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Der Verfassungsbruch Verbotene Extra-Diäten – Gefräßige Fraktionen
Von
Hans Herbert von Arnim
Duncker & Humblot · Berlin
HANS HERBERT VON ARNIM
Der Verfassungsbruch
Der Verfassungsbruch Verbotene Extra-Diäten – Gefräßige Fraktionen
Von Hans Herbert von Arnim
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort In über 60 Jahren Parteienherrschaft kann sich manche zunächst lässliche Praxis zum Missbrauch auswachsen, besonders dort, wo die Politik in eigener Sache entscheidet. Bei der staatlichen Parteienfinanzierung hat das Bundesverfassungsgericht die Gefahr erkannt und Obergrenzen gezogen, um dem Eindruck der Selbstbedienung entgegenzuwirken. Auch die Abgeordnetendiäten dürfen nur im Wege eines auffälligen Gesetzgebungsverfahren erhöht werden, damit die öffentliche Kontrolle greifen kann. Beide Vorkehrungen fehlen bei der Finanzierung der Fraktionen. Hier gibt es weder Obergrenzen noch in aller Regel einen Gesetzesvorbehalt, so dass die Fraktionen sich immer wieder sprunghafte Erhöhungen bewilligen und inzwischen sehr viel mehr Staatsgeld einstreichen als die Parteien. Da die Fraktionen auch die Verwendungskontrolle weitgehend ausgeschaltet haben, können sie ihren Funktionären – an der Öffentlichkeit und der Verfassung vorbei – großzügige Zusatzgehälter zahlen, ohne dass der Verfassungsbruch bemerkt wird. Während das Parteienrecht in einem Bundesgesetz zusammengefasst ist, ist das Recht der Fraktionen (einschließlich ihrer Finanzierung) auf 17 Gesetze, zahlreiche Durchführungsbestimmungen und Hunderte von Haushaltsplänen verstreut; das erschwert natürlich den Zugang, und die Scheu vor der Enthüllung der finanziellen Quellen der Macht mag ein Übriges tun. Fakt ist jedenfalls, dass die Fraktionen von Wissenschaft und Publizistik immer noch vernachlässigt werden, obwohl sie längst zu Parteien in den Parteien geworden sind. Sie nehmen diesen mit ihrem vielen Geld immer mehr Aufgaben ab, so dass die Politikwissenschaft geradezu von „Fraktionsparteien“ spricht. Hier besteht fachlicher und öffentlicher Klärungsbedarf, wobei ein Professor nach meinem Verständnis, wenn nötig, auch in Kauf nehmen muss, den Mächtigen zu nahe zu treten. Wofür soll seine vom Steuerzahler finanzierte, verfassungsrechtlich garantierte Freiheit sonst gut sein? Will der Wissenschaftler seinen Beruf nicht verfehlen, muss er bereit sein, „anzuecken“ und „Vorgänge, über die man nicht spricht“, „rücksichtslos zu beleuchten.“ Dieses Wort Ernst Fraenkels, des großen Politik-Lehrers aus den Anfängen der Bundesrepublik, scheint mir auf das Thema meines kleinen Buchs ganz gut zu passen; Ecken gibt es hier wahrlich genug. Speyer, im März 2011
Hans Herbert von Arnim
Inhalt A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Verfassungsbruch: Folge unkontrollierter Fraktionsfinanzierung . . . . . . 11 2. Landtagspräsident Rheinland-Pfalz versus Südwestrundfunk . . . . . . . . . 11 B. Transparenz, Kontrollen, Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Die Herausforderung: Missbräuchliche Selbst-Bewilligung . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung der Politik in eigener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung und herrschende Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widerspruch parteigeneigter Wissenschaftler . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hans Hugo Klein und Walter Schmitt Glaeser . . . . . . . . . . . . . bb) Gerhard Leibholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politische Kartelle: Schwächung der Oppositions- und Wählerkontrolle
14 14 14 15 16 16 19 20
II. Die Antwort des Rechts: Verschärfte Kontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Intensive Gerichtskontrolle und öffentliche Gesetzgebung . . . . . . . . . . . 21 2. Deckelung der „Staatsknete“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Die Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Selbst-Bewilligung der „Demokraten“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstecken im Haushaltsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen: Unersättliche Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sprunghafte Steigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fraktionsfinanzierung auf der Überholspur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausbau des Fraktionsestablishments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 25 26 27 27 28 29
II. Die Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Politisch unerträglich und verfassungswidrig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geheimverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ohne spezialgesetzliche Regelung: verfassungswidrig . . . . . . . . . . . c) Geneigte Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auf dem Sprung nach Karlsruhe: Hans-Jürgen Papier . . . . . . . bb) Wie unabhängig sind Parlamentsbedienstete? Sven Hölscheidt cc) Argumentationshilfe vom Nachwuchs: Georg Christoph Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 29 31 32 33 34 35
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Inhalt 2. Noch geheimer: Erhöhung im Blitzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wie man Berichtspflichten umgeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bundestag: Gezielte Verwirrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Thüringer Landtag: Raffinierte Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Saarland: Verstecken von Teilen der Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geldfluss ohne Bremse: Wo bleibt die Obergrenze? . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Missbrauch von Fraktionsgeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einladung zur Illegalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wissenschaft: Vernachlässigte Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Intransparenz pur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leichthändige Bewilligung und mangelnde Kontrolle von Funktionszulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veranschlagung in Haushaltsplan und Haushaltsrechnung? Fehlanzeige 3. Mangelnde Transparenz in Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übliche Regelung im Bund und in den Flächenländern . . . . . . . . . . e) Intransparenz total . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee: Streng geheim und verfassungswidrig . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung auch des materiellen Zulagenverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz: Verbot von Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gleichheit und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen von Funktionszulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschärfung der Abhängigkeit durch Quasi-Einkommenslaufbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefahr grenzenloser Aufblähung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abdrängung der Zulagen in den parlamentarischen Untergrund dd) Ersatz für allgemeine Diätenerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Gefahr der Verbeamtung von Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierung des Grundsatzes im Interesse der Rechtssicherheit d) Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Grundsätzliches Verbot von Funktionszulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmebereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49 49 50 52 52 52 53 54 54 54 56 57 57 59 59 60 61 61 62 62 63 64
Inhalt
9
a) Stadtstaaten: Die Bürgerschaften von Hamburg und Bremen sowie das Abgeordnetenhaus von Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bloße Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmen für Parlamentarische Geschäftsführer? . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollzeit-Landtage mit Vollalimentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bindung der Länder gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG . . . . . . . . . . bb) Geltung des grundsätzlichen Verbots von Zulagen über Art. 28 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungsorgantreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erst-recht-Geltung für Fraktionszulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verfassungskonforme Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften 4. Wes Brot ich ess’: Die Rolle des abhängigen Sachverstandes . . . . . . . . .
69 71 72 73 74 76 76
III. Bund und Länder im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bezahlung von Fraktionsvorsitzenden: Abgedunkelt . . . . . . . . . . . . b) Geheimsache auch im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Sachsen-Anhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80 80 80 81 82 83 84 85 85 86 87 88 89 90 90 91 92
IV. Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Doppelalimentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herausgabe der verfassungswidrigen Beute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auskunftsansprüche gegen Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klage benachteiligter Abgeordneter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Strafbare Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 92 93 93 96 96
64 65 66 67 67 67
E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I. Prüfungs- und Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Beispiele für gesetzgeberische Entschärfung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . 100
10
Inhalt 1. 2. 3. 4.
Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 101 102 103
III. Amtswidrige Kontrollscheu von Rechnungshöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 F.
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Ein persönliches Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1
Sendung des ARD-Fernsehmagazins Report Mainz vom 20. 9. 2010 (Titel: „Abgeordnete und ihre Zulagen. Wieso viele Volksvertreter zu Unrecht kassieren“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
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Presseerklärung des Landtags Rheinland-Pfalz vom 21. 9. 2010 (Titel: „Funktionszulagen für parlamentarische Funktionen in Rheinland-Pfalz transparent und angemessen“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
3
Widerlegung der Presseerklärung des Landtags Rheinland-Pfalz durch den Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4
Sendung des ARD-Fernsehmagazins Panorama am 4. 11. 2010 (Titel: „Raubzug der Fraktionen: Wie die Fraktionen in deutschen Landtagen kassieren“) 129
5
Fraktionszuschüsse im Bundestag 1949 – 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
6
Fraktionszuschüsse des Bundes und der Länder 1965 und 2010 . . . . . . . . . 136
7
Fraktionszuschüsse im Bayerischen Landtag 1949 –2012 . . . . . . . . . . . . . . 137
8
Abgeordnetenentschädigung und Zulagen für Funktionsträger in Bund und Ländern nach den Abgeordnetengesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
9
Öffentliche Zuschüsse, sonstige Einnahmen und Ausgaben der Fraktionen für Funktionszulagen im Bundestag und im Bayerischen Landtag 2008 und 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
10 Globale Ausgaben der Fraktionen für Funktionszulagen im Jahre 2008 . . . . 141 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
A. Einleitung 1. Verfassungsbruch: Folge unkontrollierter Fraktionsfinanzierung Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit zahlen Parlamentsfraktionen seit Jahren verfassungswidrige Zulagen in Millionenhöhe an eine Vielzahl von Abgeordneten in Bund und Ländern. Erlaubt sind Zusatzgehälter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende. Doch die Verfassungsgrenze wird fast überall hemmungslos überschritten. Der Bundestag wollte einmal vorbildlich transparent sein. Durch die Kuppel des Reichstages sollte der Bürger nicht nur einen Blick mitten unter die Abgeordneten werfen können. Auch deren Finanzierung sollte durchsichtig sein. Doch hinsichtlich der Zusatzgehälter von Fraktionsfunktionären ist das Gegenteil der Fall. Selbst auf Anfrage der Medien geben gerade die größten Sünder keine Auskunft, obwohl es um Steuergeld geht. Demokratische Transparenz sieht anders aus. Der doppelte Verfassungsbruch (Verstoß gegen das Transparenzgebot und das grundsätzliche Zulagenverbot) geschieht nicht nur da und dort, sondern in fast allen deutschen Parlamenten, also den höchsten demokratischen Organen unseres Landes. Den Fraktionen fällt es leicht, an der Verfassung vorbei, viele lukrative Posten für ihre Funktionäre zu schaffen, weil sie sich selbst unmittelbar aus der Staatskasse üppig und mit gewaltigen Wachstumsraten versorgen, dies gezielt vor der Öffentlichkeit verbergen und wirksame Kontrollen weit gehend ausschalten. Das Zulagenunwesen ist die Folge einer Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle.
2. Landtagspräsident Rheinland-Pfalz versus Südwestrundfunk Das ARD-Fernsehmagazin Report Mainz hat das Thema am 20. 9. 2010 mit einem kritischen Bericht aufgegriffen (siehe Anlage 1). Der Präsident des Landtags Rheinland-Pfalz, Joachim Mertes, reagierte darauf – unter dem Schutz seiner parlamentarischen Unverantwortlichkeit 1 – mit einer ungewöhnlich schar-
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A. Einleitung
fen 2 Presseinformation (siehe Anlage 2). Zudem legte er als Mitglied des Verwaltungsrates beim Südwestrundfunk Programmbeschwerde ein. Die heftige Reaktion des Landtagspräsidenten verwunderte, denn die im Report-Bericht genannten Beispiele betrafen das Parlament und die Fraktionen von RheinlandPfalz gar nicht, sondern die von Bayern und Sachsen-Anhalt. Der rheinland-pfälzische Landtag trägt allerdings eine besondere Verantwortung für die bundesweite Fehlentwicklung. Denn bereits im Herbst 2000, kurz nach dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts, hatte der Landtag eine Vorlage für die Konferenz der Parlamentspräsidenten gefertigt, worin die Fortsetzung der verfassungswidrigen Funktionszulagen auf dem Umweg über die staatsfinanzierten Fraktionsbudgets empfohlen wurde 3 – offenbar ohne Rücksicht auf den rechtsstaatlichen Schaden, den die gezielte Umgehung verfassungsgerichtlicher Urteile durch die höchsten demokratischen Instanzen hervorrufen muss. Zudem hatte der Mainzer Landtag einer gegen seine eigenen Funktionszulagen gerichteten Klage beim Bundesverfassungsgericht, welche die vormalige Fraktionsvorsitzende der rheinland-pfälzischen Grünen, Friedel Grützmacher, angestrengt hatte, kurz vor Ende des neun Jahre dauernden Gerichtsverfahrens die Zulässigkeits-Grundlage entzogen. Das geschah dadurch, dass der Landtag die Landesverfassung so änderte, dass nunmehr der rheinland-pfälzische Staatsgerichtshof für derartige Verfahren zuständig wurde. Die Verfassungsänderung trat am 18. Mai 2000 in Kraft, am 21. Juli 2000 erklärte das Bundesverfassungsgericht, die Klage sei dadurch unzulässig geworden und verwarf sie ohne Sachentscheidung. 4 Daraus scheint der rheinland-pfälzische Landtagspräsident abzuleiten, mangels eines direkt auf Rheinland-Pfalz bezogenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts seien die Mainzer Fraktionen frei, beliebige Zusatzdiäten zu bewilligen. Doch das trifft nicht zu. Die prozessualen Konkurrenzen bedeuten keineswegs, dass die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2000 zu den Zusatzdiäten in Thüringen aufgestellten Grundsätze für das Land Rheinland-Pfalz keine Geltung besäßen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einer weiteren Entscheidung von 2007 bestätigt und ausgeführt, es habe in seinem Urteil von 1
Art. 93 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz lautet: „Kein Abgeordneter darf ... wegen der in Ausübung seines Mandats getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.“ Der Landtagspräsident glaubte, den Verfasser also ungestraft beleidigen und verleumden zu dürften. 2 So zum Beispiel Allgemeine Zeitung Mainz vom 22. 9. 2010. 3 Siehe z. B. den Bericht von Erich Röper, Funktionszulagen versus Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten, DÖV 2002, 655 (658). 4 BVerfGE 102, 245.
A. Einleitung
13
2000 zu Thüringen „allgemeine Maßstäbe zu der Frage aufgestellt, für welche Ämter Funktionszulagen vorgesehen werden können, ohne dass die Freiheit des Mandats und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verletzt sind.“ Damit seien „die wesentlichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe geklärt,“ anhand derer „die Verfassungsmäßigkeit der Entschädigungsregelung“ – dabei ging es um Zulagen in Schleswig-Holstein – „beurteilt werden“ könne. 5 Die Grundsätze der Freiheit des Mandats und der Gleichbehandlung der Abgeordneten gelten natürlich auch in Rheinland-Pfalz und binden auch den dortigen Landtag (siehe Anlage 3, die eine kompakte Auseinandersetzung mit der Presseinformation des rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten enthält). Das bestätigt auch Hans Joachim Jentsch, einer der Richter, die das grundlegende Urteil von 2000 geschrieben hatten, in einem Interview mit dem Magazin Ländersache des SWR Fernsehens. Am 22. 9. 2010 antwortete er auf die Frage, ob das Urteil auf Rheinland-Pfalz übertragbar sein: „Nach meiner Überzeugung eindeutig ja. Denn hier ist ein Grundsatz unseres parlamentarisch-demokratischen Systems, der im Grundgesetz angelegt ist, zum Ausdruck gekommen, und der gilt für den Parlamentarismus in ganz Deutschland auf allen Ebenen.“ Wenn es dazu noch eines weiteren Beleges bedurft hätte, so hat ihn jüngst eine Expertise des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg geliefert. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entfalte, so wird dort festgestellt, „mit ihren wesentlichen Gründen auch für den Landtag Brandenburg Bindungswirkung; sie erfasst sämtliche Funktionszulagen, unabhängig davon, ob sie nach dem Abgeordnetengesetz aus der Parlamentskasse oder aus Fraktionsmitteln geleistet werden.“ 6 Für Rheinland-Pfalz gilt nichts anderes. 7 Die Gesamtproblematik ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
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BVerfGE 119, 302 (309). Ulrike Schmidt, Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln, Dezember 2010, 19. 7 Das stimmt voll mit den Ermittlungen überein, die ich zusammen mit Thomas Drysch für die jüngste Kommentierung des Diäten-Artikels des Grundgesetzes angestellt hatte. Siehe von Arnim / Drysch, Kommentierung des Art. 48 GG im Bonner Kommentar (Drittbearbeitung, Dezember 2010), Rn 180 – 189. 6
B. Transparenz, Kontrollen, Grenzen I. Die Herausforderung: Missbräuchliche Selbst-Bewilligung 1. Entscheidung der Politik in eigener Sache a) Überblick Ein zentrales Problem der Politikfinanzierung ist die Entscheidung der Politik in eigener Sache. Mit Selbst-Bewilligungen wurden die Verfassungsgerichte bisher vor allem im Zusammenhang mit Abgeordnetendiäten und Staatszuschüssen für politische Parteien konfrontiert. Das Problem stellt sich aber auch bei der Finanzierung von Fraktionen. Bei Extra-Diäten, die nicht kraft Gesetzes, sondern von den Fraktionen nach eigenem Ermessen gezahlt werden, treffen beide Probleme zusammen: die Finanzierung von Fraktionen und von Abgeordneten. Dabei geht es einmal um die Bewilligung der Mittel durch das Parlament, sprich: durch die Fraktionen und Abgeordneten selbst. Dass sie bei Bestimmung der Gelder, die sie aus der Staatskasse für sich abzweigen, in eigener Sache entscheiden, ist offensichtlich. Es geht zweitens aber auch um die nachträgliche Kontrolle der Verwendung der Gelder. Auch bei deren Regelung handeln die Fraktionen in eigener Sache. Von der Art und der Intensität der Kontrolle, von ihrer Organisation und ihrem Verfahren, welche sie kraft ihrer Gesetzgebungsmacht selbst einrichten – oder eben nicht einrichten –, sind sie unübersehbar betroffen. Schließlich sind auch bei der personellen Besetzung der Kontrollorgane, der Rechnungshöfe und Gerichte, höchst eigene Interessen der Fraktionen und Abgeordneten im Spiel. Im Folgenden werden zunächst das Problem der Entscheidung des Parlaments in eigener Sache und die Folgerungen, die die Rechtsprechung daraus zieht, dargestellt. Sodann werden diese Erkenntnisse auf die Finanzierung der Fraktionen und auf die Zulagen angewendet. Entscheidungen in eigener Sache sind in unserer Rechtsordnung seit je verpönt. Sie verstoßen gegen die Grundregeln der repräsentativen Entscheidungsbildung, dass nämlich die Entscheidenden selbst kein persönliches, besonders kein finanzielles Interesse an dem Ergebnis der Entscheidung haben dürfen. 8 Selbstbe8 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1966, 267 f.; Hans Herbert von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, 52, 192, 388 ff.
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troffenheit schafft einen Interessenkonflikt. Deshalb spricht jedenfalls der äußere Schein dafür, dass die eigenen Interessen der Entscheidenden mangels Gegengewichts durchschlagen und es der Tendenz nach zu einseitigen Entscheidungen kommt. Der unausgewogene Prozess der Willensbildung „indiziert“ die Unausgewogenheit auch der Ergebnisse. 9 Das gilt nicht nur für Richter und Beamte. Auch Politiker sind überfordert, wenn man ihnen unbegrenzte und unkontrollierte Möglichkeiten der Selbstbegünstigung gibt und Mäßigung allein von ihrer Disziplin und ihrem Rechts- und Richtigkeitsgefühl erwartet. Selbst wenn die Beschlüsse formal vom Parlament getroffen werden, geschieht dies nicht durch einen unbefangenen, am Gemeinwohl orientierten benevolent ruler, sondern durch in Eigeninteressen befangene Abgeordnete, Fraktionen und Parteien. b) Rechtsprechung und herrschende Lehre Über die Ausgestaltung der Entschädigung von Abgeordneten, das heißt, über ihre Zusammensetzung, Höhe und Struktur, entscheidet das Parlament in eigener Sache und ist deshalb nicht unbefangen. 10 Von dieser Erkenntnis geht das Bundesverfassungsgericht seit seinem Diätenurteil von 1975 aus: In der parlamentarischen Demokratie lasse „es sich nicht vermeiden, dass das Parlament in eigener Sache entscheidet, wenn es um die Festsetzung der Höhe und um die nähere Ausgestaltung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen Regelungen“ gehe. 11 Andererseits legen Art. 48 Absatz 3 Satz 3 GG und die Landesverfassungen die Regelung der Entschädigung durch Gesetz ausdrücklich fest. Da im Bund „Gesetz“ von vornherein mit „Parlamentsgesetz“ gleichzusetzen ist, weil das Grundgesetz plebiszitäre Elemente – von Randfragen abgesehen – nicht kennt, kann die Entscheidung des Parlaments in eigener Sache als solche nicht verfassungswidrig sein. 12 Sie schafft allerdings besonderen Kontrollbedarf. Das hat 9 von Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, 2. Aufl., 1996, 26. Dass nur ein Gleichgewicht der Interessen ausgewogene, gemeinwohlkonforme Ergebnisse verspricht, betont auch das Bundesverfassungsgericht z. B. im Demonstrationsurteil vom 15. 5. 1985: BVerfGE 69, 315 (347). 10 Statt vieler: von Arnim, Parlamentsreform, 1970, 48 f.; ders., Die Steuerfreiheit von Abgeordnetendiäten ist verfassungswidrig, BB 1972, 889 (893); ders., Die Abgeordnetendiäten, 1974, 41 f.; ders., Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, 1975, 70 ff.; Hans Heinrich Rupp, Legitimation der Parlamente zur Entscheidung in eigener Sache, ZG 1992, 285 ff.; Hans-Jochen Vogel, Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZG 1992, 293 ff.; ThürVerfGH, ThürVBl.1999, 60 (62); Heinrich Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, 2007; jeweils m.w. N. 11 BVerfGE 40, 296 (327). Hervorhebung vom Verfasser. 12 In den Ländern können Gesetze allerdings auch durch Volksbegehren und Volksentscheid ergehen.
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Auswirkungen auf die Kontrolldichte der Rechtsprechung sowie auf die Öffentlichkeitsanforderungen des Entscheidungsverfahrens und legt Obergrenzen nahe. c) Widerspruch parteigeneigter Wissenschaftler aa) Hans Hugo Klein und Walter Schmitt Glaeser Einige parteinahe Rechtswissenschaftler bestreiten, dass Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache irgendwelche verfassungsrechtliche Relevanz besäßen. So vor allem der Göttinger Staatsrechtslehrer Hans Hugo Klein. Er meint, das Problem der Befangenheit gebe es nur bei Gerichten und Verwaltungen, nicht dagegen beim Gesetzgeber. Denn das Parlament könne gar nicht anders, als stets in eigener Sache zu entscheiden, da es in Wahrheit gar nicht die Vertretung des Volkes, sondern mit ihm identisch sei. Dabei beruft Klein 13 sich auf die Identitätstheorie von Carl Schmitt, 14 die auch Kleins Kollege, der Bayreuther Staatsrechtslehrer und Mitbegründer der dortigen Universität, Walter Schmitt Glaeser, übernommen hat. Deshalb entscheide „das im Parlament repräsentierte Volk gewissermaßen immer in eigener Sache“, 15 was aber völlig unproblematisch sei. Denn – entgegen Art. 48 Abs. 3 GG und entgegen dem Repräsentationsprinzip, 16 die beide die Unabhängigkeit der Abgeordneten postulieren – lehnt Schmitt Glaeser den „Befangenheitsgedanken“ und die „Selbstlosigkeit als Strukturprinzip“ ab und erklärt „Eigennutz“ und die entschiedene Wahrnehmung eigener Interessen durch die Volksvertreter geradezu zur demokratischen Tugend. 17 Klein folgt diesen Thesen Schmitt Glaesers ausdrücklich. 18 Auch er empfiehlt, die Befangenheit der Abgeordneten mittels jenes unhaltbaren theoretischen Konstrukts als Normalfall hinzunehmen und verfassungsrechtlich zu ignorieren. Zudem betonte er die formale Autorität des Parlaments als Kerninstitution der Demokratie, der man Vertrauen entgegenbringen müsse. Das Bundesverfassungsgericht dürfe dem Parlament nicht misstrauen, selbst wenn dieses in eigener Sache entscheidet 19 – eine These also ganz nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. 13
Hans Hugo Klein, in: Theodor Maunz / Günter Dürig / Roman Herzog, Grundgesetz-Kommentar (Loseblatt), Art. 48 (Bearbeitung Dezember 2007), Rn 149 f. 14 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 7. Aufl., 1991, 5 ff., 30 ff. 15 Walter Schmitt Glaeser, Das Bundesverfassungsgericht als „Gegengewalt“ zum verfassungsändernden Gesetzgeber? – Lehren aus dem Diäten-Streit 1995, in: Joachim Burmeister (Hrsg.), Festschrift für Klaus Stern zum 65. Geburtstag, 1997, 1183 (1195). 16 von Arnim, Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, 1975, m.w. N., 27 ff. Jetzt ausführlich Heinrich Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, 2007, 314 ff. m.w. N. 17 Schmitt Glaeser, a. a. O., 1195 f. 18 Siehe Klein, Rn 150, Fußn. 348: Schmitt Glaeser, „dessen Überlegungen ich folge.“
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Deshalb kommt für Klein z. B. eine intensivere Kontrolle des in eigener Sache entscheidenden Gesetzgebers durch das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht. 20 Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bleibe weit. 21 So sei z. B. die Koppelung der Entschädigung an Beamtengehälter oder andere Richtgrößen – entgegen dem Diätenurteil – zulässig. 22 Klein und Schmitt Glaeser verschließen die Augen vor den Diäten-Auswüchsen und den missbräuchlichen Steigerungen der Politikfinanzierung, die die Parlamente sich zu bewilligen pflegen, wenn keine wirksamen Kontrollen bestehen. Zwar räumt Klein selbst ein, dass die tatsächliche Situation bei Diätenentscheidungen eine besondere ist, weil das „individuelle Interesse der Abgeordneten an statusrechtlichen Regelungen, die nur sie betreffen, tatsächlich ein gesteigertes sein kann“. Doch das sei für „die verfassungsrechtliche Betrachtung ... ohne Bedeutung.“ 23 Ein solches Ausblenden der Wirklichkeit aus dem Blick des Verfassungsrechtlers steht in krassem Widerspruch zum heutigen Stand der Verfassungsinterpretation. 24 Klein und Schmitt Glaeser erheben Entscheidungen des Gesetzgebers in eigener Sache kurzerhand zur Normalität und lassen das elementare Verfassungsproblem von Entscheidungen der politischen Klasse, in denen es allein um ihre eigene Versorgung mit Geld und Posten geht, mittels eines dogmatischen Taschenspielertricks unter den Tisch fallen. Dabei berufen sie sich auf die wolkige, nicht überprüfbare Identitätsfiktion Carl Schmitts, des geistigen Totengräbers des Weimarer Parlamentarismus, die die herrschende Staatsrechtslehre längst aufgegeben hat. 24a Ihre Argumentation beruht in jeder Hinsicht auf einem völlig überholten Stand der Staatsrechtslehre und ist letztlich unhaltbar. 19
Klein, Rn. 152. Klein, Rn. 152. Ebenso Hans-Heinrich Trute, in: Philip Kunig (Hg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 48 Rn 29. 21 Klein, Rn 153. 22 Klein, Rn 156 ff., 206. 23 Klein, Rn 150. 24 Siehe zusammenfassend Hartmut Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 1 Rn. 74: „Es ist allgemein anerkannt, dass die Auslegung von Rechtsnormen nur unter Einbeziehung der tatsächlichen Wirklichkeit, die durch die Norm geregelt werden soll, möglich ist. Recht und Wirklichkeit stehen in einem sich gegenseitig bedingenden und befruchtenden Wechselverhältnis. Bildlich gesprochen: Die Wirklichkeit fragt, das Recht antwortet, aber durch die Frage wird auch die Antwort bis zu einem gewissen Grad bestimmt und präjudiziert. Wenn in der Praxis neue Probleme auftauchen oder bestehende Konstellationen in neuem Licht erscheinen, ergeben sich auch für die Auslegung neue Herausforderungen. Sie muss darauf reagieren, was zur richterlichen Rechtsfortbildung oder zu einem Verfassungswandel führen kann, das heißt zur Änderung des ursprünglichen Sinns einer Verfassungsnorm ohne Textänderung.“ 24a Statt vieler Hasso Hofmann, Legitimität gegen Legalität, 4. Aufl., 2002, 139 ff.; Horst Dreier, in: Dreier (Hg.), Grundgesetz. Kommentar, 2. Aufl., Bd. II, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn 69. 20
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Es bleibt deshalb mit der Verfassungsrechtsprechung und der ganz herrschenden Lehre dabei: Die Entscheidung des Parlaments über die Abgeordnetenentschädigung stellt als Entscheidung in eigener Sache ein zentrales verfassungsrechtliches Problem dar. 25 Bei Klein und Schmitt Glaeser bestehen aufgrund ihrer eigenen parteilichen Karriere Zweifel an ihrer Unbefangenheit. Klein war seit 1972 CDU-Bundestagsabgeordneter und wurde später Parlamentarischer Staatssekretär. Er hatte im Vorfeld des Diätenurteils von 1975, in dem das Gericht erstmals ausdrücklich von einer Entscheidung des Parlaments „in eigener Sache“ sprach, in allen Punkten für das genaue Gegenteil plädiert: 26 eine laxe Kontrolle, die Aufrechterhaltung der Steuerfreiheit 27 und der Doppelalimentation von Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst. 28 Auch in Sachen Parteienfinanzierung durch Steuervergünstigung hatte Klein 1982 eine für die Parteien äußerst großzügige Linie vertreten, 29 war darauf ins Bundesverfassungsgericht berufen worden, welches seiner Auffassung 1986 zunächst folgte, 30 bevor es 1992 wieder zu einer strengen Kontrolle zurückkehrte. 31 Ähnliche Zweifel bestehen bei Schmitt Glaeser. Als Mitglied (1987 bis 1996) und zuletzt als Präsident (1994 bis 1996) des 1996 durch Volksentscheid abgeschafften Bayerischen Senats war er prominenter (CSU-)Parteipolitiker. Vieles spricht dafür, dass Kleins und Schmitt Glaesers Auffassung von ihrer Rolle als Parteipolitiker mit geprägt ist. Wer den Interessenkonflikt nicht sehen will, der in der Wahrnehmung solch unterschiedlicher Rollen liegt, wie aktiver und prominenter Parteipolitiker, Staatsrechtslehrer, Verfassungsrichter und Grundgesetz-Kommentator, und folglich blind ist gegenüber dem Problem von „Parteipolitik im Gewand der Wissenschaft“, 32 muss konsequenterweise auch die Interessenkollision, die bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache besteht, für ganz normal und unproblematisch halten. Dass es Klein – trotz seiner offensichtlichen Interessenkonflikte – gelungen ist, eine Rolle als unabhängiger Staatsrechtslehrer einzunehmen, ohne dass die Öffentlichkeit oder mindestens die Fachöffentlichkeit die Interessenkollision diskutiert und bewer25
Zusammenfassend: Heinrich Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, 2007. Klein hatte damals für die CDU ein Gutachten erstellt. Siehe von Arnim, Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, 1975, S. 9, Fußn. 1a. 27 Siehe von Arnim, Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, S. 45 f. 28 Vgl. von Arnim, Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, 59. 29 Hans Hugo Klein, Parteien sind gemeinnützig – das Problem der Parteienfinanzierung, NJW 1982, 735. 30 BVerfGE 73, 40. 31 BVerfGE 85, 264. 32 Auf diese Gefahr weist hin: Andreas Voßkule, Die politische Dimension der Staatsrechtslehre, in: Helmuth Schulze-Fielitz (Hg.), Staatsrechtslehre als Wissenschaft, Die Verwaltung, Beiheft 7, 2007, 135 (146). 26
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tet hat, ist – zumindest für den wissenschaftlichen Diskurs – fatal. Früher bestand für Staatsrechtslehrer das traditionelle Verbot, Mitglied einer Partei zu sein. 33 Dieses Verbot ist inzwischen in Vergessenheit geraten. Dabei wäre – in Anbetracht der gewaltigen Zunahme der Macht der Parteien – parteipolitische Abstinenz, zumindest hinsichtlich hervorgehobener parteipolitischer Funktionen, im Interesse der Unabhängigkeit der Wissenschaft heute erst recht das Gebot der Stunde – wenigstens wäre die allgemeine Berücksichtigung der Besorgnis mangelnder Unbefangenheit der betreffenden Autoren und der zu befürchtenden Einseitigkeit ihrer Veröffentlichungen dringend geboten. bb) Gerhard Leibholz Auch für Gerhard Leibholz, der in den ersten Jahren der Republik als Staatsrechtslehrer und Bundesverfassungsrichter großen Einfluss ausgeübt hatte, stellten Entscheidungen der Politik in eigener Sache kein Problem dar. Sie waren – entsprechend seiner Parteienstaatsdoktrin – auch für ihn der positiv zu bewertende Normalfall, mag Leibholz auch den erst später entwickelten staatsrechtlichen Begriff der Entscheidung in eigener Sache selbst noch nicht gekannt haben. Denn Partei und Volk seien, so Leibholz, genauso wie Partei und Staat, als identisch anzusehen. Partei, Staat und Volk seien eins. 34 In dieser Sicht, deren – horribile dictu – faschistische Provenienz unlängst von einer jungen, auch politisch inkorrekte Wahrheiten nicht scheuenden Historikerin aufgezeigt worden ist, 35 müssen Entscheidungen der Politik in eigener Sache als ganz natürlich und ohne weiteres hinnehmbar erscheinen. Die Dreieinigkeitslehre von Leibholz gilt heute in der Staatsrechtslehre und Verfassungsrechtsprechung als völlig überholt. 36 Das ist wohl auch der Grund, warum Klein und Schmitt Glaeser sich nicht auf Leibholz berufen, obwohl sie unübersehbar von ihm beeinflusst sind. Die von Leibholz inspirierte Entwicklung wirkt – trotz der Unhaltbarkeit seiner Lehren – unterschwellig und ohne ihn beim Namen zu nennen, immer noch fort. Das muss man sich verdeutlichen, wenn man dagegen wirksam Front machen will. 33
Michael Stolleis, Staatsrechtslehre und Politik, 1996, 26 f. Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestalt von der Demokratie im 20. Jahrhundert, 3. Aufl., 1966, 245; ders., Deutscher Juristentag 1950, C 2 (19). 35 Siehe Leibholz’ akademische Antrittsvorlesung „Zu den Problemen des faschistischen Verfassungsrechts“, 1928. Dazu Susanne Benöhr, Gerhard Leibholz’ Parteienstaatslehre im Spiegel des faschistischen Verfassungsrechts, Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 81 (2001), 504 (506): „Die Weichenstellung der Antrittsvorlesung für Leibholz‘ Parteienstaatslehre wurde“ bisher „größtenteils ignoriert“. 36 Statt vieler Dieter Grimm, Die politischen Parteien, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., 1994, 599 (615 ff.) mit weiteren Nachweisen. 34
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2. Politische Kartelle: Schwächung der Oppositions- und Wählerkontrolle Bei Entscheidungen des Parlaments über den finanziellen Status von Abgeordneten funktioniert auch die Kontrolle der Regierung(sfraktionen) durch die Opposition(sfraktionen) meist nicht. Auch das ist hoch problematisch, denn diese Art der Kontrolle stellt – neben der Verpflichtung der Amtsträger aufs Gemeinwohl – den zentralen Funktionsmechanismus der parlamentarischen Demokratie dar: Die Kontrolle der Regierungsmehrheit durch die Opposition benennt Missstände und macht sie publik, so dass die Bürgerschaft bei der nächsten Wahl die Konsequenzen ziehen kann. Doch daran fehlt es in Sachen Diäten. Da alle Parlamentsmitglieder persönlich interessiert sind, bringen sie Gesetzesvorlagen, die ihnen Vorteile bringen, gemeinsam ein und setzen sie gemeinsam durch – oder sie blocken als nachteilig empfundene Vorhaben gemeinsam ab. Auch von der Kontrolle durch die Medien, die ja von der Mobilisierung durch die Öffentlichkeit leben, bleibt dann oft nicht mehr viel übrig. Und selbst wenn einzelne Abgeordnete oder ganze Minderheitsfraktionen ihre Zustimmung verweigern oder gar protestieren, ist dies nicht immer ernst gemeint, sondern erfolgt zur wohlfeilen öffentlichen Profilierung, weil sie wissen, dass sie trotz des Protestes in den Genuss des Mehrheitsbeschlusses gelangen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausfall der Oppositionskontrolle, der auch für Entscheidungen über die Parteienfinanzierung typisch ist, so formuliert: „Ähnlich wie bei der Festlegung der Bezüge von Abgeordneten und sonstigen Inhabern politischer Ämter ermangelt das Gesetzgebungsverfahren in diesem Bereich [gemeint war die Parteienfinanzierung] regelmäßig des korrigierenden Elements gegenläufiger politischer Interessen.“ 37
Wettbewerbsbeschränkende politische Kartelle hebeln auch die Kontrolle durch den Wähler aus und entmachten diesen: Welche Partei auch immer er wählt, alle sind in das Kartell eingebunden.
II. Die Antwort des Rechts: Verschärfte Kontrollen Angesichts der Entscheidung der Politik in eigener Sache und der Ausschaltung der Oppositions- und Wählerkontrolle liegt die Gefahr nahe, dass die Politik ihre Gesetzgebungs- und Haushaltsmacht zum eigenen Vorteil instrumentalisiert. Umso dringender stellt sich die Frage, wer hier noch gegenhalten, Machtmissbrauch verhindern und eine halbwegs wirksame Kontrolle ausüben kann. Dafür 37
BVerfGE 85, 264 (292).
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kommen – neben den Rechnungshöfen – vor allem die Verfassungsgerichte und die Öffentlichkeit in Betracht. 38 1. Intensive Gerichtskontrolle und öffentliche Gesetzgebung Ein wesentliches Gegengewicht gegen die Missbrauchsgefahr bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache bildet die Verfassungsrechtsprechung selbst. Das Bundesverfassungsgericht hat denn auch ganz konsequent im Diätenurteil von 1975 39 und im Parteienfinanzierungsurteil von 1992 40 eine intensive Kontrolle vorgenommen. 41 Auch die Entscheidungen über Zulagen für Funktionsträger des Parlaments und der Fraktionen 42 gehören hierher. Die Bedeutung der Öffentlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht im Diätenurteil von 1975 an zwei Stellen zum Ausdruck gebracht, denen offenbar eine einheitliche Konzeption zu Grunde liegt. Die eine Stelle betraf ein Abgeordnetengesetz, welches das Parlamentspräsidium ermächtigte, bestimmte Teile der Entschädigung betragsmäßig festzulegen. Das Gericht hat die Delegation der Entscheidungsbefugnis auf das Präsidium für verfassungswidrig erklärt, weil dadurch wesentliche Teile der finanziellen Ausstattung der Abgeordneten der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen würden. In einer parlamentarischen Demokratie lasse es sich zwar nicht vermeiden, dass das Parlament in eigener Sache entscheide, wenn es um die Abgeordnetenentschädigung gehe. „Gerade in einem solchen Fall“ verlange aber, wie das Gericht fortfährt, „das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip (Art. 20 GG), dass der gesamte Willensbildungsprozess für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“ 43 Diätenentscheidungen des Parlaments müssten deshalb durch formelles Gesetz erfolgen. Nur bei Erlass eines spezifischen Sachgesetzes, nicht aber bei der bloßen Einstellung oder Änderung 38
In den Ländern, wo den Bürgern Volksbegehren und Volksentscheid offen stehen, könnte darüber hinaus mit direkter Demokratie gegengehalten werden. 39 BVerfGE 40, 296. 40 BVerfGE 85, 264. 41 Siehe dazu bereits von Arnim, Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, 1975, 70 ff.; zuletzt von Arnim / Drysch, Drittbearbeitung des Art. 48 GG im Bonner Kommentar (Dezember 2010), Rn. 134 ff. mit weiteren Nachweisen. 42 BVerfGE 40, 296; 102, 233; 119, 302 (309). 43 BVerfG 40, 296 (327).
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eines Titels im Haushaltsplan sei die Möglichkeit der öffentlichen Kontrolle gewährleistet. Die andere Stelle im Diätenurteil, an der das Gericht die Bedeutung der öffentlichen Kontrolle hervorhebt, bezog sich auf die Koppelung der Höhe der Diäten an die Beamtenbesoldung. Diese bewirkte, dass Anhebungen der Besoldung automatisch und ohne viel Aufhebens eine Erhöhung auch der Entschädigung nach sich zogen. Das sei verfassungswidrig, weil das Parlament der Notwendigkeit enthoben werde, „jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden.“ 44 Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat diese Grundsätze prägnant zusammengefasst: Wenn Abgeordnete „Verbesserungen ihrer Einkommenslage beschließen“, müssen sie „ein besonderes Verfahren einhalten. ... Dieses ist dadurch bestimmt, dass ... die konkrete Entscheidung der Kritik der außerparlamentarischen Öffentlichkeit begegnen können muss (ThürVerfGH LVerfGE 9, 413 [434]; BVerfGE 40, 296 [297, 327]). Diese für Veränderungen der Abgeordnetenentschädigung zu beachtende Transparenz erfordert, dass die verändernde Entscheidung Gegenstand eines formellen Parlamentsgesetzes ist, das heißt, nicht in einem Verfahren beschlossen wird, welches in einem minder dichten Maß geregelt ist und in seiner Abfolge weniger klar im Licht der Öffentlichkeit steht, als dies bei einem formellen Gesetz der Fall ist. Hinzu kommt, dass das solchermaßen beschlossene Gesetz in seinem Inhalt so eindeutig sein muss, dass der gesetzgeberische Wille nicht im Dunkeln bleibt oder sich erst aus einer Reihe komplexer Ermittlungsschritte erschließt.“ 45 Aus dieser Rechtsprechung, der die herrschende Staatsrechtslehre folgt, ergibt sich: Bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache ist die Kontrolle durch die Öffentlichkeit unerlässlich. Die aber kann nur bei formal-gesetzlicher Regelung greifen, die genau benennt, wofür es wie viel Geld gibt. Das Bundesverfassungsgericht lässt deshalb für die Bewilligung von Diäten und staatlicher Parteienfinanzierung nur die Regelung durch ein formelles, speziell der betreffenden Materie gewidmetes Gesetz zu: mit Gesetzesantrag in Form einer öffentlichen Parlamentsdrucksache, öffentlichen Verhandlungen im Parlament und der Publikation des erhöhten Betrages im Gesetzblatt. Dadurch sollen dem Parlament und seinen Mitgliedern bei Entscheidungen in eigener Sache die Flucht aus der für sie unbequemen öffentlichen Angemessenheitsdiskussion versperrt und reale Öffentlichkeit hergestellt werden, die 44
BVerfGE 40, 317. ThürVerfGH, Urteil vom 14. 7. 2003, Aktenzeichen: VerfGH 2/01, NVwZ-RR 2003, 793 (794). 45
II. Die Antwort des Rechts: Verschärfte Kontrollen
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Gegendruck gegen als unangemessen empfundene Diäten- und Parteienfinanzierungsbeschlüsse sowie einen gewissen Zwang zur Begründung entstehen lässt. Es handelt sich um einen gesteigerten Fall des bereits in Art. 48 Abs. 3 Satz 3 GG und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen sowie, für die Parteienfinanzierung, in Art. 21 Abs. 3 GG vorgesehenen Gesetzesvorbehalts. 46 Bewilligungen bloß im Haushaltsplan, der kein Gesetz im Sinne des genannten Gesetzesvorbehalts darstellt und in dessen tausenden von Titeln Erhöhungen leicht untergehen, reichen nach Rechtsprechung und herrschender Lehre nicht aus. 47 2. Deckelung der „Staatsknete“ Öffentlichkeit und Transparenz sind zwar notwendige Bedingungen, damit die ohne Oppositions- und Wählerkontrolle beschlossene Selbstbewilligung von Staatsgeld nicht völlig außer Kontrolle gerät; sie reichen aber nicht aus, wenn es um die Staatsfinanzierung von Parteien geht, bei der das Parlament ebenfalls in eigener Sache entscheidet. 48 Um die Gefahr zu bannen, dass die Parteien, die ja das Parlament beherrschen, sich immer mehr bewilligen, hat das Bundesverfassungsgericht einen Deckel erzwungen 49 (so genannte absolute Obergrenze), der die Gesamtsumme der staatlichen Parteienfinanzierung auf einen bestimmten Betrag – derzeit 133 Mio. € im Jahr 50 – begrenzt. Damit will das Gericht verhindern, dass „der Umfang der Staatsfinanzierung der Parteien weiter anschwillt. ... Der Staat darf den Parteien nicht mehr zuwenden, als sie unter Beachtung des Gebots sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel, die ja im Wesentlichen aus den von den Bürgern erhobenen Abgaben bestehen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.“ Es geht dabei aber nicht nur um fiskalische Belange. Das Gericht sorgt sich auch um das für das öffentliche Ansehen der Parteien abträgliche Bild der Selbstbedienung und die Handlungsfähigkeit der Politik:
46 Hans Herbert von Arnim, Zur „Wesentlichkeitstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts. Einige Anmerkungen zum Parlamentsvorbehalt, DVBl. 1987, S. 1241 (1245 f. m.w. N.). 47 von Arnim, Wesentlichkeitstheorie, 1246 f. 48 von Arnim, Parteienfinanzierung, 1982, 46 ff. 49 BVerfGE 85, 264 (290 – 292). Siehe bereits den dahingehenden Vorschlag bei von Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, 1991 (1. Aufl.), 291. Ebenso Göttrik Wewer, Die Dialektik der Stabilität – Politischer Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hg.), Parteienfinanzierung und politischer Wettbewerb, 1990, 459 (486). 50 § 18 Abs. 2 PartG.
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B. Transparenz, Kontrollen, Grenzen „Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien ‚bedienten‘ sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.“ 51
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BVerfGE 85, 264 (290).
C. Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle Bei der Finanzierung von Fraktionen stellen sich zwei große Probleme: Das eine betrifft das Verfahren, in dem über ihre Einnahmen entschieden wird. Da die Fraktionen sich diese selbst bewilligen, muss die (mangelnde) Kontrolle zum zentralen Thema werden. Das zeigt bereits die gewaltige Steigerung der öffentlichen Mittel, die sich die Fraktionen in den vergangenen Jahrzehnten bewilligt haben. Das zweite Problem betrifft die Kontrolle der Mittelverwendung, also die Ausgabenseite. Da die Fraktionen die Gesetzgebung beherrschen und die Spitzen der Rechnungshöfe bestellen, haben sie alle Instrumente in der Hand, sich nicht nur auf der Einnahmenseite nach Belieben zu bedienen, sondern auch die Kontrolle ihrer Ausgaben durch Öffentlichkeit und Rechnungshöfe zu entschärfen. Viele Parlamente und Fraktionen haben sich auf diesen Wegen praktisch Kontrollfreiheit zu verschaffen versucht.
I. Die Lage 1. Gemeinsame Selbst-Bewilligung der „Demokraten“ Die Fraktionen werden fast vollständig vom Staat finanziert. Im Bund und in den meisten Ländern bezeichnen sie ihre öffentlichen Mittel in Gesetzen und Haushaltsplänen zwar etwas irreführend immer noch als Zuschüsse, in Wahrheit aber stellen diese fast eine 100%-Finanzierung dar. Zu Beiträgen der Abgeordneten an ihre Fraktionen besteht wenig Anreiz, da sie – im Gegensatz zu den Zuwendungen an die Partei – nicht steuerbegünstigt sind. Einige Ländergesetze, z. B. in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern, sprechen deshalb zutreffender von Sach- und Geldleistungen aus dem Haushalt. Und diese wachsen mit zum Teil gewaltigen Raten. Bei der Bewilligung öffentlicher Mittel für die Fraktionen handelt das Parlament, das ja aus Fraktionen besteht, in welchen sich die Abgeordneten der verschiedenen Parteien zusammenfinden, genau wie bei Diäten und Parteienfinanzierung, unübersehbar in eigener Sache, 52 so dass auch hier die Gefahr des Missbrauchs naheliegt.
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C. Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle
In Erhöhungen der Zahlungen werden meist alle Fraktionen eingebunden und bilden ein politisches Kartell, so dass die für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie so wichtige öffentliche Kontrolle durch die Opposition ausfällt, von einer Kontrolle durch die Wähler, die von der Erhöhung oft gar nichts erfahren, ganz zu schweigen. 2. Verstecken im Haushaltsplan Die Bewilligung der „Zuschüsse“ geschieht im Bund und in den meisten Ländern nicht im Wege eines öffentlichkeitswirksamen Gesetzgebungsverfahrens. Erhöhungen der Staatszuschüsse erfolgen – anders als bei der staatlichen Parteienfinanzierung und den Abgeordnetendiäten – nicht durch Änderung eines speziellen Gesetzes, sondern durch die bloße Einstellung der höheren Globalsumme in den Haushaltsplan, 53 der natürlich kein Sachgesetz darstellt. Im Haushaltsplan, der Tausende von Titeln enthält, gehen selbst gewaltige Erhöhungen der Fraktionsmittel leicht unter. Es erfolgt auch keine Veröffentlichung im Gesetzblatt; dort werden nur das Haushaltsgesetz und der Gesamtplan veröffentlicht, aus denen die Erhöhung der Fraktionszuschüsse gerade nicht ersichtlich ist. Auch der Schlüssel für die Verteilung der Mittel auf die Fraktionen steht, wenn überhaupt, 54 meist lediglich in den Erläuterungen des Haushaltstitels, und von einer speziellen Aufgliederung der beabsichtigten Ausgaben der Fraktionen nach Art und Zweck entsprechend dem haushaltsrechtlichen Spezialitätsprinzip (siehe unten S. 50) kann schon gar keine Rede sein. 55
52 von Arnim, Parteienfinanzierung, 1982, 111; ders., Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, 1987, 23 f.; ders., Finanzierung der Fraktionen, 1993, 29 ff. Dem stimmen auch Autoren zu, denen man alles andere als Parteien- und Fraktionsfeindseligkeit vorwerfen kann, z. B. Martin Morlok, Gesetzliche Regelung des Rechtsstatus und der Finanzierung der Bundestagsfraktionen, NJW 1995, 29 (31); Sven Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 579 ff. 53 Anders aber in Hamburg (§ 2 FraktG), Niedersachsen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 AbgG) und Rheinland-Pfalz (§ 2 Abs. 3 FraktG). Dort sind die Zahlungen und der Verteilungsschlüssel betragsmäßig genau im Abgeordnetengesetz genannt und können deshalb nur durch formelles Gesetz geändert werden. 54 Nicht selten wird bei erhöhter Bewilligung im Haushaltsplan und Änderung des Verteilungsschlüssel nicht einmal diese Änderung genannt. 55 Im Haushaltsplan von Schleswig-Holstein finden sich immerhin Stellenpläne für die Mitarbeiter der Fraktionen.
I. Die Lage
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3. Auswirkungen: Unersättliche Fraktionen a) Sprunghafte Steigerungen Ohne spezialgesetzliche Nennung der Beträge und ohne Deckelung degeneriert das Bewilligungsverfahren erst recht zu einem kontrollfreien Geheimverfahren, welches den in eigener Sache einigen „Demokraten“ ohne große öffentliche Begründung sprunghafte Erhöhungen erlaubt. So haben sich die Zahlungen allein an die Bundestagsfraktionen von 1950 (0,348 Millionen DM) bis 2011 (78,8 Millionen €) rund ver-450-facht (siehe Anlage 5). Die Zahlungen an die Fraktionen des Bundestags und der Landesparlamente zusammen sind von 1965, als sie noch 9,7 Mio. DM betrugen, 56 auf 187 Mio. € im Jahre 2011 (siehe Anlage 6), also auf das 38-Fache angeschwollen. 57 Darin sind die weit über 100 Mio. €, die die Fraktionen in den Kommunen bekommen, noch gar nicht enthalten. Zu den 187 Mio. € kommen in manchen Ländern noch weitere „Zuschüsse“ und zusätzliche geldwerte Leistungen hinzu, zum Beispiel Personal, wie in Baden-Württemberg und Hessen. Fast überall werden den Fraktionen zudem kostenlos Räume und Serviceleistungen zur Verfügung gestellt. Damit kommen sie insgesamt auf weit über 200 Mio. € jährlich. Bereinigt man die ausgewiesenen 187 Mio. Euro um die Zahlungen, die auf die fünf neuen Länder und den einigungsbedingten Teil des Bundestages entfallen, ist die Summe immer noch 28 mal so hoch wie 1965. Betrachtet man die Entwicklung im Bund in den letzten Jahrzehnten (siehe Anlage 5), so fällt besonders die Absenkung um fast 10 % im Jahre 1993 auf: von 109 (1992) auf 99 Mio. DM; auf diese Weise wollten die Fraktionen der scharfen öffentlichen Kritik und dem anstehenden Bericht der von Richard von Weizsäcker berufenen Parteienfinanzierungskommission den Wind aus den Segeln nehmen. Hier zeigt sich, dass öffentliche Kritik durchaus Wirkung entfalten kann. Aber das geht vorüber, wenn sich die Kontrolle nicht auch institutionell niederschlägt, und das ist leider bisher nicht geschehen, die erforderlichen Kontrollmechanismen fehlen immer noch. 2003 erfolgte ebenfalls eine Absenkung von 62,0 Mio. Euro (2002) auf 58,5 Mio. Das dürfte im Wesentlichen mit der Verkleinerung des Bundestags auf 603 Sitze ab 2002 zusammenhängen (vorher 669 Sitze). Vorher und später wurde aber immer wieder kräftig aufgestockt, zuletzt von 61,2 Millionen € auf 67,6 Mio. (für 2006) und von 69,5 auf 75,5 Mio. Euro (für 2009). 56
von Arnim, Finanzierung der Fraktionen, 73. Zum Vergleich: Das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland ist in derselben Zeit auf etwa das Elffache gewachsen. 57
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C. Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle
Die ohnehin schon geringe Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Finanzierung der Fraktionen ist noch weiter gemindert, seitdem ab 2003 der Schlüssel für die Berechnung der Fraktionszahlungen, der vorher immerhin im Haushaltsplan gestanden hatte, herausgenommen wurde. Selbst die Ausführungsbestimmungen, die Einzelheiten der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraktionen regeln sollen und die der Ältestenrat nach Anhörung des Bundesrechnungshofs auf Grund zwingenden Gesetzesbefehls zu erlassen hat (§ 51 Abs. 1 AbgG), fehlen immer noch. Sie sollten eigentlich „die Gebote der wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Verwendung der den Fraktionen zur Verfügung gestellten Geldund Sachleistungen konkretisieren.“ 58 Doch daran sind die Fraktionen, die natürlich auch den Ältestenrat beherrschen, offenbar nicht interessiert, und der Bundesrechnungshof scheint sich damit abzufinden. Einige Beispiele für sprunghafte Erhöhungen in den Ländern aus jüngster Zeit, die später näher erläutert werden: Die Fraktionen des Bayerischen Landtags bewilligten sich für 2009 auf einen Schlag 40% mehr (siehe Anlage 7). Sie erhöhten ihre Zuschüsse von 10,4 Mio. € (2008) auf 14,5 Mio (2009). Im Saarland wurden die Fraktionszuschüsse sogar um 47% ausgeweitet: von 2,5 Mio. € (2009) auf 3,8 Mio. (2010), in Thüringen ebenfalls um 47 %: von 5,1 Mio. Euro (2009) auf 7,5 Mio. (2010). 59 Dagegen erscheint die Erhöhung der Zuschüsse in Brandenburg von 4,7 Mio. € (2009) auf 5,8 Mio. in 2010 (plus 24,5 %) und in Schleswig-Holstein von 4,2 Mio. € (2010) auf 5,7 Mio. (plus 32 %) fast bescheiden. b) Fraktionsfinanzierung auf der Überholspur Die Fraktionen erhalten inzwischen mit jährlich weit über 200 Mio. € sehr viel mehr Geld aus den öffentlichen Kassen als die Parteien, deren Staatszuschüsse aufgrund der absoluten Obergrenze bei 133 Mio. € im Jahr gedeckelt sind. In den 133 Mio. € sind auch Gelder an kleinere Parteien enthalten, die wegen der Fünf-Prozent-Klausel keine Fraktionen in die Parlamente des Bundes und der Länder entsenden, ebenso die Zuwendungen, die den Parteien aufgrund 58 Braun / Jantsch / Klante, Abgeordnetengesetz. Kommentar, 2001, § 51, Rn 4. – Dass der Erlass nur fakultativ sei, wie die Bundestagsverwaltung in einem Schreiben von 30. 11. 2010 an den Verfasser meint, ist mit Wortlaut und Sinn des § 51 Abs. 1 AbgG nicht zu vereinbaren. So auch Braun / Jansch / Klante, a. a. O.: „Der Gesetzesbefehl ist bislang nicht vollzogen.“ 59 Der Umstand, dass nach den Landtagswahlen zusätzliche Parteien in die Parlamente kamen, hätte allenfalls zusätzliche Grundbeträge für die neuen Fraktionen gerechtfertigt, nicht aber Erhöhungen im genannten gewaltigen Umfang. Im Übrigen: Der Umfang der staatlichen Parteienfinanzierung, über den das Parlament ebenfalls in eigener Sache entscheidet, bleibt – aufgrund der dort aus guten Gründen vom Bundesverfassungsgericht errichteten absoluten Obergrenze – von Änderungen in der Zusammensetzung des Parlaments unberührt. Bei der Fraktionsfinanzierung fehlt bisher eine solche Grenze.
II. Die Bewertung
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der Europawahlen zufließen. Berücksichtigt man dies, wächst der Abstand der Fraktionszahlungen gegenüber der staatlichen Parteienfinanzierung noch weiter. Die Zunahme des Gewichts der staatlichen Fraktionsfinanzierung wird durch eine Pro-Kopf-Rechnung besonders deutlich: Während die Fraktionen im Jahre 1966 zusammen noch etwa 25 Pfennige je Wahlberechtigten erhielten, bekommen sie heute 3 €. Demgegenüber erhielten die Parteien 1966 auf Bundes- und Landesebene, bezogen auf ein Jahr, etwa 1 Mark pro Wahlberechtigten; heute sind es 2,14 €. Während die Pro-Kopf-Beträge an Parteien sich seit 1966 also etwa verviereinhalbfacht haben, haben sich diejenigen an Fraktionen vervierundzwanzigfacht. Aufgrund ihres immensen Wachstums haben die Fraktionen die Zuschüsse an die Parteien weit hinter sich gelassen, obwohl sie 1966 erst einen kleinen Teil (etwa ein Viertel) von ihnen ausmachten. c) Ausbau des Fraktionsestablishments Die enorm angeschwollenen öffentlichen Gelder, die zum großen Teil für Personal verwendet werden, haben vor allem die Macht des Fraktionsestablishments gestärkt. 60 Rund die Hälfte der Mitarbeiter steht dem engeren Fraktionsvorstand zur Verfügung beziehungsweise untersteht den Parlamentarischen Geschäftsführern. Die Übrigen sind den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen und damit praktisch deren Vorsitzenden zugeordnet. 61 Das erhöht den Vorsprung der Funktionsträger und verschärft damit die Hierarchisierung innerhalb der Fraktionen.
II. Die Bewertung 1. Politisch unerträglich und verfassungswidrig a) Geheimverfahren Das Geheimverfahren bei der Selbst-Bewilligung von Fraktionsmitteln ist politisch unerträglich, schließlich handelt es sich um die Verwendung von Steuergeld, und dabei sollte es – auch unabhängig vom Verfassungsrecht – in der Demokratie transparent zugehen. Nichtssagende Begründungen für eine Aufstockung wie zum Beispiel „Mehr infolge beschlossener Erhöhung“ 62 oder „Mehr nach dem voraussichtlichen Bedarf“ 63 zeigen, dass die bloße Einstellung in den Haushaltsplan auch unbegründete Steigerungen zulässt; der Ausschluss der Öffentlichkeit 60 Hans Apel, Die deformierte Demokratie, 1991, 277. Zustimmend Suzanne Schüttemeyer, Fraktionen im Deutschen Bundestag, 1998, 46 f. 61 Schüttemeyer, 47.
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C. Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle
verführt dazu, gar nicht genau zu überlegen und zu prüfen, ob und weshalb eine Ausweitung der Finanzen wirklich notwendig ist. 64 Das Verfahren ist auch völlig ungeeignet, den Bedarf der Fraktionen zu ermitteln, auf den das Bundesverfassungsgericht bei Zulassung der Staatsfinanzierung der Fraktionen abgehoben hatte. 65 Die in Abstimmung mit den anderen Parlamentsfraktionen in eigener Sache erfolgende Bewilligung ist ihrem Wesen nach nicht auf inhaltliche Richtigkeit aus, sondern macht- und interessentenorientiert. 66 Das normale Verhältnis von Aufgaben, Bedarf und Finanzierung kehrt sich um: Die Finanzierung richtet sich nicht mehr nach den Aufgaben, sondern sucht sich ihre Aufgaben entsprechend den wachsenden Einnahmen. Bei konsensualer Bewilligung in eigener Sache ist keine Abwägung mit alternativen Verwendungen mehr erforderlich, es besteht keine Abhängigkeit von den Aufgaben, so dass der Geldbedarf den unbegrenzten Wünschen folgt und damit tendenziell gegen Unendlich geht. 67 Die Möglichkeit eines Immer-Mehr bewirkt, wie Hans Magnus Enzensberger in klassischer Weise beschrieben hat, große Ähnlichkeit mit dem Phänomen der Sucht. 68 Andere sprechen vom „Gesetz der zunehmenden Bedürftigkeit“, das im Parlamentbereich wie ein Naturgesetz wirke. 69 Dass ein solches völlig am Bedarf vorbei gehendes Verfahren sich bis heute halten konnte, ohne dass die Kritik es beiseite gefegt hat, ist allein dadurch zu erklären, dass die Fraktionen es gezielt vor der Öffentlichkeit verstecken. Ein zusätzliches Problem schafft die Hierarchisierung, die durch die üppige Ausstattung der Funktionsträger mit Fraktionspersonal verstärkt wird (siehe S. 29). Damit wird – darauf sei hier bereits hingewiesen – gerade das, was das Bundesverfassungsgericht durch das grundsätzliche Verbot von Funktionszula62 Zahlreiche Belege bei von Arnim, Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, 1987, 21 f.; ders., Finanzierung der Fraktionen, 1993, 15 ff. Auch die soeben dargestellten sprunghaften Erhöhungen wurden nicht wirklich begründet. 63 So durchgehend selbst bei den größten Erhöhungen im Bayerischen Landtag (siehe Tabelle 7). 64 Christine Landfried, Parteifinanzen und politische Macht, 1990, 101. 65 BVerfGE 20, 56 (105). 66 Zum grundlegenden Unterschied zwischen beiden Verfahrenstypen von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, 1984, 203 ff. 67 So treffend der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) in der zweiten Beratung des Fraktionsgesetzes des Bundes (Bundestag, Stenografisches Protokoll/12/155, S. 16420): Ohne wirksame Kontrollen tendiere „der Geldbetrag der Fraktionen und Parteien in Richtung Unendlich.“ 68 Hans Magnus Enzensberger, Mittelmaß und Wahn, 1988, 132: „Das klassische Suchtverhalten stellt sich ein. Die Steigerung der Dosis wird zur zentralen Obsession ... Es muss Geld her um jeden Preis, auch um den der Illegalität.“ 69 Hans Meyer, Das fehlfinanzierte Parlament, 17 (18).
II. Die Bewertung
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gen verhindern wollte, nämlich eine zu starke Verfestigung einer Rangordnung (siehe S. 59 f.), durch die immer üppiger sprudelnden Fraktionsgelder gefördert. Das Bundesverfassungsgericht muss deshalb, wenn es seiner Linie treu bleiben will, die Fraktionszuschüsse erst recht deckeln und einen Gesetzesvorbehalt hinsichtlich der exakten Beträge vorschreiben. b) Ohne spezialgesetzliche Regelung: verfassungswidrig Das Geheimverfahren ist aber auch verfassungswidrig. 70 Die Situation ähnelt der Bewilligung von Diäten und der staatlichen Parteienfinanzierung; es besteht sogar noch größerer Kontrollbedarf als bei diesen. Denn einmal geht es hier um die Finanzierung der – die Mittel bewilligenden – Fraktionen selbst, nicht um die Finanzierung der doch etwas entfernteren Parteien. Zum zweiten gibt es für die Diäten immerhin objektive Grenzen, die nicht angenähert oder gar überschritten werden können, ohne ins offensichtlich Unangemessene abzugleiten. Als solche äußersten Grenzen für die Diäten werden beispielsweise die Bezüge von Spitzenbeamten angesehen. Für die Fraktionsfinanzierung gibt es derartige Bezugsgrößen – jedenfalls nach der Ausweitung ihrer Aufgaben in den Bereich der Parteien hinein (siehe unten) – nicht. Die Sendler-Kommission formuliert die verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines Gesetzesvorbehalts wie folgt: „Geboten sind spezielle Fraktionsgesetze, die die öffentlichen Leistungen, die die Fraktionen erhalten, nach Art und Höhe genau benennen, auch die konkreten Beträge der Zahlungen, wie dies bisher nur vereinzelt geschehen ist. Es gilt nach Auffassung der Kommission auch hier von Verfassungs wegen ein Gesetzesvorbehalt.“ 71
Dass selbstbewilligte Zahlungen ohne Gesetzesvorbehalt nicht unter die Kontrolle der Gemeinschaft zu bringen sind, sondern tendenziell nach oben schie70 So von Arnim, Finanzierung der Fraktionen, 1993, 43 ff. Selbst die Politikwissenschaftlerin Suzanne Schüttemeyer (Fraktionen im Deutschen Bundestag 1949 –1957, 1998, 57 f.) kritisiert das Geheimverfahren bei der Bewilligung der Fraktionsmittel: „Die Kritik an dem bislang unter faktischem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Verfahren zur Bewilligung der Fraktionsmittel (ist) berechtigt. In der Tat ist bei finanzwirksamen Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache strikt der Parlaments- und Gesetzesvorbehalt zu beachten; da es hierbei an interner oppositioneller Kontrolle in aller Regel mangelt, besteht ein besonderer Bedarf an allgemeiner Öffentlichkeit als Kontrollinstanz.“ Für einen Gesetzesvorbehalt hinsichtlich der exakten Beträge auch bereits die Politikwissenschaftlerin Christine Landfried, Parteifinanzen und politische Macht, 1990, 100 – 103. 71 Sendler-Kommission, 86.
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ßen, sieht man – neben der Fraktionsfinanzierung selbst – besonders deutlich an den rasanten Steigerungen der staatlichen Parteienfinanzierung, bevor das Parteiengesetz erlassen wurde, also von 1959 bis 1966; ferner an der unerhörten Dynamik der Staatsfinanzierung der Parteistiftungen und der Abgeordnetenmitarbeiter. Aufschlussreich ist, dass Kritiker meiner Ausführungen die zahlenmäßige Entwicklung oft aus ihrer Argumentation gezielt ausklammern, weil sie die Notwendigkeit des Gesetzesvorbehalts besonders deutlich macht. Nach dem Bericht der Sendler-Kommission und meiner Expertise Finanzierung der Fraktionen 72 wurde im wissenschaftlichen Schrifttum ganz überwiegend die Auffassung vertreten, ein Gesetzesvorbehalt hinsichtlich der konkreten Beträge sei verfassungsrechtlich geboten. 73 Auch ein Gericht 74 und Rechnungshöfe 75 schlossen sich an. c) Geneigte Veröffentlichungen Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage des Gesetzesvorbehalts bislang allerdings noch nicht entschieden, sondern sie ausdrücklich offen gelassen 76 (siehe oben). Das gab den politischen Parteien und ihren Fraktionen die Möglichkeit, ihre Gutachter zu bemühen, um die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens weiterhin behaupten zu können. Den Anfang machte eine Mainzer Dissertation Georg Christoph Schneiders, des Sohnes des früheren Parlamentsdirektors von Rheinland-Pfalz Paul Georg Schneider. 77 Es folgte ein Gutachten des Münchner Staatsrechtsprofessors Hans-Jürgen Papier für den bayerischen Landtag, welches Papier unmittelbar vor seiner Berufung zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts erstellte. 78 Schließlich widmete der Bundestagsbedienstete Sven Hölscheidt den „Parlamentfraktionen“ seine Habilitationsschrift. 79 Im Folgen72
Beide 1993. Statt vieler Martina Mardini, Die Finanzierung der Parlamentsfraktionen durch staatliche Mittel und Beiträge der Abgeordneten, 1990, 127; Helmut Martin, Staatliche Fraktionsfinanzierung in Rheinland-Pfalz, 1995, 83 f.; Annette Fischer, Abgeordnetendiäten und staatliche Fraktionsfinanzierung in den fünf neuen Bundesländern, 1995, 203 f. Vgl. auch Ebbighausen u. a., Die Kosten der Parteiendemokratie, 1996, 230 f. 74 Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein vom 24. 5. 1995 (Aktenzeichen: 6 A 286/ 94). 75 Jahresbericht des Landesrechnungshofs Sachsen-Anhalt 1995, 24; Nachtrag zu den Bemerkungen des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein 1994, 10 f.; Bemerkungen des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein 1995, 108. 76 BVerfGE 80, 188 (214 f.). 77 Georg Christoph Schneider, Die Finanzierung der Parlamentsfraktionen als staatliche Aufgabe, 1997. Die Arbeit kam erstaunlicherweise in Sachen Parlamentsvorbehalt genau zum gegenteiligen Ergebnis wie die zwei Jahre vorher erschienene Mainzer Dissertation von Helmut Martin, Staatliche Fraktionsfinanzierung in Rheinland-Pfalz, 1995, 83 f. 73
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den gehen wir zunächst und vor allem auf den prominentesten Autor, Papier, ein, der sich seinerseits im Wesentlichen auf die Dissertation von Schneider stützt. aa) Auf dem Sprung nach Karlsruhe: Hans-Jürgen Papier Die Ablehnung des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts hinsichtlich der konkreten Beträge sucht Hans-Jürgen Papier in einem vom Bayerischen Landtag in Auftrag gegebenen Gutachten 80 mit drei Argumenten zu begründen: Erstens sei im Gegensatz zu den Diäten bei der Fraktionsfinanzierung kein Gesetzesvorbehalt in der Verfassung vorgesehen. 81 Doch das ist schon gar nicht schlüssig. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Wesentlichkeitstheorie, die für wesentliche Entscheidungen des Parlaments den Gesetzesvorbehalt vorschreibt, ja gerade deshalb und dort entwickelt, wo die Verfassung keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt enthält. 82 Ganz abgesehen davon enthalten zahlreiche Landesverfassungen durchaus Gesetzesvorbehalte hinsichtlich der Fraktionsfinanzierung (so Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt). Sollen diese Länder etwa anders behandelt werden als die übrigen Länder und der Bund? Papier stellt weiter darauf ab, das Gesetzgebungsverfahren weise in formaler Hinsicht keinen Unterschied zum Haushaltsverfahren auf. Beide würden aufgrund eines Entwurfes im Plenum beraten, dann von diesem beschlossen und das Ergebnis im Gesetzblatt veröffentlicht. Wenn das eine Verfahren mehr Öffentlichkeit schaffe und eine bessere Öffentlichkeitskontrolle erlaube, sei das verfassungsrechtlich unerheblich: „Tatsächliche Öffentlichkeit und effiziente Öffentlichkeitskontrolle im Rahmen förmlicher Gesetzgebung [seien] keine Fragen des Verfassungsrechts, sondern der praktisch-politischen Handhabung im Parlament 78 Hans-Jürgen Papier, Zur Verfassungsmäßigkeit der Fraktionsfinanzierung nach dem Bayerischen Fraktionsgesetz, BayVBl. 1998, 513. 79 Sven Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001. 80 Das Gutachten von Hans-Jürgen Papier ist ein Gegengutachten zu meiner Schrift „Finanzierung der Fraktionen“, 1993. Das CSU-Mitglied Papier, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hatte das Gutachten im Januar 1998 vorgelegt, unmittelbar bevor er im Februar 1998 auf Vorschlag der Union Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Ersten Senats wurde. Das erinnert an Hans Hugo Kleins Berufung ins Bundesverfassungsgericht, unmittelbar nachdem er in einem Aufsatz die enge steuerliche Spendenbegünstigung des Bundesverfassungsgerichts kritisiert und für eine durchgreifende Erweiterung plädiert hatte (NJW 1982, 735). Der zeitliche Zusammenhang stärkt jedenfalls nicht das Vertrauen in die Unabhängigkeit dieser Autoren. 81 Papier, 515. 82 Statt vieler von Arnim, Zur „Wesentlichkeitstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts, DVBl 1987, 1241.
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und außerhalb des Parlaments durch die Medien.“ 83 Diese Ausblendung der tatsächlichen Situation erinnert an Hans Hugo Kleins unhaltbare Einlassung, das gesteigerte Eigeninteressen von Abgeordneten bei Entscheidungen über ihre Diäten sei verfassungsrechtlich ohne Belang (oben S. 17). Ganz abgesehen davon, dass Papier verschweigt, dass im Gesetzblatt nichts über die Fraktionen und ihren Zuschuss veröffentlicht wird, das Verfahren also auch formal durchaus unterschiedlich ist, steht seine Argumentation jedenfalls in direktem Widerspruch zum Diätenurteil, welches erklärtermaßen auf die tatsächliche Öffentlichkeitswirkung der spezifischen sachgesetzlichen Regelung abhebt. Wenn Papier schließlich meint, auch einzelne Titel im Haushaltsplan könnten öffentlich diskutiert und kritisiert werden und umgekehrt gewährleiste eine fachgesetzliche Änderung nicht immer ein öffentlichkeitswirksames Verfahren, sondern könne – z. B. im Rahmen eines komplexen und höchst heterogenen Artikel- oder Paketgesetzes nahezu unbemerkt ergehen, 84 so trifft dies zwar zu. Dabei handelt es sich aber um Ausnahmefälle, also gerade nicht um die typische Konstellation, auf die es der Rechtsprechung erkennbar ankommt. Es bleibt deshalb dabei: Das Gesetzgebungsverfahren schafft mehr Transparenz, ermöglicht typischerweise eine bessere öffentliche Kontrolle als das bloße Einstellen einer Globalsumme in den Haushaltsplan und ist deshalb bei Entscheidungen des Parlaments von Verfassungs wegen geboten. Und übrigens: Würde eine Erhöhung der Diäten oder der Parteienfinanzierung in einem Paket-Gesetz versteckt, wäre gerade das der Skandal. Bei der Fraktionsfinanzierung ist ein solches Verstecken geradezu institutionalisiert. Soll das etwa weniger skandalös sein? Auf die Erfahrungstatsache, dass Zahlungen, die das Parlament sich in eigener Sache bewilligt, dann, wenn sie nur in den Haushalt eingestellt werden, im Allgemeinen sehr viel höhere Wachstumsraten aufweisen, als solche, bei denen spezialgesetzliche Änderungen erforderlich sind, geht Papier in seiner Argumentation schon gar nicht ein, obwohl dieser Umstand ein zentrales Argument für den Gesetzesvorbehalt darstellt. bb) Wie unabhängig sind Parlamentsbedienstete? Sven Hölscheidt Ganz ähnlich wie Papier argumentiert Hölscheidt, der sich auch ausdrücklich an dessen Ausführungen anlehnt. 85 Dabei geht er auf das Diätenurteil von 1975, welches den Gesetzesvorbehalt bei Entscheidungen des Parlaments in eigener 83 84 85
Papier, 515. Papier, 515 f. Sven Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 593 f.
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Sache begründete (siehe S. 21 ff.), mit keinem Wort ein. Auch das übertriebene Wachstum von Bewilligungen in eigener Sache, die bloß in den Haushaltsplan eingestellt werden, erwähnt er im vorliegenden Zusammenhang nicht. cc) Argumentationshilfe vom Nachwuchs: Georg Christoph Schneider Papier und Hölscheidt berufen sich beide auf die Dissertation Schneiders. 86 Einige seiner Argumente für die Zulässigkeit der bloßen Einstellung der Globalsumme in den Haushaltsplan wurden bereits bei Auseinandersetzungen mit Papier behandelt. Schneider stellt darüber hinaus auf die Autonomie der Fraktionen ab, 87 bleibt den Beweis aber schuldig, warum Fraktionen größere Autonomie besitzen sollen als das Parlament insgesamt, für das der Gesetzesvorbehalt ja auch gilt. Schneiders weitere Behauptung, der Parlamentsvorbehalt sei überflüssig, weil Interessierte jederzeit beim Landtag anfragen könnten, 88 ist ebenfalls unhaltbar. Er beruft sich dabei auf das Minderheitsvotum von Walter Seuffert, der sich gegen die im Diätenurteil niedergelegten Transparenzanforderungen bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache wendet. 89 Doch das ist ja gerade nicht die mehrheitliche und zutreffende Auffassung des Verfassungsgerichts im Diätenurteil. Zudem setzt ein Auskunftsbegehren zumindest die Kenntnis des Problems voraus, auf welche man aber nicht von selbst, sondern erst durch ein öffentlichkeitswirksames Gesetzesverfahren kommt. Auch Schneider klammert die Dynamik der Fraktionszuschüsse aus seiner Betrachtung weit gehend aus, als ob die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht davon mit abhinge. 90 Schneider ist der Sohn von Paul Georg Schneider, der bis Mitte 1995 Direktor des Landtags Rheinland-Pfalz war und natürlich schon von Berufs wegen eng mit den Fraktionen zusammenarbeitete, von denen er später zum Präsidenten des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs gemacht wurde. Fassen wir zusammen, so erweisen sich die Versuche, die Verfassungsmäßigkeit des derzeitigen Geheimverfahrens bei der Selbst-Bewilligung von Fraktionsmitteln zu belegen, als unhaltbar. Die Zuflucht zu fadenscheinigen Argumenten unterstreicht erst recht die Verfassungswidrigkeit. 86 Georg Christoph Schneider, Die Finanzierung der Parlamentsfraktionen als staatliche Aufgabe, 1997. 87 Schneider, 106 ff. 88 Schneider, 145. 89 BVerfGE 40, 296, 330 (349). 90 Schneider, 16: „Ohne auf die Berechtigung der den Fraktionen im einzelnen bereitgestellten konkreten Beträge einzugehen, ...“
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2. Noch geheimer: Erhöhung im Blitzverfahren 91 Hinzukommt ein Weiteres, das die Problematik noch erhöht und worauf die Gegengutachter schon gar nicht eingehen: Beabsichtigte Erhöhungen werden nämlich oft erst in der letzten Sitzung des meist nicht öffentlich verhandelnden Haushaltsausschusses, der so genannten Bereinigungssitzung, unmittelbar vor der abschließenden Lesung im Plenum, d. h. ganz am Ende des Haushaltsverfahrens, in den entsprechenden Titel des Haushaltsplans eingefügt. Der vom Ältestenrat oder Vorstand des Parlaments aufgestellte Voranschlag für den Einzelplan des Parlaments und der von der Regierung beschlossene und ins Parlament eingebrachte und von diesem in der ersten Lesung beratene Entwurf des Haushaltsplans ist, was die Zahlungen an Fraktionen anlangt, dann eine Art Ablenkungsmanöver, weil er, selbst wenn gewaltige Erhöhungen geplant sind, diese noch gar nicht ausweist, sondern harmlose, das bisherige Zahlungsvolumen lediglich fortschreibende Angaben sozusagen als Spielmaterial enthält, die erst am Schluss gegen die wirklich vorgesehenen Beträge ausgetauscht werden. In der Kürze der Zeit zwischen der Änderung des Entwurfs in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses und seiner endgültigen Verabschiedung durch das Parlament ist die Öffentlichkeit regelmäßig gar nicht in der Lage, von der Erhöhung der staatlichen Fraktionszuschüsse überhaupt Kenntnis zu nehmen. Die Erhöhung geht in der Masse der Titel, die im Haushaltsplan enthalten sind, erst recht unter. 3. Wie man Berichtspflichten umgeht Um ein Ausmanövrieren der Öffentlichkeit zu erschweren, haben der Bundestag und einige Landesparlamente die Parlamentspräsidenten verpflichtet, jedes Jahr einen Bericht über die Angemessenheit der Fraktionszahlungen und einen Anpassungsvorschlag zu veröffentlichen. 92
91 Der Bundestagsabgeordnete Erwin Schoettle sprach 1962, damals im Hinblick auf die staatliche Parteienfinanzierung, von Erhöhungen über die „Hintertreppe“, als diese noch nicht gesetzlich geregelt, sondern nur verschämt in den Haushaltsplan eingestellt wurde. Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 23. Sitzung vom 5. 4. 1962, Protokoll S. 862. 92 Im Bund hat der Bundestagspräsident im Benehmen mit dem Ältestenrat jeweils bis zum 30. September jeden Jahres einen Bericht über die Angemessenheit der Beträge und des Oppositionszuschlages zu erstatten und zugleich einen Anpassungsvorschlag vorzulegen. Der jüngste Bericht (Bundestagsdrucks. 17/3171) datiert vom 1. 10. 2010. Ähnlich zum Beispiel auch in Thüringen (§ 49 Abs. 2 S. 2 AbgG).
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a) Bundestag: Gezielte Verwirrung Die Empfehlungen, die der Bundestagspräsident gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 AbgG rechtzeitig vor der Beschlussfassung des Bundestages als Drucksache zu publizieren hat, tragen zur Publizität allerdings wenig bei, im Gegenteil. Die Berichterstattung wird dazu benutzt, eine schleichende Dynamisierung zu installieren, 93 von der weder im Gesetz noch in den Haushaltsplänen etwas steht. Die Transparenz wird auch dadurch beeinträchtigt, dass die Präsidentenberichte und die Haushaltspläne unterschiedliche Rechengrößen verwenden: Der Präsident publiziert die Höhe des empfohlenen monatlichen Grund- und des monatlichen Kopfbetrages, während im Haushaltsplan diese Beträge seit 2003 nicht mehr genannt werden, sondern nur noch die jährliche Gesamtsumme. Um beides auf einen Nenner zu bringen, bedarf es erheblicher Zusatzermittlungen. Das erschwert es zu überprüfen, ob die Fraktionen sich an die Empfehlungen des Präsidenten gehalten haben oder nicht. Die Öffentlichkeit wird an der Nase herumgeführt. Tatsächlich sind die Fraktionen zum Beispiel in den Jahren 2006, 2008, 2009 und 2010 von den Empfehlungen des Präsidenten deutlich nach oben abgewichen, ohne dass dies irgendwo gesagt, geschweige denn begründet würde. b) Thüringer Landtag: Raffinierte Täuschung Mit welcher Ausgebufftheit die Regelung, die eigentlich größere Transparenz herstellen soll, auch in den Ländern umgangen werden kann, demonstriert der Thüringer Landtag: Im Dezember 2009 veröffentlichte die Präsidentin „im Benehmen mit dem Ältestenrat“ ihren gesetzlich vorgesehenen Bericht. 94 Darin erklärte sie für 2010 eine Erhöhung der Fraktionszuschüsse um 2 Prozent für angemessen; das klang maßvoll. Bewilligt wurden dann aber einige Monate später 47 % mehr (siehe S. 28): Statt der von der Präsidentin vorgeschlagenen 5,2 Mio. Euro (2009 waren es 5,1 Mio.) standen da plötzlich, in einem der vielen tausend Titel des Haushaltsplans kaum zu bemerken, 7,5 Mio. Der größte Teil dieser Erhöhung beruhe, so heißt es in den Erläuterungen des Planes, auf Beschlüssen, die der Ältestenrat und der Vorstand im November 2009 getroffen hätten, 95 also einen Monat vor Veröffentlichung des Angemessenheitsberichts. Die Präsidentin gehört beiden Gremien an, kannte bei Abfassung ihres Berichts 93
Siehe Bundestagsdrucksache 13/5653. Bericht der Präsidentin des Landtags über die Angemessenheit der Fraktionszuschüsse nach § 49 Abs. 2 S. 3 des Thüringer Abgeordnetengesetzes vom 15. 12. 2009, Landtagsdrucksache 5/240. 95 Beschluss des Ältestenrates vom 10. 11. 2009 und des Vorstands vom 17. 11. 2009. Siehe Haushaltsplan 2010, Erläuterungen zu Einzelplan 01, Kapitel 01 01, Titel 684 01. 94
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also die Beschlüsse, ja, sie hatte selbst daran mitgewirkt, sie aber dennoch in ihrem Bericht nicht erwähnt. Vermutlich wird die Landtagsspitze versuchen, ihr trickreiches Vorgehen damit zu rechtfertigen, das gewaltige Mehr sei für Fraktionsreferenten bestimmt und falle deshalb unter personelle Unterstützung, der Angemessenheitsbericht gemäß § 49 Thüringer Abgeordnetengesetz betreffe aber lediglich Geldleistungen. 96 In der Tat werden in den Erläuterungen 26 neue Stellen für Fraktionsreferenten genannt, für deren Bezahlung 1,9 Mio. des Mehrbetrages vorgesehen seien. Doch eine solche wortklauberische Interpretation des § 49 wäre unzulässig, weil sie dem Sinn der Vorschrift, die Bürger rechtzeitig über Erhöhungen, die das Parlament in eigener Sache plant, aufzuklären, krass zuwider liefe. Statt der Öffentlichkeit reinen Wein einzuschenken, hat die Präsidentin sie eingenebelt. Zumindest nachrichtlich hätte sie die geplante Erhöhung in ihrem Bericht nennen müssen. Ganz abgesehen von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit ist festzuhalten, dass die Aufspaltung der Erhöhung in Geld und Personal offenbar ganz gezielt vorgenommen wurde, um Volk und Medien mit harmlos klingenden Beträgen einzulullen und die öffentliche Kontrolle möglichst gar nicht erst zu wecken. Das ist politisch unerträglich. Der Vorwurf der Manipulation zum Zwecke der Täuschung besteht also in jedem Fall und unabhängig von der Auslegung des § 49 AbgG. Hinzukommt eine weitere Ungereimtheit: Ein zweiter Teil der Erhöhung, nämlich um 0,4 Mio. €, erfolgte aufgrund eines erst in letzter Minute gestellten Änderungsantrags von CDU und SPD. Dieser Antrag datiert vom 28. April 2010, 97 also gleichzeitig mit der abschließenden Beratung des Haushaltsplans am 28. / 29. April und unmittelbar vor seiner endgültigen Verabschiedung am 29. April 2010. Bei diesem Teil der Erhöhung berufen sich die Erläuterungen im Haushaltsplan ausdrücklich auf den Angemessenheitsbericht der Präsidentin, die aber die zusätzlich bewilligten 0,4 Mio. gerade nicht empfohlen hatte. Auch hier also ein Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. 96
§ 49 lautet: „(1) Die Fraktionen haben zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben einen Anspruch auf Geldund Sachleistungen sowie auf personelle Unterstützung. Der Umfang der Leistungen wird im Landeshaushalt ausgewiesen. (2) Die Geldleistungen setzen sich aus einem Grundbetrag und einem nach Mitgliederzahl der Fraktionen gestaffelten Zuschlag zusammen. Oppositionsfraktionen erhalten einen zusätzlichen Betrag (Oppositionsbonus). Der Präsident erstattet dem Landtag im Benehmen mit dem Ältestenrat rechtzeitig vor der Einbringung des Haushaltsgesetzes einen Bericht darüber, ob sich eine Veränderung der Höhe dieser Beträge und des Oppositionszuschlags empfiehlt. (3) Die Sachleistungen werden nur zur Nutzung erbracht.“ 97 Landtagsdrucksache 5/896.
II. Die Bewertung
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Zusammenfassend ergibt sich Folgendes: Da zu erwarten war, dass die Thüringer Bevölkerung und die Presse für die maßlose Erhöhung der Fraktionszuschüsse um 47 % kein Verständnis aufbringen würden, wurde ein ausgeklügeltes Verfahren konstruiert, welches die Öffentlichkeit hinters Licht führte. Der Bericht der Präsidentin, der eigentlich der rechtzeitigen Offenlegung dienen soll, wurde zum Instrument der Verschleierung und so sein Sinn ins Gegenteil verkehrt. c) Saarland: Verstecken von Teilen der Erhöhung Die 47-prozentige Erhöhung der Fraktionsmittel im Saarland für 2010 (siehe S. 28) wurde dadurch getarnt, dass ein Teil nicht in den dafür vorgesehenen Titel eingestellt wurde, sondern ohne nähere Erläuterung in einen anderen, zweiten Titel. So schien die Erhöhung auf den ersten Blick nur 24 % zu betragen. Selbst das Fernseh-Magazin Panorama ist darauf zunächst reingefallen (siehe Anlage 4). 98 4. Geldfluss ohne Bremse: Wo bleibt die Obergrenze? Angesichts der Steigerungsraten (siehe S. 27 ff.) wäre eine Deckelung der Fraktionsfinanzierung besonders wichtig. Die Überlegungen, die das Bundesverfassungsgericht veranlasst haben, für die staatliche Parteienfinanzierung eine absolute Obergrenze aus der Verfassung zu entwickeln, gelten auch für die Fraktionsfinanzierung. Ja, sie treffen hier noch mehr zu als bei der Parteienfinanzierung. Bei dieser muss für Erhöhungen immerhin das Parteiengesetz geändert werden, ein Kontrollmechanismus, der bei Fraktionen im Bund und in fast allen Ländern fehlt. Die relative Obergrenze, nach der die Staatsfinanzierung nicht mehr als die Hälfte der Gesamteinnahmen der Parteien ausmachen darf, stellt eine weitere Begrenzung der staatlichen Parteienfinanzierung dar, die bei Fraktionen ebenfalls nicht besteht. Umso dringender wäre eine verfassungsrechtliche Obergrenze gerade bei der Fraktionsfinanzierung, die durch ausdrückliche Verfassungsänderung einzuführen wäre oder durch die Verfassungsgerichte durchgesetzt werden müsste. Ohne sie bestehen genau die Gefahren, die das Bundesverfassungsgericht zur Plafondierung der Parteienfinanzierung motiviert haben: das „Anschwellen“ der Finanzen und der drohende Ansehensverlust der Fraktionen und des Bundestages, wenn der Bürger den Eindruck gewinnen muss, die Fraktionen „‚bedienten‘ sich aus der Staatskasse.“ 99
98 Korrektur erfolgte dann am 26. 11. 2010 auf der Homepage von Panorama („Saarland: Fraktionen erhöhen Zuschüsse um satte 47 %“).
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Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings versucht, die absolute Obergrenze aus dem Grundsatz der „Staatsfreiheit der Parteien“ abzuleiten. 100 Diese Argumentation kann die Begrenzung der Fraktionsfinanzierung in der Tat nicht tragen. Denn die Fraktionen sind in die staatliche Organisation eingegliedert, also gerade nicht staatsfrei. 101 In Wahrheit aber ging es dem Gericht, wie soeben dargelegt, darum, eine unbegrenzte Ausweitung der Staatsfinanzierung bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache zu verhindern, und dass dieser auch bei der Fraktionsfinanzierung droht, zeigt ihre Entwicklung zur Genüge (siehe S. 27 ff.). 5. Missbrauch von Fraktionsgeldern a) Grundsätze Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass die Fraktionen sich aus Staatsmitteln finanzieren, schon gar nicht zu fast 100%. In früheren Zeiten waren sie aus Beiträgen der Abgeordneten und Zuschüssen der Parteien gespeist worden. Auch im Bund waren Staatsfinanzierung und Finanzausstattung der Fraktionen anfangs eher bescheiden. Bis Mitte der sechziger Jahre hatte lediglich die SPD, die seit 1949 in Opposition stand, Mitarbeiter in nennenswertem Umfang beschäftigt. Die üppige Staatsfinanzierung und die Schaffung umfassender Mitarbeiterstäbe sind neueren Datums. Die „Einigkeit der Demokraten“, welche die geräuschlose Selbstbewilligung enorm erleichtert, entwickelte sich erst in der Großen Koalition (1966 – 1969). Als Wilhelm Hennis, der in den fünfziger Jahren selbst bei der SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt gewesen war, vier Jahrzehnte später das gewaltig gewachsene Heer der Fraktionsmitarbeiter bemerkte, bezeichnete er den schon damals „erreichten Ausbau“, der durch die „absolut fantastische Explosion“ der Fraktionsmittel ermöglicht worden sei, „als Skandal“. 102
99 Wenn Schneider (S. 135) die Gefahr, dass die Selbstbedienung zu einem Ansehensverlust der Fraktionen führe und ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtige, für geringer hält als bei den Parteien und dies mit der Vollfinanzierung der Fraktionen und ihrer Bürgerferne begründet, erscheint dies – auch angesichts der zunehmenden Aufgabenverlagerung auf die Fraktionen – geradezu zynisch. 100 BVerfGE 85, 264 (288 f.). 101 Darauf hebt denn auch Papier, 516 f., ab. Sven Hölscheidt beschränkt sich auf die Aussage, in den Verfassungen fänden sich keine Plafondierungsnormen (S. 599). Da das Bundesverfassungsgericht für die Parteienfinanzierung dennoch eine Plafondierung aus der Verfassung entnimmt, ist das alles andere als ein schlüssiges Argument. Schneider hebt vor allem auf die angebliche Starrheit einer Obergrenze ab (S. 135 f.), übersieht aber, dass auch die absolute Obergrenze bei der Parteienfinanzierung dem Gesetzgeber durchaus erlaubt, Anpassungen gemäß den Preis- und Gehaltssteigerungen und bei einschneidenden Änderungen der Verhältnisse vorzunehmen (BVerfGE 85, 264 [291]).
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Auch das Bundesverfassungsgericht hatte, als es die staatliche Fraktionsfinanzierung 1966 dem Grunde nach zuließ, quantitativ und qualitativ, noch etwas völlig anderes vor Augen als das, wozu sich die Fraktionsfinanzierung inzwischen entwickelt hat. Damals sah das Gericht die Aufgabe der Fraktionen darin, „den technischen Ablauf der Parlamentsarbeit in gewissem Grade zu steuern und damit zu erleichtern.“ 103 Es ging lediglich um Zuschüsse an die Bundestagsfraktionen in Höhe von 3,1 Mio. Mark (1965), die „zur Unterhaltung ihrer Büros sowie für wissenschaftliche Mitarbeiter und Hilfskräfte“ gezahlt wurden, 104 nicht um die heutigen rund 79 Mio. Euro (siehe Anlage 5), die auch für Öffentlichkeitsarbeit, umfassende Reisetätigkeit bei Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen im In- und Ausland und für Funktionszulagen verwendet werden. Immerhin war das Gericht schon damals auf möglichen Missbrauch eingegangen: „Wenn die Parlamente Fraktionszuschüsse in einer Höhe bewilligen würden, die durch die Bedürfnisse der Fraktionen nicht gerechtfertigt wären, also eine verschleierte Parteienfinanzierung enthielten,“ so wäre das „ein die Verfassung verletzender Missbrauch.“ 105 Es spricht viel dafür, dass ein solcher Missbrauch heute vorliegt. Aktionen der Fraktionen werden in den Augen der Bürger und Wähler sowieso ihren jeweiligen Mutterparteien zugerechnet, mit denen sie ja auch am gleichen politischen Strang ziehen. Die Führungspositionen in Partei und Fraktion haben häufig dieselben Personen inne. Heiner Geißler, früher Generalsekretär der CDU, hat die scharfe Trennung zwischen parlamentarischer und Parteitätigkeit geradezu als „Lebenslüge“ der politischen Klasse bezeichnet. Die Verlegenheit zeigt sich besonders bei der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen, einer ihrer aus staatlichen Mitteln finanzierbaren Aufgaben. So steht es jedenfalls in den von den Fraktionen selbst gemachten Fraktions- und Abgeordnetengesetzen. Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen lässt sich praktisch kaum noch von Parteipropaganda unterscheiden. Verlautbarungen von Fraktionen sind „notwendig parteiisch“, 106 kommen deshalb zwangsläufig immer auch den Mutterparteien zugute. 107 Auch sonst übernehmen die Fraktionen vielfach Parteiaufgaben. Aufgrund dieser Verschmelzung von Fraktionen und politischen Parteien sprechen strategisch interessierte Parteifunktionäre 108 und Politikwissenschaftler 109 inzwischen ganz bewusst von Fraktionsparteien. 102 Wilhelm Hennis, Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 11. 3. 1996, 9 (bei Besprechung eines Aufsatzes von Hans Meyer). 103 BVerfGE 20, 56 (104). Ebenso BVerfGE 80, 188 (231). 104 BVerfGE 20, 56 (104). 105 BVerfGE 20, 56 (105). 106 So ausdrücklich auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. 8. 2002, NVwZ 2003, 75 (78 f.). 107 VerfGH Rheinland-Pfalz, a. a. O.
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Damit werden die Vorkehrungen, die das Bundesverfassungsgericht auf der Basis des Grundgesetzes entwickelt hat, um die Bürgernähe der Parteien zu sichern und ihre Entwicklung zu Staatsparteien zu verhindern, zunehmend unterlaufen. Denn auf Fraktionen finden sie alle keine Anwendung. Abgeordnetendiäten und Parteienfinanzierung dürfen, um die öffentliche Kontrolle wirksam zu halten, nur durch transparente Gesetzesänderung erhöht werden (siehe S. 21 ff.). Für die staatliche Parteienfinanzierung hat das Gericht darüber hinaus eine Obergrenze gezogen (siehe S. 23). So sollte ein übermäßiges Anschwellen der „Staatsknete“ mit seinen fatalen Folgen für das Ansehen der Politik und die Funktionsfähigkeit des Parlaments institutionell verhindert werden. 110 Beide Vorkehrungen sollten von Verfassungs wegen eigentlich auch für die Fraktionsfinanzierung gelten, werden von der Praxis aber ignoriert (siehe S. 31, 39). Parteien werden zudem durch bestimmte Regelungen geradezu in die Bürgernähe gezwungen (absolute und relative Obergrenze sowie die Ausrichtung der Staatsfinanzierung an Wählerstimmen und eingeworbenen Spenden und Beiträgen). 111 Auch dies gilt für Fraktionen nicht. Ihre Finanzierung ist von der Basis unabhängig. Parteien sind, um die Nähe zur Basis zu sichern, zur internen demokratischen Willensbildung von unten nach oben verpflichtet (Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG). Auf die Fraktionen haben Parteimitglieder dagegen keinen Einfluss. Selbst die Abgeordneten werden vom Fraktionsestablishment untergebuttert (siehe S. 29). Zudem sind kleine Parteien, die an der Parteienfinanzierung teilhaben, wenn sie bei Bundestags- oder Europawahlen 0,5% 112 oder bei einer Landtagswahl 1 % der Wählerstimmen erlangen, 113 von der Fraktionsfinanzierung, für die wegen der Fünf-Prozent-Klausel eine zehnmal so hohe Hürde gilt, ausgeschlossen. Das beeinträchtigt die Chancengleichheit dieser Parteien aufs schwerste. 114
108
Peter Radunski, Fit für die Zukunft? Die Volksparteien vor dem Superwahljahr 1994, Sonde 1991/4, 3 (5). Prinzipiell zustimmend auch für die SPD: Peter Lösche, Die SPD nach Mannheim: Strukturprobleme und aktuelle Entwicklungen, Aus Politik und Zeitgeschichte B/96 vom 2. 2. 1996, 20 (27 f.). 109 Statt vieler Peter Lösche, Ende der Volksparteien, Aus Politik und Zeitgeschichte B 51/2009, 6 (11 f.). 110 BVerfGE 85, 264 (290): „Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien ‚bedienten‘ sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.“ 111 BVerfGE 85, 264 (288 ff.). 112 BVerfGE 24, 300 (339 – 343). 113 § 18 Abs. 4 PartG.
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Berücksichtigt man, dass die Staatsmittel für Fraktionen inzwischen sehr viel höher sind als die für die eigentlichen Parteien (siehe S. 28 f.) und die Fraktionen vielfach Parteiaufgaben übernehmen, so liegt es auf der Hand, dass die Kontrollen und Grenzen eigentlich unbedingt und wirksam auch auf die Fraktionen erstreckt werden müssten, soweit dies von der Struktur der Fraktionen her sinnvoll erscheint. Um den unbegrenzten Finanzhunger der Fraktionen verfahrensmäßig zu zähmen und gleichzeitig das Problem der – gerade bei der Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen – kaum durchführbaren Abgrenzung zur Mutterpartei zu entschärfen, schlägt Martin Morlok vor, die Fraktionsfinanzierung „mindestens teilweise in die Hand der Parteien“ zu legen und dafür deren Obergrenze etwas zu erhöhen. 115 Hans Meyer empfiehlt, die Fraktionen durch Beiträge der Abgeordneten zu finanzieren, deren Diäten dafür angehoben werden sollten. 116 Diese Vorschläge dürften allerdings nicht die leiseste Chance der Realisierung besitzen. Eine derart grundlegende Umstellung ist vom Verfassungsgericht nicht zu erwarten – und von den Fraktionen schon gar nicht. Realistischer erscheint es, dass das Bundesverfassungsgericht die nötige Eindämmung durch Gesetzesvorbehalt, Obergrenze, intensive Gerichtskontrolle etc. vornimmt. Darauf wird deshalb auch hier der Nachdruck gelegt. Das Kontroll- und Begrenzungsgebot wird dadurch unterstrichen, dass die vom Verfassungsgericht geforderte Orientierung der Staatsmittel am Bedarf der Fraktionen in der derzeit praktizierten Verfahrensweise gar nicht möglich ist. Denn die Fraktionen haben ein Bewilligungsverfahren etabliert, welches von Gesichtspunkten der Macht und des Eigeninteresses dominiert ist und sich gerade nicht an sachlicher Richtigkeit orientiert (siehe S. 29 ff.). Wer wollte – angesichts der Wachstumsraten – noch behaupten, die Gelder richteten sich am Bedarf der Fraktionen aus? Wenn es für die Nicht-Ausrichtung am Bedarf noch des Beweises bedurfte, so haben ihn die jüngsten Steigerungen der Fraktionsgelder in Bayern, Thüringen und im Saarland um fast die Hälfte (siehe S. 28) erbracht.
114
382.
Siehe zur Bedeutung kleiner Parteien und ihrer Chancengleichheit: BVerfGE 111,
115 Martin Morlok, Thesen zu Einzelaspekten der Politikfinanzierung, in: Dimitris Tsatsos (Hg.), Politikfinanzierung in Deutschland und in Europa, 1997, 77 (99 f.). 116 Hans Meyer, Fraktionsgesetze: Flucht aus der Verfassung?, in: Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht 1/1995, 87 (114). Ebenso Helmut Martin, Staatliche Fraktionsfinanzierung in Rheinland-Pfalz, 1995, 65 ff.
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b) Thüringen In Thüringen hatte die bis dahin allein regierende CDU bei der Landtagswahl 2009 ein Drittel ihrer Sitze verloren, die Fraktion schrumpfte von 45 auf 30 Mandate, konnte aber dennoch ihren finanziellen Stand fast halten; von den bisherigen 129.000 € monatlich behielt sie immerhin 121.000. Dafür war eine Änderung des Verteilungsschlüssels erforderlich, der auch die SPD und die Grünen gerne zustimmten: Der Betrag pro Abgeordneten wurde kräftig erhöht (von 2065 € auf 2767 € monatlich), 117 so dass er auch der neuen Regierungspartei SPD – trotz des Wegfalls des Oppositionszuschlags – mehr Geld und den Linken, obwohl sie einen Sitz verloren hatten, sogar sehr viel mehr Geld verschaffte. Auch den neu in den Landtag gewählten Fraktionen der FDP und der Grünen kommt die Erhöhung des Kopfbetrages natürlich zugute. Die Absprachen ließen den Gesamtbetrag um 47% hochschnellen. Dabei hatten die Fraktionen offenbar ein derart schlechtes Gewissen, dass sie das Verfahren nach Kräften manipulierten: Ein Teil der Erhöhung wurde erst unmittelbar vor der abschließenden Lesung des Haushalts im Landtag durch einen Ergänzungsantrag von CDU und SPD nachgeschoben. 118 Der „rechtzeitig vor der Einbringung des Haushaltsgesetzes“ vorgeschriebene Bericht der Landtagspräsidentin, 119 der Schnellschüsse verhindern soll, hatte noch eine Erhöhung um nur 2 % vorgesehen (siehe S. 37). c) Bayern In Bayern hatte die CSU-Fraktion bei der Landtagswahl 2008 über ein Viertel ihrer Mitglieder verloren: 32 ihrer bis dahin 124 Mandate. Dennoch behauptete sie auch im Jahre 2009 ihr finanzielles Niveau. Dafür war eine Änderung des Verteilungsschlüssels erforderlich, 120 die, um konsensfähig zu sein, anderen Fraktionen einen ungeahnten Geldsegen verschaffte und das Gesamtvolumen der Fraktionszuschüsse um 40% hochschnellen ließ. Bei unverändertem Verteilungsschlüssel wäre es zu einer sehr viel geringeren Erhöhung des Gesamtbetrages gekommen, obwohl mit der FDP und den Freien Wählern zwei neue Fraktionen in den Landtag gekommen waren, für die zusätzliche Grundbeträge anfielen. Bereits für das Jahr 2008 hatte der Finanzminister weitere 667.000 € als über- und 117 Der Grundbetrag wurde nur leicht erhöht, und die prozentualen Oppositionszuschläge blieben unverändert. 118 Landtagsdrucksache 5/896. Diese Drucksache gibt aber auch sonst Rätsel auf. Sie trägt das Datum des 28. 4. 2010. Zugleich aber ist darauf vermerkt, der Vorabdruck sei am 6. 5. 2010 verteilt worden, und der Druck datiere vom 5. 6. 2010. 119 § 49 Abs. 2 S. 3 AbgG Thüringen. 120 Unter anderem wurde der Betrag pro Abgeordneten von 1840 € monatlich auf 2950 € erhöht.
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außerplanmäßige Ausgabe genehmigt. 121 Lässt man das außer Betracht, beträgt die Erhöhung für 2009 sogar 50%. Über die Jahre hinweg zeigte sich in Bayern auch folgender Effekt: Wenn eine Partei aus dem Landtag flog wie die FDP bei den Wahlen 1982 und 1994, wurden die Fraktionszuschüsse keineswegs gesenkt. Als sie aber wieder in den Landtag einzog wie 1990, erfolgte eine Steigerung von 9,8 Mio. Mark (1990) auf 12,6 Millionen Mark (1991). Ebenso wurden 2008, als die FDP wieder die Sperrklausel überwand und zusammen mit den Freien Wählern in den Landtag kam, die Fraktionszuschüsse um die genannten 40% erhöht (siehe Anlage 7). Ein Gegenbeispiel ist Rheinland-Pfalz, wo – anders als in Bayern – seit 1971 die konkreten Zuschussbeträge und der Verteilungsschlüssel im Fraktionsgesetz genannt werden. Als Bündnis 90/Die Grünen bei der Landtagswahl 2006 an der Sperrklausel gescheitert waren, fielen die Zuschüsse wegen des Wegfalls des Grundbetrages für eine Fraktion um gut 500.000 €; der im Gesetz festgelegte Schlüssel blieb unverändert. d) Saarland Im Saarland zeigt sich ein ähnliches Bild: Die CDU-Fraktion hatte bei der Landtagswahl 2009 mehr als ein Viertel ihrer Sitze verloren und schrumpfte damit um 27 %. Dennoch konnte sie ihr finanzielles Niveau fast aufrechterhalten; der Staatszuschuss nahm lediglich um 6% ab. Auch dies geschah durch Änderung des Verteilungsschlüssels, der den Grünen, obwohl sie kein Mandat mehr erhalten hatten und Regierungspartei geworden waren, 59 % mehr und der FDP mit nur zwei Mandaten mehr sogar 92% zusätzlich in die Kassen spülte, sehr viel mehr, als sie nach altem Schlüssel erhalten hätten. Selbst die SPD kam trotz großer Verluste bei der Wahl noch fast auf den selben Betrag wie vorher, und die neu in den Landtag gelangte Linke schwimmt geradezu im Geld – natürlich alles auf Kosten der Steuerzahler: Die Gesamtsumme stieg – übrigens genau wie in Thüringen – um 47%. Eine spezifisch saarländische Eigenheit weist die Erhöhung aber dennoch auf. Ein Teil, immerhin 600.000 €, wurde nämlich nicht in den dafür vorgesehenen Titel eingestellt, sondern ohne nähere Erläuterung an anderer Stelle, so dass die Erhöhung auf den ersten Blick nur 24%, zu betragen schien (siehe S. 39). Hier dürfte der verfassungswidrige Missbrauch offensichtlich sein. Den Grünen und der FDP derart viel mehr zu geben, obwohl sie jetzt die Regierung stützen, die Ministerialbürokratie hinter sich und die Oppositionslast nicht mehr zu tragen haben, lässt sich nicht rechtfertigen. Die gewaltigen Erhöhungen beruhen 121 Schreiben des bayerischen Finanzministers vom 3. 12. 2008. Siehe Titel 68 401 in der Haushaltsrechnung für das Jahr 2008.
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nicht auf ihren gestiegenen Bedürfnissen, sondern auf einer machtorientierten Absprache der Fraktionen, die sich am größten gemeinsamen Nenner ausrichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bei Missbrauch ein Eingreifen vorbehalten (siehe S. 41). Ein solcher Missbrauch liegt, wie sich immer deutlicher zeigt, heute durchgehend vor. Aber selbst, wenn man diese äußerste Schranke nicht überall als überschritten ansieht, ist jedenfalls auf spezialgesetzlicher Regelung (siehe S. 31) und Obergrenze (siehe S. 39) von Verfassungs wegen zu bestehen. 6. Einladung zur Illegalität Es ist den Fraktionen zwar ausdrücklich untersagt, den Parteien Geld zukommen zu lassen (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG). Dennoch gibt es immer wieder direkte Zahlungen an die Parteien oder, was auf dasselbe hinausläuft, die Begleichung von Parteischulden durch ihre Fraktionen. Die defizitäre Kontrolle scheint die Hoffnung, dass selbst grob rechtswidrige Transfers nicht herauskommen, zu beflügeln. Publik werden solche Übergriffe höchstens dann, wenn interne Streitigkeiten dazu führen, dass Insider plaudern. So geschehen in der rheinlandpfälzischen CDU-Fraktion, bei der unter dem früheren Vorsitzenden Christoph Böhr vor der Landtagswahl 2006 rund 400.000 € verschwunden sind. Erst durch einen ungetreuen Fraktionsgeschäftsführer, der mit der Kreditkarte der Fraktion Bordellbesuche bezahlt hatte und in einer nachfolgenden Beschäftigung ebenfalls Untreue beging, wurde die Sache schließlich ruchbar. Der Geschäftsführer wollte nicht allein am Pranger stehen und Böhrs Nach-Nachfolgerin an der Spitze der rheinland-pfälzischen CDU, Julia Klöckner, wollte reinen Tisch machen. Der Landesrechnungshof wurde in Bewegung gesetzt und ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, bis die Partei schließlich die Zweckentfremdung der Fraktionsmittel einräumte und neben der Rückzahlung an den Landtag hohe Strafzahlungen leisten musste. Es muss also schon einiges passieren, bevor – angesichts der Abschirmung vor Kontrolle – selbst krasseste Missstände bei den Fraktionsfinanzen ans Licht kommen. Doch solcher direkter Zuwendungen bedarf es gar nicht. Denn indirekt kann Ähnliches dadurch bewirkt werden, dass die Fraktionen, schon aufgrund ihrer Geldschwemme, den Parteien immer mehr Aufgaben abnehmen. Die so bewirkte finanzielle Entlastung der Parteien ist sehr viel schwerer zu belegen, zumal die Grenzen vielfach schwierig zu ziehen sind.
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7. Wissenschaft: Vernachlässigte Fraktionen Angesichts des Wohlstands der Fraktionen, die zunehmend Aufgaben ihrer armen Brüder, der Parteien, übernehmen, mutet es geradezu rührend an, wenn Rechtsprechung und Staatsrechtslehre sich immer noch fast ausschließlich auf die Finanzierung der Parteien im engeren Sinne konzentrieren. Vor kurzem sind gleich vier Kommentare zum Parteiengesetz erschienen. 122 Die Zugänglichkeit dieser Materie wird dadurch erleichtert, dass das Parteienrecht Bundesrecht ist (Art. 21 Abs. 3 GG) und das Parteiengesetz die Finanzierung der Parteien deshalb zusammenfassend regelt. Dagegen ist das Recht der Fraktionen völlig zersplittert. Um einen Überblick zu gewinnen, muss man 17 Gesetze und Durchführungsvorschriften, unzähligen Parlamentsberichte sowie Hunderte von Haushaltsplänen durchforsten. Auch das trägt dazu bei, dass Wissenschaft und öffentliche Diskussion sich vornehmlich mit den Parteien beschäftigen, die aus den Nähten platzenden Fraktionen, die immer größere Teile der Parteiaufgaben übernehmen, aber oft außen vor lassen. 123 Damit gerät die ganze Diskussion – unbemerkt – zunehmend auf einen Nebenkriegsschauplatz. Auch in der Politologie sind die Fraktionen bisher zu kurz gekommen. 124 Wenn sich Politikwissenschaftler überhaupt mit ihnen befassen, geschieht dies häufig nur, um die Verlagerung der Finanzen und Aufgaben von den Parteien auf die Fraktionen, die bereits Peter Radunski vorgezeichnet hatte, zu konstatieren, den Parteibegriff unter Einbeziehung der Regierungen und Fraktionen, Abgeordneten und Mitarbeiter, die als party in public office 125 und party in government 126 bezeichnet werden, zu erweitern und auf diese Weise die Überlebensfähigkeit 122 Jörn Ipsen (Hg.), Parteiengesetz, 2010; Jens Kersten / Stephan Rixen (Hg.), Parteiengesetz und europäisches Parteienrecht, Kommentar, 2009; Rossi / Lenski, Parteiengesetz und Recht der Kandidatenaufstellung, Handkommentar, 2010; Martin Morlok, Kommentar zum Gesetz über die politischen Parteien, in: Das Deutsche Bundesrecht (Loseblatt), Lieferung Oktober 2007. 123 Ausnahmen sind – neben den eigenen Publikationen – vor allem die oben erwähnten älteren Arbeiten von Hans Meyer und anderen Autoren aus der Mitte der neunziger Jahre, die Habilitationsschrift von Sven Hölscheidt (2001), die Kommentierung der §§ 45 – 54 in: Braun / Jantsch / Klante, Abgeordnetengesetz, 2002, und die Kommentierung des Art. 38 durch Martin Morlok, in: Horst Dreier (Hg.) Grundgesetz-Kommentar, Band II, 2006, Art. 38, Rn 171 – 188. 124 Klaus von Beyme, Parteien im Wandel, 2000, 167: „Die Fraktionen sind sowohl in der Parteien- als auch in der Parlamentsforschung vielfach zu kurz gekommen.“ – Friedbert W. Rüb (‚Sind die Parteien noch zu retten?‘ Zum Stand der gegenwärtigen Parteienund Parteiensystemforschung, Neue politische Literatur 2005, 397 [403)] bestätigt in seinem Überblicksaufsatz zwar, dass „die Parteiengesetze, deren Kern die Form und das Ausmaß der staatlichen Parteienfinanzierung ist ..., gut erforscht und vielfältig analysiert sind.“ Die Fraktionen aber erwähnt er überhaupt nicht. – Eine Ausnahme macht das Buch von Suzanne S. Schüttemeyer (Fraktionen im Deutschen Bundestag 1949 –1997, 1998), das Landtagsfraktionen aber außen vor lässt.
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der Parteien trotz ihres Verlustes an Mitgliedern und Vertrauen zu unterstreichen. 127 Dass Parteien (im weiteren Sinne) zu Verbänden von Berufspolitikern mutieren, statt zu Vereinigungen von oder für Bürger, 128 anders ausgedrückt: dass sie sich zu Staatsparteien entwickeln, wird einfach hingenommen. Alle daraus erwachsenden Mängel lässt der Mainstream der Politikwissenschaft beiseite. 129 Die mangelnde Partizipation der Bürger und die Erosion innerparteilicher Demokratie sei schon deshalb gar nicht schlimm, weil es demokratietheoretisch umstritten sei, wie intensiv die parteiliche und generell die politische Partizipation sein müsse. 130 Dass dadurch die Sprachrohrfunktion der Parteien und ihre Legitimation insgesamt infrage gestellt werden, wird ebenso übergangen wie die Reduzierung des Wettbewerbs durch Kartellierung und die dadurch bedingte Einbuße an Chancengleichheit und Transparenz.
125
So wohl zuerst Peter Mair, Party System Change: Approaches and Interpretations, 1997, Kap. 6. 126 Peter Lösche, Ein Nachtrag zum Symposium, in: Peter Lösche (Hg.), Zur Lage des deutschen Regierungs- und Parteiensystems, 2002, 107 (111 f.). 127 So z. B. auch Franz Walter, in: Lösche (Hg.), 62 f. 128 Richard S. Katz / Peter Mair, Changing Models of Party Organization and Party Democracy. The Emergence of the Cartel Party, Party Politics 1995, 5 (23 und durchgehend). 129 Nachdenklich aber von Beyme, a. a. O., 197 ff.; Rüb, a. a. O., 418 f. 130 So Peter Lösche, Ende der Volksparteien, Aus Politik und Zeitgeschichte 51/2009, 6 (12).
D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre Parlamentspräsidenten und ihre Stellvertreter bekommen ihre Zulagen nach den Abgeordnetengesetzen offen aus der Parlamentskasse (siehe Anlage 8); das ist in Ordnung. Darüber hinaus wird aber ein Füllhorn weiterer Zulagen, zumeist heimlich, auf dem Umweg über die staatsfinanzierten Fraktionen gezahlt (siehe Anlage 10). Hier zeigt sich das Transparenz- und Kontrollproblem besonders drastisch. Es geht um drei grundlegende Probleme. − Das eine betrifft die Frage der materiellen Zulässigkeit solcher Zulagen; das Bundesverfassungsgericht erlaubt die Zahlung nur an einen ganz engen Kreis (dazu unter II.). − Das zweite Problem betrifft das Bewilligungsverfahren. Bei Extra-Diäten, die nicht durch Gesetz bestimmt, sondern von den Fraktionen nach eigenem Belieben gezahlt werden, treffen die Probleme zusammen, die sich bei der Bewilligung von Fraktionsmitteln und von Abgeordnetendiäten stellen (dazu I.). − Schließlich geht es, drittens, um die ebenfalls in eigener Sache vorgenommene Entschärfung der Ausgabenkontrolle der Fraktionen etwa durch Rechnungshöfe (dazu unter E.).
I. Intransparenz pur 1. Leichthändige Bewilligung und mangelnde Kontrolle von Funktionszulagen Das öffentlichkeitsscheue Verfahren bei der Bewilligung von Fraktionszuschüssen leistet der großzügigen Zahlung von Funktionszulagen Vorschub: Die Fraktionen können über die Höhe ihrer Einnahmen selbst – und unter weitgehender Ausschaltung aller Kontrollen – entscheiden und deshalb nach Belieben Nachschläge beschließen (siehe S. 26 ff.). 131 Da sie auch die Kontrolle über die Verwendung ihrer Mittel eingeschränkt haben (siehe S. 98 ff.), fallen ihnen auch die problematischsten Zulagen leicht. Diese Zusammenhänge werden von den 131 Siehe auch schon von Arnim, Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle, 1987; ders., Finanzierung der Fraktionen, 1993.
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
Fraktionen und den Befürwortern einer unbegrenzten Gewährung von Funktionszulagen regelmäßig ausgeblendet. Die Fraktionen pochen zur Verteidigung des von ihnen angerichteten ZulagenUnwesens immer wieder darauf: Wenn sie ihr Geld für Funktionäre verwenden, müssten sie an anderer Stelle entsprechend kürzen. Für den Steuerzahler sei das ein Null-Summen-Spiel. Sie tun also so, als wären ihre Einnahmen eine für sie vorgegebene Konstante, und blenden dabei aus, dass sie sich in eigener Sache und im eigenen Interesse jederzeit aus den öffentlichen Haushalten refinanzieren können. 132 Wie groß – angesichts der leichten Bewilligung und der mangelnden Verwendungskontrolle – die Versuchung ist, den Kreis der Zulagenempfänger immer weiter auszudehnen, zeigt zum Beispiel das wundersame Wachstum der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. 2. Veranschlagung in Haushaltsplan und Haushaltsrechnung? Fehlanzeige Die Bewilligung von Funktionszulagen wird dadurch weiter erleichtert, dass die Mittel, die die verschiedenen Fraktionen jeweils erhalten, als bloße Globalsumme im Haushaltsplan veranschlagt werden. Normalerweise müssen Bewilligungen nach Art und Zweck spezifiziert im Haushalt ausgewiesen werden. Dazu gehört auch ein Stellenplan. Da Fraktionen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als „Gliederungen des Parlaments“ der „organisierten Staatlichkeit eingefügt“ sind 133 und sie praktisch zu 100 % aus Staatsmitteln finanziert werden, 134 müssen auch auf sie die für staatliche Mittel geltenden Veranschlagungsgrundsätze angewendet werden, und zwar bei ihnen erst recht – wegen des gesteigerten Bedarfs an öffentlicher Kontrolle bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, 135 eine Auffassung, die auch die von Bundespräsident Richard von Weizsäcker berufene Parteienfinanzierungskommission vertrat 136 132 Siehe hierzu auch die, wenngleich diplomatisch zurückhaltenden, Äußerungen des Bremer Staatsgerichtshofs (NVwZ 2005, 929 [932]): „Ob hier das Eigeninteresse der Fraktionen ein ausreichendes Bollwerk wäre, ist freilich zweifelhaft. Zwar haben sie die Funktionszulagen aus den ihnen vom Parlament zugewiesenen Geldmitteln zu tragen, doch sind sie gemeinsam oder mehrheitlich in der Lage, die Höhe dieser Geldleistungen festzulegen.“ 133 BVerfGE 20, 56 (104); 70, 324 (350 f.); 80, 188 (231). 134 Auch Ernst Heuer kommt in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung und unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Ergebnis, dass die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraktionen zu der des Parlaments und damit zu der des Staates gehört. Heuer, Kontrollauftrag gegenüber den Fraktionen, in: Böning / von Mutius (Hg.) Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, 1990, 107 (108).
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und die der Verfasser in einem Rechtsgutachten für den Landesrechnungshof Schleswig-Holstein im Einzelnen nachgewiesen hat. 137 Der haushaltsrechtliche Grundsatz der sachlichen Spezialität besitzt Verfassungsrang, 138 kann also vom Parlament nicht einfach abbedungen werden. Dazu gehört die Vorab-Darlegung, für welche Ausgabearten und welche Zwecke die gewünschten zusätzlichen Mittel im Einzelnen benötigt werden, wie viel früher dafür bewilligt wurde und warum dies nicht mehr ausreicht. 139 Andernfalls ist die vom Verfassungsrecht bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache geforderte volle Transparenz nicht herstellbar. Der Gliederung des (vorherigen) Haushaltsplans entspricht die der (nachträglichen) Haushaltsrechnung, die, was die Funktionszulagen anlangt, ebenso intransparent ist. Der im Bund und in den meisten Ländern in den Rechenschaftsberichten der Fraktionen vorgesehene Ausweis der bloßen Globalsumme der Zahlungen an Funktionsträger genügt der Transparenzanforderung natürlich nicht. 140 Lediglich in Niedersachsen werden die Höhe der Vergütung für die 135 So auch Walter Schmidt-Bens, Finanzkontrolle und Fraktionen, ZRP 1992, 281 (283). Anderer Ansicht Papier, a. a. O., 517 f. 136 Bundestagsdrucks. 12/4425, S. 36. 137 von Arnim, Zur haushaltsrechtlichen Veranschlagung von Fraktionsmitteln, Rechtsgutachten für den Landesrechnungshof Schleswig-Holstein, 1992 (hektographiert). – Den Besonderheiten der autonomen Fraktionen lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass jede Fraktion im Rahmen des vom Parlament geplanten finanziellen Gesamtvolumens einen eigenen Haushaltsplan über die geplante Verwendung der ihr danach zufließenden Mittel vorzulegen hat, der den haushaltsrechtlichen Anforderungen zu entsprechen hat und im Einzelplan des Parlaments zu veröffentlichen ist. Zu beachten ist auch, dass die Veranschlagung von Mitteln zur Selbstbewirtschaftung (§ 12 Abs. 3 HGrG, § 15 Abs. 2 BHO / LHO) grundsätzlich nicht von den haushaltsrechtlichen Veranschlagungsgrundsätzen dispensiert. Die Veranschlagung von Mitteln zur Selbstbewirtschaftung soll größere Flexibilität im Vollzug erlauben, nicht aber die Übersichtlichkeit beseitigen. 138 So mit Recht Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. 1. 1992, NVwZ 1992, 470; Urteil vom 3. 5. 1994, NVwZ 1995, 159. Zustimmend Helmut Siekmann, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, 1996, Art. 110, Rn 62; Herbert Fischer-Menshausen, in: von Münch / Kunig, Grundgesetz, Bd. 3, 3. Auflage, 1996, Art. 110, Rn 12. 139 Bei der Bewilligung von Mitteln müssen das Parlament und – bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache vor allem – die Öffentlichkeit wissen können, wofür das Geld ganz konkret gedacht ist. Sonst kann die Öffentlichkeit nicht beurteilen, ob eine Ausweitung sinnvoll ist. Wer Mittel bewilligt bzw. die Bewilligung in eigener Sache kontrolliert, muss wissen, wofür (S. 20 ff., 29 ff.). Die öffentliche Rechenschaft über die Herkunft des Geldes, die teilweise nach den Fraktions- oder Abgeordnetengesetzen vorgesehen ist, kann die vorherige Veranschlagung der geplanten Verausgabung nicht ersetzen, weil sie erst nachträglich erfolgt und zudem zu grob ist. 140 Dazu BremStGH, Urteil vom 5. 11. 2004, NVwZ 2005, 929 (932): „Wenig befriedigend ist es freilich, dass die Rechenschaftsberichte der Fraktionen ... nicht detailliert aufführen, welche Personen derartige Funktionszulagen erhalten, sondern lediglich eine Gesamtsumme angeben, aus der nur mittelbar Rückschlüsse auf die Zahl der bedachten Personen und den Umfang der Einzelzahlungen gezogen werden können. Diese Praxis
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Wahrnehmung der einzelnen Funktionen und die Zahl der Empfänger im Einzelnen ausgewiesen. Gerade das Beispiel der Funktionszulagen zeigt, wie nötig eine genaue Aufstellung der einzelnen Ausgaben im Haushaltsplan und in der nachträglichen Rechnung wäre. Ohne sie bleibt der Öffentlichkeit unbekannt, welche Gruppen von Funktionären Zusatzdiäten erhalten und wie hoch diese sind. Das erscheint – unabhängig von der Frage der Verfassungswidrigkeit – auch politisch unerträglich. 3. Mangelnde Transparenz in Bund und Ländern Transparenz existiert meist überhaupt nicht. Man kann mehrere Stufen der Geheimhaltung unterscheiden. a) Schleswig-Holstein Das einzige Parlament, das den Transparenzanforderungen wirklich voll genügt, ist Schleswig-Holstein. Dort werden die Funktionsträger, die Zulagen erhalten, und deren Höhe exakt im Gesetz genannt. Zusätzliche Entschädigungen „für besondere parlamentarischen Funktionen aus Mitteln der Fraktionen“ werden ausdrücklich für „unzulässig“ erklärt. 141 Das Kieler Parlament vollzog damit die Empfehlungen einer Kommission unter dem Vorsitz des früheren Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Ernst Benda. 142 b) Sachsen In Sachsen ermächtigt das Abgeordnetengesetz die Fraktionen, „in eigener Verantwortung den Parlamentarischen Geschäftsführern eine steuerpflichtige monatliche besondere Aufwandsentschädigung in Höhe von bis zu 50 v.H. der Grundentschädigung“ zu gewähren. 143 Den Transparenzanforderungen genügt das nicht, da das Ob und die Höhe der Zulage (innerhalb der genannten Obergrenze) sowie die Zahl der Parlamentarischen Geschäftsführer nicht öffentlich erscheint auch nach Auffassung des Bremer Staatsgerichtshofs verbesserungsbedürftig.“ Verfassungswidrigkeit nimmt der Staatsgerichtshof allein deshalb aber nicht an. 141 § 6 Abs. 6 Abgeordnetengesetz Schleswig-Holstein. 142 Empfehlungen der Unabhängigen Sachverständigenkommission zu Fragen der Abgeordnetenentschädigung, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucks. 15/1500 vom 19. 12. 2001, S. 29 ff. 143 § 6 Abs. 6a.
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gemacht werden. Anders als in Schleswig-Holstein werden weitere Zulagen aus den Fraktionskassen nicht ausdrücklich untersagt. Ferner können die Fraktionen nach einer weiteren Bestimmung des Abgeordnetengesetzes „besondere Mehraufwandsentschädigungen für den Mehraufwand zur Wahrnehmung von wesentlichen Funktionen, insbesondere als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende, aus eigenen Mitteln in Höhe von 332,34 € steuerfrei gewähren.“ 144 Hier bleibt der Öffentlichkeit verborgen, wer solche steuerfreien Zulagen erhält, ob alle Genannten sie erhalten und welche weiteren Funktionsträger sie ebenfalls bekommen (siehe das Wort „insbesondere“). Fraglich erscheint auch, ob die Fraktionen befugt sind, über den Kreis der steuerfreien Aufwandsentschädigungen zu befinden. Selbst die Summe der Zahlungen an Funktionsträger braucht in Sachsen – anders als in den meisten anderen Bundesländern und im Bund – auch im Nachhinein nicht genannt zu werden, 145 so dass dem Beobachter nicht einmal eine überschlägige Kontrolle möglich ist (siehe Tabelle 10). c) Niedersachsen In Niedersachsen müssen in die Jahresrechnung, welche die Fraktionen nachträglich zu legen haben, der Gesamtbetrag der den Funktionsträgern geleisteten Zulagen und die Höhe der Vergütung für die Wahrnehmung der einzelnen Funktionen aufgelistet werden. Das folgt aus den Rechnungslegungsbestimmungen des niedersächsischen Abgeordnetengesetzes. 146 In den Jahresrechnungen wird auch die jeweilige Zahl der Funktionsträger genannt. Dem verfassungsrechtlichen Gebot der spezifizierten Aufschlüsselung der Bewilligung, welche die Öffentlichkeit bereits während des politischen Willensbildungsprozesses informiert und ihr so die Möglichkeit gibt, Missbräuche zu kritisieren und notfalls auch zu verhindern (siehe S. 50 ff.), genügt die nachträgliche Publikation der Beträge, nachdem alles schon entschieden und ausgezahlt ist, allerdings nicht. Die Vorschrift im Abgeordnetengesetz, die eine entsprechende Aufgliederung der Funktionszulagen in der Jahresrechnung verlangt, reicht nicht aus, um die öffentliche Kontrolle bereits im Entscheidungsprozess wirksam zu machen.
144 145 146
§ 6 Abs. 6 Satz 4 Abgeordnetengesetz. § 5 Abs. 3 Nr. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz. § 33a Abs. 3 Nummer 2 a) Niedersächsisches Abgeordnetengesetz.
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d) Übliche Regelung im Bund und in den Flächenländern Im Bund und in den meisten Flächenländern, wie z. B. Bayern, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, 147 wird aufgrund eines Passus im jeweiligen Abgeordneten- oder Fraktionsgesetz über die Form der Rechnungslegung lediglich die Gesamtsumme der Zulagen, welche die einzelnen Fraktionen ihren Funktionsträger zahlen, in der Jahresrechnung veröffentlicht. Den Transparenzanforderungen genügt dies natürlich erst recht nicht. e) Intransparenz total In Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt brauchen nicht einmal die Globalbeträge nachträglich veröffentlicht zu werden (siehe Anlage 10). Das macht selbst eine ungefähre Ermittlung, welche Zulagen die Fraktionen in diesen Ländern an Funktionsträger gewähren, unmöglich. 4. Resümee: Streng geheim und verfassungswidrig Die Anforderungen an Transparenz und öffentliche Kontrolle werden bislang nur von Schleswig-Holstein eingehalten. Dort sind die Gruppe der Berechtigten und die Höhe der Zulagen durch das Abgeordnetengesetz festgelegt, das Geld kommt direkt aus dem Landeshaushalt, und eine Gewährung seitens der Fraktionen ist ausdrücklich untersagt. Bei der Zahlung von Extra-Diäten durch die Fraktionen im Bundestag und in den übrigen Länderparlamenten besteht dagegen ein krasser Mangel an Transparenz. 148 Da die „Zuschüsse“, die die Fraktionen erhalten, meist nur als Globalsumme im Haushaltsplan zu finden sind, fehlt ein spezifizierter Ausweis, welche Gruppen von Funktionsträgern Zulagen erhalten und wie hoch diese sind. Das 147 In Baden-Württemberg sind in Zukunft Aufwandsentschädigungen mit dem „Gesamtbetrag und gegliedert nach Leistungen an stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende von Arbeitskreisen“ in der Jahresrechnung auszuweisen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Fraktionsgesetz Baden-Württemberg in der Fassung vom 29. 7. 2010, gültig ab 1. 5. 2011). 148 Auch die sonst nicht gerade sehr strenge Konferenz der Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder betont in ihren bereits im Jahre 1991 beschlossenen Leitsätzen zu den Funktionszulagen, es sei „im Interesse der Transparenz ... angebracht, auch dort, wo bislang noch nicht geschehen, hierüber eine Regelung durch Gesetz herbeizuführen.“ Abgedruckt in: BVerfGE 102, 224 (230).
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gilt auch für die nachträgliche Rechnung, in welcher Funktionszulagen zwar erwähnt werden, die auf sie entfallenden Zahlungen aber ebenfalls nur als Gesamtsumme ausgewiesen sind. Eine Ausnahme macht insoweit Niedersachsen. Das Bundesverfassungsgericht und z. B. der Verfassungsgerichtshof Thüringen haben für Diätenentscheidungen ein Gesetz, in dem die Höhe der Zahlung und der Kreis der Empfänger exakt benannt werden, ausdrücklich verlangt, um den Parlamenten die Flucht aus der für sie unbequemen öffentlichen Angemessenheitsdiskussion zu versperren. So soll Öffentlichkeit hergestellt werden, die möglichen Gegendruck gegen als unangemessen empfundene Beschlüsse entstehen lässt und einen gewissen Zwang zur Begründung schafft. Bei der Fraktionsfinanzierung fehlt jede der Öffentlichkeitswirkung eines speziellen Gesetzes entsprechende Vorkehrung. Um ihre Zulagen machen die meisten Fraktionen – vermutlich aus schlechtem verfassungsrechtlichen Gewissen und damit ihre Funktionäre sie ungestört genießen können, – ein großes Geheimnis. Viele, zum Beispiel die Fraktionen der Union und der SPD im Bundestag und im Bayerischen Landtag, verweigern sogar auf gezielte Anfragen der Medien die Auskunft (siehe S. 80 ff., 83 ff. und Anlage 1). Das ist politisch in gar keiner Weise zu rechtfertigen und schon vom Verfahren her verfassungswidrig. 149 Bestätigt wird dies auch durch den 1975 vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall. Im damaligen saarländischen Abgeordnetengesetz waren wesentliche Teile der Diäten nicht durch das Abgeordnetengesetz bestimmt, sondern lediglich vom Parlamentspräsidium festgelegt worden, welches dazu gesetzlich ermächtigt worden war. Die Festsetzung erfolgte also in einem Verfahren, das sich, wie das Gericht betonte, „der Kontrolle der Öffentlichkeit entzieht“ und deshalb verfassungswidrig ist. 150 Genau das geschieht aber auch bei der Gewährung von Funktionszulagen durch die Fraktionen in Bund und Ländern. Auch sie entzieht sich der Kontrolle der Öffentlichkeit. Soll aber ein Verfahren, das dem Parlament als Ganzem verboten ist, den Fraktionen erlaubt sein? In beiden Fällen werden die für die Diäten erforderlichen Mittel nicht spezialgesetzlich festgesetzt. Bei den Zulagen kommt erschwerend hinzu, dass sie nicht einmal im Haushaltsplan genannt werden, auch nicht als Globalsumme. Das verhindert die Kontrolle durch die Öffentlichkeit und erlaubt geräuschlose Erhöhungen sowie die stillschweigende Ausweitung des Kreises der Empfänger. Die Funktionszulagen sind also noch weniger kontrollierbar als die seinerzeit vom saarländischen 149 Rechtsprechung und Rechtslehre haben das Transparenzproblem von Zulagen, die die Fraktionen gewähren, bisher allerdings kaum thematisiert. Sie konzentrieren sich vielmehr auf die materiellen Grenzen (siehe S. 56 ff.). Immerhin wird das Problem angesprochen von der Benda-Kommission, Landtagsdrucksache Schleswig-Holstein 15/1500, 17 –19 und 36, und von Stefanie Schmahl, AöR 2005, 114 (145). 150 BVerfGE 40, 296 (327).
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Landtagspräsidium in verfassungswidriger Weise festgesetzten Diätenbestandteile. Diese waren immerhin im Haushaltsplan des Parlaments aufgegliedert, während die Zulagen in der Gesamtsumme der Zuschüsse, die die Fraktionen erhalten, in Bund und in fast allen Ländern ununterscheidbar untergehen und auch nachträglich im Rechenschaftsbericht keine Aufgliederung erfolgt. Auch über Funktionszulagen wird praktisch in eigener Sache entschieden. Denn den Entwurf des internen Haushaltsplans der Fraktion erstellen regelmäßig der geschäftsführende und der erweiterte Fraktionsvorstand. Das sind die Einflussreichen in der Fraktion und in der Regel zugleich auch die Empfänger der Zulagen. Dem wird in der Mitgliederversammlung kaum ein „einfaches“ Fraktionsmitglied widersprechen, wenn er seine Aufstiegschancen in der Fraktion nicht gefährden will. 151 Die Dominanz der Fraktionsführung bei der Mittelverteilung betont auch die vom Bundesverfassungsgericht wiederholt in Bezug genommene 152 Politikwissenschaftlerin Suzanne Schüttemeyer: Die Fraktionsführung hält „weitgehend die Entscheidung über die konkrete Verwendung der Fraktionsgelder in Händen.“ 153 Daraus folgt, dass die Gewährung von Extra-Diäten durch die Fraktionen bereits verfahrensmäßig verfassungswidrig ist. Die Fraktionen selbst können keine gesetzliche Regelung treffen. Sie dürften deshalb Extra-Diäten nur gewähren, wenn sie dazu in einem vom Parlament beschlossenen, die Art und Höhe der Zulagen exakt festlegenden Gesetz ermächtigt würden. Daran fehlt es bisher. Auch die sächsische Regelung nähert sich den verfassungsrechtlichen Anforderungen lediglich an.
II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung auch des materiellen Zulagenverbots Parlamentspräsidenten, ihre Stellvertreter und in einigen Ländern auch Fraktionsvorsitzende bekommen ihre Zulagen nach den Abgeordnetengesetzen offen aus der Parlamentskasse. Das ist in Ordnung. Dagegen wird ein Füllhorn anderer Zulagen, jeweils heimlich, auf dem Umweg über die staatsfinanzierten Fraktionskassen ausgeschüttet. Das ist bereits wegen mangelnder Transparenz 151 So auch Ulrike Schmidt, Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln, Parlamentarischer Beratungsdienst des Landtags Brandenburg, Dezember 2010, 16: „Eine wirklich unabhängige Abstimmung über Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln könne „nicht gewährleistet werden ... Von einer freiwilligen und unabhängigen Entscheidung eines jeden Fraktionsmitglied über die Gewährung von Zulagen aus Fraktionsmitteln lässt sich ... schwerlich ausgehen.“ 152 BVerfGE 102, 224 (240, 242, 243). 153 Suzanne Schüttemeyer, Fraktionen im Deutschen Bundestag 1949 –1997, 1998, 59.
II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung des materiellen Zulagenverbots 57
politisch unerträglich und verfassungsrechtlich unzulässig, wie unter I (S. 49 ff.) im Einzelnen dargestellt. Im Folgenden geht es um die zusätzlichen materiellrechtlichen Schranken für solche Zulagen. 1. Der Grundsatz: Verbot von Zulagen a) Gleichheit und Freiheit Die steuerpflichtige so genannte Entschädigung von Abgeordneten muss grundsätzlich für alle gleich hoch sein. Wie im Wahlrecht gilt auch für den finanziellen Status von Abgeordneten ein formaler, das heißt, strenger Gleichheitssatz und damit das Gebot gleicher Entschädigung. Ausnahmen sind nur aus besonderen, zwingenden Gründen zulässig. 154 Soweit der Grundsatz. Die verfassungsrechtlich entscheidende Frage ist, welche zwingenden Gründe eine dennoch gewährte Diätenzulage rechtfertigen. Das Grundgesetz gibt Abgeordneten keinen Anspruch auf eine so genannte Vollalimentation. 155 Im Bund und in den Flächenländern wird aber gleichwohl eine Vollalimentation gewährt: Neben den steuerpflichtigen Diäten erhalten die Abgeordneten zumeist eine hohe, beitragsfreie Altersversorgung, steuerfreie Kostenpauschalen etc. 156 Selbst Landtagsabgeordnete, die normalerweise eigentlich nur eine Teilzeittätigkeit ausüben, wie Insider freimütig einräumen (so z. B. die früheren Landtagsdirektoren von Thüringen und Niedersachsen, Joachim Linck 157 und Albert Janssen 158), definieren ihr Mandat dennoch als Vollzeittätigkeit und lassen sich voll alimentieren. Die Diäten sind deshalb im Bund und in allen Flächenländern von vornherein so bemessen, dass sie auch für diejenigen, die sich dem Mandat vollzeitig widmen, angemessen sind. 159 Da die 154
BVerfGE 40, 296 (317 f.); 102, 226 (238 f.). BVerfGE 76, 256 (341 f.). 156 Siehe dazu von Arnim / Drysch, Drittbearbeitung das Art. 48 Grundgesetz in Bonner Kommentar, 2010, Rn 201 ff. (Altersversorgung) und 252 ff. (Kostenpauschale). 157 Joachim Linck, Beruf Abgeordneter? (Leserbrief), Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. 8. 2006; ders., Zurück zum ehrenamtlichen Landesparlamentarier?, in: von Arnim (Hg.), Defizite in Staat und Verwaltung, 2010, 91 ff.; ders., Wie ein Landtag laufen lernte, 2010, 40 f. Ebenso Stephan Holthoff-Pförtner, Landesparlamentarismus und Abgeordnetenentschädigung, 2000, 72; Gottfried Müller (Thüringer Landtagspräsident 1990 bis 1994) in einem Brief vom 6. 1. 1992 an den Verfasser; Wolfgang Böhmer (Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt): „Böhmer für Teilzeit-Parlament in Sachsen-Anhalt“, MDRonline vom 16. 3. 2010. Überblick bei von Arnim, Die Mär vom Landtagsabgeordneten als Fulltimejob, ZRP 2005, 72; von Arnim / Drysch, Bonner Kommentar, Art. 48 GG, Rn 162 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 158 Albert Janssen, Der Landtag im Leineschloss – Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven, in: Präsident des Niedersächsischen Landtags, Rückblicke – Ausblicke, 1992, 15 (31). 155
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normalen Diäten mithin als Vollalimentation ausgestaltet sind, 160 entschädigen sie Funktionsträger bereits für die Mehrarbeit mit, die durch die Ausübung der besonderen Funktion anfällt. Deshalb greift der übliche Einwand der Betroffenen, Mehrarbeit müsse auch zusätzlich bezahlt werden, weil dann andere Verdienstmöglichkeiten entfallen, hier nicht. Parlamentsabgeordnete genießen große Privilegien. Sie dürfen trotz voller Bezahlung noch privat dazuverdienen – rechtlich unbeschränkt und ohne Verrechnung. 161 Das ist keinem anderen voll alimentierten Amtsträger gestattet. Landtagsabgeordnete werden sogar für ihre Teilzeitarbeit voll bezahlt. Für Funktionsträger, die Mehrarbeit leisten, mag privater Zusatzverdienst zwar kaum noch möglich sein, und die Landtagstätigkeit kann dann wirklich zum Fulltimejob werden. Doch dadurch wird lediglich das Ausnutzen der Privilegien erschwert, und das bedarf keines finanziellen Ausgleichs. Außerdem stärkt die Übernahme einer Funktion die Stellung des Abgeordneten und vergrößert seinen Einfluss in der Fraktion und im Parlament. Vor diesem Hintergrund machen Zulagen grundsätzlich keinen Sinn. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Diätenurteil von 1975 festgestellt: „Die Demokratie des Grundgesetzes ist eine grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie. ... Das Grundgesetz kennt ... im Parlamentsrecht keine für den Status des Abgeordneten erheblichen besonderen, in seiner Person liegenden Umstände, die eine Differenzierung innerhalb des Status rechtfertigen können. Alle Mitglieder des Parlaments sind einander formal gleichgestellt. Das Prinzip dieser formalisierten Gleichbehandlung ist verfassungsrechtlich im egalitären Gleichheitssatz ausgeprägt. Aus ihm folgt, ... dass jedem Abgeordneten eine gleichhoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die parlamentarische Tätigkeit größer oder geringer ist. ... Danach werden also künftig ... gestaffelte Diäten für Abgeordnete mit besonderen Funktionen entfallen.“ 162
Dabei ist das Gericht sich darüber klar, dass Abgeordnete mit besonderen Funktionen stärker belastet sind und deshalb kaum noch etwas dazu verdienen können: „Für Abgeordnete mit besonderen Funktionen im Parlament oder in den Fraktionen tritt die berufliche Tätigkeit völlig in den Hintergrund.“ 163 Die ein159
So schon BVerfGE 40, 296 (315 f.). Das gilt auch für Baden-Württemberg. Näheres S. 82 f. 161 BVerfGE 40, 296 (318 f.). von Arnim / Drysch, Bonner Kommentar, Art. 48 GG, Rn 35, 294 ff. 162 BVerfGE 40, 296 (317 f.); aufgenommen auch in den Leitsatz 2a (S. 296). Ausdrücklich zustimmend BVerfGE 102, 224 (245). 163 BVerfGE 40, 296 (313). 160
II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung des materiellen Zulagenverbots 59
heitlichen Diäten sind eben so bemessen, dass sie auch solche Zusatztätigkeiten mit abdecken. Durch Zulagen kann – neben der Gleichheit – auch die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Abgeordneten verletzt werden. Das hebt das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Urteil von 2000 hervor: Das „letztlich auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG fußende Freiheitsgebot des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt, die Abgeordneten in Statusfragen formal gleich zu behandeln, damit keine Abhängigkeiten oder Hierarchien über das für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments unabdingbare Maß hinaus entstehen.“ 164 Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat den Stand der Rechtsprechung prägnant zusammengefasst und ist dabei auch auf das populäre, aber unzutreffende Gegenargument eingegangen, größerer Arbeitseinsatz rechtfertigt auch eine höhere Bezahlung: Der durch eine besondere Funktion bedingte „zeitliche Einsatz des Abgeordneten ... ist mit der Grundentschädigung entgolten. ... Die Grundentschädigung hat Alimentationsfunktion, weil sie die Ausübung des Mandats und sämtlicher mit ihm verbundener parlamentarischer Aufgaben gewährleistet. Daher ist die zeitliche Inanspruchnahme eines Abgeordneten unabhängig von ihrem Anlass mit der Grundentschädigung so vollständig abgegolten, dass in Bezug auf den durch eine besondere Funktion verursachten Einsatz kein Raum für eigenständige Ausgleichsregelungen besteht. ... Mag hieraus sich die im Lebensalltag übliche Relation von persönlichem Einsatz und materiellem Ertrag verschieben, so beruht dies nicht auf willkürlicher Zurücksetzung der aktiveren Abgeordneten, sondern auf dem sich aus dem Status aller Mandatsträger resultierenden Erfordernis der Gleichheit beziehungsweise Gleichbehandlung. Dieses verbietet, die den Abgeordneten zustehenden Zuwendungen grundsätzlich von Art und Umfang ihrer parlamentarischen Aktivitäten abhängig zu machen.“ 165 b) Wirkungen von Funktionszulagen aa) Verschärfung der Abhängigkeit durch Quasi-Einkommenslaufbahnen Funktionszulagen haben einen mehrfach negativen Effekt. Sie verschärfen die Abhängigkeit der Abgeordneten und machen sie tendenziell eher zu Ja-Sagern gegenüber der Fraktionsführung. Sie verstärken also die – wegen der politischen Angewiesenheit des Abgeordneten auf die Unterstützung seiner Fraktion – struk164 BVerfGE 102, 224 (239). Bereits früher hatte das Gericht darauf abgehoben, dass Gefahren für die Unabhängigkeit des Abgeordneten heute – neben einflussreichen Gruppen der Gesellschaft – vor allem „von der politischen Partei, der er angehört,“ drohen (BVerfGE 40, 296 [313]). Das gilt natürlich auch für die Fraktion. 165 ThürVerfGH, Urteil vom 14. 7. 2003, NVwZ-RR 2003, 793 (795).
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
turell ohnehin unvermeidliche und deshalb hinzunehmende Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Fraktionsmitglieder noch weiter. Die finanzielle Ausstattung erhöht die Abhängigkeit von denen, die über die Zuteilung solcher Stellen entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht formuliert das so: „Wird ... die Verteilung parlamentarischer Funktionen mit unterschiedlicher Dotierung der Abgeordneten verbunden, so entstehen zusätzliche Abhängigkeiten, die durch die Aufgaben des Abgeordneten innerhalb effektiv organisierter Parlamentsarbeit nicht gerechtfertigt werden, sondern hierzu in Widerspruch treten können: Innerparlamentarische Einkommenshierarchien lassen es erstrebenswert erscheinen, parlamentarische Funktionen aus ökonomischen Gründen, unabhängig von individuellen politischen Intentionen und Kompetenzen, zu übernehmen, auszuüben und gegenüber Konkurrenten zu behaupten.“ 166
Diese Effekte von Zulagen können den verbreiteten Eindruck verstärken, Politiker würden vor allem danach streben, von der Politik zu leben, statt für die Politik, und dem Ansehen der Politik schaden. Es gilt deshalb, so das Bundesverfassungsgericht weiter, „der Gefahr zu begegnen“, dass durch „Funktionszulagen ‚Abgeordnetenlaufbahnen‘ und Einkommenshierarchien geschaffen werden, die der Freiheit des Mandats abträglich sind und die Bereitschaft der Abgeordneten beeinträchtigen, ohne Rücksicht auf eigene wirtschaftliche Vorteile die jeweils beste Lösung für das Gemeinwohl anzustreben.“ 167 bb) Gefahr grenzenloser Aufblähung Würden Zulagen nicht auf ganz wenige Funktionsträger beschränkt und das grundsätzliche Verbot aufgegeben, wäre ihrer „systematischen Ausdehnung“ 168 Tür und Tor geöffnet. 169 Das hatte die Entwicklung vor dem Urteil von 2000 zur Genüge gezeigt. In Sachsen-Anhalt etwa hatte über die Hälfte der Abgeordneten eine Extra-Diät, in Schleswig-Holstein waren es zwei Drittel. 170 Das Bundesverfassungsgericht lässt Funktionszulagen deshalb „nur in geringer Zahl“ zu 171 und gestattet Fraktionsvorsitzenden – neben ihrer politischen Bedeutung – auch deshalb eine Zusatzentschädigung, weil ihre Posten „in der Anzahl begrenzt“ sind. 172 Dagegen sind Zahlungen für Ausschussvorsitzende auch deshalb untersagt, weil 166 167 168 169 170 171 172
BVerfGE 102, 224 (240). BVerfGE 102, 224 (241). BVerfGE 102, 224 (241). BVerfGE 102, 224 (245). von Arnim, Diener vieler Herren, 1998, 162 f. BVerfGE 102, 224 (241). BVerfGE 102, 224 (242).
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die Zahl der Ausschüsse „deutlich diejenige der Fraktionen“ übersteige und sich „zudem vergleichsweise einfach erhöhen“ lasse, wie überhaupt die Anzahl „der hier in Rede stehenden Funktionen weitgehend im Belieben von Landtag und Fraktionen“ stehe. 173 cc) Abdrängung der Zulagen in den parlamentarischen Untergrund Zugleich fördert das Zulagenunwesen, wenn die Zahlungen über die Fraktionen erfolgen, die Tendenz, wesentliche Teile der Diäten vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Während allgemeine Diätenerhöhungen durch Gesetz, also vor aller Augen, beschlossen werden müssen und damit auch öffentlicher Kritik ausgesetzt sind (siehe oben), werden Zuwendungen der Fraktionen typischerweise an der öffentlichen Kontrolle vorbei gewährt. Dass dadurch ein Anreiz geschaffen wird, sie auf diesem bequemen Weg zu erhöhen und die Zahl, Empfänger zu vermehren und die gerade bei Entscheidungen in eigener Sache unverzichtbare öffentliche Kontrolle auszuschalten, liegt auf der Hand. Dies umso mehr, als auch die Erhöhung der Fraktionsmittel regelmäßig „geräuschlos“ ohne Gesetzesänderung durch bloße Bewilligung der unspezifizierten Gesamtsumme im Haushaltsplan erfolgen kann und auch im Nachhinein die einzelnen Zulagen fast überall nicht ausgewiesen werden. Wie die Praxis zeigt, erhält denn auch eine übergroße Zahl von Abgeordneten geheime, zum Teil üppige derartige Zahlungen. 174 dd) Ersatz für allgemeine Diätenerhöhungen Durch Verschiebung wesentlicher Teile der Diäten aus der Öffentlichkeit in den abgedunkelten Fraktionsbereich können eventuell anstehende allgemeine Diätenerhöhungen dann leicht durch Zulagen, finanziert durch die leicht zugänglichen Fraktionszuschüsse, ersetzt werden. 175 Das widerspricht nicht nur dem Transparenzgebot, welches gerade bei Entscheidungen über Abgeordnetendiäten strikt einzuhalten ist, sondern geht auch zu Lasten „einfacher“ Abgeordneter, die keine Extra-Zahlungen erhalten, und kann auch deren Freiheit gefährden. 176 173
BVerfGE 102, 224 (244). Dazu schon vor eineinhalb Jahrzehnten Annette Fischer, Abgeordnetendiäten und staatliche Fraktionsfinanzierung in den fünf neuen Bundesländern, 1995, 85. Zur heutigen Situation siehe S. 80 ff. 175 BVerfGE 102, 224 (241): „Eine breite Streuung der besonders zu entschädigenden Funktionsstellen [könnte] die Bereitschaft gerade der einflussreichen, mit Funktionszulagen ausgestatteten Abgeordneten mindern, die reguläre Entschädigung von Zeit zu Zeit den steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen.“ 174
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ee) Gefahr der Verbeamtung von Abgeordneten Das Bundesverfassungsgericht stützt das grundsätzliche Zulagenverbot auch auf den großen Unterschied zwischen Abgeordneten und Beamten, 177 weshalb z. B. eine Koppelung der Diäten an die Beamtenbesoldung unzulässig ist. 178 Jener Unterschied droht nun aber durch Extra-Zuwendungen, die die Hierarchisierung im Parlament zwangsläufig verstärken müssen, eingeebnet zu werden. Demgegenüber soll das Verbot der Gefahr begegnen, „dass das parlamentarische Handeln am Leitbild einer ‚Abgeordnetenlaufbahn‘ und dem Erreichen einer höheren Einkommensstufe ausgerichtet wird.“ 179 Das Gericht bezieht sich dabei auf Hans Meyer, der diese – durch die derzeitige Praxis höchst virulente – Gefahr mit plastischen Beispielen ausmalt. 180 Aus allen diesen Gründen dürfen Funktionszulagen „zum einen nur in geringer Zahl vorgesehen werden und sind zum anderen auf besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen zu begrenzen.“ 181 c) Konkretisierung des Grundsatzes im Interesse der Rechtssicherheit Im Interesse der Rechtssicherheit sucht das Gericht klare Grenzen zu ziehen, ohne welche – durch Absprachen einflussreicher Abgeordneter auf Gegenseitigkeit – trotz des grundsätzlichen Verbots dann doch leicht eine schleichende Aufblähung der Zulagen drohte. Danach dürfen Zulagen nur an den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter 182 sowie Fraktionsvorsitzende 183 gezahlt werden. Ihre Zahl sei von vornherein begrenzt, so dass eine ständige Ausweitung nicht zu befürchten sei. 184 „Mit der Gewährung von zusätzlichen Entschädigungen an stellvertretende Fraktionsvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen und Aus176 BVerfGE 102, 224 (242): Auch durch eine solche Verlagerung der Diäten auf Funktionsträger mit der Konsequenz, „dass die Entschädigung im Gefolge der wirtschaftlichen Entwicklung allmählich die Grenze der Angemessenheit unterschreitet, wird die Freiheit des Mandats gefährdet.“ 177 BVerfGE 76, 256 (341 f.). 178 BVerfGE 40, 296 (316). Zu weiteren Gründen siehe S. 22. 179 BVerfGE 102, 224 (239). 180 Hans Meyer, Das fehlfinanzierte Parlament, in: Peter M. Huber / Wilhelm Mößle / Martin Stock (Hg.), Zur Lage der parlamentarischen Demokratie, 1995, 17 (62 ff.). 181 BVerfGE 102, 224 (241). 182 BVerfGE 40, 296 (318). 183 BVerfGE 102, 224; 119, 302 (309). 184 BVerfGE 102, 224 (242 f.). Hinsichtlich der stellvertretenden Parlamentspräsidenten kann man, was die Begrenztheit anlangt, allerdings Zweifel haben.
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schussvorsitzende wäre“, so fährt das Gericht fort, dagegen „das Tor geöffnet zu einem differenzierten, Abhängigkeiten erzeugenden oder verstärkenden Entschädigungssystem, das der Senat bereits im Urteil vom 5. 11. 1975 als unvereinbar mit dem Grundsatz der Abgeordnetengleichheit angesehen hat (vgl. BVerfGE 40, 296 [318]).“ 185 In der Tat drohte sonst das Zulagenwesen – auf Kosten der Gleichheit und Freiheit der Abgeordneten und der Transparenz ihres finanziellen Status – völlig außer Kontrolle zu geraten. 186 Die Begrenzung der Zusatz-Entschädigungen hat Ähnlichkeit mit der absoluten Obergrenze, die das Gericht für die staatliche Parteienfinanzierung entwickelt hat (siehe S. 23). In beiden Fällen sollen den sonst leicht ins Kraut schießenden Bewilligungen in eigener Sache klare Grenzen gezogen werden. Auch die sog. Schuldenbremse, die dem süßen Gift der Finanzierung von Staatsausgaben auf Kosten der Zukunft einen Riegel vorschieben soll, gehört hierher. d) Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Grundsätzliches Verbot von Funktionszulagen Das grundsätzliche Verbot beruht inzwischen auf der ständigen Rechtsprechung des Gerichts. Das Diätenurteil von 1975 bezog sich zwar unmittelbar nur auf den Landtag des Saarlandes. 187 Es wurde aber, wie auch das Bundesverfassungsgericht konstatiert, 188 von den Parlamenten vielfach so verstanden, dass es auch für andere Länder und den Bund galt. Dementsprechend haben die deutschen Parlamente den finanziellen Status ihrer Abgeordneten – entsprechend den Vorgaben des Gerichts – reformiert. Damals mochte man allerdings noch zweifeln, ob das grundsätzliche Verbot von Funktionszulagen Bestand haben und das letzte Wort des Bundesverfassungsgerichts sein würde, 189 zumal das Verbot im Urteil von 1975 nur ein obiter dictum, das heißt, eine das Urteil nicht tragende Nebenbemerkung, darstellte 190 und das Minderheitsvotum von Walter 185
BVerfGE 102, 224 (245). BVerfGE 102, 224 (241 ff.). 187 BVerfGE 40, 296. 188 BVerfGE 102, 224 (233). 189 So auch von Arnim, der früher dafür plädiert hatte, Zulagen noch über den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter hinaus zuzulassen, allerdings – wegen des verfassungsrechtlichen Transparenzgebotes (siehe S. 20 ff., 49 ff.) – nur durch Gesetz: von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, 407 ff.; ders., Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung des Art. 48 GG (1980), Rn 123 f. – Inzwischen lässt das Bundesverfassungsgericht auch Zulagen für Fraktionsvorsitzende zu, zudem ist geklärt, dass für Teilzeitparlamente Ausnahmen gelten (siehe sogleich S. 64). Auch dadurch ist den früherem Bedenken gegen das Urteil von 1975 der Boden entzogen: von Arnim / Drysch, Drittbearbeitung des Artikels 48 GG im Bonner Kommentar, 2010, Rn 184. 190 BVerfGE 40, 296 (318). 186
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Seuffert Sondervergütungen mit Entschiedenheit für zulässig erklärte. 191 Inzwischen aber hat das Gericht das grundsätzliche Verbot in einem weiteren Urteil von 2000 ausdrücklich bestätigt. Dieses ist einstimmig ergangen, und es war nicht mehr Nebenthema, sondern zentraler Gegenstand des Urteils. 192 Im Jahre 2007 bestätigte das Gericht seine Auffassung erneut, wies auf die nunmehr geltenden „allgemeinen Maßstäbe“ für Funktionszulagen hin 193 und machte sie damit zur ständigen Rechtsprechung, die nunmehr mit Recht allgemeine Geltung beansprucht. 2. Ausnahmebereiche a) Stadtstaaten: Die Bürgerschaften von Hamburg und Bremen sowie das Abgeordnetenhaus von Berlin Die genannten Grundsätze gelten uneingeschränkt allerdings nur für die Parlamente von Flächenländern, die das Mandat als Vollzeittätigkeit definieren und ihren Abgeordneten eine Vollalimentation gewähren. Für Parlamente von Stadtstaaten, die sich als Teilzeitparlament organisieren und ihren Mitgliedern lediglich eine Teilalimentation zahlen, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 2000 ausdrücklich einen Vorbehalt gemacht 194 und betont, eine „Anpassung“ der Grundsätze an andere Verhältnisse, etwa im Hinblick auf die Gestaltung als – so das Gericht wörtlich – „Vollzeit- oder Teilzeitparlament“, müsse möglich bleiben. Dabei müsse dann „auch in Kauf genommen werden, dass sich solche Regeln unter Umständen ungleichmäßig“ auswirkten. 195 Dementsprechend gilt das strenge Verbot von Zulagen etwa an stellvertretende Fraktionsvorsitzende nach Urteilen des Landesverfassungsgerichts Hamburg von 1997 und des Staatsgerichtshofs Bremen von 2004 für beide Bürgerschaften nicht. 196 Beide Gerichte haben – unter ausdrücklicher Berufung auf den Teilzeitcharakter und die Teilalimentation 197 – für Hamburg und Bremen weitergehende Zusatz191
BVerfGE 40, 296, 330 (339 f.). BVerfGE 102, 224. 193 BVerfGE 119, 302 (309). 194 BVerfGE 102, 224 (240). Ähnlich bereits BVerfGE 40, 296 (314). Vgl. auch Sondervotum Seuffert, BVerfGE 40, 296, 330 (345). 195 BVerfGE 102, 224 (240). 196 Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 23. 6. 1997, NJW 1998, 911; Bremer Staatsgerichtshof, Urteil vom 5. 11. 2004, NVwZ 2005, 929, Leitsatz 1: „Im Rahmen der Verfassungsautonomie der Länder hat sich die Bremische Bürgerschaft (Landtag) zulässigerweise als Teilzeitparlament organisiert. Auf dieser Grundlage ist die Praxis, außer den Fraktionsvorsitzenden auch jeweils den beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden eine Funktionszulage zu zahlen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“ 192
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entschädigungen zugelassen. Das scheine, so das Hamburger Verfassungsgericht, zwar dem „in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. 11. 1975 entwickelten Prinzip der formalisierten Gleichstellung“ zu widersprechen, sei „aber aus zwingenden Gründen gerechtfertigt.“ 198 Einer schrankenlosen Ausweitung der Funktionszulagen wird damit allerdings auch in den Stadtstaaten nicht das Wort geredet. Das bestätigt auch der Staatsgerichtshof Bremen. 199 In jedem Falle betreffen diese Urteile lediglich die Stadtstaaten und lassen die Geltung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für Vollzeit-Parlamente mit Vollalimentation unberührt. 200 Das ergibt sich aus den vorstehenden Darlegungen mit aller Deutlichkeit. b) Bloße Kostenerstattung Das grundsätzliche Verbot zusätzlicher Zahlungen an Funktionsträger gilt von vornherein nicht für die Erstattung von Kosten, die durch die Wahrnehmung der Funktion zusätzlich entstehen; hierbei handelt es sich nicht um eine für den Lebensunterhalt bestimmte weitere Alimentationszahlung. Das folgt aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, und auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat dies klargestellt. 201 Erstattungsfähig ist allerdings nur der sachlich begründete, besondere, mit der Funktion verbundene finanzielle Zusatzaufwand. 202 Auch eine Pauschalierung ist zulässig, wenn diese sich am tatsächlichen Aufwand im genannten Sinn orientiert. 203 Fällt für Funktionsträger 197
VerfGH Bremen, a. a. O., 931. A. a. O, 912. 199 A. a. O., 932: „Die beigetretenen Fraktionen haben ... in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Tätigkeit der Personen, die außer dem Vorsitzenden und seinen beiden Stellvertretern den (erweiterten) Fraktionsvorstand bilden (Beisitzer), nicht so zeitaufwändig sei, dass diese Leistung durch eine Pensionszusage kompensiert werden müsste. Der Bremer Staatsgerichtshof geht daher davon aus, dass es künftig zu keiner Erweiterung des Empfängerkreises von Funktionszulagen kommen wird.“ 200 Das verkennt der Präsident des Landtags Rheinland-Pfalz in seiner Presseinformation vom 21. 9. 2010. Wenn dort darauf hingewiesen wird, die Verfassungsgerichte der Länder würden „zunehmend die Zulässigkeit von Funktionszulagen anerkennen,“ so trifft dies nur für teilalimentierte Stadtstaatenparlamente zu, gerade nicht für vollalimentierte Parlamente wie das rheinland-pfälzische. Auch das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofes von 2003 ist nicht einschlägig. Es betraf nur pauschale Kostenerstattungen, die grundsätzlich zulässig sind (siehe sogleich unter b)). 201 ThürVerfGH, Urteil vom 14.7. 2003 (Aktenzeichen VerfGH 2/01), NVwZ-RR 2003, 793. Überblick über solche Kostenerstattungen bei Patrizia Robbe, Amtsaufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, 2008. 202 BVerfGE 40, 296 (318). 203 BVerfGE 40, 296 (328). 198
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also ein solch abgrenzbarer zusätzlicher Aufwand an, kann dieser auch pauschal entgolten werden. 204 c) Ausnahmen für Parlamentarische Geschäftsführer? Die Kritik an der Ignorierung der Rechtsprechung durch den Bundestag und die Landtage richtet sich allerdings nicht in erster Linie gegen Parlamente, die nach sorgfältiger Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung äußerstenfalls auch einem Parlamentarischen Geschäftsführer pro Fraktion eine Zulage gewähren. Parlamentarische Geschäftsführer verfügen – aufgrund der Fülle an Aufgaben und Kompetenzen – über herausragende Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten und besitzen deshalb eine besondere Bedeutung. Zudem lassen sich die Stellen von (Ersten) Parlamentarischen Geschäftsführern nicht beliebig vermehren, so dass – anders als etwa bei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und sonstigen Funktionsträgern – sich auch die Gefahr der Vervielfältigung in Grenzen hält. In Schleswig-Holstein wird einem Parlamentarischen Geschäftsführer pro Fraktion eine Zulage gewährt. Die vom dortigen Landtag eingesetzte Unabhängige Sachverständigenkommission (Benda-Kommission) erkannte in ihrem Bericht von 2001 zwar durchaus das darin liegende erhebliche verfassungsrechtliche Risiko, welches nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2007 noch gewachsen ist, war aber dennoch bereit, es einzugehen, wenn sonst – außer dem Parlamentspräsidenten, seinen Stellvertretern und den Fraktionsvorsitzenden – keinen weiteren Abgeordneten Zuschläge gewährt würden. 205 Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kommission als Kompensation den Wegfall der Zulagen für Vizepräsidenten vorschlug, 206 um den Kreis der Zulagenberechtigten klein zu halten, und der Kieler Landtag alle Zuschläge – auch die für Fraktionsvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer – immerhin konkret im Abgeordnetengesetz regelt und dadurch für volle Transparenz sorgt. 207 204
ThürVerfGH, NVwZ-RR 2003, 793 (794 ff.). Sachverständigenkommission, a. a. O., S. 30. Ähnlich auch Hölscheidt, a. a. O., 1734 (1741), hinsichtlich großer Parlamente. Hinsichtlich solch mittelgroßer Parlamente wie in Thüringen oder Rheinland-Pfalz hält aber auch Hölscheidt ausdrücklich an der strengen Begrenzung zulässiger Zulagen, wie sie das Bundesverfassungsgericht vornimmt, fest. 206 Sachverständigenkommission, S. 27 f. Nach § 6 Abs. 2 SHAbgG erhalten sie nun zwar eine Zulage, diese beträgt aber nur 15 % der Entschädigung. 207 In seiner Presseinformation vom 21. 9. 2010 hebt der Landtag Rheinland-Pfalz die besondere Rolle von Parlamentarischen Geschäftsführern hervor, um Zulagen generell zu rechtfertigen. Diese Generalisierung aber ist unzulässig. Zulagen an Parlamentarische Geschäftsführer waren im Bericht von Report Mainz im Übrigen gar nicht kritisiert worden. Der Einwand mangelnder Transparenz der Zahlung über die Fraktionen bleibt aber auch hinsichtlich Parlamentarischer Geschäftsführer in Rheinland-Pfalz bestehen. 205
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3. Anwendungsbereiche a) Vollzeit-Landtage mit Vollalimentation Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 hatte zwar unmittelbar den saarländischen Landtag betroffen, und das Urteil von 2000 betraf unmittelbar Funktionszulagen im Thüringer Landtag. Bereits nach dem Wortlaut der Urteile gelten die entwickelten Grundsätze aber auch für andere Parlamente. 208 Das hat das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner Entscheidung von 2007, die unmittelbar Schleswig-Holstein betraf, bestätigt. 209 Darin stellt das Gericht – unter Bezug auf sein Urteil von 2000 – klar, dass es „allgemeine Maßstäbe zu der Frage aufgestellt [habe], für welche Ämter Funktionszulagen vorgesehen werden können, ohne dass die Freiheit des Mandats und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verletzt sind.“ 210 aa) Bindung der Länder gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Die Rechtsordnung sieht verschiedene rechtstechnische Formen der Geltung verfassungsrechtlicher Entscheidungen vor. Nach § 31 Abs. 1 BVerfGG binden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts „die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden“. Dazu gehören natürlich auch die Landesparlamente, wobei mit Entscheidung die Entscheidungsformel und – nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts – auch die tragenden Gründe der Entscheidung gemeint sind. 211 Im Unterschied zum Urteil von 1975, in dem die Zulässigkeit von Zulagen nur ein Nebenthema darstellte, war sie im Urteil von 2000 zentraler Streitgegenstand. Die Entscheidungsformel sagt ausdrücklich, dass die einschlägigen Bestimmungen des Thüringer Abgeordnetengesetzes gegen das Grundgesetz verstoßen, „soweit danach parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen, stellvertretender Fraktionsvorsitzende und die Ausschussvorsitzenden zusätzliche Entschädigungen erhalten“ 212, und die tragen208
So wurde sogar vom Urteil von 1975 angenommenen, es gelte für alle Landesparlamente (jedenfalls von Flächenstaaten mit Vollalimentation), die denn auch entsprechende Reformen vorgenommen haben. Auch das Urteil von 2000, welches Funktionszulagen nicht nur nebenbei, sondern als zentralen Gegenstand betraf, spricht in seiner Begründung wiederholt ganz allgemein von „Länderparlamenten“ (BVerfGE 102, 224 [242 ff.]). 209 Das verkennt der Pressesprecher des Rechnungshof Rheinland-Pfalz, Arno Struck, der laut Trierischem Volksfreund und Rheinzeitung vom 22. 9. 2010 behauptete, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 „betreffe Thüringen und sei nicht auf Rheinland-Pfalz übertragbar.“ 210 BVerfGE 119, 302 (309). Hervorhebung nicht im Original. 211 Z. B. BVerfGE 1, 14 (37); 104, 151 (197). 212 BVerfGE 102, 224 (225).
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den Gründe dieser Entscheidung sind die Verletzung der Freiheit des Mandats und der Gleichbehandlung der Abgeordneten. Generell ist zwar umstritten, ob § 31 Abs. 1 BVerfGG auch so genannte Parallelnormen, also gleichlautende Normen in anderen Ländern, erfasst. 213 Im vorliegenden Fall aber hat das Bundesverfassungsgericht dadurch, dass es in den Leitsätzen seines Urteils von 2000 allein auf den grundgesetzlichen Maßstab des Art. 38 Abs. 1 GG abhob und die einschlägige Bestimmung der Thüringer Landessatzung nicht erwähnte, die allgemeine Geltung der von ihm entwickelten Grundsätze deutlich gemacht und dies in seiner Entscheidung von 2007 ausdrücklich bestätigt. Angesichts dieser Lage gehen Landesverfassungsgerichte grundsätzlich von einer Bindung an die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2000 entwickelten Grundsätze aus. Das Hamburger Verfassungsgericht setzte sich in seinem Urteil vom 23. 6. 1997 mit der Frage der Bindung gemäß § 31 BVerfGG auseinander und lehnte sie nur deshalb ab, weil das Urteil von 2000 damals noch nicht vorlag und im Urteil von 1975 die Ausführungen des Gerichts zu den Zulagen lediglich eine Nebenbemerkung darstellten und nicht zu den tragenden Gründen gehörten. 214 Im Urteil von 2000 aber sind sie es definitiv. Auch der Rechnungshof Baden-Württemberg geht von einer formellen Bindung der Länder aus: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bindet gemäß § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz auch die Parlamente der anderen Länder und gab Veranlassung die Zulagenpraxis auch in Baden-Württtemberg zu überprüfen.“ 215
Derselben Auffassung ist Paul Kirchhof: Der „Urteilstenor definiert deutlich und unmissverständlich die von der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG erfassten Parallelnormen, soweit ein anderes Landesgesetz entsprechende Funktionsstellen schafft und dafür zusätzliche Entschädigungen vorsieht. Die tragenden Gründe verdeutlichen diese verfassungsrechtliche Grenzlinie dann nochmals aus der Gegensicht: Eine Zusatzentschädigung für den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter sowie den
213 Bejahend z. B. Christian Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 1991, § 20, Rn 87 und 140. 214 HambVerfG, DÖV 1997, 911 (912): „Die Rechtsausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Funktionszulagen sind nicht-tragende Gesichtspunkte (obiter dicta).“ 215 Landesrechnungshof Baden-Württemberg. Beratende Äußerung, Juni 2002, Landtagsdrucksache 13/1061. Zustimmend z. B. Röper, DÖV 2002, 655 (656).
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Fraktionsvorsitzenden darf gewährt werden. Die Verfassungswidrigkeit dieser konkret benannten Funktionszulagen ist damit eindeutig festgestellt.“ 216 bb) Geltung des grundsätzlichen Verbots von Zulagen über Art. 28 Abs. 1 GG Zusätzlich gilt das grundsätzliche Verbot von Zulagen für alle Landtage auch auf Grund des Art. 28 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht war in seinen Diätenurteil von 1975 davon ausgegangen, „die aus Art. 48 Abs. 3 GG entwickelten Grundsätze [gälten] über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG“ auch für das Saarland. Denn, so fährt das Gericht fort, „Art. 48 Abs. 3 GG, der seinen Grundsatzcharakter entsprechend innerhalb der aus ihm entwickelten Grundsätze durch den Gesetzgeber näher konkretisiert werden kann, gehört zu den Essentialen des demokratischen Prinzips, das in Art. 28 Abs. 1 GG als ein für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern wesentlicher Bestandteil gefordert wird; demgemäß muss eine landesrechtliche Regelung des Parlamentsrechts an jener Vorschrift des Grundgesetzes gemessen werden.“ 217 Im Saarland gab es damals keine Verfassungsbestimmung über Diäten. Deshalb hat das Gericht offen gelassen, inwieweit seine Rechtsprechung auch für solche Länder gilt, die „eine Regelung über die Entschädigung von Landtagsabgeordneten enthalten.“ Dieser Vorbehalt macht allerdings nur Sinn, wenn eine landesverfassungsrechtliche Vorschrift vom Grundgesetz (in der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts) abweicht, nicht aber bei einer gleich lautenden Regelung, wie sie sich in den meisten Landesverfassungen findet. In seinem Urteil von 2000 erklärte das Gericht, die Zulagen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer und Ausschussvorsitzende verstießen „gegen § 2 Abs. 1 der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 und 2 GG.“ 218 Danach ist nicht einzusehen, warum das Verbot über Art. 28 Abs. 1 GG, der ja für alle Länder gilt, nicht allgemein für Landtage gelten solle. Damit stimmt überein, dass das Gericht in seinen dem Urteil vorangestellten Leitsätzen die Landessatzung gar nicht erwähnt, sondern nur noch auf Art. 38 Abs. 1 GG abhebt – und das gleich dreimal. 219 Das Weglassen der landesverfassungsrechtlichen Vorschrift unterstreicht die allgemeine und nicht nur auf das Land Thüringen begrenzte Geltung der vom Gericht entwickelten Grundsätze. Dass damit in der Tat die allgemeine Geltung zum Ausdruck gebracht wurde, bestä216 Paul Kirchhof, Zur Zulässigkeit parlaments- und fraktionsautonomer Funktionszulagen, Gutachtliche Stellungnahme, vorgelegt im Auftrag des Präsidenten des Landtags von Baden-Württemberg, September 2001, 17. 217 BVerfGE 40, 296 (319). 218 BVerfGE 102, 224 (233). 219 BVerfGE 102, 224 (224).
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tigt das Gericht einige Jahre später in seinem Beschluss von 2007, in welchem es – in einem Verfahren, in dem es um Schleswig-Holstein ging – betont, die wesentlichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe seien geklärt. Anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 21. 7. 2000 könne die Verfassungsmäßigkeit der Entschädigungsregelungen beurteilt werden. In diesem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht „allgemeine Maßstäbe zu der Frage aufgestellt, für welche Funktionszulagen vorgesehen werden können, ohne dass die Freiheit des Mandats und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten“ verletzt würden. 220 Dass das grundsätzliche Verbot „für den Parlamentarismus in ganz Deutschland“ gilt, bestätigt auch Hans Joachim Jentsch, der selbst am einstimmig ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2000 mitgewirkt hat. Dementsprechend geht auch die Benda-Kommission davon aus, „für die Gewährung von Funktionszulagen [seien] die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. 7. 2000 maßgeblich.“ 221 Gewiss können die Landesverfassungen – im Rahmen der auch für sie verbindlichen Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes – davon abweichen. Denn das Grundgesetz gewährleistet den Ländern, wie auch das Bundesverfassungsgericht betont, „eigenständige Verfassungsbereiche.“ Doch solche abweichenden Bestimmungen hinsichtlich der Funktionszulagen enthalten die Landesverfassungen gerade nicht. Die verfassungsgerichtlichen Grundsätze gelten deshalb auch für sie. Das grundsätzliche Verbot beruht auf der Gleichheit und der Freiheit der Abgeordneten, also auf Grundsätzen, die selbstverständlich auch für die Landtage verbindlich sind. Selbst Landesverfassungen und Landesverfassungsgerichte sind über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG in gewissen Grenzen gebunden und könnten deshalb nicht allzu weit abweichen. Davon abgesehen enthält, wie erwähnt, keine Verfassung eines Flächenlandes eine abweichende Regelung hinsichtlich der Zulagen, und dementsprechend hat auch kein Landesverfassungsgericht Abweichendes entschieden. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfene Frage, ob ein Landesverfassungsgericht bei Abweichungen die Frage in Karlsruhe zur Entscheidung vorlegen müsse, 222 kann deshalb auf sich beruhen. Dass es bei der Betonung der eigenständigen Bereiche der Länder um Abweichungen der Landesverfassungen geht (die aber hinsichtlich der Funktionszulagen eben nicht vorliegen), wird auch dadurch bestätigt, dass die vom Bundesver220 BVerfGE 119, 302 (309). Hervorhebung vom Verfasser. – Von einem unzulässigen Durchgriff des Bundesverfassungsgerichts in den Bereich der Landesparlamente (wie in der Presseinformation des rheinland-pfälzischen Landtags vom 21. 9. 2010 behauptet) kann also nicht die Rede sein. 221 Benda-Kommission, 7. 222 BVerfGE 102, 224 (233).
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fassungsgericht in seinem Urteil von 2000 zitierten Präjudizien 223 die Befugnis der Länder betreffen, „ihr Verfassungsrecht und damit auch ihre Verfassungsgerichtsbarkeit“ selbst zu ordnen. 224 Denn das Grundgesetz gehe „von der grundsätzlichen Verfassungsautonomie der Länder aus.“ 225 Auch die Benda-Kommission bestätigt, dass zwar die schleswig-holsteinische Landesverfassung die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts abweichend konkretisieren könnte, mangels einer solchen abweichenden Vorschrift in der Landesverfassung die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Konkretisierung aber Geltung beansprucht. 226 Bestätigt wird dies auch durch Urteile der Landesverfassungsgerichte. Diese heben zur Rechtfertigung von Abweichungen vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf ab, dass die Landesverfassungen Sondervorschriften enthalten, die ihnen eine eigene Interpretation erlauben. So betont der Thüringer Verfassungsgerichtshof, dass die Thüringer Landesverfassung mit Art. 54 Abs. 1 und 2 eigene Regelungen zur Bemessung der Abgeordnetenentschädigung und dem dabei zu beachtenden Verfahren vorsieht. 227 Das Hamburger Verfassungsgericht stellt auf den besonderen Gewährleistungsanspruch auf Vereinbarkeit des Abgeordnetenamts mit einer Berufstätigkeit ab, den die Hamburger Verfassung enthalte (Art. 13 Abs. 2 S. 1 HambVerf); dieses stelle ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur Regelung auf Bundesebene dar. 228 cc) Verfassungsorgantreue Selbst wenn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Funktionszulagen nicht für die Landtage gelten würde (was aber, wie dargelegt, definitiv der Fall ist), verlangten zumindest die Organtreue und der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, dass die Landesparlamente sich im Falle abweichender Regelungen wenigstens mit den Gründen des Bundesverfassungsgerichts auseinander setzten. In keinem Fall dürften sie die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe für die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit von Funktionszulagen einfach übergehen. Vielmehr müssten die Landtage selbst dann besondere Argumente dafür darlegen, dass die Gründe in ihrem Falle nicht gelten. Diese könnten sich aus abweichenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen ergeben. 229 Genau eine solche Auseinandersetzung erfolgt aber gerade 223 224 225 226 227 228
BVerfGE 102, 224 (234 f.). BVerfGE 96, 345 (369). BVerfGE 90, 60 (84). Benda-Kommission, 32 ff. ThürVerfGH, ThürVBl. 1999, 60 (61). HambVerfG, DÖV 1997, 911 (913).
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nicht: weder bei den Autoren, die eine solche Abweichung propagieren (siehe S. 76 ff.), noch bei den Parlamenten selbst. b) Bundestag Die dargestellten Grundsätze gelten auch für den Bundestag und seine Fraktionen. Das folgt bereits daraus, dass das Bundesverfassungsgericht sie aus Vorschriften des Grundgesetzes entwickelt hat. 230 In seinen Leitsätzen beruft das Gericht sich ausschließlich auf Art. 38 Abs. 1 GG. Die allgemeine, weit über Thüringen hinaus greifende Geltung wird auch durch die Entscheidung von 2007 unterstrichen, welche bestätigt, dass das Gericht „allgemeine Maßstäbe zu der Frage aufgestellt [hat], für welche Ämter Funktionszulagen vorgesehen werden können, ohne dass die Freiheit des Mandats und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verletzt sind.“ Abschließend hat das Gericht festgestellt, dass damit „die wesentlichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe“ für solche Sonderzahlungen „geklärt“ sind. 231 Karlsruhe locuta causa finita. Es könnte zwar fraglich sein, ob der Bundesgesetzgeber durch § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden werden kann, weil diese Vorschrift selbst nur die Qualität eines einfachen Bundesgesetzes besitzt. Andererseits widerspricht § 52 Abs. 2 Nummer 2 Buchst. a (Bundes-)AbgG, der die Fraktionen verpflichtet, bei der Rechnungslegung die Summe der Zulagen anzugeben, der Bindung des Bundes an die verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht unbedingt, wenn man ihn verfassungskonform ausgelegt. Denn dort ist nicht gesagt, welche Zulagen das sein dürfen. Man kann darunter durchaus nur die materiell zulässigen verstehen, also die alimentativen Zulagen für Fraktionsvorsitzende und im Übrigen nur Kostenpauschalen (siehe S. 65). Unabhängig davon, ob eine Bindung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG besteht, gelten die Grundsätze, die das Gericht erklärtermaßen aus Art. 38 Abs. 1 GG entwickelt hat, jedenfalls für den direkt an Art. 38 gebundenen Bundestag erst recht.
229 Stefan Korioth, Die Bindungswirkung normverwerfender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für den Gesetzgeber, Der Staat 1991, 549 (571); Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger (Hg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl., 2005, § 31, Rn 64; Lechner / Zuck, BVerfGG, Kommentar, 5. Aufl., 2006, § 31, Rn. 35, beide m.w. N. 230 Siehe S. 68. Ferner BVerfGE 102, 224 (233, 237 – 239). 231 BVerfGE 119, 302 (309).
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c) Verfassungspolitik Zur Klarstellung sei noch Folgendes ergänzt. Die Frage der notwendigen Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch die bundesdeutschen Parlamente und ihre Fraktionen ist sorgfältig von der verfassungspolitischen Kritik an der Rechtsprechung zu trennen. In diese verfassungspolitische Richtung argumentieren einige Autoren besonders hinsichtlich des Bundestags. Ihre Auffassungen sind übrigens alle vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2007 geäußert worden, in welcher das Gericht seine Rechtsprechung und die allgemeine Geltung der darin entwickelten Grundsätze ausdrücklich bestätigt hat. Jene Autoren akzeptieren zwar den der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde liegenden Zentralgedanken, dass der Kreis der Zulagenempfänger im Interesse der Gleichheit und Freiheit der Abgeordneten wirksam begrenzt werden muss und ohne eine solche Begrenzung ins Kraut zu schießen droht; sie plädieren aber dafür, beim Bundestag und bei sehr großen Landesparlamenten den Kreis der Funktionäre, bei denen Zulagen zugelassen werden sollten, ein wenig weiter zu ziehen. Die einen treten dafür ein, auch Parlamentarische Geschäftsführer zusätzlich zu bedenken (siehe S. 66). Andere wollen den Fraktionen sehr großer Parlamente noch Extra-Zahlungen für je einen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden zubilligen oder auch Ausschussvorsitzende bedacht wissen. 232 Kein unabhängiger Wissenschaftler tritt aber, soweit ersichtlich, zum Beispiel dafür ein, dass mehr als einem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden pro Fraktion oder Arbeitskreis- und Gruppenvorsitzenden Zulagen gezahlt werden sollten, selbst wenn es sich um den Bundestag handelt. Auch diejenigen unabhängigen Wissenschaftler, die die Rechtsprechung verfassungspolitisch kritisieren, plädieren also keineswegs dafür, den Parlamenten bzw. den Fraktionen einen Freibrief auszustellen, ihren Funktionären beliebig viele Zulagen zu bewilligen, und für eine Missachtung der Rechtsprechung treten sie schon gar nicht ein. Eine solche Missachtung und die Gewährung von Zulagen z. B. für beliebig viele stellvertretende Fraktionsvorsitzende für alle Arten von Parlamenten befürworten lediglich fraktions- und parteinahe Autoren wie etwa Lars Brocker und Gerald Kretschmer. Gegen eine Anwendung der Rechtsprechung auf Bundestagsabgeordnete spricht sich Sven Hölscheidt aus. 233
232
So Stefanie Schmahl, 114 (136 ff.). Sven Hölscheidt, Funktionszulagen für Abgeordnete, die DVBl 2000, 1734 (1742), der aber selbst in den Diensten der Parlamentsverwaltung steht. Seine Auffassung ist zudem durch die spätere Entscheidung von 2007 überholt. 233
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
d) Erst-recht-Geltung für Fraktionszulagen Um das grundsätzliche Verbot von Funktionszulagen zu umgehen, erhalten Abgeordnete solche Zusatzvergütung in vielen Parlamenten in großem Umfang aus den Fraktionskassen. Zahlungen, die dem Parlament verboten sind, können jedoch auch auf dem Umweg über die Fraktionen, die sich ihrerseits fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanzieren, nicht zulässig werden. 234 Dementsprechend gelten die genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch für die Umweg-Zahlung über die Fraktionskassen. Ja, sie gelten für diese erst recht. Denn die Gründe, die die Rechtsprechung tragen, treffen auf Zulagen aus den Fraktionskassen noch verstärkt zu. Die vom Gericht besonders beschworene Gefährdung der Unabhängigkeit der Abgeordneten ist bei Zahlungen der Fraktionen noch größer. Werden die Zulagen im Abgeordnetengesetz festgelegt und unmittelbar vom Parlament gezahlt, gibt das dem Funktionsträger größere Sicherheit, als wenn die Zahlungen faktisch nur vom Fraktionsvorstand festgesetzt werden. Weitere Bedenken kommen hinzu. So kann bei Sonderzuwendungen, die von Fraktionen gewährt werden, von der verfassungsrechtlich gebotenen Transparenz (siehe S. 14 ff., 49 ff.) in der Regel keine Rede sein, was der unkontrollierbaren Aufblähung erst recht Vorschub leistet und tendenziell immer größere Teile der Diäten in den parlamentarischen Untergrund abtauchen lässt (siehe S. 61). Die ansonsten bestehende Gestaltungsfreiheit der Fraktionen muss insoweit zurücktreten, genau wie bei gesetzlicher Regelung die Autonomie des Parlaments zurückzutreten hat. Das ist ganz herrschende Auffassung in der Staatsrechtslehre 235 und wird zum Beispiel durch das schon erwähnte Gutachten 234 So auch Martin Morlok, Gesetzliche Regelung des Rechtsstatus und der Finanzierung der Bundestagsfraktionen, NJW 1995, 29 (31): „Was durch direkte staatliche Zahlung an die Abgeordneten nicht zulässig ist, darf auch auf dem Umweg über die Fraktionen nicht eingeführt werden.“ 235 Statt vieler: Wolfgang von Eichborn, Zur angemessenen Bezahlung parlamentarischer Führungspositionen, Kritische Vierteljahresschrift 2001, 55 (60): „Es macht ... keinen Unterschied, ob die Zulagen, die wirtschaftlich eine Besserstellung der Funktionsträger bewirken sollen, vom Parlament als Mandatsgehalt oder von den Fraktionen als Sonderzuwendungen geleistet werden: eine Zahlung aus der Fraktionskasse wäre als Umgehung der vom Bundesverfassungsgericht dem Grundgesetz entnommenen Grundsätze unzulässig.“ Birgit Laubach, Das 2. Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts, ZRP 2001, 159 (161): „Als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens sind die Fraktionen an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. 7. 2000 gebunden. Ihr Recht, ihre Arbeit zweckmäßig und selbstbestimmt zu organisieren, ist ebenso wie die Parlamentsautonomie durch Art. 38 Abs. 1 GG begrenzt. Es ist daher als Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 GG anzusehen, wenn aus Fraktionsmitteln zusätzliche Entschädigungen an Abgeordnete für die Übernahme von Fraktionsämtern gezahlt werden.“ Sven Hölscheidt, Funktionszulagen für Abgeordnete, DVBl 2000, 1734 (1741): „Zunächst ist zu klären, ob das Urteil nur die (gesetzlichen) ‚Zwangszulagen‘ erfasst oder auch die Zahlungen durch die Fraktionen. Letzteres trifft zu .... Entscheidend ist ..., dass gezahlt wird, und nicht, auf welcher Grundlage.“ Ebenso ders., Das Recht der Parlamentsfraktionen,
II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung des materiellen Zulagenverbots 75
Paul Kirchhofs, 236 den Bericht einer von Ernst Benda, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, geleiteten Sachverständigenkommission, 237 einen Bericht des Landesrechnungshofs Baden Württemberg 238 und die Expertise des Landtags Brandenburg 239 bestätigt. 2001, 624 f. Bremer Staatsgerichtshof, Urteil vom 5. 11. 2004: „Für die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts (war es) offenbar irrelevant, ob die Zulagen – wie in dem vom Bundesverfassungsgericht ... entschiedenen Thüringer Fall – unmittelbar auf Gesetz beruhen oder allein aufgrund einer Fraktionsentscheidung zur Auszahlung kommen.“ Stefanie Schmahl, Funktionszulagen – ein Verstoß gegen Mandatsfreiheit und Gleichheit der Abgeordneten?, AöR 2005, 114 (144): „Der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts lässt sich zu Recht kein Differenzierungsgrund entnehmen, nach dem Zahlungen aus der Fraktionskasse anders zu beurteilen sein sollten als solche, die mit der Abgeordnetenentschädigung aufgrund von Abgeordnetengesetzen geleistet werden.“ Johannes Hellermann, Von einfachen Abgeordneten und besonderen Funktionsträgern im Parlament, ZG 2001, 177 (188): „Es ist nicht zu Unrecht daraufhingewiesen worden, dass die vom Bundesverfassungsgericht erkannte Gefahr für die freie und gleiche Mandatsausübung durch Zusatzvergütungen womöglich noch größer wird, wenn diese von den Fraktionen gewährt werden, da hier eine noch stärkere Abhängigkeit der einzelnen Abgeordneten besteht.“ Ebenso z. B. Helmuth Schulze-Fielitz, in: Horst Dreier (Hg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 48, Rn 25. Jörg Menzel, Freie Länder, gleiche Abgeordnete, mächtige Fraktionsvorsitzende?, ThürVBl. 2001, 6 (12): Den Fraktionen kann nicht erlaubt sein, was dem Gesetzgeber verboten ist. Die Gefährdung der Unabhängigkeit ist bei Zahlungen über Fraktionen „tendenziell noch größer, wenn die entsprechenden Zuweisungen in Art und Umfang unmittelbar von diesen politischen Gruppen gesteuert werden können.“ Erich Röper, Funktionszulagen versus Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten, DÖV 2002, 655 (658): „Die Benda-Kommission verwarf zu Recht die vom Bundestag und anderen Landesparlamenten gewählte Variante der Zahlung von Zulagen aus den Zuschüssen.“ Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 48, Rn. 170 a.E.: „Die vom Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Besorgnisse dürften ... gleiches Gewicht haben, unabhängig von der Frage, aus welchem Etat (Bundestag / Landtag oder Fraktion) Funktionszulagen bezahlt werden.“ 236 Paul Kirchhof, Zur Zulässigkeit parlaments- und fraktionsautonomer Funktionszulagen, Gutachtliche Stellungnahme, vorgelegt im Auftrag des Präsidenten des Landtags von Baden-Württemberg, September 2001, 28: „Zusatzentschädigungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein für den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter sowie die Fraktionsvorsitzenden zulässig. Für eine weitergehende, fraktionsinterne Zusatzentschädigung... ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von vornherein kein Raum.“ 237 Empfehlungen der Unabhängigen Sachverständigenkommission zu Fragen der Abgeordnetenentschädigung, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucksache 15/1500 vom 19. 12. 2001, 36: „Die vom Bundestag und anderen Länderparlamenten gewählte Variante, Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln zu gewähren, wird von der Kommission nicht empfohlen. Das Bundesverfassungsgericht hat ... in seiner Entscheidung zur Gewährung von Funktionszulagen ... ihre materielle Berechtigung in dem bisherigen Ausmaß verneint.“ 238 Rechnungshof Baden-Württemberg, Zuschüsse und sonstige Leistungen an die Fraktionen des Landtags in der 13. Wahlperiode, November 2008, 37: „Die inhaltlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Zulässigkeit von Funktionszulagen sind dieselben, unabhängig davon, ob sie gesetzlich geregelt oder der Regelung der Fraktionen überlassen werden.“
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
e) Verfassungskonforme Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften Die Bestimmungen über die Rechnung, die die Fraktionen zu legen haben, schreiben regelmäßig vor, dass die „Summe der Leistungen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen in der Fraktion“ gesondert aufzuführen ist (so z. B. § 52 Abs. 2 Nummer 2 Buchst. a [Bundes-]AbgG). Damit lässt sich – entgegen der Annahme mancher Fraktionen – natürlich nicht die Verfassungsmäßigkeit verfassungswidriger Zuwendungen begründen. Vielmehr ist die genannte Bestimmung ihrerseits im Lichte der vorrangigen Verfassung auszulegen. 240 Hier ist deshalb zwingend eine verfassungskonforme Auslegung jener Vorschriften geboten. Mit Funktionszulagen, deren Summe laut dem Gesetz in den Rechenschaftsberichten zu nennen ist, können deshalb allenfalls 241 (alimentative) Zahlungen an Fraktionsvorsitzende, soweit sie nicht bereits kraft Abgeordnetengesetzes unmittelbar aus dem Parlamentshaushalt gewährt werden, oder Aufwandsentschädigungen, die am tatsächlichen Mehraufwand des Funktionärs orientiert und somit ebenfalls zulässig sind (siehe S. 65), gemeint sein, nicht aber alimentative Zuwendungen an andere Funktionsträger. Im Bund erhalten Fraktionsvorsitzende keine Zahlungen kraft Abgeordnetengesetz, so dass – jedenfalls was die Frage der materiellen Zulässigkeit anlangt – insoweit eine verfassungskonforme Auslegung möglich erscheint. In keinem Fall darf die Vorschrift so interpretiert werden, dass sie inzidenter auch die Zulässigkeit weiterer (alimentativer) Zulagen an Funktionsträger signalisiert. Diese sind und bleiben verfassungs- und rechtswidrig. 4. Wes Brot ich ess’: Die Rolle des abhängigen Sachverstandes Die Rolle von Wissenschaftlern mit mangelnder Unabhängigkeit anzusprechen ist heikel und scheint dem Korpsgeist sowohl der Staatsrechtslehrer als auch der Politikwissenschaftler zu widersprechen. Das Problem des interessierten Sachverstandes zu thematisieren gilt vielen immer noch als nicht fein, zumal höchste Richter und einflussreiche Wissenschaftler betroffen sein können. Manche Kollegen werden bei den einschlägigen Passagen schlucken oder ganz die weitere Lektüre verweigern. Doch dieses Tabu muss aufgebrochen werden, sonst können bestimmte – für Staat und Gesellschaft relevante – Probleme nicht umfassend analysiert und beurteilt werden. Das zeigen, wie ich meine, gerade die vorliegenden Fälle. 239 Ulrike Schmidt, Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln, 2010, 14 ff. – Schmidt weist auch zutreffend darauf hin (S. 15, Fn. 45), dass anderer Auffassung nur Kretschmer und Brocker sind. 240 So z. B. auch Laubach, ZRP 2001, 159 (161). 241 Das heißt, wenn man die zusätzlich bestehende verfahrensmäßige Verfassungswidrigkeit wegen mangelnder Transparenz außer acht lässt.
II. Im Schutze der Verborgenheit: Missachtung des materiellen Zulagenverbots 77
Die problematische Rolle parteilichen Sachverstandes wurde bereits oben bei Beurteilung von Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache (S. 16 ff.) und bei Behandlung der Fraktionszuschüsse (S. 32 ff.) beleuchtet. Eine ähnliche Rolle spielen unausgewogene und damit parteiliche Publikationen bei der Beurteilung von Funktionszulagen. So kritisieren einige Autoren die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Grund auf, werfen dem Gericht „egalitären Rigorismus“ vor 242 und behaupten, die Fraktionen dürften mit „ihrem“ Geld nach Belieben verfahren und deshalb auch nach ihrem Ermessen Zulagen zahlen. 243 Dabei übergehen sie, dass die Fraktionen in die organisierte Staatlichkeit eingegliederte Teile des Parlaments sind, fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden und deshalb selbstverständlich an die geltenden Grundsätze gebunden sind. Lars Brocker beruft sich hierfür sogar auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs Bremen, also eines Stadtstaats mit teilalimentierten Teilzeitabgeordneten, für die die Rechtsprechung ja gerade eine Ausnahme vom grundsätzlichen Zulagenverbot macht (siehe S. 64 f.), und überträgt dieses Urteil unzulässigerweise auf Parlamente mit Vollalimentation. 244 Solche Autoren setzen sich mit den Argumenten, die das Bundesverfassungsgericht veranlassen, Zulagen grundsätzlich zu verbieten, nicht auseinander. Weder gehen sie auf die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Abgeordneten ein noch auf die Gefahr der immer größeren Ausdehnung der Zuwendungen und des Abtauchens immer größerer Teile der Diäten in die Dunkelkammer der Fraktionsfinanzen. Sie behaupten, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelte nur für Thüringen und ignorieren die oben (S. 67 ff.) angestellten Erwägungen, aus denen sich die Geltung für alle Flächenparlamente ergibt. Sie behaupten, die Rechtsprechung gelte nur für gesetzlich geregelte Zulagen, ohne zu überprüfen, ob die Gründe des Gerichts auf Funktionszulagen aus Fraktionskassen nicht erst recht zutreffen. 245 (Siehe S. 74 ff.) Auch wollen sie die Extra-Diäten mit Einnahmen rechtfertigen, die den Fraktionen nicht unmittelbar aus dem öffentlichen Haushalt zufließen, sondern aus Mitgliedsbeiträgen. 246 Das Argument ist aber schon deshalb untauglich, weil 242
Gerald Kretschmer, ZParl 2000, 787 (789). – Dazu, dass diese auf Klaus Stern zurückgehende Äußerung von 1977 inzwischen überholt ist, siehe S. 126. 243 Lars Brocker / Thomas Messer, Funktionszulagen für Abgeordnete und Oppositionszuschläge – Fortentwicklung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung durch den Bremer Staatsgerichtshof, NVwZ 2005, 895 (896 f.). 244 Brocker / Messer, a. a. O. 245 Brocker, a. a. O.; Kretschmer, a. a. O.. – Diese beiden sind, wie Ulrike Schmidt lapidar bemerkt (siehe Fn. 239), in der Tat die einzigen, die dem gebotenen Erst-Recht-Schluss widersprechen. 246 So Felix Welti, Funktionszulagen im Konflikt mit Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten, DÖV 2001, 705 (711); Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Grundgesetzkommentar, 11. Aufl., 2008, Art. 48, Rn 20; Brocker / Messer, 895 (897).
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
Einnahmen aus dieser Quelle minimal sind und regelmäßig nur einen kleinen Teil der Zulagen ausmachen (siehe Anlage 9). Im Übrigen unterliegen alle Mittel der Fraktionen als in die Staatsorganisation eingegliederter Institutionen deren öffentlich-rechtlichen Bindungen. Ferner wollen sie eine Barriere gegen übermäßige Zahlungen darin sehen, dass die Gelder dafür „an anderer Stelle nicht ausgegeben werden“ könnten, 247 verschließen dabei aber die Augen vor der Möglichkeit der Fraktionen, sich im Wege der geräuschlosen Selbstbewilligung relativ leicht zu refinanzieren (siehe S. 50). Sven Hölscheidt, der die Geltung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Bundestag bestreitet, begründet dies mit dessen Größe, den umfassenderen Aufgaben und der größeren Arbeitsbelastung von Bundestagsabgeordneten. 248 Keine dieser Feststellungen berührt allerdings die Argumente, die das Gericht zum grundsätzlichen Zulagenverbot – unter Heranziehung des Art. 38 GG, also einer unmittelbar für Bundestagsabgeordnete geltenden Vorschrift – veranlasst haben, und Hölscheidt geht auf sie auch nicht ein. Eine andere – von Hölscheidt aber nicht gestellte – Frage ist es, ob die verfassungsrechtlichen Grundsätze, auf den Bundestag angewendet, zumindest in verfassungspolitischer Perspektive, eventuell zu etwas großzügigeren konkreten Ergebnissen führen können (siehe S. 73). Mit den Transparenzanforderungen, die der Gewährung von Zulagen über die Fraktionen von Verfassungs wegen entgegenstehen (siehe S. 54 ff.), setzen sich die genannten Autoren schon gar nicht auseinander. 249 Um die parlamentsgeneigte Mindermeinung dieser Autoren richtig einschätzen zu können, muss man wissen, dass keiner auf Grund seiner abhängigen beruflichen Stellung (in den Fraktionen und Parteien) unbefangener Wissenschaftler war: Brocker war, als er seinen Aufsatz schrieb, Vertreter des Parlamentarischen Geschäftsführers und Justitiar der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz und ist heute Direktor des Parlaments, Messer diente seinerzeit dort als Referendar. Kretschmer war Ministerialrat in der Verwaltung des Deutschen Bundestags und Sekretär des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Selbst bei Welti, der 1993 bis 1996 Wahlkreismitarbeiter eines Landtagsabge247
Sven Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 624. Sven Hölscheidt, Funktionszulagen für Abgeordnete, DVBl 2000, 1734 (1742); ders., Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 626. 249 Hölscheidt (Das Recht der Parlamentsfraktionen, 626) spricht nur ganz nebenbei von „unnötiger Intransparenz“, „wenn eine Zusatzentschädigung für Funktionsträger der Fraktionen in den Abgeordnetengesetzen vorgesehen ist und die Fraktionen zusätzlich die Möglichkeit haben, aus eigenen Mitteln Funktionszulagen zu leisten.“ Dass Zulagen aus Fraktionsmitteln in der üblicherweise praktizierten Form stets intransparent sind und dies verfassungswidrig ist, lässt er unerörtert. 248
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ordneten war, dürfte eine gewisse Partei- und Abgeordnetennähe zu vermuten sein. Insgesamt ist eine Pro-domo-Tendenz der Veröffentlichungen der genannten Autoren schwer zu übersehen. Sie geben den Fraktionen Argumente an die Hand, ihre verfassungswidrige Praxis möglichst aufrecht zu erhalten. Alles andere hätte das berufliche Fortkommen der Autoren aufgrund der zu konstatierenden parteipolitischen Ämterpatronage sicherlich kompliziert. Nach allem trifft die Einlassung vieler Fraktionen, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betreffe nur Thüringen oder nur gesetzlich geregelte und direkt vom Parlament gezahlte Zulagen, also definitiv nicht zu. Ebenso wenig trifft die Behauptung zu, es sei umstritten, ob derartige Zulagen verfassungswidrig seien, es sei denn, man berücksichtigte auch die von den Betroffenen nicht unabhängigen Autoren und gestattete den Fraktionen so, eine eindeutige Rechtslage in eigener Sache und im eigenen Interesse zu verunklaren. Veröffentlichungen von Wissenschaftlern, bei denen die Besorgnis mangelnder Unabhängigkeit besteht, haben dazu beigetragen, dass verfassungswidrige Funktionszulagen bisher nicht beseitigt wurden. Der Versuch, das Problem Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache zu bagatellisieren, ist Klein und Schmitt Glaeser zwar nicht gelungen, wohl aber ist es dem interessierten Sachverstand mit zuzuschreiben, dass nicht wirksam gegen die Missachtung der Rechtsprechung bei Funktionszulagen vorgegangen wird. Autoren wie Kretschmer und Brocker haben vielen Fraktionen ermöglicht, die Verfassungswidrigkeit solcher Sonderdiäten immer noch als „umstritten“ zu bezeichnen und auch manchen Rechnungshöfen den Vorwand geliefert, von einer Beanstandung abzusehen. Die Problematisierung nicht hinreichend unabhängigen Sachverstandes kann natürlich nicht bedeuten, dass die Betroffenen generell nicht mehr publizieren sollten. Als Insider verfügen sie über besondere Informationen, und nicht alle lassen sich durch ihre berufliche Stellung den wissenschaftlichen Blick trüben. 250 Die Redaktionen von Fachzeitschriften teilen den Lesern seit längerem mit, welche beruflichen Stellungen die Autoren innehaben – und sie tun dies mit gutem Grund. Diese Hinweise sollten bei der Aufnahme der Publikationen stärker berücksichtigt werden.
250
Beispiele sind die ehemaligen Landtagsdirektoren Joachim Linck und Albert Janssen (siehe S. 57) und manche Mitglieder parlamentarischer Beratungsdienste. Als Beispiel sei die Arbeit von Ulrike Schmidt genannt (Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln, Dezember 2010), die – ungeachtet ihrer Stellung im Parlamentarischen Beratungsdienst des Landtags Brandenburg – die Dinge beim Namen nennt.
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
III. Bund und Länder im Einzelnen 1. Bund Im Bundestag, wo nur die Globalzahlen veröffentlicht werden, verteilte die CDU / CSU-Fraktion im Jahre 2009 rund 1,4 Mio. € für Zusatzdiäten, die SPDFraktion 1,2 Mio., die FDP-Fraktion 0,5 Mio., die Fraktion der Linken 356.000 und die der Grünen 276.000 Euro, zusammen 3,8 Mio. €. 1999, im Jahr vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2000, waren es noch 2,3 Mio. €. 251 Eine offizielle Anfrage des ARD-Magazins Report Mainz, wie sich die Mittel auf die einzelnen Gruppen von Funktionsträgern verteilen, haben nur die Fraktionen der FDP und der Grünen beantwortet, ohne allerdings die einzelnen Beträge zu nennen. Bei der FDP erhalten neben der Fraktionsvorsitzenden die sechs stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, die vier Parlamentarischen Geschäftsführer und die sechs Arbeitskreisvorsitzenden Zulagen. Bei den Grünen werden neben den beiden Fraktionsvorsitzenden, Renate Künast und Jürgen Trittin, die, wie eine andere Quelle ergibt, je eine halbe Diät zusätzlich, also 3834 €, erhalten, 252 vier Parlamentarische Geschäftsführer und fünf stellvertretende Fraktionsvorsitzende mit Zulagen bedacht. Sehr viel mehr zahlen die beiden großen Fraktionen. Sie aber halten sich – wohl aus schlechtem verfassungsrechtlichen Gewissen – völlig bedeckt. a) Bezahlung von Fraktionsvorsitzenden: Abgedunkelt Doch eine einfache Rechnung ergibt: Zieht man von ihren 1,4 beziehungsweise 1,2 Mio. € jeweils etwa 100.000 € ab, die vielleicht für je einen Fraktionsvorsitzenden gezahlt werden, so bleiben erhebliche Summen auch materiell unzulässiger Zahlungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Verbergen der Höhe der Zulagen von Fraktionsvorsitzenden verfassungsrechtlich und politisch unproblematisch wäre. Auch insoweit handelt es sich um öffentliche Mittel, und die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Klarheit und Transparenz (siehe S. 49 ff.). Das Verschieben in den Untergrund, obwohl sie ganz offiziell ins Abgeordnetengesetz hätten geschrieben werden können, lässt die Vermutung aufkommen, hier solle etwas vor den Blicken der Öffentlichkeit versteckt werden. Stimmt es, dass die Fraktionen von Union und SPD ihre Vorsitzenden finanziell wie Bundesminister mit Abgeord251 252
Hans-Martin Tillack, Die Bundestags-Boni, Stern 43/2010 vom 20. 10. 2010, 46. Tillack, a. a. O. Dort auch Umrechnung in Euro.
III. Bund und Länder im Einzelnen
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netenmandat stellen, wie das Magazin Stern signalisiert? 253 Die Zulage wäre dann sehr viel höher als eine zusätzliche Diät. Werden zusätzlich Pensionsanwartschaften erworben? Beides würde zu ungerechtfertigten Vorteilen bei der Verrechnung etwa mit einer Pension als früherer Minister oder Beamter führen (siehe S. 92). b) Geheimsache auch im Übrigen Die beiden großen Fraktionen des Bundestags haben auch auf eine Anfrage des Magazins Stern jede über die veröffentlichten Rechenschaftsberichte hinaus gehende Auskunft verweigert. Diese enthalten aber lediglich eine Globalsumme. Hinsichtlich der Frage, wer welche Zulagen erhält, ist man deshalb auf Zufallsfunde angewiesen. 254 So erhalten die Abgeordneten Ulrich Kelber und Olaf Scholz nach eigenen Angaben als stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende eine Zulage von 3451 € im Monat. Die CDU / CSU-Fraktion hat zehn (!) stellvertretende Fraktionsvorsitzende, die SPD neun. Bis zur Wahl 1998 war die SPDFraktion von damals 251 Mitgliedern mit sechs stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden ausgekommen. Heute hat sie nur noch 146 Abgeordnete, bezahlt aber die Hälfte mehr Fraktionsvize. Die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Union und SPD erhalten angeblich je eine volle Diät zusätzlich, so zum Beispiel Peter Altmaier, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU / CSU-Fraktion. 255 Der (weitere) Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Christian Lange, erhält nach eigenen Angaben zusätzlich 3834 €. Union und SPD haben je vier (weitere) Parlamentarische Geschäftsführer. Die 21 Sprecher von Arbeitsgruppen der Unionsfraktion erhalten nach Angaben des Stern je rund 1700 €. Die SPD-Fraktion besoldet die Sprecher ihrer 21 Arbeitsgruppen mit je 1080 € monatlich, gegen Ende der vorigen Wahlperiode sollen es nach derselben Quelle noch 500 € gewesen sein. Bekannt geworden ist auch der Fall Klaus Ernst, der – neben seinen Diäten als Bundestagsabgeordneter und seinen Bezügen als Parteivorsitzender – als Vorstandsmitglied der Fraktion der Linken noch ein monatliches Zubrot von 1910 € bezog, auf das er inzwischen aber verzichtet. Was die Frage der materiellen Zulässigkeit der Zulagen anlangt, berufen sich die Fraktionen in demokratischer Einigkeit darauf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2000 habe sich auf eine gesetzliche Regelung bezogen 253 254 255
Tillack, a. a. O. Siehe auch Tillack, a. a. O. Tillack, a. a. O.
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
und gelte deshalb nicht für Zulagen aus fraktionseigenen Mitteln. Diese Argumentation ist, wie oben S. 74 ff. bereits dargelegt, nicht haltbar. Die Fraktionen berufen sich darüber hinaus auf § 52 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a (Bundes-)Abgeordnetengesetz, lassen aber unberücksichtigt, dass diese Vorschrift verfassungskonform ausgelegt werden muss (siehe S. 76) und deshalb allenfalls Zulagen an Fraktionsvorsitzende materiell zulässig sind. Die CDU / CSU-Fraktion beruft sich zusätzlich auf einen Beschluss der Konferenz der Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder aus dem Jahre 1991, 256 übersieht dabei aber, dass dieser Beschluss völlig überholt ist. Ihn hatte bereits der Bundesrechnungshof im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Rechtfertigung der Thüringer Regelung angeführt. 257 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Argumentation in dem daraufhin ergangenen Urteil von 2000 aber zurückgewiesen und dies 2007 ausdrücklich bestätigt (siehe S. 63 f.). Der Beschluss der Rechnungshöfe ist also definitiv durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt. Im übrigen hatte der Beschluss der Rechnungshöfe keineswegs für die Umwegfinanzierung aus den Fraktionskassen plädiert. Vielmehr votierten die Rechnungshöfe damals dafür, „auch dort, wo bislang noch nicht geschehen, hierüber eine Regelung durch Gesetz herbeizuführen.“ Der Beschluss der Präsidenten der Rechnungshöfe lässt sich also, auch wenn er nicht durch die Rechtsprechung überholt wäre, gerade nicht zur Rechtfertigung von Zahlungen aus der Fraktionskasse heranziehen. Die Zulagen sind auch wegen ihrer kompletten Abdunkelung verfassungswidrig (siehe S. 49 ff.). 2. Baden-Württemberg In Baden-Württemberg erhalten der SPD-Fraktionsvorsitzende eine Zulage von 6.800 €, seine beiden Stellvertreter und der Parlamentarische Geschäftsführer eine Zulage von je 1200 € und die Arbeitskreisvorsitzenden je 600 € aus der Fraktionskasse. Nach Angaben der CDU-Fraktion beziehen dort stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende der Fraktionsarbeitskreise „Aufwandsentschädigungen“. In Baden-Württemberg wird derzeit noch nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Fraktionsgesetz „die Zahlung einer besonderen, angemessenen Entschädigung an Mitglieder der Fraktion, denen besondere Funktionen übertragen werden,“ für „zulässig“ erklärt. Doch auch dort ist der Gesetzgeber natürlich an die höherrangige Ver256 Angeführt in der Gesetzesbegründung zu § 52 Abs. 2 Nr. 2 Buchst a AbgG: Bundestagsdrucksache 12/4756, S. 8. 257 BVerfGE 102, 224 (230).
III. Bund und Länder im Einzelnen
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fassung gebunden. Für die Frage der Zulässigkeit von Zulagen ist entscheidend, ob sie als Mitglieder des baden-württembergischen Landtags eine Vollalimentation erhalten (siehe S. 64). Der Landtag, der sich bisher als Teilzeitparlament verstand, bestreitet dies. Anders der Rechnungshof Baden-Württemberg, der deshalb auch keinen Zweifel daran lässt, dass weitergehende (alimentative) Zulagen außer für Fraktionsvorsitzende verfassungswidrig sind. 258 Mit Wirkung ab 1. 5. 2011 hat der Landtag jüngst den finanziellen Status seiner Mitglieder geändert und auch nach eigenem Verständnis eine Vollalimentation eingeführt. Nunmehr sollen der Präsident und die Fraktionsvorsitzenden eine Amtszulage von 125% der Entschädigung von 6.462 € erhalten, die Vizepräsidenten und von jeder Fraktion ein Parlamentarischer Geschäftsführer werden dann eine Zulage in Höhe von 50% der Entschädigung bekommen. Darüber hinaus sind in Zukunft laut Fraktionsgesetz nur noch Aufwandsentschädigungen erlaubt, und zwar an stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende von Arbeitskreisen. Solche Aufwandsentschädigungen sollen maximal an 30 % der Mitglieder der jeweiligen Fraktion gezahlt werden dürfen. 259 Das scheint sich – vorbehaltlich der Bedenken gegen die Zulagen für Parlamentarische Geschäftsführer (siehe S. 66) – im Rahmen des Zulässigen zu halten. 3. Bayern Unter den Ländern sticht Bayern negativ hervor. Dort zahlte die CSU-Fraktion im Jahr 2009 rund 765.000 € für Zusatzdiäten, die SPD-Fraktion 234.000 €. Darin sind auch die Zusatzentschädigungen für Fraktionsvorsitzende enthalten. Kein Wunder, dass auch sie ein großes Geheimnis daraus machen, wer wieviel Geld aus dem großen Topf bekommt. CDU, SPD, FDP und Freie Wähler ließen eine offizielle Anfrage von Report Mainz unbeantwortet. Auch die direkte Ansprache einzelner Funktionsträger durch Reporter dieses Magazins blieb fast immer ohne Erfolg (siehe Anlage 1). Politiker, die sonst gerne in Kameras sprechen, waren ganz zugeknöpft, als es um Fraktionszulagen ging. Der Vorsitzende der CSU Landtagsfraktion, Georg Schmid, erklärte: „Das ist intern festgelegt, ... und intern soll es auch bleiben.“
258 Rechnungshof Baden-Württemberg, Zuschüsse und sonstige Leistungen an die Fraktionen des Landtags in der 13. Wahlperiode, November 2008, 33 ff. – Die Berufung des Landtags auf seinen selbst-erklärten Status als Teilzeitparlament lässt der Rechnungshof – angesichts der Gewährung einer Vollalimentation – mit Recht nicht gelten. 259 Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Gesetzes über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg vom 29. 7. 2010 (GBl. S. 576).
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Harald Güller, wiederholte auf beharrliche Nachfrage des SWR-Reporters: „Ich sag’s zum fünften Mal, Sie können es zum sechsten Mal fragen: Es ist ein Fraktionsinterna.“
Allein der Vorstand der CSU-Fraktion umfasst 29 Köpfe, darunter vier stellvertretende Fraktionsvorsitzende und 12 Arbeitskreisleiter, von denen Ingrid Heckner, die Leiterin des Arbeitskreises für Fragen des öffentlichen Dienstes, nach eigenem Eingeständnis monatlich 2000 € extra erhält. Zur Ehre der Grünen, die das Grundsatzurteil von 2000 erstritten haben, sei erwähnt, dass sie sich mit derartigen Zulagen eher zurückhalten. Die bayerische Fraktion der Grünen zahlt nur 30.600 € an ihre Funktionsträger. Die Freien Wähler bewilligen rund 114.000 und die FDP-Fraktion 131.000 Euro. (Zum Bayerischen Obersten Rechnungshof siehe S. 104, 112). 4. Brandenburg In Brandenburg zahlt die SPD-Fraktion ihrer Parlamentarischen Geschäftsführerin 50 % der Entschädigung, die in Brandenburg bei 4504 € liegt. Zudem erhalten fünf stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisleiter einen 20%-Zuschlag. 260 Die CDU-Fraktion zahlt nach derselben Quelle ihren drei Vize-Fraktionschefs je 1500 € zusätzlich, dem Parlamentarischen Geschäftsführer 1800 € und drei Arbeitskreisleitern je 750 €. Bei den Linken erhalten der Parlamentarische Geschäftsführer 2000 €, die beiden Vize-Fraktionschefs je 500 €, fünf weitere Vorstandsmitglieder je 250 €. Die Grünen zahlen nach derselben Quelle keine Zulagen. Rechnungshofpräsident Thomas Apelt und Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) halten die Brandenburger Praxis auch bei CDU, SPD und Linken nach der genannten Quelle für „legal und legitim“, da die Zahlungen auf wenige Funktionsträger beschränkt seien. In Wahrheit aber sind die Grenzen der Zulässigkeit auch in Brandenburg deutlich überschritten. Auch der weitere Verteidigungsversuch mit der Mehrbelastung der Funktionsträger muss scheitern, ebenso die zusätzliche Behauptung, die Rechtsprechung gelte nicht für Brandenburg. Das hat jetzt auch eine sorgfältige Untersuchung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg bestätigt. 261 Die „unabhängige Kommission 260 261
Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten und Tagesspiegel vom 23. 9. 2010. Ulrike Schmidt, Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln, Dezember 2010.
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zur Reform der Abgeordnetenversorgung in Brandenburg“ von 2009, auf die sich beide Präsidenten nach der genannten Quelle berufen, konnte das Verfassungsrecht natürlich nicht außer Kraft setzen. Die Untersuchung des Landtags kommt zum Ergebnis: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2000 „entfaltet mit ihren wesentlichen Gründen auch für den Landtag Brandenburg Bindungswirkung; sie erfasst sämtliche Funktionszulagen, unabhängig davon, ob sie nach dem Abgeordnetengesetz aus der Parlamentskasse oder aus Fraktionsmitteln geleistet werden. Allerdings verbleibt den Ländern ein eigenständiger Verfassungsbereich, innerhalb dessen sie vom Grundgesetz im Einzelnen abweichende Regelungen treffen können, solange sie die den deutschen Parlamentarismus prägenden Grundsätze wahren. Zu diesen Grundsätzen gehören das Gebot der Freiheit und Unabhängigkeit des Mandats und die Gleichheit der Abgeordneten sowie daraus folgend die Begrenzung auf wenige parlamentarische Spitzenpositionen. Der brandenburgische Verfassungsgeber hat von seinem Spielraum jedoch keinen Gebrauch gemacht.“ 262 Das gilt auch für andere Flächenländer und den Bund (siehe S. 70 f.). 5. Hessen In Hessen erhalten – mit Ausnahme der Linken – die Parlamentarischen Geschäftsführer eine zusätzliche Zahlung aus Fraktionsmitteln (siehe dazu die Bedenken S. 49 ff., 66). So ein Pressebericht. 263 Da die hessischen Fraktionen nicht einmal die Globalsummen veröffentlichen, die sie für Zulagen ausgeben, lässt sich das nur schwer nachprüfen. Die vier Fraktionen halten die Zulagen jedenfalls für „vollkommen legal“; sie seien auch „vom Landesrechnungshof nicht beanstandet“ worden. 264 6. Mecklenburg-Vorpommern Von der SPD-Fraktion erhalten der Parlamentarische Geschäftsführer monatlich 2900 € und die vier stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 1000 €. 265 Die CDU-Fraktion zahlt Parlamentarischen Geschäftsführern nach derselben Quelle 3000 € zusätzlich, den drei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 1200 €. 262
Schmidt, 19. Offenbach Post vom 21. 9. 2010. 264 Offenbach Post, a. a. O. 265 Laut Nordkurier vom 22.9 2010 und Schweriner Volkszeitung ebenfalls vom 22. 9. 2010. Auch die folgenden Angaben beruhen auf diesen Quellen. 263
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Die FDP-Fraktion bewilligt lediglich ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer eine halbe Zusatzdiät. Bei der Linken erhalten die Parlamentarische Geschäftsführerin 1832 € extra und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende sowie zwei Arbeitskreisleiter jeweils 500 €. Die Behauptung des SPD-Fraktionschefs Norbert Nieszery, die Fraktionen dürften autonom über ihre Mittel entscheiden, ohne die Urteile des Bundesverfassungsgerichts beachten zu müssen, trifft nicht zu (siehe S. 74 f.). Die weitere Einlassung, für mehr Arbeit müsse es auch mehr Geld geben, ist ebenfalls verfassungsrechtlich nicht haltbar. Denn auch in Mecklenburg-Vorpommern erhalten Abgeordnete eine Vollalimentation, damit sie sich die Übernahme solcher Funktionen leisten können (siehe S. 57 ff.). Im Herbst 2010 ist bekannt geworden, dass der Präsident des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern (siehe S. 103), Tilmann Schweisfurth, die Präsidentin des Landtags auffordern wollte, von den Fraktionen Extra-Vergütungen, die sie in der Vergangenheit geleistet haben, in Höhe von bis zu 3 Mio. € zurückzufordern. 266 Dabei handelte es sich um einen Berichtsentwurf, der dem Landtag bereits im Herbst 2010 zur Stellungnahme übersandt wurde, ohne dass dieser bisher darauf reagiert hätte. Ferner hat die NPD-Fraktion wegen der Verfassungswidrigkeit der Zulagen am 9.9. 2010 Organklage beim Landesverfassungsgericht erhoben; nach Ablehnung des Antrags auf einstweilige Anordnung ist das Hauptverfahren weiterhin anhängig (Stand für beides: Ende Februar 2011). 7. Niedersachsen In Niedersachsen zahlte die CDU-Fraktion im Jahr 2009 342.945 € an ihre Funktionsträger, die SPD 288.993 € die FDP 130.848 € und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 7.992 €. 267 Die Beträge schlüsseln sich folgendermaßen auf: Die CDU-Fraktion zahlte im Jahre 2009 – unter Verweis auf ihre als Landtagsdrucksache veröffentlichte Rechnung 268 (siehe S. 53) – ihrem Vorsitzenden eine zusätzliche Entschädigung von 5800 Euro, vier stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 50 %; der Parlamentarische Geschäftsführer erhält 70%, und 13 Arbeitskreisvorsitzende bekommen zwischen 250 und 400 € monatlich zusätzlich. In der SPD-Fraktion erhalten nach eigenen Angaben gegenüber Report Mainz derzeit der Vorsitzende 4196 € (= 75% der Entschädigung), seine sechs Stell266 267 268
Ostsee Zeitung vom 22. und 23. 9. 2010. Landtags-Drucks. 16/2505 vom 25. 5. 2010. Landtags-Drucks. 16/2505, S. 2.
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vertreter je 1958 € (= 35%), die Parlamentarische Geschäftsführerin 3077 € (= 55%) und sechs weitere Mitglieder des Fraktionsvorstandes je 823 € (= 15 %). Die FDP-Fraktion zahlt der Fraktionsvorsitzenden nach eigenen Angaben gegenüber Report Mainz zusätzlich 100% der Entschädigung, den beiden Stellvertretern je 25 % und dem Parlamentarischen Geschäftsführer 40 %. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gewährt, ebenfalls nach eigenen Angaben, lediglich ihrem Fraktionsvorsitzenden eine zusätzliche Aufwandspauschale von 666 €. Hinsichtlich der Publizität der Rechnungslegung ist Niedersachsen zwar vorbildlich (siehe aber auch S. 53). Materiell aber sind – mit Ausnahme der Grünen 269 – die gewährten Zulagen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar 270 (siehe S. 56 ff.). Zum Niedersächsischen Rechnungshof siehe S. 104. 8. Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen gab die SPD-Fraktion im Jahre 2008 rund 496.000 € für Zusatzdiäten aus, die CDU-Fraktion 373.000 €, die FDP-Fraktion 168.000 und die der Grünen 38.000 €. Darin sind gegebenenfalls auch Zulagen für Fraktionsvorsitzende enthalten. Nach einer Zeitungsmeldung vom Januar 2010 „leisten sich SPD und CDU jeweils sieben Vize-Fraktionschefs, was jedem von ihnen mit monatlich rund 2000 € extra versüßt wird.“ 271 Nach einem Pressebericht vom 24. 9. 2010 erhalten u. a. sieben stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU monatlich je 2018 € und vier stellvertretende Fraktionschefs der SPD monatlich je 2500 €. 272 Nach eigenen Angaben zahlt die SPD-Fraktion ihrer Parlamentarischen Geschäftsführerin Britta Altenkamp eine Zulage von 50 % der Abgeordnetenentschädigung von monatlich inzwischen 10.039 €. In der FDP-Fraktion erhalten der Parlamentarische Geschäftsführer 4000 und die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 2000 € extra. Bei den Grünen bekommen die Parlamentarische Geschäftsführerin 1100 € und die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 400 € monatlich.
269 Auch hinsichtlich der Grünen bleiben allerdings verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Transparenz (oben III. 1.). 270 So auch eine Presseerklärung des Bundes der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen vom 22. 9. 2010. 271 Christoph Meinerz, Der Westen vom 5. 1. 2010. 272 Aachener Nachrichten vom 24. 9. 2010, S. 3.
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Die fortdauernde verfassungswidrige Praxis in Nordrhein-Westfalen war durch eine geschickt zusammengestellte Kommission gesteuert worden. 273 Diese hatte anheim gestellt, nicht nur Parlamentarische Geschäftsführer, sondern auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende auf dem Umweg über die Fraktionskassen mit Zulagen zu bedenken. 274 Der doppelte Verfassungsverstoß solcher Zusatzgehälter gegen das Zulagenverbot und das Transparenzgebot blieb dabei unberücksichtigt. Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen hat die Rechtmäßigkeit einzelner Fraktionszulagen in Frage gestellt. So heißt es etwas sibyllinisch in einem Bericht der Präsidentin des Landtags vom 8. 6. 2010, ohne dass daraus aber Konsequenzen gezogen worden wären 275 (siehe S. 102). 9. Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz schüttete die SPD-Fraktion im Jahre 2009 205.314 € an Funktionsträger aus, die CDU-Fraktion 135.141 € und die FDP-Fraktion 115.733 €. Die Vorsitzenden der drei Fraktionen sind darin nicht enthalten. Sie werden – genau wie der Landtagspräsident und seine drei Stellvertreter – direkt aus der Parlamentskasse bezahlt (siehe Anlage 8). Was die Aufteilung auf die einzelnen Funktionsträger anlangt, antworteten die Fraktionen immerhin auf Anfrage. 276 Danach erhalten in der CDU drei stellvertretende Fraktionsvorsitzende je 1820 € monatlich, der Parlamentarische Geschäftsführer bekommt 2730 € und 12 Arbeitskreisvorsitzende erhalten – je 285 € monatlich. 277 In der SPD-Fraktion erhalten die Parlamentarische Geschäftsführerin 2599 Euro, die fünf stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 2209 € und Arbeitskreisvorsitzende 230 € monatlich. 278 273 Empfehlungen der Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts beim Landtag Nordrhein-Westfalen, Landtags-Drucks. 13/2330 vom 7. 3. 2002, 34 ff. Siehe auch S. 112 f. 274 Dazu auch Röper, DÖV 2002, 655 (658). 275 Landtagsdrucks. 14/11171, S. 4. 276 Auf zusätzliche schriftliche Anfrage des Verfassers übersandte der rheinland-pfälzische Landtagspräsident ihm auch die Geschäftsordnung der SPD-Fraktion und die Satzungen der CDU- und der FDP-Fraktionen. 277 Aus der Satzung der CDU-Fraktion ergibt sich lediglich, dass der Parlamentarische Geschäftsführer eine vom Fraktionsvorstand festzusetzende Zusatzentschädigung und die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden „zur Abgeltung des mit den Aufgaben verbundenen Aufwandes“ eine von der Fraktionsversammlung festzusetzende Entschädigung erhalten (§ 22 Abs. 3 und 5). Ferner bekommen die Arbeitskreisvorsitzenden „zur Abgeltung ihres Aufwandes“ eine monatliche Zuwendungen von 285 € (§ 23 Abs. 6).
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In der FDP-Fraktion bekommen der Parlamentarische Geschäftsführer 4368 €, zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende je 2700 €. 279 Die Zulagen jedenfalls für stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer sind wegen mangelnder Transparenz (siehe S. 54) und wegen Verstoßes gegen das Zulagenverbot (S. 56 ff.) verfassungswidrig (siehe auch Anlage 3). Zum rheinland-pfälzischen Rechnungshof siehe S. 104. 10. Saarland Zur Zeit teilen sich die Mittel, die die Fraktionen für Funktionszulagen verwenden, auf die einzelnen Funktionäre wie folgt auf: Bei der CDU erhalten laut Saarbrücker Zeitung vom 22. 9. 1010 280 der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Schmitt die Hälfte der normalen Entschädigung von 4942 €, also rund 2470 €, die drei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Helmut Kuhn-Theis, Gisela Rink und Günter Becker je ein Drittel der normalen Entschädigung und die Arbeitskreisvorsitzenden monatlich rund 300 € mehr. Bei der SPD Fraktion bekommt der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Pauluhn nach derselben Quelle ebenfalls rund 2470 €, die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Cornelia Hoffmann-Bethscheider und Ulrich Commercon, je ein Drittel der Diät. Von der Fraktion Die Linke erhalten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Rolf Linsler und Barbara Spaniol Zuschläge von bis zur Hälfte einer Diät. Die FDP zahlt ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer Christoph Kühn und dem Fraktionsvize Christian Schmitt Zulagen zwischen einem Viertel und einer halben Diät. Auch im Saarland genügen die Zahlungen weder den verfassungsrechtlichen Transparenzanforderungen noch dem Zulagenverbot. Die Einlassung des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD Fraktion, Stefan Pauluhn, das Bundesverfassungsgericht habe speziell für Thüringen entschieden, wo die Zahlungen im Abgeordnetengesetz ständen, und gelte deshalb nicht für die Fraktionszahlungen im Saarland, 281 ist eine unzutreffende Schutzbehauptung (siehe S. 67 ff.). 278 Nach der Geschäftsordnung der SPD-Fraktion erhalten Parlamentarische Geschäftsführer eine zusätzliche Entschädigung von 50 % der normalen Entschädigung (§ 6 Abs. 2) und stellvertretende Fraktionsvorsitzende in Höhe von 42 % (§ 7 Abs. 2). Arbeitskreisvorsitzende bekommen „zur Abgeltung des damit verbundenen Aufwandes“ monatlich 230 € (§ 8 Abs. 3), Arbeitsgruppensprecher monatlich 51 € (§ 8 Abs. 4). 279 Die Satzung der FDP-Fraktion enthält keine Angaben über Funktionszulagen. 280 Saarbrücker Zeitung vom 22. 9. 2010. 281 Saarbrücker Zeitung vom 22. 9. 2010.
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11. Sachsen In Sachsen ermächtigt das Abgeordnetengesetz die Fraktionen, „in eigener Verantwortung den Parlamentarischen Geschäftsführern eine steuerpflichtige monatliche besondere Aufwandsentschädigung in Höhe von bis zu 50 v.H. der Grundentschädigung“ zu gewähren. 282 Den Transparenzanforderungen genügt das nicht, da das Ob und die Höhe der Zulage (innerhalb der genannten Obergrenze) sowie die Zahl der Parlamentarischen Geschäftsführer nicht öffentlich gemacht werden. Anders als in Schleswig-Holstein werden weitere Zulagen aus den Fraktionskassen nicht ausdrücklich untersagt. Das Verfassungsverbot von Zusatzgehältern kann auch nicht durch die bloße Bezeichnung als Aufwandsentschädigung wirksam umgangen werden (siehe S. 65 f.). Ferner können die Fraktionen „besondere Mehraufwandsentschädigungen für den Mehraufwand zur Wahrnehmung von wesentlichen Funktionen, insbesondere als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende, aus eigenen Mitteln in Höhe von 332,34 € steuerfrei gewähren.“ 283 Hier bleibt der Öffentlichkeit verborgen, wer solche steuerfreien Zulagen erhält, ob alle Genannten sie erhalten und wer noch („insbesondere“). Höchst fraglich erscheint, ob die Fraktionen den Kreis der Empfänger steuerfreier Aufwandsentschädigungen festlegen können. Die Summe der Zahlungen an Funktionsträger wird in Sachsen – wie in Hessen und Sachsen-Anhalt, aber anders als in allen anderen Ländern und im Bund – auch im Nachhinein nicht genannt (siehe S. 53), 284 so dass dem Beobachter nicht einmal eine überschlägige Kontrolle möglich ist. 12. Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt erhalten – zusätzlich zum Präsidenten, den beiden Vizepräsidenten und den vier Fraktionsvorsitzenden – 27 Abgeordnete eine Zulage. Nach Auskunft der CDU-Fraktion gegenüber Report Mainz erhalten satzungsgemäß der Fraktionsvorsitzende 100 % der Entschädigung als Extra-Diät, die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 30%, der Parlamentarische Geschäftsführer 60 % Diät sowie sieben Arbeitsgruppenvorsitzende eine Zulage in Höhe von je 375 € monatlich. Dabei dürfen so viele Arbeitsgruppen berücksichtigt werden, wie es einem Fünftel der Anzahl der Fraktionsmitglieder entspricht. Die Fraktion ist aber nicht bereit, die Satzung herauszugeben. 282
§ 6 Abs. 6a. § 6 Abs. 6 Satz 4 Abgeordnetengesetz. 284 § 5 Abs. 3 Nr. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz. Zum Sächsischen Rechnungshof siehe S. 101. 283
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Die SPD-Fraktion gab an, der Fraktionsvorsitzende bekomme „für den Mehraufwand“ 100 % der Entschädigung zusätzlich, der oder die parlamentarische Geschäftsführer / in 60%, zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende erhielten je 1000 € monatlich sowie vier Arbeitskreisleiter je 500 €. Die FDP-Fraktion zahlt ihrem Fraktionsvorsitzenden nach eigener Angabe eine Zulage in Höhe von 100% der Entschädigung, einem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden 30%, einem Parlamentarischen Geschäftsführer 60 % und zwei Arbeitskreisleitern je 350 €. Die Fraktion Die Linke zahlt für den Fraktionsvorsitz eine Zulage von 100 % der Entschädigung des Jahres 2003 (= 3937 €), zwei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden je 30 %, dem Parlamentarischen Geschäftsführer 60 % sowie drei Arbeitskreisleitern je 500 €. Bei einer Prüfung der Jahre 2003 bis 2006 durch den Landesrechnungshof hatten Ende 2006 sogar 51 Abgeordnete des Landtags Sachsen-Anhalt eine monatliche Zulage. 285 Damit waren mehr als die Hälfte der 97 Abgeordneten Zulagenempfänger – mehr Häuptlinge als Indianer. 13. Schleswig-Holstein In Schleswig-Holstein werden neben dem Parlamentspräsidenten, seinen Stellvertretern und den Fraktionsvorsitzenden auch je einem Parlamentarischen Geschäftsführer pro Fraktion Zulagen gezahlt. Das ist im Abgeordnetengesetz niedergelegt. Funktionszulagen aus dem Fraktionskassen sind ausdrücklich verboten (siehe S. 52). Nach § 6 AbgG erhält der Landtagspräsident eine Zulage von 72% der monatlichen Entschädigung von 6.700 €, bis zu vier Vize-Präsidenten in Höhe von je 15%, Fraktionsvorsitzende von 72 % und Parlamentarische Geschäftsführer von 45%. Zur Bewertung der Regelung siehe S. 66. Im Zuge der allgemeinen Spardebatte hatte der Landtag im August 2010 beschlossen, die Diät auf 6.700 € zu senken (vorher 6990 €) und auch die Zulagen für den Landtagspräsidenten und die Fraktionsvorsitzenden ab August 2010 auf 72% (vorher 80 %) und der Parlamentarischen Geschäftsführer auf 45 % (vorher 50%) abzusenken.
285
Schreiben des Rechnungshofs vom 10. 8. 2010.
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14. Thüringen Die FDP-Fraktion zahlt laut einem Pressebericht 286 an drei Abgeordnete „Aufwandsentschädigungen“. Die CDU-Fraktion verweigert Angaben. Das ist auch deshalb pikant, weil der Rechnungshof im Jahr 2006 den Landtag aufgefordert hatte, 956.000 € an verfassungswidrigen Zulagen von der CDU-Fraktion zurückzufordern. 287 Linke, SPD und Grüne zahlen nach eigenen Angaben keine Funktionszulagen. 288 (Zum Thüringer Rechnungshof siehe S. 100)
IV. Sonderprobleme 1. Doppelalimentation Das beharrliche Festhalten der Fraktionen und Abgeordneten an den verfassungswidrigen Funktionszulagen hat – neben der Schwächung der Öffentlichkeits- und der Finanzkontrolle – auch einen handfesten materiellen Grund. Die Zulagen unterfallen den sonst bestehenden Anrechnungsvorschriften nicht. Übergangsgelder ehemaliger Regierungsmitglieder und Pensionsansprüche aus einem früheren Ministeramt oder einer früheren Beschäftigung im öffentlichen Dienst werden auf die normale Abgeordnetendiät strikt angerechnet (§ 29 Abs. 2 AbgG), nicht aber auf die von Fraktionen gezahlten Zulagen. Auch die Anrechnungsvorschriften des Bundesministergesetzes greifen nicht, weil die Funktionszulagen nicht aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst fließen (§ 20 Abs. 2 Bundesministergesetz) und auch kein Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen darstellen (§ 20 Abs. 2a BMinG). Dadurch wird eine ansonsten im öffentlichen Recht verbotene Doppelalimentation ermöglicht. Ob ehemalige Funktionsträger auch Versorgungsleistungen erhalten, die von den Fraktionen finanziert werden, wissen wir – angesichts der mangelnden Publizität des Zulagenwesens – nicht. Hellhörig macht immerhin, dass die so genannte Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts, die Fraktionszulagen aus den Kassen der Fraktionen befürwortet hatte, diesen auch „die Regelung der Frage der Ruhegehaltsfähigkeit im einzelnen“ überlassen wollte. 289 Solche zusätzlichen Ruhegehälter könnten auch über Versicherungen finanziert werden 290 und bedürften dann keiner Rückstellungen der Fraktionen, die ja als Globalsumme in den Rechenschaftsberichten auszuweisen sind. Eine 286 287 288 289 290
Thüringer Landeszeitung vom 22. 9. 2010. So Thüringer Landeszeitung vom 16. 9. 2006. Thüringer Landeszeitung vom 22. 9. 2010. Bundestagsdrucks. 12/5020, 11. Vgl. Röper, ThürVBl 2005, 7 (10).
IV. Sonderprobleme
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Verrechnung mit anderen – direkten – Einnahmen aus öffentlicher Hand, seien es Aktiv- oder Ruhegehaltsbezüge, ist grundsätzlich nicht vorgesehen. 2. Herausgabe der verfassungswidrigen Beute Die Fraktionen dürfen ihre öffentlichen Mittel nur für Aufgaben verwenden, die ihnen rechtlich obliegen. Eine Verwendung für Parteiaufgaben wird ausdrücklich untersagt (so zum Beispiel für den Bund § 50 Abs. 4 AbgG). Mehrere Abgeordneten- beziehungsweise Fraktionsgesetze verpflichten die Fraktionen ausdrücklich, zweckwidrig verwendete Mittel an das Parlament zurückzuzahlen. 291 Dasselbe gilt nach den Grundsätzen öffentlich-rechtlicher Erstattung 292 auch ohne derartige Spezialvorschriften. Da die Gewährung von Funktionszulagen grundsätzlich unzulässig ist, kann das Parlament die rechtswidrig aufgewendeten Beträge zurückfordern. 293 Der Anspruch ist durch den Parlamentspräsidenten geltend zu machen. Dementsprechend hatte der Präsident des Rechnungshofs Thüringen im Jahre 2006 den Landtagspräsidenten aufgefordert, von der CDU 956.000 € an verfassungswidrigen Zulagen zurückzufordern (siehe S. 92). Nach Presseberichten beabsichtigte auch der Präsident des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern, die Landtagspräsidentin aufzufordern, von den Fraktionen verfassungswidrige Extra-Vergütungen der Vergangenheit in Höhe von bis zu 3 Mio. € zurückzuverlangen (siehe S. 86). 3. Auskunftsansprüche gegen Fraktionen Da viele Fraktionen beharrlich die Auskunft über ihre Funktionszulagen verweigern, kommt die Geltendmachung eines Auskunftsrechts in Betracht. Nach § 4 der Landespressegesetze sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die Auskünfte zu erteilen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Der Begriff Behörde ist hier im funktionellen, an der Aufgabe der Presse ausgerichteten Sinn 294 zu verstehen und dürfte auch Fraktionen mit umfassen. Zum Sinn der Vorschrift und zu den Grundsätzen, die für die Ermittlung der Aus291 So Bayern (Art. 4 Abs. 1 FraktG); Baden-Württemberg (§ 4 Abs. 1 FraktG); Brandenburg (§ 6 Abs. 1 FrakG); Hessen (§ 4 Abs. 1 FraktG); Niedersachsen (§ 33c Abs. 1 AbgG); Rheinland-Pfalz (§ 6 Abs. 1 FraktG); Sachsen-Anhalt (§ 4 Abs. 1 FraktG); Thüringen (§ 56 Abs. 1 AbgG). 292 Statt vieler Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., 2006, § 29 Rn. 20 ff. 293 Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 FraktG Rheinland-Pfalz gelten für die Rückforderung die Bestimmungen des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend.
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kunftsverpflichteten maßgeblich sind, führt der Bundesgerichtshof am Beispiel des niedersächsischen Pressegesetzes Folgendes aus: „Dieser Informationsanspruch soll der Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dadurch ermöglichen, dass sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. ... Auf diese Weise kann der Staatsbürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essenziellen Fragen haben können. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt ... Die Vorschrift des § 4 niedersächsisches Pressegesetz weist daher enge Bezüge nicht nur zur Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern auch zur Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und zu Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG auf. Hieran müssen sich die Auslegung des § 4 Abs. 1 niedersächsisches Pressegesetz und insbesondere auch die Grundsätze zur Bestimmung des im konkreten Falle Auskunftsverpflichteten orientieren.“ 295
Daraus ergibt sich m. E., dass auch die Fraktionen grundsätzlich verpflichtet sind, auf Anfrage der Presse über ihre aus Steuergeldern finanzierten Ausgaben Auskunft zu geben, insbesondere über die Gewährung von möglicherweise verfassungswidrigen Funktionszulagen. Daran besteht unübersehbar ein großes öffentliches Interesse. Die Auskunft darf nur verweigert werden, wenn Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder der Umfang der Auskunft das zumutbare Maß überschreitet. Alles dies dürfte jedenfalls dann nicht in Betracht kommen, wenn nach den Bezügen der verschiedenen Gruppen von Funktionsträgern gefragt wird. Man kann dann zwar ersehen, wer welche Zulage erhält, da die Inhaber der verschiedenen Funktionen bekannt sind. Aber an der Geheimhaltung besteht weder ein öffentliches noch ein schutzwürdiges privates Interesse. In eigener Sache beschlossene Diäten müssen im Gegenteil zwingend öffentlich gemacht werden (siehe S. 14 ff., 49 ff.). Auch einzelne Bürger besitzen ein Auskunftsrecht. Nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und zahlreicher Länder hat jedermann gegenüber Behörden und sonstigen Organen und Einrichtungen, die öffentlich-rechtliche 294
BGH, Urteil vom 10. 2. 2005, NJW 2005, 1720: „Der Behördenbegriff des Presserechts ist nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu begreifen.“ Siehe auch Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl., 2006, § 4, Rn 52 ff. 295 BGH, a. a. O.
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Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. 296 Die Fraktionen haben zwar in die meisten Abgeordneten- bzw. Fraktionsgesetze hinein geschrieben, sie seien „nicht Teil der öffentlichen Verwaltung“ und übten „keine öffentliche Gewalt aus“. 297 Dadurch soll offenbar die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ausgeschlossen werden. 298 Doch die Zuordnung zu den Gewalten wird auf Verfassungsebene entschieden und nicht durch Selbstdeklaration des Gesetzgebers, 299 und danach üben die Fraktionen als in die organisierte Staatlichkeit eingefügte Institutionen eben doch öffentliche Gewalt aus 300 und nehmen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben jedenfalls dann wahr, wenn sie Funktionszulagen gewähren oder sonst ihre Mittel ausgeben. In das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes hat der Bundestag allerdings einen Ausschlusstatbestand hinein geschrieben, der sich in den entsprechenden Landesgesetzen nicht findet. Danach darf eine an sich auskunftsverpflichtete Stelle keine „Informationen aus Unterlagen [geben], soweit sie mit ... einem Mandat [eines] Dritten in Zusammenhang stehen.“ 301 Diesen Passus hat erst der Innenausschuss des Bundestags ins Gesetz eingefügt. Überzeugend ist diese Entscheidung in eigener Sache nicht 302 und muss restriktiv interpretiert werden. Ein Auskunftsbegehren, etwa, welche Gruppen von Funktionsträgern Zulagen erhalten und wie hoch diese sind, dürfte also begründet und notfalls auch mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage durchsetzbar sein. Darüber hinaus besteht bei Verweigerung der Information die Möglichkeit, den Beauftragten für das Recht der Information anzurufen. Dies ist im Bund und in vielen Ländern der Datenschutzbeauftragte, 303 welcher eine institutionell gesicherte unabhängige Stellung besitzt. Seine Feststellung, dass eine öffentliche Stelle das Informationsfreiheitsgesetz nicht beachtet, kann zusätzlichen Druck ausüben.
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So z. B. § 1 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG). So z. B. § 46 Abs. 3 [Bundes-] AbgG; Art. 1 S. 1 bayFraktG; § 1 Abs. 5 Satz 2 nwFraktG, anders aber bemerkenswerterweise § 30 ndsAbgG. 298 Vgl. die Begründung zu § 46 AbgG (Bundestagsdrucks. 12/4756 und 12/6067, 10). 299 BVerfG, Urteil vom 16. 7. 1991, BVerfGE 84, 304. Vgl. auch Walter Schmidt-Bens, Finanzkontrolle und Fraktionen, ZRP 1992, 281 (282). 300 So auch Martin Morlok, Gesetzliche Regelung des Rechtsstatus und die Finanzierung der Bundestagsfraktionen, NJW 1995, 29 (31). 301 § 5 Abs. 2 IFG. 302 So auch Friedrich Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 5, Rn 50. 303 Z. B. in Nordrhein-Westfalen § 13 Informationsfreiheitsgesetz. 297
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D. Extra-Diäten für Fraktionsfunktionäre
4. Klage benachteiligter Abgeordneter Nicht alle Fraktionen praktizieren das Zulagen-Unwesen im gleichen Umfang. Bestimmte Fraktionen halten sich deutlich zurück. Ihre Funktionsträger kommen als Kläger einer Organklage vor dem Verfassungsgericht in Betracht, wozu sie als Organteile des Parlaments auch befugt sind. Der Antrag richtet sich gegen andere Fraktionen und den Parlamentspräsidenten. Gerügt wird die Verletzung des Gleichheitssatzes, weil die Funktionsträger der gegnerischen Fraktionen höhere Diäten erhalten als die Antragsteller. Ein Problem könnte die Frist sein. Im Bereich des Bundes muss der Antrag binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden (§ 64 Abs. 3 BVerfGG). Ein neu ins Parlament gewählter Abgeordneter könnte einen solchen Antrag aber innerhalb der Frist stellen, weil die Maßnahme ihn erst dann betrifft. 304 Im Übrigen ist es durchaus möglich, dass die Funktionszulagen manchen erst durch die öffentliche Diskussion bekannt werden. In Betracht kommen könnte auch ein Antrag wegen Unterlassens. Die Bundestagsfraktionen, die verfassungswidrige Zulagen zahlen, hätten dies spätestens nach dem Beitrag des Stern vom 21. 10. 2010 einstellen müssen, die Landtagsfraktionen spätestens nach dem Beitrag von Report Mainz vom 20. 9. 2010, haben dies aber erkennbar abgelehnt. Seitdem läuft die Sechsmonatsfrist. 305 5. Strafbare Untreue Die verfassungswidrige Zahlung von Funktionszulagen kann Untreue im Sinne des § 266 StGB zu Lasten der Fraktion darstellen. Allerdings beruhen die Zulagen häufig auf einem von den Mitgliedern getroffenen Fraktionsbeschluss. Dies könnten die Betroffenen als Einwilligung der Fraktion verstehen, und die Einwilligung des Geschädigten schließt Untreue im Allgemeinen aus. Das gilt allerdings nicht bei selbstständigen juristischen Personen. Hier heilt die Beschlussfassung nicht, wenn sie ihrerseits der juristischen Person gegenüber treuwidrig war. 306 Die Rechtsprechung muss m. E. sinngemäß auch auf Fraktionen erstreckt werden. 307 Auch wenn ein entsprechender Beschluss der Fraktionsversammlung über die Gewährung von Zulagen vorliegt, stellt dies keine rechtsgültige Einwilligung der geschädigten Fraktion dar, da sie ihrerseits rechtswidrig ist und 304 Vgl. BVerfGE 80, 188 (209 – 212). Dazu Dieter Umbach, in: Umbach / Clemens / Dollinger (Hg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl., 2005, §§ 63, 64, Rn 151. 305 Vgl. BVerfGE 92, 80 (89). In Mecklenburg-Vorpommern ist die Organklage einer Fraktion beim Landesverfassungsgericht anhängig (siehe S. 86). 306 BGHSt 30, 247; 35, 333 (336 f.); BGH, NJW 2000, 154.
IV. Sonderprobleme
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den Interessen der Fraktion widerspricht. Verantwortlich dürften insbesondere die Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes sein. Ihr möglicherweise behaupteter Irrtum über die Verfassungsmäßigkeit der Zahlungen dürfte als bloßer Rechtsirrtum im Allgemeinen unerheblich sein.
307
Anderer Ansicht Heiko Lersch, Zweckwidrige Verwendung von Fraktionszuschüssen, ZRP 2002, 159 (162 f.), der aber den Charakter der Fraktionen als in die organisierte Staatlichkeit eingegliederte Einrichtung verkennt.
E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe I. Prüfungs- und Veröffentlichungspflicht Die Fraktionen finanzieren sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Sie bewilligen sich ihr Geld in eigener Sache unmittelbar aus dem Staatshaushalt. In derartigen Fällen ist die Kontrolle durch Öffentlichkeit und Rechnungshöfe dringend geboten. Gleichwohl entziehen sich die Fraktionen beinahe überall der öffentlichen Kontrolle. Eine Gesetzesänderung mit der entsprechenden Öffentlichkeitswirkung, wie sie bei Erhöhungen der Parteienfinanzierung (siehe § 18 Parteiengesetz) und der Diäten (siehe die Abgeordnetengesetze) von Verfassungs wegen zu erfolgen hat, geschieht im Bund und in den meisten Ländern bei Aufstockung der Fraktionsmittel bisher nicht. Obwohl die Fraktionen Teile des Parlaments und damit der organisierten Staatlichkeit sind, bewilligen sie sich ihre Mittel in Form einer Globalsumme ohne die ansonsten für öffentliche Mittel geforderte Spezifikation nach Ausgabenzwecken. Die Globalsumme wird lediglich in den Haushaltsplan eingesetzt und geht dort in den tausenden anderen Titeln unter. Wieviel davon in die Funktionszulagen fließt, bleibt unbekannt. Auch die nachträgliche Rechnungslegung ist gerade hinsichtlich der Funktionszulagen nicht ausreichend spezifiziert und nennt in der Regel nur die Gesamtsumme. Welche Gruppen von Funktionsträgern wie hohe Zahlungen erhalten haben, bleibt auch nachträglich verborgen. Das ist wegen unzureichender Transparenz bei der Bewilligung der Mittel und bei der nachträglichen Rechenschaftslegung bereits verfassungswidrig. Es ist auch politisch hoch problematisch, schließlich geht es um die Verwendung von Steuergeld (siehe S. 49 ff.). Die Entschärfung der gerade bei Entscheidungen in eigener Sache so wichtigen Öffentlichkeitskontrolle verlangt erst recht eine umso intensivere Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe. Mit dem Bundesverfassungsgericht ist deshalb darauf zu bestehen, dass die Rechnungshöfe die Fraktionsfinanzierung regelmäßig prüfen und ihre Ergebnisse veröffentlichen müssen. So hat das Gericht 1989 betont, der Bundesrechnungshof sei „verpflichtet, die ordnungsgemäße Verwendung der Fraktionszuschüsse ... regelmäßig nachzuprüfen, Verstöße ... aufzudecken und zu beanstanden, gegebenenfalls Abhilfevorschläge zu unterbreiten und Beanstandungen in den jährlichen Prüfungsbericht aufzunehmen (Art. 114 Abs. 2 GG).
I. Prüfungs- und Veröffentlichungspflicht
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Der verfassungsrechtliche Prüfungsauftrag des Bundesrechnungshofs umfasst die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwendung von Fraktionszuschüssen in gleicher Weise und nach den gleichen verfassungsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Maßstäben wie bei anderen Etatmitteln auch.“ 308 Prüfungsmaßstab ist – neben Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – die Rechtmäßigkeit. Selbst der vom Bayerischen Landtag beauftragte Gutachter, Hans-Jürgen Papier, hält eine intensive, öffentlichkeitswirksame Kontrolle der Fraktionsfinanzierung durch die Rechnungshöfe von Verfassungs wegen für dringend geboten. Wörtlich führt Papier aus: Es wäre „mit der verfassungsrechtlichen Pflicht zur vorsorgenden Missbrauchsabwehr nicht zu vereinbaren, wenn dem Rechnungshof ein Ermessen zur Rechnungsprüfung eingeräumt wäre. Die entsprechenden Vorschriften sind – verfassungskonform – dahin zu interpretieren, dass die Rechnungsprüfung zur strikten Wahrung der Zweckbindungen staatlicher Fraktionszuschüsse zu erfolgen hat, der Rechnungshof also insoweit zur Prüfung verpflichtet ist.“
Und weiter: „Schließlich erscheint eine Veröffentlichungspflicht, die sicherstellt, dass die Rechnungshofberichte in Bezug auf die Fraktionen der Öffentlichkeit auch tatsächlich zugänglich werden, unerlässlich, [um] der spezifischen, verfassungsrechtlich gebotenen Aufgabenstellung einer speziell die Fraktionszuschüsse betreffenden Rechnungsprüfung in effizienter Weise zu genügen.“ 309
Seitdem die Rechnungshöfe die Finanzen der Fraktionen, also ihr rasant gestiegenes „Allerheiligstes“, von Verfassungs wegen zu prüfen haben, scheinen die Parlamente und ihre Fraktionen der Konstruktion der Rechnungshöfe und des Kontrollverfahrens sowie der Auswahl des Spitzenpersonals der Rechnungshöfe gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken. Alle Ebenen haben sie unmittelbar in der Hand: Im Wege der Gesetzgebung können sie nicht nur den Rechnungshof, sondern auch sein Prüfungsverfahren nach ihren Vorstellungen konstruieren, auch wenn dabei die Verfassung häufig unbeachtet bleibt. Und über die Auswahl der Präsidenten, der Vizepräsidenten und oft auch der übrigen Mitglieder des Rechnungshofes entscheiden sie fast überall ebenfalls selbst.
308
BVerfGE 80, 188 (214). Papier, Zur Verfassungsmäßigkeit der Fraktionsfinanzierung nach dem Bayerischen Fraktionsgesetz, BayVBl. 1998, 513 (523). Das Wörtchen „um“, welches redaktionell wohl vergessen worden war, habe ich hinzugefügt. 309
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E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe
II. Beispiele für gesetzgeberische Entschärfung der Kontrolle 1. Thüringen Ein exemplarischer Fall für gesetzliche Restriktionen der Finanzkontrolle findet sich in Thüringen. Dort sind die Finanzen der Fraktionen nicht vom ganzen Rechnungshof zu prüfen, sondern allein von dessen Präsidenten (§ 55 Abs. 1 und 2 AbgG Thüringen), der vom Landtag mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder, also von den Fraktionen gemeinsam, gewählt wird (Art. 103 Abs. 2 Landesverfassung Thüringen). Seinen Bericht hat der Präsident laut Gesetz – außer der jeweils geprüften Fraktion – lediglich dem Landtagspräsidenten zu übermitteln (§ 55 Abs. 4 AbgG). Die Öffentlichkeit bleibt dabei gänzlich außen vor. So findet sich z. B. im Jahresbericht 2007 des Thüringer Rechnungshofs hinsichtlich der Fraktionen nur folgender Satz: „Der Präsident des Rechnungshofs hat gemäß Art. 103 Abs. 3 ThürVerf, § 55 Abs. 1 ThürAbgG die Verwendung der den Fraktionen gewährten Leistungen für die Haushaltsjahre 1998 bis 2004 geprüft. Der Prüfbericht ist der Präsidentin des Landtags und den jeweils geprüften Fraktionen gemäß § 55 Abs. 4 ThürAbgG zugestellt.“ 310
Mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Fraktionen regelmäßig vom Rechnungshof zu prüfen und die Ergebnisse zu veröffentlichen sind, stimmt das ebenso wenig überein wie mit der Landesverfassung Thüringen (Art. 102 Abs. 2 103 Abs. 3 Satz 1). 311 Es besteht ein doppelter Widerspruch: Weder prüft hier der Rechnungshof – der Präsident ist keineswegs mit dem Hof als Ganzem gleichzusetzen – noch werden die Prüfungsergebnisse veröffentlicht. Nach Art. 103 Abs. 3 Satz 3 Landesverfassung hat der Landesrechnungshof das Ergebnis seiner Prüfung gleichzeitig dem Landtag, wo es als Landtagsdrucksache publiziert wird, und der Landesregierung zu übermitteln. Auch mit der Systematik des Gesetzes über den Thüringer Rechnungshof ist die alleinige Entscheidung des Präsidenten nicht vereinbar. Nach § 10 Abs. 1 dieses Gesetzes entscheidet das Kollegium unter dem Vorsitz des Präsidenten in allen Angelegenheiten von grundsätzlicher oder sonst erheblicher Bedeutung. Dazu gehören natürlich auch Entscheidungen, die die Prüfung der Fraktionsfinanzen betreffen.
310 Thüringer Rechnungshof, Jahresbericht 2007 mit Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung und zur Haushaltsrechnung 2005, 2007,18. 311 Art. 102 Abs. 2 ThürVerf: „Der Landesrechnungshof berichtet dem Landtag und der Landesregierung unmittelbar zur Haushaltsrechnung.“ Art. 103 Abs. 3 S. 1: „Der Landesrechnungshof überprüft die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes.“ Dazu gehören auch die Zuweisungen an die Fraktionen und ihre Verwendung.
II. Beispiele für gesetzgeberische Entschärfung der Kontrolle
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Andererseits besitzt der Präsident des Thüringer Rechnungshofs durchaus die starke und unabhängige Position, die es ihm erlaubt – wie einst Thomas Beckett – den Anforderungen und Aufgaben seines Amtes größere Beachtung zu schenken als der Loyalität zu denen, die ihn berufen haben, im Falle des Rechnungshofpräsidenten und seines Stellvertreters also zu den Fraktionen. Er ist auf 12 Jahre berufen und tritt nach Ablauf seiner Amtszeit in den Ruhestand, wenn er nicht vorher die Altersgrenze erreicht (§ 6 Abs. 4 des Gesetzes über den Thüringer Rechnungshof). Wiederwahl ist ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 S. 3). Und in der Tat hatte der Präsident des Thüringer Rechnungshofs im Jahre 2006 ja auch die Landtagspräsidentin aufgefordert, verfassungswidrig gezahlte Zulagen von der CDU-Fraktion zurückzufordern (siehe oben). 2. Sachsen Auch in Sachsen heißt es in § 7 Abs. 1 Fraktionsrechtstellungsgesetz, der Präsident des Rechnungshofes oder ein von ihm Beauftragter habe die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung der Zuschüsse zu prüfen (§ 7 Abs. 1 Fraktionsrechtstellungsgesetz). Dies sei eine Ausnahme von dem nach § 10 Abs. 1 Rechnungshofgesetz geltenden Kollegialprinzip. Der Präsident des Rechnungshofes habe die Prüfungsergebnisse – nach der Erörterung mit den einzelnen Fraktionen – lediglich dem Präsidenten des Sächsischen Landtags (§ 7 Abs. 2 Fraktionsrechtstellungsgesetz) zu übermitteln. Damit wäre die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Doch das ist mit der sächsischen Landesverfassung nicht vereinbar. Nach Art. 100 Abs. 1 werden „die Rechnung sowie die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes ... durch den Rechnungshof geprüft.“ Nach Art. 100 Abs. 4 LV berichtet der Rechnungshof „jährlich unmittelbar dem Landtag und unterrichtet gleichzeitig die Staatsregierung.“ Die Berichte werden als Landtagsdrucksache veröffentlicht. Verfassungswidrig ist auch hier sowohl die Prüfung allein durch den Präsidenten als auch die mangelnde Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse. Nach Art. 100 Abs. 3 Satz 1 LV wird der Präsident des Rechnungshofes vom Landtag auf Vorschlag des Ministerpräsidenten mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Er besitzt richterliche Unabhängigkeit und ist Beamter auf Zeit. Die Amtszeit beträgt 12 Jahre. Danach tritt der in den Ruhestand, wenn er nicht vorher die Altersgrenze überschreitet. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen (§ 6 Rechnungshofgesetz). Die nötige Unabhängigkeit, um konsequent zu prüfen, besitzt er also durchaus. Aber veröffentlicht und damit einigermaßen wirksam wären die Prüfungsergebnisse damit immer noch nicht. Es ist also unerlässlich, dass die Ergebnisse auch herausgegeben werden wie bei anderen staatlichen Stellen auch.
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E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe
So sieht es in der Tat auch der Sächsische Rechnungshof. In seinem jüngsten Bericht schreibt er: „Die verfassungsrechtlich bestehende Prüfungskompetenz des Sächsischen Rechnungshofes aus Art. 100 Sächsische Verfassung kann nicht durch ein einfaches Gesetz, wie es das sächsische Fraktionsrechtsstellungsgesetz ist, oder durch Ausführungsbestimmungen eingeschränkt, sondern nur verfassungskonform ausgestaltet werden. Da die Prüfung von Verfassungs wegen Sache des Rechnungshofs ist, ist es unzulässig, die Prüfungsbefugnis auf den Präsidenten oder einen Beauftragten zu beschränken.“ 312
Daran hält der Rechnungshof – trotz der Berufung der Fraktionen auf den Wortlaut des § 7 Fraktionsrechtsstellungsgesetz – auch fest. 313 3. Nordrhein-Westfalen Hier prüft zwar der Landesrechnungshof, dessen Mitglieder vom Landtag ohne Aussprache gewählt werden (Art. 87 Abs. 2 Landesverfassung), als Ganzer die Fraktionen auf „die bestimmungsgemäße, sparsame und wirtschaftliche Verwendung ihrer öffentlichen Mittel (§ 9 Abs. 1 Fraktionsgesetz). Der Rechnungshof leitet – nach Anhörung der betroffenen Fraktionen – seinen zusammenfassenden schriftlichen Bericht über die Prüfungsergebnisse aber lediglich der Präsidentin des Landtags zu (§ 9 Abs. 2 FraktG). Er wird also nicht veröffentlicht. Die Präsidentin gibt den Fraktionen mit einer Frist von neun Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet abschließend. Sodann veröffentlicht sie einen zusammenfassenden Bericht als Landtagsdrucksache. Dieser soll zwar die wesentlichen Gründe der Entscheidung enthalten (§ 9 Abs. 3 FraktG), im letzten Bericht ist dies aber gerade nicht geschehen. Dort wird lediglich die Einlassung der Fraktionen mitgeteilt, ohne dass die Landtagspräsidentin auf die offenbar abweichende Auffassung des Rechnungshofs, der die „Rechtmäßigkeit einzelner Funktionszulagen in Frage“ gestellt hatte, eingegangen wäre. 314 Mit der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen dürfte das öffentlichkeitsscheue Verfahren, für sich genommen, kaum vereinbar sein. Nach Art. 86 Abs. 2 312
Beratende Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes gemäß § 88 Abs. 2 Sächsische Haushaltsordnung zur Verwendung der Fraktionszuschüsse, Landtagsdrucks 4/ 15930 (Sept. 2009), 8, unter Verweis auf Sven Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 641; von Arnim, Finanzierung der Fraktionen, 1993, 39; Annette Fischer, Abgeordnetendiäten und stattliche Fraktionsfinanzierung in den fünf neuen Bundesländern, 1995, 214. 313 A. a. O., 24 f. 314 Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags: Veröffentlichung eines zusammenfassenden Berichts zu den Entscheidungen nach § 9 Abs. 3 Fraktionsgesetz NRW, Landtags-Drucks. 14/11171 vom 8. 6. 2010, S. 4.
II. Beispiele für gesetzgeberische Entschärfung der Kontrolle
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prüft der Landesrechnungshof die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung und fasst das Ergebnis in einem jährlichen Bericht für den Landtag zusammen, den er auch der Landesregierung zuleitet. Der Bericht wird als Landtagsdrucksache veröffentlicht. Die Verfassungswidrigkeit dürfte allerdings dadurch geheilt werden, dass nach § 9 Abs. 4 Satz 1 FraktG das Recht des Landesrechnungshofs unberührt bleibt, gemäß § 97 Landeshaushaltsordnung Ergebnisse seiner Prüfung der Fraktionen in seinen Jahresbericht für den Landtag aufzunehmen. 315 Geheim zu haltende Angelegenheiten werden nach § 97 Abs. 4 LHO dagegen nur dem Landtagspräsidenten, dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister mitgeteilt. Darunter fallen Funktionszulagen aber definitiv nicht, auch wenn die Fraktionen sie als Geheimsache behandeln. Zusätzlich kann der Rechnungshof nach § 9 Abs. 4 Satz 2 LHO über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung den Landtag und gleichzeitig die Landesregierung jederzeit unterrichten. Der Schwarze Peter für die mangelnde Öffentlichkeit der Fraktionsprüfung liegt damit primär beim Rechnungshof selbst. 4. Mecklenburg-Vorpommern Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist die Prüfung der Fraktionen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AbgG dem Präsidenten des Landesrechnungshofs vorbehalten. Mit Art. 68 Abs. 3 der Landesverfassung, wonach der Landesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes überwacht, ist das nicht vereinbar. Der Präsident und der Vizepräsident werden auf Vorschlag der Landesregierung vom Landtag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln auf die Dauer von 12 Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Die weiteren Mitglieder werden vom Ministerpräsidenten auf Vorschlag des Präsidenten des Landesrechnungshofs berufen (Art. 68 Abs. 2 Landesverfassung). Auch der Präsident des Rechnungshofs besitzt also, erst einmal gewählt, die nötige Unabhängigkeit, um, ohne falsche Beflissenheit gegenüber denen, die ihn bestellt haben, seines Amtes zu walten.
315 So auch Bodo Pieroth / Katrin Neukamm, Fraktionsfinanzierung und Rechnungshofkontrolle, Rechtsgutachten für den Landtag Nordrhein-Westfalen, 2005, 40 (51 ff.).
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E. Zum Jagen tragen: Die Rechnungshöfe
III. Amtswidrige Kontrollscheu von Rechnungshöfen Viele Rechnungshöfe tun sich bei der Kontrolle der Fraktionen und erst recht der Funktionszulagen schwer und formulieren Ausreden, um sich ihrer Pflicht zu entziehen. So teilt der Bundesrechnungshof mit, ihm lägen keine Prüfungserkenntnisse über Zahlungen an Mitglieder der Fraktionen vor. Der Bayerische Oberste Rechnungshof, der die Fraktionen seit 2002 nicht mehr geprüft hatte, regte im damaligen Bericht hinsichtlich der gerade in Bayern besonders üppigen Funktionszulagen lediglich an, „eine möglichst einheitliche und länderübergreifende Lösung anzustreben,“ und verschob damit die Prüfung auf den Sankt Nimmerleinstag. (Um die Jahreswende 2010/11 hat der Rechnungshof, veranlasst wohl auch durch kritische Veröffentlichungen, allerdings wieder eine Prüfung der Fraktionen begonnen.) Der Niedersächsische Rechnungshof gab gegenüber Report Mainz an, er habe „auf Grund anderer Schwerpunkte bei den bisherigen Fraktionsprüfungen ... keine Erkenntnisse ... über die ... Zulagen.“ Die Rechnungshöfe von Rheinland-Pfalz und Brandenburg suchen sich mit der Feststellung zu beruhigen, „Hinweise auf offensichtliche Missverhältnisse zwischen den erbrachten Leistungen der Parlamentarischen Geschäftsführer und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und den ihnen gewährten Vergütungen insgesamt“ hätten sich „nicht ergeben.“ 316 Dabei geht es doch gar nicht um die Prüfung der Angemessenheit der Höhe der Zulagen, sondern um die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Verbots; Zulagen, die dagegen verstoßen, sind stets unangemessen. Dagegen erkennt z. B. der baden-württembergische Rechnungshof die Verfassungswidrigkeit von Zulagen sehr klar und hält mit seiner Erkenntnis auch nicht hinter dem Berge (siehe S. 68, 75, 83). Der Präsident des Rechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern will verfassungswidrige Zulagen zurückgezahlt sehen (siehe S. 86), ebenso früher schon der Präsident des Thüringer Rechnungshofes (S. 92 und 93). Der Sächsische Rechnungshof lehnt sich gegen die Beschneidung seiner Kompetenzen durch den Landtag auf (S. 102). Der bayerische, der rheinland-pfälzische und andere Rechnungshöfe berufen sich zur Rechtfertigung ihrer Zurückhaltung darauf, die rechtliche Beurteilung von Funktionszulagen sei umstritten. Doch das ist in Wahrheit gar nicht der Fall, jedenfalls, wenn man die wenigen Publikationen fraktionsnaher und deshalb nicht unbefangener Autoren (S. 76 ff.) richtigerweise unberücksichtigt lässt. Im Kern stimmen alle unabhängigen Autoren der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu, dass Funktionszulagen grundsätzlich verfassungswidrig sind. Ihr völliges Außerachtlassen durch viele Fraktionen im Bundestag 316 Landtagsdrucksache Rheinland-Pfalz 15/4476, S. 17 f.; Der Tagesspiegel vom 23. 9. 2010.
III. Amtswidrige Kontrollscheu von Rechnungshöfen
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und in zahlreichen Landesparlamenten ist definitiv verfassungswidrig. Von Umstrittenheit kann keine Rede sein (siehe S. 56 ff.). Rechnungshöfe sollten Gefälligkeitsveröffentlichungen nicht mehr als Vorwand nehmen, von Prüfungen abzusehen oder diese nur lax durchzuführen und die Ergebnisse geheim zu halten. Sie sollten das Interessengeflecht durchstoßen und parteilichen Sachverstand als das nehmen, was er ist: eine Verunreinigung des wissenschaftlichen Diskurses, der den Fraktionen die Möglichkeit eröffnet, im Trüben zu fischen.
F. Zusammenfassung 1.
2.
3.
4.
5.
Im Bund und in den Flächen-Ländern werden Abgeordnete voll alimentiert. Damit werden sie auch für die Wahrnehmung besonderer Funktionen angemessen bezahlt. Extra-Gehälter für Funktionsträger haben grundsätzlich keinen Platz. Sie widersprechen dem hier streng zu beachtenden Gleichheitssatz und, da sie zusätzliche, finanzielle Abhängigkeiten schaffen und parlamentsinterne Hierarchien verfestigen, auch der Freiheit der Abgeordneten. Das Bundesverfassungsgericht untersagt sie deshalb in ständiger Rechtsprechung – mit wenigen Ausnahmen: Nur Parlamentspräsidenten, ihre Stellvertreter und Fraktionsvorsitzende dürfen von Verfassungs wegen eine Zulage erhalten. Der übliche Einwand der Betroffenen, Mehrarbeit müsse auch zusätzlich bezahlt werden, weil dann andere Verdienstmöglichkeiten entfallen, leuchtet nur vordergründig ein, greift hier aber nicht. Abgeordnete genießen große Privilegien. Sie dürfen trotz voller Bezahlung noch privat dazuverdienen – rechtlich unbeschränkt und ohne Verrechnung. Das ist keinem anderen voll alimentierten Amtsträger gestattet. Landtagsabgeordnete werden sogar für ihre Teilzeitarbeit voll bezahlt. Für Funktionsträger, die Mehrarbeit leisten, mag privater Zusatzverdienst zwar kaum noch möglich sein, und die Landtagtätigkeit kann dann wirklich zum Fulltimejob werden. Doch dadurch wird lediglich das Ausnutzen der Privilegien erschwert, und das bedarf keines finanziellen Ausgleichs. Außerdem erhöhen sie natürlich ihren Einfluss in Fraktion und Parlament. In den Stadtstaaten, in denen die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses und der Bürgerschaften von Hamburg und Bremen nur eine Teilalimentation erhalten, dürfen Gehaltszulagen dagegen auch für die Wahrnehmung weiterer (als der unter 1 genannten) Funktionen gezahlt werden. Der Bundestag und die Parlamente von Flächenländern missachten das Verbot völlig. Partei- und länderübergreifend ignorieren sie die Verfassung. Sie vertrauen darauf, dass so schnell kein weiteres Urteil eines Verfassungsgerichts ergeht. Denn der Bürger hat kein Klagerecht, und, wo kein Kläger, da kein Richter. Massenhaft und weit über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus werden Gehaltszulagen gezahlt, insgesamt rund 8 Mio. € im Jahr. Hunderte von Abgeordneten im Bund und in den Ländern beziehen verfassungswidrige Einkünfte bis zu mehreren Tausend Euro monatlich.
F. Zusammenfassung
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6.
Die Rechts- und Verfassungswidrigkeit begeht nicht irgendwer, sondern die höchsten demokratischen Organe in unserem Lande, die Parlamente und ihre Fraktionen, also die Zusammenschlüsse ihrer Abgeordneten. Das ist Verfassungsbruch. Wenn die für das Recht verantwortlichen Institutionen dieses nicht mehr ernst nehmen, nimmt der Rechtsstaat Schaden.
7.
Die Extra-Diäten werden aus schlechtem Gewissen gezielt vor der Öffentlichkeit verborgen. Welche Funktionäre welche Zahlungen erhalten, steht in aller Regel weder im Gesetz noch wird darüber nachträglich im Wege der Rechnungslegung informiert. Auch gegenüber den Medien werden die Zulagen vielfach als Geheimsache behandelt und Anfragen nicht beantwortet. Mit welcher Kaltschnäuzigkeit Einblicke verweigert werden, wird im Bund und in Bayern besonders deutlich.
8.
Um die Zuwendungen vollends unter der Decke zu halten, bedient man sich eines Umweges. Sie werden nicht unmittelbar aus dem Staatshaushalt bezahlt, sondern mittelbar über die Fraktionen, welche sich aber fast zu 100 % aus öffentlichen Mitteln finanzieren und zudem auch als Teile des Parlaments den grundgesetzlichen Anforderungen unterliegen.
9.
Das Versteckspiel macht die Zulagen erst recht angreifbar. Denn das Geheimverfahren ist ebenfalls unzulässig und zudem in einer Demokratie politisch unerträglich.
10. Trotz der Heimlichtuerei ist es dem ARD-Magazin Report Mainz durch die gezielte Befragung von 64 Landtagsfraktionen und dem Stern hinsichtlich der Bundestagsfraktionen gelungen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Anschließende Recherchen weiterer Journalisten haben das Bild zusätzlich aufgehellt. Wichtige Angaben fehlen aber immer noch. 11. Auch die gesamte Staatsrechtslehre hält die Zulagen für verfassungswidrig. Lediglich der eine oder andere Gefälligkeitsaufsatz von Autoren, denen es an Unabhängigkeit gegenüber Fraktionen und Parteien fehlt, bestreitet dies. Auf dieser einseitigen Basis behaupten die Fraktionen, es bestehe keine Notwendigkeit, die Praxis zu ändern, da die Rechtslage unklar und umstritten sei. Das entbehrt nicht eines gewissen Zynismus. 12. Die Fraktionen sind umso leichter versucht, am Verfassungsrecht vorbei, lukrative Stellen für ihre Funktionäre zu schaffen, als sie sich aus den öffentlichen Haushalten praktisch unbegrenzt refinanzieren können. Allein die Bundestagsfraktionen haben ihre Staatsgelder seit 1950 ver-450-facht. Insgesamt erhalten die Fraktionen des Bundestags und der Landesparlamente derzeit 186 Mio. Euro im Jahr. Das ist, bereinigt um die Erweiterung der Parlamente im Zuge der deutschen Vereinigung, 28 mal soviel wie 1965 und inzwischen mehr als die gesamte staatliche Parteienfinanzierung von jährlich 133 Mio. €.
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F. Zusammenfassung
13. Die gewaltigen Steigerungen haben institutionelle Gründe. Die Fraktionen können sich ihre Mittel selbst bewilligen, sie in schöner Eintracht vor der Öffentlichkeit verbergen und alle möglichen Kontrollen unterlaufen. Wer würde, wenn er einen geheimen Geldhahn im Keller wüsste, den er nur aufzudrehen brauchte, nicht irgendwann schwach? Auch die Mittelverwendung ist wenig transparent. 14. Für Abgeordnetendiäten und Parteienfinanzierung, über die das Parlament ebenfalls in eigener Sache entscheidet, hat das Bundesverfassungsgericht eine Fülle von Vorkehrungen getroffen, die Missbrauch möglichst verhindern sollen. Für Fraktionen gelten alle diese Vorkehrungen bisher nicht. Es ist aber höchste Zeit zu erkennen, dass mindestens das Gebot eines öffentlichkeitswirksamen Bewilligungsverfahrens und einer Obergrenze auch auf Fraktionen anzuwenden sind. 15. Ein gutes Beispiel dafür, dass der Politik dort Grenzen gezogen werden müssen, wo sie sich auf Kosten der Steuerzahler oder auch der Zukunft bedient, ist die von der Politik selbst eingeführte so genannte Schuldenbremse. 16. Die Fraktionen verwenden ihr vieles Geld vor allem für Mitarbeiter. Diese aber stehen den Funktionsträgern zur Verfügung und verstärken so die Hierarchisierung in den Fraktionen, bewirken also genau das, was das Bundesverfassungsgericht durch das Zulagenverbot verhindern will. Darin liegt erst recht ein Grund, wirksame Kontrollen der Fraktionsfinanzen durchzusetzen. 17. Die Rechnungshöfe müssten eigentlich die Finanzen der Fraktionen regelmäßig prüfen, zumindest die verfassungs- und rechtswidrigen Extra-Gehälter beanstanden und die Ergebnisse publik machen. Auch das verlangt das Verfassungsrecht. Einige Rechnungshöfe, deren Spitze zumeist von den zu prüfenden Fraktionen bestellt wird, tun sich allerdings schwer und verweigern die Veröffentlichung oder gar die Prüfung unter fadenscheinigen Vorwänden. Manche berufen sich dabei auf Äußerungen von Wissenschaftlern mit zweifelhafter Unabhängigkeit und suchen damit ihre Untätigkeit zu rechtfertigen. Es ist die Pflicht der Rechnungshöfe, ihre Neutralität und Unabhängigkeit strikt zu wahren und den Fraktionen nicht länger zu erlauben, im Trüben zu fischen. 18. Zum Teil haben die Parlamente durch Missbrauch ihrer Gesetzgebungsmacht den Rechnungshöfen geradezu verboten, an die Öffentlichkeit zu gehen. Solche „Gleichschaltungs“-Versuche werden anhand einiger Beispiele illustriert. Bei anderen Rechnungshöfen wirkt dagegen der Beckett-Effekt, der unabhängig gestellte Amtsinhaber veranlassen kann, ihr Amt und seine Aufgaben höher zu gewichten als die Ergebenheit gegenüber denen, die sie berufen haben. So fordern Landesrechnungshöfe die Parlamentspräsidenten gelegentlich sogar auf, von den Fraktionen die gezahlten verfassungswidrigen Zulagen zurückzufordern.
F. Zusammenfassung
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19. Die vorliegende Studie zeigt auf, wie die Fraktionen sich in eigener Sache aus der Staatskasse bedienen und wie sie durch Umweg-Konstruktionen und durch gesetzliche Restriktionen die Transparenz beseitigen, die Kontrollen schwächen und so ihren Funktionären ungestraft Zusatzgelder zahlen können. Durch die sorgfältige Analyse der Sach- und Rechtslage und die Darstellung der übergreifenden Zusammenhänge möchte die Studie – trotz der Abschirmungs- und „Gleichschaltungs“-Versuche – die öffentliche, die Gerichts- und die Finanzkontrolle aktivieren und letztlich dem Verfassungsrecht zum Durchbruch verhelfen. 20. Es bestehen aber auch jetzt schon Mittel und Wege für Medien und Bürger, die Geheimniskrämerei aufzubrechen. Die entsprechenden Instrumente (Pressegesetze und Informationsfreiheitsgesetze) werden deshalb kurz dargestellt.
Ein persönliches Nachwort Habent sua fata libelli. Bücher haben ihre Geschichte. So auch dieses. Es begann mit der Überarbeitung des Art. 48 Grundgesetz für den Bonner Kommentar. 317 Meine frühere Kommentierung über die Abgeordnetendiäten liegt 30 Jahre zurück, eine Neuauflage war also überfällig. Die im Dezember 2010 erschienene 150-Seiten-Arbeit lässt natürlich auch die Extra-Diäten bestimmter Abgeordneter nicht unkommentiert. Anfang August 2010 hatte der Kölner Stadtanzeiger um Beurteilung der drei Gehälter von Klaus Ernst gebeten, dem Vorsitzenden der Linken. Ich stellte das monatliche Zusatzsalär von 1910 € heraus, das Ernst als Mitglied der Bundestagsfraktion der Linken – neben der Abgeordnetenentschädigung und den Bezügen als Parteichef – erhielt (inzwischen hat er darauf verzichtet 318) und das der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widerspricht. 319 Danach dürfen Parlamentsfunktionäre – außer den Präsidenten, ihren Vertretern und den Vorsitzenden der Fraktionen – keine Zulagen erhalten, wenn ihre normalen Diäten bereits eine volle Bezahlung darstellen. Doch die Verfassung wird in fast allen Parlamenten umgangen, indem die Zulagen insgeheim von den staatsfinanzierten Fraktionen gezahlt werden. Die Mitteldeutsche Zeitung, 320 die das Interview vom Stadtanzeiger übernommen hatte, fragte beim Rechnungshof SachsenAnhalt nach, der meiner Kritik grundsätzlich zustimmte, 321 und veröffentlichte dann den ganzen Strauß der dort gewährten Zusatzdiäten. Das brachte mich auf den Gedanken, den ungenierten Verfassungsbruch auch in anderen Ländern zum Thema zu machen. Da im Bayerischen Landtag besonders üppige Extra-Diäten gezahlt werden, schrieb ich für den Münchner Merkur eine Kritik 322 – auch, um den Bayerischen 317
von Arnim / Drysch, Drittbearbeitung des Art. 48 GG im Bonner Kommentar, erschienen im Dezember 2010. 318 Die Rheinpfalz vom 7. 9. 2010. 319 Kölner Stadt-Anzeiger vom 4. 8. 2010, S. 1: „Fraktionen geben illegal Geld aus“ und S. 5: „Verfassungswidrige Zahlungen. Parteienforscher Hans Herbert von Arnim kritisiert die Entlohnung der Bundestagsfraktionen“. 320 Mitteldeutsche Zeitung vom 4. 8. 2010. 321 So der Präsident des Rechnungshofes Sachsen-Anhalt, Seibicke: Hendrik Kranert-Rydzy, Satte Zuschläge im Landtag, Mitteldeutsche Zeitung vom 5.8. 2010. 322 von Arnim, Zusatzdiäten in Bayern: verfassungswidrig und ohne Kontrolle, Münchner Merkur vom 23. 8. 2010.
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Rechnungshof, der die Fraktionen viele Jahre lang ungeprüft gelassen hatte, auf das Thema aufmerksam zu machen. Der Beitrag wurde, obwohl prominent platziert, totgeschwiegen. Die Betroffenen versuchten die Kritik auszusitzen und sie nicht durch fadenscheinige Erwiderungen noch öffentlich zu befeuern. Angesichts des fraktions- und parlamentsübergreifenden politischen Kartells reichte es offenbar nicht, das Thema nur in dem einen oder anderen Land anzusprechen. Sollte die Kritik nicht verpuffen, schien ein bundesweiter Ansatz unerlässlich. Das ARD-Fernsehmagazin Report Mainz, ein angesehenes Format des Südwestrundfunks, griff das Thema auf – mit in Deutschland sonst seltenem investigativen Nachdruck. Alle 63 Landtagsfraktionen wurden befragt. Die größten Sünder aber hüllten sich in Schweigen, obwohl es um die Verwendung öffentlicher, vom Steuerzahler zwangsweise erhobener Mittel geht. Die Sendung vom 20. September 2010 (siehe Anlage 1) veranlasste dann aber viele Parlamentsjournalisten in den Landeshauptstädten, die Fraktionen zu löchern, und ihnen wurde die Auskunft häufig nicht verweigert, da sie auch die Rechtfertigungsversuche der Betroffenen mit abdruckten. So ist schließlich ein einigermaßen umfassendes Bild der bisher sorgfältig abgedunkelten Zusatzdiäten von Funktionsträgern zu Stande gekommen. Wenn auch vieles noch fehlt, ist immerhin eine Grundlage für die Bekämpfung dieses Missstandes geschaffen. Jetzt sagte auch der Bayerische Rechnungshof eine Prüfung der Fraktionen zu. Der Präsident des rheinland-pfälzischen Landtages, Joachim Mertes, reagierte auf den Fernseh-Bericht mit einer ungewöhnlich scharfen Presseerklärung (siehe Anlagen 2 und 3). Mertes wollte möglicherweise den Einfluss der rheinlandpfälzischen (und baden-württembergischen) Parteien auf den Südwestrundfunk nutzen, um die Redakteure der Sendung mittels einer – schließlich allerdings erfolglosen – Programmbeschwerde, mundtot zu machen und so investigativen Fernseh-Journalismus, der Parteien-Missbrauch aufdeckt, in Zukunft möglichst zu unterbinden. Ergänzend zum Mainzer Fernsehmagazin, das sich auf die Landtage konzentriert hatte, veröffentlichte das Printmedium Stern einen zweiseitigen Bericht, der die Bundestagsfraktionen aufs Korn nahm, leider ohne großes öffentliches Echo. Wie in Bayern verweigerten Union und SPD die Auskunft und behandelten die staatsfinanzierten Diätenzuschläge ganz ungeniert als Geheimsache. 323 Die gesamte staatsrechtliche Lehre geht davon aus, dass die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze für den Bund und die Parlamente aller Flächenländer gelten. Bei Durchsicht des Schrifttums stellte ich fest, dass die wenigen Publikationen, die die Zusatzdiäten für stellvertretende Vorsitzende und andere Funktionsträger der Fraktionen dennoch zu rechtfertigen suchen, von 323
S. 43.
Hans-Martin Tillack, Die Bundestags-Boni, Der Stern 43/2010 vom 20. 10. 2010,
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Autoren stammen, die in den Diensten der Parlamente oder Fraktionen stehen, allen voran der frühere Angestellte der rheinland-pfälzischen SPD-Fraktion, Lars Brocker, 324 der, obwohl noch jung an Jahren, inzwischen Direktor des rheinlandpfälzischen Landtags ist. Bei diesem Karrieresprung hat ihm seine fraktionsgeneigte wissenschaftliche Veröffentlichung gewiss nicht geschadet. Dem heiklen Problem des abhängigen Sachverstandes sind Staatsrechtslehre und Politikwissenschaft bisher ausgewichen. Aber gerade die vorliegende Arbeit zeigt, dass man das Problem nicht länger tabuisieren sollte. Nach dem Erscheinen unserer Kommentierung des Diäten-Artikels und einer Expertise des Potsdamer Landtags, die die Verfassungswidrigkeit der Fraktionszulagen im Land Brandenburg und damit auch in Rheinland-Pfalz bestätigte, 325 habe ich beides dem rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten und dem Präsidenten des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz zugesandt. Für den Landtagspräsidenten antwortete mit Schreiben vom 3. 3. 2011 sein Direktor Lars Brocker, der auf der Verfassungsmäßigkeit der Zulagen beharrte – bezeichnenderweise unter Verweis auf Veröffentlichungen von ihm selbst und von Gerald Kretschmer, also auf die oben ausführlich behandelten parlamentsnahen Autoren, bei denen Befangenheit zu besorgen ist (siehe S. 76 ff.). Besonders überraschend war, heraus zu finden, dass auch der größte Landesverband des Bundes der Steuerzahler, daran mitgewirkt hatte, verfassungswidrigen Zusatzdiäten einen Persilschein auszustellen. Eine Kommission, der auch der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen angehörte, hatte den Fraktionen anheim gestellt, solche Zulagen zu gewähren. 326 Das hatte weit reichende Auswirkungen. Denn die Unbedenklichkeitserklärung der Kommission lieferte zum Beispiel dem Bayerischen Rechnungshof lange das Argument, solche Extra-Gelder nicht zu beanstanden. 327 In Nordrhein-Westfalen wollte man offenbar eine Diätenreform erleichtern, für die der Bund der Steuerzahler sich nachdrücklich und in Nordrhein-Westfalen auch mit Erfolg eingesetzt hatte. Diese sah vor, dass die staatliche Altersversorgung und die Kostenpauschale wegfallen und dafür die laufende Entschädigung verdoppelt 324
Lars Brocker / Thomas Messer, Funktionszulagen für Abgeordnete und Oppositionszuschläge – Fortentwicklung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung durch den Bremer Staatsgerichtshof, NVwZ 2005, 895. 325 Ulrike Schmidt, Funktionslagen aus Fraktionsmitteln, Dezember 2010. 326 Empfehlungen der Kommission beim Landtag Nordrhein-Westfalen zu Fragen des Abgeordnetenrechts vom 7. 3. 2002, Landtagsdrucksache 13/2330, S. 16 f., 34 ff. Der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen, Georg Lampen, war Mitglied dieser Kommission. 327 Bericht des Obersten Bayerischen Rechnungshofes von 2002, S. 206. – Als ich den Vorsitzenden des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen brieflich auf den Kommissionsbericht und seinen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Zulagenunwesens ansprach, fiel diesem – neben fadenscheinigen Ausflüchten – nur ein, mir mit einer gerichtlichen Klage zu drohen.
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wird. Zugleich könnte dieser Landesverband auch deshalb nachsichtig gewesen sein, weil er möglicherweise an den Bezügen des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler Maß nahm. Dieser bezog damals nämlich, wie sich später herausstellte, – neben seinem Präsidentengehalt – als Mitglied des nordrheinwestfälischen Landesvorstandes und des Vorstandes des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler noch zwei Zusatzgehälter. 328 Konnte man da hinsichtlich der Zusatzdiäten von Abgeordneten päpstlicher sein als der Papst? Die missbräuchliche Gewährung von Funktionszulagen lenkte den Blick auf die Finanzen der Fraktionen insgesamt. Da diese sich in eigener Sache bedienen und auch die Kontrollen weitgehend ausschalten können, kommt es immer wieder zu sprunghaften Steigerungen staatlicher Mittel. Da fällt es den Fraktionen dann leicht, üppige und sogar verfassungswidrige Zuwendungen zu verteilen. Aufschlussreich ist das ungläubige Entsetzen, mit dem der Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis, der in den fünfziger Jahren selbst bei der SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt war, vier Jahrzehnte später zur Kenntnis nehmen musste, in welchem Ausmaß die Zahl der Fraktionsmitarbeiter inzwischen hoch geschossen war: „Der heute erreichte Ausbau“, durch die „absolut fantastische Explosion“ der Fraktionsmittel ermöglicht, erschien ihm „aus geschichtlicher Perspektive als Skandal“. 329 Das unkontrollierte Wachstum der selbst bewilligten Fraktionsmittel, das schon vor Jahrzehnten durch Veröffentlichungen aus meiner Feder publik geworden war, 330 hatte auch die Parteienfinanzierungskommission in ihrem Bericht von 1993 aufgegriffen. 331 Die Kritik hatte Folgen, 332 die allerdings nicht im Sinne der Kritiker lagen. Die Fraktionen gingen zwar dazu über, ihre Finanzen gesetzlich zu regeln. Aber nicht etwa zur Behebung wenigstens der größten Missstände. Vielmehr sollten Zweifeln an der Legitimität der Finanzierung die Grundlage genommen, der Ist-Zustand legalisiert und ein weiteres Wachstum ermöglicht werden. Weder ein Gesetzesvorbehalt 333 noch eine Obergrenze wurde eingeführt. Die verfassungsrechtlich äußerst fragliche 334 Öffentlichkeitsarbeit der 328 Kritik, Die sich dreifach lohnt. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler und seine vielfältigen Einkünfte, Süddeutsche Zeitung vom 22. März 2005, S. 6. 329 Wilhelm Hennis, Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 11. 3. 1996, 9 (bei Besprechung eines Aufsatzes von Hans Meyer). 330 von Arnim, Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, 1987; ders., Fraktionsfinanzierung, 1993. 331 Bundespräsidialamt (Hg.), Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, 80 ff. Einer der sieben Mitglieder war der Verfasser. 332 Hans Meyer, Fraktionsgesetze. Flucht aus der Verfassung?, Mitteilungen des Instituts für Deutsches und europäisches Parlamentsrecht, Heft 5/1995, 87: Die Entstehung der Fraktionsgesetze in der ersten Hälfte der 90er Jahre ist „insbesondere mit den Namen ‚von Arnim‘ verbunden.“
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Fraktionen und sogar einzelner Abgeordneter mit Fraktionsmitteln wurde salonfähig gemacht. Die Reisetätigkeit im In- und ins Ausland auf Steuerzahlerkosten wurde legalisiert. Bei der Aufgabenbeschreibung in den Fraktionsgesetzen des Bundes und der Länder wiederholte sich das verkehrte Spiel, welches Jahrzehnte vorher schon bei den Parteien im Parteiengesetz zu beobachten gewesen war: Die Aufgaben wurden in geradezu exzessiver Weise definiert, 335 um möglichst hohe öffentliche Zuschüsse zu rechtfertigen. Doch während das Gericht bei der staatlichen Parteienfinanzierung schließlich die Notbremse gezogen hat, um den aus der Umkehr der üblichen Maßstäbe resultierenden scheinbar unendlichen Finanzbedarf zu stoppen, 336 steht Ähnliches bei der Fraktionsfinanzierung noch aus. Zur Erleichterung der höchst anfechtbaren Gesetzgebung in eigener Sache und zur Absicherung gegen öffentliche Kritik schmiedeten die Fraktionen – über die Partei- und Ländergrenzen hinweg – ein allumfassendes politisches Kartell. Die Präsidenten der Landesparlamente einigten sich auf einen Musterentwurf, der von der Konferenz der Landtagsdirektoren vorbereitet worden war. 337 Wie die Gesetzgebung dann ablief, demonstrierte beispielsweise der hessische Landtag: Der von allen vier Fraktionen eingebrachte Gesetzentwurf enthielt nicht mal eine Begründung, so einig war man sich über den bereits festgeklopften Inhalt. 338 333 In der ersten Beratung des Fraktionsgesetzes des Bundes ist, wie Jürgen Wolters (Der Fraktions-Status, 1996, 164) bemerkt, die Problematisierung der Veranschlagung der Fraktionsmittel im Haushaltsplan über einen Zwischenruf nicht hinausgekommen: Nachdem der Abgeordnete Struck (SPD) betont habe, mit dem Gesetz seien keinerlei Erhöhungen verbunden und die Mittel würden mit der Entscheidung über den Haushaltsplan festgesetzt, vermerke das Protokoll den Zwischenruf des Abgeordneten Ullmann (Bündnis 90/GRÜNE): „Das ist aber das Problem.“ (Bundestag, Stenografisches Protokoll 12/155, S. 13215.) In der zweiten Lesung habe der Abgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) die gefundene Lösung mit den Worten kritisiert: Ein Fraktionsgesetz müsse Maßstäbe und Höhe der jährlichen Leistungen an die Fraktionen exakt und für die Bürger durchschaubar festlegen, also für Transparenz sorgen. Dies sei umso notwendiger, als der Geldbedarf der Fraktionen und Parteien in Richtung unendlich tendiere, also immer unbefriedigt bleibe (Bundestag, Stenografisches Protokoll 12/190, S. 16420). 334 Hans Meyer, Fraktionsgesetze: Flucht aus der Verfassung?, Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht 1/1995, 87; Martin Morlok, Thesen zu Einzelaspekten der Politikfinanzierung, in Dimitris Tsatsos (Hg.), Politikfinanzierung in Deutschland und Europa, 1997, 77 (99). 335 Siehe hinsichtlich der Parteien zum Beispiel Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Gunter Hofmann und Werner A. Perger, 1992, 146 f.; hinsichtlich der Fraktionen zum Beispiel Hans Meyer, Die Fraktionen auf dem Weg zur Emanzipation von der Verfassung, in Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, 319 ff. 336 BVerfGE 85, 264. 337 Strauß-Zielbauer / Schnellbach, Hessisches Fraktionsgesetze: Mehr Transparenz der staatlichen Finanzierung parlamentarischer Arbeit?, ZParl 1993, 588 (Fußnote 9).
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Für mich persönlich hatte die Angelegenheit noch ein Nachspiel. Um von den sachlichen Mängeln abzulenken, wurde ich bei Behandlung des Fraktionsgesetzes im Plenum des Bundestages persönlich beschimpft. Abgeordnete ergossen einen ganzen Kübel von Herabsetzungen über mir aus 339 und kündigten ziemlich unverblümt Repressalien an. 340 Kurz darauf wurde der Bundesrechnungshof vom Innenausschuss des Bundestags nach Speyer in Bewegung gesetzt, um das Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften zu prüfen. Ich war damals Rektor der Hochschule, was das Hamburger Abendblatt mit dem Satz kommentierte „Das Imperium schlägt zurück“. Die Prüfung hielt die Hochschule zwar drei Wochen in Atem, der Rechnungshof kam dann allerdings zum Ergebnis, dass das Institut zu wenig Stellen habe, eine Erkenntnis, die uns bei späteren Haushaltsverhandlungen gute Dienste leistete. Das Bundesverfassungsgericht hatte, als es die staatliche Fraktionsfinanzierung 1966 zuließ, quantitativ und qualitativ noch etwas völlig anderes vor Augen gehabt, als das, was die Fraktionen in den folgenden Jahrzehnten daraus gemacht hatten. Das Gericht hatte staatliche Mittel nur für den internen Koordinierungsbedarf vorgesehen und damals schon vor verfassungswidrigem Missbrauch gewarnt, falls „die Parlamente Fraktionszuschüsse in einer Höhe bewilligen würden, die durch die Bedürfnisse der Fraktionen nicht gerechtfertigt wären.“ 341 Nachdem das Bundesverfassungsgericht dann − 1975 die Problematik von Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache erkannt und für Abgeordnetendiäten ein öffentlichkeitswirksames Bewilligungsverfahren vorgeschrieben hatte, 342 − 1989 staatliche Zuschüsse an Fraktionen wiederum nur für die Koordinierung ihrer Mitglieder anerkannt und fraktionslosen Abgeordneten mangels eines solchen Koordinierungsbedarfs den Zuschuss verweigert hatte 343 und 338 Hans Meyer, Die Fraktionen auf dem Weg zur Emanzipation von der Verfassung, in Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, 319 (321): „konzertierte Gesetzgebung“. 339 Nachzulesen im Protokoll der Bundestagssitzung vom 12. 11. 1993, Bundestagsprotokoll 12/190, S. 16.414 – 16.421. Dazu Hans Meyer, Die Fraktionen auf dem Weg zur Emanzipation von der Verfassung, 319: Der Bundestag war sich bei diesem „Scherbengericht“ nicht zu schade, „die Grenzen des Geschmacks, geschweige denn des guten Geschmacks, weit hinter sich zu lassen“. 340 So der Berichterstatter Hörster (CDU): „Wir müssen uns diesen Kritiker etwas genauer ansehen.“ Ferner Torsten Wolfgramm (FDP): „Ein Reflex ist, wenn mir Hans Herbert ohne ‚Bindestrich‘ vors Schienbein tritt, und Torsten ohne ‚h‘ haut ihn dann auf die Nase.“ Darauf vermeldet das Protokoll: „Heiterkeit im ganzen Haus – lebhafter Beifall der F.D.P., der CDU / CSU und der SPD.“ 341 BVerfGE 20, 56 (105). 342 BVerfGE 40, 296.
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− 1992 die Parteienfinanzierung massiv eingeschränkt und Obergrenzen verfügt hatte, 344 mussten die Fraktionen, die ihre Zuschüsse seit 1965 gewaltig in die Höhe gepuscht hatten, auch hinsichtlich ihrer eigenen Finanzierung ein gerichtliches Einschreiten befürchten. Das war ein Grund dafür, dass die Bundestagsfraktionen ihre Mittel 1993 einmalig um 10 Millionen kürzten, von 109 auf 99 Mio. Mark (siehe Anlage 5). Zugleich suchten die Parlamente die Verfassungsmäßigkeit der Fraktionsfinanzierung möglichst mit Publikationen abzusichern. Der frühere Direktor des rheinland-pfälzischen Landtags – er wurde später Präsident des Rechnungshofes – erhielt von seinem Sohn eine entlastende Expertise zum Thema, mit der dieser den Doktor der Jurisprudenz an der Universität Mainz erwarb. 345 HansJürgen Papier, Münchner Staatsrechtler und CSU-Mitglied, erstellte für den Bayerischen Landtag ein Gegengutachten zu meiner Schrift 346 – unmittelbar bevor er von seiner Partei zum Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts bestellt wurde. 347 Dabei beruft er sich vor allem auf die Mainzer Doktorarbeit von Georg Christoph Schneider. Schließlich brachte das Thema sogar die Habilitationsschrift eines Bediensteten der Bundestagsverwaltung hervor, die, gestützt auf Schneider und Papier, natürlich ebenfalls meine Argumentation zu widerlegen sucht. 348 Auf derartige Publikationen, deren offenkundige Problematik in diesem Buch ausführlich belegt wird, berufen sich viele Fraktionen auch heute noch. Jüngste explosionsartige, aber gut abgedunkelte Steigerungen der Fraktionsmittel um fast 50 % in einigen Ländern hatten das ARD-Fernsehmagazin Panorama veranlasst, das Thema am 4. 11. 2010 kritisch zu beleuchten (siehe Anlage 4). Wenn Parlamente und Fraktionen in eigener Sache entscheiden, ist Öffentlichkeit vielleicht zwar nicht „die einzige wirksame Kontrolle“. 349 Aber die Aktivierung der allgemeinen und der Fachöffentlichkeit ist jedenfalls notwendige Bedingung für alle anderen Vorkehrungen und damit letztlich für ein erfolgreiches Gegenhalten.
343
BVerfGE 80, 188 (231). BVerfGE 85, 264 (288 ff.). 345 Georg Christoph Schneider, Die Finanzierung der Parlamentsfraktionen als staatliche Aufgabe, 1997. 346 von Arnim, Finanzierung der Fraktionen, 1993. 347 Hans-Jürgen Papier, Zur Verfassungsmäßigkeit der Fraktionsfinanzierung nach dem Bayerischen Fraktionsgesetz, Bayerische Verwaltungsblätter 1998, 513. 348 Sven Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001. 349 So aber BVerfGE 40, 296 (327). 344
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Anlage 1 ARD-Fernsehmagazin REPORT MAINZ, Sendung vom 20. 9. 2010 Abgeordnete und ihre Zulagen
Wieso viele Volksvertreter zu Unrecht kassieren
Urteile des Bundesverfassungsgerichts sind bindend für alle – sollte man meinen. Doch ausgerechnet Fraktionen in den deutschen Landtagen setzen sich einfach über eine solche höchstrichterliche Entscheidung hinweg. Im Jahr 2000 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende neben ihren Diäten keine weiteren Zulagen bekommen dürfen. Doch eine Umfrage von REPORT MAINZ unter allen Landtagsfraktionen der Flächenländer zeigt: In den meisten Landesparlamenten wird mit Zusatz-Diäten sehr großzügig umgegangen. Pro Jahr werden rund 4,5 Mio Euro Steuergeld dafür ausgeben. Verfassungsrechtler Prof. Hans Herbert von Arnim sieht darin einen klaren Verfassungsbruch und die Unabhängigkeit von Abgeordneten in Gefahr. Abgeordnete und ihre Zulagen
Wieso viele Volksvertreter zu Unrecht kassieren
Stellen Sie sich vor, das hochangesehene Bundesverfassungsgericht entscheidet, aber kaum einer kümmert sich darum. Und die, die sich nicht kümmern, das sind ausgerechnet unsere Politiker. Es geht ums liebe Geld, genauer um das Geld, das sich Politiker zusprechen, ohne dass sie dies dürften. Bericht: Festakt an einer Landstraße in Oberbayern. Ein Verkehrskreisel wird eingeweiht. Mittendrin die CSU-Landtagsabgeordnete Ingrid Heckner. Für Pflichttermine wie diesen und ihre Arbeit im Parlament bekommt Frau Heckner rund 9.700 Euro monatlich. Außerdem leitet Ingrid Heckner einen Arbeitskreis in ihrer CSU-Fraktion. Dafür bekommt sie noch eine Zulage von 2.000 Euro. Warum eigentlich? O-Ton, Ingrid Heckner, CSU, Landtagsabgeordnete und Arbeitskreisleiterin: »In diesen Fragen müssen Sie sich an die Geschäftsführung unserer Fraktion wenden. Das ist nichts, was ich eingefordert habe oder mich damit befasst habe.« Wir wenden uns an die Fraktionsführung der CSU, wollen mehr erfahren über die Fraktionszulagen. Frage: Herr Unterländer, kurz ein paar Fragen zum Thema Fraktionszulagen. Wir machen eine Umfrage für REPORT MAINZ. Möchten Sie nicht drüber reden? Möchten Sie nicht drüber reden? Das sind doch Steuergelder! Frage: Nur ganz kurz, eine kurze Frage, Herr Freller, zu den Fraktionszulagen. Bekommen Sie denn eine Zulage? Frage: Herr Schmid, ein paar Fragen zum Thema Fraktionszulagen für REPORT MAINZ. Nur ganz kurz, nur ganz kurz!
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Anlagen
Politiker, die sonst gerne in Kameras sprechen, plötzlich ganz zugeknöpft, wenn es um Fraktionszulagen geht. Er ahnt, warum die Politiker mauern. Professor Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler, sagt: Die meisten Zulagen zu den Diäten sind verfassungswidrig. O-Ton, Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: »Die Fraktionen haben vielfach offenbar ein ganz schlechtes Gewissen und verbergen diese Funktionszulagen, die über die Fraktionskassen gezahlt werden, vor der Öffentlichkeit. Das ist eben einfach verfassungswidrig, und sie hoffen, trotzdem damit durchzukommen.« Greifen Parlamentarier dem Steuerzahler verfassungswidrig in die Tasche? Kann das sein? Viele Landtagsabgeordnete bekommen neben ihren Diäten noch eine Zulage, weil sie in ihren Fraktionen bestimmte Aufgaben übernehmen. Bei den Fraktionsvorsitzenden ist das rechtens. Für alle anderen Funktionen hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings im Jahr 2000 geurteilt: Zitat: »Ergänzende Entschädigungen für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden (...) und für die Ausschussvorsitzenden sind (...) mit dem Verfassungsrecht unvereinbar.« Solche Zulagen ... Zitat: »... verstoßen gegen die Freiheit des Mandats und die Gleichbehandlung der Abgeordneten.« O-Ton, Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: »Die Abgeordneten könnten dann also aus Gründen der Finanzen, um einen solchen dotierten Job zu kriegen, ihre Unabhängigkeit verlieren, und dem wollte das Gericht einen Riegel vorschieben.« Wir sind im Landtag von Sachsen-Anhalt. Ein Drittel der Abgeordneten bekommt hier eine Zulage für Aufgaben in den Fraktionen. Von Unrechtsbewusstsein keine Spur. O-Ton, Krimhild Fischer, SPD, stellv. Fraktionsvorsitzende Landtag Sachsen-Anhalt: »Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende bekomme ich eine Zulage in Höhe von 1.000 Euro.« Frage: Wissen Sie, dass das mal als verfassungswidrig eingestuft wurde? O-Ton, Krimhild Fischer, SPD, stellv. Fraktionsvorsitzende Landtag Sachsen-Anhalt: »Wir brechen kein Verfassungsrecht. Mit Sicherheit nicht. Dann könnten wir das gar nicht machen. Sondern wir legen – sagen wir mal – unsere Zulagen fest, und das machen die Fraktionen mit ihren Fraktionsgeldern, ja.« Frage: Bekommen Sie eine Fraktionszulage? O-Ton, Gudrun Tiedge, Die Linke, Arbeitskreisleiterin, Landtag Sachsen-Anhalt:
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»Ja, als Arbeitskreisleiterin.« Frage: Wie viel ist die? O-Ton, Gudrun Tiedge, Die Linke, Arbeitskreisleiterin, Landtag Sachsen-Anhalt: »Es sind 500 Euro im Monat.« Frage: Wissen Sie, dass diese Zahlung verfassungswidrig ist? O-Ton, Gudrun Tiedge, Die Linke, Arbeitskreisleiterin, Landtag Sachsen-Anhalt: »Nein, das weiß ich nicht.« Frage: Verzichten wollen Sie dann erstmal nicht auf die Zulage? O-Ton, Markus Kurze, CDU, stellv. Fraktionsvorsitzender, Landtag Sachsen-Anhalt: »Würden Sie auf ein Teil Ihres Gehaltes verzichten? Frage ich einfach mal zurück. Ungern, ne?« Wir wollen wissen, wie die Landtagsfraktionen bundesweit mit der Zahlung von Zulagen umgehen, machen eine Umfrage in den Flächenländern. Wer hält sich an das Verfassungsgerichtsurteil? Ergebnis: Nur Schleswig-Holstein und Thüringen handeln im Sinne des Urteils. Alle anderen Landtage verfahren bei den Fraktionszulagen entweder intransparent oder entgegen der Rechtsprechung der Verfassungsrichter. Wir wollen wissen, an wie viele Abgeordnete werden Zulagen gezahlt und in welcher Höhe? Von den 63 Fraktionen antworten nur 35 mit konkreten Summen. 28 Fraktionen verweigern eine konkrete Auskunft, darunter die CSU in Bayern. Auf dem CSU-Kongress haken wir nochmal nach. Frage: Was kriegt denn zum Beispiel ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender? O-Ton, Georg Schmid, CSU, Fraktionsvorsitzender Bayerischer Landtag: »Das ist intern festgelegt, wie ich gesagt habe, und intern soll es auch bleiben.« Frage: Warum wollen Sie das nicht aufschlüsseln? O-Ton, Georg Schmid, CSU, Fraktionsvorsitzender Bayerischer Landtag: »Weil es nicht dienlich ist, jetzt einzelne Positionen aufzuschlüsseln. Daran hat niemand Interesse.« Frage: Darf ich fragen, wie hoch die Zulage ist? O-Ton, Karl Freller, CSU, stellv. Fraktionsvorsitzender Bayerischer Landtag: »Ich bitte um Nachsicht, wenn ich die Zahl nicht veröffentlichen möchte. Es ist analog wie in anderen Unternehmen auch, dass wir keine Einzelbeträge veröffentlichen möchten.« Auch die SPD in Bayern behandelt die Verteilung der Zulagen wie ein Freistaatsgeheimnis. Frage: Warum wollen Sie nicht sagen, wer wieviel an Fraktionszulagen bekommt?
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O-Ton, Harald Güller, SPD, Parl. Geschäftsführer Bayerischer Landtag: »Weil es ein Fraktionsinterna ist.« Frage: Aber es sind ja Steuergelder? O-Ton, Harald Güller, SPD, Parl. Geschäftsführer Bayerischer Landtag: »Sie können noch dreimal fragen, ich sage es das vierte Mal nochmal: Es ist ein Fraktionsinterna.« Frage: Ja, warum gibt’s da so eine Geheimniskrämerei? O-Ton, Harald Güller, SPD, Parl. Geschäftsführer Bayerischer Landtag: »Ich sag’s zum fünften Mal, Sie können es zum sechsten Mal fragen: Es ist ein Fraktionsinterna.« Umgang mit Steuergeld – undurchsichtig. Wir schauen in die Rechenschaftsberichte der Landtage. Dort finden wir Gesamtsummen, wie viel die Fraktionen pro Jahr für die verfassungswidrigen Zulagen ausgeben. Die Spitzenreiter: Niedersachsen 570.000 Euro. Nordrhein-Westfalen 880.000 Euro. Und Bayern 940.000 Euro. Insgesamt geben alle Landtagsfraktionen der Flächenländer im Jahr ca. 4,5 Millionen Euro für Zulagen aus – wohlgemerkt trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. O-Ton, O-Ton, Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: »Es geht hier um viele Millionen, die verfassungswidrig verausgabt werden, das ist ein krasser Verfassungsbruch von den höchsten deutschen Staatsorganen, den demokratischen Organen, den Parlamenten. Das ist ein Skandal.« Abmoderation Fritz Frey: Wir haben das Thema übrigens mit einigen Experten durchgesprochen, unter anderem mit einem Rechnungshof-Präsidenten, und auch er kommt zu dem Ergebnis, dass die Zulagen nicht verfassungsgemäß sind. Sendetermin: 20. 09. 2010, 21.45 Uhr
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PRESSEINFORMATION 21. 09. 2010
„Funktionszulagen für parlamentarische Funktionen in RheinlandPfalz transparent und angemessen“ Landtagspräsident Joachim Mertes kontert die in der Sendung „Report Mainz“ vorgebrachte Kritik Als den Versuch einer „unangemessene Skandalisierung“ der Praxis im Deutschen Bundestag und in den Landesparlamenten, bestimmte herausgehobene Funktionen von Abgeordneten, die mit einer erheblichen Sonderbelastung für den Einzelnen verbunden sind, mit einer zusätzlichen Vergütung zu versehen, bezeichnet Landtagspräsident Joachim Mertes die gestern von dem pensionierten Hochschullehrer Hans Herbert von Arnim in der Sendung „Report Mainz“ erhobenen Vorwürfe, es „gehe um viele Millionen, die verfassungswidrig verausgabt“ würden. Die sog. Funktionszulagen seien zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ausnahme, aber damit keinesfalls unzulässig. Im Gegenteil habe das Bundesverfassungsgericht selbst in der Entwicklung seiner Rechtsprechung die Zulässigkeit von Funktionszulagen zunehmend erweitert und anerkannt und insbesondere – anders als von Arnim behauptet – nicht untersagt, diese aus Fraktionsmitteln zu zahlen. „Der ehemalige Professor aus Speyer hat seinen Beißreflex nicht zum ersten Mal hemmungslos ausgelebt und dabei seine alten Veröffentlichung zu dem Thema wiedergekäut“, so Mertes. Es sei bedauerlich, dass das Magazin „Report Mainz“ zwar in seiner Moderation angibt, es habe auch mit anderen Verfassungsrechtlern gesprochen, allerdings die zahlreichen Stimmen im juristischen Schrifttum verschweigt, die von Arnim dezidiert und überzeugend widersprochen haben. Im Hinblick auf die Auslegung, die von Arnim dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000 zu den Funktionslagen unterlegt, sprechen namhafte Staatsrechtslehrer wie z. B. Prof. Dr. Klaus Stern von der Universität zu Köln ebenso wie der Parlamentsrechtler Dr. Gerald Kretschmer zu Recht von einem „egalitären Rigorismus“, wenn jeder finanzielle Ausgleich für Zusatzbelastungen des Mandatsträgers untersagt werde. „Wer den Aufwand eines Parlamentarischen Geschäftsführers betrachtet, als Verwaltungschef in einer Fraktion und Manager parlamentarischer Abläufe und damit als Garant für das Funktionieren parlamentarischer Abläufe, der wird auch erkennen, dass hierfür ein Ausgleich erfolgen muss“, so Mertes. Die Aufgabe sei mindestens so anspruchsvoll wie die eines beamteten Staatssekretärs, der deutlich höher bezahlt werde. Auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende nähmen wichtige Repräsentations-, Bündelungs- und Koordinationsfunktionen war. Letztere erhielten in RheinlandPfalz im Übrigen lediglich eine Aufwandsentschädigung.
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Die Verfassungsgerichtshöfe der Länder würden deshalb zunehmend die Zulässigkeit von Funktionszulagen anerkennen. „Die Vergütung für besondere, zusätzliche parlamentarische Aufgaben ist Landessache und liegt damit in der Verantwortung des Landesgesetzgebers und der Verfassungsgerichte der Länder“, so Mertes, „wer wie von Arnim den Eindruck erweckt, das Bundesverfassungsgericht habe hier einen unmittelbaren „Durchgriff“, der argumentiert unseriös.“ Die entscheidende Frage sei nicht das Ob einer Funktionszulage, sondern deren Angemessenheit und Transparenz. „Für die anderen Landesparlamente kann ich nicht sprechen. Für Rheinland-Pfalz aber ist festzuhalten, dass das Fraktionsgesetz in § 4 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a) Vergütungen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen ausdrücklich zulässt und die Veröffentlichung des Gesamtbetrags ausdrücklich vorsieht. Dieser wird auch jährlich in einer Drucksache des Landtags veröffentlicht (zuletzt Landtagsdrucksache 15/4809). Die Fraktionen verhalten sich gesetzeskonform, wenn sie von dieser Option Gebrauch machen. In dieser Entscheidung sind die Fraktionen autonom“, so Mertes. Der Rechnungshof Rheinland-Pfalz hat diese Praxis im Übrigen nicht beanstandet, sondern im Gegenteil erst jüngst ausdrücklich wieder bestätigt. Was die Höhe der Leistungen anbelangt, hat der Rechnungshof in seinem dem Präsidenten des Landtags am 26. März 2010 übersandten Bericht ausgeführt, dass sich bei der Prüfung der Fraktionen „Hinweise auf offensichtliche Missverhältnisse zwischen den erbrachten Leistungen der Parlamentarischen Geschäftsführer und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und den ihnen gewährten Vergütungen insgesamt nicht ergeben“ haben. Diese Feststellungen des Rechnungshofs sind ebenfalls als Landtagsdrucksache (15/4476, S. 17 f.) veröffentlicht und damit öffentlich zugänglich und transparent, bis hin zur Einzelaufschlüsselung der Zahlungen. Hier „auf Enthüllungsjournalismus zu machen“, erfordere schon ein gewisses Maß an schauspielerischer Leistung. „Die gleiche umfassende Transparenz, die der Landtag und seine Fraktionen in dieser Frage an den Tag legen, wünsche ich mir z. B. auch von der ARD und ihren Rundfunkanstalten“, so Mertes abschließend. Vielleicht wolle der ehemalige Professor aus Speyer aber diese Hand, die ihn füttere, nicht so gerne beißen.
Anlage 3 Hans Herbert von Arnim
Widerlegung der Presseinformation des Landtags Rheinland-Pfalz vom 21. 9. 2010 In der Presseinformation des rheinland-pfälzischen Landtags vom 21.9.2010 mit dem Titel „Funktionszulagen für parlamentarische Funktionen in Rheinland-Pfalz transparent und angemessen. Landtagspräsident Joachim Mertes kontert die in der Sendung ‚Report Mainz‘ vorgebrachte Kritik“ sind die üblichen Argumente enthalten, mit welchen die Parlamente und Fraktionen die Zulässigkeit von Funktionszulagen zu belegen versuchen. Deshalb sollen sie hier, stellvertretend für viele andere, Punkt für Punkt, in aller Kürze und unter Hinweis auf die Ausführungen im Text des Buches widerlegt werden. 1. Zur Behauptung des rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten, Joachim Mertes, das Bundesverfassungsgericht habe „die Zulässigkeit von Funktionszulagen zunehmend erweitert und anerkannt und insbesondere – anders als von Arnim behauptet – nicht untersagt, diese aus Fraktionsmitteln zu zahlen.“ Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung (Urteile von 1975 und 2000) das grundsätzliche Verbot von Funktionszulagen und hält daran auch in seinem jüngsten Beschluss von 2007 fest. Das Gericht lässt nur ganz wenige Ausnahmen zu: ursprünglich nur für Parlamentspräsidenten und ihre Stellvertreter, seit 2000 auch für Fraktionsvorsitzende. Zulagen etwa für stellvertretende Fraktionsvorsitzende sind danach verfassungswidrig (Näheres S. 56 ff.). Dass dieses Verbot auch dann gilt, wenn die Zulagen auf dem Umweg über die staatlich finanzierten Fraktionen gezahlt werden, ist herrschende Auffassung der Staatsrechtslehre (S. 74 ff.) und wurde zuletzt durch eine Expertise des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg vom Dezember 2010 bestätigt (Ulrike Schmidt, Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln, 2010). Lediglich einige Angestellte der Betroffenen selbst bestreiten dies in Gefälligkeitspublikationen, so der – in der Presseinformation angeführte – früheren Bedienstete des Bundestags Gerald Kretschmer und der früher bei der SPD-Fraktion beschäftigte und jetzige Direktor des Landtags Rheinland-Pfalz Lars Brocker (S. 76 ff.). 2. Zur Behauptung, „der ehemalige Professor aus Speyer“ habe „seine alten Veröffentlichungen zu dem Thema wiedergekäut.“ Die Polemik trifft nicht zu. Meine rechtlichen Erkenntnisse beruhen auf neuesten Recherchen und auf der Durchsicht der aktuellen Rechtsprechung und Literatur, die ich bei Kommentierung des Diätenartikels des Grundgesetzes vorgenommen hatte (von Arnim / Drysch, Drittbearbeitung das Art. 48 Grundgesetz in Bonner Kommentar, 160 Seiten, Dezember 2010). Meine Ergebnisse – Verfassungswidrigkeit von Funktionszulagen, außer für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende – werden übrigens voll bestätigt durch die unter 1. erwähnte Expertise des Landtags Brandenburg und natürlich aucch durch die vorliegende Analyse. 3. Zur Behauptung, „Professor Dr. Klaus Stern von der Universität zu Köln“ spreche „von einem ‚egalitären Rigorismus‘, wenn jeder finanzielle Ausgleich für Zusatz-
126
Anlagen
belastungen des Mandatsträgers untersagt werde,“ und widerspreche damit der Verfassungswidrigkeit von Funktionszulagen. In Wahrheit erklärt Stern Zulagen mitnichten für verfassungsgemäß. Wörtlich schreibt er: „Ob dieser egalitäre Rigorismus der Parlamentsarbeit der einzelnen Abgeordneten gerecht wird, sei dahingestellt.“ Im übrigen ist das Zitat Sterns längst überholt und passt nicht mehr auf die heutige Lage. Es stammt aus dem Jahre 1977. Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht aber in den Jahren 2000 und 2007 das grundsätzliche Verbot bestätigt, aber auch die Zulässigkeit von Zulagen für Fraktionsvorsitzende anerkannt. In den Parlamenten der Stadtstaaten sind zudem Zulagen in weiterem Umfang zulässig (siehe unter 5.). Der Kritik von Klaus Stern ist also längst entsprochen worden. 4. Zur Behauptung, Parlamentarische Geschäftsführer und stellvertretende Fraktionsvorsitzende müssten für ihre Zusatztätigkeit einen finanziellen Ausgleich erhalten, und Arbeitskreisvorsitzende bekämen lediglich eine Aufwandsentschädigung. Die Abgeordneten des Bundestags und von Flächenländern wie Rheinland-Pfalz erhalten eine für alle gleiche Vollalimentation. Der Grundsatz der Gleichheit gebietet, „dass jedem Abgeordneten eine gleich hoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die parlamentarische Tätigkeit größer oder geringer ist.“ Damit müssen „gestaffelte Diäten der Abgeordneten mit besonderen Funktionen entfallen.“ (So ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht). Abgeordnete werden durch ihre volle Bezahlung also auch für die Arbeit mitentschädigt, die sie bei Wahrnehmung besonderer Funktionen erbringen. Das wird bei Landtagsabgeordneten besonders deutlich, da diese, wie Insider freimütig einräumen (zum Beispiel die früheren Landtagsdirektoren von Thüringen und Niedersachsen, Joachim Linck und Albert Janssen und der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer), normalerweise eigentlich nur eine Teilzeittätigkeit ausüben, für die sie sich aber eine volle Bezahlung zugebilligt haben. Statt zu fragen, ob Funktionsträger unterbezahlt sein und deshalb einen Ausgleich bekommen sollten, müsste man eigentlich fragen, ob normale Landtagsabgeordnete nicht überbezahlt sind. Hinzukommt, das Abgeordnete als einzige vollalimentierte Amtsträger noch unbeschränkt privat dazuverdienen dürfen, ohne dass der Verdienst angerechnet wird. Wenn die Wahrnehmung dieses einzigartigen Privilegs durch die Übernahme einer Funktion in der Fraktion eingeschränkt wird, ist dies nicht ausgleichspflichtig. Außerdem stärkt eine solche Funktion die Stellung des Abgeordneten und seinen Einfluss in Fraktion und Parlament. Bloße Kostenerstattungen, die kein Zusatzgehalt, sondern lediglich einen pauschalen Ersatz der zusätzlichen Aufwendungen darstellen, wie er für Arbeitskreisvorsitzende gezahlt wird, sind dagegen im Rahmen des Angemessenen zulässig (siehe sogleich unter 5.). 5. Zur Behauptung, die Verfassungsgerichtshöfe der Länder würden „zunehmend die Zulässigkeit von Funktionszulagen anerkennen.“ Diese Behauptung trifft lediglich für Parlamente der Stadtstaaten zu, die ihren Abgeordneten nur einer Teilalimentation gewähren (so die Urteile des Hamburgischen Verfassungsgerichts von 1997 und des Bremer Staatsgerichtshofs von 2004), gilt aber gerade nicht für Parlamente mit vollalimentierten Abgeordneten wie den Landtag von Rheinland-Pfalz und die Parlamente aller anderen Flächenländer. Auch das Urteil des Thüringer Verfassungs-
Anlage 3
127
gerichtshofs von 2003 betraf nur pauschale Kostenerstattungen, also keine Zusatzgehälter, um die es hier geht. Es gibt kein Urteil, das die Behauptung von Landtagspräsident Mertes hinsichtlich der Zulässigkeit von Zusatzgehältern etwa für stellvertretende Fraktionsvorstände stützen könnte. (Näheres oben S. 70 f.). 6. Zur Behauptung, die Gewährung von Funktionszulagen sei „Landessache und liegt damit in der Verantwortung des Landesgesetzgebers und der Verfassungsgerichte der Länder.“ Zutreffend ist, dass die Landesverfassungen innerhalb gewisser Grenzen besondere Regelungen hinsichtlich der Funktionszulagen treffen könnten. Dies hat die rheinland-pfälzische Landesverfassung aber nicht getan, ebenso wenig wie die Verfassungen anderer Länder. Die einfachen Landesgesetzgeber haben dagegen die Verfassungsgrundsätze der Gleichheit und Freiheit des Mandats einzuhalten, wie sie das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat. (Näheres S. 64 f.). 7. Zur Behauptung, „die entscheidende Frage sei nicht das Ob einer Funktionszulage, sondern deren Angemessenheit und Transparenz.“ Das trifft bereits im Ansatz nicht zu: Abgesehen von Zulagen für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende sind sämtliche Funktionszulagen, die eine Bezahlung zusätzlicher Dienste darstellen, unangemessen und kraft Verfassungsrechts verboten. Und von Transparenz kann schon gar keine Rede sein. In Rheinland-Pfalz wie auch in fast allen anderen Ländern und im Bund ist weder aus dem Gesetz noch aus der Bewilligung im Haushaltsplan noch aus den Rechenschaftsberichten der Fraktionen zu ersehen, wer welche Zulagen erhält und wie hoch diese sind. Vielmehr wird nur nachträglich eine Globalsumme veröffentlicht, aus dem dies alles gerade nicht hervorgeht. Es herrscht krasse Intransparenz, die ihrerseits ebenfalls verfassungswidrig ist (Näheres S. 49 ff.). 8. Zur Behauptung, das rheinland-pfälzische Fraktionsgesetz lasse in § 4 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a „Vergütungen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen ausdrücklich zu“ und sehe „die Veröffentlichungen des Gesamtbetrages ausdrücklich vor.“ Die Fraktionen verhielten sich deshalb „gesetzeskonform“, wenn sie Funktionszulagen bewilligten und nur deren Gesamtbetrag veröffentlichten. Der Landesgesetzgeber ist selbst an die höherrangige Verfassung gebunden und kann die Verfassungswidrigkeit von Funktionszulagen deshalb nicht aufheben. Anders ausgedrückt: Die Gesetzeskonformität der Fraktionen kann die Verfassungswidrigkeit ihrer Zulagen keineswegs beseitigen. Die genannte Vorschrift ist vielmehr verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie nur verfassungsmäßige Zulagen betrifft, in RheinlandPfalz also allenfalls die Aufwandsentschädigung von Arbeitskreisvorsitzenden. (Näheres S. 76). 9. Zum Hinweis auf den Bericht des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz, der keine „Hinweise auf offensichtliche Missverhältnis zwischen den erbrachten Leistungen der Parlamentarischen Geschäftsführer und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und den ihnen gewährten Vergütungen“ erkennen könne.
128
Anlagen
Hier ist erneut daran zu erinnern, dass es um die Einhaltung eines Verbots, nicht um die Prüfung der Angemessenheit der Höhe der Zulagen geht. (Näheres S. 49 ff., 56 ff.). Ergebnis: Sämtliche Argumente des rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten treffen nicht zu. Sie erweisen sich als reine Schutzbehauptungen zur Aufrechterhaltung intransparenter, verfassungswidriger Privilegien.
Anlage 4 Fernsehmagazin Panorama, Sendung Nr. 733 vom 04. 11. 2010 Raubzug der Parteien: Wie die Fraktionen in deutschen Landtagen kassieren Anmoderation Anja Reschke: Politische Arbeit ist sicher oft anstrengend. Es wird gestritten, debattiert, man muss Kollegen der anderen Parteien Kompromisse abringen, mühsam. Da ist es sicher angenehm, wenn ein Thema einfach mal schnell entschieden wird. Ohne große Diskussionen. Dabei geht es um viel Geld. Insgesamt 186 Millionen Euro pro Jahr. Geld, das die Fraktionen vom Staat bekommen. Eigentlich mal gedacht für Büromaterial, wissenschaftliche Mitarbeiter und so. Aber inzwischen werden davon anscheinend eher haufenweise Experten oder üppige Feiern bezahlt. Jedenfalls sind diese Fraktionszuschüsse – so nennt man diese Unterstützung aus Steuergeld – in manchen Landtagen ohne erkennbaren Grund astromisch gestiegen. Im Saarland etwa um 24 %, in Bayern um 40 und in Thüringen sogar um satte 47 Prozent. Ben Bolz und Matthias Deiß über den Raubzug der Fraktionen. Politische Arbeit kann so viel Freude machen. Die CDU Fraktion Thüringen hat in den alt ehrwürdigen Kaisersaal in Erfurt geladen. Geehrt werden verdiente Bürger des Landes. Das kann man sich schon mal was kosten lassen. O – Töne Veranstaltungsgäste: „Ganz tolles Ambiente.“ „Sehr stilvoll und mit sehr hohem Niveau.“ „Zumindest auch das Teuerste, was Erfurt zu bieten hat.“ Klar doch, denn Geld hat die CDU Fraktion in Thüringen offenbar immer noch mehr als genug. Steuergeld. Denn die Fraktionen können sich ihr Geld, die Fraktionszuschüsse, über den Haushalt selbst bewilligen. So kann die CDU auch dann noch rauschende Feste feiern, wenn sie eine Landtagswahl krachend verloren hat. Vor der Wahl in Thüringen kassierte die 45 köpfige CDU Fraktion monatlich 129.000 Euro. Nach der Wahlniederlage mit nur noch 30 Abgeordneten sind es immer noch 121.000 Euro. Fast dieselbe Summe. Funktioniert hat das mit einem simplen Trick. Man einigte sich einfach mit den anderen Fraktionen darauf, den Betrag pro Abgeordneten, den jede Fraktion bekommt, drastisch zu erhöhen. 0 – Ton Panorama: „Das heißt, man hat eigentlich den Schlüssel so geändert, dass man gesagt hat: Wir müssen die Mittel ungefähr halten, deswegen passen wir ihn entsprechend an?“
130
Anlagen
Volker Emde, CDU: „Richtig. So könnte man es ausdrücken.“ Die ehemals doch so starke CDU Fraktion wollte eben nicht auf ihre vielen Angestellten und Referenten verzichten. Und die anderen Parteien waren gerne dabei. Auch deswegen stiegen im Haushalt die Zuschüsse an die Fraktionen von 5 auf fast 7,5 Millionen Euro. 0 – Ton Annette Lehmann, CDU: „Wir haben uns dazu verständigt, mit den anderen Fraktionen wie die Fraktionszuschüsse da ausgereicht werden. Und dazu gibt’s eigentlich jetzt weiter nichts zu sagen.“ Panorama: „Doch: Nämlich, dass sie 15 Abgeordnete verloren haben und sich trotzdem die gleichen Zuschüsse genehmigen.“ Annette Lehmann, CDU: „Also: Wie gesagt. Wir haben uns dazu mit den anderen Fraktionen verständigt.“ Klar, wer hat nicht gerne mehr Geld. Der Rechnungshofpräsident, obwohl auch Mitglied der CDU kann die saftige Erhöhung jedenfalls nicht so recht nachvollziehen. 0 – Ton Hans Walter Sebastian Dette, Landesrechnungshof Thüringen: „Auf den ersten Blick ... fällt mir dazu jetzt keine Begründung ein. Das wird für mich Anlass sein, mir das besonders kritisch anzuschauen.“ Thüringen ist nicht das einzige Bundesland, wo die Rechnungshöfe etwas genauer hinschauen sollten, meint der Verfassungsrechtler von Arnim. Denn die Fraktionszuschüsse steigen nach Landtagswahlen immer wieder sprunghaft an. O-Ton Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: „Das beruht einmal darauf, dass neue Fraktionen ins Parlament kommen, zum andern aber auch darauf, dass die Regierungsfraktion, obwohl sie gewaltig an Mandaten verloren hat, dennoch ihren finanziellen Stand halten will und deswegen die Zuschüsse insgesamt steigen.“ So bekommt auch hier im Bayrischen Landtag die CSU Fraktion nach einer herben Wahlniederlage noch immer fast dasselbe Geld. Waren es vor der Wahl bei 124 Abgeordneten 373.000 Euro, hat sie jetzt nur noch 92 Abgeordnete, aber immer noch 359.000 Euro. Und die, die das beschlossen haben – können sich noch nicht einmal daran erinnern.
Anlage 4
131
O-Ton Johannes Hintersberger, CSU: „Ich kann das jetzt überhaupt nicht nachvollziehen diese Zahlen. Wenn Sie das festgestellt haben, wo haben Sie das festgestellt? Und dann schauen wir mal nach wo hier das liegt und auf welcher Grundlage – “ Panorama: „Da haben Sie mit drüber abgestimmt. Das ist ja im Haushalt 2009 abgestimmt worden.“ Johannes Hintersberger, CSU: „Ja, dann denke ich auch mal, hat das auch seine Rechtmäßigkeit.“ O-Ton Klaus Steiner, CSU: „Ich sehe da keinen Zusammenhang, warum wir weniger Zuschüsse haben sollen.“ Panorama: „Aber wenn man 32 Mitglieder in der Fraktion weniger hat, müsste man ja eigentlich auch weniger Geld bekommen.“ Klaus Steiner, CSU: „Nein – denk ich nicht.“ O-Ton Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, CSU: „Wir machen gute Arbeit und dann ist ganz in Ordnung so.“ Nein, man ist wahrlich ein Schelm, wenn man denkt, die CSU hätte Hintergedanken gehabt, als sie mit den anderen Parteien verhandelt hat. O-Ton Panorama: „Können Sie nachvollziehen, dass man den Eindruck, dass die CSU nicht auf die Mittel, die sie vorher hatte verzichten wollte und deswegen auf die anderen Parteien zugegangen ist und gesagt hat „Hier, Ihr kriegt auch mehr Geld“?“ Renate Dodell, CSU: „Das ist so nicht nachzuvollziehen.“ Panorama: „Aber es sind 5 Mio. mehr und alle haben mehr Geld.“ Renate Dodell, CSU: „Das geht nicht von der CSU aus, wenn ich Ihnen das sagen darf, sondern es war Konsens aller Fraktionen im Landtag.“
132
Anlagen
Wohl wahr. Schließlich haben ja alle gewonnen. Die SPD 20.000 Euro. Und die erstarkten Grünen setzten einheitliche Regeln durch und bekamen 65.000 Euro monatlich obendrauf. O-Ton Panorama: „Also haben Sie sich gedacht, spielen wir lieber mit ...“ Ulrike Gote, Die Grünen: „Ja.“ Panorama: „Und kassieren auch die 60.000 Euro?“ Ulrike Gote, Die Grünen: „Ja, selbstverständlich. Klar. Klassischer Kompromiss.“ Ein merkwürdiger Kompromiss auf Kosten der Steuerzahler. In Bayern stiegen die Zuschüsse von 9,6 auf über 14, 3 Millionen Euro. Ein Plus von fast 40%. O-Ton Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: „Die Fraktionen entscheiden, wenn sie sich selbst Geld bewilligen, in eigener Sache, sie bedienen sich sozusagen selbst. Da ist Öffentlichkeit eigentlich die einzige wirksame Kontrolle. Sie brauchen das aber nur als einen von tausenden Titeln in den Haushalt einzustellen, da geht das dann leicht unter, so dass die öffentliche Kontrolle oft gar nicht funktioniert.“ Strikte Kontrollen gibt es nur bei den direkten Zahlungen an die Parteien, nach jahrelangem Streit. Der endete 1992. Tagesschau Das Bundesverfassungsgericht hat heute der Parteienfinanzierung durch den Staat enge Grenzen gezogen. Während die Parteienfinanzierung daraufhin gedeckelt wurde, konnten die Fraktionen die Zuschüsse fast ungehindert in die Höhe treiben. Das Ergebnis: Die Fraktionsgelder liegen mittlerweile mit 186 Millionen Euro deutlich über der Parteienfinanzierung mit 133 Millionen. O-Ton Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: „Die Fraktionsfinanzierung ist auch deswegen so gewaltig angestiegen, weil die Begrenzungen, die für die Parteienfinanzierungen gelten, bei ihr nicht vorhanden sind. Die Parteienfinanzierung muss durch formale Gesetzesänderung erfolgen. Das ist bei der Fraktionsfinanzierung nicht der Fall.“
Anlage 4
133
Die Lösung wäre einfach: Auch Fraktionszuschüsse gibt es nur noch per Gesetz. Ein Gesetz lässt sich kaum ohne Nachfragen erlassen. Die aber mag man in Bayern und Thüringen ja offensichtlich nicht so gerne. O-Töne: „Ich sage Ihnen noch einmal, dass das einvernehmlich geregelt worden ist.“ „Dazu gibt’s eigentlich jetzt weiter nichts zu sagen.“ „Ja, wo haben wir denn dann ein Problem?“ Haben Sie ein Problem? Welche Fraktion hat ein Problem?“ Bericht: Ben Bolz, Matthias Deiß Schnitt: Birgit Böttcher Abmod: Ja, mir ham a Problem, deshalb sendn mas ja. Wenn Sie einige Politiker aus unserem Beitrag nochmal in Gänze hören wollen oder mehr über Partei- und Fraktionszuschüsse erfahren möchten, dann schauen Sie doch ins Internet unter www.panorama.de
Anlage 5 Fraktionszuschüsse im Bundestag 1949 – 2011 - in Mio. DM - Plan -
- Ist -
Zahl der Abgeordneten
1949
–
–
402
1950
0,3
0,3
1951
0,3
0,3
1952
0,3
0,3
1953
0,3
0,4
1954
0,7
0,7
1955
1,0
0,9
1956
1,0
1,0
1957
1,4
1,3
1958
1,4
1,4
1959
1,8
1,8
1960
1,8
1,4
1961
2,0
1,9
1962
2,0
2,0
1963
2,5
2,4
1964
2,7
2,7
1965
3,1
3,1
1966
3,4
3,4
1967
4,3
4,3
1968
4,9
4,9
1969
5,3
5,3
1970
9,9
11,1
1971
17,4
18,9
1972
19,5
19,5
1973
22,6
22,6
1974
26,3
26,3
1975
29,3
29,3
1976
30,5
30,6
1977
35,0
35,0
1978
38,6
38,5
1979
41,6
41,5
487
497
499
496
496
496
496
Anlage 5
135
1980
44,6
44,6
1981
47,0
46,0
1982
48,4
48,2
1983
50,9
53,6
1984
56,6
56,5
1985
58,2
58,1
1986
60,4
60,4
1987
62,7
62,7
1988
74,0
73,9
1989
77,7
77,7
1990
89,6
89,2
1991
104,2
104,4
1992
109,0
107,8
1993
99,0
99,0
1994
98,9
98,9
1995
107,3
107,8
1996
110,6
110,6
1997
112,3
112,2
1998
112,8
113,5
497
498
497
662
672
669
- in Mio. Euro 1999
60,2 (= 117,7 DM) 60,2 (= 117,7 DM)
2000
60,2
60,1
2001
61,3
61,2
2002
62,0
60,9
2003
58,5
58,4
2004
60,5
60,4
2005
61,2
62,2
2006
67,6
67,6
2007
68,4
68,3
2008
69,5
69,5
2009
75,5
75,8
2010
78,7
2011
78,7
Quelle: Haushaltspläne des Bundes
603
614
622
Anlage 6 Fraktionszuschüsse des Bundes und der Länder 1965 und 2010 1965 2010 (in Mio. DM) (in Mio. Euro) Baden-Württemberg
0,2
5,3
Bayern
0,6
14,7
Berlin
0,4
7,2
Brandenburg
–
5,8
Bremen
–
5,5
Hamburg
0,5
4,0
Hessen
0,6
8,5
–
5,6
Niedersachsen
1,4
6,9
Nordrhein-Westfalen
1,6
9,8
Rheinland-Pfalz
0,4
4,0
Saarland
0,6
3,8
Sachsen
–
9,5
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen-Anhalt
–
5,3
0,3
4,2
–
7,5
Länder insgesamt
6,6
107,6
Bund
3,1
78,8
Bund und Länder zusammen
9,7
186,64
Schleswig-Holstein Thüringen
Quelle: Haushaltspläne
Anlage 7 Fraktionszuschüsse im Bayerischen Landtag 1949 –2012 in Mio. DM - Soll -
- Ist -
1949 1950 1951 1952
0,1
1953
0,1
1954
0,1
1955
0,1
1956
0,1
1957
0,1
1958
0,1
1959
0,1
1960
0,2
1961
0,6
0,6
1962
0,6
0,6
1963
0,6
0,6
1964
0,6
0,6
1965
0,6
0,6
1966
0,6
0,6
1967
1,0
1,0
1968
1,0
1,0
1969
1,0
1,0
1970
1,0
1,0
1971
1,5
1,5
1972
1,5
1,5
1973
1,6
1,6
1974
1,6
2,5
1975
2,6
2,6
1976
2,7
2,6
1977
2,9
2,9
1978
3,0
3,2
1979
5,3
5,3
1980
5,3
5,3
138
Anlagen 1981
5,3
5,3
1982
5,3
5,3
1983
5,3
5,3
1984
5,9
5,9
1985
6,2
6,1
1986
6,4
6,4
1987
9,2
9,2
1988
9,5
9,3
1989
9,6
9,5
1990
9,8
10,1
1991
12,6
12,5
1992
13,2
12,9
1993
13,8
13,7
1994
14,4
13,8
1995
14,6
14,3
1996
15,1
14,5
1997
15,3
14,5
1998
15,7
14,7
1999
17,0
16,4
2000
18,5
9,1 Mio.€
2001
18,5
9,2 Mio. €
2002
18,8 (= 9,6 Mio. €)
9,3 Mio. €
2003
9,7
9,4
2004
9,3
9,2
2005
9,3
9,2
2006
9,5
9,2
2007
9,5
9,3
2008
9,6
10,4
2009
14,4
14,5
2010
14,7
2011
14,9 *
2012
15,1 *
in Mio. Euro
Quelle: Haushaltspläne des Bayerischen Landtags * Vorläufig.
Grund-Entschädigung (GE)
Anlage 8: Abgeordnetenentschädigung und Zulagen für Funktionsträger in Bund und Ländern nach den Abgeordnetengesetzen (Monatsbeträge in Euro)
Bund (§ 11)
Präsident
Vizepräsident
Fraktionsvorsitzender
7 668
15 336 (GE × 2) 11 502 (GE × 1,5)
Baden-Württemberg (§ 5) bis 30. 4. 2011
5 047
10 094 (GE × 2)
7 571 (GE × 1,5)
ab 1. 5. 2011
6 247
12 494 (GE × 2)
9 371 (GE × 1,5)
Bayern (Art. 5)
6 641
13 282 (GE × 2)
9 962 (GE × 1,5)
Brandenburg (§ 5)
4 504
9 007 (GE × 2)
6 756 (GE × 1,5)
Hessen (§ 5)
6 657
9 976
8 317
9 976
MecklenburgVorpommern (§ 6)
5 136
10 272 (GE × 2)
7 704 (GE × 1,5)
10 272 (GE × 2)
Niedersachsen (§ 6) bis 31. 12. 2010
5 800
11 600 (GE × 2)
8 120 (GE × 1,4)
ab 1. 1. 2011
6 000
12 000 (GE × 2)
8 400 (GE × 1,4)
Nordrhein-Westfalen (§ 5)
9 979 14 969 (GE × 1,5) 12 474 (GE × 1,25)
Rheinland-Pfalz (§ 5)
5 460
10 920 (GE × 2)
8 190 (GE × 1,5)
10 920 (GE × 2)
Saarland (§ 5)
4 758
9 516 (GE × 2)
7 137 (GE × 1,5)
9 516 (GE × 2)
Sachsen (§ 5)
4 835
9670 (GE × 2)
7 253 (GE × 1,5)
9 670 (GE × 2)
Sachsen-Anhalt (§ 6)
4 797
9 594 (GE × 2)
7 196 (GE × 1,5)
Schleswig-Holstein (§ 6)
6 990 12 582 (GE × 1,72) 8 039 (GE × 1,15)
Thüringen (§ 5)
4 666
Stellv. Fraktionsvorsitzender
Parlamentarischer Geschäftsführer
Flächenstaaten
9 331 (GE × 2)
7 931 (GE × 1,7)
9 007 (GE × 2)
12 582 (GE × 1,8)
10 485 (GE × 1,45)
9 331 (GE × 2)
Stadtstaaten Berlin (§ 6)
3 233
6466 (GE × 2)
4 850 (GE × 1,5)
Bremen (§ 5) bis 7. 6. 2011
2 550
7 650 (GE × 3)
5 100 (GE × 2)
ab 8. 6. 2011
4 700 11 750 (GE × 2,5) 8 225 (GE × 1,75)
Hamburg (§ 2)
2 456
7 368 (GE × 3)
4 912 (GE × 2)
11 750 (GE × 2,5)
8 225 (GE × 1,75)
7 368 (GE × 3)
4 912 (GE × 2)
Zusätzliche Funktionszulagen werden aus Fraktionsmitteln geleistet (siehe Anlagen 9 und 10). Quelle: Abgeordnetengesetze. Stand: 1. 7. 2010; Schleswig-Holstein: 1. 8. 2010. Tabelle entnommen aus: von Arnim / Drysch, Drittkommentierung des Art. 48 GG im Bonner Kommentar, Dezember 2010, S. 80.
Anlage 9 Öffentliche Zuschüsse, sonstige Einnahmen und Ausgaben der Fraktionen für Funktionszulagen im Bundestag und im Bayerischen Landtag 2008 und 2009 in Mio. Euro
Öffl. Zuschüsse Sonstige Einnahmen 1 Funktionszulagen
Bundestag 2008 CDU / CSU SPD FDP 21,2 21,1 9,6 0,6 2 0,06 0,008 1,3 1,2 0,5
Öffl. Zuschüsse Sonstige Einnahmen Funktionszulagen
CDU / CSU 23,3 0,3 1,4
2009 SPD 22,1 0,05 1,2
FDP 10,7 0,3 0,5
Grüne 8,7 0,3 0,3
Linke 8,9 0,06 0,3
Summe 69,5 0,9 3,6
Grüne 10,0 0,2 0,4
Linke 9,7 0,09 0,3
Summe 75,8 0,8 3,8
Bayerischer Landtag
Öffl. Zuschüsse Sonstige Einnahmen Funktionszulagen
Öffl. Zuschüsse Sonstige Einnahmen Funktionszulagen
CSU 4,6 0,07 0,7
2008 SPD FDP 3,4 0,3 0,1 0,004 0,2 0,02
Grüne 1,7 0,02 0,03
FW 0,5 0,009
Summe 10,5 0,2 0,9
CSU 4,5 0,05 0,8
2009 SPD FDP 3,6 1,7 0,04 0,004 0,2 0,1
Grüne 2,3 0,003 0,03
FW 2,4 0,02 0,1
Summe 14,5 0,1 1,2
Quelle: Rechenschaftsberichte der Fraktionen
1
Ohne Auflösung von Rücklagen und Rückstellungen sowie Zinseinnahmen. Nicht ausgewiesen, was davon aus der Auflösung von Rücklagen und Rückstellungen, Zinseinnahmen und sonstigen Kapitalerträge beruht, die ja alle fast ausschließlich aus früheren öffentlichen Zuschüssen herrühren. Angesichts ausgewiesener Geldbestände von 10,9 Mio. Euro, dürfte auf Zinseinnahmen und sonstigen Kapitalerträgen ein großer Teil entfallen. 2
Anlage 10 Globale Ausgaben der Fraktionen für Funktionszulagen im Jahre 2008 (Jahresbeträge in Euro) CDU / CSU Bund (§ 12 V)
SPD
FDP
Grüne
Linke
Gesamt
1 282 270 1 162 362 468 327 275 212 331 026 3 519 197
Flächenstaaten Baden-Württemberg
354 635
204 800 139 235
48 672
–
747 342
Bayern (Art. 6 VI)
675 041
168 113
21 382
32 300
–
896 835
Brandenburg (§ 6 VI)
107 856
79 750
–
–
54 000
241 605
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
–
79 200
77 677
26 788
–
44 784
228 449
22 000
690 854
Hessen Mecklenburg-Vorpommern (§ 9 II) Niedersachsen (§ 7 I 2)
303 931
240 828 117 495
6 600
Nordrhein-Westfalen
372 785
496 458 168 000
38 400
Rheinland-Pfalz (§ 6 VI)
149 491
199 632 111 708
–
– 1 075 643 –
460 831
65 127
0
0
–
161 506
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
–
k.A.
89 510
k.A.
–
k.A.
–
Schleswig-Holstein
0
0
0
0
–
0
Thüringen (§ 6 III)
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
–
Saarland (§ 6 IV)
96 379
Sachsen (§ 6 VI) Sachsen-Anhalt (§ 8 IV)
Stadtstaaten Berlin (§ 7 IV)
275 391
215 438 141 942
12 000
88 548
733 319
Bremen
174 360
120 840 103 860
30 312
24 000
453 372
Hamburg
95 021
0
0
95 021
0
–
In Baden-Württemberg läuft das Rechnungsjahr vom 1. 6. 2007 bis zum 31. 5. 2008. In Bremen betrugen die Vergütungen und die Versorgungsleistungen für Fraktionsgeschäftsführer in 2008 insgesamt 543 687 Euro. Dieser Betrag ist in den Rechnungslegungen der Fraktionen nicht enthalten. In Hessen und in Sachsen sind die Fraktionen gesetzlich nicht verpflichtet, die Funktionszulagen im Rechenschaftsbericht offen auszuweisen. Für Mecklenburg-Vorpommern lagen die Rechnungsberichte für 2008 noch nicht vor. Daher sind die Rechnungsberichte für das Jahr 2007 zugrundegelegt. In Sachsen-Anhalt ist die Veröffentlichung der Funktionszulagen in den Rechenschaftsberichten der Fraktionen erst ab dem Jahr 2009 gesetzlich vorgeschrieben. In Schleswig-Holstein erhalten die Funktionsträger der Fraktionen über die nach dem AbgG gewährten Zulagen hinaus keine Mittel aus der Fraktionskasse. In Thüringen wird die Rechnungslegung der Fraktionen nicht veröffentlicht.
142
Anlagen
k.A. = Keine Angaben. O = Keine Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln. – = Partei nicht im Landtag vertreten. Quelle: Rechenschaftsberichte der Fraktionen und telefonische Auskünfte der Landtagsverwaltungen. Tabelle übernommen aus: von Arnim / Drysch, Drittbearbeitung des Art. 48 GG im Bonner Kommentar, Dezember 2010, S. 87.
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Personenregister Altenkamp, Britta 87 Altmaier, Peter 81 Apel, Hans 29 Apelt, Thomas 84 Beckett, Thomas 101, 108 Benöhr, Susanne 19, 143 von Beyme, Klaus 47–48 Böhmer, Wolfgang 57, 126 Böhr, Christoph 46 Bolz, Ben 133 Böttcher, Birgit 133 Braun, Werner 28, 47, 143 Brocker, Lars 73, 76–79, 112, 143 Commercon, Ulrich 89 Deiß, Matthias 133 Dette, Hans Walter Sebastian 130 Dodell, Renate 131 Drysch, Thomas 143 Ebbighausen 32 von Eichborn, Wolfgang 74 Emde, Volker 130 Enzensberger, Hans Magnus 30, 144 Ernst, Klaus 81, 110 Fischer, Annette 32, 61, 102, 144 Fischer, Krimhild 120 Freller, Karl 119, 121 Frey, Fritz 122 Fritsch, Gunter 84 Gote, Ulrike 132
Grimm, Dieter 19, 144 Grützmacher, Friedel 12 Güller, Harald 84, 122 Heckner, Ingrid 84, 119 Hellermann, Johannes 75, 144 Hennis, Wilhelm 40, 113, 144 Heuer, Ernst 50, 144 Heusch, Andreas 72, 144 Hintersberger, Johannes 131 Hoffmann-Bethscheider, Cornelia 89 Hofmann, Gunter 114 Hölscheidt, Sven 26, 32, 34–35, 40, 47, 66, 73–74, 78, 102, 116, 144 Holthoff-Pförtner, Stephan 57 Hörster, Joachim 115 Ipsen, Jörn 47, 144 Janssen, Albert 57, 79, 126, 144 Jantsch, Monika 28, 47, 143 Jentsch, Hans Joachim 13, 70 Katz, Richard S. 48, 144 Kelber, Ulrich 81 Kersten, Jens 47, 144 Kirchhof, Paul 68–69, 75, 144 Klante, Elisabeth 28, 47, 143 Klein, Hans Hugo 16–18, 33–34, 75, 79, 144 Klöckner, Julia 46 Korioth, Stefan 72 , 145 Kranert-Rydzy, Hendrik 110, 145 Kretschmer, Gerald 73, 76–77, 79, 123, 145
Personenregister Krüger, Herbert 14, 145 Kühn, Christoph 89 Kuhn-Theis, Helmut 89 Künast, Renate 80 Kurze, Markus 121 Lampen, Georg 112 Landfried, Christine 30–31 145 Lange, Christian 81 Lang, Heinrich 15–16, 18, 145 Laubach, Birgit 74, 76, 145 Lechner, Hans 72, 145 Lehmann, Annette 130 Leibholz, Gerhard 19, 145 Lenski, Sophie-Charlotte 47, 146 von und zu Lerchenfeld, Philipp Graf 131 Lersch, Heiko 97, 145 Linck, Joachim 57, 79, 126, 145 Linsler, Rolf 89 Lösche, Peter 42, 48, 145 Mahrenholz, Ernst Gottfried 114 Mair, Peter 48, 144–145 Mardini, Martina 32, 145 Martin, Helmut 32, 43, 145 Maurer, Hartmut 17, 93, 145 Meinerz, Christoph 87 Menzel, Jörg 75, 145 Mertes, Joachim 11, 111, 123–125, 127 Messer, Thomas 77–78, 112, 143 Meyer, Hans 30, 43, 47, 62, 113–115, 146 Morlok, Martin 26, 43, 47, 74, 95, 114, 146 Müller, Gottfried 57 Neukamm, Katrin 103, 146 Nieszery, Norbert 86 Papier, Hans Jürgen 32–35, 40, 51, 99, 116, 146 Pauluhn, Stefan 89 Perger, Werner A. 114
149
Pestalozza, Christian 68, 146 Pieroth, Bodo 103, 146 Radunski, Peter 42, 47, 146 Rink, Gisela 89 Rixen, Stephan 47, 144 Röper, Erich 12, 68, 75, 88, 92, 146 Rossi, Matthias 47, 146 Rüb, Friedbert W. 47–48, 146 Rupp, Hans Heinrich 15, 146 Schmahl, Stefanie 55, 73, 75, 146 Schmid, Georg 83, 119, 121 Schmidt-Bens, Walter 51, 95, 147 Schmidt, Ulrike 13, 56, 76, 79, 84–85, 112, 125, 146 Schmitt, Carl 16–17, 147 Schmitt, Christian 89 Schmitt Glaeser, Walter 16–18, 79, 147 Schmitt, Thomas 89 Schneider, Georg Christoph 32, 40, 116, 147 Schneider, Paul Georg 32 Schnellbach, Dietrich 114, 147 Schoch, Friedrich 95, 147 Schoettle, Erwin 36 Scholz, Olaf 81 Schulz, Werner 30, 114 Schulze-Fielitz, Helmuth 75, 147 Schüttemeyer, Suzanne S. 29, 31, 47, 56, 147 Schweisfurth, Tilmann 86 Seibicke, Ralf 110 Seuffert, Walter 35 Siekmann, Helmut 51 Spaniol, Barbara 89 Steiner, Klaus 131 Stern, Klaus 123, 125–126 Stolleis, Michael 19, 147 Strauß-Zielbauer, Rosemarie 114, 147 Struck, Arno 67 Struck, Peter 113
150
Personenregister
Tiedge, Gudrun 120 Tillack, Hans-Martin 80–81, 111, 147 Trittin, Jürgen 80 Trute, Hans-Heinrich 17 Tsatsos, Dimitris 43, 114 Ullmann 113 Umbach, Dieter 96, 147 Unterländer, Joachim 119
Vogel, Hans-Jochen 15, 147 Voßkule, Andreas 18, 147 Walter, Franz 48, 147 von Weizsäcker, Richard 114 Welti, Felix 77–78, 147 Wewer, Göttrik 23, 147 Wolfgramm, Torsten 115 Wolters, Jürgen 113
Sachregister Aachener Nachrichten 87 Auskunftsanspruch gegen 93 ff., 109
Fraktionen
Baden-Württemberg – Fraktionszuschüsse – Entwicklung: Anlage 6 – intransparent 26, 29 ff., 50 ff., 98 – ohne Obergrenze 39 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 82 f. – fraktionsgezahlte: Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 54 – Rechnungshof 68, 83 – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff. Bayern – Fraktionszuschüsse 25 ff.: Anlage 9 – Gutacher, geneigte 32 ff., 116 – intransparent 26, 29 ff., 50 ff., 98 – Missbrauch 44 f., 130 ff. – ohne Obergrenze 39, 108 – Rechnungshof 98 ff., 104 – verfassungswidrig 31 f., 39, 121 f. – Wachstum 28, 44 f., Anlagen 6 und 7 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 49 ff., 83 f. – fraktionsgezahlte: Anlagen 9 und 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 52 ff., 54, 83 f., 121 f. – Rechnungshof 98 ff., 104, 112 – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff.
Benda-Kommission 52, 55, 66, 70–71, 75, 144 Berichtspflichten hinsichtlich der Fraktionszuschüsse, Umgehung 36 ff. – Bundestag 37 – Saarland 39 – Thüringen 37 ff. Berlin – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29, 50 ff. – ohne Obergrenze 39 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Wachstum: Anlage 6 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte: Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 26, 29 ff., 50 ff. – materiell zulässig 64 f. Brandenburg – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29 ff., 50 ff. – ohne Obergrenze 39 – Umfang: Anlage 6 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte 84 f. – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff. – Rechnungshof 84 – verfassungswidrig 49 ff., 84 f. Bremen – Fraktionszuschüsse – Entwicklung: Anlage 6 – ohne Obergrenze 39
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Sachregister
– verfassungswidrig 31 f., 39 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte: Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – materiell zulässig 64 f. – transparent: Anlage 8 Bund der Steuerzahler Niedersachsen 87 Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen 112 f. Bundesrechnungshof 82, 104, 115 Bundestag – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29, 50 ff. – ohne Obergrenze 39 – Rechnungshof 98 f. – Umgehung von Berichtspflichten 37 – verfassungswidrig 31 f., 39, 107 ff. – Wachstum 27 ff., Anlagen 5 und 6 – Wissenschaftler, geneigte 16 ff., 32 ff. – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte 80 ff., Anlagen 9 und 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 52 ff., 54, 80 ff., 111 – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff. – Wissenschaftler, geneigte 76 ff. Die Rheinpfalz 110 Doppelalimentation 92 f. Einigkeit der Demokraten siehe Kartelle, politische Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache 14 ff. – Antwort des Rechts 20 ff. – Herausforderung 14 ff. Fraktionsestablishment 29, 42, 108 Fraktionsfinanzierung 7 f., 25 ff., 107 ff., 113 ff., Anlage 4 – 6 Fraktionsparteien 41 f., 47 f.
– Geheimverfahren 29 ff., 80 ff. – mehr Staatsgeld als Parteien 28 f. – ohne Obergrenze 39 – verfassungswidrig 29 ff. Funktionszulagen (Extra-Diäten) 8 f., 49 ff., 106 f., 110 ff., Anlagen 1 –3 und 8 – 10 – Intransparenz 49 ff. – Verbot 56 ff. Hamburg – Fraktionszuschüsse – Entwicklung: Anlage 6 – ohne Obergrenze 39 – transparent aufgrund gesetzlicher Regelung 26 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte: Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – materiell zulässig 64 f. – transparent: Anlage 8 Hamburger Abendblatt 115 Hessen – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29 ff., 50 ff. – ohne Obergrenze 39 – verfassungswidrig 31 f., 39, 107 ff. – Wachstum: Anlage 6 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte 85 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 54 – Rechnungshof 85 – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff. Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler 112 Kartelle, politische 20, 44 ff. Kölner Stadtanzeiger 110 Kostenersatz als Ausnahme vom Zulagenverbot 65 f., 126
Sachregister Ländersache, Magazin des SWR Fernsehens 13 Landesrechnungshof Hessen 85 Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen 88, 102 Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz 127 Landesrechnungshof Schleswig-Holstein 51 Landesrechnungshofs Sachsen-Anhalt 32, 110 Landesrechnungshof Thüringen 100, 130 Landtag Nordrhein-Westfalen 88 Landtagspräsident Rheinland-Pfalz 11 ff., Anlagen 2 und 3 Mecklenburg-Vorpommern – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29 ff., 50 ff. – ohne Obergrenze 39 – Umfang: Anlage 6 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 85 f. – fraktionsgezahlte 85 f. – gesetzlich: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 54 – Rechnungshof 86, 93 – Rückzahlung 86, 93 – Verfassungsklage 86, 96 – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff. Mitteldeutsche Zeitung 110 Münchner Merkur 110 Niedersachsen – Fraktionszuschüsse – Entwicklung: Anlage 6 – ohne Obergrenze 39 – transparent aufgrund gesetzlicher Regelung 26 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 49 ff., 86 – fraktionsgezahlte 86 f., Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8
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– Rechnungshof 104 – transparent 53 – verfassungswidrig 56 ff., 87 Nordkurier 85 Nordrhein-Westfalen – Fraktionszuschüsse 49 ff – Entwicklung: Anlage 6 – intransparent 26, 29 ff. – ohne Obergrenze 39 – Rechnungshof 102 f. – verfassungswidrig 31 f., 39, 108 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 49 ff., 87 f. – Bund der Steuerzahler NordrheinWestfalen 112 f. – fraktionsgezahlte 87 f., Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 52 ff., 54, 87 f. – ohne Obergrenze 39 – Rechnungshof 102 f. – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff., 87 Offenbach Post 85 Organklage 96 Ostsee Zeitung 86 Panorama 39, 129, 131 Parlamentarische Staatssekretäre 66 f. Potsdamer Landtag 112 Potsdamer Neueste Nachrichten 84 Rechnungshöfe 9 f., 98 ff., 108, 112 – Bayerischer Oberster Rechnungshof 104 – Bundesrechnungshof 98 – Rechnungshof Baden-Württemberg 68, 75, 83, 104, 146 – Rechnungshof Bayern 110, 112 – Rechnungshof Brandenburg 104 – Rechnungshof Mecklenburg-Vorpommern 103 f. – Rechnungshof Niedersachsen 104
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Sachregister
– Rechnungshof Nordrhein-Westfalen 102 f. – Rechnungshof Rheinland-Pfalz 67, 104, 112, 124 – Rechnungshof Sachsen 101 f. Rechnungshof Sachsen-Anhalt 110 Rechnungshof Thüringen 100 Report Mainz 11, 66, 80, 83, 86–87, 90, 96, 104, 107, 111, 123 Rheinland-Pfalz – Fraktionszuschüsse – Entwicklung: Anlage 6 – ohne Obergrenze 39 – Rechnungshof 46 – transparent aufgrund gesetzlicher Regelung 26 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 56 ff., 88 f., Anlagen 2 und 3 – fraktionsgezahlte 88 f., Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 54, 89 – Landtagspräsident Mertes 11 ff., Anlagen 2 und 3 – Rechnungshof 104 – verfassungswidrig 56 ff., 89, Anlage 3 – Wissenschaftler, fraktionsgeneigte 76 ff. Rheinzeitung 67 Rückzahlung verbotener Zulagen 86, 92, 93 Saarbrücker Zeitung 89 Saarland 39 – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29 ff., 39, 50 ff., 98 – Missbrauch 45 f. – ohne Obergrenze 39 – Rechnungshof 100 f. – verfassungswidrig 31 f., 39 f. – Wachstum 28, 45 f., Anlage 6 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte 89, Anlage 10
– gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 52 ff. – Rechnungshof 98 ff. – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff., 89 Sachsen – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29 ff. – ohne Obergrenze 39 – Rechnungshof 101 f. – Umfang: Anlage 6 – verfassungswidrig 31 f., 39, 107 ff. – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – fraktionsgezahlte 90 – gesetzliche: Anlage 8 – Rechnungshof – transparent 52 f., 90, Anlage 10 Sachsen-Anhalt – Fraktionszuschüsse – intransparent 26, 29 ff., 50 ff., 98 – ohne Obergrenze 39 – Umfang: Anlage 6 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 90 f., 120 f. – fraktionsgezahlte 90 f., Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 52 ff., 54, 90 f. – Rechnungshof 91, 110 – verfassungswidrig 49 ff., 54, 56 ff., 110 Schleswig-Holstein – Fraktionszuschüsse 91 – Entwicklung: Anlage 6 – intransparent 26, 29 ff., 50 ff., 98 – ohne Obergrenze 39 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) – gesetzliche: Anlage 8 – Parlam. Geschäftsführer 66, 91 – transparent 52 Schweriner Volkszeitung 85 Sendler-Kommission 31
Sachregister Sprunghafte Steigerungen der Fraktionszuschüsse 27, Anlagen 5 – 7 Stadtstaaten 64 ff., 126 (siehe auch Berlin, Bremen, Hamburg) Stern (Magazin) 81, 96, 107, 111 Südwestrundfunk 12 Tagesspiegel 84 Thüringen – Fraktionszuschüsse 25 ff. – intransparent 26, 29 ff., 37 ff., 50 ff., 98 – Missbrauch 44, 129 f. – ohne Obergrenze 39, 108 – Rechnungshof 100 f. – Umfang: Anlage 6 – verfassungswidrig 31 f., 39 – Wachstum 28, 44 – Funktionszulagen (Extra-Diäten) 49 ff., 92 – fraktionsgezahlte: Anlage 10 – gesetzliche: Anlage 8 – intransparent 50 ff., 52 ff.
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– Rechnungshof 93, 98 ff., 100 – Rückzahlung 92, 93 – verfassungswidrig 49 ff., 56 ff., 92 Thüringer Landeszeitung 92 Trierischer Volksfreund 67 Unabhängige Sachverständigenkommission zu Fragen der Abgeordnetenentschädigung (Benda-Kommission) 52, 55, 66, 70–71, 75, 144 Untreue 96 f. Verfassungsgerichtshof 41 Verwaltungsgericht 32
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Wissenschaft – Besorgnis der Befangenheit 32 ff., 76 ff.
16 ff.,
– Vernachlässigung der Fraktionen 47 ff. – Politikwissenschaft 47 f. – Staatsrechtslehre 47
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit zahlen Parlamentsfraktionen seit Jahren verfassungswidrige Zulagen in Millionenhöhe an eine Vielzahl von Abgeordneten in Bund und Ländern. Erlaubt sind Zusatzgehälter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende. Doch die Verfassungsgrenze wird fast überall überschritten. Der Bundestag wollte einmal vorbildlich transparent sein. Durch die Kuppel des Reichstages sollte der Bürger nicht nur einen Blick mitten unter die Abgeordneten werfen können. Auch deren Finanzierung sollte durchsichtig sein. Doch hinsichtlich der Zusatzgehälter von Fraktionsfunktionären ist das Gegenteil der Fall. Selbst auf Anfrage der Medien geben gerade die größten Sünder keine Auskunft, obwohl es um Steuergeld geht. Demokratische Transparenz sieht anders aus. Der doppelte Verfassungsbruch (Verstoß gegen das Transparenzgebot und das grundsätzliche Zulagenverbot) geschieht nicht nur da und dort, sondern in fast allen deutschen Parlamenten, also den höchsten demokratischen Organen unseres Landes. Den Fraktionen fällt es leicht, an der Verfassung vorbei, viele lukrative Posten für ihre Funktionäre zu schaffen, weil sie sich selbst unmittelbar aus der Staatskasse üppig und mit gewaltigen Wachstumsraten versorgen, dies gezielt vor der Öffentlichkeit verbergen und wirksame Kontrollen weit gehend ausschalten. Das Zulagenunwesen ist die Folge einer Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle. *** Hans Herbert von Arnim ist Jurist und Volkswirt. Nach der arbeitsrechtlichen Promotion in Heidelberg leitete er zehn Jahre lang das Forschungsinstitut des Bundes der Steuerzahler in Wiesbaden. Er habilitierte sich in Regensburg für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, lehrte in Marburg und folgte 1981 dem Ruf der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften nach Speyer, wo er auch über seine Pensionierung hinaus lehrt und forscht. Von 1993–1995 war er Rektor der Hochschule. Sein Thema sind Grundfragen von Staat und Gesellschaft, was direkte Einmischung in die Politik aber nicht ausschließt (www.arnimvon.de).