Die aumundsche Reform der technischen Hochschulen: Eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft 9783486746464, 9783486746457


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German Pages 18 [20] Year 1921

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Table of contents :
I. Zur Entwickelungsgeschichte der Reform
II. Das Problem der Wirtschaft, der Technik und ihre Schule
III. "Was bedeutet die Aumundsche Reform im Rahmen der vorangegangenen Betrachtung?
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Die aumundsche Reform der technischen Hochschulen: Eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft
 9783486746464, 9783486746457

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DIB AUMTJNDSCHE BEFORM DER TECHNISCHEN HOCHSCHULEN EINE GEFAHR FÜR DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT VON

PROF. DJL-ING. JULIUS SCHENK BRESLAU

MÜNCHEN UND BERLIN 1921 DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG

Alle Rechte, einsehliefilich des Überaetzungsreohtes, vorbehalten Copyright 1921 by R. Oldenbourg, München

I. Zur Entwickelungsgeschichte der Reform. Professor Aumund, Referent im Ministerium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung, hat eine Denkschrift über die Reform der Technischen Hochschulen ausgearbeitet. Der Verfasser hat die Denkschrift als eine Zusammenfassung mannigfacher Anregungen von den verschiedensten Seiten und eigener Erwägungen gedacht und will damit hauptsächlich eine Grundlage für Erörterungen in den weitesten Kreisen über den Aufbau der Reform schaffen. Als einer der ersten trat ich in diese Erörterung ein. Ich veröffentlichte Anfang März die Schrift: »Die Technischen Hochschulen am Scheidewege.« Zu Ostern versandte dann der Vorstand des V. D. I. 1 ) an »besonders sachverständige Männer« die Denkschrift Professor Aumunds und lud zu einer Besprechung in Kassel sehr kurzfristig ein. In einem Begleitschreiben wurde mitgeteilt, daß die Denkschrift besondere Bedeutung habe, »weil sie vom Ministerium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung der von ihm angestrebten Reform der Technischen Hochschulen zugrunde gelegt ist«. Weiter teilt das Begleitschreiben mit, daß die Denkschrift im wesentlichen die vom V. D. I. und vom Ausschuß für Technisches Schulwesen, der mit dem V. D. I. eng verbunden ist, vertretenen Gesichtspunkte und Auffassungen enthält. loh konnte der Einladung nicht Folge leisten, da mich andere Vereinbarungen verpflichteten, sandte aber an den Vorstand des V. D. I. meine Abhandlung: »Die Technischen Hochschulen am Scheidewege« und erbot mich, weitere Exemplare rechtzeitig für die Tagung zur Verfügung zu stellen. Von dem Angebote wurde kein Gebrauch gemacht. Unter der Überschrift: »Stellung des Vorstandes des V. D. I. zur Denkschrift Professor Aumunds«wurde am 16. April folgendes bekanntgegeben: »Der Vorstand des V. D. I. hat in seiner Sitzung vom 10. April 1921 in Kassel zusammen mit Vertretern der Praxis und der Hoch*) Verein deutscher Ingenieure. 1

4 schulen die Denkschrift eingehend beraten. Allgemein kann gesagt werden : Die vorgeschlagene Hochschule für Technik und Wirtschaft verwirklicht in sehr weitgehendem Umfange die Forderung des Ausschusses für Technisches Schulwesen, welche nach jahrelanger Beratung der maßgebenden Kreise der technischen Wissenschaften und der Industrie am 7. Dezember 1913 angenommen wurde. Insbesondere ist anzuerkennen, daß in erster Linie die weitere Entwicklung und Vertiefung des Fachunterrichtes berücksichtigt worden ist. Es ist nur zu wünschen, daß jetzt die Verwirklichung dieser Vorschläge nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.« Im nachfolgenden werden einige bedeutsame Punkte als Ergebnis der Beratung kurz zusammengefaßt. Die Anführung dieser Punkte unterlasse ich, sie können in der Zeitschrift des V. D. I. nachgelesen werden. Auf meine besondere Anfrage beim Vorstand des V. D. I. über die Beurteilung meiner in der genannten Schrift gemachten Vorschläge erhielt ich die Mitteilung, daß eine Äußerung darüber nicht zum Ausdruck gebracht wurde. Der Vorstand des V. D. I. hat demnach nur von den im Jahre 1913 festgesetzten Forderungen aus die Aumundsche Arbeit betrachtet und hat für seine Stellungnahme keinen Standpunkt gewählt, der die Denkschrift im Rahmen der ganzen Reformbewegung völlig überschauen und beurteilen läßt. Der Vorstand des V. D. I.'hat eigentlich nur die Übereinstimmung seiner Forderung mit denen des Ausschusses für Technisches Schulwesen, die er bereits vorher bekanntgegeben hatte, in besonders »eingehender« Beratung unter Heranziehung sachverständiger Männer noch einmal festgestellt. Dieses Vorgehen wäre nur dann einwandfrei, wenn die Forderungen bzw. Leitsätze des Ausschusses für Technisches Schulwesen und des V. D. I. eine unumstößliche Wahrheit über Hochschulreform wären, so daß man nur noch eine lückenlose Übereinstimmung mit Professor Aumunds Maßnahmen festzustellen hätte. Diese Voraussetzung trifft aber für die Leitsätze ganz gewiß nicht zu. Ich habe nach meiner Berufung aus der Praxis im Sommer des Jahres 1911 gerade noch den Abschlußsitzungen des Ausschusses für •Technisches Schulwesen als Vertreter der Breslauer Technischen Hochschule beiwohnen können und habe dabei durchaus nicht den Eindruck gewonnen, daß die Vertreter der Hochschulen noch irgendwelchen nennenswerten Einfluß auf die vorgetragenen Grundsätze hatten. Entscheidend aber für meine Beurteilung der Leitsätze des Ausschusses für Technisches Schulwesen wurde die Erfahrung, daß dem Lehrer,

5 der aus den Leitsätzen Nutzanwendungen für den Unterricht ziehen wollte, nichts geboten wurde als eine Menge zum Teil guter Gedanken, die sich aber oft widersprachen, da ein innerer Zusammenhang und die Einheit fehlte. Der Weg, durch einen Ausschuß ohne weiteres eine Reform aufzustellen, ist eben falsch; richtig allein ist es, verschiedene geeignete Hochschullehrer mit dem Entwürfe eines Reformvorschlages zu betrauen, z. B. in Form einer Konkurrenz, und dann aus den Arbeiten' unter sachlicher Prüfung die erfolgversprechende zu wählen. So aber blieb dem Lehrer, der es mit der Besserung des Unterrichts ernst nahm, nichts übrig, als selbst das Problem in Angriff zu nehmen und eine Lösung zu versuchen. Ich habe mich der Reformarbeit gewidmet und durch vier größere Abhandlungen und mehrere kleinere meine Gedanken der Öffentlichkeit übermittelt. Der Ausschuß für Technisches Schulwesen hat auf diese Arbeiten nicht geachtet, und der mit ihm eng verbundene V. D. I., oder richtiger die Direktoren des V. D. I., haben trotz wiederholter Anträge auf Veröffentlichung meiner Aufsätze und meiner Erwiderungen in den Zeitschriften des Vereins ablehnend oder mit Ausflüchten geantwortet. In meiner letzten Schrift: »Die Technischen Hochschulen am Scheidewege« mache ich gegen die Maßnahmen Professor Aumunds sehr ernste Bedenken geltend, der Vorstand des V. D. I. nimmt aber in seiner Beratung über die Aumundsche Reform ohne Gegenäußerung davon Kenntnis. Dieses Schweigen ist ein Zeichen der Schwäche. Es steht zwar mit dem bisherigen Verhalten im Einklang, beweist aber offenbar, daß man einer sachlichen Abwägung der gegen die Aumundsche Reform sprechenden sehr gewichtigen Bedenken aus dem Wege gehen will. Am besten und sichersten verteidigt sich doch eine Idee, eine Reform durch ihre inneren Gründe. Meinen Gegnern — bei solchem Verhalten ist diese Bezeichnung berechtigt — ist schwer beizukommen, aber nicht etwa deshalb, weil sie" einwandfreie Vorschläge herausbringen, sondern weil sie es vermeiden, in sachlicher Beziehung erschöpfend zu sein, weil sie die Reform nicht von innen aus in Angriff nehmen, nicht an der Wurzel fassen, sondern lediglich mit äußeren Gründen operieren. Die Stärke meiner Gegner beruht auf der Teilnahmslosigkeit vieler Ingenieure und Hochschullehrer gegenüber diesen ungemein wichtigen Fragen und auf ihrem Einfluß in den für die Durchführung der Reform maßgebenden Kreisen. l*

6 Meine Gegner wollen eine Hochschule der Technik und Wirtschaft gründen. Bei einer so folgenschweren Reform müssen alle dafür und dagegen Sprechenden Gründe und namentlich letztere eingehend geprüft, nach ihrer inneren oder äußeren Wertigkeit gegeneinander abgewogen werden. Denn die inneren Gründe fallen schwerer in die Wagschale als äußerliche, hängen sie doch mit den wichtigsten Fragen des menschlichen Lebens, mit den Kulturfragen, zusammen. Technik und Wirtschaft sind nicht selbstherrlich, sondern müssen bei aller Selbständigkeit und Eigenart der Kultur dienen, und eine Kulturstätte muß vor allem die Hochschule sein. Dieser wichtige Grundgedanke wird von den Gegnern völlig außer acht gelassen. Darum gehen sie auch auf die tiefsten Grundgedanken der Reform nicht ein, darum geben sie auch keine Aufklärung über das Wesen der Wirtschaft, der Technik und vermeiden es beharrlich, trotzdem es sich um die Schaffung einer Hochschule handelt, die hierbei so wichtige pädagogische und kulturelle Seite der ganzen Reformfrage hell zu beleuchten. Nur vereinzelt tritt der eine oder der andere Wortführer der Gegner aus der Unbestimmtheit heraus und läßt sich in sachliche Auseinandersetzung ein, z. B. Professor Schilling in seinem Aufsatz in der Zeitschrift des V. D. I. 1920, Heft 7, auf dessen Ausführungen ich in meinen Schriften: »Zur Reform des Unterrichts des Maschinenbauwesens an den Technischen Hochschulen« und »Die Technischen Hochschulen am Scheidewege«, Verlag R. Oldenbourg, München, erwiderte. Ich glaube der Reform einen sehr wichtigen Dienst zu erweisen, wenn ich immer wieder auf diese ihre innere Seite, auf die Notwendigkeit hinweise, ihr eine Seele zu geben. Ich will deshalb noch einmal eine kurze zusammenfassende Darstellung des ganzen Problems der Wirtschaft, der Technik und ihrer Schule geben und in diesem Rahmen die Aumundsche Denkschrift betrachten.

II. Das Problem der "Wirtschaft, der Technik und ihre Schule. Die Ursache der Arbeit liegt in den Lebensbedürfnissen, und sie bezieht sich zunächst auf das Schaffen von Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen für die Lebensführung. Die Arbeit, welche auf dem einzelnen lastete, als er seine Lebensbedürfnisse allein befriedigen mußte, wurde durch Teilung nach Erzeugnissen und durch nachfolgenden Austausch vereinfacht. Es entstand eine Gemeinarbeit. Sie wirkte befreiend auf die Menschen und war eine wichtige Kulturtat; sie ist auch die erste Rationalisierung der produktiven Arbeit, und es gebührt ihr voll die Bezeichnung » W i r t s c h a f t « . Diese Gemeinarbeit bewirkte allmählich eine Besserung der Qualität der Erzeugnisse und damit eine Hebung der Lebensansprüche, sie erfuhr eine Ausdehnung auf solche Arbeiten, die nicht direkt mit produktivem Schaffen von Nutzund Gebrauchsgegenständen für die Lebensführung zusammenhängt, z. B. Verwaltungs-, Ordnungsarbeiten, sie brachte die Einführung eines Austauschmittels, des Geldes, und das Entstehen des Handels. Durch Weiterbildung, durch Ausbau entstand der heutige Wirtschaftsorganismus. Der Kern der Gemeinarbeit, der Wirtschaft aber blieb die schöpferisch produktive Arbeit, wie wir sie in der Tätigkeit des Bauern, des Handwerkers in einfachster Form vor uns haben. Schöpferisches Schaffen füreinander, als Gemeinarbeit, ist die Brücke, die uns zu unserm Mitmenschen führt. Jm schöpferischen Schaffen erleben wir am eindringlichsten die Bedingungen für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Menschen, wir erfahren das Bestehen der Interessen anderer, lernen sie achten und ausgleichen durch gleichmäßige Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten. Jeder wahrhaft Schaffende kann nicht anders, als in seine Erzeugnisse den besten Wert, seinen Persönlichkeitswert, hineinlegen, und darum erwartet er, daß auch die andern, von denen er Erzeugnisse im Austausch entgegennimmt, das gleiche tun. Er dient den anderen bestmöglichst

8 um sich selbst so zu dienen, um aus solohem Dienst an anderen, an der Gemeinschaft Bereicherung des inneren Menschen und äußere Gewinne zugleich zu erzielen. Schöpferisch produktive Arbeit ist somit eine den Menschen in allen seinen geistigen und sittlichen Fälligkeiten erfassende und fördernde Tätigkeit. In der den Menschen zur Bestleistung anspornenden Eigenarbeit liegen die Quellen der Persönlichkeit (Handwerkertum im Mittelalter). Aus dem Handwerk hat Bich dann durch Erweiterung des Umfanges und durch geistige Vervollkommnung schöpferischer Arbeit die T e c h n i k entwickelt, und diese hat demnach die gleiche, im Hinblick auf ihre Hochwertigkeit sogar erhöhte kulturelle und wirtschaftsmäßige Bedeutung, wie das Handwerk, wie die Arbeit des Bauern. — Diese aus der gesunden Selbsterhaltung entspringende gegenseitige Hilfeleistung wird wesentlich beeinflußt durch einen menschlichen Trieb: nämlich durch die Selbstsucht. Zwar bleiben auch unter dem Einfluß der Selbstsucht die Lebensbedürfnisse Ursache der Arbeit, ebenso ist die Teilung der Arbeit ganz im Sinne der Selbstsucht. Die Art der Arbeitsteilung aber wird durch die Selbstsucht völlig verändert. Die Selbstsucht will die Arbeit stets so teilen, daß auf ihre Seite der angenehmere, leichtere, bessere, der mehr gewinnbringende Teil, der Vorteil fällt. Die Tendenz zu solch einseitiger Bereicherung gehört zum Wesen der Selbstsucht und scheint immer mehr den größten Einfluß auf das Wirtschaftsleben zu gewinnen. Ist die Wirtschaft ohne Selbstsucht ein segensreiches System, das allen dient, ein Kulturfaktor von größter Bedeutung, so kann sie unter dem Einfluß der Selbstsucht für die Mehrzahl der Menschen zur Qual werden, und die Wirtschaft hat dann nur noch zivilisatorischen Wert, während ihr Kulturwert verlorengeht. Die Selbstsucht braucht Arbeitssklaven, sie lebt von anderen, und sie ist darum der Feind des wahren Menschentums bei anderen, der Feind der Kultur. Um die für sie vorteilhafteste Arbeitsteilung zu erreichen, scheut sie kein Mittel: List, Gewalt, selbst Verbrechen müssen ihr dienen. Die Selbstsucht ist in der Regel kurzsichtig, da sie aus Übersorge um die ihr nächstliegenden Interessen, befangen in ihrer Engheit, oft den Blick in die Weite zu richten versäumt. Beim Zusammenbruche ihrer Machenschaften infolge ihrer Kurzsichtigkeit versteht sie es allerdings meisterhaft, sich dem Verhängnisse zu entziehen und ihren Opfern die verderblichen Folgen ihrer Handlungen zu überlassen. Die Selbstsucht entfaltet ihre ganze Gefährlichkeit, wenn sie planmäßig organisiert zur Wirkung kommt, im Einzelfalle ist sie oft nur ein Teil jener Macht, die stets das Böse will und doch nur Gutes schafft. — Wie ich oben gezeigt

9 habe, hat die Weiterentwicklung der Wirtschaft zur Einschaltung des Geldes als Austauschmittel geführt und dadurch eine ungeheuere Erleichterung des wirtschaftlichen Verkehrs gebracht; die menschliche Selbstsucht hat aber das Geld über diesen ursprünglichen Zweck hinausgehoben und zum Angelpunkt der Wirtschaftsbewegung gemacht. Um die Bedeutung des Geldes im modernen Wirtschaftsleben darzulegen, greife ich zu einem der Energetik Ostwalds entnommenen Bilde. Das Weltall durchflutet die Sonnenenergie, sie ist die Ursache der Entfaltung des organischen Lebens, unserer Nahrung und unserer damit zusammenhängenden körperlichen und geistigen Arbeit. Geld ist demnach gleichsam im energetischen Ablaufe des Erdengeschehens potentielle Energie. Jederzeit kann Geld durch Kauf von Kohle, Nahrung, Arbeit usw. in Energie und umgekehrt Energie in Geld umgewandelt werden. Es gibt aber bei der Bewertung des Geldes noch Unterschiede; ein Hundertmarkschein stellt potentielle Energie dar, dagegen ist zinstragendes Geld, wie wir es z. B. auf der Bank kaufen können, mehr als potentielle Energie. Zinstragendes Geld vermag Energie auszustrahlen, ohne daß es an Energie verliert, es ist energetisch, ein Perpetuum mobile. Das Perpetuum mobile, nach dem auf dem Gebiete der Natur immer noch Tausende vergeblich jagen, ist also im Wirtschaftsleben vorhanden; das zinstragende Geld ist f ü r s e i n e n B e s i t z e r unleugbar ein solches. In der Eigenschaft des Zinstragens des Geldes liegt hauptsächlich der meist unbewußte, unwiderstehliche Zauber des Geldes. Die Erscheinung steht zum energetischen Prinzip der Erhaltung der Energie, dem alles Erdengeschehen unterliegt, durchaus nicht im Widerspruche. Das zinstragende Geld ist ein Perpetuum mobile für den einzelnen, nicht für die Allgemeinheit; seine Wirkung ist relativ, auch in der Natur gibt es solche Perpetua mobilia. Der Elektromotor z. B., der mechanische Arbeit abgibt, ist in bezug auf die mechanische Arbeit ein relatives Perpetuum mobile. Der Sachkundige weiß, daß für den Elektromotor eine andere Energieumwandlungsstelle Vorbedingung ist, und eine solche Vorbedingung besteht auch für das zinstragende Geld, nämlich das produktive Schaffen. Der Unterschied beider Erscheinungen im Wirtschaftsleben und in der Natur ist der, daß in der Energiewirtschaft der Natur das Relative, weil es nur eine Seite der Wirkung ist, keine Bedeutung hat; im Wirtschaftsleben dagegen sehr wohl. Die Selbstsucht kennt nur das Relative, sie hat ja das zinstragende Geld geschaffen. Aristoteles lehrte: es sei unnatürlich, daß Geld Geld gebäre. Heutzutage wird es niemand mehr verstehen können, wenn jemand

10 Geld, ohne Zinsen zu nehmen, ausleihen würde. Das Zinsennehmen ist allgemein Sitte, es ist Recht geworden. Es liegt mir auch völlig fern, gegen das Zinsennehmen anzukämpfen, ich erkenne die Vorteile, die es dem Wirtschaftsleben bringt, voll an. Die Flüssigkeit des Geldes und die damit zusammenhängende Freiheit des Schaffens verdanken wir hauptsächlich dem Zinse, der für das ausgeliehene Geld gefordert werden kann. Die Selbstsucht, welche früher Geld anhäufte und das Schaffen lahmlegte, wurde wieder durch Selbstsucht besiegt. Für die Wirtschaft ist die Eigenschaft des Zinstragens, die dem Gelde den Charakter einer »Überenergie« gibt, richtunggebend. Durch den überwiegenden Wert eines Gutes im Austausch der Güter muß der Schwerpunkt der ganzen Wirtschaft sich einseitig verschieben. Der Kaufmann, der Geldmann rechnet nur mit zinstragendem Gelde, Geld ohne Zins ist für ihn »totes Kapital«, und es ist ganz selbstverständlich, daß planmäßiger rationeller Gütererwerb das zinstragende Geld als das wirksamste Mittel betrachtet und sich seiner hauptsächlich bedient. U n s e r e m o d e r n e W i r t s c h a f t i s t a l s o i m G r u n d e i h r e s W e s e n s W i r t s c h a f t des z i n s t r a g e n d e n G e l d e s . Die Geldleute haben selbstverständlich erkannt, daß schaffende Arbeit die Voraussetzung für das zinstragende Geld ist, und daher ihr Bestreben, neue Unternehmungen zu gründen und die Produktion zu heben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Selbstsüchtig und volksfeindlich aber wird solches Vorgehen, wenn z. B. »gegründet« wird, um mit Gründungen zu spekulieren. Max Eyth schreibt in »Wort und Werkzeug«: Die Technik, wird gesagt und häufig genug auch geglaubt, führe die Menschheit dem Materialismus in die Arme. Als ob die A r b e i t den Menschen jemals materialistischer gemacht hätte, als er seiner Natur nach ist und sein darf. Der Müßiggang tut dies, der Genuß, das Spekulieren und Spintisieren. Bei Errichtung einer Hochschule der Wirtschaft durch den Staat ist vor allem zu beobachten, welche Form der Wirtschaft der Lehre zugrunde gelegt wird, um der Wirtschaft als Ganzem, dem Gemeinwohl des Volkes zu dienen. Es gibt hier nur einen Weg, nämlich den der natürlichen Entwickelung, und dieser weist die schöpferisch produktive Arbeit, die einfachste Form der Wirtschaft als Ausgangspunkt für die Lehre an. Bei solchem Aufbau der Lehre kommt die Pädagogik ganz von selbst zur Geltung, denn die schöpferische Arbeit allein erfaßt den Menschen in allen Fähigkeiten und gestaltet diese heraus, sie bildet und stärkt infolge der Mühen positiver Eigenarbeit jene Fähigkeiten,

Ii die das Fundament der Persönlichkeit sind, und prägt endlich als unumstößliche Gewißheit die Erkenntnis ein, daß man nur durch Gemeinsinn, durch soziale Sittlichkeit sich selbst in Wahrheit dienen kann. Die Hochschule der Wirtschaft hat aber nicht allein die Aufgabe, Wirtschaft zu lehren, sie soll die Wirtschaft im kulturellen Sinne beeinflussen. Ein Mittel hierzu ist z. B. die für die Wirtschaftsberufsstände heranzubildende Jugend. Weiter soll die Hochschule den wertvollsten Schatz des Volkes, der alle Schätze der Erde übertrifft, nämlich die schöpferische Kraft, wecken und entwickeln, denn sie entscheidet letzten Endes die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Volkes. Diese beiden weiteren Aufgaben erfüllt auch der entwickelungsgemäße Aufbau der Wirtschaftslehre in geradezu vollkommener Weise, denn es decken sich ihre Forderungen mit den Grundeigenschaften schöpferischer Arbeit. Die vierte Aufgäbe der Wirtschaftshochschule endlich ist die Lehre und Pflege der erweiterten, ausgebauten, jetzigen Wirtschaftsformen. Für ihre Durchführung muß die Erledigung der ersten drei Aufgaben als Vorbedingung gefordert werden.

III. "Was bedeutet die Aumundsehe Reform im Rahmen der vorangegangenen Betrachtung? Für die Anhänger der Aumundschen Reform ist der Ausgangspunkt der Wirtschaftslehre die Privatwirtschaft. (Wirtschaft des Einzelunternehmens, insbesondere für Massenfabrikation.) Professor Aumund und seine Mitarbeiter beachten bei Aufstellung ihrer Reform nicht den Entwickelungsgang der Wirtschaft und verstoßen damit gegen eine Forderung, die unerläßlich ist für eine mit dem Menschen so eng verbundene Materie. Die Folgen dieses Fehlers treten rasch zutage. Die für das Verständnis des Ganzen vor allem notwendige Erklärung des allgemeines Begriffes der Wirtschaft vermögen sie nicht zu geben, und ihr Versuch, die Beziehung von Wirtschaft und Technik darzulegen, zeigt bereits deutlich, daß die Reform sich in verkehrter Richtung bewegt. Für die Aumundsehe Gruppe ist Technik ein Werkzeug der Wirtschaft, ebenso wie sie dem Unternehmer erscheint, der den Gelderwerb als Zweck seines Unternehmens betrachtet, der nur seine Interessen als maßgebend anerkennt und der in der Produktion nur ein Mittel zu diesem Zweck sieht, während bei der entwickelungsgemäßen Betrachtung der Wirtschaft Technik sich als produktives Schaffen, als lebendige Arbeit, als Zelle der Wirtschaft erweist, in der es neben dem Geldgewinn auch ganz besonders auf Güte des Erzeugnisses ankommt. Es sind dies zwei unüberbrückbare Gegensätze, die beide in ihren Folgerungen und Wirkungen von unabsehbarer Tragweite werden, zumal wenn sie die Grundlage einer Wirtschaftslehre der Schule bilden sollen. Die zuerst gekennzeichnete Lehre von der Wirtschaft wirkt einseitig, irreführend, sie verkennt die produktive Arbeit, und sie ist geeignet, schwere Schädigungen im Wirtschaftsleben herbeizuführen. Im zweiten Falle wird die Lehre zu einem organischen Gefüge, das alle pädagogischen und wirtschaftlichen Bedingungen erfüllt, die Richtung zu einer gesunden Entwickelung des Wirtschaftslebens gibt und dadurch kulturfördernd wird.

13 Die herrschende Geldwirtschaft sieht in der Vermehrung, Vervollkommnung des produktiven Schaffens — ihres W e r k z e u g e s — die einzige Möglichkeit für ihren weiteren Bestand, und sie glaubt nun in der Organisation von Massenproduktion ihn für immer gesichert zu haben. Daher ist ihre Parole: Förderung der MassenproduktionI Da die Großwirtschaft die Bedeutung der Schule sehr wohl erkennt, so sucht sie diese für ihre Bestrebungen zu gewinnen. Die eigentliche Reformbewegung wurde als »unpraktisch« unterdrückt und an ihre Stelle eine Reform, gesetzt mit Maßnahmen im Interesse der Koalition aus Geld und Massenproduktion. Diese ganze Überlegung wäre unstreitig richtig und könnte bei der jetzigen Not unseres Vaterlandes in Frage kommen, wenn das Massenschaffen Selbstzweck wäre, wenn, was gleichbedeutend ist, die Bedürfnisse erstarrten und somit unverändert blieben; ein Fall, der, solange es Leben gibt, aber niemals eintreten kann. Wirtschaft ist eine von den Menschen abhängige Gemeinarbeit, die Bedürfnisse ändern sich, und ihrer Wandelbarkeit vermag nur schöpferisches Schaffen, lebendige Arbeit zu folgen, ein Werkzeug vermag es nicht. Das Massenschaffen ist und bleibt außerdem nur eine Erweiterung und Verbreiterung der vom schöpferischen Schaffen vollbrachten Leistung, eine Vervollkommnung des Wirkungsgrades. Die moderne Großwirtschaft müßte, wenn sie weitblickend sich selbst wahrhaft nützen wollte, vor allem darauf Gewicht legen, daß die Schule die schöpferische Kraft planmäßig weckt und entwickelt, d. h. der Jugend die Sinne öffnet, sie den Verstand gebrauchen lehrt und planmäßig die Grundlagen, die Anleitung zur schöpferischen Arbeit gibt, um so mehr als auch die Massenfabrikation des schöpferischen Schaffens nicht entbehren kann und an der Massenfertigung allein wegen ihrer Einseitigkeit eine Entwickelung der schöpferischen Fähigkeiten nicht zu erzielen ist. Wir haben bis heute noch keine Schule, die die schöpferischen Kräfte auch nur weckt, geschweige denn daß eine planmäßige Durchbildung derselben vorgenommen wird. Professor Aumund irrt, wenn er behauptet, die Technische Hochschule hätte Konstrukteure — im Sinne von Maschinen und technische Anlagen schaffenden Ingenieuren — hervorgebracht. Die Hochschulen haben wohl oft hervorragende Spezialisten als Lehrer, die in der Praxis erfolgreich schöpferisch tätig sind; das bedeutet aber noch keine Erziehung mit planmäßiger Einwirkung auf die schöpferische Kraft der studierenden Jugend. Eine solche Schule muß vor allem eine Gesamtorganisation besitzen, die den Forderungen einer gesunden Pädagogik entspricht, was leider bisher

14 noch nicht der Fall ist. Es ist unmöglich, die Schöpferkraft zu wecken, solange die Mechanik voraussetzungslos gelehrt, Theorie und Anwendung getrennt, Technik auch in der Schule nur ein Werkzeug der Wirtschaft ist. Mit solcher Unterrichts- und Berufsauffassung wird im Gegenteil die Schöpferkraft verschüttet. Das Abstrahieren von der Wirklichkeit, das Teilen nach Theorie und Anwendung ist eine Erscheinung, die nicht allein bei geistigen Arbeitern auf technischem Gebiete vorkommt, wir finden sie auch bei anderen Berufen mit akademischer Vorbildung. Die Erscheinung ist häufig Ursache für das Versagen der Akademiker als Führende, und. sie hat ihren Ursprung wieder in einer Art Selbstsucht. Sich nur auf einen Teil zu beschränken, ist leichter und vorteilbringender als das Erfassen des Ganzen, des Wirklichen, des Lebendigen, des Gemeinsamen. Unlängst verkündete ein Professor der Mechanik: In der konstitutiven Struktur technischer Arbeit hätte der Zweck keinen Platz, der Zweck stünde relativ außerhalb. Und diese These ist die unausgesprochene Begründung für seine voraussetzungslose Lehre der Mechanik. — Nicht unerwähnt darf bleiben, daß gerade dieses Teilen viele Akademiker als das Wissenschaftliche, Zünftige erachten, denn es verbürgt die angebliche Reinheit, den Selbstzweck der Lehre. Während eine Lehre, die sich bemüht, das Ganze zu fassen, den Menschen herauszugestalten, von vielen Wissenschaftlern gemäß ihrer Lehrauffassung als Methodenlehre in den simpelsten Dingen, als gewerbeschulmäßiger Unterricht verstanden wird. Die Entwickelung und Herausgestaltung der schöpferischen Kraft, eine Arbeit, welche die Grundaufgabe der Schule sein müßte, hat man bisher dem Leben allein überlassen. Dies Versäumnis bedeutet eine schwere Schädigung unserer Wirtschaft. Wir wollen künftig Kohle, Wasserkräfte rationell ausnutzen; wollen wir die Nutzbarmachung der schöpferischen Kraft des Volkes weiter dem Zufall überlassen ? Die Reform Aumunds erfüllt zwar die Wünsche der modernen Großindustrie, eine Unterrichtsreform ist sie aber nicht, sondern nur eine konsequente Fortsetzung der bisherigen Anschauungen über den Unterricht. Die Wirtschaftsabteilung der Hochschule wird ebensowenig Betriebsingenieure hervorbringen, wie die Abteilung der technischen Wissenschaften Konstrukteure ausgebildet hat. Teilarbeiter, Werkzeuge werden vielmehr das Ergebnis sein. Für die erste Zeit ergibt sich vielleicht eine scheinbare Befriedigung in der Industrie, in wenigen Jahren aber wird man die gleichen Klagen wie früher hören,

15 und der Wunsch wird wieder laut werden nach Leuten, die ganze Menschen sind und ihren Verstand gebrauchen können. Wir werden alles das wieder erleben, was wir infolge der bisherigen Ausbildung bereits erfahren haben, nur werden die Erscheinungen wesentlich bösartiger sein. Hätten wir den Krieg gewonnen, so wäre die Reform ein Experiment, dessen schädliche Folgen wir vielleicht überwinden könnten. Unter den jetzigen Verhältnissen kann sie die Ursache zu einer Katastrophe in imserer Wirtschaftwerden. Dies in der Öffentlichkeit auszusprechen, halte ich, wenn es mir auch Feinde schafft, für meine Pflicht. Welche Ergebnisse jetzt schon die neue Richtung zeitigte, könnte ich durch zahlreiche Beispiele zeigen. Ich will aber hier nur zwei besonders kennzeichnende anführen. a) In der Werkstattstechnik, Heft 9, des Jahrganges 1921 ist eine Zuschrift von Herrn H. Langstein zum Aufsatze von Professor Schlesinger abgedruckt. Ich bringe hiervon nur den dritten Punkt, möchte dringend empfehlen, das Ganze zu lesen. »3. Überorganisatoren. Das sind Männer aus jener anderen Welt, wie sie nur in Deutschland vom Himmel fallen, daher der Name. Sie werden als Organisatoren »geboren«, während in der gesamten übrigen Industriewelt sich Organisatoren mittels B e o b a c h t u n g , E r f a h r u n g u n d N a c h d e n k e n heranbilden. Um Einspruch gegen den mühseligen Werdegang der ausländischen, meist amerikanischen Organisatoren einzulegen, machen sie einen, der beim »praktischen« Versuch versagt, zum Obmann und einen, der überhaupt keinen Finger rührt, zum Vorsitzenden (vgl. u. a. Aufsatz über Gemeinschaftsarbeit). Der »Ausschuß, für wirtschaftliche Fertigung« hat sogar ein eigenes Verfahren erfunden, »Überorganisatoren« auszubilden; er gibt Doktoraufgaben aus. Eins seiner Lieblingsthemen, das er allerdings nur ganz jungen, von der Erdenpraxis ganz unberührten Doktoranden empfiehlt, heißt: Überorganisatoren«. Die nachfolgende Erwiderung des Professors Schlesinger ist unbefriedigend. Für mich ist aber der Hinweis des Herrn Langstein, daß auch für den Betriebsmann, der organisiert, Beobachtung, Erfahrung, Nachdenken die Grundlagen erfolgreicher Arbeiten sind, von großer Bedeutung. Denn diese Vorbedingungen sind ja die gleichen, wie auch ich sie aufstellte und meinem Ausbildungsprogramm zugründelegte. b) Nach Ansicht der Neuerer ist Pädagogik Sache der einzelnen Lehrer. Diese Meinung wurde von meinen Gegnern stets dann zur Geltung gebracht, wenn bei den Reformverhandlungen Vorschläge

16 über die pädagogische Gestaltung des Unterrichtes abgewiesen wurden. Diese Ansicht hindert aber dieselben Neuerer nicht, Maßnahmen zu treffen, die vielen Lehrern den Geist des Unterrichts geradezu vorschreiben. Eine dieser Maßnahmen ist die Gruppenvorlesung, welche Professor Aumund einführen will, um die Studierenden mit der Berufsarbeit »vertraut« eu machen. Auch hier überlasse ich wieder das Urteil einem anderen, und zwar einem offenkundigen Anhänger der Reform. In der Werkstattstechnik, Heft 24, im Jahre 1921 schreibt Artur Fürst im ersten Absätze seines Aufsatzes »Reformvorlesungen an der Technischen Hochschule Berlin«: Die vielfachen Erörterungen über eine Verbesserung des Vortragswesens an den Technischen Hochschulen haben u. a. die Einführung einer neuen Vorlesungsart an der Charlottenburger Technischen Hochschule zur Folge gehabt. Der Einwand ist als berechtigt anerkannt worden, daß der vom Gymnasium kommende junge Student zunächst viel zu wenig Fühlung mit dem technischen Denken und Schaffen hat, um den Vorlesungen über Einzelheiten sogleich folgen zu können. Die ersten schweren Schritte in das große fremde Gebiet werden ihm bedeutend erleichtert, wenn er im Beginn das Grundsätzliche in seinem ganzen Umfang kennenlernt.« Nach nunmehr folgenden eingehenden Betrachtungen dieser Unterrichtseinrichtung an der Technischen Hochschule Berlin schreibt Artur Fürst im vorletzten Absatz: »Es wäre wünschenswert, daß die Handschriften dieser Vorlesungen gedruckt herausgegeben würden, da der Inhalt von den jungen Studenten kaum ausreichend genutzt werden kann, wenn die Sätze n u r e i n m a l f l ü c h t i g an i h r e m O h r v o r übergehen. Hierzu habe ich zu bemerken: Eine Lehrweise, die den Studenten mit dem Technischen Denken und Schaffen in Fühlung bringen soll und dabei nur flüchtig an den Ohren vorübergeht, ist keine Lehre, sondern, wie ich schon in meiner Schrift: »Die Technischen Hochschulen am Scheidewege« darlegte, eine Unterhaltung. Mit einer Sache, wie es die Arbeit ist, kann man nicht durch Vorlesungen vertraut werden, sondern solches Vertrautmachen ist nur wieder durch Arbeit, und zwar durch Eigenarbeit möglich. Es ist recht beachtenswert, daß aus den Reihen der Bewunderer der neuen Reform jetzt schon dieses freilich ganz unbewußte ungünstige Urteil über die Pädagogik der Aumundschen Reform gefällt wird. Ferner ist auch der Ratschlag des Herrn Fürst nicht uninteressant, es möchten doch diese Vorträge den Studierenden gedruckt mitgegeben werden. Herrn Fürsts Anschauungen über das »Arbeiten« decken sich mit jenen des Schülers.

17 Fausts, die der Dichter so treffend kennzeichnete mit den Worten: Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Die Herren Reformer haben aber nicht erkannt, daß es sich durchaus nicht um die Technik handelt, sondern um die »Arbeit« der Technik, und daß es geradezu gegen die Vernunft ist, die vielgliedrige und unterteilte Arbeitsform der modernen großindustriellen Technik dem Anfänger zeigen zu wollen. Einfache Ganzarbeit, das Schaffen einer primitiven Maschinenanlage unter Weglassung aller Vervollkommnungen, ist der geeignetste Lehrgegenstand, von dem man ausgehen müßte. Eigenarbeit in dieser einfachen Ganzarbeit macht den Studierenden mit dem Wesentlichsten der Berufsarbeit vertraut und gestaltet zugleich durch Inanspruchnahme aller Fähigkeiten den Menschen heraus. Soll die Methode des Herrn Aumund, die den Studierenden gleich mit der modernen, durch Unterteilung im wahren Charakter vollständig verzerrten technischen Arbeit vertraut machen will, Erfolg haben, dann muß zu übernatürlichen Mitteln gegriffen werden. Wie lange soll dieser für die Hochschule geradezu beschämende Zustand fortdauern ? Wann werden wir zu jener Gestaltung des Unterrichtes kommen, die den Gesetzen der Entwickelung und den Forderungen der Pädagogik entspricht? Pädagogik, so sagt man, muß Sache des einzelnen sein, sie darf nicht in eine allgemeine Beratung der Reform hineingezogen werden. Diese Pädagogik der einzelnen schrumpft bei der Mehrzahl der Lehrer zusammen in die Lehrkunst von Methoden, die — das ist zuzugeben — im Unterricht des Spezialisten berechtigt ist. Die Methodenlehre ist aber das Leichteste auf dem Gebiete der Lehrkunst, wobei es mir fernliegt, ihre oft geistvolle Art herabsetzen zu wollen; sie bedeutet aber ganz gewiß keine Herausgestaltung von Menschen, sondern nur die Züchtung von Teilarbeitern, Spezialisten. Selbst bei der Gründung einer Hochschule der Wirtschaft hält man noch konsequent an dem Grundsatz fest: Pädagogik ist Privatsache. Hat denn für eine. Lehre der Wirtschaft die Herausgestaltung des Menschen keine Bedeutung? Müßten nicht die Forderungen des Menschentums bei der schulmäßigen Behandlung aller Wirtschaftsfragen ganz besonders Berücksichtigung finden ? Ist denn Pädagogik ein gar so absonderliches Ding,' daß man nur bei ihr allein keinen Einspruch zuläßt? Die Kunst ist ganz gewiß individuell. Es gibt aber in der wahren Kunst künstlerische Grund-

18 Sätze, die allgemein Gültigkeit haben, auch haben wir eine hochentwickelte Pflege der Kunst. Es liegt mir fern, die gesunde Eigenart des einzelnen Lehrers beschränken zu wollen, aber als eine unerläßliche Forderung erscheint es mir, daß die Grundlegung, der Aufbau und die ganze Ausgestaltung des Unterrichtes weit mehr, als es bis jetzt der Fall war, an den Gesetzen der Pädagogik sich orientieren. Nicht einmal Grundsätze, welche aus der Praxis der Lehre sich herausgebildet haben, wurden bei den Reformverhandlungen bisher anerkannt. Die Anerkennung und Berücksichtigung der pädagogischen Forderungen ist die Vorbedingung für den Aufbau einer neuen Lehre. Ohne Erfüllung dieser Forderung ist jede Hochschulreform ein Schlag ins Wasser.