Der Weg der europäischen Philosophie 2: Eine Gewissenserforschung 9783495482629, 3495482628


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Der Weg der europäischen Philosophie 2: Eine Gewissenserforschung
 9783495482629, 3495482628

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Hermann Schmitz

Der Weg der europischen Philosophie Eine Gewissenserforschung

Copyright © 2016. Verlag Karl Alber. All rights reserved.

Band 2: Nachantike Philosphie

VERLAG KARL ALBER

B

2

Hermann Schmitz

Copyright © 2016. Verlag Karl Alber. All rights reserved.

Der Weg der europäischen Philosophie

VERLAG KARL ALBER

A

Copyright © 2016. Verlag Karl Alber. All rights reserved.

Zu diesem Buch: Es ist an der Zeit, Geschichte der Philosophie nicht mehr nur als geschätztes, aber unverbindliches Bildungsgut zu erzählen, sondern zu prüfen, was die Philosophie auf ihrem Weg durch die Geschichte Europas den Menschen »angetan« hat, im Guten wie im Bösen. Dieses Ziel setzt sich Hermann Schmitz in einem zweibändigen Werk, indem er diesen Weg analytisch und kritisch von Homer bis Merleau-Ponty nachzeichnet. Der zweite Band setzt beim Urchristentum ein, das zum archaischen Denken hinter die demokritisch-platonische (psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische) Vergegenständlichung zurückspringt, damit aber schon bei Augustinus, der durch ein im Dienst eigenen Glücks bloß utilitaristisches Verhältnis zur Welt neuzeitliches Denken tendenziell vorwegnimmt, keine Rolle mehr spielt. Dieser Vergegenständlichung kommt in der Scholastik der Singularismus zu Hilfe, der sich bei Wilhelm von Ockham radikal durchsetzt. Singularismus ist die Überzeugung, dass alles ohne Weiteres einzeln ist. Er ebnet den Weg zum Konstellationismus, der die Welt als Netzwerk einzelner Faktoren deutet. Singularismus als Konstellationismus ist zusammen mit dem demokritisch-platonischen Paradigma der Schlüssel theoretischer und technischer Weltbemächtigung, seit die Menschen diese von Bacon an in die eigenen Hände genommen haben. Die Welt wird neutral. Erst nach Kant bemerkt ein Philosoph (Fichte), dass jeder, der »Wer bin ich?« fragt, mit dem Erfragten nicht bei den objektiven oder neutralen Tatsachen unterkommt. Da aber alle Tatsachen für objektiv gehalten werden, scheint dieses Erfragte in eine rätselhafte Schwebelage über oder zwischen allen Tatsachen zu geraten. Damit beginnt das (noch nicht abgeschlossene) ironistische Zeitalter im Zeichen der (romantischen) Ironie und Ichangst; zum heimlichen Leitmotiv der Philosophie wird die Alternative von Aushalten (Existenzphilosophie) und Abweisen (Positivismus) der Paradoxie, begleitet von Wiederbelebung der neuplatonischen Vieleinigkeit im Deutschen Idealismus (besonders bei Hegel), in der Lebensphilosophie und beim späten Heidegger. Der Autor: Hermann Schmitz, geb. 1928, ist entpflichteter Professor der Philosophie an der Universität in Kiel. Seine systematischen und historischen Publikationen (40 Bücher, gegen 120 Aufsätze) sollen dazu dienen, den Menschen ihr wirkliches Leben begreiflich zu machen, indem nach Abräumung geschichtlich geprägter Verkünstelungen der Besinnung ein begrifflich gestützter Zugang zur unwillkürlichen Lebenserfahrung geöffnet wird.

Hermann Schmitz

Der Weg der europäischen Philosophie Eine Gewissenserforschung

Copyright © 2016. Verlag Karl Alber. All rights reserved.

Band 2 Nachantike Philosophie

Verlag Karl Alber Freiburg / München

Copyright © 2016. Verlag Karl Alber. All rights reserved.

Originalausgabe Alle Rechte vorbehalten ©Verlag Karl Alber GmbH Freiburg / München 2007 www.verlag-alber.de Satz und PDF-E-Book: SatzWeise GmbH, Trier ISBN (Buch) 978-3-495-48262-9 ISBN (PDF-E-Book) 978-3-495-86087-8

Inhalt

Band II: Nachantike Philosophie Inhaltsverzeichnis des Bandes I . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Überleitung

Copyright © 2016. Verlag Karl Alber. All rights reserved.

19. Das Urchristentum . . . . . . . . . 19.1 Der Leib im Bann der Mächte . . . 19.2 Der christliche Wartestand . . . . . 19.3 Nuancen . . . . . . . . . . . . . .

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23 23 28 32

20. Augustinus . . . . . . . . . . . . . . 20.1 Beherrschen, Benützen und Genießen 20.2 Isolierung und Uniformierung . . . . 20.3 Rette sich, wer kann! . . . . . . . . .

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36 36 41 49

21. Das Universalienproblem . . 21.1 Systematische Vorbereitung 21.2 Die Frühzeit . . . . . . . . 21.3 Die Hochscholastik . . . . . 21.4 Die Spätscholastik . . . . .

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53 53 59 68 78

22. Thomas von Aquino . . . . . . . . . . 22.1 Die Quantifizierung der Bestimmtheit 22.2 Das Sein und das Nichts . . . . . . . 22.3 Die Skalierung der Bestimmtheit . . . 22.4 Die Materie . . . . . . . . . . . . . . 22.5 Thomas und Aristoteles . . . . . . .

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. 87 . 87 . 94 . 98 . 103 . 106

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5

Inhalt

23. Johannes Duns Scotus . . . . . . . . 23.1 Die distinctio formalis . . . . . . . 23.2 Die Mannigfaltigkeitslehre . . . . . 23.3 Die Qualifizierung der Bestimmtheit 23.4 Die letzten Differenzen . . . . . . .

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110 110 113 118 126

24. Wilhelm von Ockham . . . . . . . 24.1 Der Singularismus . . . . . . . . 24.2 Die Kappung der Zusammenhänge 24.3 Die Universalien . . . . . . . . . 24.4 Das Subjekt . . . . . . . . . . . .

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133 133 137 147 150

25. Meister Eckhart und die Folgen . . . . . . . 25.1 Das Sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2 Der Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2 Meister Eckhart und Wilhelm von Ockham 25.4 Die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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155 155 162 168 171

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26. Nikolaus von Kues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 26.1 Gott: das Nicht-andere (non aliud) . . . . . . . . . . . . 180 26.2 Gott: das Könnist (possest) . . . . . . . . . . . . . . . . 184 27. Paracelsus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1 Die geschichtliche Stellung der Philosophie des Paracelsus 27.2 Die Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.3 Begriffe aus vielsagenden Eindrücken . . . . . . . . . . 27.4 Salz, Schwefel und Quecksilber . . . . . . . . . . . . .

190 190 196 201 205

28. Bacon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 29. Hobbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 29.1 Der Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 29.2 Der Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

6

Inhalt

30. Descartes . . . . . . 30.1 Der Dualismus . . . 30.2 Die Subjektivität . . 30.3 Gott . . . . . . . . . 30.4 Der Elementarismus

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228 228 236 242 245

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31. Spinoza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 31.1 Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 31.2 Einheit und Vielheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 32. Leibniz . . . . . . . . . . . . . . . 32.1 Was wollte Leibniz? . . . . . . . . 32.2 Der Darwinismus der Möglichkeiten 32.3 Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.3.1 Das vollkommene Wesen . . 32.3.2 Das notwendige Wesen . . . 32.3.3 Das zwiespältige Wesen . . . 32.4 Die Monaden . . . . . . . . . . . . 32.5 Das Kontinuum . . . . . . . . . . .

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258 258 265 269 269 276 278 284 289

33. Locke . . . . . . . . 33.1 Die Wende . . . . . 33.2 Locke und Descartes 33.3 Locke und Platon . .

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297 297 299 301

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34. Hume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 34.1 Humes Rache an Locke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 34.2 Humes Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 35. Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.1 Die geschichtliche Stellung der Philosophie Kants . . . . 35.2 Die Motivation der Philosophie Kants . . . . . . . . . . 35.2.1 Der transzendentale Idealismus . . . . . . . . . . 35.2.2 Die kopernikanische Wende und der kritizistische Immanentismus . . . . . . . . . . . . . . . . . .

316 316 328 328 336 7

Inhalt

35.3 Die Kritik der reinen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . 35.3.1 Die Entstehung der Kritik der reinen Vernunft . . 35.3.2 Die transzendentale Ästhetik . . . . . . . . . . . 35.3.3 Die transzendentale Analytik . . . . . . . . . . . 35.3.4 Die transzendentale Dialektik . . . . . . . . . . . 35.4 Praktische Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.4.1 Das Sittengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.4.2 Die Triebfeder der Sittlichkeit . . . . . . . . . . . 35.4.3 Das Verhältnis der praktischen zur Transzendentalphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.5 Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

347 347 358 369 384 396 396 403

36. Fichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.1 Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.2 Die rezessive Entfremdung der Subjektivität 36.3 Die Wissenschaftslehre . . . . . . . . . . .

422 422 428 437

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409 415

37. Schelling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

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38. Die Frühromantiker und Stirner . . . . . . . . . . . . . . 460 39. Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.1 Die Denkform der Philosophie Hegels . . 39.2 Die Motivation der Philosophie Hegels . . 39.3 Die Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.3.1 Wissenschaft der Logik . . . . . . 39.3.2 Die Entwicklung der Logik Hegels 39.4 Das System . . . . . . . . . . . . . . . . 39.5 Die Dialektik der Standpunkte . . . . . .

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471 471 483 488 488 498 504 508

40. Kierkegaard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 41. Schopenhauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 42. Nietzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 42.1 Nietzsche im Gefolge des Christentums . . . . . . . . . 541 42.2 Nietzsche im Gefolge der Frühromantik . . . . . . . . . 547 8

Inhalt

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42.3 Die vornehme Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 42.4 Die Erkenntnistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 42.5 Die ewige Wiederkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 43. Positivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.1 Empiriokritizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.2 Wittgenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.2.1 Die rezessive Entfremdung der Subjektivität 43.2.2 Der Singularismus . . . . . . . . . . . . . 43.2.3 Gegen die Introjektion . . . . . . . . . . . 43.3 Logischer Positivismus . . . . . . . . . . . . . . . 43.3.1 Frege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.3.2 Russell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.3.3 Carnap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.4 Analytische Philosophie . . . . . . . . . . . . . . 43.4.1 Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . 43.4.2 Quine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.4.3 Strawson . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.4.4 Philosophie des Geistes . . . . . . . . . . .

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567 567 575 575 580 586 588 588 595 600 604 604 609 617 620

44. Lebensphilosophie . . . . . . . . . 44.1 Bergson . . . . . . . . . . . . . . 44.2 Dilthey . . . . . . . . . . . . . . 44.3 Klages . . . . . . . . . . . . . . . 44.3.1 Die Grundzüge des Systems 44.3.2 Kritik . . . . . . . . . . . 44.3.3 Die Errungenschaften . . .

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628 628 635 643 643 647 653

45. Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . 45.1 Husserl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.1.1 Intentionalität . . . . . . . . . . . . . 45.1.2 Singularismus . . . . . . . . . . . . . 45.1.3 Subjektivität . . . . . . . . . . . . . 45.1.3.1 Bewusstsein . . . . . . . . . 45.1.3.2 Transzendentale Subjektivität 45.1.3.3 Intersubjektivität . . . . . . 45.1.4 Evidenz und Wahrheit . . . . . . . .

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662 662 662 667 673 673 678 686 691 9

Inhalt

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45.1.5 Sinnlichkeit und Verstand . . . . . . . . . . 45.1.6 Die Wesensschau . . . . . . . . . . . . . . 45.2 Materiale Wertethik . . . . . . . . . . . . . . . . 45.2.1 Max Scheler . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.2.2 Nicolai Hartmann . . . . . . . . . . . . . . 45.3 Heidegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.3.1 Die rezessive Entfremdung der Subjektivität 45.3.2 Die existenziale Analytik . . . . . . . . . . 45.3.3 Die Preisgabe der existenzialen Analytik . . 45.3.4 Langeweile und Zuspitzung . . . . . . . . . 45.3.5 Das Geschehen der Wahrheit . . . . . . . . 45.3.6 Das Sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.3.6.1 Heideggers Seinsverständnis . . . 45.3.6.2 Die Entkräftung des Seins . . . . . 45.3.6.3 Die Seinsgeschichte . . . . . . . . 45.3.7 Der eschatologische Neuplatonismus . . . . 45.4 Sartre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.4.1 Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . 45.4.2 Ansichsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.4.3 Der Andere . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.4.4 Existenzialismus . . . . . . . . . . . . . . 45.4.5 Hermeneutik synästhetischer Charaktere . . 45.4 Merleau-Ponty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.5.1 Phénoménologie de la Perception . . . . . . 45.5.2 Le Visible et l’Invisible . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Ausblick

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694 698 703 703 714 721 721 727 738 745 748 754 754 758 767 773 778 778 786 789 796 798 800 800 806

. . . . . . . . . . . . . . . . 811

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 Sachregister

10

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835

Band I: Antike Philosophie

Inhaltsverzeichnis des Bandes II . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

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Vorrede 1.

Das menschliche Selbstverständnis bei Homer

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19

2.

Das menschliche Selbstverständnis in der archaischen Lyrik und der attischen Tragödie . . . . . . . . . . . . . . . .

24

3.

Anaximander und Anaximenes

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32

4. 4.1 4.2 4.3

Heraklit . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . Das Äquivalenzprinzip . . . . Gemeinschaft und Einzelseele

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38 38 39 50

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Parmenides . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mach-Erfahrung . . . . . . . . . . . . . Aletheia und Doxa . . . . . . . . . . . . . . Streitende Haufen und göttliche Offenbarung Die Wege der Forschung . . . . . . . . . . . Zur Datierung: Parmenides und Xenophanes .

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54 54 59 69 75 78

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80 81 81 85 87

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6. Die zweite eleatische Schule . . . . . 6.1 Zenon . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Die Paradoxien der Vielheit . 6.1.2 Die Paradoxien der Bewegung 6.1.3 Zenon gegen Empedokles . .

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11

Band I: Antike Philosophie

6.2 Melissos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Leukipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 91

Pythagoras und die Pythagoreer . . . . . . . . . . . . . .

96

7.

8. Empedokles . . . . . . . 8.1 Attraktion als Gestaltung 8.2 Attraktion als Erkenntnis 8.3 Der kosmische Zyklus . .

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106 106 111 114

Demokrit . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bruch mit dem archaischen Denken Demokrit und Leukipp . . . . . . . . . Demokrit als Schwärmer . . . . . . . .

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119 119 126 127

10. Protagoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Rhetorik als Verwaltung von Situationen . . . 10.2 Der Homo-Mensura-Satz . . . . . . . . . . . 10.3 Protagoras und Sokrates . . . . . . . . . . . .

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11. Platon und das »Rätsel der alten Akademie« . . . . . . . 11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Die Ideenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Platon und die Ideenfreunde . . . . . . . . . . 11.2.2 Platons Ideenlehre bis zum Auftauchen des Regressargumentes . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.3 Das erste Regressargument in Parmenides . . . 11.2.3.1 Das Regressargument: Struktur und Folgen für Platon . . . . . . . . . . . 11.2.3.2 Die Herkunft des Regressargumentes . 11.2.4 Platons Ideenlehre nach der Begegnung mit dem Regressargument . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Die Prinzipienlehre mit einem Prinzip . . . . . . . . . 11.4 Speusipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Speusipps spätere Lehre . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Speusipps frühere Lehre . . . . . . . . . . . .

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139 139 141 141

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9. 9.1 9.2 9.3

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. 159 . 163 . 163 . 169 . . . . .

175 181 186 186 189

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Band I: Antike Philosophie

11.5 Eudoxos und Platon . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Die Prinzipienlehre mit zwei Prinzipien . . . . . . . 11.6.1 Platon und die Pythagoreer . . . . . . . . . . 11.6.2 Der Vortrag über das Gute . . . . . . . . . . 11.6.2.1 Der Platz des Vortrags in Platons Prinzipienlehre . . . . . . . . . . . 11.6.2.2 Der Gang des Vortrags . . . . . . . 11.6.2.3 Datierung des Vortrags . . . . . . . 11.6.3 Die Weiterbildung der Prinzipienlehre Platons nach dem Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . 11.7 Platons philosophische Entwicklung . . . . . . . . . 11.8 Platons Elementarismus . . . . . . . . . . . . . . . 11.8.1 Der theoretische Elementarismus . . . . . . . 11.8.2 Der politische Elementarismus . . . . . . . .

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219 222 231 231 239

12. Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Die Kategorienlehre . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Die konvergente Metaphorik des Seienden . . . . 12.4 Die Potenzlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Die Ideenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Vom Materialismus zum Idealismus . . . . . . . 12.7 Das siebente Buch der Metaphysik . . . . . . . . 12.8 Die Überwindung des praktischen Elementarismus 12.9 Ding an sich und Relation . . . . . . . . . . . .

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243 243 247 253 261 271 279 286 294 302

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195 200 200 206

. . 206 . . 209 . . 211

13. Die Stoa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 14. Epikur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

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Band I: Antike Philosophie

15. Plotin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Die Vieleinigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Plotins Paradoxe . . . . . . . . . . . . 15.2.2 Logische Rehabilitierung Plotins . . . 15.3 Der Ursprung der sinnlichen Welt nach Plotin 15.4 Das Eine . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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323 323 326 326 332 337 346

16. Proklos . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Die horizontale Schichtung . . . . . 16.2 Das dynamische Schichtenverhältnis 16.3 Typen der Mannigfaltigkeit . . . . 16.4 Die dynamische Polarität . . . . . . 16.5 Die zweite Hypostase . . . . . . . . 16.6 Was geht uns Proklos an? . . . . .

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352 352 357 360 367 371 374

17. Damaskios . . . . . . . . . 17.1 Einleitung . . . . . . . . . . 17.2 Das prä-immanente Eine . . 17.3 Das Dilemma der Erkenntnis 18. Johannes Scotus Eriugena 18.1 Das johanneische Erbe . 18.2 Eriugena und Damaskios 18.3 Die Vieleinigkeit . . . .

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379 379 380 384

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388 388 393 397

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Sachregister

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Die Philosophie des griechischen Altertums ist bei weitem die produktivste Phase in der Geschichte der europäischen Philosophie. Bis gegen 1800 spielt die nachantike Philosophie weiter mit den Figuren, die im Altertum aufgestellt wurden, und ändert auch nicht die Regeln des Spiels, sondern nur die Anlage der Partien und den erstrebten Gewinn in der Weise, dass zusätzlich zu dem antiken Ziel der Selbstbemächtigung seit 1600 das moderne Ziel der Weltbemächtigung die Intention des Denkens leitet. Eine Entdeckung, die etwas im Altertum noch gar nicht Bedachtes in den Blick rückt, gelingt im Zuge des Stabwechsels beim philosophischen Staffellauf erst unmittelbar vor 1800, als das Der-sein-der-er-ist für einen jeden, die strikte Subjektivität, bemerkt wird. Es bedurfte der völligen Neutralisierung aller Tatsachen, die erst mit der neuzeitlichen Naturwissenschaft in die Welt kam, damit ein Philosoph sich fragte: Wo bleibe ich denn selber in diesem Milieu der bloß noch objektiven Tatsachen, die jeder aussagen kann, vorausgesetzt nur, er weiß genug und kann gut genug sprechen? Dadurch, dass ich es selber bin, kommt für mich doch noch etwas Wichtiges hinzu, ein Überschuss über die bloß objektive, von jedermann erzählbare Tatsache, dass etwa Hermann Schmitz sich so und so befindet. Dieser Überschuss passt nicht in eine Welt, die alles ist, was der Fall als neutrale Tatsache ist. Der erste Philosoph, dem das auffiel, war Johann Gottlieb Fichte, der 1793 mit seiner Rezension des Aenesidemus eine Wasserscheide legte, von der ab Philosophie nach noch nicht verfügbaren neuen Regeln gespielt wird. Aber Fichte begriff seine Entdeckung nicht. Er zog den Überschuss einfach von den Tatsachen ab, als das Ich, das keine Tatsache ist, sondern eine Tathandlung, die sich selbst tut und weiter nichts. Was er damit erreichte, gesteht Wittgenstein (im eigenen Namen) so ein: »Das Ich des Solipsismus schrumpft zum ausdehnungslosen Punkt zusammen, und es bleibt die ihm koordinierte 15

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Realität.« 1 Alle Besserungsversuche Fichtes führten das sogenannte Ich nicht in die Welt zurück. Es blieb bei einer über oder zwischen allen Tatsachen schwebenden Subjektivität, die Hegel mit dem abenteuerlichen Instrument des dialektischen Widerspruchs an die objektive Realität zu fesseln suchte, während sie diesem untauglichen Versuch in den Nihilismus der romantischen Ironie (sich von allem abwenden und eben deshalb auch allem zuwenden zu können), der Ichangst (ich zu sein, schwebend über den eigenen Möglichkeiten, in die sich auflöst, was ich bin), des Dandys und der Coolness entkam. Die Philosophie, die bis 1800 Bannerträger des Fortschrittes in Selbst- und Weltbemächtigung war, wird seitdem ein Medium der Beunruhigung. Die Einführung eines provozierend neuen Motivs in das philosophische Denken seit 1793 hindert nicht das beherrschende Fortwirken der antiken Prägungen. Diese leiten die nachantike Philosophie hauptsächlich in den Schienen zweier Vorurteile: Das erste Vorurteil ist die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung der unwillkürlichen Lebenserfahrung (d. h. dessen, was Menschen merklich widerfährt, ohne dass sie es sich absichtlich zurechtgelegt haben), die ich unter 9.1 als Bruch mit dem archaischen Denken charakterisiert habe. Das archaische Denken der griechischen Philosophen vor Demokrit ordnet die Welt durch polare Gegensätze vielsagender Eindrücke, die an leibnah gespürten Kräften abgelesen werden. Ein vielsagender Eindruck ist eine impressive Situation. Eine Situation ist ein ganzheitlich (d. h. relativ geschlossen nach außen und in sich zusammenhängend) durch eine binnendiffuse (d. h. nicht in lauter Einzelnes, das eine Anzahl je um 1 vermehrt, aufgeteilte) Bedeutsamkeit aus Sachverhalten, Programmen und eventuell Problemen zusammengehaltenes Mannigfaltiges, z. B. eine Gefahr, ein Gespräch, eine Sprache. Eine Situation ist impressiv, wenn ihre Bedeutsamkeit schlagartig präsent ist (wie eine schlagartig erfasste und sofort durch angemessene Schutzreaktion quittierte Gefahr). Beim Bruch mit dem archaischen Denken, das z. B. die klassische chinesische Kultur durch und durch bestimmt, werden die vielsagenden Eindrücke als Leitfäden der Begriffsbildung preisgegeben. Der Stoff der unwillkürlichen Lebenserfahrung wird in der Weise zerlegt, dass für jeden Bewussthaber 2 eine abgeschlossene pri1 2

Tractatus logico-philosophicus 5.64. So übersetze ich das vieldeutige Wort »Subjekt«, um ihm den genaueren Sinn zu

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vate Innenwelt (Psyché, Seele, später auch mit vielen anderen Namen versehen, wie mens, mind, Bewusstsein) reserviert wird, in der sein gesamtes Erleben untergebracht wird (Psychologismus), während zwischen solchen Innenwelten eine Außenwelt übrig bleibt, die bis auf wenige Merkmalsorten, die durch intermomentane und intersubjektive Identifizierbarkeit, Messbarkeit und selektive Variierbarkeit vorzüglich für Statistik und Experiment geeignet sind, und deren hinzugedachte Träger abgeschliffen wird (Reduktionismus). Bei diesen verbleibenden Merkmalsorten handelt es sich um die unspezifischen (»primären«) Sinnesqualitäten: Größe, Gestalt, Zahl, Ruhe, Bewegung, Anordnung und Lage im Raum. Der Stoff der unwillkürlichen Lebenserfahrung, der bei der Abschleifung anfällt, wird entweder ignoriert oder in den Innenwelten abgelegt, wo er auch dann, wenn ihn das Denken übersehen oder nicht ernst genommen hat, wegen seiner Aufdringlichkeit in unwillkürlicher Lebenserfahrung auftaucht, nur in privatisierender Umdeutung (Introjektion). Ausdrücklich der Introjektion unterworfen werden die spezifischen Sinnesqualitäten bei Demokrit, Platon (im Timaios) und Aristoteles, der die spezifisch haptischen Qualitäten, aus denen er die Elemente konstruiert, und die von ihnen abgeleiteten Qualitäten definitorisch auf primäre Sinnesqualitäten reduziert. 3 Zu den vergessenen Beständen der unwillkürlichen Lebenserfahrung gehören die bedeutsamen Situationen einschließlich der vielsagenden Eindrücke, die Atmosphären des Gefühls und des Wetters und der gespürte Leib einschließlich der leiblichen Kommunikation, der Grundform aller Kontakte. 4 Der gespürte oder spürbare Leib verdankt sein Schicksal, bei der psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistischen Vergegenständlichung vergessen zu werden, der Zerlegung des Menschen in Körper und Seele, die sich daraus ergibt, dass die Seele im Interesse der psychologistischen Abschließung des Erlebens aus dem Raum herausgenommen wird, dem sich der Mensch dennoch nicht entziehen kann, so dass er das, geben: Bewussthaber ist, wer etwas bewusst hat, das ihm bewusst ist, ohne dass der Betreffende deshalb schon ein Bewusstsein im Sinne einer privaten psychischen Innenwelt besitzen müsste; Bewusstsein für ihn hat vielmehr, was ihm bewusst ist. 3 De generatione et corruptione II 2, 329b 7–330a 29 (besonders 329b 26–32); zur psychologistischen Privatisierung der Sinnesqualitäten vgl. auch Metaphysik 1010b 30– 1011a 2. 4 Zur leiblichen Kommunikation vgl. Hermann Schmitz, Was ist Neue Phänomenologie?, Rostock 2003, S. 34–43.

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was von ihm räumlich bleibt, als seinen Körper der reduzierten Außenwelt übergibt; das Opfer dieser Selbstzerlegung ist der spürbare Leib. Dabei kommt eine Verkürzung der Raumvorstellung zu Hilfe, die darin besteht, dass flächenlose Räume – der Raum des gespürten Leibes, der Raum des Schalls und der Stille, der Raum der Atmosphären, die Gefühle oder Wetter sind, der Raum der Gebärde und sonstigen ungehemmten Eigenbewegung, der Raum des Schwimmens, der Raum des entgegen schlagenden Windes – über dem Leitbild der Fläche vernachlässigt werden. Dieses Leitbild prägt die mit der psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistischen Vergegenständlichung gleichzeitig sich entwickelnde griechische Geometrie den Gedanken über Räumliches so ein, dass dieses nur noch in Koordinatensystemen gefasst wird; alles Flächenlose, das sich solcher Fassung entzieht, wird in seiner eigenartigen Räumlichkeit unverständlich. Weitere Folgen jener Vergegenständlichung sind der Physiologismus und der Rationalismus. Der Physiologismus besteht in der These, dass Informationen aus der Außenwelt und den anderen Innenwelten (über die Außenwelt) an den in seiner Innenwelt eingeschlossenen Bewussthaber nur über Sinnesorgane (durch Reizleitung von Objekten oder Zugriff der Organe auf Objekte) gelangen, wobei die aufgenommenen Reize nach Transport im Körperinneren (z. B. im Nervensystem) als Empfindungen in die seelische Innenwelt hinüberspringen. Der Rationalismus besteht in der Annahme, dass die Empfindungen innerhalb der seelischen Innenwelt vom Verstand durch eigene Zusätze (Rationalismus im engeren Sinn) oder auch durch bloße Kombination (sogenannter Empirismus) so aufbereitet werden, dass für den Bewussthaber ein einigermaßen zutreffendes Bild von den Quellen der empfangenen Reize, und damit eine verlässliche Information über die Außenwelt, zustande kommt. Die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung hat sich in der nachantiken Philosophie mit beträchtlicher Fernwirkung je länger desto mehr durchgesetzt, nachdem im Mittelalter wegen der geringeren Beachtung der (Gott überlassenen) Außenwelt der Reduktionismus, keineswegs aber der Psychologismus mit Introjektion, Physiologismus und Rationalismus, in den Hintergrund getreten war. In unserer Zeit spitzt sich die Vergegenständlichung zu einem Kannibalismus zu, wobei der Psychologismus vom Reduktionismus verschlungen wird, indem eine materialistische philosophy of mind (Neurophilosophy) sich anschickt, das reduktionistisch mit Methoden der Naturwissenschaft 18

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konstruierte Gehirn an die Stelle der psychischen Innenwelt zu setzen. Starke Hilfe leistet einer solchen Gedankenrichtung mit oder ohne Psychologismus die zweite große Denkschiene antiker Vorprägung, die sich auf die Begriffe von Zahl und Einheit bezieht. Euklid definiert die Zahl so: »Einheit (Monas) ist, der gemäß jegliches von den Seienden eines genannt wird. Zahl ist die aus den Einheiten (Monaden, Einsen) gebildete Menge.« 5 Diese offensichtlich ungenügende Begriffsbestimmung hat sich mit unbegreiflicher Zähigkeit bis zu Georg Cantor, dem Begründer der Mengenlehre, gehalten. 6 Die Monaden Euklids sind geisterhafte Schatten; er weiß offenbar selbst nichts daraus zu machen. In der Undeutlichkeit dieses Einheitsgedankens zeigt sich die Schwierigkeit, die die Alten damit hatten, Zahlen von Mengen oder Vielheiten, deren Zahlen sie sind, zu unterscheiden. Frege war der Erste, der den Irrweg verließ, Zahlen als Mengen oder gar als Vielheiten aufzufassen, statt als Qualitäten von Mengen, und er wies, ohne es zu sagen und vielleicht zu wollen, den Weg zum natürlichen Zahlbegriff, indem er als solche Qualität die umkehrbar eindeutige Abbildbarkeit und damit die Zählbarkeit bestimmte; denn Zählen ist umkehrbar eindeutiges Abbilden und Sitz der Zahl im Leben. Leider hat sich auch Frege vergriffen, indem er aus Zahlen doch wieder Mengen oder Klassen machte, nämlich eine Zahl als den Umfang des Begriffes der auf eine gegebene Menge umkehrbar eindeutig abbildbaren Menge definierte; damit kommt man zu riesigen und (wegen der Antinomie der Menge aller Mengen) paradoxen Mengen, an die niemand denkt, der bis 3 zählt. Diesen Grund zur Beanstandung habe ich beseitigt, als ich definierte: »Anzahl einer Menge M ist die Eignung einer beliebigen Menge, umkehrbar eindeutig auf M abgebildet zu werden.« Da umkehrbar eindeutige Abbildbarkeit eine symmetrische Beziehung ist, wird mit dieser Definition die Zahl als Zählbarkeit einer Menge (durch Abzählen an einer beliebigen Zählmenge, sei sie auch unendlich und daher zu groß für das Zählen von Menschen, vielleicht aber nicht von höheren Intelligenzen, falls es solche gibt) bestimmt. Wozu diese Abschweifung zum Zahlbegriff? Weil die AuffasElemente, Buch 7, Definitionen 1 und 2. Georg Cantor, Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts, Berlin 1932, S. 283, hg. v. Ernst Zermelo, der auf S. 351 Cantor in völlig überzeugender Weise für dessen euklidische Zahlauffassung rügt.

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sung der Zahl (über 1) als Vielheit, zusammengesetzt aus Einheiten, deren jede die Zahl um 1 vermehrt, dazu verführt, auch umgekehrt jede Vielheit nach dem Muster einer solchen Zahl zu verstehen, als numerische Mannigfaltigkeit aus numerischen Einheiten mit der auszeichnenden Eigenschaft, die Anzahl einer endlichen Menge um 1 zu vergrößern. Man vergisst dann, auf die besonderen Bedingungen der Zählbarkeit zu achten, sowohl auf Mannigfaltigkeiten, die diese Bedingungen nicht erfüllen, als auch auf Sachen (im weitesten Sinn von Etwassen, sit venia verbo), die keine numerischen Einheiten sind, d. h. die Anzahl keiner Menge um 1 vergrößern. In diese Falle ist das abendländische Denken von den Alten geführt worden. Schon das scholastische, von Aristoteles erborgte Axiom »Jedes Seiende ist eines« (omne ens unum, ens et unum convertuntur) meint die im angegebenen Sinn numerische Einheit, die Einzelheit. Für zusätzliche Verwirrung sorgt die Unklarheit des dabei verwendeten Einheitsbegriffes. Wenn das Verständnis am unbestimmten Artikel (ein Soundso) abgelesen wird, ist Einheit die Bestimmtheit als Fall einer Gattung oder – was ebenso viel sagt – Besitzer einer Eigenschaft; damit ist noch nichts über numerische Einheit (Einzelheit) ausgemacht, auch nichts über Einheit im Gegensatz zu Vielheit. (Sand ist rieselfähig, Gold ist gelb, ohne Rücksicht auf den Unterschied von Einheit und Vielheit.) Schlimmer noch für die Verwirrung des Einheitsbegriffes, hatte Aristoteles, für die Scholastiker maßgeblich, Einheit als Ungeteiltheit oder Unteilbarkeit bestimmt und damit die synthetische oder die einfache Einheit ausgezeichnet, spezielle Einheitstypen, die für gleichen Umfang mit dem Seienden von vornherein nicht in Frage kommen, noch weniger als die numerische Einheit und die analytische des unbestimmten Artikels. Aristoteles selbst hat am meisten unter dieser Verwirrung zu leiden gehabt, weil er bei dem sein Philosophieren durchziehenden und prägenden Bemühen (12.1), den platonischen Elementarismus, der jede Bestimmtheit als einzelne ausgibt (11.8), zu überwinden, mit einem Fuß in der Falle des Elementarismus stecken bleibt, indem er jedes Seiende als ein Eines ausgibt und mit dem Ungeteilten-Unteilbaren (adihaireton) die numerische und die analytische Einheit vermengt. Er findet die Ursache der feinsten Fehlschlüsse darin, »dass wir alles von etwas Ausgesagte für ein Diesda halten und als ein Eines verstehen«, 7 und kann sich doch nicht davon lösen, jedes 7

Sophistici Elenchi 169a 33–35.

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Seiende für ein Seiendes zu halten, als sei es zusätzlich zu analytischer Einheit auch noch ungeteilt oder unteilbar und obendrein einzeln (fähig, die Anzahl einer endlichen Menge um 1 zu vergrößern). Demgemäß wird ihm Vielheit entweder zur numerischen oder zur bloß potentiellen, ins Nichtseiende herabgedrückten Vielheit (12.4). Was nicht einzeln oder nicht aus Einzelnem zusammengesetzt ist, kann Aristoteles nicht als Mannigfaltiges denken; die trächtige, binnendiffuse Bedeutsamkeit der Situationen entartet ihm zum bloßen indefiniten Stoff, mit der in 12.8 dargelegten Folge der konservativen Statik seiner politischen Philosophie. Diesen aristotelischen Zwiespalt zwischen antielementaristischem Bemühen und elementaristischem Rest des Denkens hat die Scholastik nach langem Zögern, unbekümmert um neue Aporien, mit Wilhelm von Ockham robust übersprungen, indem sie sich das Axiom des Singularismus zu eigen machte: Alles ist ohne weiteres einzeln. Dieses Axiom öffnet die Bahn für die Aktivierung des Potentials, das für Weltbemächtigung im Reduktionismus der psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistischen Vergegenständlichung steckt; denn die ausschließliche Zuwendung zu Merkmalen, die durch Identifizierbarkeit, Messbarkeit und selektive Variierbarkeit für Experiment und Statistik taugen, kann man, wenn alles ohne weiteres einzeln ist, zur Konstruktion eines Datennetzes nützen, das als Konstellation (Vernetzung einzelner Faktoren) dazu bestimmt ist, die ganze Welt einzufangen. Das ist das Ideal der modernen Naturwissenschaft als Einheitswissenschaft, und die davon in Bann geschlagenen Denker haben Ockhams Singularismus wie etwas Selbstverständliches und unbedenklich Vernünftiges übernommen. Auf die allem, was einzeln ist, zugrunde liegende binnendiffuse Bedeutsamkeit von Situationen 8 kann man dann verzichten; der Projektionismus ersetzt sie durch ein vermeintlich nachträgliches Hineindeuten von Abspiegelungen individueller oder artgebundener Interessen in ein von sich aus bedeutungsloses Gegebenes. Es gibt wohl Grund zum Staunen darüber, dass die abendländische Philosophie so konsequent auf den Schienen dieser beiden ihr aus dem Altertum auferlegten Verkürzungen gefahren ist, obwohl noch am Rande der nachantiken Welt der Neuplatonismus Wege geVgl. Was ist Neue Phänomenologie? S. 112–156; vgl. Hermann Schmitz, Der Spielraum der Gegenwart, Bonn 1999, S. 56–63; Hermann Schmitz, Situationen und Konstellationen, Freiburg i. Br./München 2005.

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funden hatte, sich sowohl der psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistischen Vergegenständlichung (15.3) als auch (durch Entdeckung der instabilen oder ambivalenten Mannigfaltigkeit, 15.2.2) der Verkürzung des Mannigfaltigen auf den numerischen Typ zu entziehen. Noch erstaunlicher aber ist die Tatsache, dass die abendländischen Denker, die, solange sie Christen waren, die im Neuen Testament versammelten urchristlichen Texte so deutlich wie wenige andere vor Augen und im Sinn hatten, für die in diesen Texten zutage tretende Rückkehr hinter den Bruch mit dem archaischen Denken (9.1) vollständig taub geblieben sind. Um die Schärfe der Abwendung von den durch die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung ausgeschlossenen Massen unwillkürlicher Lebenserfahrung bei den nachantiken abendländischen Philosophen voll zu erfassen, ist es nötig, sie mit diesem für sie immer greifbaren Angebot solcher Massen im urchristlichen Denken zu konfrontieren. Deswegen beginne ich die Darstellung der nachantiken Philosophie mit einem Sprung mitten ins Altertum, zum Urchristentum.

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19. Das Urchristentum

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19.1 Der Leib im Bann der Mchte Im Römerbrief (R) schreibt Paulus 7, 20: »Wenn ich das tue, was ich nicht will, dann tue gar nicht ich das, sondern die Sünde, die in mir wohnt.« Er spricht wie Agamemnon in der Ilias 19, 85–94, der sich vor der Heeresversammlung für seine Übergriffe gegen Achilleus damit rechtfertigt, nicht er selbst habe schuldhaft gehandelt, sondern die Schuld persönlich, die Göttin Schuld, oder auch die ihr gleiche Erinys, die wilde Schuld in seine Phrenes geworfen habe. Mehr als eine Ausrede ist das wegen der Unzentriertheit und Unabgeschlossenheit, die für das Erleben der Figuren in der Ilias charakteristisch ist (1), und so erlebt auch Paulus: »Ich freue mich dem inneren Menschen nach an dem Gesetz Gottes, erblicke aber in meinen Gliedern ein anderes Gesetz, das gegen das Gesetz meines Geistes kämpft und mich im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist, versklavt.« (R 7, 22 f.) So ist auch R 7, 5 zu verstehen: »Als wir im Fleisch waren, wirkten in unseren Gliedern die Leidenschaften der Sünden.« Dieser Genetiv ist der subjektive: Die Sünden sind die Subjekte der Leidenschaften, mit denen sie in unseren Gliedern wirken. Wichtig ist es, hier zwischen dem Fleisch und den Gliedern zu unterscheiden. Die Glieder sind der Leib (1. Kor [Korintherbrief] 6, 15 und 12, 12), der im Fleisch als einer Atmosphäre ist, die mit flächenloser Räumlichkeit (gemäß vorstehender Überleitung) ihn umgibt, durchdringt und in ihren Bann zieht, in einer Weise, die den Christen zur Zeit des Paulus für den heiligen Geist, für den Frieden, für Gott und Christus ganz geläufig war, ebenso aber in anderen Zeiten und anderen Religionen (einschließlich der jüdischen) spontan und selbstverständlich als erfahrene Realität bezeugt wird, 9 wenn sie auch dem Näheres bei Hermann Schmitz, System der Philosophie Band III Teil 4: Das Göttliche und der Raum, Bonn 1977, 2. Aufl. 1995, S. 13–43 und 92–134.

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Das Urchristentum

durch die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung verbildeten modernen Menschen wunderlich vorkommen mag. Die Besessenheit vom Fleisch kann abgelöst werden durch die Besessenheit vom heiligen Geist oder Pneuma; 10 dann wird der Leib zum Tempel des heiligen Pneumas mit der Folge, dass der Mensch nicht mehr sein eigen ist, weil besessen vom heiligen Pneuma (1. Kor 6, 19). Das geht so weit, dass das Pneuma dem ratlosen Beter, der nicht die richtigen Worte findet, das Gebet abnimmt, indem es sich mit Lauten, die kein artikuliertes Sprechen, sondern ein Stöhnen oder Seufzen sind, aus der Tiefe – genauer: der leiblich gespürten Enge – des Herzens emporringt. 11 Dieses Gebet des heiligen Pneumas ist das Zungenreden, bei dem der Verstand (Nous) schweigt; ein Außenstehender kann einem solchen Gebet keinen Sinn abgewinnen, aber Paulus will sich in dieser Art des Betens ebenso wie im Gebet verständiger Rede üben (1. Kor 14, 14–16). Die Seele spielt dabei keine Rolle; nur in der Schlussparänese des 1. Thessalonikerbriefes (5, 23) kommt sie in einer Ermahnung an Geist, Seele und Körper vor, wobei sich Paulus dem in dieser griechischen Großstadt geläufigen Menschenbild anpasst. Sonst ist es immer der Leib, um den die ergreifenden Mächte des Fleisches und des Pneumas konkurrieren, indem sie den Ergriffenen leiblich in einen größeren Leib aufnehmen: Entweder wird er mit der Hure ein Leib sein oder mit dem Herrn ein Pneuma (1. Kor. 6, 16 f.) in der Weise, dass die Vielen ein einziger Leib in Christus sind (R 12, 5), dem Herrn, der das Pneuma ist (2. Kor. 3, 17). Obwohl die Hure im sinnlichen Korinth das Fleisch repräsentiert, ist dieses als atmosphärische Macht viel umfassender. Im Galaterbrief (Gal) ruft Paulus den Adressaten zu (3, 3): »Seid ihr so unverständig? Was ihr im Pneuma begonnen habt, wollt ihr im Fleisch vollenden?« Dieser Vorwurf hat nichts mit Sinnlichkeit zu tun, sondern zielt auf das Ritualgesetz. Wie Paulus Fleisch und Geist mit Inhalt füllt, zeigt seine Aufzählung ebenda 5, 19–22: Werke des Fleisches sind außer sinnlichen Ausschweifungen Götzendienst, Zauberei, Zwist, Gehässigkeit, missgünstiger Eifer, Zorn, Zank, Entzweiung, Spaltung nebst Saufgelagen und dergleichen; die

Ich spreche im Folgenden vom heiligen Pneuma (statt: Geist), um eine Verwirrung zwischen Pneuma und Nous (s. gleich 19.2) zu vermeiden. 11 R8, 26. Die griechischen Worte »stenagmoffl@ ⁄lalffitoi@« geben die leiblich gespürte Enge (sten@ = eng) und die Unfähigkeit zur Verbalisierung des Ausdrucks an. 10

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Der Leib im Bann der Mchte

Frucht des Pneumas dagegen ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Geradlinigkeit, Güte, Glaube, Milde, Selbstbeherrschung. Die Rede von Werken des Fleisches bei Paulus ist analog zu verstehen wie die Rede von Werken der Aphrodite bei Homer und Hesiod. 12 Aphrodite ist im griechischen Verständnis nicht nur eine göttliche Person, sondern auch eine Atmosphäre und leiblich ergreifende Macht (wie der Herr, der das Pneuma ist, nach 2. Kor. 3, 17), die Sphäre der Erotik, die Pindar meint, wenn er von einem jungen Mädchen sagt, es habe, von Apollon verführt, zuerst an die süße Aphrodite gerührt. 13 Werke sind die Wirkungen, die die Infektion mit einer solchen Atmosphäre bei dem Infizierten auslöst: Die Ablehnung sinnlicher Freuden und Genüsse in der Charakteristik des Fleisches ist zwar für die Gesinnung des Paulus bezeichnend, trägt aber nichts zur Gegenüberstellung von Fleisch und Pneuma in der Aufzählung im Galaterbrief bei; denn auf der Gegenseite, beim Pneuma, findet sich nichts Entsprechendes, wenn man nicht die Selbstbeherrschung auf Enthaltung von sinnlichen Genüssen einschränken will. Wenn man die Aufzählung als Gegenüberstellung versteht, kommt es vielmehr beim Pneuma auf Liebe, Friede, Güte, Langmut und Milde an, bei den Werken des Fleisches auf das Entgegengesetzte: Zwist, Zorn, gehässiger Eifer, Zank, Entzweiung und Spaltung. So verstanden, entspricht das paulinische Paar genau dem empedokleis