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German Pages 434 [436] Year 1974
ROMAN INGARDEN ÜBER D I E KAUSALE S T R U K T U R D E R R E A L E N WELT D E R S T R E I T UM D I E E X I S T E N Z D E R WELT I I I
ROMAN INGARDEN
ÜBER DIE KAUSALE STRUKTUR DER REALEN WELT Der Streit um die Existenz der Welt ΠΙ
MAX N I E M E Y E R VERLAG T Ü B I N G E N 1974
Das von Roman Ingarden nachgelassene Originalmanuskript in deutscher Sprache wurde durchgesehen und für den Druck vorbereitet von Friedrich Kümmel.
ISBN 3-484-70110-2 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1974 Alle Redite vorbehalten • Printed in Germany Satz und Drude: Büdierdrudt Wenzlaff, Kempten/Allgäu Einband : Großbudibinderei Heinr. Koch, Tübingen
INHALT
XVIII. Einleitung § 82. Der Zusammenhang zwischen dem Kausalproblem und dem Problem der Form einer Welt § 83. Der Bereich und die Verteilung der ursächlichen Beziehungen in der Welt
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X I X . Das Wesen der kausalen Beziehung § 84. Die Zweigliedrigkeit der kausalen Beziehung . . . §85. Die Asymmetrie der ursädilichen Beziehung . . . . § 86. Über die Form der Glieder der ursächlichen Beziehung § 87. Die Ursache im ursprünglichen und im abgeleiteten Sinne § 88. Über das Zeitverhältnis zwischen der Ursache und ihrer Wirkung § 89. Die Ursache als Ergänzungsfaktor der aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses § 90. Die Ursache und die Umstände § 91. Die Diskontinuitäten innerhalb der realen Welt . . a) Das Problem der relativ geschlossenen Systeme . b) Die Diskontinuität in der Aufeinanderfolge der zeitlichen Gegenstände § 92. Einige weitere Behauptungen über Ursachen und Wirkungen § 93. Einige Prinzipien der Theorie der kausalen Struktur der Welt
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Sätze über die allgemeine Form der Welt: I. Der formale Begriff der Welt II. Das Prinzip der Einheitlichkeit der Welt . . . . III. Der Grund der Einheitlichkeit der Welt . . . .
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Prinzipien der ursächlichen Struktur der Welt: I. Das Prinzip der Ursache II. Das Prinzip der Einzigkeit der ursächlichen Determination
142 143 V
III. Die Möglichkeit mehrerer Wirkungen einer Ursache IV. Das Prinzip der Wirkungen V. Das Prinzip der eindeutigen Bestimmung der Wirkung durch die Ursache Anhang: Max Borns Auffassung der Kausalität
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X X . Ereignisse als Funktionen der Bereiche ihrer Ursachen und ihrer Wirkungen. Das Determinismusproblem § 94. Die Einteilung der Ereignisse § 95. Der radikale Determinismus § 96. Prüfung der Widerspruchsfreiheit des radikalen Determinismus § 97. Ergänzende Bemerkungen zum radikalen Determinismus § 98. Die Verneinung des radikalen Determinismus. Der einseitige radikale Determinismus § 99. Der beschränkte äußere radikale Determinismus . . § 100. Der beschränkte innere radikale Determinismus . . § 101. Ereignisse ohne äußere Ursachen und Ereignisse ohne äußere Wirkungen § 102. Ereignistypen der VIII. und IX. Gruppe § 103. Der allgemeine gemäßigte Determinismus 1. Der gemäßigte Determinismus und die Einheit der Welt 2. Der gemäßigte Determinismus und die Kontinuität der Zeit 3. Führt das Postulat des gemäßigten Determinismus •wegen seiner Allgemeinheit zum Widerspruch? . . § 104. Der äußere gemäßigte Determinismus § 105. Andere Abwandlungen des gemäßigten Determinismus § 106. Einzelfälle A. Die Verbindungsmöglichkeiten der Ereignisse des Typus 111,4: Enn/on B. Die Verbindungsmöglichkeiten der Ereignisse des Typus 111,5: Enn/no C. Die Verbindungsmöglichkeiten der Ereignisse des Typus IV,3: E on / nn D. Die Verbindungsmöglichkeiten der Ereignisse des Typus IV,5: E o n / n o E. Die Verbindungsmöglichkeiten des Typus V,2: Eno/oo
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210 224 233 248 259 263 267 282 282 285 289 309 311 312 315 316 322 331 338 343 345
F. Die Verbindungsmöglidikeiten des Typus V,5: Eno/no
346
G. Die Verbindungsmöglidikeiten des Typus V,3: Eno/nn
346
H. Die Verbindungsmöglidikeiten des Typus V,4: Eno/on
351
§ 107. Zusammenstellung der Ergebnisse mit voller Erfüllung der Forderungen der Ereignisse § 108. Misdifälle A. Misdifälle der Verbindung von Ereignissen des Typus 111,4: E n n / o n B. Misdifälle des Kausalzusammenhanges des Typus III,5:
Enn/no
357 358 358 364
C. Misdifälle des Kausalzusammenhanges des Typus IV,3:
Eon/nn
D. Misdifälle E . Misdifälle F. Mischfälle G. Misdifälle
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des Kausalzusammenhanges IV,5: E o n / n o des Kausalzusammenhanges V,3 : E / n des Kausalzusammenhanges V,4: E / n des Kausalzusammenhanges des E n n / n n
374 376 378
§ 109. Zusammenstellung der gewonnenen Ergebnisse . . . §110. Die Bedeutung der gewonnenen Ergebnisse . . . . I. Zum Typus 111,4: E / o n 2. Zum Typus 111,5: E n n / n o 3. Zum Kausalzusammenhang des Typus V,3: E / n 4. Zum Kausalzusammenhang des Typus V,4: E / n 5. Zum Kausalzusammenhang des Typus IV,3 : E o n / n n 6. Zum Kausalzusammenhang des Typus IV,5 : Eon/no
385 385 390 395 397 398 400 406
n o
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n 0
0
m i t Enn/oo
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nn
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X X I . Manche naturwissenschaftlichen Ergebnisse in ihrer Rolle für die ontologische Betrachtung des Kausalproblems § 111. Richtlinien der weiteren Untersuchung § 112. Die in der Astronomie entdeckten Tatsachen, die für die Existenz relativ isolierter Systeme in der materiellen Welt sprechen 1. Die Verteilung der Massen in der Welt
410
417 417
VII
KAPITEL XVIII
EINLEITUNG § 82. D e r Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n d e m K a u s a l p r o b l e m und dem P r o b l e m der Form einer W e l t Wollen wir entscheiden, ob eine solche Welt, wie diejenige, die uns in der Erfahrung gegeben ist, wirklich eine „Welt" in unserem Sinne sei, so müssen wir zuerst die ontologisch betrachtete Form einer Welt überhaupt etwas genauer ausarbeiten, als dies im II. Band dieses Werkes geschehen ist. Denn es muß möglich sein, gewisse konkrete Fragen zu formulieren, die sich auf Grund der empirischen Wissenschaft von der Welt entscheiden ließen. Bei der genaueren Betrachtung der Form einer Welt überhaupt bildet aber das Kausalproblem ein Thema, das unsere volle Aufmerksamkeit erheischt. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist die kausale Beziehung, oder genauer gesagt, der unmittelbare kausale Seinszusammenhang, für die Form einer realen Welt charakteristisch: er tritt, sofern man ihn in einem hinlänglich strengen Sinne faßt, 1 in einer und nur in einer realen Welt (genauer: in einer Welt vom Typus 1 In den Bemerkungen des I. Bandes, die dem Kausalzusammenhang gewidmet wurden (§ 13, S. 87 ff.), sudite idi zu zeigen, daß der Kausalzusammenhang eine i n n e r w e l t l i c h e Beziehung ist, d. h. eine Beziehung, deren Glieder nur aus Gegenständlichkeiten gebildet werden können, weldie zu e i n e r u n d d e r s e l b e n Welt gehören. Infolgedessen ist die kausale Beziehung nicht mit der Beziehung, die zwischen dem ursprünglichen und dem abgeleiteten Sein - also etwa zwischen dem etwaigen Weltschöpfer und der Welt - besteht, zu identifizieren. Andererseits ist sie eine Beziehung, die nur zwisdien zwei r e a l e n Gegenständlichkeiten bestehen kann und also nicht auf den Fall angewendet werden darf, in welchem ein Bewußtseinssubjekt, etwa ein Dichter, eine s e i n s h e t e r o n o m e Gegenständlichkeit, etwa in einer Dichtung, bildet. Auch wenn man das Verhältnis ins Auge faßt, das zwischen einer Idee und ihren eventuellen Realisierungen besteht, so hat dasselbe ebenfalls nichts mit der kausalen Beziehung zu tun. Erst die Einschränkung des Kausalbegriffs lediglich auf eine bestimmte Art des Seinszusammenhanges zwischen zwei Realitäten, die zu einer und derselben Welt gehören, gestattet wenigstens einige der wesentlichen und charakteristischen Züge der ursächlichen Beziehung herauszustellen und in ihrer Rolle f ü r die Form der realen Welt zu erfassen.
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der realen Welt) auf, zweitens aber übt er im Aufbau der realen Welt eine wichtige strukturelle Rolle aus: einerseits bildet er eine Hauptgrundlage (wenn auch nicht die einzige Grundlage) der E i n h e i t der realen Welt; andererseits aber ergibt eben derselbe kausale Seinszusammenhang - falls er sich durch gewisse formale Eigentümlichkeiten auszeichnet, auf die wir später eingehen werden - den Grund dafür, daß die Welt nicht ein einziger schlichter Gegenstand, sondern eine ganze gegenständliche S e i n s s p h ä r e ist, die eine M a n n i g f a l t i g k e i t von seinsselbständigen (obwohl aber zugleich wesensmäßig voneinander partiell abhängigen und in anderer Hinsicht partiell unabhängigen) individuellen Gegenständen bildet. Die kausale Beziehung - in ihrer Rolle, die sie in dem Gesamtaufbau der realen Welt spielt - steht auch mit der Zeitstruktur 2 der realen Welt in engem Zusammenhange, und damit auch mit dem Problem der Seinsweise der realen Welt, und insbesondere mit der Frage, ob die reale Welt ihrem Wesen nach seinsursprünglich oder seinsabgeleitet sei. Dies sind die weiten Perspektiven, die uns das Problem der ursächlichen Beziehung eröffnet und die sich erst viel später werden konkreter gestalten lassen. Wenn idi sie bereits hier erwähne, so liegt es daran, daß gerade ihr Zusammenhang mit der Streitfrage „Idealismus-Realismus" um die Existenz der realen Welt uns aufs neue zur Beschäftigung mit der ursächlichen Beziehung zwingt. In diesem Zusammenhang liegt auch der Grund, daß das Kausalproblem auf eine durchaus andere Weise gefaßt werden muß, als dies gewöhnlich geschah. Die kausale Beziehung wurde von der realen Welt, in der sie ja doch stattfinden soll, stets abstrahiert und gewissermaßen nur im Einzelfall behandelt. Man interessierte sich für ihr Wesen und nahm sich sozusagen ein Paar von Gegenständen, und insbesondere von Ereignissen vor, von denen das eine die sogenannte „Ursache", das andere die sogenannte „Wirkung" sein sollte, und suchte an diesem einzelnen Paar die näheren Eigentümlichkeiten dieser Beziehung herauszustellen. Man suchte also z. B. die Frage zu beantworten, was die Glieder dieser Beziehung bilde, ob sie notwendig oder zufällig sei, ob sie einen Zeitunterschied zwischen ihren Gliedern fordert oder ob im Gegenteil die Wirkung mit der Ursache gleichzeitig sein müsse und dergleichen mehr. Dies alles muß natürlich 2 Es kann auch das Problem aufgeworfen werden, ob die Raumstruktur mit der kausalen Struktur der Geschehnisse in der realen Welt irgendwie zusammenhängt. Damit würde die Raumstruktur nicht bloß nur mit der materialen Qualifikation der physischen Natur, sondern auch mit der Art, in der sich etwas in der Welt ereignet, verbunden sein. Natürlich spreche idi hier von dem r e a l e n Raum der Welt.
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behandelt und so oder anders entschieden werden. Aber damit fängt die Betrachtung des Kausalproblems erst an, und es müssen andere Gesichtspunkte herangezogen werden, um die Rolle der kausalen Beziehung in der realen Welt in das rechte Licht zu rücken. Vielleicht sind es erst die Ergebnisse der modernen Physik, die das Problem der kausalen Beziehung den konkreten Fragen des physikalischen Geschehens in der materiellen Welt nähergebracht haben. Indem man aber in der Physik der Gegenwart sofort vor das Entweder-Oder: Kausalgesetze oder bloße statistische Gesetze - gestellt wurde, ist die Behandlung des Kausalproblems trotz allem nicht anders geworden: es blieb bei derselben Art der Behandlung dieser Beziehung an einem isolierten, aus dem konkreten Geschehen herausgerissenen Einzelpaar. Indessen, erst wenn man die kausalen Beziehungen nicht als isolierte Fälle, sondern als Glieder in einem ganzen System von Fällen betrachtet, wie sie doch in der realen Welt stattfinden müssen, ist es möglich, gewisse Aspekte dieser Beziehung ans Licht zu bringen, die sonst nicht beachtet werden könnten. Die ursächliche Beziehung als Glied einer - wie Kant sagte Kette von Beziehungen bzw. von Ereignissen, hat dieser zwar in der transzendentalen Dialektik seiner „Kritik der reinen Vernunft" behandelt. Aber er war dabei nur an dem Problem der (zeitlichen bzw. räumlichen) Endlichkeit oder Unendlichkeit der realen Welt und damit an gewissen einerseits metaphysischen, andererseits erkenntnistheoretischen Fragen interessiert und beschäftigte sich bekanntlich nur mit dem Problem des A n f a n g s und der (eventuell unendlichen) Fortsetzung der Kette der ursächlichen Beziehungen im Räume, ohne sich zum Bewußtsein gebracht zu haben, daß die kausalen Beziehungen sich in der Welt sozusagen nach a l l e n Richtungen fortpflanzen und sich in ihr sowohl im Raum als auch in der Zeit verbreiten und eben damit ein wesentliches Formmoment des W e l t s y s t e m s bilden müssen. Vielleicht hat die Grundposition Kants, nämlich daß diese Beziehung nur eine „Kategorie" in seinem Sinne, d. h. eine apriorische, subjektive Verstandesform sei, die der Welt, wie sie an sich ist, nicht im echten Sinne immanent ist (worin er übrigens, wie bekannt, nicht ganz konsequent war), es ihm unmöglich gemacht, die kausalen Beziehungen in einem ganzen System der Fälle zu behandeln, das die ganze Welt umspannt. So hat auch das Indeterminismusproblem des freien Willens bei Kant sofort die Gestalt des gegenseitigen Ausschlusses zweier grundverschiedener Typen des Geschehens und damit der Gegenüberstellung zweier „Welten" (der Erscheinungen und der Dinge an sich) angenommen. So konnte einerseits die „freie" Willensentscheidung lediglich als ein ur3
sachloses Ereignis gefaßt werden, andererseits aber konnte nicht einmal der Versuch unternommen werden, die „freien" Willensentscheidungen als einen besonderen Fall der Kausalität zu fassen und sie gerade aus der kausalen Struktur der Welt verständlich zu machen. Das ganze Kausalproblem nahm von vornherein die Gestalt einer merkwürdigen, in ihrem letzten Grunde unverständlichen subjektivistischen Umdeutung der realen Welt an, so daß weder die kausale Struktur der Welt genauer untersucht, noch das echte erkenntnistheoretisdie Problem der Rechtmäßigkeit des Erkennens der Welt in dieser kausalen Struktur richtig gefaßt und vorurteilslos in allen seinen Einzelheiten erwogen werden konnte. Es wurde von vornherein im negativen 8 Sinne ent3 K a n t würde vielleicht Protest dagegen erheben, daß idi hier seine transzendentale Theorie der Kategorien als eine negative Lösung des erkenntnistheoretisdien Problems behandle. Er hätte audi darin zum Teil recht, indem nur die e i n e Seite seiner Entscheidung - daß wir nämlich die reale Welt an sidi nidit vermittels und durch die Kategorien erkennen können - negativ ist, während die Auffassung der Kategorien als „notwendiger" und damit auch als „allgemeingültiger" Verstandesformen der Erkenntnis der Welt, sowie die Auffassung des Raumes und der Zeit als notwendiger Anschauungsformen - den positiven Schritt zur Begründung der Möglichkeit der Erfahrung und damit dodi zu einer eigentümlichen und uns lediglich zugänglichen Art der „Erkenntnis" der Welt bildet. Aber diese „Positivität" liegt nur in der A b s i c h t , in welcher die Kritik der reinen Vernunft unternommen wurde, nicht aber in deren E r g e b n i s , und zwar in den beiden Deutungen der Auffassung, die Kategorien und die Anschauungsformen seien notwendige Formen der Erkenntnis, die sidi auf Grund der Kantisdien Ausführungen aufdringen und tatsädilidi in der Geschidite der Philosophie aufgetreten sind. Bei der ersten Deutung sind die Kategorien und die Anschauungsformen der Erkenntnis als soldier (unabhängig davon, wessen Erkenntnis sie ist) wesensnotwendig: ein Erkennen, das sidi der Kategorien und der Ansdiauungsformen nicht bediente - wenn dies überhaupt möglich sein sollte (was im Sinne dieser Deutung bestritten werden muß), wäre k e i n Erkennen mehr. Nach der zweiten - durch viele Stellen der „Kritik" nahegelegten - Deutung, sind die Kategorien und die Ansdiauungsformen nur der u n s r i g e n , menschlichen Erkenntnisweise wesensnotwendig (wobei es dann ein Geheimnis bildet, warum wir Menschen gerade durch eine solche Erkenntnisweise ausgezeichnet wurden). Andere, niditmenschlidie Erkenntnissubjekte (Gott, Engel, Tiere, Bewohner anderer Weltkörper u. dgl. m.) könnten dann im Prinzip entweder über andere Erkenntnisweisen verfügen, die ganz andere Kategoriensysteme und Ansdiauungsformen mit sich führen würden, oder überhaupt gar keine Kategorien und Anschauungsformen verwenden, so daß sie ohne diese Formen die Welt, wie sie an sich ist, zu erkennen vermöchten. Aber, wie gesagt, ist das Ergebnis in beiden Fällen negativ. Denn bei der ersten Deutung würde es entweder zum Wesen der „Erkenntnis" (bzw. des „Erkennens") gehören, daß sie das Ansidiseiende unter dem ihm wesensfremden und damit audi es verfälschenden Aspekt der Kategorien und der raumzeitlidien Formung fassen müßte, und eben damit es nur v e r k e n n e n bzw. eigentümlich v e r d e c k e n würde. Hält man aber daran fest, daß es zum Wesen der Erkenntnis gehört, alles Seiende (und insbesondere auch das vom Erkennen unabhängig und „an sich" Seiende) unverfälscht und durch nichts verdeckt in seinem eigenen Sosein zu enthüllen, dann muß die - nadi K a n t - sich der Kategorien bedienende Erkenntnis zu der echten Reali-
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sdiieden und dann nur die Notwendigkeit dieser negativen Entscheidung durch die Paralogismen- und Antinomien-Theorie „begründet". 4 An diesem erkenntnistheoretischen und subjektivistischen Aspekt des Kausalproblems können wir hier vorbeigehen, da es sich uns hier lediglich um den Sinn und die Struktur der kausalen Beziehung handelt, die geklärt werden muß, bevor man zu erkenntnistheoretisdien Problemen übergeht und bevor man entscheidet, ob die Welt, in welcher Kausalzusammenhänge bestehen, eine bloße, wie Kant sagen würde, „Erscheinungswelt" - also bloß eine rein intentionale Welt - sei, die von dem Erkenntnissubjekt kategorial geformt wird, oder ob sie eben m i t ihrer kausalen Ordnung und Struktur „an sich" besteht. Daß aber die kausale Beziehung, so oder so, mit der Form einer möglichen realen Welt aufs engste verbunden ist, das ist es, was zuvor gezeigt werden muß. Und dies eben erfordert, die kausale Beziehung als etwas zu betrachten, was in Millionen von Fällen beständig in der realen Welt stattfindet und nach allen ihren Richtungen verbreitet ist. Dieser Umstand erlaubt uns zwei wichtige Begriffe bezüglich der kausalen Beziehung zu bestimmen, die bis jetzt, soviel ich weiß, nicht gebildet wurden. Es sind dies 1. der Begriff der V e r t e i l u n g der zu einem Ereignis gehörenden Ursachen bzw. Wirkungen in der realen Welt und 2. der Begriff des B e r e i c h e s von Ursachen bzw. Wirkungen, die zu einem Ereignis gehötät führen, und die von den Kategorien und der raumzeitlichen Formung freie, „an sich seiende" Welt muß dann als überhaupt nicht vorhanden gefaßt werden; die Welt der „Erscheinungen" bleibt dann als die einzig bestehende Welt. Wird die letztere aber, im Sinne K a n t s als „bloße Erscheinung", als unsere „Vorstellung" gefaßt, dann wird die Realität im Sinne des „transzendentalen Idealismus" für ein bloß intentionales Gebilde gehalten und damit audi des editen Realitätsdiarakters beraubt. Hält man aber daran fest, daß jedes ohne die Kategorien und die Ansdiauungsformen bestehende Sein im strengen Sinne unerkennbar sei und infolgedessen nicht anzunehmen ist, dann muß es geleugnet werden. Geht man dagegen zu der zweiten Deutung der Kantischen Auffassung über, so ist die für alle Menschen notwendige, sich der Kategorien bedienende „Erkenntnis" nur eine auf die menschlichen Subjekte beschränkte, aber zugleidi sie alle umspannende Illusion, deren Illusionscharakter dadurch nidit im mindesten geschwächt wird, daß wir alle in sie gebannt sind und uns von ihr nicht befreien können. Könnten wir aufhören Menschen zu sein, ohne überhaupt aufzuhören zu existieren, dann könnten wir erst eine echte Erkenntnis der Welt, wie sie an sich ist, erlangen. Aber auch die transzendentale Einsicht, daß wir bei unserem Erkennen einer merkwürdigen Illusion unterliegen, ändert an diesem Illusionsdiarakter gar nichts und erlaubt uns nicht, eine edite positive Erkenntnis der realen Welt zu erlangen. Wir wissen von der Welt, wie sie an sich ist, nicht mehr dadurdi, daß wir wissen, sie in ihrem Eigensein und Sosein nidit erkennen zu können. So endet audi bei dieser Deutung die Kantische Theorie mit einem negativen Ergebnis. 4 Dieses Anführungszeichen soll meinen Zweifel zum Ausdruck bringen, ob diese „Begründung" gelungen sei.
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ren. Wir wollen diese Begriffe gleich am Eingang unserer Erwägungen bestimmen, da sie die Richtlinien unserer ganzen Betrachtung des Kausalproblems ergeben werden.
§ 83. D e r B e r e i c h u n d d i e V e r t e i l u n g d e r u r s ä c h l i c h e n B e z i e h u n g e n in d e r W e l t Bezüglich der kausalen Beziehung hat man sich hauptsächlich mit zwei Problemgruppen beschäftigt: l . m i t der Frage nach der Sinn- und W e s e n s b e s t i m m u n g einer derartigen Beziehung, wobei es sich gewöhnlich um die schon oben erwähnten Fragen handelt, 2. mit dem sogenannten K a u s a l p r i n z i p . Dabei ging es vorwiegend um die Formulierung dieses Prinzips und um die Frage, ob es in der realen Welt vorbehaltslos gilt oder gewisse Ausnahmen zuläßt. Diese Frage führte bekanntlich zu zwei entgegengesetzten Weltauffassungen: zu dem sogenannten „Determinismus" und zu dem „Indeterminismus". Die beiden Begriffe des Bereiches und der Verteilung der ursächlichen Beziehung, die wir sogleich bestimmen werden, stehen, wie es sich später zeigen wird, mit dem Problem des Determinismus im Zusammenhang und werden uns erlauben zu zeigen, daß es noch verschiedene Typen der deterministisch verstandenen kausalen Ordnung der Welt geben kann. Dies wurde bis jetzt übersehen. Man ist ohne eine nähere Analyse in einen bestimmten Typus des „Determinismus" verfallen und hat ihn für d e n Determinismus gehalten. Deswegen hat man auch einen jeden Versuch, die kausale Ordnung auf eine etwas andere Art aufzufassen, für einen „Indeterminismus" gehalten, vor dem man immer wieder zurückgeschreckt ist. Ohne zunächst unsere Auffassung der ursächlichen Beziehung vorauszusetzen und sie näher zu entwickeln, können wir hier ein Moment dieser Beziehung hervorheben, das übrigens - mit Ausnahme vielleicht von Spinoza - von allen angenommen wird, daß nämlich diese Beziehung zweigliedrig ist, also immer zwei Gegenständlichkeiten, zwischen denen sie besteht, voraussetzt, von denen die eine die sogenannte „Ursache", die andere die sogenannte „Wirkung" ist.5 Jede dieser Gegenständlichkeiten kann aber, abgesehen davon, daß sie bereits Glied d i e s e r Beziehung ist, ihrerseits in eine neue kausale Beziehung als ihr 5
Von S p i n o z a nicht, da er dodi den Begriff der „causa sui" ohne Bedenken bilden konnte.
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Glied eintreten. D. h. es kann eine Ursache der Ursache und eine Ursache der Ursache der Ursache geben, sowie auch eine Wirkung der Wirkung usw. Vom Standpunkt der ersten Beziehung gehört zu ihrem ersten Gliede eine Mannigfaltigkeit von immer entlegeneren Ursachen,' zu ihrem zweiten Gliede aber eine Mannigfaltigkeit von immer weiteren Wirkungen. Es ist aber bequemer, von e i n e m dieser Glieder, als einer - sagen wir vorläufig neutral - „Tatsache" auszugehen und ihr einerseits eine Mannigfaltigkeit von Tatsachen, die ihre U r s a c h e n bilden, andererseits eine Mannigfaltigkeit von anderen Tatsachen, die ihre W i r k u n g e n bilden, zuzuordnen. Die erste Mannigfaltigkeit von Tatsachen nennen wir den Bereich der Ursachen der betreffenden Tatsache, die zweite den Bereich ihrer Wirkungen. Symbolisch: BU und BW. Jede Tatsache spielt sich aber irgendwo, das ist an einer bestimmten Stelle der Welt ab. Im abgeleiteten Sinne kann man auch von der Kausalbeziehung selbst behaupten, daß sie sich an einer Stelle der Welt abspielt, indem ihre Glieder bestimmte Stellen einnehmen.7 Um uns aber nicht mit dem schwierigen Problem beschäftigen zu müssen, an welcher Stelle sich die kausale Beziehung selbst vollzieht, wenn ihre Glieder bestimmte Stellen in der Welt einnehmen, wollen wir uns hier auf die Frage nach der Stelle der einzelnen T a t s a c h e n beschränken und im Hinblick darauf sagen: Die M a n n i g f a l t i g k e i t d e r S t e l l e n in der realen Welt, an denen sich alle Ursachen einer bestimmten Tatsache abspielen, nennen wir das Feld der Ursachen (FU) dieser Tatsache, dagegen die Mannigfaltigkeit der Stellen, an denen sich die Wirkungen der8 Es wird sich später zeigen, daß die Ursadie eines Ereignisses zusammengesetzt sein kann, und zwar wiederum aus Ereignissen. Zu dem Bereich der Ursachen werden wir also sowohl die einfachen als auch die zusammengesetzten Ursachen (mit ihren Teilursachen als ihren Bestandteilen) zählen müssen. Und es muß sogar der Fall zugelassen werden, in welchem die zu einer Ursadie gehörenden Ereignisse auf zwei verschiedene Umfänge verteilt werden. Vgl. unten S. 122 ff. 7 Es mag sein, daß Tatsachen, die in einer unmittelbaren4 kausalen Beziehung zueinander stehen, besonders innig nahe gelegene Stellen einnehmen, wie dies diejenigen zu behaupten scheinen, die eine „Handlung auf Entfernung" verwerfen. Aber dies führt zu verschiedenen schwierigen Problemen, die hier nidit behandelt werden können. * Es ist im jetzigen Moment der Betrachtung nicht so einfach, den Begriff einer „unmittelbaren Ursache" zu bestimmen. Denn es wurde noch nicht entschieden, w a s Glied einer kausalen Beziehung sein kann, und zwar vom f o r m a l e n Gesichtspunkt aus: soll es etwa ein D i n g oder ein V o r g a n g oder endlich ein E r e i g n i s sein? Sollte es sich herausstellen, daß nur Ereignisse G l i e d e r der kausalen Beziehung sind, dann sprechen wir von „unmittelbarer" kausaler Beziehung, wenn weder ein Ereignis noch ein Vorgang zwischen dem ersten Ereignis, das Ursache ist, und dem zweiten Ereignis, das Wirkung ist, vermittelt. Vgl. dazu unten S. 36 ff., 119 ff.
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selben Tatsache abspielen, nennen wir das Feld ihrer Wirkungen (FW). 8 Wir sagen auch, daß die einzelnen Ursachen bzw. Wirkungen einer Tatsache an einzelne Stellen dieses Feldes „verteilt" sind. Statt von „Stellen" in der Welt, kann man auch von „Teilen" der Welt sprechen, in denen sich die Ursachen bzw. Wirkungen einer bestimmten Tatsache vollziehen. Und somit kann man auch von der Verteilung der Ursachen bzw. der Wirkungen an einzelnen Teilen der Welt sprechen. Natürlich nimmt in einer Welt, die räumlich ist bzw. sich im Raum befindet, das Wort „Stelle" seine engere und ursprüngliche Bedeutung einer Raumstelle an. Es kann aber auch in einem weiteren Sinne verstanden werden, in welchem es sowohl die räumlichen, als auch die unräumlichen „Stellen" umfaßt. In dem letzteren Falle kommt es bei allen Gegenständlichkeiten in Betracht, die - wie ζ. B. die psychischen Vorkommnisse - zwar unräumlich sind, aber trotzdem einer Raumstelle in der Welt zugeordnet werden. Im Zusammenhang mit der verschiedenen möglichen Verteilung der Ursachen und der Wirkungen einer Tatsache sind die beiden Bereiche (der Ursachen und der Wirkungen, B U und BW) einer Tatsache nodi in zwei U m f ä n g e einzuteilen. Und zwar bilden den i n n e r e n U m f a n g des B U bzw. des B W einer bestimmten Tatsache alle Tatsachen, die 1. Ursachen bzw. Wirkungen dieser Tatsache sind, und die sich 2. i m I n n e r n desjenigen in der Zeit seienden Gegenstandes oder an demselben vollziehen, welcher der Träger der betreffenden Tatsache ist. Und analog: alle Tatsachen, welche die Ursachen bzw. die Wirkungen einer bestimmten Tatsache bilden und sich a u ß e r h a l b des in der Zeit seienden Gegenstandes abspielen, welcher der Träger der betreffenden Tatsache ist, bilden den ä u ß e r e n U m f a n g des B U bzw. des B W der betreffenden Tatsache. Jede Tatsache wird also durch z w e i Bereiche bzw. v i e r Umfänge gegebenenfalls vorhandener Tatsachen charakterisiert, die mit ihr durch die kausale Beziehung verknüpft sind. Denn die einzelnen Umfänge bzw. Bereiche können im Rahmen der realen Welt verschiedene Grenzen haben und dadurch mittelbar die betreffende Tatsache von anderen Tatsachen unterscheiden. Im Hinblick darauf werden wir verschiedene Typen von Tatsachen unterscheiden, indem wir ihre verschiedenen Umfänge näher bestimmen werden. Bevor wir es aber tun, müssen wir eine Reihe von Fragen besprechen, die das Wesen der ursächlichen Bezie8 Man darf diesen Begriff nicht ohne weiteres mit dem physikalischen Begriff des »Feldes" von Kräften identifizieren. Wir werden noch Gelegenheit finden, diese beiden Begriffe zu vergleichen und sie zueinander in Beziehung zu setzen.
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hung und deren Glieder: die Ursache und die Wirkung betreffen. Dies ist notwendig, weil die bisherigen Auffassungen der kausalen Beziehung weit auseinandergehen und mit verschiedenen nicht genügend geklärten Begriffen operieren. Es wird auch nötig sein, eine Reihe von wichtigen Grundbehauptungen über die kausale Beziehung aufzustellen, die uns später, bei der Behandlung der verschiedenen Umfänge und Bereiche von Tatsachen, die einer bestimmten Tatsache zugeordnet sind, behilflich sein werden.
KAPITEL XIX
DAS W E S E N DER K A U S A L E N
BEZIEHUNG
Wir fassen zunächst die bereits im I. Band dieses Werkes ausgesprochenen Behauptungen über die kausale Beziehung zusammen und suchen sie etwas genauer zu begründen.
§84. D i e Z w e i g l i e d r i g k e i t d e r k a u s a l e n B e z i e h u n g Die bereits gemachte Feststellung, daß die ursächliche Beziehung zweigliedrig ist, ist zwar trivial, sie ist aber im einzelnen Falle nicht so leicht durchzuführen, sobald es sich zeigt - wie wir dies später zu begründen suchen - daß zwischen der Ursache und ihrer (unmittelbaren) Wirkung k e i n Zeitunterschied angenommen werden darf, daß sie also beide g l e i c h z e i t i g stattfinden. Denn wären sie ungleichzeitig und wäre - wie man gewöhnlich behauptet - die Ursache f r ü h e r als ihre (unmittelbare) Wirkung, dann würde schon der Zeitunterschied zwischen ihnen sie voneinander unterscheiden: die frühere Tatsache wäre die Ursache, die spätere die Wirkung. Aber auch dann wäre der Unterschied zwischen den beiden Gliedern der ursächlichen Beziehung dadurch nicht geklärt, da ja nicht alles Frühere eo ipso „Ursache" des Späteren ist. Sollen sie aber beide „gleichzeitig" sein, so entsteht die Frage, wodurch sie sich voneinander so unterscheiden, daß sie 1. z w e i verschiedene „Tatsachen" sind und daß 2. die eine von ihnen eben „Ursache" und die zweite „Wirkung" ist und nicht umgekehrt. Wir nennen die beiden 9
Glieder der ursächlichen Beziehung vorläufig „Tatsachen", ohne sogleich ihren Formtypus zu bezeichnen. Wir werden aber bald zu zeigen suchen, daß es sich in ihnen um „Ereignisse" bzw. um streng mit den Ereignissen verbundene „Vorgänge" (Prozesse) handelt. Wie sind also zwei „Ereignisse" oder zwei „Vorgänge" voneinander zu unterscheiden, wie weisen sie sieh als z w e i aus? Denn dies von zwei Dingen zu zeigen scheint, wenigstens auf den ersten Blick, nicht so schwierig zu sein, besonders, wenn sie beide körperliche, feste Dinge sind: Sie sind voneinander räumlich a b g e g r e n z t und auch dann, wenn sie sich mit einem Teil ihrer Oberflächen berühren sollten, befindet sich das eine a u ß e r h a l b des anderen und alle diejenigen Teile ihrer Oberflächen (allgemeiner: ihrer äußeren Grenzen), die sich nicht berühren, sind voneinander e n t f e r n t . Beides kann als Unterscheidungsmerkmal dieser Dinge dienen. Zwei Ereignisse bzw. Vorgänge können sich zwar voneinander entfernt und außer einander abspielen, aber dies braucht nicht immer der Fall zu sein. Denn sie können sich gegebenenfalls in einem und demselben Dinge bzw. allgemeiner, in einem und demselben in der Zeit verharrenden Gegenstande vollziehen. Wenn ζ. B. ein Körper unter der Einwirkung der Erhöhung seiner Temperatur zugleich seine Farbe ändert und sein Volumen vergrößert, so haben wir es da mit drei Tatsachen (Ereignissen bzw. Vorgängen) zu tun, die in ursächlichen Beziehungen zueinander stehen und verschieden zu sein scheinen. Wir können sie aber weder durch ihre gegenseitige Abgrenzung noch durch ihr Stattfinden in zwei verschiedenen Dingen charakterisieren. Was die Abgrenzung eines Vorgangs oder eines Ereignisses ist, ist kaum zu sagen. Es ließe sich audi nicht sagen, daß diese Tatsachen in dem Sinne wie zwei feste Dinge voneinander entfernt sein könnten. Trotzdem lassen sich diese Tatsachen voneinander unterscheiden. Denn ihre Verschiedenheit bekundet sich erstens in ihrer verschiedenen „materialen" Bestimmung (das eine Ereignis ist eben Änderung einer Dingfarbe, das zweite Änderung des Volumens, das dritte die Erhöhung der Temperatur), zweitens aber in einer gewissen (wenigstens möglichen) Unabhängigkeit voneinander. Gewiß, die Änderung des Volumens ist von der Änderung der Temperatur kausal abhängig, aber - in ihrer A r t - ist die erstere nicht notwendig an die zweite gebunden; sie kann auch da stattfinden, wo keine Änderung der Temperatur des Dinges eintritt. Auch die in individuo gleichzeitig und in innerem Zusammenhang mit der Änderung der Temperatur vor sich gehende Änderung der Farbe des betreifenden Dinges ist in i h r e r A r t so bestimmt, daß sie ohne Temperaturänderung und auch ohne gleichzeitige Volumenänderung durch 10
andere Mittel erzielt werden könnte. Sie könnte auch an einem ganz anderen Dinge als dasjenige, das eventuell gleichzeitig erhitzt wird, vor sich gehen. Diese Möglichkeit wird rein empirisch durch Tatsachen erwiesen, indem derartige Fälle an vielen verschiedenen Dingen einfach vorgefunden werden. Es ist also mit der Möglichkeit, die Zweiheit zweier Ereignisse bzw. zweier Vorgänge festzustellen nicht so schlecht bestellt, obwohl da oft Schwierigkeiten im Wege sind. Wie es sich aber erweist, welche von den beiden Tatsachen, die sich eventuell an einem und demselben in der Zeit seienden Gegenstande abspielen, „Ursache" und welche ihre „Wirkung" sei, das werden wir Gelegenheit haben näher zu erwägen, sobald es entschieden wird, daß wir tatsächlich genötigt sind, die G l e i c h z e i t i g k e i t der beiden Glieder einer unmittelbaren kausalen Beziehung anzunehmen. Nur eines muß noch bemerkt werden: es wurde oben festgestellt, daß die kausale Beziehung zweigliedrig sei. Dies genügt, sobald es sich um die Zurückweisung der Behauptung handelt, daß diese Beziehung eingliedrig sei. Müßte man da aber nicht eher sagen, sie sei m i n d e s t e n s zweigliedrig? H a t unser Beispiel nidit gerade einen Fall angegeben, in welchem d r e i verschiedene Vorgänge bzw. Ereignisse (denn beides findet da statt) miteinander kausal verbunden zu sein scheinen: Temperaturerhöhung, Änderung der Farbe und Änderung des Volumens? Näher besehen liegen da aber z w e i verschiedene Kausalzusammenhänge vor: der eine zwischen der Temperaturerhöhung und der Farbenänderung und der zweite zwischen derselben Temperaturerhöhung und der Volumenänderung. Eine und dieselbe Ursache hat z w e i verschiedene Wirkungen, aber in jeder dieser kausalen Beziehungen haben wir es lediglich mit z w e i Gliedern zu tun, von denen das eine „Ursache", das andere deren Wirkung ist. Ob auch der umgekehrte Fall eintreten kann, nämlich daß eine und dieselbe „Wirkung" zwei „Ursachen" hat, werden wir später genau erwägen. Die Entscheidung dieser Frage setzt aber schon die Einsicht in das Wesen der Ursache voraus und muß somit verschoben werden. Wie aber auch diese Frage beantwortet werden mag, an der Zweigliedrigkeit der Ursache-WirkungBeziehung kann dies nichts ändern. Natürlich, nehmen wir die ganze Mannigfaltigkeit von Ursachen der Ursachen und Ursachen der Ursachen der Ursachen usw. in Betracht, die wir alle m i t t e l b a r e Ursachen nennen wollen, so gehört zu e i n e r Tatsache eine ganze Mannigfaltigkeit von (mittelbaren) Ursachen, aber auch dann ist es nur eine Mannigfaltigkeit von zweigliedrigen Beziehungen, die sich in eine Reihe ordnen und alle einer und derselben Tatsache zuordnen lassen. 11
Daß aber in einzelnen Fällen eine und dieselbe Tatsache die Besonderheit aufweist, mit m e h r e r e n Ereignissen oder Vorgängen zugleich in ursächliche Beziehung eintreten zu können und somit m e h r e r e Wirkungen zu besitzen, mag angenommen werden. Es bildet aber nicht die Eigentümlichkeit des kausalen Zusammenhanges selbst, sondern der materialen B e s t i m m u n g der betreffenden T a t s a c h e . Und es kann höchstens behauptet werden, daß der kausale Zusammenhang einen solchen Fall zuläßt. Dies muß später einsichtig gemacht werden.
§85. D i e A s y m m e t r i e der u r s ä c h l i c h e n B e z i e h u n g Ist eine Tatsache X Ursache U einer anderen Tatsache X', die hiermit ihre Wirkung W ist, so bedingt sie dieselbe auf eine solche Weise, in der W sie n i c h t bedingt und auch nicht bedingen kann. Um dies zu erweisen, muß man sowohl U als W im Sinne individueller Einzelfälle, nicht aber im Sinne der Gattung oder Art solcher Fälle nehmen. Gehört U zur Gattung G t und W zur Gattung G 2 , dann kann wohl der Fall eintreten, daß eine andere Tatsache derselben Gattung Gi nicht Ursache, sondern Wirkung einer anderen Tatsache der Gattung G 2 ist, die dann ihrerseits Ursache ist. Ζ. B. ist die Bewegung einer Dynamo-Maschine in einem Falle Ursache der Entstehung und des weiteren Fließens eines elektrischen Stromes in einem bestimmten Draht. In einem anderen Fall dagegen ist der in demselben Draht fließende elektrische Strom Ursache der Bewegung der betreffenden Maschine. Es ist aber ein individuell a n d e r e r Strom, als im ersten Fall, ein i n d i v i d u e l l a n d e r e r Vorgang, nur derselben Gattung G 2 wie im ersten Fall. Und dasselbe bezieht sich auf die Bewegung der Dynamomaschine. Sobald aber eine individuell eindeutig bestimmte Tatsache einmal Ursache einer anderen Tatsache geworden ist, kann sie nicht zugleich Wirkung dieser zweiten, wiederum individuell genommenen Tatsache sein. Nach der üblichen Auffassung der kausalen Beziehung würde man den Grund dessen vielleicht darin sehen wollen, daß jede Ursache f r ü h e r als ihre Wirkung sei und daß eben die Zeit nicht umkehrbar sei. Indessen fehlt es nicht an Theoretikern, die eine Umkehrbarkeit der Zeit, und eben damit auch der Vorgänge in der Zeit, anzunehmen geneigt wären. 1 Andererseits ist es auch zweifelhaft, ob 1 Vgl. z.B. H . M e h l b e r g , „Essai sur la théorie causale du temps", I./II. Studia Philosophic^ Bd. I u. II Leopoli 1935 u. 1937.
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die Auffassung, daß die Ursache früher als ihre (unmittelbare) Wirkung sei, sich halten läßt. Wir werden nämlich zu zeigen suchen, daß man die Gleichzeitigkeit der im unmittelbaren kausalen Seinszusammenhang stehenden Tatsachen annehmen muß. Nicht im Zeitunterschied liegt also der Grund der Unumkehrbarkeit der Beziehung zwischen der Ursache und ihrer Wirkung, sondern darin, daß die Ursache ihrer Wirkung gegenüber eine Leistung ausübt, welche die Wirkung ihrer Ursache gegenüber einfach nicht ausübt und nicht auszuüben vermöchte. Nicht ohne Grund nannte ich sowohl die Ursache als auch die Wirkung „Tatsachen", obwohl sie ihrer Form nach zwei verschiedenen Typen angehören können. Dieser Name soll darauf hinweisen, daß dies, was einer Tatsache eben Ursache von etwas zu sein gestattet, vor allem ihre schledithinnige F a k t i z i t ä t , ihr im wirklichen Sein Auftreten ist. Das Im-wirklichen-Sein-Auftreten selbst ist die Bedingung sine qua non dessen, daß etwas Ursache von etwas anderem sein könnte, es reicht aber allein zum Ursache-Sein von etwas anderem noch nicht aus, denn es zeichnet sowohl die Wirkung von etwas, als auch das in sich ruhende, einfache Verharren eines veränderungslosen in der Zeit seienden Gegenstandes aus. Wenn dieses Im-wirklichen-SeinAuftreten eines Ereignisses bzw. eines Vorgangs Ursache von etwas sein soll, so muß es dadurch charakterisiert werden, daß es von sich aus z u m S e i n eines anderen f ü h r t , daß es durch das Erlangen seines eigenen Seins, das Sein e i n e s a n d e r e n e r z w i n g t . Jedes Ereignis bzw. jeder Vorgang, der eine Wirkung in der Gestalt eines anderen Ereignisses oder eines Vorgangs „hervorbringt" 2 , „tut" es eben deswegen, weil er durch sein Eintreten eine Unvollständigkeit im schon vorhandenen Sein gibt, die ein U n g l e i c h g e w i c h t , eine S t ö r u n g in demselben bedeutet; dieses ins Ungleichgewicht gebrachte Sein kann als solches nicht weiter bestehen, nicht einfach dauern, ohne durch ein Anderes e r g ä n z t zu werden, das das verlorene Gleichgewicht im Sein wiederherstellt. Dieses Ergänzende, das Gleichgewicht Wiederbringende wird 2 Dies wird von den Positivisten - eigentlich schon seit H u m e - immer wieder geleugnet oder wenigstens als etwas, was in der Erfahrung n i c h t gegeben wird, dahingestellt. Es ist hier nicht der Ort, dieses im Grunde erkenntnistheoretische Problem, das erst abgeleiteterweise ins Metaphysische gedeutet wird, zu erwägen und gegen die positivistischen Argumente Gegengründe anzuführen*. Es muß aber hier
* Die Argumentation H u m e s hat A. R e i n a c h einer eindringlichen Kritik unterzogen. Vgl. „Gesammelte Schriften". Audi von psychologischer Seite wurde die angebliche Tatsache des Niditgegebenseins des Hervorbringens der Wirkung durch die Ursache durch experimentelle Untersuchungen kritisch behandelt (vgl. M i c h o t t e , »La perception de la causalité").
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eben deswegen v o n d e m Unvollständigen, Ergänzungsbedürftigen herv o r g e b r a c h t . U n d d a s H e r v o r g e b r a d i t e ist nichts a n d e r e s a l s d i e W i r k u n g des ersten E r e i g n i s s e s o d e r V o r g a n g s . E s m u ß in eben d e m s e l b e n Sinne T a t s a c h e
sein, w i e d i e U r s a c h e ; erst d a d u r c h k a n n es sie er-
g ä n z e n u n d d a s G l e i c h g e w i c h t i m S e i n w i e d e r h e r s t e l l e n , d a ß es w i r k l i c h w i r d , d a ß es ins S e i n t r i t t , u n d z w a r ins S e i n d e s s e l b e n T y p u s w i e d i e U r s a c h e . I n dieser F u n k t i o n d e r W i e d e r h e r s t e l l u n g des G l e i c h g e w i c h t s e r w e i s t s i d i d i e W i r k u n g d e r U r s a c h e g e g e n ü b e r u n z w e i f e l h a f t als ein sie b e d i n g e n d e r F a k t o r . A b e r d i e W i r k u n g ü b t i h r e r U r s a c h e g e g e n ü b e r nicht d i e F u n k t i o n des „ I n s - S e i n - R u f e n s " ,
„Ins-Sein-Bringens"
a u s , die f ü r d i e U r s a c h e c h a r a k t e r i s t i s c h ist. A l s W i r k u n g ist d i e n e u e T a t s a c h e auch nicht m i t d e m augenblicklichen S t a t u s des U n g l e i c h g e wichts i m S e i n (in e i n e m S y s t e m ) identisch, a u s d e m sich d a s b e t r e f f e n d e S y s t e m durch d a s H e r v o r b r i n g e n d e r W i r k u n g r e t t e t ; sie ist i m G e g e n dodi betont werden, daß dann die Unterscheidung der Fälle einer bloßen Aufeinanderfolge zweier Tatsachen von denjenigen, in welchen eine kausale Beziehung statthat, auf eine befriedigende Weise theoretisch nidit durchzuführen ist, obwohl niemand am Bestehen dieses Unterschiedes zweifelt. Die Betonung der N o t w e n d i g k e i t des kausalen Zusammenhanges hat bei H u m e bekanntlich zu ihrer Umdeutung in einen psychologischen Zwang (der übrigens selbst auf kausalem Wege zustande kommen soll!) und bei K a n t zu seiner Theorie vom „apriorischen" Ursprung der entsprechenden Kategorie geführt. In beiden Fällen wurde sie aus der Realität - wie dieselbe unabhängig von den Erkenntnisoperationen besteht - eliminiert, so daß sie dann zur Unterscheidung der kausalen Beziehung von der bloßen Aufeinanderfolge nicht dienen kann. Die Berufung dagegen auf die ständige Wiederholung und damit auf die „Gesetzlichkeit" der kausalen Beziehung, welche dieselbe von der bloßen Aufeinanderfolge unterscheiden soll, führt zu einer Komplikation in dem Begriff der ursächlichen Beziehung, kann aber zugleich den Notwendigkeitscharakter dieser Beziehung nicht ersetzen. Diese Berufung, die für M i l l und die Positivisten des 19. Jahrhunderts charakteristisch ist, hilft aber audi nicht viel, solange diese „Gesetzlichkeit" nur den Charakter einer induktiven Verallgemeinerung hat und solange viele Gegenbeispiele zahlreicher Wiederholungen bloß aufeinanderfolgender Tatsachen angegeben werden können. Trotz dieser theoretischen Schwierigkeiten glaubt aber niemand, daß bloße Aufeinanderfolge für die kausale Beziehung ausreichen sollte. Und die ganze positivistische Skepsis hat es nicht vermocht zu verhindern, daß man in naturwissenschaftlicher Erkenntnis z. B. in der Physik, doch immer nach Ursachen forscht, die gegebene Tatsachen „hervorbringen", sie ins Sein rufen. So müssen auch wir daran festhalten, daß zum W e s e n (oder wenn man will zum Sinn) der kausalen Beziehung das H e r v o r b r i n g e n der Wirkung durch diejenige Tatsache, die Ursache ist, gehört. Und erst nach Festhaltung dieses charakteristischen Momentes der kausalen Beziehung ergibt sich das erkenntnistheoretische Problem, wie es sich erkenntnismäßig ausweist. Sollte man bei der Behandlung dieses Problems zu dem Ergebnis kommen, daß dieses Moment in der u n s zugänglichen Erfahrung n i c h t ausweisbar ist, so würde dies nichts an dem W e s e n der kausalen Beziehung ändern, sondern lediglich zeigen, daß wir k e i n e m p i r i s c h e s R e c h t haben, das t a t s ä c h l i c h e Vorkommen ursächlicher Beziehungen in der uns gegebenen realen Welt zu behaupten. 14
teil das Stillende, das Ergänzende, Beruhigende im Sein, sofern - natürlich - sie selbst nicht eine n e u e Seinsbedürftigkeit, ein neues Ungleichgewicht in sich birgt und zu einer n e u e n Wirkung führt. Aber in diesem Aspekt ist sie nicht mehr Wirkung, Effekt von etwas, wodurch sie zum Sein gerufen wurde, sondern selbst „Ursadie" von etwas Neuem. Man hört oft die Behauptung aussprechen, daß so wie die Ursache eine h i n r e i c h e n d e Bedingung der Wirkung, die Wirkung im Gegensatz dazu die u n e n t b e h r l i c h e Bedingung ihrer Ursache sei. Nun, wir werden bald sehen, daß die Identifizierung der Ursache einer Tatsache mit der hinreidienden Bedingung der letzteren aus verschiedenen Gründen nicht richtig ist. Aber auch die Auffassung der Wirkung als einer unentbehrlichen Bedingung ihrer Ursache muß richtig verstanden werden, damit kein Mißverständnis entsteht. Vor allem ist zu bemerken, daß man hier gewöhnlich von einer Bedingung im l o g i s c h e n Sinne spricht, während wir bei dem Versuche der Aufklärung des ursächlichen Bedingtseins der Wirkung durch die Ursache nur r e a l e Bedingungen im Auge haben. Im l o g i s c h e n Sinne ist es unzweifelhaft, daß die Wirkung die unentbehrliche Bedingung ihrer Ursadie ist. Denn wenn man die Existenz der Wirkung leugnet, muß man notwendig auch zur Leugnung ihrer Ursache kommen. Ohne die S e t z u n g der Wirkung ist also die A n n a h m e ihrer Ursache nicht möglich und insofern bildet die erstere die im l o g i s c h e n Sinne unentbehrliche Bedingung der letzteren. Weshalb es sich aber im logisdien Sinne so verhält, während die reale Beziehung gerade entgegengesetzt zu sein scheint, da eben die Ursache dasjenige ist, was die Wirkung (und genauer gesagt das Ins-SeinTreten derjenigen Tatsache, welche Wirkung ist) erzwingt - das ist das hier wesentliche Problem. Nun ist es so, weil die Ursache, w e n n sie eben Ursache ist, nicht allein, o h n e ihre Wirkung, auftreten kann, da dieselbe ihre Seinsergänzung ist. Das Nichtvorhandensein der Ursache kann also mit voller Sicherheit an dem Nichtvorhandensein der Wirkung e r k a n n t werden. Würde die Wirkung nicht als notwendiges Ergänzungsglied der Ursadie durch dieselbe ins Sein gerufen werden, könnte sie beim Auftreten der Ursache fehlen, so könnte sie auch nicht als eine logisch unentbehrliche Bedingung zur Entscheidung über die Existenz ihrer Ursache v e r w e r t e t werden. Sie ist das „Folgende", das sich aus dem Sein der Ursache (notwendig?) Ergebende, aber sie in sich selbst braucht nicht durch die Tatsache, die ihre Ursache ist, ergänzt zu werden, sie muß relativ auf sie nicht ergänzungsbedürftig sein. So ist sie auch keine l o g i s c h h i n r e i c h e n d e Bedingung ihrer Ursache. 15
Aus ihrer E x i s t e n z folgt bezüglich der Existenz einer Tatsadie, die im Hinblick auf ihre m a t e r i a l e Bestimmung gegebenenfalls zu ihrer Ursache werden könnte, im logischen Sinne gar nichts. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, jene „Unvollständigkeit" bzw. „Ergänzungsbedürftigkeit" derjenigen Tatsadie, welche Ursache von etwas ist, für deren Seinsunselbständigkeit 3 relativ auf die ihre Wirkung bildende Tatsache zu halten. Indessen dies wäre ein falscher Gedankengang. Und zwar erstens deswegen, weil die Seinsunselbständigkeit von etwas das material fundierte notwendige Zusammensein mit etwas anderem innerhalb eines und desselben Ganzen fordert, während die beiden kausal miteinander unmittelbar verbundenen Tatsachen, die wir „Ursache" und „Wirkung" nennen, zwar in einem und demselben Gegenstande stattfinden können, aber durchaus nicht stattfinden müssen, da sie ebensowohl auf zwei v e r s c h i e d e n e Gegenstände (z.B. materielle Dinge) verteilt werden können.4 Zweitens aber sind die Glieder der kausalen Beziehung selbst zwei v e r s c h i e d e n e Gegenständlichkeiten (Ereignisse, eventuell Vorgänge) und nicht etwa bloß zwei unselbständige Momente e i n e r Gegenständlichkeit, wie dies im Falle einer Seinsunselbständigkeit statthat. „Ursache" und „Wirkung" sind also nicht seinsunselbständig aufeinander. Darf man aber bei ihnen nicht von der „Seinsabhängigkeit" sprechen? Seinsabhängig sind nämlich - unserer Bestimmung gemäß - zwei seinsselbständige Gegenständlichkeiten, die ihrem Wesen nach zugleich existieren müssen; oder negativ gewendet: wenn die eine nicht ohne die gleichzeitige Existenz der anderen existieren kann. Gilt dies von jeder der beiden Gegenständlichkeiten, relativ auf die andere, dann haben wir es mit einer g e g e n s e i t i g e n Seinsabhängigkeit zu tun und ihre Seinsbeziehung ist symmetrisch. Es kann aber, wie es scheint, auch Fälle einseitiger Seinsabhängigkeit geben, in welchen zwar Β von A, aber A nicht von Β seinsabhängig ist. Die Vernichtung oder das Nichtsein von A zieht die Vernichtung oder das Nichtsein von Β nach sich, aber n i c h t umgekehrt. Die Seinsbeziehung ist in diesem Falle asymmetrisch. Ist dies nicht gerade bei der Seinsbeziehung zweier Tatsachen, von denen die eine Ursache, die andere Wirkung ist, der Fall? Zwischen den letzten herrscht ja auch eine Asymmetrie im Sein. Ist die Wirkung von der Ursache - ihrem Wesen nach nicht seinsabhängig? Ohne Eintreten der Ursache k a n n sie nicht In dem von mir bestimmten Sinne, vgl. Bd. I § 14 dieses Werkes. Dies findet ζ. B. dort statt, wo ein Körper einen anderen erwärmt, oder wo ein Stoß eines Körpers die Zertrümmerung eines anderen Körpers zur Wirkung hat. D a ß es in soldien Fällen zur „Berührung" der beiden Körper kommt, tut nichts zur Sache. 5 4
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eintreten - und zwar im individuellen Fall und relativ auf die individuelle Tatsache, die ihre unmittelbare Ursache ist. Aber woran hängt dies? An dem W e s e n der Tatsache, die eben gerade Wirkung ist? Gewiß, ist es einmal dazu gekommen, daß die Tatsache A Ursache der Tatsache Β geworden ist, so kann dieses Β - als gerade dieses Individuum - nicht anders und überhaupt nicht Zustandekommen, wenn A nicht eingetreten wäre. Aber diese Unmöglichkeit scheint eben an der F a k t i z i t ä t und an der Individualität der als Wirkung von A eingetretenen Tatsache Β und nicht an deren W e s e n zu hängen. Könnte es nicht vorkommen, daß eine dem materialen Wesen nadi genau gleiche („dieselbe") Tatsache B' aus einer völlig a n d e r e n - und zwar ihrem m a t e r i a l e n W e s e n nach anderen - Ursache hervorgeht? Wir erzielen ja oft „ d e n s e l b e n " Effekt - d. h. den material gleichen Effekt - mit völlig anderen Mitteln! Es scheint also, daß die Wirkung von der Ursache nicht seinsabhängig - in dem oben bestimmten Sinne - ist. Auch kommt es oft vor, daß nachdem eine Tatsache, ζ. B. ein Vorgang aus einer Ursache hervorgegangen ist, diese Ursache aufhört weiter zu existieren, ohne daß dies das weitere Bestehen der Wirkung irgendwie tangiert. Auch aus diesem Grunde also ist die Wirkung nicht von der Ursache seinsabhängig. Ist aber vielleicht im Gegenteil die Ursache seinsabhängig von ihrer unmittelbaren Wirkung? Diejenigen, die den Standpunkt vertreten, die Ursache sei f r ü h e r als ihre Wirkung, würden vielleicht geneigt sein, sich dagegen mit dem Argument zu wenden, die Ursache könne nicht von demjenigen seinsabhängig sein, was noch nicht existiert, während die Ursache „bereits" vorhanden ist. Aber das Frühersein der Ursache im Verhältnis zu ihrer Wirkung besteht nur bei m i t t e l b a r e n Ursachen einer Wirkung, während - wie es sich bald zeigen wird - die unmittelbare Ursache einer Wirkung mit derselben g l e i c h z e i t i g ist. So kann in diesem Falle das soeben erwähnte Argument gegen die eventuelle Seinsabhängigkeit der unmittelbaren Ursache von der Wirkung nicht verwendet werden. Läßt sich also vielleicht doch die Seinsabhängigkeit der unmittelbaren Ursache von ihrer Wirkung behaupten? Beachten wir vor allem folgendes: Die unmittelbare Ursache - die „Ursache" im e c h t e n S i n n e ist, wie bèreits gesagt, auf eine eigentümliche Weise „produktiv" u n v o l l s t ä n d i g und infolgedessen seins- und ergänzungsbedürftig, und zwar auf etwas, was sie imstande ist ins Sein zu rufen: auf ihre Wirkung. Indem nämlich eine Tatsache in ihrer Materie das eigentümliche Gebrechen der „Unvollständigkeit", der inneren U n a u s g e g l i c h e n h e i t in dem Gesamtbestande ihrer materialen Bestimmung und damit 17
auch einer seinsmäßigen U n s t a b i l i t ä t oder W a c k e l h a f t i g k e i t aufweist, wird sie eben dadurch nicht bloß ergänzungsbedürftig, sondern auch ergänzungsfähig und in dieser Ergänzungsfähigkeit auch s e i n s p r o d u k t i v : sie r u f t die andere Tatsache, die diese Un Vollständigkeit und Unstabilität stillt und ein neues Gleichgewicht herbeiführt, hervor, sie bringt sie zustande, realisiert sie, und das Hervorgebrachte, Realisierte ist eben die „Wirkung", der Effekt. Durch das angedeutete Gebrechen wird die Ursache s c h ö p f e r i s c h , sie offenbart ihre schöpferische Macht, eine andere Tatsache ins Sein zu rufen. Aber noch mehr. Die zur Ursache von etwas werdende Tatsache ist der Art, daß sie nicht vermöchte, die andere Tatsache nicht hervorzubringen: sie k a n n nicht sein bzw. eintreten, o h n e das andere (die Wirkung) hervorzurufen, es zu „setzen", zu realisieren. Das ist ein zwar ganz besonderer, aber doch ausgezeichneter Fall der Seinsabhängigkeit dessen, was da ergänzungsbedürftig und -fähig ist, von dem, was durch es „erwirkt", im Sein „gesetzt" wird. Darin gründet einerseits die so oft gesuchte (und ebenso oft geleugnete) „Notwendigkeit" des ursächlichen Seinszusammenhanges, andererseits die im logischen Sinne verstandene „Unentbehrlichkeit" der Wirkung für das Eintreten der Ursache, obwohl das reale Verhältnis gerade umgekehrt ist: nicht die Wirkung ruft die Ursache, sondern die Ursache ruft die Wirkung hervor und bestimmt sie hinsichtlich ihrer materialen Beschaffenheit eindeutig. Es sind somit zwei verschiedene Begriffe der Seinsabhängigkeit zu unterscheiden, der eine, der die Seinsabhängigkeit mit dem W e s e n des Seinsabhängigen verbindet, und der andere, der die Seinsabhängigkeit aus dem t a t s ä c h l i c h e n H e r v o r g e h e n des Seinsabhängigen aus einem anderen Seienden herleitet. Diese z w e i t e Seinsabhängigkeit charakterisiert das betreffende Seiende in individuo und in Beziehung auf ein anderes, hinsichtlich seiner I n d i v i d u a l i t ä t streng bestimmtes Seiende. Sie ist aber mit dem Wesen der besonderen Seinsweise streng verbunden, die wir „Realsein" nennen. Jedes individuelle Reale ist als solches von einem anderen individuellen Realen auf diese Weise „seinsabhängig", oder anders gewendet: in s e i n e m S e i n k a u s a l a b h ä n g i g . Wir werden somit die f a k t i s c h e S e i n s a b h ä n g i g k e i t der Wirkung von der Ursache von der w e s e n s m ä ß i g e n S e i n s a b h ä n g i g k e i t der Ursache von der Wirkung unterscheiden. In diesem Unterschied besteht audi die existentiale Asymmetrie der beiden Glieder des kausalen Seinszusammenhanges. Während die wesensmäßige Seinsabhängigkeit ein existentiales Moment ist, das zu der Seinsweise sowohl des Realen als auch zu der Seinsweise der idealen Gegenständ18
lidikeiten gehören kann, ist die faktische Seinsabhängigkeit ein existentiales Moment ausschließlich der r e a l e n Gegenständlichkeiten, und zwar immer in ihrer Beziehung zu einer a n d e r e n r e a l e n Gegenständlichkeit. Es ist also - wenn man so sagen darf - ein „intramundanes" existentiales Moment, das von der S e i n s a b g e l e i t e t h e i t , die den Gegensatz zur Seinsurspriinglichkeit bildet, wesentlich verschieden ist. Die Seinsabgeleitetheit gehört möglicherweise auch zu der Seinsweise des Realen als solchen, aber zeichnet dann ursprünglicherweise die W e l t als G a n z e s in ihrem Sein und in ihrer existentialen Beziehung zu etwas anderem aus, das seinsursprünglich ist. Sie ist also originaliter ein e x t r a m u n d a n e s existentiales Moment - falls sie natürlich bei letzter ontologisch-metaphysisdier Betrachtung sich als das existentiale Moment der realen Welt ausweisen sollte.5 Die wesensmäßige Seinsabhängigkeit der Ursache von der Wirkung gründet in dem m a t e r i a l e n Wesen einerseits dessen, was Ursache ist, andererseits in dem der Wirkung. Dieses materiale Wesen zeichnet die Ursache durch eine wesensmäßige Ergänzungsbedürftigkeit („Unvollendetheit"), andererseits die Wirkung durch eine wesensmäßige „Vervollständigungsfähigkeit" eines anderen als eine erschaubare, eins i c h t i g e Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t der Wesensmaterien der b e i den G l i e d e r des kausalen Seinszusammenhanges aus. Eine gewisse materiale Komplementarität ihrer Wesen zeichnet diese Glieder aus und macht die N o t w e n d i g k e i t des kausalen Seinszusammenhangs verständlich. Man hat auch immer einen material fundierten, notwendigen Seinszusammenhang zwischen der Ursache und ihrer Wirkung gesucht. Und da, wo es nicht gelang, wie fast in der gesamten neuzeitlichen Philosophie, ihn zu finden - dort hat man wenigstens versucht, den ursächlichen Zusammenhang zwischen U und W nur in jenen Fällen anzunehmen, in welchen ein a l l g e m e i n e s „Kausalgesetz" festgestellt werden konnte, das die s t ä n d i g e W i e d e r k e h r von Tatsachenpaaren, deren erstes Glied „Ursache", das zweite aber „Wirkung" sein soll, bestimmt. Und die ganze Skepsis eines Hume (und seiner Nachahmer) hat ihren Grund darin, daß nach Hume und den ihm folgenden „Positivisten" ein wesensmäßiger material fundierter Seinszusammenhang zweier Tatsachen, die praktisch als Ursache und Wirkung behandelt werden können, 5 Denn es gibt bekanntlich eine philosophische und insbesondere eine metaphysische Auffassung - die materialistische - welche die Welt, und insbesondere die materielle (physische) Welt für seinsursprünglich hält; so bedarf es - auch aus d i e s e m Grunde - eines Erweises der eventuellen Seinsabgeleitetheit der realen Welt.
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n i c h t e i n s e h b a r sein soll6 und sich daher - wenn dies streng gelten würde - aucii nicht finden ließe. Was wir in der täglichen Erfahrung, die den Ausgangspunkt der naturwissenschaftlichen Forschung bildet, erreichen, ist danach nur das Auftreten zahlreicher Tatsachenpaare, deren Glieder - nach Hume - ständig aufeinanderfolgen. Aber auch Humes Skepsis geht nicht so weit, daß er das Phänomen der Notwendigkeit der ursächlichen Verbindung zu leugnen vermöchte. Auch er bemüht sich dieses Phänomen einer „notwendigen" Beziehung zwischen Ursache und Wirkung zu erklären, wenn er audi keinen e r k e n n t n i s m ä ß i g b e f r i e d i g e n d e n G r u n d zu ihrer Annahme vorzufinden glaubt und deswegen nur p s y c h o l o g i s c h e M o t i v e dieser Annahme anerkennt. Es ist nicht möglich, hier eine sachliche Diskussion mit Hume durchzuführen, da diese sehr weit ausholen müßte. Wenn wir Humes Ansichten überhaupt erwähnt haben, so nur deswegen, weil sogar Hume, dessen Ausführungen vielleicht die relativ schwerwiegendsten Argumente gegen das Bestehen eines Notwendigkeitszusammenhanges zwischen U und W enthalten, dieses Moment der Notwendigkeit nicht schlechthin leugnet, sondern nur Bedenken gegen die Möglichkeit seiner A u s w e i s u n g auf einem erkenntnismäßig ganz bestimmten, nach ihm einzig berechtigten Wege erhebt. Für uns ist hierbei nur zweierlei wichtig. Erstens, daß dieser notwendige (einsichtige) Seinszusammenhang nur zwischen der u n m i t t e l b a r e n und im u r s p r ü n g l i c h e n Sinne genommenen7 Ursache und Wirkung besteht, zwischen e n t f e r n t e r e n Gliedern einer Kausalreihe aber nicht zu finden ist. Zweitens aber, daß das Vorhandensein eines derartigen notwendigen Seinszusammenhanges zwar zu einer ständigen Wiederholung der ursächlich miteinander verbundenen Paare von Tatsachen führen k a n n , aber durchaus n i c h t f ü h r e n muß. Bezüglich des ersteren ist zu bemerken, daß die seit Hume vorherrschende Meinung, es ließe sich kein notwendiger Seinszusammenhang zwischen der Ursache und ihrer Wirkung finden, zum Teil darin gründet, daß sowohl in der täglichen, als auch in der wissenschaftlich organisierten, experimentellen Erfahrung meistens nur sehr m i t t e l b a r e Glieder einer ursächlichen Kette erfaßt werden. Wir können mit unseβ Das ist natürlich nicht die originelle Humesche Formulierung seines Standpunktes, obwohl auch H u m e von der „intuition" im Zusammenhang mit den von ihm angenommenen „relations of ideas" spricht. Es ist nur eine Formulierung, die an die moderne, phänomenologische Forschung anknüpft. 7 Idi werde bald erklären, was unter diesen Ausdrücken zu verstehen sei.
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ren sinnlichen Organen im allgemeinen synthetische Verschmelzungen von Mannigfaltigkeiten zeitlich unterschiedener Tatsachen erzielen, in denen nur relativ beträchtlichere qualitative Unterschiede sich von Zeit zu Zeit abzeichnen und als voneinander abgegrenzte Veränderungen und Zustände wahrnehmbar sind. Mit unseren wissenschaftlichen Beobachtungsapparaten dagegen können wir im allgemeinen nur zeitlich voneinander entfernte Schnitte in den konkreten Verlauf der realen Geschehnisse machen. Dann ist es natürlich, daß die auf beiden Wegen vorgefundenen Tatsachen einen oft relativ beträchtlichen, obwohl für unsere menschliche Wahrnehmung oft phantastisch kleinen Zeitunterschied aufweisen, so daß die „Ursache" wirklich früher ist als ihre Wirkung, eben eine ziemlich weit entlegene, m i t t e l b a r e Wirkung. 8 An m i t t e l b a r e n Gliedern einer Kausalkette ist aber nicht zu erschauen, daß sie sich in einem notwendigen, material fundierten Seinszusammenhang befinden. Es ist nur möglich, aus der festgestellten Tatsache, daß ein Tatbestand T n als Ursache eingetreten ist und daß sich eine lückenlose Kette ursächlicher Beziehungen ni, n2, n 3 , . . . , n P , . . . , die bis zu dem Tatbestand T r führt, aufweisen läßt, zu s c h l i e ß e n , daß auch Tr notwendig eintreten werde. Aber dies ist etwas anderes als an dem m a t e r i a l e n G e h a l t zweier Tatsachen, und vor allem an dem materialen Gehalt der unmittelbaren Ursache zu erschauen (bzw. einzusehen), daß sie durch ihr material ganz bestimmtes Seinskomplement unabänderlich ergänzt werden muß, das sie auch deswegen ins Sein ruft, es realisiert. Daß sie es - und, wie es sich bald zeigen wird, nicht allein, obwohl ihr Anteil dabei ausschlaggebend ist - zu tun vermag, das ist ihr Seinsgewicht, ihre „Kraft", ihre Seinsaktivität. 9 Daß sie es aber tun muß, dies liegt an ihrem Seinsgebrechen, an ihrer material fundierten Unvollkommenheit. Diese eigentümliche Seinsrelativität der eine Ursache bildenden Tatsache ist aber an dem materialen Gehalt ihrer W i r k u n g a l l e i n nicht zu erschauen, natürlich, falls diese Wirkung nicht ihrer8 Wir werden später sehen, daß nicht alle mittelbaren Ursachen früher als ihre Wirkung sind. Vgl. unten S. 120. 9 So ist es nur natürlich, daß man sowohl im täglichen Leben als audi in der Wissenschaft die beiden Begriffe „Ursache" und „Kraft" so eng miteinander zu verbinden geneigt ist. Freilidi hat die positivistische Kritik den Begriff der „Kraft" aus der Physik zu verbannen versudit; aber merkwürdig genug, wurde mit ihm audi der Begriff der Ursache aus der Physik - wenigstens im Prinzip - verbannt und durch den Begriff der positivistisch gedeuteten funktionalen Abhängigkeit bzw. Zuordnung ersetzt. Trotz aller Edikte sind aber in der wissenschaftlichen Praxis diese beiden Begriffe nie wirklidi verschwunden. Man hat die von ihnen bestimmten Tatbestände nur mit anderen Namen bezeichnet, ohne dadurch die tatsächliche Organisierung und den Verlauf der experimentellen Arbeit beeinflussen zu können.
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seits U r s a c h e einer neuen Tatsache ist bzw. sein muß. 10 Aber dies ist sdion eine ganz neue Angelegenheit. Es ist auch durchaus verständlich, daß Hume diese Ergänzungsbedürftigkeit der Ursachen dort nicht finden konnte, wo er bloß gegebene und bekannte Tatsachen als W i r k u n g e n betrachtete und erst zu ihnen die Ursache in „unbekannten Kräften"(!) suchte. Um so weniger ist sie an dem materialen Gehalt zweier Tatsadien zu erschauen, die nur m i t t e l b a r e Glieder einer Kausalkette sind. Diesen entfernten Gliedern stehen wir auch sozusagen v e r s t ä n d n i s l o s gegenüber. Wenn wir die Existenz der vermittelnden Glieder auf irgendwelchem Wege als erwiesen annehmen dürfen, so dürfen wir auch - trotz des Nichtvorhandenseins der Einsicht sicher sein, daß die r-te Wirkung tatsächlich eintritt bzw. eintreten wird, aber den rein s a c h h a l t i g e n G r u n d der Zugehörigkeit der r-ten Wirkung zu der Ausgangsursache, der eben in einer Reihe von uns in diesem Falle unbekannten Seinszusammenhängen besteht, s e h e n wir nidit ein. Die materiale Bestimmung der r-ten Wirkung bildet natürlich auch keine qualitative Ergänzung der Ausgangsursache, sie stillt (befriedigt) die Ergänzungsbedürftigkeit d i e s e r Ursache nicht, sie tut es aber eben einer a n d e r e n , ihrer u n m i t t e l b a r e n Ursache gegenüber. Diese qualitative Ergänzung ist nicht unter den n a c h f o l g e n d e n Tatsachen, sondern in den sich mit der Ursache gleichzeitig Ereignenden zu suchen. So ist es nicht nur natürlich, sondern sogar durchaus begründet, daß Hume und seine positivistischen Nachahmer bezüglich der mittelbaren Glieder einer Kausalreihe keinen intuitiv erfaßbaren Grund ihrer notwendigen Aufeinanderfolge finden konnten. Leider haben sie es sich nicht zum Bewußtsein gebracht, daß sie es lediglich mit mittelbaren Gliedern einer Kausalkette zu tun hatten, und sie haben deswegen unberechtigterweise ohne weiteres skeptische Schlüsse bezüglich j e d w e d e r kausalen Beziehung daraus gezogen. Trotz aller Skepsis, die in den „philosophischen" Ansichten der Naturwissenschaftler seit Humes Zeiten betreffs der Möglichkeit des Vorfindens eines notwendigen ursächlichen Seinszusammenhanges herrscht, ist es sehr bemerkenswert, obwohl im allgemeinen nicht beachtet, daß in der modernen Physik — aber auch in anderen Zweigen der modernen Naturwissenschaft, z. B. in der experimentellen Biologie - immer wieder der Versuch unternommen wird, die Zeitspanne zwischen den erfaßten Gliedern einer Kausalkette mit Hilfe von immer präziseren 10 o b eine Tatsache selbst wirklidi immer eine Wirkung haben muß, werden wir noch Gelegenheit haben zu erwägen. Vgl. unten die Betrachtung über das sog. Prinzip der Wirkungen.
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Methoden der naturwissenschaftlichen Experimentaltechnik möglichst zu v e r k l e i n e r n , eben weil man - wie es scheint - sich klargemacht hat, daß im experimentellen Verfahren ganze Perioden des tatsächlichen physikalischen oder biologischen Geschehens übersprungen werden, die - einmal aufgedeckt - uns zur Lösung der wesentlichen wissenschaftlichen Probleme verhelfen und den echten kausalen Zusammenhang der Tatsachen vor Augen stellen könnten. Andererseits ist es nicht zu übersehen, daß audi seitens der physikalischen Theorie die Bemühung dahin geht, den Zusammenhang von Tatsachen, welche man in der Erfahrung vorfindet und die auf den ersten Blick oft ganz unzusammenhängend und unbegreiflich zu sein scheinen, durch einen entsprechenden Ausbau der Theorie nicht bloß zu erfassen, sondern auch mehr oder weniger v e r s t ä n d l i c h zu machen, damit man sich sozusagen der weit entfernten Grenze der Einsicht in einen Notwendigkeitszusammenhang wenigstens in bescheidenem Maße nähern könnte. In diesem Verständlich-Machen des Seinszusammenhanges der Tatsachen, die zunächst nur durch bloße Aufeinanderfolge in der Zeit aneinandergekettet zu sein scheinen, besteht der ganze Sinn und die Hauptaufgabe der mathematischen Theorie der heutigen Physik. So scheint auch bei den in ihren allgemeinen Ansichten so stark positivistisch und empiristisch orientierten Naturwissenschaftlern wenigstens eine Ahnung des Bestehens einer Notwendigkeitsbeziehung zwischen einer jeden Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung lebendig zu sein. Was aber die Frage betrifft, ob der Notwendigkeitszusammenhang zwischen einer Ursache und ihrer Wirkung zur Wiederholung von Tatsachenpaaren führen muß, so ist vor allem zweierlei zu unterscheiden: das w e s e n s g e s e t z l i c h e B e s t e h e n eines Notwendigkeitszusammenhanges zwischen zwei Gegenständlichkeiten und das t a t s ä c h l i c h e V o r k o m m e n * in der realen Welt von Fällen, in denen solch ein Zusammenhang realisiert wird. Aus dem ersten folgt nicht, daß es zum zweiten überhaupt kommen muß, und noch weniger, daß es dazu mehrmals kommen muß. Das Bestehen dieses Zusammenhanges hat nur zur Folge, daß f a l l s das Element U einmal tatsächlich in der realen Welt auftritt, auch das Element W in ihr notwendig vorkommen muß, so daß auch s o o f t das erste vorhanden ist, ebenfalls das zweite vorhanden sein muß. Andererseits beweist das eventuell b l o ß e i n m a l i g e Zusammen-Auftreten zweier Gegenständlichkeiten in der Welt n i c h t , daß k e i n Notwendigkeitszusammenhang zwischen ihnen besteht, wie auch umgekehrt das in einer Zeitphase s t ä n d i g e gemeinsame Auftreten in der rein erfahrungsmäßig gegebenen realen Welt der Gegen23
ständlidikeiten A und Β keinen hinreichenden Grund für das Bestehen eines Notwendigkeitszusammenhanges zwischen denselben bildet. Denn ihr Zusammenauftreten könnte eventuell durch einen dritten Faktor bewirkt werden, der mit ihrem Wesen und den sich daraus ergebenden Notwendigkeitsbeziehungen nichts gemein hat. Infolgedessen kann das Aufsammeln in der Erfahrung von Fällen, in denen sich ein Paar von Gegenständlichkeiten ständig wiederholt, keine Begründung für ein Gesetz ergeben, in welchem ein Notwendigkeitszusammenhang zwischen diesen Gegenständlichkeiten festgestellt werden würde. Es kann aber auch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Gesetzes in gar keinem Sinne erhöhen. Das ständige Sich-Wiederholen von Tatsachenpaaren in der Natur kann auch beim F e h l e n einer Notwendigkeitsbeziehung zwischen ihnen vorkommen, so daß ihr Zusammenauftreten vom Standpunkt ihres W e s e n s durchaus „zufällig" ist; aber beim Vorhandensein einer notwendigen ursächlichen Beziehung zwischen ihnen ist das Sidi-Wiederholen des Tatsachenpaares von dem wiederholten Auftreten des e r s t e n Gliedes in der Welt abhängig. Das wiederholte Auftreten dieses Gliedes hängt aber nicht vom Charakter d i e s e r Beziehung, sondern nur davon ab, ob sich in der realen Welt hinreichend viele gleichartige Gegenständlichkeiten befinden, an denen sich solche Tatsachen vollziehen. Also auch bei der Annahme der Behauptung von dem Bestehen eines Notwendigkeitszusammenhanges zwischen der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung ist noch die Annahme der „Regelmäßigkeit" in der Natur notwendig, um zu streng a l l g e m e i n e n empirischen Gesetzen zu gelangen, und zwar auch dann, wenn wir in den schon untersuchten Fällen von Tatsachenpaaren mit voller Sicherheit feststellen könnten, daß in ihnen ein kausaler Seins-Zusammenhang besteht. Solange die Behauptung über die „Regelmäßigkeit" der Natur nicht auf irgendeinem von den Erfahrungsgesetzen u n a b h ä n g i g e n Wege e r w i e s e n ist, sind die sogenannten „allgemeinen" Naturgesetze (die nur dem Namen nach „Kausalgesetze" sind) bloße E x t r a p o l a t i o n e n von rein s t a t i s t i s c h e n Gesetzen, welche sich bloß auf die bis zu einem g e g e b e n e n Zeitpunkt festgestellten Tatsachen und Tatsachenpaare beschränken. Dies also zur Klärung der Art der Beziehung, welche zwischen einer Tatsache, die Ursache von etwas ist, und einer anderen Tatsache, die deren (unmittelbare 11 ) Wirkung bildet, besteht. 11 Idi setze das Wort „unmittelbare" in Parenthese, weil idi bloß die unmittelbare Wirkung für Wirkung bzw. die unmittelbare Ursache für Ursache im strengen Sinn halte; das Beiwort „unmittelbar" ist also im Grunde entbehrlich. Aber andererseits
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§ 86. Ü b e r die F o r m der G l i e d e r der u r s ä c h l i c h e n B e z i e h u n g Nun aber zu der Frage, welcher Form die Gegenständlichkeiten sind, die als „Tatsachen" im Rahmen einer ursächlichen Beziehung als deren Glieder auftreten. Sind es „Dinge" bzw. allgemeiner: in der Zeit verharrende Gegenstände oder sind es Ereignisse oder endlich Vorgänge? Oder sind es vielleicht alle drei oder bloß die beiden letzteren? und dergleichen Fragen mehr. Bis zu Humes Zeiten war eher die Auffassung vorherrschend, daß die „Ursache" - wie der deutsche Name anzudeuten scheint12 - eben eine „Sache" oder wie man ζ. B. mit Descartes sagen würde, eine „Substanz" sei. Indessen schon was die Wirkung betrifft, so ist es vielleicht nie mit solchem Nachdruck betont worden, daß auch sie ein „Ding" sei; es scheint da eher die Neigung zu überwiegen, in ihr ein Ereignis, einen Tatbestand oder einen Vorgang zu sehen.13 ist der allgemeinverwendete Begriff der Wirkung und der Ursache so weit, daß er sowohl die „unmittelbaren" Ursadien und Wirkungen als audi die „mittelbaren" Ursachen und Wirkungen mitumfaßt. So ist es ratsam, in Fällen, wo es sich lediglich um Ursache bzw. Wirkung im strengen Sinne handelt, das Wort „unmittelbar" beizufügen. 1 2 Schon aber z. B. das polnische Hauptwort „przyczyna" stammt von dem Zeitwort „czynic" - „madien", „handeln", und steht mit dem Zeitwort „przyczyniaé siç" (zu etwas beitragen, mitmachen u. dgl. m.) in engem Zusammenhang, so daß das polnische Wort in seiner Bedeutung eher auf einen Vorgang oder ein Ereignis hinzuweisen scheint. 1 3 Daß sogar bedeutende Naturforscher sidi nicht klar zum Bewußtsein bringen, was eigentlich die Glieder des Kausalzusammenhangs bildet, beweist am besten vielleicht der folgende Text aus M. P l a n c k s Abhandlung „Der Kausalbegriff in der Physik" (Leipzig 1932): „Von vornherein besteht wohl die Ubereinstimmung darüber, daß man, wenn von einem Kausalzusammenhang zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen die Rede ist, darunter eine gewisse gesetzmäßige Verkettung der beiden Ereignisse versteht." (a. a. O., S. 3) Audi an mehreren späteren Stellen der zitierten Abhandlung wird von Ereignissen als den Gliedern des Kausalzusammenhanges gesprochen. Aber einige Zeilen nadi dem soeben zitierten Satz lesen wir: „In der Tat gibt es für den Nachweis, daß irgend zwei Vorgänge kausal zusammenhängen, kein einwandfreieres Mittel, als zu zeigen, daß aus dem Eintreffen des einen Vorgangs stets im voraus auch das Eintreffen des anderen Vorgangs gefolgert werden kann." Und sofort darauf folgt der Satz: „Das wußte sdion jener Landwirt, der den Kausalzusammenhang zwischen Kunstdünger und Bodenfruchtbarkeit den ungläubigen Bauern dadurch ad oculos demonstrierte, daß e r . . . " Es ist schon bedeutungslos, was und womit er demonstrierte, aber wichtig ist es, daß „Kunstdünger" und „Bodenfruchtbarkeit" weder ein Ereignis noch ein Vorgang ist, sondern das erste ist ein Ding, das zweite aber eine Eigenschaft eines Dinges, so daß wir in diesen kurzen Erklärungen P l a n c k s v i e r verschiedene Auffassungen dessen bekommen, was Glied des Kausalzusammenhangs sein kann.
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Es handelt sich hier natürlich nicht um eine terminologische Angelegenheit oder um die Prägung eines beliebig zu fassenden Begriffs. Es handelt sich darum, in welcher g e g e n s t ä n d l i c h e n F o r m die Glieder einer echten ursächlichen Beziehung wirklich sind. Mag audi die Erfassung einer unmittelbaren ursächlichen Beziehung praktische Schwierigkeiten bereiten, so können wir doch Beispiele wählen, in denen Glieder einer Reihe von Ursachen und Wirkungen vorkommen, auch wenn sie sehr mittelbar sein sollten, denn die Mittelbarkeit der Glieder ändert an ihrer Form nichts Wesentliches. Und da zeigt es sich, daß entgegen dem oft vorkommenden Sprachgebrauch, bei welchem man ζ. B. von einem Feldherrn zu sagen pflegt, er sei die Ursache des Sieges gewesen, wir zugeben müssen, daß die Glieder der ursächlichen Beziehung E r e i g n i s s e bzw. auch P r o z e s s e (Vorgänge) bilden. Die Ursache des Todes eines Menschen sei - sagen wir - das Zerreißen der Aorta. Sowohl dieses „Zerreißen", das in einem gegebenen Augenblick eintritt, als auch der Tod scheint ein Ereignis zu sein. Wenn wir aber von jemandem sagen: „eine langjährige Krebskrankheit war die Ursache seiner Leiden", so haben wir es mit zwei Vorgängen zu tun, die miteinander kausal verbunden zu sein scheinen. Freilich muß man da vorsichtig sein, um die Ursache im u r s p r ü n g l i c h e n Sinne mit der Ursache in einem bloß abgeleiteten Sinne nicht zu verwechseln.14 Aber auch einfachere, aus der Physik genommene Beispiele können uns über die Form der Glieder der ursächlichen Beziehung belehren. So ist ζ. B. das Schließen des Stromkreises in einer elektrischen Anlage die Ursache dafür, daß der elektrische Strom im Leiter zu fließen beginnt. Aber das Fließen dieses Stromes ist seinerseits Ursache dessen, daß sich die Temperatur des Leiters während einer bestimmten Zeit erhöht. Im ersten Falle haben wir es, wie es scheint, mit zwei Ereignissen, die miteinander kausal verbunden sind, zu tun, im zweiten dagegen mit zwei Vorgängen.16 Es kann aber auch der Fall vorkommen, wo die Ursache ein Ereignis und die Wirkung ein Vorgang ist, ζ. B. wenn ein Stoß die Bewegung eines Körpers verursacht. Endlich können auch zwei Vorgänge Glieder der ursächlichen Beziehung bilden, und es kann merkwürdige Unterschiede in der Art geben, wie Vorgänge an der ursächlichen Beziehung 14 Auf den Unterschied zwischen der Ursache im ursprünglichen und im abgeleiteten Sinne haben wir im I. Bd. dieses Werkes (S. 93 ff.) hingewiesen. Wir kommen nodi darauf zurück. 15 Die nähere formale Analyse dessen, was ein Ereignis und was ein Vorgang ist, im Gegensatz zu einem in der Zeit verharrenden Gegenstande, insbesondere im Gegensatz zu einem „Ding", habe ich im II. Band dieses Werkes durchgeführt und muß den Leser bitten, dort nachzulesen. Vgl. 1. c. § 61.
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teilnehmen. Den ersten Fall bildet zum Beispiel ein elektrischer Strom in einem Leiter, der gleichmäßig fließt und während einer Phase s e i n e s g a n z e n V e r l a u f s die fortschreitende Erhöhung der Temperatur dieses Leiters verursacht; dann aber erhält der relativ gleichmäßig fließende Strom ungefähr dieselbe Temperatur im Leiter. Es sind hier sozusagen zwei p a r a l l e l l a u f e n d e Vorgänge vorhanden, deren einzelne P h a s e n einander u r s ä c h l i c h zugeordnet sind: die n-te Phase des ersten Vorgangs (des Fließens des Stromes) ruft eine entsprechende Phase der Erhöhung der Temperatur des Leiters hervor usw. Es kann aber auch einen entgegengesetzten Fall geben: Während einer bestimmten Zeit vollzieht sich eine ständige Erhöhung der Temperatur des Wassers (durch Zufuhr einer immer neuen Wärmemenge). In einem bestimmten Moment beginnt ein vollkommen neuer Vorgang (dessen Beginn auch für ein Ereignis gehalten werden kann), und zwar die eruptive, im ganzen Innern des Wassers sich vollziehende Verwandlung des Wassers in Dampf, die wir im täglichen Leben „Kochen" bzw. „Sieden" nennen. Hier bewirkt erst die l e t z t e P h a s e des ersten Vorgangs ein besonderes Ereignis bzw. einen neuen Vorgang. Ähnlich ist es, wenn ζ. B. eine sich bewegende Kugel auf eine andere trifft und zu einem Zusammenstoß führt, der ein Ereignis bildet und sich in zwei neue Vorgänge verwandelt: die gestoßene Kugel beginnt sich auf eine bestimmte Weise zu bewegen, und die stoßende Kugel bewegt sich nach dem Zusammenstoß oft ihrerseits weiter, obwohl auf eine andere Weise als früher. Auch eine Mehrzahl von diskret aufeinanderfolgenden Ereignissen (bzw. kurzdauernden Vorgängen), ζ. B. die voneinander zeitlich entfernten, aber regelmäßig aufeinanderfolgenden Schläge auf eine Glocke, rufen einen k o n t i n u i e r l i c h e n Vorgang hervor: die rhythmische Hin- und Herbewegung der Glocke. Beim Vorbeifahren eines Eisenbahnzuges ruft das mehrmalige Aufdrücken der Räder der Wagen auf eine bestimmte Stelle des Gleises eine rhythmische Bewegung der Schiene (nach oben und nach unten), also einen Vorgang hervor, der mit einem Zyklus von Gestaltänderungen dieser Schiene, wie endlich mit dem Prozeß der Erwärmung derselben innig verbunden ist. Es werden hier drei verschiedene Vorgänge durch eine Reihe voneinander getrennter Ereignisse bewirkt, die freilich selber wiederum durdi einen einheitlichen Vorgang ursächlich hervorgerufen werden, und zwar durch die Fahrt des Eisenbahnzuges mit einer bestimmten Schnelligkeit. Diese drei Vorgänge mögen alle nicht ohne einen inneren Zusammenhang verlaufen, aber sie werden alle durch eine Reihe von Ereignissen (oder von voneinander getrennten, kurzandau-
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ernden Vorgängen) verursacht. Audi den umgekehrten Fall kann man angeben, in welchem eine Mehrzahl von V o r g ä n g e n zu einem und demselben E r e i g n i s führt, wenn es ζ. B. zur Kreuzung von Vorgängen kommt, ζ. B. bei zwei zusammenstoßenden Zügen, oder wenn verschiedene gleichzeitig sich abspielende Krankheitsprozesse zu einem Ereignis, dem Tode des Menschen, führen. Wie wir sehen, gibt es eine ganze Mannigfaltigkeit von verschiedenen Fällen und Kombinationen von Ereignissen und Vorgängen, die in ursächliche Beziehungen verwickelt werden können. Wenn wir aber zugeben, daß der Beginn und die Beendigung eines Vorgangs immer ein Ereignis ist und daß auch die Kreuzung zweier oder mehrerer Vorgänge die Form eines Ereignisses hat, so lassen sich diese verschiedenen Fälle auf drei Typen reduzieren. Die Glieder der ursächlichen Beziehung bilden dann entweder 1. zwei Ereignisse oder zwei Gruppen von Ereignissen oder 2. ein Ereignis und ein Vorgang 18 oder 3. zwei Vorgänge bzw. zwei Gruppen von Vorgängen. Mit Rücksicht auf die späteren Betrachtungen wäre es aber sehr vorteilhaft, alle diese Fälle auf einen einzigen zu reduzieren, und zwar auf den ersten. Versuchen wir vor allem, es mit dem Fall (2) zu tun. ad 2. Er zerfällt in zwei verschiedene Fälle: entweder a) die Ursache ist ein Ereignis und die Wirkung ein Vorgang oder b) ein Vorgang bildet die Ursache, deren Wirkung ein Ereignis ist. ad a) Was bedeutet es denn, daß ein Vorgang die Wirkung eines Ereignisses ist? Dieses Ereignis, wie vor allem zu bemerken ist, ist immer die Endphase eines Vorgangs (oder mehrerer Vorgänge, ζ. B. bei der Kreuzung zweier Vorgänge). Zum Beispiel geht der Stoß, den eine bis jetzt auf einem Tische ruhende Kugel erleidet, selbst aus einem Vorgang des Stoßens hervor. Nichtsdestoweniger gibt es einen Moment, in dem dieser Vorgang in dem Ereignis des Stoßes kulminiert und in ihm seinen Abschluß findet, und in demselben Moment beginnt die Kugel zu rollen. Daß dieser Vorgang des Rollens die Wirkung des Stoßes ist, besagt nichts anderes, als daß er durch den Stoß hervorgerufen wurde, das heißt, daß er dadurch angefangen hat, sich fortzuentwickeln. Dieses „Anfangen" ist auch ein Ereignis, aber kein beliebiges, sondern ein Ereignis einer ganz bestimmten Art. Es ist eben der „Anfang" eines kontinuierlichen Vorgangs, in den er ohne jedwede Unterbrechung oder 1 9 Wir wollen darunter auch den Fall mit umfassen, in welchen einerseits eine Mannigfaltigkeit von Ereignissen, andererseits eine Mannigfaltigkeit von Vorgängen als Glied einer kausalen Beziehung fungiere.
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sonstige Wandlung einfach übergeht. Es ist nicht ein Ereignis, das sich sozusagen bloß vollzieht und sich in seinem Vollzug erschöpft, aber auch nicht ein Ereignis, das in einen unveränderlichen Zustand mündet. Daß sidi aus ihm ein bestimmter Vorgang u n m i t t e l b a r entwickelt, gehört zu seinem Wesen als Anfang eines Vorgangs, es verlängert sich sozusagen automatisch in denselben, ohne daß dazu eine n e u e Ursache notwendig wäre. Es bedarf nur einer Reihe von Umstandsbedingungen, die die einmal begonnene Bewegung (wie im Falle des Beispiels) zu erhalten erlauben. Mit dem Beginn des neuen Vorganges ist das neue Gleichgewicht in dem betreifenden System eingetreten, und solange keine neue Veränderung eintritt, erhält sich dieses Gleichgewicht und mit ihm auch die begonnene Bewegung (der Vorgang). Es kann aber unter den Faktoren des Systems audi Bedingungen geben, die dem Vollzug des durch die Ursache begonnenen Vorgangs entgegenwirken und ihn allmählich „hemmen", so daß sich derselbe zwar einige Zeit fortentwickelt, aber zugleich bestimmten Veränderungen unterliegt, die ihn „schwächen" (ζ. B. die Bewegung verlangsamen) und endlich zum Stillstand bringen (ζ. B. Reibung, Luftwiderstand und dergleichen mehr). Diese neuen Faktoren bilden dann die Ursache der „Abschwächung" bzw. „Hemmung" des betreffenden Vorgangs, was zum Stillstand führen kann. Aber auch sie müssen derart sein, daß sie die rollende Kugel nicht s o f o r t aufhalten (die Reibung bzw. der Luftwiderstand darf dann nicht „zu groß" sein), da die Kugel sonst überhaupt nicht ins Rollen käme; zweitens müssen sie aber von den bereits erwähnten Umstandsbedingungen begleitet werden, die zur Erhaltung des hervorgerufenen Vorgangs beitragen, und, nachdem er einmal begonnen hat, ihn weiter „ermöglichen". Diese letzten Bedingungen mußten aber als Umstände 17 schon in dem Moment vorhanden sein, in dem es zum Stoß der Kugel und zum Beginn ihres Rollens kam. Bei alldem muß aber betont werden, daß der Beginn des Rollens (des Vorgangs) k e i n e U r s a c h e dieses Vorgangs mehr ist: er setzt sich einfach in ihn fort, geht in ihn über; sonst wäre er kein „Anfang" von ihm. Insofern kann man mit gleichem Recht sagen: „die Wirkung des Stoßes ist die Bewegung der gestoßenen Kugel", wie „die Wirkung des Stoßes ist der B e g i n n des Rollens der Kugel". Es kommt uns eben darauf an, daß diese Äquivalenz möglich ist, denn sie erlaubt uns, den jetzt erwogenen Fall der kausalen Beziehung auf denjenigen zu reduzieren, in welchem die beiden Glieder dieser Beziehung Ereignisse sind. 17 Wir werden später auf das Problem der näheren Bestimmung der Ursadie im Untersdiied zu den „Umständen" eingehen.
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ad b) Nicht anders verhält es sich mit dem anderen Fall des zweiten Typus der kausalen Beziehung, in dem ein Vorgang die Ursache und ein Ereignis die Wirkung bildet. Eine Kugel rollt und hat in Folge der aufhaltenden Wirkung der Reibung gerade so viel Energie, daß sie bis an die Bande des Billardtisches herankommt und sie im letzten Moment ihrer Bewegung berührt. Die Wirkung dieser so verlaufenden Bewegung (wenigstens e i n e ihrer Wirkungen) ist eben dieses Ereignis des Beriihrens der Bande durch die herangekommene Kugel. Wäre die Bewegung nicht der Art, daß sie gerade im Moment des Herankommens an die Bande des Tisches zum Abschluß kommt, so würde es nicht zur bloßen Berührung dieser Bande, sondern auch zum Abprallen der Kugel an der Bande und zu einer weiteren Bewegung der Kugel kommen. So ruft in diesem Falle der Vorgang der Bewegung der Kugel, indem er selbst in einem Ereignis zum Abschluß kommt, das Ereignis des An-die-BandeAnlangens und desSie-Berührens hervor. Dabei ist es schon ohne Bedeutung, ob dieses Ende des Vorgangs ein aus ihm selbst sich ergebendes „Zum-Stillstand-Kommen" oder die Folge des stetigen Entgegen wirkens eines anderen Vorgangs oder endlich eine jähe Unterbrechung des Vorgangs durch irgend etwas ist. Also auch in diesem Falle bilden die echten Glieder der Kausalbeziehung zwei Ereignisse: dasjenige, das der A b s c h l u ß des Vorgangs ist, der zur Wirkung führt, und dasjenige, das die Wirkung selbst ausmacht. Der Unterschied zwischen ihnen besteht nur darin, daß das erste ein „Abschlußereignis" eines Vorgangs ist, dagegen das zweite ein „Anfangsereignis" eines Zustandes, der schon für sich - je nach den ihn erhaltenden Gleichgewichtsbedingungen eine Zeit dauert. ad 3. Damit haben wir die Fälle der Kausalbeziehung, deren ein Glied (scheinbar) durch einen Vorgang gebildet wird, auf den Typus (1) reduziert. Nehmen wir jetzt den Fall in Betracht, in welchem eine rollende Kugel eine andere (bis jetzt ruhende) Kugel stößt und in Bewegung setzt, während sie selbst entweder zum Stillstand kommt oder ihre Bewegung zwar fortsetzt, aber mit einer anderen Geschwindigkeit - so sind b e i d e Glieder dieser Kausalbeziehung zwar Vorgänge, aber dodi dieser Art, daß in dem Moment des Zusammenstoßes der beiden Kugeln der eine von ihnen, welcher Ursache ist, in einem Ereignis zum Abschluß kommt, während der zweite in einem Ereignis seinen Anfang nimmt. Also auch dieser Fall des dritten Typus der Kausalbeziehung läßt sich auf den ersten Typus zurückführen. Aber nidit alle kausalen Beziehungen des dritten Typus sind dieser Art. Zum Beispiel: es wurde ein Vorgang durch eine unmittelbare Ursache hervorgerufen 30
und setzt sich jetzt weiter fort. Und indem er sich fortsetzt, ruft er eine Zeitlang einen neuen Vorgang hervor oder er spielt sich zugleich unter solchen Bedingungen ab, daß er selbst der Einwirkung der ihn hemmenden Faktoren, die selbst Vorgänge sein können, unterliegt. Als Beispiel kann die Erwärmung eines Leiters in einer elektrischen Anlage genommen werden. Sie wird durch den elektrischen Strom in demselben Leiter hervorgerufen. Ähnlich wird die Bewegung einer elektrischen Turbine durch den elektrischen Strom hervorgerufen und unterhalten. Oder: die Bewegung der Turbine wird - nach Ausschluß des Stromes - durch Reibung und Luftwiderstand allmählich zum Stillstand gebracht. Die ständige Verminderung ihrer Geschwindigkeit kann dann als Wirkung der Reibungsprozesse betrachtet werden. Darf man auch in den angeführten Fällen behaupten, daß die Glieder dieser Kausalbeziehungen aus Ereignissen bestehen? Es muß vor allem beachtet werden, daß die jetzt ins Auge gefaßten Fälle der Kausalbeziehung sich von allen früher betrachteten wesentlich unterscheiden. Während die früher besprochenen Fälle einen kausalen Seinszusammenhang bilden, der sich a u g e n b l i c k l i c h vollzieht und dessen Zustandekommen selbst ein E r e i g n i s höherer Ordnung ist höherer Ordnung, da es im Eintreten zweier streng miteinander verbundener Ereignisse besteht - , haben wir es in den soeben angeführten Beispielen mit kausalen Beziehungen zu tun, die im Grunde selbst einen komplizierten V o r g a n g bilden. D i e g a n z e Z e i t h i n d u r c h , in welcher der Strom im Leiter fließt, spielt sich die Bewegung der Turbine ab. Das heißt aber, d a ß w ä h r e n d d i e s e r g a n z e n Z e i t s i c h d a s W i r k e n d e s d i e U r s a c h e b i l d e n d e n P r o z e s s e s vollzieht. Und diese selbe Zeit d a u e r t a u c h d a s E n t s t e h e n d e r W i r k u n g jener Ursache. So ist hier die kausale Beziehung selbst ein V o r g a n g , der sich über eine bestimmte Zeit erstreckt, während in den früher betrachteten Fällen die kausale Beziehung ein E r e i g n i s war. Natürlich können die Glieder einer s o l c h e n „vorgänglidien" kausalen Beziehung keine momentan existierenden Ereignisse sein, wenn wir nicht abstraktiv vorgehen und die vorübergehenden, voneinander nicht abgegrenzten, sondern in sich kontinuierlich übergehenden Phasen intentional zu „Ereignissen" machen, wie dies manchmal in der Naturwissenschaft geschieht. Der eigentümliche V o r g a n g d e s k a u s a l e n B e d i n g e n s des einen Vorgangs durch einen anderen Vorgang kann sogar „mehrgliedrig" sein, indem manchmal nicht bloß zwei, sondern mehrere sidi zugleidi entwickelnde Prozesse sich in i h r e m g a n z e n V e r l a u f immer weiter sozusagen kettenartig kausal bestimmen. So ist es ζ. B., wenn ein 31
Wasserstrom in einer hydroelektrischen Anlage einen Turbogenerator in Bewegung setzt, der einen elektrischen Strom produziert, dessen Fließen wiederum andere elektrische Motoren bewegt, die verschiedenartige medianische Arbeiten leisten usw. Wir haben es in diesem Falle mit e i n e m Vorgang höherer Ordnung zu tun, der sich aus einer R e i h e v o n p a r a l l e l l a u f e n d e n , sich kausal bedingenden Vorgängen zusammensetzt; sie bauen sich aufeinander ursächlich auf und bilden einen ganz besonderen d a u e r n d e n S e i n z u s a m m e n h a n g . Derselbe kann noch verschiedene Gestalten annehmen je nachdem, ob die in ihn eingehenden Teilvorgänge homogen bzw. gleichförmig verlaufen oder selbst verschiedenen Wandlungen unterliegen (wobei dann immer gewisse Ereignisse in ihren Verlauf eingeschaltet sind). Dies kann aber hier nicht näher entwickelt werden, obwohl es für eine formale Theorie des Seins und Geschehens erforderlich wäre, dies ganz genau zu analysieren. Zu unserem jetzigen Zusammenhang gehört es lediglich, daß der ursächliche Zusammenhang, als ein b e s o n d e r e r V o r g a n g , hier nichts anderes ist als die Weise, komplizierte Vorgänge höherer Ordnung miteinander verwachsen zu lassen, sie zur innigen Einheit zu bringen. Er ist die Weise des Miteinandergesdiehens von Vorgängen, die nicht bloß nebeneinander und ohne inneren Zusammenhang verlaufen, sondern, indem sie sich auseinander kausal entwickeln, organisch miteinander verwachsene V o r g a n g s g a n z h e i t e n höherer Ordnung bilden. Ohne den prozeßhaften ursächlichen Seinszusammenhang zwischen ihren Bestandteilen wären sie gar nicht möglich. Hier sieht man vielleicht am deutlichsten, wie der p r o z e ß h a f t e kausale Seinszusammenhang ganzheitsbildend ist und Vorgänge, die ihrer reinen qualitativen Bestimmtheit nach auch lose nebeneinander verlaufen könnten und manchmal audi so verlaufen, zu e i n e m Vorgang höherer Stufe vereinigt. Die vorgänglichen kausalen Zusammenhänge, die übrigens in ihrer spezifischen vorgänglichen Art nicht erfaßt wurden, waren die einzigen Fälle kausaler Beziehung, in welchen man ohne zu zögern das Z u g l e i c h s e i n der Ursache und ihrer Wirkung zugab. Dies hielt man aber eher für eine Ausnahme, die eine Änderung der Auffassung der kausalen Beziehung, als einer Beziehung, deren Glieder nur aufeinanderfolgen, nicht erzwingen konnte. Aber sowohl der prozeßhafte kausale Seinszusammenhang als ein Vorgang, als auch der aus ihm (oder aus ihnen, wenn es m e h r e r e solche prozeßhafte kausale Zusammenhänge gibt) hervorgehende Vorgang höherer Ordnung müssen in einem Moment anfangen sich zu voll32
ziehen und eventuell in einem anderen Moment zum Abschluß kommen. Sie können auch in ihrem Verlaufe sich selbst wandeln, was immer im Zusammenhang mit dem Auftreten bestimmt gearteter Ereignisse sich vollzieht. Und sowohl der Anfang des prozeßhaften kausalen Seinszusammenhanges als audi der Anfang des aus ihm hervorgehenden Vorgangs höherer Ordnung - die beide zugleich stattfinden - sind E r e i g n i s s e , die kausal mit anderen Ereignissen verbunden sind. Und dasselbe bezieht sich auch auf das Zum-Abschluß-Kommen dieser beiden Vorgänge. Audi dieses ist ein Ereignis, das eine Ursache hat, und diese Ursache kann nichts anderes, als eben ein Ereignis sein. Obwohl es also einen kausalen Aufbau der parallel verlaufenden miteinander verbundenen Vorgänge gibt, müssen jedodi alle Vorgänge (auch der prozeßhafte kausale Vorgang selbst) ihren Anfang und ihren eventuellen Abschluß in einem Ereignis haben, das mit anderen Ereignissen in kausalem Zusammenhang steht. Wir dürfen uns also im folgenden auf die Betrachtung der e r e i g n i s h a f t e n und aus E r e i g n i s s e n b e s t e h e n d e n kausalen Seinszusammenhänge beschränken, ohne aber dabei zu vergessen, daß es auch Vorgänge und p r o z e ß h a f t e kausale Seinszusammenhänge gibt, die sozusagen zwischen die im kausalen Seinszusammenhang stehenden Ereignispaare eingeschaltet werden können. Im Gegenteil, die Möglichkeit und sogar das Vorhandensein solcher Vorgänge und vorgänglichen kausalen Seinszusammenhänge zwischen parallellaufenden Vorgängen ist - wie sich zeigen wird - für das Verständnis der kausalen Struktur der Welt von besonderer Wichtigkeit. Um uns später bequemer Ausdrücke bedienen zu können, werden wir einerseits von „ u r s ä c h l i c h e n E r e i g n i s s e n " sprechen (worunter wir den Fall einer kausalen Beziehung verstehen, die zwischen E r e i g n i s s e n als Ursachen und Wirkungen besteht), andererseits aber werden wir uns des Ausdrucks „ursächlicher Vorgang" bedienen, um den z w e i t e n soeben analysierten Fall ursächlicher Beziehung zu benennen und so die beiden Fälle auseinanderzuhalten.
§ 87. D i e U r s a c h e im u r s p r ü n g l i c h e n u n d im a b g e l e i t e t e n S i n n e Hier ist nun der Ort, zwischen Ursachen und Wirkungen im u r s p r ü n g l i c h e n und im a b g e l e i t e t e n Sinne zu unterscheiden. Gibt man einmal zu, daß die Ursache eines Werkes - z.B. einer 33
Kathedrale - nicht der Schöpfer ( z . B . ein Architekt), sondern seine bestimmt gearteten Taten und Tätigkeiten bilden, die in Mannigfaltigkeiten von Ereignissen kulminieren, so muß man beachten, daß diese Tätigkeiten bzw. Ereignisse sehr zahlreidi und verschiedenartig sind, ebenso wie die Handlungen der Bauarbeiter, die bei der Erbauung der Kathedrale tätig gewesen sind, und die durch sie hervorgebrachten Ereignisse. Will man die Gesamtheit dieser Tätigkeiten in den E n t w u r f des Projektes und die A u s f ü h r u n g dieses Projekts einteilen, die beide zur Schaffung der Kathedrale führen, so bildet jeder dieser „Teile" eine Gesamtheit von Tätigkeiten, die ein kompliziertes S y s t e m von einander zugeordneten und angeordneten Tätigkeiten bildet. So muß zunächst das „generelle" Projekt entworfen werden, in dem die Kathedrale in ihrer Gesamtkonstruktion bestimmt wird. Dann muß die genaue Ausarbeitung verschiedener, zunächst nur „skizzenhaft" oder nur ganz vag gedachter Details der Kathedrale durchgeführt werden. Aber schon der Entwurf des „generellen Projekts" besteht aus einer Mannigfaltigkeit von verschiedenen Bewußtseinsoperationen (Gedanken, Phantasievorstellungen, Berechnungen, Erwägungen, Festlegungen und Änderungen des bereits Festgelegten usw.), sowie von rein technischen Tätigkeiten (wie Zeichnen, Kopieren usw.), die oft mit der ersteren eng verwachsen und zeitlich verflochten sind. Nach einer Phase rein gedanklicher Arbeit folgt ζ. B. eine Phase der „Realisierung" des bereits Gedachten und führt zu Zeichnungen, welche sodann angeschaut und analysiert, betreffs ihrer ästhetischen Wirkung beurteilt werden usw., worauf wiederum eine Phase der Vorstellungstätigkeit einsetzt, in welcher es zur genaueren Bestimmung, zur konkreteren Ausgestaltung der „Konzeption" der Kathedrale und ihres Projekts kommt. Ähnliches betrifft die „Ausführung", den Prozeß des Bauens der Kathedrale. Auch da haben wir es mit einem komplizierten, zusammenhängenden S y s t e m von Tätigkeiten zu tun, deren letzter Erfolg das Entstehen der Kathedrale als eines realen Gegenstandes, aber auch als eines architektonischen Kunstwerks ist. Wir können diese ganzen Systeme von Tätigkeiten und Ereignissen (ζ. B. das System des Entwerfens und der zeidinerischen Realisierung des Projekts einerseits und das Entstehen der Kathedrale andererseits) als Glieder einer kausalen Beziehung betrachten. Dann sprechen wir von „Ursache" und „Wirkung" im a b g e l e i t e t e n und eigentlich übertragenen Sinne. Denn es ist klar, daß diese Systeme nur deswegen zur Realisierung gelangen und in einer (im abgeleiteten Sinne) „ursächlichen" Beziehung stehen und stehen können, weil sie sich in einer Mannigfaltigkeit von e i n z e l n e n 34
S c h r i t t e n - kleinen Vorgängen und einzelnen Ereignissen - vollziehen. Jeder einzelne Schritt - mit Ausnahme des letzten - im Entwerfen und Zeichnen des Projekts muß als „Ursache" des Entstehens des betreffenden Teils des (konzipierten bzw. schon gezeichneten) Projekts aufgefaßt werden. Und analog gibt es einzelne Schritte im Bauen der Kathedrale, denen die einzelnen Phasen und Akte der Entstehung der Kathedrale bzw. eines Teiles von ihr, als Wirkungen jener Schritte entsprechen. Diese Beziehungen, die zwischen den entsprechenden einzelnen Schritten und Phasen des Entwerfens (bzw. des Bauens) und des Entstehens der beiden Systeme bestehen, bilden ursächliche Beziehungen im u r s p r ü n g l i c h e n Sinne. Sobald man den Unterschied dieser zwei verschiedenen Bedeutungen der Worte: „Ursache" und „Wirkung" erfaßt hat, sind b e i d e Auffassungen der ursächlichen Beziehung zulässig. Nur muß man streng dabei bleiben, daß nur die „Ursache" und die „Wirkung" im u r s p r ü n g l i c h e n Sinne die in diesem Falle g r u n d l e g e n d e Seinsbeziehung ist, ohne welche die ursächliche Beziehung im a b g e l e i t e t e n Sinne gar nicht vorkommen könnte. Es muß auch zu der letzteren nicht immer kommen. Erst vermittels des strengen Seinszusammenhanges zwischen der Ursache im u r s p r ü n g l i c h e n Sinne und ihrer (unmittelbaren) Wirkung, falls mehrere solche Seinszusammenhänge zur Realisierung gelangen, kommt es bei Erfüllung weiterer Bedingungen zu der b l o ß e n Z u o r d n u n g s b e z i e h u n g der beiden S y s t e m e von Tatsachen, welche die „ursächliche" Beziehung im a b g e l e i t e t e n Sinne ausmacht. Diese Zuordnungsbeziehung der beiden Systeme von Tatsachen ist somit eine F o l g e e r s c h e i n u n g . Sie ist zwar nicht etwa das Ergebnis einer subjektiven Auffassung, sondern kommt im Sein selbst, und zwar unabwendbar zustande, wenn sich bestimmte ursprüngliche Ursachen und Wirkungen auf entsprechende Weise realisieren. Sie kommt nämlich nur dann zustande, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden: a) wenn es wirklich zur Realisierung der g a n z e n entsprechend gewählten Mannigfaltigkeit ursprünglicher kausaler Seinszusammenhänge kommt, b) wenn sowohl zwischen den Ursachen als auch zwischen den Wirkungen - im Sinne d e r e i n z e l n e n S c h r i t t e z.B. des Entwerfens und des Entstehens eines Projektes usw. - eine besondere s a c h l i c h e Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t besteht, die dazu führt, daß sie alle Glieder e i n e s Ganzen, eben des Systems von Tätigkeiten und Ereignissen sind. Diese s a c h l i c h e Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t zwischen den einzelnen Tätigkeiten und Ereignissen braucht im allgemeinen selbst schon k e i n strenger Seinszusammenhang mehr zu sein. Sie kann auch dort vorhanden sein, wo zwischen den Elemen35
ten des Systems vollkommene zeitliche, räumliche und „materielle" Trennung besteht. Sie kann aber auch dort vorliegen, wo die Glieder des betreffenden Systems eng miteinander verbunden sind, und wo im Zusammenhang damit das Ganze ein ursprüngliches und insbesondere ein „organisches Ganzes" ist. Nun, die sachliche Zusammengehörigkeit von Tätigkeiten und Ereignissen, welche im ursprünglichen Sinne kausal verbunden sind, braucht nicht überall aufzutreten. So ist auch die abgeleitete ursächliche Beziehung nicht in allen Fällen, wo Mannigfaltigkeiten von Ursachen und Wirkungen im ursprünglichen Sinne vorkommen, vorhanden. Kommt es aber zu einer abgeleiteten „ursächlichen" Beziehung zwischen zwei Systemen von Tatsachen, so ist sie, wie schon bemerkt wurde, eine unabwendbare F o l g e der Realisierung einer Mannigfaltigkeit von ursächlichen Beziehungen (Seinszusammenhängen) im u r s p r ü n g l i c h e n Sinne. Man darf aber nicht sagen, die ursädiliche Beziehung im abgeleiteten Sinne sei eine W i r k u n g der ursächlichen Beziehungen im ursprünglichen Sinne, wenn es auch wahr ist, daß zwischen beiden ein merkwürdiges Seinsverhältnis und auch ein Abhängigkeits- bzw. Fundierungsverhältnis besteht. Denn nicht jedes Seinsverhältnis ist eo ipso ein Seinszusammenhang und eine ursächliche Beziehung im ursprünglichen Sinne. Es eröffnen sich da neue interessante Perspektiven auf verschiedene mögliche Seinsbeziehungen im Rahmen der realen Welt, denen aber hier nicht nachgegangen werden soll. Um die Terminologie nicht zu belasten, werde ich dort, wo wir es mit der ursächlichen Beziehung im u r s p r ü n g l i c h e n Sinn zu tun haben, einfach von Ursache, Wirkung und von der ursächlichen Beziehung sprechen. Denn streng gesprochen besteht nur in diesem Fall ein echter kausaler Seinszusammenhang. Wo ein Mißverständnis entstehen könnte, werde ich die beiden grundverschiedenen Typen der ursächlichen Beziehung auseinanderhalten.
§88. Ü b e r d a s Z e i t v e r h ä l t n i s z w i s c h e n d e r U r s a c h e und ihrer Wirkung Es ist bekannt, daß in der Geschichte des Kausalproblems, und zwar bereits in der griechischen Philosophie, a l l e drei möglichen Zeitverhältnisse zwischen Ursache und Wirkung in Betracht gezogen und jede dieser Möglichkeiten von verschiedenen Verfassern als die einzige Lösung dieses Problems im Rahmen der kausalen Beziehung hingestellt 36
wurde. Vielleicht ist es unter dem Einfluß Humes - aber auch unter den Umständen des täglichen Lebens - dazu gekommen, daß die Auffassung, die Ursache sei f r ü h e r als ihre Wirkung, in der gegenwärtigen Philosophie fast vorherrschend geworden ist. Jedenfalls scheint es, daß alle, die sich mit dem Erforschen der e i n z e l n e n ursächlichen Beziehungen beschäftigen (Naturforscher, Psychologen, Historiker, Nationalökonomen usw.), heute fast ohne Ausnahme dieser Auffassung huldigen. Abgesehen von rein historischen Einflüssen hat dies zum Teil seine sachlichen Gründe, auf die wir noch zurückkommen werden. Trotzdem hat auch die Auffassung, daß die Ursache mit ihrer Wirkung g l e i c h z e i t i g stattfindet, manche namhafte Vertreter. Nur die Ansicht, die Ursache sei s p ä t e r als ihre Wirkung, scheint heute von niemandem vertreten zu sein, sofern an dem Sinne der Ursache streng festgehalten wird. 18 Ich werde hier die G l e i c h z e i t i g k e i t der Ursache und ihrer ( u n m i t t e l b a r e n ) Wirkung, wenigstens in ganz ausgezeichneten Fällen, zu erweisen suchen, ohne welche diejenigen Fälle, in welchen von einer Zeitdifferenz zwischen Ursache und Wirkung gesprochen werden darf, nicht möglich wären. Dies hängt freilidi, wie sich bald zeigen wird, mit einer besonderen Auffassung der Ursadie selbst notwendig zusammen. Natürlich bezieht sich diese Behauptung in erster Linie auf den Fall, wo der ursächliche Seinszusammenhang selbst ein „ursächliches Ereignis" ist. Denn, was den anderen besonderen Fall der ursächlichen Beziehung betrifft, in welchem z.B. zwei Vorgänge während ihres g a n z e n Verlaufs ursächlich verbunden sind, so scheint da - wie wir bereits bemerkt haben - niemand zu zweifeln, daß die Glieder der kausalen Beziehung hier gleichzeitig sind. Es könnte allerdings scheinen, daß wenn man die Gleichzeitigkeit in diesem Fall zuläßt, es schon keine prinzipiellen Schwierigkeiten bezüglich der Gleichzeitigkeit der Glieder des „ursächlichen Ereignisses" geben würde. Doch dem ist nicht so, und man muß mit der Möglichkeit rechnen, daß die Vertreter der Ansicht über das Frühersein der Ursache vor der Wirkung auch bei der vorgänglichen kausalen Beziehung darauf bestehen können, es sei freilich die Gleichzeitigkeit der beiden ursächlidi verbundenen Vorgänge zuzugeben, n a c h d e m es einmal zum Vollzug des als Wirkung sich abspielenden Vorgangs gekommen ist, aber der A n f a n g des Vollzugs dieses Vorgangs sei doch e i n e W e i l e s p ä t e r durch den ersten Vorgang hervorgerufen worden, nachdem dieser erste 18 Der namhafteste Vertreter dieser Ansicht war bekanntlich Aristoteles, aber audi er betrachtete die so verstandene „Ursache" nur als eine besondere A r t der ursächlichen Beziehung, und zwar als die Zweckursache (Entelecheia).
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V o r g a n g schon eine w e n n auch noch so k u r z e Z e i t l a n g sich abgespielt h a b e . D i e Z e i t d i f f e r e n z zwischen U r s a c h e u n d W i r k u n g sei a l s o auch h i e r a u f r e c h t z u e r h a l t e n u n d n u r das W e i t e r b e s t e h e n des ursächlich h e r v o r g e r u f e n e n V o r g a n g s sei m i t d e m h e r v o r r u f e n d e n u n d ihn e r h a l t e n d e n V o r g a n g gleichzeitig. S o ist das g a n z e P r o b l e m d e r Gleichzeitigkeit d e r G l i e d e r d e r k a u s a l e n B e z i e h u n g g a n z a l l g e m e i n z u b e h a n d e l n , u n d es w i r d auch n o t w e n d i g sein, die H a u p t s c h w i e r i g k e i t e n z u e r w ä g e n , w e l che sich aus einer solchen E n t s c h e i d u n g bezüglich d e r ursächlichen B e z i e h u n g ergeben. E s ist v o r a l l e m n o t w e n d i g , die e n t g e g e n g e s e t z t e B e h a u p t u n g , d a ß die U r s a c h e i h r e r W i r k u n g zeitlich v o r h e r g e h e , g e n a u e r z u b e t r a c h t e n . 1 9 D e n n bei e n t s p r e c h e n d e r F a s s u n g ist diese B e h a u p t u n g nicht u n 1 9 Wenn Hume in seinem „Traktat" vom Frühersein (von der .zeitlichen Priorität') der Ursadie vor der Wirkung spridit, so ist er vor allem nicht im klaren, was - ihrer Form nach - Ursache bzw. Wirkung sein kann. Denn an einer Stelle spricht er so als ob Dinge Ursachen wären, an anderen dagegen spridit er von Vorgängen bzw. audi von Ereignissen. Zweitens aber behauptet er neben dem Frühersein der Ursache vor der Wirkung auch das Bestehen der „Kontiguität" zwischen Ursache und Wirkung. Hume sagt: „Dabei finde idi in erster Linie, daß Gegenstände, welche als Ursachen bzw. Wirkungen anderer betrachtet werden, zeiträumlidi mit diesen unmittelbar zusammenhängen; daß nichts in einem Ort oder Zeitpunkt wirken kann, sei es auch n o c h so w e n i g von dem Ort oder Zeitpunkt e n t f e r n t , in dem es sich b e f i n d e t . . . Wir können also die Beziehung der Kontiguität als wesentlidi für die Beziehung der Ursächlichkeit betrachten" (1. c. S. 101-102, in der deutschen Übersetzung von Th. Lipps). Nun - beides erfordert eine nähere Erwägung. Wären Dinge (bzw. in der Zeit verharrende Gegenstände) Glieder der ursächlichen Beziehung, dann könnte man schon zugeben, daß z. B. die Eltern vor ihrem Kinde existieren müssen. Und noch bei Vorgängen mag zweifelhaft erscheinen, ob der Vorgang, der Ursadie eines anderen Vorgangs sein soll, nidit eo ipso audi vor dem letzteren mindestens sich zu entwickeln anfangen muß - wie wir soeben bemerkt haben. Würde man aber zugeben, daß wenigstens in dem e i n e n von uns unterschiedenen Falle immer nur Ereignisse Glieder der ursächlichen Beziehung seien, dann sdieint es ausgeschlossen zu sein, daß die Ursadie v o r der Wirkung stattfinden könnte. Freilich auch dies muß noch kritisch untersucht werden, wie die Abhandlung von D u p r e e l l zeigt (idi werde darauf nodi zurückkommen). So war es nötig, wie ich es hier getan habe, zuerst festzulegen, welcher Form die Glieder der ursächlichen Beziehung sein können. Aber auch das Postulat der „Kontiguität" ruft Bedenken hervor. Was heißt „Kontiguität" - im räumlichen oder im zeitlichen Sinne? Wir können uns hier auf die räumlichen Verhältnisse beschränken, wenn wir - zum Zwecke dieser Betrachtung annehmen, daß die Zeit ein eindimensionales homogenes Kontinuum ist. Handelt es sich da um „Berührung"? Wann „berühren" sich zwei materielle feste Dinge? Rein empirisch und grosso modo mag dies keine Schwierigkeiten bereiten, indem man z. B. zwei glatte fladie Glasscheiben aufeinander legt. Aber bei genauer Betrachtung und bei Berücksichtigung dessen, was wir über die Kontinuierlidikeit des Raumes heute wissen, madit das große Schwierigkeiten. Die aufeinanderliegenden und sich „berührenden" Glasscheiben liegen, genau besehen, n u r s e h r n a h e beieinander - etwa so und so viel Mikrone, bzw. in soldier Entfernung, wie zwei Atome voneinander entfernt sein können, ohne in eine chemische Verbindung miteinander einzugehen.
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richtig. Sagt man: es muß z u n ä c h s t ein Schalter umgestellt werden, damit es s p ä t e r zum Aufleuchten einer elektrischen L a m p e käme, so ist dies gewiß wahr, und es ließe sich sogar experimentell feststellen, welche Zeitspanne zwischen der Umstellung des Schalters (der entsprechenden Handbewegung) und dem Moment des Aufleuchtens der L a m p e in Sigmas verfließt bzw. in einem bestimmten Fall tatsächlich Vom Standpunkt der Mikrophysik und der atomaren Ausmaße bedeutet dies eine relativ große Entfernung der beiden Glasflädien bzw. der einzelnen Teile von ihnen. Im mikrophysikalischen Sinne ist kaum zu sagen, ob sich zwei Atome überhaupt „berühren" könnten, ohne irgendwie zusammenzufallen, wenn „berühren" etwas anderes als „Sehr-nahe-beieinander-Liegen" bedeuten soll. Dieses „Andere" müßte nämlich bedeuten, daß je zwei Punkte an zwei verschiedenen Oberflächen der Scheiben in e i n e m u n d d e m s e l b e n Raumpunkte liegen. Im Grenzfall: daß sich diese beiden Flädien beide v o l l d e c k e n , d. h. in d e r s e l b e n R a u m f l ä c h e liegen. Übertragen wir diese Erwägung auf den Fall von geraden Abschnitten, so kann man sagen: Der Absdinitt A B „berührt" sich mit dem Abschnitt C D , wenn der Punkt Β sich mit dem Punkt C i n d e m s e l b e n Raumpunkt Ρ befindet, d. h. daß die beiden Abschnitte zu ihren Grenzpunkten Β und C identisch denselben Raumpunkt Ρ haben. Einen anderen Fall des „Sich-Berührens" gibt es nicht, und zwar gerade wegen der Kontinuierlichkeit des Raumes, da es im R a u m keine zwei sidi „berührende" - k e i n e Entfernung von einander habende - Punkte gibt. Dabei muß nodi vorausgesetzt werden, daß die beiden Linienabschnitte ihre beiderseitige Abgrenzung haben, d. h. daß der erste Abschnitt den Grenzpunkt Β (als Ende) und der zweite den Anfangspunkt C hat. Würde man ζ. B. Abschnitte in Betradit ziehen, die unabgegrenzt (einerseits oder beiderseits) sind, dann könnte man nicht sagen, daß sie sich beide „berühren" könnten. Also ζ. B. der Absdinitt 0 X < 1 und 1 < Υ ΐΞ 2. Zwar nähert sich dann der Abschnitt AB dem Absdinitt C D beliebig nahe (die Entfernung Β von C ist für entsprechende Werte von X und Y kleiner als jede beliebige kleine Zahl E ) * aber für jede beiden Werte von X und Y besteht dodi zwischen Β und C ein Intervall, das eben die echte „Berührung" im räumlichen Sinne ausschließt. Übertragen wir dies jetzt auf zwei in der Zeit sich entwickelnde Vorgänge - ζ. B. zwei Bewegungen - , von denen der eine „früher" ist als der zweite, so können sie sich nur dann im echten Sinne zeitlidi „berühren", wenn das Ende des ersten Vorgangs mit dem A n f a n g des zweiten Vorgangs eben g l e i c h z e i t i g (in demselben Moment) stattfindet. Sonst würden sie sich nur einander beliebig nähern, aber zwischen ihnen würde doch eine zeitliche Lücke bestehen, ein Intervall. Und dasselbe überträgt sich auf den Ort, an dem einerseits das Ende der einen Bewegung und der Anfang der zweiten Bewegung stattfindet. Halten wir den A n f a n g einer Bewegung und das Ende einer anderen für Ereignisse, so heißt dies nichts anderes als daß diese beiden Ereignisse g l e i c h z e i t i g sein müssen, wenn die eine Bewegung die andere Bewegung ursädilidi hervorbringen soll. Aber η u r an dem B e r ü h r u n g s p u n k t e der beiden Vorgänge kann der eine auf den anderen „wirken", d. h. ihn verursachen, nicht aber die früheren Phasen des ersten Vorgangs auf die jeweils späteren (nach dem Anfang stattfindenden) Phasen des zweiten Vorgangs. Was übrigens Hume selbst behauptet. So können wir uns auf die beiden genannten Ereignisse beschränken und sie in ihrer Gleichzeitigkeit erfassen, soll wirklich das erste Ereignis Ursache des zweiten sein. - Im Grunde bezieht sich dieselbe Argumentation auf die Auffassung des Zeitverhältnisses der Ursache und Wirkung bei Ducasse, bei welchem von der * Streng gesprochen gibt es dann kein Β und C.
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verflossen ist.20 Um solche Fälle aber handelt es sich uns nicht, wenn wir von der Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer Wirkung sprechen. Es sind ja zweifellos zahlreiche Ereignisse und Vorgänge z w i s c h e n der Umstellung des Schalters und dem Aufleuchten der Lampe verflossen, die als V e r m i t t l e r zwischen diesen beiden Tatsachen dienen. Eben, weil ein solches Zeitintervall besteht und durch verschiedene Tatsachen erfüllt ist, haben wir es in der Umstellung des Schalters nur mit einer m i t t e l b a r e n Ursache des Aufleuchtens der Lampe zu tun. Sie ist so mittelbar, daß zwischen der Umstellung und dem Aufleuchten noch verschiedene Vorkommnisse, die das Zustandekommen des Aufleuchtens eventuell verhindern, eintreten können (Stromunterbrechung im Elektrizitätswerk, das Abreißen des Wolframfadens in der Birne usw.). An der zeitlichen Differenz zwischen m i t t e l b a r e n Ursachen und Wirkungen brauchen wir gar nicht zu zweifeln, und insbesondere an der „zeitlichen Priorität" einer mittelbaren Ursache einer Wirkung. Im Gegenteil, es wird uns sehr daran liegen, d i e s e zeitliche Priorität der m i t t e l b a r e n Ursachen nachzuweisen. Gäbe es sie nicht, dann bestünde der Vorwurf, den sich u. a. Hume stellt, die ganze Weltgeschichte würde zu einem Moment zusammenschrumpfen, zu Recht. So ist es auch ein Hauptproblem für uns zu zeigen, was die zeitliche Differenz zwischen mittelbarer Ursache und der Wirkung ermöglicht. Soll es aber m i t t e l b a r e Ursachen und Wirkungen geben, dann muß es auch wohl u n m i t t e l b a r e Glieder der Kausalkette geben. Oder gibt es keine? Sind etwa a l l e Ursachen und Wirkungen nur mittelbar? So wie es z. B. auch keine unmittelbar angrenzenden Punkte im Räume gibt? Sind wirklich zwischen zwei Ereignissen, welche Glieder einer kausalen Beziehung sein sollen, immer weitere Ereignisse vorhanden, die zwischen ihnen kausal vermitteln müßten? Herrschen da wirklich solche Verhältnisse, wie diejenigen, die nach der Dedekindschen Auffassung des linearen Kontinuums zwischen den Stellen des Kontinuums bestehen? Nun, sehen wir vorläufig von dem Bedenken ab, ob es berechtigt sei, die Sachlagen, die nach der modernen Auffassung im eindimensionalen linearen Kontinuum vorliegen, auf die Zeit und die Mannigfaltigkeit Gleichzeitigkeit als der „Kontiguität" zweier Gegenständlichkeiten die Rede ist. Diese „Kontiguität" ist notwendig mit der zeitlichen Identität (also strenger Gleichzeitigkeit) des Abschlusses des einen Vorgangs mit dem Anfang eines anderen Vorgangs zu identifizieren. 20 ich abstrahiere hier von den schwierigen Problemen der (physikalischen) Zeitmessung, die dabei vollzogen werden müßte, damit diese Zeitdifferenz festgestellt werden könnte.
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von Ereignissen und endlich auf das prozeßhafte Geschehen zu übertragen. Denn soviel man audi dagegen vorzubringen hätte, 21 Tatsache ist es, daß in der modernen Physik und in der unter ihrem Einfluß stehenden Interpretation der Vorgänge in der Natur eben eine solche Übertragung vollzogen wird. Ohne also gegen diese Interpretation Gründe vorzuführen, erwägen wir nur, ob diese Auffassung der Zeit und der zeitlichen Gegenstände uns wirklich dazu zwingt, das F r ü h e r s e i n der Ursache im Verhältnis zu ihrer Wirkung anzunehmen. Was besagt also bezüglich des Linienkontinuums, daß es keine zwei benachbarten Punkte gibt? Einerseits besagt es die einfache und wie es scheint, offenkundige Tatsache, daß dimensionslose Gebilde - wie es eben P u n k t e 2 2 sein sollen - sich nicht b e r ü h r e n können. Sind sie v e r s c h i e d e n , dann gibt es stets einen A b s t a n d zwischen ihnen. Gibt es aber k e i n e n Abstand zwischen ihnen, dann fallen sie eben z u s a m m e n , bilden strenggenommen nur einen einzigen Punkt. So wie man nicht zwei, sondern nur einen Punkt annimmt, in welchem sich zwei Geraden schneiden, obwohl es auch begründet sein mag, den Schnittpunkt einmal als Bestandteil der ersten, das zweitemal als einen Bestandteil der zweiten Geraden zu betrachten. Die Behauptung des Nichtvorhandenseins der unmittelbaren Berührung zweier Punkte besagt aber noch mehr. Sobald man nämlich zwei Punkte A und Β angibt, die voneinander verschieden sein und den Abstand a voneinander haben sollen, kann man diesen Abstand immer gedanklich verkleinern, indem man sich einen Punkt C denkt, der ζ. B. in der Mitte der Strecke AB liegt. Bei j e d e m gegebenen Abstand a gibt es mit anderen Worten einen (z.B. um die Hälfte) kleineren Abstand b. Nun, dies ist bekannt. Aber was bedeutet das? Soll es bedeuten, daß man von einem Punkt Β aus den von ihm verschiedenen Punkt A durch die ständige Verkürzung des jeweiligen Abstandes nicht erreichen kann? Daß der Punkt A durch eine ständige, in einer Reihe von diskreten Schritten sich vollziehende Annäherung sozusagen unnahbar sei? Zenon würde darauf ohne Zögern antworten, daß dem wirklich so sei. Denn bei der Halbierungsoperation einer beliebigen Abstandsstrecke 2 1 Seit B e r g s o n hat m a n oft d a r ü b e r geschrieben. A b e r die E i n w ä n d e richten sich hauptsächlich gegen die A n w e n d u n g mathematischer Begriffe auf die qualitative, e r l e b t e Z e i t . U n s handelt es sich aber hier vor allem um die Zeit, in welcher o b j e k t i v e V o r g ä n g e vor sich gehen. Es ist dabei sehr zweifelhaft, ob physikalische, physiologische und überhaupt biologische V o r g ä n g e in der qualitativen, e r l e b t e n Zeit v o r sich gehen. D e m muß hier Rechnung getragen werden. 2 2 Übrigens werden diese in einer reinen geometrischen Linie nur rein gedanklich unterschieden bzw. in dieselbe hineingedeutet.
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(oder bei irgendeiner anderen derartigen Operation) bleibt i m m e r eine v o n N u l l v e r s c h i e d e n e Abstandsstrecke übrig, die nicht zu überspringen ist; das heißt, daß der jeweilige Mittelpunkt der Strecke ABn immer von A entfernt ist. Das ist ja eben Zenons eigene Behauptung in den sogenannten Paradoxien. Und die Halbierungsmethode, auf die Abstände angewandt, stammt auch von ihm. Nun glaubt aber die moderne Mathematik mit Dedekind in der berühmten Methode der Schnitte in dem Begriff der Grenze, in der Konvergenz der Reihen usw. einen Weg zur Uberwindung der Zenonischen Paradoxien gefunden zu haben. N u r die Unkenntnis dieser ganzen mit dem Problem des Kontinuums zusammenhängenden mathematischen Theorie habe - nach der Auffassung der heutigen Mathematiker - Zenon zu seinen Paradoxien verleitet. Nehmen wir dies zur Kenntnis. Worauf läuft aber die moderne mengentheoretische Behandlung des Kontinuumproblems hinaus? Soll sie letzten Endes besagen, daß im Sinne der heutigen Mengenlehre und im Gegensatz zu Zenon ein bestimmter Punkt A von einem anderen Punkte aus (gegebenenfalls auf derselben Geraden) durch eine Mannigfaltigkeit von Annäherungs-Schritten erreichbar sei? Das würde man wohl nicht zulassen wollen, denn dies würde u. a. bedeuten, daß der Mittelpunkt einer genügend kleinen Strecke mit ihrem Anfangspunkt z u s a m m e n f ä l l t , bzw. arithmetisch gesprochen, daß in der Reihe: 1, V2, V« usw. sich an einer genügend entfernten Stelle der Wert 0 befindet, was eben in beiden Fällen von der Mathematik bestritten wird. Andererseits will man aber bei allen Grenzberechnungen (ζ. B. der Grenze konvergenter Reihen oder bei der Berechnung der Ableitung einer Funktion für einen bestimmten Wert der unabhängigen Variablen) g e n a u e b e n d i e s e n Grenzwert angeben und nicht etwa bloß angenäherte Werte, die von dem Grenzwerte beständig verschieden wären. Gewiß, jedoch jeder durch die einfache Summierung einer immer größeren Anzahl der Glieder einer konvergenten Reihe neu erreichte Wert unterscheidet sich um eine, wenn auch noch so kleine, Größe von dem echten Grenzwert, bildet eine Abweichung von ihm. Nicht diese Abweichung will man aber haben, sondern den Grenzwert selbst. Auf irgendwelchem Wege, aber nicht auf dem der a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n voneinander d i s t i n k t e n Summierungsoperationen, e r r ä t man auch tatsächlich den echten Grenzwert, z.B. den Wert der Richtungskonstante einer bestimmten Tangente zu einer Kurve. In einem bestimmten Moment macht man i r g e n d w i e 2 3 einen S p r u n g und überbrückt auf 2 3 Ich unterstreiche dieses „irgendwie", weil man leider sagen muß, daß man es hier mit einem wirklichen E r r a t e n aufs Geratewohl z u tun hat, ohne daß hier
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einmal die immer kleiner werdenden Abstände, um den Grenzwert selbst zu erfassen. Nur die Methode der beständigen Annäherungsberechnungen langt eben dazu nicht aus. Wenn sie praktisch, z . B . für physikalische Zwecke verwendet wird, so geschieht es nur aus diesem Grunde, weil die in der Erfahrung wirklich experimentell beobachtbaren Werte sowieso in dem Maße von dem echten Grenzwert abweichen, daß es sich nicht lohnt, noch größere Annäherungen rechnerisch zu bestimmen. Die Differenz zwischen dem Grenzwert und dem durch S u m m i e r u n g bestimmten angenäherten Wert liegt ja von einer bestimmten Stelle ab unter der Grenze des möglichen Beobachtungsfehlers. Trotzdem setzt man aber nicht die bloß empirisch gefundenen oder mit den Annäherungsmethoden berechneten a n g e n ä h e r t e n Werte, sondern die e c h t e n Grenzwerte in die entsprechenden Formeln ein und glaubt eben damit die w i r k l i c h vorhandenen Tatbestände bestimmt zu haben. Je höher die Experimentiertechnik steht, desto mehr n ä h e r n sich die beobachteten Werte dem echten Grenzwert an, der im Rahmen des Empirischen eben für das Wirkliche gilt. 24 Man glaubt also mit dem Grenzwert an die Grenze s e l b s t und insbesondere an das Reale in seiner eindeutigen Bestimmtheit heranzukommen und sie selbst zu erfassen. Wenden wir dies auf die kausalen Beziehungen zwischen verschiedenen Tatsachen und insbesondere zwischen Ereignissen an, so läßt sich sagen: Beim Erforschen des Wertes der Ursache einer bestimmten Wirkung suchen wir nicht in dem Sinne angenäherte Werte, daß wir sozusagen Werte a n d e r e r , bloß in der Zeit der betreffenden Ursache n a h e g e l e g e n e n Tatsachen bestimmen, sondern wir bemühen uns, die betreffende Ursache s e l b s t zu erfassen und i h r e n Wert zu bestimmen und glauben sogar dies durch die Angabe eines bestimmten Grenzwertes e r r e i c h t zu haben. Das ist ja eben der Sinn der Verwendung entsprechend gestalteter Differentialgleichungen bei verschiedenen physikalischen Sachlagen, wobei man für die freie Variable t (Zeit) eine bestimmte präzis angebbare Methode, und zwar eine mathematisdi definierte Methode bewußt verwendet wäre. Dies ist aber andererseits gerade der beste Erweis, daß Z e n o n im Grunde recht hat, mit der Halbierungs- bzw. Summierungsmethode sei die Grenze n i c h t e r r e i c h b a r . Zugleich hat aber audi der zeitgenössische Gegner Z e n o n s ebenfalls recht, daß wenn man die Grenze dodi erreichen will, man eben den S p r u n g , die edite B e w e g u n g , gegen welche Zenon seine „Paradoxien" geführt hat, wagen und wirklich vollziehen muß. Die Realisierung der Bewegung spricht am besten gegen das Unzureidien der üblichen mathematischen Begriffsapparatur. 2 4 Dies wird freilich im Rahmen der die Mikrophysik in der sog. Heisenbergsdien Unbestimmtheitsrelation bezweifelt. Wir kommen später darauf zu spredien.
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n i c h t angenäherte Werte einsetzt, welche den a n d e r e n , nahegelegenen Ereignissen entsprechen würden, sondern eben den ganz genau bestimmten Wert, der der gesuchten Ursache entspricht. Das heißt man glaubt, daß die durch bloße a u f e i n a n d e r f o l g e n d e distinkte Annäherungen nicht berechenbare Grenze durch den immer s p r u n g h a f t v o l l z o g e n e n Grenzübergang doch effektiv e r r e i c h t wird. Was bedeutet dies aber? Wie es scheint, nur dies, daß man zwar die Grundbehauptungen der modernen Kontinuumstheorie im Rahmen der Mathematik sehr schätzt und sie dort gar nicht antasten will, aber im Grunde nicht glaubt, daß die sinnig erfundenen Rechnungsmethod e n , ohne den i n t u i t i v v o l l z o g e n e n S p r u n g und das i n t u i t i v e T r e f f e n des Grenzwertes, auf die wirklichen Vorgänge bzw. Tatsachen in der Natur streng anwendbar seien. Versuchen wir dies noch von einem etwas anderen Gesichtspunkte zu beleuchten: Das F r ü h e r sein der Ursache im Verhältnis zu ihrer Wirkung kann nach der Anwendung der mathematischen Kontinuumstheorie auf die Zeit n i c h t b e d e u t e n , daß sich das Ursacheereignis in einem den Zeitpunkt des Wirkungsereignisses u n m i t t e l b a r b e r ü h r e n d e n Zeitpunkte vollzieht, da eben nach der Kontinuumstheorie gar keine sich berührenden, angenzenden Zeitpunkte existieren. Die von ihrer Wirkung f r ü h e r e Ursache kann somit von derselben nur z e i t l i c h e n t f e r n t sein. Nimmt man aber, wie es oft geschieht, in der Welt n u r Ereignisse an, so müßte man eben damit zugeben, daß zwischen einer jeden Ursache und einer jeden ihrer Wirkungen eine L ü c k e im Seienden besteht - so „klein" sie auch sein mag. Und zwar entweder eine Lücke im Seienden überhaupt oder mindestens eine Lücke, die weder durch irgendeinen Teil oder eine Seite der Ursache, noch durch irgendeinen Teil der betreffenden Wirkung ausgefüllt wird. Es würde dann aber k e i n e n S e i n s z u s a m m e n h a n g geben zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen, von denen das frühere die Ursache, das spätere ihre Wirkung sein soll. Die kausale Beziehung würde dann noch viel geheimnisvoller und rätselhafter sein, als sie tatsächlich ist. Aber nicht nur diese Beziehung. Im Grunde müßte dann jedes zeitliche Sein diese Lücken aufweisen, im krassen Gegensatz zu der Bestrebung, nur zeitlich kontinuierliche Gegenständlichkeiten anzunehmen. Und cui bono soll oder muß man eine derartige Auffassung des zeitlichen Seins und der kausalen Beziehung annehmen? Sie würde der Wiedererneuerung des seit langem verworfenen Prinzips der actio in distans - insbesondere in der Zeit - gleichkommen. Oder anders gesagt: die Verwerfung dieses Prinzips läßt sich in der Anwendung auf das 44
Zeitverhältnis der Ursache und Wirkung nur so durchführen, daß man die Gleichzeitigkeit der beiden in diesem Verhältnis stehenden Ereignisse annimmt. Man wird uns vorwerfen, wir vergessen da - anscheinend absichtlich - daß man bei den voneinander zeitlich entfernten Gliedern einer Kausalbeziehung auch nicht stehenbleiben darf, da der Sinn der ganzen modernen Kontinuumsauffassung gerade darauf beruht, zwischen ein jedes Paar von Ereignissen, die Glieder einer Kausalreihe sein sollen, immer neue und neue Ereignisse einzuschieben, bis man endlich zu dem kontinuierlichen, l ü c k e n l o s e n Geschehen gelangt. Aber dies ist eben eine bloße Illusion. Sie wird dadurch hervorgerufen, daß wir in unserer Intuition von vornherein auf das k o n t i n u i e r l i c h e G a n z e einer L i n i e , oder einer Z e i t p h a s e oder eines eine Zeitlang d a u e r n d e n Geschehens eingestellt sind und die d o r t v o r l i e g e n d e n T a t b e s t ä n d e den Mannigfaltigkeiten von Punkten oder „Zeitpunkten"oder endlich den Mannigfaltigkeiten von momentanen Ereignissen u n t e r s c h i e b e n . Ohne dieses e i n f a c h e kontinuierliche Ganze, das in dieser ursprünglichen Intuition gegeben ist, kann der Schein, daß man durch die verschiedenen „Grenzübergänge" zu dem Grenzwert selbst gelangt, nicht entstehen. Denn durch Einschiebung von immer weiteren, voneinander zeitlich e n t f e r n t e n Ereignissen zwischen zwei vorgegebene Ereignisse allein erreichen wir n i e das kontinuierliche Geschehen, so wie wir auch, von einer bestimmten Wirkung ausgehend, über die immer wieder eingeschobenen Ereignisse nicht zu der gesuchten, in der Zeit „früher" gelegenen Ursache gelangen können. Sie beseitigen nicht die zwischen den vorgegebenen Ereignissen gähnende Lücke. Sie verwandeln sie nur in eine immer zahlreicher werdende Mannigfaltigkeit von Seinslücken, die - wenn auch immer kleiner werdend - doch auch ebenso immer bestehen müssen. Denn laut der Voraussetzung darf man nur mit Ereignissen operieren, die sich zeitlich gar nicht berühren können, weil sie immer einen Zeitunterschied aufweisen. Diese Lücken, wenn auch noch so klein, machen nicht bloß den U b e r g a n g von einem Ereignis zu einem anderen Ereignis, sondern - was für uns viel wichtiger ist! auch das E n t s t e h e n des zweiten aus dem ersten ganz unmöglich, oder, wenn wir es doch annehmen, ganz mysteriös und unbegreifbar. Und warum soll man eigentlich eine solche Zeitdifferenz zwischen zwei in der kausalen Beziehung stehenden Ereignissen annehmen? Wozu soll sie dienen? Glaubt man etwa, daß die Ursache erst Zeit (genauer: eine Zeitspanne) braucht, um die Wirkung hervorzubringen und 45
sie bestimmen zu können? Nun, bei dieser Auffassung des Geschehens, als einer Mannigfaltigkeit von zeitentfernten Ereignissen, k ö n n t e ein Ereignis ein beliebiges anderes Ereignis weder hervorbringen noch es bestimmen, eben weil jene Seinslücke zwischen ihnen bestehen würde, die es von selbst nicht zu überbrücken vermöchte. In einer solchen pulverisierten Welt von aufeinanderfolgenden Ereignissen wäre kein Ereignis Ursache bzw. Wirkung eines anderen Ereignisses. Nicht die Uberwindung der diskreten Mannigfaltigkeit von Ereignissen und Rückkehr zu der Kontinuität des Geschehens gewinnt man durch die immer weitergehende Einschiebung von Ereignissen zwischen Ereignisse, sondern die Zerstreuung der Welt und des Weltgeschehens in eine Mannigfaltigkeit voneinander abgegrenzter, isolierter und unzusammenhängender Ereignisse, an denen zudem auch nicht zu ersehen wäre, warum eigentlich das eine Ereignis früher, das andere später im Sein auftauchen sollte. Dasjenige aber, was der kausale Zusammenhang uns verständlich machen sollte, nämlich, wie zwischen den vielen Gegenständlichkeiten in der Welt ein Zusammenhang und Zusammenhalt bestehen bzw. statuiert werden kann, würde gerade zu einer vollkommenen Zusammenhanglosigkeit der einzelnen Weltteile führen. Dies ist gewiß nicht die Absicht der speziellen Kausalforschung noch derjenigen Theoretiker, welche die Theorie des Kontinuums auf die Zeit und auf das reale Geschehen und die in ihm vorkommenden Ereignisse anwenden wollen. Denn um diese Zusammenhanglosigkeit zwischen den aufeinanderfolgenden Ereignissen zu überwinden, müßte man - wenn nicht eine durchgreifende Änderung in der Auffassung des kausalen Zusammenhangs und auch des Geschehens eintreten und die Problemlage bestimmen sollte - etwa eine rätselhafte „Telepathie" oder die öfters verworfene „Wirkung auf Entfernung" nicht bloß im Räume, sondern auch in der Zeit zwischen den voneinander durch Nichtsein oder durch andere von ihnen isolierte Ereignisse getrennten Ereignissen annehmen. Will man es aber nicht tun, dann stößt man auf das Dilemma: e n t w e d e r nimmt man als mögliche Glieder der kausalen Beziehung immer nur Ereignisse an, die in einem noch so kleinen z e i t l i c h e n A b s t a n d voneinander stehen und eben damit in ihrem Auftreten einen Zeitunterschied aufweisen - und dann gibt es k e i n e n Kausalzusammenhang in der Welt, o d e r man glaubt einen echten Kausalzusammenhang in der Welt annehmen zu müssen, und dann muß man zugeben, daß g l e i c h z e i t i g e Ereignisse Ursache und Wirkung bilden können. Unter denselben müssen dann die „ u n m i t t e l b a r e n " Ursachen und Wirkungen gesucht werden. Da aber diese Wirkungen ihrerseits neue 46
unmittelbare Wirkungen haben können, so muß man dann audi die Möglichkeit g l e i c h z e i t i g e r Ereignisse zugeben, die in einer m i t t e l b a r e n kausalen Beziehung stehen. Diese soll natürlich das Vorhandensein u n g l e i c h z e i t i g e r Ursachen und Wirkungen n i c h t ausschließen, aber dann muß zwischen zwei nicht gleichzeitige Ereignisse, die in einem kausalen Verhältnis stehen sollen, immer ein V o r g a n g oder ein u n w a n d e l b a r e r Z u s t a n d eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes e i n g e s c h a l t e t werden. Diesem Vorgang bzw. Zustand würde dann die Rolle zufallen, einen Zeitunterschied zwischen den Ereignissen zu schaffen. Ein solcher Vorgang bzw. Zustand würde dabei keiner Pulverisierung in „punktuelle Phasen" mehr unterliegen. Wenn diesen zwischen zwei Ereignisse eingeschalteten Vorgang bzw. Zustand kein Ereignis mehr unterbricht, dann kann das eine von jenen Ereignissen Ursache des anderen sein,25 wir sprechen dann aber von einer „mittelbaren" und doch zugleich „nächsten" Ursache dieses letzteren Ereignisses. „Mittelbar", weil sie durch einen Vorgang vermittelt sind, aber „nächst", weil gar keine neue Ereignisursache dazwischentritt. Es kann aber auch solche mittelbare ungleichzeitige Ursachen von Wirkungen geben, zwischen welchen mehrere, voneinander durch Ereignisse getrennte Vorgänge bzw. Zustände vermitteln. Dann sprechen wir von mittelbaren „weiteren" Ursachen eines Ereignisses. Alle diese letztgenannten Fälle bereiten keine Schwierigkeiten mehr, sobald die Möglichkeit eines unmittelbaren gleichzeitigen kausalen Seinszusammenhanges einmal positiv aufgewiesen wird. Natürlich muß aber noch geklärt werden, wann und warum es zu einer solchen Einschaltung von Vorgängen kommen kann, und insbesondere, was die Einschaltung dieses Vorgangs nach sich zieht, daß nach einer Weile seines Vollzugs eine Wirkung ermöglicht wird, die anscheinend bei seinem Beginn nicht möglich war. Zunächst aber ist noch zu erwägen, warum man sich eigentlich sträubt, die Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer Wirkung anzunehmen? Und dann: gibt es positive Gründe, die uns zur Annahme dieser Gleichzeitigkeit bewegen könnten, und zwar auch abgesehen von den Schwierigkeiten, in welche sich die Hypothese von der s t e t s vorhandenen Ungleichzeitigkeit der Glieder der kausalen Beziehung verwickelt? - Daß man im allgemeinen nicht geneigt ist, diese Gleichzeitigkeit anzunehmen, liegt gewiß nicht nur an der Gewohnheit, immer wieder auf derartige m i t t e l b a r e Wirkungen einer Ursache 25
Es wird sich später zeigen, daß dann mindestens e i n P a a r Ereignisse eine solche „mittelbare" und nädiste Ursache eines Ereignisses bilden kann.
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eingestellt zu sein, die wirklich erst n a c h dem Stattfinden der Ursache eintreten. Es kommt noch etwas anderes hinzu, und zwar etwas, was in einem viel höheren Grade mit dem W e s e n des ursächlichen Seinszusammenhanges verbunden ist. Es war oben davon die Rede, daß der ursächliche Seinszusammenhang asymmetrisch ist, daß also die Wirkung e i n s e i t i g von der Ursache her ins Sein gerufen wird2®, daß sie durch die Ursache in ihrem Sein hervorgebracht und in ihrer Materie bestimmt wird (wobei übrigens - wie es sidi bald zeigen wird - nicht die Ursache a l l e i n eine Rolle spielt), während ein d e r a r t i g e s Bedingtsein der Ursache durch die Wirkung nicht vorhanden ist. Dies ist eben der Umstand, der g e g e n die Gleichzeitigkeit der Wirkung mit der Ursache zu sprechen scheint. Denn - so sagt man sich - , soll die Ursache ihre Wirkung hervorbringen und sie bestimmen können, so muß sie z u e r s t selbst s e i n und erst n a c h h e r - durch ihr eigenes Sein und Sosein - das andere, eben die Wirkung, hervorbringen, und zwar unter gleichzeitigem Bestimmen der Materie desselben. Dies scheint trivial, aber um so überzeugender, ja zwingend zu sein. Aber ist es denn wirklich so? Muß wirklich das Hervorbringende und Bestimmende auch v o r dem Hervorgebrachten und Bestimmten sein? Wie man auf diese Frage antwortet, hängt sehr davon ab, was hier dieses „vor" bedeutet, und auch wie man das „Hervorbringende" und andererseits das „Hervorgebrachte" faßt. Die Klärung des Sinnes des „vor", „zuvor", „früher" - und andererseits des „später", des „nachdem" und dergleichen m e h r - m u ß im engen Zusammenhang mit dem Problem der Zeit und insbesondere der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft behandelt werden, und insbesondere mit der Frage, ob die mathematische Behandlungsweise des Zeitproblems bzw. des Zeitverlaufs die richtige sei. Unter dem Einfluß der Übertragung des linearen Kontinuums der Punktmannigfaltigkeit auf die Zeit - wogegen bereits Bergson protestiert hat wird der Zeitmoment und insbesondere die Gegenwart im Sinne eines P u n k t e s umgedeutet. Man spricht auch tatsächlich in diesem Falle von „Zeitpunkten", um die Punkthaftigkeit des Moments zu betonen, sosehr man zugleich die Verschiedenheit des „Zeitpunktes" von dem „Raumpunkte" spürt. 27 Ist man aber berechtigt, den Zeitmoment 29 w ¡ e e s m ¡ t d e n Fällen steht, in welchen eine g e g e n s e i t i g e Bestimmung zweier Ereignisse oder zweier Vorgänge vorliegt oder vorzuliegen scheint, werde ich noch untersuchen. 2 7 Man sollte aber nicht von „Raumpunkten" sprechen, da dies im Grunde ein Pleonasmus ist. „Punkt" im ursprünglichen und echten Sinne k a n n nur ein R a u m -
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„punkthaft" zu machen? Und insbesondere, darf die Gegenwart so „punkthaft", also so „zeitlos" aufgefaßt werden, so daß sie jeder Dauer, jedes „Währens" beraubt wird? Man hört es jetzt oft seitens der „Mikrophysiker", es müsse eine „Quantisierung" der Zeit vorgenommen werden, obwohl, soviel ich weiß, nodi niemand gesagt hat, was darunter genau zu verstehen sei. Zeigt sich darin nicht die Ahnung an, daß der Zeitmoment n i c h t „ p u n k t h a f t " aufgefaßt werden darf, daß der Gegenwart doch ein Minimum des Währens zuerkannt werden muß, und zwar ein Minimum, das von Null verschieden ist, so daß das in der Gegenwart ins aktuelle Sein Eintretende nicht in seinem Eintreten selbst sofort vorbeigehen und aus dem Sein gestoßen werden müßte? Und „ N u l l " müßte eben die Gegenwart und eben damit auch das Gegenwart-Sein des Gegenwärtigen sein, wenn sie im echten Sinne „punkthaft" sein würde. Würde es gestattet sein, dem Zeitmoment - und insbesondere der Gegenwart (dem „Jetzt") - ein von Null verschiedenes Minimum des Währens zuzuerkennen (ohne aber daß dadurch das Gegenwärtige in die Vergangenheit überginge), so würde es vielleicht verständlicher sein, wie eine Ursache in ihrer Funktion des „Ins-Sein-Rufens", „Hervorbringens", mit ihrer Wirkung gleichzeitig stattfinden kann und sogar gleichzeitig stattfinden muß. Gibt man zu, das „Frühersein" der Ursache sei in dem Sinne zu nehmen, daß das die Ursache bildende Ereignis zu einer a n d e r e n Gegenwart als die Wirkung gehört, und zwar zu einer soldien, die im Moment des Eintretens der Wirkung bereits zur Vergangenheit gehört (und was anderes sollte die Rede vom „Frühersein" bedeuten?), dann macht man das Wirken (wie Sigwart sagen würde) zu einer Unmöglichkeit. Denn -ohne zu leugnen, daß auch das Vergangene in gewisser Weise existiert 28 , kann n u r im R a h m e n d e r G e g e n w a r t vom effektiven „aktuellen", seinsautonomen Sein, das Voraussetzung jeglichen „Wirkens" ist, behauptet werden, es könne als Ursache seine „Wirkung" hervorbringen. Hat es aufgehört, gegenwärtig zu sein, hat es die Phase seines „in actu esse" bereits verlassen, so liegt es eben damit außerhalb des a k t i v e n Seins. Um in seinem Zur-Vergangenheit-Gehören eine Wirkung hervorbringen zu können, müßte es sozusagen trotz seiner A b w e s e n h e i t in der Gegenwart doch in ihr g e g e n w ä r t i g sein, was eine contradictio in gebilde sein, und es ist nicht nötig, dies besonders hervorzuheben. Wenn man es tut, so rührt es nur daher, daß man bei der Rede von den „Zeitpunkten" eben irgendwie deren Verschiedenheit von jedwedem Raumgebilde betonen will, wodurch dann natürlich auch die Raumhaftigkeit des Punktes betont wird. 2 8 Vgl. dazu meine Analysen im I . B a n d dieses Werkes, §§ 27ff.
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adjecto ist. Nein, soll es überhaupt jemals zum Hervorbringen und zum materialen Bestimmen einer Wirkung durch ihre Ursache kommen, so kann dies nur in derjenigen Gegenwart geschehen, in welcher das die Ursache ausmachende Ereignis seine strenge „Aktualität" erlangt. Und nicht „bevor" die Wirkung eingetreten ist, „wirkt" es, sondern i n d e m es selbst streng gegenwärtig ist, bringt es seine Wirkung hervor. Und das Ins-Sein-Treten der Wirkung (des „Effekts") kann nicht s p ä t e r erfolgen, nachdem die Ursache ihre Wirkung bereits hervorgebracht hat, sondern muß in d e m s e l b e n Augenblick erfolgen, in welchem es zum Hervorbringen der Wirkung, also zum Ursachesein der Ursache gelangt. Jede andere Auffassung des Entstehens der Wirkung einer Ursache aus derselben ist nicht bloß falsch, sondern sinnwidrig und muß als solche verworfen werden. Das schließt nicht aus, daß diese Wirkung eben nur in der Auslösung eines Vorgangs besteht, der erst nach einiger Zeit zu einem neuen Ereignis führt - als der „nächsten" mittelbaren Wirkung. Man darf natürlich nicht meinen, daß die Verwerfung der Auffassung, die Gegenwart sei ein „zeitloser" Punkt, darauf hinauskommt, daß dieselbe eine relativ kurze P h a s e des Geschehens ist. Denn das hieße sie in einen Z e i t a b s c h n i t t zu verwandeln, in welchem es eine bereits verflossene, zur Vergangenheit gehörende Zeitstrecke und eine noch nicht realisierte Zukunft gäbe, entgegen der Voraussetzung^ daß es sich um eine G e g e n w a r t , die ein Zeitminimum (Quantum) in sich sein soll, handle. Es darf auch im Rahmen dieses Minimums keine Aufeinanderfolge von Ereignissen geben. Es ist also auch keine zeitliche Anordnung der Ursache v o r ihrer unmittelbaren Wirkung i n n e r h a l b der Gegenwart möglich. Soll die Gegenwart wirklich ein „Zeitquantum" (ein „Minimum") der Zeit sein, so kann sie nicht in kleinere Zeiteinheiten zerfallen. Würde man dies zulassen, so würde das freilich ein Zugeständnis zugunsten der Auffassung sein, daß die Ursache (im zeitlichen Sinne) „vor" der Wirkung eintritt, ein Zugeständnis, das zwar dem Vorwurf, wie könne etwas wirken, was nicht mehr ist, nicht ausgesetzt wäre - ein Zugeständnis aber, das einen Widerspruch in der Auffassung des Zeitquantums bzw. Zeitminimums involvieren würde. Wollte man behaupten, die Gegenwart bilde nur subjektiv ein unteilbares Minimum, während sie mit Hilfe sehr feiner Meßapparate sich objektiv noch als eine verhältnismäßig lange Zeitphase entpuppt, in welcher verschiedene Ereignisse aufeinanderfolgen können, obwohl sie subjektiv gleichzeitig zu sein scheinen, so mag dies recht wahrscheinlich sein, es ändert aber nichts an unserer 50
Behauptung über die Gleichzeitigkeit der Ursache mit ihrer (unmittelbaren) Wirkung. Denn nicht um den bloßen E i n d r u c k der Gleichzeitigkeit handelt es sich uns hier, sondern gerade darum, was in demjenigen Sein selbst, in dem Ursache und Wirkung auftreten, vorgeht bzw. vorgehen kann. So muß man denn zugeben, daß nicht alle asymmetrische Anordnung von Seinsbeständen hinsichtlich ihres Bedingtseins bzw. Bedingens im Sinne einer zeitlichen Anordnung, und zwar im Sinne einer Aufeinanderfolge gedeutet werden darf. Wenn wir demgegenüber gewöhnlich sosehr geneigt sind, die Ursache vor ihrer Wirkung für früher im zeitlichen Sinne zu halten, so geschieht es u. a. deswegen, weil man die Ursache nicht streng im Sinne eines Ereignisses oder einer letzten Phase eines Vorgangs faßt, sondern darunter oft zugleich das Ding bzw. allgemeiner den in der Zeit verharrenden Gegenstand versteht, der den Träger des betreffenden Ereignisses bildet. Dieser Gegenstand existiert gewöhnlich, b e v o r es überhaupt zu einer kausalen Beziehung zwischen den von ihm getragenen Ereignissen und anderen Ereignissen kommt. Aber das Hervorbringende und Bestimmende in dem kausalen Seinszusammenhang ist eben nicht dieses Ding, sosehr es auch für das Zustandekommen der Kausalbeziehung unentbehrlich ist, sondern das Ereignis selbst (bzw. die Endphase des Vorgangs), dem das betreffende Ding nur zugrunde liegt. Es sprechen aber noch andere Gründe für die Gleichzeitigkeit der Glieder des unmittelbaren Kausalzusammenhanges. Der erste liegt in dem bereits erwähnten Umstand, daß das eine Ursache bildende Ereignis eine Ungleidigewichtserscheinung ist und infolgedessen eine Seinsergänzungsbedürftigkeit in sich birgt. So kann die Ursache sozusagen auf die Wirkung nicht warten, d. h. sie kann sich nicht voll realisieren, ohne z u g l e i c h das andere Ereignis (bzw. den anderen Vorgang) ins Sein zu rufen, das ihre Seinsergänzungsbedürftigkeit stillt und eventuell auch das Gleichgewicht wieder herstellt. Die Wirkung ihrerseits, als ein neues Ereignis oder ein neuer Vorgang, kann je nach ihrer Materie, entweder wiederum in sidi selbst ergänzungsbedürftig sein und eben damit zu einer neuen Wirkung führen, oder im Gegenteil derart sein, daß sie eine Zeitlang in unverändertem Zustand verharrt, bis wiederum irgendein neues Ereignis das ganze System aus der Gleichgewichtslage herausstößt und damit als eine neue Seinsstörung Ursache neuer Wirkungen wird. Man muß aber die Möglichkeit soldier Gleichgewichtslagen, die eine gewisse Zeit dauern, sowie die Möglichkeit der darauffolgenden Störungen und mit ihnen verbundenen Kausalzusammenhänge irgendwie aufweisen. Und zwar darf dies nicht unter bloßem 51
Hinweis auf empirisch vorliegende Tatsachen - was aber später auch erfolgen soll - geschehen, sondern muß mit Rücksicht darauf durchgeführt werden, was das W e s e n der Ursache ausmacht, was die Ursache in dem gesamten Seinszusammenhang, auf dessen Untergrunde sie zustande kommt, eigentlich ist. Zu diesem Zweck muß vor allem die in der modernen Philosophie vorherrschende Auffassung der Ursache verworfen werden. Gewöhnlich faßt man die Ursache als die h i n r e i c h e n d e B e d i n g u n g der Wirkung, obwohl die in den empirischen Wissenschaften in einzelnen Fällen tatsächlich vollzogene Bestimmung der Ursachen der gegebenen Ereignisse nicht ganz mit dieser Auffassung übereinstimmt. 29 Diese Identifizierung der Ursache mit der hinreichenden Bedingung der Wirkung scheint den Vorzug zu haben, daß sie die Erfassung der ständigen Wiederkehr von Ursachen und Wirkungen d e r s e l b e n A r t erleichtert und eine Vereinfachung der sogenannten empirischen Kausalgesetze mit sich bringt. Trotzdem ist sie aus verschiedenen Gründen nicht befriedigend. Der Begriff der Ursache muß auf eine andere Weise bestimmt werden, obwohl nicht geleugnet werden soll, daß bei der Bestimmung dessen, was die Wirkung im gegebenen Fall sein soll, ein besonderer Fall der hinreichenden Bedingung eine wesentliche Rolle spielt. Die wichtigsten Gründe, die sich gegen die vorgebrachte Auffassung der Ursache einer Wirkung anführen lassen, sind die folgenden: Die Begriffe „Ursache von etwas" und „hinreichende Bedingung von etwas" sind jedenfalls nicht äquivalent, ohne zu sagen, daß sie nicht sinnidentisch sind. Hinreichende Bedingungen von etwas treten auch da auf, wo von einer „Ursache" im strengen Sinne nicht die Rede sein darf, und zwar u. a. in der Seinssphäre der mathematischen Gegenständlichkeiten. Ζ. B. ist die hinreichende Bedingung der Gleichheit der Diagonalen im Viereck die Gleichheit aller inneren Winkel (sie mag zugleich eine notwendige Bedingung sein, dies spielt hier jedoch keine Rolle). Darf man aber diese Winkel-Gleichheit für eine „Ursache" des 2 9 J . St. M i 11 ist der klassische Vertreter dieser Auffassung. (Vgl. „System der deduktiven und induktiven Logik", besonders Bd. I, 3. Buch, Fünftes Kapitel), obwohl er den Ausdruck „hinreichende Bedingung" nicht verwendet. Er vertritt audi die Auffassung, daß die Ursache früher als ihre Wirkung ist. Trotzdem wird sich später zeigen, daß die positiven Sachlagen, auf die er in seinen Erwägungen hinweist, sich in vielen Punkten mit dem decken, was ich hier bezüglich der kausalen Beziehung vorbringen werde. Ich werde noch darauf zurückkommen, sobald ich den eigenen Standpunkt darlegen werde.
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anderen Sachverhaltes halten? Obwohl sie ohne Zweifel ein Sachverhalt ist, so darf nicht sie für ein E r e i g n i s gehalten werden, das in einem bestimmten Augenblick eintritt und ein anderes Ereignis hervorruft. Sie spielt im Viereck nicht dieselbe Rolle, wie es das Zusammentreffen zweier Vorgänge im realen Geschehen tut, das zu einer Mannigfaltigkeit neuer Ereignisse führt. Audi dort, wo zwischen zwei mathematischen Sachverhalten ein einseitiges „hinreichendes Bedingen" vorliegt, ist von einem Hervorbringen, von einem in einem bestimmten Augenblick „Ins-Sein-Rufen" eines anderen Sachverhalts - wie dies bei einer „Ursache" der Fall ist - keine Rede. Will man den Begriff der „hinreichenden Bedingung" sowohl auf die soeben erwähnten Beziehungen zwischen Sachverhalten, die in mathematischen Gegenständlichkeiten bestehen, als auch auf Ereignisse, die in ursächlicher Beziehung zueinander stehen, anwenden, dann darf man dies nur unter der Bedingung tun, daß man zwei g r u n d v e r s c h i e d e n e T y p e n des „hinreichenden Bedingens" unterscheidet, den einen, der für ideale und insbesondere für mathematische Gegenständlichkeiten gilt, und den anderen, der nur im Bereich realer Gegenständlichkeiten und insbesondere beim Eintreten der ursächlichen Beziehung, statthat. Der letztere unterscheidet sich von dem ersten durch die besondere A k t u a l i t ä t und A k t i v i t ä t des Ereignisses, das die Ursache von etwas bildet und dieses Etwas im Verein mit allen dazugehörigen unentbehrlichen Umständen hinreichend bedingt, während es für sich a l l e i n k e i n e hinreichende Bedingung der betreffenden „Wirkung" ist. Wir wollen in diesem zweiten Falle von der „ a k t i v e n " hinreichenden Bedingung sprechen, während wir in dem ersten Fall lediglich von einer „ s t a t i s c h e n " hinreichenden Bedingung sprechen. Die Ursache ist aber nur das zeitlich l e t z t e sich hinzugesellende G l i e d der aus v i e l e n Faktoren bestehenden aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses, das diese Faktoren zu der hinreichenden Bedingung ergänzt und sie zugleich a k t i v i e r t , während die vordem bestehenden Faktoren bis dahin in dem Sinne inaktiv waren, daß sie die b e t r e f f e n d e Wirkung nicht hervorzubringen imstande waren. Man könnte sagen, daß die Ursache, indem sie zur Vollendung einer aktiven hinreichenden Bedingung von etwas führt, e t w a s m e h r ist, als die bloße statische hinreichende Bedingung: sie vermag nämlich unter Mithilfe der übrigen Faktoren der betreffenden aktiven hinreichenden Bedingung ein von ihr verschiedenes Ereignis ins aktuelle, reale Sein zu rufen, was für die bloß statische hinreichende Bedingung unerreichbar ist. Andererseits ist sie aber e t w a s w e n i g e r , als die aktive hinreichende Bedingung eines 53
Ereignisses, indem sie bloß das z e i t l i c h l e t z t e E r g ä n z u n g s g l i e d dieser Bedingung ist und ohne die übrigen Faktoren derselben ebenfalls unwirksam ist, wie die letzteren ohne sie. Erläutern wir dies an einem Beispiel etwas näher: Wollen wir das Aufleuchten einer bestimmten elektrischen Lampe zu einer bestimmten Zeit hervorbringen und damit eben eine bestimmte Wirkung realisieren, so ist zu diesem Zwecke zwar eine bestimmte elektrische Einrichtung von ganz bestimmten Eigenschaften und im defektlosen Zustande unentbehrlich, aber die Gesamtheit dieser Tatbestände reicht nicht aus, um das Aufleuchten der Lampe von selbst hervorzurufen. Um dies „in Gang zu bringen", muß nodi „der Strom eingeschaltet", das heißt der Schalter in die entsprechende Stellung gebracht werden. Indessen ist die Bewegung, welche die entsprechende Einstellung des Schalters hervorbringt, nodi keine unmittelbare Ursache des Aufleuchtens der betreffenden Lampe, sondern nur seine mittelbare Ursache. Sie ist lediglich Ursache dessen, daß durch die neue Einstellung des Schalters der Leiterkreis geschlossen wird und dadurch in dem so geschaffenen System ein Potentialunterschied (Spannungsgefälle), also ein Ungleichgewichtszustand statuiert wird, der sich nicht veränderungslos erhalten läßt, sondern erst allmählich durch den Vorgang des Strömens zum Ausgleich gelangt. Das Schließen des elektrischen Leiterkreises ergänzt also die Gesamtheit der sonstigen unentbehrlichen Bedingungen zu der hinreichenden Bedingung des Strömungsprozesses, aber es ist für sich allein noch keine derartige Bedingung. Beim Weiterbestehen des Zustandes der ganzen Einrichtung ist der Strom seinerseits Ursadie eines neuen Prozesses, nämlidi der Erwärmung des Leiters, insbesondere auch des Wolframdrähtchens in der Birne. Aber erst die Erreichung eines bestimmten Grades dieser Erwärmung bewirkt den Anfang der Emission der Lichtwellen, den wir das „Aufleuchten" nennen. Das Eintreten dieses gerade ausreichenden Grades der Erwärmung 30 des Wolframdrähtchens in der Birne ist unter dem Bestehen sonstiger unentbehrlicher Umstände die u n m i t t e l b a r e Ursache des Aufleuchtens, und es ist andererseits dasjenige, was die bereits bestehenden unentbehrlichen Bedingungen zu der hinreichenden Bedingung des Aufleuchtens e r g ä n z t . Und in eben d e m s e l b e n Augenblick vollzieht sich dieses Aufleuchten. Der gewöhnlich aus mehreren Faktoren zusammengesetzte Bestand der unentbehrlichen, aber nicht hinreichenden Bedingung kann und muß bereits existieren, bevor das letzte ergän80
diens.
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Als eines bestimmten Niveaus der kinetisdien Energie der Moleküle des Dräht-
zende Glied der gesamten hinreichenden Bedingung des Aufleuchtens realisiert wird. Insofern ist er audi f r ü h e r als dieses Aufleuchten. Es liegt aber dann kein Grund vor, der dieses Aufleuchten der Lampe noch irgendwie zu verzögern vermöchte, sobald wirklich seine „aktive" hinreichende Bedingung v o l l realisiert wird. 3 1 Sonst wäre die hinreichende Bedingung nicht hinreichend genug, um dies eintreten zu lassen. So ergibt sich aus dieser Auffassung der Ursache als eines Ereignisses, welches das Ergänzungsglied der hinreichenden Bedingung einer Tatsache bildet, die Gleichzeitigkeit der Ursache mit ihrer unmittelbaren Wirkung. Ungleichzeitig mit einer Tatsache kann nur eine m i t t e l b a r e Ursache derselben sein, die von ihr durch einen Vorgang getrennt ist. Dies ist die Wandlung in dem Begriffe der Ursache, die wir angekündigt haben. Aber mit ihr geht natürlich auch eine Wandlung in dem Begriffe der „Wirkung" zusammen. Wirkung ist also nicht der g e s a m t e neue Zustand der elektrischen Einrichtung (die L a m p e mit einbegriffen), der nach der Erreichung der bestimmten Temperatur im Wolfram8 1 Dies muß sogar J . St. M i 11 zugeben, obwohl er grundsätzlich auf dem Standpunkt steht, daß die Ursadie (in seinem Sinne der v o l l e n hinreichenden Bedingung) unveränderlich einer ständig wiederkehrenden Wirkung v o r h e r g e h t . Von der „Ursache" im „wahren", „wissenschaftlichen" Sinne unterscheidet er nämlich die „Ursache" im populären und unwissenschaftlichen Sinne, die er als „Ursadie" freilich verwirft, deren tatsächliches Vorhandensein als eines Ereignisses, „welches zur Vervollständigung des erforderlichen Zusammenwirkens von Bedingungen" führt (vgl. I.e. S. 388), er aber doch zugibt. Er sagt ausdrücklich I.e.: „Sobald dieses Ereignis, der Genuß der Speise (seil, beim Vergiften) eintrat, fehlte keine Ursache mehr, die Wirkung fand sogleidi(!) s t a t t . . . " An einer anderen Stelle sagt er, daß dieses letzteintretende Ereignis eine Bedingung bildet, „deren Erfüllung die Wirkung o h n e V e r z u g hervorbrachte" (I.e. S. 388). Was kann dieses „sogleich", dieses „ohne Verzug" anderes bedeuten, als eben dies, daß die Wirkung in d e m s e l b e n M o m e n t eintritt, in dem die bereits bestehenden, zwar unentbehrlichen, aber nicht hinreichenden Bedingungen durch das zuletzt eintretende Ereignis zu der - wie M i l l sagt „ganzen Summe der Bedingungen", zu dem „Ganzen von Bedingungen", d. h. zu der hinreichenden Bedingung ergänzt werden. An einer anderen Stelle spricht M i l l von dem „unmittelbaren Folgen" der Wirkung auf die Ursache, aber was soll dieses unmittelbare Folgen eigentlich besagen, wenn keine „benachbarten Zeitpunkte" zugelassen werden dürfen? Offenbar nichts anderes als das Gleichzeitigsein mit der Ursache. U n d ob man darunter die Ursache im „wissenschaftlichen" Sinne, wie M i l l sagt, d. h. im Sinne der vollen hinreichenden Bedingung (der „ganzen Summe von Bedingungen"), oder bloß das zuletzt eintretende Ereignis (die „Ursache" in unserem Sinne) versteht, dies spielt keine Rolle, denn sowohl im ersten als im zweiten Sinne muß die „Ursache" die unmittelbare Wirkung „sogleich", „ohne Verzug" nach sich ziehen, d. h. mit ihr gleichzeitig sein. Wenn M i l l trotzdem das Vorhergehen der Ursache vor der Wirkung annimmt, so verletzt er seine eigene Begriffsbildung, da er dann nicht die volle hinreichende Bedingung, sondern lediglich einen T e i l bestand derselben, der b e r e i t s v o r h a n d e n war, be-
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drähtchen eine Zeitlang besteht, sondern lediglich das E r e i g n i s d e s A u f l e u c h t e n s der L a m p e selbst - vorausgesetzt natürlich, daß die Erreichung dieser Temperatur nicht noch andere Wirkungen hat, die wir hier nur nicht berücksichtigen, die aber wohl möglich sind, ζ. B. die Erwärmungsvorgänge und Verdampfungen im Innern der elektrischen Birne und dergleichen mehr. Wie es sich mit diesen anderen eventuell noch zugleich stattfindenden Wirkungen verhält, werden wir später erwägen. Augenblicklich entscheidend ist es nur, daß zu der Wirkung n i c h t die g e s a m t e neue Phase der Existenz und die gesamte Bestimmung der ganzen elektrischen Einrichtung in dem betreffenden Moment gehört, sondern nur ein besonderer B e s t a n d t e i l dieser neuen Phase und der Bestimmung der elektrischen Einrichtung, und zwar derjenige, der diese neue Phase von der früheren Phase material u n t e r s c h e i d e t und der eben i m u n m i t t e l b a r e n S e i n s z u s a m m e n h a n g mit der Erreichung der bestimmten Temperatur des Wolframdrähtchens s t e h t . 3 2 Dieser unmittelbare Seinszusammenhang zwischen der Urvor das zuletzt eintretende Ereignis Tatsache geworden ist, im Auge hat. Täte er dies nicht, so müßte er seine Behauptung über das „Vorhergehen" der Ursache auch in seinem „wissenschaftlichen Sinne" preisgeben. Freilich am Sdilusse seiner Betrachtung über das kausale Verhältnis gibt M i l l zu, daß man Fälle annehmen muß, in welchen die Ursache und ihre Wirkung gleichzeitig erfolgen (dies sind gerade diejenigen Fälle, die wir oben unter dem Namen „vorgängliche kausale Beziehungen" zusammengefaßt haben), endlich aber auch die Behauptung ausspridit, es sei „ohne Belang", ob man die Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer Wirkung annimmt oder nicht. Aber trotz alledem hält er an seinem Standpunkt fest, daß man es in der kausalen Beziehung mit einer Aufeinanderfolge von Tatsachen zu tun hat. D a ß die Frage nach der eventuellen Gleichzeitigkeit der Ursache mit ihrer unmittelbaren Wirkung für M i l l „nicht von Belang" sein konnte, hängt nur daran, daß M i l l die erst nach ihm entstandene mathematische Theorie des Kontinuums, sowie die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten nicht kennen und im Zusammenhang damit audi die Zenonsdien „Paradoxien" nicht in ihrer grundsätzlichen Rolle erfassen konnte. D a ß aber auch nach der Ausarbeitung der mathematischen Theorie des Kontinuums in der zweiten Hälfte des X I X . Jahrh. die Millsche Auffassung des Früherseins der Ursache vor ihrer unmittelbaren Wirkung so lange bestehen und nachwirken konnte, das liegt z.T. daran, daß die modernen Mathematiker die moderne Theorie des Kontinuums im allgemeinen für eine Lösung der durch Z e n o n hervorgehobenen Schwierigkeiten halten. 82 R e h m k e (vgl. Philosophie als Grundwissenschaft, II. Aufl. S. 196ff.) bemerkt mit Recht, daß das E i n t r e t e n dieses neuen „positiven" Sachverhalts immer nur mit dem A u f h ö r e n e i n e s a n d e r e n Sachverhalts ( z . B . dem „Dunkelsein" der Lampe) vor sich geht. Infolgedessen faßt er die „Wirkung" als eine V e r ä n d e r u n g , als den Ü b e r g a n g von dem eben aufhörenden Tatbestand in den eintretenden auf. Dies ist natürlich richtig, aber es mußte in manchen Fällen zur Annahme negativer Sachverhalte führen, was wir hier vermeiden wollen, andererseits ist das Ereignis der Wirkung s e l b s t die Verwandlung eines Sachverhalts in einen anderen. So ändert die Rehmkesdie Formulierung nichts an unserem Standpunkt.
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sache und ihrer Wirkung bildet zugleich den Fall der Ursache im „ursprünglichen" Sinne, auf den wir früher hingewiesen haben. Und umgekehrt: ein jeder Fall der Ursache im ursprünglichen Sinne bildet zugleich einen Fall der „unmittelbaren" Ursache oder kurz und schlechthin der Ursache.33 Dieser letzten Begründung der Gleichzeitigkeit der (unmittelbaren) Wirkung mit ihrer Ursache kann der Vorwurf gemacht werden, wir 38 Soviel idi S i g w a r t recht verstehe, steht audi er auf dem Standpunkt, daß die Ursadie mit ihrer unmittelbaren Wirkung gleichzeitig erfolgt. (Vgl. Logik, Bd. II. § 73, S. 137ff.). Nur n e n n t S i g w a r t „Ursadie" etwas anderes als wir es hier tun. Das, was idi hier „Ursache" nenne, nennt Sigwart „das Wirken der Ursadie" oder „Aktion der Ursadie", und was idi hier „Wirkung" nenne (I.e. 156) heißt bei ihm „Entstehung des Effekts". Dann aber behauptet S i g w a r t : „und die Gleichzeitigkeit der Aktivität der Ursache und des Entstehens des Effektes ist im strengsten Sinne vorhanden". Was dagegen S i g w a r t selbst unter „Ursache" versteht, ist nidit ganz klar. Anfangs sdieint es, daß Sigwart unter einer Ursadie ein Ding versteht, von dem aus ein Wirken auf ein anderes Ding seinen Anfang nimmt (z. B. beim Zusammenstoß zweier Kugeln die stoßende Kugel). Später aber, wie es scheint, versteht er darunter die G e s a m t h e i t d e r B e d i n g u n g e n , von weldier das Zustandekommen und die Beschaffenheit des „Effekts" (oder des verharrenden Effekts) abhängt. Im ersten Falle wäre also nach S i g w a r t die Ursadie ein in der Zeit verharrender Gegenstand, im zweiten dagegen scheint seine Auffassung der Ursache mit der Millsdien zusammenzufallen und läuft darauf hinaus, daß die „Ursadie" dasselbe ist, wie die „aktive" hinreichende Bedingung der Wirkung. In beiden Fällen also hätte S i g w a r t bei der „Ursadie" etwas anderes im Auge, als sie meiner Meinung nach ist. Daneben aber hat Sigwart einen Seinszusammenhang im Auge, der meines Eraditens eben der kausale Seinszusammenhang ist, nur daß er ihn anders nennt.
Bezeichnenderweise steht bereits K a n t der Ansicht nahe, daß man die Gleichzeitigkeit der Ursache (in meinem Sinne) mit ihrer Wirkung annehmen muß. Er unterschied bekanntlich die „Kausalität der Ursache" von der Ursache selbst und behauptet dann wie folgt: „Der größte Teil der wirkenden Ursache in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren wird nur dadurch veranlaßt, daß die Ursadie ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblick verrichten kann. Aber in dem Augenblicke, da sie zuerst entsteht, ist sie mit der Kausalität ihrer Ursache jederzeit zugleich, weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehört hätte zu sein, diese gar nicht entstanden wäre." (Kr. d. r. V., Ausg. B, S. 248). Wie wir sehen, bedient sich K a n t sogar desselben Arguments für die Gleichzeitigkeit der Ursache mit ihrer Wirkung, das oben u. a. angegeben wurde. Freilich findet man, wenigstens im Rahmen der „Kritik der reinen Vernunft" keine näheren Aufschlüsse darüber, wie die Scheidung zwischen der „Ursache" und der „Kausalität der Ursadie" durchzuführen sei, und audi keine näheren Angaben darüber, wie die „Kausalität der Ursache" im Sinne K a n t s genau zu verstehen sei. Aber auch im 20. Jahrh. fand die Auffassung, daß die Glieder der Kausalbeziehung gleichzeitig seien, ihre Verfechter, u. a. C. J. D u c a s s e (Causation and the Types of Necessity, 1924). In Polen steht dieser Auffassung Β. G a w e c k i in seiner Abhandlung „Stosunek czasowy przyczyny i skutku" („Das Zeitverhältnis zwischen Ursache und Wirkung") nahe; er spricht aber lediglich von der „Berührung" zwischen der Ursache und ihrer Wirkung und spricht die Behauptung über ihre Gleichzeitigkeit nicht ausdrücklich aus. Vgl. Kwartalnik Filozoficzny, Bd. VI, 1928.
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hätten uns einer falschen Definition der hinreichenden Bedingung bedient. Es wurde nämlich oben behauptet, daß wenn irgendein Gesamtbestand A eine (aktive) hinreichende Bedingung eines Β ist, dieses Β mit der Realisierung des A z u g l e i c h eintreten muß, da A sonst keine hinreichende Bedingung des Β sein würde. Indessen - behauptet man dies sei für die hinreichende Bedingung gar nicht notwendig, wenn man sie nur richtig faßt. Man müsse nämlich nicht bloß das Eintreten des Ereignisses A, sondern auch das Bestehen eines gewissen G e s e t z e s berücksichtigen, bei dessen Geltung das Eintreten des Β auch nadi einer gewissen Zeitspanne eintreten kann. 84 Durch das Eintreten von A und die Geltung jenes Gesetzes sei das Eintreten des Β genügend gesichert, also bildet erst b e i d e s die hinreichende Bedingung des B, wenn audi das Β erst lange Zeit nach A eintreten sollte. Wäre dies richtig, dann würde die Berufung darauf, daß die Ursache eine hinreichende Bedingung (oder wenigstens der Ergänzungsfaktor einer solchen Bedingung) ihrer unmittelbaren Wirkung sei, nicht zu der Annahme ihrer Gleichzeitigkeit mit derselben führen. Wir haben freilich die Ursache nicht mit der „hinreichenden Bedingung" ihrer Wirkung identifiziert, dodi spielt das Hinreichen der v o l l e n „aktiven" Bedingung beim Eintreten der Wirkung eine wesentliche Rolle, also muß der angeführte Vorwurf 35 von uns berücksichtigt werden. Zunächst: Was ist der Sinn dieser Definition der hinreichenden Bedingung? Soll sie im l o g i s c h e n oder im o n t o l o g i s c h e n Sinne verstanden werden? Und ändert sie wirklich etwas an der von mir eingenommenen Stellung? Im l o g i s c h e n Sinne würde diese Definition soviel bedeuten, wie daß die „hinreichende Bedingung" nichts anderes als der l o g i s c h e G r u n d einer l o g i s c h e n Folge im sog. modus ponens ist. Aus „wenn p, so q" und „p" folgt bekanntlich „q". se Gewiß, w e n n man schon 84 Dabei sollen - wie es scheint - die b e i d e n folgenden Fälle möglidi sein: entweder bestimmt dieses Gesetz im voraus ganz g e n a u diese Zeitspanne - wie es ζ. B. mit den verschiedenen Gesetzen des Zerfalls der Radiumprodukte der Fall ist, oder es wird im Gesetz selbst nur ganz allgemein eine näher nicht angegebene Zeitspanne vorausgesehen. 38 Diesen Vorwurf sowie die angeführte Definition der hinreichenden Bedingung, hat T. K o t a r b i n s k i in einer Diskussion in der Polnischen Philosophischen Gesellschaft im Jahre 1952 in Warschau gegen midi erhoben. Es ist klar, daß sie nur auf die a k t i v e hinreichende Bedingung in unserem Sinne angewendet werden könnte. 38 D . h . : das „wenn - so" gibt das betreffende Gesetz, das Eintreten der Tatsache gibt das „p" an, die mit dem Gesetz zusammen die hinreichende Bedingung bilden soll.
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weiß, was eigentlich die Grund-Folge-Beziehung sei, und wenn das Bestehen dieser Beziehung ohne B e r u f u n g auf ontologische Zusammenhänge geklärt und gesichert werden kann. Aber weder das eine noch das andere ist bis jetzt in der mir bekannten logischen Literatur geschehen.37 Gewöhnlich sagt man audi nicht, daß die Grund-und-FolgeBeziehung s e l b s t in dem hinreichenden Bedingtsein der Folge durch ihren Grund besteht, sondern, daß unter den Sätzen dann eine Grundund-Folge-Beziehung besteht, wenn der durch den G run d im logischen Sinne bestimmte Tatbestand die hinreichende Bedingung desjenigen Sachverhaltes bildet, der durch den Folgesatz bestimmt wird. Diese l o g i s c h e Beziehung ist also nicht s e l b s t die B e z i e h u n g , die zwischen der hinreichenden Bedingung und dem hinreichend Bedingten besteht, sondern ist ein logisches M i t t e l , das Bestehen des hinreichenden Bedingtseins eines Sachverhaltes durdi das Bestehen der in den beiden Prämissen bestimmten Sachverhalte zu e r k e n n e n . Wohl ist es wahr, daß die W a h r h e i t des logischen Grundes die hinreichende Bedingung der W a h r h e i t der logischen Folge ist, aber nicht diese Bedingung wird in einer Grund-Folge-Operation, ζ. B. des Typus modus ponens definiert, erkannt oder gesetzt. Ferner ist das logische Grundsein eines Satzpaares für einen dritten Satz als dessen Folge nicht mit dem ontischen hinreichenden Bedingen identisch. Endlich ist es nicht so, daß etwa das Bestehen des hinreichenden Bedingtseins der Wahrheit eines Satzes durch die Wahrheit eines S a t z p a a r e s bzw. die GrundFolge-Operation selbst die hinreichende B e d i n g u n g f ü r das Bestehen des hinreichenden Bedingtseins des in diesem Schluß-Satz bestimmten S a c h v e r h a l t s durch die in diesem Satzpaar bestimmten S a c h v e r h a l t e sein sollte, sondern es ist gerade u m g e k e h r t : das hinreichende Bedingtsein eines Sachverhaltes durch andere Sachverhalte (bzw. Sachverhaltspaare) bildet die hinreichende und unentbehrliche Bedingung für das Bestehen der Grund-und-Folge-Beziehung zwischen den Sätzen,38 die in ihrem Inhalt die betreffenden Sachverhalte bestimmen, und sie läßt sich eben damit n i c h t auf die letztere, logische Beziehung z u r ü c k f ühren.8® 8 7 Audi in den mir bekannten Schriften T. K o t a r b i á s k i s konnte idi dies nicht finden. 3 8 Freilich würden dies die Logistiker nicht zugeben wollen, da sie den Begriff der „materiellen Implikation" eingeführt haben, bei welchem überhaupt g a r k e i n e „Grund und Folge"-Beziehung zwischen den Gliedern der „materialen Implikation" zu bestehen braucht. Es würde uns zu weit von unserem Thema abführen, um dieser Auffassung gegenüber Stellung zu nehmen. 8 9 Es gilt allgemein: die Beziehungen zwischen logischen Gebilden zerfallen in
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Dies muß verallgemeinert und bezüglich der Geltung sogenannter „allgemeiner Gesetze" oder der Sätze überhaupt behauptet werden. „Gesetze" (im Sinne l o g i s c h e r Gebilde) gelten n i c h t „an sich" und im a b s o l u t e n Sinne, o h n e R ü c k s i c h t auf das Bestehen der Sachverhalte (und ihrer Zusammenhänge), die in den Gesetzes-Sätzen bestimmt und festgelegt werden. Bei entsprechender Fassung ihres Sinnes schöpfen sie ihre Geltung aus dem B e s t e h e n der durch ihren Sinn bestimmten und durch ihre Behauptungsfunktion anerkannten Sachverhalte bzw. Sachverhaltszusammenhänge in einer bestimmten Seinssphäre, nicht aber auf eine sozusagen a u t o n o m e Weise aus sich selbst allein. Man darf sich also auf die Geltung eines Gesetzes als eines logischen Gebildes nicht in dem Sinne berufen, als ob es etwas Autonomes und von jedwedem Sein Unabhängiges wäre, was dazu noch die Macht hätte, die diesbezüglichen Sachverhalte von sich aus hervorzuzaubern und dadurch über die entsprechende Seinssphäre zu „herrschen" (wie man oft genug sagt!). Die Gesetze selbst haben keine Macht über das Seiende und insbesondere über das Reale. Ihre Stellung dem Seienden (insbesondere der Realität) gegenüber ist keine „herrschende", sondern eine durchaus „dienende" und „gehorchende". Wenn man sich also in einer Definition der „hinreichenden Bedingung" u. a. auf die Geltung eines G e s e t z e s beruft, so darf dies jedenfalls nicht in dem Sinne verstanden werden, als ob dieses „Gesetz", als ein l o g i s c h e s Gebilde, die realen Gegenständlichkeiten irgendwie „beherrschen" und ihnen von sich aus irgendwelche Seinszusammenhänge machtvoll diktieren könnte. solche, die r e i n l o g i s c h und von sonstigen, außerlogisdien Gebilden und deren Beziehungen unabhängig sind, und in solche, die a u ß e r l o g i s c h b e d i n g t s i n d . Die letzteren sind zwar von gewissen Eigenschaften der l o g i s c h e n Gebilde abhängig bzw. sie werden durdi dieselben determiniert, aber diese Eigenschaften sind für das Logische als solches nicht notwendig, sondern nur durch die notwendigen Eigenschaften des Logischen als möglidi z u g e l a s s e n . Das effektive Vorhandensein dieser Eigenschaften ist also durch ein außerlogisdies Sein bedingt und von ihm abgeleitet zwecks Erreichung gewisser Zwecke mit den aus diesen Eigenschaften sich ergebenden Beziehungen zwischen den logischen Gebilden. Diese Zwecke sind eben Erkenntnis- und Wahrheitszwecke, die mit Hilfe logischer Gebilde und und ihrer Beziehungen erreicht werden sollen. N u r die logischen Beziehungen des z w e i t e n Typus stehen mit den Wahrheitswerten logischer Gebilde im Zusammenhang. D a s Logische ist also nicht bloß a l s G e b i l d e vom außerlogischen Sein, insbesondere von Bewußtseinssubjekten s e i n s a b g e l e i t e t , sondern es ist auch in denjenigen seiner Eigenschaften und Beziehungen, die für seine Erkenntnis- und Wahrheitsfunktion von Bedeutung sind, vom außerlogischen Sein abhängig und abgeleitet, indem es in denselben dem außerlogisdien Sein n a c h g e b i l d e t wird. Der Unterschied zwischen rein logischen und außerlogisch bedingten logischen Beziehungen hat Husserl veranlaßt zur Unterscheidung der reinen Formen- und Konsequenz-Logik einerseits und der Wahrheitslogik andererseits. Wer die außerlogisch bedingten logischen Beziehungen nicht
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Es darf lediglich in dem Sinne verstanden werden, daß der Realität selbst eine bestimmte Regelmäßigkeit innewohnen muß (bzw. „Gesetzmäßigkeit"), die unter den entsprechenden Gegenständlichkeiten „herrscht". Dies letztere wollen wir gar nidit leugnen, da wir uns selbst auf notwendige Seinszusammenhänge, die der ursächlichen Seinsbeziehung zugrunde liegen, berufen haben. Und die aktive hinreichende Bedingung von etwas in der realen Welt fassen wir auch im Sinne einer Gesetzmäßigkeit zwischen dem Bedingenden und dem Bedingten selbst. Als eine Eigentümlichkeit d i e s e r Gesetzmäßigkeit glauben wir gefunden zu haben, daß k e i n Zeitunterschied zwischen dem hinreichend Bedingten und dem hinreichend Bedingenden bestehen kann. Dies gehört zum Sinn, oder - besser - zum W e s e n des aktiven hinreichenden Bedingens, daß bereits alles, was ein anderes Seiendes „hinreichend" bestimmt und es ins Sein ruft, realisiert sein muß. Und da es zum Sinn des „hinreichenden" Bedingens gehört, daß am Bedingen dasjenige und n u r dasjenige teilhat, was etwas anderes bedingt, so daß a u s s c h l i e ß l i c h m i t dessen Sein und Beschaffensein die Funktion des Bedingens ausgeführt wird und was somit n i c h t s a n d e r e s braucht, was zur Ausübung dieser Funktion nötig wäre, so gibt es und kann es überhaupt keinen Grund dafür geben, daß nachdem der v o l l e Bestand des hinreichend Bedingenden einmal realisiert wird, es noch eine - wenn audi noch so kurze - Zeitphase geben könnte, in der das hinreichend Bedingende zwar bereits vorhanden wäre, aber das hinreichend Bedingte noch nicht eingetreten sein würde. Die Zulassung einer solchen Zeitnur für nicht-außerlogisch bedingte, sondern gar für solche logisdien Beziehungen hält, von denen außerlogisdie Beziehungen und überhaupt außerlogisches Sein seinsabgeleitet und seinsabhängig sein sollen, der verkennt nicht bloß den reinen Z w e c k diarakter logischer Gebilde und verabsolutiert dieselben, sondern kehrt das Seinsverhältnis des Logischen und des außerlogisdien Seins gerade um: Seinsprius ist für ihn das Logische, Seinsconsequens das außerlogisdie Sein. Das ist der Standpunkt des „logisdien Idealismus", den A j d u k i e w i c z in seinen „Erkenntnisartikeln" vertrat und mit ihm audi ein Teil der Neopositivisten in Polen und im Ausland. Wer die o η t i s c h verstandene hinreichende Bedingung auf die l o g i s c h e hinreichende Bedingung z u r ü c k führt, der vertritt ebenfalls den Standpunkt des logischen Idealismus. Ich halte diesen Standpunkt für grundverkehrt, es ist mir aber nicht möglich, dies hier zu zeigen. Wenn der transzendentale Idealismus, der alles Seiende für seinsabgeleitet von Bewußtseinsoperationen hält, wahrscheinlich für falsch gehalten werden muß, aber jedenfalls wenigstens diskutierbar ist, ist der „logische Idealismus" mit dem prinzipiellen Widersinn behaftet, daß er jegliches Seiende auf das seinem Wesen nach s e i n s a b g e l e i t e t e S e i n d e s L o g i s c h e n zurückführen will und somit das Prinzip alles Seienden in etwas sieht, was selbst in seinem Sein eines anderen Seienden bedarf. Das Merkwürdige dabei ist, daß die Vertreter des „logischen Idealismus" selbst darauf Nachdruck legen, daß die „Sprache" bloß ein zu bestimmten Zwecken g e s c h a f f e n e s G e b i l d e ist.
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phase würde bedeuten, daß an dem am Anfang derselben Realisierten noch etwas f e h l t , um das Bedingte zu realisieren, daß es also, der Annahme entgegen, noch nicht hinreichend bedingend ist. Oder anders gesagt: Der Grund zu einer Verzögerung des Auftretens des „hinreichend" Bedingten müßte in einem M a n k o in der betreffenden angeblich hinreichend bedingenden Seinslage liegen, in einem F e h l e n von etwas in ihr, was noch hinzukommen müßte, um das hinreichend Bedingte hervorzubringen. Aber eben der Sinn des „Hinreichens" besagt, daß es k e i n solches Manko, k e i n Fehlen von etwas geben darf. Das h i n r e i c h e n d Bedingende muß in jeder Hinsicht, welche für dieses Bedingen von Bedeutung ist, v o l l sein. Natürlich ist dies alles nicht im l o g i s c h e n , sondern im r e i n o n t i s c h e n Sinne zu verstehen. Kehren wir jetzt zu der oben angeführten Definition der hinreichenden Bedingung zurück, um zu fragen, was sie im ontischen Sinne bedeuten würde. Soviel ich verstehe, besagt diese Definition, daß zweierlei erfüllt werden muß, wenn ein A die „hinreichende Bedingung" eines Β sein soll: Erstens muß A existieren, und zweitens muß ein bestimmtes „Gesetz" zwischen A und Β bestehen. Um aber unserer Auffassung der aktiven hinreichenden Bedingung gegenübergestellt zu werden, muß in der angeführten Definition noch d r i t t e n s zugelassen werden, daß dieses Gesetz auch der Art sein könne, daß das Β einige Zeit n a c h dem Auftreten des A realisiert werden kann. Was das erste betrifft, so ist nur zu bemerken, daß es sich uns hier lediglich um Tatbestände und Zusammenhänge im Realen handelt, dieses „Existieren" also in dem besonderen Sinne des „Realseins" genommen werden muß. Auch gegen das Bestehen eines „Gesetzes" im Sinne einer besonderen Seinszusammengehörigkeit zwischen A und Β haben wir nichts einzuwenden. Der Zweifel unsererseits muß sich nur gegen die Zulassung eines Gesetzes richten, welches eine Z e i t d i f f e r e n z zwischen A und Β ermöglichen oder gar fordern würde. Hinsichtlich des Charakters dieses „Gesetzes" ist von unserem Standpunkt aus folgendes zu bemerken: Da wir uns schon auf dem ontischen bzw. ontologischen Boden befinden, so wird es uns nicht genügen, wenn man uns etwa sagen würde, dieses „Gesetz" sei nichts anderes als eine Behauptung über eine „Gesetzmäßigkeit" in irgendeiner Seinssphäre (denn es handelt sich uns lediglich um diese „Gesetzmäßigkeit" im S e i e n d e n selbst). Und um so weniger wird es uns genügen, wenn man uns außerdem versichern würde, dieses Gesetz sei „ n a t ü r l i c h " ein e m p i r i s c h e s , durch I n d u k t i o n gewonnenes Gesetz, das empiristisch gedeutet kein Notwendigkeitszusammenhang zwischen dem im Ur62
teilssubjekt (bzw. im Vordersatze) Bestimmten und dem im Urteilsprädikat (im Nachsatze) Bestimmten, sondern n u r die ständige, d. h. in der b i s h e r i g e n Erfahrung sich bewährende W i e d e r h o l u n g gewisser Tatbestände sein soll. Ein hinreichendes Bedingen eines Β durch ein A fände also im Sinne der angeführten Definition und der empiristischen Deutung des „Gesetzes" nur da statt, wo ein A realiter vorhanden ist und wo außerdem eine große Anzahl von Ereignispaaren bereits realisiert ist, deren erstes Glied dem A und das zweite dem Β „ähnlich" ist.40 Darauf ist zu antworten: Wenn zwischen den einzelnen, „bis jetzt" realisierten An und den entsprechenden Bn k e i n echter Seinszusammenhang von der Art des hinreichenden Bedingens, sondern lediglich ein im Grunde nur „zufälliges" und mysteriöses „Sowohl-als-auchAuftreten" besteht, so trägt die Realisierung einer sogar beliebig großen Anzahl solcher An-Bn-Paare nichts dazu bei, daß nach dem Auftreten des betreffenden A das betreffende Β dadurch hinreichend bedingt sein sollte: sie verhilft sozusagen dem A auf keine Weise, das Β nach sich zu ziehen. Mit anderen Worten: Das Vorhandensein einer 40 Daß diese Deutung des empirischen „induktiven" Gesetzes durchaus im Sinne des Empirismus liegt, zeigt zum Beispiel die Definition des Kausalzusammenhanges bei M i l l , nach welcher es zum Sinn dieser Beziehung gehört, daß es v i e l e P a a r e aufeinander folgender Tatsachen gibt. Vgl. I.e. S. 387: „Die unveränderlich vorhergehende Tatsache wird die Ursache, die unveränderlich folgende die Wirkung gen a n n t . . . " Freilich ist dann M i l l genötigt, die kausale Beziehung zwischen Ereignissen dodi von der bloßen Aufeinanderfolge irgendwie zu unterscheiden, also doch irgendwie einen Zusammenhang zwischen den betreifenden Ereignissen zu statuieren, aber dies geschieht nicht durch einen Versuch, diesen Zusammenhang näher zu bestimmen, sondern nur durch die Annahme, daß die kausale Aufeinanderfolge dort stattfindet, „wo das Antezedens oder das Zusammenwirken von Antezedenzien" vorliegt, „worauf dieselbe (seil, eine „Naturerscheinung") unveränderlich und u n b e d i n g t folgt". Oder - wie M i l l weiter schreibt - „wir nehmen die bequeme Modifikation der Bedeutung des Wortes Ursache an, wonach sie die Summe der positiven Bedingungen ohne die negativen ist; wir müssen dann statt „unbedingt" sagen: „keinen anderen als negativen Bedingungen unterworfen" (vgl. I.e. S. 401). Dies soll wie es scheint bedeuten, daß die Aufeinanderfolge von Ursache und Wirkung von keinem dritten Faktor in der Welt, als lediglich von den zu der kausalen Folge selbst gehörenden, d. h. letzten Endes von der Ursache selbst abhängig ist. Dies mag richtig sein, aber wie dies mit der empiristischen Tendenz, keine notwendigen Seinszusammenhänge im Rahmen der Realität anzunehmen, zusammenstimmt, ist eine Frage für sich. Jedenfalls wird der besondere kausale Zusammenhang dadurch nicht geklärt. Das ständige unveränderliche Eintreten von Ereignispaaren, deren „Aufeinanderfolge" von allem anderen in der Welt unabhängig sein soll, ist höchstens ein A n z e i c h e n für das Bestehen eines p o s i t i v e n Zusammenhanges zwischen den Gliedern der kausalen Beziehung, klärt aber diese Beziehung nicht auf. Dies ist eben der Punkt, in welchem wir durch unsere vielleicht nur vorbereitenden Analysen über die historisch vorliegenden Auffassungen hinauszugehen suchen.
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(sich eventuell im Laufe der Zeit vermehrenden) Mannigfaltigkeit von Αη-Βη-Paaren, von denen es unbekannt ist, ob sie miteinander auf irgendeine Weise seinsmäßig verbunden sind, kann das Bestehen einer ganz besonderen Seinsbeziehung, die man im Sinne hat, wenn es sich um das hinreichende Bedingen eines Β durch ein A handelt, gar nicht beeinflussen, nodi sie hervorbringen, noch endlich sie irgendwie sichern. Nicht ein rein s t a t i s t i s c h e s Z u f ä l l i g k e i t s g e s e t z kann uns hier behilflich sein, sondern nur ein bestimmtes „Gesetz", das einen im S e i e n d e n s e l b s t bestehenden Z u s a m m e n h a n g zwischen zwei Gegenständlichkeiten A und Β setzt oder — wenn es ontisch verstanden wird - in diesem Zusammenhang besteht. Um die besondere Art dieses Seinszusammenhanges s e l b s t handelt es sich in unserem Falle. Einen Seinszusammenhang kann aber nur dasjenige bilden, was selbst existiert. Man würde uns antworten: richtig, deswegen wird auch in der erwogenen Definition der erste Punkt angegeben. Da dies aber Verschiedenes bedeuten kann, so muß es näher erwogen werden. 1. Erstens kann es bedeuten, daß der Seinszusammenhang sein Seinsfundament ausschließlich darin findet und finden kann, was existiert und in diesem Seinszusammenhang steht, nicht aber in etwas anderem, was sonst in der Welt real geschieht, also insbesondere auch nicht in anderen F ä l l e n des Seinszusammenhanges d e s s e l b e n Typus. In Anwendung auf den Seinszusammenhang zwischen dem hinreichend Bedingenden und dem durch es Bedingten bedeutet dies insbesondere das Folgende: Wenn wir auch annähmen, daß das „aktive" hinreichende Bedingtsein in zahlreichen realisierten Fällen in einem notwendigen Seinszusammenhang eines ganz bestimmten Typus besteht, so hat d i e s keinen Einfluß darauf, was in einem n e u e n Fall eines Seinszusammenhanges derselben Art statthat. Der neue Fall erlangt kein einziges Moment seines Wesens, seiner eigenen Ausgestaltung unter dem Druck der f r ü h e r e n Fälle. Was er in sich selbst ist, verdankt er nicht ihnen, sondern nur der Form und Materie derjenigen Gegenständlichkeiten, die in dem b e t r e f f e n d e n F a l l e in diesem Seinszusammenhang stehen. Das sog. „Herrschen" eines „allgemeinen Gesetzes" im ontischen Sinne darf also n i c h t so gedeutet werden, als ob es im Seienden (insbesondere im Realseienden) eine aus den einzelnen, „ b i s j e t z t " realisierten (und anderswo stattfindenden) Fällen entspringende Kraft gäbe, die das im g e g e b e n e n Falle Seiende sozusagen v o n a u ß e n her zwingen würde, sich so und nicht anders zu verhalten. Diese Feststellung mag trivial und „selbstverständlich" sein. Trotz64
dem macht die sehr mißverständliche Rede vom „Herrschen" der Gesetze es ratsam, diese Feststellung zu machen und sie zu betonen. 2. Zweitens aber bedeutet der Satz, nur Existierendes könne einen Seinszusammenhang bilden. Zwischen zwei Gegenständlichkeiten, von denen die eine (A) b e r e i t s n i c h t existiert, wenn die zweite (B) existiert, kann k e i n Seinszusammenhang bestehen. Mit anderen Worten: Es gibt k e i n e S e i n s z u s a m m e n h ä n g e zwischen Gegenständlichkeiten, die zeitlich voneinander e n t f e r n t sind. Denn, wenn Β gerade existiert, ist das von ihm zeitlich entfernte A schon v e r g a n g e n (denn, was anders sollte die zeitliche Entfernung bedeuten?), und als Vergangenes ist es nicht mehr im aktuellen Sein begriffen und kann somit mit dem aktuell Existierenden keinen Seinszusammenhang bilden. Wenden wir dies auf eine konkrete Sachlage an, so läßt sich sagen: Ist A das Ereignis des Umstellens des Schalters einer elektrischen Anlage, Β dagegen das später eintretende Aufleuchten einer mit dieser Installation verkoppelten Lampe, so besteht zwischen A und Β k e i n echter Seinszusammenhang, obwohl sie beide Glieder e i n e r u n d d e r s e l b e n Kausalreihe sind und das Aufleuchten der Lampe eine mittelbare Wirkung des Umstellens des Schalters ist. In u n s e r e m Sinne besteht in diesem Falle zwischen A und Β k e i n e Beziehung des aktiven h i n r e i c h e n d e n Bedingens des Β durch A, und zwar gerade deswegen, weil Β später als A ist. Indessen — wie mir scheint - würde Kotarbinski behaupten, daß das Umstellen des Schalters auf hinreichende Weise das Aufleuchten der Lampe bedingt, eben weil es 1. stattgefunden hat und weil es 2. ein „Gesetz" gibt, das die kausalen Zusammenhänge zwischen den betreffenden Tatsachen bestimmt. Er würde auch vermutlich behaupten, man brauche nichts anderes, als die beiden erwähnten „Tatsachen" „anzunehmen", um zu dem sicheren, vielleicht gar unabwendbaren Erfolg des Aufleuchtens der Lampe zu gelangen. Somit könne auch das „später" Eintretende durch etwas bereits Vergangenes hinreichend bedingt werden. Was tut aber das Gesetz? Im logischen Sinne genommen, wenn es kein bloßes „Erwartungsgesetz" 41 ist, versichert es uns, daß gewisse Ereignisse in einer bestimmten Aufeinanderfolge mit Sicherheit eintreten, falls das erste Glied der betreffenden Ereignisreihe eintreten wird. 4 1 Unter einem „bloßen Erwartungsgesetz" verstehe i d i e i n r e i n s t a t i s t i s c h e s Gesetz, das sich aber auf die bloße Feststellung b i s h e r i g e r Fälle nicht beschränkt, sondern zugleich die zukünftigen Ereignisse des betreffenden Typus mit umfaßt, obwohl es dazu eigentlich kein Recht hat. Insofern hat es nur den Wert einer reinen Erwartungsaussage.
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Zweierlei aber leistet es dabei n i c h t : 1. Es versichert uns gar nicht, daß in j e d e r P h a s e des ganzen Prozesses, in welchem sich nacheinander die in Betracht kommenden Ereignisse vollziehen, wir es mit einer hinreichenden Bedingung der nächsten Phase zu tun haben, 2. es versichert uns auch nicht, daß t a t s ä c h l i c h die g a n z e durch das Gesetz vorausbestimmte R e i h e von Ereignissen o h n e j e d e S t ö r u n g v o n a u ß e n ablaufen wird. Und wenn es dies täte, so hätte es kein Recht dazu, da es immer nur einen verhältnismäßig kleinen A u s s c h n i t t aus der gesamten Wirklichkeit der realen Welt berücksichtigt (und mehr auch nicht zu tun vermag), zugleich aber versichern würde, daß außerhalb der Sachlagen bzw. der von ihm vorbestimmten Reihe der Ereignisse sich nichts Derartiges abspielen kann, was diese Reihe unterbrechen und somit, trotz des Eintretens des ersten Gliedes und der Geltung des betreffenden Gesetzes, das Eintreten des letzten Gliedes unmöglich machen würde. Erläutern wir dies an einem Beispiel: Bildet beim Vorhandensein einer funktionsfähigen elektrischen Einrichtung die U m s t e l l u n g des Schalters und die auf diese Installation anwendbaren und geltenden physikalischen G e s e t z e wirklich die h i n r e i c h e n d e B e d i n g u n g des Aufleuchtens der zu dieser Installation gehörenden elektrischen Lampe? Die Antwort darauf hängt vor allem davon ab, ob die in Betracht gezogene elektrische Anlage so von aller sie umgebenden Welt auf störende Einflüsse abgesichert ist, daß während der Zeit zwischen der Umstellung des Schalters und dem Aufleuchten der Lampe nichts von außen her einwirken und das Aufleuchten verhindern kann. Die Bestimmung der „hinreichenden Bedingung" ist immer auf ein bestimmtes S y s t e m von Gegenständlichkeiten r e l a t i v und b e s c h r ä n k t . Sie erfordert somit eine reelle I s o l i e r u n g des betreffenden Systems (in einer gewissen Hinsicht wenigstens) von dem Rest der Welt, die dieses System umgibt. Ist diese Isolierung in entsprechender Hinsicht nicht möglich, dann muß entweder der Anspruch auf das Hinreichen der betreffenden Bedingung preisgegeben, oder das System so erweitert werden, daß - wenn das möglich ist - dieser Anspruch erfüllt werde. Die Erweiterung des Systems auf weitere Gegenständlichkeiten fordert aber oft nicht bloß die Berücksichtigung weiterer Gesetze, die für den vergrößerten Gegenstandsbereich gelten, sondern auch - falls die betreffende Bedingung hinreichend bleiben sollte - die V o r a u s s e t z u n g d e s N i c h t e i n t r e t e n s von Tatsachen in dem erweiterten Bereich, deren Wirkungen den Verlauf des Prozesses zwischen der Umstellung des Schalters und dem Aufleuchten der Lampe irgendwie stö66
rend beeinflussen könnten. Das Eintreten oder Nichteintreten solcher Tatsachen a u ß e r h a l b des Ausgangs-Systems (in unserem Falle: der erwogenen Installation) hängt aber weder von dem Ausgangszustand des gewählten Systems (im Moment der Umschaltung des Schalters), noch von der Tatsache der Umschaltung selbst ab. So ist die Frage danach, ob die angegebenen Bedingungen für das Eintreten des von ihr bedingten Ereignisses (dem Aufleuchten der Lampe) hinreichend sind, solange nicht entscheidbar, als man sich nicht entscheidet, zwei Schritte zu tun: 1. das Ausgangssystem auf die g a n z e reale Welt zu erweitern und somit das ganze System der für a l l e in der Welt vorkommenden Gegenständlidikeiten geltenden Gesetze zu berücksichtigen; 2. anzunehmen, daß der Ausgangszustand der gewählten elektrischen Installation und die Tatsache der Umschaltung des Schalters sämtliche Vorgänge in dem R e s t der Welt so b e s t i m m t , daß jeder s t ö r e n d e Einfluß auf den Vorgang: Umschaltung-Auf leuchten entweder ausgeschlossen ist - dann können die erwogenen Bedingungen hinreichend sein, - oder nicht ausgeschlossen ist, dann sind die erwogenen Bedingungen nicht hinreichend. Aber es ist eben die Frage, deren Beantwortung im Grunde das Hauptziel unserer ganzen Untersuchung bildet, ob es möglich und zulässig sei, die g a n z e Welt für ein solches System von Gegenständlichkeiten zu halten, in dem nicht bloß ein einheitliches System von Gesetzen gilt, sondern auch die e i n e gewählte T a t s a c h e so den Eintritt von Tatsachen in der übrigen Welt bestimmt, daß nichts von ihr Unabhängiges eintreten kann, daß es also immer prinzipiell entscheidbar sei, ob die betreffende Tatsache und die geltenden Gesetze eine hinreichende oder eine unzureichende Bedingung für das Eintreten einer anderen Tatsache - und insbesondere für das Eintreten nach einer bestimmten, vorausgesehenen Zeit - sei. Daß die Welt ein solches System bildet, ist ohne weiteres weder sidier noch einsehbar und auch nicht aus dem Wesen einer kausalen Beziehung oder aus dem Vorhandensein kausaler Beziehungen in der Welt als eine notwendige Konsequenz verständlich. Und es müßten erst Wege und Mittel gefunden werden, um darüber zu entscheiden. Das Vorkommen von aktiven „hinreichenden Bedingungen" in u n s e r e m Sinne, bei welchem das hinreichend Bedingte mit der Bedingung selbst gleichzeitig erfolgt, ist an solche weitere Fragen nach der Struktur der ganzen Welt und der in ihr geltenden Gesetze n i c h t gebunden. Dagegen setzt die entgegengesetzte Auffassung der „hinreichenden Bedingung", nach welcher das hinreichend Bedingte audi eine bestimmte Zeit nach dem Eintreten dieser Bedingung zustande kommen kann, eine 67
bestimmte Auffassung der Struktur der Welt voraus, die erst bewiesen werden müßte. Die aktive „hinreichende Bedingung" in unserem Sinne nennen wir - dort wo MißVerständnisse entstehen könnten - die „ u r s p r ü n g l i c h e " und „absolute" hinreichende Bedingung, dagegen nennen wir die „hinreichende Bedingung" in dem neuen hier nur angeführten Sinne die „abgeleitete" und bloß k r i t e r i o l o g i s c h verstandene „hinreichende Bedingung". 42 Gesetzt aber audi, es sei gelungen, das Vorhandensein der entsprechenden Struktur in der realen Welt zu erweisen, so muß noch betont werden, daß bei dieser neuen „kriteriologischen" Auffassung der „hinreichenden Bedingung" ein n e u e r S i n n d e s H i n r e i c h e n s in Frage kommt, der von dem von uns verwendeten durchaus verschieden ist und diesen letzteren im Grunde v o r a u s s e t z t . Das „hinreichend Bedingende" (im ontisdien Sinne) bedeutet nach unserer Auffassung einen in dem betreffenden Seienden realisierten Gesamtbestand an Tatbeständen, die d u r c h n i c h t s e r g ä n z t z u w e r d e n b r a u c h e n , um einen neuen Tatbestand - das hinreichend Bedingte - hervorzubringen, es also von selbst zustande zu bringen. Dagegen bezeichnet die „hinreichende Bedingung" in dem neuen „abgeleiteten", aber audi ontisdi gedeuteten Sinne einen in einem gewählten Seinssystem - gegebenenfalls der Welt - vorhandenen Bestand, der zwar noch durch verschiedene andere gegenwärtige (oder zukünftige) in demselben System seiende Bestände e r g ä n z t werden könnte und auch gegebenenfalls ergänzt werden müßte, damit das „hinreichend Bedingte" einträte, der aber unter der Geltung angenommener Gesetze es s i c h e r macht, daß audi die ergänzenden Bestände eintreten werden und daß somit auch das von ihm und von den letzteren zusammen - in unserem Sinne „hinreichend" — Bedingte realisiert werden wird. Würde es das in u n s e r e m Sinne „hinreichende Bedingen" des einen Tatbestandes durch andere Tatbestände nicht geben, so könnte audi das „hinreichend Bedingende" in der neuen Auffassung nicht zustande kommen. So setzt die neue Auffassung der „hinreichenden Bedingung" die „hinreichende Bedingung" in u n s e r e m Sinne voraus. Und da unser Begriff dieser Bedingung keine besondere Struktur der Welt im ganzen voraussetzt, ziehen wir 4 2 Es unterliegt keinem Zweifel, daß von den Logikern meistens die „kriteriologische" Auffassung der hinreichenden Bedingung verwendet wird. Sie wird dann nicht genügend präzisiert und somit oft mit der ursprünglichen hinreichenden Bedingung vermengt. Audi der Unterschied zwischen der a k t i v e n hinreichenden Bedingung und der „hinreichenden Bedingung", die lediglich bei idealen, ζ. B. mathematischen Gegenständlichkeiten in Frage kommt, wird bei der üblichen Verwendung des Begriffes der „hinreichenden Bedingung" nicht berücksichtigt.
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es vor, ihn unseren Betrachtungen der kausalen Beziehung zugrunde zu legen. In diesem Sinn glaube ich auch behaupten zu dürfen, daß, wenn die „Ursache" der letzte Ergänzungsfaktor einer Gesamtheit von Tatbeständen zu einer „hinreichenden Bedingung" der Wirkung (des Effekts) ist, sie auch mit der durch sie hervorgebrachten (unmittelbaren) Wirkung g l e i c h z e i t i g ist und gleichzeitig sein muß. Nicht ist also die (früher eintretende) Umschaltung des Schalters der erwogenen elektrischen Installation unmittelbare Ursache des (später eintretenden) Aufleuchtens der betreffenden Lampe, eben weil sie kein Ergänzungsfaktor zur „hinreichenden Bedingung" dieses Aufleuchtens ist, sondern erst durch eine Reihe neuer Tatbestände ergänzt werden muß, damit endlich die in unserem ursprünglichen Sinne „hinreichende Bedingung" des Aufleuchtens realisiert werde, wodurch es dann „ohne weiteres", d. h. gleichzeitig zur Realisierung der Wirkung kommt. Wenn wir aber an der Gleichzeitigkeit der Ursache mit ihrer (unmittelbaren) Wirkung festhalten, indem wir in der Ursache den Ergänzungsfaktor der aktiven ursprünglichen hinreichenden Bedingung der Wirkung sehen, so behaupten wir eben damit noch nicht, daß alles und jedes in der Welt in beliebiger Zeitphase Auftretende eine aktive hinreichende Bedingung von allem anderen in dieser Welt sei, was nidit früher als es selbst eintritt. Aber wir setzen damit audi nicht voraus, daß dem nicht so sei. Das heißt, unsere Auffassung der Ursache setzt nichts über die Allgemeinheit der Verbreitung der kausalen Struktur in der Welt voraus. Wie oft und wo diese Struktur in der Welt auftritt, dies erfordert eine besondere Erwägung, die über die Erfassung des Wesens des kausalen Seinszusammenhanges und insbesondere über die Fassung dessen, was eigentlich Ursache von etwas ist, hinausgeht. Andererseits führt die Gleichzeitigkeit der unmittelbaren Wirkung einer Ursache mit dieser selbst nicht notwendig — wie es zu befürchten wäre zur Zeitlosigkeit bzw. zu der Momentanhaftigkeit der ganzen Welt. Ihr gesamtes Sein muß sich deswegen nicht in e i n e m Moment vollziehen, weil der unmittelbare Seinszusammenhang zwischen der Ursache und ihrer Wirkung in einer Gegenwart enthalten ist. Daß hier aber diese Gefahr wirklich droht, hat bereits Hume deutlich gesehen.43 Und da er - wie es scheint - einerseits von dem zeitlichen Sein der realen Welt und von dem zeitlichen Geschehen in ihr fest überzeugt war, anderer-
« Vgl. D. H u m e, A Treatise of Human Nature. Vol. I, Teil III, Absdinitt 2.
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seits aber kein Mittel sah, diese Gefahr zu beseitigen, so entschied er sich, wie bekannt, das S p ä t e r s e i n der Wirkung nach der Ursache anzunehmen. Gelänge es uns nicht, diese Gefahr zu beseitigen, dann befänden wir uns in einer viel schwierigeren Lage als Hume, da wir die Unmöglichkeit der Ungleichzeitigkeit der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung bereits gezeigt zu haben glauben. Hume sagt ausdrücklich: „Denn wenn eine Ursache gleichzeitig mit ihrer Wirkung, und diese Wirkung wiederum gleichzeitig mit i h r e r Wirkung wäre usw., so würde es augenscheinlich nichts geben, was als Aufeinanderfolge bezeichnet werden könnte. Alle Gegenstände müßten koexistieren."44 Hume hätte nur dann vollkommen recht, wenn es in der Welt lauter Ereignisse gäbe und wenn jedes Ereignis als seine unmittelbare Wirkung wiederum ein Ereignis haben müßte, nach welchem es keinen dauerhaften Zustand bzw. keinen dauernden Vorgang geben könnte. Denn die von Hume aufgewiesene Schwierigkeit läßt sich nicht durch die Annahme der Ungleichzeitigkeit der Ursache und Wirkung sowie der Existenz sich unmittelbar berührender Zeitmomente umgehen. Die letztere Annahme widerspricht ja den Grundbehauptungen über das Kontinuum. Man muß also die Lösung der Schwierigkeit auf einem anderen Wege suchen, und zwar durch die Berücksichtigung des formal-ontologischen Gesetzes, nach welchem Ereignisse nur unter der Bedingung stattfinden können, daß sie sich im engsten Zusammenhang mit Vorgängen vollziehen und daß ihnen in der Zeit verharrende Gegenstände, insbesondere Dinge, zum Seinsfundament dienen. Um aber die Gefahr der Zeitlosigkeit der Welt zu beseitigen, ist es vor allem notwendig, noch gewisse ergänzende - gewöhnlich nicht klar ausgesprochene - Voraussetzungen zu untersuchen, die bei der Annahme der Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung gemacht werden und zur Zeitlosigkeit des ganzen Weltgeschehens führen. Denn es scheint, daß sie gar nicht angenommen werden müssen und daß es somit gar nicht notwendig ist, zu der genannten Konsequenz zu gelangen. Erwägen wir dies im einzelnen. Aus der üblichen Betrachtungsweise der kausalen Beziehungen ersieht man, daß man sich gewöhnlich folgender Behauptungen als Voraussetzung derselben bedient: 1. die ursächliche Beziehung selbst sei ein m o m e n t a n e s Ereignis,45 2. bei zwei verschiedenen Ereignissen A und B, 44
I.e., in der deutschen Übersetzung von Th. L i p p s , Bd. I, S. 103 (Hamburg u. Leipzig 1904). 45 Dies stimmt - wie wir gesehen haben - nur für e i n e Art des kausalen Seinszusammenhanges und bezieht sich nur auf die unmittelbare kausale Beziehung.
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von denen A eine mittelbare Ursache von Β ist, und die somit durch eine Mannigfaltigkeit von zeitlich geordneten, vermittelnden (in ursächlichen Beziehungen stehenden) Ereignissen Eq getrennt sind, sei der ganze Zeitabschnitt t A . . . t B durch die Ereignisse Eq ü b e r a l l d i c h t erfüllt. Die Mannigfaltigkeit Eq hat also die Macht des Kontinuums. Mit anderen Worten gibt es in dem ganzen Zeitabschnitt tA... tB k e i η e derartige Gegenständlichkeit (als Zustand, verharrenden Gegenstand, Vorgang), die eine Zeitlang d a u e r t e . Anders gesagt: der Ubergang des Zustandes A in den Zustand Β geschieht k o n t i n u i e r l i c h . Dies könnte nur dann zugegeben werden, wenn eine jede auf einen punktuell gefaßten Zeitmoment reduzierte Phase eines Zustands oder eines Vorgangs ein „punktuelles" Ereignis wäre, das zu seinem Entstehen eine ebenso punktuell existierende Ursache nötig hat. Bei der Annahme der Gleichzeitigkeit des unmittelbaren Seinszusammenhanges zwischen der Ursache und ihrer Wirkung folgt aus den soeben angegebenen Voraussetzungen, daß beliebige mittelbare Glieder einer Kausalreihe gleichzeitig sein müssen. In einer im Sinne Heraklits in unaufhörlichen Veränderungen begriffenen Welt müßte dann der ganze Weltprozeß sich in einem einzigen Moment abspielen: die zeitliche Struktur der Welt würde verschwinden. Ist es aber wirklich notwendig - wie es Hume getan hat - auf die Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung zu verzichten, um die zeitliche Entfaltung des Weltgeschehens zu retten? Was darf und muß von den beigebrachten Voraussetzungen preisgegeben werden, um den Zeitunterschied wenigstens zwischen manchen Ereignissen, die in m i t t e l b a r e r ursächlicher Beziehung zueinander stehen, bei Gleichzeitigkeit der Glieder des unmittelbaren Seinszusammenhanges aufrechtzuerhalten? Zunächst scheint es, daß der Verzicht auf die im XX. Jahrhundert manchmal (z.B. bei Whitehead) angenommene Voraussetzung, die reale Welt sei aus lauter Ereignissen48 aufgebaut, schon ausreicht, um 49 Kennzeichnend ist es, daß audi in jener Zeit, als man in der Lichttheorie den Versuch unternommen hat, mit dem Begriff der Welle auszukommen, man sich doch irgendwie genötigt sah, etwas von der Wellenbewegung Versdiiedenes, und zwar den sog. Äther, anzunehmen. Mag dies später vom physikalischen Standpunkte aus auf Schwierigkeiten gestoßen sein, so ist es doch in unserem Zusammenhange beachtenswert. Bezeichnender ist vielleicht die verwandte Tatsache, daß sowohl die reine Wellentheorie als auch die reine Korpuskulartheorie des Lichtes unter dem Druck der Tatsachen verworfen werden mußte und daß man mit L. d e B r o g l i e zu einer Theorie des Lidites übergegangen ist, in welcher sowohl Photonen als Wellen ihren Platz gefunden haben. Mag dies noch gewisse Bedenken mit sich führen, und zwar
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die Zeitdifïerenz wenigstens bei manchen m i t t e l b a r e n Ursachen und ihren Wirkungen zu erhalten. Indessen muß hier auch die Auffassung des zeitlichen kontinuierlichen Seins und Geschehens als einer überall dichten Punktmannigfaltigkeit preisgegeben werden.47 Und dasselbe betrifft die punktuelle Auffassung der Zeit, wobei die Gegenwart als ein Punkt behandelt wird, der allein real sein soll, während sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft als etwas schlechthin Nicht-Existierendes behandelt werden, so daß jeder neue Moment des Seins entweder vollkommen neu geschaffen werden (daher die Idee einer creatio continua!), oder wenigstens aus einer vorangehenden Gegenwart ursächlich hervorgehen muß. Merkwürdigerweise gäbe es gerade dann keinen echten kontinuierlichen Übergang von einer Gegenwart in eine andere. Denn das wahre Wesen der Kontinuität im Sein bzw. im zeitlichen Dauern besteht in einem einfachen U b e r d a u e r n e i n e s i d e n t i s c h S e l b e n aus e i n e r G e g e n w a r t in die a n d e r e G e g e n w a r t , ohne daß die s p ä t e r e Phase eines homogenen Vorgangs oder eines unveränderten Zustands48 aus einer anderen, angeblich mit ihr ursächlich verbundenen f r ü h e r e n Phase hervorgehen müßte. Im Zusammenhang damit muß auch der Unterschied zwischen dem „Im-SeinVerbleiben" und dem „In-einen-anderen-Zustand-Ubergehen" beachtet werden. mit Rücksicht auf die Art, wie die „Lichtkorpuskeln" aufgefaßt werden, so bildet die moderne Lichttheorie eine wesentliche Annäherung an die Auffassung, nach welcher in der realen Welt verschiedene Typen von Gegenständlichkeiten zu unterscheiden sind: einerseits Vorgänge, andererseits in der Zeit verharrende Gegenstände. Daß man daneben in der Physik auch Ereignisse annimmt, scheint unzweifelhaft zu sein. Natürlich sind das für uns im Rahmen der ontologischen Betrachtung keine Argumente für die Annahme unseres Standpunkts, sondern lediglich Mittel zu dessen Verdeutlichung. 4 7 Das will gar nicht sagen, daß ich die moderne mathematische Theorie des Kontinuums verwerfen will. Als eine geniale M e t h o d e , gewisse mathematische Probleme mit Hilfe der Z u o r d n u n g „kontinuierlicher", d.h. überall dichter Punktmannigfaltigkeiten zu linienhaften Gebilden (ζ. B. zu Abschnitten einer Geraden) zu lösen, soll sie bestehen bleiben. Was hier in Frage gestellt wird, ist lediglich die damit oft auftretende I d e n t i f i z i e r u n g kontinuierlicher L i η i e η gebilde mit überall dichten P u n k t mannigfaltigkeiten. 4 8 Die einzelnen Phasen eines h o m o g e n e n Vorgangs oder eines u n v e r ä n d e r t e n Zustands eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes unterscheiden sich weder formal noch material voneinander. D. h., sie sind weder neue, in sich voneinander abgeschlossene Gegenständlichkeiten, nodi weisen sie andere Beschaffenheiten auf. Nur rein s e i n s m ä ß i g sind sie im Verhältnis zu den bereits verflossenen Phasen unterschieden. Die neue, gerade gegenwärtige Phase ist „aktuell", während die verflossenen diese Aktualität bereits verloren haben - sie befindet sich in einem anderen Zeitmoment, in einer neuen Gegenwart. Vgl. dazu Bd. I dieses Werkes, § § 2 9 f.
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Mit dem „Im-Sein-Verbleiben" haben wir es vor allem bei den Dingen und allgemeiner bei allen in der Zeit verharrenden Gegenständen zu tun, die entweder eine Zeitlang gar keiner Veränderung unterliegen (wenn auch diese Zeit sehr kurz sein sollte 49 ) oder sich mindestens n i c h t in jeder Hinsicht verändern. Dieses „Im-Sein-Verbleiben" scheint aber auch bei manchen Vorgängen vorzuliegen, ζ. B. bei einer geradlinigen und gleichförmigen, sich im leeren homogenen Räume vollziehenden Bewegung eines sogenannten „Massenpunktes". Mag dieser Fall der Bewegung nur ein Ideal sein, der sich im Rahmen der realen Welt nur äußerst selten und nur für kurze Zeit realisiert, so ist er dodi nicht aus der Physik eliminiert worden. Uns soll er nur zur Verdeutlichung dessen dienen, was wir im Auge haben, wenn wir vom „Im-Sein-Verbleiben" auch im Falle gewisser Vorgänge zu sprechen geneigt sind. Das Charakteristische ist dabei, daß, sobald es einmal zu einem solchen Vorgang gekommen ist, k e i n e neuen Kräfte zur Weitererhaltung dieses Vorgangs (zu seinem Weiterbestehen) nötig sind. Das Trägheitsprinzip in der Physik besagt im Grunde nichts anderes, als daß Fälle des reinen „ Im-Sein-Verbleibens" in der realen, und insbesondere in der materiellen Welt möglich sind. Diese „Trägheit" des Seienden, eines identisch verbleibenden Dinges oder eines „gleichförmigen", im echten Sinne kontinuierlichen Vorgangs, seine „Neigung" zum Weiterbestehen, ohne daß zu diesem Zwecke ein neuer Faktor eingeführt werden müßte, kann man für den letzten Grund des einfachen „Im-Sein-Verbleibens" halten, ohne welchen überhaupt kein Seiendes, das eine Zeitlang ohne jede Störung sich erhalten soll, möglich wäre. Dieses „Im-Sein-Verbleiben" gehört zu dem ursprünglichen Wesen eines jeden s e i n s a u t o n o m e n Seins, und insbesondere des Realseins. Anders gesagt: die späteren Phasen dessen, was im Sein einfach v e r b l e i b t („verharrt"), sind keine W i r k u n g e n der früheren Phasen des im Sein Verbleibenden, wie auch umgekehrt die letzteren nicht die Ursachen der ersteren sind. Das im Sein Verbleibende erfordert zu seinem Uberdauern einer Zeitspanne keine besondere, von außen her kommende „Erhaltungskraft". Es erhält sich von selbst. Das Im-Sein-Verbleiben, als eine besondere Seinsweise, ist auch die Grundlage und der Ausgangspunkt für eine andere 4 9 Ob es da eine u n t e r e Grenze dieser Zeitphase des Im-Sein-Verbleibens gibt, das ist eine Frage, die mit dem seit einiger Zeit oft berührten Problem der Existenz eines Zeitquantums eng zusammenhängt: Gibt es ein Minimum des Im-Sein-Verbleibens, wie es ein Minimum der Energie geben soll, ein Minimum, ohne welches es überhaupt kein reales Sein geben kann, ein Minimum, das nicht mehr „geteilt" werden kann? - oder darf man da bis auf zeitloses „ p u n k t u e l l e s " Sein zurückgehen - dies ist das Problem.
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Seinsweise, die ebenfalls für das Realsein charakteristisch ist, und zwar für das „In-einen-anderen-Zustand-Ubergehen". Dieses hat in dem „Im-Sein-Verbleiben" seine Grundlage, aber keine hinreichende Bedingung, denn es muß noch eine - in der Physik so genannte - „Kraft" eingreifen, welche von außen her kommt und in dem „Im-Sein-Verbleibenden" eine S t ö r u n g und zugleich auch eine V e r ä n d e r u n g hervorbringt. Das Im-Sein-Verbleibende kann dabei zugrunde gehen. Wenn es in seinem Sein noch weiter besteht, vollzieht sich dann aber in ihm eine Veränderung, ein Ubergang von dem Zustand, in welchem es früher (bis dahin) sich befand, in einen neuen Zustand, der früher nicht vorhanden war. Und dies ist der Sachverhalt, in dem der Begriff der Ursache - bei entsprechender Fassung - seine Stätte hat und auch seine berechtigte Anwendung findet. Die „Ursache" tritt eben dort und nur dort auf, wo es zu einem Ubergang von einem Seinszustand in einen qualitativ anderen, von einem Vorgang in einen anderen, von einem Ereignis in ein anderes kommt. Das Neue und andere, das sich im Vollzug dieses Überganges realisiert, muß seinen „Grund", seine „Ursache" haben. Und diese Ursache ist nichts anderes als ein Ereignis (insbesondere der Abschluß eines Vorgangs), der einen bereits vorhandenen Bestand an zwar unentbehrlichen, aber nicht hinreichenden Bedingungen eines zu bedingenden Ereignisses zu dessen aktiver hinreichenden Bedingung ergänzt. Dadurch hört der bisherige Zustand des in der Zeit verharrenden Gegenstandes auf zu sein, und die Ursache ruft zugleich einen neuen Gesamtzustand hervor, in dessen Rahmen sich ihre Wirkung befindet. In jenem Ergänzungsfaktor, in der Ursache sehen die Physiker eben jene „Kraft", welche das betreffende Ding in den neuen Zustand überführt. Sie rührt von außerhalb des Im-Sein-Verbleibenden her und zerstört das Gleichgewicht, in dem es bis dahin verweilte. Gibt man zu, daß es im Realseienden Phasen des „Im-Sein-Verbleibens" und des „In-einen-anderen-Zustand-Ubergehens" gibt, dann gibt man eben damit zu, daß die die ursächlichen Beziehungen bildenden Ereignispaare n u r v o n Z e i t zu Z e i t im Sein eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes auftreten. Und korrelativ dazu gibt es im Sein einzelner in der Zeit verharrenden Gegenstände Zeitphasen (so kurz sie auch sein sollten), in welchen (mindestens in manchen ihren Teilen oder unter manchen Hinsichten) weder Ursachen noch Wirkungen stattfinden. Die Zwischenstadien zwischen den Ereignispaaren, die Glieder einer kausalen Beziehung bilden, werden dann durch etwas anderes, und zwar durch im echten Sinne kontinuierliche, in ihrem Ablauf unveränderliche Vorgänge oder durch unveränderliche, eine Zeitlang 74
dauernde Zustände der in der Zeit verharrenden Gegenstände, bzw. durch das dauerhafte schlichte Sein dieser Gegenstände erfüllt. 50 Auf diese Weise erlangen wir eine Sachlage, in welcher sowohl die Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung, als auch die Möglichkeit eines zeitlichen Unterschiedes zwischen zwei ursächlichen Zusammenhängen erhalten werden kann. Es ist nicht notwendig, daß eine j e d e Wirkung s o f o r t (im selben Moment) Ursache einer neuen Wirkung sei. Denn es kann der Fall eintreten, in welchem nach dem Vollzug der beiden Ereignisse, die einen Kausalzusammenhang bilden, ein Gleichgewichtszustand realisiert wird, der eine Zeitlang im Sein verbleiben kann, so daß es erst einer neuen von außen herkommenden Störung bedarf, damit es zu einem Paar von Ereignissen kommt, die einen neuen Kausalzusammenhang bilden usw. Dies hängt allerdings noch von einer Reihe von Bedingungen ab, deren Möglichkeit bzw. deren Bestehen erst gezeigt werden muß. Vor allem gilt es, an unserer hier gedachten Auffassung der Ursache streng festzuhalten, um nicht wieder in alte, wie uns scheint fehlerhafte Auffassungen zurückzufallen, wozu der folgende Gedankengang verleiten könnte. Die „Wirkung" ist in ihrer Beschaffenheit nicht nur von der Art und von den näheren Bestimmungen der Ursache als jenes Ergänzungsfaktors abhängig, sondern auch von dem Gesamtbestande des früheren Zustandes, in dem sich das betreffende Ding bzw. das ganze System von Gegenständlichkeiten befunden hat und der eben durch das Eintreten der Ursache aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Und es liegt nahe - und man hat es auch gewöhnlich getan! - diesen g e s a m t e n f r ü h e r e n Z u s t a n d (wobei man zu ihm auch jenen Ergänzungsfaktor rechnet) für die Ursache des darauf folgenden gesamten Zustandes des betreffenden Systems zu halten, der dann als Wirkung jenes ersteren Zustandes gilt.51 Und schließlich erblickt man eine ursächliche Beziehung nicht bloß zwischen denjenigen Zuständen des betreffenden Systems, zwischen denen sich ein Seinszusammenhang nachweisen läßt, sondern man betrachtet überhaupt j e d e n früheren Zustand des Systems als Ursache seines späteren Zustandes. So gelangt man wieder zu der Behauptung von dem unaufhörlichen Auftreten ursächlicher Zu50 Auf welche Weise diese unveränderlichen Zustände und gleichförmigen Vorgänge in dem ganzen Bestand der Welt ermöglicht werden, wird im weiteren noch eingehend erwogen werden. Man soll also den Gedanken solcher Zustände und Vorgänge nicht a limine mit der Bemerkung abfertigen, sie seien in der Welt unmöglich. Denn dies hängt von der Struktur der Welt ab, die noch untersucht werden muß. 51 Dies geschieht in der am meisten bekannten und oben schon untersuchten Auffassung J. St. M i 11 s.
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sammenhänge an jeder Stelle der Welt und eben damit zur Leugnung der Möglichkeit des Im-Sein-Verbleibens. Man befindet sich dann in jener hoffnungslosen Lage, in der man entweder das Frühersein der Ursache im Verhältnis zu ihrer (unmittelbaren) Wirkung, oder aber die Augenblicklichkeit des gesamten Weltgeschehens annehmen muß, mit allen deren üblichen Konsequenzen. Es muß also dreierlei unterschieden werden: 1. die Ursache als der Ergänzungsfaktor der aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses, 2. diese Bedingung selbst und 3. der Gesamtzustand eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes (eines „Systems") in jenem Augenblicke, in welchem es zum Eintreten der Ursache kommt, ohne aber zu ihm denjenigen Tatbestand zu rechnen, der die Wirkung der eingetretenen Ursache bildet. Man muß sich zugleich entschließen, eine d o p p e l t e D i s k o n t i n u i t ä t in der realen Welt - als zu ihrer formalen Struktur gehörig - anzunehmen, und zwar: 1. eine Diskontinuität in dem, was in der Welt z u g l e i c h existiert, 2. eine Diskontinuität in dem, was in der Welt a u f e i n a n d e r f o l g t . Beides erfordert aber noch gewisse Erläuterungen.
§89. D i e U r s a c h e a l s E r g ä n z u n g s f a k t o r der a k t i v e n h i n r e i c h e n d e n Bedingung eines Ereignisses Es ist aber zunächst notwendig, unsere Auffassung der Ursache zu ergänzen und gegen mögliche Einwürfe zu verteidigen und näher zu begründen. Denn man findet in der entsprechenden Literatur Betrachtungen, die sich gegen ähnliche Auffassungen der Ursache richten. Wir haben bis jetzt hauptsächlich auf drei Punkte in der Bestimmung des Begriffs der Ursache Nachdruck gelegt: a) auf ihre Gleichzeitigkeit mit ihrer unmittelbaren Wirkung, b) darauf, daß sie nicht die volle hinreichende Bedingung ihrer Wirkung, sondern lediglich der letzte in der Gestalt eines Ereignisses eintretende Faktor ist, der die bereits bestehenden Tatbestände (die oft so genannten „Umstände") zur vollen aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung ergänzt, und c) daß sie ihre Wirkung h e r v o r b r i n g t , also gewissermaßen schöpferisch und jedenfalls aktiv ist. Es wäre aber ein Irrtum, wenn jemand daraus den Schluß ziehen wollte, wir sprechen der Ursache a l l e i n diese Aktivität zu. Ihre Rolle in dem „Ins-Sein-Rufen" geht nicht so weit, daß sie dieses neue Ereignis sozusagen ohne jede Hilfe, allein für sich, ins Sein rufen könnte: sie tut es immer in G e m e i n s c h a f t mit den übrigen Faktoren der aktiven hinreichenden Bedingung ihrer Wirkung. Was 76
sie aber a l l e i n tut, weswegen ihr eine b e s o n d e r e R o l l e in dem Gesamtbestande der aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses zuzuerkennen ist, ist, daß sie die bis dahin bestehenden, aber relativ auf die zukünftige Wirkung u n a k t i v e n „Umstände", welche die übrigen Faktoren dieser Bedingung ausmachen, „aktiviert"; mit ihnen zusammen ruft sie nicht bloß ihre unmittelbare Wirkung ins Sein, sondern mit ihnen zusammen bestimmt sie auch den materialen Gehalt desjenigen Ereignisses, das ihre unmittelbare Wirkung bildet. W a s f ü r ein Ereignis als Wirkung eintritt, ist nicht durch die Materie der Ursache allein bestimmt, sondern es wird auch durch die übrigen Faktoren der aktiven hinreichenden Bedingung mitbestimmt. Die oft so genannten „bloßen Umstände" spielen hier keine bloße „Zuschauerrolle" im Zustandekommen und in der materialen Ausstattung der Wirkung. Im Gegenteil, auch sie sind im Moment des Eintretens der Ursache aktiv und bestimmen die näheren Einzelheiten der Wirkung mit.52 Diese Rolle der übrigen Faktoren der aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses ersieht man aus zwei Tatsachen: 1. daß die Ursache a l l e i n - ohne jedwede „Umstände", mit denen zusammen sie eine aktive hinreichende Bedingung von etwas bilden könnte - k e i n e Wirkung hervorzubringen imstande ist, 2. daß in denjenigen Fällen, in welchen gleiche „Ursachen" wirken, aber die übrigen Faktoren der aktiven hinreichenden Bedingung in gewissen zulässigen Grenzen variieren, auch die jeweilige Wirkung einer entsprechenden Wandlung unterliegt - wie dies zum Beispiel an unzähligen physikalischen Experimenten illustriert werden kann. Trotz dieser unzweifelhaft bestehenden Rolle der „Umstände" sehen wir aber einen wesentlichen Unterschied zwischen einer Ursache, den „Umständen" und endlich der vollen aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses. Dies wird aber gerade von verschiedenen Verfassern entschieden bestritten. Wir müssen also unsere Auffassung der Ursache gegen die möglichen Einwürfe verteidigen.53 52 M i l l spridit deswegen mit Recht von dem „Zusammenwirken" aller Faktoren, die er - seiner Auffassung gemäß - alle zusammen „Ursadie" von etwas nennt und die wir hier die aktive hinreichende Bedingung der unmittelbaren Wirkung nennen. Vgl. I.e. 53 Natürlich kommt es mir nicht darauf an, was man gerade „Ursache" n e n n t . Wollte man etwa die aktive hinreichende Bedingung „Ursache" nennen, so habe idi nichts dagegen, wenn man dieselbe bloß in ihrer Rolle von der „Ursache", also dem zuletzt eintretenden ergänzenden Faktor, unterscheidet. Unsere Benennung ziehen wir aber vor, weil dies besser mit der täglichen Umgangssprache zusammenstimmt als die - wie M i l l sagen würde - „wissenschaftliche" Orientierung dieses Terminus. Man würde vielleicht in gewissen Kreisen geneigt sein, die Ursadie in unserem Sinne „causa efficiens" und die übrigen Faktoren der aktiven hinreichenden Bedingung
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Es ist natürlich nicht möglich, alle Verfasser zu berücksichtigen, die da in Betracht kämen. Ich beschränke mich hier auf den klassischen Vertreter der Theorie, die in dem, was wir hier die „aktive hinreichende Bedingung" der Wirkung genannt haben, die „Ursache" „im wissenschaftlichen Sinne" sieht, d. h. auf J. St. Mill, und auf den Vertreter des sog. „Konditionalismus", Max Verworn. Beide sprechen sich gegen die b e s o n d e r e Rolle der „Ursache" in unserem Sinne aus, beide aber stimmen darin überein, daß die „Ursache" in ihrem Sinne (d. h. die aktive hinreichende Bedingung) aus v i e l e n Faktoren zusammengesetzt ist, die nicht alle zugleich vorhanden sind bzw. sein müssen, sondern oft erst nacheinander in der Welt auftreten und zueinander treten und sich sozusagen „summieren", wobei es immer einen letzten Tatbestand geben muß, der die bereits bestehenden Tatbestände zur „Ursache" (im Millschen Sinne) ergänzt. Diese Auffassung erst ermöglicht, die „Ursache" auf diese Weise begrifflich zu bestimmen, wie wir es hier tun. Ob mit Recht, dies wollen wir eben erwägen. Nur diejenige Auffassung, welche in der „Ursache" immer einen schlechthin e i n f a c h e n Tatbestand sehen würde,54 der ohne Rücksicht und ohne jedwede „Mitwirkung" aller Umstände andere Tatbestände ins Sein rufen würde, steht zu unserer Auffassung im krassen Gegensatz. So müssen wir auch diese letzte Auffassung kritisch besprechen. Fangen wir mit der Auseinandersetzung mit J. St. Mill an.55 Sein „causa occasionalis" zu nennen. Rein terminologisch hätte idi auch dagegen nichts einzuwenden. Ich fürchte aber, daß diese traditionellen Namen mit verschiedenen Theorien verbunden sind, die uns wieder auf Irrwege bringen können, und ziehe deswegen vor, diese Namen zu vermeiden. 54 M i l l drückt sich bezüglich der Möglichkeit einfacher Ursachen sehr vorsichtig aus. Er sagt (I.e. S. 387): „Wenn überhaupt, so besteht diese unveränderliche Folge nur selten zwischen einer folgenden und einer einzigen vorhergehenden Naturerscheinung, zwischen einem einzelnen Antecedens und einem Consequens, aber gewöhnlich zwischen einer folgenden und einer Summe von verschieden vorhergehenden Erscheinungen, deren aller Zusammenwirken nötig ist, um die folgenden Erscheinungen hervorzubringen, d. h. damit sie ihnen gewiß folgen." 55 Die hierbei in Frage kommenden Texte M i l l s sind die folgenden : „Die unveränderlich vorhergehende Tatsache wird die Ursache, die unveränderlich folgende die Wirkung g e n a n n t . . . " (1. c. S. 387). „In solchen Fällen ist es sehr gewöhnlich, daß man ein einzelnes von den Antecedentien unter der Benennung Ursache absondert, indem man die anderen bloß Bedingungen nennt. Wenn jemand von einer Speise ißt und davon stirbt . . . so sagt man gewöhnlich, daß der Genuß dieser Speise die Ursache seines Todes war. Es ist indessen nicht notwendig, daß zwischen Genuß der Speise und dem Tode ein unveränderlicher Zusammenhang stattfinde; aber gewiß besteht unter den Umständen, welche stattfanden, irgendeine Kombination, deren unveränderliche Folge der Tod i s t . . . " (I.e. 388). „Das Ganze dieser Umstände machte in diesem besonderen Falle die B e d i n -
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Versuch geht n i c h t dahin, das Vorhandensein in der „Summe der zusammenwirkenden Bedingungen" eines z e i t l i c h l e t z t e n Faktors, dem im Vergleich zu anderen „Bedingungen" eine andere und spezifische Rolle des „Ursache-Seins" beikäme, so daß nach seinem Eintreten die Wirkung „sogleich" einträte, zu leugnen, nodi die Wichtigkeit dieses formalen Unterschiedes (als eines Ereignisses) von den übrigen Bedingungen (als dauernden Zuständen) zu übersehen, sondern lediglich dahin, den näheren Seinszusammenhang zwischen diesem zuletzt eintretenden Faktor und der Wirkung zu verwerfen und dann nur zu erklären, warum es so ist, daß man in der täglichen Umgangssprache, aber auch in der gewöhnlichen praktischen Einstellung geneigt ist, diesen Faktor doch für die Ursache zu halten bzw. ihn so zu benennen. In dieser Richtung geht er so weit, daß er diese Auffassung der „Ursache" für eine Illusion hält, die man in der Wissenschaft zu beseitigen habe. Aber die Argumente, die er für seinen Standpunkt beibringt, sind im Grunde sehr nichtig. Sie beruhen im Grunde auf der Wiederholung der einfachen Feststellung, daß die „Ursache" im „populären Sinne" eben keine Ursache im wissenschaftlichen Sinne ist, der allein richtig sein soll. Denn daß wir bei d e r s e l b e n Mannigfaltigkeit von Bedingungen g u n g e n des Phaenomens, oder mit anderen Worten die Reihe von Antecedentien aus, welche dasselbe hervorriefen und ohne welche es nicht stattgefunden hätte. Die wahre Ursache ist das G a n z e dieser Antecedentien und philosophisch gesprochen haben wir kein Redit, den Namen Ursache einer einzigen von ihnen ausschließlich der anderen zu geben. Die Ungenauigkeit dieses Ausdrucks wird in dem supponierten Falle dadurch verdeckt, daß die verschiedenen Bedingungen, mit Ausnahme der einzigen des Genusses der Speise, nicht E r e i g n i s s e (d.h. augenblickliche Veränderungen oder Aufeinanderfolgen solcher Veränderungen), sondern Z u s t ä n d e waren, die mehr oder weniger Dauer hatten, und welche deshalb der Wirkung eine unbestimmte Zeitdauer vorhergegangen sein konnten, indem das Ereignis fehlte, welches zur Vervollständigung des erforderlichen Zusammenwirkens von Bedingungen nötig war." (1. c. S. 388). „Aber obgleich wir es für geeignet halten mögen, der Bedingung, deren Erfüllung die Wirkung o h n e V e r z u g hervorbrachte, den Namen Ursache beizulegen, so steht sie doch in keiner engeren Beziehung zur Wirkung, als die anderen . . (1. c. S. 389). „Die Angabe der Ursache ist unvollständig, wenn wir nicht alle Bedingungen in irgendeiner Form einführen." (I.e. S. 389). „Wenn wir beim Streben nach Genauigkeit nicht alle Bedingungen aufzählen, so geschieht dies, weil in den meisten Fällen einige, ohne daß sie ausgedrückt werden, als von selbst verstanden angesehen werden, oder weil sie für den Zweck, den man im Auge hat, ohne Nachteil übergangen werden können." (1. c. S. 389). „Wenn wir sagen, daß die Zustimmung der Krone zu einer Bill dieselbe zum Gesetz erhebt, so meinen wir, daß diese Zustimmung, da sie niemals gegeben wird, ehe alle anderen Bedingungen erfüllt wurden, die Summe der Bedingungen ergänzt, obgleich sie niemand als Hauptbedingung ansieht." (1. c. S. 389). „In allen diesen Fällen war die Tatsache, welcher wir den Namen Ursache erteilten, die eine Bedingung, welche zuletzt ins Leben trat. Man darf jedoch nicht voraus-
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eines Ereignisses, das Wirkung von ihnen sein soll, andere Bedingungen, als das zuletzt eintretende Ereignis, für die Ursache halten könnten, indem wir ihnen sozusagen eine größere Wichtigkeit für das Zustandekommen dieser Wirkung zuerkennen als dem zuletzt eintretenden Ereignis - dieses wie mir scheint nodi am schwersten wiegende Argument f ü r die Auffassung Mills ist solange nidit überzeugend, als man nicht empirisch zeigt, daß eine zeitliche Verschiebung unter den Bedingungen zugunsten der anders gewählten „letzten" Bedingung zu d e m s e l b e n Ergebnis, d. h. zu derselben Wirkung (der Art nach) führt bzw. führen kann. Aber auch dann würde dies kein Argument gegen unsere Aufassung der Ursache sein, denn es würde nur bedeuten, daß bei einem um e i n Glied geänderten Bestand der aus „Umständen" bestehenden Bedingungen etwas anderes Ursache derselben Wirkung (der Art nach) ist, als in dem zuerst untersuchten Fall. Es ist nämlich bei unserer A u f fassung der Ursache nicht ausgeschlossen, daß verschiedene Ursachen zu derselben Wirkung (der Art nach) führen können. Dies kann nun Mill nicht annehmen, da er von vornherein in den Begriff der Ursache mit hineinnimmt, daß sich die ursächliche Beziehung nur da vorfinde, wo eine „ u n v e r ä n d e r l i c h sich wiederholende" zeitliche Folge von zwei Tatsachen vorliegt. Diese „unveränderliche" Wiederholung der Aufeinsetzen, daß bei dem Gebrauche dieses Wortes diese oder irgendeine andere Regel immer befolgt wird." (I.e. S.390). „Nichts kann besser die Abwesenheit eines jeden wissenschaftlichen Grundes in der Unterscheidung zwischen einer Naturerscheinung und ihren Bedingungen zeigen, als die seltsame Weise, in der wir unter den Bedingungen diejenigen wählen, welche es uns beliebt Ursache zu nennen." „Wir sehen also, daß man der Reihe nach eine jede von den Bedingungen des Phaenomens einzeln nehmen und sie gleich richtig in gewöhnlicher, aber ungleich richtig in der wissenschaftlichen Sprache als ganze Ursache bezeichnen könnte. Im Leben nennt man gewöhnlich diejenige Bedingung Ursache, deren Anteil an dem Gegenstande oberflächlich am ersichtlichsten ist, und auf deren Unentbehrlichkeit zur Hervorbringung der Wirkung wir gerade im Augenblick bestehen." (S. 391). „Es besteht ohne Zweifel die Neigung . . . die Idee der Ursache eher an das zunächst vorhergehende E r e i g n i s , als an einen der vorhergehenden Zustände oder permanente Tatsachen, welche ebenfalls Bedingungen der Erscheinung sein können, zu knüpfen; die Ursache liegt aber darin, daß das Ereignis nicht bloß existiert, sondern daß es auch unmittelbar vorher anfängt zu existieren, während die anderen Bedingungen eine unbestimmte Zeit vorher vorhanden gewesen sein können." (1. c. S. 391 f.). „Insofern das Eintreffen des Umstandes, welcher die Summe der Bedingungen ergänzt, eine Veränderung oder ein Ereignis ist, so trifft sich, daß ein Ereignis immer das mit der folgenden Erscheinung im engsten, sichtbaren Zusammenhang stehende Antecedens ist, und dies mag die Illusion erklären, welche uns veranlaßt, das nädiste Ereignis eher als die vorhergehenden Zustände als Ursache zu betrachten. Aber audi die Eigentümlichkeit, der Wirkung näher zu sein als die anderen Bedingungen, i s t . . . für den gewöhnlichen Begriff von Ursache nicht nötig, da im Gegenteil eine jede positive oder negative Bedingung damit übereinstimmen kann." (I.e. S. 392).
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anderfolge von Ereignissen ist für Mill doppelt wichtig. Erstens, weil er bei seiner im Grunde positivistischen Einstellung gegen die Möglichkeit der unmittelbaren Erfassung ursprünglicher Seinszusammenhänge ist, so daß das unveränderliche Sichwiederholen aufeinanderfolgender Ereignisse für ihn ein u n e n t b e h r l i c h e s M i t t e l ist, auf einem Umwege zur Feststellung eines Zusammenhanges zu gelangen; zweitens aber, weil er in diesem „sich unveränderlich Wiederholen" die ontische Grundlage für die logische Operation der „Induktion" (des induktiven Sdiließens) findet. Freilich reicht diese unveränderliche Wiederholung in der Aufeinanderfolge für die Anerkennung der ursächlichen Beziehung im Sinne eines (notwendigen) Seinszusammenhanges n i c h t aus - und darin unterscheidet sich der Standpunkt Mills deutlich von den Betrachtungen Humes - und deswegen sucht Mill noch einen a n d e r e n Faktor zur Begründung des Zusammenhanges, der zwischen Ursache und Wirkung bestehen soll. Mill findet ihn - wie bereits erwähnt - in der „Unbedingtheit" der unveränderlichen Aufeinanderfolge von Ursache und Wirkung, d.h. in der U n a b h ä n g i g k e i t d i e s e r A u f e i n a n d e r f o l g e v o n j e d w e d e m d r i t t e n Faktor, wodurch das sich ständig wiederholende Folgen der Wirkung auf eine bestimmte Ursache tatsächlich in den Beschaffenheiten d i e s e r Ursache wirklich ihren l e t z t e n Grund erlangt. All dies aber mag sein gutes Recht bezüglich der ständigen Zuordnung und des Zusammenhanges zwischen der aktiven hinreichenden Bedingung (in unserem Sinne) und dem hinreichend Bedingten (der Wirkung) behalten, aber es ergibt gar kein hinreichendes Argument gegen die besondere Rolle der „Ursache" als des zuletzt auftretenden Ergänzungsfaktors, der eben die „Summe der zusammenwirkenden Bedingungen" vollständig macht. Es klärt nicht auf, warum erst d i e s e r letzte Faktor - der je nach den „Umständen" eben v e r s c h i e d e n sein kann! - sozusagen diese ganze Summe von Bedingungen a k t i v macht, ihr die besondere Aktivität des Ins-SeinRufens und des materialen Bestimmens der Wirkung verleiht. Daß es ζ. B. einmal der Faktor X , das andere Mal der Faktor Y sei bzw. sein kann5® spricht nicht gegen seine besondere Funktion, da auch der Gesamtbestand der Umstände einer entsprechenden Umwandlung in der Zusammensetzung unterliegt. Es würde für seine Belanglosigkeit für das Zustandekommen der Wirkung nur dann sprechen, wenn die ganz beliebige Auswechslung des Ergänzunsfaktors bei (der Art nach) genau demselben Gesamtbestande der Umstände zu derselben Wirkung füh59
Es muß nodi für sidi untersucht werden, ob dies immer gelingt.
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ren würde, also von keinem Einfluß auf diese Wirkung wäre. Aber auch dann, wenn es nur e i n e g a n z b e s t i m m t e Mannigfaltigkeit von (ihrer Art nach) verschiedenen Ereignissen wäre, die einen und denselben (der Art nach) Gesamtbestand von „Umständen" zu der aktiven hinreichenden Bedingung ergänzen würden, bekämen wir kein Argument für ihre ursächliche Belanglosigkeit, sondern wir würden zu einem ganz streng zu fassenden Gesetz der Zuordnung von den der Art nach material verschiedenen „Ursachen" zu g l e i c h e n Wirkungen gelangen. Und auch dieses Gesetz, falls es überhaupt ein solches Gesetz tatsächlich geben würde, würde die von uns vertretene Auffassung der „Ursache" sowie des ursächlichen unmittelbaren Seinszusammenhanges gar nicht antasten. Da wir aber bei Verworn auf eine sehr ähnliche Sachlage stoßen, wollen wir das ganze Problem noch in der Auseinandersetzung mit Verworns Gedankengang erwägen. Max Verworn hat den Begriff der „Ursache" im Sinne eines zuletzt eintretenden Ereignisses scharf angegriffen und will auch den Namen „Ursache" aus der wissenschaftlichen Sprache verbannen. Er gibt selbst zu, daß wir in der Erfahrung, besonders aber in der experimentellen Forschung auf solche letzten „Glieder", die eine Reihe von Bedingungen zu der hinreichenden Bedingung von etwas ergänzen, stoßen. Und er gibt auch eine Anzahl von konkreten Beispielen, in denen sie leicht zu finden sind.87 Trotzdem will er anstelle des Begriffs der „Ursache" den Begriff der „Bedingung" einführen: auch die „Ursache" (in unserem Sinne) sei nur e i n e unter vielen Bedingungen des eintretenden Ereignisses und unterscheide sich von den übrigen Bedingungen des letzteren nicht wesentlich. Auch jetzt kommt es uns auf den Namen nicht an, wenn Verworn nur zugeben wollte, daß jene „Bedingung", die wir „Ursache" nennen, eine b e s o n d e r e Rolle im Geschehen spielt, die sie von den übrigen Bedingungen des Eintretens der „Wirkung" unterscheidet. Aber gerade dies will Verworn nicht anerkennen. So müssen wir seine Argumente untersuchen, damit wir nicht den angeblichen Widersinn begehen, den er der Annahme einer besonderen Art von Bedingungen, also der Annahme einer Ursache, vorwirft. Er schreibt: „Der Funke, der das Nitroglyzerin zur Explosion bringt, gilt als die Ursache der Explosion; die bestimmte Lagerung der Atome im Nitroglyzerinmolekül, die schon gegeben sein muß, wenn eine Ex57 Vgl. Max V e r w o r n , Kausale und konditionale Weltanschauung, Jena 1912, besonders S. 11 ff.
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plosion erfolgen soll, ist nur eine Bedingung. Das Erdbeben gilt als die Ursache für den Einsturz eines Gebäudes; die Anziehung der Steinund Eisenmassen durch die Erde, die schon imme(r vorhanden war, ist nur eine Bedingung. . . . Aber liegt denn in dem bloßen Zustand, daß einer der Faktoren, von denen ein Vorgang abhängig ist. als letzter zu den anderen hinzutritt, ein Grund, diesem für das Zustandekommen des Vorgangs eine größere Bedeutung zuzumessen als den anderen? Idi meine, hiervon kann gar nicht die Rede sein. Es ist völlig gleichgültig, in welcher zeitlichen Reihenfolge sich die einzelnen Faktoren zusammenfinden, wenn sie nur sämtlich zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort vorhanden sind. Es ist genau derselbe Vorgang der Kohlensäureentwicklung, der sich abspielt, ob ich eine Salzsäurelösung zu einer Lösung von kohlensaurem Natron gieße oder ob ich in umgekehrter Reihenfolge verfahre. Nach der kausalen Betrachtungsweise wäre im einen Falle die Salzsäure die Ursache der Kohlensäureentwiddung, im anderen das kohlensaure Natron; in einem Fall hätte die erstere, im anderen das letztere die größere Bedeutung für das Zustandekommen des Vorgangs, und wenn ich beide Lösungen gleichzeitig in dasselbe Becherglas gieße, hätte der Vorgang zwei Ursachen oder gar keine. Eine solche Auffassung ist absurd. Ich gewinne nichts für das Verständnis und die feinere Analyse eines Vorgangs, wenn ich den zuletzt hinzutretenden Faktor als seine Ursache bezeichne. Er ist eine Bedingung wie die anderen Faktoren, von denen der Vorgang abhängig ist. Jeder Vorgang oder Zustand ist bestimmt durch z a h l r e i c h e Bedingungen. Diese Bedingungen können sich zu sehr verschiedenen Zeiten an dem gegebenen Orte zusammenfinden, aber diese Bedingungen sind für das Z u s t a n d e k o m m e n des Vorgangs alle gleichwertig." 68 In welchem Sinne sind sie aber gleichwertig? Nun, nach Verworn gehört es zum Begriff der Bedingung, daß sie „notwendig zum Zustandekommen des Vorgangs oder zum Bestehen des Zustandes" ist. Aber „ein Faktor kann nicht in verschiedenem Grade notwendig sein. Entweder er ist notwendig oder er ist es nicht, eine dritte Möglichkeit existiert nicht. Insofern die Bedingungen eines Vorganges oder Zustandes alle notwendig sind, sind sie also auch sämtlich gleichwertig für sein Zustandekommen oder Bestehen" (I.e. S. 13). Um aber diese Gleichwertigkeit der Einzelbedingungen (einer Wirkung) zu beweisen, versucht Verworn die Unersetzbarkeit der einzelnen Bedingung in dem Gesamtbestande der Bedingungen zu zeigen. Und zwar tut er dies auf « Vgl. I.e. S. 12f. 83
diesem Wege, daß er die Scheinbarkeit der Ersetzbarkeit einer einzelnen Bedingung in der Gesamtbedingung zu beweisen sucht. Nur eine ungenaue Analyse sei daran schuld, daß der Schein entsteht, ein Faktor könne in der Gesamtbedingung durch einen anderen ersetzt werden. In Wahrheit ist dann keiner von beiden die echte Bedingung, sondern - wie Verworn sagt - nur ein P a r t i a l m o m e n t dieser beiden Faktoren, das ihnen gemeinsam ist. Es gibt keine „isolierten Faktoren". „Jeder bedingende Faktor steckt also in einem Komplex, aber nicht der ganze K o m p l e x stellt die Bedingung vor, sondern nur ein Partialmoment desselben und daher kann der Komplex, der die Bedingung enthält, durch einen anderen ersetzt werden, wenn in diesem nur auch der gleiche Partialfaktor enthalten ist. Der bedingende Faktor aber ist selbst nicht ersetzbar . . . " (I.e. S. 15). Und noch deutlicher: „ D i e B e d i n g u n g e n , v o n d e n e n ein Z u s t a n d o d e r V o r g a n g a b h ä n g i g i s t , l a s s e n s i c h n i e m a l s e r s e t z e n . Ersetzbar sind in einem Komplex, der eine Bedingung enthält, nur die für den bestimmten Vorgang oder Zustand als solchen selbst indifferenten Bestandteile des Komplexes" (I.e. S. 16). 59 „Die Unterscheidung von verschiedenwertigen Arten unter den bestimmenden Faktoren eines Vorganges oder Zustandes, wie sie vielfach in der Gegenüberstellung von notwendigen und akzessorischen oder von wesentlichen und unterstützenden Bedingungen oder von eigentlichen Ursachen und Hilfsursachen zum Ausdruck kommt, beruht auf einer ungenauen und oberflächlichen Betrachtung der Dinge, und führt zu einer gänzlich falschen Auffassung des Seins und Geschehens" (I.e. S. 16). Man soll sich also des Begriffes der Ursache nicht bedienen, sondern überall nur von Bedingungen sprechen. Soweit Verworn. Was ist aber dazu zu sagen? Der Standpunkt Verworns - soweit er für uns jetzt in Betracht kommt - läßt sich in zwei Behauptungen zusammenfassen: 1. Der bloße Zeitunterschied, der zwischen dem jeweilig letzten Faktor (der „Ursache") einer Gesamtbedingung und den übrigen Faktoren derselben besteht, spielt k e i n e R o l l e bei dem Versuch, die „Ursache" als eine Bedingung b e s o n d e r e r Art von dem Rest der Bedingungen eines Tatbestandes sachlich zu unterscheiden. ί β Aus später zu erwägenden Gründen will ich nodi den folgenden Satz zitieren: „Indem die Naturwissensdiaft die Unzulänglichkeit der naiven Vorstellung von einer e i n z i g e n Ursache für die Erklärung eines Vorgangs oder Zustands erkannte und einsah, daß jeder Vorgang oder Zustand von z a h l r e i c h e n Faktoren abhängig ist, hat sie zweifellos einen großen Schritt vorwärts getan im Verständnis der Dinge." (I.e. S. 16).
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2. Ein sachlicher Unterschied zwischen ihnen besteht überhaupt n i c h t , weil a l l e in die Gesamtbedingung eingehenden einzelnen Bedingungen „gleichwertig", d. h. in gleichem Sinne notwendig sind. Als Grund für die Behauptung (1) wird die (angebliche) Tatsadie angeführt, daß von dem Gesamtbestande der Bedingungen eine b e l i e b i g e Bedingung als „letzter Faktor" verwendet werden kann, so daß derjenige Tatbestand, der im einen Falle als „angebliche" Ursache fungierte, in einem anderen Falle zu den „übrigen" Bedingungen gehört, wodurch der Zeitunterschied zwischen ihnen sich geradezu umkehrt. Als Argument für die Behauptung (2) dienen zwei Sätze: a) Die Notwendigkeit, die für eine jede Bedingung wesentlich ist, ist nicht „steigerungsfähig" (alleNotwendigkeiten sind einander gleich). b) Es gibt keine Ersetzbarkeit der einzelnen Glieder der Gesamtbedingung, wenn man nur genügend genau denjenigen Tatbestand bestimmt, welcher im echten Sinne Bedingung von etwas ist. Er ist immer ein Partialmoment eines Komplexes, dessen sonstige Elemente für das Bedingte indifferent sind und der deswegen als Ganzes ersetzbar sein kann. Es- wird uns vielleicht gestattet sein, den Namen „Ursache" (statt „letzter Faktor") vorläufig beizubehalten, solange wenigstens, als wir uns von der Richtigkeit der Auffassung Verworns nicht überzeugt haben. Wie steht es aber mit dem „bloßen" und also angeblich irrelevanten Zeitunterschied zwischen einer Ursache und den „übrigen Bedingungen" ihrer Wirkung? Denn daß ein soldier Unterschied wenigstens dort bestehe, wo die hinreichende Gesamtbedingung sich aus mehreren Tatbeständen zusammensetzt, die nicht notwendig zugleich realisiert werden müssen und insofern voneinander nicht abhängig sind, wird sowohl von Verworn als von mir selbst zugegeben. 80 Ist aber dieser Unterschied wirklich „irrelevant" und somit ein „bloßer" Zeitunterschied? Wofür soll er irrelevant sein? Verworn sagt es deutlich genug: für das Zustandekommen des Vorgangs (bzw. Zustands), der eben durch die Gesamtbedingung bedingt ist. Als Beispiel gibt Verworn den Fall an, wo Salzsäurelösung + kohlensaures Natron zur Kohlensäureentwicklung führt, wo aber, nach Max Verworn, der Zeitunterschied auch umgekehrt oder sogar annulliert werden kann. Aber was beweist dieses Beispiel? Nun, nichts anderes als die Möglichkeit, daß in b e s t i m m t e n Fällen eine Umkehrung des in Frage kommenden Untereo V e r w o r n behauptet es ohne diese letzte Einschränkung, ob aber mit Recht, das lä£t sich bezweifeln.
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schiedes oder sogar dessen Annullierung stattfindet. Aber daraus folgt nur, daß in d e r a r t i g e n Fällen das eine Mal dies, das andere Mal jenes als Ursache einer Wirkung d e r s e l b e n A r t fungieren kann, aber in jedem dieser zugelassenen Fälle nur e i n e s . Darin liegt aber nichts Absurdes, solange man die sog. „Kausalgesetze" nicht mißversteht und auf etwas anwendet, worauf sie gar nicht berechnet sind. Diese Gesetze, in dem in den Naturwissenschaften üblichen Sinne, sind Sätze, die eine k o n s t a n t e Zuordnung zweier Glieder behaupten: a) der v o l l e n hinreichenden Bedingung und b) des hinreichend Bedingten. Als solche dürfen sie nicht auf die Beziehung zwischen der „Ursache" in u n s e r e m Sinne, d.h. zwischen dem „letzten Faktor" der vollen aktiven hinreichenden Bedingung, und dem durch sie bedingten Tatbestand, angewendet werden. Beachtet man dies, so ist es weder verwunderlich, noch zulässig, daß bei zwei g l e i c h e n Wirkungen u n g l e i c h e Ursachen (in unserem Sinne) vorliegen. Dies mag aus diesen oder jenen Gründen unbequem sein, aber es steht mit den „allgemeinen Kausalgesetzen", welche die Naturwissenschaft aus verständlichen Motiven im einzelnen zu erfassen sucht, gar nicht im Widerspruch. Daß aber der Zeitunterschied zwischen der Ursache und dem „Rest" der hinreichenden Bedingung, den sie vervollständigt, in m a n c h e n Fällen einer Umkehrung oder gar einer Annullierung unterliegen kann, beweist nodi nicht, daß dies in j e d e m Falle der ursächlichen Beziehung möglich ist oder sogar stattfinden muß.81 Und es beweist auch nicht, daß man überall, wo eine derartige Umkehrung möglich ist, zu einer g l e i c h e n Wirkung käme. Ist dies in dem Beispiel Verworns mit dem Erdbeben und dem Einsturz des Gebäudes durchführbar? 82 Wäre es möglich, z u e r s t das Erdbeben und das Beben des Gebäudes zu realisieren und erst nachher das Gravitationsfeld der Erde hinzuzufügen? Ohne das Gravitationsfeld der Erde ließe sich ja doch das Gebäude nicht einmal aufbauen - d. h. auf die gleiche Art, wie es jetzt erbaut wird. Es müßte ja eine ganz andere Konstruktion haben, wenn es sich 6 1 Und wie wäre das zu beweisen? - das ist ein Problem für sidi, das nidit übersehen werden darf. 6 2 Vgl. I.e. S. 12: „Das Erdbeben gilt als die Ursache für den Einsturz eines Gebäudes; die Anziehung der Stein- und Eisenmassen durdi die Erde, die schon immer vorhanden war, ist nur eine Bedingung. Der äußere Reiz, der eine reflektorische Muskelkontraktion hervorruft, gilt als die Ursache für diese Reaktion; die Irritabilität der nervösen und muskulösen Elemente, die sdion existieren muß, ist nur eine Bedingung usw. Aber liegt denn in dem bloßen Umstände, daß einer der Faktoren, von denen ein Vorgang abhängig ist, als letzter zu den anderen hinzutritt, ein Grund, diesem für das Zustandekommen des Vorgangs eine größere Bedeutung beizumessen als den anderen? Idi meine, hiervon kann gar nidit die Rede sein."
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nicht in dem Gravitationsfeld der Erde befände, da sich in diesem Falle alle statischen Verhältnisse zwischen den Teilen ändern müßten. Dasjenige Gebäude aber, das auf das Gravitationsfeld der Erde berechnet ist und in ihm fest steht, würde ohne dieses Feld einfach einstürzen. Und auch das Beben des Gebäudes ließe sich nicht hervorbringen, wenn das Gravitationsfeld der Erde nicht bestände. Eine Umkehrung des Zeitverhältnisses zwischen der „Ursache" und dem Rest der hinreichenden Bedingung des Einsturzes des Gebäudes einer ganz bestimmten Art (das Frühersein des Bebens und das Spätersein des Gravitationsfeldes) scheint in diesem Falle unmöglich zu sein. Denn damit diese Umkehrung in irgendeinem Falle möglich sein sollte, müssen die zu dem Rest der hinreichenden Bedingung gehörenden Tatbestände dem nodi hinzukommenden Faktor (d.h. der eventuellen „Ursache" - in unserem Sinne - von etwas Neuem) gegenüber seinsselbständig und seinsunabhängig sein. D. h. sie müssen als ein Ganzes für sich bestehen können, b e v o r dieser neue Faktor hinzutritt. Und sie müssen ihre Eigenschaften ohne dènselben b e w a h r e n können. Dieser Rest der Bedingungen muß also, auch ohne den eventuell hinzutretenden Tatbestand der „Ursache" von irgend etwas Neuem, sich im G l e i c h g e w i c h t befinden. Er muß zugleich der Art sein, daß er das eventuelle Eintreten des neuen Tatbestandes (z. B. des Erdbebens), welcher die Ursache von etwas anderem sein soll, ζ u 1 ä ß t. Dies kann entweder dadurch geschehen, daß er das Eintreten eines völlig neuen Faktors nicht verhindert, oder aber, daß eine zu ihm selbst gehörende Bedingung verändert wird, d. h. aus seinem Bestände heraustritt und eine andere Bedingung an deren Stelle eintritt. Der Restbestand der Bedingungen a l l e i n ist aber weder für das Eintreten dieses neuen Faktors (ζ. B. des Erdbebens), welcher Ursache von etwas anderem sein soll, noch für das Eintreten der Wirkung dieser Ursache (für den Einsturz des Gebäudes) hinreichend, obwohl er für beides eventuell unentbehrlich ist bzw. sein kann. Ist er aber für das Eintreten des Ergänzungsgliedes (d. h. des Erdbebens) unentbehrlich, so ist es somit auch unmöglich, daß umgekehrt dieses Ergänzungsglied o h n e den Rest der hinreichenden Bedingung eintrete (im Beispielsfalle: daß das Erdbeben ohne das Gravitationsfeld stattfinden könnte). Dies beweist aber, daß der Zeitunterschied zwischen dem Rest der Bedingungen und dem ihn zur hinreichenden Bedingung ergänzenden „letzten Faktor", d. h. der Ursache, notwendig und somit weder annullierbar noch umkehrbar ist. Dies scheint eben in dem Beispiel mit dem Erdbeben der Fall zu sein. Das besagt aber zugleich, daß dieser Zeitunterschied kein „bloßer" Unterschied hinsichtlich der Zeit ist, sondern daß 87
er sich selbst aus tieferliegenden Tatbeständen und den durch ihren Gehalt bestimmten Beziehungen zwischen ihnen ergibt. Und worin liegt dieser tiefere, durch die Materie der jeweils in Frage kommenden Tatbestände bedingte Unterschied zwischen den bereits bestehenden, aber für sich selbst für das Eintreten einer Wirkung nicht hinreichenden Bedingungen und dem „letzten Gliede", der Ursache in unserem Sinne? Nun, er liegt darin, daß diese bereits bestehenden Bedingungen für sich allein eben in bezug auf die betreffende Wirkung „unwirksam" sind. Sie sind-eben weil sie unzureichend sind - unfähig, die in Frage kommende „Wirkung" (d. h. den Einsturz des Gebäudes) v o n s e l b s t hervorzubringen. Sie k ö n n e n es gar nicht tun, da sie in ihrer Gesamtheit einen Tatbestand enthalten, der jene Wirkung gerade a u s s c h l i e ß t . Fragen wir, welche Bedingungen realisiert waren, bevor das Erdbeben eingetreten ist, so lautet die Antwort: es ist das Gravitationsfeld der Erde, der „normale", relativ unbewegliche Zustand der Erdoberfläche in jener Gegend, wo das betreffende Gebäude steht, und die diesen beiden Umständen entsprechende, ihnen angepaßte Konstruktion des Gebäudes selbst. Solange alle diese drei, und insbesondere die beiden letzten Tatbestände vorhanden sind, ist der Einsturz des Gebäudes unmöglich, da eben Gleichgewicht zwischen diesen Faktoren herrscht. Erst wenn der „normale", „unbewegliche" Zustand der Erdoberfläche durch „Erdstöße" während des Erdbebens beseitigt und eben durch diese „Erdstöße" ersetzt wird, entsteht die Möglichkeit des Einsturzes des Gebäudes, da der dritte Faktor, d. h. die Konstruktion des Gebäudes, der neuen Bedingung nicht angepaßt ist und somit zwischen ihm und den beim Erdbeben vorhandenen Bewegungen der Erdoberfläche Ungleichgewicht herrscht. Mit anderen Worten: Erst die Hinzunahme eines neuen Faktors, oder die Verwandlung eines in den „bereits" bestehenden Bedingungen enthaltenen Tatbestandes in einen anderen, stört das bisher bestehende Gleichgewicht des betreffenden Tatsachen-Systems und erfordert die Herbeiführung eines neuen Gleichgewichts, das eben durch den Einsturz des Gebäudes, oder allgemein gesagt, durch das Eintreten der Wirkung erreicht wird oder wenigstens erreicht werden kann. Der neue Faktor, die „Ursache", verwandelt den bisherigen unaktiven Zustand in einen „wirksamen" und ruft - gemeinsam mit den übrigen Bedingungen - den Einsturz des Gebäudes, d. h. ihre Wirkung hervor. Daß die Ursache es a l l e i n - d. h. ohne die „übrigen Bedingungen" - nicht herbeizuführen vermöchte, dies unterliegt keinem Zweifel, aber nicht sie, als ein f ü r s i c h s e l b s t bestehender Tatbestand, sondern eben nur sie als das „letzte" e r g ä n z e n d e 88
Glied der g a n z e n Sachlage vermag den unter einer bestimmten Hinsicht stabilisierten und eben damit unwirksamen Zustand des betreffenden Tatsachen-Systems aufzuheben und eben damit entweder selbst durch die Hervorrufung der Wirkung ein neues Gleichgewicht herbeizuführen oder wenigstens einen Prozeß zu dessen Herbeiführung einzuleiten. Im letzteren Falle wird die Wirkung selbst Ursache einer neuen Wirkung usw. Daß die Ursache aber selbst aus einem Ungleichgewicht in einem anderen oder wenigstens in einem umfassenderen System hervorgegangen ist, soll natürlich nicht geleugnet werden. Aber dies tut nichts zur Sache. Sie selbst bleibt ein aktiver und aktivierender Faktor im Sein und im Geschehen, während die Gesamtheit der übrigen bereits bestehenden Bedingungen - zu welcher sie hinzutritt oder ein Glied von ihr ersetzt - eben ein unaktiver, stabilisierter, im Gleichgewicht verharrender Faktor ist. Dies ist eben der sachliche und nicht bloß zeitliche Unterschied zwischen der „Ursache" und den „übrigen Bedingungen", solange die letzteren nicht durch das Auftreten der Ursache aktiviert werden, indem diese sie ergänzt und mit ihnen zusammen die aktive, hinreichende Bedingung ihrer Wirkung bildet. Obwohl also zugegeben werden soll, daß alle Bestandteile der gesamten hinreichenden Bedingung des Eintretens dessen, was wir Wirkung nennen, in gleichem Sinne und in gleichem Maße für das Eintreten der Wirkung notwendig sind, s o b a 1 d sie einmal für einen Moment alle zusammen realisiert werden, so beweist dies noch nicht, daß keinerlei andere Unterschiede zwischen den in Frage kommenden „Bedingungen" bestehen. Und diese letzteren Unterschiede sind es eben, die uns zu der Gegenüberstellung und zur Annahme der U n g l e i c h w e r t i g k e i t der in Frage kommenden Faktoren in dieser Hinsidit führen und uns zwingen, in der Ursache eine „Bedingung" a n d e r e r A r t zu sehen, als es die „übrigen Bedingungen" o h n e die Ursadie sind. Jetzt wird vielleicht klarer hervortreten, daß zwei Wirkungen derselben Art ganz v e r s c h i e d e n e Ursachen haben können, wenn sie durch eine g l e i c h e aktive hinreichende Bedingung bedingt sind. Verworn weist dies als absurd zurück. Aber hat er damit recht? - Unterscheiden wir zunächst zwei Fälle: I. Ein Ereignis X der Art A ist Ursadie einer Wirkung W der Art B. An dem Gesamtbestand der „übrigen Bedingungen" nimmt die Tatsache Y der Art C teil, außerdem treten in ihm noch andere Tatsadien K, L, M . . . auf. II. Ein Ereignis Y' der Art C bildet die Ursache der Wirkung W' 89
der Art Β. Dagegen nimmt an dem Gesamtbestande der übrigen Bedingungen, der die Tatsachen K', L', M ' . . . enthält, ein Ereignis X ' der Art A teil. Soll es wirklich unmöglich sein, daß zwei derartige Fälle in zwei verschiedenen Zeitmomenten oder sogar in demselben Zeitmoment, aber an einer anderen Stelle der Welt eintreten? Es ist nur eine Bedingung, die dabei erfüllt werden muß, eine Bedingung übrigens, die Verworn gerade nicht berücksichtigt. Es muß nämlich möglich sein, daß der Gesamtbestand der übrigen Bedingungen: K', L', M', X ' ein z u s a m m e n b e s t e h e n d e s Ganzes bildet, das dem Ereignis Y ' gegenüber s e i n s s e l b s t ä n d i g ist (so daß es o h n e Y ' bestehen kann). Ist diese Bedingung erfüllt und tritt dann Y ' aus sonstigen Gründen ein, so steht nichts im Wege, daß Y ' Ursache des W sei. Denn nur dann könnte Y ' keine Ursache von W' bilden, wenn es mit dem Gesamtbestande der „übrigen Bedingungen" K, L, M, Y . . . bzw. K', L', M', Y ' die hinreichende Bedingung des W' bilden sollte. Denn dann würde in dem gesamten Komplex von Bedingungen, der W' hinreichend bedingen soll, einerseits die Tatsache X der Art A überhaupt f e h l e n , andererseits müßte die Art Β der Tatbestände sozusagen d o p p e l t vertreten sein: durch die Tatsache Y und durch die Tatsache Y'. Sind aber die beiden Fälle I und II so konstruiert, wie wir es oben angegeben haben, dann ist, bei der angegebenen Bedingung, das Eintreten sowohl von I als von II durchaus möglich. Und es ist auch nicht verwunderlich, daß einmal X , das zweite Mal dagegen Y ' dem Gesamtbestande der übrigen Bedingungen gegenüber die Funktion eines Ergänzungsfaktors ausüben können, denn es sind zwei g r u n d v e r s c h i e d e n e Gesamtbestände (das eine Mal: K , L, M, Y, im zweiten Falle dagegen K', L', M', X ' . . . ) , die aber mit den entsprechenden Ergänzungsfaktoren die g l e i c h e aktive hinreichende Bedingung bilden. Es wird dabei freilich - übrigens im Sinne Verworns - vorausgesetzt, daß der Umtausch des X durch Y ' und die andere Zusammensetzung der „übrigen Bedingungen" in den beiden unterschiedenen Fällen nichts an der materialen Bestimmtheit der einzelnen Faktoren derselben Art ändert. Aber diese Voraussetzung ist nicht selbstverständlich, und es scheint nicht ausgeschlossen zu sein, daß sie nicht erfüllt wird. Denn es scheint nicht ausgeschlossen zu sein, daß die K , L, M, Y durch das Zusammenbestehen in einem Komplex u n t e r e i n a n d e r gewissen Modifikationen unterliegen können, die für K', L', M', X ' in dem neuen Komplex nicht möglich sind. Ob diese Voraussetzung gilt oder nicht, ist 90
im Grunde eine empirische Frage, die hier nicht entschieden werden kann. Daß aber dabei eine gewisse Vorsicht ratsam ist, zeigen jene Fälle, wo man, wie bei chemischen Experimenten (ζ. B. bei der Erzeugung gewisser Mischungen chemischer Stoffe), die Reihenfolge der chemischen Reaktionen genau bestimmt und vor einer Umkehrung dieser Reihenfolge w a r n t . Zum Beispiel erteilt man bei der Vorbereitung eines photographischen Entwicklers den Rat, man sollte zuerst den Faktor A im Wasser lösen und erst darauf den Faktor Β hinzufügen, und nicht umgekehrt. Analog soll man ζ. B. beim Kochen gewisser Gemüsearten (z.B. Blumenkohl) das Wasser nicht vor dem Einkochen salzen, sondern erst nachdem der Blumenkohl „gekocht", d. h. weich geworden ist, da er sonst hart bleiben würde. Das Endergebnis hängt hier also von der R e i h e n f o l g e der diemischen Reaktionen ab, die zwar umgekehrt oder umgeändert werden kann, aber dann nicht zum gleichen Ergebnis, zur gleichen Wirkung führt. Aber dies müßte von den Fachleuten in der Chemie bzw. in der Physik und in den entsprechenden Zweigen der Technik genauer untersucht werden, ehe wir es behaupten dürften. Die Frage, ob man beim Erhalten der A r t einer Wirkung die einzelnen Glieder ihrer aktiven hinreichenden Bedingung in ihrer Aufeinanderfolge umtauschen kann, spielt für uns keine Rolle. Bei Verworn wird dieser mögliche Umtausch im Zusammenhang mit dem Problem der „Gleichwertigkeit" der Bedingungen erwogen, wobei das Bestehen dieser „Gleichwertigkeit" ein Argument gegen die Berechtigung der Unterscheidung der „Ursache" von den übrigen Bedingungen (von den „Umständen") ergeben soll. Es ist aber nicht klar, wie diese beiden Probleme (des möglichen Umtauschens und der „Gleichwertigkeit") bei Verworn zusammenhängen. Soweit man sich an den Ausführungen Verworns orientieren kann, bedeutet diese „Gleichwertigkeit" der Bedingungen bei ihm eine Beziehung, die zwischen allen Bedingungen K , L, M, X , Y . . . bestehen soll: sie sollen alle „gleichwertig" sein, weil sie alle in gleichem Sinne „notwendig" sein sollen. Sobald einmal ihre ganze Mannigfaltigkeit in einem Moment und an einer Stelle der Welt zustande kommt und dadurch eine bestimmte aktive hinreichende Bedingung einer Wirkung bildet, sind sie alle für die Aktivität und das Hinreichen dieser Bedingung gleich unentbehrlich. Es fragt sich aber, ob es bei verschiedenen Wegen - die etwa den von uns unterschiedenen Fällen I und II entsprechen würden - zur Bildung g e n a u g l e i c h e r aktiver hinreichender Bedingungen zweier individuell verschiedener, aber zugleich gleicher Wirkungen kommen kann. Und bei diesem Pro91
blem spielt eine ganz a n d e r e „Gleichwertigkeit" ihre entscheidende Rolle. Es handelt sich jetzt darum, ob die Tatsachen X und Y' in zwei verschiedenen Fällen I und II im Zusammenhang mit zwei verschiedenen, aber entsprechend gewählten Beständen an „Umständen" die g l e i c h e R o l l e einer „Ursache" (in unserem Sinne) spielen können. Können sie es tun, dann sind sie „gleichwertig" in diesem neuen Sinne. Diese letzte „Gleichwertigkeit" wird bei dem eventuellen Umtausch der einzelnen Faktoren der aktiven hinreichenden Bedingung zum Problem. In welcher Beziehung stehen aber diese beiden „Gleichwertigkeiten" zu dem Problem, ob man der „Ursache" als dem zuletzt eintretenden Ergänzungsfaktor einer aktiven hinreichenden Bedingung eine andere Rolle als den übrigen Bestandteilen dieser Bedingung zuerkennen und sie somit von den „Umständen" unterscheiden soll? Die „Gleichwertigkeit" zwischen den einzelnen Bestandteilen der bereits bestehenden aktiven hinreichenden Bedingung - also die „Gleichwertigkeit" im Sinne Verworns - darf zugegeben werden, aber sie spielt k e i n e Rolle bei der Lösung des Problems des eventuellen Unterschiedes zwischen der „Ursache" und den „Umständen". Denn dieser Unterschied kann nicht bei der bereits bestehenden vollen aktiven hinreichenden Bedingung einer Wirkung eine Rolle spielen, sondern bei der Weise, in welcher es zum Zustandekommen dieser Bedingung kommt. Sobald man mit Mill und Verworn einmal zugegeben hat, daß die aktive hinreichende Bedingung einer Wirkung aus mehreren Tatsachen zusammengesetzt sein kann, die nicht alle auf einmal entstehen, sondern in dieser oder jener Reihenfolge aufeinanderfolgen, muß man auch mit der Möglichkeit einer verschiedenen Weise rechnen, in der eventuell gleiche (aus „denselben" Bestandteilen zusammengesetzte) aktive hinreichende Bedingungen entstehen. Und da erst tritt das Problem der Rolle der „Ursache" in unserem Sinne und ihrer eventuellen Verschiedenheit von der Rolle der „übrigen Bedingungen", die sie zur vollen aktiven hinreichenden Bedingung ergänzt, auf. Und dieses Problem glaube ich zugunsten der Verschiedenheit dieser beiden Rollen beantworten zu müssen. Bei diesem Problem spielt aber auch die „Gleichwertigkeit" in dem zweiten, von mir unterschiedenen Sinne keine Rolle. Denn ob es sich in einem Fall zeigt, daß zwei Tatbestände X und Y' beide bei verschiedenen Umständen „Ursachen" gleicher Wirkungen sein können, oder ob in einem anderen Fall, daß dies nicht statthat, dies hat für die besondere Rolle der Ursache keine Bedeutung. Im ersten Fall gibt es bei zwei verschiedenen kausalen Beziehungen zwei verschiedene Ursachen und zwei gleiche Wirkungen, im zweiten dagegen gibt es ent92
weder bloß e i n e kausale Beziehung - wenn ζ. Β. Y ' überhaupt nicht fähig ist, die betreffenden „Umstände" zur aktiven hinreichenden Bedingung zu ergänzen - oder es gibt zwei kausale Beziehungen mit zwei material verschiedenen Ursachen und mit zwei ebenfalls material verschiedenen Wirkungen. Keiner dieser Fälle spricht dafür, daß wir kein Recht haben, die Ursache in ihrer besonderen Rolle von den „Umständen" zu unterscheiden, wie dies Verworn behauptet. Nach dieser Auseinandersetzung mit Verworn und Mill glauben wir, an unserer Auffassung der Ursache und der ursächlichen Beziehung festhalten zu dürfen, wenn es nur gelingt, andere Schwierigkeiten, welche unseren Standpunkt zu gefährden drohen, zu überwinden.
§90. D i e U r s a c h e und die U m s t ä n d e Haben wir einmal zwischen der Ursache und den Umständen, unter denen sie „wirkt", unterschieden, so muß noch genauer gesagt werden, was diese Umstände sind, und insbesondere, welcher Form sie sind bzw. sein können. Bis jetzt war von den Umständen nur in einer gewissen Vagheit die Rede, und zwar, daß sie aus einer Mehrheit von „Zuständen" bestehen, die bereits vorhanden sein müssen, bevor die Ursache als ein Ereignis eintritt und sie - relativ auf eine bestimmte Wirkung aktiviert. Was soll aber unter diesen „Umständen" formal verstanden werden? Es wurde schon in den beiden ersten Bänden dieses Werkes zwischen Ereignissen, Vorgängen und den in der Zeit verharrenden Gegenständen (insbesondere Dingen) unterschieden — alles formale Unterschiede zwischen den in der Zeit existierenden (realen) Gegenständlichkeiten. 83 Der Begriff des „Zustandes" wurde aber bis jetzt nicht näher aufgeklärt. „Zustand" ist immer „Zustand von etwas", er ist also mitanderen Worten immer im Gesamtbestand eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes zu suchen. Es wäre eine ungerechtfertigte Relativierung auf die Erkenntnisoperationen, wenn man sagen wollte, er werde immer durch eine Erkenntnisoperation - gewissermaßen „willkürlich" - auf 6 3 Diese Unterschiede haben also im Rahmen der idealen Gegenständlichkeiten, z. B. zwischen den idealen mathematischen Gegenständen, gar keinen Sinn. Nicht alle erkennen dies an; so scheint O. B e c k e r („Mathematische Existenz") anderer Meinung zu sein. Er erkennt aber auch die Seinsautonomie der mathematischen Gegenständlichkeiten nicht an und relativiert ihr Sein und ihr Sosein auf bestimmte Erkenntnisoperationen.
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dem Hintergrunde des „übrigen" Bestandes des betreffenden individuellen Gegenstandes abgegrenzt, obwohl es unzweifelhaft ist, daß solche durch die Erkenntnisoperationen bedingten Abgrenzungen innerhalb des gesamten Bestandes der Qualifizierung eines individuellen, in der Zeit verharrenden Gegenstandes manchmal vorgenommen werden. Wenn aber im wirklich objektiven Sinne von einem „Zustande" (ζ. B. eines Dinges) gesprochen werden darf, so muß der Grund seiner „Abgrenzung" sowohl von den anderen „Zuständen" dieses Gegenstandes als auch davon, was nodi im Rahmen dieses Gegenstandes vorliegt und nicht „zuständlich" ist, in dem Gegenstand selbst, bzw. im Aufbau des Gegenstandes selbst gesucht werden. Er kann aber nicht primär in der Seinsweise des „Zustandes" liegen (obwohl, wie es gleich gezeigt wird, audi in dieser Seinsweise gewisse charakteristische Momente des „Zustandes" zu finden sind), sondern in einer bestimmten F o r m , die natürlich Form einer bestimmten Materie sein muß und sich aus ihr ergibt. Ein „Zustand" kann - wie gesagt - nur im Rahmen eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes vorhanden sein, also n i c h t im Rahmen eines Vorgangs oder eines Ereignisses. Warum soll es aber so sein? Nun, weil der Vorgang, in seiner ursprünglichen im stetigen Werden und Vorübergehen (bzw. „Geschehen") enthaltenen Gestalt 64 genommen, kein „materiales" Moment in sich enthält, das einfach u n v e r ä n d e r t „ d a u e r t e " ; in jeder Phase eines Vorgangs haben wir es mit einem Neuwerden und Vorübergehen und In-etwas-Neues-Übergehen zu tun. Nichts b l e i b t in einem reinen Geschehen, in einem reinen vorgänglichen Sein, audi die Form, die ständig „dieselbe" ist, ist Form immer neuer Phasen des Vorganges. Es ist aber auch im Rahmen eines Ereignisses kein „Zustand" zu finden, weil eben das Ereignis in seinem ganzen Bestände nicht über e i n e n Augenblick (über e i n e Gegenwart) hinaus im aktuellen Sein verbleiben kann, sondern in e i n e r Gegenwart voll enthalten ist und mit ihr zusammen „vergeht", d. h. aufhört, aktuell zu sein, ungeachtet dessen, ob es eben damit überhaupt v e r s c h w i n d e t , oder in irgendeine inaktuelle Seinsweise übergeht (wie ich es früher zu zeigen suchte®5). Nur in einer Gegenständlichkeit, die wirklich dauert, trotz der Wandlung der Zeit als identisch dieselbe v e r b l e i b t , kann es so etwas wie einen Zustand derselben geben. Denn eben dies ist für einen „Zustand" von etwas charakteristisch, daß die ihn konstituierende Materie (als qualitative Beschaffenheit) u n v e r «4 Vgl. oben Bd. II, § 6 4 . «« Vgl. Bd. II dieses Werkes § 61.
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ä n d e r t als dieselbe v e r b l e i b t , in der betreffenden Gegenständlichkeit das V e r b l e i b e n d e , das U n v e r ä n d e r t e bildet. I m R a h men eines und d e s s e l b e n „ Z u s t a n d e s " g e s c h i e h t , v e r ä n d e r t s i c h , e r e i g n e t s i c h g a r n i c h t s , solange er existiert. Er kann natürlich aufhören zu sein, kann durch ein Ereignis, das im Rahmen des betreffenden Gegenstandes stattfindet oder durch einen Vorgang, in dem dieser Gegenstand begriffen ist, verschwinden bzw. in einen anderen „Zustand" desselben Gegenstandes übergehen; aber solange er besteht, ist er sozusagen das r u h e n d e , sich nicht verwandelnde, nicht im Geschehen werdende, sondern bestehende, verbleibende Sein. Eben dadurch, daß eine in der Zeit verharrende Gegenständlichkeit in sich Zustände enthält, kann sie als dieselbe in der Zeit verharren, und umgekehrt, weil sie eine verharrende Gegenständlichkeit ist, kann sie und nur sie Zustände in sich enthalten. Aber andererseits kann es keinen im echten Sinne in der Zeit seienden Gegenstand geben, der in keiner Hinsicht sich verändern würde, in sich keine Vorgänge bzw. Geschehnisse bergen, bzw. an keinen Vorgängen und Ereignissen teilnehmen würde. Mit anderen Worten: außer den Zuständen, die er in sich enthält, muß es in dem Gesamtbestande seines Beschaffenseins noch immer etwas geben, was über seinen jeweiligen Zustand hinausgeht, was sich in ihm eben verwandelt, vollzieht oder ereignet. Und zwar in doppelter Hinsicht: im Zugleichsein mit dem betreffenden Zustand muß es in demselben Gegenstand materiale Bestimmungen geben, die zu diesem Zustand nicht gehören, und es muß außerdem vor und nach dem Vorhandensein des betreffenden Zustandes eines verharrenden Gegenstandes ein Sein desselben Gegenstandes geben, das neue Zustände oder irgendwelche Geschehnisse oder Ereignisse in sich enthält. Jeder einen Zustand in sich enthaltende Gegenstand p a s s i e r t den Zustand, den er während einer Zeit in sich enthält, und indem er ihn passiert, befindet er sich - wie man sagt - „in" diesem Zustand. Dieses „in", das hier verwendet wird, soll aber nicht irreführend sein. Denn „in" etwas sein bedeutet gewöhnlich so viel, daß das „in" etwas Seiende dieses Etwas als ein sozusagen umfassendes und umfassenderes Ganzes um sich hat. In diesem Sinne ist der Zustand „in" einem in der Zeit verharrenden Gegenstand und nicht dieser Gegenstand in jenem Zustande enthalten. Der Gegenstand ist hier das umfassendere Ganze, das den Zustand umfaßt. Das Wörtchen „in" in der Wendung, ein Gegenstand befinde sich „in" einem Zustand, soll aber auf etwas anderes hinweisen als das soeben analysierte „in", das die Relation eines Elements zu einem es umgebenden Ganzen bestimmt. 95
Die Wendung „in einem Zustand sich Befinden" ist, wie gesagt, streng mit der Tatsache verbunden, daß der Gegenstand über jeden seiner Zustände - den er in sich enthält - h i n a u s g e h t , ihn eine Zeitlang in sich enthält und ihn als etwas passiert, was den Gegenstand selbst n i c h t konstituiert, was n i c h t der Gegenstand selbst ist. Jeder Zustand eines Gegenstandes „geht" als solcher in dem Sinne „vorüber", daß er nur während einer P h a s e des Seins des Gegenstandes in demselben enthalten ist, und zwar als etwas in ihm identisch veränderungslos Verbleibendes, aber nicht als etwas, was ihn wesensmäßig dauernd, während seiner g a n z e n Daseinszeit, mitbestimmen müßte. So muß zu der oben gegebenen Bestimmung des Zustandes noch etwas hinzugefügt werden, denn es zeigt sich, daß es nicht ausreicht, bloß zu sagen, er sei das im Gesamtbestande eines verharrenden Gegenstandes unverändert Verbleibende. Das in dem Gesamtbestande eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes identisch unverändert Verbleibende umfaßt nodi etwas, was als solches nicht für einen „Zustand" gehalten werden kann, eben deswegen, weil es etwas ist, was während der Existenz des betreffenden Gegenstandes nicht vorübergehen kann. Zum Beispiel kann der während der ganzen Existenz eines bestimmten individuellen Gegenstandes unverändert währende Bestand von materiellen Momenten, die die individuelle Natur dieses Gegenstandes bilden, nicht für einen bloßen „Zustand" dieses Gegenstandes gelten. Der individuelle Gegenstand muß sozusagen bereits existieren, und das heißt u. a., daß er hinsichtlich seiner Natur bereits konstituiert oder besser, daß er durch seine individuelle Natur konstituiert sein muß, damit er diesen oder jenen Zustand haben bzw. in diesem oder jenem Zustand sein könnte. Dasselbe bezieht sich auf den gesamten Bestand der das individuelle Wesen des betreifenden Gegenstandes konstituierenden qualitativen Momente. „Zustände" liegen sozusagen in derjenigen Schicht der gegenständlichen Struktur, die aus den vom Gegenstand unter dessen bestimmten Seinsbedingungen e r w o r b e n e n Eigenschaften sowie aus den „ äußerlich bedingten" Eigenschaften besteht.68 Es sind alles gegenständliche Bestimmungen, die nicht zum Wesen des Gegenstandes gehören, sondern durch dieses Wesen z u g e l a s s e n werden, in ihrer materialen Bestimmtheit sich aber aus dem Zusammensein oder besser Zugleichsein des betreffenden, ein bestimmtes Wesen in sich bergenden Gegenstandes und anderer - ebenfalls auf bestimmte Weise durch ihr M Vgl. die im II. Band dieses Werkes enthaltenen Unterscheidungen verschiedener formaler Typen der gegenständlichen Bestimmungen.
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Wesen konstituierter - Gegenstände ergeben. Es sind sozusagen F o l g e - B e s t i m m t h e i t e n des Gegenstandes, und da sie eben nicht durch das Wesen dieses Gegenstandes a l l e i n bedingt sind, müssen sie in ihrem bestimmten Beschaffensein nicht notwendig in dem Gesamtbestande dieses Gegenstandes auftreten, sie können in ihm unter Umständen eine Zeitlang vorhanden sein, aber sobald die Umstände, unter denen der betreffende Gegenstand existiert (die gegenständlichen Situationen, an denen er teilnimmt) einer Veränderung unterliegen (z.B. infolge der einfachen Tatsache, daß der Gegenstand sozusagen in eine andere „Gegend" in der Welt gelangt), unterliegen auch die erworbenen und die äußerlich bedingten gegenständlichen Eigenschaften einer entsprechenden, gesetzlich geregelten Änderung. Nun, unter diesen Folge-Bestimmheiten des Gegenstandes (TA S Y M B E B E K O T A im Sinne von Aristoteles) sind die „Zustände" als die während einer Zeit unverändert verbleibenden, gewisse Einheitsgebilde bildenden gegenständlichen Bestimmungen zu suchen. Von den übrigen unverändert verbleibenden Bestimmungen des Gegenstandes unterscheiden sie sich dadurch, daß sie nicht zum Wesen des Gegenstandes und somit nicht zu den diesen Gegenstand ursprünglich konstituierenden Momenten gehören und eben deswegen im Vergleich zum Sein des Gegenstandes selbst, dessen „Zustände" sie sind, v e r g ä n g l i c h , nur vorübergehend sind, so daß der Gegenstand sie „passieren" kann, sobald sich die entsprechenden äußeren Bedingungen ändern. Auf diese Weise präzisiert sich der e i n e Sinn der Wendung „Ineinem-Zustand-Verbleiben". Aber es verbindet sich mit diesem Sinn manchmal noch eine Nuance des In-einem-Zustand-Verbleibens, auf die wir noch hinweisen müssen, da sie sich mit der Frage nach der Beziehung des „Zustandes" eines Gegenstandes zu den anderen Elementen seines Gesamtbestandes verbindet und damit sich auch mit der Frage nach der Art der Abgrenzung des Zustandes von diesen anderen Elementen berührt. Mit dem In-einem-Zustand-Verbleiben eines Gegenstandes haben wir oft den Umstand im Auge, daß der betreffende Gegenstand sozusagen unter der Herrschaft bzw. unter dem Einfluß eines Zustandes, in dem er sich befindet, steht. Es zeigt sich, daß es für den Rest des Gesamtbestandes seiner Bestimmungen nicht irrelevant ist, daß er sich gerade in einem bestimmten Zustande befindet: gewisse andere Eigenschaften des Gegenstandes können dadurch bedingt sein, daß der Gegenstand sich gerade in einem bestimmten Zustand befindet. Dies kann sich aber auch auf gewisse Vorgänge beziehen, die sich in dem betreffenden Gegenstande abspielen, und hier fängt die Rolle der 97
„Zustände" als Umstände gewisser Geschehnisse bzw. gewisser kausaler Seinszusammenhänge an. Ehe wir aber dazu übergehen, muß nodi hinzugefügt werden, daß eben diese Tatsache, daß ein Zustand eines Gegenstandes das Vorhandensein anderer Eigenschaften desselben oder gewisser sich in ihm vollziehender Vorgänge bedingen kann, ein Ausdruck dessen ist, daß der Zustand des Gegenstandes in einem Seinszusammenhang mit anderen Bestimmtheiten desselben steht, daß also die „Abgrenzung" des Zustandes nicht im Sinne einer Isolation vom Rest des Gegenstandes verstanden werden kann. Nur der Charakter des veränderungslosen Verbleibens der ihn konstituierenden Momente bildet den Grund einer gewissen Abgegrenztheit vom Rest des Gegenstandes, die eine U n t e r s c h i e d s g r e n z e und nicht eine Abgeschlossenheit dem Rest des Gegenstandes gegenüber bildet. Diese relative und gegenseitige „Aufgeschlossenheit" zwischen dem Zustand eines Gegenstandes und dessen übrigem Bestand an Bestimmtheiten ist es, die den Zustand als seinsunselbständig dem Gegenstand gegenüber kennzeichnet, so daß es nicht erlaubt ist, den Zustand und den Gegenstand für zwei verschiedene Gegenstände zu halten. So kommen wir auf den Ausgangspunkt zurück: der Zustand ist immer ein Zustand v o n etwas, in dem er sein Seinsfundament hat. Es gibt aber gewisse Ausdrucksweisen, die gegen unsere Auffassung zu sprechen scheinen, daß das unveränderte Verbleiben das Charakteristische des Zustandes als solchen sei. Man sagt nämlich z.B.: eine Menge Wassers im Topf befinde sich im Zustand des Kochens, ein Stück Eisen befinde sich im Zustand des Glühens, ein Ding befinde sich im Zustand einer gleichmäßigen Bewegung usw. Man kann mit anderen Worten Fälle angeben, in welchen gewisse Vorgänge, in deren Vollzug sich bestimmte Dinge gerade befinden, eben für „Zustände" dieser Dinge gehalten werden. Wäre dies richtig, dann müßte unsere oben dargestellte Auffassung des Zustandes von etwas falsch sein. Oder ist es nur eine Redeweise, in welcher das Wort „Zustand" einfach in einem völlig anderen Sinne genommen wird, als der bis jetzt in Betracht gezogene? Die Frage ist aber für uns nidit aus philologischen Gründen, sondern aus rein sachlichen wichtig, denn es handelt sich um das Problem, ob in den Bestand der „Umstände", die von der Ursache zur aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung ergänzt werden, lauter Zustände (in dem zunächst behandelten Sinne) aufgenommen werden können, oder ob zu ihnen auch gewisse gleichmäßig verlaufende Vorgänge gehören können, und zwar Vorgänge, deren Ablauf von selbst, ohne das die Ursache bildende Ereignis, zu keinerlei Wirkung führt 98
bzw. führen kann. Nennt man die Elemente des Bestandes der Umstände immer mit demselben Wort „Zustand", dann verschiebt sich nur dieselbe Frage, wenn wir entscheiden wollen, ob Vorgänge, in deren Vollzug sich ein Gegenstand gerade befindet, auch als das in seinem Sein unverändert Verbleibende und zu den „ S Y M B E B E K O T A " Gehörende - also „Zustand" in dem oben analysierten Sinne - sein können. Nun ist es gewiß nicht möglich zu sagen, daß 1. der Vorgang des „Kochens" das in einem Sein unverändert Verbleibende sein könnte, während es als Vorgang immer wird und vorübergeht, und daß es 2. ein „gleichförmiger" Prozeß wäre. Dasselbe gilt, wenn man ζ. B. sagen wollte, ein bestimmter Mensch befinde sich im Zustande des Alterns oder einer bestimmten Krankheit. Auch in diesem Falle haben wir es mit einer Mannigfaltigkeit zwar zugehöriger, aber zugleich verschiedenartig und ungleichmäßig verlaufender Vorgänge zu tun, die nicht für einen „Zustand" in dem bisher erwogenen Sinne gehalten werden dürfen. Nur die Tatsache, daß derartige manchmal sehr zusammengesetzte und ungleichmäßige Vorgänge dodi entweder in ihrem ganzen Verlauf d i e s e l b e G r u n d a r t bewahren oder alle zusammen einen Vorgangszyklus höherer Ordnung konstituieren, erlaubt uns, das Wort „Zustand" in einem e r w e i t e r t e n (und zugleich veränderten) Sinne anzuwenden. Und zwar darf es nur mit Rücksicht auf die D i e s e 1 b i g k e i t der Grundart des Vorgangs oder auf die E i n h e i t des Vorgangszyklus höherer Ordnung geschehen, die sich beide während des ganzen Verlaufs der betreffenden Vorgänge erhalten. Dieses Sich-Erhalten der Art oder der übergeordneten Einheit ist natürlich nicht identisch mit dem im Sein unverändert Verbleiben des Zustands bzw. eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes, aber es bildet zu ihm doch eine gewisse Analogie, welche uns erlaubt, den Sinn des Wortes „Zustand" entsprechend zu erweitern. Aber dies ändert nichts an dem Wesen des „Zustandes" eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes, das wir oben erfaßt zu haben glauben. Würden also zu den „Umständen" lediglich die „Zustände" im strengen Sinne gehören können, dann müßten aus ihnen die „Zustände" im erweiterten Sinne ausgeschlossen werden. Es fragt sich aber trotzdem, ob es nicht erlaubt wäre, zu den „Umständen" - wenigstens in manchen Fällen - neben den Zuständen auch g l e i c h m ä ß i g e Vorgänge zuzurechnen. Was ist aber für die „Umstände", unter denen es beim Auftreten einer Ursache zur Bildung der aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung kommt, notwendig? Was müssen wir von ihnen fordern, damit sie ihre Funktion bzw. ihre Rolle als „Umstände"
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ausüben könnten? Sie müssen erstens eine Zeitlang unverändert dauern, damit sie als bestehend im Moment des Eintretens des neuen Ereignisses sozusagen durch es in der Wirklichkeit vorgefunden werden können, denn zu ihnen soll sich dieses Ereignis hinzugesellen, um mit ihnen zusammen die eine aktive hinreichende Bedingung bilden zu können. Außerdem müssen sie in ihrer Beschaffenheit derart sein, daß sie in ihrer Gesamtheit ohne das neu hinzutretende Ereignis nicht hinreichend zum Eintreten der Wirkung wären, dagegen durch dieses neue Ereignis (bzw. die letzte Phase eines entsprechenden Vorgangs) zur hinreichenden Bedingung der Wirkung ergänzt und eben dadurch auch „aktiviert" werden. Aber dies ist schon Sache nicht ihrer Form, sondern ihrer M a t e r i e , die hier nicht besprochen werden soll. Der erste Punkt dagegen besagt, daß - mit Rücksicht auf ihre Form - sich vor allem die Zustände (im strengen Sinne) dafür eignen, „Umstände" zu bilden, zweitens aber auch die gleichmäßigen Vorgänge; sie erfüllen die Bedingung, daß sie erstens während einer kurzen Zeit vor dem Eintreten des die Ursache bildenden Ereignisses vorhanden sind und in ihrem SichVollziehen bis an den Moment des Eintretens der Ursache heranreichen, zweitens aber, daß sie - als gleichmäßige Vorgänge - zwar nicht „verharren" wie Zustände, aber doch in ihren Eigenschaften, welche über ihre Gleichmäßigkeit in der betreffenden Vorgangsart und sogar in der individuellen Eigenheit des betreffenden Vorgangs entscheiden, während dieser Zeitphase k o n s t a n t sind. Es sind somit die unentbehrlichen formalen Bedingungen erfüllt, die diesen Vorgängen erlauben, die Umstände des Eintretens einer Ursache zu bilden. Natürlich handelt es sich in diesem Fall nicht um den ganzen - jeweils gerade vorhandenen - Verlauf dieser gleichmäßigen Vorgänge, sondern lediglich um ihre in die betreffende Gegenwart mündende Endphase, falls sie durch das Eintreten der betreffenden Ursache unterbrochen oder ungleichmäßig gemacht werden sollten. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß die zu den Umständen gehörenden gleichmäßigen Vorgänge durch das sich Hinzugesellen des die Ursache bildenden Ereignisses in ihrem Verlauf und in ihrer Gleichmäßigkeit gar nicht angetastet werden und sich weiter fortentwickeln, nachdem es schon zur Bildung der Ursache gekommen ist.
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§91. D i e D i s k o n t i n u i t ä t e n i n n e r h a l b der r e a l e n W e l t Die von uns vertretene Auffassung der Ursache und ihrer Beziehung zur Wirkung läßt sich aufrechterhalten, wenn die beiden Diskontinuitäten, die wir bereits erwähnt haben, in der realen Welt als solcher möglich sind. Dem müssen wir noch einige Bemerkungen widmen. Beide Diskontinuitäten hängen freilich zusammen, sind aber voneinander verschieden und müssen deswegen gesondert besprochen werden. a) D a s P r o b l e m d e r r e l a t i v g e s c h l o s s e n e n S y s t e m e Erstens handelt es sich um die Diskontinuität, die in dem, was in der Welt zugleich existiert, auftritt. Entweder bildet die ganze Welt e i n einheitliches System, in dem, wie man sagt, a l l e s m i t a l l e m a u f d i e s e l b e W e i s e zusammenhängt, oder es sind in der Welt mehrere Systeme vorhanden. Es herrscht bekanntlich seit langem die Ansicht vor, daß ein „abgeschlossenes System" innerhalb der Welt unmöglich sei. Die Begründung dieser Ansicht aber bleibt unbefriedigend. Denn entweder führt man rein empirische Gründe an, die erkenntnistheoretisch bedenklich sind, oder aber man beruft sich, besonders im Zeitalter des Rationalismus, auf das Prinzip der Kontinuität. Aber dieses Prinzip ist in den letzten Jahrzehnten seitens der Physik in hohem Maße in Frage gestellt worden, so daß von dieser Seite keine Gefahr für das Vorhandensein mehrerer Systeme in der Welt zu drohen scheint. Versteht man freilich unter einem „geschlossenen System" ein a b s o l u t abgeschlossenes System, dann ist ein solches System innerhalb der realen Welt nicht möglich. „ A b s o l u t abgeschlossen" ist aber ein System, in welchem während seiner g a n z e n Existenz, die dann im Prinzip unendlich sein müßte, g a r k e i n e ursächlichen Beziehungen zwischen ihm und der es umgebenden Welt bestehen: weder unterliegt es den Einwirkungen der äußeren Welt, noch übt es auf diese Welt irgendwelche Einwirkungen aus. Selbst die E x i s t e n z des Systems würde durch die Existenz und den Zustand der „äußeren Welt" gar nicht bedingt sein. Unmöglich ist aber ein absolut abgeschlossenes System, denn es würde in der Welt sozusagen eine Welt für sich bilden, und es ließe sich kein Grund seiner Zugehörigkeit zur Welt, die es umgeben sollte, angeben. Beim eventuellen Vorhandensein derartiger unzugänglicher Inseln in der Welt gäbe es auch keinen Grund für die Einheitlichkeit der Welt. Man müßte dann eine M a n n i g f a l t i g k e i t absolut getrennter und u n z u s a m m e n h ä n g e n d e r Welten 101
annehmen, was gegen die Möglichkeit ihrer erkenntnismäßigen Erfassung und Setzung verstößt. Aber neben den a b s o l u t a b g e s c h l o s s e n e n Systemen lassen sich r e l a t i v a b g e s c h l o s s e n e oder besser: relativ i s o l i e r t e Systeme unterscheiden, deren Bestehen in der einen realen Welt durchaus möglich zu sein scheint. Relativ isoliert ist aber ein System, wenn es nur z e i t w e i s e und in m a n c h e r H i n s i c h t „isoliert" und immer nur bis zu einer bestimmten Grenze oder besser einem bestimmten Grade isoliert ist, während es in einer anderen Hinsicht nicht isoliert ist. „Isoliert" in einer Hinsicht ist ein System während einer Zeit, wenn es in dieser Hinsicht weder Einwirkungen unterliegt, die von der es umgebenden Welt stammen, noch selbst Einwirkungen auf die äußere Welt ausübt. Die A r t (d.h. die Wahl der Seiten, unter denen ein System isoliert ist) als auch der G r a d dieser Isolierung (d. h. 1. die Zahl der Seiten der Isolierung und 2. die Größe der Kraft, die zur Überwindung der Isolierung nötig ist) kann sowohl bei verschiedenen Systemen verschieden sein, als auch bei einem und demselben System im Laufe der Zeit einer Wandlung unterliegen. Infolgedessen kann auch die Art, in welcher zwei Systeme aufeinander Einwirkungen ausüben bzw. ausüben können und somit einander a u f geschlossen sind, verschieden sein und sich im Laufe der Zeit ändern. Die Seiten der Isolierung des Systems von anderen Systemen bzw. von der umgebenden Welt liefern ihm eine ganz bestimmte Unabhängigkeit von diesen Systemen bzw. davon, was in ihnen in den betreffenden Hinsichten vorgeht, die Seiten dagegen, unter welchen die Systeme einander aufgeschlossen sind, ermöglichen das Bestehen von Zusammenhängen verschiedener Art zwischen den Systemen und bilden den Grund der Einheitlichkeit der Welt, die solche relativ isolierten Systeme in sich birgt. Wir werden später diese Auffassung von verschiedenen Gesichtspunkten aus und mit verschiedenen Mitteln zu begründen suchen, wobei wir u. a. audi die Frage erwägen werden, inwiefern die Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft für oder gegen eine solche Auffassung der Welt sprechen. Jetzt werden wir nur zur Verdeutlichung des Sinnes, in welchem hier von relativ isolierten Systemen gesprochen wird, auf einige Beispiele hinweisen. Wenn wir irgendein materielles Ding auf Erden nehmen, so gibt es unzweifelhaft - mindestens im Sinne der modernen Naturwissenschaft - eine Hinsicht, in der es n i c h t abgeschlossen ist: es unterliegt dem Einfluß des Gravitationsfeldes, in dem es sich befindet, bzw. der Anziehungskraft anderer Körper in derselben Welt. Dieses Feld ändert 102
sich, da die Erde und die Planeten sich um die Sonne und gegeneinander auf verschiedene Weise bewegen. Das betreffende Ding kann auch seine Stelle auf der Erdoberfläche und anderen Dingen gegenüber ändern. Insofern sind die Einflüsse der Gravitationskraft, denen es ständig unterliegt, immer in einer Veränderung begriffen, sie werden größer oder kleiner; solange es sich aber im realen Raum befindet, gibt es kein Mittel, es von diesem Einfluß der Gravitation völlig zu befreien. Wohl könnte es experimentelle Mittel geben, den Einfluß der Gravitation der Erde zu beseitigen oder zu neutralisieren, aber das heißt nichts anderes, als daß wir entweder dieses Ding in eine Sphäre bringen, wo sich die Anziehungskräfte ζ. B. der Erde und des Mondes gegenseitig im Gleichgewicht befinden, oder daß wir durch irgendwelche, ζ. B. magnetische Mittel Gegenkräfte auf dieses materielle Ding ausüben können, die die Anziehungskraft der Erde ausgleichen; zwei verschiedene Einflüsse halten sich dann die Waage. In dieser Hinsicht ist also dieses Ding von der es umgebenden Welt n i c h t abgeschlossen, aber dies beweist noch nicht, daß alles und jedes, was ihm als Eigenschaft oder als vorübergehender Zustand, als Vorgang oder endlich als ein Ereignis zugehört, durch die Einwirkung der Gravitation auf dieses Ding bedingt oder gar hervorgerufen wird. Denn die Gravitationskraft (ζ. B. in der Umgebung der Erde) ist endlich, und das Gravitationsfeld ist relativ zu anderen Feldern und zu den in einem Dinge wirkenden Kräften verhältnismäßig schwach. Nur wenn es keine der Schwerkraft entgegenwirkenden Kräfte gäbe oder - falls es derlei Kräfte gibt - wenn es in dem betreffenden Ding keine durch die Schwerkraft zu beeinflussenden Eigenschaften bzw. Vorgänge gäbe, und wenn die Schwerkraft größer als jede ihr eventuell entgegengesetzte Kraft wäre, würde alles, was in einem materiellen Ding vorgeht, durch die Schwerkraft nicht bloß beeinflußt, sondern auch eindeutig und mit Notwendigkeit bestimmt werden. Was kann aber als Anzeichen dienen, daß dem nicht so ist? Auf die unmittelbare Messung der Schwerkraft und der anderen Kräfte - obwohl dies der direkteste Weg zu sein scheint - darf man sich da nicht berufen, da die „Messung" der Schwerkraft bereits die Möglichkeit mindestens der Gleichheit der gemessenen Schwerkraft mit dem KräfteSystem des Meßinstruments voraussetzt. Es gibt aber, wie es scheint, ein anderes Anzeichen des Kleinerseins der Schwerkraft im Vergleich zu anderen Kräften, die in einem materiellen Dinge auftreten. Es ist dies die r e l a t i v f r e i e V a r i a b i l i t ä t mancher Eigenschaften oder mancher Vorgänge, die sich in zwei verschiedenen Dingen vollziehen, obwohl diese Dinge sich im gleichen Gravitatonsfeld bzw. nacheinander 103
an derselben Stelle eines Gravitationsfeldes befinden. Würde die Gravitationskraft ü b e r a l l e s e n t s c h e i d e n , was in einem materiellen Dinge vor sich geht, so wäre es unmöglich, daß bei g l e i c h e r Konfiguration des Gravitationsfeldes sich in den betreffenden Dingen noch V e r s c h i e d e n e s abspielte. Selbst wenn diese sich unter gleichen Gravitationsverhältnissen vollziehenden verschiedenen Vorgänge durch dieselben insoweit bedingt wären, daß sie sich ohne die Schwerkraft gar nicht vollziehen könnten, wäre der von der Gravitation relativ unabhängige Verlauf dieser Vorgänge der beste Beweis dafür, daß die Schwerkraft sie nicht zu unterbinden vermag, d.h. daß sie entweder schwächer ist, als die diese Vorgänge hervorbringenden Faktoren, oder - im Grenzfall - überhaupt keinen Einfluß auf sie auszuüben vermag. Es scheint z.B., daß die zahlreichen Prozesse zwischen den Bestandteilen des materiellen Dinges bei chemischen Verbindungen, die verschiedenartigen elektrischen Vorgänge und dergleichen mehr derart sind, daß die Schwerkraft ihren Vollzug nicht hindern oder jedenfalls nicht in dem Maße modifizieren kann, daß sie ihre Verschiedenartigkeit verlieren würden. Es gibt aber zwei andere Erscheinungen, die als Anzeichen dafür dienen können, daß das betreffende System in einer bestimmten Hinsicht während einer gegebenen Zeitphase nach außen „abgeschlossen" ist. Die eine dieser Erscheinungen ist das Vorhandensein von „Isolatoren", die zweite die gegenseitige Gleichgültigkeit oder, wenn man so sagen darf, „Neutralität" gewisser Tatbestände oder Vorgänge. Ein „Isolator" kann vor allem im Sinne eines Stoffes verstanden werden, der z . B . einen Körper allseitig umgrenzt und der - wenn er „ z w e i s e i t i g " ist - die Einflüsse weder von außen her, noch von innen her durchläßt, bzw. die entsprechenden Vorgänge hemmt oder sie überhaupt zurückwirft. Panzer gegen Hiebe oder Stöße, Kleider gegen Kälte, Hausmauern gegen schlechte Witterung, das gewöhnliche Glas gegen ultraviolette Strahlen usw. - das sind einige Beispiele von „Isolatoren", deren Rolle überall dieselbe ist, obwohl in jedem Falle einer anderen Art von Vorgängen angepaßt. Ein Isolator kann aber audi bloß „einseitig" sein, daß er entweder die v o n a u ß e n herkommenden Einwirkungen nicht in das Innere des Systems eindringen läßt oder die im Innern des Systems sich vollziehenden Vorgänge in demselben zurückhält. Die Folge des Vorhandenseins eines Isolators - einer undurchlässigen Wand - ist es vor allem, daß gewisse Prozesse sich im Innern des betreffenden Raumes entweder überhaupt nicht abspielen oder wenigstens in einem wesentlich abgeschwächten Maße. Gewisse außer104
halb des Systems sich abspielende Vorgänge werden durch den Isolator entweder zurückgeworfen, aufgehalten oder nur gehemmt, indem der Vorgang in den Isolator sozusagen hineinsickert und von ihm aufgefangen wird bzw. in ihm steckenbleibt. Infolgedessen ist die Mannigfaltigkeit der Vorgänge und Ereignisse, die sich im Innern des durch den betreffenden Isolator umgebenen Systems vollziehen, um eine Anzahl von Typen von Vorgängen bzw. Ereignissen ärmer, als dies ohne den Isolator der Fall wäre. Dies ist auch einer der Zwecke der Verwendung von Isolatoren (es gibt noch andere Zwecke, ζ. B. bei den Isolatoren elektrischer Leiter). Infolgedessen können diejenigen Vorgänge oder Ereignisse, die sich im Innern des betreffenden Systems abspielen, unter ihren Ursachen bzw. unter den Bedingungen, welche sie ermöglichen, gewisse Tatbestände n i c h t aufweisen, die sie sonst - ohne den Isolator - aufweisen würden. Dies bedeutet aber, daß diese Vorgänge und Ereignisse im Innern des von außen her isolierten Systems von gewissen Vorgängen und Ereignissen, die sich in der U m g e b u n g des betreffenden Systems abspielen und die beim Nichtvorhandensein des Isolators in das Innere dieses Systems eindringen würden, u n a b h ä n g i g s i n d . Sie vollziehen sich so, als ob es jene in der umgebenden Welt vorhandenen Vorgänge und Ereignisse gar nicht gäbe und sind nur durch diejenigen Tatbestände ursächlich bestimmt, die entweder im Innern des Systems selbst ihre Quelle haben oder aber durch den Isolator durchgesickert sind. Diese Ermöglichung des unabhängigen Verlaufs der „inneren Vorgänge" eines Systems ist die zweite wichtige Funktion und zugleich der andere Zweck des Isolators (ζ. B. der Isolierung elektrischer Leiter). Andererseits, falls der Isolator für gewisse Prozesse in b e i d e n Richtungen oder wenigstens in der Richtung von innen nach außen hin undurchlässig ist, finden auch in der U m g e b u n g des betreffenden Systems g e w i s s e Vorgänge und Ereignisse statt, die ihre Ursache (oder wenigstens ihre mitbestimmende Bedingung) nicht in den im Innern des Systems stattfindenden Vorgängen haben und die durch die „inneren Vorgänge" wenigstens mitbedingt wären, wenn kein Isolator vorhanden wäre. Andererseits fehlen in der Umgebung des Systems Vorgänge und Ereignisse, die in ihrer Qualifikation den Eigenschaften des Isolators entsprechend bestimmt sind, und die in den im Innern des Systems sich vollziehenden Vorgängen und Ereignissen einer ganz bestimmten Art ihre Ursache oder Mitbestimmung hätten, wenn es keinen Isolator der betreffenden Art geben würde. Der Isolator eines elektrischen Leiters verhindert so, daß der Strom in die Umgebung des Leiters fließt und z . B . zur Entstehung von Bränden führt. Dagegen 105
gibt es Vorgänge bzw. Ereignisse, die auf der Zurückwerfung gewisser Vorgänge an der Grenze des Isolators beruhen oder in ihr ihre Ursache haben, andererseits aber Vorgänge der Hemmung durch den Isolator, so daß es zu dem eigentümlichen Phänomen des „Erlöschens" von Vorgängen kommt, die sich sonst - d. h. falls sie auf keinen Isolator stießen - noch tiefer in das Innere des Systems fortpflanzen würden. So ist die kinetische Energie der Moleküle der den elektrischen Leiter umgebenden Materie von dem im Leiter fließenden Strom unabhängig. Beides kann übrigens auch dort stattfinden, wo es keinen Isolator im eigentlichen Sinne des Wortes gibt, wo aber gewisse Prozesse an der Oberfläche eines Körpers teils zurückgeworfen, teils aber durch die äußerste Schicht des Körpers gehemmt werden. Dies ist zum Beispiel mit dem Licht an der Oberfläche „undurchsichtiger" Körper der Fall. Die Schicht, in welcher sich die Hemmung eines Vorgangs vollzieht, kann in manchen Fällen verhältnismäßig dick sein, ζ. B. beim Licht, wenn der Körper (wie ζ. B. Wasser) in gewissem Maße, aber doch nicht ganz, durchsichtig ist. So dringt das Licht einige hundert Meter tief in das Meerwasser ein, welches je tiefer es wird, allmählich desto dunkler und dunkler wird, bis endlich in einer bestimmten Schicht völlige Dunkelheit herrscht. Die sich noch tiefer abspielenden Vorgänge (ζ. B. die Lebensvorgänge der in großer Tiefe der Meere lebenden Tiere) sind schon von dem eigentümlichen Vorgang des Lichts unabhängig. Es ist nicht unsere Sache, hier das Wesen eines Isolators im einzelnen Fall physikalisch bzw. chemisch zu untersuchen. Uns interessiert nur die Leistung des Isolators bezüglich der Gestaltung der ursächlichen Zusammenhänge an der Grenze zwischen einem mit einem Isolator umgebenen System und der für dieses System „äußeren" Welt. Und es ist möglich, daß diese Leistung eben auf dieselbe Weise erreicht wird, wie es mit der Hemmung des Lichtes durch das Wasser der Fall ist, bloß daß die Dicke der Schicht, in welcher sich der Hemmungsprozeß vollzieht, verhältnismäßig viel kleiner ist. Wichtig ist hier nur, daß es überhaupt zu einer derartigen Sachlage kommen kann, in welcher gewisse Vorgänge, die sich außerhalb eines Systems abspielen, nicht in dessen Inneres hineindringen können und insofern seine inneren Vorgänge unbeeinflußt lassen. Freilich muß betont werden - denn dies ist gerade für die Auffassung der r e l a t i v isolierten Systeme wesentlich - , daß diese Abschließung gegen äußere Einflüsse 1. immer nur gegen Vorgänge bzw. Ereignisse g a n z b e s t i m m t e r A r t und nicht gegen Vorgänge anderer oder aller Arten vorliegt, so daß das System eventuell verschiedene Isolatoren braucht, um gegen verschiedene Einflüsse geschützt zu 106
werden (was natürlich auch möglich ist), 2. daß die Isolation oft u n v o l l k o m m e n ist, d.h. nicht zur völligen Abschließung gewissen Vorgängen gegenüber führt, sondern nur zu einer relativ sehr bedeutenden Abschwächung bzw. Verlangsamung des betreffenden Vorgangs, wodurch natürlich keine v ö l l i g e Unabhängigkeit der inneren Vorgänge von dem betreffenden äußeren Vorgang erlangt wird. Trotzdem aber wird dadurch der ganze Verlauf der Vorgänge im Innern wesentlich modifiziert, und zwar besonders deswegen, weil der Einfluß eines Vorgangs sich oft nicht kontinuierlich vermindert, sondern abrupt aufhört, sobald der Vorgang beim Abschwächen eine fest bestimmte Grenze seiner minimalen Stärke erreicht. Diese Tatsache — die der älteren N a turwissenschaft nicht bekannt war und auf die wohl zuerst die physiologische Sinnespsychologie gestoßen ist, bevor sie in etwas anderer Gestalt in der Quantenphysik auftrat - gehört wesentlich zu der Weise, in welcher die Leistung eines teilweise durchlässigen Isolators ermöglicht wird. Obwohl er nämlich gewissen Vorgängen durchzusickern erlaubt, so hemmt er sie doch und schwächt sie in dem Maße ab, daß sie im Innern des Systems k e i n e Wirkung mehr hervorrufen können. Gäbe es keine derartigen „Schwellenerscheinungen", die ζ. B. von der physiologischen Psychologie her bekannt sind, so würde die v ö l l i g e Isolierung eines Systems g e w i s s e n Vorgängen gegenüber in vielen Fällen unmöglich sein. Und diese Schwellenerscheinung hängt, mindestens in manchen Gebieten, mit dem „ Elementarquantum " der Energie zusammen. Andererseits gibt es 3. Isolatoren, die immer nur bis zu einer bestimmten Stärke bzw. Höhe der äußeren Vorgänge für die Einflüsse derselben undurchlässig sind,67 so daß die Energie des Vorgangs eine bestimmte Höchstgrenze überschreiten muß, um den Widerstand des Isolators zu überwinden. Bei ihrer Überschreitung wird der Isolator „durchstoßen" und dadurch gewöhnlich überhaupt - auch für niedrigere Energien - vernichtet. Die Abschließung ist eben — wie wir sagten - „relativ", und diese Relativität bedeutet in diesem Fall soviel wie „Begrenzung". Eine andere Begrenzung liegt 4. in der z e i t l i c h e n Dauerhaftigkeit des Isolators. Sowohl die Zurückwerfungs- als auch die Hemmungsprozesse spielen sich unter bestimmten Vorgängen im Isolator selbst ab und können in ihm d a u e r h a f t e Veränderungen hervorrufen, die sich mit der Zeit summieren und diejenigen seiner Eigenschaften, auf 6 7 Vielleicht gilt dies für alle Isolatoren überhaupt, aber dies ist eher eine empirische Angelegenheit.
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denen seine Isolationsfähigkeit beruht, immer mehr untergraben, bis der Moment kommt, in dem sie völlig vernichtet werden. Dann verschwindet einfach der betreffende Isolator aus dem Bereidi des Systems, das infolgedessen von nun an entsprechenden Einwirkungen von außen her ausgesetzt wird oder seine entsprechenden Einwirkungen auf die es umgebende Welt auszuüben beginnt. Es liegt der Gedanke nahe, daß jeder Isolator im Laufe der Zeit abgeschwächt wird und endlich völlig beseitigt wird. Indessen ist dem nicht so, denn andererseits kann es Isolatoren geben (ζ. B. bei gewissen Filtrierungsprozessen), welche unter der Einwirkung äußerer Vorgänge in ihrer Isolationsfähigkeit mit der Zeit immer mehr verstärkt werden und das betreffende System in der entsprechenden Hinsicht immer vollkommener von den äußeren Einflüssen abschließen. In beiden Richtungen kann also eine Wandlung in den Isolationsfähigkeiten des Isolators vonstatten gehen. Die Relativität der Funktion des Isolators beruht in diesem Fall wesentlich darauf, daß es im Laufe der Zeit zu solchen V e r ä n d e r u n g e n überhaupt kommt, wobei in der zeitlichen Begrenzung der Dauerhaftigkeit des Isolators nur der Grenzfall dieser Veränderungen liegt. Die Funktion des Isolators beruht hauptsächlich auf der „Gegenwirkung" gegen äußere oder innere Einflüsse, die sich in Zurückwerfungsbzw. in Hemmungsvorgängen bekundet. Es ist aber möglich, daß für seine Leistung nodi eine Tatsache von Bedeutung ist, die wir bereits erwähnt haben, nämlich die von uns so genannte „Neutralität" eines Vorgangs oder eines Ereignisses anderen Vorgängen oder Ereignissen gegenüber.68 Eigentlich sind es z w e i entgegengesetzte Erscheinungen, die da berücksichtigt werden müssen: die g e g e n s e i t i g e W i r k s a m k e i t und die g e g e n s e i t i g e U n w i r k s a m k e i t gewisser Vorgänge, Ereignisse oder Stoffe aufeinander. Es gibt z . B . Stoffe, die chemisdi aufeinander wirken und zu gewissen eigentümlichen Reaktionen bzw. Verbindungen führen. Man spricht dann von der diemischen „Verwandtschaft" oder „Affinität". Es gibt aber auch Stoffe, die audi in genügend große Nähe aneinander gebracht zu keinen Reaktionen oder Verbindungen führen. Es gibt auch Vorgänge, die unter entsprechenden zeitlichen bzw. räumlichen Bedingungen aufeinander wirken, d. h. sich in ihrem Verlauf gegenseitig stören oder modifizieren, z. B. Bewegungen zweier Körper, elektrische Ströme in zwei nahe genug gelegenen 8 8 Man könnte auch von der Neutralität gewisser Eigenschaften eines Gegenstandes den Eigenschaften eines anderen Gegenstandes gegenüber sprechen.
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Leitern und dergleichen mehr, und andererseits Vorgänge, die aufeinander absolut nicht wirken, sich nicht beeinflussen, d. h. jeder von ihnen verläuft so, als ob der andere gar nicht vorhanden wäre. Obwohl ζ. B. die Belichtung eines starren elastischen Körpers nicht ohne jeden Einfluß auf ihn ist, beeinflußt sie trotzdem die von diesem Körper herrührenden akustischen Prozesse nicht und ist auch von ihnen selbst nicht abhängig. In manchen Fällen gibt es eine nur einseitige Beeinflußbarkeit eines Vorgangs durch einen anderen. So ruft ζ. B. der elektrische Strom eine Erwärmung in dem betreffenden Leiter hervor, aber die Erwärmung des Leiters ruft im allgemeinen keinen elektrischen Strom in dem betreffenden Leiter hervor; sie ist in bezug auf den Strom „inaktiv", „unwirksam", verhält sich ihm gegenüber „neutral". Nur unter gewissen besonderen Umständen kommt es zur Hervorrufung des elektrischen Stromes durch Erhöhung der Temperatur, und zwar im Falle der sog. Thermoelemente: wenn nämlich zwei verschiedene, entsprechend gewählte Metalle miteinander verschmolzen werden, ruft die Erhöhung der Temperatur an den Verschmelzungsstellen elektrische Ströme hervor. Aber eben dieser Fall weist auf die entgegengesetzten Fälle hin, wo eine beschränkte Erhöhung der Temperatur des Leiters keinerlei Einflüsse auf elektrische Vorgänge ausübt. Man könnte viele andere Beispiele sowohl aus dem Gebiete der Physik als auch der biologischen Wissenschaften anführen, in welchen ein- oder beiderseitige Unwirksamkeit bzw. „Neutralität" vorkommt. Auch die Notwendigkeit, in manchen Fällen sog. Katalysatoren anzuwenden, begründet unsere Behauptung über die gegenseitige Unwirksamkeit gewisser mit besonderen Eigenschaften ausgestatteten Vorgänge bzw. Stoffe. In diesem Zusammenhang sind zwei Tatsachen besonders lehrreich, die mit der allgemeinen naturwissenschaftlichen Methode aufs engste verbunden sind. Vor allem hängt die Möglichkeit der Durchführung vieler naturwissenschaftlicher Experimente davon ab, daß einerseits gewisse Eigenschaften der Dinge bzw. gewisse Vorgänge gegenseitig unwirksam, „neutral" sind, daß es andererseits aber auch Vorgänge bzw. Ereignisse und Eigenschaften der Dinge gibt, die ihre gegenseitige oder bloß einseitige Wirksamkeit aufeinander bedingen. Denn in naturwissenschaftlichen Experimenten verwenden wir die Methode der S t a b i l i s i e r u n g bzw. der A u s s c h a l t u n g gewisser Vorgänge bzw. Zustände der Dinge (der materiellen oder audi der psychischen, in der Zeit dauernden Gegenstände), um die Isolierung und damit auch die Untersuchung eines sonst mit anderen Vorgängen verflochtenen Vorgangs zu ermöglichen. Erst in diese stabilisierte Situation 109
„schalten" wir den betreffenden Vorgang ein, um seinen Verlauf sowie die Wirkungen dieser Einschaltung auf andere Vorgänge oder Ereignisse zu beobachten und zu registrieren. Weder diese Isolierung des eingeschalteten Vorgangs noch das wenigstens von gewissen Vorgängen in der Umwelt unabhängige Auftreten der durch ihn hervorgerufenen Veränderungen wäre ohne jede Stabilisierung oder Ausschaltung anderer Vorgänge möglich. Auch die bloße erkenntnismäßige Erfassung des eingeschalteten Vorgangs (im Gegensatz zu der bereits bestehenden, in einer gewissen Hinsicht eine Zeitlang unverändert gehaltenen Sachlage) sowie der durch ihn hervorgerufenen Wirkung wäre ohne die Stabilisierung undurchführbar. Denn weder der Vorgang selbst noch seine Wirkungen würden sich von dem Hintergrund abzeichnen. Diese Stabilisierung ist aber ihrerseits nur vermöge der Unwirksamkeit bzw. der Neutralität der Prozesse bzw. gewisser Tatbestände möglich. Sogar die Erfassung der sog. Naturgesetze 66 wäre unmöglich, wenn es keine gegenseitige oder wenigstens einseitige Neutralität der Vorgänge bzw. Tatbestände gäbe. Der Sinn solcher Gesetze beruht eben darauf, daß sie miteinander zusammenhängende Tatsachen, d. h. Vorgänge oder Ereignisse, die aufeinander wirken, zusammenfassen und sie denjenigen gegenüberstellen, die gegeneinander neutral sind. So bildet diese Neutralität die ständige, obwohl gewöhnlich nicht ausgesprochene Voraussetzung der Erforschung und der Geltung naturwissenschaftlicher und vielleicht sogar aller Gesetze. Sie scheint aber so „augenscheinlich" und selbstverständlich zu sein, daß sie für sich nicht erfaßt wird. So konzentriert sich die naturwissenschaftliche, und überhaupt die wissenschaftliche Forschung auf die Entdeckung der Zusammenhänge und Abhängigkeiten, die - im Gebiet des Realen - Ausdruck der Affinität und Wirksamkeit der untersuchten Gegenständlichkeiten sind. Man schenkt dagegen den Fällen der Neutralität bzw. Unwirksamkeit fast keine Aufmerksamkeit und gelangt deswegen auch nicht zur Aufstellung von „Unabhängigkeitsgesetzen". Man würde vielleicht sagen, der Grund dafür liege darin, daß diese Unabhängigkeiten zu zahlreich sind, um ein besonderes Interesse zu erwecken. Gleichgültig ob sie zahlreich sind oder nicht: wichtig für die gegenwärtige Problemlage ist lediglich M Es sind vorwiegend, aber vielleicht nicht ausschließlich, die sog. „kausalen N a turgesetze". N u r diejenigen Gesetze, welche bloße Korrelationen feststellen, kommen hier n i c h t in Frage, da es sich in ihnen gerade um die Zusammenstellung von T a t sachen handelt, deren bloßes Zusammenauftreten erfaßbar ist, aber kein innerer, insbesondere kein kausaler Zusammenhang. Als den Grund der Korrelationsgesetze vermutet man aber das Bestehen gewisser innerer Zusammenhänge, welche jedoch im jeweiligen Zustand der Wissenschaft noch nicht erfaßt werden können.
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die Möglichkeit ihres Vorhandenseins im Rahmen des realen Seins. Denn sie bilden einen der Gründe der Möglichkeit des Vorhandenseins von partiell und relativ abgeschlossenen Systemen. Einerseits scheinen sie bei den Isolatoren eine Rolle zu spielen, andererseits sind sie aber selbst Gründe der Isolierung und Trennung zwischen den einzelnen Gegenständlichkeiten. Sonst würde sich alles mit allem verbinden und miteinander zusammenhängen, so daß sich auch alles mit allem zusammen verändern würde, ohne die gegenseitige Abgrenzung zweier Gegenständlichkeiten zuzulassen. Das heißt aber: Gäbe es keine Neutralität bzw. Unwirksamkeit in der Welt, so würde es auch keine W e l t geben, da man es dann nur mit e i n e m einzigen Gegenstand zu tun hätte, und zwar mit einem ununterbrochenen Strom untereinander ungeschiedener, ewig sich verändernder Tatbestände - etwa in der Art, wie sie einst Heraklit und in der modernen Philosophie Bergson vorgeschwebt hat.70 Wir können hier die Rolle, welche bei der Bildung der relativ isolierten Systeme der „Raum" - als ein realer Bestandteil der materiellen Welt - bildet, nicht näher untersuchen, da das Problem des realen Raumes überhaupt große Schwierigkeiten bereitet.71 So kann hier nur als Vermutung ausgesprochen werden, daß der sogenannte „leere" Raum - der aber keine bloße Privation des Seins ist! - zwar einerseits als das Medium verschiedener „Felder" - im physikalischen Sinne - bei der Vermittlung der zwischen verschiedenen materiellen Gegenständlichkeiten sich abspielenden Vorgänge und Einwirkungen eine bedeutende Rolle spielt, aber andererseits auch zur gegenseitigen Absonderung materieller Gegenständlichkeiten wesentlich beiträgt und sozusagen das am leichtesten erfaßbare Anzeichen des Vorhandenseins relativ isolierter Systeme ist. So scheint es mir, daß die Behauptung über den Sinn und die Möglichkeit relativ isolierter Systeme stichhaltig ist. Damit ist auch die Möglichkeit der Diskontinuität im Gleichzeitig-Seienden innerhalb der realen Welt aufgewiesen. Denn jede Abgrenzung zweier solcher gleichzeitig existierender Systeme voneinander bildet einen Fall der Diskontinuität im Seienden. Diese Diskontinuität aber ermöglicht ihrerseits 70
Man weiß übrigens, auf welche Schwierigkeiten die B e r g s o n sehe Auffassung der Wirklichkeit stößt. Wie idi a. a. O. zu zeigen suchte, ist dann sogar die Verschiedenheit der in diesem Strom untertauchenden Qualitäten unmöglich; ja sogar von einer Veränderung kann dann keine Rede sein, so daß sich dieser Standpunkt von selbst aufhebt. Vgl. mein Buch „Intuition und Intellekt bei Henri Bergson". Halle 1921 (Jahrbuch f. Philos, u. phänomenologische Forschung V). 71 Wir werden später darauf zurückkommen.
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das Vorhandensein unveränderlicher Zustände bzw. das Fortdauern gleichförmiger Vorgänge im Rahmen der einzelnen Systeme. b) D i e D i s k o n t i n u i t ä t in d e r A u f e i n a n d e r f o l g e der zeitlichen G e g e n s t ä n d e Nun muß aber auch die Möglichkeit einer analogen Diskontinuität in der Aufeinanderfolge des real Seienden im Sinne einer Unterbrechung des Seins bzw. einer Phase des Nichtseins zwischen zwei existierenden Gegenständlichkeiten aufgewiesen werden. Eine solche Unterbrechung vernichtet die Identität des Gegenstandes bzw. ihn selbst.72 Das heißt: Wenn wir in einem Fall, in welchem es zweifelhaft ist, ob wir es mit e i n e m oder mit z w e i verschiedenen Gegenständen zu tun haben, feststellen, daß es eine Phase gibt, in welcher es diesen vermeintlichen Gegenstand n i c h t gibt, und daß es außerdem zwei andere Phasen gibt - eine frühere und eine spätere, in welchen dieser angeblich eine Gegenstand existiert, dann müssen wir zugeben, daß der in der ersten, vor der Unterbrechung abgelaufenen Phase existierende Gegenstand nicht mit demjenigen Gegenstand identisch ist, welcher in der zweiten, nach der Unterbrechung ablaufenden Phase existiert. Wir haben es dann also mit z w e i verschiedenen Gegenständen zu tun. Zu welchem formalen Typus diese Gegenstände gehören, ist im Grunde irrelevant. Das ausgesprochene Gesetz bezieht sich aber natürlich auf die in der Zeit seienden Gegenstände, und zwar vorerst auf die in der Zeit verharrenden Gegenstände (Dinge) und sodann auf die Vorgänge. Auf die Ereignisse hat dieses Gesetz keine eigentliche Anwendung, indem sie - wie ich früher 73 gezeigt zu haben glaube - momentan sind; von einer Phase der „Unterbrechung" im Sein kann bei ihnen im eigentlichen Sinn nicht die Rede sein. Aber nichtsdestoweniger: Wenn wir bei einem Ereignis E t zeigen können, daß nach seinem Eintreten eine Zeitphase vorüberging, bis ein Ereignis E 2 eintrat, so ist es sozusagen automatisch erwiesen, daß E t und E 2 zwei verschiedene Ereignisse bilden. Bei zwei gleichzeitigen Ereignissen muß natürlich nach einem anderen Kriterium ihrer Nichtidentität gesucht werden. Die Lücke zwischen zwei ungleichzeitigen Ereignissen oder zwischen zwei Vorgängen braucht natürlich nicht ein absolutes Nichts zu sein. Es genügt, wenn die entsprechende Zeitphase mit einer a n d e r e n Gegenständlichkeit erfüllt ist, die gege7 2 Idi habe mich mit dieser Frage im II. Band dieses Werkes beschäftigt, vgl. §§ 60-65. 7 » Vgl. Bd. I dieses Werkes § 28.
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benenfalls mit zwei Ereignissen oder mit zwei Vorgängen irgendwie zusammenhängt. Wenn z . B . ein Ereignis einen Vorgang auslöst, der sich eine Zeitlang vollzieht und dann wiederum in einem Ereignis zum Abschluß kommt, so liegt dieser Vorgang zwischen diesen beiden Ereignissen. Er trennt sie, so daß sie eben z w e i verschiedene Gegenständlichkeiten sind, aber zugleich verbindet er sie gewissermaßen, indem er einen Übergang von dem einen zu dem anderen bildet. Dasselbe gilt von zwei Vorgängen und einem unverändert dauernden Zustand eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes, der diese Vorgänge voneinander trennt: zuerst vollzieht sich der erste Vorgang, dann haben wir es mit einer Phase des unveränderten Zustands des Dinges, an dem sich der betreffende Vorgang abspielte, zu tun, und schließlich fängt ein anderer Vorgang an, an dem dieses Ding irgendwie beteiligt ist und dergleichen mehr. Wir sagen: es gibt da eine D i s k o n t i n u i t ä t d e s S e i n s in der Aufeinanderfolge dieser zwei verschiedenen Vorgänge. Aber auch umgekehrt: ein Vorgang kann eine Diskontinuitätsphase zwischen zwei Ereignissen oder zwischen zwei veränderungslosen Zuständen eines in der Zeit verharrenden Gegenstandes bilden. Einen besonderen Fall der Diskontinuität bildet ein Ereignis, das zwei Vorgänge voneinander trennt. Dies findet statt, wenn unter der Einwirkung einer äußeren Ursache eine a b r u p t e Wandlung (ein „Zacken") in dem Verlauf eines Vorgangs eintritt, ζ. B. eine plötzliche Änderung der Bewegungsrichtung oder eine sprunghafte Vergrößerung der Geschwindigkeit. Auch wenn zwei gleichzeitig sich entwickelnde Vorgänge zur momentanen Kreuzung (ζ. B. beim Zusammenstoß zweier sich bewegender Körper) gelangen, dann tritt ein Ereignis ein, das nicht bloß den Abschluß der beiden Vorgänge bildet, sondern zugleich die Ursache des Anfangs zweier anderer Vorgänge (Bewegungen) ist. Dieses zwei aufeinanderfolgende Vorgänge trennende Ereignis (bzw. Ereignisse) ist nicht mit der „punktuellen" Phase eines Vorgangs zu identifizieren, die man eventuell intentional in den kontinuierlichen Vorgang hineindenkt und von anderen Phasen abgrenzt. Es ist kein bloßer kontinuierlicher Ubergang - wie es eine Phase ist - es ist ein in sich abgegrenztes Ganzes. Gibt es aber einmal neben den Ereignissen veränderungslose Zustände in der Zeit verharrender Gegenstände sowie sich in der Zeit entwickelnde Vorgänge, so verfügt man über ein Mittel, Unterbrechungsphasen (Diskontinuitäten) in die Reihe aufeinanderfolgender Ereignisse einzuschalten und dadurch den zeitlichen Verlauf des Weltgeschehens zu restituieren. Erst dann kann es wenigstens in manchen 113
Teilen der Welt Zeitphasen geben, in welchen keine Ereignisse stattfinden, indem diese Phasen durch Vorgänge bzw. Zustände erfüllt sind. Diese Auffassung stößt aber nodi auf gewisse Schwierigkeiten, die nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden dürfen. Es entsteht erstens die Frage, ob veränderungs- und ereignislose Zustände in einer Welt möglich sind. Wir dürfen nicht vergessen, daß man in der Geschichte der Philosophie oft die Ansicht vertreten hat, es gäbe in der realen Welt nur einen unaufhörlichen Strom von Veränderungen, in dem nichts konstant bleibt. 74 Man kann uns also entgegenhalten, daß die Zusammenschrumpfung des Weltgeschehens zu einem einzigen Moment wohl durch veränderungslose Zustände und durch einige Zeit währende Vorgänge verhindert wäre, daß aber derlei Zustände in einer Welt, in welcher sich „alles verändert", unmöglich sind. Nun, wäre es wirklich der Fall, daß sich in der Welt „alles verändert", dann wäre es natürlich auch nidit möglich, in ihr veränderungslose Zustände zu finden. Trotzdem aber brauchte eine solche Welt nicht zu einem Zeitmoment zusammenzuschrumpfen, da die sich in ihr fortwährend entwickelnden Vorgänge eben Zeit zu ihrer Entwicklung brauchen. Wie wäre es aber in dieser Welt mit den kausalen Seinszusammenhängen bestellt? Könnte es sie in ihr geben? Dies hinge davon ab, ob die Welt, in der sich „ f o r t w ä h r e n d a l l e s v e r ä n d e r t " , ein e i n z i g e r kontinuierlicher Vorgang wäre oder aber eine Mannigfaltigkeit von Vorgängen, in die verschiedene Ereignisse eingeflochten sein würden. Im ersten Fall müßte man sagen, es gäbe dann eben diesen einzigen kontinuierlichen Vorgang, aber von einer „Welt", die eine Seinssphäre und somit eine M a n n i g f a l t i g k e i t von seinsselbständigen Gegenständlichkeiten ist, könnte dann keine Rede sein. Bestehen wir darauf, 7 4 Diese Ansicht wird H e r a k l i t zugeschrieben. Sie wird jetzt oft „materialistisch" gedeutet, was zweifelhaft ist. Sie wurde ebensowohl von dem nichtmaterialistisch gesinnten B e r g s o n vertreten, der zugleich realistisch eingestellt war, als auch von manchen transzendentalen Idealisten, die also weder den materialistischen noch den realistischen Standpunkt vertraten. Schon diese rein historischen Tatsachen zeigen, daß sie tatsächlich nichts mit dem Materialismus auch als solchem gemein hat. Rein sachlich genommen ist sie eine Weltansicht, die eine f o r m a l - o n t o l o g i s c h e S t r u k t u r der Welt bestimmt, eine Struktur, die ebensowohl mit derjenigen materialen Bestimmung der Gegenstände zusammengehen kann, die für „physische", „materielle", als auch derjenigen, die für „psychische" Gegenständlichkeiten charakteristisch ist. So ist auch die Leugnung dieser besonderen formalen Struktur der realen Gegenständlichkeiten nicht im „antimaterialistischen" oder „antirealistischen" Sinne zu deuten. Ob die realen Gegenständlichkeiten sidi fortwährend verändern oder nicht, dies ist also rein theoretisch betrachtet eine Frage, die nicht durch die Entscheidung bedingt ist, ob diese Gegenständlichkeiten materieller oder nichtmaterieller Natur sind, und sie audi umgekehrt nidit bedingt.
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daß wir es mit einer W e l t zu tun haben, so muß es in ihr mindestens eine Mannigfaltigkeit von Ereignissen geben, die in verschiedene und voneinander unterschiedene Vorgänge eingeflochten sind. Und diese Ereignisse bildeten dann sozusagen die Punkte der Diskontinuität im Strom der sich entfaltenden Vorgänge. Es müßte dann aber noch irgendwelche realen Gründe geben, die den sich zugleich entwickelnden Vorgängen gestatten würden, voneinander unterschieden und gegeneinander seinsselbständig zu sein. Dies aber betrifft schon die Frage nach der Diskontinuität im Zugleichseienden als solchen, die wir bereits gestreift haben. Wir werden später dies noch im einzelnen besprechen müssen. Augenblicklich kann nur bemerkt werden, daß man da auf Sachlagen stoßen kann, die zur Preisgabe der Behauptung führen, alles in der Welt verändere sich fortwährend. Denn es ist wahrscheinlich, daß zur Wahrung der individuellen Verschiedenheit zweier bzw. mehrerer Vorgänge nicht nur ihre q u a l i t a t i v e Andersheit, sondern auch ihre gegenseitige Seinsselbständigkeit und ein bestimmter Grad der U n a b h ä n g i g k e i t der einzelnen Vorgänge in ihrem Verlauf von anderen, sich zugleich abspielenden Vorgängen vorhanden sein muß. Diese Unabhängigkeit scheint aber lediglich unter der Bedingung des Vorhandenseins relativ abgeschlossener Systeme in der Welt möglich zu sein, die von sich aus zu ihrer Existenz das Vorhandensein zeitweise veränderungsloser Zustände der in der Zeit verharrenden Gegenstände erfordern. Die ganze Angelegenheit muß aber noch genauer untersucht werden. Man könnte die Argumentation aber auch geradezu umkehren und sagen: es könne sich in einer realen Welt nicht alles fortwährend ändern, da es in ihr veränderungslose Zustände wenigstens mancher in der Zeit verharrenden Gegenstände gibt. Eine solche Feststellung hätte aber den Charakter der Annahme einer b l o ß e n T a t s a c h e , die wir im Rahmen einer ontologischen Betrachtung nicht machen dürfen. Nur wenn es sich zeigen ließe, daß zeitweilig veränderungslose Zustände in der Zeit verharrender Gegenstände für den Bestand relativ isolierter Systeme unentbehrlich sind, diese Systeme aber zu der Form der Welt als solcher notwendig gehören, dürfte man das Bestehen eine Zeitlang dauernder veränderungsloser Zustände innerhalb einer Welt annehmen. Aber augenblicklich dürfen wir lediglich behaupten, daß die Diskontinuitäten im zeitlich Seienden mit den Diskontinuitäten im Zugleichseienden, und somit mit den relativ isolierten Systemen im Zusammenhang stehen, und zwar in dem Sinne, daß sie von dem Bestehen dieser Systeme abhängig sind. Denn die relative Isolierung des Systems von 115
der es umgebenden Welt ermöglicht das Bestehen einer bestimmten Ruhelage oder eines Gleichgewichts in seinem Innern während einer Zeit und in gewissen Hinsichten, indem das, was in diesem Innern besteht oder geschieht, durch gewisse Vorgänge und Ereignisse in der umgebenden Welt nicht gestört wird, eine Zeitlang weiter zu bestehen und zu geschehen. Dieses Ungestörtsein ist jedoch nur eine unentbehrliche, aber keine hinreichende Bedingung der zeitweilig veränderungslosen Zustände. Es muß noch eine eigentümliche T r ä g h e i t im realen Sein überhaupt angenommen werden, die darin besteht, daß jeder reale Gegenstand in dem in ihm einmal realisierten Zustand verbleibt (verharrt), solange er nicht durch ein anderes Reales aus diesem Zustand herausgerissen wird. Besteht dieser Zustand in einem v e r ä n d e r u n g s losen D a u e r n im eigenen Sein und Besdiaff ensein, so kann erst ein von ihm verschiedener Faktor das betreffende System in ein Ungleichgewicht bringen und damit den veränderungslosen Zustand beseitigen, so daß an seine Stelle ein anderer Zustand gesetzt oder ein Vorgang ins Rollen gebracht wird. Dieser Zustand kann aber ebenfalls in einem g l e i c h f ö r m i g e n V o r g a n g bestehen, z.B. in einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung im leeren homogenen Raum. Dann dauert er eben - im Sinne des Trägheitsprinzips75 - unverändert solange, bis ein von ihm verschiedener Faktor (man spricht gewöhnlich von einer Kraft) irgendeine Änderung in diesem Vorgang selbst hervorbringt, ζ. B. in einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung eine Änderung der Richtung oder der Geschwindigkeit. Erst diese Trägheit zusammen mit der in einer bestimmten Hinsicht einige Zeit dauernden Abgeschlossenheit des betreffenden Systems ermöglichen in der Welt das Auftreten veränderungsloser Zustände und gleichförmiger Vorgänge. So ist bei der Gleichzeitigkeit der Glieder des unmittelbaren kausalen Seinszusammenhanges das Vorhandensein relativ abgeschlossener Systeme eine conditio sine qua non der Möglichkeit eines sich zeitlich erstreckenden Weltgeschehens. Aber diese Systeme bilden zugleich eine unentbehrliche Bedingung für das Auftreten der Ursachen in der realen Welt. Denn dieselben kann es nur dann geben, wenn sie sich von den bereits bestehenden Umständen realiter unterscheiden, zu denen sie als ein neuer 7 5 Dieses Prinzip muß hier natürlich in einem viel weiteren Sinne als in der Medianik genommen werden. Es bezieht sich hier nicht bloß auf die Ruhe und die gleichförmige geradlinige Bewegung eines Massenpunktes, sondern audi auf andere Verhaltensweisen und Beschaffenheiten der in der Zeit verharrenden Gegenstände. Das physikalische Trägheitsprinzip ist sozusagen nur ein besonderer Fall dieses allgemeinen Trägheitsprinzips des realen Seins überhaupt.
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Faktor hinzukommen und sie zu einer aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung ergänzen.76 Nur dann können sie sich von diesen Umständen realiter unterscheiden, wenn das Seiende sich in Bestehendes, Zuständliches und Sich-Veränderndes differenziert, wozu eben die relativ abgeschlossenen Systeme unentbehrlich sind. Aber auch umgekehrt: stellt man in einer Welt Ursachen in unserem Sinne fest, so muß es in ihr auch relativ abgeschlossene Systeme geben. Und nicht bloß die Ursachen selbst, sondern - wie es sich später noch zeigen wird - auch gewisse Eigenschaften ihrer Wirkungs- und Ursachen-Bereiche, sowie ihrer Verteilung in der Welt sind von dem Vorhandensein und der Art relativ abgeschlossener Systeme in der Welt abhängig. So schließt sich der Kreis der Probleme, und wir können auf diesem langen Umwege zu dem Ausgangspunkt dieser ganzen Betrachtung zurückkehren. Zunächst aber noch einige ergänzende Bemerkungen. Es drängt sich die Frage auf, ob es in einer Welt, und insbesondere in einer realen Welt Ursachen in unserem Sinne geben muß. Hängt ihr Vorhandensein irgendwie mit der wesensmäßigen Form der Welt zusammen oder bildet es eine bloß zufällige Tatsache? Im ersteren Fall könnte man diese Frage auf ontologischem Wege lösen, im letzteren dagegen ließe sie sich erst auf metaphysischem Wege lösen. Wie es aber damit letzten Endes steht, können wir momentan nicht sagen. Wie steht es aber mit den ungleichmäßigen Vorgängen? Unterscheiden sie sich alle von den veränderungslosen Zuständen oder gibt es unter ihnen manche, wie z.B. die gleichmäßig beschleunigte Bewegung, die auch zu diesen Zuständen gerechnet werden könnten? Und gilt es wirklich, daß ein gleichförmiger Vorgang, in welchem sich ein Gegenstand befindet, für denselben soviel wie ein veränderungsloser Zustand bedeutet? Wir möchten uns hier nicht in Fragen einmischen, die zu den positiven Naturwissenschaften gehören. Wir wollen somit nicht entscheiden, ob es in der realen Welt ungleichförmige bzw. gleichförmige Vorgänge t a t s ä c h l i c h gibt, und was bei ihrem eventuellen Vollzug mit im Spiel ist; lediglich die rein f o r m a l e Angelegenheit interessiert uns hier, und audi diese soll rein ontologisch betrachtet werden, ohne über die Faktizität der entsprechenden Sachlagen irgend etwas zu entschei76 Genauer besehen gilt dies audi bei der Millsdien Auffassung der ursächlichen Beziehung, sobald man nur mit M i l l die Behauptung annimmt, die Ursache bestehe in einer Mannigfaltigkeit „zusammenwirkender" Faktoren, die nicht alle gleichzeitig zu sein anfangen, sondern die einen früher, die anderen später eintreten, bis der letzte Faktor, die „Ursache" in unserem Sinne, stattfindet.
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den. In diesem Sinne scheint es uns nun, daß man zwei verschiedene Fälle ungleichförmiger Vorgänge unterscheiden muß. Wir wollen dies an dem Beispiel der Bewegung auseinandersetzen. Eine Bewegung kann nämlich dadurch ungleichförmig werden, daß auf den betreffenden sich bewegenden Massenpunkt von Zeit zu Zeit verschiedene Kräfte einwirken. Jedes Eintreten solcher Kraftwirkung ist - vom formal-ontologischen Standpunkt aus betrachtet - ein Ereignis, das ein anderes Ereignis (eine Wirkung) hervorruft; dieses letztere Ereignis besteht in der Änderung der Geschwindigkeit (im vektoralen Sinne). Es bildet einen Fall der D i s k o n t i n u i t ä t der betreffenden Bewegung selbst, wenn auch diese Bewegung nicht in dem Sinne unterbrochen wird, wie es ζ. B. bei jedem Haltmachen eines sich bewegenden Körpers der Fall ist. Es gibt aber ungleichförmige Bewegungen, in welchen es - wie es scheint zu solchen Ereignissen, die in den Vorgang der Bewegung sozusagen eingewoben wären, nicht kommt, wo also die Bewegung sich hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit k o n t i n u i e r l i c h ändert. Dies tritt z . B . ein, wo eine konstante Kraft auf den sich bewegenden Körper eine Zeitlang b e s t ä n d i g wirkt und eine k o n s t a n t e Beschleunigung hervorruft. Auch bei einer „gleichförmigen" Kreis-Bewegung, wo eine Zentripetalkraft konstant wirkt und somit die Winkelgeschwindigkeit k o n s t a n t ist und nur die Bewegungsrichtung einer konstanten Änderung unterliegt, liegt, wie es scheint, der Fall vor, wo wir es mit einer durch Ereignisse n i c h t unterbrochenen Bewegung zu tun haben. Im ersten Falle liegt eine S t ö r u n g eines sich im Gleichgewicht befindenden Systems durch einen von außen her eingreifenden fremden Faktor vor. Daraus ergibt sich eine deutliche Diskontinuität im Zugleichsein und auch in der Aufeinanderfolge. Im zweiten dagegen liegt ein Weiterbestehen des Gleichgewichts in dem betreffenden System vor, zu welchem aber sowohl der sich in der konstant beschleunigten Bewegung (bzw. in der konstanten Kreisbewegung) befindende Körper als auch der „Zentralkörper" ( z . B . Erde, Sonne und dergleichen mehr), von dem die Anziehungskraft ausgeht, gehört. Dies hat auch darin seine Begründung, daß die „Anziehungsvorgänge" nicht einseitig, sondern g e g e n s e i t i g sind. Damit wäre auch die letzte sich uns darbietende Schwierigkeit beseitigt, und wir können die ganze Auffassung des kausalen Seinszusammenhanges, wie sie hier dargestellt wurde, für gesichert halten. 77
7 7 Idi habe im I. Band dieses Werkes darauf hingewiesen, daß der kausale Seinszusammenhang eine streng i n t r a m u n d a n e Beziehung ist. So wurde er auch hier
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§92. E i n i g e w e i t e r e B e h a u p t u n g e n ü b e r U r s a c h e n und Wirkungen Bevor wir weitergehen, müssen wir einige weitere Behauptungen über Ursachen und Wirkungen einfügen. 1. Wir haben oben die Behauptung über die G l e i c h z e i t i g k e i t der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung zu begründen gesucht. W e n n es a l s o in e i n e r W e l t k a u s a l e Z u s a m m e n h ä n g e g e b e n s o l l , m u ß es in d e n e i n z e l n e n W e l t g e g e n w a r t e n E r e i g n i s p a a r e geben können, die G l i e d e r einer unmittelb a r e n k a u s a l e n B e z i e h u n g b i l d e n (la). Es folgt dagegen n i c h t daraus, daß sich in j e d e r Gegenwart mindestens ein soldies Paar von Ereignissen vorfinden muß und noch weniger, daß a l l e zu einer jeden Weltgegenwart gehörenden Ereignisse sich in Paare anordnen lassen, deren Glieder miteinander in unmittelbaren kausalen Zusammenhängen stehen. Endlich folgt daraus auch nicht, daß jedes Ereignis in einer Weltgegenwart mit jedem beliebigen anderen Ereignis in derselben Gegenwart in unmittelbarem kausalem Zusammenhang steht bzw. stehen muß. Wir weisen auf die Tatsache des Nichtfolgens dieser drei Behauptungen aus der Behauptung über die Gleichzeitigkeit der Glieder des unmittelbaren kausalen Seinszusammenhanges hier hin, weil diese Behauptungen in der Theorie der kausalen Struktur der realen Welt auftreten könnten. Es ist somit wichtig, es sich zum Bewußtsein zu bringen, daß sie einer b e s o n d e r e n Begründung bedürfen. Wir haben aber oben auch zu zeigen gesucht, daß die Gleichzeitigkeit der Glieder des unmittelbaren kausalen Seinszusammenhanges nur unter der Bedingung des Vorhandenseins relativ isolierter Systeme in der Welt möglich ist. W e n n a l s o in e i n e r W e l t u n m i t t e l b a r e k a u s a l e S e i n s z u s a m m e n h ä n g e s t a t t f i n d e n s o l l e n , m u ß es in der e n t s p r e c h e n d e n G e g e n w a r t immer solche P a a r e von Ereignissen geben können, die keine G l i e d e r eines unm i t t e l b a r e n und ü b e r h a u p t eines k a u s a l e n S e i n z u s a m m e n h a n g e s s i n d (lb). Oder anders gesagt: Zwei beliebige gleichzeitige Ereignisse müssen dann nicht notwendig Glieder eines und desselben auch nur mittelbaren kausalen Seinszusammenhanges sein, können also in diesem Sinne voneinander kausal unabhängig sein. Sie gehören dann zu zwei verschiedenen Systemen innerhalb der einen behandelt. Eine nähere Entwicklung und Begründung dieser Behauptung wird hier beiseite gelassen, da sie für den jetzt behandelten Problemzusammenhang ohne Belang ist.
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Welt und nehmen an denjenigen Seiten dieser Systeme teil, hinsichtlich welcher sie in der betreffenden Gegenwart gegeneinander isoliert sind. I n f o l g e d e s s e n s i n d in e i n e r k a u s a l g e o r d n e t e n W e l t G e g e n w a r t e n a u s g e s c h l o s s e n , in w e l c h e n z w e i g a n z b e l i e bige Ereignisse G l i e d e r eines und desselben u n m i t t e l b a r e n S e i n s z u s a m m e n h a n g e s s e i n w ü r d e n b z w . in w e l c h e n ein j e d e s E r e i g n i s m i t a l l e n ü b r i g e n E r e i g n i s s e n derselben Gegenwart unmittelbar kausal zusammenh ä n g e n m ü ß t e u n d k ö n n t e (lc). 2. Es s i n d in d e r s e l b e n W e l t g e g e n w a r t Z u s a m m e n hänge zwischen unmittelbaren kausalen Zusammenhängen m ö g l i c h , und zwar auf diese Weise, daß ein Ereignis, welches die unmittelbare Wirkung in einem kausalen Zusammenhang ist, zugleich unmittelbare Ursache eines anderen Ereignisses ist. Die kausale Beziehung ist in diesem Sinne t r a n s i t i v . Dann sind alle diese drei Ereignisse gleichzeitig. Die Ursache im ersten kausalen Zusammenhang und die Wirkung im zweiten stehen dann in m i t t e l b a r e m kausalem Seinszusammenhang (2a). Es s i n d a u c h m e h r g l i e d r i g e Z u s a m m e n h ä n g e u n m i t t e l b a r e r k a u s a l e r S e i n s z u s a m m e n h ä n g e m ö g l i c h (2b). So kann es in einer und derselben Gegenwart in der Welt sowohl unmittelbare als auch mittelbare kausale Zusammenhänge geben. Daraus folgt aber: 3. Wenn zwei gleichzeitige Ereignisse in einer kausalen Beziehung stehen, so können sie, aber müssen nicht in einem unmittelbaren kausalen Seinszusammenhang stehen. 4. Zwei gleichzeitige Ereignisse stehen in einer mittelbaren kausalen Beziehung, wenn es entweder ein drittes Ereignis gibt, mit dem sie beide in einem unmittelbaren kausalen Seinszusammenhang stehen, oder wenn es eine Reihe von Ereignissen gibt, die zur Herstellung der mittelbaren kausalen Beziehung zwischen ihnen beitragen. 5. Es kann aber auch auf eine andere Weise zu einer mittelbaren aber zugleich auch „partiellen" kausalen Beziehung kommen. Und zwar, wenn das Ereignis E2 die unmittelbare Wirkung des Ereignisses Ei und zugleich der Anfang eines gleichförmigen Vorgangs Vi (oder eines Zustands Z t ) ist, der nach einer gewissen Dauer infolge einer vorgänglichen Ursache U 2 oder eines sich mit Vi kreuzenden Vorgangs V2 in dem Ereignis E4 seinen Abschluß findet. Dann ist E4 die Wirkung von Vi u n d V2 (die dann beide zusammen e i n e zusammengesetzte78 78 Uber zusammengesetzte Ursachen vgl. unten S. 122 ff.
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unmittelbare Ursache von E 4 bilden), es hat aber zugleich seine unmittelbaren, aber audi partiellen Ursachen einerseits in E2, andererseits in E j (dem Anfang von V 2 ). Endlich haben E 2 bzw. E 3 ihre entsprechenden unmittelbaren Ursachen in Ei bzw. E 5 , die in noch höherem Grade mittelbar im Verhältnis zu E 4 sind. Zwischen E 4 und dem Ereignispaar (E 2> ES) aber auch zwischen E 4 und Ei sowie E 5 besteht dann ein z e i t l i c h e r U n t e r s c h i e d . Wir haben es also hier nicht bloß mit einer mittelbaren kausalen Beziehung zu tun, sondern auch mit einer solchen, in welcher die in dieser Beziehung stehenden Glieder eine Zeitdifferenz aufweisen, und zwar in dem Sinne, daß die mittelbare Wirkung E 4 der Ereignisse Ei und E 5 später eintritt als diese beiden Ereignisse, wobei noch zu beachten ist, daß Ei und E 5 nicht gleichzeitig sein müssen. 5 b. Es ist dabei zwischen der „partiellen" und der „vollen" Ursache einer Wirkung zu unterscheiden. In unserem Falle ist E 2 eine partielle mittelbare Ursache von E 4 , und dasselbe betrifft E 5 im Verhältnis zu E 4 . Erst E 2 und E s z u s a m m e n bilden die volle mittelbare Ursache von Ε 4 . 7β I m s t r e n g e n S i n n e ist aber die sogenannte „partielle" Ursache eines Ereignisses a l l e i n k e i n e Ursache, sie bildet nur eine Komponente der vollen Ursache, aber für sich allein (natürlich mit den Umständen zusammen, die sie ihrerseits ergänzt) vermag sie das Ereignis E 4 als ihre Wirkung n i c h t hervorzubringen. Wir wollen also auf den Ausdruck „partielle Ursache" verzichten und nur von einer Ursachenkomponente sprechen. Sie braucht auch - eben weil sie eine Komponente einer bloß mittelbaren (vollen) Ursache von etwas (dem Ereignis E 4 ) bildet - n i c h t mit den übrigen Komponenten d e r s e l b e n vollen mittelbaren Ursache g l e i c h z e i t i g zu sein. Denn der eine von den Vorgängen, die in E 4 ihre gemeinsame Wirkung haben, kann länger dauern, also früher anfangen, als die übrigen. Entscheidend für E 4 ist es nur, daß alle partiellen Ursachen des Ereignisses E 4 zu Vorgängen führen, die sich g l e i c h z e i t i g kreuzen und somit das E 4 hervorbringen. 5 c. Die Vorgänge, welche zwischen Ereignissen vermitteln und sie zu Gliedern mittelbarer kausaler Beziehungen machen, führen den zwischen diesen Gliedern bestehenden Zeitunterschied ein. Zu den diesen Zeitunterschied einführenden Faktoren können aber auch veränderungslose Zustände gewisser in der Zeit verharrender Gegenstände gehören. Wenn dies aber der Fall ist, dann gilt der Satz, daß unter den diesen Zeitunterschied einführenden Faktoren mindestens einer von 79
Man kann audi sagen, daß (V t + V 2 ) die volle Ursache von E 4 bilden.
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ihnen ein Vorgang sein muß. Die volle Ursache des E4 besteht dann aus einer Anzahl veränderungsloser Umstände und (mindestens) einem Vorgang. 5d. Auf ähnlichem Wege kann es zu m e h r g l i e d r i g e n K e t t e n kausaler Beziehungen kommen, an denen unmittelbare kausale Seinszusammenhänge, eventuell Zusammenhänge solcher Zusammenhänge, vermittelnde Vorgänge bzw. auch Zustände, sowie die ihren Anfang bildenden früheren Ereignisse teilnehmen. 6. Eine mittelbare Ursache80 einer späteren Wirkung kann entweder ihre „nächste" oder ihre „fernere" („weitere") mittelbare Ursache sein. Die „nächste" mittelbare Ursache einer Wirkung liegt da vor, wo sie durch ein Paar oder ein System veränderungsloser Zustände und Vorgänge oder ein System kontinuierlicher, gleichförmiger, ereignisloser Vorgänge von ihrer Wirkung getrennt ist. Die „weitere" mittelbare Ursache dagegen liegt dort vor, wo sie durch mindestens z w e i a u f e i n a n d e r f o l g e n d e und durch ein Ereignis voneinander getrennte Vorgänge oder Zustände (oder Systeme von Vorgängen und Zuständen) von ihrer Wirkung getrennt ist. 7. Die unmittelbare Ursache von etwas kann entweder „einfach" oder „zusammengesetzt" sein. Sie ist einfach, wenn sie von einem e i n z i g e n Ereignis gebildet wird. Sie ist dagegen zusammengesetzt, wenn sie aus zwei oder mehreren Faktoren besteht, die entweder Ereignisse oder Vorgänge sein können. Die in den Bestand e i n e r Ursache eingehenden Ereignisse müssen aber gewisse Bedingungen erfüllen, wenn sie als Glieder einer und derselben zusammengesetzten Ursache fungieren sollen. Und zwar müssen sie wirklich z w e i verschiedene Ereignisse und nidit etwa zwei unselbständige Momente eines und desselben Ereignisses sein. Wäre das letztere der Fall, so wäre die betreffende Ursache nicht zusammengesetzt, sondern einfach. Wann liegen aber wirklich z w e i verschiedene Ereignisse vor? Dies ist der Fall, wenn sie g e g e n s e i t i g seinsselbständig81 sind, d.h. wenn jedes von beiden ein zueinander formal relativ abgeschlossenes Ganzes bildet und wenn ihr Sein 80
Wenn wir von einer „Ursache" schlechthin sprechen, so meinen wir immer die v o l l e Ursache. 81 Gegenseitig selbständig - erstens deswegen, weil eine einseitige Selbständigkeit eines von ihnen in bezug auf das andere nicht ausreichen würde, um ihre Zweiheit zu sichern, zweitens aber, weil jedes von ihnen einem dritten bzw. vierten Faktor gegenüber (trotz ihrer relativen gegenseitigen Selbständigkeit) seinsunselbständig sein können und sogar als Ereignisse sein müssen. Aber dann muß ihre Seinsunselbständigkeit in jedem der beiden Fälle auf einen anderen in der Zeit seienden Gegenstand bzw. auf einen anderen Vorgang sich beziehen. Vgl. dazu Bd. I dieses Werkes § 14.
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kein notwendiges Zusammensein innerhalb eines ihnen gemeinsamen Ganzen ist. Sie sind es a fortiori, wenn sie gegenseitig seinsunabhängig sind, da die Seinsunabhängigkeit die gegenseitige Seinsselbständigkeit voraussetzt. 82 Vom Standpunkt des Aufbaus einer Ursache könnte es also Ursachen geben, die aus v o n e i n a n d e r seinsunabhängigen Ereignissen zusammengesetzt sind, falls es überhaupt aus a n d e r e n Gründen in der Welt voneinander seinsunabhängige Ereignisse geben kann. Diese „anderen Gründe" sind mit der allgemeinen kausalen Struktur der Welt verbunden und müssen als solche später erwogen werden. Es scheint aber nicht notwendig zu sein, daß die eine zusammengesetzte Ursache bildenden Ereignisse voneinander seinsunabhängig sein müßten, da dies für die Seinsselbständigkeit derselben nicht unentbehrlich ist. Ihre gegenseitige Seinsselbständigkeit und Verschiedenheit muß natürlich in ihren verschiedenen Materien ihren ontischen Grund haben. Das Gesagte überträgt sich ohne weiteres auf Fälle, wo eine Ursache aus mehr als zwei Ereignissen zusammengesetzt ist. Es kann aber von einem anderen Gesichtspunkt aus nach den Beziehungen gefragt werden, die zwischen Ereignissen bestehen dürften, welche eine zusammengesetzte Ursache bilden sollen. Wie wir noch unten (vgl. Punkt 11) andeuten, werden wir audi die Zusammengesetztheit einer (unmittelbaren) Wirkung anerkennen. Infolgedessen lassen sich alle Ereignisse in zwei Gruppen einteilen: a) in solche, die Bestandteile einer zusammengesetzten Wirkung sind und somit alle von e i n e r (unmittelbaren) Ursache stammen, und b) in Wirkungen individuell v e r s c h i e d e n e r Ursachen. Die ersten werden wir „stammesverwandt", die anderen „stammesfremd" nennen, wobei weder die Stammesverwandtschaft der Ereignisse ihre q u a l i t a t i v e Verwandtschaft bzw. Ähnlichkeit mit sich führt, noch die „Stammesfremdheit" ihre qualitative Verschiedenheit bzw. Unähnlichkeit. Im Gegenteil wird das am häufigsten Eintretende wahrscheinlich der Fall sein, daß die stammesverwandten Ereignisse „heterogen", qualitativ verschieden, dagegen die stammesfremden qualitativ ähnlich oder sogar „homogen" sein werden. N u n kann gefragt werden: kann eine Ursache bzw. Wirkung aus stammesverwandten Ereignissen zusammengesetzt werden oder muß sie aus lauter stammesfremden Ereignissen bestehen oder muß sie endlich im Gegenteil ausschließlich aus stammesverwandten Ereignissen aufgebaut sein? Auf diese Frage können wir vorläufig keine Antwort 82
Vgl. dazu Bd. I dieses Werkes §§ 14-15.
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geben. Es ist sogar augenblicklich schwer zu sagen, von welchem Gesichtspunkt aus dieses Problem betrachtet werden könnte, d. h. wovon es abhängen kann, welcher von den aufgezählten Fällen zulässig sei oder gar gefordert werde. Eines bloß scheint gegenwärtig sicher zu sein, daß sich nämlich die Sachlage anders verhält, wenn es sich um eine mittelbare und zusammengesetzte (also „volle"), früher als die Wirkung stattfindende Ursache handelt, als wenn es um eine u n m i t t e l b a r e Ursache geht. Denn im ersten Fall können die eine Ursache zusammensetzenden Ereignisse untereinander ungleichzeitig sein. Ist dies der Fall, dann können die „partiellen" Ursachen n i c h t stammesverwandt sein. Bei mittelbaren Ursachen muß also der Fall zugelassen werden, daß die sie bildenden Ereignisse stammesfremd sind. Ist aber eine unmittelbare Ursache zusamengesetzt, dann müssen alle sie bildenden Ereignisse g l e i c h z e i t i g sein, und da ist es schwer zu entscheiden, ob sie auch alle stammesverwandt sein müssen oder nur zum Teil, oder ob sie ausschließlich aus stammesfremden Ereignissen zusammengesetzt sein müssen. Die Entscheidung dieser Frage kann auch von der allgemeinen kausalen Struktur der Welt abhängig sein, und das ist der Grund, weswegen dieses ganze Problem hier aufgerollt wurde und weswegen es noch nötig sein wird, auf es im entsprechenden Zusammenhang zurückzukommen. 8. Ereignisse, die in den Bestand e i n e r unmittelbaren Ursache eingehen, müssen - wie schon bemerkt wurde - alle miteinander gleichzeitig sein. Dies folgt aus dem Wesen der Ursache in unserem Sinne. Wäre von den Ereignissen Ei und E 2 , die eine bestimmte unmittelbare Ursache bilden sollten, das Ereignis Ei früher als das Ereignis E 2 und würde es selbst die übrigen Bedingungen zu einer aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung ergänzen, so könnte das spätere Ereignis E2 diese Ergänzung nicht mehr vollbringen. Das würde aber bedeuten, daß die betreffende Ursache nicht aus (E t + E 2 ), sondern lediglich aus E x besteht. Würde dagegen Ei zwar früher als E 2 eintreten, aber erst E 2 das Ergänzungsglied der aktiven hinreichenden Bedingung der betreffenden Wirkung bilden, dann würde nur E 2 deren Ursache sein. Das andere Ereignis wäre in beiden Fällen überflüssig und dürfte nicht zu der betreffenden Ursache gezählt werden. Die beiden Ereignisse müssen also zugleich eintreten, wenn sie B e s t a n d t e i l e einer und derselben Ursache sein sollen. Andererseits müssen sie derart sein, daß k e i n e s von ihnen allein, d. h. ohne Zuhilfenahme des anderen Ereignisses, aber natürlich bei dem vollen Bestände derselben „Umstände", Ursache sein kann; allein ist es - wie wir sagen werden - nicht „ursachebildend". 124
Dies schließt natürlich nicht aus, daß ein individuell anderes Ereignis En, das derselben Art ist wie z.B. Ej, beim Bestehen a n d e r e r Umstände ursachebildend sein kann. Was dagegen die vollen m i t t e l b a r e n Ursachen eines Ereignisses En, die f r ü h e r als dasselbe sind, betrifft, so erwächst die Frage, ob sie nicht immer zusammengesetzt sein müssen. Während die mittelbaren Ursachen, welche mit ihrer Wirkung gleichzeitig stattfinden, als audi die unmittelbaren Ursachen sowohl einfach als zusammengesetzt sein können, scheint die erste Eventualität bei den früher als ihre Wirkungen stattfindenden mittelbaren Ursachen ausgeschlossen zu sein. Denn in dem letzteren Falle kommt es zu einer Zeitdifferenz zwischen der mittelbaren Ursache und ihrer Wirkung durch den Einschub eines Vorgangs oder eines Zustandes, in den die unmittelbare Wirkung der betreffenden Ursache übergeht. Damit es aber zu einer weiteren (mittelbaren) Wirkung kommt, muß dieser Vorgang bzw. dieser Zustand in einem Ereignis (das eben diese weitere Wirkung bildet) zum Abschluß kommen. Er kann im Prinzip entweder gleichförmig oder ungleichförmig sein. Ist das letztere der Fall, dann hat das Abschlußereignis eo ipso eine z u s a m m e n g e s e t z t e Ursache, indem außer dem den betreffenden Vorgang eröffnenden Ereignis noch ein anderes angenommen werden muß, welches an der Ungleichförmigkeit mitbeteiligt ist. Verläuft aber der betreffende Vorgang gleichförmig (und kontinuierlich) bzw. ist der betreffende Zustand eine Zeitlang veränderungslos und an sich dauerhaft, dann kann er der bereits erwähnten Seinsträgheit wegen, die das seinsautonome, aber nicht das seinsursprüngliche Sein kennzeichnet, nicht v o n s e l b s t zum Abschluß kommen. Wenn es aber dazu doch kommt, so muß eine Ursache dafür vorhanden sein, und sie muß a u ß e r h a l b des bereits erwähnten Vorgangs bzw. außerhalb des ihn eröffnenden Ereignisses gesucht werden. D. h. der betreffende Vorgang muß entweder durch einen anderen sich mit ihm kreuzenden Vorgang (der seinerseits seine Ursache hat und haben muß) u n t e r b r o c h e n werden — und dasselbe bezieht sich auf den eventuell in Frage kommenden Zustand - oder aber einer gleichförmigen oder ungleichförmigen Hemmung unterliegen (wobei er selbst tatsächlich nicht mehr gleichförmig wäre). Diese Hemmung (oder das Aufhalten des Vorgangs) rührt aber von einem zweiten Vorgang her, der dem ersten in irgendeiner Hinsicht entgegengesetzt ist (z.B. Reibung und dergleichen mehr). In beiden Fällen müssen also zu den bereits eingetretenen Tatbeständen noch weitere Ereignisse bzw. Vorgänge hinzutreten, um den Zusammenstoß bzw. die Kreuzung der Vorgänge usw. hervor125
zubringen. Das heißt aber, daß die „frühere" mittelbare Ursache eines Ereignisses, in dem es zur Kreuzung der beiden Vorgänge und eben damit zur Unterbrechung bzw. zur Hemmung des ersten Vorgangs kommt, z u s a m m e n g e s e t z t sein muß. Sie setzt sich aus „partiellen" Ursachen, deren j e d e in Wirklichkeit f ü r s i c h a l l e i n keine Ursache im echten Sinne ist, zusammen. Da aber keine andere Möglichkeit für das Zustandekommen des Ereignisses, das die spätere Wirkung der mittelbaren Ursache sein soll, besteht, so muß jede volle mittelbare und zugleich früher als die Wirkung stattfindende Ursache zusammengesetzt sein. D . h . ein e i n z i g e s Ereignis kann n i e die alleinige volle m i t t e l b a r e Ursadie eines anderen Ereignisses sein, wenn das letztere s p ä t e r als das erste eintreten soll. Dies scheint stichhaltig zu sein. Es ist aber eine gewisse Vorsicht ratsam, da wir früher zugelassen haben, daß zu den Umständen, unter welchen es zu einer Wirkung kommt, auch gleichförmige Vorgänge gehören können. Es scheint also in manchen Fällen genügend zu sein, daß zu einem Bestand an Umständen nur ein Vorgang hinzutritt, um diesen Bestand und insbesondere einen oder mehrere in demselben enthaltene Vorgänge zu treffen und durch Kreuzung mit ihnen ein Ereignis und eben damit eine unmittelbare Wirkung hervorzubringen. Müßte man dann nicht zugeben, die mittelbare, vor der Wirkung eintretende Ursache sei in diesem Falle einfach? Die Entscheidung dieser Frage hängt von der präzisen Einhaltung des Begriffes der „Umstände" ab, zu welchen die Ursadie hinzutreten muß, um ihre unmittelbare Wirkung hervorzubringen; wird dieser Begriff streng gefaßt, dann läßt sich die Behauptung über die Zusammengesetztheit der mittelbaren „früheren" Ursache aufrechterhalten. Er wurde nur mit Rücksicht auf das Eintreten eines u n m i t t e l b a r e n kausalen Seinszusammenhanges (wo also alle Elemente der gesamten Sachlage: a) die Ursache, b) die Umstände und c) die unmittelbare Wirkung gleichzeitig sind) gebildet. In einem bestimmten Moment t kommt es zur Kreuzung eines Vorgangs Vi83 mit den Umständen, und darunter ζ. B. erstens mit einem Vorgang V283 und einem (eventuell noch zusammengesetzten) Zustand Z 2 . Diese Kreuzung ist das zu den (eventuell dadurch veränderten) Umständen hinzutretende Ereignis Ei(t'), das die unmittelbare Wirkung in der Gestalt des Ereignisses E 2 (t') hervorbringt. Fragen wir aber nach der Ursache des Ereignisses Ei(t'), 83
Natürlich kann es audi eine ganze Vorgangsgruppe sein. Aber dieser Fall interessiert uns hier nicht.
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so gibt es in d e r s e l b e n Weltgegenwart WG(t') k e i n Ereignis mehr,84 das für die Ursache von Ei(t') gelten könnte. Wenn es also überhaupt diese Ursache geben soll (wie das Prinzip der Ursache es fordert), so muß sie in einer f r ü h e r e n Weltgegenwart gesucht werden. Zu Ei(t') ist es deswegen gekommen, weil es Vorgänge und Zustände gab, die so „gerichtet" waren, daß es zu ihrer Kreuzung kam bzw. kommen mußte. Es war aber nicht bloß der Vorgang Vi a l l e i n , noch der Vorgang V2 bzw. der Zustand Z 2 a l l e i n , noch endlich die Umstände (V2 + Z2) a l l e i n , sondern erst a l l e diese Faktoren z u s a m m e n . Vi, V2 und Z2 waren in ihrer qualitativen Bestimmtheit derartig, daß es dazu kommen mußte. Daß aber die qualitative Bestimmtheit des Vi, V2 und Z 2 in ihrem ganzen Zeitverlauf und in den eventuell veränderlichen Ortsbestimmtheiten sich so gestaltet hat, wie es tatsächlich der Fall war, dies hat seinen „Grund" - obwohl n i c h t seine Ursache - in den A u s gangsereignissen E(Vi), E(V2) und E(Z2), welche den Anfang aller dieser Gegenständlichkeiten bildeten. Unserer Begriffsbestimmung gemäß sind also a l l e diese Ereignisse z u s a m m e n die Ursache von Ei(t') E(Vi) + E(V2) + E(Z 2 ) = U(Ei(t')). Und es hat in diesem Fall gar keine Bedeutung, daß E(V2) und E(Z 2 ) gerade die Anfänge der Elemente der Umstände bilden, unter denen die Ursache Ei(t') ihre unmittelbare Wirkung E 2 (t') hervorbringt. Denn diese Umstände sind Umstände der Wirkung E 2 (t') n i c h t aber des Ei(t') als Wirkung der früheren mittelbaren Ursache (E(Vi) + E(V2) + E(Z 2 )). Diese letzte Ursache muß natürlich i h r e e i g e n e n Umstände haben, unter denen sie zu Ei(t') führt. Ich komme darauf bald zu sprechen. Allgemein ist aber hier zu bemerken, daß die Begriffe, die für den u n m i t t e l b a r e n kausalen Seinszusammenhang gebildet wurden,nicht ohne weiteres auf die m i t t e l b a r e (ungleichzeitige) kausale Beziehung zu übertragen sind. Es muß u. a. erst erwogen werden, ob die Begriffsbestimmung der unmittelbaren Ursache als des Ergänzungsfaktors, der mit den Umständen zusammen erst die aktive hinreichende Bedingung der Wirkung bildet, auf die m i t t e l b a r e , v o r ihrer Wirkung stattfindende „Ursache", d. h. auf (E(V t ) + E(V2) + E(Z 2 )) überhaupt anzuwenden sei. Vor allem ist zu beachten, daß die eine zusammengesetzte mittelbare Ursache bildenden Ereignisse zwar alle in e i n e m Moment eintreten können, aber durchaus nicht eintreten müssen, da es wohl möglich ist, 84
Natürlich unter den gemachten Voraussetzungen.
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daß jeder dieser Faktoren Vi, V2 und Z 2 in einem a n d e r e n Zeitmoment zu sein beginnt. Dies letztere wird eher der „normale" Fall sein. So sind diese beiden möglichen Fälle einzeln für sich zu betrachten. Fügt es sich also so, daß Vi, V2 und Z 2 alle gleichzeitig zu sein anfangen, z.B. im Moment t°, dagegen das Ereignis Ei(t') als ihre (nächste) mittelbare Wirkung erst nach einiger Zeit im Moment t eintritt, so ist dies der beste Beweis, daß die Anfangsereignisse E(Vi), E(V2) und E(Z 2 ) weder in ihrer Gesamtheit noch einzeln für sich die aktive hinreichende Bedingung des Ereignisses Ei(t') bilden, noch endlich einen Ergänzungsfaktor zu einem etwaigen im Moment t° bestehenden Umstand Um(t°) bilden, also keine unmittelbare Ursache von Ei(t') sind. Denn wären sie es, dann miißte Ei(t) z u g l e i c h mit ihrem Auftreten, also Ei(t°) und nicht Ei(t') sein. Dies ist ganz augenscheinlich, und wenn wir es hier aussprechen, so ist es nur, um MißVerständnissen vorzubeugen: die mittelbare „frühere" „Ursache" ist k e i n e Ursache in dem strengen, von uns bestimmten Sinne, also ausführlich gesagt, keine u n m i t t e l b a r e Ursache von etwas. Weswegen entscheiden wir uns also überhaupt, hier dodi von einer „Ursache" - wenn audi nur von einer „mittelbaren" und „früheren" als die „Wirkung" Ei(t') — zu sprechen? Wäre es nicht einfadier und richtiger, den Namen „Ursache" lediglich auf die u n m i t t e l b a r e Ursache einzuschränken und damit zuzugeben, daß das Prinzip der Ursachen keine allgemeine Geltung besitze, die „mittelbaren früheren Ursachen" aber mit einem ganz anderen Namen zu belegen? Nun, weil es sich nicht leugnen läßt, daß das Eintreten der Ereignisse E(Vi), E(V2) und E(Z2) kein E r e i g n i s mehr erfordert, damit es zum Ereignis Ei(t') kommt, und daß es o h n e diese Ereignisse zu diesem Ei n i c h t gekommen wäre. Aber man darf nicht sagen, wie man von mancher Seite vielleicht geneigt wäre es zu tun, sie seien die h i n r e i c h e n d e Bedingung des Ei(t'). Denn dieses letztere erfordert zu s e i n e m Eintreten außerdem, daß in der Zeit zwischen t° und t' der Zustand Z2 fortbesteht und sich die beiden Vorgänge Vi und V2 fortentwickeln, damit dieselben alle im Moment t' zusammentreffen könnten. Warum ist es aber so? Darauf ist es nicht so einfach, eine befriedigende Antwort zu geben. Es können da wohl sehr verschiedenartige Vorgänge und Zustände in Frage kommen, die in völliger Allgemeinheit schwer zu überblicken und zu untersuchen sind. Wir können uns aber - als Beispiel - den wohl e i n f a c h s t e n Fall denken, d a ß d i e A u s g a n g s ereignisse der beiden Vorgänge und des Zustandes Z2 deswegen zum Eintreten des Ei(t') nicht „von selbst" hinreichen, weil alle drei so voneinander e n t f e r n t 128
sind, daß ihr „Zusammenwirken" ausgeschlossen ist. Die in ihnen beginnenden Vorgänge (ζ. B. Bewegungen) müssen die durch sie getragenen Energien (z.B. die kinetischen Energien) und die Widerstandskraft bzw. die Trägheit des Zustandes Z 2 zunächst an eine und d i e selbe S t e l l e heranbringen,85 damit es zum „Zusammenwirken", zur „Kreuzung" bzw. zum Hervorbringen des Ereignisses Ei(t') kommen kann. Wenn E(Vi), E(V 2 ) und V(Z 2 ) nicht von selbst „zusammenwirken", so liegt es daran, daß sie durch ein „spatium", durch die räumliche Entfernung i s o l i e r t sind. Als solche sind sie zugleich Ausgangspunkt von Vorgängen, die gleichförmig sind und sich somit u n a b h ä n gig v o n e i n a n d e r und von dem Zustand Z 2 entwickeln. Diese Isolierung muß zunächst beseitigt werden, und wenn hier die räumliche Entfernung eine Isolierungsschicht bildet, so kann man sagen, daß sich diese Isolierungsschicht, welcher Art auch immer, im Verlauf der Vorgänge a l l m ä h l i c h verdünnt, um endlich ganz beseitigt zu werden. Das Vorhandensein dieser Isolierung macht das sofortige Eintreten des Ereignisses Ei(t') unmöglich, ihre allmähliche Verdünnung - die Zeit erfordert - hat zur Folge, daß das Ereignis Ei(t') erst in der WG(t') zustande kommen kann, in welcher es zur Durchbrechung (bzw. Annullierung) dieser Isolierung kommt. Und es ist dabei ohne Bedeutung, ob es gerade zwei (oder mehrere) Vorgänge sind, die mit einem dauernden Zustand zusammentreffen, oder ob es bloß ein Vorgang und ein Zustand ist oder endlich ob es lauter Vorgänge sind. Immer müssen es m e h r e r e Faktoren sein, die nach einer Zeitspanne, in welcher sie sich wegen ihrer räumlichen Entfernung und Isolierung zwar gleichzeitig unabhängig voneinander und gleichförmig entwickeln, aber dann doch zusammentreffen und in dem Kreuzungsereignis die Wirkung ihrer Ausgangs- bzw. Anfangsereignisse hervorbringen. Die mittelbare, zeitlich frühere Ursache eines Ereignisses ist also immer zusammengesetzt. Die Bedingung aber ihrer Zusammengesetztheit und ihres Früherseins vor der „mittelbaren" Wirkung bildet das Vorhandensein einer Isolierungsschicht (insbesondere einer räumlichen Entfernung) während einer Zeitspanne sowohl zwischen den die Ursache bildenden Faktoren als auch zwischen den durch dieselben ausgelösten Vorgängen bzw. Zuständen. Solange sich die a l l m ä h l i c h e Verdünnung der Isolierungsschicht vollzieht, tritt eben kein neues Ereignis in dem gewählten System und auch keine Wirkung des zusammengesetzten Bestandes an Ereignissen und Zuständen ein. Das 8 5 Damit wäre das sog. Kontiguitätsprinzip (das Prinzip der „Nahewirkung") zur Geltung gebracht.
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Stattfinden dieser Wirkung b e r e i t e t sich eben allmählich v o r . Diese Vorbereitung macht das Eintreten der betreffenden Wirkung, d. h. des Kreuzungsereignisses bloß m ö g l i c h . Und diese Möglichkeit erhöht sich sozusagen während dieser Vorbereitung, insofern sich einerseits der Teil der bereits vollzogenen Vorgänge und die damit vor sich gehende Verkleinerung der gegenseitigen Entfernung vergrößert, andererseits aber sich im Fortentwickeln des ganzen Prozesses die Zeitspanne verkleinert, während welcher eine v o n a u ß e n h e r k o m m e n d e S t ö r u n g eintreten und das Zustandekommen der Wirkung v e r h i n d e r n könnte. Noch „im letzten Augenblick" - wie man sagt - kann eine solche Störung eintreten und den bisher ungestörten Verlauf der Vorgänge so verändern, daß es ζ. B. zu dem Kreuzungsereignis überhaupt nicht kommt oder daß dieses Ereignis auf eine andere Weise realisiert wird, als es ohne diese eventuelle Störung geschehen würde. Soll also das Ereignis Ei(t') als r e i n e Wirkung der Ereignisse E(Vi), E(V 2 ) und E(Z 2 ) eintreten, so muß die ganze Gruppe (Vi + V 2 + Z 2 ) während der Zeitspanne ( t ° - t ' ) n a c h a u ß e n h i n irgendwie i s o l i e r t werden, damit keine Störung eintritt. Diese neuerliche I s o l i e r u n g kann natürlich nur in einem Gesamtbestande von „Umständen" (Zuständen bzw. gleichförmigen Vorgängen) bestehen, der nicht bloß dem ganzen Bestände (Vi + V 2 + Z 2 ) gegenüber unaktiv ist, sondern ihn audi gegen Störungen von außen her s c h ü t z t und ihren ungestörten Verlauf dadurch s i c h e r t . Also auch beim Zustandekommen einer z e i t l i c h s p ä t e r e n m i t t e l b a r e n Wirkung muß zwischen den Umständen (Um), unter denen es zur Realisierung des Ei(t') kommt, und dem eigentlich aktiven Faktor (Vi + V 2 + Z 2 ) unterschieden werden. Über die R e a l i s i e r u n g des Ei(t'), der Wirkung, entscheidet der v o l l e Bestand Um + (V, + V 2 + Z 2 ), wobei es sich bei Vi und V 2 sowie bei Z 2 um ihre A b s c h l u ß p h a s e n handelt. Dieser Bestand bildet erst die hinreichende aktive Bedingung des Ei(t'), und so muß er in demselben Moment t' wie das Ereignis Ei(t') vorhanden sein. Mit Rücksicht bloß auf die während der ganzen Zeitspanne ( t ° - t ' ) konstanten Umstände Um könnte es in j e d e m Moment zwischen t° und t' zu Ei(t') kommen, aber nicht die Umstände, sondern der „aktive Faktor" (Vi + V 2 + Z 2 ) entscheidet über das Eintreten des Ei(t'). Dieser „aktive Faktor" (Vi + V 2 + Z 2 ) ist aber n i c h t k o n s t a n t : in jedem Moment zwischen t° und t' besteht er in einer a n d e r e n Konfiguration seiner Bestandteile, indem sich im Laufe der Zeit die gegenseitigen Lagen der Phasen des Vi und des V 2 unterein130
ander und dem Z 2 8e gegenüber ändern und damit die sie trennende Isolierungsschidit einer „Verdünnung" unterliegt. Solange noch eine Isolierung zwischen den Elementen des „aktiven Faktors" besteht, bleibt das Ei(t') - die mittelbare Wirkung - bloß m ö g l i c h , also auch der Bestand der Ausgangsereignisse (die mittelbare Ursache): E(Vi), E(V 2 ) und E(Z 2 ) bestimmt von sich aus bloß die Möglichkeit und nicht die Wirklichkeit des Ej(t'). Es braucht erst Zeit, bis sich der aktive Faktor(Vi + V2 + Z2) in der Konfiguration seiner Elemente so ändert, daß durch den Vollzug der „letzten Phasen" der Vorgänge Vi und V 2 die Isolierung zwischen seinen Elementen annulliert wird und er unter dem Vorhandensein der Umstände Um die R e a l i t ä t des Ei(t') e r z w i n g t . Während die u n m i t t e l b a r e Ursache (z.B. das Ei(t') dem E 2 (t') gegenüber) ihre Wirkung unter den zu ihr gehörigen Umständen von selbst r e a l i s i e r t , macht die zeitlich f r ü h e r e m i t t e l b a r e Ursache, d. h. E(Vi) + E(V2) + E(Z«), von sich aus ihre Wirkung bloß möglich und bestimmt lediglich mittelbar, mit Hilfe der durch sie ausgelösten Vorgänge und Zustände, das reale Eintreten ihrer (mittelbaren) Wirkung. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Typen der Kausalität und der Grund ihrer Unterscheidung. Da aber der Bestand (E(Vi) + E(V 2 ) + E(Z 2 )) sowohl über die f a k t i s c h e A u s l ö s u n g der Vorgänge Vi, V 2 und über das Bestehen des Z 2 als auch über die q u a l i t a t i v e B e s t i m m u n g dieser Faktoren entscheidet, die alle zusammen schon ohne das Eintreten irgendeines neuen Ereignisses zur Realisierung des Ei(t') - der mittelbaren Wirkung - führen, da endlich ohne diesen Bestand es zu dem Ei(t') nicht kommt, so kann man dem Bestand (E(V X ) + E(V 2 ) + E(Z 2 )) seine eigentümliche Rolle beim Hervorbringen des Ei(t') nicht absprechen und muß in ihm doch mindestens ein Analogon zur unmittelbaren Ursache sehen. Es kann natürlich noch andere Gründe geben, weshalb das Eintreten einer Reihe von Ereignissen und Zuständen (ζ. B. E(V t ) + E(V 2 ) + E(Z 2 )) n i c h t s o f o r t zu einer Wirkung bestimmter Art führt, sondern sie erst nach einiger Zeit nach sich zieht. Wir schalten ζ. B. das Radio ein, und es dauert eine Weile, bis es zu „spielen" beginnt. Wir stellen einen Topf mit Wasser auf einen Gasbrenner, aber erst nach einigen Minuten beginnt das Wasser zu sieden. Wir lassen Wasser in einen Behälter mit einem „oben" eingesetzten Rohr, der ihn mit einem anderen Behälter verbindet, ein, aber erst nach einiger Zeit beginnt das Wasser in diesen anderen Behälter zu fließen und dergleichen mehr. Es ββ Natürlich in dem von uns gewählten einfachen Beispiel.
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scheint in allen diesen Fällen eine ursächliche Beziehung vorzuliegen, und zwar eine solche, in welcher die „Ursache" f r ü h e r als die „Wirkung" stattfindet. Soll da auch von einer zeitlich früheren mittelbaren (aber auch nächsten) Ursache in dem soeben behandelten Sinne gesprochen werden oder haben wir es da mit einer R e i h e von ursächlichen Beziehungen zu tun, die zum Teil unmittelbar, zum Teil mittelbar sind? Daß es da audi unmittelbare kausale Seinszusammenhänge gibt, scheint unzweifelhaft zu sein. So ist die Erreichung einer bestimmten Temperatur der Kathodenlampen und das Beginnen des „Spielens" des Radioapparates, das Erreichen der Wassertemperatur und das Sieden des Wassers, das Erreichen eines bestimmten Niveaus des Wassers im Behälter und das Herausfließen des Wassers aus demselben (bei bestimmtem Druck) usw. - ein Tatsachenpaar, in welchem das erste Glied die Ursache, das zweite deren unmittelbare Wirkung bildet. Sie finden audi immer gleichzeitig statt. Aber andererseits bildet ein analoges Tatsachenpaar das Einschalten des Radioapparates in das Netz der elektrischen Anstalt und der Anfang des Fließens des elektrischen Stroms im Apparat, das Aufstellen des Topfes auf den brennenden Gasbrenner und der Anfang des Aufstiegs der Temperatur des Wassers, das Eröffnen des Ventils und der Anfang des Einfließens des Wassers in den Behälter usw. Auch da haben wir es mit lauter unmittelbaren Seinszusammenhängen zwischen der Ursache und ihrer Wirkung zu tun. Aber in jedem dieser Fälle gibt es einen zeitlichen Abstand zwisdien dem ersten (hier zuletzt genannten) und dem zweiten unmittelbaren kausalen Seinszusammenhang. In dieser Zeitspanne spielt sich ein Vorgang ab (das Stromfließen, das Brennen des Gases, das Einfließen des Wassers usw.), der zwar von selbst zum Eintritt des zweiten kausalen Seinszusammenhanges nicht ausreicht, da trotz seines Vollzuges das betreffende Ereignis doch nicht eintritt, es ist aber mit ihm immer mindestens e i n anderer Vorgang streng verbunden, der als seine Wirkung aufgefaßt werden kann. Diese beiden (bzw. mehrere) Vorgänge stehen in einem „vorgänglichen" - wie wir früher sagten - Kausalzusammenhang. Sobald der erste sich zu vollziehen beginnt, fängt auch der andere sich zu vollziehen an, und Wandlungen des ersten Vorgangs ziehen entsprechende (gewöhnlich gesetzlich geregelte) Wandlungen des zweiten Vorgangs nach sich. Endlich hat das Aufhören des ersten Vorgangs das Aufhören des zweiten Vorgangs oder den Anfang eines rücklaufenden Vorgangs (ζ. B. den Abstieg der Temperatur) zur Folge. So zieht das Stromfließen in den Kathodenlampen die allmähliche Temperaturstei132
gerung der Lampe, die ständige Zufuhr der Wärme infolge des Gasbrennens die Erwärmung des Wassers, das Einfließen des Wassers das Steigen des Wasserniveaus im Behälter nach sich. Und erst dieser zweite Vorgang führt in einem bestimmten Moment (unter entsprechenden Umständen) zur Realisierung eines Tatbestandes, der das erste Glied in dem zweiten unmittelbaren Kausalzusammenhang bildet, das seinerseits ohne weiteres seine unmittelbare Wirkung hervorruft. Der zweite Vorgang trifft nämlich in jedem der genannten Fälle mit einem bestimmten Zustand der ganzen Einrichtung (z. B. dem bestimmten Bau des Radioapparates, dem Abflußrohr in dem Wasserbehälter usw.) zusammen und bildet erst mit ihm die hinreichende aktive Bedingung des Eintretens des ersten Gliedes des zweiten unmittelbaren Kausalzusammenhanges, das im selben Moment das zweite Glied dieses Zusammenhanges hervorruft. Wir haben es also hier mit einer kausalen Kette zu tun, in welcher zwei unmittelbare kausale Seinszusammenhänge durch einen vorgänglichen kausalen Zusammenhang mittelbar verbunden sind. Das z w e i t e Glied des e r s t e n (früheren) kausalen Seinszusammenhanges ist die m i t t e l b a r e U r s a c h e des e r s t e n Gliedes des z w e i t e n unmittelbaren Seinszusammenhanges. Es bestätigt sich aber dabei unsere allgemeine Behauptung, daß jede zeitlich frühere mittelbare Ursache zusammengesetzt sei. Denn wie steht es damit in den angeführten Beispielen? Die Wirkung des ersten unmittelbaren Kausalzusammenhanges besteht hier eigentlich in einem D o p p e l e r e i g n i s (bzw. oft in einer ganzen Mannigfaltigkeit der Ereignisse), z. B. in dem Anfang des Stromfließens und in dem mit ihm zusammengehenden Anfang des Erwärmungsvorganges im Leiter bzw. in den Kathodenlampen. Nachher laufen schon die b e i d e n kausal miteinander ständig verbundenen Vorgänge fort, und wenn auch die mittelbare (später eintretende) Wirkung des Anfangs des zweiten Vorgangs bloß durch eine bestimmte Phase des letzteren aktiv hervorgerufen zu sein scheint, so sind doch zu ihrer Realisierung die b e i d e n Vorgänge - und eben damit auch die beiden sie auslösenden Ereignisse unentbehrlich. Diese beiden Vorgänge vollziehen sich indessen in ständigem Seinskontakt, es gibt zwischen ihnen keine „Isolationsschicht", keine räumliche Entfernung insbesondere. Sie bilden eine einheitliche Vorgangsgruppe (die übrigens gewöhnlich weitere hier nicht erwähnte Glieder hat bzw. haben kann). Es gibt also in den jetzt erwogenen Fällen kein „Kreuzungsereignis" zwischen den Vorgängen, wie wir es bei den zuerst betrachteten Fällen gefunden haben. Dafür aber müssen sich die beiden Vorgänge sozusagen unter dem Schutz besonderer Um133
stände vollziehen, die ihnen eine gewisse Stabilität bzw. Gleichförmigkeit des Ablaufs sichern und ihnen sich weiterzuentwickeln erlauben, solange sie selbst unwandelbar bestehen. Tritt aber in einem bestimmten Moment eine Änderung in diesen Umständen ein (ζ. B. deswegen, weil sich die Vorgänge in diesem Moment in einem Orte abzuspielen beginnen, an dem die bis dahin schützenden Umstände nicht mehr bestehen, ζ. B. wenn sich die Eingangsöffnung des Abflußrohres an einer bestimmten Höhe des Wasserbehälters vorfindet, dann wandelt sich der zweite Vorgang oder gelangt zum Stillstand (das Wasser hört auf weiter zu steigen); dafür tritt ein neuer Vorgang ein: das Herausfließen des Wassers aus dem Behälter durch das zweite Rohr. So gibt es auch in diesem Fall einen „aktiven Faktor" und einen erhaltenden stabilisierenden Umstand, dessen Beseitigung oder Änderung in einem bestimmten Moment mit dem aktiven Faktor zusammen die mittelbare Wirkung der die betreffenden Vorgänge eröffnenden Ereignisse hervorruft. Wir dürfen also - wie es scheint - in jedem Fall einer zeitlich vorangehenden mittelbaren Ursache deren Zusammengesetztheit aus m e h r e r e n Ereignissen behaupten. Die Bestandteile einer vollen mittelbaren und vor der Wirkung sich vollziehenden Ursache unterscheiden sich aber in einer Hinsidit wesentlich von den Bestandteilen einer unmittelbaren Ursache. S i e m ü s s e n - w i e schon bemerkt wurde - η i c h t a l l e z u g l e i c h s t a t t f i n d e n , wenn es auch Fälle geben kann, in welchen sie sich gerade gleichzeitig vollziehen. Die Funktion der vermittelnden Ereignisse beschränkt sich darauf, den A n f a n g der vermittelnden Vorgänge (Zustände) zu bilden. Sie bestimmen von sich aus die Dauer dieser Vorgänge nicht und können es nicht tun. 87 Im allgemeinen ist die Dauer der Vorgänge unabhängig davon, in welchem Moment es zu ihrer Kreuzung mit anderen Vorgängen kommt. So können Vorgänge, die in einem gemeinsamen Kreuzungsereignis, also gleichzeitig ihren Abschluß finden, sich ver8 7 Anders verhält es sich nur dort, wo ein „ursächlicher Vorgang" vorliegt, wo also mehrere Vorgänge sich zusammen entwickeln und kausal verbunden sind. Gibt es zwei Vorgänge, V t und V 2 , von denen V 2 dem Vorgang V t irgendwie entgegengesetzt ist und ihn allmählich zum Stillstand bringt, dann können die Ursadien dieser Vorgänge bzw. die Eigenschaften dieser Vorgänge selbst derart sein, daß die Dauer des ganzen zusammengesetzten Prozesses von vornherein bestimmt ist, so daß man gegebenenfalls den Zeitpunkt, in dem beide Vorgänge zugleich zum Stillstand kommen, im voraus berechnen kann. Ähnliche Sachlagen müssen audi da untersucht werden, wo es keine voneinander unabhängigen Vorgänge, sondern nur gegenseitig abhängige und notwendig zueinander zugehörige Vorgänge gibt (z. B. die Bewegung zweier sich im Gravitationsfeld anziehender Körper). Wir werden noch darauf zurückkommen.
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schieden lang entwickeln. Daraus ergibt sich die Möglichkeit der Ungleichzeitigkeit der Ereignisse, die den Anfang der betreffenden Vorgänge bilden und somit als Bestandteile einer vollen mittelbaren, vor der Wirkung eintretenden Ursache fungieren. Manchmal gestaltet sich aber die Art und der Verlauf der zu einer Kreuzung führenden Vorgänge auf solche Weise, daß die Ungleichzeitigkeit ihrer Anfangsereignisse durch dieselben geradezu gefordert wird und sich auch eventuell aus dem Verlauf der Vorgänge berechnen läßt. Viel schwieriger dagegen ist das Problem, ob die Ereignisse, die Bestandteile einer solchen Ursache sind, zu zwei verschiedenen relativ isolierten Systemen gehören müssen oder ob dies bloß m ö g l i c h sei. Die Sachlagen, die da zu erwägen sind, sind noch viel zu unübersichtlich, als daß wir diese Frage beantworten könnten. Nichtsdestoweniger wollen wir auf dieses Problem hier hinweisen, vielleicht gelingt es uns später, Gründe und Wege zu seiner Lösung zu finden. 9. In dem bereits Gesagten ist schon die folgende Behauptung enthalten, es ist aber angezeigt, sie explicite zu formulieren: Ereignisse einer und derselben A r t können bei v e r s c h i e d e n e n (aus v e r s c h i e d e n e n Gliedern bestehenden) Mannigfaltigkeiten von „Umständen" einmal „ursachebildend", das andere Mal aber nichtursachebildend sein. Ob sie es sind, hängt eben nicht von ihrer Materie allein, sondern auch von der Wahl der „Umstände" ab. Das Merkmal „ursachebildend" eines Ereignisses ist relativ. 10. Ein Ereignis (bzw. ein Vorgang), das bei bestimmten vorliegenden Umständen für sich allein keine Ursache ist, sondern eventuell erst mit einem a n d e r e n Ereignis oder Vorgang eine Ursache bildet, also selbst eine Teilursache ist, hat auch für sich selbst k e i n e Wirkung. Die eventuell eintretende Wirkung der Ursache (Ei + E 2 + . . . ) ist keine Wirkung des Ereignisses Ei allein. Es gibt also „wirkungslose" Ereignisse oder Vorgänge in dem eben bestimmten Sinne. Dies ist natürlich immer dann der Fall, wenn die anderen Ereignisse, die im Hinblick auf ihre Art die übrigen Bestandteile einer und derselben zusammengesetzten Ursache bilden könnten, tatsächlich nicht eintreten, also in ihrem Eintreten von dem betreffenden Ereignis u n a b h ä n g i g sind. Daß ein Ereignis n i c h t „ursachebildend" ist und daß es „wirkungslos" ist, ist im Grunde dasselbe, nur von einem anderen Gesichtspunkt aus gefaßt. Es kann — bei gegebenen Umständen - nicht bloß einzelne Ereignisse, sondern auch ganze Gruppen von Ereignissen geben, die „wirkungslos" sind, obwohl sie tatsächlich eintreten. Die Wirkungslosigkeit eines Ereignisses oder einer Ereignisgruppe 135
- bei vorgegebenen Umständen - kann aber auf doppelte Weise verstanden werden: im r e l a t i v e n oder im a b s o l u t e n Sinne. Im relativen Sinne „wirkungslos" ist ein Ereignis, wenn bei seinem Eintreten - unter vorgegebenen Umständen - keine Wirkung der durch die Art des Ereignisses im voraus bestimmten88 und eventuell auch erwarteten A r t eintritt. Ein zu schwacher Schlag an eine große und schwere Glocke vermag sie nicht aus dem Gleichgewicht und somit ins Schwingen zu bringen. Mit Rücksicht auf seine A r t war dieser Schlag sozusagen dazu bestimmt, die Glocke aus dem Gleichgewicht zu bringen. Jedoch seine nähere Bestimmung - der Grad seiner kinetischen Energie - hat es ihm unmöglich gemacht, zu der vorausbestimmten Wirkung zu führen. 88 Erwartet man eine bestimmte Bewegung dieser Glocke, so ist der einzelne Schlag trotz der durch ihn hervorgebrachten Ereignisse oder Vorgänge (ζ. B. der Erwärmung der Glocke an der Einschlagstelle) für sich allein im r e l a t i v e n Sinne wirkungslos, und zwar in bezug auf die nicht eintretende Bewegung der Glocke. Es kann aber nicht gesagt werden, daß ein solcher Schlag ü b e r h a u p t k e i n e Wirkung hat, also im a b s o l u t e n Sinne wirkungslos sei. Er ruft z.B. bestimmte Schwingungen im Metall, aus dem die Glocke besteht, hervor und hat einerseits Temperaturerhöhung in einem bestimmten Umkreis um die Anschlagstelle, andererseits z.B. bestimmte „akustische" Erscheinungen usw. zur Folge. Ähnlich ist es, wenn jemand einen Panzerwagen durch Schüsse zerstören will, die Geschosse seiner Waffe aber eine zu kleine kinetische Energie entwickeln, um die Widerstandskraft des Panzers zu überwinden; dann ist auch jeder Einschlag des Geschosses relativ 88 Der Sinn dieser „Bestimmung" mag eine gewisse Präzisierung erfordern. Denn man kann einwenden*, daß, falls ein Ereignis durch seine materiale Bestimmung eine bestimmte Wirkung „im voraus bestimmt" (also eine bestimmte Seinsergänzung fordert), es dann unmöglich sei, daß eben diese Wirkung nicht einträte (wie dies sich aus unserer Auffassung der ursächlichen Beziehung ergibt). Der Einwand würde durchaus recht haben, wenn man sagen würde, daß das Ereignis eben trotz der Vorausbestimmung der Wirkung durch seine v o l l e materiale Ausstattung doch „wirkungslos" sei. Diese Schwierigkeit kann aber vermieden werden, wenn man sagt, es handle sich lediglich um eine „Im-Voraus-Bestimmung" durdi die Art des betreffenden Ereignisses, welche nodi auf verschiedene Weise ergänzt werden kann. Erst dann wird die Vollbestimmung des betreffenden Ereignisses erreicht.
* Ith verdanke diese Bemerkung Fr. Dr. D. G i e r u l a n k a . 89
Es wird hier der Fall ausgeschlossen, w o eine R e i h e a u f e i n a n d e r f o l g e n d e r Schläge - obwohl jeder von ihnen allein zu sdiwach ist - doch in einem Moment die Bewegung der Glocke hervorbringt. Denn hier bringt jeder der Schläge eine gewisse Wirkung - ein leises Zittern der Glocke - hervor, die sich in ihrer Aufeinanderfolge sozusagen summieren und bei einem - der Reihe nach - bestimmten Schlag doch dazu führen, daß sich die Glocke „makroskopisch" zu bewegen beginnt.
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wirkungslos, obwohl er viele verschiedene Wirkungen hervorruft, also im absoluten Sinne „wirkungsvoll" ist. Als physikalische Beispiele eines im relativen Sinne wirkungslosen Ereignisses kann man alle Experimente mit „negativem Ergebnis" anführen, z . B . das Michelson-Experiment. Die Unterscheidung der beiden Arten der „Wirkungslosigkeit" eines Ereignisses ist sehr wichtig, und zwar sowohl für die Betrachtung des „Bereiches der Wirkungen" eines Ereignisses (bei vorgegebenen Umständen) als auch bei der Erwägung der kausalen Struktur der Welt überhaupt. Denn wenn es vielleicht gar keinen Zweifel erweckt, daß es Ereignisse gibt, die „wirkungslos" sind im r e l a t i v e n Sinne, so ist es zugleich sehr fraglich, ob es Ereignisse gibt und geben kann, die - bei vorgegebenen Umständen - im a b s o l u t e n Sinne wirkungslos sind. Der Begriff eines im absoluten Sinne wirkungslosen Ereignisses scheint trotzdem widerspruchslos zu sein. Das Problem der Möglichkeit „wirkungsloser" Ereignisse im a b s o l u t e n Sinne kompliziert sich sehr, wenn man beachtet, daß der Begriff der „Wirkung" bzw. der „Tatsache" sowohl enger als auch weiter gefaßt werden kann. Enger wird er gefaßt, wenn er lediglich „positive" Ereignisse oder effektiv sich entwickelnde Vorgänge umfaßt. Man will aber manchmal den Begriff der Wirkung so weit fassen, daß er auch das „ N i c h t e i n t r e t e n " einer Tatsache bzw. das Eintreten negativer Sachverhalte mitumfaßt. Alle Realisierung der sog. „Verhütungsmaßnahmen" scheinen Vorrichtungen (also „Ursachen") zu sein, deren Zweck (also auch „beabsichtigte" Wirkung) es ist, das N i c h t e i n t r e t e n eines aus irgendwelchen Gründen „schädlichen" Sachverhalts zu erzielen: das Nichteintreten des Todes einer Person, des Ausbruchs einer Epidemie im Lande, der Verübung einer Freveltat usw. sind Fälle dessen, was „verhütet" werden soll. Wir haben früher (vgl. Bd. II, § 53) das Problem der negativen Sachverhalte behandelt und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß man zwar das Vorhandensein derartiger Sachverhalte nicht überhaupt leugnen kann und sie - wie es manche tun - für rein intentionale Gebilde halten darf, daß man sie aber auch nicht für streng seinsautonome, und insbesondere r e a l e Gebilde bzw. Tatbestände betrachten kann. Die „negativen" Sachverhalte bzw. die „negativen" Ereignisse, d.h. das E i n t r e t e n des Nichtzukommens einer Eigenschaft (oder eines Zustandes) einem Gegenstande - sind immer s e i n s a b g e l e i t e t von gewissen p o s i t i v e n Sachverhalten oder Ereignissen, und zwar in dem Sinne, daß die letzteren für sie ein (obwohl nicht ausreichendes) Seins137
fundament (und nicht eine Ursache) bilden. Bei den gewählten Beispielen ist die „Verhütung des Todes" aufgebaut auf der „Erhaltung des Lebens" der betreffenden Person; die Verhütung des Ausbruchs einer Epidemie ist aufgebaut auf (und gleichwertig) der Erhaltung der „guten" Gesundheit der Bevölkerung eines Landes usw. Die Verhütung des „Übels" ist im allgemeinen gleichwertig der Aufrechterhaltung des „Guten". Das streng bzw. rein seinsautonome und insbesondere das reale Sein ist immer und ausschließlich ein allseitig durch positive „Materie" bestimmtes Seiendes. Wenn wir daran festhalten und jedes „negative Sein" für zum Teil seinsrelativ auf eine Intentionalität (obwohl cum fundamento in re) fassen, dann läuft unsere früher angegebene Bestimmung der „Wirkung" darauf hinaus, daß darunter ausschließlich „Wirkung" im p o s i t i v e n Sinne gefaßt wird (obwohl man dieselbe oft sprachlich oder begrifflidi ins Negative auswertet). Denn der streng seinsautonome Gesamtbestand eines Systems ist aus lauter p o s i t i v e n (positiv bestimmten) Tatbeständen aufgebaut. Und die Wirkung eines eben eintretenden Ereignisses ist dasjenige, worin der U n t e r s c h i e d z w i s c h e n dem neu r e a l i s i e r t e n G e s a m t b e s t a n d e des S y s t e m s (abgesehen von dem die Ursache bildenden Ereignis selbst) und dem v o r dem E i n t r i t t der U r s a c h e v o r l i e g e n d e n G e s a m t b e s t a n d e d e s s e l b e n S y s t e m s besteht. Dann ist die Wirkung auch immer das A u f t r e t e n e i n e s neuen p o s i t i v e n (durch positive Materien bestimmten) T a t b e s t a n d e s und nicht das eventuelle bloße Nichtmehrvorhandensein eines in dem früheren Gesamtbestande bestehenden Sachverhalts, der durch die Wirkung aus dem System gedrängt bzw. vernichtet wurde. Lediglich wenn jemand an dem Fortbestehen dieses vernichteten oder beseitigten Sachverhalts (bzw. Gegenstandes) irgendwie interessiert ist, kann er die positive Wirkung der eingetretenen Ursache im n e g a t i v e n S i n n e auswerten, z. B. die Wirkung eines Schusses im Tode (im Nichtvorhandensein des Lebens) einer Person sehen. Aber die Wirkung ist das Vorhandensein des Zustandes (oder der Gesamtheit der sich entwickelnden Vorgänge) des „Kadavers", des „toten" Körpers, eines nicht mehr existierenden Lebewesens (eines Menschen). Gibt es nun in dem betreffenden System des Seienden nach dem Eintritt eines Ereignisses k e i n e n neuen p o s i t i v e n Tatbestand (Sachverhalt, Vorgang, Zustand), der den neuen Gesamtbestand des Systems (abgesehen von dem eingetretenen Ereignis) von dem unmittelbar vorhergehenden Gesamtbestande dieses Systems unterscheiden würde, dann ist das betreffende Ereignis „wirkungslos" im absoluten Sinne: es ruft 138
k e i n e Änderung in dem bereits vorhandenen Gesamtbestand des Seienden (Systems) hervor. Wollte jemand eben das „ N i c h t e i n t r e t e n e i n e r V e r ä n d e r u n g des Seienden" audi für die „Wirkung" des betreffenden Ereignisses halten, dann gäbe es natürlich k e i n e „wirkungslosen" Ereignisse im absoluten Sinne. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß dieses „Nichteintreten" einer Veränderung kein im strengen Sinne allseitig seinsautonomes Sein ist. Es wird damit natürlich nicht behauptet, es gäbe in der realen Welt tatsächlich a b s o l u t wirkungslose Ereignisse, sondern es wird lediglieli dessen Begriff bestimmt, wodurch die rein logische Möglichkeit eines solchen Ereignisses erwiesen wird. Ob dasselbe aber auch - unter gegebenen Bedingungen, insbesondere in einer realen Welt, und ohne zu reden von der Welt, in der wir leben - „real" möglich ist, wird hiermit nicht entschieden. 11. Auch eine Wirkung kann entweder einfach oder zusammengesetzt sein, und zwar kann sie entweder aus Ereignissen bzw. Vorgängen oder auch aus Zuständen entsprechender, in der Zeit verharrender Gegenstände bestehen. Welche Bedingungen die Ereignisse (Vorgänge, Zustände) erfüllen müssen, wenn sie Glieder e i n e r Wirkung sein sollen, werde ich später im Zusammenhang mit dem Problem einer oder mehrerer Wirkungen einer und derselben Ursache untersuchen.
§93. E i n i g e P r i n z i p i e n der T h e o r i e der k a u s a l e n S t r u k t u r der Welt Es ist jetzt an der Zeit, einige allgemeine Sätze über den kausalen Zusammenhang und dessen Glieder auszusprechen, die mit Rücksicht auf ihre Wichtigkeit für die Betrachtung der kausalen Struktur der Welt „Prinzipien" genannt werden dürfen. Damit soll aber noch nicht gesagt werden, daß sie ursprünglicher und in höherem Maße intuitiv als die bereits ausgesprochenen Sätze sind. Es soll hier also nicht erwogen werden, ob sie „Axiome" der Kausalitätstheorie sind oder nicht. Der Name „Prinzip" wird hier z. T. aus historischen Gründen gewählt, da unter den hier ausgesprochenen Sätzen sich u. a. das sog. „Prinzip der Kausalität" befindet, allerdings in einer besonderen Formulierung. Zunächst müssen noch drei Sätze über die allgemeine Form der Welt vorangeschickt werden. Und zwar:
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I. D e r f o r m a l e B e g r i f f d e r W e l t E i n e W e l t i s t ein e i n h e i t l i c h e s S y s t e m h ö c h s t e r S t u f e v o n v i e l e n s e i n s s e l b s t ä n d i g e n , a b e r v o n e i n a n d e r in m a n c h e r H i n s i c h t s e i n s a b h ä n g i g e n (und e v e n t u e l l gegenseitig seinsabhängigen) individuellen Gegenständen, die entweder selbst relativ isolierte Systeme sind oder Glieder solcher Systeme bilden. Ihrer Form nach k ö n n e n s i e in d e r Z e i t v e r h a r r e n d e G e g e n s t ä n d e , V o r g ä n g e o d e r E r e i g n i s s e s e i n . Dieses System als „höchstes" ist zugleich das alles umfassende System, in dem Sinn, daß es „außerhalb" der Welt nichts von derselben Seinsordnung und von demselben Typus gibt. Es gibt sogar kein „Außerhalb" - wenn darunter etwas von d e r s e l b e n Seinsordnung wie das „Innerhalb" der Welt verstanden werden soll. Im Zusammenhang damit kann die Welt als ein „geschlossenes" System betrachtet werden, auf welches die physikalischen Gesetze - ζ. B. das über die Entropie - angewendet werden dürfen. 90 II. D a s P r i n z i p d e r E i n h e i t l i c h k e i t d e r W e l t J e d e r in d e r W e l t s e i e n d e i n d i v i d u e l l e G e g e n s t a n d , w e l cher O r d n u n g a u c h immer,91 ist m i t i r g e n d e t w a s in d e m j e w e i l i g e n Rest der Welt i r g e n d w i e reell verbunden. Oder dasselbe negativ ausgedrückt: In einer (realen) Welt existiert k e i n individueller Gegenstand, der von der übrigen Welt v o l l k o m m e n isoliert wäre und also ein in sich absolut abgeschlossenes System bilden würde. Er ist immer mindestens unter einer Hinsicht „offen", d. h. er empfängt „von außen her" Wirkungen entsprechender Art oder ist irgendwie durch etwas in der „übrigen Welt" auf eine bestimmte Weise bedingt, bzw. er übt gewisse Einflüsse „nach außen" aus und andererseits besitzt er solche „Seiten", in denen er zeitweilig gegenseitig oder einseitig abgeschlossen ist. Diese „Seiten" des „Offen-" oder „Abgeschlossenseins" können während seiner Existenz von Zeit zu Zeit wechseln.
»o X)ieS sol) ¡ n keinem Sinne die Frage entscheiden, ob es nicht ein extramundanes Sein geben kann, das von einer v ö l l i g a n d e r e n Seinsordnung ist und trotzdem in einem Seinsverhältnis zu der Welt stehen kann. 9 1 Wir erinnern daran, daß es individuelle Gegenstände „verschiedener Ordnung" geben kann. Vgl. Bd. II dieses Werkes.
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III. D e r G r u n d d e r E i n h e i t l i c h k e i t d e r W e l t Es m u ß e i n e n G r u n d d e r E i n h e i t l i c h k e i t d e r W e l t g e b e n . Dieses Postulat ergibt sich daraus, daß die Welt nicht ein einziger einfacher, unteilbarer Gegenstand, sondern eine bestimmte Mannigfaltigkeit formal und material bestimmt ausgestatteter individueller Gegenstände ist und somit irgendeines Faktors bedarf, der alle ihre Teile auf irgendwelche Weise zusammenhalten würde. Es scheint aber, daß in dieser Hinsicht verschiedene Möglichkeiten offenstehen und somit auch verschiedene formale Typen einer Welt möglich sind. Denn wie nodi später genauer erwogen wird, sind hier zwei verschiedene Typen dieses einigenden Faktors möglich: a) ein K r a f t f e l d , in dem es zum reziproken SidiBedingen der in ihm befindlichen Gegenstände kommt, was von der ursächlichen Beziehung unterschieden werden muß, b) die unmittelbaren und mittelbaren kausalen Beziehungen. Rein formal genommen, gibt es also drei mögliche Typen der formalen Struktur der Welt: 1. eine Welt, in welcher ausschließlich die Kraftfelder den Grund ihrer Einheitlichkeit bilden;92 2. eine Welt, in welcher ausschließlich ursächliche Beziehungen diesen Grund bilden würden, und 3. eine Welt, in welcher diese b e i d e n Faktoren zusammen diesen Grund ausmachen. Es ist klar, daß alle diese Strukturtypen der Welt näher besprochen werden müßten, um in ihrer Zulässigkeit aufgewiesen zu werden. Es müßte ferner erwogen werden, was sich aus jeder dieser Eventualitäten für den allgemeinen Aufbau der Welt ergibt. Und endlich müßte man in einer metaphysischen Betrachtung entsdieiden, wie die eventuell wirklich existierende reale Welt, in der wir leben und der wir als Menschen zuzugehören glauben, in dieser Hinsicht aufgebaut ist. All dies sind aber Fragen, die über den Problemkreis der Kausalität weit hinausgehen. Ich muß sie aber hier erwähnen, um der üblichen und ohne jedes Bedenken vollzogenen Zurückführung der zu dem Fragenkomplex „Kraftfeld" gehörenden Tatsachen und Probleme auf ursächliche Beziehung vorzubeugen.93 Denn diese Zurückführung führt zu gewissen 92 Es scheint aber, daß eine solche Welt r e i n s t a t i s c h , veränderungslos wäre, in welcher eine für immer festgelegte Konfiguration bzw. Anordnung ihrer Elemente vorhanden wäre. Ein letztresultierendes allumfassendes Kraftfeld würde alle in ihm vorhandenen Elemente beherrschen und im bewegungslosen Gleichgewicht halten. Es kann fraglich sein, ob eine derartig geordnete „Welt" noch eine Welt in dem oben festgelegten Sinne wäre. 93 In der Physik der Gegenwart madit sich audi die entgegengesetzte Tendenz, alle kausale Beziehung auf Tatbestände des Kraftfeldes zurückzuführen, bemerkbar. Dies scheint ebenso unbereditigt zu sein.
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Verunreinigungen des Kausalproblems selbst, die wir hier vermeiden wollen. Sowohl die Kraftfelder als audi die ursächlichen Beziehungen werden durch die Form und durch die materiale Ausstattung der in der Welt existierenden individuellen Gegenstände in ihren näheren Einzelheiten bestimmt. So muß der letzte i n t r a m u n d a n e Grund der Einheitlichkeit der Welt in dem Wesen dieser Gegenstände gesucht werden. Die beiden genannten eventuellen Faktoren der Einheitlichkeit der Welt bilden sozusagen nur das äußere Phänomen, in dem dieser Grund zur Auswirkung gelangt und als solcher erfaßt werden kann. Was aber die ursächliche Struktur der Welt betrifft, so sind hier ihre folgenden Prinzipien zu berücksichtigen. I. D a s P r i n z i p d e r U r s a c h e Das sogenannte Prinzip der Kausalität wird gewöhnlich auf so mannigfache Art formuliert, daß man sich auf die Tradition kaum berufen kann. Außerdem ist es notwendig, dieses alte Prinzip an die Ergebnisse unserer Analyse der ursächlichen Beziehung anzupassen. Dann lautet das P r i n z i p d e r U r s a c h e : J e d e s E r e i g n i s in d e r W e l t h a t s e i n e u n m i t t e l b a r e ( d i rekte oder indirekte) oder seine m i t t e l b a r e nächste U r sache. Was aber diese Ursache ausmacht, ob sie wiederum ein Ereignis ist oder aus Vorgängen besteht, ferner, ob sie einfach oder zusammengesetzt ist, wird in dem Prinzip der Ursache selbst nicht entschieden, weil dies je nach den Umständen in den einzelnen Fällen wechseln kann. Eine besondere Erwägung wird die Frage erfordern, wie es mit der Anwendung dieses Prinzips auf diejenigen Tatsachen steht, die mit dem Vorhandensein eines Kraftfeldes in Beziehung stehen. Erst später werden wir darauf eingehen können. Vorläufig muß lediglieli bemerkt werden, daß bei den Kraftfeldern nicht einzelne, sondern wesensmäßig miteinander verbundene Paare oder ganze Mannigfaltigkeiten der Ereignisse in Betracht kommen, für die eventuell ursächliche Beziehungen gesucht werden müssen. Man hat das (allerdings anders formulierte) Prinzip der Ursache oft angegriffen. Es wird u. a. von denjenigen nicht anerkannt, die den sog. „freien Willen" als ein ursachloses Ereignis betrachten. Andererseits hält man seitens der Naturwissenschaft an dem Kausalprinzip fest, u. a. 142
deswegen, weil man darin die unentbehrliche Bedingung wissenschaftlicher Forschung sieht. Dies ist aber kein hinreichender Grund zur Annahme des Prinzips der Ursache, da es gar nicht notwendig ist, daß eine Wissenschaft von der realen Welt überhaupt existiert. Über die Geltung des Prinzips der Ursache muß in rein ontischer Betrachtung entschieden werden. Und in diesem Sinne muß gesagt werden, daß ein u r s a c h l o s e s E r e i g n i s ü b e r h a u p t u n m ö g l i c h zu sein scheint, da es dem existentialen und formalen Wesen des Ereignisses widerspricht, ursachlos zu sein. Wenn es einen Sinn haben soll, von dem sog. „freien Willen" zu sprechen, so darf dies jedenfalls nicht auf diese Weise geschehen, als ob die Willensentscheidungen (um die es sich dabei in Wirklichkeit handelt) ursachlos wären. Vielleicht gibt es eine andere Fassung des Begriffs der „freien" Willensentscheidungen, bei welcher sich vom „freien Willen" und dessen Möglichkeit in der Welt sprechen ließe, ohne daß man das Prinzip der Ursache aufzugeben genötigt wäre 94 , aber dies gehört nicht zu unserem jetzigen Thema. Andererseits hat man bekanntlich in der Physik der Gegenwart versucht, die Geltung des Kausalitätsprinzips auf makrophysikalische Tatsachen einzuschränken oder es gar in Frage zu stellen (Heisenberg, die Unbestimmtheitsrelation usw.). Auch dieses Problem werden wir später besprechen müssen, vorläufig läßt sich nur bemerken, daß die Annahme der Unbestimmtheitsrelation dem Prinzip der Ursache in dem h i e r bestimmten Sinne nicht widerspricht, sondern mit einem ganz anderen Strukturmoment der ursächlichen Beziehung im Zusammenhang steht, und zwar mit dem Problem der E i n d e u t i g k e i t der Bestimmung der Wirkung durch die Ursache, was z. B. L. de Broglie richtig gesehen hat. 95 II. D a s P r i n z i p der E i n z i g k e i t der u r s ä c h l i c h e n D e t e r m i n a t i o n Wir haben oben die Frage erwogen, ob eine Ursache immer aus einem einzigen E r e i g n i s bestehen muß oder ob neben den Ursachen, die aus e i n e m Ereignis bestehen, es auch Ursachen geben kann, die aus zwei bzw. aus mehreren Ereignissen zusammengesetzt sind. Wir haben uns für die zweite Eventualität ausgesprochen. Dieses Problem darf aber nicht mit dem völlig a n d e r e n Problem vermengt werden, ob ein ErM Vgl. R. I n g a r d e n , „Über die Verantwortung", Philipp Reclam jun. Stuttgart 1970. 9 5 Vgl. seinen Vortrag am Congrès Descartes in Paris 1937.
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eignis mehr als e i n e U r s a c h e haben kann und ob man im Zusammenhang damit nicht eher von zwei oder mehreren Ursachen, statt von e i n e r zusammengesetzten Ursache sprechen sollte. Was das letztere Problem betrifft, scheint Max Verworn 96 sich gegen die Annahme der Einzigkeit der Ursache (bzw. der ursächlichen Determination der Wirkung) ausgesprochen zu haben. Ich habe schon oben den Satz zitiert, in welchem er sich gegen die Annahme einer „einzigen Ursache" ausspricht und es als einen großen Fortschritt der Naturwissenschaft preist, daß dieselbe auf die Nachforschung nach einer „einzigen Ursache" der Vorgänge und Ereignisse angeblich verzichtet hat. An einer anderen Stelle seiner Abhandlung formuliert er aber seinen Standpunkt in dieser Frage auf eine etwas andere und vorsichtigere Weise, woraus wir ersehen können, daß es sich bei ihm eigentlich um etwas anderes handelt. Er schreibt nämlich: „Kein Vorgang oder Zustand in der Welt ist von einem einzigen Faktor allein abhängig." „Alle Vorgänge oder Zustände sind bedingt durch zahlreiche Faktoren (Satz von der Pluralität der Bedingungen)." 97 9 6 Auf den ersten Blick scheint J . St. Μ ί 11 sich gegen die Annahme der Einzigkeit der Ursache ausgesprochen zu haben (vgl. »Syst. d. ded. u. indukt. Logik", Bd. I, S. 506ff.). Aber abgesehen schon davon, daß Mill einen ganz anderen Begriff der Ursache hat, als derjenige, den ich hier bestimmt habe, hat er ein ganz anderes Problem im Auge, als dasjenige, welches ich hier aufwerfe. Es handelt sich bei ihm nämlich um die Frage, ob e i n e u n d d i e s e l b e A r t der Ereignisse, die eine Wirkung von etwas sind, immer eine und dieselbe Art ihrer Ursadien fordert. M i l l beantwortet diese Frage im n e g a t i v e n Sinne, hält es also für möglich, daß Ereignisse derselben Art in einzelnen Fällen Ursachen v e r s c h i e d e n e r Art haben. Dies wird audi ziemlich oft angenommen, obwohl es aber nodi einer Untersuchung bedürfte. Aber dies besagt gar nicht, daß irgendeines von diesen Ereignissen als individuelles Ereignis m e h r e r e voneinander unabhängige und volle U r s a c h e n haben könnte. N u r dieses letzte Problem aber wollen wir hier behandeln. 9 7 Vgl. I.e. S. 10 und S.45. V e r w o r n bekämpft audi die Annahme isolierter Systeme: „Es gibt keine isolierten oder absoluten Dinge. Alle Dinge, d. h.(?) alle Vorgänge und Zustände sind durch andere Vorgänge oder Zustände bedingt. (Satz vom Bedingtsein alles Seins und Geschehens)." Vgl. 1. c. S. 45. D a ich hier audi die „isolierten Systeme" verworfen habe, sdieint in dieser Hinsicht keine Differenz zwischen unseren Standpunkten zu bestehen. Indessen formuliert V e r w o r n seinen Standpunkt an einer anderen Stelle seiner Abhandlung auf eine Weise, die midi zum Auftreten gegen seine Auffassung zwingt. Er sagt nämlidi: „Die Tatsache, daß es keine isolierten Teilsysteme in der Welt g i b t . . . ist eine der fundamentalen Tatsachen unserer Erkenntnis überhaupt. Wenn auch die elektive Tätigkeit unserer Sinnesorgane der naiven Betrachtung die Welt als eine Summe von einzelnen isolierten Dingen v o r t ä u s c h t , so weiß doch die kritische Naturwissenschaft, längst, daß in W i r k l i c h k e i t e i n k o n t i n u i e r l i c h e r Z u s a m m e n h a n g d e r D i n g e nach allen Seiten hin besteht." - Demgegenüber ist aber zu bemerken: die Leugnung der Existenz absolut geschlossener Systeme in der Welt ist der Annahme eines „kontinuierlichen Zusammenhanges der Dinge nach allen Seiten hin" nicht äquivalent und
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Diese letzten Zitate madien es klar, worum es sich bei Verworn eigentlich handelt: er verwirft die (von wem ausgesprochene?) Meinung, als ob die (aktive) hinreichende Bedingung einer Wirkung (immer) ein e i n f a c h e r Tatbestand wäre, und stellt demgegenüber die Behauptung auf, die Bedingung bestehe i m m e r aus mehreren „Faktoren", die alle zusammen erst zum Eintreten der „Wirkung" führen. So lautet seine Auffassung in der von mir hier benutzten Begriffsapparatur. Und dagegen habe ich nichts einzuwenden. Denn auch in dem Falle, wo die Ursache in unserem Sinne aus e i n e m Ereignis besteht, setzt sich die volle aktive hinreichende Bedingung der Wirkung aus der Ursache und den Umständen zusammen. Die Auffassung Verworns widerspricht auch weder der Behauptung, daß die U r s a c h e in u n s e r e m Sinne sowohl einfach als auch zusammengesetzt sein kann, noch aber der jetzt erwogenen Behauptung, daß es immer nur eine e i n z i g e Ursache einer Wirkung gibt. Denn sie ist zwar nur e i n e unter den v i e l e n Bedingungen, die Verworn bei seiner Auffassung im Auge hat, aber sie ist eben immer nur eine e i n z i g e Bedingung, die die Mannigfaltigkeit der übrigen Bedingungen ergänzt, und sobald sie es einmal getan hat, kann nichts anderes mehr diese Ergänzung vollbringen. Das folgt aus der Begriffsbestimmung der Ursache als des E r g ä n z u n g s g l i e d e s der hinreichenden Bedingung der Wirkung. Aber die Behauptung Verworns ist sogar mit der Behauptung verträglich, daß die oft sehr zusammengesetzte aktive hinreichende Bedingung der Wirkung in jedem einzelnen Fall als Ganzes nur eine einzige ist, denn sonst würde sie nicht hinreichend sein. Hinreichend für ein X im Rahmen des realen, zeitlichen Geschehens ist eine Bedingung Y dann und nur dann, wenn in d e m b e t r e f f e n d e n M o m e n t nichts anderes mehr in der realen Welt vorhanden ist (oder sein sollte), was zum Eintreten des X noch beiträgt bzw. noch beizutragen nötig wäre. D . h . : wenn Y vorhanden ist, so folgt audi aus jener Leugnung gar nidit. Daraus, daß es in der Welt keine absolut abgeschlossenen, isolierten Systeme gibt, folgt gar nicht, daß es in ihr audi keine relativ abgeschlossenen Systeme oder „Teilsysteme" gibt. Die „Dinge" können in einem sogar vielseitigen Zusammenhang miteinander stehen, aber daraus folgt nidit, daß dieser Zusammenhang je „nadi allen Seiten" hin besteht. Hier geht V e r w o r n einen Schritt zu weit. U n d wie mir scheint ist seine Übereilung sehr charakteristisch und wird sehr oft begangen. D a ß aber diese dritte Möglichkeit zum Teil und vorübergehend abgeschlossener Systeme keine bloße Möglichkeit ist, muß natürlich eigens gezeigt werden. Ein Argument für diese Möglichkeit gibt Verworn, wie mir scheint, selbst an, indem er von der „elektiven Tätigkeit" unserer Sinne spricht. Diese „elektive Tätigkeit" wäre eben nicht möglich, wenn unser Leib nicht auch ein solches zum Teil und bis zu einem gewissen Grade abgeschlossenes System bildete. Idi werde nodi darauf zurückkommen.
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tritt eo ipso X ein. Wenn wir dagegen annehmen würden, daß zwei verschiedene Bestände Y' und Y" in e i n e m u n d d e m s e l b e n M o m e n t u n d j e d e r f ü r s i c h a l l e i n für das Eintreten desselben X hinreichend wäre, so würde daraus folgen, daß entweder Y' oder das Y" nicht hinreichend ist. Setzen wir voraus, daß Y' eingetreten ist, so müßte es ohne Zuhilfenahme des Y" zum Eintreten von X führen. Dann wäre Y" entbehrlich und überhaupt k e i n e Bedingung von X, also auch nicht eine hinreichende Bedingung; und umgekehrt. Man würde vielleicht darauf entgegnen: Es tut nichts zur Sache, daß Y" entbehrlidi sei oder wäre, denn es handelt sich nicht um eine Entbehrlichkeit oder Unentbehrlidikeit, sondern um dessen Hinreichen. Denn wenn es eintritt, so trägt es seinerseits zum Eintreten von X bei, es übt tatsächlich etwas, obzwar unnötigerweise, aus, und zwar laut Voraussetzung im hinreichenden Maße, und braucht seinerseits keine Mitwirkung seitens des Y'. Indessen ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Denn sie berücksichtigt nicht die offenkundige Tatsache, daß dasselbe (als Individuelles genommen) n i c h t z u g l e i c h z w e i m a l ( d o p p e l t ) getan werden kann. Wirkt das Y' im Sinne des Hervorbringens des X, so kann das Y" d i e s e l b e Leistung des Hervorbringens des X nicht außerdem zum z w e i t e n m a l vollbringen, da sie sozusagen bereits getan ist. Das Y" spielt dann eine vollkommen unwirksame Rolle eines bloßen Zuschauers und ist - entgegen der Voraussetzung - realiter überhaupt k e i n e Bedingung des X. Und dasselbe läßt sich in umgekehrter Richtung sagen, das heißt, wenn man das Y" als „tätige" hinreichende Bedingung des X voraussetzt und dann nach der Rolle des Y' fragt. N u r wenn man vergißt, daß beide Tatbestände z u g l e i c h hinreichende Bedingungen desselben X sein sollen und wenn man das X nicht im Sinne einer individuellen Tatsache, sondern nur im Sinne verschiedener individueller Fälle einer und derselben A r t nimmt, könnte man auf die Einzigkeit der A r t dessen, was hinreichende Bedingung der Gegenstände einer besonderen Art ist, verzichten, aber audi dann nicht auf die Einzigkeit der i n d i v i d u e l l genommenen hinreichenden Bedingung vom etwas Individuellen. Denn auch, wenn Y' zuerst und Y" nachher eintreten würde, kann jedesmal nur ein einziges Y' oder ein einziges Y" beim Hervorbringen des X (als Individuelles genommen) tätig sein. H a t Y' das X im Moment Τ einmal hervorgebracht, so kann Y" das bereits eingetretene X nicht zum zweiten Mal hervorbringen, es sei denn, daß es ein individuelles a n d e r e s X', aber derselben A r t wie X, hervorruft. Aber auch dann übt in diesen beiden Fällen nur ein 146
einziger Tatbestand (zuerst Y' und nachher Y") die Funktion der hinreichenden Bedingung aus. Und dasselbe läßt sich auf die Ursache als den Ergänzungsfaktor der hinreichenden Bedingung übertragen. In beiden Fällen gilt derselbe Satz von der Einzigkeit der aktiven hinreichenden oder der ursächlichen Determination. Wie wir also die Sache wenden, immer läßt sidi unsere Behauptung von der Einzigkeit der ursächlichen Determination aufrechterhalten. Das, wogegen Verworn kämpft, ist nicht die E i n z i g k e i t , sondern die E i n f a c h h e i t der hinreichenden (und nach seiner Auffassung auch notwendigen) Bedingung der Wirkung. Daß aber diese Bedingung immer zusammengesetzt ist, dies ist in seiner Auffassung eine bloße Tatsache, auf die, wie er meint, die Naturwissenschaft stößt und die sich nicht weiter verstehen und begründen läßt; dagegen bei unserem Standpunkt und unserer Bestimmung des Begriffes der Ursache und ihrer Beziehung zu den „übrigen Bedingungen", also zu den „Umständen", ist die Zusammengesetztheit der aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung eine w e s e n s n o t w e n d i g e Folge unserer Auffassung, eine Folge, die sich eben in ihrer Notwendigkeit einsehen läßt. So ist die scheinbare Schwierigkeit, die uns seitens Verworns entgegengehalten werden könnte, beseitigt. III. D i e M ö g l i c h k e i t m e h r e r e r W i r k u n g e n e i n e r U r s a c h e Es wird sich zeigen, daß das Prinzip der Einzigkeit der ursächlichen Determination eine sehr große Rolle in unserer ganzen Problematik spielt. Es muß aber auch korrelativ erwogen werden, ob es bloß e i n e oder mehrere W i r k u n g e n e i n e r Ursache geben kann. Daß die Wirkung zusammengesetzt sein kann, habe ich bereits erwähnt. Müssen aber alle Ereignisse und Vorgänge, die eventuell aus e i n e r Ursache hervorgehen, immer für B e s t a n d t e i l e e i n e r Wirkung gehalten oder können sie als b e s o n d e r e W i r k u n g e n betrachtet werden? Vielleicht würde man geneigt sein zu sagen, es sei Sache der Konvention, ob man sich für die erste oder für die zweite Auffassung entscheidet. Wir würden aber natürlich nur dann der ersten bzw. der zweiten beipflichten, wenn es rein s a c h l i c h e Gründe für eine solche Entscheidung gäbe. Und es scheint uns, daß es zwei solche Momente gibt, welche diese Frage zu entscheiden erlauben. Vor allem scheint es, daß b e i d e Fälle vorkommen können, also sowohl, daß es e i n e zusammengesetzte Wir147
kung einer bestimmten Ursache gibt, als auch, daß zu e i n e r Ursache z w e i oder m e h r e r e Wirkungen - und zwar u n m i t t e l b a r e Wirkungen - gehören. In beiden Fällen sind die in Frage kommenden Ereignisse bzw. Vorgänge sowie ihre Ursache gleichzeitig. Der Z e i t unterschied kann also hier nicht als Kriterium dessen dienen, ob der erste oder der zweite Fall vorliegt. Aber Ereignisse bzw. Vorgänge können vor allem in Hinblick auf die Verschiedenheit ihrer M a t e r i e verschieden sein. So sind ζ. B. der Beginn eines elektrischen Stromes und der Beginn des Erwärmungsprozesses des betreffenden Leiters m a t e r i a l voneinander verschieden und sie bilden auch zwei verschiedene Ereignisse. Aber sie gehören, abgesehen davon, daß sie beide von einer Ursache stammen, noch in dem Sinne zu e i n e m Seinszusammenhang, daß sie Ereignisse in e i n e m und demselben Gegenstande sind, und zweitens, daß sie untereinander kausal verbunden sind. Wenn aber ζ. B. ein erschreckendes Ereignis in zwei verschiedenen Personen zugleich zwei verschiedene emotionale Zustände, übrigens als sehr mittelbare Wirkungen, hervorruft (die material so verschieden sein können, daß das Erlebnis der einen Person emotional negativ gefärbt sein kann, während das Erlebnis der anderen Person positiv gefärbt ist), so sind diese Zustände erstens auf zwei verschiedene Gegenstände verteilt, zweitens aber können sie derart sein, daß sie beide untereinander, obwohl aus e i n e r Ursache hervorgehend, nicht mehr in einem direkten kausalen Seinszusammenhang stehen und im Verhältnis zueinander nicht bloß seinsselbständig, sondern auch voneinander unabhängig sind oder sein können. Wir wollen also sagen: zwei Ereignisse bzw. Vorgänge, aus e i n e r Ursache gemeinsam hervorgehend, bilden Bestandteile e i n e r Wirkung, wenn sie in einem und demselben Gegenstand stattfinden und im Verhältnis zueinander seinsunselbständig sind, oder wenn sie bei ihrer gegenseitigen Seinsselbständigkeit zugleich voneinander seinsabhängig sind. Zwei Ereignisse dagegen, die nicht bloß rein m a t e r i a l verschieden sind, sondern außerdem voneinander unabhängig sind, bilden z w e i verschiedene Wirkungen e i n e r und derselben Ursache. Einen besonderen Fall m e h r e r e r Wirkungen e i n e r Ursache bilden Wirkungen, die nicht bloß im Verhältnis zueinander seinsunabhängig sind, sondern zugleich in zwei verschiedenen, in der Zeit verharrenden individuellen Gegenständen stattfinden. Die Verteilung der Wirkungen auf zwei verschiedene individuelle Gegenstände (insbesondere Dinge) ist zwar empirisch am leichtesten feststellbar, aber sie allein entscheidet nodi nicht darüber, daß sie zwei verschiedene Wirkungen seien, denn sie können trotzdem voneinander abhängig sein. Es kann 148
aber noch einen wichtigen Unterschied zwischen den Wirkungen geben, die gemeinsame Wirkungen e i n e r Ursache sind: Sie können entweder der Art sein, daß die einzelnen von ihnen - jede für sich allein - vermöge ihrer Materie n i c h t ursachebildend sind, 98 oder aber der Art, daß sie - jede für sich allein - ursachebildend sind. Gibt es unter den verschiedenen Wirkungen e i n e r Ursache mindestens zwei ursachebildende Wirkungen, dann haben sie gemeinsam eine V e r z w e i g u n g der Kausalkette zur Folge. So kommen wir zu dem Ergebnis: Während es beim H e r a b s t e i g e n in einer Kausalkette zu den Wirkungen hin zu V e r z w e i g u n g e n in verschiedene Ketten kommen kann, gibt es beim A u f s t e i g e n in einer Kausalkette zu immer weiteren Ursachen hin keine derartige Verzweigungen. Höchstens kann es eventuell zu Z u s a m m e n f a s s u n g e n verschiedener Kausalketten zu e i n e r und derselben Kausalkette kommen, wenn die letzten Glieder aller dieser Ketten sämtlich nicht ursachebildend sind, aber zugleich alle miteinander e i n e zusammengesetzte Ursache bilden können. Die einzelnen zu einer solchen Zusammenfassung führenden Kausalketten finden dann in ihren letzten Gliedern ihren A b s c h l u ß , dagegen die aus dieser Zusammenfassung hervorgehende Kausalkette hat in dieser zusammengesetzten Ursache ihren schlechthinnigen A n f a n g , denn die einzelnen in der Zusammenfassung ihren Abschluß findenden Kausalketten enthalten - jede für sich - keine vollen, sondern lediglich Teilursachen der Glieder der neuen Kausalkette. Aber diese neue beginnende Kausalkette ist natürlich nicht ursachlos - was dem Prinzip der Ursachen widersprechen würde - , sondern ihre Glieder haben von dem Moment der Zusammenfassung an in Richtung auf immer weitere Ursachen lauter zusammengesetzte mittelbare Ursachen. Aber dies stimmt mit dem Prinzip der Ursachen zusammen. Die soeben angedeuteten Möglichkeiten der Gestaltung der Kausalketten werden für uns später von besonderer Wichtigkeit sein. IV. D a s P r i n z i p d e r W i r k u n g e n C. Stumpf erwägt in seiner „Erkenntnislehre", 99 ob man dem Kausalgesetz nicht ein entsprechendes „Effektgesetz" als Korrelat zur Seite stellen soll. Er meint, daß wenn man den Kausalsatz voll explizieren würde, man ihn - wenigstens für physikalische Geschehnisse - folgen9 8 Dies schließt nicht aus, daß sie Bestandteile einer zusammengesetzten Ursache sein können. »» Vgl. Erkentnislehre, Bd. II. Leipzig 1940, § 29, S. 716.
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dermaßen formulieren sollte: „Jedes physikalische Geschehen hat eine Ursache und ist Ursache." Er meint sogar, daß der zweite Teil dieses Satzes gewöhnlich in dem ersten implicite mitenthalten ist oder aus ihm folgt, so daß man den „Effektsatz" nicht als ein neues und unabhängiges Prinzip aufzustellen braucht und es nur nützlich sei, ihn dem ersten, d. h. dem Kausalgesetz als ein „Korrolar" zur Seite zu stellen. Da Stumpf später das „Kausalgesetz" für alles reale Geschehen für gültig erklärt, so muß dasselbe auch bezüglich des korrolaren „Effektgesetzes" gelten. Soll man aber wirklich ein solches „Effektgesetz" aufstellen? Wir wollen dieses Problem ausschließlich in dem Sinne erwägen, der sich aus der oben dargestellten Auffassung der ursächlichen Beziehung ergibt, ohne darauf einzugehen, ob und in welchem Sinne unsere Begriffsbestimmung der Ursache mit derjenigen Stumpfs zusammenstimmt. So lautet für uns das Problem: Hat jedes reale Ereignis in der Welt eine Wirkung? Gehört es zu seinem Wesen, daß es eine Wirkung haben muß, so wie es zu seinem Wesen gehört, daß es eine Ursache haben muß? - Nach dem Vorhergesagten ist es klar, daß wir diese Frage mindestens im relativen Sinne v e r n e i n e n müssen. Sobald wir uns einmal entschieden haben, daß es zusammengesetzte Ursachen geben kann, deren Bestandteile für sich allein n i c h t „ursachebildend" sind und sein können, haben wir eben damit das Problem des sog. „Effektgesetzes" (bei unserer Auffassung der Ursache und der Wirkung) im negativen Sinne entschieden. Daraus, daß sich etwas ereignet, ist nicht einzusehen, daß sich etwas anderes ereignen müsse.100 Es gibt also, wie es scheint, Reihen von Ereignissen bzw. Vorgängen, die den Abschluß e n d l i c h e r (erlöschender) Kausalketten bilden. Würde man aber den „Effektsatz" annehmen, so wären alle Kausalketten (in der Richtung auf immer neue Wirkungen) wesensmäßig unendlich (unabschließbar). Auch alle diejenigen Fälle, in welchen zwei Vorgänge aufeinander wirken und sich gegenseitig abschwächen (die Bewegung eines 100 Freilich sieht K a n t gerade im Wesen der Kausalität die N o t w e n d i g k e i t des sich nach einem Ereignis Ereignens von etwas anderem liegen. Dies mag wohl richtig sein, eben dort, w o das betreffende Ereignis „ursachebildend" ist, also „die Fähigkeit hat, das erste Glied des kausalen Seinszusammenhanges zu bilden". Ist es aber im gleichen Sinne einsichtig, daß jedes Ereignis - eben auf G r u n d dessen, daß es einmal eingetreten ist - das ursächliche Glied eines kausalen Seinszusammenhanges sein muß? Könnte es nicht ebensowohl z. B. A n f a n g eines veränderungslosen Zustandes, des Verharrens im schlichten Gleichgewicht, in einer Ruhelage sein? G ä b e es solche E r eignisse nicht, dann gäbe es keine Phase der Ruhe, des schlichten Seins ohne die U n ruhe des Geschehens und Werdens. U n d ist es wirklich zu leugnen, daß solche v e r ä n d e r u n g s l o s e n Z u s t ä n d e in einer W e l t mindestens möglich sind?
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Körpers und die sie aufhaltenden Faktoren verschiedener Art), so daß es endlich zu einem Gleichgewichtszustand kommt, führen zu einer Sachlage, in welcher es schon keinen der betreffenden Vorgänge gibt und die zwar nicht als Wirkung e i n e s von diesen sich abschwächenden Vorgängen gehalten werden darf, wenn sie auch unzweifelhaft eine Wirkung des Zusammentreffens dieser beiden Vorgänge und ihres sich gegenseitig Abschwächens ist. Das Eintreten dieser Ruhelage als die Abschlußwirkung des gegenseitigen Aufhebens mancher Vorgänge ist ein Ereignis, dem zwar die eine Zeitlang dauernde Ruhe f o l g t , aber diese Ruhe wird durch ihren Anfang nicht kausal hervorgebracht, sondern sie ist die schlichte Fortsetzung eines einmal eingetretenen Zustandes. Dieses Beispiel macht uns vielleicht verständlich, wie es in konkreten Fällen zur Beendigung einer Kausalkette und zum Erlöschen gewisser Vorgänge kommen kann, ohne daß diese Vorgänge selbst neue Wirkungen von sich aus hervorbringen würden. Sowenig aber das „Effektgesetz" im erwogenen Sinne 101 anzunehmen ist, scheint es doch möglidi zu sein, ein anderes Prinzip der Wirkungen zu formulieren, das anzunehmen vielleicht ratsam wäre. Dieses neue Prinzip aber ist nicht mehr mit dem reinen Kausalproblem verbunden und steht weder mit dem Wesen der Ursache, noch mit dem der Wirkung, noch endlich mit dem des Ereignisses allein im Zusammenhang, sondern es kann als Ausdruck einer bestimmten Struktur der Welt betrachtet werden, die aber - wie es scheint - nicht für eine jede Welt notwendig ist. Wir möchten nämlich den folgenden Satz aussprechen: E s i s t a u s g e s c h l o s s e n , d a ß es in e i n e r W e l t b e s t i m m t e r S t r u k t u r in i r g e n d e i n e m M o m e n t a u s s c h l i e ß l i c h a b s o l u t w i r k u n g s l o s e E r e i g n i s s e g ä b e . Gäbe es einen solchen Moment in der Welt, in dem nur solche Ereignisse vorhanden wären, so würde sie von diesem Augenblick an entweder sich in einem veränderungslosen Zustand - und zwar f ü r i m m e r - befinden oder in einem veränderungslosen gleichförmigen Prozeß ohne Ende begriffen sein. Der sich aus dem zweiten Grundsatz der kinetischen Wärmelehre ergebene „Wärmetod" der physikalischen Welt wäre ein solcher Zustand der Welt, bei 1 0 1 Man wird vielleicht einwerfen, daß das „Effektgesetz" dodi in einem Sinne richtig ist. Wendet man es nämlich nidit auf Ursachen und Wirkungen in unserem Sinne, sondern auf die volle hinreichende Bedingung der Wirkung an, dann ist es eine reine Tautologie, daß diese Bedingung eine Wirkung hat. Es fragt sich aber, ob jedes Ereignis oder jeder Vorgang f ü r s i c h a l l e i n eine hinreichende Bedingung von irgendeinem anderen Ereignis oder Vorgang sein muß. U n d dieses müssen wir zusammen mit Verworn leugnen. Dies indessen behauptet das „Effektgesetz" im Sinne Stumpfs.
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welchem das von uns vorgeschlagene „Prinzip der Wirkungen" nicht gelten würde. Gilt aber dieses Prinzip, so bedeutet dies, daß die betreffende Welt sich beständig - wenigstens in irgendeinem ihrer Teile - im Ungleichgewicht befindet. Dann kann es in dieser Welt Teile bzw. Stellen geben, in welchen in einem bestimmten Augenblick oder sogar in ganzen Zeitphasen gar keine ursächlichen Seinszusammenhänge stattfinden, aber es muß in dieser Welt doch immer einen Teil oder eine Stelle geben, in welcher Ereignisse bzw. Vorgänge zu neuen Ereignissen und Vorgängen führen und so audi die Chance haben, auch die übrigen Teile der Welt in Bewegung bzw. in Veränderung zu setzen. Das tatsächliche Stattfinden ursächlicher Seinszusammenhänge in einer bestimmten Zeit oder Zeitphase kann weder für noch gegen die Geltung dieses Prinzips in der betreffenden Welt sprechen. Denn auch dann, wenn in einer bestimmten Zeit sich Ereignisse und Vorgänge eventuell sogar überall in der Welt abspielen würden, die zu immer neuen Wirkungen führen, so würde dies nicht beweisen, daß es sich in dieser Welt i m m e r so verhalten müsse. Es ist dann noch nicht ausgeschlossen, daß eines Tages alle in dieser Welt zur Realisierung gelangenden Ereignisse und Vorgänge sowohl für sich allein als auch in beliebiger Zusammenstellung nichtursachebildend sein werden und daß alles entweder in einem veränderungslosen Zustand oder in einem enormen gleichförmigen Vorgang einschlummert.102 Es müßte in dem materialen Wesen einer Welt bzw. der sie bildenden Gegenständlichkeiten ein Grund liegen, der die eben angedeutete Möglichkeit ausschließt und somit die Geltung des von uns formulierten Prinzips der Wirkungen sichert. Vielleicht ist es andererseits gerade der zweite Grundsatz der kinetischen Wärmelehre, der uns in ein solches Wesen unserer materiellen Welt Einblick liefert, das die Geltung des Prinzips der Wirkungen in dieser Welt ausschließt. Aber dies soll nur als ein Beispiel zur Verdeutlichung der Sachlage dienen, um die es sich bei der Geltung des Prinzips der Wirkungen handelt, um zugleich auch die Möglichkeiten anzudeuten, die mit der Geltung oder mit der Nichtgeltung dieses Prinzips verbunden sind. Wir wollen aber vorläufig gar keine Entscheidung betreffs dieses Prinzips vornehmen, da unsere formalen Betrachtungen uns dazu in keinem Sinne berechtigen. Im Zusammenhang mit dem Prinzip der Wirkungen muß aber noch ein Grenzfall besprochen werden, in welchem dieses Prinzip nicht gel102 w i e Jigs das zweite Prinzip der Wärmelehre für die physikalische Welt voraussieht.
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ten würde und bei dem man doch zu einem absolut veränderungslosen Zustand der Welt oder zu ihrem „Wärmetod" nicht kommen müßte. Denken wir uns, daß es in der Welt kein einzelnes Ereignis und keinen Vorgang, aber auch keinen Bestand an Ereignissen (Vorgängen) geben würde, der fähig wäre, einen anderen Bestand an Bedingungen zu einer hinreichenden Bedingung einer Wirkung zu ergänzen, daß also eine derartige Sonderung innerhalb eines Weltzustandes in zwei verschiedene Tatbestände (in die „Ursache" und die „Umstände") unmöglich wäre und daß trotzdem der g e s a m t e „ W e l t zustand" in einem Augenblick immer zu einem neuen Weltzustand in einem anderen Augenblick führen, und zwar - wie man vielleicht sagen möchte - ursächlich führen würde. Der ge s a m t e Weltzustand in einem Moment t würde mit anderen Worten die „Ursache" 103 eines anderen Weltzustandes im Moment t' sein, der somit Wirkung des ersten sein würde. Es gäbe also im Sinne dieser Auffassung 104 Veränderungen in der Welt, so daß man weder einen ewig veränderungslosen Zustand der Welt, noch aber ihr Verharren in einem ewig gleichförmigen Vorgang (im Sinne etwa des „Wärmetodes") annehmen müßte. Andererseits würde man das Prinzip der Wirkungen in der Anwendung auf e i n z e l n e innerhalb der Welt auftretende Vorgänge, Zustände oder Ereignisse leugnen und doch dieses Prinzip in der Anwendung auf die g e s a m t e n in einzelnen Augenblicken vorhandenen Weltzustände anerkennen. Demgegenüber ist zu bemerken: Praktisch hätte der Begriff der Ursache als eines „Weltzustandes" insofern keine Bedeutung, als niemand solche „Ursachen" in der wissenschaftlichen empirischen Erkenntnis ausfindig machen kann. Denn in den Erfahrungswissenschaften haben wir es immer nur mit Tatsachen zu tun, die einen - gewöhnlich sehr kleinen - A u s s c h n i t t aus dem gesamten Weltzustand bilden. Und so ist es nicht verwunderlich, daß L a p l a c e einen „allwissenden Geist" erfinden mußte, um seinen Standpunkt plausibel zu machen. Tatsache ist es auch, daß in der Praxis der Naturwissenschaft die kausale Betrachtung nicht auf einen „Weltzustand", sondern auf ganz bestimmte, ios Natürlich n i c h t in dem hier vertretenen Sinne, sondern im Sinne z . B . der von J . St. M i 11 für wissenschaftlich gehaltenen, im Grunde aber ziemlich vagen A u f fassung, die sich vielleicht durch die Festlegung präzisieren ließe, es handle sich da um die volle hinreichende Bedingung des Eintretens eines Weltzustandes. 104 Diese Auffassung wurde nicht etwa von mir künstlich konstruiert, um gewisse Eventualitäten in der Theorie der Kausalität zwar zu berücksichtigen, aber sie zugleich als unhaltbar zurückzuweisen. Sie scheint im Gegenteil ziemlich populär zu sein und von Laplace (vgl. seine Abhandlung über die Wahrscheinlichkeit) zu stammen. Idi werde später noch Gelegenheit finden, auf sie zurückzukommen.
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verhältnismäßig kleine - wenn wir von der modernen Astronomie absehen - „Ausschnitte" der Welt gerichtet ist. Dabei erzielt die moderne Naturwissenschaft Einzelergebnisse, die nicht bloß in sich begründet zu sein scheinen, sondern auch den Ausgangspunkt und den Grund für immer weitere Gebiete der realen Welt umfassende Einsichten bilden, obwohl es niemandem gelungen ist, audi nur annähernd einen „Weltzustand" in einem Moment zu bestimmen. Es ist also sehr zweifelhaft, ob es berechtigt sei, sich auf den Weltzustand zu berufen und die Möglichkeit der Abgrenzung eines „Weltausschnittes" zwecks Erfassung einer „Ursache" in unserem Sinne zu leugnen. Dies sind aber nur erkenntnistheoretische und methodologische Bedenken gegen die Auffassung der Ursache als eines Zustandes der gesamten Welt in einem Augenblick. Es ist aber notwendig, auch ontische bzw. ontologische Gründe gegen diese Auffassung vorzubringen. Auf einige von ihnen will ich hinweisen. Vor allem scheint die vorgebrachte Auffassung nur solange plausibel zu sein, als man die beiden in Frage kommenden „Weltzustände", welche als Glieder einer angeblich „kausalen" Beziehung fungieren sollen, als in zwei verschiedenen voneinander entfernten Zeitmomenten stattfindend denkt, und wenn man sich zugleich nicht darum kümmert, wie sich die ganze Sachlage gestaltet, sobald man diese Momente immer mehr aneinander heranrücken läßt. Besinnt man sich aber, daß „Weltzustände", die in zwei voneinander entfernten Zeitmomenten stattfinden, nur als mittelbare „Ursachen" und „Wirkungen" fungieren können und daß jede Mittelbarkeit ihrem Sinne nach eine Unmittelbarkeit voraussetzt, dann stößt man auf all jene bereits besprochenen Schwierigkeiten, die mit dem Kontinuumsproblem und mit der Nichtexistenz benachbarter Punkte bzw. Zeitpunkte zusammenhängen und die uns zum Verzicht auf das Spätersein der Wirkung im Verhältnis zu ihrer unmittelbaren Ursache geführt haben. Das Frühersein der Wirkung im Verhältnis zu ihrer Ursache läßt sich aber nicht annehmen, da dies für die ursächliche Beziehung ganz sinnwidrig ist und nur im ü b e r t r a g e n e n Sinne im Rahmen einer teleologischen Betrachtung - falls man diese zuließe - verständlich wäre. So bleibt nur übrig, die Gleichzeitigkeit der unmittelbaren Wirkung und ihrer Ursache anzunehmen. Sobald man sich aber entschließt, dies zu tun, muß man in jeder Wirklichkeit, d. h. in jedem sogenannten „Weltzustand", in dem der Ursprung eines Geschehens bzw. irgendeiner echten Veränderung liegen soll, gegenseitig abgegrenzte Tatbestände unterscheiden, die im Hinblick auf ihre Rolle beim Stattfinden einer ursächlichen Beziehung verschie154
denartig sind. So muß man in jedem „Weltzustand", der Ursprung einer echten Veränderung in der Welt sein soll, mindestens d r e i Tatbestände (unabhängig davon, ob sie einfach oder zusammengesetzt sind) unterscheiden: 1. denjenigen Tatbestand, der „bereits" existieren muß, wenn der ihn zur aktiven hinreichenden Bedingung ergänzende Faktor eintritt, d. h. denjenigen, welchen man für die „Umstände" hält,105 in denen es zu einem aktiven kausalen Zusammenhang kommt; 2. denjenigen Tatbestand, der die „Ursache" in unserem Sinne bildet; 3. denjenigen Tatbestand, der die unmittelbare „Wirkung" der eben genannten „Ursache" bildet. Soll es also zu einer mindestens radikalen Veränderung in der Welt kommen, die sich eben im Rahmen eines kausalen Seinszusammenhanges vollzieht, so muß ein ganz bestimmter T e i l des gesamten „Weltzustandes" fähig sein, „Ursache" in unserem Sinne von etwas zu bilden bzw. sie zu sein. Es läßt sich dann weder sagen, daß k e i n T e i l b e s t a n d des gesamten „Weltzustandes" fähig sei, sich von dem Rest dieses Weltzustandes realiter zu unterscheiden und eine Ursache von etwas anderem zu sein, noch daß erst der g e s a m t e Weltzustand eine Ursache bilden kann. Und dann müssen sich auch die zwei übrigen Faktoren (die „Umstände" und die „Wirkung" eines und desselben Weltzustandes) von dem die Ursache bildenden Tatbestand darin radikal unterscheiden, daß sie a l l e i n gerade diejenige Funktion nicht auszuüben vermögen, welche die Ursache in ios Es ¡¡¡t nicht notwendig, daß die Umstände die ganze übrige Welt, welche nach Abzug der betreffenden Ursache und ihrer Wirkungen übrigbleibt, umfassen. Sobald man einmal entschlossen ist, sie als von den soeben genannten „Faktoren" der realen Welt realiter unterschieden zuzulassen, muß man auch zustimmen, daß die Umstände eines bestimmten unmittelbaren kausalen Seinszusammenhanges nur einen verhältnismäßig unbedeutenden Ausschnitt der „übrigen" Welt umfassen können, und zwar nur diejenigen Tatbestände, die in der endlichen „nahen" Umgebung der stattfindenden Ursache vorhanden sind und die die Wirkung mitbestimmende Rolle ausüben. Es sind dies (a) gewisse in dem betreffenden Augenblick an der betreffenden Stelle der Welt bestehenden veränderungslosen Z u s t ä n d e gewisser in der Zeit verharrender Gegenstände, (b) gewisse veränderungslose (homogene, gleichförmige) Vorgänge. - Wenn aber zum v o l l e n Bestand der aktiven hinreichenden Bedingung eines Ereignisses außer den „Umständen" und dem betreffenden Ereignis noch gewisse u n g l e i c h f ö r m i g e Vorgänge, und insbesondere Vorgänge, welche einen „ursächlichen Vorgang" kausal zusammensetzen und einen Vorgang höheren Grades bilden, notwendig wären, so gehören sie nicht mehr zu den „Umständen" der betreffenden Ursache, sondern zu der Ursache selbst, die infolgedessen nicht einfach, sondern aus mehreren Ereignissen bzw. aus Phasen ungleichförmiger Vorgänge zusammengesetzt ist. Wenn die Umstände eines unmittelbaren kausalen Seinszusammenhanges ihrerseits in ihrem Sein und Sosein von gewissen in dem gleichzeitigen Weltzustand enthaltenen Tatbeständen abhängig sind, so gehören die letzteren, sofern sie s e l b s t die betreffende Wirkung nicht mitbestimmen, n i c h t zu den „Umständen" dieser Wirkung.
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d i e s e r Gegenwart ausübt. Der Begriff einer „Ursache", welche den g e s a m t e n W e l t z u s t a n d in einem bestimmten Augenblick umfassen würde, ist eigentlich sinnlos, solange man nicht zu der Idee Zuflucht nimmt, man solle die „Wirkung" in einer a n d e r e n Gegenwart, als es diejenige der stattfindenden Ursache ist, suchen. Aber dann muß man entweder benachbarte Zeitpunkte annehmen oder zugeben, daß die ursächliche Beziehung eine bezüglich der Zeit „telepathische", zeitlich distanzhafte, ohne jede Vermittlung irgendeines neuen Faktors stattfindende Beziehung ist. Beides scheint aber ein Unsinn zu sein. Man muß also zu unserer oben dargestellten Auffassung der ursächlichen Beziehung zurückkehren und eben damit mindestens e i n e m Tatbestand innerhalb eines Weltzustandes die Fähigkeit zuschreiben, sich von anderen Tatbeständen desselben Weltzustandes realiter zu unterscheiden, „Ursache" in u n s e r e m Sinne zu sein, wenn man an der Auffassung der Welt als einer Seinssphäre, in welcher ungleichförmige Vorgänge und eben damit Veränderungen im strengen Sinne vorkommen, festhalten will. Aber dann muß man auch unser Prinzip der Wirkungen annehmen, wenn man die Möglichkeit nicht einräumen will, daß die Welt ein ewiger veränderungsloser Zustand oder ein ewiger gleichförmiger Prozeß ausfüllt, wobei es in beiden Fällen zu keinen echten Veränderungen kommt. V. D a s P r i n z i p d e r e i n d e u t i g e n B e s t i m m u n g der W i r k u n g durch die U r s a c h e Das Problem, das mit diesem neuen Prinzip verbunden ist, ist in der heutigen Physik im Zusammenhang mit gewissen Problemen der Mikrophysik aufgetaucht, die letzten Endes ihren Grund in der Einführung des Energiequantums haben,106 aber auch mit gewissen experimentellen Ergebnissen zusammenhängen. Es kam den Physikern vor allem bei der Aufstellung der Unbestimmtheitsrelation (bzw. des Prinzips) Heisenbergs zum Bewußtsein. ιοβ Louis de B r o g l i e hat am Congrès Descartes in Paris 1937 gesagt: „Quand, en effet, dans le domaine atomique, nous voulons de plus en plus serrer de près l'état actuel des dioses pour pouvoir annoncer avec plus de rigoureuse exactitude les phénomènes futurs, nous nous heurtons à impossibilité d'augmenter simultanément la precision de toutes données qui nous seraient nécessaires: c'est là, on le sait, l'une de conséquences essentielles des relations d'incertitude dues à M. Heisenberg." . . . „Les fines et profondes analyses de M. M. Bohr et Heisenberg paraissent avoir bien établi ce point en montrant clairement que ces circonstances . . . sont des conséquences nécessaires de l'existence même du quantum d'Action." [Vgl. Travaux du IX. Congrès International de Philosophie, vol. VII, S. 4 fi.]
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Diesem Prinzip gemäß ist es in der Mikrophysik ζ. B. nicht möglich, zwei verschiedene Größen eines bewegten Elektrons - seinen Impuls und seinen Ort in einem bestimmten Zeitmoment - gleichzeitig genau und damit auch eindeutig zu bestimmen. Da nach Heisenberg Δχ · Api ~ h und Λ
h
ist,107 so wächst die Ungenauigkeit der Bestimmung des Impulses mit dem Kleinerwerden der Ungenauigkeit der Bestimmung des Ortes, an dem sich das zu beobachtende bewegte Elektron im Moment t befindet (bzw. sidi befinden soll), weil h konstant ist. Würde mit dem Kleinerwerden des Δχ auch die Größe h unbeschränkt kleiner werden, so würde der Quotient:
^
bei Δχ-»- 0 und somit auch das Δρ χ nicht
notwendig unbeschränkt wadisen, sondern es könnte sich einem bestimmten endlichen Werte nähern. Die Unbestimmtheitsrelation 108 ist also deutlich eine Folge des Auftretens von Energie- bzw. Wirkungsquanten. Die rein physikalische Sachlage, über deren Bestehen ausschließlich die Physik zu entscheiden hat, gegen welche aber gegenwärtig keine berechtigten Einwände erhoben werden, kann aber auf verschiedene Weise i n t e r p r e t i e r t werden. Gegen einzelne dieser Interpretationen werden scharfe Einwände erhoben, so daß es bis jetzt nicht entschieden ist, welche von ihnen stichhaltig ist. Für unseren Problemzusammenhang kommt nur diejenige Interpretation in Betracht, bei welcher das Problem der Unbestimmtheit der kausalen Beziehung auftaucht.109 Die gewöhnlich gegebenen Interpretationen stellen eine eigen107 Ich referiere die physikalische Sachlage nach der Darstellung, die W. R u b i n o w i c z in seinem zuletzt erschienenen Buche, „Kwantowa teoria atomu" [„Die Quantentheorie des Atoms"] gegeben hat. Vgl. I.e. S. 258ff. Δχ = die bei einem bestimmten Auflösungsvermögen des Mikroskops und der gewählten Wellenlänge des Lichts k l e i n s t e Strecke zwischen zwei im Mikroskop noch unterscheidbaren Punkten, an welchen sich das Elektron befinden kann, dessen Ort in einem bestimmten Moment t x bestimmt werden soll. Δρ χ = die kleinste noch merkbare Differenz zweier Impulsgrößen eines bewegten Elektrons im Moment t x . h = das Energiequantum bzw. Wirkungsquantum. 108 H e i s e n b e r g bedient sidi auch des Ausdrucks : „Ungenauigkeitsrelation". 109 Gewöhnlich wird übrigens behauptet, daß die H e i s e n b e r g s c h e Unbestimmtheitsrelation die Geltung des „Determinismus" in Frage stellt, so u. a. L. de B r o g l i e in dem obenerwähnten Vortrag. Dabei wird aber dieser „Determinismus"
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tiimlidie Mischung ontischer und erkenntnistheoretischer Motive dar. Wir werden hier versuchen, diese beiden Aspekte streng auseinanderzuhalten. Es wird nützlich sein, alle möglichen Interpretationen hier anzuführen, um alle Konsequenzen für das Kausalproblem überblicken zu können. 1. Man kann zunächst behaupten, daß wenn bei der Beobachtung des Elektrons im Gesichtsfeld des Mikroskops e i n Punkt gegeben wird,110 an dem sich das Elektron befindet, sich dasselbe tatsächlich an dem entsprechendem Ort im Raum befindet, und zwar bei einer j e d e n durchgeführten Beobachtung. Es muß dies einfach als letzte „Tatsache" hingenommen werden.111 Würde man sich dafür entscheiden, so würde man einerseits den Gegebenheiten der Erfahrung das Redit der letzten Entscheidung über die Realität zusprechen, andererseits aber übersehen, daß der soeben angegebene Fall nicht das einzig Mögliche sei, sondern daß der bei der durchgeführten Beobachtung sich abspielende reale Vorgang auch dann zu dem im Gesichtsfeld des Mikroskops gegebenen Ergebnis führen kann, wenn in der physikalischen Wirklichkeit Tatbestände vorliegen würden, die um eine durch die Unbestimmtheitsrelation umgrenzte Differenz von dem experimentellen Ergebnis abweichen. Wer das Bestehen der Unbestimmtheitsrelation anerkennt, muß die angegebene Interpretation v e r w e r f e n , da sie eine vorliegende Möglichkeit (unter vielen) für die e i n z i g e hält und die übrigen nicht berücksichtigt. Eben damit muß er auch das absolute Entscheidungsrecht der Erfahauf solche Weise definiert (vgl. z. B. 1. c. S. 4), die bei einer rein ontologisdien Betrachtung überhaupt nidit in Frage kommt, da in der Definition rein erkenntnistheoretisdie Begriffe verwendet werden. Es ließe sich aber zeigen, daß hinter dem so definierten „Determinismus" bzw. „Indeterminismus" zwei verschiedene Auffassungen der kausalen Beziehung stecken, auf die wir nodi unten zurückkommen werden. Bei einer von ihnen kommt eben das Problem der „Unbestimmtheit" - in verschiedenem, noch zu bestimmendem Sinne - in Betracht. no Dieses Gegebensein braudit nidit notwendig im Sinne einer visuellen Wahrnehmung eines psydio-physischen Beobachters genommen zu werden. Es könnte audi durch „objektive." Registrierungseinriditungen (durch eine Photozelle) festgestellt werden, wo das Elektron im Gesichtsfelde des Mikroskops auftritt. Das registrierte Ergebnis muß natürlich, um zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden, letzten Endes durch einen psydio-physisdien Beobachter „abgelesen" werden. m So würde man ohne Zweifel die Sachlage in der „klassischen" Physik auffassen, indem man die Störung, welche der Beobaditungsvorgang in das beobachtete System einführt, entweder überhaupt außer acht lassen, oder sie als „unbedeutend" vernachlässigen würde. Wichtig und interessant ist es aber, daß dieser Fall auch vom Standpunkt der Quantenphysik und bei Berücksichtigung des Einflusses des Beobaditungsvorgangs n i c h t ausgeschlossen ist, obwohl er vielleicht wenig wahrscheinlich ist.
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rungsgegebenheiten leugnen und sich dafür aussprechen, daß diese Gegebenheiten nur im Zusammenhang mit dem Verlauf des realen Beobachtungsvorganges nach ihrer Rolle im Erkenntnisprozeß befragt werden müssen. Dadurch unterliegt ihr Entscheidungsrecht über das dem Gegebenen entsprechende Reale einer wesentlichen Beschränkung, und zwar in den durch die Unbestimmtheitsrelation angegebenen Grenzen. Dies mag zu besonderen wichtigen erkenntnistheoretischen Problemen führen, die im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Quantenphysik zu bearbeiten sind und an sich sehr wichtig und grundlegend sein mögen, die aber zu unserem Hauptthema, dem Kausalproblem, nichts beitragen. 2. U m eine andere Interpretation einzuleiten, könnte man zunächst behaupten, daß das erkenntnismäßige Ergebnis des vollzogenen Beobachtungsverfahrens im Vergleich mit der seinsautonom bestehenden physikalischen Sachlage ungenau und zugleich uneindeutig ist: E i n e m identischen und wegen des angewandten Beobachtungsverfahrens nicht mehr differenzierbaren Erkenntnisergebnis (der im Sehfelde des Mikroskops objektiv feststellbaren Gegebenheit) entspricht „ v o r " dem Mikroskop zwar jeweils ebenfalls e i n objektiv vorhandener physikalischer Bestand (daß sich das bewegende Elektron im Moment tx an einem festbestimmten Ort O x befindet), welcher aber vermittels dieses Beobachtungsverfahrens n i c h t e i n d e u t i g angegeben werden kann, da man von ihm lediglich weiß (und nur dies wissen kann), daß er i r g e n d e i n Bestand aus einer - im Prinzip unendlichen - Klasse gleichmöglicher Bestände ist, deren gegenseitige Differenzen kleiner oder gleich Δ χ sind (deren Größen alle im Intervall (χ — '/ΣΔΧ, Χ + V2AX) liegen). Insofern ist die U n g e n a u i g k e i t des gewonnenen Beobachtungsergebnisses bezüglich der Lage des beobachteten bewegten Elektrons im Moment tx zugleich e i n e U n e i n d e u t i g k e i t 1 1 2 dieses Ergebnisses in dessen Beziehung zu dem objektiv bestehenden Tatbestand, so eindeutig auch und genau bestimmt dieses Ergebnis und andererseits der objektive Tatbestand ist. Bei mehreren Beobachtungen entspricht einer Anzahl g l e i c h e r Ergebnisse eine Mannigfaltigkeit von zu messenden objektiven Tatbeständen, die untereinander nicht notwendig 1 1 2 Das Wort „eindeutig" kann hier nodi vielerlei bedeuten, und zwar: (1) daß der Gegebenheit im Mikroskop e i n e , aber man weiß n i c h t w e l c h e Lage des Elektrons von der bestimmten Mannigfaltigkeit der Lagen entspricht, (2) daß der einen Gegebenheit im Mikroskop m e h r als eine Lage des Elektrons entspricht, wobei es nicht entschieden ist, w i e v i e l e verschiedene Lagen (aus der genannten Mannigfaltigkeit) auf einmal entsprechen sollen. - In unserem Zusammenhang kommt nur der erste Sinn dieses Wortes in Betracht.
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gleich sein müssen (obwohl ihre Gleichheit nicht ausgeschlossen ist und sozusagen „aus Zufall" in einer Reihe von Experimenten gerade realisiert werden könnte), sondern in fest bestimmten Grenzen voneinander a b w e i c h e n können. Mit einer analogen „Ungenauigkeit" bzw. Uneindeutigkeit ist auch das Beobachtungsergebnis der zweiten gekoppelten Größe (des Impulses des bewegten Elektrons) behaftet, wobei die Grenzen der Differenzgrößen der einzelnen Impulse voneinander w a c h s e n , wenn die Grenzen der Klasse der möglichen Lagen des Elektrons e i n g e e n g t werden. 113 Das Beobachtungsverfahren - das übrigens noch verschiedenartig sein kann, aber zu derselben Unbestimmtheitsrelation führt - zeichnet sich hier also durch einen eigentümlichen, nicht zu beseitigenden und zugleich gesetzlich begrenzten M a n g e l des Erkenntnisergebnisses aus, der auf einer in gesetzlich bestimmten Grenzen liegenden Unerkennbarkeit des der jeweiligen Beobachtung objektiv entsprechenden realen Tatbestandes hinsichtlich einer bzw. zweier seiner Bestimmtheiten beruht. D a hier eine A b w e i c h u n g des Erkenntnisergebnisses von dem realen Tatbestande vorliegt, so ist man geneigt, von einem unvermeidlichen F e h l e r der Beobachtung zu sprechen. Inwiefern dies begründet sei, will ich hier nicht entscheiden. Von einem „Fehler" oder einem „Mangel" des Erkenntnisergebnisses darf aber hier nur dann die Rede sein, wenn zugleich an der Behauptung festgehalten wird, daß der physikalische Tatbestand, der der Beobachtung unterliegt, in j e d e r Hinsicht - also insbesondere sowohl hinsichtlich der Impulsgröße als hinsichtlich der Ortsbefindlichkeit des bewegten Elektrons in einem bestimmten Zeitmoment t x - durch nicht mehr differenzierbare „letzte" Qualitätsbestimmtheiten ganz eindeutig 1 1 8 Will man den „Determinismus" so definieren, wie es z.B. L. de B r o g l i e tut (pour le physicien il y a déterminisme lorsque la connaissance d'un certain nombre de faits observés à l'instant présent ou aux instants antérieurs, jointe à la connaissance de certains lois de la Nature, lui permet de prévoir rigoureusement que tel ou tel phénomène observable aura lieu à telle époque postérieure" ; 1. c. S. 4), so muß man bei dieser Interpretation der Heisenbergsdien Relation zur Feststellung eines „Indeterminismus" kommen. Sosehr aber de B r o g l i e diese Definition für die für den Physiker einzig annehmbare hält, spricht sie nicht von etwas, was in der Natur selbst vorgehen soll, sondern bezieht sich auf die (mensdilidie) Erkenntnis der Natur und setzt höchstens etwas voraus, was in der Natur selbst stattfände. Dies letztere, in der „Natur" selbst eventuell Vorhandene interessiert indessen den Philosophen, wenn er die kausale Struktur der Welt herauszustellen sudit. So werde idi in der Folge eine völlig andere Bestimmung des „Determinismus" zu geben suchen. Und diejenigen Folgen, die sidi nadi der Meinung L. de Broglies für den in s e i n e m Sinne genommenen „Determinismus" aus der Unbestimmtheitsrelation ergeben sollen, will idi hier nicht untersuchen.
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und genau ausgestattet ist (allseitig auf eine jeweils e i n z i g e Weise vollbestimmt ist), also wirklich bloß dem e i n e n Werte aus der oben angegebenen Klasse der möglichen Fälle g e n a u entspricht. Hier greift aber eine aus dem Geiste des Positivismus geschöpfte Argumentation ein, welche zunächst das Recht der zuletzt ausgesprochenen Behauptung in Frage stellt und zu einer neuen Interpretation der bei der Unbestimmtheitsrelation vorliegenden physikalischen Sachlage führt. Man fragt nämlich, mit welchem Rechte man an ihr festhalten dürfe, wenn k e i n e Erfahrungsgegebenheit für ihre Geltung angeführt werden kann. Die Eigenschaften des Beobachtungsapparates selbst sind es, die uns garantieren, daß man kein genaueres Ergebnis erzielen könne. Man dürfe also nicht behaupten, daß der durch Beobachtung erzielten Ortsbestimmung jeweils e i n von ihr in den angegebenen Grenzen zwar abweichender, aber doch e i n d e u t i g v o l l b e s t i m m t e r Tatbestand realiter entspricht. Das wisse man eben nicht, da dieser Tatbestand in seiner vollen Bestimmung hinsichtlich der Lage und des Impulses des bewegten Elektrons nie selbst gegeben wird. Und so könne man mit g l e i c h e m Recht behaupten, ein s o l c h e r Tatbestand sei überhaupt n i c h t vorhanden. Und wenn man darauf antworten würde, i r g e n d e i n Tatbestand müsse dem Beobachtungsergebnis doch entsprechen, da es sonst nicht möglich wäre, ein solches Ergebnis zu bekommen, so sei es doch unbegründet, diesen Tatbestand für einen allseitig genau und vollbestimmten zu halten. So muß man zu einer der noch übrigbleibenden Interpretationen greifen. 3. Man darf vor allem - wird man wahrscheinlich sagen - das Ergebnis der Beobachtung nicht allein in der im Mikroskop g e g e b e n e n Lage des bewegten Elektrons im Moment t* sehen. Denn das im Mikroskop Gegebene steht mit dem Auflösungsvermögen des Apparats und mit der angewendeten Wellenlänge des „beleuchtenden" Lichts im Zusammenhang und muß als die Abschlußphase eines realen Vorgangs, der in der Beleuchtung des Elektrons seinen Anfang nimmt, betrachtet werden. Zweitens muß aber das Gegebene in seiner Rolle des Informationsmittels über das „vor" dem Mikroskop objektiv Bestehende beurteilt werden. Dann sieht man erst, daß das Erkenntnisergebnis nicht im positiven, sondern nur im negativen Sinne formuliert werden muß. Es lautet: Es wird durch das im Mikroskop Gegebene und durch die Umstände, unter welchen es zu ihm kommt, erkannt, daß die Lage des bewegten Elektrons im Moment tx in den durch die Heisenbergsche Relation angegebenen Grenzen u n b e s t i m m t ist. Diese „Unbe161
stimmtheit" in gewissen Grenzen gehört zum Sinn der physikalischen Feststellung. Ist es aber so, so muß damit Ernst gemacht werden. Man darf also diese Unbestimmtheit nicht für einen Mangel der Erkenntnisoperation selbst halten, also sagen, daß sie nicht fähig sei, begrifflich genau anzugeben, weldien eindeutig vollbestimmten Ort das Elektron im Moment u einnimmt. Man muß diese Unbestimmtheit für etwas halten, was dem Elektron s e l b s t zukommt. Dieses Elektron i s t unter den angegebenen Bedingungen hinsichtlich seines Ortes und hinsichtlich seines Impulses ü b e r h a u p t n i c h t b e s t i m m t (in den angegebenen Grenzen). Es g i b t k e i n e n bis ins einzelne bestimmten Ort, an dem sich das Elektron im Moment u befindet. Anders gesagt: seiner Stelle im Raum f e h l t diese letzte Präzision. Diese Stelle ist sozusagen nur grosso modo a r t m ä ß i g umgrenzt, aber die letzte Ausgestaltung, die sie bestimmende „niederste Differenz" ist in dem physikalischen Tatbestand einfach n i c h t v o r h a n d e n . Es gibt eine eigentümliche L ü c k e im Seienden selbst, eine - wie idi andernorts sagte - „Unbestimmtheitsstelle" in dem physikalischen Tatbestand selbst, eine solche Unbestimmtheitsstelle dabei, die auf Grund der physikalischen Gesetze nicht beseitigbar bzw. nicht ausfüllbar, wohl aber in ihren Grenzen verschiebbar ist.114 Das reine Beobachtungsergebnis (das Gegebene im Mikroskop) wäre dabei das gleiche wie bei der früher besprochenen Interpretation. 114 Dies scheint freilich etwas Unerwartetes und sogar Unmögliches zu sein, da bei der Bewegung eines beliebigen Gegenstandes b e i d e s : der Impuls (bzw. die Geschwindigkeit) und der Ort des Sidi-Bewegenden u n e n t b e h r l i c h zu sein scheinen. Warum sollte dies und wie könnte es bei einem bewegten Elektron, das auf die beschriebene Weise beobachtet wird, anders sein? Gerade, weil man von der physikalischen Seite bei einer Bewegung beides für natürlich zusammengehörig und zu einem Sichbewegenden zugehörig hält, wird man stutzig, wenn man erfährt, daß es nicht nur nicht gelingen kann, beides eindeutig begrifflich zu bestimmen, sondern audi daß beides in der genauen Ausgestaltung des Wirklichen nicht vorhanden sein soll. Daß man aber angesichts dieser Unmöglichkeit der eindeutigen erkenntnismäßigen Bestimmung auf den Gedanken der o b j e k t i v e n U n b e s t i m m t h e i t des physikalisch Bestehenden kommt, hat seinen Grund - wie mir scheint - einerseits in gewissen positivistischen erkenntnistheoretischen Prinzipien, auf die ich sogleich zu sprechen kommen werde, andererseits aber in gewissen philosophischen Einflüssen, die auf H e i s e n b e r g einwirken konnten. In der Göttinger philosophischen Atmosphäre, aus der ja H e i s en b e r g stammt, wirkten in jenen Jahren die „Ideen zu einer reinen Phänomenologie" H u s s e r l s. H u s s e r l war der erste, der bei der Analyse der Erfahrung auf das Vorhandensein gewisser Unbestimmtheiten im Erfahrenen als dem Korrelat der endlichen Erfahrungsmannigfaltigkeit hingewiesen hat. Später habe ich den Gehalt rein intentionaler Gegenständlichkeiten durch das Vorhandensein der Unbestimmtheitsstellen im Gegensatz zu realen Gegenständlichkeiten zu charakterisieren versucht. (Vgl. Das literarische Kunstwerk, 1931). Als ich dieses Buch im Winter 1927/28 schrieb, hatte ich keine Ahnung, daß sich aus der Heisenbergsdien Rela-
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Das sich in Bewegung befindende und beobachtete Elektron besäße somit nach dieser Deutung zwei „Unbestimmtheitsstellen", die in gesetzlich geregelter Abhängigkeitsbeziehung voneinander stünden. Wie es „an sich", d. h. ohne die im realen Vorgang durchgeführte Beobachtung wäre, ließe sich in diesem Fall überhaupt nicht sagen. Zu dieser selben Interpretation kommt man, wenn man von dem positivistischen Grundprinzip ausgeht, daß man dasjenige und nur dasjenige als seiend anerkennen darf, was entweder in der Erfahrung direkt gegeben ist (sich in ihr „ausweist", würde Husserl sagen) oder auf Grund des Gegebenen in notwendiger Stringenz erschlossen wird. Von da aus ist es leicht, zu der negativen Formulierung dieses Prinzips überzugehen, daß dasjenige, was weder direkt gegeben noch aus den Gegebenheiten der Erfahrung als notwendig erschlossen wird bzw. werden kann, einfach nicht existiert (bzw. nicht als existierend anerkannt werden darf). Wird also in unserem Falle festgestellt, daß auf Grund der ganzen physikalisch unzweifelhaften Sachlage der genaue Ort des Sich-Befindens des bewegten und beobachteten Elektrons nicht angegeben werden kann, so ist das Sich-Befinden des Elektrons an einer exakt determinierten Stelle einfach zu leugnen: es gibt keinen solchen Punkt, an dem sich das Elektron befände, und dieses Elektron ist - unter den angegebenen Bedingungen - hinsichtlich seiner Lage in den angegebenen Grenzen unbestimmt. Dasselbe bezieht sich auf seinen Impuls.115 4. Das gleiche experimentelle Ergebnis würde man aber erhalten, wenn sich das bewegte Elektron in dem Zeitmoment tx, in welchem es mittels der beschriebenen Einrichtung beobachtet wird, auf dem g a n z e n A b s c h n i t t Δχ befände, also, wie die Physiker sagen, „verschwommen" wäre. Je ungenauer die Beobachtung seiner Lage experition Situationen ergeben können, die an die „Unbestimmtheitsstellen" der intentionalen Gegenstände stark erinnern. Erst viele Jahre später habe ich das Heisenbergsdie Budi gelesen, und dann wurde mir sofort klar, daß das von H e i s e n b e r g Dargelegte mit dem Idealismus-Realismus-Problem eng zusammenhängt. 115 H e i s e n b e r g sagt audi ausdrüdtlidi: »Die Unbestimmtheitsrelationen sollen nun nidit etwa nur so aufgefaßt werden, daß es nidit möglich sei, Ort und Geschwindigkeit genau zu k e n n e n oder zu m e s s e η ; vielmehr bedeuten die Unbestimmtheitsrelationen, daß eine Anwendung der Wörter »Ort", „Geschwindigkeit" j e d e n v e r n ü n f t i g e n Sinn verliert unterhalb der angeführten Schranken." (Vgl. Die Rolle der Unbestimmtheitsrelationen in der modernen Physik, Monatshefte f. Mathematik u. Physik, XXXVIII/2, 1931.) Nadi dem Grundsatz des Positivismus aber kann demjenigen, was „jeden vernünftigen Sinn verliert", in der Wirklichkeit nichts entsprechen. Die „Wirklichkeit" im physikalischen Sinne ist in den Grenzen dessen, wofür Δχ · Δρ χ < h wäre, überhaupt unbestimmt.
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mentell angegeben wird, desto länger wird der Abschnitt, auf dem sidh das betreffende beobachtete Elektron im Moment u befindet. Eine analoge „Verschwommenheit" - obwohl sie in diesem Falle viel schwieriger zu verstehen ist - würde auch den Impuls des Elektrons auszeichnen. Wobei wiederum die Grenzen der beiden Verschwommenheiten voneinander abhängig sein und im umgekehrten Verhältnis stehen würden. Die experimentelle Bestimmung (bzw. das in ihr Gegebene im Verhältnis zu dem objektiv Bestehenden) würde audi in diesem Fall ungenau und uneindeutig sein, da nach den Angaben des Mikroskops das Elektron sich in einem bestimmten P u n k t befinden sollte, während es in Wahrheit auf einem ganzen A b s c h n i t t sich erstrecken würde. Es ist nicht meine Absicht, hier zu erwägen, welche von den angegebenen Interpretationen sich letzten Endes als gültig erweisen wird. Jedenfalls wurde jede von den drei zuletzt angegebenen Interpretationen von einzelnen Physikern vertreten. Ob man mit rein physikalischen Mitteln entscheiden kann, welche von ihnen zutreffend ist, ist nicht unsere Sache.116 In unserem Zusammenhang ist das folgende Problem von Bedeutung: Gesetzt, daß die Interpretation (3) richtig sei, so entsteht die Frage, wie sich der kausale Seinszusammenhang beim Vorhandensein der Unbestimmtheitsstellen im physikalischen Sein gestalten würde? Würde er dann überhaupt möglich sein und wenn ja, würde er dadurch irgendwelchen Veränderungen unterliegen? Wie verbinden sich aber diese Fragen mit dem Heisenbergsdien Unbestimmtheitsprinzip? Denn auf den ersten Blick scheint es, daß sich die physikàlisdie Sachlage, aus der sich die Unbestimmtheitsrelation ergibt, mit dem Kausalproblem nicht verbindet. Bezeichnenderweise hat sich aber im Zusammenhang mit dieser Relation in den letzten 20 Jahren ne Wenn man auf einem anderen Wege als dem physikalisch-experimentellen darüber entscheiden könnte, daß das Elektron - wie überhaupt die Welt der Mikrophysik - eine seinsautonome Realität sei, dann könnte man die oben unter (3) angegebene Interpretation verwerfen, da - wie meine Analysen im II. Band dieses Werkes zeigten - die „Unbestimmtheitsstellen" nur in seinsheteronomen, also nichtrealen Gegenständlichkeiten vorhanden sein können. Wenn aber andererseits die Interpretation (3) die einzig mögliche wäre, was, wie wir gesehen haben, nidit der Fall ist, dann würde das Vorhandensein der Unbestimmtheitsstellen im Elektron dafür sprechen, daß wir es in diesem Fall mit einem seinsheteronomen, rein intentionalen Gegenstand zu tun haben, der auf die Begriffsapparatur der Mikrophysik seinsrelativ ist. Wenn dagegen audi dieser Fall sich als unmöglich ausweisen würde, dann blieben noch zwei, wie es scheint, gleich mögliche Interpretationen übrig, und man müßte Mittel finden, um eine Wahl zwischen ihnen durchzuführen. Dies scheint die Aufgabe der Physik selbst zu sein.
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eine ausgiebige Diskussion über den sogenannten „Indeterminismus" in der Mikrophysik entwickelt, wobei freilich auch das Auftreten der sog. „statistischen" Gesetze eine Rolle gespielt hat. Der Zusammenhang zwischen den beiden Problemen kann, wie es scheint, auf verschiedenen Wegen gezeigt werden, u. a. ist aber auch der folgende Gedankengang möglich: Gegen die Interpretation (3) läßt sich nämlich folgende Argumentation vorbringen: Man dürfe eine objektiv vorhandene Unbestimmtheit des bewegten und beobachteten Elektrons nidit annehmen, da die Heisenbergsche Relation Δχ · Δρι ^ h u.a. unter einer Auffassung des Beobachtungsverfahrens hergeleitet wurde, bei welcher ein eindeutig bestimmter (wenn man so sagen darf: punktueller) Ort des Elektrons im Moment t x , an welchem ein Photon das betreffende Elektron trifft, vorausgesetzt wird. Es kommt an einem bestimmten Ort zum elastischen Zusammenstoß zwischen dem betreffenden Elektron und dem Photon, der von dem Elektron abgestoßen und in der Richtung der Achse des Mikroskops zurückgeworfen wird. Dieser Zusammenstoß bildet eben das Ausgangsereignis, mit dem der Vorgang des Passierens des Photons durch das Mikroskop bis auf den „Beobachtungsort" eingeleitet wird. Am Ende dieses Vorgangs findet das Beobachtungsereignis statt, in dem das erkenntnismäßige Ergebnis besteht und das den Beobachter über die Lage des beleuchteten Elektrons im Moment tx informiert. Dieses Ausgangsereignis bildet also die (mittelbare) Ursache dessen, daß im Beobachtungsapparat (Registrierapparat) das Ereignis der Registrierung bzw. der Beobachtung stattfindet. So verflicht sich das Problem der Unbestimmtheitsrelation mit dem Kausalproblem, da bei dem ganzen Verfahren kausale Zusammenhänge beteiligt sind. Von ihrem Beschaffensein hängt es letzten Endes ab, wie sich das Beobachtungsereignis gestaltet und in welchem Verhältnis es zu dem Ausgangsereignis bzw. zu den Eigenschaften des an diesem Ausgangsereignis (an dem Zusammenstoß des Elektrons mit dem Photon) beteiligten Elektrons steht. Die Verfechter der Interpretation (3) der physikalischen Sachlage, die zu der Unbestimmtheitsrelation führt, würden aber vielleicht sagen, man könne zwar dem zustimmen, daß der Zusammenstoß des Elektrons mit dem Photon das Ausgangsereignis des Beobachtungsvorgangs bilde, dessen Wirkung eben das Gegebensein des Elektrons „im" Mikroskop sei; aber dies beweise nodi nicht, daß sich dieses Ausgangsereignis an einem hinsichtlidi des Ortes eindeutig und voll bestimmten 165
Elektron ereignen müsse. Eben der Unbestimmtheitsrelation gemäß sei es sinnlos zu vermuten, es gäbe einen solchen bis ins einzelne vollbestimmten Ort, an dem der erwogene Zusammenstoß stattfände. Der letztere geschehe eben an einem durch eine letzte Differenz nidit vollbestimmten Orte, und dies sei vollkommen ausreichend, damit es an der Beobachtungsstelle zur Gegebenheit eines hinsichtlich des Ortes (und des Impulses?) vollbestimmten Elektrons käme. Denn gerade die Unbestimmtheit des Ortes des Elektrons im Moment t* sei die n o t w e n d i g e Voraussetzung dessen, daß der Vorgang der Beobachtung so verläuft, wie es oben beschrieben wurde, d. h. daß das Endergebnis die Gegebenheit der Lage des Elektrons in e i n e m b e s t i m m t e n Punkte bilde. Ist der Zusammenstoß die Ursache dieses Gegebenseins, so bedeutet dies nichts anderes, als daß es in gewissen Fällen, ζ. B. auf dem Felde der Mikrophysik, Ursachen mit Unbestimmtheitsstellen geben könne. Infolgedessen müsse auch die Auffassung des kausalen Zusammenhanges einer Revision unterzogen werden und es müssen aus der Tatsache der Unbestimmtheitsrelation entsprechende Konsequenzen für die Theorie der kausalen Beziehung gezogen werden. Dies wolle man eben tun, indem man einen „Indeterminismus" im Rahmen der Mikrophysik anzunehmen geneigt sei. Nehmen wir dies hin, suchen wir aber das ganze Problem auf dem Boden der von uns entwickelten Begriffsapparatur zu behandeln, ohne an den von den Physikern oft verwendeten Begriff des „Determinismus", den wir oben in der Definition L. de Broglies angeführt haben, anzuknüpfen. Denn es ist notwendig, das ganze Problem in rein ontischer bzw. ontologischer Fassung zu behandeln, ohne sich in erkenntnistheoretische Probleme und oft vorkommende Umdeutungen des ursprünglich ontischen Problems zu verwickeln. Sehen wir dabei auch davon ab, daß - unseren früheren Betrachtungen gemäß - Tatbestände, welche Unbestimmtheitsstellen in sich enthalten, nicht real sein können und somit auch keine Glieder der kausalen Beziehung bilden können. Denken wir uns also für einen Augenblick, daß die Glieder dieser Beziehung, und insbesondere die Ursache, Unbestimmtheitsstellen in sich enthalten können. Dann fragen wir nur, ob das Vorhandensein einer Unbestimmtheitsstelle in einem Tatbestande, der Ursache von etwas anderem sein soll, eine Folge, und gegebenenfalls welche, für die Bildung der Wirkung hat. Wird sich die in der Ursache vorhandene Unbestimmtheitsstelle in ihre Wirkung fortpflanzen oder wird sie in ihr verschwinden? Wie könnte eine etwaige Fortpflanzung der Unbestimmtheit vonstatten gehen? 166
Die erste Antwort, die sich da aufdrängt, wird wohl die sein, daß wenn die Wirkung in ihrem Beschaffensein durch die Ursache bestimmt wird, dies nur davon herrühren kann, was in der Ursache selbst voll und positiv bestimmt wird. Das heißt: die Ursache kann nur in derjenigen Hinsicht „wirken", in welcher sie selbst eindeutig und positiv bestimmt ist. Wäre sie - laut der Voraussetzung - in einer Hinsicht im strengen Sinne u n b e s t i m m t , so daß sie weder das Moment M noch sein Gegenteil, d.h. keine Momente derselben A r t , die an Stelle von M treten könnten, enthielte, so wäre sie in ihrem Beschaffensein einfach um dieses Moment - und um alles, was als dessen Gegenteil an seine Stelle treten könnte - ä r m e r , so daß auch ihre Wirkungsfähigkeit sich in demselben Maße v e r k l e i n e r n würde. Es scheint somit, daß auch die Wirkung nur diejenigen Momente ihrer Bestimmung haben könne, die der eindeutigen und positiven Bestimmung ihrer Ursache entsprechen, daß sie also in dieser Hinsicht positiv bestimmt wäre und k e i n e Unbestimmtheitsstellen in sich enthielte, welche von ihrer Ursache herrühren sollten, obzwar sie in ihrer Beschaffenheit ä r m e r sein müßte, als wenn sie aus einer vollbestimmten Ursache hervorgehen würde. Ist dies indessen nicht eine voreilige Entscheidung? Besteht die Unbestimmtheitsstelle in einer Gegenständlichkeit bloß darin, daß der letzteren gewisse Bestimmungen einfach fehlen und daß sie infolgedessen in ihrem Beschaffensein um sie ärmer sei? Offenbar nicht. Denn dann müßte eine jede, auch die in j e d e r Hinsicht vollbestimmte Gegenständlichkeit, unendlich viele „Unbestimmtheitsstellen" enthalten, da in ihr gerade so viele Bestimmungsmomente n i c h t auftreten, als es Momente gibt, die von den ihr zukommenden Bestimmungen ausgeschlossen werden. Eine echte „Unbestimmtheitsstelle" beruht indessen darauf, daß einer Gegenständlichkeit die n i e d e r s t e Differenz einer Bestimmung überhaupt f e h l t , deren a r t m ä ß i g e s Moment in dem vollen Beschaffensein dieser Gegenständlichkeit e n t h a l t e n ist, oder daß eine artmäßige Bestimmung fehlt, deren gattungsmäßiges Moment in dem Beschaffensein dieser Gegenständlichkeit auftritt. Bei einem bewegten Elektron könnte die genau bestimmte konkrete Geschwindigkeit eine „Unbestimmtheitsstelle" bilden, indem jede niederste Differenz der Geschwindigkeit fehlt, aber das Artmoment der Geschwindigkeit überhaupt enthalten ist, da dieses Elektron sich eben in Bewegung befindet und dies ohne das artmäßige Geschwindigkeitsmoment nicht möglich ist. Nun würde man sagen, auch dieses artmäßige „allgemeine" Moment der Geschwindigkeit als solcher ist ohne irgendeine konkrete, individuelle Größe dieser Geschwindigkeit nicht möglich, es könnte also in dieser 167
letzten Hinsicht keine „Unbestimmtheitsstelle" im bewegten Elektron geben. Dem müßten wir natürlich zustimmen, sofern es sich um seinsautonome und insbesondere um reale Gegenständlichkeiten handelt. Dies gilt aber nicht für seinsheteronome, rein intentionale Gegenständlichkeiten. Und da das Problem der Seinsweise des bewegten Elektrons in unserer jetzigen Erwägung ausgeschlossen wurde, so dürfen wir von vornherein nicht entscheiden, daß es in dem bewegten Elektron keine Unbestimmtheitsstellen aus bestimmten existential-ontologischen Gründen geben kann, wenn dafür bestimmte physikalische Gründe zu sprechen scheinen. Wir haben auch beschlossen, lediglich die Möglichkeit der Fortpflanzung der Unbestimmtheitsstellen in der Wirkung zu erwägen, f a l l s sich derartige Unbestimmtheitsstellen in der Ursache befinden sollten. Und in dieser Situation müssen wir sagen: wird das Wesen einer „Unbestimmtheitsstelle" richtig erfaßt, dann scheint aus dem Vorhandensein einer entsprechenden Unbestimmtheitsstelle in der Ursache sich das Vorhandensein einer entsprechenden Unbestimmtheitsstelle in der Wirkung zu ergeben. Es gilt natürlich, was wir bereits festgestellt haben, daß die Ursache nur vermöge ihrer eindeutig bestimmten positiven Momente wirkt und hinsichtlich derjenigen Momente, die ihr fehlen, nicht wirken kann. Aber gerade deswegen pflanzt sich die Unbestimmtheitsstelle in der Ursache in der Wirkung derselben fort. Denn dem zu der betreffenden Unbestimmtheit zugehörigen eindeutigen Art- bzw. Gattungsmoment entspricht in der Wirkung ebenfalls ein analoges Artmoment, das ebenso wie das betreffende Artmoment in der Ursache, durch niederste Differenz nicht ergänzt und damit nicht voll bestimmt wird, woraus sich eben eine Unbestimmtheitsstelle in der Wirkung ergibt. Und dasselbe betrifft die Wirkung der Wirkung usw. Erscheint einmal in einer Kausalkette eine Unbestimmtheitsstelle, so sind die Unbestimmtheitsstellen in den weiteren Gliedern dieser Kette nicht mehr zu beseitigen. Die kausale Beziehung als solche vermag sie weder zu beseitigen noch sie von sich aus einzuführen. Das, was sie sozusagen in der Ursache vorgefunden hat, übermittelt sie auf getreue Weise in die Wirkung, falls in realen Gegenständlichkeiten überhaupt Unbestimmtheitsstellen möglich wären. Denn bei der jetzt erwogenen Deutung ist die kausale B e z i e h u n g in sich selbst n i c h t unbestimmt und zeichnet sich als solche aus durch eine e i n d e u t i g e Z u o r d n u n g dessen, was Wirkung ist, zu dem, was Ursache ist. Ist also das Heisenbergsche Unbestimmtheitsprinzip für e i n e n Moment richtig, so gilt es auch für a l l e späteren Momente. Ob es aber auch nur für einen Moment gilt, darüber haben wir nicht zu entscheiden. Wenn es aber gilt, dann 168
muß - bei der jetzt erwogenen Interpretation - festgestellt werden, daß es zu keinerlei Änderung in der allgemeinen Auffassung der Glieder der ursächlichen Beziehung führt. Indessen scheint das von uns gewonnene allgemeine Ergebnis bezüglich der Fortpflanzung der Unbestimmtheitsstellen in den Gliedern der kausalen Beziehung gegen die Anwendung der Interpretation (3) auf die der Unbestimmtheitsrelation Heisenbergs zugrunde liegende physikalische Sachlage zu sprechen. Denn gibt es in dem bewegten (beobachteten) Elektron eine Unbestimmtheitsstelle (in unserem, bei der Interpretation (3) angewendeten Sinne) bezüglich des Ortes, an dem sich das Elektron im Moment t x befindet, so müßte - unserer Erwägung gemäß - eine analoge Unbestimmtheitsstelle in dem im Mikroskop Gegebenen vorhanden sein. Indessen soll laut der physikalischen Theorie eben diese Unbestimmtheitsstelle in diesem Gegebenen nicht vorhanden sein. Dies scheint gerade der Sinn der Heisenbergschen Feststellung zu sein, daß die Eigenschaften der experimentellen Apparatur und des sich in ihr vollziehenden realen Vorgangs zu dem eigentümlichen K o n t r a s t zwischen dem Gegebenen im Mikroskop und dem vor dem Mikroskop sich abspielenden Ereignis führen: hier eine genau umgrenzte Unbestimmtheit, dort die genau angegebene Lage des gesehenen Elektrons. Nach dieser Feststellung müßte also die in der Ursache auftretende Unbestimmtheitsstelle in der Wirkung v e r s c h w i n d e n und sich n i c h t - wie unsere Erwägung fordert - in der Wirkung weiter fortpflanzen. Gilt die Behauptung von der Fortpflanzung der Unbestimmtheitsstellen in der Wirkung und gibt es in der in unserem Fall tatsächlich gegebenen Wirkung k e i n e Unbestimmtheitsstelle, so kann es auch keine Unbestimmtheitsstelle in der Ursache (in dem durch den Photon gestoßenen Elektron) geben. Die ihm auf Grund der physikalischen Forschung zugewiesene „Unbestimmtheit" muß also einen anderen Sinn haben. Die Interpretation (3) fällt eben damit fort. Indessen könnten die Vertreter dieser Interpretation sie noch zu verteidigen suchen, und zwar indem sie sich gegen eine Auffassung wenden, als ob das experimentelle Ergebnis, d. h. das im Mikroskop Gegebene keinerlei Unbestimmtheitsstelle aufwiese. Man müsse - würden sie etwa sagen - im Gegenteil zugeben, daß die im bewegten beobachteten Elektron vorhandene Unbestimmtheitsstelle sich wirklich in die Wirkung, d. h. in das im Mikroskop Gegebene fortpflanzt. Wenn man dies leugnet, so liegt der Grund dessen nur darin, daß man sich die Frage nicht vorgelegt hat, wie das im Mikroskop Gegebene durch den Beobachter erfaßt wird. Berücksichtigt man dies aber, so ist es klar, 169
daß das im Mikroskop Gegebene wiederum ein physikalisches reales Ereignis ist, das in einem neuen Beobachtungsvorgang, sei es vermittels der Photozelle, sei es vermittels des menschlichen Auges, erfaßt werden muß. An diesem physikalischen bzw. physiologischen Vorgang müssen letzten Endes bewegte Elektronen teilnehmen. Gilt die Heisenbergsche Relation bezüglich der bewegten Elektronen „vor" dem Mikroskop, so gilt sie auch bezüglich der Elektronen, die am physiologischen Vorgang teilnehmen. Also auch in diesem neuen Beobachtungsvorgang gibt es Unbestimmtheitsstellen an den in ihm teilnehmenden Elektronen. Die Interpretation (3) läßt sich also nicht bloß auf das Gegebene im Mikroskop, sondern auf alle Stellen des Beobachtungsvorgangs, solange wir es noch mit einem physikalisch-chemischen Prozeß zu tun haben, anwenden. Darf man aber diese Argumentation gelten lassen? Es erhebt sich gegen sie der Vorwand, daß, solange das Gegebene im Mikroskop selbst nicht erfaßt wird, die Heisenbergsche Relation nicht feststeht, da man nicht weiß, wie dieses Gegebene eigentlich beschaffen sei. Infolgedessen darf man sie bei der Betrachtung des weiteren realen Vorgangs, der sich bei dem Beobachtungsverfahren im Auge und im Nervensystem vollzieht, nicht von vornherein voraussetzen, besonders in der jetzt erwogenen Interpretation (3). Setzt man sie aber nicht voraus, dann ist es nicht sicher, wie sich die Glieder der kausalen Beziehung in den weiteren Phasen des Beobachtungsverfahrens hinsichtlich ihrer allseitigen Bestimmtheit gestalten, so daß die Geltung der in der Interpretation (3) genommenen Heisenbergschen Relation auf diesem Wege unerweisbar zu sein scheint. Die ganze Erwägung über die Fortpflanzung der Unbestimmtheitsstellen in der kausalen Kette läßt sich dabei nur unter einer Voraussetzung durchführen, deren Nichtgeltung das gewonnene Ergebnis zunichte macht. Man setzt nämlich bei ihr voraus, daß das Auftreten einer Unbestimmtheitsstelle in demjenigen Ereignis, das Ursache einer Wirkung sein soll, es an der Ausübung seiner Funktion als einer Ursache gar nicht stört, daß es also trotz dieser Unbestimmtheitsstelle zu einer kausalen Beziehung überhaupt kommt. Darf dies aber ganz allgemein behauptet werden? Kann es nicht Fälle geben, in welchen das Vorhandensein einer Unbestimmtheitsstelle in dem Ereignis bzw. in dem Vorgang, von dem wir erwarten, daß es Ursache von etwas anderem sein wird, dieses Ereignis bzw. diesen Vorgang der Wirkungsfähigkeit beraubt? Oder muß es nicht sogar dazu kommen, daß dieses Ereignis gar nicht fähig ist, eine Wirkung zu haben? Natürlich, wenn es in ein170
zelnen Fällen zu einer solchen Unfähigkeit kommen sollte, in anderen dagegen nicht, und zwar lediglich deswegen, weil erst die besondere materiale Qualifikation dessen, was an Stelle der Unbestimmtheit treten würde, falls die Unbestimmtheitsstelle beseitigt sein würde, das betreffende Ereignis befähigen würde eine Wirkung zu haben - so wäre das allgemeine Problem, das hier vorliegt, nicht gelöst und es könnte auch dann nicht gelöst werden. Nur wenn es sich in rein formaler, ontologischer Betrachtung entscheiden ließe, daß ein Ereignis (bzw. Vorgang), das mit Unbestimmtheitsstellen behaftet ist, trotz dieser Eigentümlichkeit Ursache einer Wirkung sein kann oder daß dies ganz allgemein genommen ausgeschlossen ist, würden wir ein für unsere Zwecke zufriedenstellendes Ergebnis erlangen. Die Ursache in unserem Sinne ist der Ergänzungsfaktor zu der aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung. 117 Diese Bedingung soll „hinreichend" sein. Darin liegt zweierlei: 1. daß kein n e u e s Element zum Hervorrufen der Wirkung nötig ist, die hinreichende Bedingung ist in diesem Sinne „komplett", 2. daß aus ihrem Gesamtbestand nichts wegfallen darf, da dann die Bedingung nicht hinreichend sein und die Wirkung audi nicht eintreten würde. 118 Die hinreichende Bedingung ist das Minimum, das eintreten muß, wenn die Wirkung eintreten soll, sie ist nicht „verminderbar". Und die „Ursache" ist es eben, was sie „komplett" macht. Weder aus ihr selbst, noch aus den bereits vorhandenen Umständen, zu denen sie sich gesellt, um mit ihnen zusammen die aktive hinreichende Bedingung ihrer unmittelbaren Wirkung hervorzubringen, darf etwas entfallen, ohne gegebenenfalls durch ein anderes äquivalentes Element ersetzt zu sein, wenn die Leistungsfähigkeit der aktiven hinreichenden Bedingung bewahrt werden soll. Nun wird aber 1 1 7 Natürlich haben wir hier lediglich die unmittelbare Wirkung im Auge. n e D ¡ e Ursadie ihrer unmittelbaren Wirkung ist aus diesem Grunde in ihrem individuellen Stattfinden, also im rein existentialen Sinne für das Eintreten der Wirkung u n e n t b e h r l i c h . Aber daraus folgt nodi nicht, daß eine ihrer Materie nach g l e i c h e Wirkung immer nur durch eine material gleiche Ursadie hervorgerufen werden kann. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich eine material anders bestimmte hinreichende Bedingung finden ließe, die trotz ihrer Andersheit die gleiche Wirkung nach sich ziehen würde. Gibt man einmal zu, daß die aktive hinreichende Bedingung aus mehreren Faktoren zusammengesetzt sein kann, dann ist die Möglichkeit gegeben, daß verschiedene Kombinationen von elementaren Bestandteilen zu gleicher Gesamtleistungsfähigkeit führen, die für das Hervorbringen der Wirkungen eines bestimmten Typus hinreichend ist. Andererseits kann es natürlich auch Fälle geben, in welchen nur e i n e derartige Kombination von Bestandteilen einer hinreichenden Bedingung der Wirkung einer bestimmten Art existiert und durdi nichts material Verschiedenes ersetzt werden kann. Dann ist diese Bedingung nicht bloß hinreichend, sondern auch wesensnotwendig für das Eintreten der Wirkung der betreffenden Art.
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bei der oben durchgeführten Erwägung gefordert, daß das Ereignis oder der Vorgang, der Ursache von etwas anderem sein soll, in sich eine „Unbestimmtheitsstelle" enthält. Wird dadurch der hinreichenden Bedingung nicht etwas entzogen, ohne das sie nicht hinreichend sein kann? Es bestehen da zwei Möglichkeiten: Entweder gehört jenes Moment der Ursache, welches die betreffende Unbestimmtheitsstelle ersetzen würde, falls dieselbe nicht vorhanden wäre, zu den die betreffende aktive hinreichende Bedingung wirklich e r g ä n z e n d e n Momenten, oder es gehört nicht zu ihnen. Im ersten Fall führt sein Fehlen dazu, daß die betreffende Bedingung unzureichend wird und daß es eben damit überhaupt zu keiner Wirkung kommt. Im zweiten dagegen hat das Fehlen jenes Momentes, also das Vorhandensein der entsprechenden Unbestimmtheitsstelle, für das Eintreten und für die Beschaffenheit der Wirkung überhaupt k e i n e Bedeutung. Die betreffende hinreichende Bedingung ist ja in diesem Fall ohne jenes Moment voll („komplett") und reicht von selbst zum Eintreten der Wirkung hin. Die Unbestimmtheitsstelle gehört hier einfach nicht zu der Ursache; wenn das, woran sie sich findet, ohne sie Ursache sein könnte, dann ist dies, dem sie zugehört, k e i n e U r s a c h e mehr. Würde aber - wie es in der Interpretation (3) gefordert wird - die Unbestimmtheitsstelle Momente der niedersten individuellen materialen Bestimmung umfassen, deren Artmoment - eben die Geschwindigkeit überhaupt, der Impuls überhaupt, das Sich-an-einem-Ort-Befinden überhaupt usw. - in dem Ereignis, welches Ursache einer Wirkung sein soll, bestimmt wäre, so wäre es unmöglich, daß diese (fehlende) niederste individuelle materiale Bestimmung („Differenz") nicht zu den ergänzenden Momenten der aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung gehörte. Beim Fehlen jener Momente käme es also überhaupt zu gar keinem kausalen Seinszusammenhang. Die Bewegung eines Elektrons also, die entweder hinsichtlich der niedersten Differenz ihrer Geschwindigkeit oder hinsichtlich der genauen Bestimmung des Ortes, an dem sich zu einem Moment das betreffende sich bewegende Elektron befinden sollte, n i c h t bestimmt wäre, könnte überhaupt nicht als Glied eines unmittelbaren kausalen Seinszusammenhanges auftreten, wo sie bei vorgegebenen Umständen m i t diesen Bestimmungen als Ursache auftreten könnte. Wenn es sich mit allen Elektronen bzw. anderen sich bewegenden Elementarteilchen so verhielte und wenn alle Geschehnisse in der Mikroweit in Bewegungen dieser Teilchen beständen oder sie mindestens zu ihrem Vollzug forderten, dann gäbe es in einer so aufgebauten Mikroweit überhaupt k e i n e kausalen Seinszusammenhänge. Erkennt man aber in dieser Welt solche 172
Zusammenhänge, dann dürfte die Heiseilbergsche Unbestimmtheitsrelation nicht so gedeutet werden, wie dies hier vorgenommen wurde. Befänden wir uns von vornherein in einer bloß fiktiven Welt rein intentionaler Gegenständlichkeiten, dann wären wir auch vollkommen frei und könnten uns wohl eine Welt ausdenken, in weldier es trotz der Unbestimmtheitsstellen in dem die Ursache bildenden Ereignis zu kausalen Seinszusammenhängen käme. Kein Physiker - im Gegensatz vielleicht zu den konventionalistisch eingestellten Mathematikern - würde sich aber die v ö l l i g e F r e i h e i t in der Bestimmung der physikalischen Grundbegriffe und der unter ihnen angenommenen Gesetze zuschreiben wollen, und insbesondere eine Freiheit, die vor der Annahme widerspruchsvoller Tatbestände nicht zurückschrecken würde. Auch im Rahmen der physikalischen Theorie fühlt er sich durch die Gegebenheiten der Erfahrung und durch die ursprünglichen „logischen" (wie man gewöhnlich sagt, im Grunde aber o n t o l o g i s c h e n ) Gesetze gebunden. So müßte er sich bei u n z w e i f e l h a f t e r Feststellung der Unbestimmtheitsstellen in der Bewegung eines Elektrons entschließen, diese Bewegung (bzw. dieses sich bewegende Elektron) aus den kausalen Seinszusammenhängen mit anderen in der Mikroweit stattfindenden Ereignissen und Vorgängen auszuschließen. Wurde aber je eine solche Unbestimmtheitsstelle im physikalischen Sein selbst unzweifelhaft festgestellt? Oder ist es nur eine mit völlig anderen Tatsachen verbundene D e u t u n g , die zu unnötigen Schwierigkeiten führt? Dies ist aber schon eine rein physikalische Angelegenheit, in die wir uns nicht einmischen wollen. ad 2b) Erst die zweite Deutung der Weise, wie sich die Unbestimmtheit der Ursache in der kausalen Beziehung äußern könnte, führt zu einem Ergebnis, in welchem die kausale B e z i e h u n g s e l b s t in einem anderen Lichte zu stehen scheint, da hier die e i n e i n d e u t i g e Z u o r d n u n g zwisdien demjenigen Ereignis, das Ursache ist, und demjenigen Ereignis, das Wirkung ist, überhaupt f e h l e n würde. Wäre die kausale Beziehung eine bloße Z u o r d n u n g zwischen gewissen Beständen, ohne daß zwischen ihnen irgendein engerer und insbesondere ein Seinszusammenhang bestände, dann wäre es bis zu einem gewissen Grad Sache der Konvention, ob wir in der ursächlichen Beziehung eine eineindeutige oder eine ein-vieldeutige Zuordnung — wie dies aus der Auffassung de Broglies zu folgen scheint119 - annehmen würden. Indes119 Vgl. 1. c. S. 7. „Ii nous parait, au contraire, plus naturel de dire qu'en Physique quantique, il n'y a plus déterminisme au sens précisé plus haut, mais qu'il y a 173
sen ist dem nicht so. Wenn in der kausalen Beziehung eine ein-eindeutige Zuordnung vorhanden ist, so liegt es an der Art des Seinszusammenhanges zwischen der Ursadie und ihrer unmittelbaren Wirkung selbst; würde diese Zuordnung fehlen, so könnte es nicht anders geschehen, als daß dies im Wesen dieser Beziehung selbst ihren Grund hätte. Nun, es gibt verschiedene Begriffe der Ursache, und wir können sie hier nicht alle danach untersuchen, ob es unter ihnen vielleicht einen solchen gibt, bei dem die ein-vieldeutige Zuordnung zwischen der Ursache und ihrer Wirkung angenommen werden darf. Wir können nur fragen, ob bei dem hier von uns zugrunde gelegten Begriff der Ursache die ein-vieldeutige Zuordnung zwischen Ursache und Wirkung möglich sei. Wenn nicht, so würde dies nur heißen, daß dort, wo eine solche ein-vieldeutige Zuordnung vorliegt, k e i n e ursächliche Beziehung vorliegen kann. Ist aber die Ursache dasselbe, wie der Ergänzungsfaktor der aktiven hinreichenden Bedingung der unmittelbaren Wirkung, eine Bedingung, die das Bedingte nicht bloß hervorbringt, sondern es auch in seinem Beschaffensein bestimmt, so kann die Zuordnung zwischen dem, was Ursache, und dem, was Wirkung ist, keine andere als eine ein-eindeutige sein. Wenn beim Eintreten einer Ursache und der durch sie ergänzten aktiven hinreichenden Bedingung n i c h t e n t s c h i e d e n wäre, daß eine ganz b e s t i m m t e Wirkung eintreten wird, und wenn es g l e i c h möglich wäre, ob diese o d e r eine andere Wirkung eintreten werde, so würde dies nichts anderes bedeuten, als daß diese Bedingung tatsächlich keine volle hinreichende Bedingung ist. Bildet ein Ereignis eine Ursadie von etwas und ist es einmal eingetreten, so besteht schon keine Mehrheit realer Möglichkeiten mehr. Die vor dem Eintreten der Ursache gegebenenfalls bestehende Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten wird durch das Eintreten der Ursache auf e i n e e i n z i g e reduziert, die eben damit sofort in Aktualität verwandelt wird. Darin liegt, was wir die „Eindeutigkeit der ursächlichen Determinierung" nennen wollen und was für die ursächliche Beziehung charakteristisch und unentbehrlich ist. Mit anderen Worten: das Prinzip der Eindeutigkeit der ursächlichen Determinierung ergibt sich aus unserem Begriff der Ursache.120 encore causalité en donnant à ce terme un sens un peu plus large que nous allons expliquer. Considérons un phénomène A auquel succède toujours l'un quelconque des phénomènes B t , B 2 , B s . . . Si, de plus, aucun des phénomènes B p B 2 , B s . . . ne se produit si A ne s'est pas produit, on pourra dire, en adoptant une définition large de la causalité, que A est la cause des phénomènes B t , B2, Ba . . 120 In dieser Hinsicht bin idi mit dem Standpunkt W. R u b i n o w i c z ' vollkommen einverstanden, der diese Eindeutigkeit der ursächlichen Bestimmung für das Wesensmoment der ursächlichen Beziehung hält.
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Leugnet man dieses Prinzip, so verwirft man eben dadurch diesen Begriff. Ist es im i n d i v i d u e l l e n Falle so, daß die (eventuell vorhandene) Unbestimmtheit eines Tatbestandes, von dem wir erwarten, daß er Ursache eines anderen Tatbestandes werden wird, eine U n b e s t i m m t h e i t d e r „ u r s ä c h l i c h e n " B e z i e h u n g selbst zur Folge hat, so daß das Prinzip der Eindeutigkeit der ursädilichen Determinierung nicht erfüllt wird, so muß man sich entschließen festzustellen, daß in diesem Fall k e i n e echte ursächliche Beziehung vorliegt. Damit stimmt es auch zusammen, daß wir keine echten Unbestimmtheitsstellen in seinsautonomen, realen Gegenständlichkeiten annehmen. ad 2c) Erst aus dem Prinzip der eindeutigen ursädilichen Determinierung ergibt sich die sog. „Regelmäßigkeit" des kausalen Geschehens. D . h . : gilt dieses Prinzip, so gilt es auch, daß in j e d e m Falle, in welchem es zur Realisierung einer Ursache einer bestimmten Art bei gleichartigen Umständen kommt, es audi zur Realisierung der von ihr eindeutig bestimmten Wirkung, immer derselben entsprechenden Art, kommt bzw. kommen muß.121 Dies ist aber nur eine F o l g e des erwogenen Prinzips, es gehört nidit zu seinem I n h a l t , der in keinem Sinne darüber entscheidet, ob es überhaupt zu mehreren Realisierungen der Ursache einer bestimmten Art kommt oder gar kommen muß. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß es in einem gegebenen Fall in Wirklichkeit nur ein e i n z i g e s Mal zur Realisierung der betreffenden Ursache kommt. Die Eindeutigkeit der ursächlichen Bestimmung, die die Ursache (bzw. die volle hinreichende Bedingung) der Wirkung gegenüber ausübt, erleidet dadurch keinen Abbruch. Aus solcher Einmaligkeit der Realisierung darf also nicht g e s c h l o s s e n werden, es fände in dem betreffenden Fall die ursächliche Beziehung n i c h t statt. Denn das 121
So ist es auch verständlich, daß wenn man ζ. B. bei manchen Effekten auf gewisse Unregelmäßigkeiten in dem physikalischen Geschehen stieß, man auch geneigt war, an dem Bestehen des kausalen Seinszusammenhanges zu zweifeln. Aber von da aus sind zwei Wege möglich: entweder setzt man die Untersuchung fort und sucht nach weiteren Gründen, die diese Unregelmäßigkeiten verständlich machen und sie auf neue Gesetzmäßigkeiten zurückführen, oder man ist von der Unmöglichkeit einer solchen weiteren klärenden Untersuchung überzeugt und ist dann geneigt - wie es L. de Broglie im zitierten Vortrag getan hat - an dem Prinzip der eindeutigen kausalen Determinierung selbst zu zweifeln, wobei man aber doch gewisse Grenzen dieser Uneindeutigkeit retten will. Ich glaube, daß man dann überhaupt darauf verzichten müßte, daß sich im kausalen Seinszusammenhang überhaupt irgendwelche Determination der Wirkung durch die Ursache vollzöge. Aber damit käme man auch zur Verwerfung des kausalen Seinszusammenhanges selbst, da diese Determination sozusagen der Kern dieses Zusammenhanges ist.
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erwogene Prinzip ist keine Folge der bloßen s t a t i s t i s c h e n Erfassung einer mehr oder weniger großen Anzahl der Einzelfälle, in welchen entsprechende Ereignispaare stattgefunden haben, sondern es ergibt sich aus dem einsichtigen Wesen des kausalen Seinszusammenhanges und insbesondere der ursächlichen Determinierung selbst. Die unzweifelhafte Feststellung eines einzigen Falles des Bestehens einer ursächlichen Beziehung zwischen einem Ereignis Ei und einem Ereignis E 2 reicht vollkommen aus, um das Bestehen eines regelmäßigen ursächlichen Zusammenhanges zwischen den Ereignissen derselben Art wie Ei und Ereignissen der Art E 2 (beim Vorhandensein derselben Umstände) zu behaupten. Nur weil man seit Humes Zeiten überzeugt ist, daß dieser Zusammenhang zwischen zwei in der Erfahrung gegebenen Ereignissen sich nicht feststellen läßt, glaubt man ihn sozusagen auf dem Umweg des Sammeins möglichst vieler Fälle derselben Art zu eruieren. Aber dies ist eine Illusion. Ist j e d e r einzelne Fall, in dem man einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Ei und E 2 vermutet, unsicher und zweifelhaft, wie es dem Standpunkt Humes nach sein müßte, so kann uns weder eine beliebig große Anzahl solcher zweifelhaften Fälle ermächtigen, noch das Nichteintreten eines erwarteten, aber ebenfalls zweifelhaften Falles hindern, eine strenge Regelmäßigkeit der ursächlichen Verbindung zwischen den betreffenden Ereignissen festzustellen. Aus einer beliebigen Mannigfaltigkeit der zweifelhaften Fälle ergibt sich nicht ein einziger sicherer Fall. Nur eine w i r k l i c h g e l t e n d e allgemeine Regelmäßigkeit könnte uns in dieser Sachlage helfen, aber eine solche Regelmäßigkeit läßt sich auf dem von Hume vorgeschlagenen und dann immer wieder begangenen Weg nicht erfassen. Die sich hierbei eröffnenden erkenntnistheoretischen Probleme gehören aber nicht zu unserem Thema. Dies bezieht sich auch auf die eventuelle erkenntnistheoretische Behandlung des Heisenbergschen Prinzips bzw. auf die Klärung der physikalischen Sachlage, die zu Ergebnissen führt, unter deren Druck Heisenberg zu seinem Prinzip gekommen ist. Es muß aber folgendes beachtet werden: Unsere Auffassung der Ursache als des Ergänzungsgliedes einer aus mehreren Tatbeständen zusammengesetzten aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung hat die Sachlage beim Erforschen des Verhältnisses zwischen der Ursache und Wirkung wesentlich kompliziert. Denn nur die Beziehung zwischen der v o l l e n aktiven hinreichenden Bedingung und der durch sie bedingten Wirkung muß konstant sein, d.h. daß g l e i c h a r t i g e aktive hinreichende Bedingungen g l e i c h a r t i g e Wirkungen bedingen, während die Beziehung zwischen der Art der Ursache allein und der Art der 176
unmittelbaren Wirkung variabel sein kann. Besteht die aktive hinreichende Bedingung aus mehreren Gliedern, die voneinander relativ unabhängig sind und nicht immer zugleich und in derselben Reihenfolge zusammen auftreten müssen, dann kann die Zusammensetzung der jeweiligen Umstände und somit auch die jeweilige Ergänzung derselben zu der aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung, d.h. die Ursache, der Art nach verschieden sein, obwohl die volle hinreichende Bedingung in jedem Falle aus derselben Anzahl gleichartiger Glieder besteht. Setzt sich ζ. B. eine hinreichende Bedingung Bi von Wi aus unabhängigen Bestandteilen der Art a, b, c, d, zusammen und ist in einem Fall gerade das di ihr Ergänzungsglied, d. h. die Ursache von Wi, so können in einem anderen Fall a, b, d, zu den Umständen gehören, während c2 das Ergänzungsglied der hinreichenden Bedingung B2 der Wirkung W 2 bildet und somit die Ursache von W 2 ist usw. Die Beziehung also zwischen der Ursache a l l e i n und ihrer unmittelbaren Wirkung braucht hinsichtlich der A r t ihrer Glieder nicht konstant zu sein. Aber dies ist kein Einwand gegen das Prinzip der Eindeutigkeit der ursächlichen Determination. Die bis jetzt so genannten allgemeinen „kausalen Gesetze" beziehen sich auch nicht auf den Kausalzusammenhang zwischen der Ursache und ihrer Wirkung, sondern auf die Beziehung zwischen der Art der aktiven hinreichenden Bedingung und der Art der durch dieselbe bedingten Wirkung. Es kann dabei noch zweifelhaft sein, ob es sich da wirklich immer um die „Wirkung" in u n s e r e m Sinne oder um den ganzen neuen Gesamtzustand des betreffenden Systems, der durch die hinreichende Bedingung bedingt wird, handelt. Beim konkreten Experimentieren versucht man zwar gewöhnlich die „Versuchsanordnung" so zu gestalten, daß man einerseits eine (wenigstens relative) Konstanz der Umstände, andererseits auch die Konstanz (der Art nach) des zuletzt eingeschalteten Faktors (d. h. der Ursache in unserem Sinne) erreicht. Es ist aber klar, daß dies nur aus Bequemlichkeitsgründen geschieht, um einerseits die entsprechend formulierten „kausalen" Gesetze als „allgemeingültig" hinstellen zu können, andererseits aber um dem Notstand abzuhelfen, daß die Umstände, welche die Glieder der vollen hinreichenden Bedingung bilden, oft nicht sämtlich zu eruieren sind, so daß man viele Gesetze überhaupt nicht formulieren könnte, wenn es immer notwendig wäre, die v o l l e aktive hinreichende Bedingung anzugeben. Mit Rücksicht darauf sind auch viele Gesetze nur „Annäherungsgesetze", die im Einzelfall nicht erfüllt zu werden brauchen. Man vertröstet sich aber damit, daß es nur an der unvollständigen Berücksichtigung der „Umstände" liege. Daß in man177
dien Fällen das nodi fehlende Element der aktiven hinreichenden Bedingung in Wirklichkeit die nicht entdeckte „Ursache" (in unserem Sinne) der nicht-eingetretenen, aber erwarteten Wirkung ist, dies bringt man sich oft nicht klar zum Bewußtsein, weil man sich auf etwas anderes, als es die „Ursache" der betreffenden Wirkung ist, starr einstellt, ohne zu bedenken, daß d i e s e Beziehung eben nur insofern konstant ist, als der Bestand an „Umständen" sich zufälligerweise122 konstant erhält. Vergißt man, daß die tatsächlich erfaßten „Kausalgesetze" in vielen Fällen nur „Annäherungsgesetze" sind, so kann man leicht auf den Gedanken kommen, es gäbe keine echten allgemeinen Gesetze für Seinszusammenhänge zwischen der hinreichenden Bedingung und dem hinreichend Bedingten bzw. der „Wirkung" in unserem Sinne, so daß man glaubt, nur „statistische" Gesetze feststellen zu können, die angeblich beim Nichtvorhandensein strenger kausaler Beziehungen bestehen sollen. Aber es sind im Grunde nur „Annäherungsgesetze", die sich in strenge, allgemeine Gesetze über Zusammenhänge zwisdien der aktiven hinreichenden Bedingung und dem hinreichend Bedingten verwandeln ließen, wenn alle zu dieser Bedingung gehörenden Faktoren, die man „Umstände" nennt, erschöpfend berücksichtigt wären. Es wäre dagegen ein wahres Wunder, wenn sich die echten statistischen Gesetze o h n e das Vorhandensein jeglicher kausaler Seinszusammenhänge und o h n e die Beziehungen zwischen hinreichenden Bedingungen und dem von ihnen Bedingten auch nur einigermaßen bestätigen würden. Wir haben uns, was die allgemeine Kenntnis des ursächlichen Seinszusammenhanges betrifft, genügend vorbereitet, um zu unserem Hauptproblem - d. h. zu dem Problem des Bereiches und der Verteilung der ursächlichen Beziehung - zurückkehren und es direkt angreifen zu können.
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„Zufälligerweise" mit Rücksidit auf die Unabhängigkeit der einzelnen Glieder untereinander und in bezug auf die eintretende Ursache.
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ANHANG
MAX BORNS AUFFASSUNG DER
KAUSALITÄT
Max Born hat ein von den Physikern hochgeschätztes Buch über das Kausalproblem geschrieben.1 Das Buch ist tatsächlich außerordentlich gelehrt, was die physikalisdi-geschichtlidie Seite der Betrachtungen betrifft, es soll aber in erster Linie eine Erläuterung des Standpunkts des Verfassers bezüglich des Kausalproblems bilden. Indessen ist der Gehalt, der sich direkt auf das Problem der ursächlichen Beziehung bezieht, eigentlich verhältnismäßig dürftig. Born beschränkt sich da im Grunde auf eine allgemeine und ziemlich vage gehaltene Begriffsbestimmung der Ursache-Wirkungs-Beziehung sowie auf die Unterscheidung dieser Beziehung von dem sog. „Determinismus" einerseits und der „chance" (Zufall?) andererseits. Schon der Begriff der „chance" wird nicht einmal definiert, obwohl dem Verfasser an ihm eigentlich sehr liegen sollte, da er der Verfechter des „Zufalls" in der Physik der Gegenwart ist. Der Leser wird angesichts der bekannten Vieldeutigkeit dieses Begriffes im unklaren gelassen, worum es sich dem Verfasser eigentlich handelt. Und die Berufung auf „statistische" Gesetze und auf die Wahrscheinlichkeit - Begriffe, mit welchen die Quantenphysik in umfangreichem Maße operiert - hilft hier wenig, da auch diese Begriffe in der vorhandenen Literatur auf verschiedene Weise gedeutet werden und einer weitgehenden Klärung bedürfen. Die Wichtigkeit des vom Verfasser berührten Problems empfiehlt es aber, der p h i l o s o p h i s c h e n Seite des Buches einige Aufmerksamkeit zu widmen. Im Gegensatz zu verschiedenen, von positivistisch eingestellten Physikern durchgeführten Betrachtungen verläßt Max Born den sehr beliebten Standpunkt, es handle sich bei der kausalen Beziehung um eine Relation zwischen zwei Gliedern, zwischen denen sich eigentlich gar kein Zusammenhang außer der rein äußerlichen Aufeinanderfolge in der Zeit finden läßt. Denn Born spricht bei der kausalen Beziehung von einer „dependence" der Wirkung von der Ursache (an einigen Stellen von einer „mutual dependence", wobei es aber nicht recht klar ist, worauf sich dieses „mutual" bezieht). Welcher A r t diese Abhängigkeit sein soll, ob sie eine bloße S e i n s - oder auch eine S o s e i n s 1
Natural Philosophy of cause and chance, Oxford, At the Clarendon Press, 1949.
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Abhängigkeit 2 sein soll, ist jedenfalls aus der von Max Born gegebenen Definition der ursächlichen Beziehung nicht zu ersehen. Jedenfalls aber muß die Betonung dieser „dependence" im Vergleich mit den skeptischen positivistischen Auffassungen, die überhaupt jede Seinsabhängigkeit zwischen der Wirkung und der Ursache leugnen oder mindestens für unaufweisbar halten, für einen positiven und beachtenswerten Schritt gehalten werden. Zugleich aber vollzieht sich bei Born eine eigentümliche, durch ihn bewußt durchgeführte Begriffsverschiebung im Vergleich zu der üblichen Auffassung der ursächlichen Beziehung, derzufolge zwar sein Begriff dieser Beziehung einerseits auf einen N o t w e n d i g k e i t s z u s a m menhang zwischen Ursache und Wirkung hinzuweisen scheint (was von meinem Standpunkt aus wiederum zu begrüßen ist), die aber andererseits das Verständnis seiner Auffassung wesentlich erschwert. Born unterscheidet nämlich z w e i verschiedene Weisen, auf welche nach ihm der Begriff der Ursache verwendet wird: die eine, bei welcher man zwei verschiedene, e i n m a l i g in der Zeit gelegene und irgendwo im Raum stattfindende Ereignisse (events) im Auge hat, von denen das eine „Ursache", das andere „Wirkung" (effect) sein soll, und die andere, nach welcher d u r c h e i n G e s e t z eine z e i t l o s e Beziehung (timeless relation) zwischen zwei „Situationen" A und B, die Elemente zweier verschiedener K l a s s e n sind, statuiert wird. Als Beispiel der ersten Verwendungsart des Ursachebegriffes dient u. a. der Satz: „The Indian famine of 1946 was caused by a bad harvest" oder „The fall of Hitler was caused by the defeat of his armies". Die zweite Verwendungsart dieses Begriffes soll durch folgende Beispiele belegt werden: „Overpopulation is the cause of Indian's poverty" oder „Wars are caused by the economic conditions". B e i d e Verwendungen hält Born für begründet („perfectly legitimate"), will sich aber nur mit der z w e i t e n Verwendungsart näher beschäftigen. Das G e m e i n s a m e beider bildet nach Born „the idea of dependence". Diese Idee scheint ihm dort genügend geklärt zu sein, wo in der Beziehung der „dependence" zwei 2 Daß sie nach B o r n eine Seinsabhängigkeit sein soll, scheint insofern außer Zweifel zu sein, als Born gleich bei der Einführung dieses Begriffs sagt: „that the existence of Β depends on A " . Er fügt aber gleich hinzu: „or that if A were changed or absent, Β would also be changed or absent". Hier scheint also nicht nur für die Existenz von Β die Existenz von A unentbehrlich zu sein, sondern auch die nähere Bestimmung von Β von der näheren Bestimmung des A (und von deren Änderung) abhängig zu sein. Aber später - in der Definition der „causality" - wird lediglich von dem „Eintreten" (occurence) des B, das von dem Eintreten des A abhängt, gesprochen.
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„Dinge" stehen, welche „are concepts themselves, things of mind", wie Zahlen oder Zahlmannigfaltigkeiten. In diesem Fall soll die „dependence" dasjenige bedeuten, was die Mathematiker unter „Funktion" (oder - würde ich sagen - unter der funktionellen Abhängigkeit) verstehen. Diese „logical dependence" erfordert nach Born gar keine weitere Analyse und läßt sie sogar nicht zu. Die „ursächliche" Abhängigkeit läßt sich aber auf die „logische" n i c h t zurückführen. Sie besteht zwischen zwei realen „things of nature". Worin sie aber besteht, ist - nach Born - „the problem... (which) is not simple at all". Und Born versucht auch nicht, es näher zu analysieren. Er sucht ihren Begriff nur dadurch einzuschränken, daß er das Kriterium dieser „dependence", im Einklang mit der Auffassung der „Wissenschaft" (und dies will bei ihm - wie es scheint-sagen: der „Naturwissenschaft"), in der wiederholten Beobachtung („repetitive observation") sieht, die auf natürlichem oder künstlichem experimentellem Wege gewonnen wird. Aber es sei im Grunde eine „deception", wenn man meint, daß die Wissenschaft einen methodischen Weg zum Entdecken der ursächlichen Beziehungen besitze. Denn „no observation or experiment, however extended, can give more than a finite number of repetitions and statement of a law - Β depends on A - a l w a y s transcends experience" (1. c. S. 6), obwohl eine solche Statuierung gewöhnlich vollzogen wird, und zwar oft auf Grund eines recht dürftigen Materials. Die Erfassung wissenschaftlicher kausaler Gesetze sei also mehr Sache einer gelungenen Technik oder Kunst als einer begründeten methodischen Erkenntnis, und zwar einerseits in Anbetracht einer zweifelhaften „validity of induction", andererseits dessen, daß das induktive Denken allgemeiner sei als das kausale. Es gäbe kein logisches Argument für die wissenschaftliche Verfahrensweise, die letzten Endes zu allgemeinen kausalen Gesetzen führt. Es gibt aber ein System der wissenschaftlichen Gesetze, das aus diesem Grunde zu verwerfen einfach töricht wäre. Seine Annahme aber ist letzten Endes „a question of faith". So versagt die Hoffnung des Lesers nicht bloß auf die Aufklärung des eigentlichen Sinnes (bzw. des Wesens) der ursächlichen Abhängigkeit, sondern auch auf die Begründung des Bestehens dieser Abhängigkeit in der Welt durch allgemeine, erkenntnismäßig auf befriedigende Weise gesicherte Kausalgesetze. Trotzdem hält Born von den zwei verschiedenen Fällen oder Typen der „kausalen Beziehung" diejenige für „fundamental", die er als eine „timeless relation of dependence" (S. 7) kennzeichnet.® Dagegen die ' E r sagt auch „the abstract, timeless meaning of causality" (S. 8). Wir werden auf diesen Ausdruck noch zurückgreifen.
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andere kausale Abhängigkeit „of one event fixed in time and space on another", „makes sense only if one has in mind the timeless statement", daß ζ. Β. „the bad harvests are causes of famine in general". Andererseits unterscheidet Born - wie bereits bemerkt - „causality and determinism". Der „Determinismus" führt zu Regeln, die auf Grund der Erkenntnis eines Ereignisses A das Eintreten eines anderen Ereignisses Β v o r a u s z u s a g e n erlauben, ohne aber die Idee, daß es ein „physical timeless (and spaceless) link between all things of the kind A and all things of the kind B " gibt. Born zieht aber vor, den Ausdruck „causality" für diese „timeless dependence" zu gebraudien. Diese soll eben sein, was - nach ihm - der experimentell arbeitende Forscher im Auge hat, wenn er ein bestimmtes Phänomen durch systematische Variation der Bedingungen auf eine bestimmte Ursache zurückführt. Der andere Sinn der kausalen Beziehung wird aber nach Born im täglichen Leben so allgemein verwendet, daß er aus der Betrachtung nicht ausgeschlossen werden kann. Man muß aber in diesem Fall die kausale Beziehung durch zwei „attributes" ergänzen: durch das „principle of antecedence", daß nämlich die Ursache der Wirkung vorangeht, und durch das „principle of contiguity", welches Born auf negative Weise formuliert, indem er sagt, es werde im allgemeinen für „repugnant" gehalten, zu behaupten, ein Ding könne eine Wirkung kausal hervorrufen an einer Stelle, an dem es selbst nicht sei oder mit welcher es durch andere Dinge nicht verbunden werden kann. 4 Dies ist im Grunde die ganze Theorie der ursächlichen Beziehung Borns. Das übrige, was er gibt, 5 ist lediglich die Entwicklung verschiedener physikalischer Gesetzlichkeiten, die im Laufe der Geschichte der neuzeitlichen Physik entdeckt wurden. Der rein physikalische Gehalt dieses Teils des Buches ist unzweifelhaft außerordentlich lehrreich und Die originellen „definitions" B ò r n s lauten: „ D e t e r m i n i s m postulates that events at different times are connected by laws in such a way that predictions of unknown situations (past or future) can be made." „ C a u s a l i t y postulates that there are laws by which the occurrence of an entity Β of a certain class depends on the occurrence of an entity A of another class, where the word „entity" means any physical object, phenomenon, situation or event. A is called the cause, Β the effect." „ A n t e c e d e n c e postulates that cause must be prior to, or at least simultaneous with, the effect." „ C o n t i g u i t y postulates that the cause and effect must be in spatial contact or connected by a chain of intermediate things in contact." (1. c. S. 9) 5 Born sagt auch selbst über sein weiteres Unternehmen: „I shall now illustrate these definitions by surveying the development of physical science." (1. c. S. 10) 4
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präzis, er geht aber über die Kompetenz des Nichtphysikers weit hinaus. Der Zweck sowohl der Formulierung als audi der Deduktion aller erwogenen Gesetze liegt in dem Erweis, daß es im Rahmen der Physik derartige „timeless relations of dependence" zwischen Ursache und Wirkung t a t s ä c h l i c h gibt und daß sie sich letzten Endes aus den in der Beobachtung und Experiment gegebenen Tatsachen deduzieren lassen." Andererseits sollen audi die Grenzen gezeigt werden, an welchen die kausalen Gesetze zu gelten aufhören und über welchen die Domäne der „chance" und der „statistischen Gesetze" liegt. Aber zur Vertiefung der Erkenntnis des Wesens der kausalen Beziehung, zur Klärung der mit ihr im Zusammenhang stehenden Begriffe trägt dieser Teil des Buches Borns eigentlich verhältnismäßig wenig bei, da sich Borns Kommentar zu den behandelten Gesetzen im Grunde darin erschöpft, daß gesagt wird, welche Gesetze für „kausal" zu halten sind, welche das Prinzip der Antezedenz bzw. der Kontiguität erfüllen oder nicht; all dies führt aber über das, was über die kausale Beziehung das erste Kapitel gibt, nicht wesentlich hinaus. Der philosophische Teil der Betrachtungen Borns läßt aber manche Frage offen, die es nützlich sein wird hier zu erwägen. 1. Wie schon gesagt, unterscheidet Born die kausale „dependence" von der funktionellen, „logischen" Abhängigkeit. Indessen sind die von ihm untersuchten und als kausal gekennzeichneten Gesetze nichts anderes als mathematische Gleichungen, in denen gewisse physikalische Größen einander z u g e o r d n e t werden, wo also eine dieser Größen höchstens als Funktion einer anderen (oder der übrigen) betrachtet werden kann. Sollten sich unter diesen Größen (bzw. Veränderlichen) diejenigen befinden, welche einerseits die Ursache, andererseits ihre Wirkung darstellen sollen, so müßte man sagen, daß die Verwendung der Gleichungen zu diesem Zwecke versagt, 7 da die in ihnen auftretenden Veränderlichen keinerlei andere Abhängigkeiten als die funktionellen (die „logisdien", wie Born sagt) darstellen können, die sich zu* Aus diesem Grunde legt B o r n solchen Nachdruck darauf, daß sich z. B. das Newtonsche Gravitationsgesetz aus den Keplerschen Gesetzen deduzieren läßt, die B o r n für r e i n e m p i r i s c h e Gesetzmäßigkeiten hält, da sie auf astronomischen Einzelbeobachtungen fußen. B o r n selbst gibt einen solchen deduktiven Erweis des Newtonschen Gesetzes, trotz der Restriktionen, die er bezüglich der Induktion macht. 7 Natürlich ngr dann, wenn die kausale Relation in der Gleichung selbst ohne weitere sprachliche Ergänzungen erfaßt werden soll. Oder mit anderen Worten dasselbe ausgedrückt: wenn die Gestalt der Gleichung selbst, und insbesondere die Beziehungen, die in ihr zwischen den Veränderlichen (oder zwischen den gleichgesetzten Ausdrücken) bestehen, die besondere Art der kausalen Relation von sich aus bestimmen sollen. 183
dem oft umkehren lassen, wenn dies nur vom rein mathematischen Gesichtspunkt aus zugelassen wird. Indessen soll nadi Born selbst die kausale Beziehung und insbesondere die „dependence" der Wirkung von der Ursache etwas anderes als eine bloße funktionelle Abhängigkeit sein. 2. Sind die betreffenden Gleichungen von der Zeitveränderlichen überhaupt frei, so sind die Beziehungen zwischen den Größen, die durch die in ihnen auftretenden Veränderlichen dargestellt werden, wirklich eine „timeless relation", aber dies genügt nicht, um diejenige „timeless" Relation, die bei einer k a u s a l e n Beziehung vorkommen soll, eindeutig zu bestimmen, da es vielerlei „zeitlose Relationen" gibt - ζ. B. in der durch die reine Mathematik bestimmten Welt - die mit dem ursächlichen Seinszusammenhang nichts gemein haben. Es müßte denn in der Gleichung selbst besondere mathematische Mittel der näheren Bestimmung der betreffenden kausalen Beziehung geben. Diese aber gibt es weder in physikalischen Gleichungen, noch werden sie durch Max Born angegeben. Wo aber in einer Gleichung die Zeitveränderliche auftritt, da - könnte man sagen - ist sie eben eine V e r ä n d e r l i c h e , so daß die Beziehungen zwischen den Größen, die durch die übrigen Veränderlichen in derselben Gleichung dargestellt werden, zwar von der Zeitveränderlichen mitabhängig, aber nicht auf eine b e s t i m m t e Z e i t beschränkt sind. Man könnte also sagen, auch in diesem Fall stellt die betreffende Gleichung eine „timeless relation" dar, und zwar in dem Sinne, daß sie nicht an einen ganz b e s t i m m t e n Zeit m o m e n t gebunden sei. Born informiert uns aber nicht, in welchem Sinne er von „timeless relations" spricht. Es ist also nicht sicher, ob er diese Deutung derjenigen „timeless relation", die bei einer kausalen Beziehung bestehen soll, annehmen würde. 3. Die kausale Beziehung soll nach Born in doppeltem Sinne a s y m m e t r i s c h sein: erstens in dem, daß die Wirkung von der Ursache „abhängig" sein soll und nicht umgekehrt, zweitens, daß die Ursache früher als ihre Wirkung sein soll. 8 Mit Rücksicht darauf entsteht die Frage, ob 8 Es ist freilich nicht sicher, ob diese zweite Asymmetrie audi die „fundament a l e " kausale Beziehung kennzeichnen soll. Wir werden noch darauf zurückkommen. Es ist zweitens fraglich, ob diese beiden Hinsichten, unter denen die kausale Beziehung asymmetrisch sein soll, na A B o r n eng miteinander verbunden sind, da ζ. B. die »dependence" der Wirkung von der Ursache nicht ohne das Frühersein der letzteren vorhanden sein kann, oder ob sie voneinander unabhängig sind. Aber sowohl unsere Auffassung der kausalen Beziehung, nach welcher ihre beiden Glieder g l e i c h z e i t i g sind, obwohl die Wirkung von der Ursache sowohl in ihrem Sein als auch in ihrem Beschaffensein abhängig ist, als audi die Tatsache, daß Born selbst,
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sich eine Gleichung überhaupt dazu eignet, eine asymmetrische Beziehung darzustellen. Denn für eine Gleichung ist es wesentlich, daß sie eine G l e i c h h e i t zwischen zwei verschiedenen Gegenständlichkeiten darstellt, also eine s y m m e t r i s c h e Beziehung zum Ausdruck bringt. Sollten die „Seiten" der Gleichung die Glieder der kausalen Beziehung darstellen und ihre Gleichheit unter einer Hinsicht bestimmen, dann wäre die Gleichung unfähig, die Asymmetrie zwischen diesen Gliedern wiederzugeben. Und zwar erstens, weil eine Gleichung das symmetrische G l e i c h s e i n dieser beiden Glieder unter einer Hinsicht, aber nicht die S e i n s a b h ä n g i g k e i t des einen von dem anderen wiedergeben könnte, zweitens aber, weil dort, wo die Zeitveränderliche in einer Gleichung bloß auf einer ihrer Seiten auftritt, die beiden durch die einzelnen Seiten der Gleichung dargestellten „Zustände" für d e n s e l b e n Zeitmoment beredinet sind und somit nicht Zustände sein können, von welchen der eine früher als der andere wäre. Dies ist aber der gewöhnliche Fall von Gleichungen, die in der Physik verwendet werden, daß eine bestimmte Größe als „Funktion der Zeit" dargestellt wird. Man könnte natürlich auch Gleichungen konstruieren, die an ihren beiden Seiten die Zeitveränderliche enthalten, und zwar so, daß sie an einer Seite in Verbindung mit einer Konstanten auftritt (ζ. B. (t + 1)), während an der anderen Seite das bloße „ t " steht, so daß dann die eine Seite der betreffenden Gleichung eine Gegenständlichkeit darstellt, die in einem späteren Zeitpunkt besteht, als diejenige Gegenständlichkeit, welche durch die andere Seite dieser Gleichung dargestellt wird. Auf diese Weise wäre es möglich, in einer Gleichung zwei Zustände zur Darstellung zu bringen, die eine Zeitdifferenz zwischen ihnen aufweisen, zugleich aber in einer Hinsicht doch „gleich" sein könnten. Gleichungen dieser Art könnten sich erst auf die kausale Beziehung beziehen, falls es wahr wäre, daß die Glieder dieser Beziehung das „principle of antecedence" erfüllen. Wenn ich aber nicht irre, zeichnen sich keine von den von Born besprochenen Gleichungen, die er für „kausale" Gesetze hält, durch einen solchen formalen Bau aus. Man könnte dieser Erwägung den Vorwurf machen, daß sie ungerechtfertigterweise voraussetzt, daß die einzelnen Seiten der Gleichung einerseits die Ursache, andererseits die Wirkung darstellen sollen, wähmindestens in manchen Fällen, die Gleichzeitigkeit der beiden Glieder der kausalen Beziehung zuläßt, sprechen dafür, daß das Frühersein der Ursache nicht mit der „dependence" der Wirkung von der Ursache notwendig verbunden ist. Wir dürfen also von z w e i verschiedenen voneinander unabhängigen Hinsichten der Asymmetrie der kausalen Beziehung sprechen.
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rend es doch möglich ist - und wir haben diese Möglichkeit schon oben im Auge gehabt - , daß bloß die e i n z e l n e n Veränderlichen, die in einer solchen Gleichung auftreten, die Glieder der kausalen Beziehung darstellen sollen. Dies kann aber wohl mit sich führen, und tut es auch gewöhnlich, daß die Asymmetrie der kausalen Beziehung durch die Asymmetrie in der Beziehung zwischen den entsprechenden Veränderlichen wiedergegeben wird. Wir könnten uns für die eine oder für die andere Auffassung, was eigentlich in der Gleichung die Ursache bzw. die Wirkung darstellen soll, entscheiden, wenn uns Born genauer sagen würde, was er unter einer Wirkung bzw. einer Ursache versteht. Seine sehr allgemeinen Bestimmungen erlauben uns aber von selbst nicht, das betreffende Element der verwendeten Gleichungen zu finden, das gerade ζ. B. die Ursache darstellen soll. Nehmen wir aber an, daß dies nicht die vollen „Seiten", sondern bloß die einzelnen Veränderlichen in den oft komplizierten Ausdrücken tun sollen, welche diese Seiten bilden. Wir werden auch später die einzelnen von Born angegebenen Gleichungen danach zu prüfen haben, ob sie in der zuletzt angegebenen Interpretation eine kausale Beziehung darzustellen fähig seien.9 Aber schon jetzt muß festgestellt werden, daß die eventuelle Asymmetrie der Beziehung zwischen den entsprechenden Veränderlichen bzw. der durch sie dargestellten Gegenständlichkeiten nur eine bloße Asymmetrie hinsichtlich ihrer G r ö ß e sein kann, nicht aber hinsichtlich der S e i n s a b h ä n g i g k e i t der einen von der anderen, noch hinsichtlich des F r ü h e r s e i n s dessen, was durch die eine Veränderliche dargestellt wird (der Ursache), von dem, was durch die andere Veränderliche bestimmt wird. Um diese beiden Momente der Asymmetrie der kausalen Beziehung wiederzugeben, die doch nach Born beide - wie es scheint - für die kausale Beziehung charakteristisch sein sollen, müßte man zu völlig anderen Darstellungsmitteln greifen, als es die mathematischen Gleichungen sind. 4. Aber vielleicht gibt es doch gewisse f o r m a l e Kennzeichen mancher Gleichungen selbst, die uns zu diesem Zwecke dienlich sein könnten? Sehen wir zu, wie Born verfährt, um zu prüfen, ob die betreffende Gleichung, als vermeintliches Kausalgesetz betrachtet, das „principle of antecedence" erfüllt oder nicht. Er scheint diese Betrachtung vor allem zu dem Zwecke zu unternehmen, um zu entscheiden, ob in einem 9 Ich werde später die in Frage kommenden Gleichungen in einer völlig a n d e r e n Deutung nehmen, um sie danadi zu prüfen.
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bestimmten Falle die „dependence" der (vermeintlichen) Wirkung von der „Ursache" wirklich besteht oder nicht. Anscheinend soll da also das Frühersein der Ursache für ein Kriterium dieser „dependence" gelten. Das Problem der Erfüllung des genannten Prinzips durch ein bestimmtes kausales Gesetz wird dabei unter dem Gesichtspunkt der sog. „Umkehrbarkeit" bzw. „Nichtumkehrbarkeit" der durch das betreffende Gesetz bestimmten Beziehung bzw. des in Frage kommenden Vorgangs behandelt. Über diese „Umkehrbarkeit" wird aber auf Grund einer mathematischen formalen Eigentümlichkeit der diesbezüglichen Gesetzesgleichung entschieden: tritt die Zeitveränderliche in einer geraden (bzw. in der zweiten) Potenz in der Gleichung auf, so soll dies bezeugen, daß die entsprechende Beziehung (der Vorgang) „umkehrbar" sei, tritt sie dagegen in einer ungeraden Potenz auf, so ist das ein Zeichen dafür, daß die betreffende Beziehung (der Vorgang) „unumkehrbar" sei. Ζ. B. in der Gleichung: ζ = -V2gt2 (beim „freien Fall") entsprechen jedem Wert für ζ (der eventuell gemessen wird) zwei verschiedene Werte für t - ein positiver und ein negativer. Der erste wird dabei gedeutet als ein Zeitmoment in der Zukunft, der zweite als ein Zeitmoment in der Vergangenheit gefaßt, und zwar relativ zu einer jeweils gewählten Gegenwart t°. Von einem bestimmten Moment t° ausgehend lassen sich also für zwei verschiedene, diesem Moment gegenüber in der Zukunft und in der Vergangenheit symmetrisch gelegene und von dem Ausgangspunkt der Bewegung gleich entfernte Lagen des „fallenden Körpers" beredinen. Born sagt im Zusammenhang damit ausdrücklich: „This shows that Galileo's law does not conform to the postulate of antecedence: a given initial Situation cannot be regarded as the cause of a later situation, because the relation between them is completely symmetrical; each determine the other." 10 Ohne uns hier auf die Diskussion der Frage nach dem eigentlichen Sinn der „Umkehrbarkeit" oder „Unumkehrbarkeit" einer Beziehung bzw. eines Vorgangs einzulassen, können wir vorläufig feststellen, was aus der Behauptung Borns - wenn sie wahr wäre - für unser Problem, ob sich Gleichungen für die Darstellung kausaler Zusammenhänge eignen oder nicht, folgt. Nun, nur dies, daß abgesehen von den von uns hier dargebrachten Argumenten gegen die Verwendung der Gleichungen zur Darstellung kausaler Zusammenhänge noch das von Born darlo Auf den eigentlichen Sinn und die Rechtmäßigkeit dieses Aussprudis B o r n s werde ich noch zurückkehren.
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gebrachte Argument gelten würde, daß alle Gleichungen mit der Veränderlichen t i n g e r a d e r Potenz sich zu diesem Zweck n i c h t eignen würden. Dafür würden aber alle Gleichungen mit der ungeraden Potenz von t nach Born zu diesem Zweck geeignet sein. Wenn dies letztere aber richtig sein sollte, so könnte es nur dann der Fall sein, wenn diese Gleichungen auf irgendeine a n d e r e Weise gedeutet und verwendet würden, als wir dies bis jetzt getan haben. Erst dann, wenn wir zu der Erwägung dieser anderen Deutungs- und Verwendungsweise der Gleichungen übergehen werden, werden wir auch einiges bezüglich der Verfahrensweise Borns in der oben dargestellten Argumentation zu bemerken haben. Ergänzend sei aber bezüglich des Problems der sog. „Umkehrbarkeit" der Vorgänge folgendes bemerkt: Diese Umkehrbarkeit kann und wird auch tatsächlich von verschiedenen Forschern auf zwei verschiedene Weisen gedeutet. Die erste, die wir für die einzig richtige halten, besagt, daß wenn in einem Falle ein Ereignis Ei der Art A Ursache eines anderen Ereignisses E2 der Art Β ist, in einem anderen Fall ein Ereignis E 4 der Art Β die Ursache eines Ereignisses E 3 der Art A sein kann. Setzt man dabei voraus - wie es Born im allgemeinen tut - die Ursache sei früher als ihre Wirkung, dann ist sowohl Ei früher als E 2 , als auch E 4 f r ü h e r als E s . Die Umkehrung geschieht hier also nicht hinsichtlich der Aufeinanderfolge in der Zeit der e i n z e l n e n , den kausalen Zusammenhang bildenden E r e i g n i s s e , sondern hinsichtlich der A r t dieser Ereignisse, die einmal die Art des die Ursache bildenden Ereignisses, das andere Mal die Art des Wirkungsereignisses ist. Auch mit irgendwelcher „Umkehrung" in der Aufeinanderfolge der Z e i t m o m e n t e s e l b s t hat man es in diesem Fall nicht zu tun. Als Beispiel kann hier der Fall der Verwendung einer Dynamo-Maschine dienen, die durch Einsetzung eines Bewegungsimpulses zur Hervorbringung eines elektrischen Stromes führt, durch die Einsetzung aber - in einem a n d e r e n Fall — eines elektrischen Stroms zur Bewegung der Dynamomaschine selbst, also zu ihrer Verwendung als eines elektrisch betriebenen Motors. 11 Man könnte diesen Fall so zusammenfassen, daß die A r t des Ereignisses a l l e i n darüber noch n i c h t entscheidet, ob das 1 1 Wir sehen hier vorläufig davon ab, ob wir es in diesem Beispiel wirklich bloß mit einem kausalen Seinszusammenhang zwischen E r e i g n i s s e n oder aber mit einem „vorgänglichen" kausalen Seinszusammenhang bzw. mit einer „Wechselwirkung" zu tun haben, wo sich die Verhältnisse zwischen den Gliedern dieser Beziehung anders verhalten könnten, als im Falle einer einfachen kausalen Beziehung zwischen Ereignissen. Es kommt uns hier lediglich auf die Präzisierung des Begriffes der Umkehrung an.
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Ereignis dieser Art gerade Ursadie oder Wirkung eines Ereignisses der Art Β sei. Es kommt aber vor, daß man unter der Umkehrung einer kausalen Beziehung bzw. eines Vorgangs etwas völlig anderes versteht. Man spricht manchmal von der „Richtung" der Zeit selbst, so als ob sie eine Richtungsgröße wäre und dabei, ohne den Charakter der Zeit zu verlieren, sich in z w e i v e r s c h i e d e n e n „Richtungen" entwickeln könnte. Man sagt ζ. B., alle Vorgänge, die in ihrem Verlauf durch Gleichungen mit der Zeitveränderlichen t im Quadrat dargestellt werden, sind in der Beschaffenheit ihrer einzelnen Phasen eigentlich der Zeitbestimmung gegenüber irrelevant, so daß erst die Zeitrichtung darüber entscheide, welche Phasen vorangehen und welche den anderen folgen. Und diese Zeitrichtung könne entweder von der Vergangenheit in die Zukunft oder von der Zukunft in die Vergangenheit weisen. Wären alle Vorgänge in der Welt in diesem Sinne „reversibel", so würde dies bedeuten, daß sich die Weltgeschichte sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit fortentwickeln könnte, und zwar mit der U m k e h r u n g d e r Z e i t s e l b s t . Nur mit Bezug auf eine derartige Deutung der „Umkehrbarkeit" von Vorgängen ist es verständlich, wenn Born sagt: „The root of this symmetry is Newton's definition of time. Whatever he says about the notion of time (in Principia Scholium I) as a uniform flow, the use he makes of it contains nothing of flow in one direction. Newtons time is just an independent variable t appearing in the equations of motion, in such way that if t is changed into - t , the equation remains the same. It follows that, if all velocities are reversed, the system just goes back the same way; it is completely reversible. Newton's time variable t is obviously an idealization abstracted from simple mechanical models and astronomical observations, fitting well into celestian motion, but not into ordinary experience. To us appears that life on earth is going definitely in one direction, from past to future, from birth to death, and the perception of time in our mind is that of an irresistible and irreversible current." (I.e. S. 16.) Auf den ersten Blick scheint es, daß sich Born mit diesen Worten gegen die z w e i t e Interpretation der „Umkehrbarkeit" der Vorgänge und der Zeit selbst ausspridit. Aber seine Ausdrucksweise ist dabei so vorsichtig, daß der Leser zu zweifeln beginnt, ob dies wirklich eine Ablehnung dieser Interpretation oder bloß eine Feststellung über die „perception of time in our mind" ist, ohne daß die letztere eine objektive Geltung für die reale Welt besäße, oder mindestens ohne daß man 189
darüber entscheiden könnte, wie es mit der Möglichkeit der Umkehrung der Zeit in der realen Welt (insbesondere der „celestian motions") eigentlich stehe. Soll „our ordinary experience" uns die einzige Riditung des „flow of time" bloß e r s c h e i n e n lassen, während bei allen mechanischen Vorgängen - die doch lange Zeit in der Physik für die G r u n d v o r g ä n g e der gesamten physischen Wirklichkeit gehalten wurden - der Fluß der Zeit nach b e i d e n Richtungen möglich sei? Wäre dies letztere die eigentliche Meinung Borns, dann müßten wir uns g e g e n seine Auffassung aussprechen, indem wir meinen, daß der „Fluß" der Zeit in einer e i n z i g e n Richtung „von der Vergangenheit in die Zukunft" eben zum W e s e n der Z e i t und der sich in der Zeit entwickelnden realen Welt gehört. So daß unserer Ansicht nach nur die e r s t e Interpretation der „Umkehrbarkeit" gewisser Vorgänge bzw. gewisser Ereignispaare als sinnvoll angenommen werden kann. Nimmt man also die zitierten Sätze Borns als eine Feststellung über die objektiv bestehende Zeit der realen Welt und insbesondere der sich in ihr entwickelnden Vorgänge, dann ist zu fragen, welche Folgerungen aus der Tatsache zu ziehen sind, daß in manchen Gleichungen, welche kausale Gesetze ausdrücken sollen, t im Quadrat auftritt, wie dies insbesondere in der bereits erwogenen Gleichung ζ = - V2 g t 2 der Fall ist. Soll man sagen, daß eine derartige Gleichung sich einfach zur Darstellung editer kausaler Beziehungen n i c h t e i g n e , oder daß im Gegenteil diese Gleichungen die ihnen entsprechenden wirklichen Vorgänge und Beziehungen zwischen Ereignissen richtig und voll erfassen und daß dann diese Vorgänge nicht bloß „reversibel" sind, sondern auch derart,daß es in ihrem Verlaufe zu g a r k e i n e n k a u s a l e n , hinsichtlich der Abhängigkeit der Wirkung von der Ursache asymmetrischen Beziehungen kommt? Fragen wir zunächst, was die Gleichung ζ = - 1 /î g ti darstellt, wenn man für die Veränderliche t neben dem Nullwert sowohl positive wie negative Werte einsetzt. Nach Ausschluß der Umkehrung der Zeit selbst können die negativen Werte nichts anderes bedeuten als die in der Richtung auf die Vergangenheit relativ gemessenen E n t f e r n u n g e n bestimmter v e r g a n g e n e r Zeitmomente von der Gegenwart t° = 0. Dagegen die positiven Werte derselben Veränderlichen t stellen die relativen Entfernungen bestimmter z u k ü n f t i g e r Zeitmomente von derselben Gegenwart dar. 12 Alle diese durch 12
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Wenigstens sehe idi augenblicklich keine andere Deutung der verschiedenen
die einzelnen Werte der Veränderlichen t dargestellten Momente ordnen sich also in d i e s e l b e Mannigfaltigkeit von Zeitpunkten ein, so daß die Richtung des Zeitflusses e i n d e u t i g festgelegt wird, und zwar von der Vergangenheit her über die Gegenwart t° der Zukunft zu. Unter diesen Voraussetzungen stellt die erwogene Gleichung einen Vorgang dar, bei welchem von einer gewissen Symmetrie tatsächlich gesprochen werden kann. Stellt aber dieselbe die Asymmetrie der eventuell vorliegenden kausalen Beziehungen irgendwie in Frage? Nehmen wir ζ. B. für die Veränderliche t das Intervall der Werte - η < t • E2nn/on(Gn) noch in der Richtung von E 2 auf E 1 hin zu lesen und zu fragen, ob die soeben angedeutete Schwierigkeit auch in der Zustellung der Ursache besteht. Und das scheint nicht der Fall zu sein. Denn während E 1 eine innere Wirkung fordert, tut es E 2 im Hinblick auf seine innere Ursache nicht, da der innere Umfang des BU von E 2 gleich Null ist. E 1 vermag also allein die an es als eine Ursache von E 2 durch dieses letztere gestellten Forderungen zu erfüllen, es braucht da kein anderes Ereignis, das sich zu der äußeren Ursache hinzugesellen müßte. a¡>) Beide Ereignisse sollen jetzt innere Ereignisse desselben G π sein : IE1nn/on(Gn) —> IE 2 nn/on(Gn) 1
E kann dann in E 2 k e i n e unmittelbare Wirkung haben; es fordert zwar eine solche, aber durch ein Ereignis, dessen innerer BU-Umfang gleich Null ist, kann diese Forderung nicht erfüllt werden. 323
b) Die Ereignisse E 1 und E2 sollen jetzt ungleichnamig sein. Und zwar soll jetzt bi) E 1 ein äußeres Ereignis des G n sein, dessen inneres Ereignis E 2 sei. Die Verbindung E 1 nn/on(Gn) —> IE2nn/on(Gn)
ist in dem Sinne möglich, daß dem partiellen Wert des inneren Umfangs des BW des E 1 der partielle Wert des äußeren Umfangs des BU von E2 entspricht. Der innere Umfang des BU von E2 ist gleich Null, aber dies stimmt damit zusammen, daß es in diesem Fall nur mit einem ä u ß e r e n Ereignis des G n in kausale Verbindung treten soll. Würde aber E2 - laut der Voraussetzung - die e i n z i g e Wirkung des E 1 sein müssen, so dürfte es mit E 1 nicht in eine kausale Verbindung eintreten, da es der Forderung des E1, ä u ß e r e Wirkungen zu haben, nicht Genüge tun kann. Auch wenn die kausale Einfügung des eventuellen Seinszusammenhanges E 1 —* E 2 in die übrige kausale Ordnung der Welt vermittels eines IE3nn/on(Gn) hergestellt werden sollte, würde dies unmöglich sein, da E 3 eine innere Ursache nicht zuläßt. E 1 kann dagegen als einzige oder besser als eine einfache Ursache des E auftreten, weil IE2nn/on(Gn) in seiner Forderung, eine äußere Ursache zu haben, durch E 1 gestillt wird, während es gar keinen Anspruch auf eine innere Ursache erhebt, indem es einen nullhaften inneren Umfang des BU besitzt. b2) Die Ursache soll jetzt ein inneres Ereignis des Gn sein und ein äußeres Ereignis des erwogenen Typus des Gn zu seiner Wirkung haben. Also: 2
IE1nn/on(Gn) — E 2 n n / o n ( G n )
Diese Verbindung ist unmöglich, weil zwar IE 1 eine äußere Wirkung zuläßt und fordert, aber E 2 keine innere Ursache zuläßt, da sein innerer Umfang des BU Null ist. B. Setzen wir jetzt voraus, daß E 1 und E2 Ereignisse zweier verschiedener Gegenstände G n und G m seien. Und zwar sollen beide Ereignisse a) gleichnamig sein, und insbesondere beide ai) äußere Ereignisse ihrer Gegenstände sein: 1
E1nn/on(Gn) — E 2 n n / o n ( G m ) 2
E (Gn) kann Ursache des E (G m ) sein, weil es einen partiellen äußeren Umfang des BW hat, während E 2 (G m ) einen partiellen äußeren Umfang seines BU hat. Ihre inneren Umfänge sind aber voneinander unabhängig, weil sie sich auf das Innere eines a n d e r e n Gegenstandes beziehen. Wiederum vermag E 2 (G m ) als die - laut der Voraussetzung einzige Wirkung des E^Gn) dessen Forderung nach einer inneren Wir324
kung nicht zu erfüllen. N u r dann könnte es also eine äußere Wirkung des E*(Gn) bilden, wenn das letztere zugleich eine zweite Wirkung in der Gestalt eines inneren Ereignisses im G n haben würde, und zwar eine solche zweite Wirkung, die mit der hier erwogenen äußeren Wirkung zusammenstimmte. Diese Eventualität wird später erwogen werden. Auch über die Einfügbarkeit des erwogenen kausalen Seinszusammenhanges in das übrige kausale Netz der Welt soll erst später gehandelt werden. Dagegen fordert E 2 nur durch seinen äußeren partiellen Umfang des BU eine Ursache, ohne eine innere Ursache zu fordern, da sein innerer Umfang des BU gleich Null ist. E 1 kann also die einfache Ursache des E 2 sein. a 2 ) E'(Gn) und E 2 (G m ) sollen jetzt beide innere Ereignisse des entsprechenden Gegenstandes sein. Es erhebt sich zunächst die Frage, ob ein IE(Gn) und ein IE(G m ) in einen unmittelbaren kausalen Seinszusammenhang treten können, ohne der Vermittlung eines äußeren Ereignisses des G n oder des G m zu bedürfen. Dies ist aber eine Frage, die sich bei rein formaler Betrachtung nicht allgemein beantworten läßt. Denn wie wir uns erinnern, sind innere Ereignisse diejenigen, die in einer Änderung einer unbedingt eigenen oder einer erworbenen Eigenschaft eines Gegenstandes bestehen. Die ersteren können sicher nicht unmittelbar durch eine Änderung, die sich in einem a n d e r e n Gegenstand vollzieht, verursacht werden, obwohl eine mittelbare Änderung unter der Vermittlung einer erworbenen Eigenschaft nicht ausgeschlossen zu sein scheint. Die erworbenen Eigenschaften dürfen eben im Moment ihrer Erwerbung durch äußere und sogar durch fremde Ereignisse unmittelbar verursacht werden. Ob sie aber zu ihrer Erwerbung oder Vernichtung immer eines fremden Ereignisses als eifter unmittelbaren Ursache bedürfen, ist in rein formaler Betrachtung nicht einzusehen. Jedenfalls scheint sich dies aus ihrer formalen Struktur als einer erworbenen Eigenschaft nicht zu ergeben. Man müßte da die entsprechende Materie einer solchen Eigenschaft berücksichtigen. Und es ist überhaupt fraglich, ob sich dies auch in einer m a t e r i a l - o n t o l o g i s c h e n Betrachtung allgemein entscheiden ließe, da hier wohl rein empirische kausale Zuordnungen bestehen können. So ist in einer rein formalen ontologisdien Betrachtung mit b e i d e n Möglichkeiten zu rechnen, so daß zwei eventuelle Fälle gesondert betrachtet werden müssen: 1. der Fall, in welchem zwei i n n e r e Ereignisse, die sich in zwei verschiedenen Gegenständen G n und Gm abspie325
len, in eine unmittelbare kausale Beziehung treten können, und 2. der Fall, in welchem hierzu eine Vermittlung äußerer Ereignisse unentbehrlich ist, es also nur zu einem mittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen den erwogenen Ereignissen kommen kann. D a wir uns hier lediglich mit der Möglichkeit unmittelbarer kausaler Zusammenhänge beschäftigen, fällt dieser Fall aus unserer Betrachtung fort. Kann also ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwischen IE1nn/on(Gn) — I E 2 n n / o n ( G m )
bestehen? IE 2 ist ein dem Gn gegenüber (und ebenso wohl das IE 1 dem G m gegenüber) fremdes Ereignis, es muß also der Wert des äußeren Umfangs des BW des IE 1 mit dem äußeren Umfang des B U von IE 2 zusammenstimmen, wie es tatsächlich der Fall ist. Zugleich aber kann IE 2 nicht alle Forderungen des IE 1 erfüllen, welches eine für G n i n n e r e Wirkung fordert. So kann IE 2 nicht als e i n z i g e Wirkung des IE 1 auftreten. Ließe sich aber eine andere gleichzeitige Wirkung des IE 1 finden, die sich mit IE 2 verträgt, dann kann IE 2 die Wirkung von IE 1 sein. Wir kommen auf diesen letzteren Fall zurück, wie auch auf das Problem der Einfügung des erwogenen kausalen Zusammenhanges in das übrige kausale Weltnetz. Dagegen erhebt IE 2 durch die Umfänge seines B U nur die e i n e Forderung, eine äußere Ursache zu haben, und diese Forderung kann im Prinzip durch IE 1 allein erfüllt werden. IE 2 kann also eine e i n f a c h e Ursache haben. Der Fall Baa 2 reduziert sich im Grunde auf den Fall Baai. b) die Ereignisse E^Gn) und E 2 (G m ) sollen ungleichnamig sein. Und zwar bi) E 1 ( G n ) soll ein ä u ß e r e s Ereignis des G n und E 2 ( G m ) ein i n n e r e s Ereignis des Gm sein. Ist dann also E 1 nn/on(Gn) - > I E 2 n n / o n ( G m ) möglich? Wir müssen hier wie schon einmal beachten, daß es vom rein formalontologischen Standpunkt aus nicht allgemein zu entscheiden ist, ob ein derartiger unmittelbarer kausaler Zusammenhang immer möglich sei, oder ob es zum Zustandekommen eines kausalen Zusammenhanges zwischen solchen Ereignissen noch der Vermittlung eines am Gm stattfindenden dritten Ereignisses Esnn/on(Gm) (oder irgendeines sonstigen Typus) bedarf. Gäbe es aber solche Materien der entsprechenden Eigenschaften von Gn und Gm, deren Änderung die Ereignisse E 1 und E® bilden sollen, so daß ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwi326
sehen denselben möglich wäre, dann fragt es sich, ob der Typus dieser Ereignisse diesen Zusammenhang zuläßt. E*(Gn) und IE 2 (Gm) sind i m V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r beide äußere Ereignisse; dieser Fall ist also mit dem bereits behandelten Fall (Baai) identisch und braucht hier nicht gesondert behandelt zu werden. Dasselbe betrifft auch den Fall (b 2 ) IE 1 (G n ) E 2 (G m ). So haben wir alle Fälle behandelt, die sich bei der Voraussetzung der Einzigkeit der unmittelbaren Wirkung des E 1 ergeben. Sie reduzieren sich alle auf drei Fälle: zwei, wenn beide Ereignisse e i n e n Gegenstandsträger haben (Fälle Aaai und Abbi) und einen, der besteht, wenn die beiden Ereignisse verschiedene Gegenstände zu ihrem Träger haben: Baai. Aber alle diese Fälle würden erst dann wirklich möglich sein, wenn neben der e i n e n Wirkung des E 1 sich noch eine andere Wirkung finden ließe. Wir können jetzt zusammenfassend sagen, daß der allgemeine Ereignistyp Enn/on der Art ist, daß er für Ereignisse dieses Typus zwei verschiedene Wirkungen vorschreibt: die e i n e in der Gestalt eines äußeren, die andere in der Gestalt eines inneren Ereignisses. Es müssen also jetzt diejenigen Fälle untersucht werden, in welchen beides zugleich möglich ist. II. A. Es kommen hier drei Ereignisse in Betracht, das eine bildet die Ursache, die beiden anderen die Wirkungen des ersteren. Setzen wir jetzt voraus, daß alle drei an bzw. in d e m s e l b e n Gegenstand Gn stattfinden. a) E 1 ist ein äußeres Ereignis am G n E 2 ist ein äußeres Ereignis am un und E 3 ist ein inneres Ereignis HU \Jn. Ist dann der Fall E W G < J
:
;
:
( g
:
)
möglich?
Dies muß bejaht werden. Während nämlich E 1 einen partiellen äußeren und einen partiellen inneren Umfang seines BW hat, hat E s einen partiellen äußeren Umfang seines BU, und E 3 besitzt ebenfalls einen partiellen äußeren Umfang seines B U . Daß E 3 zugleich den Nullwert seines inneren Umfanges des B U hat, weist nur darauf hin, daß E 3 eine e i n f a c h e Ursache in E 1 hat bzw. haben muß, also mit ihm direkt, ohne die Vermittlung eines Vorgangs, kausal verbunden werden muß. E 1 und E 3 müssen somit gleichzeitig sein. Dasselbe betrifft audi E 2 und den kausalen Zusammenhang zwischen E 1 und E 2 . Wir haben es 327
in diesem Fall mit einer k a u s a l e n V e r z w e i g u n g in e i n e r Weltgegenwart zu tun. Dieser Fall bildet die V e r b i n d u n g der früher untersuchten Fälle I/Aaai und I/Abbi, falls die dort angenommene Voraussetzung der Einzigkeit der Wirkung fallengelassen wird, b) E 1 soll ein inneres Ereignis des Gn, E 2 soll ein äußeres Ereignis des Gn und E 3 soll ein inneres Ereignis des G n sein. Ist also
IE1nn/on(Gn)
f
möglich?
* l - h nn/on(- I E 2 o n / n o ( G n ) .
Denn auch hier fordert I E 1 eine äußere Wirkung, die ihm I E 2 als ein inneres Ereignis nicht verschaffen kann, und E 2 fordert eine innere U r sache, während IE 1 keine innere Wirkung haben kann. Fall Abbi: Wir müssen also annehmen, daß die beiden in Frage kommenden Ereignisse ungleichnamig sind. U n d zwar soll erstens E 1 ein inneres und E 2 ein äußeres Ereignis sein: I E 1 o n / n o ( G n ) —> E 2 o n / n o ( G n ) .
Dieser Fall ist möglich, da IE 1 eine äußere Wirkung in E 2 als einem äußeren Ereignis finden kann, wogegen E 2 eine innere Ursache fordert, und diese kann ihm E 1 als ein inneres Ereignis in demselben Gegenstand, der f ü r E 2 Träger ist, verschaffen. Fall Abb2: ^
'
'
Es soll jetzt umgekehrt E 1 ein äußeres und E 2 ein inneres E 1 o n / n o ( G n ) —*• I E 2 o n / n o ( G n ) .
Dieser Fall ist als ein Kausalzusammenhang unmöglich. E 1 fordert eine äußere Wirkung und läßt keine innere Wirkung zu, während IE 2 eben als ein inneres Ereignis desselben Gegenstandes keine äußere Ursache haben darf, dafür aber eine innere Ursache fordert. Die gegenseitigen Forderungen dieser Ereignisse schließen sich somit aus. B. a) Setzen wir jetzt voraus, daß beide Ereignisse an v e r s c h i e d e n e n Gegenständen stattfinden und daß sie beide gleichnamig sind. Sie müssen somit relativ zueinander immer - d. h. unabhängig davon, ob sie beide äußere oder beide innere Ereignisse im absoluten Sinne 344
sind - äußere Ereignisse sein. Infolgedessen ist aber ihre Verbindung zu einem unmittelbaren Kausalzusammenhang, wie wir uns bereits im Fall Aaai überzeugt haben, unmöglich. B. b) Sollen aber diese Ereignisse zwei verschiedene Gegenstände zum Träger haben, so sind sie, unabhängig von ihrem absoluten Charakter, relativ zueinander immer äußere Ereignisse und können als solche ihrem Typus gemäß keinen unmittelbaren Kausalzusammenhang bilden. Alle Fälle somit, die sich unter der Voraussetzung Β ergeben, sind als ein Kausalzusammenhang u n m ö g l i c h . So bleibt als einziger möglicher Fall dieses Typus der Fall Abbi übrig: I E 1 ™ / n o ( G n ) —>- E 2 on/no(Gn).
Er läßt sich aber vermittels der Ereignisse desselben Typus nicht in das übrige Weltkausalnetz einfügen. Denn weder darf IE^Gn) eine äußere Ursache haben, noch kann es sie in einem I E o n / n o ( G n ) finden, da dieses letztere keine innere Wirkung haben darf. Noch ist es möglich, daß E 2 on/no seinerseits eine Wirkung desselben Typus erlange, denn es kann weder ein gleichnamiges äußeres Ereignis desselben Typus sein, noch kann es ein IE dieses Typus sein, wie wir es eben gesehen haben. Soll sich also der gefundene mögliche Fall des Kausalzusammenhanges dieses Typus in das Weltkausalnetz einfügen lassen, so müßten es Ereignisse irgendeines a n d e r e n Typus sein, was noch in den Mischfällen untersucht werden wird. II. und III. Die Voraussetzungen, daß es eine zusammengesetzte Ursache bzw. daß es mehrere Wirkungen desselben Typus und Namens sein sollten, ändern an dem erzielten Ergebnis gar nichts. Somit brauchen wir diese Fälle nicht besonders zu erwägen. Es scheint aber nicht ausgeschlossen zu sein, daß eine Mannigfaltigkeit innerer Ereignisse eine Gesamtursache des Typus IEon/no bildet, die dann zu der Wirkung E 2 on/no(Gn) führt. Der aufgewiesene Fall darf also auch auf Fälle von Kausalzusammenhängen angewendet werden, in denen die Ursache früher als ihre Wirkung ist. E. Die Verbindungsmöglichkeiten
des Typus V,2:
Eno/oo
Jedes Ereignis des Typus V,2: Eno/oo hat k e i n e Wirkung. Es kann also weder Ursache irgendeines Ereignisses (überhaupt und insbesondere desselben Typus) sein, noch kann es sich als Wirkung aus einem Ereignis desselben Typus ergeben, das als selbst wirkungslos ihm diese Ursache nicht verschaffen kann. Wenn also ein Ereignis des Typus Eno/oo 345
in der Welt auftreten soll, dann muß es seine Ursache in einem Ereignis eines a n d e r e n Typus haben. Und zwar muß es ein äußeres Ereignis sein, das eine äußere Wirkung zuläßt, falls Eno/oo selbst ein äußeres Ereignis ist, und es muß eine innere Wirkung zulassen, falls Eno/oo ein inneres Ereignis ist. Wir kommen darauf noch in den Mischfällen zu sprechen. F. Die Verbindungsmöglichkeiten
des Typus V,5:
Eno/no
Dasselbe gilt bezüglich der Ereignisse des Typus V,5 : Eno/no, die gleichfalls wirkungslos sind, also weder Wirkungen ergeben noch sich als Wirkungen der Ereignisse desselben Typus ergeben können. Die Bedingungen ihrer eventuellen Einfügung in das Weltkausalnetz müssen hier natürlich andere als in dem Typus V,2 sein. Wir kommen darauf zurück. G. Die Verbindungsmöglichkeiten
des Typus V,3:
Enoinn
Der Typus der Ereignisse schreibt hier vor, daß ein solches Ereignis eine aus ungleichnamigen Ereignissen zusammengesetzte Ursache und eine innere Wirkung haben soll. Diese innere Wirkung braucht hier nicht einzig zu sein, obwohl sie es sein kann. Wir können uns also hier auf die Untersuchung der Fälle beschränken, in welchen wir auf die Erfüllung der soeben angegebenen Bedingungen rechnen können. III. A. Setzen wir zunächst voraus, daß alle in Frage kommenden Ereignisse denselben Gegenstand zum Träger haben sollen. Alle Fälle mit gleichnamigen Ereignissen fallen hier ipso facto fort, und wir können ohne weiteres zu dem Fall A. b) übergehen, in welchem nicht alle in Frage kommenden Ereignisse gleichnamig sind. Es kommen da also jene bereits öfters erwogenen sechs Fälle in Betracht: Fall Abbi: E 1 und E2 sind äußere Ereignisse, E 3 ist ein inneres Ereignis. Dieser Fall ist als ein Kausalzusammenhang unmöglich, weil die
beiden Ereignisse E'(G n ) und E 2 (G n ), aus welchen hier die Ursache zusammengesetzt werden müßte, äußere Ereignisse sind, die die Forderung des IE 8 nach ungleichnamigen Bestandteilen der Ursache nicht erfüllen können. 346
Fall Abbi: E 1 ist ein äußeres, E 2 ein inneres und E8 ein äußeres Ereignis. Die beiden Ereignisse, aus denen die Ursache des E s zusammen-
i!:;:ͧ:!>°'™ IE 2 no/on(Gn). Dieses Ereignispaar kann einen Kausalzusammenhang bilden. Die beiden gegenseitigen Forderungen dieser Ereignisse werden voneinander erfüllt. B. Die Verteilung der in Frage kommenden Ereignisse auf zwei verschiedene Gegenstände vermag zu keinem Kausalzusammenhang zu führen. Denn damit es zu ihm käme, müßten die beiden Ereignisse auf bestimmte Weise ungleichnamig sein. Indessen, ob sie in diesem Fall gleich- oder ungleichnamig seien, sind sie als Ereignisse an zwei verschiedenen Gegenständen einander äußere Ereignisse, was ihnen unmöglich macht, die gegenseitigen Postulate zu erfüllen. Der aufgewiesene mögliche Fall des Kausalzusammenhangs dieses Typus läßt sich aber mit Hilfe der Ereignisse desselben Typus nicht in das übrige Kausalnetz in der Welt einfügen. Denn weder läßt sich zu Elno/on(Gn) ein inneres noch ein äußeres Ereignis dieses Typus als Ursache nehmen, noch kann man zu IE 2 eine weitere Wirkung in der Gestalt eines äußeren oder eines inneren Ereignisses dieses Typus finden. Soll ein Kausalzusammenhang dieses Typus in der Welt überhaupt stattfinden, so müssen zu diesem Zweck Ereignisse eines völlig anderen Typus einerseits als Ursache, andererseits als Wirkung genommen werden, falls sich überhaupt ein solcher Typus findet. So bestätigt sich unsere Behauptung, daß Ereignisse des Typus V,4 nicht allgemein in der Welt auftreten können. Es hat sich also gezeigt, daß von den acht Ereignistypen, die wir hier untersucht haben, nur zwei, V,2 und V,5, gar keine homologen Einzelfälle liefern. In den übrigen sechs dagegen ließen sich immer solche Kombinationen der betreifenden Ereignisse finden, bei welchen ein homologer Einzelfall des unmittelbaren kausalen Seinszusammenhangs des betreffenden Typus möglich ist. Aber kein solcher Einzelfall ist vermittels der Ereignisse desselben Typus in das kausale Weltnetz voll einfügbar. So müssen jetzt „Mischfälle" untersucht werden, d. h. Fälle, in welchen ein Kausalzusammenhang der bereits aufgewiesenen Typen mit Ereignissen a n d e r e r T y p e n zu einem Kausalzusammenhang verbunden werden kann. Es können dabei vor allem diejenigen Ereignistypen in Betracht genommen werden, deren Einzelfälle bereits untersucht wurden. Zu jedem Einzelfalltypus müssen die übrigen fünf Typen in Erwägung gezogen werden. Außerdem aber haben wir früher zwei Ereignistypen behandelt, die sich als in der Welt allgemein mög352
lieh erwiesen haben: Enn/nn und Enn/oo. Wir können hier die Vermutung ausspredien, daß Ereignisse dieser beiden letzten Typen in der Welt vorherrschend sind, und daß Kausalzusammenhänge der im Einzelfall erwiesenen Typen an sie anknüpfen können, um in das kausale Weltnetz eingefügt zu werden. Jeder der im Einzelfall möglichen Kausalzusammenhänge muß also audi danach untersucht werden, ob er sich mit Ereignissen der Typen Enn/oo und Enn/nn in einem Kausalzusammenhang vereinigen läßt. So eröffnen sich im allgemeinen 42 verschiedene mögliche Kombinationen von Fällen, die nach ihrer kausalen Vereinbarkeit noch untersucht werden müssen, abgesehen davon, daß noch einige weitere mögliche Fälle vorhanden sind, da einige von den aufgewiesenen Einzelfällen in demselben Typus noch verschiedene Kombinationen der Ereignisse zulassen. Zum Schluß dieser Betrachtungen der Einzelfälle ist noch eine allgemeine Bemerkung hinzuzufügen. Die durchgeführte Betrachtung der Einzelfälle setzt etwas stillschweigend voraus - obwohl es vielleicht aus den gefaßten Entscheidungen ersichtlich ist - was doch ausdrücklich gesagt werden muß, nicht bloß, um nichts zu verschweigen, sondern auch, weil es bei der von uns eingeführten Symbolik nicht selbstverständlich, aber vielleicht auch nicht notwendig ist. Es wurde nämlich oben bei der Behandlung der Einzelfälle der Ereignisse, deren Typus zwei von Null verschiedene Umfänge desselben Bereiches (also z. B. des BU oder des BW) aufweist, die Sache immer so aufgefaßt, daß ein solches Ereignis in seiner Forderung (ζ. B. zwei ungleichnamige Wirkungen zu haben) immer u n m i t t e l b a r durch das mit ihm direkt kausal verbundene Glied befriedigt werden muß. D. h. wenn es Ursache ist, muß es unmittelbar zwei ungleichnamige Wirkungen haben bzw. mit zwei Ereignissen, einem äußeren und einem inneren, deren Ursachenumfänge von Null verschieden sind, unmittelbar kausal verbunden werden. Ein Ereignis also, dessen Umfänge sämtlich von Null verschieden sind, muß also mit v i e r verschiedenen Ereignissen unmittelbar 53 verbunden werden, wenn die durch seinen Typus vorgeschriebenen Forderungen erfüllt werden sollen: mit zwei ungleichnamigen Bestandteilen seiner zusammengesetzten Ursache und mit zwei ungleichnamigen unmittelbaren Wirkungen. 53 Wenn wir hier von einer „unmittelbaren" kausalen Verbindung sprechen, so wollen wir der Kürze halber die beiden verschiedenen Fälle damit umfassen: die im echten Sinne unmittelbare kausale Verbindung und den kausalen Zusammenhang, der durdi e i n e Vorgangsgruppe zwischen entsprechenden Ereignissen hergestellt wird.
353
Verfügen die in Aussicht gestellten Ereignisse nicht über von Null verschiedene entsprechende Umfange (auch wenn nur in e i n e m Fall die Umfangswerte nicht zusammenstimmen), dann werden die Forderungen des Ereignisses n i c h t erfüllt und es kommt überhaupt zu k e i n e m Kausalzusammenhang. Zum Beispiel :
"^iltiai
E 1 könnte sich hier mit E 2 verbinden, da es eine äußere Wirkung fordert und E 2 eine äußere Ursache zuläßt. Aber E 1 kann sich mit IE S nicht kausal verbinden, da dieses letztere keine äußere Ursache zuläßt. Unter unserer Voraussetzung verwerfen wir dann diese ganze Kombination der Ereignisse und behaupten sogar, daß sich E 1 nicht mit E 2 a l l e i n verbinden kann, weil dabei seine vollen Forderungen nach zwei ungleichnamigen Wirkungen nicht erfüllt werden. Man könnte aber dem entgegnen: Dies sei schon richtig, was die ganze Kombination von drei oben angedeuteten Ereignissen betrifft. Es sei aber unrichtig, wenn dabei auch die Verbindungsmöglichkeit des Ereignisses E ' n n / o n mit E 2 n n / n n a l l e i n als seiner unmittelbaren Wirkung geleugnet wird, o h n e daß d a b e i die Forderung des E 1 nach einer inneren Wirkung erfüllt wird. Es sei eben unrichtig zu fordern, daß diese Forderung gleichzeitig und in strenger Verbindung mit dem Kausalzusammenhang: E 1 - > E 2 durch irgendein drittes, von E 2 kausal unabhängiges Ereignis erfüllt werde. Man müsse zugeben, daß diese Forderung mittelbar, und zwar unter der Vermittlung des E 2 , erfüllt werden kann. Bilden wir die Kette: E'nn/on(Gn) E2nn/nn(Gn) —> IEsnn/nn(Gn), so erfüllt IE 3 die Forderung des E 2 , eine innere Wirkung zu haben (obwohl zugleich die Forderung des E 2 nach einer äußeren Wirkung nicht erfüllt wird), aber eben dadurch gewinnt E 1 durch die Vermittlung des E 2 eine mittelbare Wirkung in IE 3 , und so wird sein Postulat nach einer inneren Wirkung hier doch befriedigt, obwohl nur mittelbar durch ein Ereignis, welches selbst von E 2 kausal abhängig ist. So ist der zurückgewiesene Fall E'nn/on E 2 n n / n n dodi möglich, und es besteht kein Grund, ihn als unmöglich zurückzuweisen. Denn bei der Einführung der Begriffe der vier verschiedenen Umfänge sowie der damit zusammenhängenden Symbolik wurde nie gesagt, daß diese Umfänge, die einem Ereignis zugeordnet sind, immer ein Ereignis enthalten müssen, das eine u n m i t t e l b a r e Wirkung oder eine u n m i t t e l b a r e Ursache des betreffenden Ereignisses ist, daß also Umfänge unmöglich sein sollten, die nur m i t t e l b a r e Wirkungen bzw. Ursachen enthalten würden, die erst eine Vermittlung durch ein Ereignis, das 354
in dem anderen Umfang desselben BU bzw. BW des betreffenden Ereignisses liegen würde, bedürfen, um überhaupt in den BW bzw. BU des betreffenden Ereignisses zu fallen. Nun, was ist darauf zu antworten? Tatsache ist es, daß dieses ganze Problem bei der Einführung unserer Begriffe der BU und BW sowie deren „Umfange" nicht in dem einen oder in dem anderen Sinne entschieden wurde. Es ist auch unzweifelhaft, daß es im Sinne unserer ganzen Auffassung lag, jedem Ereignis sozusagen zu erlauben, auf mittelbarem Wege Ursachen und Wirkungen zu erlangen und es nicht bloß durch seine unmittelbaren, sondern auch durch seine mittelbaren Ursachen bzw. Wirkungen zu charakterisieren. Es wurde ihm auch nicht verboten, zur Herstellung der Vermittlung andersnamige Ereignisse zu verwenden, als es dasjenige ist, das eine mittelbare (ζ. B.) Wirkung von ihm sein soll. D. h. es lag nicht im Sinne unserer Begriffsbildung und unserer Symbolik, die verschiedenen Umfange desselben Bereiches (z.B. des BW) eines bestimmten Ereignisses so zu bestimmen, daß jede zwei Ereignisse, die zu zwei verschiedenen Umfängen desselben Bereiches dieses Ereignisses gehören, voneinander kausal unabhängig sein müssen. Nichtsdestoweniger möchten wir nicht die Zugehörigkeit der Umfänge von Wirkungen bzw. von Ursachen zu dem betreffenden Ereignis allgemein so lose auffassen, daß es bei jedem Ereignis erlaubt wäre, bloß m i t t e l b a r e Z u o r d nungen der mittelbaren Wirkungen bzw. Ursachen zu haben. Es scheint uns, daß hier ausdrücklich zwei verschiedene Fälle unterschieden werden müssen, und zwar mit Rücksicht auf die M a t e r i e der Ereignisse: 1. Es kann Ereignisse geben, deren Materie darüber entscheidet, daß sie zwei u n m i t t e l b a r e ungleichnamige Wirkungen (bzw. ungleichnamige Bestandteile ihrer Ursache) haben müssen, die also nicht durch ein Ereignis als ihre Wirkung befriedigt werden können. Die ungleichnamigen Wirkungen d e s s e l b e n Ereignisses sind dann zwar v o n e i n a n d e r kausal u n a b h ä n g i g , sie bilden aber trotzdem ein Wirkungspaar, dessen Glieder materialiter einander zugeordnet sind. Es liegt eben in diesem Fall an der Materie des Ereignisses, daß es unmittelbar in solche zwei Wirkungen (eine äußere und eine innere) überzugehen hat, und es ist durch seine Materie ausgeschlossen, daß nur die äußere oder nur die innere unmittelbare Wirkung durch es hervorgerufen werde: sie b e i d e bilden jene sachliche Ergänzung zu dem betreffenden Ereignis. Oder man könnte es auch so formulieren, daß dieses Ereignis als Ursache sozusagen d o p p e l t ergänzungsbedürftig 355
ist, durch eine innere u n d durch eine äußere Wirkung ergänzt zu werden verlangt. Und darin liegt eben der Grund, daß es zwei von Null verschiedene Umfänge des BW hat. (Analog gilt dasselbe für die ungleichnamigen Bestandteile seiner Ursache.) Für derartige Ereignisse haben wir oben die möglichen Kausalzusammenhänge im Einzelfall aufgewiesen sowie die von diesem Standpunkt aus unmöglichen Fälle zurückgewiesen. Die im III. Kapitel durchzuführenden Betrachtungen, die an Ergebnisse der Naturwissenschaft anknüpfen werden, werden uns viele derartige Ereignisse und solche komplizierten Kausalzusammenhänge als Beispiele der hier von uns im Auge gehabten Fälle geben. 2. Wir wollen aber auch vom rein formalen Standpunkt aus nicht verbieten, daß man den Zusammenhang zwischen einem Ereignis und den ihm zugeordneten Umfängen von Wirkungen bzw. Ursachen viel loser versteht und eben damit wenigstens die Möglichkeit solcher Ereignisse zugibt, in welchen nur eine m i t t e l b a r e - vermittels anderer, und zwar ungleichnamiger Ereignisse - Zuordnung von Wirkungen bzw. Ursachen zu einem Ereignis vorliegt, so daß der betreffende Umfang z . B . n u r mittelbare innere Wirkungen des Ereignisses enthält. Dann aber muß der komplementäre, andersnamige Umfang der Ereignisse notwendig die unmittelbare (äußere) Wirkung enthalten. Vielleicht wird es möglich sein, in den Naturwissenschaften auch Beispiele für solche Fälle zu finden. Es werden dann die verwendeten Symbole für derartige Ereignisse gewissermaßen zweideutig: einerseits werden sie Ereignisse bezeichnen, die die gleichzeitige Erfüllung aller ihrer Postulate durch verschiedene, ungleichnamige Ereignisse fordern, andererseits werden sie Ereignisse bezeichnen, die eine partielle unmittelbare Erfüllung ihrer Postulate zulassen. An dem bloßen Symbol wird man nicht erkennen können, mit welcher Art Ereignisse man es gerade zu tun hat. So muß also bei der rein formalen Betrachtung immer angegeben werden, ob man im gegebenen Fall eine volle gleichzeitige Erfüllung der Postulate des betreffenden Ereignisses fordert oder ob man eine partielle Erfüllung zuläßt. Durch die Zulassung von Ereignissen, deren Forderungen nur partiell unmittelbar erfüllt werden können, eröffnen sich natürlich neue Verbindungsmöglichkeiten für Ereignisse der besprochenen Typen, die oben nicht berücksichtigt wurden. Sie werden in einem besonderen Paragraphen zusammengestellt werden. Erst später wird sich bei Behandlung der Fälle, deren Beispiele uns die Naturwissenschaft liefern wird, zeigen, ob und welche Bedeutung in der kausalen Struktur der 356
Welt die Ereignisse haben, deren Postulate nur partiell unmittelbar erfüllt werden können. Der Kürze halber werden wir die Voraussetzung, die die volle unmittelbare Erfüllung der Forderungen eines Ereignisses postuliert, das P r i n z i p d e r A d ä q u a t h e i t des Kausalzusammenhanges nennen. Dementsprechend nennen wir eine Ursache (bzw. eine Wirkung), die dieses Prinzip erfüllt, eine ädäquate Ursache (bzw. eine adäquate Wirkung). Im entgegengesetzten Fall sprechen wir von einer unadäquaten Ursache bzw. von einer unadäquaten Wirkung.
§ 107. Z u s a m m e n s t e l l u n g d e r E r g e b n i s s e m i t voller E r f ü l l u n g d e r F o r d e r u n g e n d e r E r e i g n i s s e Es sind folgende Typen der unmittelbaren Kausalzusammenhänge in Einzelfällen möglich: A.
1 1 1 , 4 : Enn/on 1 1.
B.
tri , fC E nn/on(Gn) E nn/on(G„) ^ j p ^ j ^ j
E n n / n o ( G n ) ^ TJS IE2nn/no(Gn) '
3
E
,
n n / n
rr^
\
°(Gn)
-ïlriâ))^^
^ ^
E nn/on(Gm) j ^ j ç J
E iin/no(Gn) ^ Έ 3
2.
IFnn/no(Gm) '
,
(Γ*
Λ
^
(=2 }
·
I V , 3 : Εοη/ηπ IE1on/nn(Gn)
D.
tji , f f \ E no/on(G»)
1 1 1 , 5 : Enn/no 1.
C.
-1 2.
(
( A b b í
=
A b b e )
I V , 5 : Eon/no IE1on/no(Gn) — E 2 o n / n o ( G n )
G.
V , 3 : Eno/nn (Abbs=Abbe)
H.
V,4:Eno/on E 1 n o / o n ( G n ) —*• I E 2 n o / o n ( G n )
Es sind also im ganzen acht verschiedene Typen der Kausalzusam357
menhänge in Einzelfällen (mit einigen äquivalenten Fällen) möglich.54 Sie sind als Ausgangspunkt zur Untersuchung derMisdifälle zu nehmen.
§ 108. M i s c h f ä l l e A. Mischfälle der Verbindung
von Ereignissen des Typus 111,4:
Enn/on
Es sind nach dem obigen zwei verschiedene Kombinationen der Einzelfälle der Kausalzusammenhänge dieses Typus möglich. Um aus ihnen „Mischfälle" zu bilden, muß man folgende Ereignistypen in Betracht nehmen: 1. 2.
Enn/nii) Enn/ooJ
- von den a l l g e m e i n möglichen Kausalzusammenhängen - ; 3.
Enn/no^
4.
Eon/nn;
5.
Eon/no »
6.
Eno/nn
7.
Eno/on.
Und
Es müssen dabei immer zwei verschiedene Möglichkeiten ins Auge gefaßt werden: a) die Auffindung des Typus der U r s a c h e der Ursache des betreffenden Kausalzusammenhanges, b) die Auffindung der Wirkung der W i r k u n g des erwogenen Kausalzusammenhangs. Es ist also zu fragen:
Die Forderung des E 1 nach einer Ursache beschränkt sich auf eine ä u ß e r e Ursache, ohne eine innere Ursache zuzulassen. Diese Forderung kann auf zweifache Weise erfüllt werden: a) durch ein Ereignis, welches bloß eine äußere Wirkung fordert, ohne eine innere Wirkung zuzulassen; b) so, daß EV/o^Gn) bloß e i n Glied einer doppelten Wirkung eines Ereignisses bilden wird, welches noch eine innere Wirkung 5 4 E s kommen da wohl noch die beiden folgenden T y p e n in Betracht: V , 2 : E n 0 / 0 0 und V , 5 : E n o / n o . Sie können keinen homologischen Einzelfall bilden, auch können sie nidit als Ursachen in Mischfällen auftreten, wohl aber können sie als Wirkungen der Ereignisse a n d e r e r Typen fungieren, obwohl an ihnen die in sie mündende kausale Kette zum Absdiluß kommt. D a ß dies möglich ist, sollten wir nidit vergessen.
358
fordert. E 1 n n / o n ( G n ) müßte dann mit einem inneren Ereignis desselben Gn ein Paar bilden. In beiden Fällen stehen uns im Prinzip Ereignisse der 7 bzw. 9 aufgezählten Typen zur Verfügung, und es ist zu prüfen, ob sich mit ihrer Hilfe widerspruchslose gemischte Kausalzusammenhänge bilden lassen. a) Im Fall (a) kommen da Ereignisse der folgenden Typen in Betradit: (2) Enn/oo, (3) Εηη/η ϋ und (5) Eon/no. Indessen darf k e i n Ereignis dieser Typen als Ursache des E'nn/o^Gn) fungieren, denn dieses letztere führt, wie wir gesehen haben, u. a. zu einer inneren Wirkung des Typus I E s n D / o n ( G n ) . Dadurch würde also die Ursache des E 1 n n / o n ( G n ) - nennen wir sie E4 - mittelbar eine innere Wirkung gewinnen; E4 darf also nicht ein Ereignis sein, dessen innerer Umfang des BW - wie in den soeben angegebenen Typen - gleich Null ist. Die Weise (a), dem E 1 eine Ursache zu verschaffen, führt also zum Widerspruch und muß verworfen werden. b) Zur Durchführung dieser anderen Weise, dem E1nB/on(Gn) eine Ursache zu verschaffen, stehen bloß Ereignisse der zwei Typen: (1) Enn/nn und (4) Eon/nn zur Verfügung. Denn die Ereignisse der Typen (6) Eno/nn und (7) Eno/on können überhaupt k e i n e äußere Wirkung haben. So ergibt sich vor allem (bt)
E4nn/nn(Gn) (
j g ' ^ g j
Í
i l l ^ G » )
Es muß also zur Ermöglichung dieses kausalen Doppelzusammenhanges nodi das Ereignis IE 5 (G n ) hinzugenommen werden, und es fragt sich nur, welchen Typus dieses neue Ereignis haben soll bzw. haben darf. Vorläufig ist es nur klar, daß wenn E 4 den Gegenstand G η zum Träger hat (was nicht notwendig ist), so audi IE 5 (G n ), d. h. jedenfalls muß es ein inneres Ereignis desselben Gegenstandes sein, den E 4 zum Träger hat. Im anderen Fall würde IE 5 dem E 4 gegenüber ein äußeres Ereignis sein und könnte die Forderung des E4 nach zwei ungleichnamigen Wirkungen nicht mitzuerfüllen helfen. Aber dies entscheidet über den Typus des IE 5 (G n ) noch nicht. Es muß nur eine äußere Ursache haben dürfen, also den äußeren Umfang des BU verschieden von Null und den inneren Umfang des BU gleich Null 85 haben, sonst aber könnte es eines beliebigen Typus sein, sogar des Typus ΙΕ5η0/οη.Ββ Jedenfalls kann 66
Wenn es den inneren U m f a n g audi v e r s c h i e d e n v o n N u l l hätte, dann müßte es aus dem Paar der Ereignisse ( E a n n / n n + I E b n n / n n ) sich kausal ergeben, was auch möglidi ist. 58 Außer diesem Typus sind nodi I E s n n y 0 0 und I E 5 n o / n n möglich.
359
es nicht die Ursache des IE8nn/on(Gn) sein, einmal deswegen, weil bereits E1nn/on(Gn) dessen Ursache ist, zweitens aber, weil IE3(Gn) keine innere Ursache zuläßt, indem es einen nullhaften inneren Umfang des BU hat. So erweist sich, daß falls (bj) als eine mögliche Verbindung des Kausalzusammenhanges 111,4 (1) mit E4nn/nn(Gn) anerkannt werden soll, IE 5 und IE 3 kausal unabhängig voneinander sein müssen, was freilich nicht ausschließt, daß sie bei entsprechend gewähltem Typus des IE 5 (Gn) beide in einem Moment zu gemeinsamen (mittelbaren) Wirkungen führen könnten. Wichtig ist es aber, daß wir auf diesem Wege zur Aufweisung der Möglichkeit g e g e n s e i t i g k a u s a l u n a b h ä n g i g e r innerer Ereignisse in einem und demselben Gegenstand kommen. Wenn es sich zeigen würde, daß auch die übrigen möglichen Verbindungsarten des Kausalzusammenhanges des Typus 111,4 (1) mit entsprechendem E 4 (G n ) zu dieser Konsequenz führen, dann würde diese Möglichkeit zu einer Notwendigkeit des Vorhandenseins solcher voneinander kausal unabhängiger innerer Ereignisse im Innern eines und desselben Gegenstandes werden, falls dieser Mischfall überhaupt in dem kausalen Netz der Welt auftreten müßte. Aber rein formal läßt sidi dies letztere nicht einsehen. Man müßte dafür erst in der Materie der in der Welt stattfindenden Ereignisse den Grund suchen. Wollte man aber die Möglichkeit des Eintretens solcher voneinander kausal nicht abhängiger Ereignisse nicht zugeben, so müßte man zustimmen, daß diese Weise der Einfügung des Kausalzusammenhanges des erwogenen Typus vermittels einer Ursache E 4 (G n ), die zu der ergänzenden Wirkung IE 5 (G n ) führt, unmöglich ist. Aber dann fällt überhaupt die Möglichkeit fort, eine Ursache zu E V / o n ( G n ) zu finden, und der erwogene Typus des Kausalzusammenhanges könnte in der Welt nicht auftreten. Lassen wir aber die Möglichkeit des Auftretens von Ereignissen, die voneinander kausal unabhängig sind, im Innern eines und desselben Gegenständes zu, dann ergeben sich neben der schon besprochenen Weise der ursächlichen Einführung des erwogenen Kausalzusammenhanges noch andere Möglichkeiten. Und zwar kann E 4 (Gn) noch des Typus (b2) E 4 on/nn(G n ) oder (b3) E4nn/on(Gn) sein. Die Bedingungen für IE 5 (G n ) bleiben in diesen beiden Fällen dieselben wie in dem schon besprochenen Fall (bi), so daß wir hier die beiden neuen Anordnungen der Ereignisse zu einem gemischten Kausalzusammenhang nicht besonders zu erwägen brauchen. Wenn das E4 an einem anderen Gegenstand als E^Gn) stattfindet, dann muß auch IE 5 in diesem anderen Gegenstand stattfinden und dann erscheint die gegenseitige kausale Unabhängigkeit der Ereignisse IE 5 und IE 3 nicht so merkwürdig und wird wahrscheinlich weniger auf den 360
eventuellen Widerstand des Lesers stoßen, da diese Ereignisse dann gegenseitig äußere und sogar fremde Ereignisse sind. Wenn man aber mit verschiedenen Eigentümlichkeiten der kausalen Struktur einer Welt mit relativ isolierten Systemen verschiedener Stufe und Art rechnet, dann ist die Möglichkeit des Vorhandenseins relativ kausal unabhängiger Ereignisse innerhalb e i n e s relativ isolierten Systems ( e i n e s Gegenstandes (eventuell) höherer Ordnung) von viel größerer Bedeutung als das Vorhandensein derselben Tatsache in zwei verschiedenen Gegenständen (Systemen). Wenn wir jetzt statt 111,4 (1) den Fall 111,4 (2), also rjl , //-• \ ^ E3nn/on(Gm) Enn/on(G„) ME nn/on(Gn) nehmen und nach der Möglichkeit fragen, wie dem E'nn/on(Gn) eine Ursache verschafft werden kann, so eröffnen sich hier dieselben Möglichkeiten wie in dem Fall 111,4 (1), und es ergeben sich dieselben Notwendigkeiten für das Ereignis IE 5 sowie für seine gegenseitige kausale Unabhängigkeit mit IE 3 (G n ), je nachdem, ob E 4 denselben Gegenstand wie E 1 zum Träger hat oder einen anderen. Der Umstand, daß jetzt E2nn/on(Gm) an einem anderen Gegenstand stattfindet als E1, übt keinen besonderen Einfluß auf die Art der Einfügung des ganzen Kausalzusammenhanges durch eine neue Ursache in das Weltkausalnetz aus. Gehen wir zu dem anderen Problem über, wie es möglich ist, zu dem zweiten Glied des Kausalzusammenhanges 111,4 (1) eine Wirkung zu finden. Es können da zwei verschiedene Fälle vorliegen: der Fall (ci), in welchem E2 und IE 3 jedes für sich ursachebildend ist, und (c2), in welchem diese beiden Ereignisse (E2 + IE3) ein Ereignispaar bilden, das erst als Paar ursachebildend ist. In (c t ) muß sowohl für E2 als für IE 3 eine eigene Wirkung gesucht werden, in (c2) dagegen reicht es aus, die Möglichkeit einer g e m e i n s a m e n Wirkung für das Paar (E2 + IE3) aufzuweisen. Ci) Vor allem ist E2nn/on(Gn) desselben Typus wie E'nn/oi^Gn). Ist es ein ursachebildendes Ereignis, so kann es auf die gleiche Art wie E 1 eine Wirkung gewinnen, indem seine volle Wirkung aus zwei ungleichnamigen Ereignissen desselben Typus bestehen kann: Eenn/on(Gn) + IE7nn/on(Gn). Es fragt sich aber, ob hier ein Mischfall und welcher Art möglich ist. E2nn/on(Gn) fordert zwei ungleichnamige Wirkungen. Zu diesem Zweck müssen also zwei Ereignisse gefunden werden, die in ihrem Typus die folgenden Bedingungen erfüllen können: 361
1. Ε β muß ein äußeres, E 7 ein inneres Ereignis im Verhältnis zu E s sein. Infolgedessen muß E 7 denselben Gegenstand wie E 2 zum Träger haben, während E° diese Bedingung nicht erfüllen muß. 2. Der entsprechende Umfang des B U dieser beiden Ereignisse muß v o n N u l l v e r s c h i e d e n sein. D a sie beide an ein äußeres Ereignis als ihre Ursache anzuknüpfen haben, muß der ä u ß e r e Umfang ihres B U von Null verschieden sein. 3. D a sie sich aus einem äußeren Ereignis (und nicht aus einem Paar ungleichnamiger Ereignisse) als Wirkung ergeben sollen, so dürfen sie von sich aus k e i n e Forderung nach zwei ungleichnamigen Bestandteilen ihrer Ursache stellen, d. h. der andere, in diesem Fall der i n n e r e Umfang ihres B U muß Null sein.57 Von den zur Verfügung stehenden Ereignissen erfüllt diese Bedingung der folgende Typus: (7) Eno/on. Dagegen können die angegebenen Bedingungen durch Ereignisse der folgenden Typen n i c h t erfüllt werden:
( 3 ) Enn/no,
( 4 ) Eon/nn,
( 5 ) Eon/no,
( 6 ) Eno/nn,
( 9 ) Eno/no,
Sowie
( 1 ) Enn/nn, ( 2 ) Enn/oo, ( 8 ) Eno/oo·
Jetzt müssen Ereignisse gefunden werden, welche Wirkungen des IE3nn/on bilden könnten. IE 8 fordert wiederum zwei ungleichnamige Wirkungen, da es aber selbst ein inneres Ereignis ist, so gestalten sich die Bedingungen, welche von den in Frage kommenden Ereignissen erfüllt werden müssen, etwas anders als in dem vorigen Fall. Und zwar: 1. Die Ereignisse E 8 und E® müssen ungleichnamig sein, und zwar im Verhältnis zu IE 3 . Als solche müssen sie beide denselben Gegenstand wie IE 3 zum Träger haben. 2. E 8 und E 9 müssen beide einen von Null verschiedenen i n n e r e n Umfang ihres B U haben. 3. Da sie beide nicht aus einem Paar ungleichnamiger Ereignisse sich als Wirkung ergeben sollen, sondern nur ein inneres Ereignis zur Ursache haben sollen, so dürfen sie nicht zwei ungleichnamige Bestandteile ihrer Ursache fordern. Das heißt aber, ihr ä u ß e r e r U m f a n g des B U muß Null sein.58 Die Bedingung (3) führt aber im Fall (ci) zum Widerspruch, da E 8 und E 9 m i t t e l b a r e Wirkungen von E'nn/on, das ein äußeres Ereignis 5 7 Dies setzt voraus, daß sich unter den mittelbaren Ursachen des E e und E 7 keine inneren Ereignisse desselben Gegenstandes finden dürfen. 58 Dies folgt aus der früher ausgesprochenen Voraussetzung, d a ß a l l e Forderungen des betreifenden Ereignisses u n m i t t e l b a r erfüllt werden müssen. Läßt man eine partielle Erfüllung dieser Forderungen zu, dann fällt diese dritte Bedingung fort.
362
ist, sein sollen, sie dürfen also als solche keinen dem Null gleichen äußeren Umfang des B U haben. Mit anderen Worten: unter der Voraussetzung (ci) (d. h., daß sowohl E 2 als IE 3 für sich selbst ursachebildend sein sollen) sind wir genötigt, zwei verschiedene Paare von Ereignissen zu suchen, die alle zusammen die volle Wirkung des zweiten Gliedes des erwogenen Kausalzusammenhanges 111,4 bilden sollen. Bei der Suche nach ihnen sind wir aber auf Bedingungen gestoßen, die zu einem Widerspruch geführt haben. Unter der Voraussetzung (ci) läßt sich also keine Kombination von Ereignissen finden, die die gesuchte Wirkung bilden könnten. c 2 ) In diesem Fall setzen wir voraus, daß die Ereignisse E 2 und IE 8 jedes für sich allein nicht ursachebildend sind und erst beide zusammen eine zusammengesetzte Ursache bilden können, falls sie entsprechende Ereignisse als ihre gemeinsame Wirkung werden finden können. (E 2 nn/on(Gn) +
IE3nn/on(Gn)) - > ?
Diese beiden Ereignisse fordern eine doppelte Wirkung: eine äußere und eine innere. Ihre Forderungen sind also gleichlautend59 und müssen durch ein Paar ungleichnamiger Ereignisse (E e + IE 7 ) erfüllt werden. Jedes dieser Ereignisse hätte dasselbe Ereignispaar (E 2 + E 3 ) zu seiner Ursache bzw. diese Ereignisse zu ihren Bestandteilen. Sowohl E e als E 7 muß also zwei von Null verschiedene Umfänge seines B U haben. Von den hier zur Verfügung stehenden Ereignistypen eignen sich zu diesem Zweck Ereignisse der Typen (1) Enn/nn, (3) Enn/no, (6) Eno/nn und eventuell (9) Eno/no - als eine AbschlußWirkung. Es eignen sich aber dazu nicht Ereignisse der Typen (2) Enn/oo, (4) Eon/nn, (5) Eon/no, (7) Eno/on und eventuell noch Eno/oo. Aus Ereignissen der angegebenen Typen muß jeweils ein Paar aus einem äußeren und einem inneren Ereignis gebildet werden; dabei ist es nicht notwendig, daß beide Ereignisse desselben Typus seien. IE 7 muß dabei in demselben Gegenstand stattfinden wie IE 3 , E e kann diesen Gegenstand zum Träger haben, aber dies ist nicht notwendig. Auf welche Weise das Paar (E e + IE 7 ) bei dem vorgegebenen (E 2 + IE 3 ) gerade gebildet wird, dies hängt von der M a t e r i e der Ereignisse E 2 und IE 3 ab. Von dieser Materie hängt es also ab, wie sich die weitere Kausalreihe entwickeln wird. Wir braudien hier nicht alle Möglichkeiten aufzuzählen, die sich da eröffnen. Aber interessant ist es zu bemerken, daß hier alle Fälle möglich sind (wenn wir uns auf Ereignisse desselben Typus beschränken): das Eröffnen der Reihe des gemäßigten Determinismus: Enn/nn, der Übergang 99
Zu beachten ist aber, daß sie selbst ungleichnamig sind!
363
in das Äußere des betreffenden Gegenstandes: Enn/no, das Beschränken der kausalen Reihe auf das Innere des betreffenden Gegenstandes: Eno/nn und endlich eine AbschlußWirkung: Eno/no. e0 B. Mischfälle des Kausalzusammenhanges
des Typus 111,5
Wir haben es hier wiederum mit zwei verschiedenen Verteilungen von Ereignissen zu tun, die diesen Kausalzusammenhang bilden können:
L
icSi ) E-'™(G">
IL
i!::¡:ÍS) ) E'-° 9. Eno/no.
^nn/oo' 3* Ennyon, 4.
5. Eon/no* 371
nullhafter äußerer Umfang des BU verbietet. 71 Also kann zwar der sowie der Mischfall
Eno/nn(Gn) —IE1on/nn(Gn) _ . ,n λ C1 -t/no/on^vJnj —>-TIH cm/nn^VJn)
gebildet werden, er führt aber in der weiteren Folge zum Widerspruch und muß als solcher verworfen werden. So scheint die Eingliederung des Kausalzusammenhangs IV,3 in das Kausalnetz unmöglich zu sein, und da es sich um eine Eingliederung von Seiten der Ursachen handelt, scheint dieser Kausalzusammenhang in der Welt überhaupt unmöglich zu sein. Der erwogene Kausalzusammenhang ist indessen von besonderem Interesse für manche Probleme der kausalen Ordnung in der Welt, und so empfiehlt es sich nodi zu erwägen, ob er sich nicht doch auf irgendeinem Wege in das Kausalnetz der Welt einfügen ließe. Zunächst ist zu beachten, daß neben dem Kausalzusammenhang des reinen Typus Eon/nn in der Gestalt * . E2on/nn A . ITI iL· ,on/nn ™ * ID. on/nn sich noch Kausalzusammenhänge gemischter Typen aufbauen lassen, an denen die Ereignisse des Typus Eon/nn als Glieder teilnehmen. Und zwar: 1. IE'on/no —> E2on/nn72 E3nn/on ^ IE no/on S % Γ2 , 3. L· „n/nn χ E^no/on ^
2T72 . ^ Γ, on/nn -
λ 172 , 4. L· on/nn ^ c
TT,.
E8nn/oo ^ ^
C2 , E3no/oo n/nn ° V IE4no/oo.73
h
Der Fall (1) läßt sich mit keinem der Fälle (2) bis (5) verbinden, wie man es vielleicht auf den ersten Blick tun möchte. Denn einerseits steht der nullhafte innere Umfang des BW VOn IE*on/no mit dem IE 4 als der mittelbaren Teilwirkung des IE 1 im Widerspruch, andererseits 71 Man dürfte aber nicht Ereignisse fordern, die audi ihren äußeren Umfang des B U gleich Null hätten, da sie dann überhaupt ursachlos wären. 72 Obwohl nicht umgekehrt. Audi I E 1 o n / n n —>- E 2 0 n / n n wäre unzulässig, weil inadäquat. 73 In allen diesen Fällen handelt es sidi um Ereignisse desselben Gegenstandes. Es könnten wohl Misdifälle gebildet werden, in denen die zusammengesetzte Wirkung des E 2 o n / n n aus Ereignissen verschiedener Typen gebildet wäre.
372
aber schließt der nullhafte innere Umfang des B U von E s in den Kausalzusammenhängen (2) bis (5) das IE 1 als eine mittelbare Ursache des E s jeweils aus. Aber auch mit (A) lassen sich die Kausalzusammenhänge (2) bis (5) - und zwar aus demselben Grunde - nicht verbinden. Es gibt aber keine anderen möglichen Typen der Kausalzusammenhänge, die sich mit E 2 on/nn des (A) allein verbinden ließen, ebenso wie es außer IEon/nn und IEon/no keinen Ereignistypus gibt, dessen Einzelfall sich als Ursache mit IE'on/nn des (A) allein verbinden ließe. So haben die soeben angegebenen Mischfälle der Kausalzusammenhänge uns zu unserem Zweck gar nicht geholfen, so interessant auch das Möglichsein solcher gemischten Fälle für sich sein mag. Es bleibt also nur, die Methode der „ergänzenden Ereignisse" zu versuchen. Sie beruht darauf, daß man nicht für das IE'on/nn a l l e i n eine Ursache sucht, sondern vermutet, es ließe sich ein E 4 0 n/nn als Paar zu dem IE'on/nn finden, so daß man nachher nach der Ursache des Ere i g n i s p a a r e s (IE 1 + E 4 ) fragt. So entsteht die Kausalreihe: ^ T
...IE'on/nn
^ ^
„5 ^ Ε β οη/ηη
E 2 on/nn I
^ IE'on/nn ^ IE 8 on/nn / ^ E 4 „n/nn
/
E 8 nn/nnl
\lE9nn/nn J
Z u j e d e m IE'on/nn (in A ) , IE5on/nn, IE'on/nn u s w . f ü g e n w i r d a s ent-
sprechende äußere Ereignis E40n/nn, Eeon/nn usw. bei und ermöglichen dadurch, zu dem Ereignispaar ( E o n / n n + IEon/nn) die Ursache in der Gestalt eines IEon/nn zu finden. Ν U Γ ein IEon/nn eignet sich da jeweils zu der neuen Ursache, da 1. der innere Umfang des BW der gesuchten Ursache größer als Null sein muß, da IE'on/nn, dessen innerer Umfang des B U von Null verschieden ist, sich als Wirkung ergeben soll, 2. der äußere Umfang des BW größer als Null sein muß, weil E 2 0 n/nn eine mittelbare Wirkung VOn IE®on/nnj IE 7 on/nn usw. sein soll, 3. der äußere Umfang des B U des IE 5 gleich Null sein muß, weil der äußere Umfang des B U von E 2 on/nn gleich Null ist und IE 5 die mittelbare Ursache des E 2 on/nn sein soll, 4. der innere Umfang des B U von IE 5 aber größer als Null sein muß, weil IE 5 sonst ganz ursachlos sein und dem Prinzip der Ursachen widersprechen würde. Das hinzugefügte Ereignis EV/nn, Eeon/nn usw. als die zweite Wirkung des IE 5 , IE 7 usw. muß - wenn seine volle Wirkung ein inneres Ereignis in demselben Gegenstand, den es selbst zum Träger hat, bilden soll - den äußeren Umfang seines B U gleich Null haben, während der innere Umfang seines B U von Null verschieden sein muß. Die beiden Umfange seines BW können aber noch verschiedene Werte annehmen, so daß man für die ergänzenden 373
Ereignisse noch verschiedene Typen erhält: E 4 on/nn, E O O / M , E V / D O oder endlich Eoo/no. Ob dieselben aus anderen Gründen alle im Rahmen des betreffenden Gegenstandes stattfinden können, lassen wir hier beiseite. Wichtig ist es dagegen zu betonen, daß E4 in gar keinem kausalen Zusammenhang mit IE1, noch mit E2, noch endlich mit IE 8 sowie mit deren Wirkungen steht. Und analog steht Eeon/nn in keinem kausalen Zusammenhang mit IE 5 , IE 1 und IE 8 ; andererseits verbindet es sich auch nicht mit E2, E4 sowie mit den Wirkungen des (IE 3 + E2), so daß auch ihre eventuellen unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen von den aufgezählten Ereignissen kausal unabhängig sein müssen, obwohl es nicht ausgeschlossen zu sein scheint, daß sich die beiden unabhängigen kausalen Reihen einmal in ihren entfernteren Gliedern kreuzen. Je weiter man in der Suche nach immer neuen Ursachen nach rückwärts fortgeht, desto mehr kann man dieselben immer nur in der Gestalt des ΙΕοη/ηη-Ereignisses finden; es gibt in dieser Reihe keinen Ausgang zu äußeren Ereignissen des betreffenden Gegenstandes und eben damit auch zu den ihm fremden Ereignissen, andererseits wächst die Mannigfaltigkeit der ergänzenden, mit den soeben angegebenen Ereignissen in gar keinem kausalen Zusammenhang stehenden äußeren Ereignissen Ε4, E e , aber es sind immer W i r k u n g e n der entsprechenden . . . IE7, IE5, sie sind also keine Ausgangspunkte der nach rückwärts laufenden Reihen von äußeren U r s a c h e n , sondern Ausgangspunkte eventuell nach außen hin führender Reihen von W i r k u n g e n . Die Ereignisse . . . IE 7 ,IE 5 , IE 1 , IE 3 selbst dagegen kommen sozusagen von der fernen (unendlichen?) Vergangenheit auf einem kausalen Wege an die jeweilige Gegenwart heran, ohne einen Impuls von der Außenwelt des betreffenden Gegenstandes zu erhalten. Was dies für den kausalen Aufbau der Welt bedeutet und ob es überhaupt möglich sei, werden wir später erwägen. 4
D. Mischfälle
des Kausalzusammenhanges
IV,5: Eon/no
Es ist nach dem Vorhergehenden nur e i n e Ereigniskombination möglich, die einen Einzelfall des Kausalzusammenhanges IV,5 ergibt, und zwar: IEV/nt^Gn) —>• E2on/no(Gn). Welche Ursache kann ein IE10n/no(Gn) selbst haben, die es in das Weltkausalnetz einfügen würde? Es fordert nur eine i n n e r e Ursache (im Innern des G n ), die eines solchen Typus sein kann, durch welchen von ihr bloß eine innere Wirkung zugelassen wird. Von den hier überhaupt zu berücksichtigenden Ereignistypen eignen sich zu diesem Zweck nur Ereignisse der Typen 374
und Eno/on, und zwar als innere Ereignisse. Indessen zeigt die Betrachtung der beiden gemischten Kausalzusammenhänge: Eno/nn
a)
IE S no/nn
E 2 on/no
IE'on/no
3
Und
2
b ) IE no/on - > IE'on/no —> E on'no,
daß beide Fälle in dieser Gestalt zum Widerspruch führen. Im Fall (a) läßt IE 3 no/nn eine zusammengesetzte Ursache aus ungleichnamigen Bestandteilen zu, wodurch dem Ereignis IE'on/no eine mittelbare äußere Ursache zugeteilt werden würde, was dem Typus dieses Ereignisses widerspricht, weil sein äußerer Umfang des BU gleich Null ist. Im Falle (b) fordert IE3no/on wiederum eine äußere Ursache, die auch als eine mittelbare durch das Null-Sein des äußeren Umfangs des BU des IE 1 verboten wird. In dieser Gestalt ist also der Kausalzusammenhang IV,5 von der Seite der Ursachen in das Kausalnetz der Welt nicht einfügbar. Man kann indessen versuchen, ihn in das Kausalnetz durch Hinzunahme anderer Ereignisse einzufügen. Dies kann auf folgende Weise geschehen:
I E 5 on/nn
^ ^
E 4 on/nn —>• ?
β
Ε οη/ηη ->- ?
Alle an dieser Reihe teilnehmenden Ereignisse sind dabei als Ereignisse desselben Gegenstandes zu behandeln. Wie wir sehen, wird IE'on/no auf die Ursache IE 8 on/nn unter der Hinzunahme des von ihm kausalunabhängigen E 4 on/nn zurückgeführt, wodurch dieser Typus des Kausalzusammenhanges auf den früher behandelten Typus Eon/nn zurückgeführt wird. Andererseits führt eine neuerliche Ergänzung des E 2 o n / n o durch das sowohl von ihm selbst als von IE 1 und E 4 kausal unabhängige 2 7 IE 7 on/nn zu einem Ereignispaar (E + IE ) zu der Einfügung des Kausalzusammenhanges IV,5 von der Seite der Wirkungen in das Kausalnetz der Enn/nn-Ereignisse. Dieser ganze Fall unterscheidet sich von dem Kausalzusammenhang des Typus IV,3 nur durch den eingefügten Kausalzusammenhang IV,5. So sind die dort gezogenen Konsequenzen auch auf den jetzt betrachteten Fall anzuwenden. Zu betonen ist nur, daß hier E 6 on/nn von dem IE 3 , IE 1 und E4 kausal unabhängig ist, analog 1 2 7 ISt E 4 on/nn mit IE , E und IE kausal unverbunden usw., was für das Problem der Einheit des Gegenstandes G n nicht ohne jede Bedeutung ist. Wir werden noch darauf zurückkommen. Ob der Kausalzusammenhang IV,5 noch auf irgendeine andere Weise in das Kausalnetz der Welt einfügbar ist, lassen wir hier beiseite. 375
E. Misch fälle des Kausalzusammenhangs
V,3:
Eno/nn
Die einzige Kombination der Ereignisse, bei der dieser Kausalzusammenhang möglich ist, ist:
ï I E *- ( G ·»· Die Ursache (E 1 + IE 2 ) fordert eine aus einem äußeren und einem inneren Ereignis zusammengesetzte Ursache, die selbst sowohl eine äußere als auch eine innere Wirkung zulassen soll. Die hier zur Verfügung stehenden Ereignistypen sind die folgenden: (1) Enn/nn; (2) Enn/oo; ( 3 ) Enn/on; ( 4 ) Enn/no; ( 5 ) Eon/nnJ ( 6 ) Eon/noJ
( 7 ) Eno/onJ ( 8 ) Eno/oo U n d
(9) Eno/no. Von denselben erfüllen die in diesem Fall von der Ursache gestellten Bedingungen die Ereignisse der folgenden Typen: (1) Enn/nn, (3) Enn/on und (5) Eon/nn. Es können somit die folgenden Mischfälle gebildet werden : 1.
EV/nn(Gn)i I E nn/nn(Gn) J
^
f gno/nnJGn) V |.IE2no/nn(Gn) ^
IE
3no/nn(Gn)
· J : ; : ® } - {il:;:Si:p IE, -»< G ·)·
2
3.
E4on/nn(Gn) 1 IEV/n„(G„)l
.
J E ' n o / n n f G n ) ^ τ ρ 3 , IC 1 \ 74 |iIE2no/nn(Gn) ^ no/nn(Gn),
Es ist bereits bekannt, daß im Fall (1) die Bestandteile der Ursache des (Ε 1 + E 2 ) in Ereignissen desselben Typus Enn/nn ihre weitere Ursache haben können. Im Fall (2) ergibt sich das Ereignispaar (Ε4 + E 5 ) kausal aus E e n n / o n ( G n ) . 7 5 Dieses letztere Ereignis aber, wenn es die volle Wirkung seiner Ursadie sein soll, kann nur in E 7 nn/oo oder E 7 on/no seine Ursache haben. Jedes von diesen Ereignissen führt aber zum Widerspruch mit dem Mischfall V,3, Fall (2), weil sowohl IE 2 als auch IE 5 innere Ereignisse sind, die eine Wirkung von E 7 bilden sollen, aber es nicht tun dürfen, weil der betreffende Typus des E 7 es verbietet, daß irgendwelche inneren Ereignisse in den BW des E 7 fallen. Der Fall (2) fällt also, wenn keine weiteren Bedingungen erfüllt werden, fort. Wir haben indessen in analogen Fällen gezeigt, daß ein solcher Widerspruch vermieden werden kann, und zwar, wenn neben dem E e (G n ) in demselben Gegenstand ein von E e (G n ) kausal unabhängiges inneres Ereignis desselben Typus (bzw. eines anderen entsprechend gewählten 74
M a n k ö n n t e auch versuchen Ursachen zu bilden, die aus z w e i Ereignissen v e r schiedener T y p e n bestehen w ü r d e n , ζ. B. aus E n n / n n u n d E n n / o n . W i r verzichten aber auf ihre n ä h e r e Untersuchung. 75 Vgl. oben Einzelfälle, T y p u s 111,4.
376
Typus), also IE8nn/on stattfindet. Denn dann ergibt sich das Paar der Ereignisse ( E e ( G n ) + IE 8 (G n )) aus dem Ereignis E7nn/nn. Aber IE8nn/on kann zu diesem Zwecke nicht verwendet werden, weil es ein inneres Ereignis in Gn ist und eine innere Teilursache des (E4 + IE5) sein müßte. Das Ereignispaar (E4nn/on + E5nn/on) verbietet aber, derartige Teilursachen zu haben. Letzten Endes läßt sich also der doppelt komplizierte Mischfall - unter der angegebenen Bedingung - in das kausale Netz der Ereignisse Enn/nn nicht einfügen. Im Fall (3) des erwogenen Mischfalls lassen beide Bestandteile der Ursache (E4 -f IE5) nur ein innere Ereignis des G n als ihre weitere Ursache zu bzw. schließen alle äußeren Ereignisse eines beliebigen Typus aus. Es könnten also bloß die IE(G n ) der Typen Eno/nn oder Eoo/nn oder Eno/on sein. Aber unabhängig davon, welcher aus diesen Typen gerade gewählt werden würde, in j e d e m Falle dürfte dieses IE e (G n ) keine äußeren Ereignisse zu seinen Wirkungen zählen. Indessen sowohl E4(Gn) als auch E 1 (G n ) sind gerade äußere Ereignisse. Also kann kein Ereignis der genannten Typen als Ursache von (E4 + IE5) verwendet werden. Der erwogene Mischfall kann somit nicht in das kausale Weltnetz ursächlich eingefügt werden, und da kein anderer Weg einer solchen Einfügung möglich ist, so muß dieser Mischfall in der (3.) Gestalt überhaupt verworfen werden.76 Insbesondere führt auch der Versuch, diese ursächliche Einfügung durch Ereignisse zu realisieren, die einen anderen Gegenstand als G n zum Träger haben, zu keinem positiven Ergebnis, weil alle diese Ereignisse, auch wenn sie im absoluten Sinne „innere" Ereignisse des betreffenden Gegenstandes sind, den Ereignissen E4(Gn) und IE 5 (G n ) gegenüber äußere Ereignisse sind und sich für eine Ursache dieser letzteren gar nicht eignen. Aus den drei unterschiedenen Fällen des erwogenen Mischfalls läßt sich nur der e r s t e Fall durch ursächliche Anknüpfung an Ereignisse des Typus Enn/nn in das kausale Weltnetz einfügen. Wie ließe sich aber eine W i r k u n g zu IE3no/nn(Gn) auffinden? I E ' ( G n ) hat den ä u ß e r e n Umfang des BW gleich Null, während der innere Umfang des BW partiell ist, es schließt also alle unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen in der Gestalt äußerer Ereignisse aus und läßt nur i n n e r e Ereignisse als Wirkungen zu. Ist IE 9 (G n ) diese Wirkung, so muß es den inneren Umfang seines BU von Null v e r s c h i e d e n haben, da es aber nur das IE 3 (G n ) als seine volle Ursache zulassen soll, so muß sein äußerer Umfang des BU g l e i c h N u l l sein. Da end76 Außerdem zeigt der Fall IV,3, daß E 4 o n / n n ohne besondere Ergänzungen in das Weltkausalnetz einfügbar ist.
377
lidi der äußere Umfang des BW des IEsno/nn(Gn) gleich Null ist, so fordert es nicht bloß innere Ereignisse zu seinen Wirkungen, sondern zugleich auch solche, die in seinen Wirkungsbereich gar keine äußeren Ereignisse einführen; so muß E 9 ( G n ) ebenfalls den äußeren Umfang des BW gleich Null haben. So ergeben sich als mögliche Typen für das I E e ( G n ) : IEoo/no und IEoo/nn. Aber dies führt m i t E^no/nn zum Widerspruch. Das I E 9 ( G n ) als mittelbare Wirkung des E 1 no/nn(Gn) müßte dasselbe zu seinem äußeren Umfang des BU zählen, der angegebene Typus des I E 9 ( G n ) schließt es in beiden Fällen aus. Also ist eine adäquate Wirkung I E » ( G n ) des I E s n o / n n ( G n ) ausgeschlossen, falls dieses letztere die volle Ursache des I E 9 ( G n ) bilden soll. Es kann dagegen sein, daß I E S ( G „ ) nicht-ursachebildend ist und daß sich zu ihm ein E 1 0 ( G n ) gesellen muß, um die volle Ursache des I E 9 ( G n ) zu bilden. Dann braucht der äußere Umfang des E 9 ( G n ) nicht Null zu sein und der Widerspruch mit E 1 no/nn(Gn) kann vermieden werden. Die möglichen Typen für I E 9 ( G n ) sind dann IE e no/nn und IE 9 no/no, beide als Ereignisse des G n . Das zugelassene neue Ereignis E 10 (G n ) als ergänzende Teilursache des 10 I E ' ( G n ) kann in folgenden Typen auftreten: E nn/nn und E 1 0 nn/on, dabei könnte es den Gegenstand Gn zum Träger haben, dies ist aber nicht notwendig. Es muß dagegen sowohl von (E1 + IE2) als auch von I E 3 ( G n ) kausal unabhängig sein. Ist das I E 9 ( G n ) des Typus IE 9 no/nn, so verbleibt die weitere kausale Kette im Innern des G n , obwohl seine Glieder Einwirkungen von außen her empfangen können (z. B. durch Ereignisse, die dem E10 analog sind), im Fall I E ' n o / n o ( G n ) dagegen haben wir in dieser Wirkung ein Abschlußereignis, das zwar selbst zugelassen wird, aber keine weitere Einfügung in das kausale Weltnetz zuläßt. F. Miscbfälle
des Kausalzusammenhanges
V,4:
£no/on
Dieser Kausalzusammenhang hat, wie gezeigt wurde, nur die eine Gestalt: E 1 no/on(Gn) I E 2 n o / o n ( G n ) . Wie ist e r in Kausalzusammenhänge anderer Typen einzufügen? Es kommen hier folgende Typen der möglichen Ursachen bzw. möglichen Wirkungen in Betracht: (1) Enn/nn; ( 2 ) Enn/oo; ( 3 ) Enn/on; ( 4 ) Enn/noJ
( 5 ) Eon/nn; ( 6 ) Eon/noî ( 7 ) Eno/nn SOwie
(8) Eno/oo und (9) Eno/no. Handelt es sich zunächst um eine mögliche Ursache des E'no/on, so kann es nur ein Ereignis E s sein, dessen äußerer Umfang des BW von Null verschieden ist, das aber - wenn E'no/on eine adäquate, also volle Wirkung von E 3 sein soll - keine inneren Ereignisse als Wirkungen zulassen darf, mit Rücksicht aber darauf, 378
daß IE2no/on ein inneres Ereignis des G n ist, das eben eine solche innere (mittelbare) Wirkung zulassen müßte. Diese beiden Forderungen schließen sich gegenseitig aus, so kann man kein E 3 finden, dessen adäquate Wirkung E'no/on sein würde. Es ließe sich dagegen ein E 3 finden, wenn EV/on seine i n a d ä q u a t e Wirkung sein dürfte, falls man solche Wirkungen überhaupt als möglich anerkennen würde, oder wenn man neben EV/on noch eine zweite Wirkung des E 3 in der Gestalt eines IE 4 (Gn) annehmen dürfte. Dadurch würde man nämlich gewinnen, daß E 3 (Gn) nicht den nullhaften inneren Umfang des BW haben müßte, denn dieser Umfang, einmal partiell gemacht, würde einerseits durch IE 2 , andererseits aber durch IE 4 erfüllt werden. Bei Zulassung des E 4 (G n ) als der zweiten Wirkung des E 3 (Gn) ergeben sich aber mehrere verschiedene Möglichkeiten, die hier der Reihe nach angegeben werden. Wir verzichten aber auf eine ausführliche Begründung dieser Möglichkeiten. Vor allem kann das E 3 (G n ) als Ursache der doppelten Wirkung E*(Gn) + IE 4 (Gn) in drei verschiedenen Typen auftreten: I. E3nn/nn(Gn); II. E3nn/on(Gn); und III. E3on/nn(Gn). Die übrigen Typen sind durch die Forderungen, die E 1 stellt, ausgeschlossen. Bei jedem dieser Typen kann aber das IE 4 (G n ) seinerseits in vier verschiedenen Typen auftreten, und z w a r : a ) I E 4 n n / o n ( G n ) ; b ) I E 4 n n / o o ( G n ) ; c ) IE 4 no/on(G n ); d ) IE 4 no/oo(G n ).
Es ergeben sich also im ganzen 12 verschiedene Weisen, auf welche das E1no/on durch eine Ursache in die kausale Kette eingefügt werden kann. Und zwar: I. a)
E 3 nn/nn(Gn) (
b)
E 3 nn/nn(Gn) (
C)
E 3 nn/nn(G„) (
^
d)
E 3 nn/nn(Gn) ( J E ^ ^ )
^
II. a)
E 3 nn/on(Gn) (
^
J^
0
'
0
^
1 1
ψ ^ '
jg/0'™j^j ^
)
?
^
0
?
IE*no,on(Gn)
?
ψ ^
0
'
0
^
?
0
1
" ^
?
b) s. Anm. 77.
77
C)
E»»n/on(Gn) (
Ζ· ψ ^
d)
E 3 nn/on(Gn) (
^
^
?
Der Fall I b ist de facto unmöglich, weil es keine Ι Ε ^ / ^ gibt.
379
III. a)
E3on/nn(Gn)
*
E1no/on(Gn) 4
IE2no/on(Gn)
?
^ IE nn/on(Gn)
?
*
I E 2 n o / o n ( G n ) —» ?
b) s. Anm. 77. C)
E3on/nn(Gn)
E'no/on(Gn) 4
^ IE no/on(Gn) d)
3
E on/nn(Gn)
*
?
E'no/on(Gn) - > IE2no/on(Gn)
^ IE4no/oo(Gn)
?
0
Sucht man aber das E 3 (G n ) durch eine weitere Ursache in das kausale Weltnetz einzufügen, so ist es bekannt, daß Enn/nn in dieses Netz durch Ereignisse desselben Typus einfügbar ist; das E 3 nn/on ist durch Enn/nn als weitere Ursache (allerdings unter Einführung eines neuen Ereignisses I E n n / o n ) in das kausale Weltnetz einfügbar. Dagegen läßt Eon/nn - wie sich bereits gezeigt hat - keine weitere Ursache zu, ist also in das Kausalnetz nicht einfügbar. So gibt es letzten Endes nur 6 verschiedene Weisen, auf welche der erwogene Kausalzusammenhang durch eine neue Ursache in das kausale Weltnetz eingefügt werden kann. Zu beachten ist dabei, daß IE4(Gn) sowohl von E'(G n ) als auch von IE2(Gn) kausal unabhängig ist (bzw. das letztere von ihm) und daß wir hier schon nicht weiterverfolgen, auf welche Weise man von IE4(Gn) zu weiteren Wirkungen gelangt. Auch wenn es, wie es in den Fällen (d) geschieht, zu keinen weiteren Wirkungen führen würde, befriedigt es die Forderungen des E 3 nn/nn bzw. des E 3 nn/on, und das genügt, um die Rechtmäßigkeit dieser Konstruktion des zusammengesetzten Kausalzusammenhanges zu sichern. Natürlich hat dies alles nur dann Sinn, wenn es sich zeigen läßt, daß IE 2 no/on durch weitere Wirkungen in das Kausalnetz einfügbar ist. Bevor wir aber dazu übergehen, ist noch eins zu bemerken: Wir haben bis jetzt vorausgesetzt, daß alle in Frage kommenden Verbindungen denselben Gegenstand zum Träger haben. Dies ist aber nicht notwendig. Wie würde sich also die Sachlage gestalten, wenn wir annehmen, daß E 3 einen a n d e r e n Gegenstand zum Träger hat? Also E3nn/nn(Gm) — E 1 n o / o n ( G n )
IE 2 no/on
Eine solche Gestaltung des zusammengesetzten gemischten Kausalzusammenhanges ist inadäquat, da E 3 (G m ) zwei ungleichnamige unmittelbare Wirkungen fordert, dagegen nur durch ein E^Gn) gestillt wird. Aber als inadäquate kausale Beziehung ist sie doch möglich, da es auch IE 2 , welches ihm gegenüber ein äußeres Ereignis ist, zuläßt. Will man dagegen auch in diesem Fall eine adäquate Wirkung des E3(Gm) haben, so muß man wiederum ein zweites Ereignis als komplementäre Wirkung zulassen, und es bestehen dann für dieses E 4 dieselben Möglichkeiten wie früher, mit dem einzigen Unterschied, daß jetzt E 4 (G m ) sein muß. 380
Indessen wären alle diese Möglichkeiten nutzlos, wenn sich keine Möglichkeiten der Einfügung des gemischten Kausalzusammenhanges in das weitere kausale Netz der Welt durch entsprechende W i r k u n gen des IE2no/on(Gn) finden ließen. Nun kann, da IE2no/on(Gn) kein äußeres Ereignis als Wirkung zuläßt, weil sein äußerer Umfang des BW gleich Null ist, seine Wirkung nur ein i n n e r e s Ereignis desselben Gn bilden, in dem IE 2 (G n ) stattfindet. Der innere Umfang des BW des IE2no/on(Gn) ist von Null verschieden, so daß eine Wirkung des IE 2 (G n ) in der Gestalt eines i n n e r e n Ereignisses des Gn möglich zu sein scheint. Sollte sie eine adäquate Wirkung des I E 2 ( G n ) sein, so müßte einerseits der ä u ß e r e Umfang des BU des I E 5 ( G n ) gleich Null sein, andererseits aber der innere Umfang des BU desselben Ereignisses von Null verschieden, dagegen der innere Umfang des BW gleich Null sein, da IE 2 (G n ) einen nullhaften äußeren Umfang des BW hat. So muß IE 5 (G n ) des Typus Eoo/nn sein. Und audi die weitere Wirkung des IE 5 - also das IE® - müßte aus gleichen Gründen IE e oo/nn(Gn) sein. Dies alles steht aber mit der Tatsache, daß I E 2 n o / o n ( G n ) seine Ursache in dem Ereignis E 1 no/on, also in einem äußeren Ereignis hat, die zugleich die mittelbare Ursadie des IE 5 oo/nn sowie des IE 6 oo/nn(Gn) sein müßte, im Widerspruch. Also kann k e i n e adäquate Wirkung zu IE2no/on(Gn) gefunden werden, soweit dieses letztere die e i n f a c h e Ursadie des IE50o/nn(Gn) und zugleich die adäquate Ursadie desselben sein soll. Also ist der Kausalzusammenhang des erwogenen Typus allein für sich durch eine einfache adäquate Wirkung des IE 2 no/on in das weitere kausale Netz der Welt nicht einfügbar. Es kann dagegen eine Methode gefunden werden, denselben doch in dieses Netz einzufügen. Und zwar dann, wenn IE 2 no/en(Gn) in seiner Materie allein für sich nicht ursachebildend ist,78 dagegen mit einem weiteren Ereignis zusammen ursachebildend sein kann. Findet sich ein solches E e ( G n ) gerade in der Welt, dann erlangt der erwogene gemischte Kausalzusammenhang eine kausale Anknüpfung an das weitere kausale Netz der Welt und wird dadurch zur Realität in dieser Welt. Dieses neue E 6 (G n ), das mit IE2no/on(Gn) die zusammengesetzte Ursache (Ee + IE2) der adäquaten Wirkung IE 5 (G n ) bilden soll, ist selbst noch in seinem Typus differenzierbar. Es kann nämlich in drei verschiedenen Typen auftreten, und zwar als Eeno/nn(Gn) oder Eeoo/nn oder Eeno/on(Gn). 78 D a ß es eben rein formal betrachtet in dem Versuch, eine adäquate Wirkung zu finden, zu einem Widerspruch führt, dies muß eben einen Grund haben, der nirgendwo anders als in seiner Materie liegen kann, die es eben rein für sich nichtursachebildend macht. Dies kommt in der formalen Betrachtung lediglich zum Ausdruck.
381
Wir erhalten also die folgenden drei formalen Schemata dieser kausalen Verbindung: A)
b) c)
ΙΈ
il::®) il:;:®)
E e wird hier als ein Ereignis des Gn behandelt, aber dies ist nicht notwendig, es könnte ebensowohl an einem anderen Gegenstand stattfinden, wenn wir nur zuließen, daß ein äußeres und zugleich fremdes Ereignis d i r e k t auf ein inneres Ereignis kausal einwirken kann. Den Typus des IE 6 n ./n. lassen wir absichtlich noch hinsichtlich der Umfange des BW unbestimmt, um anzudeuten, daß dieser Typus in dieser Hinsicht durch den erwogenen gemischten Kausalzusammenhang nicht festgelegt wird. Zu beachten ist ferner, daß IE 5 (G n ) keinen von Null verschiedenen äußeren Umfang des BW haben kann, da dies durch IE2no/on(Gn) ausgeschlossen wird. Dies bedeutet mit anderen Worten, daß alle weiteren Wirkungen des IE 2 (G n ) i n n e r e Ereignisse in demselben Gegenstand sein müssen, daß als die kausale Kette, die aus ihnen gebildet wird, im Innern des Gn eingesdilossen ist, ohne nach außen hinausgehen zu dürfen. Dies schließt auch die Verbindung mit den Ereignissen des Typus Enn/nn aus, obwohl der Gegenstand G n von außen her nicht völlig isoliert ist, da er von außen her Einwirkungen erhält bzw. erhalten kann. Letzten Endes gibt es also zwei verschiedene mögliche Typen des IE 5 (G n ), und zwar IE 5 no/nn oder IE 5 n o/no, was im letzten Falle zu einem Abschlußereignis dieser kausalen Kette im Innern des Gegenstandes G n führt. Endlich ist auch zu beachten, daß wir hier über die U r s a c h e des E e (G n ) nichts entscheiden, aber die Möglichkeiten seiner ursächlichen Begründung sind - unseren anderen Betrachtungen gemäß - vorhanden. E e muß jedenfalls sowohl von IE 5 (G n ) als audi von E1no/on(Gn) desselben kausalen Zusammenhanges kausal völlig unabhängig sein. Die jetzt gefundenen formalen Typen der kausalen Verbindung des erwogenen gemischten Kausalzusammenhanges bilden die möglichen Abwandlungen des gesamten gemischten kausalen Zusammenhanges, der sich in das sonstige kausale Weltnetz einfügen läßt. Da wir früher sechs mögliche Typen gefunden haben", jetzt aber drei bzw. sechs Abwandlungen bei der Verbindung mit der Wirkung, so ergeben sich im ganzen 18 bzw. 36 verschiedene mögliche Fälle bzw. Weisen, auf 382
welche der gefundene gemischte Kausalzusammenhang in das sonstige kausale Weltnetz eingegliedert werden kann.
G.
Mischfälle des Kausalzusammenhanges des Enn/nn mit
Enn/oo
Es entsteht endlich die Frage, ob Ereignisse des Typus Enn/nn mit Ereignissen des Typus Enn/oo einen Kausalzusammenhang - und zwar zunächst einen u n m i t t e l b a r e n Kausalzusammenhang - bilden können. Kann Enn/nn Ursache des Enn/oo sein? Und andererseits kann Enn/oo Ursache des Enn/nn sein? ad a) Beide Umfange des BW des Enn/nn sind von Null verschieden, es fordert also als eine ihm adäquate Wirkung eine doppelte Wirkung, welche ein äußeres und ein inneres Ereignis bilden würden. Das letztere müßte in demselben Gegenstand stattfinden, an dem Enn/nn auftritt, während das erstere an einem beliebigen Gegenstand stattfinden könnte. Da andererseits das Enn/oo nur e i n e n (äußeren) Umfang des BU von Null verschieden hat, so kann die Ursache hier nur aus einem, und zwar einem äußeren Ereignis gebildet werden. Wir haben also den Kausalzusammenhang des Mischtypus: E'nn/nn
?
τ
ϊ:!ηη/00
zu untersudien.
^ I E nn/oo
Indessen ist die Forderung, die E 1 seiner Wirkung gegenüber stellt, durch dasselbe nicht zu erfüllen. Es gibt nämlich keine i n n e r e n Ereignisse des Typus Enn/oo. Denn gäbe es im Innern eines Gegenstandes solche Ereignisse, dann könnten sie nur dann wirklich des Typus I E n n / o o sein, wenn sie alle zwar äußere Ursachen und äußere Wirkungen, dafür aber keine innere Ursachen noch Wirkungen hätten. Dann würde das Innere des betreifenden Gegenstandes lauter kausal untereinander zusammenhanglose Ereignisse enthalten, was mit der Einheit des Gegenstandes kaum vereinbar zu sein scheint. Man kann nicht leugnen, daß der Typus Enn/oo es nicht ausschließt, daß sich einmal ganz ausnahmsweise ein solches äußeres Ereignis an dem betreffenden Gegenstand finde, das ein inneres Ereignis in demselben Gegenstand verursacht. Aber für solche Ausnahmefälle den allgemeinen Typus eines gemischten Kausalzusammenhanges anzunehmen, scheint unzweckmäßig zu sein. Wir haben denn auch das Symbol Enn/oo von Anfang an so interpretiert, es handle sich dabei um Ereignisse an völlig veränderungslosen (also keine inneren Ereignisse enthaltenden) Gegenständen.79 79
Sowohl aus sadilidben als audi historischen Gründen ist auch dieser Fall allein interessant. 383
Der angegebene adäquate Kausalzusammenhang ist also in dem angedeuteten Sinne unmöglich. Dagegen ließe sich ein inadäquater Kausalzusammenhang des Typus E V / n n ->• E2nn/oo (beide als äußere Ereignisse verstanden) bilden. Es ist dabei irrelevant, ob die beiden Ereignisse an demselben oder an verschiedenen Gegenständen stattfinden. Im Grunde aber ist es ein Mischfall eines ganz anderen Typus, und zwar E V / n o E2nn/oo. ad b) Ist es aber umgekehrt möglich den Mischfall E 1 nn/oo(Gn) ^ 3 E nn/nn(Gn) IE 2 nn/oo(Gn)
ZU
bilden?
Die zusammengesetzte Ursache wird hier von dem Esnn/nn gefordert, weil beide Umfange des BU des E 3 von Null verschieden sind. E 3 soll dabei die einzige (und zwar die äußere) Wirkung des Paares (E1 + IE2) bilden, da nur ein Umfang (der äußere) des BW des Enn/oo von Null verschieden ist. Die Forderung des E3, durch das Paar (E1 + IE2) verursacht zu sein, ist aber nicht realisierbar, weil es k e i n e IEnn/oo gibt. Der angegebene adäquate Kausalzusammenhang ist somit u n m ö g l i c h . Man kann aber den i n a d ä q u a t e n Kausalzusammenhang E*nn/oo —E 2 nn/nn
bilden, der aber tatsächlich ein adäquater Kausalzusammenhang eines anderen formalen Typus ist, und Zwar E'nii/on —"-*' E2nn/on. In Wahrheit ist also die direkte adäquate Verbindung der Ereignisse der beiden Typen Enn/nn und Enn/oo nicht möglich. Dagegen ist es möglich, Ereignisse dieser beiden Typen mit Hilfe der Ereignisse anderer Typen kausal zu verbinden, und zwar, wenn man einen Mischfall aus d r e i verschiedenen Ereignistypen konstruiert. Dieser dritte Typus kann noch verschieden sein. Ohne hier alle Möglichkeiten in dieser Richtung erschöpfen zu wollen,80 weisen wir auf folgende mögliche Kombinationen hin:
oder
Da wir die Verbindungsmöglichkeiten des
Enn/nn
bzw.
Enn/oo
mit Er-
80 Für IE S möglich ist noch E n 0 / 0 0 , es ergibt aber keine weitere Wirkung, so daß E 2 + IE 3 nidit mit E n n / n n als Wirkung verbunden werden kann. Ausgeschlossen sind dagegen: E o n / n n , E 0 I , / n 0 , E n n / n o und E n o / n o . 81 Diese Symbolik soll andeuten, daß der Gegenstand, an dem E 2 stattfindet, beliebig ist.
384
eignissen anderer Typen bereits bei der Behandlung dieser letzteren herausgestellt haben, so haben wir alle möglichen aus zwei bzw. in manchen Fällen sogar aus drei verschiedenen Typen der Ereignisse aufgebauten Mischfälle untersucht. Sollte es sich zeigen, daß wir dabei manche Fälle übersehen haben (wie es sicher mit Mischfällen aus mehr als zwei Ereignistypen der Fall ist), so werden wir die eventuelle Ergänzung gern vornehmen. Es handelt sich uns hier nur darum, einen gewissen Uberblick über die sich eröffnenden Möglichkeiten zu gewinnen, um zu zeigen, aus welchen Ereignistypen sich eine einheitliche Welt aufbauen läßt. Auch die Methode der Behandlung der Einzel- und der Mischfälle wollten wir ausarbeiten und sie als Beispiel eventueller weiterer Betrachtungen geben. Die erzielten Resultate werden uns jedenfalls ermöglichen, uns eine Idee der kausalen Ordnung der Welt zu geben und uns über die verschiedenen Möglichkeiten, wenigstens im ersten Zugriff, zu orientieren.
§ 109. Z u s a m m e n s t e l l u n g d e r g e w o n n e n e n E r g e b n i s s e In den durchgeführten Betrachtungen haben sich folgende, auf den Seiten 386-389 in Tabellenform aufgeführte Mischfälle des Kausalzusammenhangs als möglich gezeigt.
§ 110. D i e B e d e u t u n g d e r g e w o n n e n e n E r g e b n i s s e Nun ist es an der Zeit, uns zum Bewußtsein zu bringen, was die erzielten Ergebnisse für die kausale Ordnung der Welt eigentlich bedeuten. Es hat sich vor allem gezeigt, daß eine sozusagen eintönige, überall gleiche Anordnung der kausalen Beziehungen in der Welt, wie sie bestände, wenn in der Welt überall ausschließlich Ereignisse des Typus Enn/nn bzw. Enn/oo stattfänden, nicht notwendig ist. Mehrere andere, und zwar gemischte Kausalzusammenhänge haben sich als möglich erwiesen und sind in das kausale Netz, dessen Glieder hauptsächlich Zusammenhänge zwischen Enn/nn-Ereignissen bilden, einfügbar. Eine bestimmte, fest umgrenzte Verschiedenartigkeit der Glieder der kausalen Zusammenhänge ist in der Welt möglich. Da die formalen Typen der Ereignisse, die an diesen Zusammenhängen teilnehmen, selbst über ihre Häufigkeit des Auftretens in der Welt nicht entscheiden, eröffnet die Verschiedenheit der zulässigen Ereignisse lediglich die Möglichkeit der verschiedenen Anordnungsweisen der kausalen Beziehungen in der 385
Typus des Kausalzusammenhanges, der eingefügt werden soll
I
II
III
IV
mögliche Ursadie ohne Ergänzung
mögliche Ursadie unter Ergänzung
mögliche Ergänzung
möglidie Wirkung ohne Ergänzung
111,4: E nn y on
E4
1 EifG ) ^
* £2(Gn) V IE»(Gn)
2 E»ÍG ) ^
* E 2 ( G m) \ IE»(Gn)
111,5 J ΕηΒ/η0 I. Ei(G n ) \ IE 2 (G n ) ^
II. E>(Gn) \ IE 2 (G m )
E
"GJ
ES G
( ">>
keine
nn/nn( G n) oder E4 nn/on(Gn)
keine
E4
nn/nn( G n) oder E4 nn/on(Gn)
Ei(G n ) kann ergänzt werden durdi: IE5 no/nn o d e r IE5 nn/oo o d e r ΙΕ'ηο/οο
Für E2(Gn), IE»(Gn) separat: keine Für Ε 8 + E» gemeinsam: E "nn/nn E7 nn/nn E6 nn/no + E7 nn/no Ε *ηο/ηη E7 no/nn Εβ ηο/ηο "t" E7 no/no außerdem 12 gemisdite Kombinationen dieser Typen für l.u.2. keine, wenn E8 (G„). Dagegen für E(Gfc) smd folgende Typen möglidi: E8 nn/on( G k)· E^o/oniGk). E8 no/oo(Gk)> E8 nn/oo(Gk)·
für (Ei 4-IE«) E4 nn/nn + IE6nn/nn· 2 E4 · nn/on + IE5nn/on·
für (E 1 (G n ) a) für Ei(G n ) + IE«(Gm)) separat: keine gemein- E4nn/no(Gn) + same Ursache. IE5nn/no(Gn)> E4 nn/oo IE5nn/no b) f. IE*(Gm) + E 7 (C m ) 1.E5 nn/nn (G m )
+ I Ee nn/nn(G m ) 2.E» nn/on (G m )
+ IEenn/on(Gm) außerdem die Kombination, d. beid. Typen
folgende E 7 : E7 nn/nn u n d E7 no/no(Gm) E7 no/on(Gm)
ν
VI
mögliche Wirkung unter Ergänzung
mögliche Ergänzung
VII
VIII
E nn /oo> E nn /no> E n o/nn> Eon/nn» Eno/on» Eno/oo· Eno/no·
Eno/on.
IE IE IE
*nn/no(Gn) G
*nn/oo( n) 'on/no(Gn)
X
ausgeschlosausgeschlosausgeschlosausgeschlossene Typen sene Typen sene Typen sene Typen der Ereignisse der Ereignisse der Ereignisse der Ereignisse für II für IV für I für V Enn/nn» Enn/oo» Εη η / η ο> Eon/no» Eon/nn» Eno/nn» Eno/oo» Eno/no»
fürE«(G n ) + IE»(Gn) existiert die Wirkung IE 1 0 n n / n o . ΙΕ10ηιι/ηη(^η).
IX
Enn/oo» Eon/nn» Eon/no» Eno/on» Eno/oo·
für E*(Gn) für E l 0 (G n ) : allein sind Enn/oo» E n n/on» alle 9 Typen Eon/nn» Eon/no» als Wirkung Enn/on» Eno/on» ausgeschlossen Eno/oo·
für Ia Enn/oo> Eon/no» Eno/oo· Eon/nn>
für E 2 und IE» separat alle 9 Typen. für E 2 + IE* zusammen:
Enn/no' Eno/nn» Eno/no» Eno/on>
für Ib alle 9 Typen.
IE"n„/nn(Gn).
IE" n o / n o (G n ).
ebenso wie für I.
ebenso wie für I.
alle 9 Typen
für E l (G„) separat: Enn/nn> E 0 n/nn> Eon/no» Eno/nn> Eno/oo» E no /no> E n o /on> Enn/on»
für IE 2 + E 7 : Enn/oo» E n n/no> E 0 n/nn> Eno/nn» E no /oo> E n o /no» Eno/on> Eon/no·
ebenso wie für I.
ebenso wie für I.
I
II
III
IV
mögliche Ursache ohne Ergänzung
mögliche Ursadie unter Ergänzung
mögliche Ergänzung
mögliche Wirkung ohne Ergänzung
/ IE 2 (G n ) I E 1 on/nn( G n) ^ E 3 (G n )
keine
I ES on/nn
P4 ^ on/nn
keine
IV,5 : E o n / n o IE 1 (G n ) -*• E 2 (G n )
keine
^E3on/nn
E4
keine
Typus des Kausalzusammenhanges, der eingefügt werden soll IV,3 : E o n / n n
V,3 : E n 0 / n n E 1
E4
on/nn
keine
nn/nn( G n) + nn/nn( G n)
IE5
(G
n
)
V
IE 2 (G n ) ^
V,4: E n o / o n E»(Gn)->IE2(Gn)
keine f ü r (Ei(G n ) + adäquate einIE4(G n ): fädle Ursache. IE3 n n / n n (G n ), IES Inadäquate nn/on( G n)· einfache Audi f ü r Ursache: (G m ) dieselE8 G nn/nn( n) ben Ereignistypen.
III>2 : E nn y 0( j
für E2nn/oo(GnGm)
IE4
nn/on( G n)> nn/oo( G n)· IE4 no/on( G n)> IE4 no/oo( G n) IE4
keine adäquate f ü r IE 2 allein
IEsnn/on, IE3 no/on·
IESnn/on(Gn)
oder f ü r E 2 nn/oo(G n G m )
+
IE3
111,3: E n n / n n
weder E ^ n n / o o "t"
ES
IE2nn/00 nodi E 1 n n / o o eine adäquate Ursadie.
E1
no/on( G n) : E^nn/nn· für nn/nn( G n) IE4nn/nn:
+
E4
E
G nn/oo( n) +
V/oo(
+
E4
nn/on( G n) oder G
nn/oo( n) +
IEZ
no/on( G n)
G
n)
oder
nn/oo( G n)
IE3
E1
^Enn/nn
nn/oo(Gn) +
E5
I no/on( G »)
ν
VI
VII
VIII
IX
X
mögliche Wirkung unter Ergänzung
mögliche Ergänzung
ausgeschlossene Typen der Ereignisse für I
ausgeschlossene Typen der Ereignisse für II
ausgeschlossene Typen der Ereignisse für IV
ausgeschlossene Typen der Ereignisse für V
E®nn/nn + IEÖnn'nn
^ 8 on/nn
für alle 9 Typen
für alle 9 Typen auß. I E s o n / n n
für alle 9 Typen
für alle 9 Typen außer E n n / n n
^8nn/nn ^"nn/nn
^ 7 on/nn
für alle 9 Typen
für alle 9 Typen auß. IE 5 0 n / n n
für alle 9 Typen
für alle 9 Typen außer E n n / n n
für IES + E 1 0 : mögliche Wirkung der Typen: IE» n o / n n und IE» n o / n o
als El® zulässig: E10nn/nn und E10nn/on·
ausgeschlossen ®7nn/nn _ >
für alle 9 Typen
für die übrigen Typen
für alle 9 Typen
alle äußere Ereignisse, von den IE-s die übrigen 7 Typen
®8nn/on ^ E4nn/on ^ E5nn/on· audi die aus E
on/nn gebildeten Ursachen für IE 2 + E e + IEe n o / n n (G n ): IE5 n o / n o (G n )
Ee
^βηο/ηη> oo/nn( G n G m). E e no/on( G n)
für alle 9 Typen
alle äußere Ereignisse, von den IE-s die übrigen 8 Typen
Welt, je nachdem, welcher Typus der Ereignisse in der Welt überwiegt bzw. grundlegend ist. Es sind somit verschiedene kausal aufgebaute Welten möglich, von welchen die eventuell einzig vorhandene Welt einen besonderen, letztlich in ihrer Materie begründeten Einzelfall darstellt. Die Sache der formalen Ontologie ist es lediglich, eine Übersicht über diese Möglichkeiten zu geben. Erst die Berücksichtigung der materialen Ontologie könnte eventuell die Anzahl der rein formal bestimmten Möglichkeiten einengen, und dann erst vermag die Metaphysik bzw. die Naturwissenschaft zu entscheiden, welcher von diesen mannigfachen Einzelfällen wirklich realisiert ist. Um einen gewissen Einblick in die sich im jetzigen Stadium der Betrachtung eröffnenden Möglichkeiten zu gewinnen, ist es zunächst nötig, die als möglich herausgestellten Typen der an den gemischten Kausalzusammenhängen teilnehmenden Ereignisse in ihrer Rolle für den Aufbau der Gegenstände, die ihnen zugrunde liegen, und damit auch der relativ isolierten Systeme, wie auch für den Ausbau des Kausalnetzes zu untersuchen. Neben den beiden Typen der Ereignisse Enn/nn und Enn/oo, die in der Welt ganz allgemein auftreten können, sind nur s e c h s Ereignistypen übriggeblieben, die sozusagen „in doppelter Richtung" in das Kausalnetz einfügbar sind, und zwar 1.111,4: E n n / o n ; 2.111,5: E n n / n o ; 3. IV,3: E o n / n n ; 4. IV,5: E o n / n o ; 5. V,3: Eno/nn und 6. V,4: Eno/on sowie zwei Typen von „Abschlußereignissen" : 7. Eno/oo und 8. Eno/no, die nur in e i n e r Richtung, und zwar in der der Ursachen, in das Kausalnetz einfügbar sind. So sind es zusammen 10 Ereignistypen, die miteinander in kausale Zusammenhänge eintreten können (wobei, wie es sich noch zeigen wird, manche fortfallen werden). Beschäftigen wir uns mit ihnen der Reihe nach. 1 . Zum TypUS 111,4: Enn/on
Ein Enn/on, das sowohl als ein äußeres als auch als ein inneres Ereignis in der Welt auftreten kann, läßt nur rein äußere Ursachen82 zu und führt zu doppelartigen - inneren und äußeren - Wirkungen. Findet es als ein inneres Ereignis in einem Gegenstand statt, so führt die Kette seiner Ursachen über das Innere des Gegenstandes zu dessen äußeren bzw. zu den ihm fremden Ereignissen hinaus und kehrt in das Innere dieses Gegenstandes nie wieder zurück. Dagegen verteilen sich die Wirkungen 82 So wollen wir kurz andeuten, daß n u r äußere Ereignisse (dem betreffenden Gegenstand gegenüber) als Ursache in Betradit kommen. Analog werden wir audi von „rein äußeren (bzw. inneren) Wirkungen" sprechen.
390
teils auf das Innere des Gn, teils auf das Äußere desselben, indem sie nicht bloß an dem G n stattfinden, sondern denselben auch ganz verlassen und andere Gegenstände zu ihrem Träger haben können. Was dagegen die innere Wirkung des E 1 n n / o n ( G n ) betrifft, also I E 8 n n / o n ( G n ) , so kann dieselbe a l l e i n f ü r s i c h keine weitere Wirkung haben, und zwar weder des Typus Enn/on noch irgendeines anderen Typus. N u r wenn E2nn/on(Gn) und IEsnn/on(Gn) jedes für sich nicht-ursathebildend ist, sondern erst beide zusammen eine zusammengesetzte Ursache sein können, haben sie eine g e m e i n s a m e Wirkung in der Gestalt eines Ereignispaares, dessen Elemente - wie früher gezeigt wurde - noch verschiedenen Typus sein können, so daß man in dieser Hinsicht 16 verschiedene mögliche, aber sich gegenseitig ausschließende Wirkungen erhält. 83 Interessant ist es indessen augenblicklich nur, daß sich unter ihnen der Fall befindet, in welchem die beiden eine solche gemeinsame Wirkung bildenden Ereignisse des Typus Enn/nn sind. Der erwogene Kausalzusammenhang ist also beiderseits in das Netz der Enn/nn-Ereignisse einfügbar. Das formale Schema einer ganzen Reihe kausaler Zusammenhänge sieht dann folgendermaßen aus: Λ pi ^ IEnnn/n„ '
^ E 2 nn/on 1 V IE 3 nn/on / IE5„0/on . . . h
E V / n n
\
.
. J Εβηη/ηη\ \lFnn/nn j
^ / E 8 nn/nn\ \lE%„/J
.
Eine gewisse Schwierigkeit macht sich hierbei geltend, daß nämlich das E 4 nn/nn, in welchem E'nn/on seine Ursache hat, selbst eine aus einem äußeren und einem inneren Ereignis zusammengesetzte Ursache fordert. Sollten beide des Typus Enn/nn sein, damit diese Kausalreihe schon in dem durch Enn/nn-Ereignisse gebildeten Kausalnetz bleibe, dann scheint zwischen I E n n n / n n und E'nn/on bzw. E 2 nn/on ein Widerspruch zu entstehen, indem das E 1 bzw. E ! eine innere Ursache ausschließt, während das IE 1 1 nn/nn zu dem B U des E'nn/on bzw. E 2 nn/on gehören würde. Indessen entstünde dieser Widerspruch nur dann, wenn IE 1 1 nn/nn e i n inneres Ereignis desselben Gegenstandes (z.B. G n ) wäre, an dem E 1 bzw. E 2 stattfindet. Dies ist aber nicht notwendig. Wenn dagegen IE^nn/nn ein inneres Ereignis eines a n d e r e n Gegenstandes (z.B. Gm) sein würde, dann würde es in den ä u ß e r e n Umfang des B U von E*nn/on(Gn) fallen, und der Widerspruch würde verschwinden. Damit aber das E 4 n n / n n eine aus einem äußeren und einem inneren Ereignis zusammengesetzte Ursache haben könnte, muß es an d e m s e l b e n Gegenstand stattfinden, in welchem sich I E n n n / n n ( G m ) abspielt. Aber es Dies kann übrigens als ein interessantes Beispiel der empirisdien Möglichkeit dienen.
391
dann muß auch das IE5no/on(Gm) sein. S o erhalten wir letzten Endes das formale Schema der ganzen Kausalreihe in der folgenden Gestalt: TM E10„n/„n(Gm)| IE"nn/nn(Gm) J
j
E4nn/nn(Gm)
v
I E
5
,
t r
nn/on^nj n o / o n
(
G m
)
E2nn/on(Gn)i .
V
IEV/on(Gn)J
[ i E 1 2 nn/nn(Gm) —
S o führt der Kausalzusammenhang des T y p u s Enn/on nicht bloß in das Kausalnetz der Enn/nn-Ereignisse überhaupt zurück, sondern führt auch die Kausalreihe von dem Gegenstand G n in einen anderen Gegenstand über. Andererseits kommt es da zu einer mehrfachen Verzweigung der Kausalreihe in der Richtung auf immer weitere Wirkungen, und zwar erstens an der Stelle des Überganges v o m E 4 zu E 1 und IE 5 , wobei diese Verzweigung in zwei verschiedene Gegenstände führt, zweitens bei dem Übergang von E 1 zu E 2 und IE 8 , w o die Ausgangsglieder der beiden Zweige in einem und demselben Gegenstand liegen. E s muß dabei zugegeben werden, daß zwei innere Ereignisse desselben Gm, und z w a r I E 5 und IE 1 2 , kausal voneinander unabhängig sind bzw. sein können. M a n könnte eventuell auf das Vorhandensein des IE 1 2 verzichten, um die eben angedeutete kausale Unabhängigkeit zu vermeiden, aber dann müßte das IE 1 1 nicht des T y p u s Enn/nn, sondern des T y p u s Enn/no sein. D a n n aber würde E nn/on 1Π der Richtung auf immer weitere Ursachen nicht in ein reines Εηη/ηη-Kausalnetz überführt werden. Notabene, die Verzweigung der Kausalreihe von E 1 zu (E 2 + I E 3 ) ist insofern von keiner größeren Bedeutung, als die IEnn/on-Ereignisse keine weiteren Wirkungen d e s s e l b e n T y p u s in dem Gegenstand G n haben können (die letztere müßte j a in I E 3 ( G n ) ihre innere Ursache haben), während ihr nullhafter U m f a n g des B U ihnen dies verbietet. D i e Ereignisse E 2 und I E 8 können aber als ein Ereignispaar zusammen eine gemeinsame zusammengesetzte Wirkung haben, wie dies in dem zuerst gegebenen Schema angedeutet wurde. Es könnte aber eingewendet werden, daß der Kausalzusammenhang des T y p u s Enn/on nicht notwendig in das Kausalnetz der Enn/nn-Ereignisse eingefügt zu werden brauche, da er wohl wiederum mit Ereignissen seines eigenen T y p u s ursächlich verbunden werden kann. U n d z w a r wie folgt: ' E 2 on/no (eventuell mit den früher angegebenen ergänzenden Ereignissen E4 und IE7) eingefügt wi'rd. So sind audi die unter Punkt 5 gezogenen Konsequenzen auf den jetzt erwogenen Fall anwendbar. Dies bezieht sich insbesondere auf die Probleme der Isolation. Sie ist auch hier eine bloß einseitige, und zwar gegen äußere Einflüsse bestimmter Art, wogegen die Ausübung der Einflüsse durch das Innere des Gegenstandes auf dessen Äußeres und eventuell auf den umgebenden Rest der Welt möglich ist. Der Kausalzusammenhang IEV/no— E 2 on/no bildet einen kausalen Übergang vom Inneren her, insbesondere von einem inneren Ereignis, zu dem Äußeren des Gegenstandes bzw. zu der umgebenden Welt. Aber die darauffolgende Einfügung der kausalen Reihe in eine Wirkung, welche aus Enn/nn-Ereignissen besteht, hat zur Folge, daß sozusagen wiederum zwei Linien des kausalen Fortgangs nebeneinander laufen: die inneren und die äußeren Ereignisse des Typus Enn/nn, bzw. daß sowohl die Ursachen als auch die Wirkungen zu406
sammengesetzt sind. Die Elemente eines jeweiligen Paares von Ereignissen sind u n t e r e i n a n d e r kausal unabhängig, obwohl sie sich aus derselben Ursache ergeben oder zu derselben Wirkung führen·. In ihrer gegenseitigen kausalen Unabhängigkeit gehören sie doch zueinander, indem jedes von ihnen nicht-ursachebildend und in diesem Sinne unselbständig ist, so daß erst beide zusammen eine zusammengesetzte Ursache bilden. Der Kausalzusammenhang IEon/no E 2 on/no ist in diesem Sinne doppelt unselbständig, als seine beiden Glieder durch Ereignisse anderer Typen ergänzt werden müssen, mit denen zusammen sie erst ein Ereignispaar bilden, das entweder die volle Wirkung des IE 3 oder die volle Ursache des (E8 + IE 9 ) bilden. Es muß noch betont werden, daß diese ganze zusammengesetzte Reihe von Kausalzusammenhängen nur dann möglich ist, wenn die hier hinzugenommenen Ereignisse Ε4, E e . . . einerseits und IE 7 andererseits in entsprechende eigene kausale Reihen eingereiht werden können. Insbesondere muß es eine Ursache des IE 7 geben, die von der Reihe IE 5 IE 3 —> IE 1 als audi von der Reihe E e , E4 kausal unabhängig ist. Endlich sei noch bemerkt, daß . . . E e , E 4 nicht notwendig des Typus Eon/nn sein müssen. Es könnten da noch die Typen Eoo/nn, Eon/no und 7 Eoo/no angewendet werden. Ebenso braucht IE nicht notwendig des Typus Eon/nn zu sein. Es könnten da auch Ereignisse der Typen Enn/nn und Enn/on auftreten. All dies führt aber zu keinen neuen prinzipiellen Fragen. Die beiden Typen IV,3 und IV,5 bilden sozusagen eine Umkehrung der früher schon besprochenen Fälle, die zu Isolationserscheinungen führen. Während aber dort die Einfügung in das Kausalnetz der Enn/nn-Ereignisse von der Seite der Ursachen möglich war, gelingt in den beiden zuletzt behandelten Fällen diese Einfügung von der Seite der Wirkungen. Dort war die in die Zukunft bzw. in die weiteren Wirkungen laufende kausale Reihe auf das Innere des betreffenden Gegenstandes beschränkt, hier gilt eine analoge Beschränkung für die Reihe immer weiterer Ursachen. Mit Rücksicht auf die Einheit der Welt war es hier notwendig, zu Ereignissen zu greifen, welche einen auf einen Zeitabschnitt beschränkten nullhaften äußeren Umfang des BU besitzen, während dort eine solche Zeitbegrenzung des Nullseins der äußeren Umfänge des BW zwar durchaus möglich und für das Fortbestehen der Einheit der Welt vorteilhaft (vielleicht unentbehrlich) ist, insofern aber nicht notwendig, als es nicht ausgeschlossen ist, daß eine zunächst einheitliche Welt im Fortdauern ihres Bestehens sozusagen in Teile ausein407
anderfällt, die voneinander isoliert sind, so daß in jedem dieser Teile Ereignisse der entsprechenden Typen stattfinden. Sollte aber die Welt einheitlich bleiben, dann müßte man auch in diesem Fall nullhafte Umfange des BW einführen, die zeitlich beschränkt sind, also nur bis zu einem bestimmten Zeitmoment reichen, in welchem die betreffenden Ereignisse Wirkungen in der Gestalt äußerer Ereignisse haben. In allen besprochenen Fällen der gemischten Kausalzusammenhänge ist aber die einseitige oder doppelseitige Einfügung in das Kausalnetz der Emi/im-Ereignisse möglich, wobei nur in zwei Fällen keine Isolationserscheinungen zutage treten. Zugleich bestehen auch verschiedene Verbindungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Typen dieser sechs Kausalzusammenhänge, auf die bereits hingewiesen wurde. Endlich hat es sich auch gezeigt, auf welche Weise Ereignisse des Typus Enn/nn mit den Ereignissen des Typus Enn/oo verbunden werden können. Durch die Herausstellung aller dieser Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Kausalzusammenhängen der 8 besprochenen Typen sowie durch die Hinweise darauf, an welcher Stelle die beiden Typen der Abschlußereignisse mit den Gliedern dieser Kausalzusammenhänge in kausale Verbindung eintreten können, haben wir sozusagen die Anfänge der Bildung des Kausalnetzes der Welt umrissen, und durch den Übergang zu mehr komplizierten Fällen, in welchen m e h r e r e Typen kausaler Zusammenhänge miteinander verbunden werden, könnten wir den weiteren rein formal möglichen Bau des Kausalnetzes der Welt verfolgen. Aber die rein ontologische Erwägung dieser Möglichkeiten scheint einerseits zu sehr komplizierten Sachlagen zu führen, andererseits viele Perspektiven zu eröffnen, die - so interessant sie auch an sich sein mögen - weit über die theoretische Vorbereitung zu einer Erkenntnis der kausalen Ordnung der einzigen, eventuell vorhandenen realen Welt hinausgehen. Statt sich in dem unermeßlichen Feld der idealen Möglichkeiten zu verlieren, wird es viel wichtiger sein, an Tatbestände anzuknüpfen, die in dieser Welt vorzuliegen scheinen. Wir würden uns dadurch nicht bloß der Erkenntnis der kausalen Ordnung der realen Welt um einen wichtigen Schritt nähern, sondern auch den Weg finden, auf dem wir unsere Auffassung des kausalen Zusammenhanges bekräftigen können. Durch die Analyse von besonders ausgewählten Ergebnissen der modernen Naturwissenschaft hoffen wir insbesondere zu zeigen, daß die Idee der relativ isolierten Systeme, die unseren Betrachtungen über den kausalen Zusammenhang und insbesondere unserer Auffassung der Ursache sowie der Gleichzeitigkeit der unmittelbaren Ursache und ihrer Wirkung usw. zugrunde liegt, keine bloße rein begriffliche 408
Konstruktion ist, sondern in der durch die Naturwissenschaft untersuchten Wirklichkeit eine konkrete Verkörperung findet. D a die Naturwissenschaft nicht mehr mit rein formalen Schemata operiert, sondern mit material bestimmten Ereignissen, Vorgängen und Dingen, so wird sich durch die Verfolgung mancher ihrer Ergebnisse ein viel tieferer Einblick in verschiedene m ö g l i c h e Verbindungen von Kausalzusammenhängen gewinnen lassen als in einer rein formalen Betrachtung. Es wird sich auch zeigen, welche verschiedenen Typen von relativ isolierten Systemen möglich sind und wie sie untereinander und übereinander aufgebaut sind bzw. werden können. Die Idee der Gegenstände verschiedener Ordnung wird sich dabei nicht bloß konkreter gestalten, sondern wird auch ihre Wichtigkeit für das Verständnis der kausalen Struktur der Welt erweisen. So verlassen wir jetzt das Gebiet rein ontologischer Betrachtung und versuchen einen durchaus neuen Typus der Untersuchung zu realisieren, der bis jetzt in seiner Eigenheit und in seiner Möglichkeit nicht erfaßt wurde und der uns - wie wir hoffen - in unserer Problematik weiterführen wird.
409
KAPITEL XXI
MANCHE NATURWISSENSCHAFTLICHEN ERGEBNISSE IN IHRER ROLLE FÜR DIE O N T O L O G I S C H E BETRACHTUNG DES KAUSALPROBLEMS § 111. R i c h t l i n i e n d e r w e i t e r e n U n t e r s u c h u n g Als Hauptelemente unserer Begriffsbildung bezüglich der Ursache und des Kausalzusammenhanges überhaupt fungieren die Begriffe 1. der U r s a c h e als des Ergänzungsfaktors der aktiven hinreichenden Bedingung der Wirkung, 2. der U m s t ä n d e , die durch die Ursache ergänzt und aktiviert werden, 3. des einige Zeit v e r ä n d e r u n g s l o s d a u e r n d e n Z u s t a n d e s , 4. des g l e i c h f ö r m i g e n V o r g a n g e s (wobei (3) und (4) die Umstände bilden können, in denen es beim Eintritt der Ursache zu ihrer unmittelbaren Wirkung kommt); als ein weiterer grundlegender Begriff ergibt sich der Begriff des relativ isolierten Systems (bzw. Gegenstandes) und eben damit des Isolators bzw. der Isolation einseitiger oder zweiseitiger Art. Leugnet man die Möglichkeit eines relativ isolierten Systems in der Welt, dann fällt auch der Grundkern unserer Auffassung der Ursache und der ursächlichen Beziehung, und u. a. auch die Behauptung über die Gleichzeitigkeit der Ursache und ihrer unmittelbaren Wirkung fort, da sich dann die zeitliche Spannweite des Weltgeschehens mit der Gleichzeitigkeit der Glieder der ursächlichen Beziehung nicht vereinen läßt. Die Wichtigkeit des Begriffs des relativ isolierten Systems reicht aber viel weiter als die Rolle, die dieser Begriff in der Auffassung der ursächlichen Beziehung spielt. Denn es erweist sich seine grundlegende Bedeutung für den formalen Aufbau einer jeden Seinssphäre, die eine Welt in unserem Sinne bilden soll. Und es ist hier auch ganz deutlich zu sagen: gerade diese seine Bedeutung ist es, um die es sich in unserer formal-ontologischen Betrachtung des Kausalzusammenhanges letzten Endes handelt. Aber dies ist eine Angelegenheit, die erst in den abschließenden Untersuchungen deutlich ans Licht gebracht werden wird. Vorläufig handelt es sich lediglich um die Erwägung des relativ isolierten Systems in seiner Rolle innerhalb der Auffassung des Kausalzusammenhanges. 410
Es ist aber gleich am Anfang nötig, ein eventuelles MißVerständnis zu beseitigen. In der Naturwissenschaft, und insbesondere in der neuzeitlichen Physik, wird oft mit dem Gedanken eines „isolierten Systems" - wenn man so sagen darf - gespielt. Einerseits verwendet man diesen Begriff oft in r e i n g e d a n k l i c h e n Erwägungen verschiedener physikalischer Probleme. Man schafft sich sozusagen „in Gedanken" isolierte Systeme, um bestimmte, fest umgrenzte und stabile Bedingungen gewisser Vorgänge oder Ereignisse, die man nachher in concreto untersuchen möchte und deren Verlauf man im voraus umschreiben möchte, zu definieren. Erst die strenge Definition dieser Bedingungen ermöglicht die exakte Fassung der Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Vorgängen bzw. Ereignissen, die man erwartet und deren tatsächlicher Eintritt beobachtet wird. Ohne die gedanklich gefaßten isolierten Systeme ließen sich jene Bedingungen gar nicht voneinander unterscheiden und in ihrer Art bestimmen. Hat man aber bestimmte isolierte Systeme in die Betrachtung rein begriff lidi eingeführt, so fügt man sofort hinzu: in Wirklichkeit gäbe es keine isolierten Systeme im strengen Sinne, es sei nur eine rein gedankliche Konstruktion, welcher in der Wirklichkeit s t r e n g nichts entspricht, sondern nur eine gewisse, mehr oder weniger ausgeprägte A n n ä h e r u n g an das geforderte nicht realisierbare gedankliche Ideal. In der physikalischen Wirklichkeit ist jede „Isolation" nur eine „a peu près", nur eine gewisse Annäherung an das, was wirklich vorliegen müßte, wenn es isolierte Systeme gäbe. Nur indem man von gewissen Vorgängen oder Tatsachen a b s i e h t , indem man auch gewisse Vorgänge s o w ä h 11 bzw. sie in der konkreten Wirklichkeit s o g e s t a l t e t , daß sie als mehr oder weniger b e l a n g l o s betrachtet werden dürfen, o b w o h l sie sich aber tatsächlich abspielen, entsteht der Schein, es gäbe so etwas wie ein isoliertes System. Infolgedessen sind auch jene gedanklich exakt erfaßten Bedingungen gewisser Vorgänge oder Ereignisse nur a n n ä h e r n d in der Wirklichkeit realisiert, unter ständiger mehr oder weniger großen A b w e i c h u n g von den begrifflich Bestimmten nach der einen oder anderen Seite. Und auch das durch diese Bedingungen bedingte tatsächliche Ergebnis entspricht nie genau den vorausberechneten Größen. Die im Experiment tatsächlich erzielten Ergebnisse weichen immer in gewissen Grenzen voneinander und von dem begrifflich bestimmten Ergebnis ab, in Grenzen freilich, die sich durch große Präzision der experimentellen Anordnung bis zu einem gewissen Grade einengen lassen, die aber nie völlig zu beseitigen sind. Und dies bereits in der sog. „Makrophysik", von der „Mikrophysik" schon ganz zu schweigen, wo die Heisenbergsche Relation bekannt411
lidi die Erreichung einer völligen Genauigkeit aus prinzipiellen Gründen ausschließen soll. Es ist schon ein Erfolg, daß wir in der Makrophysik die Grenzen der wahrscheinlich eintretenden Abweichungen von den vorausberechneten Größen mehr oder weniger genau bestimmen können. Grenzen, die zwar auch in einzelnen Fällen überschritten werden können, aber die Wahrscheinlichkeit dieser Überschreitung ist dann gering und läßt sich auch im voraus bestimmen. So ist nach dieser Auffassung das isolierte System in der Physik nur eine n ü t z l i c h e F i k t i o n , die uns rein theoretische, d. h. auch rein begriffliche Konstruktionen von Sachlagen und Vorgängen ermöglicht, die aber im strengen Sinne nie voll realisiert werden kann. Und zwar wird dieser fiktive Charakter, bzw. die Unmöglichkeit eines absolut isolierten Systems nicht aus irgendwelchen explicite hervorgehobenen theoretischen, etwa ontologischen Gründen betont - wie wir es tun mit Rücksicht auf die Erhaltung der Einheit der Welt, - sondern entweder stillschweigend angenommen, oder mit einer gewissen Berufung auf die tatsächlichen Gegebenheiten der täglichen und der wissenschaftlichen experimentellen Erfahrung, hauptsächlich wird sie aber im Zusammenhang mit der unter den Naturwissenschaftlern ziemlich verbreiteten, obwohl theoretisch weder geklärten noch kritisch geprüften Meinung, daß in der realen Welt stets „alles mit allem" kausal verbunden ist, hervorgehoben, also im Zusammenhang mit dem naiv geglaubten radikalen Determinismus. Freilich - wie wir zu zeigen versuchen werden - widersprechen dieser Uberzeugung verschiedene Tatsachen, insbesondere die erfolgreichen Leistungen der Physik selbst, aber, da es sich eben um eine unkritische, scheinbar evidente Überzeugung handelt, geht man darüber sorglos hinweg. Man zerbricht sich auch nicht den Kopf darüber, wie es eigentlich möglich sei, daß es der Physik trotz der Verwendung der „Fiktion" eines isolierten Systems doch gelingt, mindestens „angenäherte" Ergebnisse zu gewinnen, wie es mit anderen Worten doch zugeht, daß die auf Grund einer „Fiktion" organisierten Versuchsanordnungen doch Resultate ergeben, die sich von den vorausgesehenen nur im relativ kleinen Betrage unterscheiden, daß auch diese Unterschiede bloß als A b w e i c h u n g e n von einer festen Grenze betrachtet werden können und nicht einfach als chaotisch zusammengewürfelte heterogene Gegebenheiten, die gar keine Gesetzmäßigkeit in sich bergen. Nun, wenn ich hier den von der neuzeitlichen Physik betonten fiktiven Charakter des isolierten Systems und im Gegensatz dazu den „a peu près "-Charakter der tatsächlich in der Erfahrung gegebenen 412
Tatsachen erwähne, so ist es nicht etwa, um für die Idee eines „isolierten Systems" - und genauer gesagt - eines absolut isolierten Systems einzutreten. Audi ich glaube, daß es ein absolut abgeschlossenes System innerhalb einer einheitlichen Welt nicht geben kann, und zwar aus rein ontologischen Gründen, weil ein solches System dem Prinzip der Einheit der Welt widerspricht. Die Erwähnung dieser Idee geschieht hier nur deswegen, um u n s e r e n Begriff des „relativ isolierten Systems" mit der Auffassung zu kontrastieren, die in der Physik oft vertreten wird, es gäbe in der Wirklichkeit nur „angenähert", „scheinbar" isolierte Systeme, die zwar im editen Sinne n i c h t isoliert sind, aber die Wandlungen, denen sie unter dem Einfluß ihrer Umgebung ständig unterliegen, seien so geringfügig, daß man von ihnen „praktisch" abstrahieren könne. Nein, wenn wir von der „Isolation", vom „Isolator" sprechen, suchen wir etwas, was im s t r e n g e n Sinne „scheidet",den Zugang der äußeren Geschehnisse zu dem Innern des Systems, bzw. den Ausgang gewisser Geschehnisse vom Innern des Systems in die äußere Welt w i r k l i c h v e r s p e r r t . Der „relative" Charakter dieser Isolation, der Absperrung eines Systems, soll nicht ihre etwaige „Fiktivität" oder die Belanglosigkeit der Durchbrechung eines Isolators bzw. dessen, was durch ihn in der einen oder in der anderen Richtung durchsickert, bezeichnen. Wenn von „relativer" Isolation hier die Rede ist, so handelt es sich darum, daß sie n i c h t a l l s e i t i g ist, sondern immer nur das System von einer bestimmten Seite gegen qualitativ festbestimmte Einflüsse schützt, während andere Seiten des Systems „durchlässig" sind, und daß die Isolierung stets nur bis zu einem gewissen Grade bzw. einer Größe (Stärke) der einsickernden Einflüsse (Kräfte) erhalten wird, bei dessen Überschreiten die Isolierung aufhört zu bestehen. Es ist auch eine relative Isolation eines Systems in einer bestimmten Hinsicht, wenn sie erst von einer bestimmten Größe der einwirkenden Einflüsse ab zu bestehen beginnt, während die darunter liegenden, geringfügigen Wandlungen durch die „Scheidewand" durchsickern, aber zu schwach sind, um weitere Veränderungen innerhalb des Systems hervorzurufen. Dieser letzte Fall der „Relativität" der Isolation ist es, dem wir in weiteren Betrachtungen besondere Aufmerksamkeit widmen werden. Endlich beruht die „Relativität" der Isolation auch auf der z e i t l i c h e n B e s c h r ä n k u n g der Dauer der Isolation: sie fängt mit der Herstellung entsprechender Bedingungen an und hört auf, nachdem diese Bedingungen irgendwie beseitigt werden. Nach solchen relativ isolierten Systemen suchen wir in der Welt, wie dieselbe von der Naturwissenschaft der Gegenwart erfaßt wird. Und 413
dieses Augenmerk wird nicht nur auf das tatsächliche Vorhandensein soldier Systeme gerichtet, sondern audi darauf, welche Bedingungen das tatsächliche Vorhandensein solcher Systeme ermöglichen. Erst die Analyse konkreter Sachlagen wird unsere Auffassung eines relativ isolierten Systems so verdeutlichen, daß ihre Verschiedenheit von der seitens der Physiker oft vertretenen Ansicht von „angenähert" abgeschlossenen Systemen ins Auge springen wird. 1 Zunächst aber noch einige kritische Bemerkungen. Die von den Naturwissensdiaftlern oft gehegte Ansicht, „alles mit allem" sei kausal verbunden und infolgedessen von allem in der Welt abhängig, schöpft ihre Überzeugungskraft nicht etwa daraus, daß es tatsächlich gelungen wäre, derartige gegenseitige allseitige kausale Verbundenheit und Abhängigkeit in der realen Welt positiv nachzuweisen. Dies ist weder je gezeigt noch je zu zeigen unternommen worden. Es ist lediglich eine grundlose und im strengen Sinne blinde Uberzeugung, es gäbe eine solche Alles-mit-allem-Verbundenheit in der Welt. J a , es ließe sich zeigen, daß es unmöglich ist, einen positiven Aufweis einer solchen Verbundenheit durchzuführen. Denn die Bedingungen, unter welchen ein solcher Aufweis verlaufen müßte, um die Richtigkeit der These zu bezeugen, widersprechen dem Sinne dieser These selbst. Wenn irgend zwei Gegenständlichkeiten A und Β - welchen formalen Typus audi immer - als voneinander, einseitig oder gegenseitig, „abhängig" erwiesen werden sollen, dann muß es möglich sein, die Identität einer jeden für sich festzuhalten. Und zwar muß vor allem die o b j e k t i v e , im Sein selbst realisierte Bedingung dieser Feststellung erfüllt werden. Das heißt es muß sowohl in A als in Β etwas enthalten sein - sei es ein Qualitatives („Materiales" in meinem Sinne), sei es eine Form - , was dem A bzw. dem Β ermöglicht, als A bzw. Β identisch zu sein, damit es von dem anderen (ζ. B. dem B) abhängig sein könnte. Dieses Etwas muß, auch wenn das A sonst Veränderungen unterworfen werden würde, als streng dasselbe bleiben, damit sidi die an ihm unter dem Einfluß des Β vollziehende und somit von Β abhängige Veränderung abspielen könnte. Es muß in A - bzw. in Β - etwas vorhanden sein, was von den vom Β ausgehenden Einflüssen unbetroffen ist und sich als soldies erweisen könnte. Sonst würde es gerade das nicht geben, was 1 Im Zusammenhang damit muß unser Standpunkt dem R u s s e l l s gegenübergestellt werden, der bei der Behandlung des Kausalproblems auch von „abgeschlossenen Systemen" spridit. (Vgl. Proceedings of Aristotelian Society, XIII). Es ist mir aber noch nicht gelungen, den Text der R u s s e i l sehen Ausführungen im Original kennenzulernen, idi weiß von ihnen lediglich auf Grund des Buches von D u c a s s e. Bis dahin muß eine nähere Auseinandersetzung mit R u s s e l l verschoben werden.
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von einem Anderen (dem B) in dieser oder jener Hinsicht abhängig sein soll. Und analog gilt dies von dem B: es muß in ihm etwas enthalten sein, das sozusagen dafür verantwortlich sein könnte, daß es das Andere (das A) von sich abhängig macht. Oder anders gesagt: es muß in A etwas von Β Unabhängiges geben, damit es in irgendeiner Hinsicht von Β abhängig sein könnte, und es muß in Β etwas von A Unabhängiges vorhanden sein, damit es das A von sich abhängig machen kann. Es ist nicht wahr, daß immer „alles" von „allem" kausal abhängig sei, sondern wahr ist vielmehr, daß ständig M a n c h e s von M a n c h e m anderen abhängig, und insbesondere kausal abhängig ist und in einer anderen Hinsicht - in dem, was sein Sein und seine individuelle Natur bildet - von dem Anderen unabhängig, und zwar auch kausal unabhängig ist. Sonst besteht die Abhängigkeitsbeziehung selbst nicht. Und erkenntnismäßig muß jedes in A von Β Unabhängige und das A Konstituierende gegeben sein, damit die Abhängigkeit des A von Β in einer Hinsicht festgestellt werden könnte. Wenn man dies übersieht, so liegt es einerseits daran, daß man jene Überzeugung von dem „Alles-von-Allem-Abhängig-Sein" unkritisch hegt, ohne audi nur einen Versuch zu machen, sie kritisch zu durchleuchten. Andererseits hat es seinen Grund darin, daß die naturwissenschaftliche Erkenntnisweise allzu sehr auf Erkenntnisergebnisse eingestellt ist, die für die Technik und die Praxis des täglichen Lebens von Bedeutung sind. Und da steht es an erster Linie, die Abhängigkeiten zwischen realen Gegenständlichkeiten aufzufinden. Insbesondere ist man überall auf die kausale Abhängigkeit der Wirkung von der Ursache eingestellt. Dies geschieht in dem Maße, daß man geneigt ist zu glauben, erst dann etwas erkannt zu haben, wenn sein kausaler Ursprung entdeckt wird. Kausale - die Ursache herausfindende - Erkenntnis wird für d i e Erkenntnis gehalten, ohne daß man es sich zum Bewußtsein brächte, daß b e v o r etwas nach seiner Ursache befragt und in seinem von dieser Ursache Abhängigsein erkannt wird, es als es selbst - in seinen eigenen Eigenschaften, in seiner Natur und in seinem Sein e r k a n n t werden muß. Man ist so sehr auf das Entdecken kausaler Abhängigkeit eingestellt, daß man darüber hinaus kein Erkenntnisziel mehr sieht. Und insbesondere bringt man sich nicht zum Bewußtsein, daß es ebenso wichtig ist (bzw. sein kann) zu entdecken, was von einem Anderen kausal u n a b h ä n g i g ist. Und doch greift gerade diese Unabhängigkeit nicht bloß in das praktische Leben, sondern auch in die wissenschaftlichen Verfahrensweisen ständig ein. Um in einem Experiment zu zeigen, daß Β von A kausal abhängig ist, also in ihm seine 415
Ursache hat, muß die Anordnung des Experiments so gestaltet werden, daß der Verlauf des Experiments „rein", d. h. von fremden, unberechenbaren Einflüssen u n a b h ä n g i g gemacht werde. Man muß bereits irgendwie herausgestellt haben, was den Verlauf des Experiments stören und sein Ergebnis verunreinigen oder sogar unmöglich machen würde (könnte), und man muß auch Mittel gefunden haben, den störenden Faktor zu beseitigen oder wenigstens in konstanten Grenzen zu halten, damit der Verlauf des Experiments und dessen Ergebnis von ihm unabhängig werden könnte. H a t man ihn gefunden - etwa durch Proben - , dann vergißt man oft sein Vorhandensein und glaubt lediglich Abhängigkeiten entdeckt zu haben. Mit anderen Worten: k e i n naturwissenschaftliches Experiment wäre überhaupt durchführbar, wenn in der Welt wirklich „alles von allem" kausal abhängen würde und wenn es infolgedessen unmöglich sein würde, die Versuchsapparatur und den Versuchsverlauf so von der übrigen Welt zu isolieren, daß lediglich diejenigen Faktoren wirksam bleiben, von denen das festzustellende Ergebnis - der Eintritt eines Ereignisses, eines Vorgangs oder eines Zustandes eines Gegenstandes - kausal abhängig sein soll. Entweder ist eine natürliche Neutralität gewisser sich gleichzeitig vollziehender Vorgänge oder zugleich bestehender Sachverhalte, oder eine „künstliche", d. h. von uns selbst in die Wirklichkeit eingeführte, von uns geschaffene Isolation der in Betracht kommenden Gegenständlichkeiten notwendig, wenn das Experiment nicht bloß möglich sein, sondern auch überhaupt seinen zweckmäßigen Sinn behalten soll. Endlich: wenn wirklich „alles von allem" in der Welt kausal abhängig wäre, würde selbst das Suchen nach Ursachen gegebener Tatsachen seinen vernünftigen Sinn verlieren: j e d e s beliebige zugleich oder früher bestehende Seiende würde ja doch dann Ursache des Gegebenen sein. Auch wir selbst als zuschauende Erkenntnissubjekte existieren in der Welt. Wir gehören also zu jenem „Allem", wovon „alles" (übrige) angeblich kausal abhängen soll. Auch wir wären also Ursache der in der Erfahrung gegebenen Tatsachen. Das Suchen nach einer Ursache von Etwas hat nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn n i c h t a l l e s und jedes Zugleichexistierende Ursache dieses Etwas ist, sondern wenn von einer bestimmten Mannigfaltigkeit von Gegenständlichkeiten überhaupt nur e i n i g e als mögliche Ursache des Gegebenen in Frage kommen, andere dagegen n i c h t , und von diesen einigen Gegenständlichkeiten, die überhaupt als m ö g l i c h e Ursachen in Frage kommen, n u r e i n e e i n z i g e (oder eine einzige Gruppe) wirklich Ursache ist, die 416
übrigen dagegen sidi als unwirksam, unaktiv, neutral, eventuell als von der gegebenen Wirkung irgendwie isoliert erweisen. So ist überhaupt die unentbehrliche Voraussetzung der Vernünftigkeit der naturwissenschaftlichen nach Ursachen forschenden Erkenntnis, daß nicht „Alles von Allem", sondern nur Manches von Manchem kausal abhängig ist. Ist aber einmal etwas in der Welt von einem Anderen irgendwie kausal unabhängig, dann ist in dieser Welt die Möglichkeit des Vorhandenseins relativ isolierter Systeme gegeben. Und dann ist eine wissenschaftliche empirische und experimentelle Erforschung kausaler Zusammenhänge möglich und vernünftig. Und die Naturwissenschaft, so sehr sie noch im Werden begriffen ist, und sein muß, zeigt uns in reichlichem Maße, daß solche Systeme tatsächlich existieren. Es wird genügen, wenn wir in einzelnen Gebieten der Naturwissenschaft auf entsprechende Tatsachen, ohne erschöpfend sein zu wollen, hinweisen.
§ 112. D i e in d e r A s t r o n o m i e e n t d e c k t e n T a t s a c h e n , die f ü r die E x i s t e n z r e l a t i v i s o l i e r t e r Systeme in d e r m a t e r i e l l e n W e l t s p r e c h e n 1. D i e V e r t e i l u n g d e r M a s s e n in d e r W e l t Die Tatsachen, auf die wir hier hinweisen werden, sind in ihrem Bestehen vom Standpunkt der Streitfrage Idealismus-Realismus ebenso unentschieden, wie dieses Problem im gegenwärtigen Stadium der Untersuchung selbst. Und die Berufung auf diese Tatsachen soll nicht bedeuten, als ob wir hier diese Entscheidung irgendwie erschleichen wollten. Unsere Berufung auf sie soll nur zeigen, daß die e v e n t u e l l e Ordnung der uns im Leben und in der Wissenschaft für real geltenden Welt der Art ist, daß sie unserer rein ontologischen Auffassung des Kausalzusammenhanges n i c h t w i d e r s p r i c h t , andererseits sie als wahrscheinlich nahelegt. Diese Tatsachen sind aber - im Rahmen der Astronomie - der Art, daß sie nicht alle dieselbe wissenschaftliche Begründung haben und somit die einen für sicher, die anderen für bloß wahrscheinlich, und wiederum die noch anderen für noch nicht entschieden gelten, da ihre astronomische Betrachtung noch nicht abgeschlossen ist. Diesen ihren verschiedenen Wahrsdieinlidikeitsdharakter werden wir in jedem Falle andeuten. 2 2
Natürlich ist alles, was idi hier angebe, von mir von den Astronomen übernommen, wie ich es in der mir zugänglichen - im allgemeinen eher populären - astro-
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Fangen wir damit an, was vom astronomischen Standpunkt aus als „zweifellos" zu betrachten ist. Dies ist vor allem, daß die Dichte der im Räume zerstreuten Materie in s e h r h o h e m G r a d e in den einzelnen Teilen dieses Raumes v e r s c h i e d e n ist. Oder anders gesagt, daß die Materie im „makrokosmischen" Ausmaße in Teile zerfällt, die in ihrem Innern verhältnismäßig „dicht" sind, untereinander aber durch ungeheuer große Raumteile g e t r e n n t sind, die, wenn sie auch nidit für ganz „leer" gehalten werden dürfen, so jedenfalls durch Materie von einer so m i n i m a l e n D i c h t e erfüllt sind (durch die „interstellare" und die „intergalaktische" Materie), daß sie praktisch für „leer" gehalten werden dürfen. Auf der einen Seite haben wir es mit „Sternen" („Sonnen") und ihren Satelliten zu tun, deren Dichte bekanntlich bis zu den ungeheuren Zahlen reicht, die die sogenannten „Weißen Zwerge" aufweisen (105 bis etwa 10 7 g/cm 3 ), während die Dichte der (unsrigen) Sonne nur 1,41 g/cm s ist; andererseits mit der sog. „interstellaren" Materie (innerhalb „unseres" Milchstraßensystems), deren Dichte im Falle der sog. „hellen Nebelwolken" 0,5.10~26 g/cm s ist.3 Der Raum, der jeweils zwischen verschiedenen galaktisdien Systemen liegt, falls er überhaupt Spuren der Materie aufweist, scheint durch materielle Teilchen erfüllt zu sein, die noch in viel höherem Maße, als die hellen Nebelwolken, weniger dicht im Raum zerstreut sind. Dies ergibt sich daraus, daß die „ d u r c h s c h n i t t l i c h e " Dichte der Materie im Weltall = 3,6.10~2i g/cm' = 6.1 (T7 Sonnen/pc3, d.h. „etwa ein F ü n f z i g t a u s e n d s t e l der durchschnittlichen Massendichte innerhalb des Milchstraßensystems" ist.4 Mit anderen Worten: die Materie im Weltall z e r f ä l l t in ungeheure Konzentrationen der Materie, die räumlich begrenzt und durch ungeheure Gebiete g e t r e n n t sind, in welchen es kaum Spuren der Materie gibt. Wenn wir uns zum Bewußtsein bringen, daß die Durchschnittsdichte der Materie im Weltall nur 3,6.10~29 ist, während die Dichte der „konzentrierten" Materie - abgesehen von den größten Dichten der Weißen Zwerge - z.B. im Falle unserer Sonne 1,41 g/cm8 ausmacht, so sehen wir, daß die „konzentrierte" Materie im Weltall nomischen Literatur finden konnte. Meine wissenschaftliche Verantwortung bezieht sidi nur darauf, ob es mir gelungen ist, Fehler in der Darstellung fremder Ergebnisse zu vermeiden. 8 Die Zahlenangaben stammen von W. Β e c k e r , Sterne und Sternsysteme, Dresden-Leipzig, 1950. Die Massendichte der „dunklen"(?) interstellaren Materie beträgt sogar nur 0,4.10- 2β g/ccm. * Vgl. 1. c. S. 389.1 pc = 3,257 Lichtjahre = 3,0833.10« cm.
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äußerst selten vorkommt. 5 An dem Beispiel unseres Sonnensystems können wir uns dieses seltene Vorkommen veranschaulichen: Rechnen wir die Weite des Sonnensystems nur bis zum Pluton, dann umfaßt die Kugel, in der sich die Sonne mit ihren 9 Satelliten befindet, ungefähr 8,6.1044cm8, dagegen der Raum, der durch diese 10 Himmelskörper eingenommen wird, beträgt nur einen winzigen Teil davon, und zwar den 16.10~uten T e i l des Umfangs des Sonnensystems; dabei ist fast die ganze Materie des Sonnensystems (und zwar 99,84%) in der Sonne selbst konzentriert, so daß es außerhalb der Sonne im Rahmen des Sonnensystems kaum konzentrierte Materie gibt, wobei wir nicht vergessen, daß es in diesem Raum unzweifelhaft auch die interstellare Materie in der Gestalt des kosmischen Staubs gibt." Aber die Dichte dieses Staubs ist, wie bereits angedeutet, äußerst niedrig. Und dabei beträgt die Durchschnittsdichte der Materie innerhalb des Sonnensystems etwa 0,23.1ο-11, was sowohl im Vergleich mit der Durchschnittsdichte der Materie im Milchstraßensystem, die circa 7,10~24g/cm3 beträgt, und desto mehr im Vergleich mit der Durchschnittsdichte der Materie im Weltall überhaupt, verhältnismäßig viel ist. Freilich, wenn wir unser Sonnensystem mit den Weißen Zwergen vergleichen, ist wiederum die Ansammlung der Materie in unserem Sonnensystem äußerst winzig und die Kondensation äußerst niedrig. Aber das allgemeine Bild der Materieverteilung in der Welt bleibt im Grunde überall dasselbe: im ungeheueren Gebiet fast absoluter Leere treten hier und da in unermeßlichen Entfernungen von einander Materieansammlungen auf, sonst aber sind nur einzelne Atome oder Moleküle in dem fast leeren Raum verstreut. Es ist kein Wunder, wenn man in der Astronomie der Gegenwart hier und da lesen kann, daß die Welt eigentlich aus der Leere aufgebaut ist. Diese „Leere"-der durch nichts erfüllte Raum-bildet in seiner Rolle in der Welt ein großes Geheimnis, das man früher durch die Auffassung des kosmischen Äther, jetzt aber durch die Auffassung des Kraftfeldes aufzuklären sucht. 5
E i n e „Sonne" durchschnittlich auf 1.583.10»» km»! Wenn wir uns bloß auf die 9 Satelliten beschränken und sowohl von den Monden und von der interstellaren lichtabsorbierenden Materie, die sich im Rahmen unseres Sonnensystems befindet, absehen, so beträgt die Durchschnittsdichte in der Umgebung der Sonne bis zu der Orbite des Plutons etwa 0,3.10 -14 . Aber die Berücksichtigung der interstellaren Materie kann diese Dichte nicht erhöhen, da, wie bereits angedeutet, die Durdisdinittsdichte dieser Materie selbst viel niedriger ist. Alle Zahlen, die hier angegeben werden, können natürlich bei weiterem Fortgang der Wissenschaft erheblich geändert werden. Aber es ist sehr wenig wahrscheinlich, daß dadurch auch die V e r h ä l t n i s s e zwischen diesen Zahlen so großen Wandlungen unterworfen würden. β
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Sehen wir aber vorläufig von dem Wesen und der Rolle dieses „leeren Raumes" ab und richten wir unser Augenmerk auf die im Weltall so selten konzentrierte (angesammelte) Materie in der Gestalt der „Sonnen" (Sterne) und Sonnensysteme. H a t die Konzentration der Materie an gewissen, relativ sehr umschränkten Gebieten für das Kausalproblem überhaupt und für die kausale Ordnung der realen Welt irgendeine Bedeutung? Es ist zunächst daran zu erinnern, daß kausale Zusammenhänge lediglich zwischen Ereignissen oder Vorgängen stattfinden, dieselben aber können nur dann existieren, wenn sie zu ihrem Seinsfundament in der Zeit verharrende Gegenstände haben. Nun, wir möchten hier nicht entscheiden, ob die materiellen Teilchen und Kondensationen von ihnen in der Zeit verharrende Gegenstände oder bloße Ansammlungen von Vorgängen sind, da dies von der Physik der Gegenwart noch nicht endgültig entschieden zu sein scheint, obwohl in den letzten Jahrzehnten immer mehr die Tendenz vorherrscht, sowohl „Korpuskel" wie „Wellen" anzunehmen und sogar eine wesentliche Verbindung zwischen ihnen zu statuieren. Aber darauf werden wir erst später eingehen, wenn wir physikalische Theorien in unsere Betrachtung einbeziehen. Gegenwärtig können wir aber feststellen, daß man in der gesamten N a turwissenschaft geneigt ist, einen wesentlichen Unterschied zwischen der den Raum erfüllenden Materie und dem Raum selbst anzuerkennen, wenn man auch einen Seinszusammenhang zwischen beiden annimmt und nicht mehr auf dem für die Physik des 19. Jahrhunderts charakteristischen Standpunkt steht, der den Raum für homogen, euklidisch und von der Materie vollkommen u n a b h ä n g i g hielt. Und dieser Unterschied scheint vor allem darin zu liegen, daß Vorgänge und Ereignisse - im eigentlichen Sinne - nur dort stattfinden, wo materielle Teilchen vorhanden sind. Oder um es vorerst vorsichtiger zu sagen: daß es gewiß b e s t i m m t e A r t e n von Vorgängen und Ereignissen gibt, die n u r dort auftreten, wo eben die Materie auftritt. 7 Ist aber die Materie nur in gewissen umschränkten Gebieten konzentriert, außerhalb welcher sie nur in äußerst winzigem Maße vorhanden ist, dann ist es audi gewiß, daß mindestens gewisse Kausalzusammenhänge, die zwischen Ereignissen bzw. Vorgängen jener gewissen Arten bestehen, bzw. bestehen können, auf jene durch kondensierte Materie erfüllten Gebiete 7 Diese letzte Formulierung wählen wir, um nicht voreilig zu entscheiden, daß es im „leeren" Räume überhaupt g a r k e i n e Vorgänge und Ereignisse geben kann. Dies hängt natürlich mit der Annahme verschiedener „Kraftfelder" zusammen, die sich im „leeren" Räume sozusagen ausspannen. Wir kommen bald darauf zurück.
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b e s c h r ä n k t sind. Die Verteilung dieser Kausalzusammenhänge in der Welt läuft mit der Verteilung der Ansammlungen der Materie parallel, oder mit anderen Worten, sie sind nur in ihnen vorhanden, während sie in den weiten Gebieten, in denen es keine Materie oder bloße Spuren der Materie gibt, überhaupt nicht vorhanden sind. Also audi dann, wenn man annehmen würde, daß im „leeren" Räume Ereignisse und Vorgänge gewisser Arten stattfinden können, zwischen denen Kausalzusammenhänge bestehen können (womit wir uns bald beschäftigen werden) scheint mit dem prinzipiellen Unterschied zwischen raumerfüllender Materie und dem „leeren" Räume auch eine prinzipielle Differenzierung zwischen zwei eventuell grundverschiedenen Typen von Ereignissen und Vorgängen bzw. von den mit ihnen verbundenen Kausalzusammenhängen eingeführt zu sein: in diejenigen Kausalzusammenhänge, die nur zwischen den an der raumerfüllenden Materie stattfindenden Ereignissen bzw. Vorgängen stattfinden können, und in diejenigen, die nur im „leeren" Räume vorhanden sein können. Die oben angedeutete Verteilung der Materie in der Welt führt aber zugleich mit sich, daß Kausalzusammenhänge der ersten (nennen wir sie „materielle") Art nicht überall in der Welt, sondern auf fest umgrenzte Gebiete verteilt sind, während sie in anderen Gebieten n i c h t vorkommen. Und dasselbe betrifft die eventuell anzunehmenden Kausalzusammenhänge, die bloß im leeren Raum vorkommen können. Damit kommen wir auf das Problem der Gestaltung der Felder der Ursachen und der Felder der Wirkungen, die zu den einzelnen Ereignissen als Glieder eines Kausalzusammenhanges gehören, zu spredien. Dieses Problem, das wir gleich am Anfang unserer Betrachtungen aufgeworfen haben, aber später nicht behandelt haben, bildet die andere Seite des Problems des radikalen bzw. des gemäßigten Determinismus. Die Ablehnung des radikalen Determinismus bezüglich der B U und BW der Ereignisse hat zur Folge, daß auch die F U und FW mindestens e i n e s Ereignisses Ex(t) nicht in jedem gegenüber t nicht-späteren (bzw. nicht-früheren) Moment maximal sein, d. h. die ganze Welt umspannen können. Denn wären z. B. die F U dieses Ereignisses Ex(t) in jedem gegenüber t nicht-späteren Moment maximal, so müßte auch der entsprechende BU(Ex) maximal sein, allerdings, falls an einer Stelle nur ein Ereignis eintreten würde. Jedenfalls ist das Partiellsein des F U bzw. FW eines Ereignisses in e i n e r Weltgegenwart die hinreichende Bedingung der Nichtgeltung des radikalen Determinismus, falls es natürlich in dieser Gegenwart auch außerhalb des betreffenden F U (bzw. FW) noch Ereignisse gibt. Und dasselbe betrifft die FW von 421
Ex(t) in bezug auf die von t nichtfrüheren Momente bzw. auf die in ihnen vorhandenen FW(Ex). Gilt der radikale Determinismus nicht, dann muß es unter der soeben erwähnten Voraussetzung in der Welt Ereignisse geben, deren FU (bzw. FW) nicht in jedem gegenüber t nichtspäteren (bzw. nichtfrüheren) Moment maximal sind. Es muß dann bestimmte Momente geben, in denen das FU(Ex) nicht maximal ist, in denen also die Ursachen des Ereignisses Ex(t) nicht überall in der Welt auftreten. Gäbe es keine Differenzierung der Kausalzusammenhänge in zwei verschiedene Arten bzw. Klassen des oben angedeuteten Typus, d. h. in „materielle'' Kausalzusammenhänge und in diejenigen Kausalzusammenhänge, die nur im „leeren" Räume stattfinden können (nennen wir sie „rein räumliche" Kausalzusammenhänge) - dann hätte die Verteilung der Materie in der Welt, welche die Astronomie feststellt, für das Problem der Verteilung der Kausalzusammenhänge und damit für das Problem der Gestaltung der FU und FW der Ereignisse gar keine Bedeutung. Gibt es aber diese Differenzierung, dann ist freilich die bloße Tatsache der Verteilung der Materie im Weltraum und in der Folge audi die Verteilung der Kausalzusammenhänge der einzelnen unterschiedenen Typen noch nicht hinreichend, um das Nichtmaximal-Sein bzw. das Partiellsein mindestens einiger FU und FW der einzelnen Ereignisse nach sich zu ziehen. Denn es ist noch möglich, daß Kausalzusammenhänge der „materiellen" Art i m m e r mit Kausalzusammenhängen der „rein räumlichen" Art verbunden sein müssen, so daß sich die FU und FW über die ganze Welt erstrecken können und vielleicht auch erstrecken müssen. Um diese Eventualität näher zu erwägen ist es zunächst nötig, eine gewisse Einsicht in die Kausalzusammenhänge der beiden eventuell bestehenden Arten und in ihre eventuelle gegenseitige Abhängigkeit zu gewinnen. Zunächst fragt es sich, ob sich Vorgänge und Ereignisse finden lassen, die n u r „materieller" Art sind, also im „leeren" Räume (ohne daß an der betreffenden Stelle ein materielles Teilchen vorhanden wäre) nicht stattfinden können und auch nicht als Glieder in „rein räumliche" Kausalzusammenhänge eingehen können. Wir brauchen da keine erschöpfende Antwort zu geben. Es genügt, e i n e n oder nur e i n i g e Typen solcher Ereignisse bzw. Vorgänge anzugeben. Nun, es scheint, daß sowohl die a k u s t i s c h e n als auch die W ä r m e prozesse (die Strahlungswärme ausgenommen) und Ereignisse (im Sinne der Physik) rein „materieller" Art sind. Denn die Vorgänge dieser beiden Arten sind vom physikalischen Standpunkt nichts anderes als gewisse (geordnete und gemeinsam ausgeführte oder chaotische und individuelle) Bewegungen 422
der Materiepartikelchen, der Moleküle, und zwar Bewegungen, die erst bei verhältnismäßig hoher Dichte der angesammelten Materie auftreten. Dort, wo es k e i n e Moleküle gibt, sind auch keine akustischen sowie keine Wärmeprozesse möglich. Die absolute Leere bildet den absoluten Isolator für Vorgänge dieser beiden Arten: ein solcher Vorgang kann eine mehr oder weniger dicke Schicht, in der sich gar keine Materie befindet, nicht passieren.8 Nicht anders verhält es sich z.B. mit Reibungsvorgängen, mit elastischen Vorgängen usw. Ohne eine Ansammlung sehr nahe aneinander befindlichen Moleküle b e s t i m m t e r A r t sind keine derartigen Vorgänge, bzw. die damit verbundenen Ereignisse vorhanden. Sie wären aber bereits nicht vorhanden, wenn die gesamte Materie - in einzelne Atome aufgelöst - im Raum des Weltalls g l e i c h m ä ß i g verteilt wäre. Alle rein mechanischen Bewegungsvorgänge der verschiedenen Teile der Materie (Körper, Flüssigkeiten, Gase) finden ebenfalls an der Materie statt und wären ohne dieselbe überhaupt unmöglich. Sie bilden freilich schon einen Grenzfall, mit dem wir uns sogleich beschäftigen werden. Nicht anders verhält es sich mit sämtlichen chemischen Vorgängen und Ereignissen, da sich dieselben in der Elektronenhülle der einzelnen Atome vollziehen, falls die letzteren in entsprechende Entfernung zueinander gebracht und Atome der entsprechend gewählten Elemente sind. Dort, wo es diese Atome einfach nicht gibt, oder wo sie in zu großen Entfernungen voneinander auftreten, kommt es gar nicht zu chemischen Vorgängen. Endlich vollziehen sich auch die elektrischen und magnetischen Vorgänge an materiellen Teilchen, insbesondere an den positiv oder negativ geladenen Teilchen (ζ. B. Elektronen) und finden ohne dieselben überhaupt nicht statt. Sie bilden aber wiederum einen Grenzfall der „materiellen" Vorgänge. Denn so wie die kinetisch-dynamischen Vorgänge (Bewegungen) führen auch sie zum Vorhandensein und zu Wandlungen der „Kraftfelder", die sich um die betreffenden Materieteilchen im leeren Raum erstredten. Mit anderen Worten, sie erschöpfen sich nicht in dem, was streng „materielle" Vorgänge sind, und führen so zu Folge-Geschehnissen, die an sich „rein räumlich" sind. Welche Beziehung zwischen ihnen und den Kraftfeldern besteht, ob sie insbesondere für einen Kausalzusammenhang gehalten werden darf, oder nicht, dies ist, soviel ich weiß, von der Physik selbst nicht entschieden, jedenfalls aber nie 8
Idi vergesse nicht, daß die mit diesen Bewegungen verbundenen Raumverschiebungen zugleich eine Wandlung der entsprechenden Kraftfelder zur Folge haben. Aber nicht darin liegt das Wesentliche der akustischen und der Wärme-Vorgänge. Mit der Wandlung der Kraftfelder werde ich mich sogleich beschäftigen.
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ausdrücklich behandelt, und wird erst später von uns erwogen werden. Jetzt ist aber die Frage des Vorhandenseins der „rein räumlichen", „nicht-materiellen" Vorgänge und Ereignisse zu erwägen. Freilich ist die Diskussion dieser Frage dadurch erschwert, daß die Physik selbst gegenwärtig über keine letztlich ausgestaltete Theorie des „Kraftfeldes" verfügt. Aber dies kann erst das Thema unserer späteren Untersuchung sein. Momentan handelt es sidb lediglich darum, die Art der sogenannten Vorgänge zu bestimmen, die in den sogenannten „leeren" Räumen stattfinden sollen. Einerseits ist es eine Verwandlung, die in einem Kraftfelde, bzw. im Raum selbst vor sich geht. Bekanntlich hat die moderne Physik zwei(?) verschiedene Kraftfelder eingeführt: das Gravitationsfeld und das elektromagnetische Feld. Beide9 sollen sich im Raum selbst ausbreiten, bzw. Modifikationen dieses Raumes bilden, wobei sie sich auf verschiedene Weise überdecken bzw. summieren. Das Gravitationsfeld ist durch die Anwesenheit der „anziehenden" Materie (der Massen) im Raum bestimmt und erleidet gesetzlich geregelte Wandlungen infolge der Bewegungen, in welchen sich Materieteile (Ansammlungen) befinden. Das elektromagnetische Feld ist durch die Anwesenheit und die Bewegungen der elektrischen Ladungen, die sich an Materieteilchen (letztlich an Elektronen und Positronen) befinden (oder dieselben konstituieren), bestimmt. Beiderlei „Felder" sind in dem Sinne inhomogen, daß sich in ihnen Punkte bzw. Linien bzw. Flächen befinden, die sich von ihrer Umgebung durch die Größe oder Grade der „Vektoren" unterscheiden (deswegen spricht man von „Kraftlinien"), so daß es einerseits „Äquipotentiallinien" oder -flächen gibt, andererseits aber zwischen zwei verschiedenen äquipotentialen Linien oder Flächen eine Differenz der Größe dieser Vektoren besteht, die eben das „Potential" der betreffenden Stelle des Feldes bildet. Nun, die Veränderungen in der Massenansammlung der Materie in gewissen Gegenden des Raumes scheinen Veränderungen in den Größen der Potentiale in dem zugehörigen Kraftfeld nach sich zu ziehen, dagegen führen die Raumverschiebungen der Materieansammlungen (Konzentrationen) im Räume zu Verschiebungen des zugehörigen Gravitationsfeldes im Räume. Dasselbe betrifft die doppelartigen Modifikationen der elektromagnetischen Felder, bloß daß hier die Größen der elektrischen Ladung bzw. ihre Verschiebung im Räume das ausschlaggebende Moment bil9
Es sind bekanntlich - vor allem seitens E i n s t e i n s - Versuche unternommen worden, eine „unitaristische" - alle verschiedenen Typen der Kraftfelder umspannende und einheitliche - Theorie des Feldes aufzubauen. Sie haben aber, soweit mir bekannt ist, zu keinem endgültigen Ergebnis geführt.
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det. Beim Vorhandensein vieler verschiedener Materieteilchen in der Welt (wie darauf die atomistische Auffassung der Materie in der Physik hinweist) bzw. vieler verschiedener Materieansammlungen im Weltraum (wie darauf die Astronomie hinweist) kommt es zu gegenseitiger Modifizierung der Kraftfelder, die zu den einzelnen Materieteilchen bzw. zu den einzelnen Materieansammlungen gehören, so daß daraus ein „gemeinsames" Gravitations-Kraftfeld bzw. ein gemeinsames elektromagnetisches Feld resultiert. Dieses „gemeinsame" Feld - dessen Struktur noch zu untersuchen ist - unterliegt also infolge der zahlreichen Verschiebungen der materiellen Teile mannigfachen Wandlungen. Und diese Wandlungen vollziehen sich in der Zeit und können als besondere im „leeren" Raum sich vollziehende Vorgänge aufgefaßt werden. Wenn die Unterscheidung zwischen dem Raum selbst und den Kraftfeldern erlaubt ist - was meines Erachtens bei den Physikern selbst nicht ganz klar und entschieden zu sein scheint - wenn man zugleich die Auffassung vertreten dürfte, daß die Kraftfelder nichts anderes als besondere r e a l e Modifikationen des Raumes selbst sind, die in ihm Inhomogenitäten hervorbringen, dann könnte man die soeben erwähnten Wandlungen der „gemeinsamen" Kraftfelder für Wandlungen des Raumes selbst halten und dann von „rein räumlichen" Vorgängen sprechen, die zwar in ihrem Entstehen und in ihrem Verlaufe von der den Raum erfüllenden Materie abhängig sind - ob „kausal" in unserem Sinne, das ist noch ein Problem, dessen Entscheidung von der Physik selbst geleistet werden muß - , die aber selbst nicht materiell sind. Es scheint auch, daß sie nur dort stattfinden, wo k e i n e Materie vorhanden ist. Darauf sdieint die Tatsache hinzuweisen, daß es k e i n Gravitationsfeld (bzw. kein elektrostatisches Feld) i n n e r h a l b der Kugel (ζ. B. im Erdinnern) gibt bzw. geben soll. Würde dies wirklich gelten, dann würden die „rein räumlichen" Vorgänge sich nicht im ganzen Weltraum vollziehen, sondern sozusagen die Materieinseln bloß - wie ein Meer - „umfließen". Für das Verständnis der Grundstruktur der Welt würde dies eine große Bedeutung haben. Es scheint aber, daß noch eine andere Art „nicht-materieller" Vorgänge, die im Räume selbst stattfinden, zu unterscheiden ist: dies sind die Lichtwellen, die sich durch den „leeren" Raum propagieren sollen, aber auch n u r durch diesen Raum sich fortentwickeln können, da sie durch Materieteile entweder bloß absorbiert oder - wie es scheint ganz aufgehalten werden. Darauf weist einerseits die Tatsache der Lichtabsorption durdi die interstellare zerstreute Materie hin - die noch verschiedenartig sein kann - andererseits die Tatsache der „Abschir425
mung" des Lichts, die sowohl im großen wie im kleinen fortwährend stattfindet. Glaubt man an die Wellentheorie des Lichts nicht, oder will man sie nur auf diejenigen Partien des Raumes beschränken, die durch mehr konzentrierte Materie erfüllt sind, dann gibt es zwar im „leeren" oder fast leeren Raum keine Schwingungsvorgänge in der Gestalt der Lichtwellen, dafür gibt es eine unendliche - wenn man so übertrieben sagen darf - Menge der Bewegungen der „Photone", die zwar eine Art „Korpuskel" sein sollen, aber jedenfalls von den Elementarteilchen der Materie - soviel ich weiß - verschieden sein sollen. Auch diese Bewegungen propagieren sich durch den „leeren" Raum und werden durch entsprechend gestaltete Materieansammlungen aufgehalten, finden also nur dort statt, wo es keine Materie gibt. Ob sie auch für rein räumlich gehalten werden dürfen, wie die Wandlungen der „gemeinsamen" Kraftfelder, oder sich von diesen letzteren wesentlich unterscheiden, spielt dabei für uns keine größere Rolle und ist eine Frage, die von der Physik selbst entschieden werden muß. Wesentlich dagegen für uns ist lediglich, daß sich diese beiden Arten von Vorgängen dort vollziehen sollen, wo keine Materie vorhanden ist, und daß sie sich eben dort nicht vollziehen sollen, wo die Materie vorhanden ist. Beide Arten der im Räume selbst sich vollziehenden Vorgänge sind von den „materiellen" Vorgängen in ihrer Existenz und in ihrem Verlauf abhängig, andererseits scheint audi ihr Vorhandensein auf das Schicksal der im Raum gelagerten Materie einzuwirken, worauf einerseits die Bewegungen der Materieteile (Ansammlungen), die sich im Gravitationsfelde befinden, andererseits ζ. B. die photochemischen Effekte hinzuweisen scheinen. Sowohl also die „materiellen" als auch die „nichtmateriellen" (rein räumlichen) Vorgänge stehen in mannigfachen Seinszusammenhängen untereinander, sosehr sie sich zugleich auf bestimmte Weise gegenseitig ausschließen, denn die einen bilden ein Hindernis der Fortpflanzung der anderen, so daß sie sozusagen „isolierende Schirme" für einander bilden. Diesem letzteren sind nodi einige Worte zu widmen. Der „leere" Raum bildet einen Isolator für akustische Vorgänge, für die Vorgänge der Konvektionswärme, für elastische Prozesse endlich bei größeren Distanzen sowie alle rein kinetischen und alle chemischen Prozesse. Der leere Raum hält diese Vorgänge einfach auf. Sie finden in ihm selbst kein Seinsfundament. Dagegen finden alle elektromagnetischen Schwingungsprozesse nicht in dem durch die Materie eingenommenen Raum statt. Die Materie als solche bildet den Isolator für die Lichtschwingungen, zum Teil auch für viel kürzere „Strahlen" wie die 426
Röntgenstrahlen (sonst wäre das Entstehen eines Röntgenbildes nicht möglich). Die „strahlende" Wärme als solche pflanzt sich nicht in die Materie hinein, obwohl sie in ihr diese oder jene Wandlungen und insbesondere Wärmeprozesse der „Konvektionswärme" usw. hervorrufen mag. Wie dies im einzelnen verlaufen und gesetzlich bestimmt sein mag, dies ist eine rein naturwissenschaftliche Frage, die wir hier nicht zu behandeln haben (auf manche von diesen Fragen werden wir noch im nächsten Paragraphen zurückkehren). Für uns hier ist lediglich dies wichtig, daß die von der Astronomie festgestellte Materieverteilung im Weltraum, welche die Tatsache des Vorhandenseins des „leeren", eventuell durch Kraftfelder erfüllten Raumes ermöglicht, im Zusammenhang mit einigen Eigenschaften der Materie und der materiellen Vorgänge einerseits, sowie der rein räumlichen Vorgänge andererseits Bedingungen schafft, welche die Existenz von in der Welt relativ isolierten Systemen ermöglichen. Eigentlich bildet ein jeder Weltkörper, wie es z.B. die Sonne und die sie umkreisenden Planeten sind, ein solches relativ isoliertes System, dessen .. .*
* Hier bricht das Manuskript des posthum veröffentlichten Werkes ab. Der Herausgeber.
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