebb.
1 3 7
§ 74 a Rdn. 3; Dorndorf\
S. 260 f.
Anders ist dies bei der Frage, ob die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots erforderlich ist. Hier trägt, wie § 75 a HGB erhellt, das Risiko der Fehleinschätzung der Arbeitgeber.
1. Berechtigtes geschäftliches Interesse als Korrektiv
269
aufnehmen, doch trägt er das alleinige Risiko einer etwaigen fehlerhaften Vertragsauslegung.138 Zusammenfassend läßt sich damit festhalten, daß sich Erweiterungen der Geschäftstätigkeit nicht ohne zugrundeliegende vertragliche Vereinbarung auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirken, wogegen Einschränkungen der Geschäftstätigkeit dieses ohne weiteres entfallen lassen können. Denkbar ist auch, daß trotz entsprechender vertraglicher Vereinbarung in Teilbereichen nie ein berechtigtes geschäftliches Interesse bestand. Maßgeblich für das Vorliegen des berechtigten geschäftlichen Interesses ist im allgemeinen der Zeitpunkt, zu dem Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden. Damit ist zwar die grundsätzliche Möglichkeit eröffnet, Veränderungen, die sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses in der Interessenlage ergeben, gerecht zu werden. Es zeigt sich allerdings, daß diese Anpassung nur in engen Grenzen möglich ist. Das Kriterium des berechtigten geschäftlichen Interesses erfüllt eine Schutzfunktion zugunsten des Arbeitnehmers. Grundsätzlich wird es nur bedeutsam, wenn sich eine Diskrepanz zwischen Wettbewerbsvereinbarung und tatsächlicher Interessenlage zu Lasten des Arbeitnehmers ergibt. Diese Diskrepanz ist gegeben, wenn mehr vereinbart wurde, als nach der Wettbewerbssituation tatsächlich schutzwürdig ist. Dies kann grundsätzlich von Beginn der Vereinbarung an der Fall sein. Häufig wird es jedoch auch vorkommen, daß es im Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu Veränderungen und Schwerpunktverlagerungen in der Geschäftstätigkeit kommt, die das Interesse am Wettbewerbsverbot entfallen lassen. Entfallt das berechtigte geschäftliche Interesse, hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er gegen Karenzentschädigung an dem Wettbewerbsverbot festhalten oder unter Verlust der Entschädigung Konkurrenz betreiben wül. Das Kriterium des berechtigten geschäftlichen Interesses schützt dagegen nicht den Arbeitgeber. Deshalb kann sich der Arbeitgeber bei Erweiterungen der Geschäftstätigkeit auch nicht auf dieses berufen. Bei Erweiterungen der Geschäftstätigkeit ist in erster Linie die Vertragslage maßgeblich, und erst dann das berechtigte geschäftliche Interesse. Wird die Erweiterung der Geschäftstätigkeit von der Wettbewerbsvereinbarung getragen, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer auch aus dem erweiterten Geschäftsbereich erworbene Kennt-
1 3 8 Grüll, S. 32; Heymann-Honsell § 74 a Rdn. 20; Röhsler/Borrmann, S. 115 f. Der Arbeitnehmer, der sich vor einer fehlerhaften Einschätzung der Rechtslage sichern will, muß deshalb dem Arbeitgeber Art und Umfang der beabsichtigten Tätigkeit anzeigen und gegebenenfalls im Wege einer Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht eine Klärung der Rechtslage herbeiführen. Das Gericht muß dann die örtlichen, zeitlichen oder gegenständlichen Grenzen des vereinbarten Wettbewerbsverbots unter Beachtung des § 74 a Abs. 1 HGB festlegen, wobei der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt.
270
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
nisse und Erfahrungen verwerten kann. Ist dies der Fall, kann der Arbeitnehmer nicht das Fehlen des berechtigten geschäftlichen Interesses geltend machen.
d) Berechtigtes geschäftliches Interesse bei Wettbewerbsverboten, die sich auf konzernzugehörige oder verbundene Unternehmen erstrecken
Nach der Legaldefinition des § 18 AktG liegt ein Konzern vor, wenn ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind, oder wenn Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist, unter einheitlicher Leitung stehen. Geht man bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise davon aus, daß bei allen denkbaren Unterschieden der Organisationsform der konzernangehörigen Unternehmen die unternehmerischen Ressourcen letztlich der Obergesellschaft zur Verfügung stehen, 139 dann würde sich bei Vereinbarung eines nachvertraglichen konzernweit geltenden Wettbewerbsverbots ein sehr weites Büd möglicher wettbewerbsrechtlich bedeutsamer Interessen ergeben. Ähnliches gälte bei anderweitig verbundenen Unternehmen. Ein derart allgemeines Wettbewerbsverbot würde den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommensinteresse über Gebühr belasten und die durch Art. 12 GG gesetzten Grenzen überschreiten. Es güt somit bei diesen Wettbewerbsverboten zu bestimmen, welche geschäftlichen Interessen an der Einhaltung eines Wettbewerbsverbots noch als berechtigt i.S.d. § 74 a Abs. 1 HGB angesehen werden können. Bereits oben wurde ausgeführt, daß eines der wesentlichen Merkmale des berechtigten geschäftlichen Interesses darin besteht, daß es voraussetzt, daß der Arbeitnehmer Gelegenheit hatte, bei seinem früheren Arbeitgeber für den Wettbewerb bedeutsame Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben oder wettbewerbsrelevante Beziehungen herzustellen. 140 Dies muß auch dann gelten, wenn ein konzernweites Wettbewerbsverbot vereinbart wurde. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote können nur dazu dienen, den Arbeitgeber vor Wettbewerbsrisiken zu schützen, die durch die Beschäftigung des Arbeitnehmers entstehen. Diese Gefahren können sich nicht realisieren, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit überhaupt keine Gelegenheit hatte, Kenntnisse zu erwerben oder Beziehungen herzustellen, die wettbewerbsrelevant sein können. Daraus folgt, daß ein Verbot mit prinzipiell konzern- bzw. unternehmensweiter Reichweite nur dann verbindlich sein kann, wenn der Arbeitnehmer in allen betroffenen Unternehmen tätig war oder beispielsweise in der Konzernspitze sich aller
1 3 9
Martens, FS-Herschel, S.243
1 4 0
S. 263 f.
1. Berechtigtes geschäftliches Interesse als Korrektiv
271
Konzerngesellschaften angenommen hat. 1 4 1 Für ein generelles, konzern- und unternehmensweites Wettbewerbsverbot fehlt mithin regelmäßig ein berechtigtes geschäftliches Interesse. 142 Für die Frage, welche geschäftlichen Interessen bei konzernweit vereinbarten Wettbewerbsverboten i.S.d. § 74 a Abs. 1 HGB berechtigt sind, bedeutet dies, daß sich die geschäftlichen Interessen, die über die des Vertragsarbeitgebers hinausgehen und auch andere konzernangehörige Unternehmen erfassen, sich nur dann als berechtigt darstellen können, wenn sie tatsächlich mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers korrelieren. Dagegen genügt es nicht, wenn der Arbeitnehmer nur gelegenüich seiner Tätigkeit Kontakt zu Drittunternehmen hat. Es muß also zwischen Verbot und Beschäftigung ein hinreichender Zusammenhang bestehen. Dies setzt wiederum voraus, daß das Zusammenwirken der in die Reichweite des Wettbewerbsverbots einbezogenen Unternehmen nicht nur zufälliger oder vorübergehender Natur ist. 1 4 3 Neben einer ausreichenden Beziehung zwischen Verbot und Beschäftigung muß somit auch ein für den Schutz vor Wettbewerb bedeutsames Zusammenwirken der in den Schutzbereich einbezogenen Unternehmen bestehen. 144 Ein solches Zusammenwirken kann jedenfalls dann festgestellt werden, wenn die Unternehmen in einem Konzern unter der Leitung eines herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind. 1 4 5 Unter Berücksichtigung des berechtigten geschäftlichen Interesses bestimmt sich die tatsächliche Reichweite unternehmensübergreifend vereinbarter Wettbewerbsverbote somit im wesentlichen nach dem Grad der unternehmensoffenen Beschäftigung des Arbeitnehmers und dessen Möglichkeiten, für den Wettbewerb bedeutsame Kenntnisse zu erwerben oder wettbewerbsrelevante Bezüge herzustellen.
141
Martens, a.a.O. S. 243 f.
1 4 2
Windbichler,
S. 131; Kracht, BB 1970, 584
143
Windbichler,
a.a.O.
1 4 4 Ob man dieses Zusammenwirken auch auf Kooperationen ausdehnt (so Kracht, BB 1970, 584 f), mag an dieser Stelle dahinstehen. Mit guten Gründen ablehnend Windbichler, S. 132 in Fußn. 357. 145
Windbichler, S. 132, die auf die sich aus § 15 AktG und § 271 HGB ergebenden Anhaltspunkte hinweist.
272
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
2. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs a) Das maßgebliche geschäftliche Interesse bei Betriebsübergang
Der betriebsübergangsbedingte Wechsel der Arbeitgeberstellung bedeutet zugleich, daß mit dem Zeitpunkt des Übergangs auch ein Wechsel in der Gläubigerstellung in bezug auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot stattfindet. Im Schrifttum wird deshalb übereinstimmend die Ansicht vertreten, daß ab diesem Zeitpunkt der Umfang des Wettbewerbsverbots sich nach dem geschäftlichen Interesse des Erwerbers richte. 1 4 6 Dies sei grundsätzlich auch dann der Fall, wenn der Veräußerer weiterhin einen Betrieb führe. 1 4 7 Auch das BAG hat in seiner - allerdings zur Zeit vor Inkrafttreten des § 613 a BGB ergangenen - Rechtsprechung angenommen, daß bei rechtsgeschäftlicher Übertragung der Rechte aus dem Arbeitsverhältnis, bei der auch die Wettbewerbsabrede auf einen Betriebserwerber übertragen werde, auf das berechtigte geschäftliche Interesse des Erwerbers abzustellen sei. 1 4 8 Der Ansicht, daß auf das berechtigte geschäftliche Interesse des Betriebserwerbers abzustellen sei, kann zunächst ohne weiteres gefolgt werden, wenn es sich um einen Betriebsübergang vor Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb handelt. Bereits aus dem Wortlaut des § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB ergibt sich, daß diejenige Person, die ein berechtigtes geschäftliches Interesse vorweisen können muß, der Arbeitgeber ist. Da der neue Inhaber infolge des Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB die Arbeitgeberstellung einnimmt, ist er derjenige, auf den sich das berechtigte geschäftliche Interesse beziehen muß. Dies ist unabhängig von der an späterer Stelle zu behandelnden Frage zu sehen, ob der frühere Inhaber noch ein weiterhin bestehendes Interesse an der Einhaltung ernes Wettbewerbsverbots hat. 1 4 9 1 4 6 Bauer, S. 70; ders., in Hölters V., Rdn 77; ders., DB 1983, 713 (717); Blank/Blanlce, S. 237; Borngräber, S. 73; Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 110 ff (der allerdings Korrekturen an dieser Lösung für angebracht hält); Commandeur, S. 74; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 64; Gaul, Betriebsübergang, S. 96; Grüll, S. 72; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 140; Heymann-Honsell, § 74 a Rdn. 8; Posth, S. 159; Röhsler/Borrmann, S. 127; Schaub, ZIP 1984, 272 (275); im Ergebnis ebenso ders., M K § 613 a Rdn. 7. 147
Röhsler/Borrmann, S. 126; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 80. Zum Schutz des Veräußerers vor Wettbewerb nach Ausscheiden des Arbeitnehmers s. u. 1 4 8
BAG AP Nr. 1 zu § 74 a HGB. In AP Nr. 18 zu § 74 HGB (Bl. 56 R) hat das BAG die Auffassung vertreten, daß das berechtigte geschäftliche Interesse ganz entfallen könne, wenn die Abtretung der Rechte aus dem Wettbewerbsverbot erst nach der Veräußerung des Betriebes erfolge. Der Arbeitnehmer könne dies dem Dritten gemäß § 404 BGB entgegenhalten. 1 4 9
s. dazu unten Abschn. B, 5. Kap.
2. Auswirkungen auf das berechtigte geschäftliche Interesse
273
Geht der Betrieb auf den neuen Inhaber über, nachdem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, richtet sich das berechtigte geschäftliche Interesse wegen der entsprechenden Anwendung des § 613 a BGB ebenfalls nach der Geschäftstätigkeit des neuen Inhabers. § 613 a BGB bezweckt den vollständigen Wechsel der Rechtsstellung des aus dem Wettbewerbsverbot Berechtigten. Auch bei analoger Anwendung der Vorschrift kann nichts anderes gelten. Wenn davon auszugehen ist, daß sich das berechtigte geschäftliche Interesse ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach dem geschäftlichen Interesse des neuen Inhabers richtet, dann ist fraglich, welche Auswirkungen sich im einzelnen als Folge des Betriebsübergangs auf die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots ergeben.
b) Auswirkungen bei gleichbleibender
Geschäftstätigkeit
Regelmäßig ohne Auswirkungen auf das berechtigte geschäftliche Interesse bleibt der Inhaberwechsel, wenn es sich lediglich um den schlichten Austausch des Betriebsinhabers bei im übrigen kontinuierlicher Fortführung des Betriebes handelt. Änderungen des geschäftlichen Interesses können sich dabei allgemein nur im Zuge der weiteren Betriebsfortführung ergeben, nicht aber durch den Übergang des Betriebes selbst. Für noch nicht ausgeschiedene Arbeitnehmer richtet sich das berechtigte geschäftliche Interesse in diesem Fall nach den allgemeinen Regeln. Maßgeblich sind die durch Vereinbarung bestimmte Reichweite des Verbots und der Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.150 Entsprechendes güt für ausgeschiedene Arbeitnehmer, wobei es für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Geschäftstätigkeit des neuen Betriebsinhabers ankommt.
c) Auswirkungen bei Erweiterungen
der Geschäftstätigkeit
durch den Erwerber
aa) Erweiterungen bei bestehendem Arbeitsverhältnis Ob die betriebsübergangsbedingte Erweiterung der Geschäftstätigkeit sich auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirkt, ist bei bestehendem Arbeitsverhältnis zunächst eine Frage der Wettbewerbsvereinbarung. Es finden
1 5 0
Vgl. oben Abschn. B, 3. Kap., 1., b.
274
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
die bereits oben dargestellten allgemeinen Grundsätze Anwendung. 151 Ist die Wettbewerbsabrede wie im Fall des unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbots so gefaßt, daß sich Erweiterungen auf die Reichweite des Verbots während der Dauer des Arbeitsverhältnisses auswirken können, ist es denkbar, daß dieses Wettbewerbsverbot auch dem Schutz eines berechtigten Interesses dienen kann. Im Einzelfall ist es freilich erforderlich, daß auch der erweiterte Geschäftsbereich in Beziehung zu den Kenntnissen und Erfahrungen des Arbeitnehmers steht. 1 5 2 Ein Wettbewerbsverbot ist wegen fehlenden berechtigten geschäftlichen Interesses unverbindlich, wenn es dem Arbeitnehmer untersagt, für ein Unternehmen zu arbeiten, das zwar zu seinem Arbeitgeber in Konkurrenz steht, in dessen Arbeitsgebiet der Arbeitnehmer sich während seines Arbeitsverhältnisses jedoch niemals betätigt hatte und in das er auch auf sonstige Weise keinen Einblick erhalten hatte. 153 Ist lediglich ein eingeschränktes Wettbewerbsverbot vereinbart, kommt es für die Frage nach dem berechtigten geschäftlichen Interesse darauf an, daß der durch Betriebsübergang erweiterte Geschäftsbereich vom Inhalt der Vereinbarung erfaßt wird; andernfalls müßte die Wettbewerbsabrede erst durch formgerechte Vereinbarung ergänzt werden. Ein geschäftliches Interesse ohne eine entsprechende Wettbewerbs Vereinbarung genügt nicht. Erstreckt sich die Wettbewerbsvereinbarung auch auf den erweiterten Bereich, so güt für das berechtigte geschäftliche Interesse nichts anderes als bei den unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Erweiterung des Geschäftsbereichs ohne Betriebsübergang. Das Wettbewerbsverbot wird deshalb voll verbindlich, wenn der Erwerber ein berechtigtes geschäftliches Interesse vorweisen kann, das beim Veräußerer noch fehlte. 1 5 4
bb) Erweiterungen während der Karenzzeit Dagegen kann sich bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit infolge des Betriebsübergangs nicht auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirken. Auch hier gelten die bereits oben angeführ-
151 Vgl. dazu die Ausführungen oben Abschn. B, 2. Kap, 2.; zu Recht weist Schlegelberger-Schröder, § 74 a Rdn. 1 a darauf hin, daß dieser Punkt stets zuerst geprüft werden müsse. 152
Vgl. dazu oben S. 263.
153
BAG AP Nr. 2 zu § 74 a HGB; AP Nr. 1 zu § 75 HGB; AP Nr. 21 zu § 133 f
GewO. 154
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 140.
2. Auswirkungen auf das berechtigte geschäftliche Interesse
275
ten Grundsätze. 155 Auswirkungen auf das berechtigte geschäftliche Interesse scheitern bereits daran, daß von der Vertragsgestaltung her Veränderungen der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers höchstens bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem aktiven Teil des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Wie gezeigt wurde, ist der wesentliche Grund darin zu sehen, daß der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr aufgrund seiner Dienstleistung mit neu hinzukommenden betrieblichen Erfahrungen und Kenntnissen in Berührung kommt und außerdem spätestens zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis konkret wissen muß, welche Tätigkeiten nach dem Wettbewerbsverbot als konkurrierende Tätigkeiten anzusehen sind. 1 5 6 Eine betriebsübergangsbedingte Erweiterung der Geschäftstätigkeit kann deshalb auch dann nicht zu einer Erweiterung des Verbotsumfangs für ausgeschiedene Arbeitnehmer führen, wenn der neue Inhaber, der wegen der analogen Anwendbarkeit des § 613 a BGB als neuer Gläubiger in die bestehende Wettbewerbsabrede eingetreten ist, hieran ein geschäftliches Interesse hätte. 1 5 7 Für ausgeschiedene Arbeitnehmer kann damit als Ergebnis festgestellt werden, daß die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit wegen eines Betriebsübergangs sich weder auf den vereinbarten Verbotsumfang noch auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirkt. Damit läßt sich der Auffassung Schröders auch unter Geltung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zustimmen, daß ohne eine zusätzliche Vereinbarung der ausgeschiedene Arbeitnehmer während bereits laufender Karenzfrist gegenüber dem Erwerber nur in dem Umfang im Wettbewerb beschränkt ist, wie er es auch dem Veräußerer gegenüber w a r . 1 5 8 Bei Erweiterungen des Geschäftsbereichs richtet sich das berechtigte geschäftliche Interesse infolge des Betriebsübergangs somit nur dann nach dem neuen Inhaber, wenn der Arbeitnehmer noch nicht aus dem Betrieb ausgeschieden ist.
d) Auswirkungen bei Einschränkungen der Geschäftstätigkeit durch den Erwerber
Einschränkungen der Geschäftstätigkeit wegen eines Betriebsübergangs können sich aus vielerlei Gründen ergeben. Nicht selten wird der Fall auftreten, 1 5 5
Vgl. im einzelnen S. 265 f.
1 5 6
Vgl. hierzu S. 253 f.
1 5 7 Im Ergebnis ebenso Schlegelberger-Schröder, § 74 a Rdn. 3b und § 74 Rdn 6. Danach kann der Erwerber während einer bereits laufenden Karenzzeit nur in dem Umfang Einhaltung des mit dem Veräußerer vereinbarten Wettbewerbsverbots verlangen, wie der ausgeschiedene Arbeitnehmer gegenüber dem Veräußerer gebunden war. 1 5 8
Schlegelberger-Schröder,
§ 74 a Rdn. 3 b.
276
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
daß der Erwerber, der bei unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 613 a BGB in das Wettbewerbsverbot eintritt, den Umfang der Geschäftstätigkeit reduziert. Wie sich der Betriebsübergang in diesem Fall auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirkt, ist im folgenden zu untersuchen. Es ist auch vorstellbar, daß ein Arbeitnehmer nicht dem übergehenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen ist. Dann tritt der Erwerber nicht in das Arbeitsverhältnis ein, sondern der Veräußerer bleibt Arbeitgeber des Arbeitnehmers. Auch bei dieser Sachlage kann es zu einer Reduzierung der Geschäftstätigkeit als Folge des Betriebsteüs- bzw. Betriebsübergangs kommen. Wie sich der Betriebsübergang in diesen Fällen auswirkt, wird im Anschluß zu untersuchen sein.
aa) Einschränkung der Geschäftstätigkeit bei Zuordnung des Arbeitnehmers zum übergehenden Betrieb oder Betriebsteil Eine auf einem Betriebsübergang beruhende Einschränkung der Geschäftstätigkeit führt zunächst dazu, daß zwischen vereinbartem Wettbewerbsverbot und berechtigtem geschäftlichen Interesse eine Diskrepanz feststellbar ist, die sich jedoch erst dann bemerkbar macht, wenn vom Arbeitnehmer Unterlassung von Wettbewerb gefordert werden kann. Der frühest mögliche Zeitpunkt, zu dem die Einschränkung sich auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirken kann, ist somit der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Stellt der neue Arbeitgeber noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses fest, daß nach dessen Ende das Wettbewerbsverbot wegen der Einschränkung der Geschäftstätigkeit nicht mehr dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses dienen kann, so bleibt ihm neben der Möglichkeit der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages nur der Verzicht nach § 75 a H G B . 1 5 9 Während der Karenzzeit besteht diese Alternative nicht mehr. Insoweit können dem neuen Inhaber keine weitergehenden Befugnisse eingeräumt werden als dem früheren Inhaber. 160 Findet der Betriebsübergang während der Karenzzeit statt, kann sich der Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt des Übergangs auf die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots berufen, soweit das berechtigte geschäftliche Interesse fehlt. 1 6 1 Auch hier gilt wieder der Grundsatz, daß das berechtigte geschäftliche Interesse zu dem Zeitpunkt vorliegen muß, zu dem Unterlassungsansprüche 1 5 9
Vgl. dazu oben S. 250.
160
Borngräber, S. 73.
161
Zur teilweisen Unverbindlichkeit vgl. oben S. 267 f.
2. Auswirkungen auf das berechtigte geschäftliche Interesse
277
geltend gemacht werden. 162 Keine Rolle spielt es, ob der Veräußerer ein solches Interesse hatte. 163 Wenn sich das berechtigte geschäftliche Interesse an der Geschäftstätigkeit des neuen Inhabers orientiert, kann bei einer auf dem Betriebsübergang beruhenden Einschränkung der Geschäftstätigkeit das Wettbewerbsverbot entweder bezüglich des "überschießenden Teüs" wirksam oder ganz unverbindlich werden. Nutzt der Arbeitnehmer das ihm in diesem Fall zustehende Wahlrecht in der Weise, daß er am Wettbewerbsverbot festhält, ist der neue Inhaber gezwungen, Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 i. V.m. § 74 b Abs. 2 u. 3 HGB zu leisten, obwohl er möglicherweise an dem Wettbewerbsverbot von Anfang an kein Interesse hatte. 1 6 4 Dieser Nachteil kann jedoch gegebenenfalls bei den Verhandlungen über den Kaufpreis des Betriebes berücksichtigt werden. Im Ergebnis zeigt sich, daß Einschränkungen der Geschäftstätigkeit, die infolge des Betriebsübergangs stattfinden, der gleichen rechtlichen Behandlung unterliegen wie Einschränkungen der Geschäftstätigkeit ohne Betriebsübergang. Es lassen sich insoweit die bereits oben gefundenen Grundsätze übertra-
bb) Einschränkungen der Geschäftstätigkeit, wenn der Arbeitnehmer nicht dem übergehenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen ist Zu einer Einschränkung der Geschäftstätigkeit kann es nach dem Betriebsübergang nicht nur auf Seiten des Erwerbers kommen. Geht ein Betrieb oder Betriebsteü auf einen anderen Inhaber über und ist der Veräußerer noch weiterhin in einem Handelszweig tätig, der nicht veräußert wurde, dann hat dies eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit des Veräußerers zur Folge. Ist der Arbeitnehmer nicht dem übergehenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen, findet kein Arbeitgeberwechsel statt. Es fragt sich, wie sich diese Einschränkung der Geschäftstätigkeit auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auswirkt. Man könnte zunächst daran denken, daß es sich hier wie im üblichen Fall der Einschränkung der Geschäftstätigkeit um einen Wegfall des berechtigten geschäftlichen Interesses handelt. Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, käme insoweit die teilweise Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots in Betracht. 1 6 2
Vgl. oben S. 264.
163
Buchner, S. 111; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 140.
1 6 4
Borngräbery S. 73; Heymann-Honsell y § 74 a Rdn. 8; Gaul, Betriebsübergang, S.
1 6 5
Oben S. 267.
96.
278
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
Diese rechtliche Lösung muß jedoch nicht stets zutreffen. Zwar wurde bereits oben geäußert, daß bei Einschränkungen der Geschäftstätigkeit für das berechtigte geschäftliche Interesse auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem Unterlassung gefordert werden könne. 1 6 6 Anders kann die Rechtslage jedoch aussehen, wenn dem Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung ein dauerndes Leistungshindernis entgegensteht. In diesem Fall wären die Vorschriften über die Unmöglichkeit in Betracht zu ziehen. Teilweise Unmöglichkeit kann eintreten, wenn der Arbeitgeber in mehreren Geschäftszweigen tätig war, von denen er einen im Zuge der Veräußerung des Betriebes oder Betriebsteils auf den Erwerber übertragen hat. Hatte das Wettbewerbsverbot sich auf alle Geschäftszweige bezogen, und stehen der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers im übergegangenen Geschäftszweig rechtliche und tatsächliche Gründe entgegen, kann die Ausübung von Wettbewerb für den Arbeitnehmer teüweise unmöglich geworden sein. Die Unmöglichkeit im rechtlichen Sinne kann unabhängig davon eintreten, ob der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist oder nicht. Nachträgliche Unmöglichkeit liegt grundsätzlich schon dann vor, wenn der Unmöglichkeitsgrund nach dem Zeitpunkt der Vereinbarung eintritt. 1 6 7 Bei Wettbewerbsverboten kann nach überwiegender Literaturmeinung ein Fall nachträglicher Unmöglichkeit vorliegen, wenn das dauernde Leistungshindernis bereits nach Vertragsschluß, aber vor Ende des Dienstverhältnisses eintritt. 1 6 8 Wie schon oben gezeigt wurde, hätte der Arbeitgeber bei Veräußerung des Betriebes die Unmöglichkeit nach § 324 Abs. 1 S. 1 BGB zu vertreten, da er das Betriebsrisiko trägt. 1 6 9 Die Folge der teüweisen Unmöglichkeit wäre, daß der Arbeitnehmer von seiner Verpflichtung sofort hinsichüich des Teüs frei würde, der den übergegangenen Geschäftsbereich betrifft. Dagegen bliebe der Arbeitgeber ab Beginn der Karenzzeit zur Zahlung der vollen Karenzentschädigung weiterhin verpflichtet. Ist der Arbeitnehmer noch nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, vermag diese Lösung noch nicht zu befriedigen. Mit Recht hat Grunsky betont, daß die entscheidende Fragestellung im Zusammenhang mit der Unmöglichkeit der Unterlassung von Wettbewerb dabei liege, "... ob und inwieweit die Anwendbarkeit der §§ 323 ff BGB nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die einschlägigen Fallgestaltungen in den §§ 74 ff HGB eine Sonderregelung gefun-
1 6 6
ObenS. 264.
167
Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 4. 168 Ygi hierzu die ausführlichen Untersuchungen von Görg, S. 51 ff m.w.Nachw. insbes. auf S. 56. 16« S. 162.
2. Auswirkungen auf das berechtigte geschäftliche Interesse
279
den haben ..." 1 7 ° Dies gilt auch für den hier zu behandelnden Fall, in dem das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist. Für noch nicht ausgeschiedene Arbeitnehmer kann man den Wertungen der §§ 74 ff HGB nur gerecht werden, wenn dem Arbeitgeber durch die Anwendung der Unmöglichkeitsregeln die Möglichkeit des (teilweisen) Verzichts nach § 75 a HGB nicht abgeschnitten wird. § 75 a HGB ist insoweit als lex specialis anzusehen. Es ist nicht einzusehen, weshalb dem Arbeitgeber im Fall der Betriebsveräußerung nicht die Möglichkeit eingeräumt werden soll, während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf diese Entwicklung der Geschäftstätigkeit angemessen zu reagieren. Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Hier eröffnet auch § 75 a HGB keine Möglichkeit, sich einseitig vom Wettbewerbsverbot zu lösen. Auch kann es im Fall der Unmöglichkeit hinsichtlich des übergegangenen Geschäftsbereichs keine Rolle spielen, ob das Wettbewerbsverbot noch dem Schutz ernes berechtigten geschäftlichen Interesses dient. Entscheidend ist insoweit, daß die Erfüllung der Unterlassungspflicht teilweise unmöglich geworden ist. Gemäß § 324 BGB Abs. 1 wird deshalb der Arbeitnehmer hinsichüich des den Übergang betreffenden Geschäftsbereichs von seiner Unterlassungspflicht mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs frei, da bei Teüunmöglichkeit die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit grundsätzlich nur hinsichüich des unmöglichen Teüs der Leistung eintreten. 171 Dagegen bleibt der Arbeitgeber zur vollständigen Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet.
f) Anwendung der gefundenen Grundlagen auf das berechtigte geschäftliche Interesse bei konzernweit geltenden Wettbewerbsverboten
Im Konzern sind zahlreiche Fallvarianten denkbar, nach denen Betriebe oder Betriebsteüe den Inhaber wechseln können. Vorstellbar sind beispielsweise Fallgestaltungen mit einem Betriebsinhaberwechsel innerhalb des Konzernverbunds oder Betriebsübergänge mit Erweiterungen oder Verkleinerungen des Konzerns. Im Rahmen dieser Untersuchung kann nicht anhand aller möglichen Fallgestaltungen untersucht werden, wie sich der Betriebsübergang auf das berechtigte geschäftliche Interesse im jeweüigen Einzelfall auswirkt. Dies erscheint jedoch nach der bisherigen Darstellung auch nicht erforderlich. Bereits oben wurde ausführlich beschrieben, wie der Betriebsübergang sich auf das berechtigte geschäftliche Interesse auswirken kann, wenn im Verhältnis zur Wettbewerbsabrede Einschränkungen oder Erweiterungen der Ge1 7 0
Grunsky, FS-Söllner, S. 41 (45).
171
Palandt-Heinrichs,
§ 275 Anm. 6.
280
III. Teil, Abschn. B., 3. Kap.: Das berechtigte geschäftliche Interesse
schäftstätigkeit zu verzeichnen sind. Die dort gefundenen Grundsätze können prinzipiell auf die jeweils zu untersuchenden Auswirkungen des Betriebsübergangs auf konzernweit geltende Wettbewerbsverbote übertragen werden. Grundsätzlich muß stets festgestellt werden, ob die Wettbewerbsvereinbarung dem Inhalt nach ein konzernweit geltendes Wettbewerbsverbot trägt und ob im jeweiligen Einzelfall das Wettbewerbsverbot dem Schutz ernes berechtigten Interesses dient. Hierfür ist auch erheblich, ob der Arbeitnehmer dem übergehenden Betrieb zuzuordnen ist. So könnte ein Betriebsübergang beispielsweise dazu führen, daß ein Betrieb aus dem Konzern ausgegliedert wird. Die Ausgliederung hat wegen des Eintritts des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede keine inhalüiche Änderung der Vereinbarung zur Folge. Nach wie vor bleibt der Arbeitnehmer, der dem übergegangenen Betrieb zuzuordnen ist, aus vertraglicher Sicht an ein Wettbewerbsverbot mit konzeradimensionaler Geltung gebunden. Nach Übergang des Betriebes und dessen Ausscheiden aus dem Konzernverbund erweist sich damit die vertraglich vereinbarte Reichweite des Wettbewerbsverbots als weit über das erforderliche Maß hinausgehend. Die Korrektur des für diesen Fall zu weit gefaßten Wettbewerbsverbots muß über das Kriterium des berechtigten geschäftlichen Interesses erfolgen. Möglich wäre beispielsweise auch, daß ein konzernverbundener Betrieb infolge Betriebsübergangs einem anderen Konzern zugeführt wird. Hier güt das konzernweit vereinbarte Wettbewerbsverbot weiterhin. Zwar mag der durch das Wettbewerbsverbot gebundene Arbeitnehmer bei Vereinbarung des Verbots noch nicht gewußt haben, daß sich die Konzernzugehörigkeit seines Vertragsarbeitgebers ändern werde, doch spricht dies nicht gegen den grundsätzlichen Fortbestand der konzernweit geltenden Wettbewerbsvereinbarung. Auch zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots mit konzerndimensionaler Geltung war der Arbeitnehmer nicht darin geschützt, daß der ursprüngliche status quo der Konzernzugehörigkeit seines Beschäftigungsbetriebes auf Dauer beibehalten werde. Wettbewerbsverbote mit konzernweiter Geltung weisen Parallelen zu den unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten auf, da die Reichweite des Wettbewerbsverbots sich möglicherweise im Verlauf des Arbeitsverhältnisses erweitern kann. Diese Erweiterung kann wie bei den unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden. Die diesbezüglich zu den unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten angegebenen Gründe gelten für konzerndimensionale Wettbewerbsverbote entsprechend. Ein nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers sich ergebendes geschäftliches Interesse an einer Ausweitung des Verbots genügt insoweit nicht. Dagegen können Einschränkungen der Reichweite des Verbots sich auch noch nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis er-
III. Teil, Abschn. B., 4. Kap.: Unbillige Fortkommenserschwerung
281
geben, wenn das berechtigte geschäftliche Interesse für das Wettbewerbsverbot entfällt.
Viertes Kapitel Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das Verbot der unbilligen Fortkommenserschwerung Nach § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB und § 133 f GewO ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit und Gegenstand eine unbülige Erschwerung des Fortkommens des Handlungsgehilfen enthält. Ähnlich wie das Erfordernis des berechtigten geschäftlichen Interesses bietet das Merkmal der unbilligen Fortkommenserschwerung eine weitere Möglichkeit der Korrektur zu weit gefaßter Wettbewerbsabreden. Beide Kriterien können sich überschneiden oder ergänzen. Die Unverbindlichkeit kann sich sowohl aus dem einen als auch aus dem anderen Aspekt oder durch deren Zusammenwirken ergeben. 172 Dennoch ist das Merkmal der unbüligen Fortkommenserschwerung gesondert zu prüfen. 173 Auch wenn das berechtigte geschäftliche Interesse vollständig vorliegt, muß für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots noch hinzukommen, daß es nicht zu einer unbüligen Erschwerung des Fortkommens führt. 1 7 4 Eine Abwägung zwischen beiden Kriterien ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Interessen des Arbeitnehmers sind selbständig zu prüfen und dürfen nicht lediglich gegenüber denen des Arbeitgebers abgewogen werden. 175 Ob eine unbillige Erschwerung des Fortkommens vorliegt, richtet sich danach, ob der durch das Wettbewerbsverbot bestimmte Umfang der beruflichen Behinderung in einem angemessenen Verhältnis zur vorgesehenen Entschädigung steht. 1 7 6 Es muß also die Belastung des Arbeitnehmers durch das Wettbewerbsverbot mit der kompensierenden Wirkung der Entschädigung gegeneinander abgewogen werden. 177 Je einschneidender die berufliche Beschrän-
172
Heymann-Honsell
§ 74 a Rdn. 12; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 95; Grüll,
S. 43. 173
Buchner, Wettbwerbsverbot, S. 91.
174
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 95.
175
Buchner, a.a.O. S. 71; Grunsky, Wettbewerbsverbote, a.a.O.
1 1 6
Buchner, a.a.O. S. 72; Röhsler/Borrmann,
1 7 7
BAGE 3, 396; BAG AP Nr. 19 zu § 133 f GewO; Heymann-Honsell, § 74 a Rdn.
S. 112.
III. Teil, Abschn. B., 4. Kap.: Unbillige Fortkommenserschwerung
kung ist, desto höher muß die zugesagte Entschädigung sein. 1 7 8 Die Entschädigungsgrenze des § 74 Abs. 2 darf nicht unterschritten werden. 179 Die unbillige Fortkommenserschwerung kann sich sowohl in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht ergeben. Maßgeblich ist im wesentlichen die im jeweiligen Einzelfall ausgeübte Tätigkeit und die Reichweite des Verbots. 1 8 0 Ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot wird seltener eine unbillige Fortkommenserschwerung enthalten als ein unternehmensbezogenes.181 Unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Fortkommenserschwerung soll nach Buchner ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot nur unter ganz besonderen Voraussetzungen anzuerkennen sein, so bei Führungskräften, die im alten Arbeitsverhältnis umfassend gesammelte Erfahrungen einem neuen Arbeitgeber auf verschiedenen Ebenen durch fachkundigen Rat vermitteln können. 182 Zu bedenken güt jedoch, daß ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot zwar auf Konkurrenzunternehmen abstellt und von daher eine umfassende Reichweite enthalten kann, andererseits aber beispielsweise räumlich abgegrenzt vereinbart werden kann. Es darf deshalb bezweifelt werden, ob ein solches Wettbewerbsverbot unter dem Aspekt der unbülligen Fortkommenserschwerung vorwiegend nur bei Führungskräften anzuerkennen ist. Entscheidend ist, ob sich die unbülige Fortkommenserschwerung aus dem Mißverhältnis von Karenzentschädigung und Wettbewerbsverbot ergibt. Ein allgemeiner Maßstab für die Beurteüung läßt sich jedenfalls nicht aufstellen. 183 In zeitlicher Hinsicht enthält § 74 a Abs. 1 S. 3 HGB eine Sonderregelung, wonach das Verbot für nicht länger als 2 Jahre abgeschlossen werden kann. Eine unbülige Erschwerung des Fortkommens kann sich jedoch schon aus einer niedriger angesetzten Karenzzeit ergeben, wenn das nach der räumlichen und gegenständlichen Begrenzung unter Berücksichtigung der gezahlten Entschädigung unbillig i s t . 1 8 4 178
Röhsler/Borrmann, S. 113 f; Grunsky, Wettbwerbsverbote, S. 96; Buchner, a.a.O S. 71; Schlegelberger-Schröder, § 74 a Rdn. 4 a. 179
Grunsky, Wettbewerbsverbote a.a.O.. Bei Karenzentschädigung in zu geringer Höhe kann der Arbeitnehmer das bei Unverbindlickeit gegebene Wahlrecht in der Weise ausüben, daß er an der vereinbarten Entschädigung festhält; ist keine Karenzentschädigung vereinbart, hat dies die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots zur Folge, vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 III. 1 m.w.Nachw. 1 8 0 Zu den Einzelheiten vgl. insbesondere Buchner, Wettbwerbsverbot, S. 72 f; Grüll, S. 42 ff; Röhsler/Borrmann, S. 113 f. 181
Buchner, a.a.O. S. 72.
1 8 2
Buchner, a.a.O.
183 Ygi Grüll, S. 43 sowie Röhsler/Borrmann, Einzelfalls" verweisen. 1 8 4
S. 114, die auf "die Umstände des
Buchner, a.a.O. S. 73; Grüll, S. 43; Röhsler/Borrmann.
S. 114.
III. Teil, Abschn. B., 4. Kap.: Unbillige Fortkommenserschwerung
283
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob ein Wettbewerbsverbot eine unbülige Fortkommenserschwerung enthält, ist nicht der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen w i l l . 1 8 5 Erst zu diesem Zeitpunkt kann sich herausstellen, ob das ihm auferlegte Wettbewerbsverbot eine unbillige Erschwerung des Fortkommens enthält. Zu diesem Zeitpunkt steht auch bereits die Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots fest, da hierfür der Augenblick des Ausscheidens des Arbeitnehmers maßgeblich ist Wenn die unbillige Erschwerung des Fortkommens davon abhängt, ob der durch das Wettbewerbsverbot bestimmte Umfang der beruflichen Behinderung in einem angemessenen Verhältnis zu der vorgesehenen Entschädigung steht, können sich Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots immer dann ergeben, wenn sich aufgrund von Erweiterungen der Reichweite des Wettbewerbsverbots herausstellt, daß ein solches angemessenes Verhältnis nicht mehr gegeben ist. Eine betriebsübergangsbedingte Ausdehnung der sachlichen Reichweite des Wettbewerbsverbots kann sich auf das Fortkommen des Arbeitnehmers unbillig auswirken, wenn sie nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur vereinbarten Entschädigung steht. In diesen Fällen bleibt dem neuen Inhaber, der das Risiko vermeiden will, daß das Wettbewerbsverbot nach § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB oder 133 f GewO unverbindlich wird, keine andere Möglichkeit, als die Höhe der Karenzentschädigung neu zu vereinbaren. Fraglich ist, ob auch Einschränkungen der Geschäftstätigkeit, die auf einen Betriebsübergang zurückzuführen sind, sich auf das Merkmal der unbilligen Fortkommenserschwerung auswirken können. Wird die ursprünglich vorhandene Geschäftstätigkeit nach Vereinbarung des Wettbewerbsverbots in ihrem Umfang eingeschränkt, kann dies zur Folge haben, daß die Reichweite der Wettbewerbsvereinbarung umfassender ist, als es die Wettbewerbslage tatsächlich erfordert. Man könnte der Ansicht sein, daß ein solches Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer eine unbülige Fortkommenserschwerung bedeutet. Zu beachten ist jedoch, daß hinsichtlich des "überschießenden Teüs" der Wettbewerbsvereinbarung bereits kein berechtigtes geschäftliches Interesse am Wettbewerbsverbot besteht. Insoweit richtet sich die Unverbindlichkeit nach § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB. Ausgehend vom Wortlaut des § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB ist ein Wettbewerbsverbot dagegen unverbindlich, wenn es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand erne unbülige Erschwerung des Fortkommens enthält. Die Einschränkung der Geschäftstätigkeit führt anders als deren Ausdehnung nicht zu einem Mißverhältnis zwischen Entschädigung und Wettbewerbsverbot, welches zu Lasten des Arbeitnehmers
185
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 97.
284
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
geht. Vielmehr besteht das Mißverhältnis bereits zwischen schützenswerten Interessen des Arbeitgebers und der vereinbarten Reichweite des Wettbewerbsverbots. Die Einschränkung der Geschäftstätigkeit wirkt sich deshalb nicht als unbillige Fortkommenserschweruis aus.
5. Kapitel
Der Schutz des Veräußerers vor Wettbewerb 1. Das Schutzbedürfnis am Beispiel des Betriebsteilsübergangs a) Problemstellung
Bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der Interessenlage zu den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten bei Betriebsübergang wurde gezeigt, daß der Veräußerer auch nach Betriebsübergang noch ein Interesse am Schutz vor Wettbewerb haben kann. Dieses Interesse wird regelmäßig dann vorliegen, wenn er selbst noch in einem Handelszweig tätig ist, auf den sich das Wettbewerbsverbot bezog. Beispielhaft hierfür ist der Fall, daß lediglich ein Betriebsteü veräußert wurde, und der Arbeitnehmer dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen i s t . 1 8 6 § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ordnet den Wechsel des Vertragspartners an. Infolge des Betriebsübergangs wird der neue Inhaber alleiniger Gläubiger des Unterlassungsanspruchs, während der Veräußerer aus der Gläubigerstellung ausscheidet.187 Entsprechendes güt nach der hier vertretenen Auffassung für ausgeschiedene Arbeitnehmer, auf die § 613 a BGB in bezug auf die Wettbewerbsabrede analog anwendbar ist. Nach dieser Rechtslage käme es zu einer "Deckungslücke" im Schutz des Veräußerers und es fragt sich, ob und wie der Veräußerer dieser begegnen kann.
b) Die Meinung des Schrifttums
Im Schrifttum wird das Problem der Auswirkungen des Betriebsteüsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote für den Veräußerer kon1 8 6
Exemplarisch für die vorstehende Problematik sollen im folgenden die Schutzmöglichkeiten des Veräußerers bei Übergang eines Betriebsteils besprochen werden. Die Problemstellung ergibt sich beispielsweise jedoch auch, wenn ein Betrieb von mehreren veräußert wurde, das Wettbewerbsverbot sich auf alle Betriebe erstreckte, und der Arbeitnehmer dem übergehenden Betrieb zuzuordnen ist. 187 Grundsätzlich kann die Frage des Wettbewerbsschutzes des Veräußerers auch bei gesetzlichen Wettbewerbsverboten gestellt werden.
1. Schutzbedürfnis bei Betriebsteilsübergang
285
trovers diskutiert. Dabei sind im Meinungsspektrum sowohl Ansichten vertreten, die jeglichen Schutz des Veräußerers abstreiten, als auch solche, die grundsätzlich davon ausgehen, daß der Veräußerer bei Übergang ernes Betriebsteils vor Wettbewerb geschützt sei, gleichgültig, ob der Arbeitnehmer bereits ausgeschieden sei oder nicht. Die überwiegende Zahl der Autoren ist der Ansicht, daß der Arbeitnehmer gegenüber dem früheren Betriebsinhaber überhaupt nicht mehr gebunden sei, auch wenn der Veräußerer wegen des Übergangs des Betriebsteils weiterhin ein geschäftliches Interesse an der Unterlassung von Wettbewerb habe. 1 8 8 Der bisherige Arbeitgeber könne sich nur durch eine zusätzliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer absichern. 189 Dabei komme es bei bestehendem Arbeitsverhältnis für die Anwendbarkeit der §§ 74 ff HGB darauf an, ob sich die Vertragspartner noch als Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenüberstünden, ob also die Vereinbarung vor oder nach erfolgtem Betriebsübergang zustande komme. 1 9 0 Eine weitere, sowohl ausgeschiedene als auch nicht ausgeschiedene Arbeitnehmer betreffende Lösung schlägt Buchner vor. Danach solle der Erwerber nach Betriebsübergang die Interessen des Veräußerers mitvertreten. 191 Dies könne sich aus einer entsprechenden Auslegung des Veräußerungsvertrages ergeben. Der Veräußerungsvertrag enthalte eine zumindest stülschweigende Regelung des Wettbewerbsverhältnisses von Veräußerer und Erwerber. Dementsprechend könne der Erwerber vom Arbeitnehmer Wettbewerbsunterlassung verlangen, wobei er sich zur Darlegung des berechtigten geschäftlichen Interesses auch auf die Verpflichtungen gegenüber dem Betriebsveräußerer stützen könne. Es sei anerkannt, daß der Arbeitgeber sich grundsätzlich zur Darlegung des berechtigten geschäftlichen Interesses auch auf die wirtschaftlichen Belange anderer wirtschaftlich verbundener Unternehmen berufen könne. 1 9 2 Auch bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern könne der neue Inhaber die Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung für den Veräußerer geltend machen. 193
1 8 8 Borngräber y S. 73; Grunsky y Wettbewerbsverbote, S. 141 unter Berufung auf Buchner y Wettbwerbsverbot, S. 112; Löwe, S. 126 f; Röhsler/Borrmanny S. 126; Martensy Recht der leitenden Angestellten, S. 188, der jedoch die Problematik übergehender Betriebsteile nicht ausdrücklich anspricht. Vgl. auch die Nachw. in der folgenden Fußnote. 1 8 9
Bauer y S. 70; Grülly triebsinhaberwechsel, S. 80.
S. 71; Löwe, S. 128; Röhsler/Borrmanny
1 9 0
Röhsler/Borrmanny
191
Buchner, a.a.O. S. 113; ähnl. Holzapfel/Pöllathy
1 9 2
Buchner y a.a.O.
193
Buchner y a.a.O. S. 115.
S. 127 S. 308.
S. 127; Seiter
y
Be-
286
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
Diese Ansicht ist nicht ohne Kritik geblieben. Röhsler/Borrmann führen aus, daß sich der Schutzbereich der Wettbewerbsvereinbarung nach den §§ 74 ff HGB ausschließlich auf die wettbewerblichen Interessen des jeweüigen Vertragspartners erstrecke. § 613 a BGB bezwecke den Schutz des Arbeitnehmers und stehe damit einer zweifachen Belastung des Arbeitnehmers entgegen. 194 Darüberhinaus hat Löwe hervorgehoben, daß in diesem Zusammenhang nicht eine Frage des berechtigten geschäftlichen Interesses angesprochen sei, sondern vielmehr die Frage der vereinbarten Reichweite des Wettbewerbsverbots. Ob das Wettbewerbsverbot sich auf Drittunternehmen erstrecken könne, sei eine Frage der Vereinbarung. Das geschäftliche Interesse allein könne die Reichweite des Verbots nicht bestimmen. Daraus werde deuüich, daß ohne eine entsprechende Vereinbarung der neue Inhaber das Wettbewerbsverbot nicht geltend machen könne, da insoweit der Schutz mehrerer Unternehmen nicht vorgesehen sei. Auch widerspreche es dem Sinn des § 613 a BGB, das Wettbewerbsverbot auch auf den Veräußerer auszudehnen.195 Eine noch andere Lösung sieht Seiter vor. Während er für bestehende Arbeitsverhältnisse die Auffassung vertritt, daß der bisherige Arbeitgeber sich nur durch eine zusätzliche Vereinbarung schützen könne, 1 9 6 solle sich für ausgeschiedene Arbeitnehmer die übernommene Verpflichtung zwischen dem bisherigen und dem neuen Inhaber aufspalten, 197 wenn der bisherige Betriebs Inhaber noch andere Betriebe weiterführe. 198 Schwierigkeiten ergäben sich jedoch für die Frage, wer für die Karenzentschädigung aufkommen müsse. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit spricht Seiter sich insoweit für eine gesamtschuldnerische Haftung aus. Erne Aufspaltung des Wettbewerbsverbots hält auch Schaub grundsätzlich für denkbar. 199 Es bestimme sich jedoch nach dem Wortlaut der Wettbewerbsabrede, ob der Arbeitnehmer auch dem Veräußerer verpflichtet sei. Im allgemeinen bestehe eine Auslegungsregel, daß der Arbeitnehmer nur dem Betriebserwerber zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet sei. Demgegenüber hatte Schaub an früherer Stelle die Ansicht vertreten, daß dann, wenn der Veräußerer noch einen Betrieb weiterführe, "für den bisherigen Arbeitgeber die Vorausset-
1 9 4
Röhsler/Borrmann,
195
Löwe, S. 127.
1 9 6
Vgl. den Nachw. oben Fußn. 189
S. 127.
197
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 81; ausdr. ebenso MK-Schaub, in Münchener Kommentar 1. Aufl., § 613 a Rdn. 7. 1 9 8
Der Möglichkeit der Aufspaltung der Wettbewerbsabrede hat Borngräber, S. 73 für bestehende Arbeitsverhältnisse widersprochen. 1 9 9
MK-Schaub, § 613 Rdn. 7, ohne jedoch deutlich zwischen ausgeschiedenen und nicht ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu differenzieren.
1. Das Schutzbedürfnis bei Betriebsteilsübergang
287
Zungen des Eintritts des Wettbewerbsverbots eintreten, da das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsübergang sein Ende gefunden hat. 1 , 2 0 0 Das Meinungsbild zum Schicksal der Wettbewerbsabrede ausgeschiedener Arbeitnehmer bei Übergang eines Betriebsteils wird schließlich noch dadurch ergänzt, daß für diesen Personenkreis häufig die analoge Anwendbarkeit des § 613 a BGB grundsätzlich abgelehnt wird, weil eine eindeutige Interessenlage zum Schutz des Erwerbers bei Betriebsteilsübergang nicht feststellbar sei. 2 0 1 Im Ergebnis wird damit verhindert, daß zumindest nach Ende des Arbeitsverhältnisses der frühere Arbeitgeber den Schutz vor Wettbewerb bezüglich der bei ihm verbleibenden Geschäftszweige verliert. Es sei Sache des neuen Inhabers, sich rechtzeitig die Unterlassungsansprüche des früheren Inhabers abtreten zu lassen, was auch ohne Zustimmung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers möglich sei. 2 0 2 Da § 613 a BGB nicht analog anwendbar sei, könne der neue Inhaber auch eine zusätzliche Vereinbarung mit dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer abschließen. 203
c) Stellungtiahme
aa) Übergang des Betriebsteüs vor Ausscheiden des Arbeitnehmers Ginge mau davon aus, daß ein Interesse des Veräußerers am Schut? vor Wettbewerb anzuerkennen wäre, bleibt fraglich, welche Möglichkeiten sich anbieten, um den Veräußerer trotz des Betriebsübergangs voi Wettbewerb des Arbeitnehmers zu schützen. Abzulehnen ist zunächst die Auffassung Buchners. 204 Der Erwerber kann als neuer Betriebsinhaber grundsätzlich nicht die Interessen des Veräußerers mitvertreten. Erwerber und Veräußerer können im Veräußerungsvertrag nicht ver2 0 0 Schaub, ZIP 1984, 272 (275); auch Borngräber, S. 73 führt aus, daß im Falle des Betriebsinhaberwechsels die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem früheren Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer des übertragenen Betriebes in ähnlich einseitiger Weise veranlaßt werde wie bei einer Kündigung, ohne jedoch daraus den Schluß zu ziehen, daß der frühere Betriebsinhaber deshalb vor Wettbewerb geschützt sei. 2 0 1 Posth, S. 139 f.; v. Hoyningen-Huene/Windbichler, gräber, S. 74; Bauer, in: Hölters V Rdn. 78.
RdA 1977, 329 (324); Born-
2 0 2 Borngräber, S. 74; a.A. Bauer, S. 70; ders., in: Hölters Rdn. 78; ders., DB 1983, 713 (716 f); Heymann-Honsell, § 74 Rdn. 37. 2 0 3 Gaul, Betriebsübergang, S. 97, der sich m.E. zu Unrecht auf MK-Schaub, § 613 a Rdn. 7 beruft. 2 0 4
Oben Fußn. 191.
288
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
einbaren, daß die Reichweite des Wettbewerbsverbots sich auf den bei dem Veräußerer verbleibenden Betriebsteil bezieht. 205 Insoweit würde der Veräußerungsvertrag sich als unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter, in diesem Fall zu Lasten des Arbeitnehmers, darstellen. Abgesehen von der grundsätzlichen Unzulässigkeit solcher Verträge 206 wäre dies mit dem Sinn des § 613 a BGB nicht vereinbar. Auch kann der Erwerber nicht selbst die konkurrenzrechtlichen Interessen des Veräußerers wahrnehmen. 207 Maßgeblich für die Reichweite der Wettbewerbsvereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind im wesentlichen die zugrundeliegende vertragliche Vereinbarung und das geschäftliche Interesse des Erwerbers. 208 Ohne den entsprechenden Vertrag kann sich der Schutz des Wettbewerbsverbots nicht auf Drittunternehemen erstrecken. 209 Nach dem Betriebsübergang ist jedoch der bei dem Veräußerer verbleibende Unternehmensteü als Drittunternehmen anzusehen. Dies ist eine unmittelbare Folge des in § 613 a BGB angeordneten Vertragspartnerwechsels. Regelmäßig wird bereits eine Wettbewerbsabrede fehlen, die den Veräußerer schützen könnte. Aber selbst wenn sich im Einzelfall aus der Auslegung ergäbe, daß ein Wettbewerbsverbot vereinbart wäre, das Drittunternehmen zu schützen vermag, folgt daraus noch nicht, daß damit die geschäftlichen Interessen des Veräußerers geschützt wären. Voraussetzung für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots wäre, daß der Erwerber gegenüber dem Arbeitnehmer gemäß § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB ein berechtigtes geschäftliches Interesse am Wettbewerbsverbot darlegen und beweisen könnte. Das berechtigte geschäftliche Interesse am Wettbewerbsverbot richtet sich nach Betriebsübergang nach dem Interesse des neuen Betriebsinhabers. Dies ist wiederum eine Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB und ergibt sich zudem aus dem Zweck der Wettbewerbsabrede, die eine Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen im Handelszweig des Arbeitgebers verhindern soll. Nur ausnahmsweise können die geschäftlichen Interessen von Drittunternehmen berücksichtigt werden, nämlich dann, wenn sie konzernmäßig verbunden sind oder wenn deren Zusammenarbeit "strukturell verfestigt" 210 ist. Letzteres ist im allgemeinen nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeber im Drittunternehmen kapitalmäßig beteüigt ist und sich in der Geschäftsführung engagiert. 211 Damit sind grundsätzlich nur solche 2 0 5
Löwe, S. 127.
2 0 6
Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs,
Anm. 5 c vor § 328 BGB.
2 0 7
Allerdings wäre der Veräußerer durch § 60 HGB mittelbar geschützt, wenn der Erwerber im selben Geschäftszweig wie der Veräußerer tätig ist. 2 0 8
Vgl. dazu oben Abschn. B, 2. u. 3. Kap.
2 0 9
Vgl. dazu oben Abschn. B, 2. Kap. 1 b.
2 1 0
Windbichler,
S. 131.
2 1 1
Windbichler,
a.a.O.
1. Schutzbedürfnis bei Betriebsteilsübergang
289
Interessen anerkennenswert, nach denen der Arbeitgeber und das Drittunternehmen praktisch wie ein einheitliches Unternehmen handeln. 212 Bei Veräußerung eines Betriebsteils ist dies in aller Regel gerade nicht der Fall. Die bloße gemeinsame Interessenlage am Schutz vor Wettbewerb verbindet den beim Veräußerer verbleibenden und den dem Erwerber zuwachsenden Betriebsteil nicht dergestalt, daß von einer strukturellen Verfestigung des Zusammenwirkens gesprochen werden könnte. Wegen der Veräußerung des Betriebsteils sind im Gegenteil eher die trennenden Elemente hervorzuheben. Das geschäftliche Interesse am Wettbewerbsverbot erweist sich demnach nur beim Erwerber als berechtigt i.S.d. § 74 a Abs. 1 S. 1 HGB. Damit ist in Übereinstimmung mit Röhsler/Borrmann und L ö w e 2 1 3 die Ansicht Buchners abzulehnen, wonach der neue Inhaber gegenüber dem Arbeitnehmer die Interessen des Veräußerers mitvertreten könnte. Abzulehnen ist auch die früher von Schaub vertretene und von ihm zwischenzeitlich wohl aufgegebene Ansicht, daß im Fall des Betriebsteüsübergangs für den Veräußerer die Voraussetzungen für den Beginn der "Durchführungsphase" des Wettbewerbsverbots gegeben wären. 2 1 4 Diese Auffassung widerspricht gänzlich dem Grundgedanken des § 613 a BGB, wonach das Arbeitsverhältnis infolge des Betriebsübergangs fortbesteht und nicht etwa beendet und mit dem Erwerber neu begründet würde. Nach § 613 a BGB findet vielmehr lediglich ein Vertragspartnerwechsel auf Arbeitgeberseite unter Beibehaltung des arbeitsrechtlichen status quo statt. 2 1 5 Dementsprechend kann das Ausscheiden des früheren Arbeitgebers nicht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses gleichgesetzt werden; insoweit mangelt es an einem Beendigungstatbestand. Damit bleibt im Ergebnis nur die Überlegung, ob entsprechend der herrschenden Meinung im Schrifttum der Betriebsveräußerer mit dem Arbeitnehmer vereinbaren kann, daß auch nach dem Betriebsübergang der Schutz aus der Wettbewerbsabrede erhalten bleibt. Bei der hier zu untersuchenden Fallkonstellation, bei der der Arbeitnehmer noch nicht aus dem Betrieb ausgeschieden ist, wäre es denkbar, daß eine solche Vereinbarung sowohl vor als auch nach dem Betriebsübergang getroffen wird. Auf diese Unterscheidung soll es nach Röhsler/Borrmann wegen der Frage der Anwendbarkeit der §§ 74 ff HGB ankommen.
212 Vgl
0
b e n Abschn. B, 2. Kap., 1 b.
2 1 3
Vgl. die Nachw. in Fußn. 194 u. 195.
2 1 4
Vgl die Nachw. in Fußn. 197.
2 1 5
Vgl. hierzu I. Teil, 1.
290
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
Will der Veräußerer sich noch vor Betriebsübergang vor Wettbewerb des übergehenden Arbeitnehmers schützen, so könnte er beispielsweise die Vereinbarung eines Vertrages anstreben, wonach der Arbeitnehmer für den Fall des Übergangs eines Betriebsteils oder eines von mehreren Betrieben auf einen anderen Inhaber hinsichtlich der bei dem Veräußerer verbleibenden Geschäftszweige weiterhin aus dem Wettbewerbsverbot verpflichtet bleibt. Ob der Ansicht von Röhsler/Borrmann gefolgt werden kann, daß dieses Wettbewerbsverbot sich nach den Bestimmungen der §§ 74 ff HGB richten könne, erscheint zweifelhaft. Nach der Legaldefinition des § 74 Abs. 1 HGB wird unter einem Wettbewerbsverbot i.S.d. §§ 74 ff HGB eine Vereinbarung zwischen Prinzipal und Handlungsgehüfen verstanden, "die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt." Um ein solches Wettbewerbsverbot handelte es sich nicht, wenn es dazu bestimmt ist, den Veräußerer für den Fall des Betriebsübergangs zu schützen. Dem steht nämlich die in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge gegenüber, wonach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge des Betriebsübergangs gerade nicht herbeigeführt wird. Der Betriebsübergang ist jedenfalls kein Beendigungstatbestand für das Arbeitsverhältnis, auch wenn der bisherige Arbeitgeber aus diesem ausscheidet. Damit fragt sich, ob ein solches Wettbewerbsverbot während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses überhaupt wirksam vereinbart werden kann. Nach § 75 d HGB kann der Prinzipal sich nicht auf eine Vereinbarung berufen, durch die von den Vorschriften der §§74 bis 75 c HGB zum Nachteü des Handlungsgehüfen abgewichen wird. Abweichend von § 74 HGB würde der Arbeitgeber ein Wettbewerbsverbot vereinbaren, das nicht nur für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses güt, sondern sogar eine darüberhinausgehende Bindung enthält. Dies ist mit § 75 d HGB nicht zu vereinbaren. §§ 74 ff HGB enthalten zwingendes Recht. 2 1 6 Nach den Regelungen der §§ 74 ff HGB wäre ein solches Wettbewerbsverbot zumindest unverbindlich. 217 Der Arbeitgeber kann deshalb sein Begehren, sich vor Betriebsübergang gegen Wettbewerb für den Fall der Betriebsveräußerung wirksam abzusichern, nicht durchsetzten. Dagegen kann der Veräußerer nach Betriebsübergang mit dem Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot jederzeit frei vereinbaren, wobei vom Arbeitnehmer freilich die Bindungen aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber zu berück2 1 6 2 1 7
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 58 II. 6.
Es ergäben sich noch weitere Friktionen. Der gesamte Regelungskomplex der §§ 74 ff HGB eignet sich nicht für die bei Betriebsübergang vorliegende Fallgestaltung. So bleibt unter anderem fraglich, ob beispielsweise der Arbeitnehmer entsprechend § 74 c HGB sich auf die vom Veräußerer zu zahlende Karenzentschädigung das anrechnen lassen müßte, was er während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses vom Erwerber erhält. Zweifelhaft wäre auch, welche Wirkungen die Kündigung (§ 75 HGB) zeitigen würde.
1. Schutzbedürfnis bei Betriebsteilsübergang
291
sichtigen sind. Die §§ 74 ff HGB finden auf dieses Wettbewerbs verbot keine Anwendung. Allerdings kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zum Abschluß einer solchen Vereinbarung zwingen. Deshalb ist es überlegenswert, ob der Arbeitgeber bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer einen Vorvertrag abschließen kann, der auf Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots nach Betriebsübergang gerichtet ist. In diesem Fall ergäbe sich jedoch eine für bedingte Wettbewerbsverbote typische Situation: Der Arbeitgeber könnte in Ruhe abwarten, ob der Arbeitnehmer sich entscheidet, nach Betriebsübergang Wettbewerb zu betreiben und dann gegebenenfalls auf Erfüllung des Vorvertrages drängen. Auch hier würden die Grundgedanken der §§ 74 ff HGB umgangen, weshalb eine solche Vereinbarung unverbindlich ist.
bb) Übergang des Betriebsteils nach Ausscheiden des Arbeitnehmers Ist der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und war für den Fall des Betriebsübergangs kein Wettbewerbsverbot vereinbart, wird der Arbeitnehmer wegen der analogen Anwendbarkeit des § 613 a BGB gegenüber dem Veräußerer frei. Seiter 2 1 8 versucht diese Konsequenz durch eine Aufspaltung der Wettbewerbsabrede aufzufangen. Diese Auffassung mag zwar von der Interessenlage her gerechtfertigt erscheinen, doch muß sie abgelehnt werden. Die Aufspaltung der Wettbewerbsabrede und die Vermehrung der Gläubiger aus dem Wettbewerbsverbot widerspricht den Grundgedanken des § 613 a BGB. Bei Übergang eines Betriebsteils geht nicht ein Teü der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, während ein anderer Teil bei dem Veräußerer verbleibt. Da ein vollständiger Vertragspartnerwechsel stattfindet, ist nur der Erwerber berechtigt und verpflichtet, soweit das Arbeitsverhältnis dem übergehenden Betrieb zuzuordnen ist. Zudem bezweckt § 613 a BGB nicht, die Belange des Veräußerers zu schützen. 219 Dies muß auch bezüglich der Rechte und Pflichten aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gelten. Wül der Veräußerer seine geschäftlichen Interessen schützen, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, auf eine Vereinbarung mit dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer hinzuwirken. Diese Vereinbarung müßte nicht den Anforderungen der §§ 74 ff HGB entsprechen. Für die Vereinbarung des Wettbewerbsverbots nach Betriebsübergang besteht insoweit kein Unterschied zu Wettbewerbsverboten, die ohne Vorliegen ernes Betriebsübergangs nach dem Ende des Arbeitsver-
2 1 8
Oben Fußn. 197.
2 1 9
Pottmeyer, S. 120.
292
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
hältnisses vereinbart wurden. 2 2 0 Allerdings wird der ausgeschiedene Arbeitnehmer sich nicht ohne weiteres auf eine solche Vereinbarung einlassen. Der Veräußerer wird entsprechend hohe wirtschaftliche Anreize bieten müssen, wenn er sich vor dem Wettbewerb des ausgeschieden Arbeitnehmers schützen wül.
2. Das Sonderproblem bei Betriebsaufspaltung a) Problemstellung
Als besonderes Problem kann sich die Frage nach dem Schutz des Veräußerers im Fall der Betriebsaufspaltung darstellen, weil hier enge Verbindungen zwischen Veräußerer und Erwerber bestehen, andererseits der Tatbestand des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB häufig erfüllt i s t . 2 2 1 Die Grundform der Betriebsaufspaltung ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß eine Aufteüung eines bestehenden Unternehmens (meist einer Personengesellschaft) in ein Besitzunternehmen (ebenfalls meist eine Personengesellschaft) und ein Betriebsunternehmen (meist eine Kapitalgesellschaft) stattfindet. Während das ursprüngliche Unternehmen nur noch als Eigentümerin des Betriebsvermögens als das sog. Besitzunternehmen nach außen in Erscheinung tritt, wird der neu zu gründenden Gesellschaft, dem Betriebsunternehmen, das gesamte Anlagevermögen und eventuell auch das Umlaufvermögen durch schuldrechtliche Verträge zur Nutzung überlassen. 222 Kennzeichnend für das Verhältnis von Besitz- und Betriebsvermögen ist, daß "die durch solche Verträge verflochtenen Betriebe als einheitliche Unternehmung angesehen werden können, bei der jedenfalls Teile der gesamten Unternehmensfunktion in rechtlich selbständige Einheiten organisiert wurden, die aber erst zusammen betrachtet das wirtschaftliche Unternehmen selbst ausmachen." 2 2 3 Besitz- und Betriebsgesellschaft stellen ein wirtschaftliches Gesamtgefüge d a r 2 2 4 und dienen regelmäßig einem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck. 2 2 5 Dabei wird ausgeführt, daß wirtschaftlich gesehen nur eine fiktive Übertragung vorliege und die wirtschaftliche Identität des Unternehmens er-
2 2 0
Vgl. nur Schlegelberger-Schröder,
2 2 1
Vgl. hierzu unten b).
2 2 2
Beisel/Klumpp,
§ 74 Rdn. 3.
Rdn. 737; Commandeur, S. 35; Heyel, S. 15; Pietzko, S. 104 ff.
2 2 3
Heyel, S. 15.
2 2 4
Bentier, S. 119; Birk, BB 1976, 1227 ff.
2 2 5
Diekmann, S. 13.
2. Das Sonderproblem bei Betriebsaufspaltung
293
halten bleibe. 2 2 6 Sind, wie bei der Grundform der Betriebsaufspaltung, zwei Gesellschaften beteiligt, wird deren Zusammenwirken auch häufig als "Doppelgesellschaft" oder "Doppelunternehmen" bezeichnet. 227 Neben dieser sachlichen Verflechtung besteht regelmäßig eine personelle Verflechtung in der Form, daß nach Möglichkeit beide Unternehmen von den gleichen Gesellschaftern beherrscht werden. 2 2 8 Nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten ist eine solche personelle Verflechtung notwendige Voraussetzung zur Anerkennung der Betriebsaufspaltung.229 Eine allgemeingültige und dennoch präzise Definition der Betriebsaufspaltung ist wegen ihrer vielfältigen Erscheinungsformen230 nicht möglich. 2 3 1 An dieser Stelle seien nur einige genannt: So wird zwischen der "echten" und der "unechten" Betriebsaufspaltung unterschieden; Kennzeichen der "echten" Betriebsaufspaltung ist, daß eine einheitliche Personengesellschaft in eine Besitzgesellschaft und in eine Betriebsgesellschaft aufgegliedert w i r d . 2 3 2 Dagegen werden bei der "unechten" Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsgesellschaft von vornherein als zwei selbständige Unternehmen errichtet und sodann durch die Überlassung des Anlage- oder Umlaufvermögens miteinander verbunden. 2 3 3 Neben diesen Formen der Betriebsaufspaltung werden u.a. noch die "umgekehrte" 234 und die "kapitalistische" 235 Betriebsaufspaltung unterschieden. Gerade die enge Verflechtung von Betriebs- und Besitzunternehmen läßt es zweifelhaft erscheinen, ob die bisher vertretene Ansicht, daß der Betriebsinha2 2 6
Simon, ZfA 1987, 311 (324).
2 2 7
Birk, BB 1976, 1227 ff; Blank/Blanke,
2 2 8
S. 45; Heyel, S. 15 u. 20.
Bentier, S. 21 m.w.Nachw. u. S. 145; Blank/Blanke, NZA 1988, 459 (450); Ziegler, S. 105 m.w.Nachw.
S. 46; Pietzko, S. 104; Salje,
2 2 9
Nach BFHE 103, 440 müssen die Personen, die das Betriebsunternehmen beherrschen, auch in der Betriebsgesellschaft in der Lage sein, ihren Willen durchzusetzen. 2 3 0 Die Erscheinungsformen der Betriebsauf Spaltung werden u.a. anschaulich dargestellt von Blank/Blanke, S. 45 ff. 2 3 1 2 3 2
Bentier, S. 21; Heyel, S. 15.
Blank/Blanke, S. 45; Bentier, S. 27 m. zahlr. Nachw.; Brandmüller, S. 15; Pietzko, S. 104 Fußn. 105 m.w.Nachw; Ziegler, S. 109 m.w.Nachw.
S. 22; Heyel,
2 3 3
Blank/Blanke, S. 46; Bentier, S. 29; m.w.Nachw.; Brandmüller, S. 23; Heyel, S. 16; Pietzko, S. 104 Fußn. 106; Ziegler, S. 109 f. 2 3 4 Bei der "umgekehrten" Betriebsaufspaltung ist die ursprüngliche Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, wobei als Besitzunternehmen eine Personengesellschaft gegründet wird, vgl. Bentier, S. 30; Blank/Blanke, S. 29; Brandmüller, S. 24; Heyel, S. 17. 2 3 5
Bei der "kapitalistischen" Betriebsaufspaltung überläßt eine Kapitalgesellschaft das Betriebsvermögen einer anderen, von denselben Gesellschaftern beherrschten Kapitalgesellschaft, vgl. nur Brandmüller, S. 25; Bentier, S. 31.
294
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
berwechsel stets zur Folge habe, daß der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede eintrete, während der Veräußerer den Schutz vor Wettbewerb des Arbeitnehmers verliere, bei einer Betriebsaufspaltung konsquent durchgehalten werden kann. Es stellt sich die Frage, ob § 613 a BGB, soweit er im Fall der Betriebsaufspaltung anwendbar ist, zur Folge hat, daß der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zwar nicht gegenüber dem Betriebsunternehmen in Wettbewerb treten kann, wohl aber gegenüber dem Besitzunternehmen, obwohl beide Unternehmen personell und sachlich verflochten sind. Insoweit erscheint es fraglich, ob die in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge auch für den Fall der Betriebsaufspaltung in bezug auf die Wettbewerbsabrede zu einem angemessenen Ergebnis führt. Insbesondere erscheint dies zweifelhaft, wenn man sich vor Augen hält, daß bei der Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsgesellschaft einem einheiüichen wirtschaftlichen Zweck dienen und auch das Wettbewerbsverbot letzüich den Zweck hat, wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers zu schützen. Möglicherweise muß der oben dargestellte Grundsatz, 236 daß das Wettbewerbsverbot sich nur dann auf Drittunternehmen zu erstrecken vermag, wenn sich dies aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt, in den Fällen der echten Betriebsaufspaltung wegen der engen wirtschaftlichen Verzahnung beider Unternehmen revidiert werden, soweit die Anwendung des § 613 a BGB betroffen ist. Es muß somit untersucht werden, ob bei einer Betriebsaufspaltung, für die § 613 a BGB zur Anwendung kommt, der Schutz vor Wettbewerb sich nicht nur auf das Betriebsunternehmen, sondern auch auf das Besitzunternehmen erstreckt. Dies könnte bejaht werden, wenn die Betriebsaufspaltung nicht, wie es § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB anordnet, auch bezüglich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote den vollständigen Wechsel des Vertragspartners zur Folge hätte, sondern wenn wegen der Besonderheiten der Betriebsaufspaltung auch die Aufspaltung der Gläubigerstellung aus dem Wettbewerbsverbot in Betracht käme. Im Schrifttum ist diese Frage, soweit ersichtlich, noch nicht allgemein aufgegriffen worden. Lediglich Blank/Blanke haben die Ansicht vertreten, daß bei Betriebsaufspaltungen eine Verdoppelung der Gläubigerstellung aus dem Wettbewerbsverbot in Betracht kommen könne. 2 3 7 Dies beruhe darauf, daß die Wettbewerbsabrede nicht nur dem Interesse der Betriebsgesellschaft, sondern gleichzeitig dem wirtschaftlichen Interesse der Besitzgesellschaft diene. Darüberhinaus erfordere die sogenannte "unechte Betriebsaufspaltung" die analoge Anwendung sowohl für den Übergang des Wettbewerbsverhältnisses auf die neu gegründete Produktionsgesellschaft als auch auf die neu gegründete Besitzgesellschaft.
2 3 6
Abschn. B, 2. Kap., 1 b.
2 3 7
Blank/Blanke,
S. 236; zustimmend Simon,, Z f A 1987, 311 (327 f).
2. Das Sonderproblem bei Betriebsaufspaltung
295
b) Lösungsansatz
Die Frage, wann bei der Betriebsaufspaltung der Tatbestand des § 613 a BGB erfüllt ist, ist u.a. in der ausführlichen Untersuchung von Pietzko dargestellt worden. 2 3 8 Hierauf wird im folgenden Bezug genommen. 239 Insbesondere kommen zwei Fall Varianten für die Anwendung des § 613 a BGB in Betracht: 240 Kennzeichen der ersten Variante ist, daß die ursprüngliche Gesellschaft als Besitzunternehmen aufrechterhalten und der Betrieb einer neugegründeten Betriebsgesellschaft überlassen wird. Hier ist § 613 a BGB anwendbar, weü das Betriebsunternehmen als eigenständiger neuer Rechtsträger den Betrieb unter eigener betrieblicher Leitungsmacht fortführen kann. 2 4 1 Merkmal der zweiten Variante ist, daß das neu gegründete Betriebsunternehmen den Betrieb fortführt, während das neu gegründete Besitzunternehmen Eigentümer des Anlagevermögens wird. Auch hier liegt ein Fall des Betriebsübergangs i.S.d. § 613 a BGB vor, weil die betriebliche Leitungsmacht von der ursprünglichen Personengesellschaft auf das neu errichtete Betriebsunternehmen übergeht. 242 Bei einer dritten Variante, bei der die ursprüngliche Gesellschaft den Betrieb weiterführt und das betriebliche Vermögen lediglich auf eine Besitzgesellschaft, die ausgegliedert wird, übertragen wird, findet kein Betriebsübergang i.S.d. § 613 a BGB statt. In diesem Fall wird die betriebliche Leitungsmariit nicht auf einen anderen Inhaber übertragen; es findet kein Arbeitgeberwechsel statt. 2 4 3 Wenn § 613 a BGB in den genannten typischen Fällen der Betriebsaufspaltung Anwendung findet, so wirkt sich dies auch hinsichtlich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots aus. Hatte ein Arbeitnehmer mit der ursprünglichen Gesellschaft ein Wettbewerbsverbot vereinbart, so tritt die neu gegründete Betriebsgesellschaft als Folge des mit der Betriebsaufspaltung verbundenen Be-
2 3 8
Pietzko, S. 104 ff.
2 3 9
Vgl. hierzu auch BAG NZA 1988, 501 f; BAG NZA 1989, 425 f; Bentier, S. 75 ff; Blank/Blanke, S. 244 ff; Sack, S. 77 ff; Simon, TIA 1987 S. 311 (324 ff). Nach Birk, BB 1976, 1227 (1228) ist der Tatbestand des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig erfüllt, da es für die rechtsgeschäftliche Übertragung genügt, wenn der Arbeitgeberwechsel durch einen Pachtvertrag herbeigeführt wird. 2 4 0 Zu weiteren (atypischen) Fallkonstellationen, die in Rechtsprechung und Schrifttum diskutiert werden vgl. Pietzko, S. 107 ff. 2 4 1
Pietzko, S. 106 m. zahlr. w. Nachw. in Fußn. 115.
2 4 2
Pietzko, S. 106.
2 4 3
Pietzko, a.a.O. m.w.Nachw.; Simon, TIA 1987, 311 (326).
296
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
triebsübergangs in die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede ein, sofern der Arbeitnehmer ihr nach den allgemeinen Kriterien zuzuordnen ist Dagegen scheidet die ursprüngliche Gesellschaft infolge des Betriebsübergangs aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus der Gläubigerstellung aus dem Wettbewerbsverbot aus. Entgegen Blank/Blanke 244 findet dabei keine Aufspaltung der Wettbewerbsabrede auf das Besitz- und das Betriebsunternehmen statt. Gegen diese Ansicht sprechen mehrere Argumente: Zunächst kann der Darstellung von Blank/Blanke nicht gefolgt werden, daß die Verdoppelung der Gläubigerstellung der herrschenden Meinung in der Literatur entspreche. Wie gezeigt wurde, ist die Auffassung, daß die Gläubigerstellung aus dem Wettbewerbsverbot sich aufspalten könne, insbesondere von Seiter für den Fall vertreten worden, daß der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei und der bisherige Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit fortsetze. 245 Angesichts der Vielzahl angebotener Lösungen kann keinesfalls behauptet werden, daß diese Ansicht sich als "herrschend" hätte durchsetzen können. Vielmehr sprechen die bereits oben genannten Erwägungen grundsätzlich dagegen, daß die Gläubigerstellung aus der Wettbewerbsabrede sich aus Anlaß des Betriebsübergangs aufspalten könnte. 2 4 6 § 613 a BGB hat stets den vollständigen Vertragspartnerwechsel zur Folge. Es ist allerdings zu fragen, ob nicht aufgrund der Besonderheiten der Betriebsaufspaltung eine andere, von den Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Beurteüung erforderlich erscheint. Hierfür könnte die bereits oben erwähnte wirtschaftliche und personelle Verflechtung bei der Betriebsaufspaltung sprechen. Diese Verflechtung äußert sich zunächst darin, daß der Betriebsgesellschaft meist Wirtschaftsgüter überlassen werden, die nach Art und Umfang für diese ein besonderes Gewicht haben. Meist wird eine möglichst vollkommene Überlassung der sachlichen Betriebsgrundlagen angestrebt. 247 Regelmäßig handelt es sich bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen um langfristige Pacht- oder Mietverträge, 248 in denen eine Substanzwert- oder Pachtanlagenerneuerungsverpflichtung der Betriebsgesellschaft enthalten i s t . 2 4 9 Neben den schuldrechtlichen Gebrauchsüberlassungsverträgen findet darüberhinaus eine Koordination der geschäftlichen Betätigung auf der Ebene der Gesellschaft statt, die auf gesellschaftsvertraglichen Regelun2 4 4
Blank/Blanke,
S. 236.
2 4 5
Vgl. dazu oben Fußn. 197; auch MK-Schaub, (Fußn. 197) hielt eine Aufspaltung der Wettbewerbsabrede für denkbar. 2 4 6
Oben bb.
2 4 7
Ziegler, S. 109.
2 4 8
Ziegler, S. 108.
2 4 9
Ziegler, S. 109.
2. Das Sonderproblem bei Betriebsaufspaltung
297
g e n 2 5 0 oder gesellschaftsbezogenen schuldrechtlichen Regelungen 251 beruht. Hierdurch wird vermieden, daß die Gesellschaften sich aufgrund möglicherweise entstehender Interessenkonflikte auseinanderentwickeln.252 Dennoch kann auch die enge wirtschaftliche und personelle Verflechtung beider Unternehmen nicht dazu führen, daß von der in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angeordneten Rechtsfolge abgewichen werden könnte. Der Betriebsübergang hat auch im Fall der Betriebsaufspaltung den vollständigen Vertragspartnerwechsel zur Folge. Das ausschlaggebende Argument hierfür ergibt sich aus den Motiven, die zur Betriebsaufspaltung führen. Insoweit können insbesondere steuerliche 253 und haftungsrechtliche 254 Beweggründe genannt werden. Spaltet die ursprüngliche Personengesellschaft den Betrieb in eine Personen-Besitzgesellschaft und in eine Kapital-Betriebsgesellschaft auf, so kann das bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehende Risiko der persönlich unbegrenzten Haftung der Gesellschafter 255 im wesenüichen unterbunden werden. Das Besitzunternehmen haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Betriebsgesellschaft. Damit ergibt sich ein deuüicher Vorteü aus der bei Betriebsaufspaltung entstehenden rechtlichen Selbständigkeit beider Unternehmen, da das wertvolle Anlagevermögen in der Regel dem Haftungszugriff entzogen wird. In noch höherem Maße liegen die Beweggründe für eine Betriebsaufspaltung im steuerlichen Bereich. Die Aufspaltung in eine Personen-Besitzgesellschaft und in eine Kapital-Betriebsgesellschaft ermöglicht es, die auf der Rechtsform beruhende unterschiedliche Besteuerung durch Kombination der jeweiligen steuerlichen Vorteile auszunutzen. 256 So ergeben sich beispielsweise steuerliche Vorteüe, wenn bei der Kapital-Betriebsgesellschaft bei niedrigem Betriebsvermögen die Gewinne durch Gehälter und Pensionszusagen an die Gesellschafter aufgezehrt werden. 257 Auch ergeben sich keine vermögenssteuerlichen
2 5 0 Bentier, S. 143 f, mit zahlreichen Hinweisen zu Angleichungs- und Verzahnungsmöglichkeiten auf gesellschaftsvertraglicher Ebene. 2 5 1
Ausführlich B entier, S. 126 ff.
1 5 2
Bentier, S. 120
2 5 3 Blank/Blanke, S. 55 ff; Bentier, S. 35; Brandmüller, S. 31 ff; Heyel, S. 27 f; Diekmann, S. 58 ff; Wendeling-Schröder, A i B 1987, 180. 2 5 4 Blank/Blanke, mann, S. 51 ff. 2 5 5
S. 64; Bentier, S. 32; Brandmüller, S. 26 f; Heyel, S. 22 f; Diek-
Nicht so für den Kommanditisten, § 171 HGB.
2 5 6
Blank/Blanke, S. 60; zu den zahlreichen Einzelaspekten vgl. Bentier, S. 35 ff m.w.Nachw.; Heyel, S. 37; Staib, S. 98 ff. 2 5 7
Staib, S.5.
298
III. Teil, Abschn. B., 5. Kap.: Schutz des Veräußerers
Nachteile bei der Betriebskapitalgesellschaft, wenn das Anlagevermögen beim Besitzunternehmen bleibt und insoweit nur auf Gesellschafterebene und nicht auf Unternehmensebene der Vermögensteuer unterliegt. 258 Freilich dürfen wegen der "Interdependenz der verschiedenen Steuerarten" 259 die Auswirkungen einzelner Steuerarten nicht isoliert gesehen werden. Eine zuverlässige steuerrechtliche Aussage ist nur durch einen Gesamtsteuer-Belastungsvergleich möglich.260 In dem hier zu untersuchenden Zusammenhang kommt es jedoch auf diese Einzelauswirkungen nicht an. Bedeutsam ist vielmehr die Tatsache, daß die steuerrechüichen und haftungsrechüichen Vorteile ganz entscheidend auf die Wahl der Rechtsform und die Konstruktion der rechtlichen Selbständigkeit zurückzuführen sind. Die eigenüiche Bedeutung der Aufspaltung des Betriebes in zwei oder mehrere Einzelunternehmen liegt somit in der Herstellung der rechtlichen Selbständigkeit der Einzelunternehmen. Die Kapitalseigner haben die Aufteüung in rechüich selbständige Organisationsformen bewußt herbeigeführt, um trotz der wirtschaftlichen Verbundenheit der Einzelunternehmen von ihrer rechtlichen Selbständigkeit zu profitieren. Dieses Vorgehen ist legitim, doch muß dann konsequent an der rechtlichen Selbständigkeit der Einzelunternehmen festgehalten werden. Man muß nicht die Figur des "venire contra factum proprium" bemühen, um zu verdeutlichen, daß es widersprüchlich und inkonsequent wäre, einerseits bezüglich der haftungs- und steuerrechüichen Auswirkungen an der rechtsformgebundenen Trennung festhalten zu wollen, demgegenüber aber bezüglich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote diese Grenzen für unbeachüich halten zu wollen. Wenn Betriebs- und Besitzgesellschaft rechtlich als selbständige Gebilde zu behandeln sind, dann muß diese Trennung auch hinsichtlich der Schutzwirkungen der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote beibehalten werden. Tritt bei der Betriebsaufspaltung das Betriebsunternehmen gemäß § 613 a BGB in die Arbeitsverhältnisse der ursprünglichen Gesellschaft ein, dann ist deshalb nur die Betriebsgesellschaft aus der Wettbewerbsabrede berechtigt und verpflichtet. Eine Aufspaltung des Wettbewerbsverbots in der Weise, daß der Arbeitnehmer zwei Gläubigern verpflichtet wäre, kommt nicht in Betracht. Bezüglich der Besitzgesellschaft sowie bezüglich weiterer Betriebsunternehmen besteht trotz der wirtschaftlichen Verflechtung der Unternehmen kern Schutz vor nachvertraglichem Wettbewerb des Arbeitnehmers.
2 5 8
Bentier, S. 35 f.
2 5 9
Heyel, S. 27.
2 6 0
Heyel, a.a.O.
2. Das Sonderproblem bei Betriebsaufspaltung
299
In der Praxis wird sich das konsequente Festhalten am Prinzip der rechtsformgebundenen Geltung des Wettbewerbsverbots261 auch bei Betriebsaufspaltung nicht negativ auswirken, wenn das geschäftliche Interesse des Betriebsunternehmens und das des Besitzunternehmens sich weitgehend decken. Regelmäßig wird auch nur das Betriebsunternehmen werbend tätig und regelmäßig tritt auch nur das Betriebsunternehmen am Markt in Erscheinung. Ungünstige Folgen können sich jedoch dann ergeben, wenn ein Unternehmen in mehrere Sparten aufgeteilt wurde. 2 6 2 Erstreckt sich der Schutz vor Wettbewerb nach der vertraglichen Vereinbarung nicht auf die übrigen Sparten, in die das Unternehmen aufgeteilt wurde, so ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, diesen gegenüber in Konkurrenz zu treten. Für den Fall, daß sich die Wettbewerbsabrede aus vertraglicher Sicht auch auf Drittunternehmen erstreckt, ist dagegen die bei Betriebsaufspaltung sich ergebende Beziehung zwischen den Einzelunternehmen regelmäßig hinreichend "strukturell verfestigt", 263 so daß der Vertragsarbeitgeber im allgemeinen ein berechtigtes geschäftliches Interesse am Schutz vor dem auf das Drittunternehmen sich erstreckende Wettbewerbsverbot darlegen und beweisen kann. 2 6 4 Voraussetzung für den Schutz der Drittunternehmen vor Wettbewerb wäre jedoch auch hier, daß die Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem ausreichenden Bezug zu diesen steht. 265 Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß es bei Betriebsaufspaltung nicht, wie gelegentlich in der Literatur behauptet wird, zu einer Aufspaltung der Wettbewerbsabrede kommt. Tritt im Zuge der Betriebsaufspaltung das neu gegründete Betriebsunternehmen in das Arbeitsverhältnis ein, so ist dieses allein aus der Wettbewerbsabrede berechtigt und verpflichtet. Dies folgt aus der rechtlichen Selbständigkeit der entstandenen Unternehmen, die von den Kapitalseignern bewußt und gewollt herbeigeführt wurde. Die wirtschaftliche und personelle Verflechtung vermag an dieser rechtlichen Situation nichts zu ändern.
261
Martens, FS-Herschel S. 244.
2 6 2
Zur Spartenorganisation vgl. nur Blank/Blanke,
2 6 3
Windbichler,
S. 53 f.
S. 131.
2 6 4 Auch die von Kracht, BB 1970, 584 aufgestellte Forderung, daß der Arbeitgeber und das Drittunternehmen "praktisch wie ein einheitliches Unternehmen" handeln, wäre erfüllt. 2 6 5
Vgl. dazu Abschn. B, 3. Kap, 1 d.
300
III. Teil, Abschn. C.: Widerspruchsrecht während der Karenzzeit?
Abschnitt C
Ausübung des Widerspruchsrechts während der Karenzzeit? Oben wurde darauf hingewiesen, daß der Arbeitnehmer den Eintritt der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs und die damit verbundenen Veränderungen hinsichtlich des gesetzlichen Wettbewerbsverbots verhindern kann, wenn er dem Betriebsübergang rechtzeitig widerspricht.1 Von seinem Widerspruchsrecht kann der Arbeitnehmer auch Gebrauch machen, wenn er bei bestehendem Arbeitsverhältnis den Eintritt des Erwerbers in das nachvertragliche Wettbewerbs verbot verhindern will. Insofern gelten die bisherigen Ausführungen zum Widerspruchsrecht. Ausgeschlossen ist der Widerspruch jedoch, wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Hier liegt eine andere Interessenlage als bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis vor. Anknüpfungspunkt des Widerspruchsrechts ist das auf dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beruhende Recht zur Selbsbestimmung. Das Recht zur Selbstbestimmung des Arbeitnehmers ist jedoch nicht berührt, wenn der Erwerber in die Wettbewerbsabrede des ausgeschiedenen Arbeitnehmers eintritt. 2 Anders als beim bestehenden Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer nicht mehr in den Betrieb integriert, weshalb nicht die Gefahr besteht, daß er sächlichen Betriebsmitteln gleichgesetzt und insoweit in seiner Menschenwürde verletzt wird. 3 Hinzu kommt, daß der Betriebsübergang sich nicht nachteilig auf das Wettbewerbsverbot des ausgeschiedenen Arbeitnehmers auswirken kann. 4 Darüberhinaus güt, daß etwaige persönliche Interessen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers an der Beibehaltung des Gläubigers der Wettbewerbsabrede gegenüber dem Interesse am Unternehmensschutz zurückstehen müssen.5 Ein Widerspruchsrecht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist deshalb zu verneinen.
1
II. Teil, Abschn. C.
2
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 145 f.
3
Vgl. hierzu BAG AP Nr. 1 zu § 613 a BGB.
4
Dies wurde oben bei der Besprechung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Inhalt und Umfang der Wettbewerbsverbote gezeigt. 5
Vgl. hierzu die Ausführungen oben S. 223 f.
III. Teil, Abschn. D.: Der Eintritt in die Rechtsfolgen
301
Abschnitt D
Der Eintritt in die Rechtsfolgen bei Verletzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots Wird das Wettbewerbsverbot verletzt, kann der Arbeitgeber die Erfüllung des Unterlassungsanspruchs im Wege der Klage verlangen. Dies ist auch durch Antrag auf einstweilige Verfügung möglich. 1 Endet die Karenzzeit noch vor der Verkündung des Urteüs, kann Feststellung beantragt werden, daß der Arbeitnehmer zur Unterlassung verpflichtet war 2 oder Erledigung der Hauptsache erklärt werden.3 Ist der Anspruch noch nicht rechtshängig, kann der Erwerber ihn nach Betriebsübergang wegen des Eintritts in die Wettbewerbsabrede geltend machen. Ansprüche, die auf einer Verletzung des nachvertraglichen Wettbwerbsverbots beruhen, stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis4 und gehen deshalb auf den Erwerber über. Findet erst während der Zeit der Rechtshängigkeit ein Betriebsübergang statt, so hat der Arbeitgeberwechsel auf den Rechtsstreit keinen Einfluß, § 265 Abs. 2 ZPO. 5 Der Veräußerer muß jedoch seinen Klageantrag der veränderten materiellen Rechtslage anpassen und Unterlassung gegenüber dem Erwerber verlangen.6 Bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann der Arbeitgeber insbesondere die sich aus § 320 ff BGB ergebenden Rechte wahrnehmen. So kann der Erwerber nach § 325 BGB Schadensersatz verlangen oder vom Wettbewerbsverbot zurücktreten.7 Auch kommt für die Zeit, in der der Arbeitnehmer Wettbewerb betrieben hat, ein Wegfall der Entschädigungspflicht nach § 325 Abs 1 S. 3 i.V.m. § 323 BGB in Betracht.8 Der Umfang des Wettbewerbs ist
1
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 126 m.w.Nachw.
2
Grunsky, a.a.O.; Grüll S. 84.
3
Grunsky, a.a.O.
4
Zu diesem Kriterium vgl. die Ausführungen oben II. Teil, Abschn A, 1.
5
Staudinger-Richardi, § 613 Rdn. 204. Für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber findet § 265 Abs. 2 ZPO entsprechend Anwendung, BAG SAE 1977, 220 ff mit zust. Anm. von Grunsky. 6
Zur Anpassung des Klageantrages Thomas/Putzo,
7
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 128 ff.
§ 265 Anm. 4 b.
8 Solange der Arbeitnehmer Wettbewerb betreibt, ist die Erfüllung der Unterlassungspflicht unmöglich, Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 127.
302
III. Teil, Abschn. D.: Der Eintritt in die Rechtsfolgen
insoweit unerheblich.9 In Unkenntnis des Wettbewerbsverstoßes geleistete Karenzentschädigung kann der Arbeitgeber zurückfordern.10 Hinsichtlich der Rechte, die bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden können, ergeben sich durch den Betriebsübergang keine Änderungen. Fraglich ist jedoch, in welchem Umfang Schadensersatz zu leisten ist, wenn sich der Umfang des Wettbewerbsverbots infolge des Betriebsübergangs verkleinert hat. Oben wurde gezeigt, daß die Einschränkung der Geschäftstätigkeit keine Auswirkungen auf den Vertrag hat, sondern daß lediglich das berechtigte geschäftliche Interesse entfallen kann. 11 Das bedeutet zunächst, daß kern Schadensersatzanspruch entstehen kann, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach Betriebsübergang geschäftliche Handlungen vornimmt, die nur vor Betriebsübergang gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hätten. Fraglich ist allerdings, ob der Erwerber Ersatzansprüche für Schäden geltend machen kann, die sich auf die Zeit vor Betriebsübergang beziehen und die wegen seiner im Verhältnis zum Veräußerer eingeschränkten Tätigkeit nur bei diesem entstehen konnten. Hier gilt das bereits oben zum Ersatzanspruch bei einem Verstoß zum gesetzlichen Wettbewerbsverbot Gesagte entsprechend.12 Wenn davon auszugehen ist, daß der Betriebsübergang in entsprechender Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB den vollständigen Wechsel der Rechtsstellung aus der Wettbewerbsabrede zur Folge hat, dann kann dieser Fall nicht anders behandelt werden, als hätte der Arbeitgeber ohne Betriebsübergang seine Geschäftstätigkeit eingeschränkt. Dieser Vorgang läßt bereits in der Vergangenheit entstandene Schäden nicht entfallen. Der Erwerber kann deshalb auch den Ersatz dieser Schäden verlangen, selbst wenn das Wettbewerbsverbot bezüglich eines Geschäftszweiges verletzt wurde, der von ihm nie ausgeübt wurde. Aus der für ihn zufälligen Verlagerung des Schadens darf der Schädiger keinen Nutzen ziehen. Neben den bereits genannten Rechten steht dem Erwerber wegen des Eintritts in die Wettbewerbsabrede auch ein Anspruch auf Auskunft zu, sofern der Arbeitnehmer durch sein Verhalten zu der Vermutung Anlaß gegeben hat, er habe gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. 13 Der Auskunftsanspruch richtet sich auch auf Verletzungshandlungen, die vor dem Betriebsübergang stattgefunden haben.
9
Grunsky, a.a.O.
10
Grunsky, a.a.O.; Grüll, S. 85; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, IV. 3; Winterstein, NJW 1989, 1463. 11
Vgl. hierzu oben Abschn. B, Kap. 2 u. 3.
12
Vgl. hierzu II. Teil, Abschn. D, 2.
13
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 131.
1. Kollektivrechtliche Regelungen der Wettbewerbsverbote
303
Folge des Betriebsübergangs ist auch, daß der Erwerber entsprechend § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in ein sich auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots beziehendes Vertragsstrafenversprechen eintritt. Bezieht sich die Vertragsstrafe auf den gesamten Karenzzeitraum, so ist der Anspruch auf Erfüllung gemäß § 75 c Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. § 340 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Erwerber sie geltend macht. 14
Abschnitt Ε
Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Wettbewerbsverbote in Kollektivvereinbarungen 1. Kollektivrechtliche Regelungen der Wettbewerbsverbote a) Tarifverträge
aa) Modifizierung individualrechtlich vereinbarter Wettbewerbsverbote durch Tarifvertrag Das BAG hat sich bislang lediglich zweimal mit dem Problemkreis befaßt, ob Wettbewerbsverbote durch einen Tarifvertrag inhaltliche Ausgestaltungen erfahren können.1 Daß das BAG nicht mehr Entscheidungen zu tarifvertraglich geregelten Wettbewerbsverboten getroffen hat, mag damit zusammenhängen, daß die Sozialpartner zur Ausgestaltung der Wettbewerbsverbote im Wege der Tarifautonomie kaum tätig geworden sind 2 und Wettbewerbsklauseln in der tariflichen Praxis vor allem eine Rolle gespielt hatten, als die §§ 74 ff BGB nur für kaufmännische Arbeitnehmer galten. Nur so lange bestand ein Bedürfnis, für sonstige Arbeitnehmer eine dem Gesetz vergleichbare Regelung zu schaffen.3 Gegenwärtig gelten tarifvertraglich Regelungen der Wettbewerbsverbote im Bereich der chemischen Industrie.4
14 Zur Frage, ob sich die Vertragsstrafe auf den gesamten Karenzzeitraum oder auf einzelne Verstöße bezieht vgl. Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 130. 1
BAG AP Nr. 28 u. Nr. 30 zu § 74 HGB.
2
Monjau, ARdGW Bd. 7 S. 75 (78) weist darauf hin, daß nur für Angestellte in der Chemie bereits seit 1920 tarifliche Regelungen der Wettbewerbsabrede bestanden. 3 4
Grunsky, Wettbewerbsverbote, S 132; Buchner, Wettbewerbsverbot S. 33.
Es gilt der "Manteltarifvertrag für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie" v. 5.3.1976, dessen § 6 (Wettbewerbsverbote) zuletzt mit der Fassung vom 1.4.1982 geändert wurde.
304
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
In den beiden zu dem Themenkomplex ergangenen Urteilen hielt das BAG die Regelung von Wettbewerbsverboten durch Tarifverträge grundsätzlich für zulässig.5 Es ging dabei davon aus, daß es sich bei der Ausgestaltung der Wettbewerbsverbote um Inhaltsnormen i.S.d. § 1 TVG handele. In Inhaltsnormen können allgemein solche Fragen geregelt werden, die zum Gegenstand eines einzelnen Arbeitsvertrages gemacht werden können. 6 Obwohl nachvertragliche Wettbewerbsverbote Rechte und Pflichten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses regeln, können deshalb Tarifverträge, die die Ausgestaltung des Wettbewerbsverbots betreffen, als Inhaltsnormen i.S.d. § 1 TVG angesehen werden.7 Das BAG ging sogar noch einen Schritt weiter: In der Begründung zum Urteü vom 12.11.19718 hatte es zu erkennen gegeben, daß es die zwingenden Regelungen der §§ 74 ff HGB wegen der materiellen Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen für tarifdispositiv hält. 9 Lediglich bestimmte unabänderliche Grundsätze dürften nicht angetastet werden, wie etwa der Grundsatz der Entschädigungspflicht sowie die zeitliche, räumliche und sachliche Begrenzung des Wettbewerbsverbots. Darüber hinaus dürfe auch das von der Rechtsprechung geschaffene Prinzip der rechtseinheitlichen Beurteilung von Wettbewerbsverboten kaufmännischer und sonstiger Arbeitnehmer nicht aufgegeben werden. Hinsichtlich der Frage der Tarifdispositivität nimmt das BAG somit keine Differenzierung zwischen unmittelbar anzuwendendem Gesetzesrecht und richterlicher Rechtsfortbildung vor. 1 0
5 Im Ergebnis ebenso Buchner, a.a.O. S. 33; Grunsky, a.a.O., S. 132; Grüllt S. 21 f; Monjau, ArdGw Bd. 7, S. 75 ff (78, 81 ff); Wiedemann/Stumpf Einl. Rdn. 83 sowie zu § 1 Rdn. 180; wohl auch Hagemeier/Kempen/Zacher/Ziliust Einl. Rdn. 161. 6
Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 202 H.,1.
7
Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 33; ebenso Löwe, S. 138.
8
AP Nr. 28 zu § 74 HGB.
9 Grundsätzlich wird in der Rechtsprechung vom Prinzip der materiellen Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen ausgegangen. Danach erscheint es im allgemeinen gerechtfertigt, Abweichungen von Arbeitnehmerschutzgesetzen auch dann zuzulassen, wenn sie sich zuungunsten der Arbeitnehmer auswirken, weil angenommen wird, daß die Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer größeren Sachnähe und Stärke einen interessengerechten Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen schaffen können (BAG AP Nr. 64 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BVerfG AP Nr. 15 zu § 2 TVG; BAG AP Nr. 54 zu § 611 Gratifikation); vgl. auch Wiedemann/Stumpf Einl. Rdn. 107. 10 Kritisch Buchner, Wettbewerbsverbot S. 34 ff; a.A. Löwe, S. 152; nach Grunsky, a.a.O., S. 133 spricht demgegenüber so wenig wie an anderen Stellen für die Zulässigkeit einer Differenz!erung zwischen Angestellten und sonstigen Arbeitnehmern.
1. Kollektivrechtliche Regelungen der Wettbewerbsverbote
305
Die Rechtsprechung des BAG hat Zustimmung gefunden, 11 ist aber auch auf Kritik gestoßen.12 Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Frage, ob zwingende Normen der §§ 74 ff HGB tarifdispositiv sind sowie des weiteren, inwieweit dies auch für Richterrecht güt. Bei der Frage nach der Dispositionsbefugnis der Tarifpartner geht es insbesondere darum, ob durch Tarifvertrag auch zuungunsten der Arbeitnehmer von den Regelungen des Wettbewerbsverbots abgewichen werden darf. 13 Die Antwort hierauf hängt im wesentlichen vom Verständnis des Art. 9 Abs. 3 GG und der Frage ab, welcher gestalterische Spielraum dem Gesetzgeber verbleibt, ohne den Kernbereich des Tarifvertragssystems zu verletzen. Auf diesen Fragenkomplex kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht eingegangen werden. 14
bb) Begründung von Wettbewerbsverboten durch Tarifvertrag Neben der Frage, ob individualrechtlich vereinbarte Wettbewerbsverbote durch Tarifvertrag modifiziert werden können, wird im Schrifttum die weitere Frage diskutiert, ob Wettbewerbsverbote auch kollektivrechtlich begründet werden können. 15 Das BAG hat hierüber noch nicht entschieden. Lediglich das L A G Hamm 1 6 hatte in einer bereits länger zurückliegenden Entscheidung die Ansicht vertreten, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote für neu eintretende Arbeitnehmer durch Kollektivvertrag begründet werden könnten. 17 In der Literatur ist hierzu Stellung genommen worden. Bedenken ergeben sich zunächst daraus, daß auf überbetrieblicher Ebene kaum unterschieden werden kann, ob das für ein Wettbewerbsverbot erforderliche geschäftliche Interesse vorliegt bzw. ob für den Arbeitnehmer erne unbillige Erschwerung des
11 Canaris, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 74 HGB; ebenso Buchner, a.a.O., soweit nichtkaufmännische Arbeitnehmer betroffen sind. 12 Löwe, S. 146; Röhsler/Borrmann, Nr. 30 zu §74 HGB. 13
S. 138 ff; Thiele/Weschenfelder,
Anm. zu AP
Löwe, S. 139.
1 4
Mit dieser Problematik hat sich in jüngerer Zeit ausführlich Löwe, S. 137 ff befaßt, wobei der gegenwärtige Meinungsstand umfassend wiedergegeben wurde. Auf eine ausführliche Darstellung kann hier deshalb verzichtet werden. 15
Vgl. hierzu die Nachw. bei Löwe, S. 153 ff.
16
LAG Hamm BB 1965, 988.
17
Das Urteil des LAG Hamm bezog sich allerdings auf die Begründung durch Betriebsvereinbarung und sollte nur solche Arbeitnehmer treffen, die neu dem Betrieb hinzukämen.
306
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
Fortkommens besteht. 18 Für die Praxis läßt sich schwerlich vorstellen, daß beispielsweise ein Verbandstarifvertrag diese Punkte zuverlässig regeln könnte. Buchner, der diesen Aspekt hervorgehoben hat, gelangt dennoch zu dem Ergebnis, daß Wettbewerbsverbote auch kollektivrechtlich begründet werden können. Wettbewerbsverbote dienten der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses und der Sicherung des Unternehmenserfolges. Stimme man dem zu, sei auch anzuerkennen, daß dieser Bereich der Tarifautonomie offenstehen müsse. 19 Dieser Schluß ist jedoch nicht zwingend. Aus der Gestaltungskompetenz der Tarifpartner ergibt sich nicht notwendig, daß das Rechtsverhältnis auch begründet werden kann. Auch der Arbeitsvertrag kann von den Tarifpartnern nur gestaltet, nicht aber begründet werden. Abgesehen hiervon ergeben sich im Hinblick auf die kollektivrechtliche Regelungskompetenz weitere Bedenken. 20 Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat Scholz nachgewiesen, daß es den Tarifpartnern an der Kompetenz zum Abschluß von Wettbewerbsverboten durch Tarifvertrag mangelt. 21 Dies ergebe sich aus Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. Die Tarifparteien dürften lediglich die Berufsausübung ihrer Mitglieder regeln, nicht jedoch in die freie Berufswahl der Arbeitnehmer eingreifen. 22 Diese Ansicht ist überzeugend, da sie die Grundsätze, die das BVerfG für berufsverbandliche Normen entwickelt hat, für Tarifverträge entsprechend anwendet.23 Demgegenüber vertritt Löwe die Auffassung, daß zwar der Ansicht von Scholz zugestimmt werden könne, es aber dennoch nicht erforderlich sei, Verfassungsrecht zu bemühen. Es handele sich nicht um Normen, die von § 1 TVG getragen würden, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot durch Tarifvertrag begründet werde. Das Wettbewerbsverbot sei nicht als inhaltliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses anzusehen, da es auch völlig selbständig abgeschlossen werden könne. Die Tarifpartner seien nur befugt, das "Wie" zu regeln, nachdem bereits über das "Ob" individualrechtlich entschieden sei. 24 Dies ist im Ergebnis zutreffend, doch erscheint die Begründung bedenklich, soweit sie sich darauf stützt, daß das Wettbewerbsverbot wegen seiner Selb18
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 43, Löwe, S. 153.
19
Buchner, a.a.O., S. 44.
2 0 Vgl. hierzu die zahlr. Nachweise bei Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 43 f. Mit Recht verweist Löwe S. 154 m.w.Nachw. darauf, daß es sich dabei um eine Frage der Reichweite der Kollektivmacht handelt. 21
Scholz, ZfA 1981, 265 (297).
2 2
Scholz, a.a.O., S. 295 ff.
2 3
Vgl. BVerfGE 33,125 (160).
2 4
Löwe, S. 158 ff.
1. Kollektivrechtliche Regelungen der Wettbewerbsverbote
307
ständigkeit nicht mehr als inhaltliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Nach dieser Auffassung dürfte konsequenterweise auch die Ausgestaltung einzelvertraglich begründeter Wettbewerbsverbote nicht von § 1 TVG getragen sein. Bereits oben wurde ausgeführt, daß das Wettbewerbsverbot Bestandteü des Arbeitsverhältnisses ist. 2 5 Ein eigenständiger Unterlassungsvertrag wäre nicht an die gesetzlichen Regelungen der § 74 ff HGB gebunden; für ihn würde der Grundsatz der Vertragsfreiheit gelten. Demgegenüber hält auch das BAG trotz seiner Auffassung zur Tarifdispositivität der §§ 74 ff HGB an den grundlegenden gesetzlichen Mindestanforderungen fest. 26 Die Ursache hierfür kann nur darin gesehen werden, daß das nachvertragliche Wettbewerbsverbot Bestandteü des Arbeitsverhältnisses ist und innerhalb dieses Verhältnisses der Schwächere Schutz verdient. Wettbewerbsverbote enthalten zwar eigenständige Hauptleistungspflichten, doch ist deren Voraussetzung stets die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, soweit die §§ 74 ff HGB zur Anwendung kommen. Wenn jedoch davon ausgegangen werden muß, daß bei den hier in Frage stehenden Wettbewerbsverboten stets ein Arbeitsverhältnis vorliegt, dann kann nicht von vornherein abgestritten werden, daß es sich bei Normen, die Wettbewerbsverbote begründen, nicht um Inhaltsnormen i.S.d. TVG handeln würde. Im Ergebnis muß freilich der Ansicht von Scholz zugestimmt werden, wonach den Tarifpartnern aus verfassungsrechtlichen Gründen die Kompetenz zur Begründung der Wettbewerbsverbote fehlt. 27
b)
Betriebsvereinbarungen
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote können auch durch Betriebsvereinbarungen ausgestaltet werden. Da Wettbewerbsverbote im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, können die Betriebspartner, die zur Regelung der materiellen Arbeitsbedingungen befugt sind, 28 auch gestaltend in die einzelvertraglich vereinbarte Verpflichtung zur Wettbewerbsenthaltung eingreifen. 29 Dabei ist allerdings die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3
2 5
III. Teil, Abschn. A, 2. Kap.
2 6
Vgl. hierzu oben Fußn. 8.
2 7
Oben Fußn. 21.
2 8
Fitting/Auffahrt,
2 9
Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 40 f.
§ 77 Rdn. 31.
308
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
BetrVG zu beachten. Enthält ein Tarifvertrag Regelungen über ein Wettbewerbsverbot, sind die Betriebspartner nicht mehr zur Regelung befugt. 30 Die Parteien der Betriebsvereinbarung sind an die zwingenden gesetzlichen Vorschriften zum Wettbewerbsverbot gebunden. Von zwingendem Gesetzesrecht kann nicht abgewichen werden, da - anders als bei den Tarifvertragsparteien - Betriebsvereinbarungen nicht die Vermutung der materiellen Richtigkeitsgewähr zugute kommt. 3 1
c) Zwischenergebnis
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß das Unterfangen, nachvertragliche Wettbewerbsverbote auf kollektiver Ebene zu regeln, nicht frei von Bedenken ist. Diese konzentrieren sich insbesondere auf die Frage, ob Richterrecht bzw. zwingende Vorschriften des Gesetzesrechts tarifdispositiv sind. Das BAG hat es für zulässig gehalten, daß nachvertragliche Wettbewerbsverbote durch Tarifvertrag modifiziert werden können. Dabei neigt es der Ansicht zu, daß die §§ 74 ff HGB tarifdispositiv seien, soweit nicht die Grundsätze der Entschädigungspflicht und der zeitlichen, räumlichen und sachlichen Begrenzung der Wettbewerbsverbote angetastet würden. Ungeachtet der im Schrifttum zur Tarifdispositivität geäußerten Bedenken kann davon ausgegangen werden, daß eine tarifvertragliche Modifizierung von Wettbewerbsverboten jedenfalls dann zulässig ist, wenn nicht von zwingendem Gesetzesrecht oder Richterrecht abgewichen wird. Bei den das Wettbewerbsverbot betreffenden Regelungen des Tarifvertrages handelt es sich um Inhaltsnormen i.S.d. § 1 TVG. Der Begründung von Wettbewerbsverboten durch Tarifvertrag stehen praktische und verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber. Dies gilt auch, soweit Wettbewerbsverbote durch Betriebsvereinbarung begründet werden sollten. Dagegen können die Betriebspartner einzelvertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote jederzeit ausgestalten, soweit sie die Sperrklausel des § 77 Abs. 3 BetrVG berücksichtigen. Wenn davon auszugehen ist, daß Wettbewerbsverbote durch Kollektiwereinbarungen modifiziert werden können, muß im folgenden untersucht werden, wie sich der Betriebsübergang auf solcherart geregelte Wettbewerbsverbote auswirkt.
3 0
Buchner, a.a.O.
3 1
Buchner, a.a.O., S. 41 f; Röhsler/Borrmann,
S. 140.
2. Auswirkungen auf Kollektiwereinbarungen
309
2. Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Kollektivvereinbarungen Durch das EG-Anpassungsgesetz vom 13.8.1980 wurde die Problematik der Fortgeltung von Kollektiwereinbarungen in § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB gesetzlich geregelt. 32 Bei dieser Problematik stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, einerseits dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer gerecht zu werden und andererseits dem Gedanken der Tarifeinheit zu entsprechen und damit zu ermöglichen, daß ein im Betrieb des Erwerbers geltender Tarifvertrag auch auf die neu hinzukommenden Arbeitnehmer des übernommenen Betriebes erstreckt wird. 3 3 Der Gesetzgeber hat sich zur Auflösung dieses Zielkonflikts für eine individualrechtliche Lösung mit zeitlich limitierter Fortgeltung der alten tarifvertraglichen Bestimmungen entschieden.34 Nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB werden Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis, die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sind, bei rechtsgeschäftlichem Betriebsübergang zum individualrechtlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Erwerber und Arbeitnehmer transformiert.35 Die kollektiwertraglichen Regelungen verlieren somit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ihre nach §§ 4 Abs. 1 TVG, 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG bestehende unmittelbare und zwingende Wirkung. 3 6 Allerdings dürfen gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB die transformierten Rechtsnormen nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zum Nachteü des Arbeitnehmers geändert werden. 37 In dieser Regelung spiegelt sich die Absicht des Gesetzgebers wider, dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers gerecht zu werden. Die im Gesetz festgelegte Transformation kollektiver Regelungen in individualvertragliche Regelungen ist jedoch keineswegs die einzige Möglichkeit der Fortgeltung von Kollektivnormen bei Betriebsübergang.38 Im einzelnen kann auch eine kollektivrechtliche Fortgeltung kollektiwertraglicher Regelun-
3 2 Zur Weitergeltung von Gesamtvereinbarungen (Betriebsvereinbarung, Tarifverträge) beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB vgl. ausführlich Güssen, S. 7 ff. 3 3
Wank, NZA 1987,505; vgl. auch Gaul, Betriebsübergang, S. 142 f. u. 159 f.
3 4
Kritisch zur individualrechtlichen Lösung Seiter, DB 1990, 877 ff.
35 Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 78; Röder, DB 1981, 1980; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 89, ders., DB 1980, 877. 3 6
Schaub, ZIP 1984, 272 (279); Wank, NZA 1987,505 (506) m.w.Nachw.
3 7
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 90.
3 8
Hanau/Vossen, FS f. Hilger/Stumpf, S. 271 ff.
310
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
gen in Betracht kommen. 39 Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung kommt den Regelungen des § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB die Wirkung eines Auffangtatbestands zu, da sie nur zur Anwendung kommen, soweit Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen nicht kollektivrechtlich fortgelten. 40 § 613 a BGB enthält somit keine abschließende Regelung über das rechüiche Schicksal kollektiver Normen bei Betriebsübergang.
a) Tarifverträge
aa) Kollektivrechtliche Fortgeltung von Tarifverträgen Ob Tarifverträge bei Betriebsübergang kollektivrechtlich fortgelten, richtet sich nicht nach § 613 a BGB, sondern nach dem TVG. Bestand im übergehenden Betrieb ein Verbandstarifvertrag, so wird der Erwerber infolge des Betriebsübergangs nicht automatisch Mitglied des Arbeitgeberverbandes, der den Tarifvertrag abgeschlossen hatte. 41 Dies bedeutet, daß eine kollektiwertragliche Fortgeltung des alten Tarifvertrages nur in Betracht kommen kann, wenn der Erwerber bereits demselben Arbeitgeberverband angehörte wie der Veräußerer, oder wenn er spätestens bis zum Zeitpunkt des Übergangs diesem beitritt. 42 Die kollektivrechtliche Geltung eines Tarifvertrages bleibt somit erhalten, wenn der neue Inhaber und die übernommenen Arbeitnehmer gemäß §§ 3 und 5 TVG beiderseits durch denselben Tarifvertrag gebunden sind. 43 Auch bei Firmentarifverträgen güt, daß der Erwerber nicht automatisch infolge des Übergangs in die kollektivrechtliche Parteistellung eintritt. 44 Aller3 9 Hanau/Vossen, a.a.O.; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 79; Güssen, S. 20, S. 70; Staudinger-Richardi § 613 a Rdn. 165; Wank, NZA 1987, 505. 4 0 Hanau/Vossen, a.a.O., S. 272; Jung, RdA 1981, 360 (362); Staudinger-Richardi, Rdn. 166; MK-Schaub, § 613 a Rdn. 91. 4 1 Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf S. 271 (288 f); Gaul, DB 1980, 98 (102); Wankt NZA 1987, 505; zweifelnd Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 91 f. 4 2
Commandeur, S. 76; MK-Schaub, § 613 a Rdn. 91; Wank, a.a.O., S. 506 f.
4 3
Commandeur, a.a.O.; Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf S. 271 (288); StaudingerRichardi, § 613 a Rdn. 163. 4 4
Wank, NZA 1987, 505 (507); MK-Schaub, § 613 a Rdn. 92. Vor Inkrafttreten des § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB wurde im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß Firmentarifverträge dem Betrieb zugehörig seien und bei Betriebsübergang kollektivrechtlich weitergälten, vgl. hierzu die Nachw. bei Wank, a.a.O., S. 507; nach der gesetzlichen Neuregelung kann dieser Auffassung nicht mehr zugestimmt werden; a.A. Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, § 3 Rdn. 43.
2. Auswirkungen auf Kollektiwereinbarungen
311
dings kann ein solcher Eintritt durch Vertragsübernahme erfolgen. In diesem Fall gilt der Tarifvertrag ebenfalls auf kollektivrechtlicher Ebene fort. 4 5 Gleiches güt, wenn rechtzeitig zum Betriebsübergang ein Neuabschluß eines Firmentarifvertrages mit inhaltsgleichen Vereinbarungen erfolgt. 46
bb) Fortgeltung von Tarifverträgen nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Tarifvertragliche Regelungen können nach Betriebsübergang auch fortgelten, wenn auf diese individualrechüich Bezug genommen wurde. War zwischen dem früheren Inhaber und dem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Absprache vereinbart worden, daß die tarifrechtlichen Regelungen auch für dessen Arbeitsverhältnis gelten sollten (Gleichstellungsabrede), dann hat der Betriebsübergang zur Folge, daß der Erwerber in diese individualrechtliche Absprache eintritt. Die tarifrechtlichen Regelungen gelten in diesem Fall nicht nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB, sondern nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB fort. 4 7
cc) Individualrechtliche Fortgeltung nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB Die individualrechüiche Fortgeltung des Tarifvertrages kommt zunächst in Betracht, wenn lediglich der Arbeitnehmer des übergehenden Betriebes, nicht aber der Erwerber tarifvertraglich gebunden ist. 4 8 Diese Wirkung des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB erstreckt sich jedoch nach im Schrifttum überwiegender Ansicht nur auf Inhaltsnormen. 49 Von der Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB nicht erfaßt werden des weiteren Arbeitnehmer, die nach Betriebsübergang neu in den Betrieb eingetreten sind 5 0 oder bereits vorher in einem Betrieb
4 5
Vgl. die Nachw. in Fußn. 44.
4 6
Wank, a.a.O.; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 79; MK-Schaub, § 613 a Rdn. 91.
4 7
Commandeur, S. 75 f; Hanau/Vossen, 95; Wank a.a.O., S. 506.
S. 294; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S.
4 8
Nach Wank, NZA 1987, 505 (506) ist dies "ein klarer Anwendungsfall des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB". 4 9
Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 109; Gaul, Betriebsübergang, S.139; MKSchaub, § 613 a Rdn. 110 ff; Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 168; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 93; ausführlich zur Problematik Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf S. 289. Zur Transformation von Beendigungs- und Abschlußnormen vgl. auch Güssen, S. 81 ff. 5 0
Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 92.
312
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
des Erwerbers eingestellt waren. 51 Ferner kommt die individualrechtliche Fortgeltung der Tarifvertragsnormen nur mit dem Inhalt in Betracht, der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs besteht. 52 Bei der individualrechüichen Fortgeltung ist das im Tarifvertragsrecht geltende "Günstigkeitsprinzip" weiterhin von Bedeutung. Hatte der Arbeitnehmer mit dem früheren Arbeitgeber arbeitsvertraglich günstigere Bedingungen vereinbart, als sich aus den tarifvertraglichen Regelungen ergibt, gelten die arbeitsvertraglichen Bedingungen nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auch gegenüber dem Erwerber. 53 Eine vorzeitige Ablösung der individualrechtlichen Fortgeltung der Bestimmungen des Tarifvertrages kann bereits vor der in § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB bestimmten Jahresfrist in Betracht kommen, wenn der Tarifvertrag nicht mehr güt oder wenn bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird, § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB. Der Arbeitnehmer soll durch den Betriebsübergang nicht besser gestellt werden als dies beim Veräußerer der Fall war. Deshalb ist eine vorzeitige Änderung der individualrechtlich fortgeltenden Bestimmungen möglich, wenn der Tarifvertrag beispielsweise durch Kündigung, einvernehmliche Aufhebung oder Fristablauf nicht mehr gilt. 5 4 Weiterhin kann eine vorzeitige Änderung nach dieser Vorschrift auch dann in Betracht kommen, wenn die Anwendung eines Tarifvertrages vereinbart wird, der bei beiderseitiger Tarifgebundenheit für die Parteien gelten würde. Ist die vorzeitige Änderung individualrechtlich transformierter Regelungen nach § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB möglich, dann ist auch eine Abänderung der Regelungen zuungunsten der Arbeitnehmer zulässig. 55 Unabhängig hiervon kann nach Ablauf der Jahresfrist die individualrechtlich weitergeltende Regelung auf individualrechüicher Ebene durch Änderungskündigung oder vertragliche Vereinbarung und auf kollektivrechtlicher Ebene durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgeändert werden. 56 Dabei können die Änderungen auf kollektivrechtlicher Ebene auch für den Arbeitnehmer ungünstigere Bedingungen enthalten. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht liege ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip nicht vor, weil bereits
51
Wank, NZA 1987,505 (506).
5 2
BAG NZA 1986, 422.
53
Wank, a.a.O.
5 4
Commandeur, S. 82 f.
55
Wank, NZA 1987,505 (506); Commandeur, S. 81.
5 6
MK-Schaub, § 613 a Rdn. 117,129.
2. Auswirkungen auf Kollektiwereinbarungen
313
während der Zeit der zwingenden Weitergeltung von Kollektiwereinbarungen eine Änderung zuungunsten der Arbeitnehmer möglich sei. 57
dd) Vorrang bereits bestehender Tarifverträge Nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB tritt die individualrechtliche Fortgeltung nicht ein, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages geregelt werden. Bei im Zeitpunkt des Betriebsübergangs beiderseitiger Tarifbindung wird der bisher geltende Tarifvertrag durch den bei dem neuen Inhaber geltenden Tarifvertrag verdrängt. 58 Anders als bei den oben 59 beschriebenen Fällen handelt es sich hier um einen Fall beiderseitiger Tarifbindung, bei der eine Ablösung durch einen anderen Tarifvertrag erfolgt. Die Regelung des § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB spielt insbesondere bei Eingliederung eines Betriebes oder Betriebsteils in einen Betrieb des Erwerbers eine Rolle. 6 0 Allerdings tritt die Verdrängungswirkung nur ein, solange "Regelungsidentität"61 herrscht. Ist im neuen Tarifvertrag ein Regelungsbereich nicht enthalten, der im für den Veräußererbetrieb geltenden Tarifvertrag geregelt war, so gilt die Regelung des alten Tarifvertrages individualrechtlich weiter. 6 2 Ist ein Regelungsbereich des alten Tarifvertrages auch im neuen Tarifvertrag enthalten, so verdrängt letzterer den ursprünglichen Tarifvertrag auch dann, wenn er für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen enthält. 63 Günstigere Individualabreden gelten hingegen unverändert gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB weiter. 64
5 7
Wank, NZA 1987, 505 (510) m.w.Nachw.; zur Änderung der Regelungen zuungunsten der Arbeitnehmer vgl. ferner sogleich unten dd. 5 8
Voraussetzung für die Verdrängung des bisher geltenden Tarifvertrages ist, daß sowohl der Betriebsinhaber als auch der übernommene Arbeitnehmer tarifgebunden ist, Güssen, S. 98. 5 9
Unter aa.
6 0
Staudinger-Richardi,
§ 613 a Rdn. 172; Palandt-Putzo, § 613 a Anm. 4 c.
61
Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 110, Commandeur, S. 77; Röder, DB 1981, 1980 (1981); MK-Schaub, § 613 a Rdn. 139; Wank, NZA 1987, 505 (508) m.w.Nachw.; richtiger wäre es von der "Identität der Regelungsbereiche" zu sprechen, vgl. die nachfolgenden Erläuterungen. 62 Commandeur, S. 77; Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf S. 292; Wank, NZA 1987, 505 (508). 63 Gaul, Betriebsübergang, S. 143; Wank, a.a.O., S. 509; Staudinger-Richardi, a Rdn, 171.
§ 613
6 4 Wank, a.a.O. Für Außenseiter enthält das Gesetz keine Regelung; es liegt eine Regelungslücke vor, Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 173. Deshalb wird im Schrifttum überwiegend die Ansicht vertreten, § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB sei auf diese Fälle
314
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, daß nur wenige Fälle denkbar sind, in denen auf Arbeitnehmerseite Tarifgebundenheit bezüglich des beim Erwerber maßgeblichen Tarifvertrages besteht und dieser Tarifvertrag vom früher für die betroffenen Arbeitnehmer geltenden abweicht. Wenn bereits Tarifgebundenheit bestehe und der maßgebliche Tarifvertrag derselbe sei, dann gelte dieser ohnehin kollektivrechtlich weiter, so daß § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB nicht zur Anwendung kämen. 65 Bedeutsam ist § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB aber auch insoweit, als die Vorschrift zur Änderung oder Aufhebung tarifvertraglicher Inhaltsnormen durch eine Betriebsvereinbarung führen kann. 66 Betriebsvereinbarungen des Erwerberbetriebes können somit Tarifverträge ablösen, soweit Regelungsidentität besteht. Schwieriger gestaltet sich die Rechtslage bei der sogenannten inkongruent einseitigen Bindung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitnehmer an den neuen Tarifvertrag. 67 Eine einseitige inkongruente Tarifbindung des Arbeitgebers ist beispielsweise dann gegeben, wenn die Arbeitnehmer des übernommenen Betriebes Mitglieder der bisher zuständigen Gewerkschaft bleiben, während der Arbeitgeber Mitglied eines anderen Arbeitgeberverbandes ist. 6 8 Der Tarifvertrag des neuen Betriebes wirkt für diese Arbeitsverhältnisse wegen der fehlenden beiderseitigen Tarifbindung nicht, weshalb § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist. Dieses Problem soll nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht durch entsprechende Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB und der Möglichkeit der Änderungskündigung gelöst werden können. 69 Nach anderer Ansicht wird bei einseitiger Tarifbindung des Betriebsnachfolgers oder Arbeitnehmers das Kollektivrecht transformiert.70 Eine analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. analog anzuwenden, MK-Schaub, § 613 a Rdn. 145; Güssen, S. 105 ff; a.A. StaudingerRichardi, § 613 a Rdn. 173, 180 f, der durch ergänzende Vertragsauslegung letztlich ebenfalls zur Verdrängungswirkung gelangt. 65
Güssen, S. 98 f.
66
Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf S. 281 ff u. 293; Commandeur, S. 80; Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 110; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 95. 6 7
Vgl. hierzu Wank, NZA 1987,505 (509).
6 8
Zur einseitigen Tarifbindung von Arbeitnehmern kann es beispielsweise kommen, wenn der neue Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist, während die Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs Mitglied der nunmehr zuständigen Gewerkschaft werden. Zu den Fallkonstellationen im einzelnen vgl. Wank, NZA 1987, 505 (509); Gaul, Betriebsübergang, S. 161 f; Staudinger-Richardi, § 613 a Rdn. 179. 6 9 Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 110 f; Commandeur, S. 78; Röder, DB 1981,1980 (1982). 7 0
MK-Schaub, § 613 a Rdn. 136.
2. Auswirkungen auf Kollektiwereinbarungen
315
3 BGB könne jedenfalls nicht in Betracht kommen. Eine Lösungsmöglichkeit biete sich dadurch an, daß der nunmehr einschlägige Tarifvertrag nach § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB vereinbart werde. 71 Die analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB ist jedoch für diese Fälle nicht erforderlich. Eine Regelungslücke besteht nicht. Aus dem kollektivrechtlichen Prinzip der Tarifeinheit, wonach für jeden Betrieb im allgemeinen nur ein Tarifvertrag in Betracht kommt, 7 2 läßt sich nicht die Notwendigkeit einer Analogie herleiten. 73 Das Prinzip der Tarifeinheit ist nicht berührt, wenn im Erwerberbetrieb bei einzelnen Arbeitsverhältnissen Arbeitsbedingungen aus einem anderen Tarifvertrag individualrechüich fortgelten, da aus kollektivrechtlicher Sicht auch weiterhin nur eine Gewerkschaft im Betrieb des Erwerbers zuständig bleibt und auch nur ein Tarifvertrag güt. 7 4 Will der Erwerber eine Vereinheiüichung herstellen, so bleibt ihm der im Schrifttum vorgeschlagene Weg über §613 a Abs. I S . 4 BGB. 7 5
b) Betriebsvereinbarung
Für Betriebsvereinbarungen wurde vor der Novellierung des § 613 a BGB die Ansicht vertreten, daß der Erwerber infolge des Übergangs kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des früheren Inhabers eintrete und somit die Betriebsvereinbarung kollektivrechüich fortgelte. 76 Auch nach Inkrafttreten der § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB hat der überwiegende Teil des Schrifttums an dieser Auffassung festgehalten.77 Eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Betriebsvereinbarung komme in Betracht, solange der übergehende Betrieb nicht dadurch seine Betriebsidentität verliere, daß er in einen neuen Betrieb des Erwerbers eingegliedert oder mit diesem verschmolzen werde. In diesen letztgenannten Fällen gelte die alte Be-
71
Wank, NZA 1987, 505 (509); ebenso Staudinger-Richardi, Seiter, Betriebsinhaberwechsel S. 96. 7 2
Wiedemann/Stumpf,
7 3
So offenbar Röder, a.a.O.
7 4
So mit Recht Güssen, S. 98.
75
Wank, a.a.O.
§ 613 a Rdn. 179;
§ 4 Rdn. 162.
7 6
Vgl. hierzu die Nachw. bei Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf, S. 272 in Fußn. 4 u. 5. sowie Güssen, S. 7 in Fußn. 16. 7 7 Commandeur, S. 79; Güssen, S. 7 ff; Erman-Hanau, § 613 a Rdn. 79; Hanau/Vossen, a.a.O. S. 272 ff m.w.Nachw.; Jung, RdA 1981, 360 (362); MK-Schaub, § 613 a Rdn. 103.
316
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
triebsvereinbarung gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB auf individualrechtlicher Ebene fort, sofern sie nicht durch eine andere Kollektiwereinbarung des neuen Betriebes nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB abgelöst werde. Bleibe hingegen die Identität des übergehenden Betriebes erhalten, bleibe auch die Betriebsvereinbarung bestehen. Der Erhalt der Betriebsidentität sei immer dann gegeben, wenn der Erwerber, ohne bereits selbst einen Betrieb zu haben, den Betrieb als Ganzes erwerbe, oder wenn er den übergehenden Betrieb in seinem Unternehmen als selbständigen Betrieb weiterführe. Diese Lösung ergebe sich u.a. aus einer teleologischen Reduktion des § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB sowie aus Wertungen des BetrVG. Bestehe der Betriebsrat fort, dann sei es naheliegend und für den Erwerber zumutbar, vom Fortbestand der Betriebsvereinbarung auszugehen.78 Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, daß die Theorie von der kollektivrechüichen Fortgeltung der Betriebsvereinbarung im Gesetz keine Stütze finde. 79 Vielmehr sei davon auszugehen, daß Betriebsvereinbarungen ebenso wie Tarifverträge auf individualrechüicher Ebene fortgälten, 80 es sei denn, die Voraussetzungen seien gegeben, nach denen auch Tarifverträge kollektivrechtlich weitergälten. Zur kollektivrechüichen Fortgeltung müsse der Arbeitgeber eine bestehende Betriebsvereinbarung rechtsgeschäftlich übernehmen oder mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abschließen, die inhalüich mit der alten Betriebsvereinbarung übereinstimme.81 Die Mindermeinung, die die Theorie der kollektivrechtlichen Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen ablehnt, erscheint vorzugswürdig. Sie hat zunächst den Vorteil größerer Gesetzestreue. Darüber hinaus zeigt sich auch aus der Entstehungsgeschichte, daß sich der Gesetzgeber ausdrücklich für die individualrechtliche Fortgeltung und gegen eine kollektivrechtliche Lösung entschieden hat. 8 2 Es erscheint auch im Hinblick auf die Interessen der Beteüigten nicht unangemessen, wenn bei Betriebsübergang bezüglich der rechtlichen Behandlung der Betriebsvereinbarungen kein Unterschied zur Behandlung von Tarifverträgen gemacht wird. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es bei Betriebsübergang somit zur individualrechtlichen Fortgeltung der Betriebsvereinbarung nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB unabhängig davon, ob die Betriebsidentität oder der Betriebsrat erhalten bleibt. Etwas anderes gilt nur, wenn
7 8
Zur Begründung im einzelnen vgl. statt aller Güssen, S. 8 ff.
7 9
Wank, NZA 1987,505 (507).
8 0
Falkenberg, BB 1987, 328 (329); Schreiber, RdA 1982, 146; StaudingerRichardi, § 613 a Rdn. 164; Wank, a.a.O.; Wiesner, BB 1986, 1636.; wohl auch Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 91. 81
Wank, a.a.O.
82
Wank, a.a.O., 508.
3. Betriebsübergang und kollektivrechtlich geregelte Verbote
317
der Erwerber rechtsgeschäftlich die mit dem Veräußerer bestehende Betriebsvereinbarung übernimmt. In diesem Fall ergibt sich die kollektivrechtliche Fortgeltung der Betriebsvereinbarung aus § 77 BetrVG. Für den Fall, daß im Betrieb des Erwerbers bereits eine Betriebsvereinbarung besteht, verdrängt diese nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB die frühere Betriebsvereinbarung des übergehenden Betriebes, wenn dieser in den Erwerberberbetrieb übergeht oder mit diesem verschmolzen wird.
3. Auswirkungen des Übergangs auf Wettbewerbsverbote Für die Untersuchung der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die kollektivrechtlich geregelten Wettbewerbsverbote kann der soeben dargestellte Regelungsmechanismus des § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB nicht außer Betracht bleiben. Dabei verdient allerdings zunächst ein Aspekt hervorgehoben zu werden, der leicht als nur selbstverständlich in den Hintergrund gedrängt werden könnte: Auch bei kollektivrechtlich vereinbarten Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis tritt der Erwerber in die Arbeitgeberstellung ein. § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB regeln in erster Linie nicht die Frage, ob ein Arbeitgeberwechsel stattfindet. Daß ein Arbeitgeberwechsel stattfindet, wird in § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB vorausgesetzt und in § 613 a Abs. 1 S. 2, 2. Halbs, nochmals betont ("...so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer..."). § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB bestimmt somit, wie sich der Betriebsübergang auf kollektivrechtlich geregelte Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis auswirkt, wogegen die Tatsache, daß der Betriebsübergang einen Arbeitgeberwechsel zur Folge hat, bereits § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB entnommen werden kann. Entsprechendes gilt für kollektivrechtlich geregelte nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Auch hier ist zunächst davon auszugehen, daß bei bestehendem Arbeitsverhältnis der neue Inhaber in die Gläubigerstellung aus der Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung eintritt. Wie sich der Betriebsübergang auf die kollektivrechtlich bestimmte konkrete Ausgestaltung der Wettbewerbsabrede (sowie auf die sachliche Reichweite des Wettbewerbsverbots) auswirkt, ist eine andere, hiervon zu trennende Frage. Auch bei Wettbewerbsverboten, die kollektivrechtlich beeinflußt sind, muß unterschieden werden zwischen den Auswirkungen des Übergangs auf den vertraglichen Inhalt und den Auswirkungen auf die sachliche und tatsächliche Reichweite des Verbots. Des weiteren muß unterschieden werden zwischen den Auswirkungen auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis und den Auswirkungen auf die Wettbewerbsverbote der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer.
318
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen a) Auswirkungen bei bestehendem Arbeitsverhältnis
aa) Vertragliche Ausgestaltung Bei Wettbewerbsverboten, die kollektivrechtlich beeinflußt sind, sind hinsichtlich der vertragsinhaltlichen Gestaltung die für den Betriebsübergang für Kollektivverträge geltenden allgemein bestehenden Regeln maßgeblich. Es ist allgemein unbestritten, daß die Regelungen des § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB sich auf bestehende Arbeitsverhältnisse beziehen. Es können somit die oben gewonnenen Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf kollektivrechtlich geregelte Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf die kollektivrechtlich geregelten Wettbewerbsverbote übertragen werden. So kann beispielsweise der Fall eintreten, daß ein Tarifvertrag, der Bestimmungen über Wettbewerbsverbote enthält, unter den allgemeinen, oben dargestellten Voraussetzungen kollektivrechtlich weitergilt. Tritt der Erwerber beispielsweise auf rechtsgeschäftlichem Wege in den Tarifvertrag ein, so gelten die das Wettbewerbsverbot betreffenden Bestimmungen des Tarifvertrages kollektivrechtlich fort. Entsprechend werden die kollektivrechüichen Bestimmungen, die sich auf das Wettbewerbsverbot beziehen, in das Individualrecht transformiert, wenn der Erwerber nicht tarifgebunden ist. Diese Wirkung kann eintreten, weil es sich auch bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten um Inhaltsnormen handelt, 83 die transformiert werden können. Wurden mit dem Veräußerer abweichend vom Tarifvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Wettbewerbsbedingungen vereinbart, so muß der Erwerber sich diese entgegenhalten lassen. Wurde bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern lediglich auf einen Tarifvertrag Bezug genommen, so tritt der Erwerber in die für das Wettbewerbsverbot geltenden Bestimmungen bereits nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ein. Die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote bestimmen sich insoweit nach den bereits oben dargestellten allgemeinen Ausführungen zum individualrechtlich vereinbarten Wettbewerbsverbot. Bei beiderseitiger Tarifgebundenheit kann ein Tarifvertrag oder sogar eine Betriebsvereinbarung des Erwerbers, die Regelungen über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthält, die beim Veräußerer bestehenden Regelungen ablösen. Es gilt das Prinzip der "Regelungsidentität". Dies kann auch zur Folge haben, daß der Betriebsübergang sich für den Arbeitnehmer ungünstiger auswirkt, wenn die im Erwerberbetrieb geltenden Regelungen nachteiliger ausgestaltet sind als im Veräußerbetrieb. Das "Günstigkeitsprinzip" gilt insoweit nicht. Insbesondere im Fall der eingliedernden Betriebsübernahme wäre denk8 3
Vgl. oben S. 3(M.
3. Betriebsübergang und kollektivrechtlich geregelte Verbote
319
bar, daß der Betriebsübergang ungünstige Folgen für den Arbeitnehmer zeitigt, beispielsweise dann, wenn im Erwerberbetrieb erne ungünstigere Betriebsvereinbarung besteht, die einen vor Betriebsübergang beim Veräußerer geltenden günstigeren Tarifvertrag ablöst. Bei nur (inkongruent) einseitiger Tarifbindung gelten die kollektivrechtlichen Bestimmungen über das Wettbewerbsverbot, die vor Betriebsübergang bestanden, nach Betriebsübergang individualrechtlich fort, wobei die Möglichkeit einer vorzeitigen Ablösung nach § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB besteht.
bb) Auswirkungen auf die Reichweite des Wettbewerbsverbots Das BAG hatte in den beiden Entscheidungen, in denen es sich zur Tarifdispositivität der §§ 74 ff HGB geäußert hatte, hervorgehoben, daß bestimmte unabänderliche Grundsätze, wie etwa der Grundsatz der zeitlichen, räumlichen und sachlichen Begrenzung des Wettbewerbsverbots, nicht angetastet werden dürften. Zur "sachlichen Begrenzung" des Wettbewerbsverbots muß auch die Beschränkung der Reichweite des Wettbewerbsverbots in bezug auf das berechtigte geschäftliche Interesse und das Verbot der unbilligen Fortkommenserschwerung gerechnet werden. Daraus folgt, daß durch eine kollektivrechtliche Bestimmung diese Grenzen nicht in der Weise starr festgelegt werden können, daß auf das geschäftliche Interesse des jeweüigen Betriebes keine Rücksicht zu nehmen ist. Vielmehr muß auch dann das Geschäftsinteresse des jeweiligen Betriebes berücksichtigt werden, wenn auf diesen kollektivrechtliche Regelungen der Wettbewerbsverbote Anwendung finden. Für den Umfang des Wettbewerbsverbots, das kollektivrechtlich bestimmt ist, ist somit derselbe Maßstab entscheidend, der bei einem lediglich auf individualrechtlicher Ebene vereinbarten Wettbewerbsverbot gilt. Erweiterungen und Einschränkungen des kollektivrechüich bestimmten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots können deshalb eintreten, wenn ein anderer Arbeitgeber mit veränderter Geschäftstätigkeit in ein bestehendes Arbeitsverhältnis infolge des Betriebsübergangs eintritt. Die für die Reichweite zum einzelvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot dargestellten Ausführungen gelten für kollektivrechüich bestimmte Wettbewerbsverbote entsprechend.
b) Auswirkungen bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern
§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB kann nach seinem Wortlaut nur auf Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis angewendet werden. Diese Einschränkung gilt auch, soweit die Rechte und Pflichten auf kollektiver Ebene
320
III. Teil, Abschn. E.: Wettbewerbsverbote in Kollektiwereinbarungen
geregelt sind. 84 Die komplizierte Regelmaterie der Sätze 2 - 4 des § 613 a Abs. 1 BGB ist bei wörtlicher Auslegung demnach nur so lange anwendbar, wie ein Arbeitnehmer noch nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Im Schrifttum wird dies bestätigt; beispielsweise hebt Bauer hervor, daß "nach dem ausdrücklichen und eindeutigen Wortlaut des § 613 a Abs. 1 S. 1 und 2 ,f ..."sich die individualrechtliche Fortgeltung nur auf Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen" beziehe. 85 Es stellt sich die Frage, wie sich der Betriebsübergang auf kollektivrechtlich geregelte Wettbewerbsverbote ausgeschiedener Arbeitnehmer auswirkt. Zunächst ist davon auszugehen, daß der Betriebsübergang analog § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB einen Wechsel des Vertragspartners auch hinsichüich des kollektivrechüich geregelten Wettbewerbsverbots zur Folge hat. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat sich das Wettbewerbsverbot von einem Bestandteü des Arbeitsvertrages in einen selbständigen Vertrag gewandelt 8 6 Der Erwerber kann somit ab dem Zeitpunkt des Übergangs Wettbewerbsenthaltung verlangen, soweit bei ihm die Voraussetzungen, wie beispielsweise das berechtigte geschäftliche Interesse, im einzelnen vorliegen. Fraglich ist jedoch, ob bei kollektivrechtlich geregelten Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer ein § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB entsprechender Ausgleich zwischen dem Bestandsschutzintersse des Arbeitnehmers und dem Gedanken der Tarifeinheit beim Arbeitgeber gefunden werden muß. Die Antwort auf diese Frage hängt unter anderem von der Vorfrage ab, ob kollektivrechtliche Regelungen, die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses entstehen, noch das Rechtsverhältnis ausgeschiedener Arbeitnehmer beeinflussen können. Nur dann könnten beim Erwerber geltende kollektive Normen sich auf das Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer auswirken. Eine kollektive Normsetzungsbefugnis, die auf das Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer einwirken könnte, muß jedoch verneint werden. Kollektivrechüich geregelte Wettbewerbsverbote bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer werden ab Beginn der Karenzzeit von Änderungen der Kollektivvereinbarungen nicht mehr berührt. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist die sachliche Voraussetzung für die Ausübung von Tarifinacht. 87 Dies güt auch für
8 4 § 613 a Abs. 1 S. 2 bezieht sich ausdrücklich auf "diese", in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angesprochenen Rechte und Pflichten. 85
Bauer, Unternehmensveräußerung, S. 109.
8 6
Grunsky, FS-Söllner 41 (43).
87
Richardi, Kollektivgewalt S. 437; Misera, S. 33. Dagegen wäre die Frage der Tarifbindung (als persönliche Voraussetzung) nicht betroffen, da diese von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird, WiedemannlStumpf § 3 Rdn. 27.
3. Betriebsübergang und kollektivrechtlich geregelte Verbote
321
Betriebsvereinbarungen.88 Nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis kann nicht mehr auf kollektivrechtlicher Basis auf bereits entstandene subjektive Rechte eingewirkt werden. 89 Damit zeigt sich, daß bei Wettbewerbsverboten ausgeschiedener Arbeitnehmer kein Ausgleich der Interessen nach § 613 a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB vorgenommen werden kann.
8 8 8 9
BAGE 3, 1 ff; BAG NZA 1989, 522 ff.
Nikisch, Band 2 S. 293 m.w.Nachw., der ausdrücklich die Änderung von Versorgungsansprüchen ablehnt, da diese bereits in der Person des Arbeitnehmers erwachsen seien; Richardi, Kollektivgewalt, S. 439 m.w.Nachw; a. A. Schwerdtner, ZfA 1975, 171 ff.
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Die
Überleitung
des
Arbeitsverhältnisses
im
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