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German Pages 105 [112] Year 1967
Kurt Richter
Der Schachpraktiker Ein Wegweiser für Lernende
Mit zahlreichen Stellungsbildern Fünfte, neubearbeitete und erweiterte Auflage
W A L T E R DE G R U Y T E R B E R L I N 1967
& CO.
© Copyright 1959, 1966 b y W a l t e r de G r u y t e r & Co., vormal» C. J . Göschen'sohe Verlagshandlung, J . Glittent a g , Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, K a r l J . T r ü b n e r , Veit & Comp., Berlin 30 — Alle R e c h t e , auch die des aussugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung v o n Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten — P r i n t e d in C e r m a n y — Archiv-Nr. S3 2 0 6 6 3 — D r u c k : W. H i l d e b r a n d , Berlin 65 — U m s c h l a g : U. H a n i s c h , Berlin-Zehlendorf
Vorwort zur vierten Auflage Theorie und Praxis müssen im Schach Hand in Hand gehen. Der Verfasser weiß aus langjähriger Erfahrung, daß es viele Schachspieler gibt, die den „Stein der Weisen" suchen; ein Schachbuch also, das ihnen genaue Rezepte zum Gewinn einer Schachpartie vermittelt. Sie fanden es nicht. Sie konnten es nicht finden; denn das selbständige Denken ist im Schach durch keine Buchanleitung zu ersetzen. Schachbücher können nur das Verständnis für das königliche Spiel wecken und fördern helfen. Natürlich bilden Eröffnungs- und Endspieltheorie wichtige Grundlagen für den lernenden Schachfreund; aber auch da gibt es plötzlich Stellungen, die „noch in keinem Buch standen". Die vorliegende Arbeit ermöglicht einen Blick in die Technik und Praxis des schachlichen Alltags. Jeder unnötige, bloß theoretische (im wirklichen Spiel jedoch kaum vorkommende) Ballast wurde tunlichst vermieden. Aus der Praxis ergibt sich die Theorie; wer im Schach nach diesem Motto verfährt, ist gut beraten. Wer dagegen glaubt, die Praxis müsse genau nach der Theorie verlaufen, wird ziemliche Enttäuschungen erleben. Der Schachpraktiker macht sich keine Illusionen; er weiß (nach einem indischen Sinnspruch), daß er nicht viel (vom Schach) weiß, und betrachtet deshalb jede Stellung, als wäre sie neu und voller Überraschungen. Unser Büchlein aber hat die Erfahrungen des Schachpraktikers eingefangen und gibt sie an die weniger erfahrenen Schachfreunde weiter; beileibe nicht, um sie zu Theoretikern zu machen. Sondern zu praktisch denkenden Spielern.
Berlin, am 30. April 1959 Kurt
Richter
Vorwort zur fünften Auflage Der T e x t blieb im wesentlichen unverändert. Neu hinzugekommen sind in einem Anhang beherzigenswerte Ratschläge der früheren Weltmeister Aljechin und Capablanca, ferner eine Auseinandersetzung mit „falschen Propheten" sowie eine sehr interessante „ B e s t a n d s a u f n a h m e " des Exweltmeisters Prof. Dr. Euwe, die dem Schachspiel noch ein langes Leben verheißt und die „ G e f a h r " eines Schachroboters bannt. Die 64 Felder gehören immer noch dem Schachpraktiker! Berlin, Sommer 1966 Kurt
Richter
Inhaltsübersicht Vorwort I. Wegboreiter Bind die Bauern
3 5
S c h a c h — das S p i e l der k l e i n e r e n Ü b e l Der W e r t der B a u e r n s t e l l u n g
5 5
(Die Bauernkette. Unbewegliche Bauern. Das Loch in der Stellung.) B a u e r n im K a m p f e
9
(Das Zentrum ist der Angelpunkt. Bauerneinschritte. Bauern öffnen und sperren Linien.) Die G r o ß m a c h t F r e i b a u e r 13 (Die Entstehung des Freibauern. Gedeckte und verbundene Freibauern.) II. Weggestalter: die Figuren Der T a u s c h w e r t der F i g u r e n (Die Bauernrechnung. Die Qualität. Eine alte Streitfrage.) F i g u r e n im K a m p f e
21 21 26
(Die „schrägen" Figuren. Galoppaden des Springers. Wuchtige, schwere Figuren. Etwas vom König.) m . Weg und Baum tUr alle Steine
45
A n g r i f f e a u f den L i n i e n
45
(Der Randbauer als Schrittmacher. Auf der g-Linie. Kombinierte Angriffe auf den Linien. Der Besitz der einzigen offenen Linie. Der rückständige Bauer auf der halboffenen Linie. Der Minderheitsangriff.) D e r V o r t e i l des R a u m e s 52 (Grenzüberschreitung. Stützpunkte. Seitliche Angriffe auf den Reihen.) K r e u z und q u e r a u f W e i ß und S c h w a r z 67 IV. Warnungstafeln au! dem Wege Anhang
I: Ratschläge zweier Weltmeister
62 85
Anhang II: Hundert Jahre Schachpraxis
89
Anhang III: Eine Bestandsaufnahme (Von Prof. Dr. Euwe)
92
I. Wegbereiter sind die Bauern! Die Kunst der Bauernfnhrang Der Verlauf einer Schachpartie wird weitgehend durch den Aufbau der Bauernfront bestimmt. Die Bauern bereiten den Offizieren den Weg, aber sie stehen ihnen auch oft genug im Wege! Die schlechte Stellung der Bauern kann ebenso entscheidend sein wie die gute. Zwei Grundgesetze sind es, die bei dem Kampf der Bauern beachtet werden müssen: 1. J e d e r B a u e r n z u g l o c k e r t die Stellung. 2. J e d e r B a u e r h a t den D r a n g n a c h „ v o r w ä r t s " in sich. Sie widersprechen sich—gewiß, aber was widerspricht sich im Schach nicht?
Schach — das „Spiel der kleineren Übel" Eine kleine Abschweifung sei hier gestattet. Wir stellen bestimmte Regeln im Schach auf, die in so manchen Fällen sich gut bewähren, aber wir wissen ganz genau, daß es Ausnahmen über Ausnahmen gibt. Schach ist eben das Spiel der Ausnahmen; man kann es auch das Spiel der „kleineren Übel" nennen. Wenn sich der Spieler immer an die Regeln und wichtigsten Erfahrungssätze halten wollte: wo käme er da hin? Keine Figur soll er ohne Deckung lassen, keine schwächenden Bauernzüge machen, wichtige Punkte gut geschützt halten, die Dame nicht zu früh ins Spiel bringen, die Entwicklung nicht vernachlässigen, das Zentrum besetzen, die Türme nicht passiv aufstellen, sich keinen Doppelbauern
machen lassen, jeder Fesselung ausweichen usw. usw. Wollte jemand sklavisch all diese im Grunde freilich durchaus richtigen Merksätze befolgen, so käme ein verkrampftes, unfreies und schlechtes Spiel heraus. — Nein, die „graue Theorie" gibt uns nur Wegweiser an die Hand, die uns eine Beurteilung der Stellung erleichtern sollen. Nie kann bloße Theorie das selbständige Denken ersetzen. In der Schachpartie werden wir so manches Mal rückständige Bauern in Kauf nehmen oder uns in eine unbequeme Fesselung begeben oder uns den Teufel um Doppelbauern kümmern, wenn wir nur andere Vorteile dabei eintauschen. „Das kleinere Übel" entscheidet. Ein System im Schach gibt es nicht, und wird es nie geben! — Kehren wir zurück zum Kampf der Bauern.
Der Wert der Bauernstellung Bevor wir uns mit den Bauernzügen selbst befassen, wollen wir einige Bemerkungen über Bauernstellungen voranschicken. Der Wert der Bauernstellung wechselt je nach Art und Zahl der Figuren, die sich noch am Brett befinden. (S. Bild auf nächster Seite.) Hier ist die Bauernstellung für Weiß günstig, denn Schwarz hat einen Doppelbauern und einen vereinzelten Bauern am Damen flügel. Weiß ist aber trotzdem nicht im Vorteil, denn der Gegner erlangt mit c5! nebst baldigem
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feld findet. Die Ausnützung der schwarzen Bauernschwächen ist in greifbare Nähe gerückt. Denken wir uns jetzt sämtliche Figuren vom Brett, so daß nur die Könige mit ihren Bauern übrigbleiben, so muß Weiß leicht gewinnen, wenn er mit seinem König das Blockadefeld c5 erreicht. Bei einem Tempokampf entscheidet die Tatsache, daß Weiß mehr Bauernzüge zur Verfügung h a t als Schwarz. Dies auszuprobieren, bedeutet eine gute Übung! Was folgt hieraus? D a ß e i n e S t e l l u n g oder ein P u n k t nur d a n n w i r k l i c h s c h w a c h sind, w e n n der Gegner Zeit und Gelegenheit f i n d e t , sie a n z u g r e i f e n ! Nichts ist „schwach an sich"! Die Bauernkette Stehen in einer Diagonalen mehrere Bauern hintereinander, von denen einer den anderen deckt, so sprechen wir von einer Bauernkette. Bilden beide Gegner solche „Bauernketten", die ineinander übergreifen und jedes wirksame Figurenspiel unmöglich machen, so entstehen die gefürchteten „verschachtelten" Stellungen, bei denen mitunter sogar materieller Mehrbesitz nicht zum Gewinn genügt. Ein drastisches Beispiel: (S Bild auf nächster Seite.) Weiß kann nicht gewinnen, da der schwarze König nicht von a8 vertrieben, sondern höchstens pattgesetzt werden kann. Der Läufer ist, da sämtliche schwarze Bauern auf weißen Feldern stehen, nicht einen Pfifferling wert! Weiß könnte ihn sogar nicht einmal dann verwerten, wenn er auf der „anderen Seite", etwa auf f6, stände. Die Bauernkette wird aber
7 „Die Barriere"
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a b c d e f g h nicht immer so diagonal wie hier, sondern oft auch im Zickzack verlaufen. Die Tendenz der Bauernkette ist es, ihren Vordermann so weit wie möglich in das feindliche Spiel hineinzutragen.
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a b c d e f g h v. Hollberg (Fernpartie, 1938)
Hier hat Weiß die Spitze einer Bauernkette bis f6 vorgetrieben; dieser „Pfahl im eigenen Fleische" wird Schwarz bei dem folgenden Matt-
angriff zum Verhängnis: 1 Lc3: 2. Dh6l Tg8 8. T h l ! Ld2: 4. Dh7 + I i h 7 : 6. h g 6 : 4=. Wie schon diese kleinen Beispiele zeigen, sind Bauernketten die größten Hemmschuhe für die Figuren, meist für die feindlichen, manchmal aber auch f ü r die eigenen! Wenn sich Bauernketten bilden wollen, so ist genau zu prüfen, wem sie schaden. Sind sie uns unbequem, so muß sofort dagegen angegangen werden. In der französischen Partie kann Weiß nach 1. e4 e6 2. 1 Ält WM. ¿mw// wm ' 6
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a c e b d f g h Kühner (Mannheim 1933/34) Der schwarze König ist in das Lager von Weiß eingedrungen, hat also die Grenzreihe bereits überschritten. Auch der schwarze Ba4 wirkt hemmend auf die Bewegungsfreiheit von Weiß ein. Trotz seines Mehrbauern ist Weiß daher im Nachteil. Es folgte 1 Th2f 2. Td2 (Verliert, doch ist auch I Ä èm mm ü HüP 4k JJ /¡¡Mi?/ H 11 w H H XH WM H2 H mm
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b c d e f g h Ward (Hastings 1925)
Die 2. Reihe stark besetzt, dazu die 5. Reihe in Verbindung mit der h-Linie ermöglichte den schönen Mattschluß 1 Sg3+! (Freilegung der h-Linie) 2. Iig3: Th5+ 8. Sh4 (Ablenkung ) Th4 ! (. . . . und Beseitigung des schützenden Springers) 4. gh4: T h 2 f (Finale!) 5. K g l D g 2 + . Die 2. R e i h e . . . Menchik
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a b c d e f g h Olivera (Montevideo 1939)
Ein Schulbeispiel für die Bedeutung der 7. Reihe liefert der vorstehende Partieschluß. Weiß ist mit Hilfe eines Figurenopfers mit D a m e u n d b e i d e n T ü r m e n auf die 7. Reihe vorgedrungen — gewiß ein seltener Anblick! E s geschah I DI2f 2. Kb8 Kd8 ( J e t z t möglich, weil Schwarz nach 3. T b 8 ^ , was sonst entscheiden würde — T b 8 : 4. T d 7 + usw. —, mit Schach wiedernimmt!) 3. Ka8? K c 8 1 4 . T b 8 + (Reicht nicht mehr aus.) 4 Tb8 s 5. L a 6 + Tb7 6. Td7: (Auch I , b 7 + K b 7 : ist nicht besser, da Schwarz mit T a 8 f zum Gegenangriff zu kommen droht.) 6 Db2f. Aufgegeben. Das war freilich für die Kraft der 7. Reihe nicht gerade überzeugend! Aber die Reihe war schuldlos; Schuld trug der Spieler, der sie nicht richtig nutzte. Statt mit 3. Ka3? ruhmlos unterzugehen, konnte er mit dem glänzenden Sperrzuge 3. L b 5 ! t den Sieg an seine Fahnen heften. Der Schachfreund prüfe: I. 8 a b ö : 4. T b 8 + T b 8 : (Bb5 wirkt hier als Sperrstein, so daß Schwarz ohne Schach wiedernimmt.) 6. Td7^ usw. II. 8 L b 6 : 4. Tgc7: L c 4 f 5. T c 4 : d c 4 + 6. Ka8, und trotz seiner Übermacht ist Schwarz gegen die beiden schweren Figuren von Weiß auf der 7. Reihe wehrlos! Ein womöglich noch eindrucksvolleres Bild ergibt sich in Variante I I I . 3 Kc8 4. L d 7 + ! K b 7 : 5. L c 6 f ! ! , und 6. T c 7 : ( j ) entscheidet in jedem Falle. — Die 8. (1.) Reihe ist der Schauplatz der gefürchteten Umgehungsangriffe, abgesehen von den zahlreichen Unglücksfällen, die das vergessene „Luftloch" mit sich bringt. Wenn die schwe-
57 ren Figuren des Feindes unseren König von der Grundreihe verjagen und ihn dann von hinten zu fassen vermögen, ist höchste Gefahr im Verzuge.
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Andjystki (Sofia 1958) Allerdings muß man immer überlegen, wer wen „umgangen" hat, denn unter Umständen kann der Gegner den Spieß auch umdrehen. So glaubte sich Weiß hier mit 1. Tk82 am Ziel seiner Umgehungswünsche; allein nun war er nach 1 Tg3:f! 2. f*3: Dd2f 8. Kfl Kf8! selbst „umzingelt" und mußte die Waffen strecken. Nur selten freilich gelingt dem zunächst gejagten König sozusagen im letzten Augenblick ein solcher tödlicher Streich! Besonders typische merkmale zeigt der Partieschluß.
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IHH b c d e f g h Kipke (Berlin 1939) käme Weiß noch etwas Gegenspiel.) 2. SI21 machte er aber dem Gegner noch Schwierigkeiten. Bei Tf2: wird der Bauer eine Dame; bei cd6: Tc2! entsteht ein langwieriges Endspiel. Aber: 2 T!2:l Trotzdem! Die Mattdrohung auf der 1. Reihe ist so stark, daß Schwarz dem Gegner die Umwandlung des Freibauern gestattet. 8. dc7: T2I1 4. c8Df Kh7. Weiß ist verloren ; die Dame hat kein brauchbares Schachgebot, und das ,,Luftloch"(!) 5. g8 (5. g4) scheitert an 5 Tf2+. (Vergleiche hierzu noch die Ausführungen zu „Schrecksekunde" im nächsten Abschnitt.) a
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K. Richter
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(Siehe Diagramm rechts oben). Weiß ist durch Tb2—bl! nebst T h l + tödlich bedroht. Mit 1. d« J T2bl (Nach cd6: Sg5 mit Mattdrohung be-
Kreuz und Quer auf Weiß und Schwarz Ebenso wichtig wie die Beherrschung der Linien und Reihen ist die Kontrolle über die Diagonalen, über die weißen und schwarzen Felder. Der Wert der Figuren läßt sich nicht nach allgemeinen schematischen Gesichtspunkten berechnen. Es kommt vor, daß ein Läufer wichtiger ist als ein
58 Turm, weil er eine entscheidende Diagonale schützt. Rädisch
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uns daher hier mit ein paar Worten über den W e r t der weißen und schwarzen Felder begnügen. Die Herrschaft ü b e r die weißen bzw. schwarzen Felder (die entscheidende Bedeutung gewinnen kann) ist bedingt durch Bauernketten, die in solchen Fällen gewöhnlich infolge falscher Anlage den eindringenden feindlichen Figuren keinen Widerstand bieten können. H . H . Ohms
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b c d e f g h Menchik (Breslau 1929) Weiß ist zwar materiell und räumlich im Nachteil, aber das Vorhandensein der ungleichen Läufer gibt ihm Remisaussichten. Vor allen Dingen ist der Vorstoß f4—f3 gehemmt. Es folgte 1. T a l ? (Besser Le2!.) 1 T d l + !. E r erkennt das Gebot der Stunde! Der Läufer verschwindet, und der an seine Stelle tretende Turm, der Beherrscher der geraden Linien, ist auf der Diagonalen hilflos, so daß der Vorstoß f3 entscheidet. 2. T d l : f8l 8. gf8+ K f 8 : 4. Td8 Lei 11. Eine feine Idee sichert den Sieg. Auf K e l : läuft der g-Bauer in die Dame; es droht aber g2f nebst L f 2 f . 5. K g l L ö f «. K h l g2f. Aufgegeben. Sieg des Läufers über den T u r m ! Der Besitz strategisch wichtiger Linien ist viel mehr wert als das Material an sich. Hierüber wurde schon unter „Tauschwerte" und „Die schrägen Figuren" einiges gesagt; ebenso ist auf die Bedeutung der Läuferdiagonalen schon o f t (auch mit Beispielen) hingewiesen worden. Wir können
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b c d e f g h N. N. (Bremen 1936) Weiß hat zwei Figuren f ü r einen Turm — aber seine Lage ist beklagenswert! Das macht seine Ohnmacht auf den schwarzen Feldern. Die Diagonale a7—gl ist fest in den Händen des Gegners; sämtliche weißen Bauern, die sie schützten, sind aufgezogen. Schwarz hat aber noch mehr T r ü m p f e : Die einzige offene Linie, den Vorposten auf g3 (den Weiß nicht einmal abtauschen darf) und die Fesselung des Tf2 bzw. des Se2. Auf 1. h4 antwortete Schwarz sarkastisch 1 hö und überließ es nun Weiß, noch einen Zug zu finden. (Es gibt keinen!!) So erteilte er Weiß eine bittere Lektion über die Bedeut u n g der schwarzen Felder.
Nicht ganz so offensichtlich zeigt sich uns nun die Stärke der schwarzen Felder, die der Schachfreund erst bei näherem Eindringen in die Position klar erkennt.
offen!) 8 bö? (Der Versuch, den gewonnenen Bauern zu behaupten, endet mit einer Katastrophe) 4. a4 c6? 5. ab5: cb6: entsteht folgende Stellung:
Dr. Eliasstamm
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b c d e f g h Nimzowitsch (Riga 1910) Schwarz siegt auf den schwarzcn Feldern — das macht, weil niemand da ist, der dem Lf4 erfolgreich Widerpart zu bieten vermöchte. Zunächst droht sehr schön 1 Ta3:! 2. Ta3: Ta3: 8. Ka3: L c l j 4. Kb4: c 5 + . Mit 1. Se2 glaubte Weiß die Drohung beseitigt und zugleich eine kleine Falle gestellt zu haben. Jedoch Ld2! 2. Sd4: (die Falle!) T a 8 : I ( und ihre Widerlegung!) 8. T a 8 : T a 8 : l 4. Ka3:. Oder 4. Se6: Ta2t 5. K b l 1x3! usw. 4 Lcl+ 5. K b 4 : c6f Kc8 b 4 * . Das hübsche schwarzfeldrige Echo zu dem Bauernmatt auf c5 in der Drohung. Einen lehrreichen Fall, durch Aufzug zu vieler Bauern eine wichtige weiße Diagonale entscheidend zu schwächen, bietet das Damengambit. Nach 1. d4 d5 2. c4 dc4: 8. e8! (Nicht e4! Weiß hält sich die weißen Linien
a b c d e f g h 6. Df3! Die Diagonale a8—hl, bar jeden Bauernschutzes, wird Schwarz zum Verhängnis. Um nicht den Ta8 zu verlieren, muß er den Läufer oder Springer geben. Bei ungleichen Läufern im Mittelspiel (im Endspiel haben wir sie bereits betrachtet) kommt es sehr darauf an, auf welchen Diagonalen sie wirken. E.
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b c d e f g h Dr. Thelen (Berlin 1939)
60 Wer die besseren Diagonalen beherrscht, ist im Vorteil, da sie ihm der gegnerische andersfarbige Läufer nicht streitig machen kann. Der weiße Läufer wirkt auf der weißen Diagonalen a2—g8 stark gegen den feindlichen König. Sein schwarzer Kollege würde im Endspiel gut stehen; gegen den Königsangriff aber ist er machtlos. 1. S g 6 f t ! hg6: 2. hg«:. Obgleich nunmehr um einen ganzen Turm im Nachteil, bleibt Weiß dank der Herrschaft über wichtige weiße Felder siegreich (und allerdings auch dank seiner auf der 7. Reihe glänzend stehenden Dame!). Das Matt auf h7 läßt sich nur durch 2 Dg7 oder Dh6 decken, worauf 8. Db8-=)=- die Entscheidung bringt. Ein sehr schöner Partieschluß! Ein Kampfmoment aus der Partie, das der Sicherung bzw. Eroberung bestimmter Felder dient, mag jetzt folSchwarz mm; gen. möchte sich die Wm starke Springerstellung auf c5 sichern und schützt deshalb das Feld b4 durch 1 aö (um b2—b4 mit Verjagung des Springers unmöglich zu machen).
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a k 0 ^ er (gemäß unseren Hinweisen über Vorgehen einer Bauernmehrheit) nicht sofort 2. a3? ziehen (es käme 2 a4! mit Festlegung!), sondern muß zuvor 2. b8J einschalten und dann 3. a3 nebst 4. b4 folgen lassen. Damit würde er die Herrschaft über das schwarze Feld c5 zurückgewinnen.
Sehr stark ist auch ein Feld (besonders im Zentrum), das sich vor einem vereinzelten feindlichen Bauern befindet.
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Hier thront der Springer, einen vereinzelten feindlichen Bauern blokkierend, u n a n g r e i f b a r f ü r das weiße F u ß v o l k . Das ist stets ein idealer Posten für den Springer! Wir schließen daraus, daß der vereinzelte Bauer zwar schwach, noch schwächer aber das Feld vor ihm ist, weil es eine glänzende Figurenbasis für den Gegner bedeutet. Auf 1. Lc4 müßte Schwarz 1 Tad8 (oder Tfd8) antworten, um auf 2. Ld6: m i t dem T u r m wieder nehmen zu können und so zur Frontalwirkung gegen den vereinzelten weißen Bauern zu kommen. Was für den rückständigen Bauern gilt (siehe dort), hat auch beim vereinzelten Bauern seine Richtigkeit: auf der Linie solcher geschwächten feindlichen Bauern soll möglichst kein eigener Bauer stehen! Er würde einen direkten Angriff auf der Linie unmöglich machen. Man kann sich auch solche Springerfelder vor einem vereinzelten feindlichen Bauern durch Opfer schaffen und ihre strategische Wirkung ausnutzen.
61
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(Nach S. Loyd)
daß ein Springer kein Tempo ge^ w m winnen kann, und opfern wir ruhig wmb den Läufer: 1. 2 L a l ü K a i : 2. ¡¡p Kc2!, und Schwarz kommt a b c d nicht aus der Einsperrung heraus! Oder 1. L a l ü Sb2f 2. Kd2 K a i : 8. K e l l , ebenfalls mit Remisschluß. Eine überraschende Idee, die der rechtzeitig erkennen wird, der die Technik beherrscht. In dieser Hinsicht ist auch das folgende Schlußspiel bemerkenswert.
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a b c d e f g h Bogoljubow (8. Wettpartie, 1932)
Sofort 1. e5? würde Schwarz das starke Figurenfeld d5 und damit genügend Gegenspiel lassen. Das hübsche Bauernopfer 1. d 6 ü cdö: jedoch und nun erst 2. e&! T6d7 S. Sd4 Tb8 4. fö sicherte Weiß ein weit überlegenes Spiel (das Springerfeld vor dem isolierten Bauern!) Allerdings wurde die Partie nach einem späteren Fehler vonWeiß nur unentschieden, doch kann man die Strategie nicht dafür verantwortlich machen, wenn die Taktik versagt : (4 T7 d8 5. Tlc2 Te8 6. Ke8 Tbc8 7. Sb6. Der Springer sollte seinen Posten nicht verlassen. Besser Tc7 oder Kd3. 7. . . . . Tc8rf- 8. Tc8: S t 5 : t l Schwarz macht sich die Entfernung des Sd4 zunutze. 8. gI5: Te6 :f 10. Kf4 Tc4f 11. Kg8 Ta4:12. J6. Immer noch bot Tc7 einige Aussichten. Tc4! 18. Te8 Te4 14. Tc8 Tc4. Remis). Werfen wir nun noch einmal einen kleinen Blick auf das Endspiel. Schwarz droht mit Sb2f nebst a l D zu gewinnen; hat Weiß noch eine Rettung? Denken wir an die auf S. 31 wiedergegebene Stellung mit dem Hinweis,
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o d e f g h Zwei verbundene Freibauern — Weiß muß also gewinnen. Aber erinnern wir uns, daß Randbauer und „falscher'' Läufer nicht gewinnen können. Mithin: 1 Lh8!!, mit Überlenkung in ein Remisendspiel, entweder 2. gh8: oder 2. Kf2 Lg2: 8. Kg2:, und der schwarze König wandert in die Remisecke h8. So geht es kreuz und quer auf Schwarz und Weiß — mal so, mal so. Wer den Sieg will finden, Muß den Weg ergründen, Braucht zum guten Ende Kenntnis vom Gelände. Linie, Reihe, Schräge Sind des Schachspiels Wege. Auf Feldern schwarz und weiß Winkt heißen Kampfes Preis!
IV. Warnungstafeln auf dem Wege Alphabetisches Fehlerregister (Wobei unter „Fehler" auch allerlei lehrreiche Irrtümer zu verstehen sind. Der Lernende soll vor typischen Reinfällen geschützt werden; ob es gelingt?) Abzugsangrltf — nicht ausgenützt Zu den h&ufigsten Kombinationen im Schach zählt der Abzugjangriff. Seine Technik muß der Lernende unbedingt, beherrschen.
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b c d e f g h Graetschel (Berlin 1938) Hier konnte Weiß mit 1. Sd8! mit dem Springer „abziehen" und den Dünhaupt
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b c d e f g h Kropp (Hameln 1934)
Gegner vor ein unlösbares Problem stellen (Dd5: 2. Te8=t=). Er spielte anders und gewann auch; aber wie leicht kann eine solche nicht erkannte Chance den Verlust der Partie bedeuten ! (S. Bild links unten.) Schwarz hat eine Figur mehr, nur die lästige Fesselung auf der 8. Reihe und der weiße Freibauer stören etwas. Mit Hilfe des Abzugsangriffes konnte er aber alle Schwierigkeiten sofort beheben: 1 Dg2+ : 2. Kg2: Lb7f! (Abzugsangriff!) 8. Kf2 Te8:. Hinterher ganz einfach! — Er spielte aber 1 Dg6? und erreichte später nur Unentschieden. Angrllf vor vollendeter Entwicklung Zu frühe Angriffe mit unzureichenden Kräften scheitern meist; der Gegner hat es dann leicht, im Gegenstoß zu siegen. Hier sehen wir den SchluOakt einer solchen Tragödie.
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a b c d e f g h Menz (Frankfurt a. M. 1938)
63 Weiß hatte im zu frühen Angriff zwar einen Bauern erobert, aber dafür viel tauschen und die Entwicklung vernachlässigen müssen. Es folgte 1 Ld6 2. a5 (Um dem Sa8 ein Rückzugsfeld zu schaffen.) 2 Te8! 8. Ld2 Te2 (Nun droht sowohl Se4 als auch Lf4.) 4.18 c4 5. h4 (Das kleinere Übel war Sb6.) 6 Scft 6. Lg5 Tel+ 7. Kf2 d2J! 8. Lf«+ Ke8 9. 8d2: S d S ^ t . Wie ein Unwetter kam der schwarze Gegenangriff über Weiß! Aufgegeben? Der größte Fehler Ist der, eine Partie aufzugeben, die zu halten war oder gar gewonnen werden konnte.
Malzahn
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h b c d e Harms (Lüneburg 1935) Wegen der Fesselung der Dame verzweifelnd, gab Weiß die Partie auf!! Dabei hätte er mit 1. LböfH (Unterbrechung der Damenwirkung.) 1 Db5: (Auch ab5: Dc6: ist recht freundlich für Weiß!) 2. SbS: Ld4:f 8. Sd4: das bessere Endspiel erlangen können. Da die Df4 stillhalten muß (sonst Dh2: #=), gab Weiß auf, nachdem auch sein letzter Versuch Ld3xh7f mit Kg8—h8 abgewehrt worden war. Dabei hätte gerade dieser Versuch, richtig a
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fortgeführt, ihm den Sieg bringen können : 1. Lg6!!, und nun ist Schwarz an der Reihe, zu verzweifeln (Dg6: 2. De5:, bzw. fg6: 2. Df8:f usw., oder Lf4: 2. Lh5: Lhö: 8. Sb7: usw.) Eigentlich ganz einfach! Aufreißen der KOnlgsstellung Das Ideal ist, die Bauernstellung vor dem König möglichst intakt zu halten und höchstens ein Luftloch zu schaden. Zwei Möglichkeiten gibt es, diese Stellung zu achidigen: i . die Zulassung eines Isolierten Doppelbauern (z. B . bei der o—o von Schwarz die Bauernfonnation ij—f6—h7) und 2. den VotstoQ mehrerer Bauern zu Angriffszwecken, der leicht ins Gegenteil
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64 umschlagen kann. Ein kluger Spieler wird beides zu vermeiden trachten! Für den zweiten Fall ein lehrreiches Beispiel.
Wenn Schwarz hier, statt sich mit d6 weiter zu entwickeln, mit 1 g5t seinen Königsflügel „aufreißt", so kann Weiß bereits opfern: 3. Sg6:I hgfi: 8. Lg6:, und die Drohung f4 mit Freilegung der Turmlinie entscheidet. Das Opfer ist typisch, kann aber auch oft falsch sein. Es muß daher von Fall zu Fall genau überlegt werden.
Dame verloren ist und auch auf Kc8 6. Lf4 (abgesehen von 6. De8|) geschehen kann, gab Schwarz auf. Betrogener Betrüger Wer andern eine Grube gräbt . . . Die Beispiele, daB eine Falle im Schach in verkehrter Richtung zuschnappt, sind zahlreich. Drum prüfe sorgfältig, ehe du den Gegner aufs Glatteis lockst 1
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Bauerngewinn In der Eröffnung
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Der alte, oft hervorgehobene Fehler, vor vollendeter Entwicklung auf Bauernrauh auszugehen, mufl hier noch Platz finden.
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Statt sich mit dem Wiederschlagen des ihm von Rechts wegen zukommenden Bc5 zu begnügen, spielte Schwarz 1 Se5:t und hoffte, neben diesem wichtigen Zentralbauern später auch noch den Bc5 verspeisen zu können. Er fiel dabei aber gewaltig herein! Es kam 2. Se6: Deft:8. Lböf Ld7 4.Ld7+ Kd7: 5. D a 4 f t Die von Schwarz übersehene Pointe. Da nach Kc7 6. Lf4 die
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Mit 1 Db6! hoffte Schwarz auf den folgenden „Fehlzug" des Gegners 2. T d 5 d e n er mit 2 161? auszunutzen gedachte. Er wollte, wenn nun die weiße Dame zieht, den Td6 einkassieren. Es kam aber zu seinem nicht geringen Schrecken 8. D g 7 + ! l Kg7: 4. Ld4f nebst 6. Tbö:. Statt eine Qualität zu gewinnen, hatte Schwarz eine Figur verloren! (Die Kombination erinnert an die im zweiten Beispiel zum Abzugsangriff wiedergegebene.) Dauerschach Eine beliebte Rettung aus verzweifelter Lage bildet das Dauerschach. Wer besser steht, achte daher darauf, daB der Gegner ihn nicht mit einem Dauerschach um die Frucht seiner Mühen betrügt.
65 Buckenhaupt
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Sonneck. (Ludwigshafen 1936) Schwarz hat das Läuferpaar und eine gute Stellung; mit dem verdächtigen Zuge 1 h5 leistete er aber gar nichts. Weiß benutzte die Gelegenheit, mit 2. S f « | ! gf6: 3. D h 5 : ein Dauerschach herbeizuführen. Schwarz ist nämlich gegen die Schachs auf der g- und h-Linie wehrlos! Eine eigenartige Stellung. Doppelangriff Dr. Euwe 8 7 6 5 4 3 2 1
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S e h r o f t f ü h r t ein Doppelangriff zu m a t e r i e l l e m Gewinn u n d zur E n t s c h e i d u n g d e r P a r t i e . T r o t z seiner H ä u f i g k e i t g i b t es i m m e r wieder Spieler, die einen Doppelangriff ü b e r s e h e n . A u d i Meister sind dagegen nicht gefeit!
S t a t t Sa2—-b4 zu spielen, h a t t e Schwarz mit T b 8 x B b 5 ? einen lehrreichen Fehler begangen. Der Doppelangriff 1. Ta2:! La2: 2. Da4! (bedroht La2 und Tb5) brachte Weiß materiellen Vorteil und den Sieg. Wenn schon einem Exweltmeister solche Versehen unterlaufen, können wir sie uns getrost auch erlauben! Besonderes Unheil hat stets der Doppelangriff des Springers angerichtet. Hier ein typisches Bild. Magergut
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b e d e f g h Simagin (Moskau 19471 Auch hier hatte Schwarz wieder einmal nicht mit dem folgenden Scheinopfer und anschließendem „Familienschach" des Springers gerechnet. Es geschah 1. Td7:! Td7: 2. Dd7:! Dd7: 3. Sf6 + und Weiß gewann (z. B. 3 Kf7 4. Sd7: Ke6 5. Te5:"f! — am einfachsten. Falls 5. Se5:, so Kd5 — 5 Kd7: 6. Te8: mit siegreichem Bauernendspiel). Elementar! Falsches Schachbieten
I m H ö h e p u n k t des Angriffs b r i n g t m e i s t ein stiller Z u g weit sicherer die E n t s c h e i d u n g als f o r t w ä h r e n d e s
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Schachbieten. Dem feindlichen König ein Fluchtfeld abzuschneiden Ist wichtiger als ihn ständig zu bedrohen! Einen einfachen Fall zeigt das folgende von W . v. Holzhausen beobachtete Schlußspiel.
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Weiß machte sich ein Vergnügen daraus, mit 1. Sf8f Kh8 2. Th5f Kg2 8. Th2f Kfl den schwarzen Herrscher vor sich her zu treiben, um zu spät zu erkennen, daß 4. Tb2: nicht zum Siege, sondern zu einem schmählichen Patt führt. Dabei hätte nach 1. Sf8f Kh8 der stille Zug 2. Tg5! ein undeckbares Matt auf g3 gedroht. In diesem Falle freilich kam die Erkenntnis zu spät! Figuren am falschen Platze I m Schachspiel ist es wichtig, an einer entscheidenden Stelle mit einer Übermacht an Kräften zu erscheinen. Nicht das Material an sich entscheidet, sondern seine geeignete Verwendung! ( S . Bild rechts oben.)
Hier stehen Dame und Läufer von Schwarz entschieden an falscher Stelle; auch der Sc8 übt nur geringe Wirkung aus. So ist es schließlich kein Wunder, wenn der schwarze König dem Ansturm der weißen Hauptmacht erliegt. 1 d5. Schwarz hielt die Gelegenheit für günstig, den rückständigen Bauern vorzustoßen. Auf 2. ed6: i. V. soll f5 folgen. Es gibt aber eine Überraschung: 2. Sf«t! gl«: 8. L h 7 + l . Die-
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H a b c d e f g h Nyssen (Amsterdam 1939)
ses glänzende doppelte Figurenopfer kennzeichnet die Ohnmacht der schwarzen Stellung; die schwarzen Hauptfiguren stehen weit vom Schuß. 8 Kh7: (Kh8, Dh4) 4. Dh4f Kg« (Oder Kg8 5. Dg4f Kh8 6. Td3.) 6. D t 6 + Khö 6. Td4. Aufgegeben. Fingerfehler D a ß die Hand es manchmal anders tut, als der Kopf beschließt, ist eine der menschlichen Schwächen im Schach. Das witzigste Beispiel ist wohl das folgende.
Vor langen Jahren wollte Weiß in einem Turnier nach 1. e4 d5 2. edö: Dd5: die Ddl ziehen, berührte aber versehentlich den K e l . Nach der strengen Regel „Berührt, geführt" mußte er mit dem König einen Zug ausführen, so daß die schadenfrohen Kiebitze die Tragödie 8. Ke2 De4=H erlebten. Unerklärlicher sind die Fingerfehler, die kein offenbares Versehen darstellen, sondern dem Spieler hinterher selbst als Rätsel erscheinen. Frühzeitiger Damenausfall Der Hauptfehler des Anfängers ist es, die Dame zu früh ins Spiel zu bringen. Daraus ergeben sich dann Katastrophen wie die folgende.
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(Spieler unbekannt.) 1. d4 d5 2. c4 Lf6 3. Db8 (Besser Sc3.) 8 dc4: 4. Db6f. (Weiß will den Läufer zurückzwingen oder, nach Dd7 5. Db7: Dc6, zum Damentausch kommen. Es folgt aber eine Überraschung.) 4 Sc«! 6. Df5:? Sd4:! (Die Pointe! Die weiße Dame muß das Matt auf c2 bewachen.) 6. De4 St«. Hier das traurige Schlußbild:
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D a ß aber auch die zu frühe Entwicklung des Läufers fehlerhaft sein kann und Gefahren mit sich bringt, sei an H a n d der vorstehenden Stellung erörtert.
Schwarz hatte den Lc8 nach f5 entwickelt, um ihn nicht durch e7—e6 einsperren zu müssen. So einfach ist das Problem des Damenläufers im Damengambit aber nicht zu lösen! Das Fehlen des Läufers am Damenflügel nutzte Weiß wie folgt aus: 1. Lf4t (Um auf Df4: mit 2. Db7: den Ta8 zu erobern. Hier ist das frühzeitige'InsSpiel- Kommen der weißen Dame wohl berechtigt, weil es zu sofortiger Entscheidung führt. Keine Regel darf im Schach schematisch angewendet werden!) 1 Dd7i (Besser Db6 oder Dc8, obwohl Weiß auch dann überlegen steht. Jetzt folgt ein drastischer Überfall!) 2. Lb8s! Tb8: 8. e4ü. Greift den Lf5 an und droht durch Lb5 Damengewinn. Auch eine Art Doppelangriff, gegen den es keine ausreichende Verteidigung gibt. Schwarz versuchte noch 8 de4: 4. Lb5 e!8: 5. Ld7+ Kd7:, verlor aber schnell. Gefahren der Fesselung Lundin
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b c d e f g Prokes (Prag 1914)
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Mit Te4—d4 hatte Weiß in seiner Verzweiflung noch eine letzte Falle gestellt; aber was eben Verzweiflung war, sah Schwarz als große Kombination an — und bekam es mit der Angst zu tun. 1 Tde8i Nun stand Weiß groß d a : 2. D c 8 : f ! Te8: 3. T l d 2 : Dd2:. Erzwungen. 4. Td2: bö 5. Td5 Kb7 6. Tbo:| Kc6 7. TIS Tg8 8. Tf7 cS 9. Ke2t (Nicht Ke3? T d 8 ! ) Schwarz gab auf. H ä t t e Schwarz sich nichtgefürchtet, sondern unbefangen mit 1 Ddl:! fortgesetzt, so wäre der Sieg sein gewesen: 2. Td8:+ Td8: 8 . g8D D e l f 4. K g 2 ! Fürwahr eine ungemütliche Situation für Schwarz. J e d o c h : 4 Dh4ü Ebenso einfach wie stark. Schwarz gewinnt. Wieder ein Kolumbusei. Hängestellung der Figuren W e n n F i g u r e n nicht g u t g e s c h ü t z t sind, sondern , , i n d e r I . u f l h ä n g e n " , d . h. d u r c h A b z u g s a n g r i f f e und S c h a c h g e b o t e b e d r o h t s i n d , d a n n - h a b e n wir einen f r u c h t b a r e n B o d e n f ü r K o m b i n a t i o n e n . D e s h a l b ist es f e h l e r h a f t , d i e F i g u r e n in s o l c h e S t e l l u n g e n hineinzumanövrieren .
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Michel (Oeynhausen 1939) Mit 1. Sdbö:! wurde Schwarz dafür bestraft, daß er seine Läufer gefähr-
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dete Posten einnehmen Heß, bevor die Sicherstellung des Königs durchgeführt war. Es geschah 1 ab5: 2. Sb5: Dc6 3. Lc5: Dc5: 4. Sd6f. (Die Pointe. Der Lb7 ist verloren.) 4 Ke7 5. Sb7: Dc7. (Sollte sich Weiß verrechnet haben? Ist der Sb7 verloren?) 6. e5J (Nein! Ein Ersatzkorps rückt heran.) 6 De6:. (Aussichtslos wäre auch Db7: e f 6 ^ . ) 7. b4. Damit ist der Rückzug des Sb7 über a5 oder cö gesichert. Weiß behielt einen gesunden Mehrbauern und gewann langsam, aber sicher. Hineinziehungsopfer Merkwürdig oft werden im Schach „Hineinziehungsopfer" tibersehen, bei denen es sich in den meisten Fällen d a r u m handelt, eine Figur in ein tödliches Schach oder einen tödlichen Doppelangriff hineinzutreiben. Ist es der König, dem das Opfer gilt, so kann dem Opfer auch ein stiller, das Mattnetz schließender Zug folgen.
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a b c d e f g h Silbermann (Warschau 1935)
Mit 1 D d 4 | gewann Schwarz zwar schließlich auch, aber mit 1 Th4:l konnte er die feindliche Dame in die tödliche Gabel 2. Dh4: gö+! hineinziehen und damit den Kampf sofort beenden.
In dem folgenden Schlußspiel gewinnt Weiß durch ein schönes Hinein, ziehungsopfer der Dame die notwendige Zeit, seinen Schlußangriff vorzutragen, ohne daß Schwarz mit störenden Schachgeboten aufwarten kann. Kottnauer
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a b c d e f g h Bronstein (Moskau-Prag 1946)
Schwarz, in verlorener Stellung, sah eine Chance im Schach auf gl : 1 Db6. Aber Weiß spielte so, daß er den Bg7 mit Schach nehmen konnte: 2. D h 7 + l Kh7: 8. Tg7+ Kh8 4. Sg6#=. (Man vergleiche hierzu auch die Stellung Alapin—Lewitzky auf Seite 83.) Jagd auf den Turm Für viele Schachfreunde ist es eine große Verlockung, mit einem Springer auf Turmfang auszugehen. Besonders ist es f ü r Weiß der Ta8, für Schwarz der T a i , dem solche Eroberungsgelüste gelten. Solche Unternehmungen können aber, zu früh begonnen und ungenügend vorbereitet, mit einem völligen Mißerfolg enden.
Weiß: N. N. Schwarz: Barcza (1939 in Ungarn gespielt). 1. e4 Sc6 2. d4 d5 3. ed&: Dd5: 4. SI3 Lg4 5. Sc8. Damit rechnet Weiß auf den folgenden Schlagwechsel, der ihm den Ta8 einbringt. 5 LI3: 6. Sdö: Ldl: 7. Sc7* Kd7 8. Sa8: Lc2: 9. Li4.
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Schon beginnen f ü r Weiß die Sorgen. Gelingt es ihm nicht, den Sa8 wieder heil herauszubringen, so h a t er zwei Figuren f ü r den T u r m verloren und ist im Nachteil. 9 eöl 10. de5: Lb4f 11. Ke2. Weiß will nicht den Sa8 einbüßen und verliert nun den König. Notwendig war Ld2. 11 Sge7 12. e6f fe6: 18. Sc7. Der Springer ist gerettet, aber 18 Sd4f 14. Ke8 Sef5=(=. Eine eigenartige Mattstellung! Kein Zwang, zu schlagen Viele Spieler vergessen manchmal, daß im Schach kein Zwang zum Schlagen besteht. Wenn sie eine Figur tauschen oder zum Tausch stellen, rechnen sie meist nur damit, daß der Gegner wiederschlägt und tragen nicht anderen Zugmöglichkeiten Rechnung. So kommt es mitunter zu unliebsamen Überraschungen.
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a b c d e f g h Bogoljubow (Karlsruhe 1938)
Mit 1 Sd3:? rechnete Schwarz unwillkürlich nur damit, daß Weiß wiederschlägt, und fiel deshalb nach der verblüffenden Antwort 2. I)g4U aus allen Wolken. Schwarz muß aufgeben, da er entweder Matt wird oder durch Sh6f die Dame verliert. Solche Geistesblitze beleben den Schachkampf und entzücken den Nachspielenden!
Kreuzfesselung Wie auf ein Wunder schaut der Schachfreund auf die Kreuzfesselung. Obwohl er sie schon manches Mal gesehen hat, läßt er sich stets von neuem überraschen.
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a b c d e f g h F. Herzog (Tepl.-Schönau 1937) Welcher Spieler h ä t t e wohl hier der Versuchung widerstanden, mit 1 Tg8: 2. hg3: Tg3: auf Damengewinn zu spielen? Und doch erweist sich dies nach 8. Tf8|t Kg7 4. Tgllt als grober Fehler. Der Tg3 ist „über Kreuz" gefesselt; die Königsfesselung geht vor. Also bleibt nur 4 Tgl:, allein nun siegt Weiß mit 5. Tf7f und 6. Dh3: leicht. Lange Damenzttge „ W a r u m in die Herne schweifen, sieh, das G u t e liegt so n a h ! " Aber das schlechte k o m m t oft von weit her! Besonders sind es die langen D a m e n z ü g e , die im Schach nicht genug beachtet werden und dann d e m ahnungslosen Spieler einen ungeheuren Schreck bereiten .
(S. Bild auf nächster Seite.) Weiß hat einen Bauern mehr und Druckspiel; er brauchte also nur ruhig fortzusetzen. S t a t t dessen ging er mit 1. b4 Lf2 2. Tg6: Sg6: 3. g3? auf Figurengewinn aus. Der durch Kg2 bedrohte Läufer soll sich nicht nach h4
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b c d e f g h Dr. Zabel (Berlin 1936)
retten können. Wer beschreibt aber sein Entsetzen, als die schwarze Dame langsam die ganze 8. Reihe entlang steuert und mit 3 Da8+! ein tödliches Schach bietet? Luftloch L u f t b r a u c h t d e r K ö n i g , sonst k a n n e r nur zu leicht e r s t i c k e n ! B e i allen K o m b i n a t i o n e n m u ß d a r a u f g e a c h t c t - w e r d e n , o b d e r G e g n e r ein e t w a fehlendes L u f t l o c h n i c h t zu e i n e m u n l i e b s a m e n G e g e n s c h l a g a u s z u n u t z e n v e r m a g . Hiergegen v e r s t i e ß S c h w a r z in nachfolgendem Schlußspiel.
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a b c d e f g h Lange (Oeynhausen 1940)
Mit 1 Sb4? glaubte Schwarz einen günstigen Tausch zu machen; er rechnete bis 2. Lb4: ab4: 3. Db4: Td4:, und nicht weiter. Es kam jedoch 4. Lc4i, und infolge des fehlenden Luftloches kann Schwari den Lb6 nicht retten. Auf T c 4 : geschieht einfach 5. Dc4: mit leichtem Gewinn. Schwarz versuchte noch 4 h6, verlor aber nach &. Tb6: schnell. Ein besonders frappierendes Beispiel zu diesem wichtiger Thema sei hier noch angefügt. N. N. 8 W§ w
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c d e f b g Dr. Zabel (Berlin 1948)
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Der Kührer der weißen Steine schrieb hierzu: „Mit Weiß hoffte ich auf Grund der Freibauern auf Gewinn und zog zwecks Vereinfachung 1. Df5? (Richtig war es, mit 1. c5! zunächst die Stellung zu sichern und dann schleunigst ein Luftloch zu machen). Es folgte jedoch 1 Te8! Das war ein mächtiger Schreck für mich! Statt zum Damentausch zu kommen und die verbundenen Freibauern (trotz der Qualität weniger) siegbringend zu verwerten, verlor ich nun den Springer und gab das Spiel auf." — Wegen des fehlenden
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Luftloches kann Weiß weder Turm noch Dame des Gegners nehmen, wie leicht ersichtlich.
H. Behnke angegeben). Noch ein Beispiel aus der Praxis:
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Nicht rochiert Wer mit Absicht nicht rochiert oder sich die Kochade verderben läßt, nimmt erhöhte Gefahren auf sich. Der Gegner wird dann ständig nach irgendwelchen Kombinationen fahnden; seine Kampfesstimmung ist besonders angeregt — oder sollte es wenigstens sein.
Wieder einmal h a t Weiß einen Bauern gewonnen und dafür die Entwicklung sträflich vernachlässigt. Schwarz zog nun 1 De5? und verlor später gar noch die Partie. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Nun, Schwarz hat seine Bundfuß
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a b e d e f g h Schmitz (Dortmund 1936) gute Chance verschenkt, und Cai'ssa pflegt nur e i n m a l die Hand zum Glück zu bieten. In der Bildstellung hatte er in 1 D a ö f t eine gewinnverheißende Fortsetzung, denn 2. b4 scheitert an Tb4:! 3. ab4: D b 4 + 4. Dd2 D b l f nebst Matt, und auf 2. De3 folgt D c 3 v 3. bc3: T b l f 4. Kd2 T d l t 5. Kc2 Le2 usw. Versucht Weiß jedoch 2. Dd2, so folgt ähnlich wie eben 2 Da3:!! 3. ba3: T b l t 4. Del T c l : t 5. Kd2 T d l t 6- Le2! (von
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b e d e f g h Smyslow (Groningen 1946)
Schwarz ist nicht zur Entwicklung und vor allem nicht zur Rochade gekommen. Außerdem hat Weiß die offenen Turmlinien in Besitz und den Sd7 gefesselt. Alle diese Umstände ermöglichen eine elegante Kombination: 1. Scöt (Damit der T d l freie F a h r t erhält.) 1 dc5: 2. Lt4! Ld6. Ein verzweifelter Entschluß, aber sonst geht der Tb7 verloren. 3. Ld6: Tb6 4. D d 7 + ! Schwarz gab auf; nach Kd7: 5. Lb8-(^ usw. bleibt er mit einer Figur in Rückstand. Patt Wer in Gewinnstellung pattsetzt, hat Hohn und Spott der Kiebitze zu gewärtigen. H ü t e dich deshalb vor dem P a l t ; strebe es aber an, wenn deine Partie gefährdet ist und sich nui irgendeine Möglichkeit dazu bietet.
(S. Bild auf nächster Seite.) Erst Ta6t und dann Kb2 gewann spielend. Sorglos zog Weiß aber sofort 1. Kb2? und sah sich nach 1 T b l f ! 2. Ka2: T a l f ! um den Siegespreis betrogen: 8: K a i : f ü h r t zum Patt!
74 Schiffler
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a b c d e f g h Weißgerber (Dürkheim 1935)
Fast über jedem P a t t schwebt das versöhnende Leuchten eines feinen Humors. Preisgabe wichtiger Linien Das Erkennen einer wichtigen Linie im Schach und ihrer Bedeutung setzt eine gewisse Spielstärke voraus. Wie sich mitunter die Preisgabe einer solchen Linie rächt, ist im folgenden Bild zu sehen.
Punkt 12 ((7) Die meisten Kombinationen ereignen sieh bei den lernenden Schachfreunden wohl auf den Punkten f2 (fy) bzw. h2 (h7), weil diese am leichtesten angreifbar sind. Aber nicht nur Kombinationen ziehen diese Punkte magisch auf sich, sondern auch Fehler und Irrtümer.
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b c d e f g h A. H u t t e r (Wien 1939)
Hier schneidet der weiße T u r m dem feindlichen König die f-Linie ab, deren Besitz lebenswichtig für Weiß ist. E r
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sollte daher mit dem Turm auf f7, f6, f8 hin und her ziehen. S t a t t dessen spielte Weiß 1. Th8i und sah sich nach 1 Hfl!! 2. Th8: Sg4! einem undeckbaren M a t t auf f2 gegenüber. Der eigene Turm blockiert den h-Bauern, so daß sich Weiß kein Luftloch schaffen kann!
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a b c d e f g h P. S. Leonhardt (Hamburg 1921)
Den letzten fehlerhaften Zug von Schwarz (Lf8—e7?) nutzte Weiß zu einem drolligen Damenfang aus: 1. L f 7 + ! SI7: 2. Se6 Db6 3. aö Db4f 4. c8 Dc4 5. Sc7f Kd8 6. b8!, und Schwarz gab auf. Hier diente die Beseitigung des Bf7 der Freimachung des Feldes e6. Möglich wurde diese Kombination, weil Sd7 den Lc8 verstellte. Auf die daraus entstehenden Gefahren möge besonders achtgegeben werden!
75 Das nächste Schlußspiel zeigt uns ein falsches Opfer auf f2. Grob
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a b c d e f g h Vistaneckis (München 1936)
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Der König soll zwar irn Mittelspiel möglichst nicht in den Kampf geführt werden; aber wenn es sich darum handelt, einen errungenen Vorteil zu verteidigen oder eine tödliche Gefahr abzuwenden, dann steht er gleichwohl seinen Mann. Dies vergaß Schwarz, als er in vorstehender Stellung 1 Lf2^f 1 spielte. Seine Idee war, nach 2. DI2: mit Db2: die Figur vorteilhaft zurückzugewinnen. Er hatte aber das Eingreifen des weißen Königs einfach übersehen: 8. Kd2!, wonach alles gedeckt ist! — Einen täglich vorkommenden Fehler können wir hier nicht stillschweigend übergehen. (S. Bild rechts oben.) (Vorausgegangen: 1. e4 d6 2. Sf3 g6 3. Lc4 Lg7 4. d4.) Schwarz wählte nun den FesseLungszug 4 Lg4? und setzte sich damit dem Überfall 6. Lf7+1 aus, der in dieser und ähnlicher Form zum täglichen Brot des Schachspielers
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d e f g b c Boros (Budapest 1940) gehört. Es folgte 5 Kf8 (Kf7:, so 6. Sg5f nebst 7. Dg4:) 6. Lb8 Lf6 (Auf 6 Sd7 ist 7. Sg5! L d l : 8. Se6f möglich, mit der hübschen Idee, nach 8 Ke8 zunächst noch mit 9. Sg7+ den Lg7 einzustecken!) 7.h8 Ld7 (Besser war der Tausch auf f3.) 8. eö. Aufgegeben. Nach Lg7 ist 9. Sg5! zu stark. a
Punkt h2 (h7) In einem Register schachlicher Fehler wird das, Läuferopfer auf h7 (bzw. I12) stets einen Ehrenplatz einnehmen. Nicht daß das Opfer fehlerhaft wäre; es ist sogar meist korrekt. Aber daß es übersehen bzw. zugelassen wird, das ist das immer wieder von neuem Erstaunliche.
(S. Bild auf nächster Seite.) Der letzte Zug von Weiß (Lfl—d3) entwickelte nicht nur, sondern drohte bereits. Schwarz dachte an nichts Böses und antwortete 1 Sbcö?; nun schlug es mit 2. Lh7-=ft ein: 2 Kh7: 3. Sg5j- Kg8. (Bei Kg6 4. Dg4 f5 5. Dg3! hat Weiß ebenfalls entscheidenden Angriff.) 4. Dh5 Te8. (Der einzige Zug, wenn Schwarz nicht gleich aufgeben will!) 5. DI7+ Kh8 6. Ld6!J (Der schnellste Weg zum Siege! Der Se7 wird — bei der Königsstellung auf f8 — gefesselt. Falls 6 Dd6:, so
76 Was würden Sie hier ziehen?— Nun, selbstredend 1 Th7f 2. Kg4 Tg7t 3. K f 3 : T g l : mit leichtem Gewinn. Was aber zog Schwarz, der nachmalige Weltmeister und einer der stärksten Spieler aller Zeiten? 1 Tg7? mit späterem Remisschluß. Auch Weltmeister sind — dann und wann schachblind.
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a b e d e f g h Drescher (Frankfurt a. M. 1940) 7. D h 5 f ' nebst 8. De8:#=. Schwarz könnte jetzt nur noch mit 6 Sf5 7. Dh5f Sh6 8. Sf7f unter Damenverlust weiterspielen.) 6 Dd7 7. Dhfif Kg8 8. Dh7f Kf8 9. Dh8=K Schachblindheit Denkfehler and Irrtümer, die mit normalen Gründen nicht zu erklären sind, bringt man unter den Begriff: Schachblindheit. Wie soll man es auch sonst anders nennen, wenn ein anerkannt guter Spielereinen einfachen Denkfehler begeht oder gar eine handgreifliche Drohung übersieht.
Dr. E. Lasker
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a b e d e f g h Schmitt (Oeynhausen 1938)
Schwarz konnte ganz simpel mit 1 Lc5:I gewinnen, denn das von ihm gefürchtete Opfer 2. Dc5:? scheitert an Dc5: 8. Tb8+ DfSJI Daß er auf b8 nicht zu schlagen braucht, sondern einfach die Dame dazwischenziehen kann, hatte Schwarz in einem Anfall von Schachblindheit glatt übersehen! In der Partie geschah 1 Td8i, und nun gewann Weiß: 2. Tb6:I (Am besten.) 2 Td4: (Auf cb6: ist T f 5 : ! stark.) 8. Tb8 Td8 4. Tcb5! usw. Schrecksekunde
b c d e f g Mason (Hastings 1895)
Ein unerwarteter, nicht mitgerechneter Zug des Gegners trifft den Spieler oft wie ein Keulenschlag. W e r eine solche „Schrecksekunde" nicht überwindet, sondern den Kopf und den Überblick verliert, wird dann eine Katastrophe erleben.
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H. J o h n e r (Schweiz—Italien, 1938) W e i ß steht klar auf Gewinn; er braucht nur 1. T f 6 + Sg6 ( K h 5 : D f 7 j ) 2. Sg3 zu ziehen, worauf Schwarz vermutlich aufgegeben hätte. S t a t t dessen spielte er 1. Df7i, was j a ebenfalls stark aussieht. E s kam jedoch 1 T h l f 2 . Kg8 Th3-MJ Auf gh3: würde nun D g l , auf K h 3 : D h l f nebst Dh4=f= folgen. Weiß, so grausam aus den schönsten Siegesträumen gerissen, gab vor Schreck die Partie a u f ! Dabei konnte er, wie nach der Partie festgestellt wurde, sich noch r e t t e n : nach 8. Kg4i h ä t t e Schwarz sich mit einem Remis durch Dauerschach (3 Th4| 4. K g 3 T h 3 | ! 5. K g 4 ! usw.) begnügen müssen. Bei kaltblütiger Überlegung wäre einem Meister vom Range J o h ners eine solche Möglichkeit sicher nicht entgangen; so aber ließ er sich von der Schrecksekunde überrumpeln. Siegessicher E s ist e r k l ä r l i c h , d a ß d e r S p i t h r , d e r e i ' i e G e w i n n s t e l l u n g e r l a n g t h a t , n a c h l ä ß t , weil er dis H a u p t a r b e i t g e t a n g l a u b t , während sein G e g n e r wie ein L u c h s n a c h der g e r i n g s t e n S c h w ä c h e a u s s p ä h t . Aus s o l c h e r E i n stellung heraus e n t w i c k e l n sich m a n c h m a l k l e i n e Tragödien.
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Deppe (Mannheim 1938) Allzu siegessicher (mit zwei Damen gegen eine!), zog Weiß 1. c6? und erlebte einen bösen Reinfall: 1 Da6+ 2. D a " Dc8+ 3. Ddb8 D c « + . Schwarz bietet fortwährend Schach. W i r haben hier die bekannte Eckstellung vor uns, wo eine Dame gegen zwei remis hält, weil sie ewig Schach geben kann. Nichts ist schwerer, als eine gewonnene P a r t i e zu gewinnen! Dabei konnte Weiß in der Bildstellung mit 1. D b l f ! zu einem rasch entscheidenden Angriff kommen.
Tauschangebot im unrichtigen Augenblick W e r L u s t zu t a u s c h e n h a t . . . . b e t r ü g t sich i m Schach m a n c h m a l selbst. Durch verfehlte Tauscha n g e b o t e und f a l s c h e T a u s c h w e n d u n g e n gehen viele P a r t i e n v e r l o r e n . D e r S c h a c h f r e u n d b e a c h t e t zu w e n i g , d a ß e r s t e n s ein T a u s c h a n g e b o t v o r t e i l h a f t a b g e l e h n t o d e r zweitens durch ü b e r r a s c h e n d e /wischenzüge illusorisch g e m a c h t werden k a n n , und d a l ' d r i t t e n s ein l'ausch t i e f g r e i f e n d e V e r ä n d e r u n g e n s c h a f f t , die d e r P a r t i e u n t e r U m s t ä n d e n ein völlig a n d e r e s G e p r ä g e geben.
78 Lilienthal
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Ê Ë a b c d e f g h Dr. Euwe (Stockholm 1937) S t a t t mit 1. Lg6! f2 2. Ld3! usw. zu gewinnen (Bitte nachprüfen!), stellte Weiß mit 1. Ld5? den Läufer zum Tausch (wohl in der Hoffnung auf Ld5:t? 2. Kd5: f2 8. h8Df Kh8: 4. a8Df oder ähnliche Wendungen). Der Zwischenzug 1 t2! riß ihn aber aus allen Träumen; da der Bauer mit Schach in die Dame geht, kann Weiß den Verlust der Partie nicht vermeiden. Duras 8 7 6 6 4 3 2 1
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a b c d e f g h Snosko-Borowski (Petersburg 1909)
Auf 1 Lh8 tauschte Weiß sofort: 2. Lh8:Dh8:, und beförderte damit die schwarze Dame in eine günstige Angriffsposition. Allerdings war seine Lage schwierig, und die wünschenswerte Rückführung der Da3 zum Königsflügel (evtl. über cd) würde den Bb2 kosten. Mit 8. Lc8I stellte Weiß deshalb auch den zweiten Läufer zum Tausch — und gab nach der verblüffenden Antwort Te2tl auf. Paschkowski
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Dr. Walcker (Petersburg 1910) Ähnlich katastrophale Folgen hatte hier die Tauschofferte 1 Le4?, die scheinbar Weiß nach 2. Le4: Se4: zu dem weiteren Tausch auf e7 nötigt (mit ganz guter Stellung für Schwarz). Jedoch der „Blitz aus heiterem Himmel" 8. Dh6!l entschied sofort für Weiß. Eine sehr witzige Wendung! Trugschluß Zwei Seelen und — ein falscher Gedanke! Das gibt es im Schach (und übrigens nicht nur im Schach), daS zwei Spieler gleichzeitig demselben Trugschluß erliegen, daO sie eine fehlerhafte Idee f ü r richtig halten oder eine richtige Idee f ü r falsch.
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Hf B a b c d o f g h Goring (Leipzig 1877) Nach 1. Se7| Te7: 2. Dc8f glaubten beide Spieler an das folgende Matt: Sf8J 8. Dl8:f! KI8:4. T h 8 + , wobei der Te7 seinem König den letzten Ausweg versperrt. Erst in der Analyse erkannten sie, daß 2 Te8!! (statt sofort Sf8) 8. De8:f und nun erst Sf8! die Mattkombination widerlegt und Schwarz in gewinnender Position gelassen hätte. Ein merkwürdiger Trugschluß ! P. :
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b c d e f g M. (Mannheim 1914)
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Überlastete Figur Die Figuren sollen im Schach so aufgestellt werden, d a ß sie gesichert stehen, aber zugleich den Gegner bedrohen. Sie dürfen nicht mit zu vielen Aufgaben belastet werden, da dies ihre Leistungsfähigkeit übersteigt. Grobe Versager können die Folge sein. Dies Prinzip ist an dem folgenden einfachen Fehler klar erkennbar.
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Dies ist eine kleine Komödie der Irrungen. Weiß gab hier das Spiel auf, weil er nur 1. Th7 K a 6 2. Tb7:? K a 6 3. T b 8 Ka7 sah, wonach der Ba2 zur Dame wird. Unmittelbar nach der Partie wurde darauf hingewiesen, daß 1. Th7 Ka5? 2. Th8! (und nicht 2. Tb7:?) f ü r Weiß gewonnen hätte, wie auch in der letzten Auflage unseres Büchleins zu lesen war. Inzwischen h a t aber der ungarische Großmeister L. Szabö darauf hingewiesen, daß Schwarz auf 1. Th7 eine verblüffend einfache Rettung h a t : 1 alDS 2. Tb7:f Kaö 8, Ta7f Kb4! 4. T a l : — und Schwarz ist p a t t ! Fast 40 Jahre mußten vergehen, bis dies entdeckt wurde.
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Das Feld h4 bewacht Weiß mit Dame und Springer. Der grobe Feh-
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ler 1. De6:! machte aber beide Wachen „tot"; die eine entfernte sich von ihrem Posten, die andere bekam eine neue, ebenfalls wichtige Aufgabe. Das war zuviel; nach 1 Th4+! mußte der Springer den Schutz der Dame aufgeben, um den König zu retten. Ein ebenso häufig vorkommender Fehler ist der folgende. Golombek
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a b c d e f g h Abrahams (Hastings 1947) Auf 1. Db7? folgte Tclft, und nun zeigte es sich, daß der Tbl nicht zugleich die Db7 und das Feld cl decken kann. Aber geht nicht noch einfach 2. Kh2? Nein, denn jetzt tritt eine dritte Funktion des Tbl zutage: der verdeckte Schutz des T a l . Schwarz spielt natürlich 2 Db7: 3. Tb7: T a l : und erobert einen ganzen Turm. Es ist merkwürdig, daß sich solche und ähnliche Reinfälle fast in jedem Turnier stets von neuem ereignen. Ungeschützte Figur Alle logischen ,.Grundsätze" im Schach machen sich in der Theorie gut, sind aber in der Praxis nur selten durchführbar. Sie sollen ja auch nur dazu dienen, dem Lernenden Anhaltspunkte an die H a n d zu geben, und können nie und nimmer das selbständige Denken ersetzen! So ist es leicht, den R a t zu geben.
keine l-'igur ungedeckt zu lassen, aber beim Spiel ganz unmöglich, diesen Rat zu befolgen. Wir begnügen uns daher damit, auf die Gefahren hinzuweisen, die ungedeckten Figuren drohen.
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a b c d e f g h P. Schmitt (Saarbrücken 1933) Die schwarze Dame steht ungedeckt in der d-Linie, und das wird Schwarz hier zum Verhängnis: mit 1. Sc4! eroberte Weiß die Qualität, da dc4:? wegen 2. L h 7 + ! nebst 3. Dd6: nicht angeht. Einen nicht eben seltenen Fall zeigt das nächste Bild. Stuckenbrock
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b c d e f g h Strobel (Chemnitz 1933)
81 Der Ld3 steht ungedeckt, was an sich noch nicht viel schadet. Erst nach 1. Seit, was der weißen Dame den Rückzug verstellt, kann Schwarz mit 8de6112. de6: Sefi: aus der un1 geschützten Stellung des Ld3 Nutzen ziehen. Es folgte 8. Dg8 Sd8+ 4. K f l c6, und Schwarz gewann mit einem guten Bauern mehr bei besserer Stellung s icher. Verfehlte LinienttHnung Wenn es gelungen ist, ein« wichtige Angriffslinie des Gegners mit einer eigenen Figur zu blockleren, so darf man sie auf keinen Fall wieder öffnen (es sei denn, daß der Nutten den Schaden ttberwiegt).
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stehen ein, und Schwarz darf keine schlagen! Nach 8 Ke8 4. Dh8f Kd7 6. Le6f Te6: 6. te6+ De«: (Ke6: De8t) 7. Tg7+ Ed« 8. Dd8f vollendete sich sein Schicksal, an dem er freilich selbst Schuld trug. — Eine andere Art, eine Linie im unrichtigen Augenblick zu öffnen, sei an Hand des folgenden Endspiels erläutert. Steinkohl
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A. Aebi (Bern 1936) Schwarz hat die Linie des Lc4 gut verstopft; der weiße Angriff ist im Augenblick nicht sehr gefährlich. Der Drohung Th6: konnte Schwarz mit der Gegendrohung Db4! zuvorkommen. Statt dessen zog er 1 Te8:f 2. T©8: Se8: (Erzwungen, da der Te7 den Bg7 bewachen muß), und öffnete damit dem Lc4 wieder den Ausblick. Mit 8. Dh«:!l nahm Weiß seine Chance glänzend wahr; alle weißen Figuren
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Weiß steht etwas schlechter, sein Mehrbauer ist wertlos. Mit dem unüberlegten Abtausch 1. ab5:i arbeitete er aber dem Gegner geradezu in die Hände. (Richtig war es, mit 1. aö die a-Linie geschlossen zu halten, um den Ta8 nicht zur Wirkung kommen zu lassen.) Nach 1 ab&: drohte Schwarz bereits Te2:!, so daß Weiß sich zu 2. Ta8: Ta8: veranlaßt sah. Der neuen Drohung Ta2 suchte er mit 8. Tel Lf5 4. Tdl Ta2 5. Td2 zu begegnen, erlag nun aber einem eleganten Durchbruch: 5 b4t! «. Lc4: (cb4:, c3!) « bc8: 7. La2: cd2: 8. Lb8 Lg4. Schwarz gewann leicht.
82 Die von Weiß freiwillig geöffnete a-Linie wurde so zur Operationsbasis von Schwarz! Zeitnot F a s t in jedem Turnier ereignen sich Zeitnotfehlcr, die nicht auf ein schachliches Versagen der Spieler zurückzuführen sind, sondern auf die Aufregung und den Zwang des plOtzlichcn Entschlusses. Die schon geschilderte „Gespensterfurcht" tritt dabei besonders in Erscheinung.
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b e d e f g h Barda (Bukarest 1953)
Weiß hat Angriff, Schwarz pocht auf seinen Bauern auf b3. 1. Tb7 Tb8 schieil Weiß nicht genügend; also zog er erst 1. Tg7f (??), um nun nach 1 Kh8 (??) 2. Tb7! zu spielen, denn jetzt scheitert 2 Tb8? an 3. Df6f ! Schwarz gab auf. Schwarz ließ sich aber in höchster Zeitnot durch 1. Tg7f? verblüffen; hätte er die Chancen kühl abgewogen, dann wäre ihm sicherlich nicht 1 D g 7 : ü 2. hg7: b2! entgangen — mit lcichtem Gewinn. So aber nahm ihm die Uhr den klaren Blick. Mitunter jedoch übersteht der Spieler die Zeitnot ohne Schaden und macht in begreiflicher Reaktion auf die überstandene Aufregung den Fehler gerade dann, wenn er wieder Zeit hat.
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b e d e f g h Sämisch (Pyrmont 1949)
So hatte hier der Zeitnot-Spezialist Sämisch in Zeitnot ausgezeichnet gespielt; er steht klar auf Gewinn. Sein Gegner Pfeiffer eifaßt jedoch den psychologischen Moment und bietet remis an. Sämisch, noch unter der Schockwirkung der Zeitnot stehend, hält die Partie für „verpatzt" und — nimmt a n ! (Er glaubte an Dauerschach durch Leöf K g l ! Ld4f und so fort.) Dabei konnte er nach 1 Leöf 2. K g l Ld4f mit 3. K h l ! leicht gewinnen: T e l f 4. Kh2 L e 5 f 5. g3, bzw. 4 L g l f 5. Kg 3 T l e 3 f 6. Kg 4 T3e4f 7. De4:! usw. Da halfen alle Selbstvorwürfe nichts mehr — der halbe Punkt war unwiederbringlich dahin. Aber das gehört j a eigentlich schon in das Kapitel Psychologie. Wer diese Seiten sorgfältig liest, wird längst beobachtet haben, daß die Psychologie ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Spielstärke ist. Zugumstellung E s ist ia der Schachpartie durchaus nicht gleichgüllig, in welcher Reihenfolge bestimmte Züge ausgeführt werden. Sehr oft kommt gerade diesem Umstand entscheidende Bedeutung zu.
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Heinicke (Bad Elster 1939) Weiß hatte, um einen Bauern zu erobern, die Dame außer Spiel gebracht. Dies machte sich Schwarz zunutze. 1 Tg2+ ! 2. Tg2: Tg«? (Schwarz rechnete nur mit 3. Tle2 und wollte dann mit Df3 gewinnen. In umgekehrter Reihenfolge 2 Df3ü 3. Tle2 Tg6! war diese schöne Kombination richtig. Die Zugvertauschung dagegen rettet Weiß.) 8. T!21 (Daß Weiß so einfach ausweichen kann, hatte Schwarz übersehen. Er unternahm noch einen Verzweiflungsangriff )8 DI8 ( den Weiß aber leicht abwehrte:) 4. Tf8: Lf8: 6. Sg8: hg8+ 6. Kgl Le4 7. a5 Th6 8. Dc8 f6 9. Te2 Th8: 10. Tg2I. Aufgegeben. Schade um die prächtige Kombination! Zu wenig Schach geboten „Falsches Schachbieten" (s. dort) kann ebenso sehldllch sein wie der sog. „stille Zug". Auch hier bestätigt die Erfahrung die GegensStilichkelt des Schachspiels.
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Alapin (1914) Weiß zog 1. De81 und verlor. Dabei hätte er mit ständigem Schachbieten fast immer richtig im Endkampf der schweren Figuren I) in vier Zügen mattsetzen können: 1. D g 8 : f ! Kg8: 2. Teg7:+ Kh8 8. Tg8f Kh7 4. T 2 g 7 * .
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Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und so hätte Weiß mit 1. D e 8 f t Kg6 2. !4f J sehr erfolgreich „mahlen" kön-
84 nen (Kg4 S. D e 2 + , bzw. KM 8. Dh8f nebst 4. Dal:). Statt dessen zog er 1. Db5? und verlor nun natürlich die Partie. Zwei lehrreiche Übersehen, und trotzdem: Halte beim Schachbieten M.aß! Nicht immer ist es so sinnvoll wie hier. Zwischenzug Nichts isl so gefürchtet und weniges so effektvoll wie der Zwischenzug. Wir lernten seine m i t u n t e r entscheidende Wirkung schon bei mancher Gelegenheit kennen. Ein einleuchtendes Beispiel soll hier noch Platz finden.
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h a b 0 d c f Schandalik (Mannheim 1936)
Weiß hatte einen Läufer aui g4, Schwarz soeben einen Springer auf d5 eingesteckt. Er glaubte sich wegen der Mattdrohung auf diese gewagte Wendung einlassen zu können, hatte aber die Rechnung ohne die Zwischen züge gemacht! Es folgte nämlich 1. T(f7+!t Kh8. Bei Kg7: deckt Weiß mit dem neuen Zwischenschach 2. Dg3f das Feld el und verspeist dann die Dame. 2. Tg8f!!. Verblüffend, aber sehr richtig. 2 Kg81 (Tg8:3 Dc3f! Tg7 4. Tdö:.) 8. Dg8f. Aufgegeben. Wieder ist das entscheidende Feld el gedeckt.
• Wir sind am Ende — oder sind uiir's nichtf Wir sah'n die Kehrseite — und das Gesicht. Das Helle schauten wir — das Dunkle auch, Das Ungewöhnliche — und auch den Brauch. Wir sah'n das Schach in seiner Vielgestalt, in seinem ewig wechselnden Gehalt!
Anhang I: Ratschläge zweier Weltmeister 1941 veröffentlichte der damalige Weltmeister Dr. A. Aljechin (1892—1946) in der „Pariser Zeitung" (zusammen mit Obstltn. Schad) „ R a t s c h l ä g e für das B r e t t " . Es ist ganz interessant, ihre weitgehende Ubereinstimmung mit den Ausführungen dieses Büchleins festzustellen und weiterhin manche neue Anregung in sich aufzunehmen. *
Eine Eröffnungsregel ist: Von Anfang an kraftvolle Einwirkung auf das Zentrum (e4, e5 bzw. d4, d5) unmittelbar, mittelbar, stetig! Druck, nochmals Druck, immer mehr Druck auf das Zentrum mit möglichst viel Figuren! Wer das Zentrum hat, beherrscht das Brett.
eines gewonnenen Zentrumsbauern auf Kosten der Entwicklung ist ein Fehler. Zurückgabe eines Zentrumsbauern soll zielbewußtem Angriff den Weg mitbahnen. Zwei wichtige Regeln: die Führung der Mittelbauern ist ausschlaggebend für den Partieverlauf; „die Bauernspannung im Zentrum ist die Seele des Eröffnungskampfes" (Bogoljubow). Der Springer ist der Kavallerie-, der Läufer der Infanterieoffizier, der Turm ist der Artillerist und zwar leicht oder schwer, je nach Wirkungsmöglichkeit eines Standpunktes. Das Wertverhältnis zwischen Springer und Läufer ist mehr oder weniger Geschmackssache; meist ist ein Springer etwas stärker als ein Läufer, aber zwei Läufer sind oft dem Springerpaar überlegen.
Leitgedanke: alle Kräfte so rasch als möglich zu wirkungsvollster Entfaltung. Rationeller Figureneinsatz! Die Wirkungsmöglichkeit auf die Brennpunkte ist mindestens so wichtig, wie der Standpunkt einer Figur auf denselben. Im Anfange der Entwicklung ohne besonderen Grund mit einer Figur mehrmals ziehen, ist meistens fehlerhaft; Aufmarschverzögerung und Tempoverlust sind in der Regel die nachteiligen Folgen.
Eine anschauliche Figurenbewertung gibt Bogoljubow in seiner „Schachschule", indem er den schwächsten Stein, den Bauer, als Einheit nimmt. Er entwickelt hieraus das Kräfteverhältnis der Steine wie folgt: Bauer = 1, Springer - 3, Läufer = 3 Turm = 5, Königin = 9 »/„. Figurenstandpunkt, Spielstadium und anderes mehr muß dabei selbstredend stark mit in Rechnung gestellt werden.
Die Zentrumsbauern haben UnterOffiziers-, die Läuferbauern Gefreitenbedeutung, die übrigen sind Soldaten ohne Charge. Aber jeder Bauer gewinnt mit jedem Schritt vorwärts an Bedeutung. Der Bauer schlägt grundsätzlich besser vom Rande nach der Mitte. Falsch ist dies nur, wenn dadurch die Figurenentwicklung behindert wird.
Wie in der Schlacht bedarf der verhaltene Flügel besonderen Schutzes. Daher empfiehlt sich zu Spielbeginn die Aufstellung einer Uberwachungsfigur, am besten eines Springers am Königsflügel zur Verhütung von Überraschungen! Hat man selbst noch keinen Springer entwickelt, straft sich meist der Versuch einen feindlichen Springer zu fesseln.
Das Opferangebot eines Zentrumsbauern immer annehmen! Behauptung
Der Springer am Rande, von bestimmten Spielabsichten abgesehen, wird leicht
86 unnütz, ja zur Schande. Bei der Läuferentwicklung empfiehlt es sich, möglichst die längste Wirkungsdiagonale anzustreben. Bei noch unvollendeter Entwicklung in der Regel kein Eroberungsunternehmen gegen Flügelbauern, am wenigsten mit der Königin! Uberhaupt vor Entwicklung der leichten Figuren am besten Zurückhaltung mit der Königin! Verfrühter Angriff mit unzulänglichen und verzettelten Kräften mißlingt! Auch in einer Gewinnstellung Vorsicht — kein Nachlassen an Sorgfalt! Erst wenn der Gegner matt ist oder aufgegeben hat, hat man gesiegt. Uberraschen — nie überrascht werden. Auch im Endspiel immer in Phasen sehen und denken! Niemals dem Zufall etwas überlassen oder auf ein Ubersehen rechnen! Kritische Partiepunkte dreifach unter die Lupe. Angriff ist selbst im Endspiel meist die beste Verteidigung, oft sogar die einzige Rettung. Dies gilt besonders für das Turm-Endspiel. Die Dame erringt spätestens in 9 Zügen den Sieg, der Turm in 15 Zügen; Vorsicht vor Pattsetzen! (Jedoch ist die Einhaltung dieser Zügezahl nicht etwa Zwang! Verf.) Beide Läufer, auch Läufer und Springer — hier jedoch nur auf einem Eckfeld von der Farbe des Läufers! — erreichen das Matt, aber: beide Springer können nur bei einem Fehlzuge des Königs mattsetzen. Figuren-Endspiel ist bei viel Übung leicht erlernbar. Im übrigen ist das Endspiel die eigentliche Domäne der Bauern! Einer oder mehrere von ihnen überdauern in der Regel den Figurenabtausch. Im BauernEndspiel sind die Züge auszurechnen und abzuzählen; hier wird das Spiel zu Mathematik. Nur durch Studium erlangt man die Fähigkeit, den Wert der Bauern-
bewegungen fehlerfrei abzuschätzen. Tempoverlust ist gleichbedeutend mit Spielverlust. Ein Fehler läßt sich im Endspiel nicht ausgleichen wie ausnahmsweise im Eröffnungs- oder Mittelspiel. Bauern im Angriff von Feldern weg, die dem feindlichen Läufer zugänglich! Bauern in der Verteidigung beisammenlassen und möglichst nicht damit ziehen. Gegen Bauernketten im Endspiel ist gewöhnlich der Läufer, gegen zerrissene Bauernstellungen der Springer die stärkste Figur. Rechtzeitig Halt dem feindlichen Freibauern! „Blockade!" E r potenziert sich und nimmt zu an Kraft von Reihe zu Reihe. Von der 6. Reihe ab erste Gefahr! Zum Abschluß gehört der Turm am besten hinter den Bauern. Im Endspiel wird der umkämpfte König zum aktiven Mitstreiter, zum tätigen Schirmherrn seines Fußvolkes. Rechtzeitig auf der Walstatt am richtigen Platze heißt da die Losung. Hier ist ein feindlicher Bauer aufzuhalten, dort sind dem feindlichen König die Felder abzuschneiden oder es handelt sich um das Geleit eines Bauern zur Damenreihe. Hierbei muß der König a) die Opposition besitzen (d. h. mit einem Felde Zwischenraum vom feindl. König die gleiche Farbe des Feldes betreten, auf dem der Gegner steht und b) mindestens eine Reihe vor dem Bauern stehen. Sobald der König die 6. Reihe vor seinem Bauern betritt, ist die Partie gewonnen, selbst wenn der Gegner die Opposition erhält; eine Ausnahme hiervon bilden nur die Randbauern! Betritt im Endspiel „König und Bauer gegen König" der Bauer die 7. Reihe mit Schach, so bleibt die Partie auf jeden Fall remis. Zieht der Bauer auf das 7. Feld ohne Schach, so ist die Partie gewonnen.
87 J e geringer im Endspiel die Möglichkeiten, um so gewichtiger der einzelne Zug; durchhaltende Überlegung! Ohne Studium der sogenannten Oppositionslehre (mit den 3 Gebieten: Nahopposition — Dreiecknutzung — Fernopposition) ist auf die Dauernichtauszukommen. * Wenige Jahre zuvor, 1937, hatte Aljechins Vorgänger auf dem Weltmeisterthron, J . R . Capablanca (1888—1942), in der deutschen Tagespresse einen Artikel erscheinen lassen mit dem vielversprechenden Titel: Wie k a n n man sein S c h a c h s p i e l verbessern ? Capablancas Ausführungen sind zwar allgemeiner gehalten, aber für den Schachpraktiker auch heute noch beachtenswert, weswegen sie hier folgen mögen:
Weise können wir die innere Harmonie in uns wiederherstellen. Umgekehrt bedarf man nach starker geistiger Anspannung begreiflicherweise nicht so sehr der geistigen Zerstreuung. Vor meinem Wettkampf um die Weltmeisterschaft mit Dr. Aljechin (Buenos Aires 1927. Aljechin siegte 6 : 3 bei 25 Remispartien. Verf.) glaubte ich meines Sieges völlig sicher zu sein und hoffte meine Stellung als Weltchampion zu verstärken und zu verbessern. Ich spielte ein gewissenhaftes und ernstes Schach, denn ich wußte, daß ich einem würdigen Gegner gegenübersaß. Noch während des Spieles rechnete ich fest mit meinem Siege und vielleicht gerade deshalb habe ich eine Reihe von Fehlern begangen. Vor allem aber fehlte mir eines, was für einen Schachspieler das wichtigste ist: ein sorgfältiges Training.
Obwohl ich stets größtes Interesse an der Theorie des Schachspiels genommen und zahlreiche Arbeiten über diese Theorie veröffentlicht habe, bin ich mir heute noch nicht ganz darüber klar, ob man das Schachspiel als eine Kunst, eine Wissenschaft oder als einen Sport bezeichnen soll. Ich möchte in den nachstehenden Ausführungen diese Fragen nicht zu klären suchen, sondern dem deutschen Schachspieler einige Winke aus meiner langjährigen Praxis geben, wie er seine Form verbessern kann.
Darin liegt auch das Geheimnis des Erfolges, denn Training ist tatsächlich die einzige Möglichkeit für den Schachspieler, seine Form zu verbessern. E r muß stets in der Übung bleiben; er darf nie so handeln, wie ich es getan habe. Ich hatte zwei bis drei J a h r e kaum gespielt und unterließ es, stetigem geistigem Training nachzugehen. Die Folgen meiner Nachlässigkeit bekam ich damals zu spüren; ich bezahlte meinen Fehler mit dem Preis meiner Niederlage.
Ich sehe im Schachspiel vor allem eine edle geistige Zerstreuung, wie sie uns etwa das Reisen mit all seinen neuen Eindrücken vermittelt. Manchmal habe ich allerdings das Schachbrett lange Zeit unberührt gelassen. Aber das geschah nur dann, wenn mich irgendeine Arbeit allzu stark in Anspruch nahm. Physische Anstrengung verlangt stets als Ausgleich eine geistige Ablenkung; nur auf diese
Schon im gewöhnlichen Leben wird der Mann, der sich zu lange ausruht und nicht dauernd darauf bedacht ist, Körper und Geist wachzuhalten, schwerfällig. E r verliert seine Elastizität, seine körperliche und geistige Beweglichkeit. Seine Fähigkeit, sich gegen plötzlich auftretende Schwierigkeiten zur Wehr zu setzen, wird immer geringer; er büßt seinen Kampfinstinkt ein. In einem weit höheren
88 Maße ist dieses bei dem Schachspieler der Fall. Dieser muß nicht nur die Regeln des Spieles völlig beherrschen, sondern vor allem ein unbeirrbarer Kämpfer sein. Nur steter Kampf erhöht die Kampfesfähigkeit und sichert die völlige Beherrschung der Kampfmethoden, die beim Schachspiel bekanntlich eine besondere Wissenschaft bilden. Unbesiegbarkeit gibt es im Schachspiel wie im Leben nicht. Auch unser Tagewerk ist ein dauernder Kampf gegen Irrtum und Fehler. Der Schachspieler spielt, verliert und sucht die Ursache seiner Niederlage zu ergründen. Dann geht er daran, seine Form zu verbessern, um damit seine früheren Fehler wieder gutzumachen. Der einzige Weg, der zum Ziele führt, ist ein dauerndes Ringen um die bessere Form. Jedes Spiel bietet in der Eröffnung, im Mittelund Endspiel eine Unmenge versteckter Feinheiten. Sieg und Niederlage hängen oft von einem einzigen Zuge ab. Ein überraschender Zug oder eine glänzende Kombination können manchmal die scheinbar schon verlorene Partie retten und vielleicht sogar den Sieg erzwingen. Eine andere unumgängliche Vorbedingung für die Hebung der Form ist die Pflege des Selbstbewußtseins. Jede Niederlage pflegt im allgemeinen von dem Gefühl einer seelischen Depression begleitet zu sein. Diese ganz natürliche Reaktion geht indessen vorüber wie eine leichte Erkrankung oder ein Fieber. Allmählich lebt in der Seele des Schachkämpfers wieder die Kampfesfreude auf, die Lust, sich mit einem Gegner zu messen, und das Bestreben, den Sieg zu erringen. Sobald es erst einmal so weit
ist, hat er die Herrschaft über sich selbst zurückgewonnen und das erstarkte Selbstbewußtsein öffnet ihm den Weg zu neuem Aufstieg. Ohne das starke und unerschütterliche Vertrauen in die eigene Kraft ist jeder Erfolg unmöglich. Nicht nur der Schachmeister, sondern auch der Liebhaber des Schachspiels, der in dem Spiel nur ein geistiges Vergnügen sucht, muß kämpfen. Er muß ein temperamentvoller Angriffsspieler sein, er muß die so vielseitige Spielstrategie zu meistern suchen. Er muß alle Züge zu verhindern wissen, die zu einer Schwächung seiner Position führen könnten, und stets bestrebt sein, durch überraschenden Angriff dem Gegner die Initiative zu nehmen. Schneller Überblick, klare Erkenntnis der Einzelheiten und Entwicklungsmöglichkeiten und eine starke Phantasie sind die grundlegenden Voraussetzungen für ein erfolgreiches Spiel. Kühl und klar muß man das Ziel — den Sieg — im Auge behalten und sich in jedem neuen Kampf zu verbessern suchen. Die Verbesserung der Form kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Wie wir durch eigenes Spiel unseren Stil vervollkommnen können, so vermag man auch aus Büchern und aus der Beobachtung anderer Spielmethoden viel zu lernen. Eines darf der Schachspieler nie außer acht lassen: Selbst das zum Vergnügen gepflegte Schachspiel sollte stets in einen Kampf ausarten, in einen Kampf der Gehirne. Nur wenn man unter Einsatz aller geistigen Kräfte ringt, kann man wirklich eine Bereicherung seiner Kenntnisse im Schach erhoffen.
Anhang II: Hundert Jahre Schachpraxis Blick in Vergangenheit und Zukunft mit Zitaten und Kommentaren Zu Morphy«*) Zelten Im ganzen gesehen war das Meisterspiel vor einem Jahrhundert weniger lebhaft, oberflächlicher und vor allem weniger genial. Die Theorie der Eröffnungen bestand kaum. Niemand hatte ein klares Wissen um die Prinzipien, auf denen gesundes Spiel basiert. Es gab wenig Experten. Man bedenke nur, daß Morphy sich einmal sogar erbot, gegen jedermann in der Welt den Kampf mit Bauer- und Zug-Vorgabe aufzunehmen. Obgleich seine Prahlerei nicht gerechtfertigt war, gab es vielleicht nicht mehr als ein Dutzend Spieler zu seiner Zeit, welche Ihm das Gegenteil bewiesen haben könnten. Heutzutage würden Tausende dazu imstande sein. (R. Flne, Chess Review 1948. Nach einer Übersetzung des „Schachspiegel.") Morphy, harmlos und liebenswürdig, war von „unscheinbarem bescheidenem Äußeren" und „edlem persönlichem Auftreten" bei einer „wahrhaft großzügigen Anschauungswelse". (Nach Dr. Max Lange, dem Biograph Morphys, dem glücklicherweise Flnes Behauptung, Morphy sei ein Prahlhans gewesen, nicht mehr zu Ohren kommen kann.) Einst hatte ich einen Artikel über Angriffsstile zu schreiben und benötigte eine Musterartle M o r p h y s . . . Wer aber beschreibt mein rstaunen und meine Enttäuschung, als Ich im Morphy-Buche Immer welter und welter und schließlich zu Ende kam, ohne eine brauchbare p a r t l e gefunden zu haben I . . . Morphy spielte nicht besser und nicht schlechter 'als irgendein bedeutender Meister unserer Zelt, aber seine Oegner standen tief, tief unter dem allgemeinen Schachniveau von heute. (R. Spielmann, Ein Rundflug durch die Schachwelt.)
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Man konnte sogar hören, daß Morphy |n der heutigen Zeit mit Ihrer entwickelten Eröffnungstechnik nichts leisten würde. O diese Kritikaster und Toren, die für die Erfindungsgabe des Genies kein Verständnis haben! Diese Leute werden längst vergessen sein, wenn der Stern Morphy in ewiger Helle am Himmel Cai'ssas strahlt. (H. Ranneforth, D. Schztg. 1937, aus Anlaß des 100. Geburtstages von Paul Morphy.) •
Hat man vor hundert Jahren gut gespielt? . . . Wenn man bedenkt, daß die Partie (gemeint Ist das Spiel St. Amant—Staunton, Paris 1843. Verf.) vor der Einführung des modernen Positionskampfes durch SteinTtz und Capablanca gespielt wurde, so muß man über das
Positionsgefühl der beiden Partner staunen. Doch heutzutage werden die Varianten tiefer berechnet. . . (M. Botwinnik, Schach-Expreß 1947.) Von den alten Meistern zu den heutigen f ü h r t eine Brücke, mögen auch Theorie und Technik seitdem ungeheuer fortgeschritten sein. Die Mittel sind andere, der Geist ist der lelche geblieben. (A. Brinckmann, Deutsche chachmeisterschaft 1947.)
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Wir sind abschließend der Ansicht, daß das Talent sich zu allen Zelten gegen die Mittelmäßigkeit durchsetzen wird, wenn es sich Theorie und Technik In geeigneter Weise zunutze macht. Falsche Propheten Wie wird sich das Schachspiel aber in 100 Jahren gestalten? Wenn wir das moderne Schach mit dem zu Morphys Zelten vergleichen, so finden wir heute größere Tiefe und weitgehendere technische Vervollkommnung. Der zeitgenössische Meister blickt weiter voraus und sieht umfassender und klarer. Man erwartet, daß diese Entwicklung anhalten wird. Die längste Kombination, die heute Jemals emacht wurde, beläuft sich auf vielleicht 0 Züge. Im Jahre 2048 mögen es 50 oder 60 sein. Dem heutigen Durchschnittsspieler unterlaufen ungefähr zwei Fehler in einem Spiel; vor hundert Jahren waren es über fünf Fehler; hundert Jahre welter wird so gut wli kein Fehler mehr vorkommen. (R. Flne, Chess Review 1948. Ubersetzung: „Schachspiegel".)
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Ähnlich äußerte sich auch schon Capablanca vor 30 Jahren: „Am Ende nahe schnell die zwangsweise Schablone, die Kombination sei praktisch tot." Das Schlagwort vom Remistod des Schachspiels ging damals durch die Schachweit, und allerlei Verbesserungsvorschläge wollten dem königlichen Spiel neues Leben einhauchen. (So zum Beispiel sollten König und Dame ihre Plätze tauschen. Dr. Tartakower gab sogar die Anregung, die mattgebende Partei nicht gewinnen zu lassen, son-
•) Paul Morphy, größter amerikanischer Meister des 19. Jahrhunderts, Kombinations-Genle, 1837—1884.
»0 dern ihr nur das Recht .zuzugestehen, zwei Züge hintereinander zu machen!) Dank Aljechins Beispiel ist es aber still um diese Remissorgen geworden, und auch über Fines Prophezeiung wird Caissa schließlich zur Tagesordnung übergehen.
6. Sd4: d6 7. 13 Db8? 8. Le3! Db2:? 9. Sa4! DaS 10. Lei. Aufgegeben ( D b 4 f 11. Ld2 Da3 12. Sb5l). 2048. Bitte frei lassen und zur gegebenen Zeit ausfüllen.
Unsterbliche Fehler
G r e n z e n der V o r a u s s i c h t
Gegen Fines Fehler-Theorie spricht u. a. die Tatsache, daß die Fehler unsterblich sind und sich immer wiederholen. Wir führen aus dem reichen Material nur ein Beispiel an: das Schlagen auf b2 (bzw. b7) mit der Dame.
Dreißig- und sechzigzügige Kombinationen — so sieht Fine das Schachspiel jetzt und in 100 Jahren. Es gibt jedoch eine Grenze der Voraussicht und der menschlichen Leistungsfähigkeit. Gewiß sind langzügige Kombinationen, wenn auch nicht gerade bis zu 30 Zügen, möglich; aber dann verlaufen sie eindeutig-zwangsläufig und verzweigen sich nicht. Oder sie sind bis zu einem gewissen Punkte berechnet, werden dann vom Spieler im Geiste abgeschätzt und erweisen sich hinterher als ,,in allen Varianten" korrekt. Ferner entsteht bei Kombinationen mit der Rückversicherung des ewigen Schachs kein sonderliches Risiko; hier kann der Spieler auf eine genaue Berechnung verzichten. Wenn es dann aber gelingt, dann war natürlich alles — berechnet. Es ist deshalb schwer, langzügige Kombinationen objektiv zu würdigen. Wir bestreiten jedoch, daß eine weitere Voraussicht als über wenige Züge möglich ist, wenn sehr verzwickte Stellungen entstehen. Fines sechzigzügige Kombinationen sind auch in 100 Jahren eine Utopie; denn selbst eindeutige Schachserien haben ihre Grenze, die wohl schon bei 20 bis 30 Zügen liegt.
1862 (Breslau). Dr. Tarrasch — v. Scheve. 1. e4 dfi 2. edfi: cS 3. d4 cd5: 4. Ld3 Sc6 5. Le3 S16 6. Sf3 Lg4 7. h3 Lf3: 8. Dt3: Db« 9. 0 — 0 Db2:? (Bekanntlich polizeilich verboten!) 10. Sd2 Sd4:? (Am besten war es noch, den letzten Zug zurückzunehmen.) 11. Df4 See. (Mehr Chancen bot Sc6.) 12. Da4f Sd7 13. Tabl Dc3 14. Tb7: Sc7. (Falls Dc8, so 15. T d 7 : l Dd7: 16. Lb5.) 15. Ld4! Dd2: 16. Tc7: Td8 17. Dd7:fl (Elegant, doch genügte auch Lb5.) Td7: 18. Tc8f Td8 19. Lb5*. 1913 (Wien). Schenkeln — Schlechter. 1. d4 dS 2. L?4 SfO 3. Sf3 e6 4. e3 c5 5. c4 Sc« «. Sc3 a6 7. Da4? Ld7 8. Ddl DaS 9. Db3? dc4: 10. D b 7 : ? ? Ta71 Aufgegeben. Woraus wir uns entnehmen, daß auch seitliche Turmangriffe mitunter eine ungeahnte Wirkung haben. — Ein krasser Fall! 1922 (Wien). QrUnfeld — Bogoljubow. 1. d4 Sf6 2. Sf3 e6 3. c4 c5 4. d5 b5 5. Lg5 h 8 ? (Unbefriedigend; vorher muß ed5: 6. cd5: geschehen.) 6. Lf6:! Df6: 7. Sc3 b4 8. Sb5 SaS 9. e4 Db2:? (Selbst Bogoljubow also! Der Zeltverlust ist nicht mehr gutzumachen. Einzig spielbar war noch e5.) 10. Ld3 Df8 11. e5 Dd8. (Oder Df4 12. g3 Dg4 13. h3 Dh5 14. g4.) 12. de«: de6: 13. Le4l Ddl:f 14. Tdl: Tb8
15. Lest Ke7 16. Sa7: gS 17. Lb6! Lg7 18.
Sc6t Kf8 19. Td8*.
1935 (Moskau). Botwlnnlk—Splelmann. 1. c4 c6 2. e4 d5 3. ed5: cd5: 4. d4 Sf6 5. Sc3 Sc6 6. Lg5 Db«? (Besser e6.) 7. cd5: Db2: (Auch du, mein Sohn Brutus . . . ) 8. Tel Sb4? (Notwendig war Sb8, um der Dame den Rückzug offenzuhalten.) 9. Sa4 Da2: (Da3 10. Tc3.) 10. Lc4 Lg4 11. Sf3l Aufgegeben; nach Da3 12. T c 3 ! muß Schwarz mit S d 3 f eine Figur opfern, um die Dame zu retten. 1948 (Essen). Schmid — Sahlmann. 1. e4 c5 2. Se2 Sc6 3. c4 Sf« 4. Sbc3 ¿6 5. d4 cd4:
. . . Nehmt ihr dem Schachspiel seine Fehler, so nehmt ihr ihm sein Leben und verurteilt es zum Tode!
Wir beleuchten das interessante Thema noch an Hand der beiden folgenden Stellungen.
m ÉSHSüJJ H §§ 1 H§§ ijil §8 £ B Ü f §Jj • HÄ ^ B §§T • gppJJF ÄHPü igf & su É1¡¡g • JJ ¡Ü WM
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a b c d e f g h I. Mason-Winawer, Wien 1882
a b c d e f g h II. N. N.-Grimmenstein, Wien 1915
I. Weiß rechnete hier nur s e c h s Züge weit, und trotzdem sind die Pointen schwer zu finden. 1. Tg5:! hg6: 2. Dh7f Sd7. Falls Kd8, so am einfachsten 3. Dh8f Ke7 (Kc7 4. Dg7t!) 4. Dg7| Tf7 5. f6f usw. 8. Ld7:! Dg8. Schwarz sucht dem Abzugsschach zu entgehen, indem er die weiße Dame unter Angriff setzt. Dd7: durfte er nicht spielen wegen 4. T c 4 f ! Kd8 5. Dh8f Ke7 6. Db8: usw. Aber nun ermöglicht ein zweites glänzendes Turmopfer die Bedrohung des schwarzen Königs mit D o p p e l s c h a c h : 4. Tb7ft! Kb7:. (Tb7: würde sofort die Dame preisgeben.) 5. L c 8 f ! Kc8: 6. Dg8:f mit leichtem Gewinn. Diese Kombination, von den begeisterten Zeitgenossen „die dämonische" genannt, ist trotz ihrer verhältnismäßig geringen Zügezahl schwieriger und schöner als manche langzügige; hat man nun wirklich in früheren Zeiten schlechter gespielt! ?
natürlich leicht zu berechnen.) 6. Kai Tb6:f 7. Ka2 Tb2+ 8. Kai Tbe2:f 9. Kbl Tel:f 10. Tel: Tel:f 11. Kc2 Te2+ 12. Kd8 TÌ2:, und Weiß gab auf. . . . Aber es mußten mehr als 30 Jahre vergehen, bis der Berliner Kurt Pähl herausfand, daß Weiß nach 1 15 mit 2. Sd4!l Tb2:f 8. K a l l ! den Spieß völlig umdrehen konnte. Es erweist sich hieran, daß diese zwei Züge schwerer zu finden sind als vorhin die zwölf, obgleich sie hinterher vielleicht einfacher erscheinen. Wir erinnern uns, daß Dr. Lasker einmal von Réti sagte: „Seine hundertzügigen Kombinationen sind oft richtig, aber seine zweizügigen sind manchmal fehlerhaft!"
II. In einer 12 zügigen Kombination vernichtete Schwarz fast die gesamte feindliche Armee: 1 15 2. Sb6: Tb2:f 8. Kai Sb3:f 4. Db8: Tb8:f 6. Ka2 Tb2f. (Die „Zwickmühle"; so etwas ist
(Nach einem Artikel des Verfassers In den „ D e u t s c h e n S c h a c h b l a t t e r n " 1948.)
»
Der Schachpraktiker freilich stellt nüchtern fest, daß in den 10 Jahren seit Erscheinen dieser Betrachtung sich nicht viel geändert hat. Noch immer werden die gleichen Fehler gemacht. Auch in Zukunft wird es keine Schachmaschinen geben — höchstens vielleicht einen Schach-Roboter!
Anhang III: Eine Bestandsaufnahme Von Prof. Dr. M. Euwe Anhang I I endete mit einem Hinweis auf einen eventuellen Schach-Roboter. Dieses Thema ist gerade jetzt sehr aktuell geworden, nachdem die Exweltmeister Botwinnik und Dr. Euwe in dieser Richtung Versuche unternommen haben. In der altehrwürdigen „Deutschen Schachzeitung" (115. Jahrgang 1966, März/ April) untersucht der weltbekannte Großmeister der Partie und unübertreffliche Schachpädagoge Prof. Dr. Euwe die Chancen eines Schachroboters und den Stand der Schachspielkunst überhaupt. Seine Schlußfolgerungen sind sehr tröstlich und ermutigend. Den Lesern des „Schachpraktikers" wird es willkommen sein, diesen umfassenden Überblick im Kähmen dieses Büchleins ständig zur Hand zu haben. Nicht ohne Grund erhebt sich von Zeit zu Zeit die Frage, ob das Schachspiel erschöpft ist oder bald erschöpft sein wird. Man stelle die schnelle Entwicklung der Schachtheorie durch die ausgedehnten Untersuchungen der Eröffnung in Rechnung, das Bestehen einer Anzahl von „remislichen" und daher vermutlich „ausgeschöpften" Varianten, , die Entdeckung und Verbreitung verbesserter Methoden der Mittelspielbehandlung und der sich ergebenden größeren Stärke des Amateurs, die Versuche, Schach auf eine Reihe von Prinzipien zurückzuführen, so daß es von einem Elektronenrechner auf mechanischem Wege gespielt werden kann — dann scheint es nicht jenseits der Grenzen des Möglichen zu liegen, eines Tages so viele Schachdaten vorrätig zu haben, daß nichts Neues mehr auftauchen wird. Dann werden zwei Fernspieler, die alle vorhandenen Auskunftsmittel zu Rate ziehen können, immer dadurch zum Remis gelangen, indem sie die gegebene Stellung am
richtigen Platz nachschlagen. Die Benutzung von Handbüchern ist in der Eröffnungsphase in vielen der heute laufenden Fernpartien gang und gäbe; und die Auswirkungen der Entwicklung der Schachtheorie sind auf höherer Stufe in einem Ausmaße spürbar, daß es einen erheblichen Nachteil bedeuten würde, träte ein Meister zu einem Turnier ohne die Kenntnis einiger neuerer Eröffnungßvarianten an. Auch wenn er befähigt wäre, eine gegebene Eröffnungslage am Brett genau zu analysieren, geriete er wegen des Zeitverbrauchs gegenüber einem Spieler, der die betreffenden Analysen aus dem Ärmel schüttelt, ins Hintertreffen. Unser Spiel wäre am Ende, fände man eine Reihe folgerichtiger Züge, die zu einem erzwungenen Siege für eine der beiden Seiten führte. Sollte das Schach jemals den Punkt erreichen, an dem Meister beim Spiel gegeneinander mit Sicherheit Remis erzielen könnten, so bedeutete das ebenfalls, daß das königliche Spiel ausgedient hätte. Auch wenn die Schachtechnik jemals so aufzuschlüss e l n wäre, daß eine Maschine das Spiel genauer als ein Mensch zu beherrschen vermöchte, käme das einem Todessignal für das Schach gleich. Schritte in diesen Richtungen sind bereits unternommen worden, so daß das Schachspiel heute zweifellos erheblich anders behandelt wird als vor einem Jahrhundert oder sogar vor ein paar Jahrzehnten. Es fragt sich jedoch, ob diese Entwicklung zum Ende des Schachspiels führt oder eher zu einem andersgearteten, vielleicht sogar reichhaltigeren und interessanteren Kampf. Eine der Hauptdrohungen gegen die Lebensfähigkeit des Schachs scheint in der raschen Entwicklung dessen zu liegen, was als Eröffnungstheorie bekannt ist,
93 nämlich der Meinung der Schachmeister über die besten Abspiele in den Eröffnungen, wie sie aus dem Ergebnis der Anwendung der verschiedenen Varianten im Kampf am Brett oder bei analytischen Untersuchungen hervorgeht. Ansammlungen aller Arten von Varianten sind in Eröffnungswerken enthalten, so daß man, wenn eine gegebene Stellung in einem bestimmten Abspiel erreicht ist, lesen kann: „Die Theorie m e i n t . . o d e r „An dieser Stelle empfiehlt die Theorie . . . " oder „Der theoretische Zug in dieser Stellung i s t , . . " . Die Forschung ist soweit gediehen, daß die meisten Eröffnungen sehr vollständig, obwohl vielleicht nicht immer zutreffend oder ersohöpfend, bis zum zehnten Zuge oder weiter katalogisiert worden sind. Kein Meister würde es wagen, zu einem Turnier ohne ein fundiertes Eröffnungsprogramm zu erscheinen. Die Theorie wird sich weiter ausbreiten, so daß in vierzig oder fünfzig Jahren vielleicht alle Eröffnungen in Tabellenform bis zum 20. Zuge vorliegen und die eigentliche Partie erst danach beginnen wird. Wenn der eigentliche Schachkampf erst nach zehn bis zwanzig Zügen beginnt, hat sich natürlich die Natur des Spiels verändert, und wenn man diese Idee konsequent bis zu Ende weiterführt, könnte die Zeit kommen, da das wirkliche Spiel so spät einsetzt, daß es sich der Endphase nähert und sie schließlich erreicht. In ihrem Bemühen, die korrektesten Schachzüge zu finden, scheint es fast, als ob alle Schachspieler in der Welt eine Art Beratungspartie in langsamem Tempo spielen, um d i e perfekte Partie herauszufinden. Ein paar Züge dieser Partie sind bereits geschehen, und nach vielen Jahren des Nachdenkens, der Versuche und Irrtümer, wird ein weiterer „bester" Zug gefunden. Die Geschwindigkeit dieser Weltpartie ist sehr langsam, die Partie steht niemals vollständig still. Wenn die
große Weltpartie, die aus den allerbesten Zügen beider Seiten besteht, schließlich doch einmal zu Ende sein sollte: an diesem Punkt wird das Schach wirklich erschöpft sein. Allgemein nimmt man an, daß das Ergebnis dieser narrensicheren korrekten Partie ein Remis sein muß und wird — obgleich das nie nachgewiesen worden ist. Theoretisch ist es möglich, daß Weiß oder sogar Schwarz (ein Fall von höherem Z u g z w a n g ) gewinnen könnte. Diese Annahme ist natürlich rein theoretisch, und soweit es die Chancen von Weiß zu gewinnen angeht, so hat die Erfahrung unzählige Male bewiesen, daß eine Partie durch einen einzigen schwachen Zug der einen oder anderen Seite verloren sein kann. Darüber gibt es keinen mathematischen Beweis, es ist aber bisher keine Partie gefunden worden, die der Weiße zwangsläufig gewinnen kann. Andererseits hat es Abspiele gegeben, in denen ein Remis unvermeidlich zu sein soheint. Man spricht daher nie vom Tode des Schachspiels durch einen erzwungenen Gewinn, sondern durch das unvermeidliche Remis, vom „Remistod". Der Gedanke von der großen weltweiten Beratungspartie ist anschaulich und erfinderisch, aber ebenso wirklichkeitsfremd und unmöglich, wie wir später zeigen werden. Wir wollen trotzdem diesen Gedanken vorläufig weiterverfolgen und feststellen, daß diese Musterpartie im Augenblick nicht weiter fortgeschritten ist als bis zum Anfang des Eröffnungsstadiums, d. h. es ist nicht jenseits des geringen Eröffnungsteils gediehen, in dem man absolut sicher ist, die besten Züge für beide Seiten gefunden zu haben. Es dreht sich also immer um die gleiche Idee, den Gedanken d e s e i n e n korrekten Abspiels für beide Seiten! Erst mit der Entwicklung einer Schachtheorie für verschiedene Eröffnungen, anstatt e i n e r korrekten Variante, erhebt sich nun die
04 Frage m e h r e r e r korrekter Abspiele. Jede einwandfreie Eröffnung hat eine einwandfreie Fortsetzung. Gibt es zehn oder zwanzig korrekte Eröffnungen ? Dann zehn oder zwanzig große Beratungspartien! Offenbar besteht kein großer Unterschied darin, ob wir zehn, zwanzig oder hundert Varianten haben, die alle zu gleichen Stellungen im Mittel- oder Endspiel führen. Nur würde sich das Schach in diesem Falle nicht fünfzig bis hundert Jahre, sondern vielleicht dreibis fünfhundert Jahre am Leben erhalten. Der Anfang ist gemacht worden, und während die korrekten Züge für beide Seiten gefunden werden, nimmt die Gefahr des unvermeidlichen Unentschiedens immer deutlichere Gestalt an. Es gibt zur Zeit verschiedene Eröffnungen, die offenbar wirklich nahezu ausgeschöpft sind. Man sehe zum Beispiel die Orthodoxe Variante des abgelehnten Damengambits: 1. d2—d4 d7—d5 2. c2—c4 e7—e6 3. Sbl—c3 Sg8—f6 4. Lei—g5 Lf8—e7 5. e2—e3 Sb8—d7 6. Sgl—f3 0—0 7. Tal—cl c7—c6 8. Lfl—d3 d5 x c4 9. L d 3 x c 4 Sf6—d5. Nachdem Capablanca seinen Wettkampf gegen Aljechin im Jahre 1927 verloren hatte, verkündete er, daß diese Variante der Tod des Schachspiels wäre. „Heutzutage", so argumentierte er, „gibt es vielleicht fünf Spieler in der Welt, die als Schwarzer Remis halten können, indem sie die Orthodoxe Variante wählen. In zwanzig Jahren wird es fünfmal so viele geben, und innerhalb einer übersehbaren Zeitspanne wird jeder Meister fähig sein, mit diesem Abspiel Remis zu erreichen." Capablanca schlug vor, durch Änderung der Regeln das Schachspiel zu retten. Sein Heilmittel war sehr drastisch: er schlug die Einführung zweier neuer Figuren vor, von denen eine die Züge des Turms und Springers, die andere die Züge von Läufer und Springer vereinigte. Das Schachbrett müßte dann
auf zehn Felder in jeder Richtung, insgesamt also hundert, erweitert werden. Es scheint, als ob die Aufnahme dieser neuen und stärkeren Figuren das Spiel dynamischer gestalten würde, so daß es die Tendenz annähme, früher zu enden und einen gewaltsameren Verlauf zu nehmen. Außerdem ließe diese Regeländerung alle Analysen des bisherigen Spiels veralten und die Spieler müßten, von vorn anfangen und auf alle informatorischen Hilfsmittel, die die bisherigen Forschungen auf dem Gebiete der Schachtechnik ans Licht gebracht haben, verzichten. — Diese Art Kur ist nicht ohne historischen Vorgänger, denn zum Ende des Mittelalters wurde der Charakter des Spiels dadurch erheblich verändert, indem die Dame viel mehr Macht erhielt. Im Augenblick wollen wir außer Betracht lassen, ob Capablancas Furcht, daß das Schach wirklich bald ausgespielt sein werde, begründet war. Ich möchte hingegen auf die Tatsache aufmerksam machen, daß Capablanca in seinem erwähnten Wettkampf mit Aljechin die 32. und 34. Partie mit der Orthodoxen Verteidigung des Damengambits verlor. Also gelang es Capablanca nicht, mittels der bestimmten, von ihm genannten Variante ein Remis zu erreichen. Es muß natürlich in die Erinnerung gerufen werden, daß Capablanca im Wettkampf zurück lag, als diese beiden Partien gespielt wurden, und daß er sicherlich auf mehr als Remis reflektierte. Eine solche Taktik enthält besonders in Remisvarianten mehr Gefahren als in anderen Stellungen. Capablanca war nicht der einzige Exweltmeister, der die Zukunft des Schachs pessimistisch beurteilte. Emanuel Lasker schlug nach seiner dramatischen Niederlage in Havanna 1921 vor, die Ergebnisse nach einer anderen Methode zu messen. Eine Wertskala für verschiedene Arten des Unentschieden sollte eingeführt wer-
95 den, weil er der Ansicht war, daß manche Remisstellungen fast als Siege anzusehen waren, andere als Verluste. Nach Lasker sollte gewertet werden: 1. Patt 0,8 : 0,2 (wer patt setzt, bekommt die höhere Wertung), 2. Sieg durch Ubermacht 0,6 : 0,4. (Wer z . B . K + L hat, erhält 0,6, wer nur den König besitzt, 0,4 Punkte.) 3. Andere Remisarten 0,5 : 0,5 (dies schlösse Remisausgänge wie ewiges Schach, Zugwiederholungen, K + L gegen K + S usw. ein). Hier ein Beispiel. r
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Schwarz am Zuge
Nach der gegenwärtigen Regel liegt ein Remis vor, wenn Schwarz einen der beiden richtigen Züge, Kc7 oder Kc8, ausführt. Nach Laskers Vorschlag könnten sich verschiedene Wertungen ergeben: a) 1. . . . Kd7—c7? 2. Ka8—a7 Kc7—c8 3. Ka7—b6 Kc8—b8 4. a6—a7| Kb8—a8 5. Kb6—a6 Patt (0,8 : 0,2), b) 1. . . . Kd7—c8 2. Ka8—a7 (wenn 2. a6—a7?, dann Kc8—c7 und Weiß ist Patt [0,2 : 0,8!]) 2. . . . Kc8—c7 3. Ka7— a8 Kc7—b6 und Schwarz erzwingt entweder Punkteteilung oder (bei 4. a6— a7?) setzt patt. Laskers Vorschläge, zwischen Remisarten zu unterscheiden, sind erwägens-
wert. Sie führen zu keinem grundsätzlichen Wechsel im heute üblichen Spiel, sondern stellen einfach eine Verfeinerung in der Weise, Ergebnisse zu werten, dar. Akzeptierte man sie, nähme die Prozentzahl der Unentschieden, die y 2 : y 2 zählen, ab. Besonders im Endspiel stellten sich neue Finessen ein, ohne die alten aufzuheben. Eine Pattkombination (0,2 : 0,8) . ist immer noch besser als eine direkte Niederlage (0 : 1). Ich sehe keinen Schaden in der Einführung der Vorschläge Laskers. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch keine dringende Notwendigkeit, sie jetzt aufzugreifen. Wie Capablanca die Orthodoxe Variante des Damengambits als Remisvariante ansah, dachte Aljechin wahrscheinlich das gleiche von der Slawischen Verteidigung dieser Eröffnung. Obgleich er es nie aussprach, konnte man das doch aus seiner häufigen Anwendung der Slawischen in seinen Weltmeisterschaftskämpfen schließen. Dennoch hat Aljechin nicht vorgeschlagen, die Spielregeln zu ändern — er machte es besser und gewann den Titel zurück. Botwinnik verlor seinen Titel nicht wegen ausgeglichener Eröffnungsvarianten, sondern weil er nicht rechtzeitig herausfand, daß seine Gegner auf m a n c h e n G e b i e t e n stärker waren als er. Er unterlag 1960 gegen Tal, weil er versuchte, im verwickelten Kombinationsspiel mitzuhalten. Bei seinem Come-back 1961 vermied er komplizierte Stellungen. Botwinnik eroberte den Titel zweimal zurück — gegen Smyslov 1958 und gegen Tal 1961 — ein drittesmal konnte er diesen Kraftakt nicht vollziehen, weil er sich an den Kandidatenkämpfen des Jahres 1965 nicht beteiligte. Wenngleich sein zeitweiliger Titelverlust damit nichts zu tun hat, schwebte Botwinnik ebenfalls eine — andersgeartete — Gefahr für das Schachspiel vor: Tod durch die Maschine. Als ich
96 diese Frage mit Botwinnik im Jahre 1963 diskutierte und die Überlegenheit des menschlichen Geistes in diesem bisher ünaufgeschlüsselten Felde betonte, erwiderte Botwinnik: „Wenn Sie von den Fähigkeiten des Menschen so überzeugt sind, müssen Sie auch zugeben, daß er in der Lage ist, eine mächtige Maschine zu schaffen" — eine Art Sophismus. Die elektronische Datenverarbeitungsmaschine, Computer genannt, hat sich tatsächlich zu mächtigen Ausmaßen entwickelt. Jedes Jahr, sogar jede Woche verbessert sie die Qualität ihrer schachlichen Fähigkeiten, und sollte jemals ein Programm gefunden werden, das den Computer befähigte, perfektes Schach zu spielen, hätte das Spiel keine große Anziehungskraft mehr. Erwägt man jedoch, daß die Entwicklung eines solchen Programms schrittweise erfolgen und dem perfekten Programm vielleicht ein Meisterprogramm vorausgehen muß, steht uns das reizvolle Erlebnis bevor, den Meister dabei zu beobachten, wie er die Maschine zu schlagen versucht. Eine perfekt spielende Maschine würde, wie schon betont, unser gegenwärtiges Spiel töten. Das Schaoh erlitte den Maschinentod. Ob wahr oder nicht, die Aussicht auf die Zukunft des Schachs ist des Nachdenkens wert. Die verhältnismäßige Stärke der Schachspieler ist ebenfalls dem Wechsel unterworfen. Die Unterschiede zwischen den Spielern werden um so geringer, je vertrauter sie mit den Techniken der Eröffnung, des Mittel- und Endspiels werden. Es gab eine Zeit, als ein Meister es sich leisten konnte, ziemlich starken Spielern (für damalige Verhältnisse) eine Vorgabe einzuräumen, die z. B. eine Leichtfigur, Leichtfigur und Zug oder sogar einen Turm betragen konnte. Mit tieferem Studium und Verbreitung der Schachprinzipien haben auch die Schachamateure gelernt, die verschiedenartigsten Aspekte der Partie zu behandeln.
Heute kann es kein Meister unternehmen, einem anderen Meister einen Bauern vorzugeben und auf Gewinn zu hoffen. Tatsache ist, daß heutzutage der Meister oder sogar der Großmeister hart kämpfen muß, wenn er einen guten Amateur schlagen will. Man sehe nur die alle zwei Jahre wiederkehrenden Mannschaftsturniere der FIDE, wo die Starken und die Schwachen friedlich Seite an Seite „grasen". Paul Keres, der „ewige" zweitbeste Schachspieler der Welt, klagt, daß während der vergangenen fünfundzwanzig Jahre es zunehmend schwieriger geworden ist, die schwächeren Spieler zu schlagen. Es ist gewöhnlich viel leichter, irgend eine Art von Vorteil zu erlangen, als die Partie zu gewinnen. Der Widerstand der Amateure ist heutzutage viel zäher. Kam er früher mit Nachteil aus der Eröffnung heraus, beging er bald eine weitere Sünde und ging unter. Das ist nicht mehr der Fall, Im allgemeinen reicht ein Fehler nicht aus, eine Schachpartie zu entscheiden, es müssen zwei sein. Das ist der Grund, warum sehr starke Spieler so selten verlieren. Gewiß, sie machen von Zeit zu Zeit Fehler, aber sie beschränken sie auf einen pro Partie. Auch dem Amateur geht es nun auf, daß er nicht zu verzweifeln braucht, nachdem er seinen ersten Fehler begangen hat — natürlich vorausgesetzt, daß dieser Fehler nicht zu schwer ist. Er kann noch kämpfen, und sein Gegner muß die Dinge so verwickeln, daß der Amateur ein zweitesmal fehlgreift. Schach ist zweimal so schwierig geworden: um einen Punkt zu machen, muß man zweimal gewinnen. Wir haben eben beschrieben, wie das Schach sich seit einigen Jahrzehnten in verschiedener Weise geändert hat — und diese Veränderungen scheinen die Idee zu unterstützen, daß das Schach sich allmählich erschöpft. Aber das scheint nur so. Jeder der angeführten Punkte hat eine andere Seite. Untersuchen wir zuerst
97 die Frage der Eröffnungstheorie weiter. Vergleichen wir den „Bilguer" 1 ), das maßgebende Werk über die Eröffnungen von vor 50 bis 60 Jahren, mit einer modernen Abhandlung des gleichen Gegenstands. z. B. „Theorie der Schacheröffnungen" des Verfassers2), so findet man keinen großen Unterschied in der Länge. Der „Bilguer" gibt etwa 20000 Varianten, die vollständige Serie der „Theorie" nicht mehr. Das scheint unsere Behauptung zu widerlegen, daß die Schachtheorie in gewaltigen Sprüngen wächst. Die Erklärung liegt darin, daß der „Bilguer" alle denkbaren Eröffnungen berücksichtigt, während die modernen Abhandlungen sich auf die wichtigsten und beliebtesten Abspiele beschränken müssen. Würde man heute das BilguerSystem verwenden, hätten Eröffnungsbücher heute einen fünf- bis zehnmal so großen Umfang wie der „Bilguer". Solche Werke wären wohl für das Studium nicht sehr bequem, sie hätten aber sicher großen historischen Wert. Ein weiterer auffallender Unterschied zwischen dem „Bilguer" und der „Theorie" ist der verhältnismäßige Baum, der den verschiedenen Eröffnungsarten eingeräumt wird. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht (Prozentzahlen vom Gesamtumfang) : Offene Spiele (1. e2— e4 e7—e5) Halboffene Spiele (1. e2—e4 1 . . . . anders) Geschlossene Spiele (1. d2—d4 d7—d5) Indisch und Verwandtes (1. d2—dl — 1. . . . anders) Fianchetto-Eröffnungen Englisch usw. (Anders als 1. e2—e4 und 1. d2—d4)
„Bilguer" „Theorie" 75%
25%
10%
20%
15%
10%
—
35% 10%
Aus diesen Zahlen geht hervior, daß die Beliebtheit der Eröffnungsarten im letzten halben Jahrhundert sich vollständig gewandelt hat. Heutzutage sind besonders die Sizilianische (halboffene),
die Nimzowitsch-Indische und die Königsindische Verteidigung beliebt. Im Hinbliok auf diese verschiedenen Strömungen wird der Pessimist sagen: „Die Meister haben zuerst die Offenen Spiele erschöpft, dann haben sie die Geschlossenen, die Indischen und die Halboffenen Spiele versucht. Heute bevorzugen sie die Fianchetto-Eröffnungen, und wenn alle diese verschiedenen Eröffnungsgruppen ausgespielt sein werden, wird das Schach vorüber sein. Einige korrekte Abspiele werden sich ergeben, das Resultat der Entwicklung der großen Beratungspartien, die alle zu ausgeglichenen Schlußstellungen führen, in denen keine der beiden Seiten wagen kann, auf Gewinn zu spielen, ohne ein zu großes Risiko zu laufen." Der Pessimist denkt in gradlinigen Begriffen: zuerst kommt Gruppe 1, dann die Gruppen 2, 3 und 4, und schließlich Gruppe 5. Er glaubt, daß jede Eröffnung erschöpfend untersucht werden kann. Der Optimist denkt in der Gestalt eines Kreises: Gruppe 1, dann 2, 3, 4 und 5 — schön — aber auf Gruppe 5 folgt wieder Gruppe 1. Er meint, daß in einem so reichen Spiel wie Schach niemals alle Möglichkeiten durch Forschungen erschöpft werden können und verweist darauf, daß in den fünfziger Jahren die Meister zur Spanischen Partie zurückgekehrt sind, zeitweise auch zur Schottischen und Italienischen Partie und sogar zum Königsgambit. Die Eröfflwngswahl ist bis zu einem bestimmten Grade Modesache, und man kann nie sagen, in welche Richtung die Mode gehen wird. Als nächstes befassen wir uns mit der Behauptung, daß das Schach wegen der Remisvarianten sterben wird, die als Er') P. R . v. Biguer, Handbuch des Schachspiels, Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin *) Theorie der Schacheröffnungen von Prof. Dr. M. Euwe. 12 Bände. Deutsche Ausgabe bei S. Engelhardt, Berlin-Frohnau.
98 gebnis erschöpfender Untersuchungen hervorgetreten sind. Man muß zugeben, daß es Remisvarianten gibt; aber gerade die Kenntnis dieser Varianten befähigt den unternehmungslustigen Spieler, sie zu vermeiden und Abspiele anzuwenden, die Gewinnmöglichkeiten beinhalten. Wenn ein Spieler, der sich gewöhnlich Französisch verteidigt, fürchtet, daß sein Gegner auf Remis spielen und die Abtauschvariante wählen wird, muß er eine andere Verteidigung wie Sizilianisch oder Caro-Kann einschlagen. Wenn der Schwarze im abgelehnten Damengambit Bedenken hat, daß die orthodoxe Variante Remis ergeben wird, kann er die Lasker- oder die Tarrasch-Variante spielen. Auch wenn Weiß befürchtet, in der orthodoxen Variante nicht mehr als Remis zu erreichen, kann er das Spiel verschärfen und 12. . . . e6—e5 mit 13. D d l -o2 oder 13. D d l — b l beantworten, oder er kann das abgelehnte Damengambit überhaupt vermeiden.
auf die andere, fast von Zug zu Zug. Obwohl z. B. nach 1. d2—d4 d7—d5 2. c2—c4 e7—e6 3. Sbl—c3 die Antwort h7—h6 theoretisch überhaupt kein Zug und, verglichen mit 3. . . . Sg8—f6, bestimmt schwach ist, so erweist sich das fragwürdige 3. . . . h7—h6 nur dann als schlecht, wenn es gegen jemanden gespielt wird, der weiß, wie man das Höchstmögliche aus der Abweichung des Schwarzen von der Theorie herausholt, und nur ein sehr starker Amateur wäre dazu in der Lage. In den meisten Fällen könnte also ein Amateur unbedenklich 3. . . . h7—h6 spielen, und er wird, wenn er ohne grobe Fehler fortfährt, eine brauchbare Partie erhalten. Ob Theorie oder nicht, Schach wird fortfahren, ein faszinierendes Spiel zu sein, unerschöpflich in seinen Möglichkeiten f ü r den Amateur und — sehr wahrscheinlich — auch für den Meister. Wir wiederholen: die Eröffnung wird das Schachspiel nicht umbringen.
Es wäre auch irrig anzunehmen, daß das breite Publikum künftig vor dem Schach zurückschrecken wird, weil die Ausdehnung der Eröffnungstheorie zu hohe Forderungen an den Amateur stellen werde. Der Meister kann zwar unmittelbar in Schwierigkeiten geraten, wenn er die Theorie einer gegebenen Eröffnung nicht kennt, einem Amateur wird das aber beim Spiel mit einem Vertreter der gleichen Klasse kaum zustoßen, es sei denn, einer der Amateure ist sehr stark und hat die Theorie studiert. in einer gegebenen Eröffnungsstellung mögen ein halbes Dutzend Züge brauchbar sein. Zwischen gleichstarken Amateuren ist es eher die Ausnahme als die Regel, wenn sie den besten Zug finden, und oftmals werden sie Züge machen, die fehlerhaft sind und die ein Meister unmittelbar ausnützen würde. Weil aber keiner der beiden Amateure den Fehler bemerkt, neigt sich das Schicksal der Partie oft von einer Seite
Wie sieht es nun aber mit dem „Remistod" aus ? Wie gefährlich ist der Tod des Schachspiels durch das Remis, den Laker und Capablanca befürchteten ? Es wird immer etwas Neues im Schach geben. Schach h a t etwas von der Struktur eines linearen Kontinuums. Auf einen gegebenen Zug wird man immer eine Serie anderer Züge finden, die der Mühe wert sind, untersucht zu werden. Schach ist nicht unendlich, die Anzahl der Möglichleiten in einer Reihe von Zügen von einer gegebenen Stellung ab ist Legion. Daß es immer etwas Neues im Schach geben wird, ist nicht nur eine Sache der Eingebung, sondern auch eine Frage der Erfahrung. Man braucht nur der Schachgeschichte nach den zwanziger Jahren dieses Jahrhundert zu folgen. Der Prozentsatz unentschiedener Spiele h a t in den späteren J a h r e n nicht zugenommen — im Gegenteil. Neue Stile kamen in Mode, insbesondere der der russischen Schule. Das Salonremis ist verbannt
99 worden. Vielleicht kehrt es in diesen Tagen zurück; aber falls das eintritt, wird das kampflose Remis doch wieder verschwinden, wenn auch nicht infolge der Anwendung der berühmten „30-ZügeRegel der FIDE". Während die Zahl der Remispartien in den Wettkämpfen Lasker-Capablanca und Capablanca-Aljechin um 70—80% schwankte, nahm diese Zahl in den späteren Wettkämpfen beträchtlich ab und sank einige Male unter 50%. Auch die Remisen in „gemischten" Turnieren sind immer weniger als die Hälfte gewesen, und die Anzahl der Unentschieden in den Turnieren der Sonderklasse bewegte sich um ein Geringes über der Hälfte der gespielten Partien. All dies ist eingetreten trotz der Tatsache, daß die Unterschiede in der verhältnismäßigen Stärke der Spieler geringer geworden sind, erwiesenermaßen erheblich geringer. Außerdem hat die Zahl der guten Spieler in erstaunlichem Maße zugenommen. Wenn es in früheren Zeiten zwei oder drei Spieler von Weltmeisterformat gegeben hat, kann man heute nicht weniger als zehn Meister namhaft machen, die den Titel sämtlich mit Berechtigung tragen könnten. Früher gab es in der Welt zehn Großmeister, heute wenigstens fünfzig. Dennoch sind Remisen nicht häufiger als sie früher aufzutreten pflegten — weil vielleicht die Gewinntechnik in scheinbar ausgeglichenen Stellungen und die Befähigung, geringe Vorteile zu verwerten, beträchtlich verfeinert worden sind. Noch immer gibt es einen weiten Spielraum für Verbesserungen. Haben die Meister bereits ihr Äußerstes im Schach erreicht ? Spielen sie heute mit maschinengleicher Genauigkeit ? Studiert man ein Endspiel aus der Meisterpraxis, fällt es auf, daß, ohne Ausnahme sogar der Weltmeister, die Spieler schwache Züge machen. Sie beschränken sich im allgemeinen nicht auf einen,
sondern erlauben sich eine ganze Reihe schwacher Züge. Liegt das daran, daß das Endspiel im besonderen so schwierig ist, trotz der geringen Zahl von Steinen und als Folge davon der begrenzten Möglichkeiten? Nein, Schach als ganzes ist so schwierig, doch wir können nur im Endspiel mit seiner beschränkten Zahl von Varianten klar nachweisen, welcher Zug ein Fehler ist und welcher nicht. Endspiele werden oft nach dem Abbruch gespielt, also nachdem die Spieler Zeit hatten, die Stellung zu untersuchen. Unter solchen Umständen treten Fehler nicht so häufig auf; sie können ganz abwesend sein. Man darf jedoch sicher sein, daß auf vollem Brett mit seinen vielen Möglichkeiten auch die größten Meister mit ihrer ausgedehnten Erfahrung und ihrer tiefen Einsicht die richtige Fortsetzung von Zeit zu Zeit verpassen. Was von den schwachen Zügen im Endspiel gesagt worden ist, trifft noch mehr auf das Mittelspiel zu, und wenn ein guter Schachglossator 20 bis 30 Stunden an die Untersuchung einer Meisterpartie wendete, würde er sicher Entdeckungen machen, die nun hinter unserem Unvermögen als Folge unserer ewigen Zeitknappheit versteckt bleiben. Schach ist nicht tot, und der „Remistod", in den zwanziger Jahren so gefürchtet, ist nicht der Remistod des Schachs, sondern der Remistod der Schachspieler. Das ist der Grund, warum ich es als unklug ansehe, die Natur des Schachs nach dem Vorschlag von Capablanca anzutasten. Man sollte kein neues Spiel schaffen, solange das gegenwärtige sich als so schwierig und so weit von einer endgültigen Lösung entfernt erweist. Es ist in diesen Tagen oft behauptet worden, daß das königliche Spiel nicht mehr die individualistischen Eigenschaften besitze, die es einstmals als wahre Kunst erscheinen ließen, weil Schach
100 von einem Computer beherrscht und vollständig mechanisiert werden könne. Untersuchen wir die verschiedenen Gesichtspunkte des Maschinenschachs, um den Wert dieser Behauptung beurteilen zu können. Damit wir die Möglichkeiten und Grenzen des Computerschachs einzuschätzen vermögen, wird es notwendig sein zu erläutern, wie die Maschine arbeitet. Ein Computer besteht im Grunde aus drei Einheiten: 1. Der E i n g a n g , der in dieser oder jener Form (Lochkarten, Magnetband usw.) den Computer mit der Stellung und dem Programm „füttert"'. 2. Die K o n t r o l l e , die aus verschiedenen Teilen besteht, von denen das G e d ä c h t n i s , die Datensammelstelle, das Herz des Computers, f ü r unsere Zwecke der wichtigste Teil ist. 3. Der A u s g a n g , der das Ergebnis der Arbeit des Computers in verständlicher und üblicherweise gedruckter Form herausgibt. Beim Schachspiel gibt der Computer den zu spielenden Zug in der Stellung, die in die Maschine gefüttert wurde, schriftlich an. Um den Computer zum Schach vorzubereiten, ist es notwendig, ihn mit allen erforderlichen Daten zu versorgen, die die Regeln des Spiels und Abertausende von Anweisungen zu den verschiedenen Schachprinzipien betreffen. Man kann ihn auch mit einer Anzahl von Zugfolgen f ü r die Eröffnung versehen, so daß er beim Partiespiel eine Reihe von Zügen aus dem „Gedächtnis" abrufen kann, ohne die Spielprinzipien anwenden zu müssen, mit denen er in Form von Anweisungen gefüttert worden ist. Die Gesamtsumme all dieser Daten nennt man das P r o g r a m m . Außerdem wird der Maschine die Stellung gegeben, f ü r die sie den zu spielenden Zug ausarbeiten soll, oder sie ändert, falls sie die
Partie von Anfang an spielt, fortlaufend selbst die Stellung entsprechend den gespielten Zügen. H a t die Maschine einmal das Programm, kann sie an einer gegebenen Stellung arbeiten. Sie untersucht mit erstaunlicher Geschwindigkeit zahllose Möglichkeiten, man darf aber nie außer acht lassen, daß der Computer nur nach d e n Regeln und Anweisungen spielen wird, die ihm eingegeben worden sind. Sind Fehler oder auch nur Lücken vorhanden, wird die Maschine kein perfektes, sondern ein stumpfsinniges Schach spielen und dabei dennoch die vorhandenen Informationen immer logisch anwenden. Als Schachspieler hat der Computer die folgenden Vorteile gegenüber dem Menschen: 1. Er ermüdet nie. 2. E r reagiert auf keine Gemütsbewegungen, regt sich nie auf. 3. Er arbeitet mit blitzartiger Geschwindigkeit. 4. Er vergißt oder übersieht keine Daten, die ihm gegeben worden sind. Der Computer h a t aber auch, verglichen mit dem schachspielenden Menschen, bemerkenswerte Nachteile, wie bald offenbar werden wird. Versuchen wir nun zu beschreiben, wie der Mensch den Computer so programmieren kann, daß er in der Lage ist, Schach zu spielen. Auf diese Weise werden wir nicht nur die Gefahr des „Maschinentodes" genauer einschätzen können, sondern es werden sich auch neue Argumente für den Reichtum und die Lebenskraft des Schachs einstellen. Eine Schachstellung kann dem Gedächtnis des Computers auf verschiedene Weise einverleibt werden. Am einfachsten ist es, jeder Schachfigur eine festgelegte Zahl im „Gedächtnis" zuzuordnen, z. B. weißer K an Platz 2000 (das „Gedächtnis" besteht aus numerierten Plätzen).
101 E s ist nötig anzudeuten, wie die Maschine eingerichtet ist, d a m i t sie legale Züge a n g e b e n k a n n ; der elementarste Teil des S c h a c h p r o g r a m m s besteht jedoch darin, der Maschine die D a t e n einzuverleiben, die ihr erlauben anzuzeigen, welche Züge legal u n d daher möglich sind, eingeschlossen Schlagfälle, Rochade, E n - p a s s a n t - S c h l a g e n usw. Wir wollen einmal annehmen, d a s in die Maschine g e f ü t t e r t e P r o g r a m m bestände nur aus den Spielregeln. Der Leser wird d a r a n ersehen, welch gewaltige A u f g a b e es ist. einen Computer so zu programmieren, d a ß er S c h a c h zu spielen v e r m a g , und welche zahllosen Probleme sich ergeben. Wir wollen nun den Zug 1. e2—e4 f ü r die Maschine machen und 1. . . . e7—eö f ü r den menschlichen Gegner u n d die Maschine fragen, worin die beste Antwort f ü r Weiß besteht. W7as w ird passieren ? G a r nichts! Die Maschine könnte uns alle legalen Züge angeben, ihr fehlen jedoch die Anweisungen, die ihr ermöglichen, eine W a h l zu treffen. Wir wollen nun auf die Weise d a s P r o g r a m m erweitern, daß der Maschine beigebracht wird, den Zug zu. machen, der dem Weißen ermöglicht, die größtmögliche Zahl von Feldern zu beherrschen (der R a u m k o n t r o l l - F a k t o r ) . Wieder werden die Z ü g e 1. e2—e4 e7—eö gespielt, u n d die Maschine wird nach dem nächsten Zuge g e f r a g t . Der K a l k u l a t o r berechnet nun blitzschnell die erhöhte Raumkontrolle nach j e d e m legalen Zuge. E r entdeckt, daß 2. S b l — c 3 die K o n trolle u m vier Felder vermehrt. 2. S g l — f 3 um f ü n f . N u n ergeben sich aber eine Reihe von F r a g e n , die den Programmierer plagen. I s t F e l d e4 als kontrolliert anzusehen, wenn ein weißer B a u e r d o r t steht ? (Dasselbe gilt f ü r F e l d e5 auf Seiten des Schwarzen.) Soll m a n d4 als v o m weißen Springer beherrscht ansehen, wenn ein schwarzer B e 5 den weißen Springer schlagen könnte, wenn er nach
d4 ginge ? Zählen wir den Angriff eines weißen L c 4 auf den P u n k t f7, wenn f 7 verteidigt ist ? Solche P r o b l e m e und viele weitere müssen v o m P r o g r a m m i e r e r erwogen und entschieden werden, wenn er dem C o m p u t e r Anweisungen gibt. Nehmen wir aber a n . d a ß alle diese F r a g e n untersucht u n d über sie beschlossen worden ist u n d die entsprechenden D a t e n dem C o m p u t e r einverleibt worden sind. Die Maschine berechnet rasch den R a u m k o n t r o l l f a k t o r aller legalen Züge und schreibt nun 2. D d l — h o als den Zug auf. der die größte Anzahl von Feldern beherrscht. D a s führt zu einem neuen Problem beim P r o g r a m mieren. Die frühzeitige Entwicklung der D a m e wird im allgemeinen nicht als gut angesehen. Die Anweisungen sind entsprechend zu ändern. Wir könnten d e m Computer willkürlich vorschreiben, die von der D a m e beherrschten Felder nur zur Hälfte oder zu einem Drittel zu zählen. E s gibt aber noch andere Gesichtspunkte, die bei der S u c h e der Maschine nach dem besten Zuge beachtet werden müssen. Wir wissen alle, daß es besonders in der E r ö f f n u n g wichtiger ist, Zentralfelder zu beherrschen a l s seitliche Felder. ¡So könnten wir die Maschine lehren, die K o n t r o l l e der .Mittelfelder doppelt zu zählen. D a n n taucht der F a k t o r des Zuges auf. der eine Drohung aufstellt und der im allgemeinen wünschenswerter ist als ein ruhiger Zug. Wir könnten daher die Vorschrift hinzusetzen: F ü g e S o n d e r p u n k t e hinzu f ü r einen Zug. der eine feindliche F i g u r angreift. Aber der Angriff auf eine F i g u r höheren Wertes ist machtvoller als der Angriff auf eine Figur geringeren Wertes, und der Angriff auf eine ungedeckte F i g u r ist bedeutungsvoller als auf eine gedeckte. Wir müssen wiederum der Maschine beibringen, solchen Angriffszügen einen höheren Wert beizumessen. E s ist daher notwendig, eine F o r m e l zu entwickeln, die alle F a k t o r e n ein-
102 bezieht, die für die Einschätzung eines Zuges erforderlich sind und die Maschine zu lehren, diese Formel für alle legalen Züge anzuwenden und den Zug mit dem höchsten Wert schriftlich zu fixieren. Dabei darf nicht vergessen werden, daß die vom Programmierer willkürlich jedem Faktor zugeordneten Werte nicht absolut zutreffend zu sein brauchen, und daß die Maschine sich entsprechend irren wird. Nehmen wir an, das RaumkontrollProgramm sei nun vervollständigt und alle Faktoren berücksichtigt worden. Wiederum ziehen wir 1. e2—e4 e7—e5 und der Maschine wird befohlen, den zweiten Zug anzugeben. Wahrscheinlich wird sie den Zug 2. S g l — f 3 herausgeben, denn auf f3 beherrscht der Springer zwei Mittelfelder und greift den ungeschützten Be5 an. Der menschliche Gegenspieler antwortet 2. . . . Sb8—cß, und, nachdem die Maschine die Veränderung der Figurenstellung in ihrem Gedächnis entsprechend registriert hat, wendet sie erneut ihre Formel für alle möglichen Züge an und schreibt 3. L f l — b 5 . Dieser Zug erhöht die Anzahl der kontrollierten Felder nicht in besonders großem Maße, bedroht jedoch den schwarzen Springer, und wir haben die Formel so ausgelegt, daß der Computer für L f l — c 4 weniger. Punkte erhält "als für L f l — b 5 . Schwarz antwortet nun 3. . . . a7—aß. Der Computer registriert die neuen Veränderungen. definiert und vergleicht die Anzahl der beherrschten Felder und antwortet wahrscheinlich 4. d2—d4, das eine Figur kostet ( a 6 x b 5 ) ; denn das einzige Kriterium unseres gegenwärtigen Programms liegt in der Raumkontrolle. Wir haben vergessen, daß die Behauptung des Materials noch weit wichtiger ist. Wir bemerken nun, daß unser Programm in seiner gegenwärtigen Form wenig befriedigt. Wir müssen ganz von vorn anfangen und ein neues Programm entwickeln, das vom Material ausgeht,
und wir müssen die Maschine lehren, das Materialprogramm zuerst zu berücksichtigen. Wir bringen daher der Maschine bei, daß sie zuerst dann das Raumkontroll-Programm einschaltet, wenn sie sich überzeugt hat, daß nichts zu gewinnen oder zu verlieren ist. Unser Raumkontroll-Programm bleibt also erhalten, wird jedoch dem Materialprogramm untergeordnet. Zur Entwicklung des Materialprogramms gehört, daß der Computer eine Anzahl von Fragen berücksichtigt: Kann ich die gegnerische Figur schlagen ? Kann mein Gegner irgend etwas nehmen ? Mit welchen Folgen ? Die Berechnung der Folgen eines gegebenen Zuges ist ein neues Element im Programm. Der Computer könnte wie folgt unterrichtet worden sein: Erwäge jeden Zug, der etwas schlägt, dann betrachte in den sich ergebenden Stellungen jeden Schlagzug des Gegners. Fahre fort, bis in dieser Zugreihe nichts mehr zu nehmen ist. Eine Zugserie könnte lediglich aus zwei Zügen bestehen, eine andere aus 11 (6 weißen, 5 schwarzen). Der Computer zählt alle diese Varianten auf und untersucht ihre Ergebnisse in materieller Hinsicht. Mit Hilfe des sogenannten „Minimax-Verfahrens" (zu schwierig, um es hier zu erläutern) ist der Computer in der Lage, das im materiellen Sinne beste Abspiel zu erarbeiten. Ist das Ergebnis dieses Abspiels günstig, d. h. gewinnt der Computer zwangsläufig Material, gibt er den ersten Zug dieser Variante schriftlich heraus. Ob die berechnete Zugfolge fortgesetzt wird, hängt von der Antwort des Gegners ab. Mit dem Programm, das die Materialund die Raumkontroll-Faktoren einschließt. wollen wir nun die Partie neu beginnen. 1. e2—e4 e7—e5. Der Computer durchmißt seine Anweisungen und untersucht zunächst die materiellen Aspekte. Nichts ist zu schlagen. Dann schaltet er auf Raumkontrolle um. Er entscheidet
103 sich, wie zuvor, für 2. Sgl—f3, und Schwarz antwortet 2. . . . Sb8—cß. Wieder f ü h r t der Computer zuerst die Vorschriften des materiellen Programmteils durch. Er überlegt 3. S f 3 x e 5 S c 6 x e 5 , nur eine Variante. Er entscheidet: „Kein Materialvorteil — im Gegenteil". Er lehnt den Zug 3. S f 3 x e 5 ab und schaltet auf das RaumkontrollProgramm über. Wie zuvor spielt der Computer 3. LfL—b5, und Schwarz antwortet 3. . . . a7—a6. Der Computer beginnt, die Schlag Varianten zu berechnen: 4. L b 5 x c 6 b 7 x c 6 S. S f 3 x e 5 und 4. Lb5 X c6 d7 X c6 5. S f 3 x e 5 . Jeweils sind es zwei Varianten mit 3 Zügen. Der Computer, stellt fest, daß Weiß in beiden Varianten einen Bauern erobert und gibt den Zug 4. Lb5 X c6 heraus. Schwarz antwortet 4 . . . . d7 x c6, und der Computer bleibt bei seiner vorberechneten Zugfolge und schreibt 5. S f 3 x e 5 . Schwarz antwortet nun 5. . . . Dd8—d4. Die Maschine ist am Zuge. Sie muß eine ganze Anzahl von Möglichkeiten untersuchen, wie 6. S e 5 x c 6 D d 4 x e 4 f oder gar 6. . . . D d 4 x f 2 f ? ? usw. Wir können jedoch dem Computer beibringen, einen gegebenen Schlagzug auszuscheiden, wenn der Gegner wenigstens eine Antwort hat, die f ü r den Schlagenden nachteilig wäre, in diesem Falle f ü r den Computer. I n unserer Stellung genügt auf 6. S e 5 x c 6 die Antwort b 7 x c 6 dem Computer, und er hält sich mit der Untersuchung von Zügen wie 6. . . . Dd4 X f 2 + ? 7. K e l X f2 b 7 x c 6 , die tatsächlich f ü r den Computer günstig wären, nicht auf. Eines der großen Probleme des Schachprogrammierens besteht darin, wie der Apparat daran zu hindern sei, sämtliche meist sinnlosen Züge zu prüfen, die kein menschlicher Spieler, ob stark oder schwach, je in Betracht ziehen würde. Kehren wir zum Diagramm zurück. Der Computer h a t entdeckt, daß in diesem Falle sein Materialprogramm einen
Verteidigungszug erfordert, weil Se5 und Be4 bedroht sind. Er wird ferner das Raumprogramm bemühen, um die Wahl zwischen den möglichen Springerzügen entsprechend zu treffen. Nehmen wir an, er zieht 6. Se5—f3; es gibt viele Wege, den Se5 aus der Gefahrenzone zu entfernen, doch befindet sich darunter keine, die zugleich den Be4 verteidigt. Wir wollen die Partie nicht weiter fortsetzen. Die gezeigten Züge verfolgten den Zweck, die vielgestaltigen Probleme zu zeigen, die sich beim Programmieren stellen und die seltsamen Dinge, die der Computer t u n wird, wenn er nicht f ü r jeden Schritt seines Weges bestimmte Anweisungen mitbekommen hat. H ä t t e n wir den Computer von Anfang an mit Eröffnungstheorie gefüttert, brauchte er alle diese Entscheidungen nicht zu treffen, sondern einfach mit der jeweiligen theoretischen Antwort herauszukommen. Sobald aber der Gegner von der Theorie abwiche, müßte die Maschine sich an Prinzipien halten, und das gleiche trifft auf das sich anschließende Mittelspiel zu. Die Bemühungen, eine Maschine f ü r das Schachspiel zu programmieren, stekken noch in den Kinderschuhen. Ein Gremium, das aus den Professoren Barzin (Brüssel), Berge (Paris), Dr. Euwe (Amsterdam), de Groot (Amsterdam) Le Lionnais (Paris), Dr. Moulart (Liège) und dem früheren belgischen Meister Van Seters zusammengesetzt ist, ist mit der Aufgabe des Schachprogrammierens betraut worden. Dr. Moulart hat auf erfindungsreiche Weise ein ausgedehntes Materialprogramm, sein Sondergebiet, entwickelt. Nach zwei Jahren Arbeit kam die Forschung jedoch zum Stillstand. Bisher war keine Gelegenheit, das Programm zu überprüfen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß ein so ausgedehntes Programm immer bestimmte Fehler aufweist. Wahrscheinlich könnten diese Fehler in verhältnismäßig kurzer Zeit ausgemerzt werden; aber es wird immer
104 wieder neue Probleme geben, irgendeinen Aspekt des Spiels, der beim Programmieren der Maschine übersehen worden ist. Es leuchtet wohl ein, daß das Programmieren der Maschine eine gewaltige, in vieler Hinsicht endlose und vielleicht hoffnungslose Aufgabe ist. Wir haben eine festgelegte Methode, die materielle Seite des Schachs abzumessen, und die Maschine vermag entsprechend zu reagieren. Auch das Abzählen beherrschter Felder ist eine feststehende Angelegenheit. Wenn wir jedoch annehmen, eine materielle Überlegenheit und' ein Raumvorteil sind erreicht. Sind wir dann sicher, im Vorteil zu sein ? Sicher nicht. Wir haben möglicherweise schwache Bauern, eine offene Königsstellung, die als Gegengewichte auftreten könnten. Wie sollen aber nun diese Faktoren eingeschätzt werden? Außerdem fehlen der Maschine Kenntnisse, die den Königsangriff und andere strategische Begriffe, Endspieltechnik usw. angehen. Wollen wir das Programm verbessern, müssen wir neue Formeln entwickeln, die das gesamte Feld des Schachspiels umfassen und den bereits, vorhandenen hinzugefügt werden. Wir können sicher in dieser Richtung Fortschritte machen, indem wir Abertausende von Standardpartien der Schachgeschichte studieren. Wir könnten vielleicht annehmen, daß zwei schwache Bauern den Wert von 1 % Bauern haben, daß wir eine Figur opfern können, um die gegnerische Königsstellung in einer gegebenen Weise aufzubrechen. Wer kann aber sicher sein, daß die für diese verschiedenen Begriffe willkürlich angesetzten Werte genau zutreffen ? Schach ist mehr als bloße Berechnung, mehr als nur die Anwendung einer Reihe von Grundsätzen. Wenn wir die großen Partien der Schachliteratur untersuchen, stellen wir fest, daß es ein Element der Persönlichkeit, der Kunst gibt. Oft steht mehr als eine gute Möglichkeit zur Ver-
fügung, und die vom schachspielenden Menschen gewählte entspricht seinem Temperament. Großes Schach ist eine Sache der schöpferischen Eingebung und nicht nur der Anwendung einer Reihe von Prinzipien, wenngleich feststehende Prinzipien ihre Rolle in einer Schachpartie spielen. Schach ist bis zu einem bestimmten Grade in Formeln zu fassen (Material, Raumkontrolle usw.), uns wird jedoch niemals gelingen, Formeln für sämtliche Schachsituationen zu finden. Es mag also wohl sein, daß ein Computer mit einem Programm wie oben beschrieben einen Punkt erreichen wird, an dem er eine brauchbare Partie Schach zu spielen in der Lage sein wird. Der Computer wird sich aber nie über den guten Amateur erheben, der treu und brav die besten vorhandenen Lehrbücher studiert hat — das heißt gerade das Material, das wir beim Programmieren des Computers verwendet haben. Der gute Amateur, dem die schöpferische Eingebung fehlt, wird es nie zum Meister bringen, und darum wird auch der Computer, dem es an Eingebung und schöpferischer Kraft fehlt, nie die Schwelle des Amateurstadiums überschreiten. Seit es Schachtechnik gibt, ist sie in nahezu geometrischer Progression fortgeschritten. Insbesondere das vergangene Jahrhundert ist gekennzeichnet durch Wechsel und Neuerungen in der Schachtechnik. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte das Kombinationsspiel vor. Mit Morphy trat rasche Figurenentwicklung und Beherrschung der Mitte hinzu. Steinitz bereicherte die Schachtheorie durch seine Auffassung vom Positionsspiel, seine Königsangriffe und weiteres. Tarrasch schuf eine Art Schule, die durch Entwicklungszüge gekennzeichnet war. Lasker führte die Psychologie in das Schachspiel ein. Capablanca zeigte unter anderem, wie man zu einem günstigen Endspiel vereinfachen konnte. Aljechin wandte sich dem kombi-
105 natorischeren Stil zu. Mein eigener Beitrag bestand darin, strategisches Spiel auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Nimzowitsch führte neue Ideen ein, die er in seinem Buche ..Mein System" beschrieb, ein gleiches tat Réti in seinen Werken. Dann kam die moderne russische Schule mit ihrem sc-harfen Spiel. Mit Verteidigungen wie der Sizilianischen oder der Königsindischen braucht Schwarz nicht mehr wie in der Vergangenheit einen Eröffnungsnachteil als gegeben anzusehen. Im vergangenen Jahrzehnt haben uns die Meister so verschiedenartige
Schachstile wie die von Botwinnik, Tal. Petrosjan und Bobby Fischer beschert. Die letzten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Spielauffassungen und den vielfältigen Versuchen, neue Waffen im Kampf zu entwickeln, zeigen an. daß das Schachspiel wirklich noch längst nicht ausgespielt ist, daß es fortfährt ein lebendiges, dynamisches und sich immer erneuerndes Spiel zu sein. Schach hat viele Schattierungen; es ist so reich, daß es sich auf Tausende von Jahren 'erhalten wird.
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