Der Sachwalter in der Eigenverwaltung 9783814557137

Das Sanierungsverfahren des Traditionsverlags Suhrkamp hat ein Schlaglicht auf Neuerungen im Insolvenzverfahren geworfen

131 57 1MB

German Pages 220 [221] Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Der Sachwalter in der Eigenverwaltung
 9783814557137

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Rattunde/Stark Der Sachwalter

ZIP Praxisbuch 9

Der Sachwalter 2015

von RA Notar Prof. Rolf Rattunde, Berlin RA Jesko Stark, Berlin

unter Mitarbeit von Dr. Nicolai Kaniess, Berlin

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2015 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) zu vervielfältigen. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort Viele Monographien, die aktuell erscheinen, bedürfen angesichts zahlloser bereits vorhandener Publikationen der Rechtfertigung. Bei einem Buch über den Sachwalter ist das anders. Es wäre aus praktischer Sicht nachgerade rechtfertigungsbedürftig, es nicht zu schreiben. Denn beim Sachwalter als zentralem Organ des Eigenverwaltungsverfahrens liegt nach wie vor Vielerlei im Dunklen. Weder sind seine Aufgaben, Befugnisse und Haftungsgefahren durch die Rechtsprechung geklärt, noch durch die rechtswissenschaftliche Diskussion klar konturiert. Dies hat die Arbeit der Verfasser in Verfahren der Eigenverwaltung bislang verkompliziert. Selbst zentrale Fragen wie jene nach der Begründung von Masseverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung oder der Vergütung des vorläufigen Sachwalters werden noch nicht einheitlich beantwortet. Dabei wird die Eigenverwaltung in der insolvenzrechtlichen Realität immer bedeutsamer. Wurde sie anfangs nur durch einige wenige Großverfahren bekannt, so hat sie sich durch das Inkrafttreten wichtiger Änderungen mit dem ESUG zum 1. März 2012 zu einem Institut entwickelt, das insbesondere von Schuldnern im Rahmen von Eigenanträgen zunehmend stärker favorisiert wird. Daher ist der Praktiker gut beraten, sich mit den einschlägigen Anforderungen an die Sachwaltung vertraut zu machen. Getreu dem von Kurt Lewin geprägten Wort, das eine gute Theorie die beste Praxis sei, will dieses Buch die auftretenden praktischen Fragen auf ein einheitliches dogmatisches Konzept der Sachwaltung, Kontrolle und Aufsicht zurückführen. Damit will es nicht nur für die bislang aufgetretenen, sondern auch für derzeit noch unbekannt gebliebene Fragen Lösungsleitlinien an die Hand geben. Für die unermüdliche, zuverlässige und hochwertige Mitarbeit im Rahmen dieses Buchprojektes danken wir herzlich Herrn Dr. Nicolai Kaniess.

Berlin, im Dezember 2014

Rolf Rattunde Jesko Stark

V

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis ................................................................................... XIII A. Einleitung ..................................................................................... 1 ........ 1 I.

Regelungskern und Historie ........................................................ 2 ........ 1

II. Praktische Bedeutung ................................................................... 4 ........ 1 III. Vorteile der Eigenverwaltung ...................................................... 7 ........ 2 IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung .................................. 9 ........ 3 1. Rechtliche Eingrenzung ........................................................ 9 ........ 3 2. Praktische Eingrenzung ...................................................... 13 ........ 4 V. Varianten der Eigenverwaltung .................................................. 1. Eröffnetes Verfahren .......................................................... a) Anfängliche Eigenverwaltung ..................................... b) Nachträgliche Eigenverwaltung .................................. 2. Vorläufige Eigenverwaltung ............................................... a) Regelfall gem. § 270a InsO ......................................... b) Schutzschirm gem. § 270b InsO .................................

20 21 21 25 28 28 31

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

6 7 7 7 8 8 9

B. Die Person des Sachwalters ...................................................... 38 ...... 13 I.

Anforderungen an die Person .................................................... 1. Grundlagen .......................................................................... 2. Allgemeine Eignung ............................................................ a) Geschäftskunde ........................................................... b) Büro-Infrastruktur ...................................................... c) Auslandsbezug ............................................................. d) Ortsnähe zum Schuldner ............................................ e) Zeitaufwand ................................................................. f) Persönlichkeitsstruktur ............................................... g) Erfahrung ..................................................................... 3. Unabhängigkeit ................................................................... a) Vorschlag und Beratung in allgemeiner Form ........... b) Sonstige Umstände ......................................................

40 40 43 44 46 48 50 52 53 55 57 59 63

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

13 13 14 14 15 15 15 16 16 17 17 18 19

II. Auswahl und Bestellung ............................................................. 1. Auswahlermessen des Gerichtes ........................................ a) Ermessensmaßstäbe ..................................................... b) Einschränkung durch Vorschlag ................................. c) Weiteres Verfahren ......................................................

67 68 68 72 76

...... ...... ...... ...... ......

20 20 20 21 22

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

3.

Einflussnahme durch die Gläubiger ................................... 78 a) Vorläufiger Gläubigerausschuss ................................. 79 aa) Arten des Gläubigerausschusses ........................ 81 bb) Beschlüsse des Gläubigerausschusses ................ 83 cc) Praktische Handhabung ..................................... 87 b) Gläubigerversammlung ................................................ 92 Einflussnahme durch den Schuldner .................................. 95 a) Schutzschirmverfahren ................................................ 96 b) Koordination mit den Gläubigern ............................ 100 aa) „Mitgebrachter Gläubigerausschuss“ ............... 101 bb) Praktische Umsetzung ..................................... 104

III. Überwachung des Sachwalters ................................................. 1. Aufsicht des Insolvenzgerichtes ...................................... a) Informationsrechte .................................................... b) Sanktionsmöglichkeiten ............................................ 2. „Aufsicht“ der Gläubiger .................................................. a) Informationsrechte .................................................... aa) Rechte der Gläubigerversammlung .................. bb) Rechte des (vorläufigen) Gläubigerausschusses ........................................ b) Sanktionsmöglichkeiten ............................................ aa) Anregung gerichtlicher Sanktionen ................. bb) Aufhebung eines Schutzschirmes .................... cc) Beschränkung nach § 277 InsO ....................... dd) Aufhebung der Eigenverwaltung .....................

Seite

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

23 23 23 25 27 28 29 29 30 30 31

110 111 112 115 118 119 120

...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

33 33 33 34 35 35 36

123 126 126 127 130 132

...... ...... ...... ...... ...... ......

36 37 37 37 38 38

C. Aufgaben und Kompetenzen ................................................. 135 ...... 41 I.

Grundsatz .................................................................................. 135 ...... 41

II. Der Schuldner ........................................................................... 1. Allgemeines ....................................................................... 2. Verwaltung und Verteilung der Masse ............................. a) Grundsatz ................................................................... b) Verwertung der Masse ............................................... c) Entnahme aus der Masse ........................................... d) Keine Freigabe von Massegegenständen .................. 3. Betriebsfortführung .......................................................... a) Begründung von Masseverbindlichkeiten ................ aa) Problemaufriss .................................................. bb) Lösungsansatz ................................................... cc) Erteilung der Einzelermächtigung ................... b) Lieferungen und sonstige Leistungen ....................... c) Insolvenzgeldvorfinanzierung .................................. d) Steuerzahlungen ......................................................... e) Sozialversicherungsbeiträge ...................................... VIII

140 140 145 145 147 151 154 156 159 159 163 171 175 179 183 190

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

42 42 43 43 44 45 46 46 47 47 49 52 53 55 56 58

Inhaltsverzeichnis Rn.

4. 5.

6.

7.

8.

Buchführungspflichten ..................................................... Gegenseitige Verträge und Dauerschuldverhältnisse ...... a) Grundsatz ................................................................... b) Einzelne Maßnahmen ................................................ aa) Wahlrecht gem. §§ 103 InsO ........................... bb) Sonderkündigungsrecht bei Mietverträgen gem. § 109 InsO ................................................ cc) Sonderkündigungsrecht bei Dienstverträgen gem. § 113 InsO ................................................ dd) Erlöschen von Rechtsverhältnissen gem. §§ 115 ff. InsO .................................................. Prozessführungsbefugnisse .............................................. a) Grundsatz ................................................................... b) Unterbrechung und Aufnahme ................................ Handlungen von besonderer Bedeutung für das Verfahren ............................................................... a) Einholung der Zustimmung ...................................... b) Die besondere Bedeutung ......................................... c) Anwendbarkeit im Eröffnungsverfahren ................. Informations-, Berichts- und Anzeigepflichten .............. a) Gegenüber dem Sachwalter ....................................... b) Gegenüber den Gläubigern ....................................... c) Gegenüber dem Gericht ............................................

III. Der Sachwalter .......................................................................... 1. Originäre Aufgaben .......................................................... a) Führen der Tabelle, § 270c ........................................ aa) Eröffnungsbeschluss ......................................... bb) Anmeldung, Vorprüfung und Niederlegung ... cc) Prüfungs- und Feststellungsverfahren ............. dd) Verteilung, Prüfung und Erklärung ................. b) Anzeige von Masseunzulänglichkeit und Massearmut ......................................................... aa) Masseunzulänglichkeit ...................................... (1) Anzeige durch den Sachwalter .................. (2) Anzeige durch den Schuldner ................... bb) Massearmut ....................................................... c) Insolvenzplan: Ausarbeitung, Beratung, Überwachung ............................................................. aa) Allgemeines ....................................................... bb) Regelungsgehalt des § 284 InsO ...................... cc) Berechtigung zur Planvorlage .......................... dd) Auftrag, Beratung und Stellungnahme ............ ee) Überwachung .................................................... d) Die Regelung des § 280 InsO ................................... aa) Insolvenzanfechtung ........................................

197 199 199 202 202

Seite

...... ...... ...... ...... ......

61 62 62 63 63

204 ...... 64 206 ...... 64 208 211 211 212

...... ...... ...... ......

64 65 65 65

216 217 220 221 223 223 224 227

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

67 67 68 68 69 69 69 70

229 232 232 234 236 239 243

...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

71 72 72 72 72 73 74

249 251 251 254 258

...... ...... ...... ...... ......

76 76 76 77 78

262 262 264 267 270 276 278 280

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

79 79 80 81 82 83 84 84 IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

X

(1) Allgemeines ............................................... (2) Geltendmachung ....................................... bb) Ansprüche nach §§ 92, 93 InsO ....................... (1) Allgemeines ............................................... (2) Gesamtschadensersatz gem. § 92 InsO .... (3) Gesellschafterhaftung gem. § 93 InsO ..... (4) Haftungsansprüche des Schuldners .......... Schuldnerbezogene Aufgaben .......................................... a) Aufsichtsaufgaben ..................................................... aa) Grundlagen ........................................................ bb) Gegenstand der Kontrolle ................................ (1) Verhältnis der Kontrollgegenstände zueinander .................................................. (2) Masseverwaltung ....................................... (3) Geschäftsführung ...................................... (4) Ausgaben für die Lebensführung ............. (5) Wirtschaftliche Lage .................................. cc) Maßnahmen der Kontrolle und Aufsicht ........ (1) Informationsrechte ................................... (a) Schuldnerische Pflichten ................. (b) Rechte des Sachwalters ................... (2) Kein allgemeines Weisungsrecht .............. (3) Prüfung von Verzeichnissen und Schlussrechnung ........................................ (a) Allgemeines ..................................... (b) Maßstab der Prüfung ...................... (c) Schriftliche Erklärung ..................... (d) Eidesstattliche Versicherung durch Schuldner ............................... (4) Anzeige von Nachteilen für die Gläubiger .................................................... (a) Der Begriff des Nachteils ................ (b) Fallgruppen für Umstände .............. (c) Beziehung zwischen Umstand und Nachteil .................................... (d) Erfüllung der Anzeigepflicht .......... (5) Anzeige bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ..................................................... (6) Stellungnahme und (Zwischen-)Berichterstattung .................................................. (a) Stellungnahme zum Schuldnerbericht .............................................. (b) Sonstige Berichterstattung .............. (7) Übernahme der Kassenführung ................ (a) Entscheidung zur Übernahme ........

Seite

280 282 287 287 290 293 295 299 299 299 305

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

84 85 86 86 87 88 88 89 89 89 91

305 311 318 323 327 333 333 335 339 344

...... 91 ...... 92 ...... 95 ...... 97 ...... 98 .... 100 .... 100 .... 100 .... 101 .... 103

345 345 347 352

.... .... .... ....

103 103 103 105

354 .... 105 356 .... 106 357 .... 106 363 .... 108 367 .... 109 372 .... 111 380 .... 113 382 .... 114 382 384 388 388

.... .... .... ....

114 114 115 115

Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

4. 5.

Wirkung der Übernahme (Sachwalter) ..................................... (c) Wirkung der Übernahme (Schuldner) ...................................... (d) Ausgestaltung der Kassenführung ... b) Mitwirkungsaufgaben ................................................ aa) Zustimmungs- und Widerspruchsrechte ......... (1) Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb ............... (a) Eingehen einer Verbindlichkeit ...... (b) Gewöhnlichkeit für den Geschäftsbetrieb .............................. (c) Widerspruch und Wirkung ............. (d) Zustimmung und Wirkung ............. (2) Gerichtliche Anordnung ........................... (a) Inhalt der Anordnung ..................... (b) Zustimmung und Wirkung ............. (3) Zahlungszusagen ....................................... (a) Auslegung der Erklärung ................ (b) Garantie und Auskunft ................... (c) Handhabung in der Eigenverwaltung .............................. (4) Problem der Anfechtbarkeit ..................... (a) Entwicklung in der Rechtsprechung ............................... (b) Übertragung auf die Eigenverwaltung .............................. (c) Ausnahmen vom Grundsatz ........... (5) Änderung der Geschäftsleitung ................ (a) Begriff der Geschäftsleitung ........... (b) Zustimmung und Wirkung ............. bb) Einvernehmen durch den Schuldner ................ cc) Beratung ............................................................ (1) Rechtliche Rahmenbedingungen .............. (2) Entscheidung über den Beratungsumfang ....................................... (3) Handhabung der Beratung ........................ Änderung der Aufgabenverteilung .................................. a) Gerichtliche Änderung .............................................. b) Änderung durch die Gläubiger ................................. Nicht geregelte Fälle ......................................................... Tabellarische Übersicht ....................................................

Seite

(b)

393 .... 117 398 .... 118 400 ..... 119 405 .... 120 407 .... 121 407 .... 121 408 .... 121 413 419 426 434 438 444 450 451 454

.... .... .... .... .... .... .... .... ....

122 125 127 129 130 132 133 133 134

457 .... 135 463 .... 136 464 .... 136 466 471 472 474 477 481 487 487

.... .... .... .... .... .... .... ....

137 138 139 140 140 141 143 143

491 496 499 500 501 506 508

.... .... .... .... .... .... ....

143 145 147 148 150 151 152

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten ....................................... 509 .... 155 I.

Grundlagen ............................................................................... 509 .... 155

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners ............................ 1. Schuldner als Haftungssubjekt ......................................... 2. Organwalter des Schuldners als Haftungssubjekt ........... a) Insolvenzrechtliche Haftung .................................... b) Gesellschaftsrechtliche Haftung ............................... aa) Binnenhaftung für sorgfaltswidriges Verhalten ........................................................... bb) Binnenhaftung für Masseschmälerung ............ c) Steuerliche Haftung ................................................... d) Vertragliche Haftung ................................................. e) Deliktische Haftung .................................................. III. Haftung des Sachwalters .......................................................... 1. Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten gem. § 60 InsO ........................................................................... a) Haftung nur gegenüber Beteiligten .......................... b) Pflichtenkonzeption und Verschulden ..................... c) Katalog insolvenzspezifischer Pflichten ................... aa) Originäre Pflichten ........................................... bb) Schuldnerbezogene Pflichten ........................... d) Geltendmachen des Schadensersatzes ...................... 2. Nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten gem. § 61 InsO ........................................................................... a) Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO ................. b) Analoge Anwendung nach Eröffnung ...................... c) Analoge Anwendung vor Eröffnung ........................ 3. Steuerliche Haftung ..........................................................

Seite

511 511 516 517 521

.... .... .... .... ....

155 155 156 156 157

521 523 527 533 535

.... .... .... .... ....

157 158 159 160 161

538 .... 162 540 541 543 548 549 551 554

.... .... .... .... .... .... ....

162 162 163 165 165 167 170

556 558 561 564 568

.... .... .... .... ....

171 171 172 173 174

E.

Vergütung des Sachwalters .................................................... 574 .... 177

I.

Allgemeines ............................................................................... 575 .... 177

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren ................................ 1. Regelsatz und seine Berechnungsgrundlage .................... 2. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) ................ 3. Auslagen ............................................................................

579 579 584 590

.... .... .... ....

178 178 179 181

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren ................................. 1. Der Regelsatz ................................................................... 2. Die Berechnungsgrundlage ............................................... 3. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) ................ 4. Auslagen ............................................................................

595 595 605 611 614

.... .... .... .... ....

183 183 186 188 189

Stichwortverzeichnis .................................................................................. 191

XII

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier (Hrsg.) Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl., 2014 (zit.: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Bearbeiter, FAK-InsO) Andres/Leithaus (Hrsg.) Insolvenzordnung Kommentar, 3. Aufl., 2014 (zit.: Andres/Leithaus/Bearbeiter, InsO) Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e. V. (Hrsg.) Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2009 (zit.: Bearbeiter, Kölner Schrift) Baumbach/Hueck (Hrsg.) GmbHG Kommentar, 20. Aufl., 2013 (zit.: Baumbach/Hueck/Bearbeiter, GmbHG) Blersch/Goetsch/Haas (Hrsg.) Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Loseblatt, Stand: März 2014 (zit.: Blersch/Goetsch/Haas/Bearbeiter, BerlKo-InsR) Bley/Mohrbutter Vergleichsordnung Kommentar, 3. Aufl., 1968 Borchard/Frind (Hrsg.) Betriebsfortführung in der Insolvenz, 2. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Borchard/Frind, Betriebsfortführung) Bork Einführung in das neue Insolvenzrecht, 1995 Böhle-Stamschräder/Kilger Vergleichsordnung, 10. Aufl., 1982 Braun (Hrsg.) Insolvenzordnung, 6. Aufl., 2014 (zit.: Braun/Bearbeiter, InsO) Buth/Hermanns (Hrsg.) Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung) Erichsen/Ehlers (Hrsg.) Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002 (zit.: Bearbeiter, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht) Fleischer/Goette (Hrsg.) Münchener Kommentar zum GmbHG, Band 2, 2012; Band 3, 2011 (zit.: Bearbeiter, in: MüKo-GmbHG)

XIII

Literaturverzeichnis

Frege/Keller/Riedel Insolvenzrecht, 7. Aufl., 2008 Gottwald (Hrsg.) Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2010 (zit.: Bearbeiter, in: Gottwald, InsR-Handbuch) Graf-Schlicker (Hrsg.) Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2012 (zit.: Graf-Schlicker/Bearbeiter, InsO) Graeber/Graeber InsVV-Online, Online-Kommentierung, Stand: Juni 2014 (zit.: Graeber/Graeber, InsVV) Häsemeyer Insolvenzrecht, 2. Aufl., 1998 Haarmeyer/Mock Insolvenzrechtliche Vergütung, 5. Aufl., 2014 (zit.: Haarmeyer/Mock, InsVV) Haarmeyer/Wutzke/Förster Insolvenzrechtliche Vergütung, 4. Aufl., 2007 (zit.: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV) Haarmeyer/Wutzke/Förster (Hrsg.) Präsenzkommentar zur Insolvenzordnung, Stand: 2013 (zit.: Haarmeyer/Wutzke/Förster/Bearbeiter, PK-InsO) Hofmann Eigenverwaltung, 2014 Huhn Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, 2003 Jauernig (Hrsg.) BGB Kommentar, 15. Aufl., 2014 (zit.: Jauernig/Bearbeiter, BGB) Keller Insolvenzrecht, 2006 Kirchhof/Eidenmüller/Stürner (Hrsg.) Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 1, 3. Aufl., 2013; Band 2, 3. Aufl., 2013; Band 3, 3. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, MüKo-InsO) Klein (Hrsg.) Abgabenordnung Kommentar, 11. Aufl., 2012 (zit.: Klein/Bearbeiter, AO) Krauskopf (Begr.) Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung Kommentar, Loseblatt, Stand: 84. Ergänzungslieferung 2014 (zit.: Krauskopf/Bearbeiter, Sozialversicherung)

XIV

Literaturverzeichnis

Kübler (Hrsg.) Handbuch der Restrukturierung in der Insolvenz, 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Kübler, HRI) Kübler/Prütting/Bork (Hrsg.) Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt, Stand: Juni 2014 (zit.: Kübler/Prütting/Bork/Bearbeiter, InsO) Krebs Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984 Kreft (Hrsg.) Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 6. Aufl., 2011 (zit.: Kreft/Bearbeiter, HK-InsO) Leonhardt/Smid/Zeuner (Hrsg.) Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2010 (zit.: Leonhardt/Smid/Zeuner/Bearbeiter, InsO) Lewin Field theory in social science: selected theoretical papers, 1951 (Zitat aus dem Vorwort dieses Buches auf S. 169) Nerlich/Römermann (Hrsg.) Insolvenzordnung Kommentar, Loseblatt, Stand: 25. Ergänzungslieferung 2013 (zit.: Nerlich/Römermann/Bearbeiter, InsO) Maunz/Dürig (Begr.) Grundgesetz Kommentar, Loseblatt, Stand: 70. Ergänzungslieferung 2013 (zit.: Maunz/Dürig/Bearbeiter, GG) Pahlke/Koenig (Hrsg.) Abgabenordnung, 2. Aufl., 2009 (zit.: Pahlke/Koenig/Bearbeiter, AO) Pape/Graeber (Hrsg.) Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 2009 (zit.: Bearbeiter, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung) Rattunde (Hrsg.) Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e. V.), 2011 (zit.: Bearbeiter, in: Rattunde, Fachberater) Roth/Altmeppen (Hrsg.) GmbHG Kommentar, 7. Aufl., 2012 (zit.: Roth/Altmeppen/Bearbeiter, GmbHG) Saenger (Hrsg.) Zivilprozessordnung, 5. Aufl., 2013 (zit.: Saenger/Bearbeiter, ZPO) Schmidt, A. (Hrsg.) Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl., 2012 (zit.: Schmidt/Bearbeiter, HmbKo-InsO)

XV

Literaturverzeichnis

Schmidt, K. (Hrsg.) Insolvenzordnung Kommentar, 18. Aufl., 2013 (zit.: K. Schmidt/Bearbeiter, InsO) Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan, 4. Aufl., 2014 (im Erscheinen) Stelkens/Bonk/Sachs Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, 8. Aufl., 2014 (zit.: Stelkens/Bonk/Sachs/Bearbeiter, VwVfG) Stephan/Riedel (Hrsg.) Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Kommentar, 2010 (zit.: Stephan/Riedel/Bearbeiter, InsVV) Uhlenbruck (Hrsg.) Insolvenzordnung Kommentar, 13. Aufl., 2010 (zit.: Uhlenbruck/Bearbeiter, InsO) Wehdeking Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner, 2005 Wimmer (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl., 2013 (zit.: Wimmer/Bearbeiter, FK-InsO) Aufsätze und Anmerkungen Bligery Die Eigenverwaltung in der Konzerninsolvenz, ZInsO 2014, 1694 Bork Gläubigersicherung im vorläufigen Insolvenzverfahren, ZIP 2003, 1421 Brinkmann/Herbertz ESUG-Zwischenbilanz: Weniger Schutzschirme, mehr Eigenverwaltung, KSI 2014, 119 Bruhn Zur Frage der Insolvenzfestigkeit des Arbeitnehmeranteils in der Insolvenz des Arbeitgebers, NZI 2009, 628 Buchalik/Kraus Zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den eigenverwaltenden Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO, ZInsO 2013, 815 Budnik Zur Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters, NZI 2014, 247 Busch Hat das ESUG die Praxis und die Kriterien der Insolvenzgerichte bei der Auswahl von Insolvenzverwaltern geändert? ZInsO 2012, 1389

XVI

Literaturverzeichnis

Cranshaw/Steinwachs/Bruhn Problemfelder der Avale in Krise und Insolvenz des Avalauftraggebers, ZInsO 2013, 1005 Flöther Der vorläufige Sachwalter – Pilot, Co-Pilot oder fünftes Rad am Wagen? ZInsO 2014, 465 Förster Klartext: Von Böcken und Gärtnern, ZInsO 1999, 153 Frind Der vorläufige Gläubigerausschuss – Rechte, Pflichten, Haftungsgefahren, ZIP 2012, 1380 Frind Die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren, ZInsO 2012, 1099 Frind Die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters/Sachwalters nach Inkrafttreten des „ESUG“, ZInsO 2014, 119 Frind Verwalterauswahl: Ermessen des Insolvenzrichters im Mittelpunkt, ZInsO 2009, 1638 Fröhlich/Bächstädt Erfolgsaussichten eines Insolvenzplans in Eigenverwaltung, ZInsO 2011, 985 Ganter Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 270b InsO, NZI 2012, 985 Geiger Bargeschäft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, NZI 2014, 644 Geißler Die Ermächtigung des Schuldners im Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 3 InsO – Systematik und Auswirkungen auf die Insolvenzgeldsicherung, ZInsO 2013, 531 Graeber Zur Übertragung der Zustellungen nach § 8 Abs. 3 InsO und ihre Berücksichtigung bei der Vergütungsfestsetzung, ZInsO 2005, 752 Graeber/Graeber Vergütungsrecht in der Insolvenzpraxis: Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters, InsbürO 2013, 6 Gundlach/Frenzel/Schmidt Die Anfechtung einer mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommenen Rechtshandlung, DZWIR 2005, 324

XVII

Literaturverzeichnis

Gundlach/Müller Die Anordnung von Zustimmungsvorbehalten von Amts wegen bei der Eigenverwaltung, ZInsO 2010, 2181 Haarmeyer Missbrauch der Eigenverwaltung? – Nicht der Gesetzgeber, sondern Gerichte, Verwalter und Berater sind gefordert, ZInsO 2013, 2345 Hill Das Eigenverwaltungsverfahren des Diskussionsentwurfs des BMJ im Spannungsfeld zwischen Sanierungsinteresse und Gläubigerschutz, ZInsO 2010, 1825 Hinkel/Flitsch Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters für Bestellungen des Unternehmenserwerbers im eröffneten Insolvenzverfahren, ZInsO 2007, 1018 Hobelsberger Umsatzsteuerpflicht und -haftung in der vorläufigen Eigenverwaltung, DStR 2013, 2545 Hölzle Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren nach ESUG – Herausforderungen für die Praxis, ZIP 2012, 158 Hofmann Die Eigenverwaltung insolventer Kapitalgesellschaften im Konflikt zwischen Gesetzeszweck und Insolvenzpraxis, ZIP 2007, 260 Hofmann Die Vorschläge des DiskE-ESUG zur Eigenverwaltung und zur Auswahl des Sachwalters – Wege und Irrwege zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen, NZI 2010, 798 Horstkotte/Martini Die Einzelermächtigung – ein zusätzliches Haftungsrisiko?, ZInsO 2010, 750 Hunsalzer Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und deren Insolvenzanfechtung im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO, ZInsO 2014, 1748 Kahlert Steuerzahlungspflicht im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung?, ZIP 2012, 2089 Keller Anmerkung zum Beschluss des BGH vom 21.3.2013, Az. IX ZB 209/10, EWiR 2013, 383 Keller Die Gewährung von Unterhalt im Insolvenzverfahren, in Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, NZI 2007, 316

XVIII

Literaturverzeichnis

Klein/Thiele Der Sanierungsgeschäftsführer einer GmbH in der Eigenverwaltung – Chancen und Risiken im Spannungsfeld der divergierenden Interessen, ZInsO 2013, 2233 Klinck Die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner im Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren, ZIP 2013, 853 Klusmeier Ist die Umsatzsteuer in der vorläufigen Eigenverwaltung keine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 4 InsO? ZInsO 2014, 488 Kluth Grundlagen und Grenzen der staatlichen Aufsicht über die Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung, GewArch 2006, 446 Köchling Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung? ZInsO 2003, 53 Kranzusch Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren – Anwendung und Hindernisse, ZInsO 2008, 1346 Krebs Zur verfassungsrechtlichen Verortung und Anwendung des Übermaßverbotes, JURA 2001, 228 Krüger Insolvenzsteuerrecht Update 2013, ZInsO 2013, 578 Laroche Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den „schwachen” vorläufigen Insolvenzverwalter, NZI 2010, 965 Lau Das Eröffnungsverfahren (§ 270a InsO) mit anschließender Eigenverwaltung aus der Sicht eines (vorläufigen) Sachwalters, DB 2014, 1417 Lauck Die Insolvenzgeldvorfinanzierung, InsbürO 2008, 289 Leib/Rendels Kurzkommentar zu AG Köln, Beschl. v. 1.7.2013 – 72 IN 211/13, ZIP 2013, 1390, EWiR 2013, 625 Mock Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters, ZInsO 2014, 67 Moldenhauer/Herrmann/Wolf/Drescher Boston Consulting Group, Studie: Zwei Jahre ESUG, Hype weicht Realität, März 2014

XIX

Literaturverzeichnis

Nöll Massebegründung durch den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO – Schutzschirm zum Nulltarif? ZInsO 2013, 745 Obermüller Das ESUG und seine Auswirkungen auf das Bankgeschäft, ZInsO 2011, 1809 Oppermann/Smid Ermächtigung des Schuldners zur Aufnahme eines Massekredits zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes im Verfahren nach § 270a InsO, ZInsO 2012, 862 Pape Das janusköpfige Insolvenzeröffnungsverfahren bei der Eigenverwaltung, ZInsO 2013, 2077 Pape Eigenverwaltungsverfahren im Spiegel der Rechtsprechung nach Inkrafttreten des ESUG, ZInsO 2013, 2129 Pape Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, ZInsO 2011, 1033 Plathner Anmerkung zu LG Bonn, Beschluss vom 11.10.2013 – 6 T 184/13, NZI 2014, 124 Rattunde Haftung des vorläufigen schwachen Verwalters aus Zahlungszusage, jurisPR-InsR 21/2007 Anm. 3 Rattunde Sanierung durch Insolvenz, ZIP 2003, 2103 Rattunde Sanierung von Großunternehmen durch Insolvenzpläne – Der Fall Herlitz, ZIP 2003, 596 Römermann/Praß Gesetzgeber, rette Dein ESUG! ZInsO 2013, 482 Schienstock/Mentzer Der vorläufige Gläubigerausschuss – ein Praxisbericht, KSI 2013, 274 Schirmer Abschied von der „Baustoff-Rechtsprechung“ des VI. Zivilsenats?, NJW 2012, 3398 Schmidberger Möglichkeiten und Grenzen der insolvenzgerichtlichen Aufsicht, NZI 2011, 928 XX

Literaturverzeichnis

Schmidt, K. Verbotene Zahlungen in der Krise von Handelsgesellschaften und die daraus resultierenden Ersatzpflichten, ZHR 168 (2004), 637, 668 Schmidt, N. Zur Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gem. § 22a Abs. 2 InsO – Prozedere und Rechtsbehelf, ZInsO 2012, 1107 Schmittmann Das Bundesfinanzministerium, der V. Senat des BFH und die Umsatzsteuer in der Insolvenz, ZIP 2012, 249 Schmittmann/Dannemann Massesicherungs- versus Steuerzahlungspflicht im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO – Einen Tod muss der Geschäftsführer sterben?!, ZIP 2014, 1405 Schmittmann/Dannemann Schutzschirmverfahren versus Insolvenzanfechtung? ZIP 2013, 760 Schmücker Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters, jurisPR-InsR 5/2013 Anm. 5 Schur Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters – Regelvergütung, Berechnungsgrundlage, Zuschläge, ZIP 2014, 757 Schwab Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bei mehreren hypothetischen Entscheidungsmöglichkeiten, NJW 2012, 3274 Stiller Anfechtbarkeit einer mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgten Lohnzahlung, ZInsO 2005, 529 Stoffler Anmerkung zu einer Entscheidung des BGH (Beschluss vom 21.3.2013, IX ZB 209/10, NZI 2013, 487), NZI 2013, 488 Ströhmann/Längsfeld Die Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung, NZI 2013, 271 Thole/Brünkmans Die Haftung des Eigenverwalters und seiner Organe, ZIP 2013, 1097 Undritz Ermächtigung und Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten beim Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung, BB 2012, 1551 Zimmer Probleme des Vergütungsrechts (bei Nicht-Eröffnung des Insolvenzverfahrens) vor und nach ESUG, ZInsO 2012, 1658

XXI

A. Einleitung Der in diesem Buch thematisierte Sachwalter ist ein zentrales Verfahrens- 1 subjekt im Eigenverwaltungsverfahren. Damit ist rechtlich ein Spezialfall des Insolvenzverfahrens angesprochen.1) Seine normative Grundlage findet sich in den §§ 270 bis 285 InsO. Vorbehaltlich dort zu findender, abweichender Regelungen verweist § 270 Abs. 1 S. 2 InsO im Übrigen auf die allgemeinen Vorschriften. I. Regelungskern und Historie Der Kern dieser Verfahrensart liegt in der Abweichung von der Grundregel 2 des § 80 Abs. 1 InsO: Während im Regelinsolvenzverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf einen gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter übergeht, verbleibt diese Befugnis in der Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO beim Schuldner. Er unterliegt mit seinen Handlungen jedoch der Aufsicht durch den Sachwalter. Diese Konstruktion lehnt sich an die frühere deutsche Vergleichsordnung an2) 3 und übernimmt ebenfalls Elemente des US-amerikanischen debtor in possession nach Chapter 11 des United States Bankruptcy Code.3) Die Eigenverwaltung war anfänglich durch enge und unklare Voraussetzungen eingeschränkt4) und litt darunter, dass sie erst mit Verfahrenseröffnung eingriff.5) Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)6) wurden die Anordnungsvoraussetzungen gelockert und auch für die Verfahrensstufe zwischen Antragstellung und Eröffnung (Eröffnungsverfahren) Varianten vorläufiger Eigenverwaltung7) gem. §§ 270a, 270b InsO eingeführt. II. Praktische Bedeutung Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die praktische Bedeutung dieser 4 Verfahrensart anfänglich gering war. Ohnehin war sie schon bei Schaffung des Institutes vielfältiger Kritik ausgesetzt:8) Hauptsächlich befürchtete man, ___________ 1) 2) 3)

4) 5) 6) 7) 8)

Tetzlaff, MüKo-InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 26. BT-Drucks. 12/2443, S. 222. Dazu ausführlich Dreschers, in: Kübler, HRI, § 20 Rn. 5 ff.; Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 1 Rn. 5 ff.; vgl. auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270 Rn. 3; Tetzlaff, MüKo-InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 10 f. Zur früheren Normfassung eingehend Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 4 Rn. 20 ff. Vgl. dazu und zu den Änderungen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270 Rn. 7 f. Vom 7.12.2011, BGBl I, 2582. Zu früheren Versuchen, einen vorläufigen Sachwalter zu konstruieren, vgl. etwa Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 499 ff. Ausführliche Nachzeichnung und Nachweise bei Grub, Kölner Schrift, Kap. 16 Rn. 38 ff.; Auseinandersetzung mit den Pro- und Contra-Überlegungen bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1239 ff.

1

A. Einleitung

mit der Verwaltung durch den Schuldner selbst den „Bock zum Gärtner“ zu machen.9) Darüber hinaus waren und sind die genauen Aufgaben der Verfahrensbeteiligten gleichwie auch ihre Haftungsgefahren Gegenstand anhaltender Diskussionen. Schließlich bot die durch einen Regelsatz von 60 % geringere Vergütung als die eines Verwalters ebenfalls wenig Anreiz gegenüber der klassischen Insolvenzverwaltung. 5 Die Eigenverwaltung führte daher bis zu ihrer Änderung durch das ESUG ein „Schattendasein“:10) Lag die Quote der Eigenverwaltungsverfahren 1999 noch bei 2,1 % der eröffneten Verfahren, sank sie 2003 unter die Ein-ProzentMarke und verblieb dort bis 2011.11) Die aktuelle Datenlage ist wegen möglicher statistischer Untererfassung nicht ganz eindeutig; Informationen des Statistischen Bundesamtes deuten aber darauf hin, dass sich die Quote 2012 auf mindestens 1,62 % und 2013 auf 2,16 % gesteigert hat.12) Anderen Daten zufolge soll sie sich nach Inkrafttreten des ESUG sogar auf rund 2,4 % erhöht zu haben.13) Auffällig ist jedenfalls neben der deutlichen Steigerung, dass die vorläufige Eigenverwaltung mittlerweile bei Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern rund die Hälfte der Verfahren ausmacht.14) 6 Diese gestiegene Bedeutung in größeren Verfahren zeigt sich auch in mehreren spektakulären Fällen:15) So etwa vor der Einführung des ESUG bei der Babcock Borsig AG, Herlitz AG,16) Kirch Media GmbH& Co. KGaA, Ihr Platz GmbH & Co. KG und Sinn-Leffers GmbH, sowie nach der Einführung des ESUG bei der IVG Immobilien AG, Loewe AG, Pfleiderer AG, Strauss Innovation und der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG.17) Diese Fälle verdeutlichen die Notwendigkeit einer rechtlichen und praktischen Aufarbeitung der Aufgaben und Probleme im Eigenverwaltungsverfahren. III. Vorteile der Eigenverwaltung 7 Trotz des ursprünglichen „Fehlstarts“18) gewinnen Verfahren in Eigenverwaltung also an Bedeutung. Insbesondere durch eine professionelle Umsetzung in den benannten Großverfahren haben sich die anfänglichen Befürchtungen ___________ 9) In diesen Worten schon früh Förster, ZInsO 1999, 153 und bis zuletzt z. B. Hölzle, ZIP 2012, 158, 159. 10) Pape, ZInsO 2013, 2077, 2077. 11) Berechnungen des IfM Bonn; vgl. auch die bis 2008 ausführliche Darstellung bei Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1347. 12) Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Datenstand: Mai 2014). 13) Moldenhauer/Herrmann/Wolf/Drescher, Boston Consulting Group, Studie, S. 3 (nur Gesellschaften, keine natürlichen Personen). 14) Brinkmann/Herbertz, KSI 2014, 119. 15) Vgl. einige dieser Beispiele m. w. N. bei Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270 Rn. 2 Fn. 7. 16) Rattunde, ZIP 2003, 596. 17) Vgl. zu Letzterem auch Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 3.21 ff. und Kap. 9. 18) Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 4.

2

IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung

relativiert. Zwar können nach wie vor Gläubigerinteressen durch unerfahrene oder eigennützig handelnde Schuldner gefährdet werden; allerdings gebietet andererseits das grundrechtliche Übermaßverbot19) aus den Art. 12, 14 GG des Schuldners eben auch, seine Verwaltungs- und Verfügungsmacht nur insoweit einzuschränken, als dies zur Wahrung der Gläubigerinteressen erforderlich ist.20) Darüber hinaus hat eine Verfahrensabwicklung unter Leitung des Schuldners 8 folgende Vorteile:21) x

das Know-how des Schuldners bleibt verfügbar und seine Beziehungen zu Geschäftspartnern werden unter Umständen in geringerem Maße eingeschränkt,

x

die Einarbeitungszeit für einen Fremdverwalter wird verringert, denn sie beschränkt sich auf das für die jeweilige Aufsicht notwendige Maß,

x

geringere Verfahrenskosten und geringerer Aufwand können anfallen, was jedoch nicht der Regelfall ist (unten Rn. 16),

x

es fallen keine Feststellungskosten, sondern nur die tatsächlichen Kosten und keine Pauschalen bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände an, § 282 Abs. 1 InsO,

x

es gibt Anreize für eine frühzeitige Antragstellung, weil der Schuldner erstens nicht aus seiner Rolle verdrängt wird und zweitens im Rahmen etwa des sog. Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO (unten Rn. 31 ff.) weitgehend ungestört eine Insolvenzplansanierung vorbereiten kann,22)

x

damit werden insgesamt Sanierungsaussichten verbessert,

x

durch bessere Einflussnahme der Gläubiger bzw. des Schuldners auf die Auswahl des Sachwalters wird die Planbarkeit der Sanierung erhöht und

x

durch gute Vorbereitung kann das Verfahren schnell beendet werden.

IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung 1. Rechtliche Eingrenzung Angesichts möglicher Gefahren für Gläubigerinteressen durch vermutete weit- 9 reichende Gestaltungsbefugnisse des Schuldners (dazu noch unten Rn. 140 ff.) ___________ 19) Zu Herleitung, Funktion und Regelungsgehalt eingehend Krebs, JURA 2001, 228. 20) So schon im Zusammenhang mit Maßnahmen gem. § 22 Abs. 3 InsO ausdrücklich BGH ZInsO 2004, 550, 552; spezifisch zur Eigenverwaltung Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 4 Rn. 2 ff.; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1674; vgl. auch Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270 Rn. 2. 21) So auch schon BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f., BT-Drucks. 17/5712, S. 19; vgl. im Übrigen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270 Rn. 5 f. 22) Eingehend Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106.

3

A. Einleitung

entwickelte sich in der Zeit nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung zunächst die nahezu einhellige Auffassung, es handle sich bei der Eigenverwaltung um ein nur ausnahmsweise zulässiges und selten einschlägiges Verfahren.23) Diese bis heute vertretene Überlegung24) ist jedoch spätestens mit der nunmehr geltenden Rechtslage nicht in Einklang zu bringen. 10 Auf die Anordnung der Eigenverwaltung besteht vielmehr ein Rechtsanspruch.25) Die Regelung des § 270 Abs. 2 InsO gewährt dem Schuldner ein darauf gerichtetes subjektiv-öffentliches Recht. Ein solches besteht nämlich immer dann, wenn eine Norm einem Hoheitssubjekt, hier also dem Gericht, eine Verhaltenspflicht auferlegt, die zumindest auch den Individualinteressen des möglichen Rechtsinhabers zu dienen bestimmt ist.26) 11 § 270 Abs. 2 InsO verpflichtet, wie der systematische Zusammenhang von Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 zu Abs. 2 zeigt, das Gericht zur Anordnung der Eigenverwaltung, wenn der Schuldner einen entsprechenden Antrag stellt und keine Gläubigernachteile zu erwarten sind. Zweifel am Bestehen von Gläubigernachteilen gehen, da die Norm deren positives Vorliegen fordert, nicht zu Lasten des Schuldners.27) Diese Anordnungspflicht dient gerade auch den Individualinteressen des jeweiligen Schuldners, weil er in der Folge seine grundrechtlich geschützte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Verfahren (oben Rn. 7 und unten Rn. 140) nicht verliert. 12 Steht also nicht fest, dass Nachteile zu erwarten sind, kann der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung verlangen. Einzig in Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine Eigenverwaltung ausgeschlossen, was sich aus § 270 Abs. 1 S. 3 InsO ergibt. 2. Praktische Eingrenzung 13 Trotz der weitgehenden rechtlichen Zulässigkeit eignen sich längst nicht alle Verfahren praktisch für eine Eigenverwaltung. Für die Verfahrensziele der übertragenden Sanierung und der Liquidation hält das Regelinsolvenzver___________ 23) Exemplarisch AG Darmstadt ZIP 1999, 1495; Kreft/Landfermann, HK-InsO, 6. Aufl. 2011, Vor §§ 270 ff. Rn. 7 f. (offener jetzt aber die 7. Aufl. 2014, Vor §§ 270 ff. Rn. 12 f.) Nachweise auch bei Uhlenbruck/ders., InsO, § 270 Rn. 1. 24) Vgl. etwa AG Hamburg ZInsO 2014, 363 und den Katalog unzähliger Kriterien, die im Einzelfall gegen eine Anordnung sprechen sollen, bei Haarmeyer, ZInsO 2013, 2345. 25) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270 Rn. 6; Haarmeyer/Wutzke/Förster/ Buchalik, PK-InsO, § 270 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 6; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1663; Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 8 f.; a. A. AG Hamburg ZInsO 2014, 363; Leib/Rendels, EWiR 2013, 625, 626. 26) Zur Definition und den Voraussetzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechtes vgl. Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 31. 27) BR-Drucks. 127/11 S. 56; Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270 Rn. 6; Blersch/ Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270 Rn. 14; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270 Rn. 8; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 19a.

4

IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung

fahren zumeist die besseren und bewährteren Institute bereit. Denn hierfür ist der Erhalt des schuldnerischen Einflusses auf das Verfahren eher hinderlich.28) Die Eigenverwaltung kommt daher vornehmlich dann in Betracht, wenn eine 14 Sanierung des Unternehmensträgers im Wege des Insolvenzverfahrens stattfinden soll.29) Dies tritt besonders deutlich in den §§ 270b, 284 InsO zutage, welche die Eigenverwaltung mit dem Insolvenzplanverfahren verzahnen. So überrascht es nicht, dass das Planverfahren als klassisches Sanierungsinstrument für den Unternehmensträger30) den Hauptfall der Eigenverwaltung darstellt.31) Gerade bei Freiberuflern ist eine solche Sanierung oft die einzige Möglichkeit, berufsrechtliche Zulassungen zu erhalten.32) Allerdings sind nicht alle Planverfahren sinnvoll in Eigenverwaltung durch- 15 zuführen. Den Schuldner gemäß der gesetzlichen Idealvorstellung mit der Verfahrensabwicklung zu betrauen, kann nur dort funktionieren, wo dieser insolvenzerfahren ist. Denn nur so ist sichergestellt, dass er die ihn treffenden Aufgaben und Pflichten korrekt wahrnehmen kann. Fehlt es an diesen Kenntnissen, steht auch in der gerichtlichen Praxis regelmäßig die Frage der Nachteiligkeit dieser Verfahrensart für die Gläubiger gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO im Raum. Dem durch gesteigertes Engagement des Sachwalters bei seiner Kontrolle 16 und Aufsicht zu begegnen, ist zwar denkbar, schlägt sich aber vergütungsrechtlich nicht hinreichend nieder. Regelmäßig wird der Schuldner daher Berater oder Sanierungsgeschäftsführer (sog. Chief Restructuring Officer, CRO33)) beschäftigen, welche das nötige Fachwissen mitbringen.34) Allerdings kann ein Verfahren in Eigenverwaltung damit teurer werden als eine Regelinsolvenz.35) Denn zwar wird der Sachwalter um 40 % geringer vergütet als ein Insolvenzverwalter, diese Ersparnis kann jedoch durch das Berateroder CRO-Honorar mehr als vollständig kompensiert werden. So sind es denn auch weniger wirtschaftliche Kenndaten, welche die Eig- 17 nung eines Verfahrens für die Eigenverwaltung deutlich machen. Zwar dominieren statistisch gesehen kleine bis mittlere Unternehmen mit durchschnittlich elf Millionen Euro Umsatz und 80 Mitarbeitern die Eigenverwal___________ 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35)

In diese Richtung auch K. Schmidt/Undritz, InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 8 m. w. N. Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 12. Vgl. nur Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 0.27 m. w. N. Vgl. nur Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 24; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1196. Ausführlich Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Kapitel 28. Eingehend zum CRO Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2235 ff. Vgl. nur Lau, DB 2014, 1417, 1419. Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 6 Rn. 47.

5

A. Einleitung

tung.36) In der Erfahrung der Verfasser und ihrer Sozii gab es aber auch erfolgreiche Eigenverwaltungen durch Schuldner mit weniger als zehn Mitarbeitern und 21.000 Euro Masse und beispielsweise Großunternehmen mit über 550 Angestellten und mehr als 41 Millionen Euro Masse. Im Gros der Fälle ist eine Abwicklung in Eigenverwaltung jedoch bei nur geringer Masse von unter einer Million Euro kaum erfolgversprechend. 18 Zentral für die Eignung ist zudem, ob es gerade auf Branchenkenntnisse des Schuldners oder seine besondere Sachkunde ankommt37) und er engagiert im Verfahren mitwirkt.38) Sorgt er für hinreichende insolvenzrechtliche Kenntnisse und bringt ein langfristig umsetzbares Sanierungskonzept mit, kann eine Eigenverwaltung gut funktionieren. Sie belohnt den ordentlich vorbereiteten, frühzeitig den Eröffnungsantrag stellenden Schuldner mit der Möglichkeit der Verfahrenssteuerung und ermöglicht ihm etwa die schnelle Durchsetzung eines „prepackaged“ Insolvenzplans.39) 19 Auch können psychologische Aspekte bei der Entscheidung für die Eigenverwaltung eine Rolle spielen. Denn insbesondere vorläufige Eigenverwaltungsverfahren bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit werden von der Öffentlichkeit und Geschäftspartnern fälschlicherweise oft als außerinsolvenzliche Sanierung wahrgenommen. Das kann für eine positive Außenwirkung sorgen. Indes kann auch das Gegenteil der Fall sein: So haben sich insolvenzerfahrene Lieferanten in der Vergangenheit bisweilen lieber auf einen Verwalter im Regelinsolvenzverfahren verlassen, mit dessen Befugnissen und Handlungsweisen sie besser vertraut sind. V. Varianten der Eigenverwaltung 20 Die Eigenverwaltung durch den Schuldner ist sowohl im eröffneten Verfahren, als auch im Eröffnungsverfahren möglich. Je nachdem, welcher Verfahrensabschnitt einschlägig ist, tritt der Sachwalter als vorläufiger Sachwalter (Eröffnungsverfahren) oder endgültiger Sachwalter (eröffnetes Verfahren) in Erscheinung. Zu den damit einhergehenden Divergenzen in den Aufgaben und Befugnissen desselben vgl. noch unten (Rn. 229 ff.). Auch auf die Frage, inwieweit die Beteiligten in diesen Verfahrensabschnitten Einfluss auf die Wahl der Person des Sachwalters nehmen können, wird noch unten (Rn. 78 ff.) eingegangen.

___________ 36) 37) 38) 39)

6

Moldenhauer/Herrmann/Wolf/Drescher, Boston Consulting Group, Studie, S. 4. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106 f. Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 68 a. E. Vgl. etwa Fröhlich/Bächstädt, ZInsO 2011, 985.

V. Varianten der Eigenverwaltung

1. Eröffnetes Verfahren a) Anfängliche Eigenverwaltung Die Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren ist regelmäßig eine anfängliche, 21 denn sie wird zumeist im Eröffnungsbeschluss angeordnet. Der Schuldner hat das alleinige Antragsrecht und soweit keine Umstände ersichtlich sind, welche Gläubigernachteile befürchten lassen,40) ist die Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 2 InsO mit Verfahrenseröffnung anzuordnen (subjektiv-öffentliches Recht, oben Rn. 10 f.). Eine Zustimmung der Gläubiger ist nicht erforderlich.41) Der Antrag des Schuldners nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist rechtlich vom 22 Eröffnungsantrag gem. § 13 InsO zu unterscheiden.42) Während letzterer auf die Eröffnung des Verfahrens gerichtet ist, wird mit ersterem eine konkrete Verfahrensart beantragt. Deswegen kann der Schuldner auch bei einem Eröffnungsantrag der Gläubiger bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses43) zusätzlich einen eigenen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung stellen.44) Praktisch bietet es sich bei Eigenanträgen des Schuldners an, beide Anträge zusammen zu stellen.45) Beispiel für Anträge: 1) Über das Vermögen der … wird wegen … das Insolvenzverfahren eröffnet. 2) Die Eigenverwaltung wird angeordnet. Unterstützt ein vorläufiger Gläubigerausschuss (unten Rn. 81) den Antrag 23 des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung einstimmig, so gilt die Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 3 S. 2 InsO als nicht nachteilig. Diese Fiktion ist unwiderleglich.46) Ein Rechtsmittel gegen eine Nicht-Anordnung der Eigenverwaltung ist 24 nicht gegeben.47) b) Nachträgliche Eigenverwaltung Wurde das Insolvenzverfahren zunächst ohne Anordnung der Eigenverwal- 25 tung eröffnet, kann letztere auch nachträglich getroffen werden. Die Voraussetzungen einer solchen nachträglichen Eigenverwaltung regelt § 271 InsO. ___________ 40) Vgl. dazu eingehend etwa Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 43 ff.; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 19 ff. 41) Die war vor Inkrafttreten des ESUG anders, vgl. Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 16 m. w. N. 42) Statt aller Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270 Rn. 6. 43) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 18; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 25. 44) Statt aller Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 76. 45) Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 75; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 13. 46) Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 97. 47) BGH ZInsO 2007, 207; ZIP 2007, 394; hieran hat sich auch durch das ESUG nichts geändert, vgl. nur BT-Drucks. 17/5712, S. 39; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 125 ff.

7

A. Einleitung

26 Danach kann jede Gläubigerversammlung die Anordnung der Eigenverwaltung beantragen, ohne dies begründen zu müssen. Erforderlich ist die doppelte Mehrheit der Gläubiger nach Summen und Köpfen, §§ 271 S. 1, 76 Abs. 2 InsO. Anordnungsvoraussetzung für das Gericht ist lediglich die in § 271 S. 1 InsO geforderte Zustimmung des Schuldners.48) Liegt diese vor, ist die Wahl der Verfahrensart Ausdruck der Gläubigerautonomie,49) so dass die Gläubigerversammlung einen Anspruch auf Anordnung hat.50) 27 Zum Sachwalter kann gem. § 271 S. 2 InsO der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden. Zur sonstigen Auswahlkompetenz der Gläubigerversammlung gem. § 57 InsO vgl. unten (Rn. 92 ff.). 2. Vorläufige Eigenverwaltung a) Regelfall gem. § 270a InsO 28 Im Eröffnungsverfahren richtet sich die vorläufige Eigenverwaltung grundsätzlich nach § 270a InsO. Danach soll das Gericht, soweit ein Antrag nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO gestellt (oben Rn. 22) und im Rahmen einer summarischen Prüfung51) nicht offensichtlich aussichtslos ist, einen vorläufigen Sachwalter bestellen und dem Schuldner keine Verfügungsbeschränkungen auferlegen. 29 Aus der „soll“-Formulierung folgt nicht, dass das Gericht insofern frei wäre.52) Vielmehr hat es Ermessen53) und ist damit verpflichtet, ermessensfehlerfrei zu entscheiden: Dazu muss es – dies bringt der Gesetzgeber mit einer solchen Formulierung zum Ausdruck54) – im Regelfall nach § 270a InsO verfahren und darf nur in atypischen Fällen andere Anordnungen treffen.55) Das Gericht unterliegt also einer echten Rechtspflicht,56) die angesichts des dadurch umgesetzten Übermaßverbotes der Art. 12, 14 GG (oben Rn. 7) ___________ 48) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 271 Rn. 3; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 271 Rn. 11. 49) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 271 Rn. 1; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 271 Rn. 1. 50) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 271 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 271 Rn. 13; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 271 Rn. 5. 51) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 313; Lau, DB 2014, 1417, 1418: Die Nachteile müssen „auf der Hand liegen“. 52) So wohl aber Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270a Rn. 13 a. E. 53) Zu den verschiedenen Regelungstechniken, mit denen eine Norm Ermessen des Entscheidungssubjektes begründet, vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 21 ff. 54) Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 29 m. w. N. 55) So richtig Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 29, der das freilich fälschlicherweise nicht als Ermessensfrage auffasst – dabei besteht Ermessen („soll“) und ist lediglich im Umfang eingeschränkt auf Abweichungsbefugnis nur in atypischen Fällen; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270a Rn. 2. 56) Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung, vgl. Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 31.

8

V. Varianten der Eigenverwaltung

auch den Individualinteressen des Schuldners zu dienen bestimmt ist.57) Der Schuldner hat also auf die ermessenfehlerfreie Entscheidung über die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung, soweit sein Antrag gem. § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO nicht offensichtlich aussichtslos ist, ein subjektiv-öffentliches Recht (oben Rn. 10) in Form eines Rechtsanspruchs.58) Angesichts des eindeutigen Wortlautes der Norm hat das Gericht die Ent- 30 scheidung über diesen Anspruch und seine Umsetzung von Amts wegen zu treffen. Eines eigenen Antrages, nach § 270a InsO zu verfahren, bedarf es nicht. Gleichwohl werden derartige Anträge praktisch häufig gestellt und auch ausdrücklich beschieden.59) Im Falle einer Negativentscheidung kann der Schuldner gegen entsprechende gerichtliche Einschränkungen gem. § 21 Abs. 1 S. 2 InsO sofortige Beschwerde erheben,60) zuvor ist ihm jedoch bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 270a Abs. 2 InsO die Möglichkeit zur Antragsrücknahme zu gewähren. Beispiel für einen Antrag: Der Schuldner ist bis zur Eröffnungsentscheidung des Gerichtes berechtigt, unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, § 270a InsO. b) Schutzschirm gem. § 270b InsO Einen Sonderfall61) vorläufiger Eigenverwaltung stellt das sog. Schutzschirm- 31 verfahren62) gem. § 270b InsO dar. Es unterscheidet sich vom Regelfall hauptsächlich dadurch, dass auf Antrag eine bis zu drei Monate währende Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes bestimmt wird, § 270b Abs. 1 S. 1, 2 InsO. Erst mit Ablauf derselben ist das Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 4 S. 3 InsO aufzuheben und über die Verfahrenseröffnung zu entscheiden.63) Darüber hinaus gewinnt der Schuldner stärkeren Einfluss auf die Auswahl des Sachwalters (unten Rn. 96 ff.) und das Gericht wird auf Antrag verpflichtet, Vollstreckungsschutz gem. §§ 270b Abs. 2 S. 3, 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu gewähren. Schließlich muss es auf Antrag auch einen Beschluss erlassen, der die Befugnis des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten umfasst (unten Rn. 159 ff.). Diese Vorteile werden jedoch erst nach dem Überwinden strengerer Eingangs- 32 voraussetzungen gewährt. So kann ein Schutzschirmverfahren nur stattfinden, ___________ 57) 58) 59) 60) 61)

Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 8. Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270a Rn. 2; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 3. Vgl. etwa AG Hamburg ZInsO 2014, 363. Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270a Rn. 10. Plastisch Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 2: § 270b InsO sei gegenüber § 270a InsO die „speziellere Vorschrift“. 62) Begriff verwendet von BT-Drucks. 17/5712, S. 19. 63) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 23; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 409.

9

A. Einleitung

wenn die Insolvenzgründe der (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)64) oder Überschuldung (§ 19 InsO)65) vorliegen. Eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) zum Zeitpunkt der Antragstellung schließt das Schutzschirmverfahren aus.66) Dass ein Eintritt mit Anordnung des Schutzschirms zu erwarten ist, weil dann regelmäßig Kredite durch Geschäftspartner fällig gestellt werden, hindert indes nicht.67) Denn sonst wären Schutzschirmverfahren praktisch in den meisten Fällen unzulässig. 33 Ebenso hat der Schuldner gem. § 270b Abs. 1 S. 3 InsO eine begründete Bescheinigung einer qualifizierten Person beizubringen, aus der sich sowohl der Insolvenzgrund ergibt als auch der Umstand, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierfür genügt die Vorlage eines schlüssigen, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehenden Sanierungskonzeptes, das ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg hat.68) Diese Bescheinigung kann von Beratern des Schuldners stammen, soweit sie hinreichende Erfahrung in Insolvenzsachen haben, und muss den Zustand des Schuldners zeitlich möglichst im Moment der Antragstellung abbilden.69) 34 Sie dient dazu, dem Gericht die notwendige Tatsachengrundlage für die Entscheidung zu verschaffen. Denn auch für § 270b InsO darf die Sanierung gem. Abs. 1 S. 1 der Norm nicht offensichtlich aussichtslos sein.70) Die Bescheinigung hat dies zu belegen und dem Gericht damit die Prüfung dieser Voraussetzung zu ermöglichen.71) 35 Wie schon in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO hat der Schuldner auch auf die Anordnung eines Schutzschirms einen Rechtsanspruch. Die Norm legt dem Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen die gebundene Entscheidung zur Anordnung auf72) und dient auch den Individualinteressen des Schuldners (oben Rn. 11). Lediglich hinsichtlich der Länge der ___________ 64) Zu deren Feststellung eingehend Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1687 ff. m. w. N. 65) Auch hierzu eingehend Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1697 ff. m. w. N. 66) Statt aller Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 9. 67) AG Erfurt ZInsO 2012, 944; Ganter, NZI 2012, 985; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1695. 68) So BGH 2012, 137, 138 m. w. N. zu § 133 InsO; ebenso für § 270b InsO z. B. K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 5; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270b Rn. 11; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1704; ähnlich Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270b Rn. 19. 69) Zum Ganzen eingehend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 394 ff.; Kern, in: MüKoInsO, § 270b Rn. 42 ff.; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1703 ff. 70) K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 34. 71) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 404 m. w. N. 72) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 58.

10

V. Varianten der Eigenverwaltung

Frist hat das Gericht Auswahlermessen,73) muss dieses aber natürlich unter Berücksichtigung der konkreten zeitlichen Umsetzbarkeit der Planaufstellung ermessensfehlerfrei ausüben. Anders als im Falle des § 270a InsO muss der Schuldner für das Schutz- 36 schirmverfahren aber eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes beantragen. Er hat damit gem. § 270b Abs. 1 S. 1 InsO dreierlei zu beantragen: Erstens die Verfahrenseröffnung (§ 13 InsO), zweitens die Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und drittens den Schutzschirm (§ 270b InsO).74) Beispiel für einen Antrag: (Zu Eröffnungsantrag und Eigenverwaltungsantrag vgl. oben Rn. 22 a. E.) Zur Vorbereitung der Sanierung wird gem. § 270b InsO eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans von … bestimmt (und anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters) … zum vorläufigen Sachwalter bestellt [dazu unten Rn. 96 ff.]). Wie im Verfahren gem. § 270a InsO ist die Nicht-Anordnung auch des 37 Schutzschirms lediglich inzidenter durch einen Angriff gegen Beschränkungsanordnungen gem. § 21 Abs. 1 S. 2 InsO rechtsmittelfähig.75)

___________ 73) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 13; Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 78. 74) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 3; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 2. 75) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270b Rn. 40.

11

B. Die Person des Sachwalters Mit dem Amt des Sachwalters in der Eigenverwaltung ist eine Vielzahl von 38 komplexen Aufgaben und Anforderungen verbunden. Soweit er gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Aufsicht über den Schuldner wahrnimmt, trägt er die Verantwortung dafür, dass der Schuldner die ihn treffenden insolvenzrechtlichen Pflichten einhält und damit das Verfahren den Zielen des § 1 Abs. 1 InsO gerecht wird. Da die Forderungen der Gläubiger deren Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen76) und 39 der Schuldner in seinen Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt wird, dient die Auswahl der geeigneten Person für das Sachwalter-Amt letztlich auch dem Grundrechtsschutz der Verfahrensbeteiligten.77) Hieraus legitimiert sich einerseits, dass hohe Anforderungen an die Person des Sachwalters gestellt werden und andererseits, dass den Verfahrensbeteiligten Möglichkeiten zur Verfügung stehen, auf die Wahl dieser Person Einfluss zu nehmen. I. Anforderungen an die Person 1. Grundlagen Die gesetzlichen Anforderungen an die Person des Sachwalters ergeben sich 40 aus den §§ 274 Abs. 1, 56 InsO. Sie bestehen gem. §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1 InsO in gleicher Form auch für den vorläufigen Sachwalter.78) Das ist zwingend, weil zahlreiche Aufgaben des Sachwalters sowohl im Eröffnungsverfahren, als auch in der eröffneten Eigenverwaltung in vergleichbarer Form bestehen (dazu im Einzelnen unten Rn. 229 ff.). Entscheidend ist daher, dass der Sachwalter als natürliche Person79) für den 41 Einzelfall geeignet und insbesondere geschäftskundig sowie von den sonstigen Verfahrensbeteiligten unabhängig ist. Es gelten also für ihn keine anderen Anforderungen als für einen Insolvenzverwalter.80) Insbesondere darf der Sachwalter nicht geringer qualifiziert sein als ein Ver- 42 walter,81) was sich aus zweierlei ergibt: Einerseits wird er aus Gründen der Verfahrensökonomie regelmäßig im Falle einer Aufhebung der Eigenverwal___________ 76) 77) 78) 79) 80)

BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. Vgl. dazu auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 9. Vgl. nur Frind, ZInsO 2014, 119, 119. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 14; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 7. Allg. Meinung, vgl. nur Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 5 f.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 42; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 14; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 6. 81) Herrschende Auffassung, vgl. nur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 25; Nerlich/Römermann/ Riggert, InsO, § 274 Rn. 13; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 14 f.; einschränkend wohl nur Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 5.

13

B. Die Person des Sachwalters

tung gem. § 271 S. 3 InsO zum Verwalter bestellt und sollte daher auch diese Aufgabe erfüllen können.82) Andererseits erfordern seine Aufgaben gleiche insolvenzrechtliche und praktische Kenntnisse wie die eines Verwalters: Soweit er nämlich den Schuldners kontrollieren soll (unten Rn. 300), setzt dies notwendig voraus, dass er die Kontrollmaßstäbe kennt, also mit den einschlägigen Fragen umfassend vertraut ist. Denn sonst kann er als Kontrolleur seine Aufgabe nicht erfüllen. 2. Allgemeine Eignung 43 Nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 InsO muss der Sachwalter für den Einzelfall geeignet sein. Dafür sind die Anforderungen der konkreten Insolvenzsituation83) genauso entscheidend wie persönliche Anforderungen, die der Sachwalter erfüllen muss. Es kommt also auf ein passendes „Gesamtbild“ an. a) Geschäftskunde 44 Für dieses Gesamtbild legt das Gesetz besonderen Wert auf die Geschäftskunde. Sie umfasst die juristischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, die ein Sachwalter für das jeweilige Verfahren mitbringen muss.84) Er muss also allgemein in der Lage sein, die sich in der Eigenverwaltung stellenden Fragen beispielsweise der Anfechtung und Gesamtschäden ebenso wie Aspekte der Betriebsfortführung beurteilen zu können. Sonderfragen, die sich im jeweiligen Verfahren stellen können, muss er ebenfalls lösen können; hierbei können etwa Konstellationen besonderer Aus- oder Absonderungsrechte, des Immaterialgüterrechtes, des Gesellschaftsrechtes, der Immobilienverwertung oder arbeitsrechtliche Elemente relevant sein.85) 45 Im Sinne einer Branchenkenntnis86) ist die Geschäftskunde aber nicht zu verstehen, zumal schon der Wortlaut der Norm gerade nicht darauf abstellt. Es genügt daher qualifiziertes betriebswirtschaftliches Allgemeinverständnis. Die Prüfung konkreter Produkte oder eine Markteinschätzung gehört nicht zu den Aufgaben des Sachwalters, sondern bleibt dem Sanierungsberater vorbehalten.87) Solcherlei strategische Entscheidungen kann der Sachwalter nur auf ihre Plausibilität vor dem Hintergrund des Schutzes von Gläubigerinte-

___________ 82) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 4. 83) K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 10 f.; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 12. 84) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 38; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56 Rn. 16; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 12. 85) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 13. 86) Vgl. aber als zulässiges Kriterium eines Anforderungskataloges des vorläufigen Gläubigerausschusses gem. § 56a Abs. 1 InsO K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 12. 87) In diesem Sinne wohl auch die Andeutung von Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 43.

14

I. Anforderungen an die Person

ressen prüfen. Daher können vorhandene Branchenkenntnisse allenfalls für eine besondere Einzelfalleignung sprechen, fehlende aber nicht dagegen.88) b) Büro-Infrastruktur Besondere Bedeutung besitzt aber, ob die Größe des Verfahrens mit einer 46 hinreichenden Büro-Infrastruktur des Sachwalters korrespondiert. Der Sachwalter muss nämlich – mithilfe seines qualifizierten Mitarbeiterstabes89) – in der Lage sein, den notwendigen Aufwand der jeweiligen Verfahrensabwicklung erbringen zu können.90) Dazu zählt, dass beispielsweise in Großverfahren entsprechendes Personal vorhanden ist, um die Bearbeitung sicherzustellen. Auch spricht es angesichts kurzer Kommunikationswege für eine besondere 47 Einzelfalleignung, wenn das im Einzelfall notwendige Fachpersonal bereits im Büro-Stab vorhanden oder mittels ständiger Geschäftsbeziehungen in externen Kooperationsverhältnissen verfügbar ist. Denn dies belegt eine gleichbleibende Qualität und macht gegebenenfalls die zeitaufwendige und teure Auswahl und Vergabe externer Aufträge unnötig. c) Auslandsbezug Im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte darf die Kenntnis europa- 48 rechtlicher Rahmenbedingungen wie jener der EuInsVO vorausgesetzt werden. Sprachkenntnisse können hilfreich sein,91) jedoch auch mithilfe von Übersetzern substituiert werden. Kenntnisse nationalen ausländischen Rechtes sind nicht notwendig. Diesbe- 49 züglich genügt eine Zusammenarbeit mit ausländischen Partnersozietäten, deren Erprobtheit für eine besondere Einzelfalleignung sprechen kann. Auch im Übrigen kann der Sachwalter aber notwendigenfalls jeweils ausländische Berufsträger mandatieren. d) Ortsnähe zum Schuldner Eine räumliche Nähe des Sachwalters zum Sitz des Schuldners kann keine 50 Eignungsvoraussetzung sein.92) Zwar wird bisweilen93) davon ausgegangen, ___________ 88) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 26. 89) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 29. 90) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 62 f.; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 15. 91) Als echte Voraussetzung hingegen bei Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 61; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 42; Uhlenbruck/ders., InsO, § 56 Rn. 50. 92) Wie hier z. B. Kammergericht ZIP 2010, 2461; OLG Brandenburg NZI 2009, 723; OLG Nürnberg ZInsO 2008, 979; OLG Stuttgart ZInsO 2006, 331; Graf-Schlicker/ dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 31; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 54 f.; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 13. 93) Zum Streitstand insgesamt vgl. die umfangreichen Nachweise bei Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 30 Fn. 82, 83.

15

B. Die Person des Sachwalters

dass dies aufgrund einer angenommenen Effizienzsteigerung so sei,94) allerdings lässt sich diese Überlegung schon praktisch wegen digitaler und sonstiger Fernkommunikationsmittel und bei Reisebereitschaft des Sachwalters nicht mehr halten.95) Im Übrigen erfordert seine Kontrolle des Schuldners auch weniger physische Anwesenheit als eine klassische Insolvenzverwaltung. 51 Eine Ortsnähe zu fordern, ist auch verfassungsrechtlich unzulässig:96) Es fehlt nämlich dafür, soweit der Sachwalter seine Aufgaben auch mit Fernkommunikationsmitteln und Reisen erledigen kann, an einem sachlichen Grund für eine Einschränkung seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Darüber hinaus dürfte diesem Kriterium auch die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG entgegenstehen, soweit sie örtliche Diskriminierungen nur bei Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses zulässt.97) e) Zeitaufwand 52 Schließlich ist auch erforderlich, dass der Sachwalter den entstehenden zeitlichen Aufwand der Verfahrensabwicklung erbringen kann.98) Hierbei darf allerdings unterstellt werden, dass ein Sachwalter auch eine hohe Arbeitsbelastung bewältigen kann.99) Daher kann erst eine bestehende Überlastung gegen seine Eignung sprechen. f) Persönlichkeitsstruktur 53 Mehr noch als ein Verwalter muss der Sachwalter im Verfahren eine moderierende und vermittelnde Funktion übernehmen. Denn auch, wenn rechtlich dem Schuldner die Abwicklung der Kommunikation mit Banken und sonstigen Gläubigern obliegt, ist der Sachwalter praktisch regelmäßig gefordert: Er wird häufig die wirtschaftliche Lage des Schuldners erläutern und die rechtlichen Spezifika der Eigenverwaltung erklären müssen, um den das Regelinsolvenzverfahren gewohnten Gläubigern gefühlte Sicherheit für eine Fortsetzung ihrer Vertragsbeziehungen zu geben (unten Rn. 450).100) ___________ 94) Vgl. nur z. B. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 14; OLG Hamm ZInsO 2008, 671 unter Verweis auf BVerfG ZInsO 2006, 1101, welches allerdings nur annahm, ein solches Kriterium stehe „einer ermessensfehlerfreien Entscheidung nicht grundsätzlich entgegen“; einschränkend Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 71: „ein Gesichtspunkt von mehreren“. 95) Vgl. nur BVerfG ZInsO 2009, 1641; Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 31; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 13. 96) In diese Richtung tendierend nunmehr auch BVerfG ZInsO 2009, 1641. 97) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 31 m. w. N. 98) Dazu eingehend Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 27 f.; OLG Brandenburg ZInsO 2009, 2202. 99) Vgl. insofern zur Aufnahme in die Vorauswahlliste OLG Brandenburg ZInsO 2009, 2202. 100) So auch Lau, DB 2014, 1417, 1420.

16

I. Anforderungen an die Person

Diesbezüglich wie auch im Kontext der Kontrolle des Schuldners fordert die 54 Eigenverwaltung daher vom Sachwalter hohe Kommunikations-, Kooperations- und auch Konfliktlösungsbereitschaft.101) g) Erfahrung Soweit vom Sachwalter praktische Erfahrung verlangt wird,102) leuchtet dies 55 ohne weiteres ein: Die von der Norm geforderte Geschäftskunde setzt schon dem allgemeinen Begriffsverständnis nach eine erlangte Kundigkeit, also Erfahrung, voraus.103) Dagegen ist auch verfassungsrechtlich nichts zu erinnern:104) Zwar handelt es sich um eine subjektive Berufswahlbeschränkung gem. Art. 12 Abs. 1 GG, die aber durch die zuverlässige Verfahrensabwicklung als wichtigem Allgemeinwohlbelang, der im Übrigen auch dem Schutz der Grundrechte des Schuldners und der Gläubiger dient (oben Rn. 39), gerechtfertigt ist. Die maßgebliche Erfahrung kann auch durch Mitarbeit in einem Insolvenz- 56 verwalter-Büro oder selbständige Tätigkeit in Kooperation mit Verwaltern gewonnen werden, so dass neuen Kandidaten ein Zugang zum Berufsfeld nicht grundlegend versperrt ist. So ist die erfolgreiche Abwicklung mehrerer, ähnlicher Verfahren zwar ein kaum widerlegliches Indiz für Erfahrung, muss aber auch durch Nachweise anderer Art der Erfahrungssammlung ersetzt werden können. Denn sonst würde sich der Kreis der einmal bestellten Verwalter verfestigen, ohne neuen Kandidaten eine Chance zu gewähren. Daher muss gem. Art. 3 Abs. 1 GG auch eine Mitarbeit beispielsweise in Insolvenzverwalterbüros – je nach dortiger Arbeit und Art des konkreten Verfahrens – eine hinreichende Anfangserfahrung begründen können.105) 3. Unabhängigkeit Dem Sachwalter fehlt gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO die Eignung für sein Amt, 57 wenn er nicht unabhängig ist. Soll er als Aufsichtsorgan den Schuldner überwachen, ergibt sich schon daraus zwingend, dass er von diesem unabhängig sein muss. Da er aber auch die (Grund-)Rechte des Schuldners wahren muss, darf er gleichfalls nicht Interessenvertreter der Gläubiger sein. Seine Unabhängigkeit muss also gegenüber allen Verfahrensbeteiligten bestehen.106) ___________ 101) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 43. 102) Vgl. nur Hanseatisches OLG ZInsO 2009, 2013; Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 55; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 41; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56 Rn. 16; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 13. 103) So schon BT-Drucks. 12/2443, S. 127. 104) BVerfG ZInsO 2009, 1053; ZInsO 2006, 869. 105) Zum Ganzen Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 17 m. w. N. 106) Im Ergebnis allgemeine Auffassung, vgl. nur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAKInsO, § 56 Rn. 8; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 17; Wimmer/Jahntz, FKInsO, § 56 Rn. 9.

17

B. Die Person des Sachwalters

58 Unabhängig ist der Sachwalter dann nicht mehr, wenn aufgrund objektiver Umstände aus der Warte eines verständigen Schuldners oder Gläubigers die Befürchtung besteht, er werde seine Aufgabe nicht gemäß der Verfahrensziele des § 1 Abs. 1 InsO wahrnehmen.107) a) Vorschlag und Beratung in allgemeiner Form 59 Wann eine solche Befürchtung vorliegt, klärt § 56 Abs. 1 S. 3 InsO jedenfalls dahingehend, dass weder ein Vorschlag durch einen Verfahrensbeteiligten (dazu im Einzelnen unten Rn. 72 ff.), noch eine allgemeine Beratung des Schuldners die Unabhängigkeit eines Kandidaten ausschließen. Letzteres legitimiert damit eine Praxis, die in der Vergangenheit stattgefunden hat. 60 So kam es schon vor Änderung der Norm durch das ESUG vor, dass im Vorfeld einer Antragstellung zwischen Schuldnern und dem potentiellen Verwalter sog. „Nichtgespräche“ geführt wurden.108) Sie müssen sich freilich, wie nunmehr die Regelung auch ausdrücklich festlegt, auf eine allgemeine Beratung beschränken. Gemeint ist damit, dass der potentielle Sachwalter dem Schuldner insgesamt über Auswirkungen und Befugnisse in einem Insolvenzverfahren, sowie über die Möglichkeiten der Sanierung Auskünfte erteilt – jeweils ohne den Einzelfall zu begutachten.109) Auch mag hier geklärt werden, ob der Kandidat für das Verfahren als künftiger Sachwalter zur Verfügung stünde. 61 Entscheidend für die Qualifikation einer Beratung als lediglich „in allgemeiner Form“ erfolgt muss sein, inwieweit der potentielle Sachwalter ausschließlich seine Verfügbarkeit, den Verfahrensablauf, sowie die Voraussetzungen beispielsweise von Anträgen, Bestellungen oder gesetzlichen Haftungsvorschriften erläutert. Beginnt er hingegen, im jeweiligen Fall zu subsumieren, Ratschläge zu erteilen oder wirft beispielsweise einen Blick in die Bilanzen des Schuldners, wird die Beratung speziell.110) 62 Die gesetzliche Beschreibung eines solchen Treffens als „Beratung“ ist daher von vornherein missverständlich,111) die Bezeichnung als bloße „Vorabinformation“ wäre treffender.112) Die Faustregel, voriger Kontakt sei möglich, vorige Vertretung bzw. Würdigung der Interessen des Schuldners und/oder ___________ 107) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 64; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 48 auch m. w. N. zur im Einzelnen nicht gänzlich geklärten Begriffsbildung. 108) Vgl. etwa K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 21; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 7; zu Unrecht tut daher Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 49b dies als „in der Praxis wohl kaum auftretende Situation“ ab. 109) BR-Drucks. 127/1/11, S. 35; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 16c. 110) Frind, ZInsO 2014, 119, 126; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 31b; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 46. 111) Braun/Blümle, InsO, §§ 56 Rn. 64. 112) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 16c.

18

I. Anforderungen an die Person

des Einzelfalles aber nicht (vgl. auch unten Rn. 487 ff.),113) beschreibt die Grenzziehung plastisch. Praxistipp: Ein solches Vorgespräch kann leicht die Grenzen einer allgemeinen Beratung überschreiten, soweit der Schuldner konkrete, auf sein Unternehmen bezogene Fragen stellt und der potentielle Sachwalter darauf eingeht. Dies sollte daher unbedingt vermieden werden. Ein Hinweis an den Schuldner, das Gespräch müsse in diesem Aspekt nunmehr abgebrochen werden, hilft dabei. Dies lässt sich auch für den Schuldner verständlich damit erklären, dass sonst eine Bestellung als Sachwalter nicht mehr in Frage käme. Im Übrigen beugt der potentielle Sachwalter so der Gefahr vor, dass der Schuldner im Falle eines späteren Streites gegenüber dem Gericht oder anderen Verfahrensbeteiligten äußert, er habe doch diesen oder jenen Punkt schon im Voraus mit dem nunmehrigen Sachwalter mit bestimmtem Ergebnis „abgesprochen“.

b) Sonstige Umstände Mit dem Abstellen auf die Vertretung oder Würdigung der Interessen von 63 Verfahrensbeteiligten ist zugleich das Kriterium für die Beurteilung sonstiger Umstände gefunden, welche die Unabhängigkeit ausschließen können.114) Sie folgen denjenigen Fallgruppen, welche auch für den Verwalter einschlägig sind. Insbesondere bestehen daher Bedenken, wenn der Sachwalter als Berater des Schuldners oder seiner Gläubiger tätig war oder ist, bzw. sonst für die institutionellen Gläubiger laufend tätig war oder ist.115) Nicht ganz einfach zu beurteilen ist eine Beziehung zwischen dem Sachwal- 64 ter und den für den Schuldner tätigen Beratern bzw. Sanierungsgeschäftsführern. Regelmäßige Zusammenarbeit in früheren Verfahren wird bisweilen als kritisch für das aktuelle Verfahren gesehen.116) An dieser Sichtweise ist jedenfalls so viel richtig, als dass der Sachwalter auch von diesen unabhängig zu sein hat.117) Das mag man vielleicht berechtigt bezweifeln, soweit Sanierungsgeschäftsführer und Sachwalter in der Vergangenheit wiederholt gemeinsam als Sanierungsgeschäftsführer tätig waren.118) Entsprechen aber die früheren Konstellationen der aktuellen – war also 65 auch dort der Sachwalter als solcher tätig und Berater bzw. Sanierungsge___________ 113) Sehr ähnlich K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 21. 114) Plastisch etwa Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 26b: „Vorbefassung mit Masse betreffenden Angelegenheiten von Gläubigern, Drittschuldnern oder des Schuldners“. 115) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 70; Frind, ZInsO 2014, 119, 123; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 35 ff.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 45 f.; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 21 – jew. m. w. N. 116) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 45; vgl. auch AG Stendahl ZIP 2012, 1875. 117) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 26. 118) So der Fall bei AG Stendahl ZIP 2012, 1875.

19

B. Die Person des Sachwalters

schäftsführer haben in früheren Verfahren als solche gearbeitet – kann dies eine Unabhängigkeit nicht per se ausschließen.119) Im Gegenteil sind dann vielmehr auch positive Effekte für das Verfahren zu erwarten: Kennt der Sachwalter nämlich beispielsweise den Sanierungsgeschäftsführer schon aus früheren Verfahren, kann er seine Kontrolle an diesen Kenntnisstand anpassen und so die Wahrung der Gläubigerinteressen besonders effektiv kontrollieren. 66 Schließlich darf der Sachwalter in Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 2 S. 1 HS. 2 InsO nicht identisch mit dem Ersteller der Sanierungsbescheinigung (oben Rn. 33) sein. Ebenso wird wohl der Ersteller eines (prepackaged) Insolvenzplanes regelmäßig (aber nicht zwingend120)) bei den Gläubigern die Befürchtung wecken, keine hinreichende Unabhängigkeit gegenüber dem Schuldner zu besitzen.121) II. Auswahl und Bestellung 67 Die Bestellung des vorläufigen und endgültigen Sachwalters obliegt dem Gericht, wie sich aus §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1 InsO ergibt. Damit ist aber nicht zugleich gesagt, inwieweit das Gericht jenseits des formalen Bestellungsaktes durch Aushändigung einer gem. § 56 Abs. 2 InsO erforderlichen Urkunde Einfluss auf die Wahl der Person des Sachwalters nehmen kann. 1. Auswahlermessen des Gerichtes a) Ermessensmaßstäbe 68 Dem in § 56 Abs. 1 S. 1 InsO statuierten Grundsatz nach hat das Gericht den (vorläufigen) Sachwalter auszuwählen. Hierbei hat es ein weites Auswahlermessen,122) dessen Ausübung bei Fehlern über § 839 BGB, Art. 34 GG haftungsbewehrt ist.123) Funktional zuständig ist gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG der Insolvenzrichter. Dies ist in Fällen der Anordnung der Eigenverwaltung nach Verfahrenseröffnung gem. § 271 InsO anders: Hier greift der Richtervorbehalt des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG nicht, so dass der Rechtspfleger zuständig ist.124) ___________ 119) Es muss immer eine Einzelfallprüfung stattfinden, Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 7. 120) Frind, ZInsO 2014, 119, 127 f. 121) BT-Drucks. 17/7511, S. 47 und dazu Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 13. 122) BVerfG ZInsO 2009, 1641; ZInsO 2006, 765, 768 (jeweils zum Verwalter); dazu im Einzelnen Frind, ZInsO 2009, 1638; zum Sachwalter ausdrücklich Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 274 Rn. 35; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 9a. 123) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270 Rn. 6; freilich hat diese Haftung nur geringe praktische Bedeutung, weil schon die Bezifferung eines konkreten Schadens kaum möglich ist. 124) Umstritten, vgl. wie hier Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270c Rn. 4; vgl. zur a. A. Schmahl/Busch, MüKo-InsO, § 29 Rn. 137 m. w. N.

20

II. Auswahl und Bestellung

Die Betätigung von Ermessen orientiert sich praktisch an sog. (offenen) 69 Vorauswahllisten, welche von den jeweiligen Insolvenzrichtern geführt werden.125) Zwar muss ein Sachwalter rechtlich nicht zwingend in dieser Liste enthalten sein, um bestellt werden zu können,126) doch ist dies in der Praxis zumindest förderlich (zu Vorschlägen durch den Schuldner und vorläufigen Gläubigerausschuss vgl. aber noch unten Rn. 72 ff., 83 ff.). Aus den – auch in Hinblick auf Büroorganisation, Erreichbarkeit und Arbeits- 70 belastung – für das konkrete Verfahren geeigneten127) Listenkandidaten muss das Gericht sodann ohne Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, also ermessensfehlerfrei, auswählen. Dabei hat es die Interessen des Schuldners und der Gläubiger zu berücksichtigen und daraus sachgerechte Kriterien für die Entscheidung im jeweiligen Einzelfall zu entwickeln.128) Hierbei spielt auch eine Rolle, dass ein Sachwalter bei Aufhebung der Eigenverwaltung aus Gründen der Verfahrensökonomie regelmäßig gem. § 271 S. 3 InsO als Verwalter eingesetzt wird und daher von vornherein über die dafür notwendige personelle und sachliche Ausstattung verfügen können muss.129) Wegen der Notwendigkeit einer zeitnahen Entscheidung muss das Gericht 71 bei der Auswahl keine aufwendige Bestenauslese treffen.130) Es findet also regelmäßig keine Ermessensreduktion auf einen konkreten Kandidaten im Bewerberfeld statt. b) Einschränkung durch Vorschlag Wie sich durch Gläubiger oder Schuldner vorgebrachte (einfache, zu anderen 72 Arten vgl. noch unten Rn. 83 ff., 96 ff.) Personenvorschläge auf die Ermessensbetätigung auswirken, ist zweifelhaft. Jedenfalls schließen sie gem. § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO die Unabhängigkeit und damit die Eignung des Kandidaten nicht aus. Das vor Schaffung dieser Norm gelegentlich von einzelnen Gerichten praktizierte Vorgehen, vorgeschlagene Personen wegen Zweifeln an ihrer Unabhängigkeit ohne weiteres aus dem Kreis der Kandidaten auszuscheiden,131) ist damit jedenfalls heute rechtlich unzulässig.132)

___________ 125) Dazu im Einzelnen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 18 f.; BVerfG ZInsO 2009, 1641; Kreft/Riedel, HK-InsO, § 56 Rn. 11; Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 274 Rn. 25. 126) Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 25. 127) Kreft/Riedel, HK-InsO, § 56 Rn. 22. 128) BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. 129) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 4. 130) BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. 131) Busch, ZInsO 2012, 1389, 1390: „Unsitte“; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 16a. 132) Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 16a.

21

B. Die Person des Sachwalters

73 Soweit bisweilen erklärt wird, ein Vorschlag sei für das Gericht gänzlich unverbindlich,133) ist das in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Sind nämlich nach der Rechtsprechung des BVerfG sachgerechte Auswahlkriterien aus den Interessen der Beteiligten zu entwickeln,134) muss ein von ihnen geäußerter Vorschlag Bedeutung haben. 74 Freilich kann ein Vorschlag das Ermessen nicht auf null reduzieren. Das liegt daran, dass das Gericht nicht nur die Interessen des Vorschlagenden, sondern diejenigen aller Beteiligten zu berücksichtigen hat. Wohl aber ist ein Vorschlag Ausdruck des Umstandes, dass der Vorschlagende seine Interessen durch den jeweiligen Kandidaten als am besten gewahrt betrachtet. Das Gericht, das gem. Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte der Gläubiger und Schuldner schützen muss135) und keinen Rechtsschutz gegen den Rechtsinhaber gewähren darf, muss diesen Umstand also bei der Ermessensbetätigung zugrunde legen. 75 Es ist also verpflichtet, den Vorschlag ernsthaft zu berücksichtigen.136) Ist der Kandidat grundsätzlich als Sachwalter geeignet, muss das Gericht davon ausgehen, dass eine Bestellung des Kandidaten gegenüber dem jeweils Vorschlagenden interessengerecht wäre. Insofern wird sein Ermessen also, je nachdem, wie viele Verfahrensbeteiligte den Vortrag unterstützen, beträchtlich reduziert. Praxistipp: Ein Vorschlag kann das Gericht also regelmäßig nicht zwingen, den konkreten Kandidaten zu bestellen. Trägt der Vorschlagende gleichwohl schlüssig vor, warum der Kandidat am besten geeignet ist und die notwendige Unabhängigkeit besitzt, erleichtert er dem Gericht die Auswahl. Kennt das Gericht den Kandidaten zudem und hat es ihn in der Vergangenheit bereits bestellt, spricht Einiges dafür, dass es einem Vorschlag praktisch folgen wird. Insbesondere in diesem Kontext bietet sich daher eine vorige Kommunikation mit dem Gericht an, um dessen Bereitschaft, einem Vorschlag zu folgen, zu ermitteln. Dabei können im informellen Gespräch Entscheidungsmaßstäbe eruiert und etwaige Bedenken besprochen werden.

c) Weiteres Verfahren 76 Hat das Gericht einen vorläufigen Sachwalter ausgewählt, determiniert dies regelmäßig auch die Wahl des endgültigen Sachwalters. Dieser wird mit dem Eröffnungsbeschluss bestellt.137) Hierbei ist es regelmäßig ermessensfehler___________ 133) Vgl. etwa Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 49; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56 Rn. 6. 134) BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. 135) BVerfG ZInsO 2006, 765, 769. 136) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 9. 137) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270c Rn. 3.

22

II. Auswahl und Bestellung

frei, die konkrete Person auch im eröffneten Verfahren als Sachwalter beizubehalten, weil so eine erneute Einarbeitung verhindert und eine flüssige Verfahrensabwicklung ermöglicht wird. Deswegen sollte der Bestellungsvorgang des vorläufigen Sachwalters, zumal 77 er wie derjenige des endgültigen Sachwalters keinem Rechtsmittel unterliegt,138) in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden. Zu Einflussmöglichkeiten der Gläubiger auf einen Personenwechsel mit und ab Verfahrenseröffnung vgl. aber noch unten (Rn. 90 f., 92 ff.). 2. Einflussnahme durch die Gläubiger Der Grundsatz der gerichtlichen Entscheidungsprärogative über die Person 78 des Sachwalters ist in mehrfacher Hinsicht durchbrochen. Insbesondere die Gläubiger haben mithilfe eines vorläufigen Gläubigerausschusses sowie – im eröffneten Verfahren – mithilfe der Gläubigerversammlung auch jenseits eines bloßen Vorschlages (oben Rn. 72 ff.) Einfluss auf die Personenwahl. Das ist trotz der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters als Ausdruck der Gläubigerautonomie auch richtig.139) a) Vorläufiger Gläubigerausschuss Eine zentrale Rolle spielt für den Gläubigerausschuss die Regelung des § 56a 79 InsO. Sie gibt einem bestehenden Ausschuss zweierlei Handlungsmöglichkeiten: Einerseits kann der Ausschuss dem Gericht gem. § 56a Abs. 1 InsO mitteilen, welche Anforderungen an die Person des Sachwalters aus Gläubigersicht zu stellen sind und welche Person die Gläubiger favorisieren. Andererseits kann er gem. § 56a Abs. 2 InsO bei einstimmiger Entscheidung dem Gericht sogar die Bestellung einer konkreten Person aufgeben. Diese Möglichkeiten bestehen sowohl hinsichtlich des vorläufigen Sachwalters 80 gem. §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1, 56a InsO als auch hinsichtlich des endgültigen Sachwalters gem. §§ 274 Abs. 1, 56a InsO.140) Auf beide Personalentscheidungen haben die Gläubiger vermöge der Norm also Einfluss. aa) Arten des Gläubigerausschusses Die Regelung des § 56a InsO setzt in beiden Fällen voraus, dass ein vorläufi- 81 ger Gläubigerausschuss besteht, also zuvor eingesetzt wurde.141) Dies kann ___________ 138) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 9; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 167 ff. 139) Vgl. hingegen kritisch dazu Pape, ZInsO 2011, 1033, 1034; zum Ganzen Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 158 ff. 140) So schon der Gesetzgeber des ESUG in BT-Drucks. 17/5712, S. 24; vgl. auch Andres/ Leithaus/Andres, InsO, § 56a Rn. 1; Graeber, MüKo-InsO, § 56a Rn. 7; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 52. 141) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 162; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 11.

23

B. Die Person des Sachwalters

aufgrund von drei Varianten der Fall sein:142) x

Ein Pflichtausschuss ist zwingend gem. § 22a Abs. 1 InsO zu bestellen, wenn zwei der drei in der Norm genannten Größenklassen überschritten werden. Sie stellen auf eine Bilanzsumme von mindestens 4,84 Mio. Euro143) ab, Umsatzerlöse von mindestens 9,68 Mio. Euro144) und mindestens 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Dies entspricht der Regelung in § 267 Abs. 1 HGB.145)

x

Der Antragsausschuss gem. § 22a Abs. 2 InsO soll unabhängig von den Größenklassen des Abs. 1 bestellt werden, wenn der Schuldner, ein Gläubiger oder der vorläufige Sachwalter dies beantragen und zusammen mit dem Antrag Einverständniserklärungen146) der in Frage kommenden Ausschussmitglieder vorgelegt werden. Aus der „soll“-Formulierung folgt, dass das Gericht den Ausschuss auf einen Antrag hin im Regelfall zu bestellen hat und nur in atypischen Fällen davon absehen darf (zu dieser Regelungstechnik des Gesetzes vgl. schon oben Rn. 29).147)

x

Einen amtswegigen Ausschuss gem. § 21a Abs. 2 Nr. 1a InsO kann das Gericht jederzeit einsetzen. Insofern ist es an die Voraussetzungen des § 22a InsO nicht gebunden, sondern entscheidet nach Ermessen über die Einsetzung.148) Eine Einsetzung kommt beispielsweise in den Fällen in Frage, in denen wichtige Entscheidungen bereits im Eröffnungsverfahren der Beteiligung der Gläubiger gem. §§ 276, 160 InsO (unten Rn. 216 ff., bes. 221 f.) bedürfen.149)

82 Im Falle der Ausschüsse gem. § 22a Abs. 1 und 2 InsO regelt Abs. 3 der Norm Ausnahmen. Demnach ist ein Ausschuss (aufgrund des eindeutigen Wortlautes zwingend150)) nicht einzusetzen, wenn ohnehin keine Betriebs___________ 142) Vgl. die hier aus Gründen ihrer sprachlichen Präzision übernommene Terminologie bei z. B. Kühne, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 5 Rn. 713 und Schmidt/ Frind, HmbKo-InsO, § 67 Rn. 2; rein sprachlich anders z. B. Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 („Obligatorischer Ausschuss“, „Antragsausschuss“ und „Fakultativer Ausschuss“); Schienstock/Mentzer, KSI 2013, 274 („Muss-Ausschuss“, „Soll-Ausschuss“, „KannAusschuss“) oder K. Schmidt/Hölzle, InsO, § 22a („Originärer Pflichtausschuss“, „Derivativer Pflichtausschuss“, „Fakultativer vorläufiger Gläubigerausschuss“). 143) Nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrages i. S. d. § 268 Abs. 3 HGB. 144) Bezogen auf die zwölf Monate vor dem Abschlussstichtag. 145) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 22a Rn. 3; § 267 Abs. 4 HGB ist aber nicht anzuwenden, Kreft/Kirchhof, HK-InsO, § 22a Rn. 3. 146) Dazu Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 92 m. w. N. 147) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 99; Haarmeyer, MüKo-InsO, § 22a Rn. 102; a. A. hingegen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 22a Rn. 20 (Ermessen ohne Einschränkung). 148) K. Schmidt/Hölzle, InsO, § 22a Rn. 14; 149) Kühne, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 5 Rn. 722 ff. 150) Vgl. nur AG Hamburg ZIP ZInsO 2013, 1804; Kreft/Krichhof, HK-InsO, § 22a Rn. 4.

24

II. Auswahl und Bestellung

fortführung stattfindet, die Einsetzung außer Verhältnis zur Insolvenzmasse stünde oder eine Verzögerung bedeuten würde, welche die Vermögenslage des Schuldners nachteilig verändern würde.151) Aus der systematischen Stellung der Norm ergibt sich, dass sie nur die Ausschüsse nach Abs. 1 und 2 erfasst. Die Einsetzung eines amtswegigen Ausschusses nach § 21a Abs. 2 Nr. 1a InsO hindert die Norm hingegen nicht.152) Praxistipp: Die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses sollten gegenüber dem Gericht im Eröffnungsverfahren ihre Bereitschaft erklären, nach Eröffnung dem vorläufigen Ausschuss bis zur ersten Gläubigerversammlung anzugehören sowie nach der Versammlung dem endgültigen Gläubigerausschuss. Dies bedingt eine Kontinuität in der Verfahrensabwicklung, weil eine erneute Einarbeitung anderer Personen überflüssig wird und auch der Sachwalter eine begonnene Kooperation und Koordination fortsetzen kann.

bb) Beschlüsse des Gläubigerausschusses Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt, so ist diesem vor der Bestel- 83 lung eines vorläufigen Sachwalters wie auch vor der Bestellung des endgültigen Sachwalters Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen an die Person, sowie zur Person selbst zu äußern, § 56a Abs. 1 InsO. Zu einer Äußerung ist der Ausschuss nicht verpflichtet.153) Will er aber von 84 der Gelegenheit Gebrauch machen, kann er wählen, ob er sich zu einem Anforderungsprofil oder einer Person äußert oder gar zu beidem.154) Die Äußerungsberechtigung steht dem Ausschuss als Gremium zu, sie erfordert also eine Beschlussfassung mit der gem. § 72 InsO maßgeblichen Mehrheit.155) Inwieweit das Gericht an einen Beschluss des vorläufigen Gläubigeraus- 85 schusses gebunden ist, muss differenzierend beantwortet werden: Ein Anforderungsprofil „hat“ das Gericht bei der Auswahl des (vorläufigen) Sachwalters „zugrunde zu legen“, § 56a Abs. 2 S. 2 InsO. Es ist damit angesichts des eindeutigen Wortlautes verpflichtende Basis für die ___________ x

151) Dazu im Einzelnen z. B. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 22a Rn. 22 ff. 152) So auch Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 103; anwendbar sogar nur auf den Pflichtausschuss nach Haarmeyer, MüKo-InsO, § 22a Rn. 141 ff.; vgl. zum Ganzen Kühne, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 5 Rn. 721 m. w. N. 153) Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56a Rn. 2 m. w. N. 154) So auch K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 12; a. A. Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 13, der aus dem „und“ schließt, dass der Ausschuss im Falle einer Äußerung zur Person zwingend auch ein Anforderungsprofil aufstellen müsse. Das überzeugt nicht. Auf irgendeine Weise muss der Gesetzgeber bei § 56a Abs. 1 InsO die Möglichkeiten aufzählen. Hätte er „oder“ gewählt, hätte man das dahingehend verstehen können, dass das Gericht keine Gelegenheit zur Äußerung in beiden Aspekten gewähren müsse. Das „und“ hat also nur die Funktion, dem Ausschuss eine Gelegenheit für beides zu geben. 155) BT-Drucks. 17/5712, S. 26; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 13.

25

B. Die Person des Sachwalters

Auswahlentscheidung des Gerichtes gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO156) und insofern Ermessensgrenze. Je detaillierter das Profil also Fähigkeiten und Kenntnisse wie beispielsweise besondere Personalkompetenz oder Erfahrung beschreibt,157) desto geringer ist das dem Gericht verbleibende Ermessen. Als Ermessensgrenze ist das Anforderungsprofil aber nur dann rechtmäßig und damit beachtlich, wenn es sich selbst in den Grenzen der Kriterien hält, die überhaupt gem. § 56 InsO maßgeblich sein dürfen.158) x

Eine Äußerung zur Person, die lediglich mit Mehrheit gem. § 72 InsO beschlossen wurde, ist für das Gericht nicht unmittelbar verbindlich.159) Dies ergibt sich aus dem systematischen Kontext mit § 56a Abs. 2 InsO. Es handelt sich insofern rechtstechnisch um einen Vorschlag, der nach dem oben Ausgeführten (Rn. 72 ff.) das bestehende Ermessen des Gerichtes bei der Auswahlentscheidung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO reduzieren kann.

x

Eine einstimmig erfolgte Äußerung zur Person des Sachwalters ist gem. § 56a Abs. 2 S. 1 InsO grundsätzlich verbindlich. Sie ersetzt eine eigene Ermessensbetätigung des Gerichtes gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO. Das Gericht darf ausschließlich dann von einem solchen Votum abweichen, wenn der Kandidat „ungeeignet“ ist. Damit ist weder entscheidend, ob die Person in der Vorauswahlliste vorhanden ist, noch, ob eine andere Person nach Auffassung des Gerichtes „besser geeignet“ wäre.160) Vielmehr müssen Gründe vorliegen, die eine Eignung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO ausschließen. Nur insofern ist das Gericht zur Abweichung befugt. Aufgrund des Wortlautes dieser Norm mit dem darin enthaltenen „insbesondere“-Verweis fällt darunter auch eine etwaig fehlende Unabhängigkeit,161) deren Vorliegen das Gericht also auch bei einstimmigem Votum zum Schutze der Grundrechte des Schuldners (oben Rn. 39, 57) zu prüfen hat.

86 Ein Rechtsmittel gegen die Auswahlentscheidung des Gerichtes besteht für die Gläubiger nicht (oben Rn. 77). Dies ist auch dann nicht anders, wenn das Gericht entgegen der – sogar: einstimmigen – Beschlüsse des vorläufigen

___________ 156) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 191; Kreft/Riedel, HK-InsO, § 56a Rn. 18; Kübler/ Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56a Rn. 10. 157) Vgl. die Beispiele bei K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 12. 158) Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56a Rn. 9; BT-Drucks. 17/5712, S. 26. 159) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 190; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 11 ff. 160) Zum Ganzen K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 20 ff. 161) AG Stendahl ZIP 2012, 1875; Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 184; Andres/Leithaus/ Andres, InsO, § 56a Rn. 7; Braun/Blümle, InsO, § 56a Rn. 25; Kreft/Riedel, HK-InsO, § 56a Rn. 23; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56a Rn. 13; Nerlich/Römermann/ Delhaes, InsO, § 56a Rn. 15; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56a Rn. 39.

26

II. Auswahl und Bestellung

Gläubigerausschusses gehandelt hat.162) Denn anders als § 57 S. 4 InsO sieht § 56a InsO keine Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde vor. cc) Praktische Handhabung Die Anwendung des § 56a InsO setzt voraus, dass ein vorläufiger Gläubiger- 87 ausschuss besteht (oben Rn. 81), bevor das Gericht über die Person des (vorläufigen) Sachwalters entscheidet.163) Das ist praktisch indes wegen angenommener oder tatsächlich bestehender Eilbedürftigkeit nicht immer der Fall. Häufig bestellen Gerichte vielmehr zuerst den vorläufigen Sachwalter und erst anschließend einen vorläufigen Gläubigerausschuss. Nach der Norm ist dem vorläufigen Ausschuss dann erst wieder vor der Be- 88 stellung des endgültigen Sachwalters Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Darüber hilft auch nicht die Neuwahlkompetenz des § 56a Abs. 3 InsO hinweg: Gemäß dieser Vorschrift kann der Ausschuss zwar einstimmig einen neuen (vorläufigen) Sachwalter wählen, wenn er aufgrund besonderer Eilbedürftigkeit mit Blick auf Gefahren für das schuldnerische Vermögen vor der Bestellung gem. § 56a Abs. 1 letzter Halbsatz InsO nicht angehört wurde. Allerdings setzt dies eben voraus, dass er wegen der Eilbedürftigkeit nicht angehört wurde und nicht, weil er noch nicht eingesetzt war.164) Auch eine analoge Anwendung dieser Norm scheidet aus. Selbst wenn man 89 eine planwidrige Regelungslücke annähme, fehlte es an einer vergleichbaren Interessenlage. Diese ließe sich eben nicht mit einem „erst recht“-Schluss begründen:165) Abs. 3 der Vorschrift will einen Ausgleich für die im Eilfall übergangene Kompetenz des Ausschusses schaffen. Im Falle fehlender Bestellung des Ausschusses war aber noch keine Kompetenz vorhanden, die übergangen wurde. Ist der vorläufige Gläubigerausschuss also erst später bestellt worden und 90 mit der Person eines vorab bestellten vorläufigen Sachwalters unzufrieden, verbleibt ihm lediglich, mittels seiner Beschlussfassung auf die Person des endgültigen Sachwalters Einfluss zu nehmen. Hierfür stehen ihm die bereits benannten Mittel zur Verfügung (Rn. 79 f.).

___________ 162) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 55. 163) Vgl. nur Graeber, MüKo-InsO, § 56a Rn. 11. 164) Graeber, MüKo-InsO, § 56a Rn. 59; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56a Rn. 18; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 29; zur a. A. vgl. die nachfolgende Fußnote. 165) So aber Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56a Rn. 6; Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 195 f.; Blersch/Goetsch/Haas/Blersch, BerlKo-InsR, § 56a Rn. 12; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 6; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56a Rn. 51.

27

B. Die Person des Sachwalters Praxistipp: Der vorläufige Sachwalter, der auch nach Verfahrenseröffnung im Amt bleiben möchte, ist deswegen gut beraten, sich mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss abzustimmen. Es hat sich als praktikabel erwiesen, diesen in der letzten Sitzung vor dem Eröffnungsbeschluss zu befragen, ob er eine weitere Tätigkeit des Sachwalters einstimmig befürworte. Wird dies bejaht, kann der Sachwalter dem Gericht mitteilen, dass die Voraussetzungen für seine Bestellung auch im eröffneten Verfahren gem. § 56a Abs. 2 S. 1 InsO vorliegen.

91 Um die durch § 56a InsO gebotenen Möglichkeiten nutzen zu können, kann es sich praktisch bei Eröffnungsanträgen von Gläubigern anbieten, zugleich die Konstruktion eines sog. „mitgebrachten Gläubigerausschusses“ zu nutzen.166) Zur dann gebotenen Vorgehensweise, um dem favorisierten Sachwalter ins Amt zu helfen, sowie zur rechtlichen Bedeutung vgl. noch unten Rn. 101 ff. b) Gläubigerversammlung 92 Auch die Regelung des § 57 InsO ist gem. § 274 Abs. 1 InsO in der Eigenverwaltung anwendbar. Daher kann die erste Gläubigerversammlung – die erst nach Verfahrenseröffnung zusammentritt – nach der Bestellung einer Person zum endgültigen Sachwalter statt seiner eine andere Person wählen.167) 93 Erforderlich ist für eine gültige Wahl die doppelte Mehrheit der Gläubiger nach Summen und Köpfen, §§ 57 S. 2, 76 Abs. 2 InsO. Das Gericht ist an diese Entscheidung gebunden, es sei denn, der Kandidat ist für eine SachwalterStellung ungeeignet. Insofern gilt dasselbe wie bei einer einstimmigen Wahl durch den vorläufigen Gläubigerausschuss gem. § 56a Abs. 2 InsO (oben Rn. 85). 94 Versagt das Gericht die Bestellung des gewählten Kandidaten, steht Insolvenzgläubigern hiergegen gem. § 57 S. 4 InsO die sofortige Beschwerde offen. Andere Rechtsmittel bestehen wohl nicht: Wie schon bei der Abwahl des Insolvenzverwalters wird auch beim Abwahlbeschluss im Falle der Eigenverwaltung kein Rechtsschutz gem. § 78 InsO zu gewähren sein.168) Auch dem Sachwalter selbst dürfte analog der Rechtsprechung zum abgewählten Verwalter kein Rechtsschutz offen stehen, soweit man davon ausgeht, dass § 57 S. 4 InsO eine abschließende Spezialregelung darstellt.169) ___________ 166) So bereits Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1751. 167) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 30; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 17; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 10. 168) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 31; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 39 – jew. m. w. N. 169) Vgl. BGH ZInsO 2003, 750; BVerfG ZInsO 2005, 368; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 32; a. A., jedoch ohne eine Begründung, Blersch/Goetsch/Haas/ Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 9.

28

II. Auswahl und Bestellung

3. Einflussnahme durch den Schuldner Nicht nur die Gläubiger können auf die Person des Sachwalters Einfluss 95 nehmen: Auch dem Schuldner stehen hierfür neben dem Vorschlag (oben Rn. 72 ff.) Möglichkeiten zur Verfügung. Diese sind indes nur beim Schutzschirmverfahren rechtlich zwingend ausgebildet, während der Schuldner ansonsten auf die Kooperation seiner Gläubiger angewiesen ist. a) Schutzschirmverfahren Liegen die Voraussetzungen für ein Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO 96 vor (oben Rn. 31 ff.), so hat der Schuldner gem. § 270b Abs. 2 S. 2 InsO ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person des vorläufigen Sachwalters. Soweit der Schuldner hiervon Gebrauch macht, ist diese Möglichkeit gegenüber der Regelungen der §§ 56, 56a InsO spezieller und verdrängt diese.170) Nutzt der Schuldner sein Vorschlagsrecht, ist das Gericht daran gebunden. 97 Es darf den Kandidaten gem. § 270b Abs. 2 S. 2 InsO ausschließlich dann ablehnen, wenn er offensichtlich ungeeignet ist. Einen Unterfall hierfür nennt § 270b Abs. 2 S. 1 InsO, wonach der vorläufige Sachwalter mit dem Aussteller der Sanierungsbescheinigung nicht identisch sein darf. Im Übrigen gelten wie im Falle des einstimmigen Vorschlages durch den vor- 98 läufigen Gläubigerausschuss die Maßstäbe des § 56 Abs. 1 S. 1 InsO (oben Rn. 68 ff.).171) Soweit die Norm eine „offensichtlich“ fehlende Eignung anspricht, muss diese für das Gericht auf der Hand liegen.172) Zweifelsfälle gehen also nicht zu Lasten des Schuldners.173) Folgt das Gericht dem Vorschlag nicht, hat es dies in einem ablehnenden Be- 99 schluss zu begründen, § 270b Abs. 2 S. 2 letzter HS InsO. Einem Rechtsmittel unterliegt dieser Beschluss freilich nicht.174) Hinsichtlich der Bestellung einer vom Schuldner nicht vorgeschlagenen Person leben dann wieder die allgemeinen Vorschriften der §§ 274 Abs. 1, 56, 56a InsO auf.175)

___________ 170) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 9; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 34; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 9; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1750. 171) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 11; Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 10; Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 9. 172) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 14. 173) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 11. 174) Statt aller Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 36. 175) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 14.

29

B. Die Person des Sachwalters Praxistipp: Wegen fehlender Rechtsmittel ist es besonders wichtig, schon im Vorfeld der Antragstellung mit dem Gericht zu kommunizieren. So können Bedenken hinsichtlich der Eignung eines Kandidaten angesprochen und der Verfahrensablauf besser geplant werden. Praktisch hilfreich kann es sein, einen Kandidaten vorzuschlagen, der bereits in der Vorauswahlliste des Gerichtes enthalten ist, weil damit die grundsätzliche Eignung kaum in Frage stehen wird. Rechtlich zwingend ist das freilich nicht.176) Im Übrigen muss der Schuldner bei der Antragstellung nach § 270b InsO den Umgang mit der Information der Gläubiger planen. Bezieht er diese frühzeitig mit ein, riskiert er, dass sie ihre Forderungen fällig stellen und damit eine Zahlungsunfähigkeit herbeiführen – dies schließt in Folge einen Schutzschirm gem. § 270b InsO aus (oben Rn. 32). Informiert er sie vorab nicht, kann er zwar einen zulässigen Schutzschirm-Antrag stellen. Jedoch riskiert er dann im weiteren Verfahren eine Einschränkung der Kooperationsbereitschaft der Gläubiger, weil diese sich übergangen fühlen.

b) Koordination mit den Gläubigern 100 Liegen die Voraussetzungen für ein Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO nicht vor, hat der Schuldner neben einem allgemeinen Vorschlagsrecht (oben Rn. 72 ff.) keine originären Kompetenzen, auf die Person des Sachwalters Einfluss zu nehmen. Wohl aber kann er sich praktisch die Kompetenzen der Gläubiger zunutze machen. aa) „Mitgebrachter Gläubigerausschuss“ 101 Dafür steht ihm die Figur des sog. mitgebrachten vorläufigen Gläubigerausschusses zur Verfügung.177) Die dahinter stehende Idee ist, dass der Schuldner mit Antragstellung alle notwendigen Unterlagen einreicht, damit das Gericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen kann, der dann wiederum eine konkrete Person als Sachwalter einstimmig favorisiert. 102 Kann das Gericht damit dazu gebracht werden, zuerst den Ausschuss einzusetzen und liegt ihm dessen einstimmige Stellungnahme dann bereits vor, spricht viel dafür, dass das im Voraus gefasste, einstimmige Votum für das Gericht gem. § 56a Abs. 2 InsO bindend ist (oben Rn. 85). Denn ein neuerliches Votum zu fordern, wäre dann bloße Förmelei. Auch spricht angesichts des Wortlautes des § 56a Abs. 1 InsO nichts dagegen, dass der Ausschuss seine „Gelegenheit“, sich zu „äußern“ durch eine vorverfasste Stellungnahme wahrnimmt.178) ___________ 176) Dazu Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 36. 177) Vgl. dazu allgemein Tetzlaff, MüKo-InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 22; kritisch Schmidt/ Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 12. 178) Anders, aber ohne hinreichende Begründung, Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 12.

30

II. Auswahl und Bestellung

Bestellt das Gericht hingegen zuerst den Sachwalter, bevor es den Ausschuss 103 einsetzt, wird ein solcher mehrseitiger Vorschlag mindestens eine Ermessensreduktion (oben Rn. 74 f.) bedingen. Darüber hinaus kann er auch eine gewisse faktische Bindungswirkung hervorrufen. Diese geht freilich dort fehl, wo Gerichte dem Konzept eines mitgebrachten Ausschusses grundsätzlich kritisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen.179) Praxistipp: Auch in diesem Kontext empfiehlt sich daher unbedingt eine vorherige Kommunikation mit dem zuständigen Insolvenzgericht. Diese sollte bestenfalls bereits im Vorfeld der Antragstellung erfordern, um einen reibungslosen Einstieg ins Verfahren zu begünstigen (dazu und zum sonst gebotenen Inhalt der Kommunikation vgl. noch unten Rn. 109 a.E.).

bb) Praktische Umsetzung Will der Schuldner eine solche Konstruktion nutzen, sollte er, soweit die 104 Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 InsO vorliegen, die Einsetzung eines Pflichtausschusses anregen. Alternativ sollte er die Einsetzung eines Antragsausschusses gem. § 22a InsO beantragen. In beiden Fällen ist es wegen der Steuerungsmöglichkeit durch den Schuldner, sowie zur Zeitersparnis dringend geboten – und im zweiten Fall sogar für eine zulässige Antragstellung rechtlich erforderlich (oben Rn. 81) – Einverständniserklärungen der potentiellen Mitglieder beizufügen nach folgendem Beispiel: Hiermit erkläre ich mich bereit, einem vorläufigen Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren über das Vermögen des … anzugehören. Bei der Auswahl der potentiellen Mitglieder sollte sich der Schuldner an den 105 Vorgaben des § 67 Abs. 2 InsO orientieren, weil die dort bezeichnete Zusammensetzung auch für das Gericht bei eigener Auswahl der Mitglieder entscheidend wäre. Danach ist es also sinnvoll, wenn der Schuldner – abhängig von der Verteilung der Forderungshöhen und Absonderungsrechte im konkreten Fall – Einverständniserklärungen von insgesamt vier Mitgliedern aus den jeweils folgenden Gläubigergruppen beibringt: x

Absonderungsberechtigte Gläubiger (beispielsweise Hauptlieferant mit erweitertem Eigentumsvorbehalt),

x

Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen (etwa Geschäftsbank),

x

Vertreter der Arbeitnehmer, ggf. Betriebsrat, sowie

x

Kleingläubiger.

___________ 179) Vgl. etwa LG Dessau-Roßlau, B. v. 02.05.2012 – 1 T 116/12 – juris m. Anm. N. Schmidt, ZInsO 2012, 1107.

31

B. Die Person des Sachwalters

106 Um diese zu erlangen, ist es erforderlich, die entsprechenden Personen zu informieren, sowie sie von der Verfahrensabwicklung in Eigenverwaltung und der Unterstützung der vom Schuldner favorisierten Person des Sachwalters zu überzeugen. Im Sinne eines geordneten Verfahrensablaufes sollte der Schuldner bei der Personenauswahl darauf achten, dass die Interessen der Gläubiger berücksichtigt werden und nicht ausschließlich schuldnerfreundliche Kandidaten vorgeschlagen werden.180) Dabei besteht jedoch gleichwohl das praktische Risiko der Obstruktion durch einen Gläubiger, das durch alternative Auswahl eines anderen Mitglieds der jeweiligen Gläubigergruppe nur vordergründig umgangen werden kann. 107 Denn ein bereits informierter Gläubiger, der das Vorgehen nicht gutheißt, kann die für ihn maßgeblichen Gründe dem jeweiligen Gericht durch Einreichung einer Schutzschrift bekannt machen.181) Liegt dem Gericht eine solche vor, sieht es sich regelmäßig gehalten, im Rahmen der Amtsermittlung die entsprechenden Umstände aufzuklären,182) was mindestens Zeitverlust bedeutet. Darüber hinaus kann ein obstruierender Schuldner auch später im Rahmen von § 57 InsO eine Abwahl des Sachwalters (oben Rn. 92 ff.) oder gem. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Aufhebung der Eigenverwaltung zu erreichen suchen. 108 Einer sorgfältigen Vorauswahl und der Überzeugung der informierten Person ist daher unbedingt der Vorzug zu geben. Soweit dies gelingt, kann die Einverständniserklärung um die notwendige Unterstützungserklärung hinsichtlich der Person des Sachwalters erweitert werden nach folgendem Beispiel: Hiermit schlage ich die Bestellung von … als vorläufigen Sachwalter für das Verfahren vor. 109 Im Folgenden kann der Schuldner dann bei Gericht mit Vorlage dieser Unterlagen erstens die Verfahrenseröffnung, zweitens die Anordnung einer Eigenverwaltung und drittens die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragen. Auf diese Weise kann dabei auch seine Einflussnahme auf die Person des Sachwalters nach dem oben Gesagten funktionieren.

___________ 180) Insbesondere sollten dabei die Interessen großer insolvenzerfahrener Gläubiger wie etwa der Geschäftsbanken nicht außen vor gelassen werden. Dies könnte sich etwa bei einer geplanten Sanierung mittels Insolvenzplans als sehr hinderlich herausstellen. 181) Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 41. 182) Insofern von einer echten Rechtspflicht ausgehend Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 140; vgl. auch Uhlenbruck/ders., InsO, § 270 Rn. 15.

32

III. Überwachung des Sachwalters Praxistipp: Ob ein solches Vorgehen beim jeweiligen Gericht erfolgversprechend ist, sollte bereits im Vorfeld mit dem Richter besprochen werden. Opportun ist es, wenn der Geschäftsführer des Schuldners mit seinem Berater beim zuständigen Richter – soweit möglich – im Vorfeld der Antragstellung vorstellig wird. Dann kann geschildert werden, was als Vorgehen angedacht ist und inwiefern das bereits die Unterstützung der Gläubiger genießt. Man kann dabei erfragen, was der Richter von den Überlegungen hält. Ohnehin ist es nicht ratsam, das Gericht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Es ist erheblich zielführender, schon im Voraus auf Wünsche und Nachfragen des Gerichtes einzugehen. Auch kann es sinnvoller sein, die Idee einer Eigenverwaltung fallen zu lassen, soweit das Gericht mangelnde Erfolgsaussicht eines solchen Antrages in Aussicht stellt und sich vom Gegenteil nicht überzeugen lässt. Ratsamer wäre es dann womöglich, stattdessen wenigstens auf die Person des vorläufigen Verwalters Einfluss zu nehmen. In der Praxis zeigt sich dabei, welche Bedeutung die gute Vorbereitung des Antrages hat. Gelingt in diesem Kontext die Organisation des Gläubigerausschusses und verläuft auch die notwendige Kommunikation mit dem Gericht positiv, determiniert dies einen positiven Start des Verfahrens.

III. Überwachung des Sachwalters In der Eigenverwaltung besteht ein mehrfaches Aufsichtsverhältnis. Der 110 Schuldner steht unter der Aufsicht des Sachwalters, der Sachwalter hingegen unter der Aufsicht des Insolvenzgerichtes. Darüber hinaus ist er auch gegenüber Gläubigerorganen zu Informationshandlungen verpflichtet. 1. Aufsicht des Insolvenzgerichtes Wie die Verweisungsnorm des § 274 Abs. 1 InsO anordnet, unterliegt der 111 Sachwalter gem. § 58 Abs. 1 InsO der insolvenzgerichtlichen Aufsicht. Dies zeigt, dass Aufsichtsverhältnisse in der Eigenverwaltung gestuft sind: Das Gericht beaufsichtigt den Sachwalter, dieser den Schuldner. Eine direkte Aufsicht des Gerichtes über den Schuldner besteht angesichts der speziellen Regelung in § 274 Abs. 1 InsO nicht.183) Dies würde andernfalls zu einer Funktionsdopplung im Verfahren führen und damit das Organ des Sachwalters letztlich überflüssig machen. a) Informationsrechte An Informationsrechten gegenüber dem Sachwalter steht dem Gericht das 112 aus dem Regelinsolvenzverfahren bekannte Repertoire gem. § 58 Abs. 1 S. 2 ___________ 183) Herrschende Auffassung, vgl. K. Schmidt/Undritz, InsO, § 274 Rn. 4; Kreft/ Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 34; Schmidberger, NZI 2011, 928, 931; a. A., soweit ersichtlich, nur Wimmer/Foltis, FKInsO, § 274 Rn. 58.

33

B. Die Person des Sachwalters

InsO184) zur Verfügung. Es kann einzelne Auskünfte ebenso verlangen wie die Erstattung von Berichten über den Sachstand und die Geschäftsführung.185) Allerdings gilt diese Möglichkeit gegenüber dem Sachwalter gem. § 274 Abs. 1 InsO „entsprechend“, bedarf also der Anpassung. 113 Denn das Informationsrecht des § 58 Abs. 1 S. 2 InsO steht im Kontext einer möglichen Sanktionsmaßnahme nach §§ 58 Abs. 2, 59 InsO.186) Es dient der Überwachung der Aufgabenerfüllung des Sachwalters durch das Gericht. Daraus ergibt sich, dass der Sachwalter nur über seine Aufgaben zur Information verpflichtet ist. Das Gericht kann also Auskünfte und Berichte nur hinsichtlich dieser verlangen.187) Ist beispielsweise der Schuldner gem. § 281 Abs. 3 InsO zur Rechnungslegung verpflichtet, so dass eine solche vom Sachwalter nicht verlangt werden kann. Insgesamt darf das Gericht damit dem Sachwalter – abgesehen von dessen originären Aufgaben (unten Rn. 137, 232 ff.)188) – regelmäßig nur aufgeben, darzulegen, „wie er [seiner] Überwachungspflicht nachkommt“.189) Zum Aufgabenumfang des Sachwalters, auf den sich seine Informationspflichten beziehen, vgl. im Einzelnen noch unten (Rn. 229 ff.). 114 Eine intensivere Kontrolle als im Regelinsolvenzverfahren ist bei der Eigenverwaltung nicht notwendig.190) Dies ergibt sich aus dem dargestellten funktionalen Zusammenhang zwischen der Aufgabenerfüllung des Sachwalters und der diesbezüglichen Kontrolle durch das Gericht. Aus einer angenommenen Steigerung der abstrakten Gefährlichkeit schuldnerischer Handlungen im Verfahren191) lässt sich nämlich nicht auf eine gleichlaufende mangelnde Aufgabenerfüllung durch den Sachwalter schließen, die eine stärkere Aufsicht über diesen notwendig machen würde. b) Sanktionsmöglichkeiten 115 Verletzt der Sachwalter seine insolvenzspezifischen Pflichten,192) kann das Insolvenzgericht gem. §§ 58 Abs. 2, 59 InsO Sanktionen verhängen. In Frage kommende Pflichtverletzungen umfassen damit sowohl die Pflichten des ___________ 184) Dazu im Einzelnen Schmidberger, NZI 2011, 928, 929 f. 185) Statt aller Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 9. 186) Außerhalb eines eigenen Entscheidungsprozesses des Gerichtes zum Einschreiten wäre die Kontrolle des Sachwalters funktionslos, vgl. dazu Krebs, Kontrolle, S. 36 ff. 187) Statt aller vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 34 ff.; Uhlenbruck/ ders., InsO, § 274 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 13. 188) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 37. 189) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 36. 190) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 7; Graf-Schlicker/ dies., InsO, § 274 Rn. 3; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 38; a. A., soweit ersichtlich, nur Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 679. 191) So die Besorgnis bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 679. 192) Vgl. nur Graf-Schlicker/Castrup, InsO, § 58 Rn. 9; Graeber, MüKo-InsO, § 58 Rn. 30.

34

III. Überwachung des Sachwalters

§ 58 Abs. 1 InsO, als auch die sonstigen Pflichten, die dem Sachwalter im Rahmen seiner Aufgaben im Verfahren obliegen (vgl. dazu im Einzelnen unten Rn. 229 ff. und zur Insolvenzspezifik im Rahmen der Haftung noch Rn. 548 ff.).193) Das gerichtliche Sanktionsarsenal entspricht demjenigen im Regelinsolvenz- 116 verfahren.194) Es beginnt mit klärenden Gesprächen zwischen Gericht und Sachwalter195) und führt über eine schriftliche Aufforderung zur Verhaltensänderung samt Fristsetzung mit festzusetzendem Zwangsgeld bei Nichterfüllung gem. § 58 Abs. 2 InsO196), die Einsetzung eines Sondersachwalters (unten Rn. 554 f.) bis hin zur Entlassung nach § 59 InsO. Eine Entlassung gem. § 59 InsO kommt jedoch wegen des Übermaßverbotes 117 in Art. 12 Abs. 1 GG des Sachwalters nur als ultima ratio in Betracht.197) Für sie bedarf es eines wichtigen Grundes, § 59 Abs. 1 S. 1 InsO. Dieser kann etwa in einer Unfähigkeit zur Amtsausübung wegen Krankheit oder nachträglich bekannt gewordenen Eignungsmängeln liegen, oder in schweren oder wiederholten Pflichtverletzungen, kollusivem Verhalten mit dem Schuldner oder sonstigen sachwidrigen oder sogar strafbaren Handlungen mit Bezug zum Verfahren.198) 2. „Aufsicht“ der Gläubiger Eine „Aufsicht“ der Gläubiger über den Sachwalter ist in dieser Bezeichnung 118 den Normen der Insolvenzordnung fremd. Versteht man Aufsicht aber dergestalt, dass ein Rechtssubjekt ein anderes kontrolliert und zur Korrektur eines für falsch befundenen Kontrollergebnisses Maßnahmen ergreifen kann (im Einzelnen unten Rn. 300 f.), besteht jedoch eine Art faktischer Aufsicht der Gläubiger. a) Informationsrechte Gegenüber den Gläubigern unterliegt der Sachwalter nämlich einer Vielzahl 119 spezieller Informations-, Anzeige- und Berichtspflichten. Auf diese wird im Kontext seiner jeweiligen Aufgaben an passender Stelle im Einzelnen eingegangen (vgl. unten Rn. 229 ff.). Maßgeblich sind daher hier zunächst lediglich die allgemeinen Informations- und Sanktionsrechte der Gläubiger.

___________ 193) 194) 195) 196) 197) 198)

Beispiele für den Verwalter bei Graeber, MüKo-InsO, § 58 Rn. 31 ff. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 40; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 14. Graf-Schlicker/Castrup, InsO, § 58 Rn. 12. Dazu im Einzelnen Schmidberger, NZI 2011, 928, 929 f. Statt aller Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 9. Ebd.

35

B. Die Person des Sachwalters

aa) Rechte der Gläubigerversammlung 120 Die Gläubigerversammlung ist gem. § 79 InsO befugt, vom Sachwalter einzelne Auskünfte und Berichte über den Sachstand und die Geschäftsführung zu verlangen.199) Die Norm ist nämlich über den allgemeinen Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auch in der Eigenverwaltung auf den Sachwalter anwendbar.200) Dies ist auch nicht durch § 274 Abs. 1 InsO ausgeschlossen, weil sich diese Regelung mit ihrer einschränkenden Normierung nur auf die Bestellung, gerichtliche Aufsicht, Haftung und Vergütung des Sachwalters bezieht. 121 Angesichts des mit § 58 Abs. 1 S. 2 InsO vergleichbaren Wortlautes und des oben beschriebenen funktionalen Zusammenhanges (Rn. 113) ist auch § 79 InsO einschränkend zu verstehen. Die Anwendung muss ebenfalls dem Umstand Rechnung tragen, dass die Berichtspflichten in der Eigenverwaltung primär den Schuldner treffen (unten Rn. 223 ff.).201) Die Gläubigerversammlung kann daher ausschließlich insofern Auskünfte und Berichte verlangen, als den Sachwalter seinerseits entweder originäre Aufgaben treffen oder er seine Aufsichtsaufgaben wahrzunehmen hat (vgl. ebenfalls oben Rn. 113).202) 122 Daneben kann die Gläubigerversammlung auf Grundlage von §§ 270 Abs. 1 S. 2, 79 InsO vom Schuldner Auskünfte und Berichte über die Geschäftsführung verlangen.203) Denn wollte man die Norm ausschließlich auf den Sachwalter beziehen, hätte die Gläubigerversammlung keine Möglichkeit, ihr – unter anderem mit Blick auf einen Aufhebungsantrag (unten Rn. 132) bestehendes – Informationsbedürfnis hinsichtlich der Geschäftsführung zu befriedigen. Dazu genügt nämlich die Regelung des § 281 Abs. 2 InsO nicht, weil sie nur im Berichtstermin greift. bb) Rechte des (vorläufigen) Gläubigerausschusses 123 Für den Gläubigerausschuss ist gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auch § 69 InsO anwendbar.204) Zwar regelt die Norm lediglich die Aufgabe des Ausschusses, den Sachwalter zu unterstützen und zu überwachen; allerdings muss damit eine ungeschriebene Informationsverpflichtung des Sachwalters korrespon-

___________ Ehricke, MüKo-InsO, § 79 Rn. 11; Kreft/Eickmann, HK-InsO, § 79 Rn. 6. Für eine lediglich analoge Anwendung Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1021 ff. Ehricke, MüKo-InsO, § 79 Rn. 11; Uhlenbruck/ders., InsO, § 79 Rn. 16. Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 3; Uhlenbruck/ders., InsO, § 79 Rn. 16. Bierbach, in: Kübler, Handbuch, § 10 Rn. 107; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 209; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 282 Rn. 3; Uhlenbruck/ders., InsO, § 79 Rn. 16; für „möglich“ gehalten von Ericke, MüKo-InsO, § 79 Rn. 11. 204) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 22; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 21 f.; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 69 Rn. 5a; nur analoge Anwendung nach Auffassung von Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1021 ff.

199) 200) 201) 202) 203)

36

III. Überwachung des Sachwalters

dieren, weil die Aufgabe sonst – insbesondere vor dem Hintergrund der Prüfungs-, Einsichts- und Unterrichtungspflicht ihres S. 2 – nicht erfüllbar wäre.205) Gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss ist der Sachwalter also 124 gem. § 69 InsO zur umfassenden Information hinsichtlich der „Geschäftsführung“ verpflichtet. Diese obliegt in der Eigenverwaltung allerdings nicht dem Sachwalter, sondern dem Schuldner (unten Rn. 156), so dass es auch hier einer angepassten Auslegung nach Maßgabe des oben Gesagten bedarf (Rn. 113). Die Unterstützungs- und Überwachungspflicht der Geschäftsführung besteht 125 also in der Eigenverwaltung nur im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubigerausschuss.206) Den Sachwalter trifft eine Informationspflicht gegenüber dem Gläubigerausschuss – wie schon im Falle gerichtlicher Prüfung und Prüfung durch die Gläubigerversammlung – nur insofern, als er originäre Aufgaben wahrzunehmen hat oder seine Überwachungs- und Prüfungspflichten in Rede stehen. Diesbezüglich kann der Ausschuss von ihm Berichte anfordern oder Unterlagen einsehen.207) b) Sanktionsmöglichkeiten aa) Anregung gerichtlicher Sanktionen Stellen beliebige Gläubiger oder Gläubigerorgane Pflichtverletzungen des 126 Sachwalters fest, so steht es ihnen frei, Aufsichtsmaßnahmen des Gerichtes gem. § 58 Abs. 2 InsO anzuregen. Derartige Anregungen können das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gem. § 5 Abs. 1 InsO zur Aufklärung und zum Tätigwerden bewegen,208) sind aber keine zu bescheidenden förmlichen Anträge und bei Ablehnung auch nicht rechtsmittelfähig.209) bb) Aufhebung eines Schutzschirmes Handelt es sich um ein Schutzschirmverfahren, steht dem vorläufigen Gläu- 127 bigerausschuss gem. § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 InsO ein Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmes zur Verfügung. Dazu genügt ein mit der Mehrheit des § 72 InsO gefasster Beschluss des Ausschusses. Das Gericht hat die Aufhebung dann ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen zu beschließen.210)

___________ 205) 206) 207) 208) 209)

Graf-Schlicker/dies., InsO, § 69 Rn. 13. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 20; Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 71. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 21 f.; Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 71. Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 58 Rn. 2. Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 58 Rn. 12; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 58 Rn. 13; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 58 Rn. 6. 210) Statt aller Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 47; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 87.

37

B. Die Person des Sachwalters

128 Dieselbe Befugnis steht im Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 3 InsO auch absonderungsberechtigten Gläubigern und Insolvenzgläubigern zu. Allerdings ist dieser Weg nach der Norm nur gangbar, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss besteht und zu erwartende Nachteile für die Gläubiger durch das Schutzschirmverfahren durch den Antragsteller gem. § 294 ZPO glaubhaft gemacht werden.211) 129 Durch die Aufhebung des Schutzschirmes wird das Verfahren in eine Regelinsolvenz übergeleitet. Der Sachwalter wird damit abberufen und kann anschließend als (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt werden.212) Hiergegen stehen den Gläubigern dann aber mit einer Schutzschrift (oben Rn. 107), Vorschlägen (oben Rn. 72 ff.) bzw. den Rechten aus § 56a InsO (oben Rn. 83 ff.) Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Person des neu zu bestellenden (vorläufigen) Insolvenzverwalters zur Verfügung. cc) Beschränkung nach § 277 InsO 130 Die Gläubigerversammlung kann gem. § 277 InsO die gerichtliche Anordnung beantragen, dass bestimmte Handlungen des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind (dazu im Einzelnen unten Rn. 434 ff.). 131 Dieses Sanktionsmittel bezieht sich zwar vordergründig auf den Schuldner, kann aber auch Sanktionscharakter gegenüber dem Sachwalter haben. Denn erstens erweitert es seinen Pflichtenkreis und zweitens läuft er so Gefahr, bei Fehlern gem. §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO einer Haftung für Masseverbindlichkeiten zu unterliegen. dd) Aufhebung der Eigenverwaltung 132 Wurde die Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren angeordnet, kann sie auf einen Antrag gem. § 272 Abs. 1 InsO wieder aufgehoben werden. Das Antragsrecht steht zu: x

dem Schuldner selbst,

x

der Gläubigerversammlung mit der Mehrheit der Gläubiger nach Summen und Köpfen, § 76 Abs. 2 InsO, oder

x

einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder einem Insolvenzgläubiger, der Umstände glaubhaft macht (§ 294 ZPO), die Gläubigernachteile erwarten lassen und dem durch die Fortsetzung der Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen.

133 Wird die Eigenverwaltung daraufhin nach Anhörung des Schuldners (§ 272 Abs. 2 S. 2 InsO) und gegebenenfalls notwendiger Entscheidung über eine ___________ 211) Dazu im Einzelnen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 89 ff. 212) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 48.

38

III. Überwachung des Sachwalters

Beschwerde desselben oder anderer Gläubiger (§ 272 Abs. 2 S. 3 InsO) aufgehoben, wird das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren fortgeführt.213) Mit der Aufhebung der Eigenverwaltung wird auch der Sachwalter abberu- 134 fen und ein Insolvenzverwalter bestellt.214) Dies „kann“ zwar gem. § 272 Abs. 3 InsO der bisherige Sachwalter sein, doch ist dies nicht zwingend:215) Vielmehr steht dem Gericht das Ermessen des § 56 Abs. 1 S. 1 InsO zur Verfügung und den Gläubigern die oben beschriebenen Möglichkeiten der Einflussnahme gem. § 56a InsO zu (Rn. 79 ff.).216) Zudem verfügt in der Folge die erste auf die Neubestellungsentscheidung des Gerichtes folgende Gläubigerversammlung über das Abwahlrecht gem. § 57 InsO.217)

___________ 213) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 272 Rn. 12; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 272 Rn. 58. 214) Braun/Riggert, InsO, § 272 Rn. 6; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 272 Rn. 61. 215) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 272 Rn. 11; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 272 Rn. 5; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 272 Rn. 62; Uhlenbruck/ ders., InsO, § 272 Rn. 8. 216) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 272 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 272 Rn. 23. 217) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 272 Rn. 10; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 272 Rn. 37; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 272 Rn. 63.

39

C. Aufgaben und Kompetenzen I. Grundsatz Die Verfahren, in denen (vorläufige) Sachwalter tätig werden, sind durch das 135 Fehlen eines Insolvenzverwalters gekennzeichnet: Vielmehr wird gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO der Schuldner „unter der Aufsicht eines Sachwalters“ selbst tätig. Dieses Tätigwerden umschließt, wie S. 2 der Vorschrift zeigt, eine Verfahrensabwicklung grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften. Insofern liegt der Schluss nahe, dass die Kompetenzen zwischen Schuldner und Sachwalter aufgeteilt werden218) und beide zusammen die Funktion übernehmen, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegt. Ein Bild von zwei Hälften eines Gesamtgefüges von Kompetenzen wird in- 136 des weder praktisch noch theoretisch der Realität gerecht.219) Praktisch erklärt es nicht die diversen Konfliktlagen, die zwischen Schuldner und Sachwalter auftreten und auf die noch einzugehen sein wird. Theoretisch bringt es die von § 270 Abs. 1 S. 1 InsO angeordnete „Aufsicht“ nicht hinreichend zum Ausdruck. Wollte man daher Schuldner und Sachwalter zueinander in Beziehung setzen, müsste man von einander überschneidenden Mengen ausgehen, die gemeinsam ein funktionales Äquivalent des Insolvenzverwalters ergeben.

Schuldner ner Sachwalter

Insolvenzverwalter

Sowohl Schuldner als auch Sachwalter haben also originäre eigene Aufgaben 137 und Kompetenzen, die sie eigenverantwortlich wahrnehmen. In diesen sind sie voneinander unabhängig und gehen mit ihnen inhaltlich bisweilen über das Gesamtbild des gedachten Insolvenzverwalters hinaus: Dies ist etwa da der Fall, wo ein Schuldner gem. § 278 InsO zur eigenen, nur auf ihre Angemessenheit kontrollierbaren Lebensführung Mittel aus der Insolvenzmasse ___________ 218) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 2; Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 274 Rn. 18, 42. 219) Dies gilt im Übrigen auch für Ansätze, eher den Schuldner mit dem Insolvenzverwalter zu identifizieren (Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 141 f.) oder den Sachwalter (Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 27 f.; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 5).

41

C. Aufgaben und Kompetenzen

entnehmen darf. Auch der Sachwalter, dem etwa das Führen der Tabelle zugewiesen ist, ist insofern vom Schuldner rechtlich unabhängig. 138 Über diese originären Aufgaben und Kompetenzen hinaus besteht eine große Schnittmenge von Aufgaben, die zwar der Schuldner wahrnimmt, die aber der „Aufsicht“ durch den Sachwalter unterliegen. Dieser Bereich ist der wohl eigentliche Kern der Sachwaltung und wird insofern zu Recht als prägend für die Rechtsstellung des Sachwalters220) angesehen. 139 Dieser Aufteilung entspricht daher auch die nachfolgende Darstellung, die zunächst den Schuldner in den Vordergrund stellt, um anschließend nach den originären und schuldnerbezogenen Aufgaben und Kompetenzen des Sachwalters zu fragen. II. Der Schuldner 1. Allgemeines 140 Der wohl bedeutendste Unterschied zwischen der Eigenverwaltung und dem Regelinsolvenzverfahren ist die durch § 270 Abs. 1 S. 1 InsO determinierte Nichtanwendung des § 80 Abs. 1 InsO: Anders als im Regelinsolvenzverfahren behält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Die insofern diskutierte Frage, woher der Schuldner diese Befugnis erhält,221) ist für das Ergebnis selbst akademisch. Richtigerweise222) ist er aus seinen Grundrechten u. a. der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG weiterhin befugt, soweit diese eben nicht durch gesetzliche (§ 80 Abs. 1 InsO)223) bzw. gerichtliche Anordnung (beispielsweise § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO) eingeschränkt werden.224) 141 Bedeutung besitzt diese Überlegung aber für die Frage nach den Entscheidungen, welche der Schuldner im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren zu treffen hat. Eine Entscheidung ist ein Produkt eines Entscheidungsvorganges, der durch den Vergleich verschiedener denkbarer Entscheidungsvarianten (potentielle Ergebnisse) an Entscheidungsmaßstäben getroffen wird.225) Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind diese Entscheidungsmaßstäbe Aus___________ 220) Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO § 274 Rn. 1. 221) Vgl. dazu nur Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 33 m. w. N. und die grundlegende Entwicklung bei Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13 ff. 222) Vgl. die ausführliche und weitgehend überzeugende Herleitung bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 579 ff., bes. 603. 223) Zur Rechtmäßigkeit dieser Grundrechtsbeeinträchtigung vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 2 m. w. N. 224) In diesem Sinne schon Bork, Einführung, Rn. 405; ihm folgend Andres/Leithaus/ Andres, Vor §§ 270 bis 285 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Riggert, Vor §§ 270 bis 284 Rn. 4; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1264: Befugnis bleibt „unangetastet“. 225) Krebs, Kontrolle, S. 31 ff.

42

II. Der Schuldner

druck der grundrechtlich gewährten Autonomie des Schuldners und damit zum großen Teil irrational. Innerhalb des (Eröffnungs-)Verfahrens ändert sich dies. Zwar ist der Schuldner 142 weiter Inhaber grundrechtlicher Freiheiten und kann seine Entscheidungen insofern auch irrational treffen.226) Er darf dies aber nicht mehr vollständig tun.227) Denn zu den bisherigen Entscheidungsmaßstäben treten neue hinzu. Der Schuldner wird Adressat insolvenzrechtlicher Pflichten und muss bei seinen Entscheidungen daher auch diese als Entscheidungsmaßstäbe beachten. Ist nämlich die These richtig, dass Schuldner und Sachwalter zusammen das 143 funktionale Äquivalent des Insolvenzverwalters darstellen und ordnet § 270 Abs. 1 S. 2 für das Verfahren die grundsätzliche Geltung der allgemeinen Vorschriften an, müssen die dort zu findenden Rechtssätze über bspw. Gläubigergleichbehandlung auch den Schuldner binden. Er muss daher (auch) im Interesse der Gläubiger handeln228) und seine Entscheidungen entsprechend treffen. Insofern verwaltet sich der Schuldner selbst und unterliegt damit einem Pflichten- und Aufgabenregime, das im Regelinsolvenzverfahren den Insolvenzverwalter trifft. Hiervon ausgenommen sind lediglich diejenigen Aspekte, welche das Gesetz 144 dem Sachwalter vorbehält.229) Es wird dabei zu zeigen sein, dass insbesondere die von § 270 Abs. 1 S. 1 InsO vorgesehene „Aufsicht“ des Sachwalters über den Schuldner (unten Rn. 299 ff.) exakt an die Kontrolle jener durch den Schuldner einzuhaltenden insolvenzrechtlichen Entscheidungsmaßstäbe anknüpft. 2. Verwaltung und Verteilung der Masse a) Grundsatz Die zentrale Norm des Eigenverwaltungsverfahrens, § 270 Abs. 1 S. 1 InsO, 145 gestattet dem Schuldner die Verwaltung der und Verfügung über die Masse. Rückt im Regelinsolvenzverfahren gem. § 80 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter in die Stellung des Schuldners ein und unterliegt insofern insolvenzspezifischen Verwaltungs- und Verwertungspflichten,230) so treffen diese Pflichten den Schuldner im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren aufgrund von § 270 Abs. 1 S. 2 InsO direkt (vgl. schon oben Rn. 142 f.). Er hat die ___________ 226) Frege/Keller/Riedel, InsR, Rn. 2040. 227) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270 Rn. 25; Nerlich/Römermann/Riggert, § 270 Rn. 2. 228) BGH ZInsO 2007, 100, 101; mit anderer dogmatischer Anknüpfung Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 33; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 151; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 609; Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2235; Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 2; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1265. 229) Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1265. 230) Vgl. statt vieler nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 80 Rn. 6.

43

C. Aufgaben und Kompetenzen

Masse also so zu verwalten, wie es ein Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren täte. 146 Dieselbe theoretische Überlegung greift auch in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO, sowie im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO. Die verwaltungs- und verwertungsbezogenen Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 22 InsO treffen insofern den Schuldner. Er hat also insbesondere analog § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO sein Vermögen zu erhalten und zu sichern.231) Darüber hinaus bestehen gerichtliche Möglichkeiten, Pflichten und Beschränkungen anzuordnen, vgl. für das Schutzschirmverfahren ausdrücklich die Regelung in § 270b Abs. 2 S. 3 InsO. b) Verwertung der Masse 147 Bereits § 270 Abs. 1 S. 1 InsO statuiert damit ein Grundkonzept, das von den Regelungen der §§ 282, 283 Abs. 2 S. 1 InsO flankiert wird: Die Verwertung und Verteilung der Masse obliegt dem Schuldner. Freilich hat der Gesetzgeber die Führung der Insolvenztabelle originär dem Sachwalter zugewiesen (unten Rn. 232 ff.). Der Schuldner ist insofern lediglich zum Bestreiten von Forderungen berechtigt, § 283 Abs. 1 S. 1 InsO. 148 Auf Grundlage der Tabelle hat der Schuldner jedoch ein Verteilungsverzeichnis zu erstellen, wie der Umkehrschluss aus § 283 Abs. 2 S. 2 InsO zeigt. Dieses ist gem. § 188 S. 2, 3 InsO auf der Geschäftsstelle niederzulegen und öffentlich bekannt zu machen. Entsprechend dieses Verzeichnisses hat der Schuldner anschließend gem. §§ 283 Abs. 2 S. 1, 177 InsO die Masse an die Gläubiger zu verteilen. Praktisch ist ein reines Liquidationsszenario indes selten,232) denn ohne Betriebsfortführung liegt ein Eigenverwaltungsverfahren fern,233) wenngleich es auch nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Im Rahmen einer Betriebsfortführung mittels Insolvenzplans unter Ausschüttung einer Quote an die Gläubiger hat die Norm jedoch ihre praktische Bedeutung.234) 149 Auch die Verwertung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, weist § 282 Abs. 1 InsO dem Schuldner zu.235) Entspricht seine massebezogene insolvenzspezifische Rechte- und Pflichtenbindung – wie dargestellt – jener des Insolvenzverwalters im Regelverfahren, so folgt daraus, dass dem Schuldner die Verwertungsbefugnis auch nur insoweit zusteht, wie sie sonst gem. § 165 ff. InsO der Insolvenzverwalter innehätte.236) Insbesondere ___________ 231) 232) 233) 234) 235) 236)

44

A. A. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 329 ff. Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 283 Rn. 4. BT-Drucks. 12/2443, S. 226. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 301. Zum Ganzen ausführlich Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 169 ff. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 2; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 282 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 8.

II. Der Schuldner

ist er im Rahmen dessen auch zur freihändigen Verwertung befugt. Ebenso trifft ihn die Unterrichtungspflicht gem. §§ 167 f. InsO.237) Soweit im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter nicht zur Verwertung be- 150 fugt ist – und in der Folge auch der Schuldner nicht berechtigt ist – verbleibt die Verwertungsbefugnis hinsichtlich der entsprechenden Kreditsicherheiten bei den jeweiligen Gläubigern.238) Der Schuldner kann jedoch gegen den Entzug betriebsnotwendiger Gegenstände einstweilige Maßnahmen nach §§ 30d, 153b ZVG beantragen.239) c) Entnahme aus der Masse Der Schuldner als natürliche Person darf aus der Masse Mittel für seine private 151 Lebensführung entnehmen. Diese Befugnis folgt außerhalb des Insolvenzverfahrens aus der grundrechtlich geschützten autonomen Bestimmung des Schuldners über sein Vermögen, Art. 14 Abs. 1 GG.240) Insofern schränkt § 278 InsO diese Befugnis in der Eigenverwaltung ein. Die Norm beschränkt sie auf dasjenige, was der Schuldner und die in § 100 Abs. 2 InsO genannten Personen für eine „bescheidene Lebensführung“ benötigen. Die Norm führt damit das oben beschriebene Bild der insolvenzrechtlichen Überlagerung privatautonomer Entscheidungsmaßstäbe (Rn. 142 f.) plastisch vor Augen. Die Höhe der Mittel für die bescheidene Lebensführung ist im Einzelfall zu 152 bestimmen241) und regelmäßig höher als diejenige des notwendigen Unterhalts gem. § 100 InsO. Sie ist einerseits nicht auf die Sätze der Sozialhilfegewährung beschränkt,242) muss aber andererseits dem Schuldner auch nicht erlauben, ein etwaig luxuriöses Lebensführungs-Niveau zu halten.243) Vielmehr trägt sie vornehmlich dem Umstand Rechnung, dass sich der eigenverwaltende Schuldner mit seiner Arbeitskraft „in den Dienst der Insolvenzmasse“244) stellt. Dies muss bereits in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO bzw. 153 dem Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO gelten. Wertungsmäßig muss ___________ 237) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 282 Rn. 3; Uhlenbruck/ders., InsO, § 282 Rn. 4. 238) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 8. 239) Ebenso Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 282 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 8. 240) Ähnlich Leonhardt/Smid/Zeuner/Wehdeking, InsO, § 278 Rn. 1: Art. 12 Abs. 1 GG. Allerdings schützt diese Norm nach gängigem Verständnis den Erwerbsvorgang, während Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene schützt (vgl. Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 70 m. w. N. aus dieser st. Rspr. des BVerfG) – mithin ist der hier gemeinte Zugriff auf das Vermögen kein Fall des Art. 12 Abs. 1 GG, sondern des Art. 14 Abs. 1 GG. 241) Vgl. nur Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1271 m. w. N. 242) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 278 Rn. 6. 243) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 278 Rn. 3. 244) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 278 Rn. 6; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 278 Rn. 2.

45

C. Aufgaben und Kompetenzen

nämlich schon dann, positiv gewendet, eine angemessene Gegenleistung für den Arbeitseinsatz sichergestellt sein. Negativ gewendet bedarf es schon dann der Begrenzung, weil der Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren nach dem Gesagten sein Vermögen zu erhalten und zu sichern hat (oben Rn. 146). Die Regelung des § 278 InsO greift daher schon im Eröffnungsverfahren und nicht erst ab Verfahrenseröffnung.245) d) Keine Freigabe von Massegegenständen 154 Die Möglichkeit einer Freigabe von Gegenständen aus der Masse in das vom Insolvenzbeschlag freie Vermögen besteht für den Schuldner in der Eigenverwaltung nicht.246) Im Regelinsolvenzverfahren ist die Freigabe durch den Insolvenzverwalter möglich mit dem Effekt, dass die gem. § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergegangenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wieder an den Schuldner zurückfällt und der Gegenstand aus der Masse ausscheidet.247) Hat der Schuldner in der Eigenverwaltung aber seine Befugnis von vornherein nicht verloren, kann er sie auch nicht an sich selbst zurückgeben; insofern wäre lediglich eine (Teil-)Aufhebung seiner insolvenzrechtlichen Bindungen vorstellbar, was aber rechtskonstruktiv etwas anderes wäre als eine klassische Freigabe.248) 155 Im Übrigen wird die Freigabe durch einseitige, empfangsbedürftige Freigabeerklärung des Verwalters an den Schuldner realisiert.249) Auch insofern ist eine Erklärung des Schuldners an sich selbst im Eigenverwaltungsverfahren schwer vorstellbar und würde zudem wegen der fehlenden Publizität der – zumal grds. auch konkludent möglichen – Erklärung die Massezugehörigkeit von Gegenständen praktisch nahezu unbestimmbar machen.250) 3. Betriebsfortführung 156 Als besonderer Fall der Masseverwaltung ist auch die Entscheidung des Schuldners zu verstehen, die Masse zur Fortführung des Betriebes einzusetzen.

___________ 245) So aber Uhlenbruck/ders., InsO, § 278 Rn. 11; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 26; lediglich auf „Anordnung“ abstellend und damit auch eine vorläufige solche erfassend Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 278 Rn. 6; wie hier, wenn auch ohne Begründung, Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 29; vgl. auch Keller, NZI 2007, 316, 317 f. 246) A. A. noch Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, 2. Aufl. 2008, § 270 Rn. 67a. 247) Vgl. nur Keller, Insolvenzrecht, Rn. 241. 248) Vgl. auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 283 Rn. 10: „nicht denkbar“. 249) Keller, Insolvenzrecht, Rn. 241. 250) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 122 m. w. N. und zutreffenden Überlegungen zu der Konsequenz, dass eine fehlende Freigabemöglichkeit bspw. von Grundstücken in Altlastenfällen eine Nachteiligkeit des Eigenverwaltungsverfahrens für die Gläubiger i. S. d. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO begründen kann.

46

II. Der Schuldner

Dies ist beim Eigenverwaltungsverfahren der Regelfall,251) und als solcher insbesondere im Falle der Sanierung mithilfe eines Insolvenzplanes im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO offensichtlich. Damit zeigt sich auch, warum die spiegelbildlich vom Sachwalter gem. § 274 Abs. 2 InsO zu überwachende Geschäftsführung des Schuldners eine zentrale Rolle in der Eigenverwaltung spielt. Die Entscheidung des Schuldners für eine Betriebsfortführung ist jedoch 157 eingeschränkt: Einerseits dadurch, dass die Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen darf, also eine Fortführung für diese mindestens neutral sein muss. Soweit dies nicht der Fall ist, kann der Schuldner also zur Stilllegung verpflichtet sein.252) Andererseits ist eine Fortführung auch dann rechtswidrig, soweit sie gegen eine Stilllegungsentscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin verstößt, § 157 InsO. Soweit sich der Schuldner zur Fortführung des Betriebes entscheidet, wirft 158 dies eine Reihe von Problemen auf. Auf diese ist im Folgenden einzugehen. a) Begründung von Masseverbindlichkeiten aa) Problemaufriss Eine Kernfrage der Betriebsfortführung stellt insbesondere die Begründung 159 von Masseverbindlichkeiten dar. Denn ohne die Befugnis, Verbindlichkeiten zu schaffen, die gem. § 53 InsO „vorweg“ vor der Verteilung der Masse befriedigt werden können, ist eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr vielfältigen Beschränkungen unterworfen. Insbesondere bestehen Vertragspartner bisweilen auf Zahlungszusagen des Sachwalters. Diese wird er – unabhängig davon, wie derlei Zusagen im Vergleich zu solchen des vorläufigen Verwalters im Regelinsolvenzverfahren rechtlich zu qualifizieren sind (zu diesem Problem eingehend unten Rn. 450 ff.) – nicht abzugeben geneigt sein. Denn ein Ausfallrisiko zu tragen, kann ihm angesichts des Umstandes, dass er die Betriebsfortführung lediglich beaufsichtigt (unten Rn. 318 ff.), während die Planung und Umsetzung dem Schuldner obliegt, nicht zugemutet werden. Vielfach bestehen Vertragspartner des Schuldners auch auf Vorkasse oder 160 Bargeschäfte, um damit soweit wie möglich sicherzustellen, dass ihre Leistungen bezahlt werden bzw. eine Anfechtung der Zahlungen im eröffneten Verfahren ausscheidet. Dies belastet nicht nur die Liquidität, sondern ist auch bei Lieferanten organisatorisch schwierig und bei Dauerschuldverhält-

___________ 251) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 282 Rn. 1; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1196. 252) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 126.

47

C. Aufgaben und Kompetenzen

nissen wie beispielsweise Strom- und Lieferverträgen wegen der noch nicht absehbaren Höhe der Forderungen rechtlich nicht zu realisieren.253) 161 Im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren ist die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht problematisch. Denn nach der Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten (auch) solche, die nicht durch einen Insolvenzverwalter, sondern „in anderer Weise“ durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet wurden. Eben dies obliegt gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO dem eigenverwaltenden Schuldner, der daher mit seinen Handlungen derartige Verbindlichkeiten begründet.254) Auch, soweit das Eröffnungsverfahren im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO geführt wird, stellt sich praktisch kein Problem: Denn das Gericht hat dort gem. Abs. 3 S. 1 die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeiten zu begründen, auf dessen Antrag hin ohne die Prüfung sonstiger Voraussetzungen255) anzuordnen. 162 Problematisch ist die Rechtslage indes in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO. Denn dort fehlt eine § 270b Abs. 3 S. 1 InsO vergleichbare Regelung. Dies führt dazu, dass die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeiten in diesem vorläufigen Verfahren zu begründen, nach wie vor umstritten ist. Für die Beantwortung dieser Frage werden eine Reihe verschiedener Auffassungen vertreten: x

Nach der Überlegung des AG Fulda256) können im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren keine Masseverbindlichkeiten begründet werden. Es gebe hierfür keine Rechtsgrundlage. Weder könnten der Schuldner, anders als bei § 270b Abs. 3 InsO, noch der Sachwalter wegen seiner bloßen Überwachungsfunktion eine solche Befugnis erhalten.

x

Das AG Hamburg257) sieht in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO eine Möglichkeit, den vorläufigen Sachwalter zu ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Werde er anstelle eines vorläufigen Verwalters bestellt, könne er auch dessen Befugnisse erhalten.

In seiner Untersuchung kommt Nöll258) zu dem Schluss, neben dem Sachwalter sei auch die Einsetzung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters möglich, der gem. § 21 InsO die Befugnis zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erhalten könne. Die Norm des § 270a InsO sei nur eine „soll“-Vorschrift, welche den Rückgriff auf allgemeine Regelungen nicht ausschließe. ___________ x

253) Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Rn. 1727. 254) Vgl. nur Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 35; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 130; Lau, DB 2014, 1417, 1422; Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 274 Rn. 73. 255) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 20; zur weitgehend unergiebigen Historie dieser Vorschrift vgl. Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1730. 256) AG Fulda, ZIP 2012, 1471. 257) AG Hamburg, NZI 2012, 566. 258) Nöll, ZInsO 2013, 745.

48

II. Der Schuldner

x

Eine maßgeblich von Frind entwickelte Überlegung geht dahin, der Schuldner könne in der vorläufigen Eigenverwaltung qua Gesetz Masseverbindlichkeiten begründen.259) Einer besonderen Ermächtigung bedürfe es nicht. Das folge aus § 270a Abs. 1 S. 2 InsO, der auf die §§ 274, 275 InsO verweise: Habe schon der Sachwalter im Eröffnungsverfahren grundsätzlich dieselben Befugnisse wie im eröffneten Verfahren, gelte dies auch für den Schuldner.

x

Die überwiegende Auffassung geht davon aus, der Schuldner könne durch Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten befugt werden.260) Sie versteht die Systematik des § 270b Abs. 3 InsO so, dass eine Globalbefugnis des Schuldner nur im Schutzschirmverfahren, nicht aber in der vorläufigen Eigenverwaltung möglich sei. Deswegen sei ein Rückgriff auf die Einzelermächtigungs-Rechtsprechung des BGH notwendig.

bb) Lösungsansatz Dass der um diese Frage geführte Streit noch nicht beendet ist, liegt maß- 163 geblich an dreierlei: Erstens sind die Normen der §§ 270a, 270b InsO recht neu, sodass die Diskussion noch im Gange ist. Zweitens hat sich der BGH einer Klärung aus verfahrensrechtlichen Gründen verschlossen,261) weil er von einer Unzulässigkeit der Beschwerde ausging, mit der ihm diese Frage angedient wurde. Drittens gibt der Wortlaut des § 270a InsO für die Beantwortung der Frage nichts her. Indes deutet die Systematik der Vorschrift auf eine Lösung über Einzeler- 164 mächtigungen. Hierfür ist zunächst der Verweis in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO auf die §§ 274 f. InsO unergiebig: Zwar zeigt er, dass der vorläufige Sachwalter im Wesentlichen vergleichbare Aufgaben und Kompetenzen haben soll wie der endgültige Sachwalter. Daraus aber im Umkehrschluss zu folgern, dass auch der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung dieselben Befugnisse wie im eröffneten Verfahren – und damit auch die Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten – haben solle,262) ist keineswegs zwingend.263) ___________ 259) Frind, ZInsO 2012, 1099; dem folgend AG Montabaur, ZInsO 2013, 297; Haarmeyer/ Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 270a Rn. 12; Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1731 ff.; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 27. 260) AG Ludwigshafen, ZInsO 2014, 853; LG Duisburg, NZI 2013, 91; AG München, ZIP 2012, 1470; AG Köln NZI 2012, 375; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 8; Buchalik/Kraus, ZInsO 2013, 815, 819; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270a Rn. 15; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 364 ff.; Kreft/Landfermann, HKInsO, § 270a Rn. 18; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 19 ff.; ders., ZInsO 2013, 2129, 2134; Römermann/Praß, ZInsO 2013, 482, 487; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 10; Undritz, BB 2012, 1551. 261) BGH ZIP 2013, 524. 262) Frind, ZInsO 2012, 1099; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 27. 263) Rechtslogisch denkbar ist vielmehr ohne weiteres, dass bestimmte Befugnisse im Eröffnungsverfahren noch nicht bestehen, wie dies z. B. bei den §§ 103 ff. InsO der Fall ist.

49

C. Aufgaben und Kompetenzen

165 Zwingend ist indes der systematische Vergleich mit § 270b Abs. 3 S. 1 InsO.264) Danach bedarf im Schutzschirmverfahren die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeiten zu begründen, eines gerichtlichen Beschlusses. Dieser dürfte konstitutiv sein,265) weil sonst statt einer gerichtlichen Pflicht, dies „anzuordnen“ eine Formulierung wie „festzustellen“ näher gelegen hätte. Angesichts der höheren Eingangsvoraussetzungen für das Schutzschirmverfahren (oben Rn. 32) liegt es nun erstens nahe, dass der Anspruch auf Erlass des Beschluss als Belohnung für die frühzeitige Antragstellung gewährt wird.266) Zweitens liegt es fern, dass der Schuldner gerade im Spezialfall des Schutzschirmverfahrens für etwas einen Beschluss benötigt, was er im allgemeinen Fall des § 270a InsO ipso iure tun könnte.267) 166 Schließlich gibt auch § 270b Abs. 3 S. 2 InsO einen systematischen Hinweis: In dieser Norm wird § 55 Abs. 2 InsO ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt. Auch dessen bedürfte es nicht, wenn die Regelung ohnehin in jeder vorläufigen Eigenverwaltung gelten sollte. 167 Dieser Befund wird auch durch die Historie der Vorschrift bestärkt: Der Gesetzgeber wollte dem Schuldner mit § 270b Abs. 3 S. 1 InsO ausdrücklich die Entscheidung überlassen, ob es sinnvoller sei, „beim Gericht Einzelermächtigungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten anzuregen oder von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, sich mit einer globalen Ermächtigung ausstatten zu lassen“.268) Einzelermächtigungen sind aber weder bei § 270b InsO, noch bei § 270a InsO Regelungsgegenstand – der Gesetzgeber ging also davon aus, sie könnten stets erlangt werden und es bedürfe hierfür keiner gesetzlichen Regelung. 168 Zuletzt widerspricht es auch nicht dem Telos der Vorschrift, den Schuldner nicht schon gem. § 270a InsO zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu befugen. Denn dies sichert die Erhaltung der Masse. Andernfalls würde der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung mit nachgerade seinem gesamten Verhalten gem. § 55 Abs. 2 InsO Masseverbindlichkeiten begründen – also würde dies beispielsweise auch für Mietverhältnisse, Sozialabgaben und Steuern gelten.269) Dies würde die Masse gefährlich ausdünnen, ohne dass dem ein adäquater Schutz durch gerichtliche Prüfung gegenüberstünde.270)

___________ 264) Hingegen gehen etwa Cranshaw/Steinwachs/Bruhn, ZInsO 2013, 1005, 1010 und Frind, ZInsO 2012, 1099, 1054 wohl von einer Art legislatorischer Fehlleistung bei dieser Vorschrift aus – was aber positivistisch gesehen aber bei der Auslegung nicht weiterhilft. 265) So auch bereits BT-Drucks. 17/7511, S. 50. 266) Ähnlich AG München, ZIP 2012, 1470. 267) So aber offenbar AG Montabaur, ZInsO 2013, 297. 268) So der Rechtsausschuss, vgl. BT-Drucks. 17/7511, S. 37. 269) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 41. 270) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 8.

50

II. Der Schuldner

Nach alledem gibt § 270a InsO dem Schuldner also keine Befugnis, Masse- 169 verbindlichkeiten zu begründen. Damit ist indes nicht gesagt, dass diese Befugnis in der vorläufigen Eigenverwaltung gänzlich fehle.271) Allerdings wäre es systemwidrig,272) sei beim vorläufigen Sachwalter zu verorten und diesen insofern zu ermächtigen:273) Er nimmt nämlich lediglich Kontroll- und Aufsichtsfunktionen wahr.274) Richtig ist daher, den Schuldner mittels Einzelermächtigungen275) zu befu- 170 gen.276) Diese Befugnis kann das Gericht gem. § 270 Abs. 1 S. 2, 21 Abs. 1 S. 1 InsO durch Beschluss für bestimmte, in ihrem Umfang abgrenzbare Rechtshandlungen einräumen.277) Angesichts des Umstandes, dass § 270a InsO die Frage nicht regelt und § 270b Abs. 3 InsO sie nur für das Schutzschirmverfahren klärt, besteht keine abschließende Negativ-Regelung. Es wäre auch mit der durch Schaffung der §§ 270a f. InsO bezweckten Förderung der Sanierung unvereinbar, im Verfahren nach § 270a InsO keinerlei Möglichkeit für den Schuldner zu bieten, Masseverbindlichkeiten zu begründen.278) Denn dann wäre es ihm gänzlich verwehrt, Geschäftspartnern die notwendige Sicherheit der Bezahlung ihrer Forderungen nach Verfahrenseröffnung zu geben. Dies würde eine Sanierung von vornherein ganz erheblich erschweren.279) Praxistipp: Gerade in diesem Kontext zeigt sich, wie wichtig eine Kommunikation mit dem zuständigen Insolvenzrichter ist. Angesichts der umstrittenen Rechtslage muss geklärt werden, welche Auffassung das Gericht vertritt und ggf. auch, welche Anforderungen es an die Erteilung von Einzelermächtigungen stellt. Ein ermächtigender Beschluss ist indes praktisch in jedem Fall erforderlich – selbst wenn man in der Sache der von Frind entwickelten und bedenkenswerten Auffassung folgt und den Beschluss für rein deklaratorisch hält. Er wird nämlich von Vertragspartnern des Schuldners regelmäßig verlangt.

___________ 271) 272) 273) 274) 275) 276)

So aber AG Fulda, ZIP 2012, 1471. Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 19 ff. So aber AG Hamburg, NZI 2012, 566. AG München, ZIP 2012, 1470. Zum Ganzen eingehend Laroche, NZI 2010, 965; Horstkotte/Martini, ZInsO 2010, 750. AG Ludwigshafen, ZInsO 2014, 853; LG Duisburg, NZI 2013, 91; AG München, ZIP 2012, 1470; AG Köln NZI 2012, 375; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 8; Buchalik/Kraus, ZInsO 2013, 815, 819; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270a Rn. 15; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 364 ff.; Kreft/Landfermann, HKInsO, § 270a Rn. 18; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 19 ff.; ders., ZInsO 2013, 2129, 2134; Römermann/Praß, ZInsO 2013, 482, 487; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 10; Undritz, BB 2012, 1551. 277) AG Ludwigshafen, ZInsO 2014, 853. 278) AG München, ZIP 2012, 1470; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 10. 279) Buchalik/Kraus, ZInsO 2013, 815, 819.

51

C. Aufgaben und Kompetenzen

cc) Erteilung der Einzelermächtigung 171 Einzelermächtigungen können in der vorläufigen Eigenverwaltung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO ergehen. Dies setzt die Gefahr einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners voraus. Wenn eine solche vorliegt, hat das Gericht für die Auswahl der Maßnahme, wie sich aus dem Zusammenspiel von Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 InsO zeigt, Ermessen.280) 172 In der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO, in der regelmäßig eine Betriebsfortführung stattfindet (oben Rn. 156), liegt die Gefahr einer nachteiligen Veränderung ebenso regelmäßig vor: Denn kann der Schuldner keine Masseverbindlichkeiten begründen, bleiben ihm viele Rechtsgeschäfte verschlossen (oben Rn. 159 ff.). Scheiterte daran die Betriebsfortführung, stünden die daraus erwarteten Massezuwächse den Gläubigern nicht mehr als Verteilungsmasse zur Verfügung. Soweit also der Schuldner auf bestimmte Geschäfte zur Fortführung angewiesen ist281) und hierfür Masseverbindlichkeiten benötigt, muss ein Gericht, das in der Eigenverwaltung schon keine offensichtlichen Gläubigernachteile gem. §§ 270 Abs. 2 Nr. 3, 270a Abs. 1 S. 1 InsO gesehen hat, praktisch zwingend eine Gefahr annehmen. In diesem Fall ist das Gericht also zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Erlass einer Sicherungsmaßnahme in Form einer Einzelermächtigung verpflichtet. 173 Diese muss so bestimmt sein,282) dass für den Rechtsverkehr unmittelbar ersichtlich ist, ob ein Geschäft ihr unterfällt oder nicht. Sie muss daher, ohne notwendig bereits jedes Detail zu regeln, im Voraus festlegen, welche Geschäfte mit welchen Gläubigern bis zu welcher Höhe der Ermächtigung unterfallen.283) Dies hat die wichtige Funktion, den Geschäftspartnern die nötige Sicherheit zu verschaffen, dass ihre jeweiligen Geschäfte von der Ermächtigung gedeckt sind.284) 174 Da die Entscheidung über Maßnahmen nach § 21 InsO von Amts wegen erfolgt,285) ist ein förmlicher Antrag nicht erforderlich – aber auch nicht schädlich.286) Ebenso kann der Schuldner im Rahmen einer Anregung den Tatbestand des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO (oben Rn. 171 f.) vortragen287) und den Erlass von Ermächtigungen erbitten. Freilich unterliegt die Ablehnung, weil

___________ 280) BGH ZInsO 2006, 267; Schmidt/Schröder, HmbKo-InsO, § 21 Rn. 24; Wimmer/ Schmerbach, FK-InsO, § 21 Rn. 32. 281) BGH ZInsO 2002, 819. 282) AG Ludwigshafen, ZInsO 2014, 853. 283) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 376. 284) Lau, DB 2014, 1417, 1421. 285) Haarmeyer, MüKo-InsO, § 21 Rn. 23; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 21 Rn. 9. 286) Eingehend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 373 ff. 287) Für diesen ist eine Liquiditätsprognose nicht erforderlich, Horstkotte/Martini, ZInsO 2010, 750; zum Ganzen eingehend vgl. auch Laroche, NZI 2010, 965 m. w. N.

52

II. Der Schuldner

§ 21 Abs. 1 S. 2 InsO nur Rechtsschutz gegen die Anordnung einer Maßnahme gewährt, keinem Rechtsmittel.288) b) Lieferungen und sonstige Leistungen Im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren darf der Schuldner nicht mehr auf 175 Altverbindlichkeiten leisten, soweit diese nicht in voller Höhe an der Masse besichert sind oder ihre Bezahlung zur Aufrechterhaltung des Betriebes unerlässlich ist.289) Er würde damit den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum)290) verletzen,291) der es gebietet, einzelnen Gläubigern keine Sondervorteile gegenüber gleichrangigen sonstigen Gläubigern zu gewähren. Soweit der Schuldner durch sonstige Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten begründet (oben Rn. 159 ff.), darf auf diese – soweit keine Massearmut vorliegt292) – im Rahmen von Bestellungen und sonstigen Rechtsbeziehungen auch nach Verfahrenseröffnung „vorweg“ i. S. d. §§ 53, 55 InsO geleistet werden. In der vorläufigen Eigenverwaltung ist die Rechtslage hinsichtlich von Alt- 176 verbindlichkeiten identisch. Auch insofern steht der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung einer Leistung des Schuldners entgegen; darüber hinaus würde dieser durch eine Erfüllung auch seine Pflicht zur Sicherung und Erhaltung seines Vermögens (oben Rn. 146) verletzen. Besondere Bedeutung haben indes in der vorläufigen Eigenverwaltung auf 177 neue Verbindlichkeiten geleistete Zahlungen oder Sicherheiten, weil ohne diese eine erfolgreiche Betriebsfortführung undenkbar ist.293) Praktisch werden diesbezüglich bisweilen vom Sachwalter Zahlungszusagen verlangt, mit denen dieser bestätigt, dass die Zahlungen erbracht werden. Zu deren Rechtswirkung und Gefahren vgl. noch unten Rn. 450 ff. Soweit die entsprechenden Leistungen vom Schuldner bereits vor Verfah- 178 renseröffnung erbracht werden, sind sie grundsätzlich dem Anfechtungsregime der §§ 129 ff. InsO unterworfen. Dieses Ergebnis abzuwenden entspricht dem praktischen Bedürfnis der Gläubiger, die andernfalls von der Fortsetzung der Rechtsbeziehungen Abstand zu nehmen und damit eine Betriebsfortsetzung zu verhindern drohen. Soweit der Schuldner schon im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten begründet (oben Rn. 159 ff.), unterliegen entsprechende Leistungen – vorbehaltlich einer etwaigen Unwirksamkeit wegen Insolvenz___________

x

288) BGH ZInsO 2013, 460. 289) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 59, auch zur Anfechtbarkeit in letzterer Variante. 290) Vgl. dazu nur Leonhardt/Smid/Zeuner/Smid/Leonhardt, InsO, § 1 Rn. 11; BGH NJW 2002, 2783, 2785. 291) BGH NJW 2003, 1865, 1867. 292) Nerlich/Römermann/Andres, InsO, § 53 Rn. 14 ff. 293) Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 104 f.

53

C. Aufgaben und Kompetenzen

zweckwidrigkeit294) – nicht der Anfechtung. Denn soweit der Schuldner ermächtigt ist, wäre eine solche Ermächtigung sinnlos und würde das durch sie intendierte Vertrauen des Rechtsverkehrs nicht einlösen können, könnte sie im Wege der Anfechtung beseitigt werden.295) Soweit der Schuldner also Masseverbindlichkeiten begründet, ist eine Anfechtung ausgeschlossen.296) x

Darüber hinaus ist eine Anfechtung auch dort ausgeschlossen, wo Rechtshandlungen des Schuldners den Charakter eines Bargeschäfts gem. § 142 InsO haben. Dies ist der Fall, soweit der Masse für die Leistung oder Bestellung einer Sicherheit durch den Schuldner der Masse unmittelbar eine mindestens gleichwertige Gegenleistung zufließt.297) Schon wegen der damit verbundenen Einschränkung der Liquidität ist eine Abwicklung der Gesamtheit der Geschäftsbeziehungen im Eröffnungsverfahren über Bargeschäfte indes regelmäßig praktisch unmöglich.298)

x

Soweit es sich bei Rechtshandlungen des Schuldners weder um Bargeschäfte noch um Masseverbindlichkeiten handelt, kann eine Anfechtung ebenfalls ausscheiden. Dies hängt von der Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters im Rahmen seiner Zustimmung oder dem Widerspruch ab (unten Rn. 463 ff.).

x

Schließlich können auch Treuhandmodelle den Gläubigern eine gewisse Sicherheit gewähren: Hierbei eröffnet ein uneigennütziger Dritter (beispielsweise der Sachwalter) ein (Verwaltungs-)Treuhandkonto, auf das der Schuldner Mittel einzahlt. Diese sollen nach Verfahrenseröffnung verwendet werden, um im Eröffnungsverfahren eingegangene, neue Verbindlichkeiten zu erfüllen. Fehlt die Liquidität, kann der Schuldner an den Dritten Forderungen abtreten, die dieser dann auf das Treuhandkonto einzieht.299) Die Zulässigkeit solcher Modelle ist freilich genauso umstritten300) wie die Frage, ob sie der gerichtlichen Zustimmung bedürfen.301)

___________ 294) Vgl. nur Schmittmann/Dannemann, ZIP 2013, 760, 763; OLG Dresden, ZInsO 2005, 1221, 1222. 295) Allgemeine Meinung, vgl. nur Graf-Schlicker/Huber, InsO, § 129 Rn. 13; Kreft/ders., HK-InsO, § 129 Rn. 32; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 240; offen gelassen jedoch von BGH ZInsO 2005, 209. 296) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 337. 297) Kirchhof, MüKo-InsO, § 142 Rn. 9 ff., 13 f. 298) Zu Recht auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 461. 299) Vgl. zum Ganzen die instruktiven Darstellungen bei Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 815 ff.; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 129 ff.; Frind, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 3 Rn. 377 ff. 300) Dagegen z. B. AG Hamburg, ZInsO 2006, 218; ZInsO 2004, 1270; ZinsO 2003, 816; dafür z. B. Frind, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 3 Rn. 377; GrafSchlicker/Voß, InsO, § 22 Rn. 17; Haarmeyer, MüKo-InsO, § 22 Rn. 70; Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 815; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 129 ff.; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 194 f. 301) Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 817 m. w. N.

54

II. Der Schuldner

c) Insolvenzgeldvorfinanzierung Zur Bezahlung von Arbeitnehmern während der Betriebsfortführung ist der 179 Schuldner – soweit die Masse hierfür nicht ausreicht – regelmäßig auf von der Bundesagentur für Arbeit gewährtes Insolvenzgeld nach den §§ 165 ff. SGB III angewiesen.302) Da die Voraussetzungen für ein Insolvenzgeld aber vor der Verfahrenseröffnung noch nicht vorliegen, muss der Schuldner für eine Vorfinanzierung Sorge tragen. Dies geschieht praktisch mithilfe einer Bank, welche die Gehalts- und Insolvenzgeldansprüche der Arbeitnehmer ankauft und dafür dem Schuldner in dieser Höhe Kredit zur Auszahlung der Löhne und Sozialabgaben gewährt.303) Die reibungslose Abwicklung setzt allerdings grundsätzlich voraus, dass das 180 Verfahren eröffnet wird und der Insolvenzgeldanspruch dadurch entsteht.304) Erst dies ermöglicht es der Bank, gegenüber der Bundesagentur für Arbeit das vorfinanzierte Insolvenzgeld zu beantragen und ausgezahlt zu erhalten. Hat der Schuldner jedoch einen Eigenantrag gestellt, kann er diesen gem. § 13 Abs. 2 InsO bis zur Eröffnung oder rechtskräftigen Zurückweisung zurücknehmen.305) Dies zeigt in der vorläufigen Eigenverwaltung insbesondere auch die Regelung des § 270a Abs. 2 InsO. Bei einer Rücknahme entsteht kein Insolvenzgeldanspruch und die Bank muss die angekauften Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer individuell gegen den Schuldner als Arbeitgeber durchsetzen.306) Um das damit verbundene Risiko zu verringern, verlangen die Banken prak- 181 tisch, dass neben dem Schuldner auch der vorläufige Sachwalter, sowie die Geschäftsleitung als natürliche Person(en) neben dem Schuldner Vertragspartei der Vorfinanzierungsvereinbarung werden. Mittels dieser werden regelmäßig zahlreiche Pflichten auf den Sachwalter übertragen, die sonst den Schuldner treffen würden: Unter anderem wird er zur Information der Arbeitnehmer und der Beibringung der von diesen zu unterzeichnenden Ankaufsvereinbarungen für den Nettolohn ebenso verpflichtet wie zur technischen Abwicklung der Lohnzahlungen aus der Vorfinanzierung. Damit und mit Informationspflichten gegenüber der Bank soll die bestimmungsgemäße Mittelverwendung und Verfahrensabwicklung sichergestellt werden. Darüber hinaus bürden die Banken der Geschäftsleitung und dem Sachwalter 182 regelmäßig die Haftung für den Bestand und die rechnerische Richtigkeit der angekauften Lohnansprüche auf. Im Rahmen einer Garantieerklärung, die je nach Bank divergiert, wird bisweilen dem Sachwalter neben der Geschäftslei___________ 302) 303) 304) 305) 306)

Göttsch, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 8 Rn. 1119 ff. Zum Ablauf im Einzelnen Lauck, InsbürO 2008, 289 und Geißler, ZInsO 2013, 531. Göttsch, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 8 Rn. 1138 ff. BGH ZVI 2006, 564; Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 13 Rn. 13. Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1735.

55

C. Aufgaben und Kompetenzen

tung auch mittels selbständigen Schuldversprechens gem. §§ 311, 241 BGB eine persönliche Haftung für den Fall aufgebürdet, dass der Schuldner die Lohnansprüche nach einer Antragsrücknahme an die Bank nicht (vollständig) erfüllen kann. Diese besteht nur dann nicht, wenn er an der Rücknahme des Antrages nicht mitgewirkt hat. d) Steuerzahlungen 183 Im Rahmen des eröffneten Eigenverwaltungsverfahrens ist der verwaltungsund verfügungsbefugte Schuldner weiter Adressat der Steuerpflichten und wird insofern auch nicht durch den Sachwalter vertreten.307) Soweit Steuern also nach Eröffnung des Verfahrens entstehen, sind sie gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten und vom Schuldner damit bei Fälligkeit zu zahlen. Andernfalls sind sie grundsätzlich bloße Insolvenzforderungen und damit nur bei der Verteilung am Ende des Verfahrens quotal zu befriedigen.308) 184 Für Lohnsteuer ist insofern der Zeitpunkt der Auszahlung des Gehaltes maßgeblich,309) die Einkommensteuer ist, soweit sie als Jahressteuer prozentual den Zeitraum nach Eröffnung des Verfahrens umfasst, Masseforderung und jedenfalls, soweit sie den Zeitraum vor Antragstellung umfasst, Insolvenzforderung.310) 185 Bei der Umsatzsteuer soll für die Qualifikation als Masseverbindlichkeit nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH die Entgeltvereinnahmung entscheiden und hingegen der Zeitpunkt der Leistungserbringung unmaßgeblich sein.311) Demnach sei die Umsatzsteuer bei Vereinnahmung nach Eröffnung sowohl bei Ist-, als auch Sollbesteuerung Masseverbindlichkeit.312) Diese ohnehin kritisierte313) Rechtsprechung stellt zur Begründung unter anderem auch auf den Wechsel der Empfangszuständigkeit für die Steuervereinnahmung vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter ab.314) Ein solcher Wechsel findet im Eigenverwaltungsverfahren jedoch gerade nicht ___________ 307) Pahlke/Koenig/Fritsch, AO, § 251 Rn. 119; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 27 Rn. 2725. 308) Vgl. nur Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 5, 35: plastisch: „verschiedene Unternehmensteile, nämlich der vorinsolvenzliche Unternehmensteil, die Insolvenzmasse und das freigegebene Vermögen“. 309) Braun/Bäuerle/Schneider, InsO, § 55 Rn. 42; Graf-Schlicker/Bremen, InsO, § 55 Rn. 20; Nerlich/Römermann/Andres, InsO, § 55 Rn. 42. 310) BFH ZIP 1994, 1286; Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 71; Nerlich/Römermann/ Andres, InsO, § 55 Rn. 45; zur Einkommenssteuernachzahlung vgl. aber Hefermehl a. a. O. Rn. 73 und Graf-Schlicker/Bremen, InsO, § 55 Rn. 19. 311) BFH ZInsO 2012, 96; ZInsO 2011, 822; ZInsO 2009, 447; zur Rechtsprechungshistorie instruktiv Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 38 Rn. 78. 312) Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 74. 313) Vgl. etwa Graf-Schlicker/Bremen, InsO, § 55 Rn. 24; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 19 ff.; Schmittmann, ZIP 2012, 249 – jew. m. w. N. 314) BFH ZInsO 2009, 920, 921 a. E.

56

II. Der Schuldner

statt, so dass man sich fragen kann, ob sie hierfür Bestand hat.315) Praktisch indes soll die BFH-Betrachtung für die Finanzbehörden nach dem Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 9.12.2011 nunmehr für Verfahren ab dem 1.1.2012 maßgeblich sein.316) Für die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsO und das Schutzschirm- 186 verfahren nach § 270b InsO sind die in dieser Phase des Verfahrens begründeten Steuerschulden317) nicht gem. § 55 Abs. 4 InsO Masseverbindlichkeiten. Denn diese Norm umfasst vom Wortlaut her nur die vorläufige Insolvenzverwaltung, nicht aber die vorläufige Eigenverwaltung. Sie ist auch nicht analog anwendbar, weil sich der Gesetzgeber im Verfahren ausdrücklich gegen eine Erstreckung auf die Eigenverwaltung entschieden hatte und es damit an einer planwidrigen Lücke fehlt.318) Wohl aber sind im Schutzschirmverfahren entstandene Steuerschulden, wenn ein 187 Beschluss gem. § 270b Abs. 3 InsO vorliegt, gem. §§ 270b Abs. 3 S. 2, 55 Abs. 2 InsO Masseschulden.319) Soweit also in diesem Verfahrensabschnitt Umsatzsteuer vereinnahmt wird, ist sie unter Zugrundelegung der BFH-Rechtsprechung Masseverbindlichkeit und vom Schuldner bei Fälligkeit auch zu zahlen.320) Konsequenterweise muss dasselbe auch für Lohnsteuer für Gehälter gelten, die zu dieser Zeit gezahlt werden und für Einkommenssteuer, welche die Phase zwischen Antragstellung und Eröffnung des Verfahrens umfasst. In der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO ist § 55 Abs. 2 InsO 188 nicht anwendbar (oben Rn. 168). Entsprechende Steuerverbindlichkeiten, die in diesem Verfahrensabschnitt entstehen, sind damit im Grundsatz bloße Insolvenzforderungen.321) ___________ 315) Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1737. 316) Anwendungserlass abgedruckt in ZInsO 2012, 25. 317) Allgemein dazu vgl. Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1815 ff. 318) Vgl. BR-Drucks. 127/11, S. 5 f. und BT-Drucks. 17/5712, S. 68, wo eine Erstreckung ausdrücklich diskutiert und abgelehnt wurde; zum Ganzen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 22 f.; wie hier auch Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548 f.; Lau, DB 2014, 1417, 1421; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1817. 319) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2547; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 533; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 24; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1816; der Wortlaut des § 55 Abs. 2 InsO umfasst nämlich auch die Begründung durch Real- und Rechtshandlungen der Betriebsfortführung, welche qua Gesetz entstehende Verbindlichkeiten wie Steuern bedingen, vgl. nur Braun/Bäuerle/ Schneider, InsO, § 55 Rn. 70; Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 228; Schmidt/Jarchow, HmbKo-InsO, § 55 Rn. 24. 320) So auch Frind, ZInsO 2012, 1099. 321) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 533; für die Umsatzsteuer auch Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2549 f.; vgl. auch Kahlert, ZIP 2012, 2089; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 41; deswegen entstand auch die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren über die letztlich abgelehnte Erstreckung des § 55 Abs. 4 InsO auf die Eigenverwaltung, vgl. dazu im Einzelnen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 22 f. unter Verweis auf BRDrucks. 127/11, S. 5 f. und BT-Drucks. 17/5712, S. 68.

57

C. Aufgaben und Kompetenzen

189 Gänzlich ungeklärt ist jedoch, wie Steuerforderungen zu beurteilen sind, welche im Rahmen von Geschäften entstehen, in denen der Schuldner durch gerichtliche Einzelermächtigungen in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO Masseverbindlichkeiten begründet. Man könnte daran denken, § 55 Abs. 2 InsO entsprechend anzuwenden und so einen MasseschuldCharakter der jeweiligen Steuerschuld zu begründen.322) Dagegen spricht aber, dass die Befugnis zur Begründung von Masseschulden hier gerade nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 55 Abs. 2 InsO folgt, wie im Falle des § 270b Abs. 3 S. 2 InsO, sondern originär aus einer gerichtlichen Anordnung als Sicherungsmaßnahme (oben Rn. 171). Geltungsgrund für die Rangklasse ist also diese Anordnung, die weder ihrem Wortlaut noch ihrer Intention nach gesetzlich entstehende Verbindlichkeiten erfasst. Praxistipp: Da die Rechtslage für das Eröffnungsverfahren umstritten ist und für die Organwalter des Schuldners auch eine Haftungsgefahr gem. §§ 34, 69 AO besteht (dazu eingehend unten Rn. 527 ff.), sollte der eigenverwaltende Schuldner Steuerzahlungen anfechtbar leisten.323) Denn abseits des Beschlusses nach § 270b Abs. 3 InsO dürfte es sich bei den Steuerforderungen um bloße Insolvenzforderungen handeln, die gerade nicht vorweg zu leisten, sondern lediglich am Ende quotal zu befriedigen sind. Der Schuldner sollte daher die Finanzbehörde über die angeordnete (vorläufige) Eigenverwaltung in Kenntnis setzen.

e) Sozialversicherungsbeiträge 190 Lohnansprüche der Arbeitnehmer sind im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseverbindlichkeiten.324) Dies gilt ebenso für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gem. § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV. 191 Soweit dieser den Arbeitnehmeranteil umfasst, ist dies Teil des Bruttolohnanspruchs des Arbeitnehmers325) und folglich wie dieser gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseschuld. Hinsichtlich des Arbeitgeberanteils entsteht durch die Beschäftigung eine gesetzliche Verpflichtung zur Abführung gem. § 22 Abs. 1 SGB IV, so dass dieser Anteil gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeit ist (insofern gleicht die Rechtslage derjenigen bei Steuern, dazu oben Rn. 183).326) ___________ 322) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 533; in diese Richtung wohl auch BT-Drucks. 17/5712, S. 68, dort freilich nur für den schwachen vorläufigen Verwalter i.R.e. Einzelermächtigung. 323) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 464. 324) Schmidt/Jarchow, HmbKo-InsO, § 55 Rn. 39; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 55 Rn. 61. 325) BAG (Großer Senat) NJW 2001, 3570, 3571: „[Es] schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch den Betrag des Arbeitnehmeranteils“. 326) Vgl. aber die Subsumtion von Sozialabgaben in ihrer Gesamtheit unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei z. B. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Homann, FAK-InsO, § 55 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke, InsO, § 55 Rn. 194; Wimmer/Bornemann, FKInsO, § 55 Rn. 14

58

II. Der Schuldner

Im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO, in dem ein Beschluss gem. § 270b 192 Abs. 3 InsO erlassen wurde, ist die Situation im Ergebnis vergleichbar. Soweit nämlich § 55 Abs. 2 InsO anwendbar ist, sind Löhne und Sozialabgaben – wenn der Schuldner die Arbeitnehmer nicht freistellt – gemäß dieser Norm Masseverbindlichkeiten.327) Bruttolöhne inklusive des Arbeitnehmeranteils unterfallen dann § 55 Abs. 2 S. 2 InsO, der Arbeitgeberanteil hingegen § 55 Abs. 2 S. 1 InsO. Soweit zur Bezahlung der Arbeitnehmer im Schutzschirmverfahren das vorzu- 193 finanzierende Insolvenzgeld genutzt wird (oben Rn. 179 ff.), wird man – weil Masseforderungen nach §§ 270b Abs. 3 S. 2, 55 Abs. 2 InsO entstehen – gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auch die Regelung des § 55 Abs. 3 InsO anzuwenden haben. Dies führt zu dem Ergebnis, dass sowohl die Nettolohnansprüche der Arbeitnehmer, als auch die Ansprüche auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, soweit sie auf die Arbeitsagentur übergegangen sind, von dieser nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können.328) Anders stellt sich die Rechtslage hingegen in der vorläufigen Eigenverwaltung 194 gem. § 270a InsO dar. Da hier eine § 55 Abs. 2 InsO vergleichbare Norm fehlt, begründet die Beschäftigung von Arbeitnehmern grundsätzlich329) lediglich Insolvenzforderungen.330) Das gilt ebenso für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Gleichwohl ist wegen Haftungsgefahren wie folgt zu differenzieren: x

Die Zahlung der Arbeitgeberanteile ist nicht geboten331) und würde, soweit sie erfolgt, die Pflicht zur Sicherung und Erhaltung der Masse bzw. zur Gläubigergleichbehandlung verletzen.

___________ 327) Geißler, ZInsO 2013, 531, 536; für diesen Befund bei Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO auf den starken vorläufigen Verwalter im Regelinsolvenzverfahren vgl. nur Andres/ Leithaus/Leithaus, InsO, § 55 Rn. 14; Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 231 ff.; Schmidt/ Jarchow, HmbKo-InsO, § 55 Rn. 28; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 55 Rn. 96 ff.; Wimmer/ Bornemann, FK-InsO, § 55 Rn. 41. 328) Geißler, ZInsO 2013, 531, 536; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 20; Kreft/ Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 40 – jeweils unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, nach der der Schuldner im Falle eines Beschlusses nach § 270b Abs. 3 InsO insgesamt „quasi in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einzurücken“ sollte (BT-Drucks. 17/7511, S. 37), was für eine Anwendbarkeit auch des § 55 Abs. 3 InsO spricht. So auch Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 270b Rn. 24 mit Hinweis darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit dies nach einer dort vorliegenden Stellungnahme genauso beurteile. Im Ergebnis auch K. Schmidt/ Undritz, InsO, § 270b Rn. 12. 329) Anderes ist denkbar, soweit ausdrücklich Einzelermächtigungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern erteilt wurden – das kommt aber praktisch nicht vor, weil ihre Forderungen in der Regel mithilfe des Insolvenzgeldes beglichen werden. 330) Geißler, ZInsO 2013, 531, 536. 331) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 464; vgl. auch BGH ZInsO 2009, 1456 Rn. 6; im Einzelnen Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 77.

59

C. Aufgaben und Kompetenzen

x

Die Nichtzahlung der Arbeitnehmeranteile würde hingegen den Tatbestand des § 266a StGB erfüllen. Auch könnte sie für den Schuldner – bzw., soweit dieser nicht natürliche Person ist, seine Organwalter (zu diesen insgesamt unten Rn. 516 ff.) – eine Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB auslösen.332) Daher sollte die Zahlung dieser Anteile erfolgen333) – und zwar zur Vermeidung einer jeweils anteiligen Verrechnung auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil durch den Sozialversicherungsträger unter ausdrücklicher Tilgungsbestimmung auf den Arbeitnehmeranteil.334) Die frühere Rechtsprechung des BGH, nach der auch die Zahlung von Arbeitnehmeranteilen dem Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG unterliegen konnte,335) ist mittlerweile nämlich überholt:336) Nunmehr geht das Gericht in Straf-,337) wie auch Zivilsachen338) davon aus, dass derartige Zahlungen vorrangig zu erfüllen seien und der Schuldner hierfür unter dem Gesichtspunkt der Masseschmälerung keiner Haftung unterliege. Die entsprechenden Zahlungen seien aufgrund des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar zu beurteilen.339)

195 Führt der Schuldner zur Haftungsvermeidung die Arbeitnehmeranteile ab, fragt sich, inwieweit diese nach Verfahrenseröffnung anfechtbar sind. Zwar kann der Schuldner vor Zahlung die entsprechenden Sozialversicherungsträger von der Eigenverwaltung in Kenntnis setzen und sollte dies bis zur endgültigen Klärung der Frage durch BGH-Rechtsprechung auch tun. Gleichwohl regelt aber § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV als Fiktion, dass die Zahlung der Arbeitnehmeranteile als aus dem Vermögen des Arbeitnehmer erbracht gilt. Dies dürfte eine Anfechtung und anschließende Rückforderung wohl ausschließen, da die Leistung wegen dieser Fiktion nicht gem. § 143 Abs. 1 InsO aus dem Vermögen des Schuldners stammt.340) 196 Selbst wenn man dies anders beurteilte, ist denkbar, dass ein Bargeschäft gem. § 142 InsO vorliegt und eine Anfechtung ausschließt. Dies soll nach der überwiegenden Auffassung zwar nicht der Fall sein, weil dem Schuldner für die Leistung der Arbeitnehmeranteile keine unmittelbare Gegenleistung

___________ 332) 333) 334) 335) 336) 337) 338) 339) 340)

60

BGH ZInsO 2013, 553; Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748 m. w. N. So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 464. Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 77. Vgl. etwa BGH ZInsO 2005, 650 m. w. N. Zur Rspr.-Historie eingehend Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 74. Vgl. etwa BGH ZInsO 2005, 986 m. w. N. BGH ZInsO 2009, 1456 Rn. 6; ZInsO 2007, 660 Rn. 12. So auch schon Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1784. So die gesetzgeberische Intention, BT-Drucks. 16/6540, S. 24; ebenso Bruhn, NZI 2009, 628; offen gelassen jedoch von BGH ZInsO 2008, 449.

II. Der Schuldner

des Sozialversicherungsträgers zufließe.341) Gleichwohl gibt es jüngst wieder Stimmen, die eine Beurteilung nach § 142 InsO bevorzugen.342) Ihnen ist jedenfalls zugute zu halten, dass die übliche Betrachtung zu kurz greift. Ist nach dem Gesagten der Arbeitnehmeranteil nämlich Teil des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers (oben Rn. 191), tilgt der Schuldner durch Leistung an den Sozialversicherungsträger jedenfalls auch eine Verbindlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer. Es besteht also ein Leistungsverhältnis zwischen Schuldner und Arbeitnehmer, in dem der Schuldner im unmittelbaren Zusammenhang den Arbeitskrafteinsatz als Gegenleistung erhält. 4. Buchführungspflichten Soweit der Schuldner die Masse selbst verwaltet, ist es folgerichtig, ihm gem. 197 § 281 Abs. 3 InsO die Fortführung der Rechnungslegung zu überantworten.343) Insofern ist er gem. § 155 Abs. 1 S. 1 InsO weiter Adressat der fortgeltenden handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflicht und darüber hinaus gem. § 66 InsO zur insolvenzrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet. Letztere umfasst auch die (durch Insolvenzplan gem. § 66 Abs. 1 S. 2 InsO abdingbare) Pflicht zur Vorlage der Schlussrechnung vor Aufhebung des Verfahrens.344) Auf Weisung der Gläubigerversammlung oder des Insolvenzgerichts hat er darüber hinaus Zwischenrechnungen zu bestimmten Zeitpunkten abzulegen.345) Die praktische Umsetzung sollte sich an dem Standard der IDW RH HFA 1.011 zur insolvenzspezifischen Rechnungslegung orientieren, welcher gem. Nr. 7.2 auch in der Eigenverwaltung anwendbar ist.346) Neben der Rechnungslegung verpflichtet § 281 Abs. 1 S. 1 InsO den Schuld- 198 ner zur Aufstellung der gem. §§ 151 ff. InsO erforderlichen Verzeichnisse. Er hat also dreierlei zu erstellen: x

Das Vermögensverzeichnis gem. § 151 InsO, welches gem. § 151 Abs. 2 S. 2 InsO sowohl Fortführungs-, als auch Zerschlagungswerte zu enthalten hat; die Angabe der Zerschlagungswerte ist nicht entbehrlich,347) auch wenn Verfahren der Eigenverwaltung praktisch regelmäßig auf Betriebsfortführung gerichtet sind.348) Denn das Verzeichnis dient der Vorbereitung der Entscheidung der Gläubiger gem. § 157 InsO über Liquidation

___________ 341) Vgl. nur BGH ZInsO 2006, 94; Kirchhof, MüKo-InsO, § 142 Rn. 5b; Kreft/ders., HKInsO, § 142 Rn. 4; Lau, DB 2014, 1417, 1422; Schmidt/Rogge/Leptien, HmbKo-InsO, § 142 Rn. 3a. 342) So auch LG Dresden ZInsO 2014, 1061, 1064; Geiger, NZI 2014, 644 m. w. N. 343) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 281 Rn. 1. 344) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 271 Rn. 9. 345) Ebd.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 209. 346) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 281 Rn. 2. 347) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 8; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 808. 348) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 282 Rn. 1.

61

C. Aufgaben und Kompetenzen

oder Betriebsfortführung.349) Notwendigenfalls darf sich der Schuldner gem. § 151 Abs. 2 S. 3 InsO der Hilfe eines Sachverständigen bedienen. x

Das Gläubigerverzeichnis gem. § 152 InsO, wobei eine Differenzierung nach Rangklassen und den Angaben zu den Forderungen und Gläubigern gem. § 152 Abs. 2 InsO ebenso vorgeschrieben ist, wie eine Schätzung der Höhe der Masseverbindlichkeiten, § 152 Abs. 3 S. 2 InsO.

x

Die Vermögensübersicht gem. § 153 InsO, welche die Aktiva der Masse den Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüberstellt.350) Es gelten insofern die auch im Regelinsolvenzverfahren maßgeblichen Bewertungsund Gliederungsvorschriften des § 153 Abs. 2 InsO.

5. Gegenseitige Verträge und Dauerschuldverhältnisse a) Grundsatz 199 Im eröffneten Regelinsolvenzverfahren stehen dem Insolvenzverwalter eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, um die Bindung der Masse an gegenseitige Verträge zu modifizieren. Dieses „materielle“ Insolvenzrecht wollte der Gesetzgeber zum Zwecke der Massemehrung und Sanierung351) auch im Eigenverwaltungsverfahren Anwendung finden lassen.352) Da insofern der Schuldner die sonst dem Verwalter obliegenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wahrnimmt, überträgt § 279 InsO ihm das Instrumentarium der §§ 103 ff. InsO im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren; für die vorgelagerte Phase des Eröffnungsverfahrens gibt es, wie im Regelinsolvenzverfahren, keine Entsprechung. 200 Soweit der Schuldner gem. § 279 S. 2 InsO zum Handeln im Einvernehmen mit dem Sachwalter (dazu unten Rn. 481 ff.) verpflichtet ist, hat ein Verstoß gegen diese „soll“-Vorschrift im Außenverhältnis keine Rechtswirkung.353) Vorbehaltlich einer möglichen Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit nach § 277 InsO (dazu unten Rn. 434 ff.) sind also auch ohne das notwendige Einvernehmen vorgenommene Rechtshandlungen des Schuldners wirksam. 201 Anders ist dies gem. § 279 S. 3 InsO, soweit der Schuldner zur wirksamen Ausübung der Zustimmung des Sachwalters bedarf. Dies betrifft folgende Konstellationen: x

Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen gem. § 120 InsO ist ohne vorher eingeholte Zustimmung als einseitiges, bedingungsfeindliches Ge-

___________ 349) 350) 351) 352) 353)

62

Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 808. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 201. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 138. BT-Drucks. 12/2443, S. 225. Graf-Schlicker/dies., InsO, § 279 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 279 Rn. 2; BT-Drucks., 12/2443, S. 225.

II. Der Schuldner

staltungsrecht nichtig.354) Eine Heilung durch (nachträgliche) Genehmigung kommt nicht in Betracht. x

Die gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung gem. § 122 InsO kann ohne Zustimmung des Sachwalters nicht zulässig beantragt werden. Es fehlt insofern am Vorliegen einer Sachentscheidungsvoraussetzung, die jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden kann.355)

x

Gleiches gilt auch für das Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz gem. § 126 InsO. Dem Schuldner fehlt insofern ohne Zustimmung des Sachwalters die notwendige Antragsbefugnis, die er freilich noch vor der Entscheidung des Arbeitsgerichtes nachreichen kann.356)

b) Einzelne Maßnahmen aa) Wahlrecht gem. §§ 103 InsO Verträge verändern sich mit Eröffnung des Verfahrens, so dass aus ihnen er- 202 wachsende Ansprüche undurchsetzbar werden.357) Soweit sie gegenseitige Leistungspflichten erhalten358) und – jedenfalls mit einem abtrennbaren Teil, § 105 InsO – noch nicht vollständig erfüllt sind, hat der Schuldner vorbehaltlich der Ausnahmen nach §§ 104 ff. InsO359) gem. § 103 InsO ein Wahlrecht: Einerseits kann der Schuldner den Vertrag erfüllen und dann seinerseits vom Vertragspartner Erfüllung an die Masse verlangen, § 103 Abs. 1 InsO. Andererseits kann er durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung360) die Erfüllung ablehnen, wodurch der Vertragspartner mit einem Anspruch wegen Nichterfüllung361) aus § 103 Abs. 2 S. 1 InsO362) Insolvenzgläubiger wird. Bei der Ausübung des Wahlrechtes ist der Schuldner durch insolvenzrecht- 203 liche Entscheidungsmaßstäbe gebunden. Er tritt zwar mit einer Erfüllungsverweigerung in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten, was praktisch ein psychologisches Hemmnis bedeutet und zudem die Vertrauensbeziehung zu Vertragspartnern, die für eine Betriebsfortführung notwendig ist, beeinträchtigen kann. Dies ist aber das Spezifikum der Eigenverwaltung; es ändert nichts daran, dass der Schuldner sein Verhalten wie der Insolvenzverwalter ___________ 354) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 279 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 12. 355) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 13. 356) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 14. 357) Vgl. nur BGH ZInsO 2006, 35; ZInsO 2002, 577. 358) Unerheblich ist, ob der Schuldner zur Zahlung oder zu einer sonstigen Leistung, z. B. Lieferung, verpflichtet ist. 359) Katalog z. B. bei Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 103 Rn. 7 f. 360) Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, § 103 Rn. 36. 361) Vgl. dazu Braun/Kroth, InsO, § 103 Rn. 56 ff. 362) BGH ZInsO 2013, 494, 495 Rn. 12 m. w. N.

63

C. Aufgaben und Kompetenzen

im Regelverfahren363) allein danach auszurichten hat, was für die Masse am günstigsten ist.364) bb) Sonderkündigungsrecht bei Mietverträgen gem. § 109 InsO 204 Ist der Schuldner Mieter oder Pächter von Immobilien, so kann dies für die Masse ungünstige, erhebliche Fixkosten bedingen. Diese angesichts oft langer mietrechtlicher Kündigungsfristen zu beseitigen, ist Regelungsziel des § 109 InsO. Gem. Abs. 1 S. 1 der Norm besteht daher eine besondere Kündigungsmöglichkeit mit drei-Monats-Frist. Die Kündigung spricht im Rahmen der Eigenverwaltung der Schuldner aus. 205 Auch insofern ist er hinsichtlich der Entscheidung über die Kündigung daran gebunden, die für die Masse günstigste Variante zu wählen. Die von Eröffnung bis zum Wirksamwerden der Kündigung entstehenden Mietforderungen sind Masseverbindlichkeiten,365) Schadensersatzansprüche wegen vorzeitiger Beendigung sind Insolvenzforderungen, § 109 Abs. 1 S. 3 InsO. cc) Sonderkündigungsrecht bei Dienstverträgen gem. § 113 InsO 206 Soweit der Schuldner Arbeitnehmer beschäftigt, ist es zur Sanierung oftmals erforderlich, Kündigungen vorzunehmen. Dies ist in Fällen einer noch nicht abgelaufenen Mindestvertragsdauer oder eines vereinbarten Kündigungsausschlusses aber mit den außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Regelungen nicht möglich. Für diese Fälle gewährt § 113 InsO ein Sonderkündigungsrecht mit einer drei-Monats-Frist. 207 Indes bleibt ein gesetzlicher Kündigungsausschluss hiervon unberührt. Deswegen bleiben materiell-rechtliche Vorgaben wie das Verbot der Kündigung von Betriebsratsmitgliedern (§ 15 Abs. 1 KSchG), von Schwangeren (§ 9 MuSchG) oder das Gebot einer Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) erhalten.366) dd) Erlöschen von Rechtsverhältnissen gem. §§ 115 ff. InsO 208 Mit Eröffnung des Verfahrens erlöschen alle (nicht bereits vollständig erfüllten367)) Aufträge (§ 115 InsO) und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO), sowie sämtliche Vollmachten (§ 117 InsO). Einer Handlung des Schuldners bedarf es insofern nicht, da diese Rechtsfolge unmittelbar qua ___________ 363) Nerlich/Römermann/Bathasar, InsO, § 103 Rn. 37; Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 103 Rn. 17. 364) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 144. 365) Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 109 Rn. 14; BGH ZInsO 2011, 968 für Mietnebenkosten. 366) Kreft/Linck, HK-InsO, § 113 Rn. 18 ff.; Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 113 Rn. 42. 367) Graf-Schlicker/Pöhlmann, InsO, § 115 Rn. 5.

64

II. Der Schuldner

Gesetz eintritt. Die §§ 115 ff. InsO stellen mithin leges speciales gegenüber dem ein Wahlrecht gewährenden § 103 InsO dar. Dies hat vornehmlich hinsichtlich Geschäftsbesorgungsverträgen,368) zu de- 209 nen auch Kontokorrentverträge zählen,369) erhebliche praktische Bedeutung: Diese erlöschen, so dass zu saldieren ist. Zur Fortsetzung der Kontennutzung bedarf es daher eines neuen – auch konkludent möglichen – Vertragsschlusses zwischen Schuldner und Bank.370) Auch das Erlöschen von Vollmachten ist praktisch relevant, denn es bedingt die 210 im Geschäftsverkehr oftmals notwendige Neuerteilung von beispielsweise Prokura.371) Da das Erlöschen der bisherigen Prokura im Zweifel gem. § 384 Abs. 2 FamFG von Amts wegen kenntlich zu machen ist,372) muss die neue Prokura wiederum ins Handelsregister eingetragen werden, § 53 Abs. 1 S. 1 HGB. 6. Prozessführungsbefugnisse a) Grundsatz Da dem Schuldner sowohl im Eröffnungsverfahren, als auch im eröffneten Eigen- 211 verwaltungsverfahren gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse verbleibt, ist er auch insofern zur Prozessführung befugt.373) Diese Befugnis nimmt er im eigenen Namen für und gegen die Masse wahr.374) Vom Grundsatz der fortbestehenden Prozessführungsbefugnis gelten auch keine Abweichungen, soweit die Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO auf den Sachwalter übertragen wurde (dazu noch unten Rn. 388 ff., bes. 396). Allerdings gibt es gem. § 280 InsO für das eröffnete Verfahren die folgenden zwei Sonderregelungen (dazu im Einzelnen unten Rn. 278 ff.): x

Nur der Sachwalter ist zur Geltendmachung der Anfechtungsansprüche der §§ 129 ff. InsO befugt.

x

Ebenso kann nur der Sachwalter die Haftungsansprüche nach den §§ 92 f. InsO für die Masse geltend machen.

b) Unterbrechung und Aufnahme Mit Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens werden gem. § 240 S. 1 ZPO 212 laufende Gerichtsverfahren unterbrochen.375) Denn soweit die Norm ledig___________ 368) 369) 370) 371) 372) 373) 374) 375)

Beispiele bei Kreft/Marotzke, HK-InsO, § 116 Rn. 4. Ott/Vuia, MüKo-InsO, § 116 Rn. 39. Braun/Kroth, InsO, § 116 Rn. 11. Ott/Vuia, MüKo-InsO, § 117 Rn. 7, 14. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 154. BGH ZInsO 2007, 100 Rn. 5; Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270 Rn. 12. Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 106. BGH ZInsO 2012, 878, 882 Rn. 42; ZInsO 2009, 2145, 2146 Rn. 13; ZInsO 2007, 100 Rn. 6; Saenger/Wöstmann, ZPO, § 240 Rn. 5.

65

C. Aufgaben und Kompetenzen

lich auf die Eröffnung eines „Insolvenzverfahrens“ als solchem abstellt, differenziert sie nicht nach Art des Verfahrens, erfasst also auch die Eigenverwaltung. Der Regelungsgehalt der Vorschrift ist aufgrund ihres Wortlautes daher eindeutig. 213 Indes lassen die vorläufige Eigenverwaltung gem. § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO Gerichtsverfahren, an denen der Schuldner beteiligt ist, unberührt. Sie laufen weiter, es sei denn, das Gericht hat in Abweichung von § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO dem Schuldner ein den Verfahrensgegenstand betreffendes Verfügungsverbot auferlegt. In diesem Falle wird das Verfahren gem. § 240 S. 2 ZPO unterbrochen.376) Andernfalls bedarf es nämlich keiner Anwendung des § 240 S. 2 ZPO. Weder der Schutz der gegnerischen Partei noch eine in der Eigenverwaltung gerade fehlende Notwendigkeit der Einarbeitung durch einen Verwalter in den Prozessstoff erfordern es, unter dem „vorläufigen Insolvenzverwalter“ im Sinne der Norm den Schuldner zu verstehen. 214 Verbleibt nach dem Gesagten die Prozessführungsbefugnis in jeder Verfahrenslage grundsätzlich beim Schuldner, ist dieser auch berechtigt, ein unterbrochenes Verfahren aufzunehmen.377) Dies geschieht in Aktivprozessen gem. § 85 Abs. 1 InsO durch schriftsätzliche Erklärung gegenüber dem Gericht,378) wobei die Ablehnung der Aufnahme gem. § 85 Abs. 2 InsO dem Beklagten ermöglicht, den Prozess gegen die Masse seinerseits wiederaufzunehmen. Mangels Freigabemöglichkeit (oben Rn. 154 f.) kann sich der Schuldner dem in der Eigenverwaltung nicht entziehen.379) Verweigert der Schuldner die Aufnahme und nimmt auch der Beklagte den Prozess nicht wieder auf, so ist die Verweigerung des Schuldners nach ihrem Zweck grundsätzlich als Klagerücknahme zu werten;380) je nach Erklärungsinhalt kommt aber auch ein Verzicht in Frage. Danach anfallende Prozesskosten haben den Rang einer Insolvenzforderung.381) 215 In Passivprozessen, die Insolvenzforderungen betreffen, kommt eine Aufnahme nur in den Grenzen der §§ 180 Abs. 2, 184 S. 2 InsO in Betracht, also soweit die Forderung bestritten wurde.382) Andernfalls ist der Kläger auf das übliche Procedere zur Forderungsanmeldung verwiesen, § 87 InsO. Für die in § 86 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO genannten Passivprozesse sind indes sowohl der Kläger als auch der Schuldner zur Aufnahme befugt. Dem Schuldner steht ___________ 376) Für die Parallelkonstellation im vorläufigen Regelinsolvenzverfahren vgl. BGH ZInsO 2013, 1516, 1517 Rn. 13 ff. 377) BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 107 f. 378) Graf-Schlicker/Scherer, InsO, § 85 Rn. 3. 379) Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 108; zur grds. Wertung einer Ablehnung als Freigabe vgl. BGH ZInsO 2007, 94. 380) Schmidt/Kuleisa, HmbKo-InsO, § 85 Rn. 26 m. w. N. 381) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 196. 382) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 8.

66

II. Der Schuldner

insofern gem. § 86 Abs. 2 InsO die Möglichkeit zur Verfügung, den Prozess durch ein sofortiges Anerkenntnis zu beenden. Dies ist auch dann möglich, wenn er sich bis zur Unterbrechung verteidigt hatte. Denn insofern hat er nunmehr im Interesse der Gläubiger die Entscheidung zur Vermeidung von unnötigen Prozesskosten erneut zu treffen.383) 7. Handlungen von besonderer Bedeutung für das Verfahren Nicht alle der vorgenannten Handlungen der Betriebsfortführung und der 216 Masseverwaltung darf der Schuldner ohne Mitwirkung weiterer Organe vornehmen. Klassisches Beispiel in der Eigenverwaltung ist die Widerspruchsbefugnis bzw. der Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters gem. § 275 InsO (dazu im Einzelnen unten Rn. 407 ff.). a) Einholung der Zustimmung Daneben384) steht die durch § 276 InsO aufgestellte Verpflichtung, vor 217 Handlungen von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen. Ist ein solcher nicht bestellt, muss die Gläubigerversammlung entscheiden, §§ 276 S. 2, 160 Abs. 1 S. 2 InsO. Hat lediglich der Ausschuss entschieden, kann das Insolvenzgericht aufgrund eines mehrheitlichen Antrages der Gläubiger gem. §§ 276 S. 2, 161 S. 2 InsO die Handlung vorläufig untersagen. Die Zustimmung muss eine vorherige sein.385) Zwar lässt die Legaldefinition 218 der §§ 183 f. BGB auch eine nachträgliche Zustimmung als sog. Genehmigung zu, dies ist bei § 276 InsO aber anders. Denn hier könnte die Norm ihren Zweck des Schutzes von Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess nicht erfüllen, wären die Gläubiger auf eine nachträgliche Perspektive beschränkt.386) Deswegen vermengt die Auffassung, eine nachträgliche Genehmigung genüge,387) fälschlicherweise die Frage nach der Einhaltung des § 276 InsO durch den Schuldner mit der Frage, ob ein Verstoß für ihn im Nachhinein Konsequenzen hat.388) Die Norm verpflichtet den Schuldner also, vor der Vornahme einer Rechts- 219 handlung von besonderer Bedeutung das jeweilige Gläubigerorgan zu infor___________ 383) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 6; Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 110. 384) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 15; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 276 Rn. 3; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 4. 385) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 276 Rn. 4; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 5; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 276 Rn. 3; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 8. 386) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 5. 387) Braun/Riggert, InsO, § 276 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 276 Rn. 7. 388) Dies klingt an bei Uhlenbruck/ders., InsO, § 276 Rn. 3.

67

C. Aufgaben und Kompetenzen

mieren und seine Zustimmung einzuholen.389) Kommt er dem nicht nach, so ist eine gleichwohl vorgenommene Handlung im Außenverhältnis wirksam, §§ 276 S. 2, 164 InsO. Die Gläubiger sind dann auf das Sanktionspotential der §§ 272, 277 InsO beschränkt, also die Aufhebung der Eigenverwaltung390) oder die Anordnung gerichtlicher Zustimmungsvorbehalte.391) b) Die besondere Bedeutung 220 Rechtshandlungen haben besondere Bedeutung für das Verfahren, wenn sie eine „Weiche für das Insolvenzverfahren“392) stellen und nicht lediglich einzelne Wirtschaftlichkeitsaspekte betreffen. Betrifft die Handlung einen Wert von 5 – 10 Prozent der Gesamtmasse, wird dies nahe liegen.393) Beispielhaft zählen §§ 276 S. 2, 160 Abs. 2 InsO Fälle auf, an denen sich die Auslegung zu orientieren hat: x

Veräußerung des Unternehmens, eines Betriebes, des ganzen Warenlagers,

x

Veräußerung einer Immobilie aus freier Hand,

x

Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung, die der Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen dienen soll,

x

Veräußerung des Rechtes auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte,

x

Aufnahme eines Darlehens, das die Insolvenzmasse erheblich belastet,

x

Aufnahme eines Rechtsstreits mit erheblichem Streitwert oder Vermeidung eines solchen durch Vergleich oder ein Schiedsvertrag. Praxistipp: Um für den Schuldner und die Gläubiger Rechtssicherheit zu geben, können besonders bedeutende Rechtsgeschäfte im Voraus definiert werden (vgl. aber unten Rn. 502 ff.). Praktisch ist es regelmäßig hilfreich, Vorratszustimmungen zu genau definierten Rechtsgeschäften zu erteilen, um eine zeitaufwändige Abstimmung im Handlungsfalle zu vermeiden.394)

c) Anwendbarkeit im Eröffnungsverfahren 221 Ob die Regelung des § 276 InsO in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO und dem Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO anwendbar ist, scheint fraglich. Man wird dies jedoch nicht mit dem Argument aus___________ 389) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 2. 390) Zu Voraussetzungen und Verfahren eingehend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 85 ff. 391) Braun/Riggert, InsO, § 276 Rn. 5; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 276 Rn. 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276 Rn. 22. 392) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 4. 393) Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, § 160 Rn. 8. 394) So auch Ampferl, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 41.

68

II. Der Schuldner

schließen können, § 270a InsO verweise nicht auf § 276 InsO.395) Denn dies muss die Norm auch nicht, weil sie die Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters bestimmt – § 276 InsO hingegen adressiert, davon unabhängig, ausschließlich den Schuldner. Allerdings zeigt sich durch den Rekurs auf den Gläubigerausschuss und die 222 Gläubigerversammlung, dass die Norm grundsätzlich ein eröffnetes Verfahren voraussetzt. Soweit aber ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist, fragt sich, ob der Schutzzweck im Eröffnungsverfahren dann nicht gleichwohl die Befassung desselben mit den Handlungen des Schuldners erfordert. Bezweckt die Norm nämlich den Schutz der Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess, kann sie dies auch mithilfe des vorläufigen Ausschusses erreichen. Es spricht daher viel dafür, sie extensiv dahingehend auszulegen, dass im Falle der Einsetzung eines solchen Ausschusses – und nur dann – § 276 InsO auch im Eröffnungsverfahren anwendbar ist.396) 8. Informations-, Berichts- und Anzeigepflichten a) Gegenüber dem Sachwalter Sowohl im Eröffnungsverfahren, als auch im eröffneten Eigenverwaltungsver- 223 fahren unterliegt der Schuldner einer Vielzahl von Informationspflichten gegenüber dem Sachwalter. Diese werden, weil sie der Mehrung der Tatsachenkenntnis des Sachwalters und damit dessen wirksamer Aufsicht dienen, unten bei Rn. 335 ff. im Einzelnen besprochen. b) Gegenüber den Gläubigern Gegenüber den Gläubigern trifft den Schuldner im eröffneten Verfahren vor 224 allem die Verpflichtung, im Berichtstermin gem. § 281 Abs. 2 S. 1 InsO Bericht zu erstatten.397) Er hat damit die Tatsachengrundlage für die Entscheidung der Gläubiger gem. § 157 InsO zu schaffen. Dazu muss er einerseits die aktuelle wirtschaftliche Lage und deren Ursachen darlegen, § 156 Abs. 1 S. 1 InsO. Andererseits hat er zu prognostizieren, inwiefern sein Unternehmen erhalten werden kann, ob ein Insolvenzplan in Frage kommt und welche Quote die Gläubiger erwarten können, § 156 Abs. 1 S. 2 InsO. Im Kontext der Thematisierung einer Insolvenzplanlösung steht die spiegelbildliche398) Befugnis der Gläubiger, den Schuldner gem. § 284 Abs. 1 InsO zur Ausarbeitung eines solchen zu beauftragen. ___________ 395) So aber ausdrücklich Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 270a Rn. 7a; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270a Rn. 16; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270a Rn. 15. 396) So auch Obermüller, ZInsO 2011, 1809, 1815; Frind, ZIP 2012, 1380, 1384. 397) Dazu eingehend und mit Inhaltsvorgabe Bierbach, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 102 ff., bes. 106. 398) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 14.

69

C. Aufgaben und Kompetenzen

225 Darüber hinaus kann die Gläubigerversammlung dem Schuldner auch weitere Pflichten auferlegen. Soweit er ohnehin gem. § 281 Abs. 3 InsO zur Rechnungslegung verpflichtet ist, kann die Versammlung ihm die Aufstellung von Zwischenrechnungen gem. § 66 Abs. 3 InsO aufgeben. Ebenso kann sie ihn zur Erstellung von Zwischenberichten und sonstigen Auskünften gem. § 79 S. 1 InsO anweisen.399) Zwar regelt die zuletzt genannte Norm nur Berichtsund Auskunftspflichten des Verwalters, sie ist jedoch gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auf den Schuldner anwendbar, weil ihm im Verfahren nach den §§ 270 ff. InsO die Masseverwaltung obliegt (oben Rn. 145 ff.).400) In allen Fällen der Berichterstattung bietet sich praktisch typischerweise die Aufforderung zu regelmäßigen Berichten in festen Zeitabständen an, um die Entwicklung des Verfahrens verfolgen zu können.401) 226 Schließlich ist auch der Gläubigerausschuss gem. § 69 InsO befugt, vom Schuldner Informationen zu verlangen (oben Rn. 125). Insofern hat er ihn auch zu unterstützen.402) c) Gegenüber dem Gericht 227 Das Aufsichtsinstrumentarium des § 58 InsO steht dem Gericht aufgrund der eindeutigen Verweisung in § 274 Abs. 1 InsO nur gegenüber dem Sachwalter zu (oben Rn. 112). Indes ist der Schuldner gem. § 97 InsO gegenüber dem Gericht in jeder Verfahrensphase zur Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse verpflichtet. Da dies alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände betrifft, die für das Verfahren relevant sein können, ist die Auskunftspflicht umfassend.403) 228 Darüber hinaus trifft den Schuldner im Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 4 S. 2 InsO die Verpflichtung, dem Gericht eine etwaig entstehende Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Dies ist ein Überbleibsel aus dem Gesetzentwurf, nach dessen ursprünglicher Konzeption der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Aufhebung des Schutzschirmverfahrens führen sollte.404) Obgleich dieser Aufhebungsgrund heute nicht mehr besteht, wurde die Norm zur Ermöglichung besserer Kontrolle aufrecht erhalten.405) Der Schuldner bleibt also neben dem Sachwalter (dazu und zum Verhältnis beider Pflichten zueinander unten Rn. 380 f.) zur unverzüglichen – also ohne ___________ Bierbach, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 107. So i. E. auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 209. Kreft/Eickmann, HK-InsO, § 79 Rn. 5. Zum Ganzen Ampferl, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 21 ff.; Frind, ZIP 2012, 1380, 1381 ff.; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 836 f. 403) Kreft/Kayser, HK-InsO, § 97 Rn. 11; Schmidt/Wendler, HmbKo-InsO, § 97 Rn. 3. 404) Zur Gesetzgebungshistorie instruktiv Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 131; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270b Rn. 46. 405) Flöther, ZInsO 2014, 465, 468 m. w. N.

399) 400) 401) 402)

70

III. Der Sachwalter

schuldhaftes Zögern406) – Vornahme der Anzeige gegenüber dem Gericht verpflichtet. III. Der Sachwalter Das Eigenverwaltungsverfahren ist ohne Sachwalter nicht vorstellbar. Das 229 hat rechtliche und praktische Gründe. Rechtlich fehlen dem Schuldner im Eröffnungsverfahren wie auch im eröffneten Verfahren wichtige Kompetenzen, um das Verfahren voranzubringen. Beispielhaft seien das dem Sachwalter überantwortete Führen der Tabelle, § 270c InsO und die Anfechtung, § 280 InsO i. V. m. §§ 129 ff. InsO, genannt. Die praktische Bedeutung des Sachwalters speist sich indes vor allem aus sei- 230 ner Aufsichtsfunktion (unten Rn. 299 ff.). Nimmt er als neutrale KontrollInstanz die Beaufsichtigung des Schuldners wahr, sorgt er damit im Innenverhältnis für eine rechtlich richtige Führung des Verfahrens. Hierfür genügt bisweilen bereits, dass der Schuldner mit der Kontrolle durch den Sachwalter rechnen muss und sich dadurch zu rechtmäßigem Verhalten angehalten fühlt.407) Mittels der Aufsicht durch den Sachwalter soll sichergestellt werden, dass der eigenverwaltende Schuldner, der typischerweise in Insolvenzsituationen wenig erfahren ist, die notwendigen Entscheidungen zutreffend fällen kann. Darüber hinaus trägt der Sachwalter im Außenverhältnis für die Wahrung der Gläubigerinteressen (auch: haftungsrechtliche, dazu Rn. 538 ff.) Verantwortung. Diese Außenwirkung kann in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. 231 Denn ohne den Sachwalter wäre es schwer vorstellbar, dass die Gläubiger dem Schuldner das für eine Selbstverwaltung nötige Vertrauen408) entgegen bringen würden.409) Damit zeigt sich auch das Leitbild des Sachwalters: Er ist die neutrale Instanz zur Wahrung der gem. § 1 InsO maßgeblichen Gläubigerinteressen im Verfahren und hat seine originären, also vom Schuldner unabhängigen, sowie auch seine schuldnerbezogenen Kontroll- und Aufsichtskompetenzen in diesem Sinne einzusetzen.

___________ 406) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 92. 407) Zu diesem „Edukationseffekt“ von Kontrolle vgl. Krebs, Kontrolle, S. 58 f. 408) In der Praxis bestehen insofern Schwierigkeiten, da die Gläubiger vielfach mit der Bestellung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters vertrauter sind. Dies erscheint ihnen sicherer als die Abwicklung über einen (vorläufig) eigenverwaltenden Schuldner. Freilich wird sich dieses Problem mit zunehmender Zahl von Verfahren der Eigenverwaltung relativieren. 409) Plastisch Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 26: Der Sachwalter sei der „Kreditversicherer“ des Schuldners; vgl. auch schon BT-Drucks. 12/2443 S. 222.

71

C. Aufgaben und Kompetenzen

1. Originäre Aufgaben a) Führen der Tabelle, § 270c 232 Dass der Sachwalter die Insolvenztabelle zu führen hat, ergibt sich nicht direkt aus dem Gesetz. Indes normiert § 270c S. 2 InsO, dass die Insolvenzgläubiger die Forderungen bei ihm anzumelden haben. Schon die Textähnlichkeit mit § 174 Abs. 1 S. 1 InsO zeigt, dass der Sachwalter im eröffneten Verfahren insofern an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt. Es ist dann folgerichtig, dass ihn gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO die allgemeinen Vorschriften der §§ 174 ff. InsO treffen, so dass er gem. § 175 InsO auch zum Führen der Tabelle selbst verpflichtet ist.410) 233 Für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO gilt die Norm indes nicht.411) Dies ergibt sich daraus, dass schon nach allgemeinen Regelungen eine Tabelle erst ab der Verfahrenseröffnung zu führen ist. aa) Eröffnungsbeschluss 234 Damit die Gläubiger von der Möglichkeit, aber auch Notwendigkeit zur Forderungsanmeldung Kenntnis erlangen können, ist ihnen gem. § 30 Abs. 2 InsO der Eröffnungsbeschluss zuzustellen. Dies geschieht grundsätzlich von Amts wegen durch das Gericht, § 8 Abs. 1 InsO. Im Regelinsolvenzverfahren kann das Gericht die Zustellung aber auch gem. § 8 Abs. 3 S. 1 InsO dem Insolvenzverwalter aufgeben. Das ist der praktische Regelfall. 235 Für den Fall der Eigenverwaltung erlaubt die Norm dem Gericht, den Sachwalter zur Vornahme der Zustellungen zu verpflichten. Richtig ist zwar, dass § 274 InsO nicht ausdrücklich auf die §§ 30 Abs. 2, 8 Abs. 3 S. 1 InsO verweist.412) Allerdings berührt dies nicht die Anknüpfung an allgemeine Vorschriften über § 270 Abs. 1 S. 2 InsO. Liegt insofern schon das Führen der Tabelle in der Verantwortung des Sachwalters, ist es sachlich nahe liegend, ihm auch die vorgelagerte Zustellung des Eröffnungsbeschlusses übertragen zu können.413) bb) Anmeldung, Vorprüfung und Niederlegung 236 Hat der Sachwalter nach dem eingangs Gesagten die Pflicht zur Führung der Tabelle (Rn. 232), so ist das gesamte Regelungswerk der §§ 174 ff. InsO auf ___________ 410) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270c Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 270c Rn. 6; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 270c Rn. 3. 411) Braun/Riggert, InsO, § 270c Rn. 1. 412) Deswegen a. A. als die hier vertretene bei Graeber, ZInsO 2005, 752, 755. 413) Ganter/Lohmann, MüKo-InsO, § 8 Rn. 35; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 291; Kreft/Kirchhof, HK-InsO, § 8 Rn. 12; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, InsO, § 8 Rn. 11a; Schmidt/Rüther, HmbKo-InsO, § 8 Rn. 17.

72

III. Der Sachwalter

ihn anwendbar. Er übernimmt für diesen Verfahrensbestandteil die Funktion, die im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter innehat.414) Der Sachwalter nimmt also zunächst die Forderungsanmeldungen entgegen. Anschließend führt er eine Vorprüfung durch, in welcher er die Einhaltung 237 der formalen Vorgaben des § 174 Abs. 2 InsO zu prüfen berechtigt ist. Insofern hat er dieselbe Befugnis wie ein Verwalter, darf also als Reaktion auf ein negatives Prüfergebnis die jeweilige Anmeldung zurückweisen. Zwar ist diese Befugnis für den Verwalter nicht unumstritten,415) richtigerweise geht jedoch mit der Übertragung der Tabellenführung zur Entlastung des Gerichtes auch die historisch gesehen in der alten KO und GesO neben der Tabellenführungspflicht enthaltene Vorprüfungsbefugnis des Gerichtes auf den Verwalter über.416) Folgerichtig steht dieses Recht bzw. diese Pflicht also auch dem Sachwalter zu.417) Verläuft die Vorprüfung erfolgreich, trägt der Sachwalter die Forderung in die Tabelle ein, § 175 Abs. 1 InsO. Schließlich hat er die Tabelle in der gem. § 175 Abs. 1 S. 2 InsO maßgeblichen 238 Frist an das Gericht zu übergeben, wo sie durch das Gericht in der Geschäftsstelle niedergelegt wird.418) Dies dient dazu, den Beteiligten Einsicht zu ermöglichen. cc) Prüfungs- und Feststellungsverfahren Sind die Forderungen in die Tabelle eingetragen, unterliegen sie nach Maß- 239 gabe der §§ 176 ff. InsO der Prüfung. Wird einer Forderung nicht im Prüfungstermin oder im auch in der Eigenverwaltung möglichen schriftlichen Verfahren widersprochen, so gilt sie gem. §§ 178 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 2 InsO als festgestellt. Soweit das der Fall ist, muss sie bei der Verteilung berücksichtigt werden. Um dies zu verhindern, sind in der Eigenverwaltung zur Erhebung eines 240 Widerspruchs gegen eine Forderung die folgenden Personen befugt: x

Der Sachwalter kann nach Maßgabe der §§ 178 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 1 InsO Widerspruch erheben. Dies entspricht der für den Verwalter geltenden Rechtslage im Regelinsolvenzverfahren.

x

Der Schuldner ist gem. § 283 Abs. 1 S. 1 InsO in Abweichung von § 178 Abs. 1 S. 2 InsO auch zur Erhebung des Widerspruchs befugt. Dies ist

___________ 414) Vgl. nur Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270c Rn. 37 m. w. N. 415) Dagegen etwa Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 175 Rn. 3; vgl. zum Meinungsstand insgesamt Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 175 Rn. 9 m. w. N. 416) Vgl. nur Frege/Keller/Riedel, InsR, Teil 3, Rn. 1565; Schmidt/Preß/Henningsmeier, HmbKo-InsO, § 174 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 175 Rn. 10. 417) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 293. 418) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270c Rn. 7; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 6.

73

C. Aufgaben und Kompetenzen

angesichts der Aufgabe des Schuldners, die Geschäfte zu führen und mittels u. a. Gestaltungsrechten die Masse zu mehren (oben Rn. 203), konsequent.419) x

Die Insolvenzgläubiger haben, wie auch im Regelinsolvenzverfahren, gem. §§ 178 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 1 InsO das Recht zum Widerspruch.

241 Wird der Widerspruch erhoben, bedarf es gem. §§ 179, 180 InsO der gerichtlichen Feststellung des Bestehens der Forderung, um ihre Berücksichtigung bei der Verteilung zu erreichen. Hierfür ist die Feststellungsklage die maßgebliche Rechtsschutzform. Von diesem Grundsatz gilt nur gem. § 179 Abs. 2 InsO eine Ausnahme, soweit die bestrittene Forderung bereits tituliert ist. In diesem Falle ist sie zu berücksichtigen, es sei denn, der Widersprechende verfolgt seinen Widerspruch gerichtlich. Hierzu stehen ihm die vom jeweiligen Prozessrecht vorgesehenen Wege wie Rechtsmittel, Wiederaufnahme und Vollstreckungsgegenklage zur Verfügung.420) Praxistipp: Die Vermeidung von Feststellungs-Streitigkeiten ist ein Aspekt, der das Verhandlungsgeschick des Sachwalters erfordert. Denn da ein einmal erhobener Widerspruch auch zurückgenommen werden kann,421) was im Feststellungsverfahren zur Erledigung der Hauptsache führt, gibt es Verhandlungsspielraum. Insofern liegt ein Abschluss von vertretbaren Vergleichen über die Forderungssumme – soweit sie streitig ist – nahe, um eine schnelle Verfahrenserledigung erreichen zu können.

242 Soweit Forderungen bestritten wurden, beeinflusst dies das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung gem. § 77 InsO. Dies ergibt sich für vom Sachwalter und von stimmberechtigten Gläubigern bestrittene Forderungen bereits nach dem Gesagten zwanglos aus § 77 Abs. 1 InsO. Für vom Schuldner bestrittene Forderungen ist der Wortlaut unergiebig. Insofern gilt allerdings der Grundsatz der Norm, nachdem ein Stimmrecht eine unbestrittene Forderung voraussetzt.422) Auch, soweit dieser den Widerspruch erhoben hat, setzt ein Stimmrecht also gem. § 77 Abs. 2 InsO eine Einigung voraus.423) dd) Verteilung, Prüfung und Erklärung 243 Die Aufstellung des Verteilungsverzeichnisses obliegt ebenso wie die Vornahme der Verteilung selbst dem Schuldner (oben Rn. 148). Praktisch hat ___________ 419) 420) 421) 422)

Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 283 Rn. 1. Andres/Leithaus/Leithaus, § 179 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 179 Rn. 20 ff. Vgl. nur Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 178 Rn. 23 m. w. N. Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 283 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 283 Rn. 3. 423) Ebd.

74

III. Der Sachwalter

diese Regelung vor allem in Fällen einer Abschlagsverteilung424) durch Insolvenzplan eine Bedeutung.425) Soweit eine Betriebsfortführung nicht möglich und daher eine Liquidation avisiert ist, liegt es indes für die Gläubigerversammlung näher, die Eigenverwaltung aufheben und die Verteilung vom Insolvenzverwalter vornehmen zu lassen.426) Im Rahmen der Verteilung trifft den Sachwalter eine Prüf- und Erklärungs- 244 pflicht gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO. Soweit die Norm statuiert, der Sachwalter habe die Verteilungsverzeichnisse des Schuldners zu „prüfen“, ist sie wenig eindeutig. Eine solche Prüfung ist hinsichtlich des Aufwandes von einer reinen Evidenzkontrolle bis hin zu einer vollständigen Inhaltskontrolle denkbar. Sollte eine vollständige Kontrolle gemeint sein, fragt sich, warum den Sachwalter dann insofern nur eine Prüfpflicht trifft und er nicht gleich die gesamte Aufstellung übernehmen soll.427) Denn die Praxis zeigt, dass eine vollständige Prüfung regelmäßig ebenso viel Arbeit bedeutet wie eine eigenständige Anfertigung des jeweiligen Verzeichnisses. Freilich nennt die Norm auch das Wort „Einwendungen“, welches im syste- 245 matischen Kontext zu § 194 InsO steht und daher darauf hindeutet, dass – wie auch bei § 194 InsO428) – jede Art von Fehler bei der Aufstellung des Verzeichnisses oder dessen Inhalt eine Einwendung begründet. Soll der Sachwalter erklären, ob Einwendungen zu erheben sind, hat er mithin zu prüfen, ob irgendein Fehler vorliegt. Er hat also die „Verteilungsverzeichnisse ebenso sorgfältig zu überprüfen, als habe er sie selbst erstellt.“429) Das Ergebnis dieser Prüfung hat er gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO schriftlich 246 zu erklären. Angesichts der Regelungen der §§ 188 S. 2, 194 InsO, welche den Gläubigern eine vollständige Information zur Entscheidung über die Erhebung von Einwendungen ermöglichen wollen, ist die Erklärung des Sachwalters auf der Geschäftsstelle zur Einsichtnahme durch die Beteiligten niederzulegen.430) Eine über diese Informationsfunktion hinausgehende Wirkung hat die Er- 247 klärung des Sachwalters jedoch nicht. Insbesondere ist sie keine Erhebung einer Einwendung i. S. d. § 194 InsO. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 283 Abs. 2 S. 2 InsO, der davon spricht, welche Einwendungen „zu erheben sind“ und nicht, welche Einwendungen der Sachwalter selbst „erhebt“. Des___________ 424) 425) 426) 427)

Dazu Uhlenbruck/ders., InsO, § 187 Rn. 4. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 301. So schon BT-Drucks. 12/2443 S. 226. Eine „Verdoppelung von Aufgaben“ konstatiert denn auch Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 281 Rn. 18. 428) Vgl. nur Uhlenbruck/ders., InsO, § 194 Rn. 5 m. w. N. 429) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 22. 430) Braun/Riggert, InsO, § 283 Rn. 6; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 283 Rn. 7.

75

C. Aufgaben und Kompetenzen

wegen verbleibt es bei der Regelung des § 194 InsO, nach der nur Gläubiger Einwendungen erheben können. 248 Auch eine analoge Anwendung des § 194 InsO auf den Sachwalter scheidet aus:431) Die für eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlage fehlt, weil der Sachwalter als neutrale Instanz die gemeinsamen Interessen aller Gläubiger zu wahren hat (oben Rn. 230), während § 194 InsO dem Partikularinteresse einzelner Gläubiger zu dienen bestimmt ist.432) Eine Einwendung, über die das Gericht gem. § 197 Abs. 3 InsO zu entscheiden hat, liegt also nur vor, wenn sich ein Gläubiger die erklärte Kritik des Sachwalters zu eigen macht und selbst eine entsprechende Einwendung erhebt.433) b) Anzeige von Masseunzulänglichkeit und Massearmut 249 Die Begriffe der Masseunzulänglichkeit und Massearmut beschreiben das Verhältnis der Insolvenzmasse zu den Verfahrenskosten und den Masseverbindlichkeiten: Genügt die Masse nicht, um die Verfahrenskosten zu decken, so liegt Massearmut (auch sog. Masselosigkeit) vor. Das Verfahren ist dann gem. § 207 InsO einzustellen und der eigenverwaltende Schuldner nicht mehr zur weiteren Verwaltung der Masse verpflichtet. 250 Reicht die Masse zwar zur Befriedigung der Verfahrenskosten, aber nicht zur Erfüllung der sonstigen Masseverbindlichkeiten aus, liegt Masseunzulänglichkeit (auch sog. Masseinsuffizienz) vor, § 208 Abs. 1 S. 1 InsO. In diesem Falle ist das Verfahren fortzusetzen, § 208 Abs. 3 InsO, wobei es nicht automatisch zu einer Aufhebung der Eigenverwaltung kommt.434) Für die weiter dem eigenverwaltenden Schuldner obliegende Verteilung der Masse gelten insofern jedoch die Sondervorschriften der §§ 209 ff. InsO: Insbesondere wird innerhalb der Masseverbindlichkeiten eine zeitliche Rangfolge für vor und nach Anzeige begründete Verbindlichkeiten gebildet, § 209 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO. aa) Masseunzulänglichkeit (1) Anzeige durch den Sachwalter 251 Für den Fall der Masseunzulänglichkeit statuiert § 285 InsO eine Anzeigepflicht des Sachwalters gegenüber dem Insolvenzgericht. Sie erfasst gem. § 208 Abs. 1 S. 2 InsO nicht nur die bereits eingetretene, sondern auch die drohende Masseunzulänglichkeit.435) ___________ 431) A. A. Uhlenbruck/ders., InsO, § 283 Rn. 6; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 283 Rn. 8. 432) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 23. 433) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 283 Rn. 4; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 283 Rn. 7; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 283 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 23. 434) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 14. 435) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 285 Rn. 1; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 285 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 1.

76

III. Der Sachwalter

Die Norm greift im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren. Für die vorläufige 252 Eigenverwaltung gem. § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO findet sie keine Anwendung. Dies ergibt sich zum einen aus §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO, die gerade nicht auf § 285 InsO verweisen. Zum anderen zeigt dies die Parallele zum Regel-Eröffnungsverfahren: Auch hier ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht anzeigebefugt, vielmehr wird eine in diesem Verfahrensstadium erfolgte Anzeige erst mit Eröffnung wirksam.436) Dasselbe gilt daher auch im Verfahren der Eigenverwaltung. Nach Eingang der Anzeige bei Gericht veranlasst dieses gem. § 208 Abs. 2 253 S. 1 InsO die öffentliche Bekanntmachung. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit soll die Verfahrensabwicklung von Verfahren mit unzureichender Masse ermöglichen und damit verhindern, dass verwertbare Vermögensgegenstände nach einer sonst notwendigen Verfahrenseinstellung dem Schuldner wieder zur Verfügung zu stellen sind.437) (2) Anzeige durch den Schuldner Ob neben der Anzeigepflicht des Sachwalters auch ein Anzeigerecht des 254 Schuldners mit der Folge des § 209 InsO besteht, ist umstritten. Der Wortlaut des § 285 InsO gibt insofern nichts her, denn die Norm regelt nur die Pflicht eines Subjektes, nicht aber den Ausschluss anderer Anzeigen.438) Geht man davon aus, dass der Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren grundsätzlich anstelle des Verwalters die masseverwaltenden Aufgaben wahrnimmt, spricht viel für ein eigenes Anzeigerecht. Insofern greift auch die Überlegung, aus der Rechtsfolge der Anzeige gem. § 209 InsO ergebe sich ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte der Gläubiger, der nicht vom Willen des Schuldners abhängen dürfe,439) nicht durch. Richtig ist zwar, dass es nach derzeitigem Rechtsstand keine eigene Prü- 255 fungspflicht des Gerichtes gibt,440) ob die Voraussetzungen der Masseunzulänglichkeit vorliegen. Praktisch wird das Gericht aber bei einer Anzeige des Schuldners den Sachwalter zu einem Bericht gem. §§ 274 Abs. 1, 58 Abs. 1 InsO zu den tatsächlichen Umständen auffordern und diesen zur Kenntnis nehmen.441) Ist die Anzeige nach § 208 Abs. 1 InsO eine Verfahrenshandlung, gelten für sie auch die allgemeinen Voraussetzungen: Insbesondere ___________ 436) BAG NZI 2005, 408, 408 f.; Hefermehl, MüKo-InsO, § 208 Rn. 37; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, § 208 Rn. 2g, 2i. 437) Schmidt/Weitzmann, HmbKo-InsO, § 209 Rn. 1. 438) Anders Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 285 Rn. 2 Fn. 1. 439) Vgl. nur Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 10; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 876; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 285 Rn. 1. 440) Nerlich/Römermann/Westphal, InsO, § 208 Rn. 16; Uhlenbruck/Ries, InsO, § 208 Rn. 4a m. w. N. aus der Gesetzgebungshistorie. 441) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 11.

77

C. Aufgaben und Kompetenzen

kann sie rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn es an einer Massearmut fehlt und die Anzeige nur dazu dient, einzelne Gläubiger durch die Rechtsfolge des § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu benachteiligen. Letztlich käme nach der Verlagerung ins Verfahren gem. den §§ 208 ff. InsO auch stets eine Rückkehr ins reguläre Verfahren in Frage.442) 256 Versteht man daher die §§ 285, 208 Abs. 1 InsO in dem hier vertretenen Sinne, dass sie eine – gem. § 60 InsO haftungsbewehrte (unten Rn. 550) – Pflicht statuieren, aber andere Anzeigen nicht ausschließen, so ist insofern auch der Schuldner befugt. Auch er kann die Masseunzulänglichkeit anzeigen.443) Ohnehin fragt sich, worin die Rechtfertigung liegen solle, dies nicht zuzulassen, soweit eine Unzulänglichkeit bereits offen zu Tage tritt. Alternativ kann er aber auch den Sachwalter informieren, der dann seinerseits zur Anzeige verpflichtet ist.444) 257 Führt nach dem Gesagten die Anzeige einer Masseunzulänglichkeit zunächst nicht zur Aufhebung der Eigenverwaltung (oben Rn. 250), so kann sie jedoch einen Nachteil i. S. d. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO begründen.445) Jedenfalls ermöglicht die Anzeige dem eigenverwaltenden Schuldner, fortan unter der Geltung des Vollstreckungsschutzes gem. § 210 InsO die Masse weiter zu verwalten und gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO neue Masseverbindlichkeiten zu begründen, die ranghöher sind als die bisherigen.446) Soweit zu erwarten ist, dass diese Umstände Gläubiger im Vergleich zur Regelabwicklung durch einen dann zu bestellenden Insolvenzverwalter schlechter stellen, wird dies einen Nachteil darstellen. Einen Automatismus zur Annahme desselben gibt es aber nicht; es verbleibt bei einer Einzelfallprüfung. bb) Massearmut 258 Während im Falle der Masseunzulänglichkeit § 285 InsO eine Anzeigepflicht des Sachwalters regelt, schweigt die Norm zur Massearmut. Bisweilen wird daraus gleichwohl gefolgert, der Sachwalter sei bei Massearmut erst recht zur Anzeige verpflichtet: Habe er nämlich schon potentielle Nachteile gem. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO anzuzeigen, müsse er umso mehr über eine Massearmut berichten.447) ___________ 442) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 54 ff. 443) Ähnlich wie hier Leonhardt/Smid/Zeuner/Wehdeking, § 285 Rn. 2; anders aber die h.M., vgl. nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 285 Rn. 1; Braun/Riggert, § 285 Rn. 1; Hefermehl, MüKo-InsO, § 208 Rn. 37; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 277; Kreft/ Landfermann, HK-InsO, § 285 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 285 Rn. 12. 444) Vgl. nur Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 2. 445) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 285 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 16; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 285 Rn. 3. 446) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 14 ff. 447) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 23; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 1 f.; unter Anknüpfung nicht an § 274 Abs. 3 S. 1 InsO, sondern im direkten Vergleich mit § 285 InsO Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 878.

78

III. Der Sachwalter

Diese Überlegung berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass bei Massear- 259 mut wegen der damit verbundenen Einstellung ein Verfahren nach den §§ 208 ff. InsO und damit die Einbindung des Sachwalters überflüssig erscheint.448) Darüber hinaus gibt es, anders als bei der Masseunzulänglichkeit, im Falle der Massearmut schon keine förmliche Anzeige in § 207 InsO. Ist eine solche nach dem Verfahrensrecht der §§ 207 ff. InsO nicht vorgesehen, kann § 285 InsO für sie auch nicht „erst recht“ eineVerpflichtung aufstellen: Für den Fall der Massearmut enthält § 285 InsO also keine Anzeigepflicht des Sachwalters.449) Eine andere Frage ist indes, inwieweit der Sachwalter gem. § 274 Abs. 3 S. 1 260 InsO verpflichtet ist, das Gericht zu informieren. Soweit Massearmut im Eigenverwaltungsverfahren Nachteile gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren begründet, was Einzelfallfrage sein dürfte, kann er auch ohne § 285 InsO einer inhaltlich gleichartigen Pflicht unterworfen sein.450) Diese Pflicht greift sowohl im eröffneten, als auch im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO gleichwie auch im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO. Für jeden dieser Verfahrensabschnitte ist bei Vorliegen von Massearmut der 261 Schuldner zur Mitteilung an das Insolvenzgericht berechtigt und auch verpflichtet.451) Das Gericht hat gem. § 207 Abs. 2 InsO zur Mitteilung des Schuldners auch die Gläubigerversammlung, den Sachwalter und die Massegläubiger zu hören. Soweit der Schuldner die Mitteilung nicht selbst abgegeben hat, erstreckt sich die Anhörungspflicht analog § 207 Abs. 2 InsO auch auf ihn.452) Denn auch er übernimmt in der Eigenverwaltung auf die Masseverwaltung bezogene Aufgaben, die im Regelinsolvenzverfahren der in den Anwendungsbereich der Norm eingezogene Verwalter innehat. c) Insolvenzplan: Ausarbeitung, Beratung, Überwachung aa) Allgemeines Das Eigenverwaltungsverfahren ist auf eine Sanierung zugeschnitten, denn 262 andernfalls bedürfte es der Verwaltung durch den Schuldner nicht: Für die Verfahrensziele der übertragenden Sanierung und der Liquidation hält das Regelinsolvenzverfahren zumeist die besseren und bewährteren Institute bereit. Denn hierfür ist der Erhalt des schuldnerischen Einflusses auf das Verfahren eher hinderlich.453) Ist weiter die Überlegung richtig, dass der Insol___________ 448) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 285 Rn. 19. 449) Ebd.; dem folgend etwa Braun/Riggert, InsO, § 285 Rn. 1; Kreft/Landfermann, HKInsO, § 285 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 285 Rn. 5. 450) Darauf hinweisend etwa Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 23; Uhlenbruck/ders., InsO, § 285 Rn. 3. 451) Vgl. nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 285 Rn. 2; Braun/Riggert, § 285 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 2. 452) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 279. 453) In diese Richtung auch K. Schmidt/Undritz, InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 8 m. w. N.

79

C. Aufgaben und Kompetenzen

venzplan gem. §§ 217 ff. InsO das klassische Instrument zur Sanierung des Rechtsträgers darstellt,454) so zeigt sich: Das Eigenverwaltungsverfahren dient praktisch regelmäßig der Vorbereitung der Plansanierung.455) Besonders deutlich wird dies beim Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 1 InsO, das ausdrücklich den Schutz des Schuldners während der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes bezweckt.456) 263 Insbesondere dann, wenn der Schuldner wegen immaterieller Güter, seiner Größe oder einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen faktisch kaum übertragbar ist, ist ein Insolvenzplan das geeignete Sanierungsmittel.457) Ebenso kann der Plan einer Konzernsanierung dienen458) und schließlich ist er bei Freiberuflern ein wichtiges Mittel, um den Entzug der berufsrechtlichen Zulassung durch schnelle Ordnung der Vermögensverhältnisse zu verhindern.459) bb) Regelungsgehalt des § 284 InsO 264 Die Aufgabe des § 284 InsO ist es, die allgemeinen Vorschriften über den Insolvenzplan zu modifizieren. Denn diese stellen vielfach auf den Insolvenzverwalter als Adressat von Rechten und Pflichten ab, so dass für die Eigenverwaltung die Aufteilung zwischen Schuldner und Sachwalter klärungsbedürftig ist. Anwendbar ist die Norm damit im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren. 265 Eine Anwendung im Eröffnungsverfahren scheidet hingegen aus. Soweit die Norm in § 284 Abs. 1 InsO einen Auftrag der Gläubigerversammlung zur Planaufstellung regelt, ist ein solcher vor Eröffnung ohnehin nicht denkbar: Die Versammlung tritt erst im Berichtstermin gem. § 156 InsO nach Verfahrenseröffnung zusammen und kann folglich auch erst dann Aufträge erteilen.460) Soweit nach § 284 Abs. 2 InsO der Sachwalter die Planüberwachung übernehmen soll, setzt auch dies voraus, dass ein Planverfahren zwar nicht notwendig schon wieder aufgehoben, § 258 Abs. 1 InsO, so aber doch bereits eröffnet wurde. 266 Damit ist die Möglichkeit zur Erteilung eines Planauftrages gem. § 284 InsO eine angesichts der realen Bedürfnisse des Verfahrens erst sehr spät eingrei___________ 454) Vgl. nur Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 0.27. 455) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 284 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 284 Rn. 1; vgl. auch Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 1.10; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 1; Uhlenbruck/ders., InsO, § 284 Rn. 1. 456) BT-Drucks. 17/5712, S. 19, 40. 457) Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 0.27. 458) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 3; dazu eingehend Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 11.1 ff. 459) Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 28.1 ff.; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 3. 460) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 284 Rn. 10.

80

III. Der Sachwalter

fende Option.461) Praktisch ist deswegen der Fall häufiger, dass der Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren von seinem nach § 218 Abs. 1 InsO originär bestehenden Initiativrecht (dazu sogleich), etwa im Rahmen eines „prepackaged plan“ oder des Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO, Gebrauch macht.462) cc) Berechtigung zur Planvorlage Zentralnorm für das Initiativrecht des Planerstellers ist § 218 InsO. Danach 267 sind im Regelinsolvenzverfahren originär der Schuldner und der Insolvenzverwalter planvorlageberechtigt. Der Verwalter kann von der Gläubigerversammlung auch gem. §§ 157 S. 2, 218 Abs. 2 InsO mit der Ausarbeitung und Vorlage eines (auch hinsichtlich des Planzieles bestimmten) Planes beauftragt werden.463) Dies stellt sich in der Eigenverwaltung anders dar: Ein eigenes Recht zur 268 Planvorlage hat hier nur der Schuldner. Da ein Insolvenzverwalter in diesem Verfahren fehlt, läuft die Alternative in § 218 Abs. 1 S. 1 InsO leer.464) Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, weil eine vergleichbare Interessenlage fehlt: Während der Insolvenzverwalter im Regelverfahren schon durch die ihm zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eine eigene, gestaltende Funktion hat und diese konsequent auch mit dem Plan verwirklichen kann, ist dem Sachwalter eine solche gerade nicht zu eigen. Der Sachwalter ist damit nicht aus eigenem Recht zur Vorlage befugt.465) Praktisch ist dies indes wenig bedeutsam. Das liegt daran, dass § 284 Abs. 1 269 S. 1 InsO der Gläubigerversammlung eine Befugnis zur Beauftragung sowohl des Schuldners als auch des Sachwalters mit der Ausarbeitung eines Planes gewährt. Zwar sagt der Auftrag zur Ausarbeitung zunächst nichts über die Planvorlageberechtigung aus, richtigerweise muss aber die Ausarbeitungspflicht des Sachwalters mit seiner (insofern vom Auftrag abgeleiteten) Vorlageberechtigung korrespondieren.466) Denn diese würde sinnlos, wenn jene nicht bestünde und sich beispielsweise der Schuldner weigert, den vom Sachwalter ausgearbeiteten Plan selbst vorzulegen. Selbst wenn der Sachwalter ohne vorigen Auftrag der Gläubigerversammlung einen überzeugenden ___________ Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 3. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 284 Rn. 9. Dazu Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 3.6 ff. Vgl. die a. A., also eine Anwendung dieser Norm auf den Sachwalter, bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1058 ff. 465) So die nahezu einhellige Auffassung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 284 Rn. 3; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 17; Nerlich/Römermann/Riggert, § 284 Rn. 2; Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 3.18; Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 284 Rn. 16. 466) Vgl. nur Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 18; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 25. 461) 462) 463) 464)

81

C. Aufgaben und Kompetenzen

Plan zu bieten hat, wird er praktisch den Auftrag und damit eine abgeleitete Planvorlageberechtigung erhalten.467) dd) Auftrag, Beratung und Stellungnahme 270 Den Auftrag zur Ausarbeitung kann die Gläubigerversammlung dem eindeutigen Wortlaut des § 218 Abs. 1 S. 1 InsO zufolge nur an den Schuldner oder den Sachwalter richten.468) Konkurrierende Aufträge an beide sind ihr damit untersagt.469) Der Auftrag verpflichtet den Beauftragten, den Plan innerhalb der Frist des § 218 Abs. 2 InsO zu erstellen.470) Erfüllt der Schuldner den Auftrag nicht, kann die Gläubigerversammlung gem. § 157 S. 3 InsO ihre Entscheidung ändern und stattdessen den Sachwalter beauftragen.471) Stellt dieser fest, dass der Auftrag durch den Schuldner nicht beachtet wird, kann dies auch einen Nachteil i. S. d. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO begründen.472) 271 Will der Schuldner einen eigenen Plan aufstellen, so ist er dazu aufgrund von § 218 Abs. 1 S. 1 InsO neben dem Auftrag an ihn oder den Sachwalter berechtigt.473) Gleiches gilt für den Sachwalter, der freilich beachten muss, dass er ein Vorlagerecht nur bei Erhalt eines Auftrages für den konkreten, konkurrierenden Plan erlangt. Praktisch sollten solche Konkurrenzsituationen jedoch vermieden werden.474) Nicht nur bringen sie steigende Kosten und einen erheblichen Mehraufwand in den Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 235 InsO, sondern sie können vor allem gegenüber den Gläubigern das Bild einer funktionierenden Sachwaltung trüben und einen Nachteil i. S. d. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO befürchten lassen. 272 Ist der Schuldner mit der Planaufstellung beauftragt worden, so hat der Sachwalter gem. § 284 Abs. 1 S. 2 InsO beratend mitzuwirken. Die Norm schließt insofern nicht den Rückgriff auf § 218 Abs. 3 InsO aus, so dass ebenfalls eine beratende Mitwirkung unter anderem des Gläubigerausschusses und des Betriebsrates stattfindet.475) 273 Der Inhalt der Beratung ist rechtlich durch zweierlei zu erfassen: Einerseits soll die Beratung den Schuldner nach der Konzeption der Norm in die Lage ___________ 467) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 17. 468) Braun/Riggert, InsO, § 284 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 20. 469) A. A. Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 284 Rn. 4: „trotz des Gesetzeswortlauts“. 470) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 19 m. w. N. 471) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 21. 472) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 16 a. E.; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 20. 473) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 15. 474) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 12; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 15. 475) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 284 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 15; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 19; Wimmer/Foltis, § 284 Rn. 16.

82

III. Der Sachwalter

versetzen, den Plan selbst zu erstellen. Dies bedingt es mindestens, dem Schuldner die dem Sachwalter vorliegenden, planrelevanten Informationen wie die Tabelle (oben Rn. 232 ff.) und den Stand der Anfechtungsprozesse (dazu noch unten Rn. 280 ff.) mitzuteilen. Andererseits ist der Berater später zur Stellungnahme zum Plan befugt (dazu sogleich), so dass die Beratung auch dasjenige umfassen muss, was in der Stellungnahme als Negativfaktor aufgeführt würde. Praktisch gesehen ist eine Beratung immer dann weniger aufwendig, wenn der Schuldner mit der Planerstellung einen fachkundigen Dritten beauftragt. Dies ist auch unbedingt anzuraten, denn eine erfolgreiche Planerstellung ohne eigene Erfahrung und Rechtskunde kann angesichts der Komplexität der Regelungen der §§ 217 ff. InsO nicht gelingen. Im Anschluss an die Planerstellung kann im Fall einer Ausarbeitung durch den 274 Schuldner der Sachwalter analog § 232 Abs. 1 Nr. 3 InsO seine Stellungnahme abgeben. Dies ist unabhängig von seiner früheren beratenden Mitwirkung, denn inwieweit der Schuldner diese umgesetzt hat, lässt sich insbesondere für die Gläubiger erst aus der Stellungnahme ersehen.476) Eine Rechtspflicht zur Abgabe besteht jedoch aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Norm nicht.477) Hat der Sachwalter den Plan erstellt, ist der Schuldner analog § 232 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Stellungnahme berechtigt.478) Die Stellungnahme selbst dient der Information der Beteiligten und soll 275 somit insbesondere den Erörterungs- und Abstimmungstermin vorbereiten.479) Soweit der Sachwalter sie abgibt, hat sie also zunächst auf mögliche rechtliche Hindernisse für die Planannahme einzugehen. Darüber hinaus soll sie darstellen, ob der Plan der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dient und in diesem Kontext die Kontrolle der vom Schuldner vorgenommenen Vergleichsrechnungen enthalten.480) ee) Überwachung Schließlich obliegt dem Sachwalter gem. § 284 Abs. 2 InsO die Planüberwa- 276 chung. Insofern tritt er an die Stelle des Insolvenzverwalters im Regelverfahren gem. §§ 260 ff. InsO. Soweit also im gestaltenden Teil des Planes eine Überwachung vorgesehen ist,481) hat der Sachwalter für sie Sorge zu tragen. Dies ist gem. § 267 Abs. 1 InsO öffentlich bekanntzumachen.

___________ 476) Nerlich/Römermann/Riggert, § 284 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 19. 477) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 232 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger, InsO, § 232 Rn. 4. 478) Ebd. 479) Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 15.2. 480) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 509. 481) Andernfalls findet sie nicht statt, vgl. nur Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 31.

83

C. Aufgaben und Kompetenzen

277 Für die Phase der Planüberwachung besteht das Amt des Sachwalters fort, § 261 Abs. 1 S. 2 InsO. Soweit das Verfahren mit Planbestätigung aufgehoben wurde, treffen indes den Schuldner aus der Eigenverwaltung keine Pflichten mehr.482) Er kann fortan seine Entscheidungen wieder nach privatautonomen Maßstäben treffen, ohne dass – vorbehaltlich fortgeltender Pflichten des Schuldners aus dem Plan selbst – diese noch durch insolvenzrechtliche Maßstäbe überlagert wären. d) Die Regelung des § 280 InsO 278 Während dem Schuldner grundsätzlich das Eintreiben von Forderungen für die Masse obliegt, trifft § 280 InsO von dieser Systementscheidung eine Ausnahme:483) Demnach ist allein der Sachwalter für die Geltendmachung der Insolvenzanfechtung und der Ansprüche nach den §§ 92, 93 InsO zuständig. Der Schuldner ist hierzu nicht berechtigt. 279 Diese Entscheidung des Gesetzgebers soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Schuldner sonst einer Interessenkollision ausgesetzt wäre:484) Hinsichtlich der Anfechtung würde er sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten setzen. Ist er aber derjenige, der in der Eigenverwaltung die Geschäfte für die Masse fortführt, würde dies den Beziehungen zu Vertragspartnern schaden.485) Soweit es um Schadensersatzansprüche geht, wäre der Schuldner ohne § 280 InsO gezwungen, Ansprüche der Masse gegen sich selbst oder Gesellschafter zu verfolgen. Dies kann ihm kaum zugemutet werden und es wäre auch nicht geeignet, Vertrauen in eine erfolgreiche Eigenverwaltung zu begründen.486) aa) Insolvenzanfechtung (1) Allgemeines 280 Nach der Regelung des § 280 InsO ist ausschließlich der Sachwalter zur Insolvenzanfechtung befugt. Anwendbar ist die Norm im eröffneten Verfahren. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO ebenfalls erst ab Verfahrenseröffnung greift. 281 Inhaltlich unterliegen die §§ 129 ff. InsO keinen Änderungen. Das Anfechtungsrecht besteht im Eigenverwaltungsverfahren genauso, wie im Re___________ 482) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 8. 483) Braun/Riggert, InsO, § 280 Rn. 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 280 Rn. 1; Uhlenbruck/ders., InsO, § 280 Rn. 2. 484) Vgl. nur Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 280 Rn. 2; Braun/ Riggert, InsO, § 280 Rn. 1. 485) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 280 Rn. 1. 486) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 280 Rn. 2; Uhlenbruck/ders, § 280 Rn. 2; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 2.

84

III. Der Sachwalter

gelinsolvenzverfahren.487) Aus der Verweisung in § 280 InsO folgt, dass der Sachwalter auch den Rückgewähranspruch gem. § 143 InsO anstelle des eigenverwaltenden Schuldners geltend macht.488) Im Umkehrschluss schließt dies jede Verfügung des Schuldners über diesen Anspruch aus.489) (2) Geltendmachung Macht der Sachwalter Anfechtungsrechte geltend, ist er Partei kraft Am- 282 tes.490) Sein Handeln berechtigt und verpflichtet also den Schuldner unmittelbar.491) Insofern kann er auch, was praktisch eine große Rolle spielt, Vergleiche schließen und auf diese Weise gerichtliche Anfechtungsstreitigkeiten vermeiden.492) Wird der Sachwalter prozessual tätig, so führt er Prozesse im eigenen Namen. 283 Die die daraus erwachsenden Erlöse fallen zur Masse und die entstehenden Verbindlichkeiten etwa wegen Kostentragung treffen diese.493) Sie sind Masseverbindlichkeiten,494) ebenso wie sonstige Kosten der Rechtsverfolgung, welche der Sachwalter durch Beauftragung etwa eines Anwaltes begründet.495) Zur Frage einer diesbezüglichen Haftung des Sachwalters vgl. noch unten Rn. 561. Praxistipp: Die Frage der Kostentragung im Falle des Unterliegens sollte der Sachwalter zuvor mit dem Schuldner besprechen. Denn weil durch Prozesshandlungen Masseverbindlichkeiten begründet werden, sollte der Schuldner für diese Rückstellungen bilden. Sonst läuft der Sachwalter Gefahr, für nicht einbringliche Masseverbindlichkeiten, die durch seine Prozessführung erwachsen, analog § 61 InsO zu haften (unten Rn. 561).

Tritt während des Prozesses ein Wechsel in der Person des Sachwalters ein, so 284 wird der Prozess nicht unterbrochen. Insofern ändert sich die Partei nicht, sondern lediglich der Träger der Verwaltungs- und Verfügungsmacht.496) Ist schließlich die gerichtliche Geltendmachung erfolgreich, so braucht ein dabei

___________ 487) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 280 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 280 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 2. 488) Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 280 Rn. 8; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 975 ff. 489) Ebd. 490) Statt aller Kirchhof, MüKo-InsO, § 280 Rn. 6; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 280 Rn. 2. 491) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 5. 492) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 271. 493) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 5. 494) Ebd. 495) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 272. 496) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 7.

85

C. Aufgaben und Kompetenzen

erstrittenes Urteil nicht auf den Schuldner umgeschrieben zu werden. Die Bestellungsurkunde des Sachwalters genügt, um den Massebezug darzulegen.497) 285 Die Geltendmachung von Anfechtungsrechten ist in besonderem Maße von der Mitwirkung des Schuldners abhängig.498) Denn grundsätzlich werden die für hierfür erforderlichen Informationen beim eigenverwaltenden Schuldner vorhanden sein. Auf Informationsrechte des Sachwalters, die in diesem Kontext eine Rolle spielen, wird noch weiter unten einzugehen sein (Rn. 333 ff.). 286 Soweit ein Insolvenzplan bestätigt wird und keine Fortführung des Verfahrens anordnet, muss der Sachwalter § 259 Abs. 3 InsO beachten: Anfechtungsrechtsstreite können nach Verfahrensaufhebung nur fortgeführt werden, soweit der Plan dies vorsieht und sie bereits vor Aufhebung anhängig gemacht wurden. bb) Ansprüche nach §§ 92, 93 InsO (1) Allgemeines 287 Neben der Insolvenzanfechtung ordnet § 280 InsO dem Sachwalter auch die ausschließliche Aufgabe der Geltendmachung der Ansprüche nach den §§ 92, 93 InsO zu. Hinsichtlich seiner Stellung ergeben sich insofern keine Änderungen gegenüber der Situation in Anfechtungsstreitigkeiten: Auch bezüglich der Schadensersatzansprüche ist der Sachwalter Partei kraft Amtes499) mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Verpflichtung und Berechtigung der Masse (oben Rn. 283 mit Praxistipp). 288 Besonderheiten ergeben sich aber, soweit der Sachwalter selbst zum Schadensersatz verpflichtet ist. Dies kann etwa der Fall sein, weil er gem. §§ 274, 60 InsO haftet (zur Haftung noch unten Rn. 540 ff.). In diesem Fall ist er nicht verpflichtet, aber auch nicht befugt, die Ansprüche für die Masse gegen sich selbst zu verfolgen. § 92 S. 2 InsO ist daher so zu verstehen, dass dann im Streitfalle ein Sondersachwalter nur für das Verfahren hinsichtlich dieser Ansprüche (unten Rn. 554 f.) oder ein gänzlich neuer Sachwalter zu bestellen ist, der das Verfahren insgesamt übernimmt.500) 289 Auch hinsichtlich der Ansprüche nach den §§ 92, 93 InsO setzt § 280 InsO ein eröffnetes Verfahren voraus. Ausweislich §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO ist die Norm im Eröffnungsverfahren nicht anwendbar. Der Sachwalter kann daher in dieser Phase allenfalls etwaige Ansprüche „ausloten“.501) ___________ 497) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 5. 498) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 10. 499) Kirchhof, MüKo-InsO, § 280 Rn. 4; Wimmer/Foltis, § 280 Rn. 6. 500) Schmidt/Pohlmann, HmbKo-InsO, § 92 Rn. 36; Uhlenbruck/ders., InsO, § 280 Rn. 3. 501) AG Hamburg, ZInsO 2014, 569, 571; Flöther, ZInsO 2014, 465, 466.

86

III. Der Sachwalter

(2) Gesamtschadensersatz gem. § 92 InsO Inhalt der Regelung des § 92 InsO, der selbst keine haftungs- und anspruchs- 290 begründende Norm darstellt,502) sind Gesamtschäden. Damit erfasst die Norm solche Schadensersatzansprüche, die auf einen Ausgleich für die Verkürzung der Insolvenzmasse zielen. Sie bezwecken, den Quotenschaden dadurch zu beseitigen, dass aus der Haftung des Schädigers erlangter Ersatz gleichmäßig unter den Gläubigern verteilt wird.503) Nicht unter § 92 InsO fallen damit reine Individualschäden, die bei einzelnen 291 Gläubigern eingetreten sind. Diese können etwa aus Delikt oder sonstiger Verletzung der Rechte einzelner Gläubiger beispielsweise auf Absonderung folgen.504) Diese müssen die jeweiligen Gläubiger selbst geltend machen.505) Voraussetzung für die Anwendung des § 92 InsO ist damit, dass der Schaden bei den Insolvenzgläubigern gemeinschaftlich wenigstens bezüglich einer Sondermasse eingetreten ist.506) Klassischerweise unterfallen damit der Norm unter anderem507) folgende Ansprüche: x

Haftung für Insolvenzverschleppung gem. § 823 Abs. 2 i. V. m. § 15a InsO

x

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch Vermögensverschiebungen oder gezielte Vermögensvernichtung gem. § 826 BGB

x

Haftung des Sachwalters gem. §§ 60 f. InsO (dazu noch unten Rn. 540 ff.)

x

Haftung bei Betrug gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB

x

Amtshaftung des Insolvenzgerichtes gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG

Die Geltendmachung dieser Ansprüche durch den Sachwalter hat Sperrwir- 292 kung. Während des Verfahrens sind Klagen einzelner Gläubiger auf Ersatz ihres Quotenschadens als Teil des Gesamtschadens unzulässig.508) Soweit sie bei Verfahrenseröffnung rechtshängig sind, werden sie analog § 240 ZPO509) unterbrochen und können vom Sachwalter aufgenommen und auf den Gesamtschaden erweitert werden, um dessen Ersatz an die Masse zu verlan___________ 502) Behrens/Gerlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 4. 503) BGH ZInsO 2011, 1453; ZInsO 2003, 562; Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 2; Kübler/ Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 92 Rn. 19. 504) Wimmer/Foltis, InsO, § 92 Rn. 7. 505) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 92 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Wittkowski/Kruth, InsO, § 92 Rn. 6. 506) Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 5; Wimmer/Foltis, InsO, § 92 Rn. 5. 507) Beispiele bei Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 2 f., Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 264 und Wimmer/Foltis, InsO, § 92 Rn. 6. 508) Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 92 Rn. 27. 509) Brandes/Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 25; Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 8; Kübler/ Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 92 Rn. 67; a. A. Nerlich/Römermann/Wittkowski/Kruth, InsO, § 92 Rn. 15: analog § 17 Abs. 1 S. 1 AnfG.

87

C. Aufgaben und Kompetenzen

gen.510) Eine Verpflichtung hierzu besteht indes nicht. Stattdessen kann der Sachwalter auch in einem neuen Prozess auf Ersatz des Gesamtschadens klagen.511) (3) Gesellschafterhaftung gem. § 93 InsO 293 Für Ansprüche gegen persönlich haftende Gesellschafter bestimmt § 93 InsO, dass sie nur vom Sachwalter geltend gemacht werden können. Die Norm erfasst neben der Kommanditgesellschaft auf Aktien unter anderem die OHG, KG, GbR und PartG.512) Gegenstand der Zuweisung an den Sachwalter sind Ansprüche aus dem Bereich der gesetzlichen akzessorischen Haftung des Gesellschafters u. a. gem. § 128 HGB für Ansprüche, welche gegen die Gesellschaft gerichtet sind.513) 294 Hinsichtlich der prozessualen Geltendmachung gilt das oben Ausgeführte (Rn. 287). (4) Haftungsansprüche des Schuldners 295 Geht man vom skizzierten Inhalt der §§ 92, 93 InsO aus, stellt sich im Eigenverwaltungsverfahren ein Problem für Ansprüche des Schuldners gegen seine Organwalter und Gesellschafter. Denn sie unterfallen nicht dem Wortlaut des § 92 InsO, weil es sich nicht um „Ansprüche der Insolvenzgläubiger“ handelt. Auch trifft § 93 InsO keine Regelung über sie, weil keine akzessorische Gesellschafterhaftung vorliegt. Denkbar514) sind in diesem Kontext vor allem Ansprüche aus: x

Masseschmälerungshaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG, §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG (unten Rn. 523 ff.),

x

Organwalterhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG (unten Rn. 521 ff.) unten

x

Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungshaftung.

296 Im Regelinsolvenzverfahren unterfallen diese Ansprüche ohne weiteres der allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gem. § 80 InsO, so dass dieser auch zur Durchsetzung befugt ist.515) Im Eigenverwaltungsverfahren obliegt aber die (prozessuale) Geltendmachung von Forderungen dem Schuldner (Rn. 211), soweit hiervon keine Abweichung vorge___________ Brandes/Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 92 Rn. 27. Brandes/Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 25. Braun/Kroth, InsO, § 93 Rn. 2 f. BGH ZInsO 2002, 764, 765; Nerlich/Römermann/Wittkowski/Kruth, InsO, § 93 Rn. 4a. 514) Beispiele bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 270. 515) Vgl. nur Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 2.

510) 511) 512) 513)

88

III. Der Sachwalter

sehen ist. Handelt es sich bei diesen Ansprüchen aber nicht um solche nach §§ 92, 93 InsO, ist demzufolge in der Eigenverwaltung der Schuldner für die Durchsetzung verantwortlich. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht interessengerecht wäre. Der Geschäfts- 297 führer müsste beispielsweise als Vertretungsorgan des Schuldners Ansprüche gegen sich selbst als natürliche Person verfolgen.516) Dieses Problem ließe sich durch eine analoge Anwendung von § 92 S. 2 InsO lösen, da auch insofern die Masse zu Lasten aller Gläubiger geschädigt wurde.517) Diese Lösung hätte indes das Manko, dass sie für das Regelinsolvenzverfahren überflüssig wäre. Rechtstechnisch überzeugender ist daher eine Analogie der sachnäheren 298 Norm des § 280 InsO, um derartige Ansprüche zu erfassen.518) Diese ist am besten zur Problemlösung geeignet. Die für die Analogie notwendige vergleichbare Interessenlage liegt in der Vermeidung des beschriebenen Konfliktes. Die Gesetzeslücke ist auch planwidrig, weil der Gesetzgeber die Frage eigener Haftungsansprüche des Schuldners in der Eigenverwaltung nicht thematisiert hat, aber Prozessführungsbefugnisse des Sachwalters gerade für Fälle vorsah, in denen dieser „besser geeignet“ sei.519) Eben dies ist aber hier evident der Fall. 2. Schuldnerbezogene Aufgaben a) Aufsichtsaufgaben aa) Grundlagen Nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO steht der Schuldner in der Eigenverwaltung un- 299 ter der „Aufsicht“ des Sachwalters. Diesen Begriff hat der Gesetzgeber in der Begründung nicht erläutert, ging aber davon aus, dass der Sachwalter den Schuldner „kontrolliert und unterstützt“.520) Systematisch steht die Aufsicht dabei im Kontext einer Fülle von Einzelmaßnahmen des Sachwalters, die begrifflich von „Kontrolle“ und „Überwachung“ (§ 274 Abs. 2 InsO) bis hin zu „Prüfung“ (§ 283 Abs. 2 InsO) reichen.

___________ 516) Dieses Problem über einen Austausch der Geschäftsführung lösend, ohne den in solchen Fällen Gläubigernachteile gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu erwarten seien, Bierbach, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 137. 517) Haas/Kahlert, in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 89 Rn. 26 (Andeutung zur Analogie von § 92 S. 2 InsO), 38 f. (allgemein zum Problem). 518) So angedeutet bei Haas/Kahlert, in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 89 Rn. 39; entwickelt bei Hofmann, ZIP 2007, 260, 262; ders., Eigenverwaltung, Rn. 269 f.; ihm folgend Andres/ Leithaus/Leithaus, InsO, § 280 Rn. 2; vgl. auch „erweiternde Auslegung“ bei H. F. Müller, MüKo-GmbHG, § 64 Rn. 119. 519) BT-Drucks. 12/2443, S. 225. 520) BT-Drucks. 12/2443, S. 223.

89

C. Aufgaben und Kompetenzen

300 Was damit im Regelungszusammenhang gemeint ist, erschließt sich, wenn man den Inhalt von Entscheidung und Kontrolle521) betrachtet: Ist eine Entscheidung die determinierte Wahl zwischen Varianten (oben Rn. 141), dient Kontrolle dem Nachvollziehen dieses Entscheidungsvorganges. Im Rahmen einer nachgelagerten Kontrolle wird die getroffene Entscheidung daher ihrerseits an Kontrollmaßstäben gemessen.522) Entsprechen die Kontrollmaßstäbe vollständig den ursprünglichen Entscheidungsmaßstäben, spricht man von vollständiger Kontrolle: Der Kontrolleur vollzieht dann den gesamten Entscheidungsprozess nach. Wird nur ein Teil der Entscheidungsmaßstäbe in den Kontrollmaßstäben abgebildet, handelt es sich indes um eine eingeschränkte Kontrolle.523) 301 Passt die zu kontrollierende Entscheidung zu den jeweils maßgeblichen Kontrollmaßstäben, so ist sie im Sinne der Kontrolle richtig; sonst ist sie falsch. Die Aufsicht knüpft an dieses gefundene Ergebnis an. Sie geht begrifflich über die bloße Kontrolle hinaus und beschreibt Maßnahmen, die der Kontrolleur ergreifen kann, um ein für falsch befundenes Ergebnis für die Vergangenheit oder Zukunft zu korrigieren.524) 302 Eben dieses Modell beschreibt die Beziehung zwischen Schuldner und Sachwalter. Der Schuldner trifft nach dem oben Dargestellten (Rn. 141 ff., bes. 142) seine Entscheidungen anhand sowohl privatautonomer als auch insolvenzrechtlicher Entscheidungsmaßstäbe. Unterliegt er mit einer Vielzahl seiner Entscheidungen der Kontrolle des Sachwalters (dazu sogleich Rn. 305 ff.), fragt sich insofern lediglich, welche seiner Entscheidungsmaßstäbe als Kontrollmaßstäbe für den Sachwalter zur Verfügung stehen; ob es sich also um eine vollständige oder eingeschränkte Kontrolle handelt. 303 Dass für die Kontrolle nicht die privatautonomen Maßstäbe des Schuldners relevant sein können, ergibt sich schon aus der Natur der Sache: Sie sind zum großen Teil irrational und daher einem Nachvollziehen im rationalen Kontrollprozess nicht zugänglich.525) Im Übrigen ergäbe sich auch aus Sicht der Grundrechte der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG keine Legitimation dafür, privatautonome Entscheidungen des Schuldners zu korrigieren, solange dieser seine insolvenzspezifischen Pflichten einhält.526) Dies spricht dafür, dass der Sachwalter Kontrolle und Aufsicht nur insoweit auszuüben hat, als den Schuldner insolvenzrechtliche Pflichten treffen. 304 Es handelt sich damit der Sache nach um eine eingeschränkte Kontrolle. Rechtslogisch ist es also ausgeschlossen, dass der Sachwalter korrigierend ___________ 521) 522) 523) 524) 525) 526)

90

Krebs, Kontrolle, passim. Krebs, Kontrolle, S. 36. Zum Ganzen Krebs, Kontrolle, S. 36 f. Vgl. etwa Kluth, GewArch 2006, 446. Dazu Krebs, Kontrolle, S. 36. Ähnlich BT-Drucks. 17/5712, S. 68 (zu Nr. 4).

III. Der Sachwalter

eingreift, wo schuldnerische Entscheidungen privatautonom determiniert sind, insolvenzrechtlich aber in keiner der Entscheidungsvarianten einen Vorzug genießen. Oder, mit anderen Worten: Der Sachwalter hat im Rahmen der Aufsicht ausschließlich sicherzustellen, dass der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Pflichten einhält. bb) Gegenstand der Kontrolle (1) Verhältnis der Kontrollgegenstände zueinander Der Umfang der Kontrolle des Sachwalters über den Schuldner bemisst sich 305 zunächst nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO. Diese Norm hat aufgrund ihres eindeutigen Wortlautes auch als Aufgabenzuweisung an den Sachwalter (dazu sogleich Rn. 311) den Charakter einer Generalklausel.527) Sie gilt in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens und unterstellt die gesamte Masseverwaltung des Schuldners der Kontrolle und Aufsicht durch den Sachwalter. Wann immer sich schuldnerisches Verhalten also auf die Verwaltung der oder Verfügung über die Masse bezieht, unterliegt es der Kontrolle. Insofern steht die Regelung in Beziehung zu § 274 Abs. 2 InsO. Nach dieser 306 Norm hat der Sachwalter die wirtschaftliche Lage zu „prüfen“ und die Geschäftsführung des Schuldners ebenso zu „überwachen“ wie dessen Ausgaben für die Lebensführung. Dabei zeigt schon der Wortlaut der Vorschrift mit der Differenzierung nach Prüfung einerseits und Überwachung andererseits, dass zwischen der wirtschaftlichen Lage des Schuldners einerseits und seiner Geschäfts-, bzw. Lebensführung andererseits ein Unterschied besteht.528) Dieser Unterschied wird klar, vergegenwärtigt man sich, dass Kontrolle nach 307 dem hiesigen Verständnis vorgangsbezogen ist:529) Sie vollzieht das schuldnerische Entscheidungsverhalten nach und überprüft es auf seine Richtigkeit. Die wirtschaftliche Lage des Schuldners hingegen ist selbst kein Vorgang, sondern ein Zustand, der durch Tatsachen charakterisiert ist. Insofern kann er nicht der Kontrolle unterliegen, sondern allenfalls als Tatsachengrundlage für die Bewertung schuldnerischen Verhaltens im Rahmen der Kontrolle dienen.530) Diesen Unterschied bringt die Norm durch die Verwendung des Wortes prüfen anstelle von überwachen zum Ausdruck. Die rechtliche wie auch praktische Bedeutung dieser Unterscheidung liegt 308 in unterschiedlichen Pflichten des Sachwalters: Ist die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage als Tatsachengrundlage für eine jede Entscheidung und ___________ 527) Anders Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 1, demzufolge § 274 Abs. 2 InsO die Generalklausel für die Aufgaben des Sachwalters darstelle; ebenso wohl Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 902. 528) Vgl. zur Wortlautdivergenz auch Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 19. 529) Krebs, Kontrolle, S. 17. 530) Zu diesem Zusammenhang vgl. nur Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 47; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 4; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 17.

91

C. Aufgaben und Kompetenzen

Kontrolle erforderlich, erklärt sich daraus, warum der Sachwalter diese samt aller Details permanent während des gesamten Verfahrens kennen muss (unten Rn. 327 ff.). 309 Die Kontrollpflicht hingegen kann anlassbezogen sein. Insofern kann der Sachwalter also gegebenenfalls zur Ausübung von Kontrolle nur dann verpflichtet sein, wenn bestimmte Umstände eintreten bzw. er Anhaltspunkte für Fehlverhalten des Schuldners hat. Hierauf wird noch im Einzelnen einzugehen sein (sogleich Rn. 313 ff.). Soweit die Pflichten des Sachwalters haftungsbewehrt sind (dazu unten Rn. 553), hat dies erhebliche praktische Relevanz. 310 Im Überblick stellt sich das grundsätzliche Verhältnis der Kontroll- und Prüfpflichten des Sachwalters im Rahmen der §§ 270 Abs. 1 S. 1, 274 Abs. 2 InsO rechtsdogmatisch also wie folgt dar: Masseverwaltung

Wirtschaftliche Lage

des Schuldners

des Schuldners

Geschäftsführung

Lebensführung

unterliegt der Kontrolle des Sachwalters (ggf. anlassbezogen)

ist vom Sachwalter permanent zu prüfen

(2) Masseverwaltung 311 Nach dem Gesagten erstreckt sich die Kontrolle und Aufsicht des Sachwalters auf die gesamte Masseverwaltung durch den Schuldner. Dies stellt § 270 Abs. 1 S. 1 InsO klar. Die Norm hat insofern zweierlei Funktion: Einerseits regelt sie eine Abweichung von § 80 Abs. 1 InsO, so dass die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis beim Schuldner bleibt. Andererseits weist sie die Aufgabe der Aufsicht dem Sachwalter zu und bestimmt dabei zugleich den Bezugspunkt, also Gegenstand derselben. 312 Die Beziehung zwischen § 270 Abs. 1 S. 1 InsO einerseits und § 274 Abs. 2 InsO andererseits stellt sich insofern als Verhältnis von Generalklausel zu speziellen Regelungen dar. Mit der in letzterer Norm festgelegten Aufsicht über die Geschäftsführung und die Ausgaben für die Lebensführung sind daher spezielle Gegenstände der Kontrolle angesprochen. Diese Inhalte haben zunächst klarstellende Funktion, weil sie einen Ausschnitt dessen beschreiben, was ohnehin Inhalt der Generalklausel ist. 313 Darin erschöpft sich die Bedeutung des § 274 Abs. 2 InsO jedoch nicht. Dies wird offenbar, knüpft man in systematischer Hinsicht an § 58 InsO und die dort geregelte Aufsicht des Gerichtes über den Verwalter im Regelinsolvenz92

III. Der Sachwalter

verfahren an: Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung531) muss eine Kontrolle umso intensiver stattfinden, je mehr die Verwaltung dazu Anlass gibt. Das Gericht hat also nicht jede Entscheidung des Verwalters zu kontrollieren, sondern nur solche, bei denen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten vorliegen.532) Überträgt man diesen Gedanken auf die Verwaltung durch den Schuldner 314 selbst, lässt er sich ohne weiteres für § 270 Abs. 1 S. 1 InsO fruchtbar machen: Auch im Rahmen der Generalklausel muss der Sachwalter immer dann umso intensiver kontrollieren, je mehr er Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Handhabung durch den Schuldner hat. Das muss auch richtig sein, denn ein vollständiges Nachvollziehen einer jeden schuldnerischen Entscheidung würde letztlich die Eigenverwaltung überflüssig machen, weil der Sachwalter dann inhaltlich die Funktion eines Insolvenzverwalters übernehmen würde. Geht man von diesem Verständnis der Normen aus, regelt § 274 Abs. 2 InsO 315 ein Mehr an Intensität gegenüber der Anordnung in der Generalklausel: Soweit er „Überwachung“ verlangt, verdichtet er das Pflichtenprogramm des Sachwalters zur Ausübung von Kontrolle. Auf die Frage, in welchem Maße das der Fall ist, wird noch im Rahmen der folgenden Einzeldarstellung einzugehen sein. Beispiel: Verteilt der Schuldner gem. § 283 Abs. 2 S. 1 InsO die Masse an die Gläubiger – nachdem das Verteilungsverzeichnis vom Sachwalter gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO geprüft wurde –, so handelt es sich dabei nicht um eine Maßnahme der Geschäftsführung i. S. d. § 274 Abs. 2 InsO. Der Sachwalter muss die Verteilung daher nicht „überwachen“. Gleichwohl bezieht sich das schuldnerische Verhalten auf die Verwertung und damit Verwaltung der Masse. Es ist mithin die Generalklausel des § 270 Abs. 1 S. 1 InsO einschlägig. Danach muss der Sachwalter die Verteilung also nur dann kontrollieren – und verletzt nur dann durch fehlende Kontrolle eine haftungsbewehrte Pflicht –, wenn er zur Kontrolle einen Anlass hat. Für das Verhältnis zwischen (vorläufigem) Sachwalter und Schuldner bedeutet 316 dies im Geltungsbereich der Generalklausel praktisch gesehen Folgendes: x

Zu Beginn einer jeden Eigenverwaltung ist eine hohe Kontrollintensität unerlässlich. Dabei hat der Sachwalter zu ermitteln, inwieweit der Schuldner mit den ihn treffenden Aufgaben in der Insolvenz vertraut ist.

___________ 531) Grundlegend seinerzeit RGZ 154, 291, 296: es dürfe „die Verwaltung nicht und die Berufs- und Entschlußfreudigkeit des Verwalters nicht beeinträchtigt werden […]. Eine Prüfung […] wird daher im allgemeinen nur vorzunehmen sein, wenn hierzu ein besonderer Anlaß geboten ist.“ Daran bis heute festhaltend BGH BB 1966, 182; ZInsO 2010, 185, 186 m. w. N. 532) Graeber, MüKo-InsO, § 58 Rn. 15 ff.; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 58 Rn. 5 f.

93

C. Aufgaben und Kompetenzen

x

Zeigt sich dabei eine hohe Richtigkeitsquote bei der Handhabung durch den Schuldner, darf sich der Sachwalter im Folgenden zunehmend auf Stichproben beschränken. Dies kann je nach zuständigem Ansprechpartner beim Schuldner divergieren.

x

Zeigt der Schuldner von sich aus eine hohe Bereitschaft, Zweifelsfragen an den Sachwalter heranzutragen, kann auch dies Indiz für eine geringere Kontrolldichte im Übrigen sein.

x

Greift der Schuldner auf anerkannt fachkundige, externe Berater zurück oder ersetzt Organwalter durch Insolvenzexperten, so darf der Sachwalter seine Kontrollintensität hinsichtlich des jeweiligen Bereiches verringern und gegebenenfalls sogar von Anfang an auf Stichproben beschränken.533)

x

Je größer die Bedeutung der konkreten Maßnahme für das Verfahren, desto höher muss die korrespondierende Kontrolldichte sein.534) Praxistipp: Zeigen sich im Laufe des Verfahrens Anhaltspunkte dafür, dass es einer Aufhebung der (vorläufigen) Eigenverwaltung bedürfen wird, ist eine hohe Kontrollintensität nötig. Denn einerseits ist dann aus rechtlicher Sicht gewiss, dass der Sachwalter über die notwendigen Informationen verfügt, um seiner – haftungsbewehrten – Pflicht zur Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO nachkommen zu können. Soweit andererseits beabsichtigt ist, im Fortgang die Verwalterstellung im Regelverfahren gem. § 272 Abs. 3 InsO zu übernehmen, kann der Amtsinhaber dann praktisch auf bereits vorhandene Daten zurückgreifen.

317 Insgesamt dient die Kontrolle der Masseverwaltung durch den Sachwalter der rechtmäßigen Verfahrensabwicklung und damit die Wahrung der Gläubigerinteressen. Er hat also insbesondere darauf zu achten, dass kein rechtswidriger Vermögensabfluss oder eine Vermögensvernichtung beim Schuldner stattfindet.535) Er hat ferner durch Vergleich (dazu noch unten Rn. 330, 357 ff.) sicherzustellen, dass die Gläubiger nicht durch die Eigenverwaltung benachteiligt werden.536) Mithin dient seine Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung.537) Umgekehrt unterliegt die Masseverwaltung indes keiner Zweckmäßigkeitskontrolle des Sachwalters, soweit nicht die Einhaltung insolvenzspezifischer Rechtspflichten in Rede steht. ___________ 533) Kritisch dazu Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 15. 534) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 947. 535) Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 11; Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 13 f. 536) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 13 f. 537) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 71.

94

III. Der Sachwalter

(3) Geschäftsführung Den eben skizzierten Zweck der Sicherung der Gläubigerinteressen hat 318 auch die Kontrolle der Geschäftsführung des Schuldners durch den Sachwalter.538) Im Vergleich zur allgemeinen Masseverwaltung geht jedoch von der fortgesetzten Geschäftsführung durch den Schuldner eine besondere Gefahr aus: Schließlich war es die bisherige schuldnerische Führung des Unternehmens, welche die Insolvenz herbeigeführt hat. Daraus erklärt sich, warum die Überwachung der Geschäftsführung in § 274 319 Abs. 2 InsO speziell geregelt ist und damit intensiver zu sein hat, als die allgemeine Kontrolle im Rahmen der Generalklausel. Die Überwachung ist mithin – soweit eine Betriebsfortführung stattfindet – permanente Pflicht des Sachwalters.539) Zur Ausübung dieser Kontrolle ist eine genaue Kenntnis der wirtschaftlichen Lage des Schuldners unerlässlich (unten Rn. 365).540) Auch korrespondieren mit der Überwachungspflicht des Sachwalters Informationsverpflichtungen des Schuldners, ohne die eine wirksame Überwachung nicht stattfinden kann (unten Rn. 335 ff.). Die Kontrolle bezieht sich auf alle Handlungen des Schuldners, die Ge- 320 schäftsführung darstellen. Insbesondere die schuldnerische Handhabung der Kassenführung und damit der Liquidität besitzt in diesem Kontext eine große Bedeutung.541) Dabei hat der Sachwalter aber beispielweise auch zu kontrollieren, ob der Schuldner die folgenden Handlungen unter hinreichender Berücksichtigung der Gläubigerinteressen wahrnimmt: x

die Leistungsabgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderungen bei der Zahlung,

x

einen Ausschluss der Verrechnung auf Altforderungen bei VorkasseZahlungen für neue Leistungen,

x

den Widerruf von Lastschriften und die Kündigung von Daueraufträgen,

x

die Handhabung von Zessionen und allgemein der Umgang mit zedierten Forderungen,

x

die Dokumentation und Berücksichtigung von Eigentumsvorbehalten, sowie allgemein die Berücksichtigung von Fremdrechten.

Die Geschäftsführung unterliegt zwar einer stärkeren Kontrolle als die all- 321 gemeine Masseverwaltung; Gleichwohl kann die Aussage, sie müsse stets ___________ 538) Ebd. und Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 216. 539) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 274 Rn. 9; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 274 Rn. 71; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 214. 540) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 9; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 53. 541) Darauf maßgeblich abstellend z. B. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 51; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 6.

95

C. Aufgaben und Kompetenzen

nicht nur einer nachgelagerten Kontrolle, sondern auch einer ex-ante-Sicht des Sachwalters unterworfen sein,542) in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Denn dient die Überwachung dem Schutz von Gläubigerinteressen, muss insofern maßgeblich sein, wie stark diese durch die jeweilige Maßnahme beeinträchtigt werden können: Je stärker dies der Fall ist, desto eher muss die Maßnahme schon ex ante überprüft und ex post vollumfänglich kontrolliert werden.543) Dies zeigt sich beispielhaft wie folgt: x

Die Liquiditätsplanung des Schuldners für die Betriebsfortführung ist von so hoher Bedeutung, dass sie in jeder Lage des Verfahrens bereits ex ante vollständig zu überprüfen und ex post ihre Realisierung zu kontrollieren ist.

x

Allgemein hat die Kassenführung durch den Schuldner eine so große Bedeutung, dass auch sie eines mindestens wöchentlichen Abgleichs mit der Planung bedarf.

x

Einzelne Anschaffungen können für die Kontrollintensität unterschiedlich zu beurteilen sein: Bedeutsame Einkäufe können eine ex-anteBetrachtung erforderlich machen, für weniger bedeutsame reicht eine expost-Kontrolle und unter Umständen können lediglich Stichproben notwendig sein.

Beispiel: Ist der Schuldner ein großes Presseunternehmen, so unterliegt die Anschaffung einer neuen Druckerpresse schon wegen § 275 Abs. 1 S. 1 InsO einer ex-anteKontrolle. Für den laufenden Einkauf von Papier im Rahmen der mit dem Sachwalter besprochenen Geschäftsplanung zwecks Fertigung von Erzeugnissen wird eine ex-post-Kontrolle genügen. Den Einkauf von Büromaterial im normalen Geschäftsgang schließlich wird der Sachwalter lediglich noch stichprobenartig ex post zu kontrollieren haben, soweit er aus der Überwachung der Kassenführung keinen Anhaltspunkt für Fehlverhalten des Schuldners hat. 322 Dieses Modell hat im Übrigen auch der Gesetzgeber in einer Reihe von Einzelvorschriften zum Ausdruck gebracht, welche die in § 274 Abs. 2 InsO statuierte Überwachungspflicht „konkretisier[en] und flankier[en]“544). So sieht beispielsweise § 275 Abs. 1 S. 1 InsO für besonders gläubigergefährliche Maßnahmen des Schuldners einen Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters vor, während andere Maßnahmen jedenfalls ein Einvernehmen mit diesem (unten Rn. 481 ff.) voraussetzen, §§ 282 S. 2, 279 S. 2 InsO. Beides erfordert wegen der besonderen Gefahr eine unterschiedlich intensive ex-ante-Kontrolle und ___________ 542) Angedeutet wohl bei Flöther, ZInsO, 2014, 465, 467; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 215; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 71. 543) Zum Zusammenhang zwischen Gefahr und Kontrollintensität vgl. Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 15. 544) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 51.

96

III. Der Sachwalter

erlaubt damit den Umkehrschluss auf die allgemein nicht notwendig eine solche umfassende Überwachung. (4) Ausgaben für die Lebensführung Schließlich obliegt dem Sachwalter nach § 274 Abs. 2 InsO die Kontrolle der 323 Ausgaben des Schuldners für seine Lebensführung. Dieser Wortlaut ist enger zu verstehen, als es den Anschein haben mag. Denn wie oben dargestellt, hat der Sachwalter ausschließlich die Einhaltung der insolvenzspezifischen Pflichten des Schuldners zu kontrollieren. Soweit der Schuldner also aufgrund von Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG in der Entscheidung über seine Lebensführung frei ist, unterliegt er keiner Kontrolle. Daher muss dieser Kontrollgegenstand als systematisches Gegenstück zu 324 § 278 InsO verstanden werden.545) Nach dieser Norm darf der Schuldner aus der Masse dasjenige entnehmen, was er zu einer „bescheidenen Lebensführung“ benötigt (dazu im Einzelnen oben Rn. 152). Die Kontrolle nach § 274 Abs. 2 InsO bezieht sich also dem Wortlaut nach auf die Ausgaben, die der Schuldner infolge der Entnahme für seine Lebensführung tätigt und aufgrund des engen Sachzusammenhanges über den Wortlaut hinaus auch auf die Entnahme selbst. Der Sachwalter hat also zu überprüfen, ob insofern die rechtlichen Grenzen der bescheidenen Lebensführung, welche § 278 InsO dem Schuldner setzt, überschritten werden.546) Eine Zweckmäßigkeitsprüfung über den Bescheidenheitsmaßstab hinaus ob- 325 liegt dem Sachwalter nicht. Insofern dient die Norm vielmehr ausschließlich dazu, sicherzustellen, dass die Insolvenzmasse nicht durch Entnahmen für einen unangemessenen Lebensstil ausgehöhlt wird.547) Aus der speziellen Regelung in § 274 Abs. 2 InsO und dem Bezug zum das gesamte Verfahren übergreifenden Gebot der Massemehrung548) ergibt sich, dass auch die Kontrolle der Lebensführung des Schuldners grundsätzlich eine permanente sein muss. Je genauer aber die diesbezügliche Absprache zwischen Schuldner und Sach- 326 walter ist, desto geringer wird der faktische Kontrollaufwand sein; praktisch kann er letztlich auf die Einrichtung eines Dauerauftrages reduziert werden. Ohnehin ist diese Kontrolle insofern anlassbezogen, als dass ohne Entnahme nach § 278 InsO auch der Kontrollbedarf nicht ausgelöst wird. ___________ 545) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 54; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 74. 546) Ebd. und zudem die ihr Ergebnis nicht begründende allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 11; Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 15; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 274 Rn. 6; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 17. 547) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 74; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 7; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 54. 548) vgl. nur Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, § 80 Rn. 68.

97

C. Aufgaben und Kompetenzen

(5) Wirtschaftliche Lage 327 Als zu „prüfenden“ Gegenstand normiert § 274 Abs. 2 InsO schließlich die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Damit beschreibt die Norm die Ermittlung eines wichtigen Teils der Tatsachengrundlage, die für eine jede Entscheidung und Kontrolle des Sachwalters notwendig ist (oben Rn. 308). Daraus erklärt sich auch, warum die gesetzliche Formulierung einen denkbar weiten Wortlaut hat: Denn weil das Insolvenzverfahren insgesamt der Abwicklung oder Sanierung des Schuldners in einer wirtschaftlich prekären Lage dient, kann hierunter grundsätzlich jedes Element des wirtschaftlichen Zustandes des Schuldners fallen. 328 Das muss auch richtig sein. Denn soweit die Tatsachenermittlung als Grundlage der Aufsicht dient549) und die Aufsicht die gesamte schuldnerische Verwaltung erfasst, ist sie umfassend zu verstehen. Das zeigt sich neben der Generalklausel und dem in § 274 Abs. 2 InsO zutage tretenden Bezug zur Geschäftsführung auch in einer ganzen Reihe weiterer Einzelnormen.550) So regelt etwa § 281 Abs. 1 S. 2 InsO, dass der Sachwalter die vom Schuldner erstellten Verzeichnisse zu seiner wirtschaftlichen Lage (oben Rn. 198) zu prüfen und sich über sie zu erklären hat (unten Rn. 345 ff.). Die Verzeichnisse nach §§ 151 – 153 InsO sind also von der Ermittlung umfasst. Gleiches gilt insgesamt für die schuldnerische Rechnungslegung. Auch sind für Aufgaben des Sachwalters nach § 280 InsO all jene wirtschaftlichen Informationen relevant, die Anfechtungsrechte (Rn. 280 ff.) oder bestimmte Schadensersatzansprüche (Rn. 287 ff.) begründen.551) Praxistipp: Typischerweise treten Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen, Kontrolle und Aufsichtsmaßnahmen aus der wirtschaftlichen Lage zutage. Ohne eine umfassende Kenntnis derselben ist der Sachwalter also gegenüber der Realität blind. Sie im Detail zu kennen und daraus Folgerungen abzuleiten, hat daher für ihn Priorität.

329 Daher setzt sich der Ermittlungsgegenstand typischerweise, nicht aber notwendig abschließend, aus folgenden Teilen zusammen: x

Unterlagen wie beispielsweise Kontoauszüge, die über die aktuelle Liquidität und in Fortführungsfällen die Liquiditätsplanung Auskunft geben,

x

die Verzeichnisse gem. §§ 151 – 153 InsO,

x

(ggf. vorläufige) Jahresabschlüsse, auch aus den vergangenen Jahren,

___________ 549) Vgl. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 47; sowie Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 10; Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 4. 550) Darauf hinweisend auch K. Schmidt/Undritz, InsO, § 274 Rn. 9. 551) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 70; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270 Rn. 52.

98

III. Der Sachwalter

x

jährliche Summen- und Saldenlisten aus den vergangenen Jahren,

x

monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen und Summen- und Saldenlisten aus der Zeit unmittelbar vor und seit Eintritt der Insolvenz,

x

Bewertung des Anlage- und Umlagevermögens,

x

Inventur des Vorratsvermögens und

x

eine Auftragsentwicklung der letzten Monate.

Besondere Bedeutung hat die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage auch für die 330 Regelung des § 274 Abs. 3 S. 1 InsO. Danach hat der Sachwalter anzuzeigen, wenn er Umstände feststellt, die für Schuldner einen Nachteil der Eigenverwaltung gegenüber der Regelinsolvenz begründen (dazu noch unten Rn. 357 ff.). Diese Erkenntnis kann der Sachwalter nur gewinnen, wenn er die aktuelle wirtschaftliche Lage (Ist-Zustand) zu zwei hypothetischen, künftigen wirtschaftlichen Lagen fortentwickelt und diese gegenüberstellt: Einerseits diejenige, die bei weiterer Eigenverwaltung eintreten wird, andererseits diejenige, die sich bei Wechsel ins Regelinsolvenzverfahren realisieren würde. Eine solche Prognoseentscheidung kann ohne detaillierte Kenntnisse des Ist-Zustandes nicht getroffen werden. Praktisch ist ein Unterschied zwischen dem Kenntnisstand eines Sachwal- 331 ters zu dem eines Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren daher nicht auszumachen. Dies erklärt sich schon daraus, dass der Sachwalter „das einzige vor Ort tätige Kontrollorgan der Gläubiger“552) ist. Er ist im Vergleich lediglich insofern weniger belastet, als er von der eigenen Fertigung der fraglichen Verzeichnisse und Berichte, sowie der Rechnungslegung befreit ist.553) Aus dem Bedarf für eine durchgehende Wahrung der Gläubigergleichbehand- 332 lung und dem konsequenten – wenn auch nicht notwendig permanenten – Kontrollbedarf erklärt sich auch, warum die Prüfpflicht des Sachwalters hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage fortlaufend besteht.554) Zwar sinkt regelmäßig ihr faktischer Aufwand, nachdem die Anfangsdaten einmal ermittelt sind. Rechtlich muss aber in jeder Lage des Verfahrens sichergestellt werden, dass Gläubigerinteressen gewahrt bleiben. Insbesondere ist es daher auch erforderlich, Liquiditätsplanungen jeweils wöchentlich oder mindestens monatlich mit den real erwirtschafteten Daten abzugleichen.555) ___________ 552) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 50; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 15; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 73. 553) Ebd. 554) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 49 f.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 214; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 16; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 49; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 17. 555) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 215.

99

C. Aufgaben und Kompetenzen

cc) Maßnahmen der Kontrolle und Aufsicht (1) Informationsrechte 333 Soweit das Gesetz dem Sachwalter die Verpflichtung zu Kontrolle und Aufsicht zuweist, geht es zunächst von einem Idealfall aus: Nur der Sachwalter, der alle benötigten Informationen zur Hand hat, kann die notwendige Kontrolle ausüben und gegebenenfalls Aufsichtsmaßnahmen treffen.556) Kern einer jeden Kontrolle ist daher die Informationsbeschaffung, welche für die Sachwaltung in der Grundnorm des § 274 Abs. 2 S. 2 InsO geregelt ist. Diese ist im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren wie auch im Eröffnungsverfahren anwendbar. 334 Die Regelung enthält einen Verweis auf die allgemeine Vorschrift des § 22 Abs. 3 InsO. Sie erlegt einerseits dem Schuldner Pflichten auf, die diesen auch im Regelinsolvenzverfahren treffen. Damit korrespondierend gewährt sie andererseits dem Sachwalter eine Reihe von Befugnissen, welche sonst dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Regelverfahren zustehen. (a) Schuldnerische Pflichten 335 Über den Verweis auf § 97 InsO in § 22 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 InsO wird der Schuldner – bzw. seine Organe557) – zur Auskunft und Mitwirkung gegenüber dem Sachwalter verpflichtet: Er hat über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben,558) §§ 22 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 1 Var. 1, 97 Abs. 1 InsO. Hierzu zählt auch die Pflicht, externe (beispielsweise bei einem Steuerberater befindliche) Unterlagen zu beschaffen.559) Die Auskunft ist nicht abhängig von einer Nachfrage des Sachwalters, so dass der Schuldner von sich aus alle entsprechenden Umstände offenlegen muss.560) 336 Neben der Auskunftsverpflichtung steht die Mitwirkungsverpflichtung gem. §§ 22 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 1 Var. 2, 97 Abs. 2 InsO. Danach hat der Schuldner den Sachwalter zu unterstützen, was allgemein beispielsweise durch die Ermöglichung von Zugang zu Geschäftsräumen und Unterlagen geschieht.561) Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen hat er sich stets bereit zu halten, vgl. § 97 Abs. 3 InsO. 337 Diese Pflichten haben in der Eigenverwaltung besondere Bedeutung. Denn hier ist der Sachwalter auf Unterrichtung und Mitwirkung durch den Schuldner angewiesen. Man hat daher die in §§ 22 Abs. 3 S. 2, 3, 97 InsO geregelten Pflichten im systematischen Kontext der Aufsicht und Kontrolle ___________ 556) 557) 558) 559) 560) 561)

100

Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 73. Vgl. §§ 22 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2, 101 InsO. Im Einzelnen Uhlenbruck/ders., InsO, § 97 Rn. 7 m. w. N. Kreft/Kayser, HK-InsO, § 97 Rn. 21 m. w. N. BGH ZInsO 2010, 477 Leitsatz 1; Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 97 Rn. 7. Kreft/Kayser, HK-InsO, § 97 Rn. 26.

III. Der Sachwalter

durch den Sachwalter zu verstehen. So ist der Schuldner beispielsweise verpflichtet, den Sachwalter unverzüglich zu unterrichten, soweit er von einer gemeinsam durchgesprochenen Planung der Betriebsfortführung abweicht oder Sonderausgaben tätigt. Ebenso hat er dem Sachwalter aktuelle Unterlagen absprachegemäß vorzulegen.562) Denn nur so kann dieser seiner Verpflichtung zur Überwachung der Geschäftsführung gem. § 274 Abs. 2 InsO nachkommen. Dies ergibt sich auch daraus, dass einzelne Normen den Schuldner verpflichten, 338 im Regelfall („soll“) im Einvernehmen (§§ 279 S. 2, 282 S. 2 InsO, unten Rn. 481 ff.) mit dem Sachwalter handeln oder eine Zustimmung (§ 275 Abs. 1 S. 1 InsO, unten Rn. 426 ff.) des Sachwalters einzuholen. In diesem Kontext ist er dann mindestens gem. § 97 InsO auch zur Information und Mitwirkung verpflichtet. Gleiches gilt aber auch allgemein für das Zurverfügungstellen von Unterlagen, welche der Sachwalter für die Prüfung der wirtschaftlichen Lage (oben Rn. 327 ff.) oder bestimmter Verzeichnisse benötigt (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 283 Abs. 2 S. 2 InsO). (b) Rechte des Sachwalters Über den Verweis des § 274 Abs. 2 S. 2 InsO tritt der Sachwalter an die Stelle 339 des vorläufigen Verwalters. Er ist also anspruchsberechtigt, um die Einhaltung der genannten Pflichten des Schuldners zu verlangen.563) Ihm gegenüber ist der Schuldner daher zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet. Doch auch darüber hinaus stehen ihm eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die zur Kontrolle des Schuldners notwendigen Informationen zu verschaffen: x

Der Sachwalter ist zum Betreten der Geschäftsräume des Schuldners (nicht aber der Privaträume, soweit der Schuldner dort seinen Betrieb nicht zumindest teilweise ausübt564)) befugt, § 22 Abs. 3 S. 1 InsO.

x

In besagten Räumen darf er Nachforschungen anstellen, also aufgrund des weiten Wortlautes Räume und Gegenstände durchsuchen,565) sowie auch das Ergebnis dokumentieren, § 22 Abs. 3 S. 1 InsO.

x

Der Sachwalter kann Einsicht in alle Bücher und Geschäftspapiere nehmen, welche den Betrieb des Schuldners betreffen, § 22 Abs. 3 S. 2 InsO.

Kommt der Schuldner seinen insofern bestehenden Handlungs- und Dul- 340 dungspflichten nicht nach, so kommen grundsätzlich die über § 22 Abs. 3 Halbsatz 2 InsO eröffneten Zwangsmittel des § 98 InsO in Frage. Im Rahmen dessen kann der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hin___________ 562) 563) 564) 565)

Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 74. Statt aller Uhlenbruck/ders., InsO, § 97 Rn. 4. Graf-Schlicker/Voß, InsO, § 22 Rn. 24; Kreft/Kirchhof, HK-InsO, § 22 Rn. 67. Kreft/Kirchhof, HK-InsO, § 22 Rn. 69 m. w. N.

101

C. Aufgaben und Kompetenzen

sichtlich der Richtigkeit seiner Angaben verpflichtet werden, ebenso kommt eine Zwangsvorführung in Frage.566) 341 Diese Möglichkeiten spielen indes praktisch keine Rolle. Denn soweit der Schuldner seine Verpflichtungen in der Eigenverwaltung nicht einhält und dem Sachwalter somit die notwendige Kontrolle nicht ermöglicht, bedingt schon dieser Kontrollverlust einen Nachteil für die Gläubiger gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren (unten Rn. 360 f.). Es liegt damit ein Fall vor, in welchem der Sachwalter den Nachteil gem. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO anzuzeigen hat, so dass letztlich die Selbstverwaltung aufgehoben wird,567) bevor es der Zwangsmittelanwendung bedarf. 342 Gleiches gilt auch in Fällen, in denen der Schuldner entgegen §§ 275 Abs. 1 S. 1, 279 S. 2, 282 S. 2 InsO eine Zustimmung nicht einholt oder nicht im Einvernehmen (zum Inhalt dieser Verpflichtung vgl. unten Rn. 481 ff.) handelt. Denn diese Normen statuieren keine rein „fakultative Mitwirkung“,568) sondern stellen für den Schuldner echte Rechtspflichten auf: Mit einer „soll“Vorschrift bringt der Gesetzgeber zwar keine gebundene Pflicht zur Mitwirkung zum Ausdruck, wohl aber, dass der Schuldner den Sachwalter im Regelfall einbeziehen muss, es nur im Ausnahmefall nicht muss (zu dieser Regelungstechnik vgl. oben Rn. 29).569) Ausnahmefälle können sein, wenn etwa besondere Eilbedürftigkeit vorliegt oder Erkrankungen eine Einbeziehung im konkreten Moment des Handelns ausschließen. Wirkt der Schuldner außerhalb solcher Fälle nicht mit dem Sachwalter zusammen, verstößt er gegen die §§ 275 Abs. 1 S. 1, 279 S. 2, 282 S. 2 InsO und bedingt durch den damit verbundenen Kontrollverlust einen Nachteil für die Gläubiger.570) 343 Die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Sanktion durch den Sachwalter und das Gericht sind abschließend geregelt. Denn da Pflichten des Schuldners und Zwangsmittel gegen den Schuldner jeweils mit einer Beeinträchtigung der Grundrechte desselben einhergehen, bedürfte jede weitere Maßnahme aufgrund der Gesetzesvorbehalte in den Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Aus diesem Grund ist zum Beispiel die Regelung über die Postsperre gem. § 99 InsO nicht anwendbar, weil sie vom Verweis in §§ 274 Abs. 2 S. 2, 22 Abs. 3 S. 3 InsO nicht erfasst ist.571)

___________ 566) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 76. 567) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 9; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 10; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 76; Piepenburg/Minuth, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 28; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 57. 568) So aber Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 77. 569) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 14 m. w. N. 570) So präzise Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 961. 571) Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 20; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 57.

102

III. Der Sachwalter

(2) Kein allgemeines Weisungsrecht Mag auch der Sachwalter über den Schuldner Aufsicht ausüben, so hat er ge- 344 genüber diesem kein allgemeines Weisungsrecht.572) Dass diese Überlegung richtig sein muss, zeigt folgender Gedanke: Die Befugnis des Schuldners zur Masseverwaltung folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG, seine Berechtigung zur Geschäftsführung aus Art. 12 Abs. 1 GG. Beide Grundrechte können nur durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden. Einschränkungsmöglichkeiten zugunsten des Sachwalters bestehen aber in den §§ 270 ff. InsO nur punktuell. Eine aus Sicht der Grundrechte notwendige allgemeine Weisungsbefugnis ist nicht geregelt, also besteht sie nicht. (3) Prüfung von Verzeichnissen und Schlussrechnung (a) Allgemeines Die Erstellung der Verzeichnisse nach den §§ 151 ff. InsO (oben Rn. 198) ob- 345 liegt dem Schuldner ebenso wie die Aufstellung des Verteilungsverzeichnisses (oben Rn. 148). Gleiches gilt für die Schlussrechnung gem. § 66 Abs. 1 InsO. Das passt zum gesetzlichen Leitbild, nach dem die Verwaltung der Masse dem Schuldner obliegt. Gleichwohl sind die Verzeichnisse und die Schlussrechnung für die Gläubiger von großer Bedeutung: Denn auf Grundlage der durch die Verzeichnisse nach §§ 151 ff. InsO dokumentierten wirtschaftlichen Lage treffen sie im Berichtstermin Entscheidungen und gemäß des Verteilungsverzeichnisses wird schließlich die Masse an sie verteilt. Es liegt daher nahe, zum Gläubigerschutz dem Sachwalter die Prüfung und Erklärung über diese aufzuerlegen, wie es die §§ 281 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 InsO tun.573) Sind danach die beiden Vorschriften in ihrem Zweck identisch und entspre- 346 chen sie im Wortlaut nahezu vollständig einander, ist davon auszugehen, dass sie für den Sachwalter identische Pflichten statuieren. Danach hat er die Verzeichnisse und die Schlussrechnung zu „prüfen“. (Zur „Prüfung“ des Verteilungsverzeichnisses gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO vgl. schon oben Rn. 244 ff. Die dort geregelte Prüfpflicht ist anders zu beurteilen als jene des § 281 InsO, weil dem Sachwalter die Insolvenztabelle als objektive Grundlage des Verteilungsverzeichnisses ebenso vorliegt wie das Verzeichnis selbst.) (b) Maßstab der Prüfung Der Inhalt dieser Prüfverpflichtung muss aus dem systematischen Kontext 347 ermittelt werden.574) Die Kontrolle der Verzeichnisse und Rechnungen des ___________ 572) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 72; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 51. 573) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 281 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 281 Rn. 1 und § 283 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 1 und § 283 Rn. 2. 574) Darauf hinweisend, wenn auch mit anderem Verständnis als hier, Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 15.

103

C. Aufgaben und Kompetenzen

Schuldners durch den Sachwalter steht im Kontext von Entscheidungen der Gläubiger. Die Prüfung durch den Sachwalter dient also dazu, die inhaltliche und rechnerische Richtigkeit zu bescheinigen, so dass sich die Gläubiger auf selbige verlassen können. Sie soll also das Schutzniveau herstellen, dass die Gläubiger im Regelverfahren dadurch erlangen, dass der neutrale Verwalter die Aufstellung der Verzeichnisse und Berechnungen selbst vornimmt. 348 Der Sachwalter hat also zu prüfen, ob die in den Verzeichnissen nach §§ 151 ff. InsO enthaltenen Gegenstände, Forderungen und Gläubiger zutreffend und vollständig erfasst sind.575) Zweifelsfälle darf er mithilfe eines Gutachters auf Kosten der Masse klären.576) Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wann Zweifelsfälle vorliegen. Dies ist von immenser Bedeutung, weil praktisch für den Wertansatz ein großer Beurteilungsspielraum besteht. Es ist also rechtlich sowohl vorstellbar, dass der Sachwalter die schuldnerischen Berechnungen auf Vollständigkeit, Plausibilität und Schlüssigkeit prüft577) wie auch, dass er darüber hinaus jede einzelne von ihnen bis ins Detail der Wertermittlung selbst nachvollzieht.578) 349 Dabei spricht viel dafür, dass Letzteres nicht gefordert sein kann. Denn praktisch würde ein neues Ermitteln aller Wertansätze durch Gutachter erhebliche Kosten für die Masse bedeuten, was zu vermeiden ist. Rechtlich würde dann der Sachwalter durch das vollständige Nachvollziehen aller Schritte die Handlungen des Schuldners gänzlich ersetzen. Das würde eine vollständige Verdoppelung von Ermittlungs- und Berechnungsaufgaben im Verfahren bedeuten und nicht mehr dem gesetzlichen Leitbild entsprechen, nach dem der Schuldner zu berechnen und der Sachwalter zu „prüfen“ hat. Es würde sich dann auch die Frage stellen, warum nicht gleich der Sachwalter die Rechnungen zu erstellen habe. 350 Angesichts dessen kann der Sachwalter nur zu prüfen haben, ob die schuldnerischen Berechnungen vollständig, schlüssig und nachvollziehbar begründet sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass bei einer jeden Verwertung mehr oder weniger erzielt werden kann, als angesetzt: Die „eine richtige Bilanz“ gibt es angesichts einer bloßen Verwertungsprognose weder, noch kann es sie geben. Erst dann also, wenn angesichts dieses hier aufgezeigten Maßstabes Mängel vorliegen, hat der Sachwalter entsprechende Streitfälle detailliert nachzuvollziehen. ___________ 575) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 11; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 16; Uhlenbruck/ders., InsO, § 281 Rn. 3. 576) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 11; Uhlenbruck/ders., InsO, § 281 Rn. 3; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 18. 577) Ähnlich wohl Uhlenbruck/ders., InsO, § 281 Rn. 3, der lediglich Stichproben für geboten hält. 578) In letzterem Sinne wohl z. B. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 1; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 31.

104

III. Der Sachwalter

Rechtlich gesehen wird der Sachwalter also in diesen Fällen dadurch entlastet, 351 dass er die Verzeichnisse und Rechnung nicht selbst erstellen muss und nur in Zweifelsfragen bis in Details des Wertansatzes nachzuvollziehen hat. Angesichts der aber auch mit ihrer Plausibilitäts- und Schlüssigkeitsprüfung verbundenen Anforderungen an die Kenntnisse des Sachwalters ist damit jedoch kaum eine praktische Entlastung verbunden.579) (c) Schriftliche Erklärung In der Folge hat der Sachwalter einen schriftlichen Prüfbericht zu erstellen 352 und den Gläubigern vorzulegen. Im Prüfbericht ist darauf einzugehen, ob Einwendungen zu erheben sind. Damit ist die Darstellung gemeint, inwieweit die vom Schuldner erstellten Verzeichnisse richtig sind oder welche Fehler dieser bei der Erstellung gemacht hat (zu diesem Verständnis des Begriffs vgl. schon oben Rn. 245). Eine weitergehende Bedeutung, etwa als Einwendung gem. § 194 InsO, hat der Bericht nicht (ebenfalls oben Rn. 247). Praxistipp: Es zeichnet vor allem in den Augen der Gläubiger eine funktionierende Eigenverwaltung aus, wenn derartige Prüfberichte keine Fehler ausweisen. Der Sachwalter sollte daher durch vorige Kommunikation mit dem Schuldner darauf hinwirken, dass dieser etwaige Beanstandungen bereits im Vorfeld korrigiert, so dass die schließlich niedergelegten Verzeichnisse und die Schlussrechnung fehlerfrei sind.580)

Die Prüfberichte des Sachwalters sind an das Gericht zu übergeben und wer- 353 den dann durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle veröffentlicht.581) Auf diese Weise können alle Verfahrensbeteiligten in sie Einsicht nehmen und ihre Entscheidungen auf sie abstimmen. (d) Eidesstattliche Versicherung durch Schuldner Bestehen hinsichtlich der Vermögensübersicht gem. § 153 InsO Zweifel, so 354 ist der Sachwalter befugt, das Recht gem. § 153 Abs. 2 InsO geltend zu machen. Danach kann (neben einem Schuldner) auch der Verwalter beantragen, dass das Gericht dem Schuldner aufgibt, die Richtigkeit der Übersicht durch eidesstattliche Versicherung zu bekräftigen.582)

___________ 579) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 15, der jedoch von einer höheren als der hier vertretenen Kontrollintensität ausgeht. 580) So auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 996; Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 59. 581) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 17 und § 283 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 19 – jew. m. w. N. 582) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 281 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 11; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 15; Uhlenbruck/ders., InsO, § 281 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 16.

105

C. Aufgaben und Kompetenzen

355 Dieser Möglichkeit ist vereinzelt entgegengehalten worden, es fehle insofern an einer gesetzlichen Grundlage für den Sachwalter.583) Das überzeugt aber nicht. Aufgrund des allgemeinen Verweises in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO sind die allgemeinen Vorschriften anwendbar, also auch § 153 Abs. 2 InsO. Soll die Norm gerade den Schuldner zu wahrheitsgemäßer Auskunft anhalten, wird man aufgrund der Verweisung unter den Verwalter i. S. d. Norm auch den Sachwalter zu subsumieren haben.584) Denn andernfalls könnte ausgerechnet das sachnächste Kontrollorgan, anders als im Regelinsolvenzverfahren mit geringerem Kontrollbedarf, keinen Antrag stellen.585) (4) Anzeige von Nachteilen für die Gläubiger 356 Rechtlich gesehen stellt die in jeder Verfahrenslage greifende Regelung in § 274 Abs. 3 InsO nur eine weitere Unterrichtungspflicht des Sachwalters gegenüber dem Gericht und den Gläubigern (dazu noch unten Rn. 372 ff.) dar. Praktisch indes ist sie das schärfste Schwert,586) das dem Sachwalter an Aufsichtsmaßnahmen zur Verfügung steht. Denn danach hat er unverzüglich anzuzeigen, wenn er Umstände feststellt, die erwarten lassen, dass die Fortführung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Dies bereitet praktisch mindestens eine Anordnung von Beschränkungen gem. § 277 InsO, wenn nicht sogar die Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO vor. (a) Der Begriff des Nachteils 357 Die Anzeigepflicht des Sachwalters ist an Umstände geknüpft, die einen Nachteil für die Gläubiger erwarten lassen. Damit fragt sich, was einen solchen Nachteil darstellt: Insofern liegt es zunächst nahe, an § 1 InsO anzuknüpfen. Dient danach das Verfahren insgesamt der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, mag man einen Nachteil annehmen, wenn die Quote der Gläubiger gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren abzufallen droht.587) 358 Dies ist zwar grundsätzlich nicht verkehrt, aber sowohl praktisch als auch rechtlich zu kurz gegriffen: Praktisch stellt sich die Schwierigkeit, dass eine Quotenminderung insbesondere bei der in der Eigenverwaltung regelmäßig stattfindenden Betriebsfortführung nicht in jeder Verfahrenslage klar bestimmbar ist. Rechtlich berücksichtigt die Überlegung nicht hinreichend, dass gerade das Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270b InsO selten auf Liquidierung gerichtet ist, sondern über den Insolvenzplan vielmehr eine Sanierung des Schuldners vorsieht. ___________ 583) 584) 585) 586) 587)

106

Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 7. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 15; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1044. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 16. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 73. Leonhardt/Smid/Zeuner/Wehdeking, InsO, § 274 Rn. 7.

III. Der Sachwalter

Deswegen liegt es angesichts des Wortlautes näher, an die grundsätzliche 359 Unterscheidung zwischen Regel- und Eigenverwaltungsverfahren anzuknüpfen: Wie gezeigt, behält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, während der Sachwalter vornehmlich Aufsichtsfunktion hat. Beide zusammen ergeben daher das Bild des Insolvenzverwalters, der im Regelinsolvenzverfahren tätig wird und die Gläubigerinteressen verwirklicht (oben Rn. 136 f.). Dieses Schutzniveau für die Gläubiger darf durch die Eigenverwaltung nicht unterschritten werden. Vor diesem Hintergrund liegt ein Nachteil dann vor, wenn durch Handlun- 360 gen des Schuldners oder das konkrete Zusammenspiel zwischen ihm und dem Sachwalter die Gesamtabwicklung des Verfahrens ein geringeres Schutzniveau für die Gläubiger bietet, als dies im Regelverfahren der Fall wäre. Mit anderen Worten begründet einen Nachteil, was aus Gläubigersicht der Beibehaltung des aktuellen Standes der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners entgegensteht.588) Ein so verstandener Nachteilsbegriff ist nicht rein quotenbasiert – wird aber 361 bei feststellbarer Quotenminderung auch erfüllt (unten Rn. 364) –, sondern auch für das Kompetenzgefüge zwischen Sachwalter und Schuldner geöffnet: Verletzt der Schuldner beispielsweise seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten und hindert dadurch den Sachwalter an wirksamer Kontrolle, ist ein dem Regelinsolvenzverfahren vergleichbares Schutzniveau nicht mehr gewährleistet und es liegt ein Nachteil vor.589) Damit und aus dem Plural-Wortlaut erklärt sich zugleich auch, dass der Nach- 362 teilsbegriff nicht an individuelle Gläubiger, sondern das Schutzniveau für die Gläubigergesamtheit anknüpft. Das muss auch richtig sein, weil sonst in Fällen der Betriebsfortführung eine Nachteilsanzeige praktisch immer erforderlich wäre. Denn regelmäßig werden in der Fortführung die Rechte von beispielsweise Vorbehaltseigentümern oder Vermieter beeinträchtigt. Beispiel: Im Liquidationsszenario könnte der Vorbehaltseigentümer seine Sache in der Insolvenz des Kunden gem. § 47 InsO ausgesondert erhalten. In der Eigenverwaltung wird sie indes im Rahmen der Betriebsfortführung veräußert, um neue Forderungen zu generieren. Dies bedingt keinen Nachteil für „die Gläubiger“, soweit insgesamt das Schutzniveau gewahrt bleibt.

___________ 588) So auch Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 12; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 62. 589) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 13; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 20; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 9; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 59.

107

C. Aufgaben und Kompetenzen

(b) Fallgruppen für Umstände 363 Aus der Klärung des Nachteilsbegriffs ergibt sich zwanglos, wann Umstände im Sinne der Norm vorliegen. Solche, die das Gläubigerschutzniveau senken, stellen einen Nachteil dar (vgl. aber noch unten Rn. 367 ff.). Hierfür haben sich in der Literatur einschlägige Fallgruppen herausgebildet:590) x

fehlende oder unsachgemäße Buchführung durch den Schuldner (oben Rn. 197 f.),

x

zu hohe Mittelentnahme des Schuldners für die Lebensführung gem. § 278 InsO (oben Rn. 151 ff.),

x

Masseverwaltung oder Geschäftsführung, die nicht hinreichend auf die Gläubigerinteressen Rücksicht nimmt (oben Rn. 143, 157),

x

Nichterfüllung der Mitwirkungs- und Informationspflichten des Schuldners (oben Rn. 335 ff.),

x

Nichtherstellung von Einvernehmen oder Nichteinholung einer Zustimmung gem. §§ 275 Abs. 1 S. 1, 279 S. 2, 282 S. 2 InsO (unten Rn. 481 ff., 426 ff.)

x

allgemein unkooperative Abwicklung des Verfahrens,

x

Veränderung der externen wirtschaftlichen Gegebenheiten, welche ein Fortführung als nicht mehr geboten erscheinen lassen,

x

Verzögerungen durch Handlungen des Schuldners, welche die Befriedigung oder Sanierung beeinträchtigen.

364 Als Unterfall der Masseverwaltung und Geschäftsführung, die Gläubigerinteressen nicht hinreichend wahrt, hat die Quotenminderung Bedeutung. Denkbar ist nämlich, dass die Eigenverwaltung insgesamt – und sei es auch lediglich durch eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen591) – die Gläubiger wirtschaftlich schlechter stellt, als sie in der Regelabwicklung stünden. Insofern kann eine solche Betriebsfortführung dann rechtswidrig sein (dazu schon oben Rn. 157). 365 Ob dies der Fall ist, kann der Sachwalter nur durch genau Kenntnis der wirtschaftlichen Lage (oben Rn. 330) ermitteln. Er muss also die aktuelle Lage (Ist-Zustand) in einer Prognoseentscheidung zu zwei hypothetischen, künftigen wirtschaftlichen Lagen fortentwickeln und diese gegenüberstellen: Einerseits diejenige, die bei weiterer Eigenverwaltung eintreten wird, anderer___________ 590) Beispiele bei Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 83; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 274 Rn. 13; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 20; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 9; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 59. 591) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 13.

108

III. Der Sachwalter

seits diejenige, die sich bei Wechsel ins Regelinsolvenzverfahren realisieren würde. Es versteht sich von selbst, dass die Pflicht des Sachwalters insofern lediglich 366 zu einer Beurteilung aus ex-ante-Sicht bestehen kann. Erweist sich die Prognose ex post als falsch, begründet dies nicht notwendig eine Pflichtverletzung: Dies ist nur dann der Fall, wenn der Sachwalter bei der Prognose außer Acht gelassen hat, was ein besonnener Sachwalter in der konkreten Situation berücksichtigt hätte. Vom Schuldner verheimlichte Umstände hat der Sachwalter nicht zu ermitteln, wenn sich ihm dafür keine Anhaltspunkte ergeben. Ist die Beurteilungsgrundlage wegen schlechter Buchführung durch den Schuldner bis Antragstellung dürftig, muss der Sachwalter gleichwohl auf Grundlage dieser entscheiden. Beispiel: Führt der Schuldner den Betrieb fort und ist dies angesichts der dem Sachwalter vorliegenden Daten sinnvoll, handelt dieser nicht pflichtwidrig, wenn er eine Nachteilsanzeige unterlässt. Denn die Ermöglichung einer Sanierung, welche trotz ggf. kurzfristiger Verkürzung der Masse bei Betriebsfortführung die Gläubigergesamtheit im Verhältnis zur Abwicklung im Regelverfahren besser stellt, ist gerade Sinn der Eigenverwaltung. Die Pflichtgemäßheit entfällt auch nicht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Schuldner umfangreiche Verbindlichkeiten verschwiegen hatte, die eine Sanierung ausschließen und der Sachwalter für diese in den Unterlagen des Schuldners auch keine Anhaltspunkte finden konnte. (c) Beziehung zwischen Umstand und Nachteil Liegt ein Umstand im vorgenannten Sinne bevor, besteht aktuell ein Nach- 367 teil. Gleichwohl ergibt sich daraus nicht zwingend, dass der Sachwalter zur Anzeige verpflichtet ist.592) Denn schon dem Wortlaut nach stellt die Norm nicht auf einen aktuell bestehenden Nachteil ab. Sie fragt vielmehr ausdrücklich danach, ob ein Nachteil künftig zu „erwarten“ sei, die „Fortsetzung“ der Eigenverwaltung also zu einem solchen „führen wird“593). Maßgeblich ist danach nicht ein bereits eingetretener, sondern ein zu erwartender Nachteil.594) Das muss auch richtig sein. Denn die Norm steht im Kontext von sich an- 368 schließenden Maßnahmen, mit welchen die schuldnerische Einwirkung auf die Masse durch Anordnung geschmälert (§ 277 InsO) oder durch Aufhebung der Eigenverwaltung verhindert (§ 272 InsO) wird. Diese haben präventive Funktion. Dient die Anzeigepflicht dazu, diese Entscheidung der ___________ 592) Vgl. Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 17 und Uhlenbruck/ ders., InsO, § 274 Rn. 21. 593) Hervorhebung von Verf. 594) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 17.

109

C. Aufgaben und Kompetenzen

Gläubiger über solche Maßnahmen zu ermöglichen (oben Rn. 356), so hat auch sie präventive Funktion.595) Diese erfüllt sie aber nur, wenn sie bereits im Vorfeld eines Nachteils ausgelöst wird. 369 Aufgrund des Wortlautes und ihres Zweckes verlangt die Norm also vom Sachwalter, zu prognostizieren, ob angesichts der aktuellen Sachlage in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Nachteil eintreten wird.596) Dies bemisst ex ante aus der Sicht eines besonnenen Sachwalters. Nur dies stellt den Haftungsmaßstab dar und auch nur, wenn danach ein Nachteil zu erwarten ist, verpflichtet die Norm den Sachwalter zur Anzeige. 370 Dieser Umstand hat erhebliche praktische Bedeutung: Denn gerade im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren ist der Schuldner mit seinen insolvenzrechtlichen Pflichten oft noch nicht hinreichend vertraut und macht Fehler. Jeden dieser Fehler zum Anlass für eine Anzeige zu nehmen, hieße, das Verfahren mit hohen Kosten und ebensolchem Aufwand zu überfordern. Praktisch wird außerdem die Eigenverwaltung nach einer Nachteilsanzeige kaum mehr fortzusetzen sein. 371 Stattdessen muss der Sachwalter prüfen, ob der ggf. bereits eingetretene Fehler auch weitere, zukünftige erwarten lässt. Besondere Bedeutung besitzt hierbei die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen künftigen Nachteilseintritt. Je bedeutsamer der mögliche Nachteil, desto geringere Anforderungen werden an den Grad der Wahrscheinlichkeit zu stellen sein. Bei der Beurteilung kann auch berücksichtigt werden, dass Gefahren auf andere Weise abgewendet werden können.597) So steht dem Sachwalter selbst etwa im Bereich der Liquidität mit der Übernahme der Kassenführung nach § 275 Abs. 2 InsO (unten Rn. 388 ff.) ein Mittel zur Verfügung, künftig diesbezügliche Fehler auszuschließen. Insbesondere eine auf Verhaltensänderung hinwirkende Beratung des Schuldners (unten Rn. 487 ff.) ist praktisch oft geeignet, die Prognose zugunsten der Gläubiger ausschlagen zu lassen und damit eine Anzeigepflicht abzuwenden. Beispiel: Hat der Schuldner seine Informationspflichten geringfügig verletzt und ist nach Ansprache gewillt, sie fortan ordnungsgemäß zu erfüllen, wird kein künftiger Nachteil zu erwarten sein. Ebenso, wenn Buchführungsmängel aus der Zeit bis zur Eigenverwaltung oder auch Mängel in der Folgezeit vorliegen, welche der ___________ 595) Überwiegend wird die Norm indes als Berichtspflicht über „Unregelmäßigkeiten bei der Eigenverwaltung“ verstanden, vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 79 m. w. N.; ders., in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 7. Dies wird aber dem dargestellten Wortlaut und Zweck nicht gerecht. 596) Ähnlich Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 17; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 912; zutreffend redet auch Flöther, ZInsO 2014, 465, 467 von „Gefahr der Gläubigerbenachteiligung“ (Hervorhebung von Verf.). 597) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 924.

110

III. Der Sachwalter

Schuldner zu korrigieren in der Lage und nach Ansprache auch bereit ist. Liegt indes eine schwerwiegende Verletzung von Mitwirkungspflichten vor, welche auf grundlegend fehlende Bereitschaft zur pflichtgemäßen Handlung schließen lässt, ist ein künftiger Nachteil zu erwarten. Ebenso werden sonstige schwer wiegende Verletzungen von schuldnerischen Pflichten in der Regel einen künftigen Nachteil indizieren und damit die Anzeigepflicht auslösen. Praxistipp: Praktisch liegt eine besondere Bedeutung der Nachteilsanzeige darin, dass sie dem Sachwalter ein Druckmittel gegen den Schuldner an die Hand gibt.598) Gibt der Sachwalter diesem gegenüber an, dass nach seiner Auffassung ein bestimmtes Verhalten zu einem Nachteil führen würde und er dies anzeigen müsse, wird der Schuldner häufig gewillt sein, das Verhalten zu ändern. Insofern ersetzt die Nachteilsanzeige in Maßen die fehlende Weisungsbefugnis (oben Rn. 344).

(d) Erfüllung der Anzeigepflicht Ist der Sachwalter nach dem Gesagten zur Anzeige verpflichtet, hat er dieser 372 Pflicht unverzüglich – also gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern599) – nachzukommen. Eine besondere Form sieht die Norm nicht vor. Es empfiehlt sich aber aus praktischen Gründen und wegen der Beweisbarkeit eine schriftliche Anzeige; in besonderen Eilfällen kann sich aber auch eine vorherige fernmündliche Anzeige anbieten.600) Ein Ermessen, ob der (vorläufige) Sachwalter anzeigt oder stattdessen auf 373 den Schuldner einwirkt, besteht für den Sachwalter angesichts des klaren Wortlautes nicht; es obliegt den Gläubigern, autonom über den Umgang mit der Anzeige und damit über weitere Maßnahmen zu entscheiden.601) Nach dem hiesigen Verständnis kann aber bei einer Einwirkung auf den Schuldner oder der Übernahme der Kassenführung bereits das Erwarten-Lassen eines Nachteils (oben Rn. 371) – und damit schon die Anzeigepflicht – entfallen. Ob dies so ist, kann nur im Einzelfall geklärt werden. Der Sachwalter hat also 374 schon im Rahmen seiner Prognose zu ermitteln, ob eine Ansprache, Beratung (unten Rn. 487 ff.) oder sonstige Maßnahme, die er schnell und wirksam treffen kann, ausreicht, um künftige Fehler zu verhindern. Ist die Sachlage insofern unklar oder der Schuldner nicht kooperativ, empfiehlt es sich angesichts der Bedeutung der Gläubigerinteressen für das Verfahren, sowie schon aus Haftungsvermeidungsgründen, die Anzeige im Zweifel vorzunehmen. ___________ 598) Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 66. 599) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 82; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 60. 600) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 65. 601) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 13; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 911; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 60.

111

C. Aufgaben und Kompetenzen

Insofern können dann die Gläubiger entscheiden, ob sie die dort benannten Umstände zur Grundlage von Maßnahmen machen wollen. Praxistipp: Leichtfertig sollte der (vorläufige) Sachwalter die Anzeige gleichwohl nicht einsetzen. Im Detail kann es nämlich schwierig sein, zu beurteilen, ob eine Nachteilsanzeige geboten ist. In diesen Fällen sind die Auswirkungen drastisch: Erfolgt eine Nachteilsanzeige, wird dadurch die Eigenverwaltung praktisch regelmäßig beendet. Der Schuldner wird ihn dann, einer Dolchstoßlegende gleich, für das Scheitern der Sanierung verantwortlich machen. Zeigt der (vorläufige) Sachwalter die Nachteilsgefahr hingegen in solchen Fällen nicht oder zu spät an, wird ihm ein hierdurch etwaig entstehender Schaden durch die Gläubiger zu Last gelegt werden (unten Rn. 553). Ein Mittelweg kann deswegen in schwierigen, nicht eindeutigen Fällen eine detaillierte (Zwischen-)Berichterstattung an das Gericht und die Gläubiger sein (unten Rn. 386 f.). So kann der Sachwalter darlegen, welche Vermögensabflüsse oder sonstige Veränderungen stattfinden und auf etwaige Prognoseschwierigkeiten hinweisen. Welche Auswirkungen dies auf seine Haftung hat, ist zwar bisher nicht gerichtlich entschieden. Es spricht aber Einiges dafür, dass so jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden der Gläubiger begründet werden kann, wenn sie auf diese Mitteilungen hin nicht selbst handeln.

375 Die Anzeige sollte inhaltlich602) die Entscheidung der Gläubiger vorbereiten. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, den Sachverhalt klar und in sich verständlich – gegebenenfalls unter Beifügung verständnisnotwendiger Dokumente – darzustellen. Der Sachwalter sollte weiterhin seine Prognose darlegen und begründen. 376 Der Adressat der Anzeige ist in jedem Falle das Insolvenzgericht gem. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO. Darüber hinaus sind zusätzlich zu informieren: x

Im Eröffnungsverfahren der vorläufige Gläubigerausschuss oder, soweit ein solcher nicht bestellt ist, analog § 274 Abs. 3 S. 2 InsO alle bekannten Gläubiger.603)

x

Im eröffneten Verfahren der Gläubigerausschuss oder, soweit ein solcher nicht bestellt ist, gem. § 274 Abs. 3 S. 2 InsO die Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, sowie die absonderungsberechtigten Gläubiger.

377 Ist kein Gläubigerausschuss bestellt, kann die praktische Umsetzung der Anzeigepflicht den Sachwalter vor große Schwierigkeiten stellen: Einerseits melden gut gesicherte Gläubiger ihre Forderungen häufig erst spät an, so dass ___________ 602) Dazu insgesamt: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 75. 603) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 9; Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 74; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 30; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 37 und § 274 Rn. 64; Schmidt/ Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 8.

112

III. Der Sachwalter

sie praktisch meist aus der zu informierenden Gruppe herausfallen.604) Andererseits kann die Gruppe insbesondere in Großverfahren so unüberschaubar sein, dass eine vollständige und nachweisbare Information durch Einschreiben mit Rückschein605) immensen zeitlichen Aufwand und hohe Kosten produzieren würde. Sie kann im Einzelfall dazu führen, dass bis zur vollständigen Information die Gefahr des Schadens sich bereits realisiert hat und so der Zweck der Anzeigepflicht unterlaufen würde.606) Der Sachwalter hat daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine Einzelinformation 378 angesichts des aktuellen Verfahrensstandes im eröffneten Verfahren wie auch im Eröffnungsverfahren nach seiner Einschätzung sinnvoll ist.607) Ist dies nicht der Fall, darf er anstelle derselben eine öffentliche Bekanntmachung analog § 277 Abs. 3 InsO vornehmen bzw. eine solche über das Gericht veranlassen.608) Sie tritt dann an die Stelle der Einzelinformation und ist nicht zusätzlich er- 379 forderlich:609) Denn soweit § 274 Abs. 3 InsO den Sachwalter lediglich zur Anzeige verpflichtet, aber nicht die Art und Weise derselben regelt, ist der Sachwalter nicht zu einer bestimmten Art der Informationsübermittlung verpflichtet. Er erfüllt die Pflicht daher auch durch öffentliche Bekanntmachung. Folglich unterliegt er auch keiner Haftung, wenn tatsächlich die Einzelinformation statt einer öffentlichen Bekanntmachung sinnvoller gewesen wäre. (5) Anzeige bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Wie auch der Schuldner, so ist ebenfalls der Sachwalter im Schutzschirmver- 380 fahren gem. § 270b Abs. 4 S. 2 InsO zur Anzeige einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gegenüber dem Gericht verpflichtet. Die Norm statuiert für beide Subjekte identische Pflichten, so dass auf die obigen Ausführungen (Rn. 228) verwiesen wird. Eine über das Schutzschirmverfahren hinausgehende Verpflichtung enthält 381 die Regelung nicht. Dies ergibt sich aus ihrer systematischen Stellung und ___________ 604) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 7 f. 605) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 66. 606) Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 13; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 22; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 66. 607) Zu Recht darauf hinweisend, dass eine öffentliche Bekanntmachung nicht stets an die Stelle der Einzelinformation treten kann, Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 81. 608) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 13; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 274 Rn. 7; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 12; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 63; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 66; a. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 928 ff. 609) So aber Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 74 f.; wie hier die herrschende Meinung vgl. aber vorige Fußnote.

113

C. Aufgaben und Kompetenzen

dem ursprünglichen konzeptionellen Zusammenhang mit den Aufhebungsgründen (oben Rn. 228). Dient die Norm nach ihrem Schutzzweck dazu, das Gericht zu informieren, ist dieser erfüllt, sobald entweder der Schuldner oder der Sachwalter die Anzeige vorgenommen haben. Sie sind insofern Gesamtschuldner, so dass die Anzeigepflicht bei Erfüllung durch einen von beiden in der Person des anderen erlischt. Praxistipp: In der Praxis ist die Anzeige sehr häufig bereits unmittelbar nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters erforderlich. Dies begründet sich daraus, dass die Banken und sonstigen Geschäftspartner mit Kenntniserlangung von der Bestellung Kredite kündigen und fällig stellen,610) was regelmäßig den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bedeutet.

(6) Stellungnahme und (Zwischen-)Berichterstattung (a) Stellungnahme zum Schuldnerbericht 382 Neben den Regelungen über die Prüfberichte hinaus ist der Sachwalter gem. § 281 Abs. 2 S. 2 InsO verpflichtet, zum Bericht des Schuldners im Berichtstermin Stellung zu nehmen. Zu diesem Zweck hat er am Termin teilzunehmen,611) was sich auch im Übrigen praktisch empfiehlt. Hierzu ist der Sachwalter gem. §§ 270 Abs. 1 S. 2, 74 Abs. 1 S. 2 InsO bei jedem Termin vor dem Insolvenzgericht berechtigt.612) 383 Hat der Schuldner insofern seine wirtschaftliche Lage darzustellen und Sanierungschancen nebst Quotenerwartung zu erörtern (oben Rn. 224), spricht dies dafür, dass der Sachwalter zu einer umfassenden Kontrolle dieser Angaben verpflichtet ist. Denn nach der gesetzlichen Konzeption muss er diese Informationen ohnehin kennen (oben Rn. 327 ff.). Da darüber hinaus der Bericht dazu dient, die Entscheidung der Gläubiger gem. § 157 InsO vorzubereiten, müssen sich diese auf eine zutreffende Darstellung der Tatsachengrundlage verlassen können. Eben hierzu dient die Stellungnahme. Praktisch muss der Sachwalter also auch hier mit derjenigen Kenntnis auftreten, die der eines Insolvenzverwalters im Regelverfahren entspricht. (b) Sonstige Berichterstattung 384 Mag auch die Kenntnis des Sachwalters dem des Insolvenzverwalters entsprechen, so stehen seine Berichtspflichten hinter denen im Regelinsolvenzverfahren zurück. Dies zeigt sich praktisch etwa an den Zwischenrechnungen, die vom Verwalter gem. § 66 Abs. 3 InsO im Regelverfahren verlangt werden ___________ 610) Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 40. 611) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 281 Rn. 5; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 18. 612) Ausführlich Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 838 f.

114

III. Der Sachwalter

können. Der ausdrückliche Verweis in den §§ 274 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 1 InsO regelt, dass diese Pflicht in der Eigenverwaltung nur den Schuldner trifft. Der Sachwalter ist auch nicht verpflichtet, zu einer Zwischenrechnung Stel- 385 lung zu nehmen. Dies zeigt der klare Wortlaut des § 281 Abs. 3 S. 2 InsO, der die Stellungnahme ausdrücklich nur für die Schlussrechnung vorsieht. Über die Wortlautgrenze hilft auch nicht eine Bezeichnung als Redaktionsversehen hinweg,613) das sich im Übrigen auch aus den Materialien nicht ergibt. Daher stellt die Norm eine abschließende Spezialregelung dar, welche den gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO sonst möglichen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ausschließt.614) Aufgrund der Verweisung in § 274 Abs. 1 InsO unterliegt der Sachwalter je- 386 doch der Aufsicht durch das Insolvenzgericht. Dieses kann von ihm gem. § 58 Abs. 1 S. 2 InsO jederzeit Auskünfte und Berichte verlangen (oben Rn. 112 ff.). Darüber hinaus ist der Sachwalter gem. § 79 InsO verpflichtet, der Gläubi- 387 gerversammlung auf Anforderung Auskünfte und Berichte zu übermitteln (oben Rn. 120 ff.). Eine vergleichbare Pflicht besteht gem. § 69 InsO auch gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss (oben Rn. 123 ff.). (7) Übernahme der Kassenführung (a) Entscheidung zur Übernahme Die Kassenführung folgt nach der Grundkonzeption des Gesetzes der Ver- 388 waltungs- und Verfügungsbefugnis und liegt damit beim Schuldner. Der Sachwalter ist gem. § 275 Abs. 2 InsO jedoch befugt, diese Aufteilung durch einseitige Anordnung als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Schuldner zu ändern; einer gerichtlichen Beteiligung oder einer solchen der Gläubiger bedarf es dafür nicht.615) Wegen des Verweises in §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO auf § 275 InsO besteht diese Möglichkeit für den Sachwalter sowohl im eröffneten Verfahren als auch in der vorläufigen Eigenverwaltung bzw. im Schutzschirmverfahren. Die Entscheidung über die Übernahme der Kassenführung hat der Sachwalter 389 nach Ermessen zu treffen. Weil der Sachwalter diese Entscheidung mangels

___________ 613) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 32. 614) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 281 Rn. 7; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 281 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 33; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 13. 615) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 5; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 17; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 17.

115

C. Aufgaben und Kompetenzen

gesetzlicher Anordnung nicht zu begründen hat,616) ist jedoch eine Kontrolle der rechtmäßigen Ermessensausübung allenfalls inzidenter im Haftungsprozess (unten Rn. 553) denkbar. 390 Für die Ermessensausübung gibt Abs. 2 der Norm selbst Entscheidungsmaßstäbe vor. Er steht im systematischen Kontext zu Abs. 1 und deutet damit darauf hin, dass die Kassenführung dazu dient, die Masse gegen missbräuchliche Mittelverwendung durch den Schuldner zu sichern. Darin erschöpft sich ihr Sinn aber nicht. Weil sie allgemein Instrument der Masseverwaltung ist und damit im Kontext der Aufgaben des Sachwalters steht, wird man in ihr ein Instrument sehen können, die Fortführung der Eigenverwaltung zu ermöglichen und das Verfahren zwecks Wahrung der Gläubigerinteressen617) zu lenken. Hierfür muss freilich, um vom gesetzlichen Leitbild abzuweichen, ein Anlass bestehen.618) 391 Für die Annahme eines solchen Anlasses haben sich in der Literatur folgende – keineswegs abschließenden – Fallgruppen619) gebildet: x

Um allgemein Vertrauen der Gläubiger in eine ordnungsgemäße Liquiditätsverwaltung aufzubauen,620) wenn sie einer Kassenführung durch den Schuldner und damit auch einer Fortführung der Eigenverwaltung kritisch gegenüberstehen,

x

wenn Masseunzulänglichkeit droht,

x

wenn der Schuldner übermäßige Mittel zur Lebensführung gem. § 278 InsO zu entnehmen droht,

x

wenn der Schuldner bei Zahlungen seine insolvenzrechtlichen Pflichten zu missachten droht, also beispielsweise auf Altforderungen leistet; insbesondere als Maßnahme, um einen künftigen Nachteil für die Gläubiger auszuschließen (oben Rn. 371), sowie

x

wenn der Schuldner ohne Zustimmung des Sachwalters neue Kredite aufzunehmen droht, die insolvenzrechtlich pflichtwidrig wären.

___________ 616) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 275 Rn. 7; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, § 275 Rn. 25; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 7. 617) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 24. 618) So schon die grundlegende Herleitung bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 967 ff.; A. A. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 56, der vom „Regelfall“ ausgeht. Das ist angesichts der Gesetzessystematik ersichtlich nicht zutreffend. 619) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 25; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 7; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 17; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 16. 620) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 275 Rn. 7; Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 14. Darauf hinweisend, dass aber im Einzelfall die Übernahme der Kassenführung auch Misstrauen gegenüber dem Schuldner zum Ausdruck bringen und damit die Außenwirkung schädigen kann, Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 7.

116

III. Der Sachwalter

Diskutiert wird auch, ob eine Ermessensreduktion eintreten kann, welche 392 den Sachwalter zur Übernahme der Kassenführung verpflichtet. In dem Kontext werden jedoch kaum Kriterien genannt, wann dies der Fall sein soll.621) Rechtskonstruktiv ist eine Reduktion zwar denkbar. Entsprechende Überlegungen haben jedoch zu berücksichtigen, dass der Sachwalter Gefahren für die Gläubigerinteressen auch durch andere Maßnahmen wie etwa eine beratende Einwirkung (unten Rn. 487 ff.) und nicht zuletzt die Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO beseitigen kann. Auch ist nicht garantiert, dass die Kassenführung durch den Sachwalter eine Gefahr wirksam abwehrt (dazu noch unten Rn. 397 a.E.). Dass der Sachwalter vor diesem Hintergrund zur Übernahme der Kassenführung durch Ermessensreduktion verpflichtet sein kann, scheint deswegen eher zweifelhaft. (b) Wirkung der Übernahme (Sachwalter) Übernimmt der Sachwalter die Kassenführung, so handelt er als weisungs- 393 unabhängiger622) gesetzlicher Vertreter des Schuldners.623) Den Umfang seiner Vertretungsmacht bestimmt § 275 Abs. 2 InsO: Damit ist der Sachwalter zur Entgegennahme und zur Leistung von Zahlungen befugt, soweit sie die Masse und nicht bloß die Lebensführung des Schuldners (§ 278 InsO)624) betreffen. Insofern obliegt ihm auch die zugehörige Kontoführung. Die notwendige 394 Befugnis kann gegenüber der Bank durch die Bestellungsurkunde nachgewiesen werden,625) allerdings kann der Sachwalter Zahlungen auch über ein Sonderkonto führen.626) Nach dem Zweck der Regelung muss die Vertretungsmacht auch die insofern notwendigen Hilfsmaßnahmen umfassen, wie das Aussprechen von Zahlungserinnerungen und Mahnungen.627) Ebenso fallen darunter das Ausstellen und Entgegennehmen von Quittungen und Schuldscheinen.628) Schließlich umfasst die Vertretungsmacht auch die Begründung der notwendig mit der Kassenführung verbundenen Verbindlichkeiten, also ___________ 621) So nehmen Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 18, Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 7 und Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 18 das Vorliegen einer Ermessensreduktion schon bei bloßem Bestehen eines Anlasses an und greifen damit ersichtlich zu weit. Enger K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 6: „erhebliche Anhaltspunkte für drohende Nachteile“ – gleichwohl bezieht auch dies keine alternativen Handlungsmöglichkeiten ein. 622) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 26; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 23. 623) Statt aller vgl. nur Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 8 m. w. N. 624) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 27. 625) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 19. 626) Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 29. 627) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 5; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 19; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 29. 628) Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 29.

117

C. Aufgaben und Kompetenzen

etwa das Handdarlehen, das durch Abhebung vom Konto im Rahmen der geduldeten Überziehung abgeschlossen wird.629) 395 Hingegen ist der Sachwalter nicht befugt, über die der Kassenführung unterfallenden Forderungen zu verfügen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und daraus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiter beim Schuldner liegt. Der Sachwalter kann also Forderungen nicht erlassen oder mit ihnen aufrechnen.630) 396 Ebenso ist ihm die gerichtliche Geltendmachung verwehrt.631) Bereits der Wortlaut der Vorschrift enthält – anders als § 280 InsO – keine Übertragung der Prozessführungsbefugnis. Das ist historisch gesehen stimmig: Schon die Vorläuferregelung des § 57 Abs. 2 VerglO, an die der Gesetzgeber mit § 275 Abs. 2 InsO ausdrücklich angeknüpft hat,632) gab dem kassenführenden Vergleichsverwalter keine Prozessführungsbefugnis.633) 397 Schließlich ist der Sachwalter verpflichtet, die bei der Kassenführung anfallenden Unterlagen dem Schuldner zur Verfügung zu stellen. Denn auch wenn der Sachwalter die Führung übernommen hat, liegt die Pflicht zur Rechnungslegung gem. § 281 Abs. 3 InsO weiter beim Schuldner.634) Praxistipp: Hat der Sachwalter die Kassenführung übernommen, ist er insofern auch verpflichtet, vom Schuldner begründete neue Masseverbindlichkeiten bei Fälligkeit aus der Masse zu erfüllen.635) Die Kassenführung alleine genügt also häufig nicht, um Fehlverhalten des Schuldners wirksam auszuschließen. In diesem Fall ist dann eine Kombination mit Zustimmungsvorbehalten gem. § 277 InsO erforderlich (unten Rn. 434 ff.).

(c) Wirkung der Übernahme (Schuldner) 398 Für den Schuldner ändert sich an seiner Rechtsmacht mit der Übernahme der Kassenführung durch den Sachwalter nichts. Er bleibt verwaltungs- und verfügungsbefugt und kann im Außenverhältnis damit weiterhin Verbind-

___________ 629) Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 27. 630) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 27. 631) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 5; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 19; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 8. 632) BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 633) Vgl. nur BGH KTS 1979, 180, 181; Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Anm. 37; BöhleStamschräder/Kilger, VglO, § 57 Anm. 3 c). 634) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 275 Rn. 8. 635) Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 26; die Leistungspflicht betrifft auch Verbindlichkeiten, die der Schuldner entgegen § 275 Abs. 1 InsO begründet hat, Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 737 ff.

118

III. Der Sachwalter

lichkeiten begründen und Zahlungen leisten sowie mit Tilgungswirkung entgegennehmen.636) Anders stellt sich die Rechtslage im Innenverhältnis dar: Hier ergibt sich 399 schon aus dem Wortlaut der Norm, dass der Schuldner zur Entgegennahme von Zahlungen und zur Leistung nicht mehr berechtigt ist.637) Er ist vielmehr gem. § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 InsO verpflichtet, etwaig vorhandene oder entgegengenommene Zahlungen an den Sachwalter auszuhändigen und Drittschuldner über die Änderung der Kassenführung zu informieren.638) (d) Ausgestaltung der Kassenführung Versteht man die Norm des § 275 Abs. 2 InsO wörtlich („alle … Zahlungen“), 400 versagt eine solche Konstruktion bereits bei mittelgroßen Unternehmen: Die Koordination von Leistungen durch den Schuldner einerseits mit der Verwaltung der Geldmittel durch den Sachwalter andererseits birgt – insbesondere bei Unternehmen mit zahlreichen Bargeschäften639) wie im Einzelhandel – einen hohen administrativen Aufwand.640) Selbst eine Konstruktion mit Zahlungslisten, die der Sachwalter prüft und 401 zur Ausführung durch den Schuldner freigibt, kann sanierungshindernden Zeitverzug bedeuten.641) Besonders deutlich tritt diese Überlegung zutage, stellt man sich diese Art der Kassenführung durch den Sachwalter im Falle eines Großunternehmens vor. Deswegen wurde in der Literatur das Modell der sog. „modifizierten Kassen- 402 führung“ entwickelt.642) Es geht von folgenden Regelungsbestandteilen aus:643) x

Zahlungseingänge nimmt bei Barzahlung der Schuldner entgegen, bei sonstiger Zahlung der Sachwalter mithilfe eines Sonderkontos.

x

Zahlungen leistet bis zu einem bestimmten täglichen oder wöchentlichen Volumen der Schuldner. Erst wenn dieses überschritten wird, ist der Sachwalter hierfür zuständig.

x

Der Sachwalter stattet den Schuldner mit hinreichender Liquidität aus, um die entsprechenden Zahlungen im Tagesgeschäft vornehmen zu können.

___________ 636) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 7; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 19. 637) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 12; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 20. 638) Vgl., aber ohne Anknüpfung an § 97 InsO, Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 20. 639) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 257. 640) Flöther, ZInsO 2014, 465, 468; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 62. 641) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 62. 642) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 62 ff.; ders., Eigenverwaltung, Rn. 257 ff.; dem folgend Flöther, ZInsO 2014, 465, 468. 643) Zusammenfassung des Vorschlages von Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 62 ff.; dems., Eigenverwaltung, Rn. 257 ff.

119

C. Aufgaben und Kompetenzen

Er bespricht die dabei zu beachtenden insolvenzrechtlichen Wertungen mit diesem und kontrolliert das Zahlungsverhalten des Schuldners. 403 Dieses Modell verdient Zustimmung. Nicht nur erweist es sich als praktikable Lösung, sondern ist auch mit der Regelung des § 275 Abs. 2 InsO in Einklang zu bringen. Versteht man nämlich das Ermessen in der Norm nicht nur dergestalt, dass es dem Sachwalter die Entscheidung über das „Ob“ der Übernahme eröffnet, sondern auch das „Wie“ freistellt, sind derartige Konstruktionen ohne weiteres denkbar. Das entspricht dem Normzweck, weil die Kassenführung grundsätzlich dem Schuldner obliegt; diese muss nur beschränkt werden, soweit dies zur Wahrung von Gläubigerinteressen erforderlich ist und sie muss erhalten bleiben, soweit dies zur sinnvollen Betriebsfortführung notwendig ist. Bei diesem Verständnis hat der Verweis auf „alle Gelder [und] Zahlungen“ nur die Funktion einer Ermessensgrenze, um die maximal mögliche Übernahme zu verdeutlichen. 404 Daher ist die sog. „modifizierte Kassenführung“ rechtsdogmatisch nichts weiter als eine Nutzung des von der Norm gewährten Ermessens. Sie stellt keine Modifikation dar, sondern liegt in der Spannbreite dessen, was die Norm erlaubt. Konsequenterweise sind daher auch über das genannte Modell hinausgehende weitere Einschränkungen der Kassenführung anstelle einer gänzlichen Übernahme möglich. Beispielhaft sei genannt die Übernahme der Kassenführung lediglich: x

hinsichtlich bestimmter Betriebsteile bzw. Geschäftszweige,

x

hinsichtlich bestimmter Rechtsverhältnisse, die beispielsweise wegen besonderer persönlicher Nähe zum Schuldner eine besondere Gefahr der Gläubigerungleichbehandlung bergen.

b) Mitwirkungsaufgaben 405 Neben Aufsichtsaufgaben, welche der Kontrolle und gegebenenfalls Korrektur schuldnerischen Verhaltens dienen, hat der Sachwalter eine Reihe von Mitwirkungsaufgaben. Diese betreffen Bereiche, in denen der Sachwalter für das Verfahren Steuerungsfunktion, also mehr als bloße Aufsicht hat. 406 Sie unterscheiden sich von den Aufsichtsaufgaben dadurch, dass der Sachwalter den Fortgang des Verfahrens auf Ebene der Einzelentscheidung direkt beeinflussen kann. Steht ihm hierfür im Rahmen der Aufsicht regelmäßig nur die Mitteilung an andere wie das Gericht oder Gläubigerorgane zur Verfügung, so hat er an Mitwirkungsaufgaben konkrete Zustimmungs- und Widerspruchsrechte, mithilfe derer er in unterschiedlicher Intensität steuernd eingreifen kann.

120

III. Der Sachwalter

aa) Zustimmungs- und Widerspruchsrechte (1) Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb Mithilfe von § 275 Abs. 1 InsO kann der Sachwalter an der Geschäftsfüh- 407 rung des Schuldners inhaltlich mitwirken.644) Diese Möglichkeit steht ihm in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens offen, also auch im Eröffnungsverfahren. Die diesbezüglichen Rechte des Sachwalters bemessen sich danach, ob der Schuldner Verbindlichkeiten eingehen möchte, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören oder nicht. Im ersteren Falle kann der Sachwalter widersprechen (S. 2), im letzteren Falle sollen sie nur mit seiner Zustimmung (S. 1) begründet werden. Zentral für die Befugnisse des Sachwalters ist damit die Frage, wann das Eingehen von Verbindlichkeiten nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört. (a) Eingehen einer Verbindlichkeit Schon der Begriff des Eingehens der Verbindlichkeit ist klärungsbedürftig. 408 Der Wortlaut kann einerseits so verstanden werden, dass ihm jede Verbindlichkeit unterfällt645) und andererseits so, dass solche herausfallen, die im Moment ihres Eingehens durch Erfüllung bereits wieder erloschen sind (sog. Bar- oder Handgeschäfte).646) Auf Letzteres deutet die Historie des § 275 InsO, denn dies entsprach bereits der Auffassung zur Vorläuferregelung des § 57 VglO,647) an welche der Gesetzgeber ausdrücklich anknüpfen wollte.648) Das ist auch richtig. Denn bei Bargeschäften nach dem Vorliegen einer juris- 409 tischen Sekunde zu differenzieren, in welcher die Verbindlichkeit besteht,649) überzeugt nicht: Angebote auf Übereignung und schuldrechtlichen Vertragsschluss werden bei Bargeschäften regelmäßig gleichzeitig angenommen, so dass eine solche Sekunde nicht existiert.650) Auch macht es vom Schutzzweck der Norm her keinen Unterschied, ob ein Bargeschäft direkt oder über mehrere Sekunden hinweg abgewickelt wird,651) weil beispielsweise noch zusätzliches Geld für die Kasse geholt werden muss: In jedem Falle ist die Gefahr ___________ 644) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 1; Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 31, 74. 645) So wohl Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 6. 646) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 7; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 2; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 6. 647) Vgl. nur Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Anm. 11; Böhle-Stamschräder/Kilger, VglO, § 57 Anm. 2). 648) BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 649) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 6. 650) So auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 7. 651) Anders aber Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 6, die den Schutzzweck weiter als Verhinderung eines unwirtschaftlichen Mittelabflusses verstehen.

121

C. Aufgaben und Kompetenzen

für die Masse vernachlässigbar, soweit die Leistung durch unmittelbare, gleichwertige Gegenleistung im Handgeschäft aufgewogen wird. Das zeigt sich auch darin, dass solche Geschäfte gem. § 142 InsO nicht der Anfechtung unterliegen. Ein Bar- bzw. Handgeschäft in diesem Sinne unterfällt also nicht § 275 Abs. 1 InsO. 410 Damit erfasst die Norm auch keine Fälle, in denen der Schuldner lediglich Ansprüche erwirbt, aber keinen Verbindlichkeiten ausgesetzt ist. Dies ist etwa beim Handdarlehen der Fall, in dem der Schuldner als Darlehensgeber seine Pflicht bereits im Moment des Vertragsschlusses erfüllt.652) 411 Die Art der Verbindlichkeit spielt indes für die Norm schon angesichts des offenen Wortlautes keine Rolle. Sie erfasst damit nicht nur Geldleistungspflichten, sondern auch eine Verpflichtung zur Sachleistung.653) Dies zeigt schon der Schutzzweck der Norm, weil Sachleistungspflichten ebenfalls Masseverbindlichkeiten sind und im Falle der Leistungsstörung jederzeit in Geldleistungspflichten umschlagen können.654) 412 Aus dem Begriff des Eingehens ist schließlich zu folgern, dass gesetzlich begründete Verbindlichkeiten der Norm nicht unterfallen.655) Die Norm setzt daher das bewusste, rechtsgeschäftliche Handeln des Schuldners voraus. Weder sind mithin Ansprüche gegen ihn aus deliktischem Handeln durch § 275 InsO erfasst, noch solche, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften qua Gesetz entstehen. Beispielsweise sind also Verbindlichkeiten aus Gewerbeoder Steuerrechtsverhältnissen nicht widerspruchsfähig oder zustimmungspflichtig. (b) Gewöhnlichkeit für den Geschäftsbetrieb 413 Soweit die Norm nach der Gewöhnlichkeit für den Geschäftsbetrieb differenziert, zeigt sie zugleich, dass Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung des Schuldners nicht der Regelung unterfallen: Diesbezüglich sind die §§ 274 Abs. 2, 3, 278 InsO Spezialvorschrift.656) 414 Ebenso unterliegen der Norm wegen des einschränkenden Wortlautes nicht diejenigen Geschäfte, die allgemein der Masseverwaltung bzw. Liquidation ___________ 652) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 8; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 6. 653) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Flöther, ZInsO 2014, 465, 469; Schmidt/ Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 6; Uhlenbruck/ ders., InsO, § 275 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 6. 654) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 6. 655) Vgl. nur Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 2 und Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 275 Rn. 6: jeweils nur „durch Vertrag oder einseitiges Rechtsgeschäft“. 656) Vgl. nur Graf-Schlicker/dies., InsO, § 275 Rn. 4; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 6; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 7.

122

III. Der Sachwalter

dienen.657) Soweit § 275 Abs. 1 InsO nämlich an den Geschäftsbetrieb anknüpft, setzt die Regelung voraus, dass ein solcher noch besteht. Mithin ist sie nur insofern einschlägig, als es um Rechtshandlungen des Schuldners im Rahmen seiner Betriebsfortführung geht.658) Innerhalb derselben herrscht weitgehend659) Einigkeit, dass ein Geschäft 415 dann gewöhnlich ist, wenn es sich im Rahmen der Art und des Umfanges der bisherigen Geschäfte des Schuldners hält.660) So ist jedenfalls das gewöhnlich, was im Tagesgeschäft der Erhaltung der Substanz des Unternehmens und der Erzielung von Gewinnen dient und regelmäßig vorkommt.661) Entscheidend sind also der Unternehmenszweck und seine bisherige Realisierung.662) Es ist auf den Schuldner als Äußeres abzustellen, was schon der Wortlaut mit dem Verweis auf den vom Schuldner geführten Geschäftsbetrieb nahe legt. Besondere gesellschaftsvertragliche Konstellationen sind daher außer Betracht zu lassen. Dies zeigt folgendes, dem augenscheinlich widersprechendes Beispiel: Der Schuldner sei ein mittelgroßes Maschinenbau-Unternehmen. Im Gesellschaftsvertrag sei bestimmt, dass über die Annahme von Aufträgen grundsätzlich die Geschäftsführung allein entscheide. Ab einem bestimmten Auftragsvolumen (Schwellenwert) sei jedoch eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, welche diese Entscheidung anstelle der Geschäftsführung treffe. Stellt man auf die bisherigen Vertragsschlüsse ab, die bisweilen auch schon 416 die maßgebliche Höhe überschritten, ist der Abschluss eines neuen Vertrages innerhalb der bisherigen Spannbreite gewöhnlich – unabhängig davon, ob er den Schwellenwert überschreitet. Das ist auch richtig. Man hat dies nicht etwa wegen der im Falle der Überschreitung fehlenden Autonomie des Geschäftsführungsorgans anders zu sehen: Denn sonst müsste man die Frage klären, wo eine Konzeption hinreicht, um von der fehlenden Autonomie des Geschäftsführungsorgans auf die Ungewöhnlichkeit für den Betrieb zu schließen: Die Spannbreite kann immerhin von einer gänzlichen Ersetzung der Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung wie im Beispielsfall hin ___________ 657) A. A. ohne Begründung Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 4. 658) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 734: Anpassung der Auslegung im Falle der Liquidation auf übliche Liquidationsgeschäfte. 659) Mit abweichender Begründung, jedoch im Ergebnis zumindest sehr ähnlich, Blersch/ Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 7, die auf die Vorhersehbarkeit für Gläubiger abstellen. 660) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 275 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 9; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 3; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 8; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 3; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 8. 661) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 3; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 275 Rn. 2; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 9. 662) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 8.

123

C. Aufgaben und Kompetenzen

zu einer bloßen Mitwirkungs- oder Veto-Regelung für Gruppen von Gesellschaftern oder sogar einen einzigen reichen. Die Grenze wäre kaum verlässlich zu ziehen. 417 Dass danach nur der gesamte, äußerlich erkennbare Betrieb entscheidet, ist sinnvoll. Denn die Gläubiger sind durch die Eigenverwaltung nicht schlechter zu stellen als im Regelinsolvenzverfahren. Sie können insofern aber nur das erwarten, was aus ihrer – externen, also äußerlichen – Sicht üblich ist. Wann immer von dieser so begründeten Erwartung abgewichen wird, bedarf es zur Wahrung ihrer Interessen einer stärkeren Kontrolle durch den Sachwalter (Zustimmungsvorbehalt statt bloßer Widerspruchsmöglichkeit).663) 418 Aus der Anknüpfung an den bisherigen Betriebsumfang und den Interessenschutz der Gläubiger erschließt sich auch, warum die Beurteilung der Gewöhnlichkeit Einzelfallfrage sein muss. Gleichwohl haben sich in der Literatur Fallgruppen entwickelt, die wegen der pauschalisierenden Betrachtung nicht unproblematisch sind. Ungewöhnlich sei demnach in der Regel:664) x

die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, was freilich im Falle eines Immobilienfonds als Schuldner anders ist,

x

die Aufnahme von Darlehen,

x

der Verzicht auf Forderungen,

x

die Anschaffung neuer Maschinen für eine Produktion und

x

die Neueinstellung von Arbeitnehmern, jedenfalls soweit dies eine größere Zahl neuer Arbeitnehmer betrifft. Praxistipp: Die praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten können bereits im Vorfeld ausgeschaltet werden, wenn Sachwalter und Schuldner sich auf eine Positivliste von Handlungen einigen, die nach Auffassung beider dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb entsprechen. Ist sie – besonders anfangs – zu knapp gefasst, wird der Schuldner in sonstigen Fällen nachfragen und der Sachwalter die Liste dann im Einzelfalle ggf. erweitern. Dies ist der sicherste Weg. Es kann sich auch anbieten, eine solche Liste mit Wertgrenzen zu versehen,665) oberhalb derer eine Gewöhnlichkeit verneint wird.

___________ 663) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 7. 664) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 223; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 11; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 3; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 8: Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 8. 665) So der Vorschlag von Piepenburg/Minuth, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 38; dem folgend auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 224.

124

III. Der Sachwalter

(c) Widerspruch und Wirkung Gehört die Eingehung der neuen Verbindlichkeit zum gewöhnlichen Ge- 419 schäftsbetrieb des Schuldners, so kann der Sachwalter ihr widersprechen, § 275 Abs. 1 S. 2 InsO. Eine besondere Form ist für den Widerspruch nicht vorgesehen, er muss dem Schuldner aber nach dem Wortlaut der Norm vor dem jeweiligen Geschäft zur Kenntnis gelangen.666) Ein dem Schuldner erst danach bekannt gewordener Widerspruch führt nicht dazu, dass die Vornahme selbst pflichtwidrig war. Die Entscheidung über den Widerspruch hat der Sachwalter nach seinem 420 Ermessen zu treffen.667) Ihm obliegt insofern keine Zweckmäßigkeitskontrolle (oben Rn. 303 f.), sondern eine reine Rechtskontrolle: Er muss als Kontrollorgan den Schutz der Gläubigerinteressen sicherstellen. Ohne eine Gefährdung ihrer Interessen ist ein Widerspruch rechtswidrig.668) Umgekehrt ist er notwendig, wenn diese Interessen durch die Eingehung der Verpflichtung beeinträchtigt zu werden drohen.669) Dies kann beispielsweise670) der Fall sein, weil x

die vorhandene Insolvenzmasse zur Begleichung der neuen Verbindlichkeit nicht ausreicht,

x

eine Gläubigerbenachteiligung eintreten würde oder

x

der Leistung keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht.

Der Widerspruch des Sachwalters wird nach der gesetzlichen Konzeption im 421 Voraus erklärt. Daraus folgt die Möglichkeit, einen Widerspruch auch gegen mehrere Geschäfte oder Arten von Geschäften zu erheben.671) Da der Sachwalter die Entscheidung nach Ermessen zu treffen hat (oben Rn. 389), ist ihm ein pauschaler Widerspruch gegen alle Verpflichtungen verwehrt: Dies würde gegen § 270 Abs. 1 S. 1 InsO als Ermessensgrenze verstoßen, wonach der Schuldner seine grundsätzliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gerade behält.672) Praktisch stellt sich die Frage, wie der Sachwalter von widerspruchsfähigen 422 Geschäften des Schuldners Kenntnis erlangt. Die Auffassung, er habe im Rahmen seiner Überwachung der Geschäftsführung sämtliche für den Widerspruch relevanten Informationen von sich aus zu ermitteln,673) kann nicht ___________ 666) 667) 668) 669) 670) 671) 672) 673)

Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 14. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 12. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 13. Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 12; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 13 m. w. N. Beispiele von Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 10. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 13. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 13. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 4; Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 8; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 12.

125

C. Aufgaben und Kompetenzen

zutreffen. Sie wird dem Umstand nicht gerecht, dass der Schuldner gem. § 97 Abs. 2 InsO zur Unterstützung des Sachwalters (oben Rn. 336) bei der Entscheidung über den Widerspruch verpflichtet ist. 423 Vom Schuldner jedoch eine Vorab-Information über alle Einzelgeschäfte zu verlangen, hieße, ihn zu überfordern. Eine reibungslose Abwicklung der Geschäftsführung würde ihm damit erheblich erschwert.674) Der Sachwalter hat den Schuldner daher bei Beginn der Zusammenarbeit darüber zu informieren, welche Geschäfte der Schuldner ohne Vorab-Information durchführen darf und über welche Geschäfte er den Sachwalter zuvor informieren muss.675) Auf die Einhaltung dieser Aufteilung darf sich der Sachwalter in der Folge vor dem Hintergrund seiner Haftung verlassen, soweit er nicht bei seiner Überwachung der Geschäftsführung Unregelmäßigkeiten feststellt. 424 Macht der Sachwalter von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch, ist der Schuldner im Innenverhältnis verpflichtet, das Geschäft zu unterlassen. Im Außenverhältnis entfaltet ein Widerspruch selbst bei Kenntnis des Vertragspartners676) – vorbehaltlich einer Nichtigkeit wegen Kollusion oder insolvenzzweckwidriger Handlung gem. § 138 BGB677) – keine Wirkung.678) Dies zeigt sich an der „soll“-Formulierung der Norm. Der Schuldner kann die Verbindlichkeit daher wirksam auch gegen den erklärten Widerspruch eingehen. Er unterliegt keiner Beschränkung der Verpflichtungsfähigkeit, sondern nur der Verpflichtungsbefugnis.679) 425 Als Sanktion für schuldnerisches Handeln gegen einen Widerspruch oder ohne eine im Voraus vereinbarte (und damit gem. § 97 Abs. 2 InsO notwendige) Vorab-Information steht dem Sachwalter daher nur die Nachteils-Anzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO (oben Rn. 356 ff.) zur Verfügung.680) Die Regelung des § 275 Abs. 1 S. 2 InsO stellt nämlich für den Schuldner trotz der „soll“-Formulierung die Pflicht auf, im Regelfall ein Handeln gegen den Widerspruch zu unterlassen (zu dieser Regelungstechnik oben Rn. 29). Soweit kein Ausnahmefall vorliegt, bedingt der durch den Verstoß indizierte Kontrollverlust regelmäßig einen Nachteil für die Gläubiger681) und kann – soweit dem nicht durch andere Maßnahmen entgegengewirkt werden kann ___________ 674) Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 11. 675) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 12; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 17 ff.; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 3; Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 11. 676) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 6. 677) Dazu Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 23; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 5. 678) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 275 Rn. 5; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 22 f.; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 15 – jew. m. w. N. 679) So plastisch schon Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Anm. 2. 680) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 8. 681) Vgl. nur K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 5 m. w. N.

126

III. Der Sachwalter

(oben Rn. 371) – einen solchen auch künftig erwarten lassen. Im sich an eine Anzeige anschließenden Verfahren um die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes gem. § 277 InsO oder die Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO kann sich der Schuldner dann gegenüber den Gläubigern für seine Entscheidung rechtfertigen.682) (d) Zustimmung und Wirkung Will der Schuldner eine Verbindlichkeit eingehen, die nicht zum gewöhnli- 426 chen Geschäftsbetrieb gehört, soll er dies gem. § 275 Abs. 1 S. 1 InsO nur mit Zustimmung des Sachwalters tun. Dieser Zustimmungsvorbehalt stellt damit eine Verschärfung gegenüber der bloßen Widerspruchsbefugnis nach S. 2 der Norm dar. Denn von Handlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes kann eine erhöhte Gefahr für die Gläubiger ausgehen, was eine intensivere Kontrolle notwendig macht. Wie auch der Widerspruch (oben Rn. 419), so ist die Zustimmung formfrei. 427 Sie kann auch konkludent683) erteilt werden und ist bis zur Vornahme des Geschäftes frei widerruflich.684) Entgegen der Legaldefinition der §§ 183 f. BGB muss die Zustimmung gem. § 275 Abs. 1 S. 1 InsO aber eine vorherige sein (Einwilligung, § 183 BGB). Denn nach der Konzeption der Norm könnte – wie auch beim Widerspruch (oben Rn. 421) – eine nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) den notwendigen Schutz der Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess nicht mehr gewährleisten.685) Über ihre Erteilung der Zustimmung entscheidet der Sachwalter nach seinem 428 Ermessen.686) Maßgeblich sind dieselben Ermessenserwägungen wie beim Widerspruch (oben Rn. 420). Auch insofern findet keine Zweckmäßigkeits-, sondern eine reine Rechtskontrolle der Wahrung der Gläubigerinteressen statt. Sind diese Interessen bei Geschäften außerhalb des gewöhnlichen Betriebes 429 besonders schutzwürdig, so erklärt sich daraus auch, warum eine pauschale Zustimmung zu allen Geschäften unzulässig ist.687) Gleichwohl muss der Sachwalter nicht jeden Einzelfall separat entscheiden.688) Denn soweit dies mit den Schutzinteressen der Gläubiger vereinbar ist, spricht nichts dagegen, dem Schuldner im Voraus eine Zustimmung zu einer präzise festgelegten Art von Geschäften mit einem bestimmten Volumen zu erteilen.689) ___________ 682) 683) 684) 685) 686) 687) 688) 689)

Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 13. Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 4. Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 10. Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 3; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 12. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 13; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 9. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 16; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 11. So aber Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 11. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 16.

127

C. Aufgaben und Kompetenzen

430 Schon aus dem Wortlaut des § 275 Abs. 1 S. 1 InsO folgt, dass der Schuldner, um eine Zustimmung des Sachwalters einzuholen, diesen über das geplante Geschäft zu unterrichten hat. Anders als beim Widerspruch (oben Rn. 422 f.) ist daher nicht umstritten, dass der Schuldner den Sachwalter vorab zu informieren hat.690) 431 Indes hat eine fehlende Zustimmung im Außenverhältnis dieselbe Wirkung wie ein erklärter Widerspruch (oben Rn. 424): Sie berührt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes des Schuldners nicht.691) Hiervon ausgenommen ist freilich die Sondervorschrift des § 279 S. 3 InsO, die für die Ausübung der Rechte nach den §§ 120, 122 und 126 InsO die Zustimmung des Sachwalters ausdrücklich als Wirksamkeitsvoraussetzung aufstellt (oben Rn. 201). 432 Im Innenverhältnis handelt der Schuldner pflichtwidrig, wenn er – ohne dass ein Ausnahmefall (oben Rn. 425) vorliegt – entgegen oder ohne die Zustimmung des Sachwalters Geschäfte abschließt. Die Sanktionierung erfolgt wie bei Handlungen gegen den Widerspruch über eine Nachteilsanzeige (oben Rn. 356 ff.). Der Sachwalter kann sich folglich dazu entscheiden, bei nicht vorher eingeholter Zustimmung – aber nicht gläubigerschädlichem Geschäft – einen Nachteil nicht anzuzeigen, soweit künftig kein Absinken des Kontrollniveaus (oben Rn. 371) mehr zu befürchten ist. 433 Rechtshandlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes können, müssen aber nicht von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren sein. Soweit sie es sind, ist die gem. § 276 InsO vorgesehene Beteiligung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung (oben Rn. 217 ff.) von der Zustimmungsentscheidung des Sachwalters unabhängig. Beide Kontrollorgane sind rechtlich selbständig und der Sachwalter ist an eine Entscheidung der Gläubigerversammlung nicht gebunden.692) Praxistipp: Auch wenn Sachwalter und Gläubiger rechtlich unabhängig agieren können, bietet sich dies praktisch nicht an. Der Sachwalter wird von den Gläubigern zu Recht (oben Rn. 230) als ihr Schutzorgan verstanden. Soweit er gegen sie handelt, stößt er auf Unverständnis. Bei Bestehen eines vorläufigen Gläubigerausschusses bietet es sich daher an, im Falle des § 276 InsO von sich aus eine inhaltliche Abstimmung vorzunehmen. Andernfalls darf der Sachwalter darauf vertrauen, dass sich die Gläubiger melden, soweit von ihrer Seite aus Abstimmungsbedarf besteht.

___________ 690) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 17 ff. und Wimmer/Foltis, FKInsO, § 275 Rn. 12 – jew. m. w. N. 691) Vgl. nur Kreft/Landfermann, InsO, § 275 Rn. 5 f.; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 4. 692) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 15; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 9.

128

III. Der Sachwalter

(2) Gerichtliche Anordnung Im Rahmen der Regelung des § 275 InsO wirken Widerspruchsrecht und 434 Zustimmungsvorbehalte lediglich im Innenverhältnis (oben Rn. 424, 431 f.). Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behält. Gleichwohl kann es im Einzelfall die Abwägung zwischen Schuldnerverwaltung und Wahrung der Gläubigerinteressen erforderlich machen, die Verfügungsbefugnis des Schuldners mit Wirkung auch gegenüber Dritten einzuschränken.693) Eben dies tut § 277 InsO, soweit er dem Sachwalter – was indes praktisch selten 435 vorkommt – einen gerichtlich angeordneten Zustimmungsvorbehalt gewährt. Diese Konstruktion hat eine Parallele im vorläufigen Regelinsolvenzverfahren: Auch dort kann gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO dem Schuldner eine Verfügungsbeschränkung auferlegt werden bei gleichzeitiger Bestellung eines vorläufigen, schwachen Insolvenzverwalters.694) Greift im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren daher § 277 InsO, fragt sich, 436 ob dies auch im Eröffnungsverfahren der Fall ist. Direkt anwendbar ist die Norm nicht, weil § 277 Abs. 1 InsO die Gläubigerversammlung voraussetzt, die es in der vorläufigen Eigenverwaltung noch nicht gibt.695) Die §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO verweisen auch nicht auf § 277 InsO. Ob eine (ggf. analoge) Anwendung in Frage kommt, muss differenziert be- 437 antwortet werden: x

In der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO fehlt es bereits an einer Regelungslücke:696) § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO ordnet nämlich an, dass ein Zustimmungsvorbehalt lediglich nicht für alle Verfügungen des Schuldners angeordnet werden soll („soll“-Vorschrift697)). Daher bleibt es gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO im Übrigen bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften.698) Eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO für bestimmte Geschäfte bleibt somit möglich.699) Eine Zustimmung ist dann auch Wirksamkeitsvoraussetzung im Außenverhältnis700) ___________ 693) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 1; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 277 Rn. 1. 694) Darauf hinweisend Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 277 Rn. 1. 695) Obermüller, ZInsO 2011, 1809, 1815; Hofmann, NZI 2010, 798, 801 Fn. 25; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 27. 696) Anders Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 41. 697) Dazu Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 29. 698) So aber Schur, ZIP 2014, 757, 763. 699) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 7; Hofmann, NZI 2010, 798, 800; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270a Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 270a Rn. 18; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 7; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 27. 700) Vgl. schon den Wortlaut des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO: „nur … wirksam“ und Schmidt/Schröder, HmbKo-InsO, § 21 Rn. 40 m. w. N.

129

C. Aufgaben und Kompetenzen

und erfüllt somit im Eröffnungsverfahren – grundsätzlich auf Verfügungen beschränkt,701) aber wegen der bloßen Regelbeispielsfunktion des § 21 Abs. 2 InsO auch im Sinne eines Verpflichtungsvorbehalts möglich702) – dieselbe Funktion wie die Kontrolle nach § 277 InsO im eröffneten Verfahren. Insofern gelten die nachfolgenden Ausführungen entsprechend. x

Im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO ist die Rechtslage wegen § 270b Abs. 2 S. 3 InsO anders: Die Norm zählt ausdrücklich die gem. § 21 Abs. 2 InsO möglichen Anordnungen auf und verweist in diesem Zusammenhang nicht auf § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO. Daher besteht auch keine Regelungslücke für eine Analogie, sondern eine abschließende Negativ-Regelung.703)

(a) Inhalt der Anordnung 438 Voraussetzung für den Zustimmungsvorbehalt ist gem. § 277 Abs. 1 InsO eine Anordnung des Insolvenzgerichtes. Diese bezieht sich auf bestimmte Rechtsgeschäfte. Dies können Verfügungen, Verpflichtungen und auch einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigungen sein.704) Sie müssen nach Art und Umfang konkret bezeichnet werden.705) Das ist nicht nur aus praktischen Gründen erforderlich, um dem Schuldner und Dritten Kenntnis der Befugnis und dem Sachwalter Kenntnis seiner Mitwirkungspflicht zu verschaffen. Auch aus Sicht der eingeschränkten schuldnerischen Grundrechte der Art. 12, 14 GG muss die Anordnung dem Bestimmtheitsgebot entsprechen. 439 Die Gerichtspraxis hält sich nicht immer an dieses Erfordernis. So sind Beschränkungen hinsichtlich der Geschäfte, „die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören“,706) nicht unüblich, aber zu unbestimmt,707) während Anordnungen mit Angabe einer bestimmten Art und/oder Betragshöhe708) für alle Beteiligten klar verständlich sind. Auch ein Zustimmungsvorbehalt für alle Rechtshandlungen des Schuldners wurde schon angeordnet,709) was ___________ 701) Braun/Böhm, InsO, § 21 Rn. 45; Graf-Schlicker/Voß, § 21 Abs. Rn. 11; ausführlich auch Kreft/Kirchhof, HK-InsO, § 21 Rn. 17 f. 702) Kreft/Kirchhof, HK-InsO, § 21 Rn. 19. 703) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270b Rn. 28; Kern, MüKoInsO, § 270b Rn. 98. 704) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 277 Rn. 3. 705) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 2; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 23; Uhlenbruck/ders., InsO, § 277 Rn. 2; vgl. ausführlich zum Bestimmtheitsgebot Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 743 ff. 706) AG Duisburg ZInsO 2002, 1046, 1049. 707) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 4 m. w. N.; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54. 708) AG München, Beschl. v. 14.6.2002 – 1502 IN 879/02: „Verfügungen, die einen Betrag von 2 Mio. Euro übersteigen“, nicht veröffentlicht, zitiert nach Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 4. 709) AG Hamburg, Beschl. v. 5.8.2009 – 67c IN 42/03, nicht veröffentlicht, zitiert nach Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 5.

130

III. Der Sachwalter

jedoch gegen den Wortlaut des § 277 Abs. 1 InsO („bestimmte Rechtsgeschäfte“) verstößt.710) Anordnungen werden gem. § 277 Abs. 1 InsO auf Antrag der Gläubigerver- 440 sammlung oder in Eilfällen711) gem. § 277 Abs. 2 InsO auf Antrag einzelner Gläubiger, nicht aber des Sachwalters,712) getroffen. Soweit dem eine Nachteilsanzeige des Sachwalters (oben Rn. 356 ff.) oder sonstige Kommunikation mit den Gläubigern vorausgegangen ist, sollte der Sachwalter im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die Stellung eines hinreichend bestimmten Antrages hinwirken. Anzuhören ist er freilich im gerichtlichen Anordnungsverfahren nicht notwendig. Von vornherein versagt dieser Weg jedoch dort, wo das Gericht eine ent- 441 sprechende Anordnung von Amts wegen trifft, was bisweilen im Eröffnungsbeschluss passiert.713) Ob dies nicht nur in der vorläufigen Eigenverwaltung, sondern auch im eröffneten Verfahren rechtmäßig möglich ist, ist umstritten,714) im hiesigen Kontext jedoch ohne Belang. Soweit eine solche Anordnung getroffen wurde, muss der Sachwalter sie entsprechend befolgen. Der anordnende Beschluss unterliegt nämlich gem. § 6 InsO keinem Rechts- 442 mittel.715) Soweit er nach Eröffnung vom Rechtspfleger erlassen wurde, kann er aber gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG mit der Erinnerung angegriffen werden.716) Mithilfe dieses Instrumentes können sowohl der durch Grundrechtseingriff beschwerte Schuldner, als auch der durch die Mehrung seines Pflichtenprogramms beschwerte Sachwalter auf eine hinreichend bestimmte Anordnung hinwirken. Praxistipp: Anregungen des Sachwalters treffen, weil er Kontrollorgan der Gläubiger ist, bei diesen häufig auf ein offenes Wort. Deswegen bleibt ihm auch die Möglichkeit, die Gläubigerversammlung analog § 277 Abs. 1 InsO als Actus Contrarius zur Aufhebung der bestehenden717) und Beantragung einer neuen, hinreichend klar gefassten Anordnung zu bewegen.

___________ 710) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 9; anders aber Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 5: größtmögliche Klarheit gewahrt. 711) Dazu im Einzelnen Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 233 ff.; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 277 Rn. 28 ff. 712) Vgl. nur Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 277 Rn. 12. 713) Beispiele bei Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 2. 714) Vgl. nur die Nachweise zum Streitstand bei Gundlach/Müller, ZInsO 2010, 2181 und Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 12 ff. 715) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 277 Rn. 16. 716) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 35. 717) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 235, 241; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 277 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 39 ff.

131

C. Aufgaben und Kompetenzen

443 Der Beschluss, in dem die Anordnung getroffen wird, ist regelmäßig mit Datum und Uhrzeit versehen; dies dient dazu, präzise zu bestimmen, ob ein Geschäft zustimmungsbedürftig ist oder nicht.718) Der Beschluss ist ferner gem. § 277 Abs. 3 InsO öffentlich bekanntzumachen und in die einschlägigen Register einzutragen. Darüber hinaus sollte er dem Schuldner und Sachwalter zugestellt werden.719) (b) Zustimmung und Wirkung 444 Hat das Gericht die Anordnung gem. § 277 InsO getroffen, verpflichtet dies den Schuldner im Innenverhältnis, den Sachwalter vor der Vornahme eines entsprechenden Geschäftes zu informieren und das Geschäft im Falle der fehlenden Zustimmung zu unterlassen.720) Der Sachwalter entscheidet über die Erteilung der Zustimmung nach Ermessen; hinsichtlich der dabei anzulegenden Maßstäbe gilt dasselbe wie bei § 275 InsO (oben Rn. 420). 445 Die Pflicht zur vorigen Abstimmung mit dem Sachwalter resultiert daraus, dass durch diese der Schutz von Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess sichergestellt werden soll.721) Verletzt der Schuldner die Pflicht – ohne durch einen besonderen Eilfall gerechtfertigt zu sein – so kann dies bei Störung der Vertrauensbeziehung zum Sachwalter eine Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO notwendig machen.722) 446 Im Außenverhältnis ist das Geschäft des Schuldners ohne die Zustimmung des Sachwalters gegenüber jedermann unwirksam.723) Soweit der Schuldner die vorige Konsultation mit dem Sachwalter unterlassen und das Geschäft gleichwohl abgeschlossen hat, ist die Unwirksamkeit schwebend; verweigert der Sachwalter die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung), wird das Geschäft endgültig unwirksam.724) 447 Für gutgläubige Geschäftspartner des Schuldners gelten die Schutzvorschriften der §§ 277 Abs. 1 S. 2, 81 Abs. 1 S. 2, 3 und 82 InsO. Sie gewähren bei fehlender Eintragung der Zustimmungsbedürftigkeit725) für den Erwerb von Immobilien ebenso Gutglaubensschutz hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Schuldners wie für den Erwerb von eingetragenen Schiffen, Schiffs___________ 718) Allgemeine Auffassung, vgl. nur Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 9; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 18. 719) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 14; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 37. 720) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 277 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 3; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 9a. 721) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 3. 722) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 9a. 723) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 277 Rn. 11; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 277 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 3; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 39. 724) Ebd. 725) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 10; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 41.

132

III. Der Sachwalter

bauwerken und Luftfahrzeugen.726) Für sonstige bewegliche Sachen und Forderungen gibt es hingegen keinen Gutglaubensschutz.727) Für Leistungen an den Schuldner genießt der Leistende gem. § 82 InsO 448 Schutz. Hat er im Moment der Leistung keine positive Kenntnis von der Zustimmungsbedürftigkeit, bleibt die Erfüllungswirkung erhalten. Bis zur Bekanntmachung der Anordnung wird seine Unkenntnis vermutet, danach muss er seine Unkenntnis beweisen, § 82 Abs. 1 InsO. Hat der Sachwalter einer zustimmungsbedürftigen Handlung des Schuldners 449 zugestimmt und begründet dieser dadurch eine Masseverbindlichkeit, haftet der Sachwalter für die Erfüllung derselben gem. § 277Abs. 1 S. 3 InsO nach § 61 InsO analog. Diese Gefahr besteht auch bei einer Anordnung im Eröffnungsverfahren gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO. Hierauf wird noch unten (Rn. 566 f.) einzugehen sein. (3) Zahlungszusagen Keine gesetzlich vorgesehene, wohl aber eine praktische immer wieder erforder- 450 liche Mitwirkung des Sachwalters besteht in der Kommunikation mit den Vertragspartnern des Schuldners. Vor allem im Eröffnungsverfahren haben diese ein besonderes Interesse daran, die Bezahlung der in dieser Zeit an den Schuldner erbrachten Leistungen sicherzustellen (oben Rn. 159). Deswegen verlangen viele Lieferanten sog. Zahlungszusagen728) vom Sachwalter,729) weil sie dies aus dem Regelinsolvenzverfahren vom vorläufigen Insolvenzverwalter gewohnt sind. (a) Auslegung der Erklärung Dieses aus dem Regelinsolvenzverfahren bekannte Instrument wird auch in 451 der Eigenverwaltung immer wieder nachgefragt. Denn wegen der Verwaltung durch den Schuldner sehen manche Gläubiger ein besonderes Bedürfnis, Erklärungen des ihnen aus dem Vergleich mit dem Regelinsolvenzverfahren eher vertrauten Sachwalters zu erhalten. Indes ist der Inhalt derartiger Erklärungen (besonders) in der Eigenverwaltung schwierig zu bestimmen. Es kann sich handeln um: x

einen Nicht-Widerspruch im Sinne des § 275 Abs. 1 S. 2 InsO,

x

eine Zustimmung im Sinne der §§ 275 Abs. 1 S. 1, 277 InsO,

x

eine persönliche Einschätzung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners,

___________ 726) 727) 728) 729)

Näher Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 19. Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 41. Dazu allgemein Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 810 ff. Lau, DB 2014, 1417, 1420.

133

C. Aufgaben und Kompetenzen

x

eine verbindliche Auskunft über die Zahlungsfähigkeit des Schuldners oder

x

eine persönliche Garantie des Sachwalters.

452 Während Nicht-Widerspruch und Zustimmung Rechtswirkungen nur nach den jeweiligen Normen entfalten, können die anderen Varianten für den Sachwalter Gefahren begründen. Denn erstens riskiert er seinen guten Namen, wenn der Schuldner die Forderungen entgegen der Erklärung nicht erfüllt: In künftigen Verfahren werden Gläubiger dem Sachwalter weniger vertrauen. Zweitens kann eine konkrete Zusage eine spätere Anfechtung hindern (unten Rn. 471 a. E.). Drittens kann der Sachwalter in die Gefahr einer persönlichen Haftung geraten. 453 Um zu ermitteln, welchen Inhalt eine vom Sachwalter abgegebene Erklärung hat, ist sie gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen. Als Hilfe für die Auslegung kann die Überlegung dienen, dass ein Sachwalter nur in Ausnahmefällen eine eigene Haftung wird begründen wollen.730) (b) Garantie und Auskunft 454 Übernimmt der Sachwalter eine persönliche Garantie, so kann er je nach Konstellation aus Garantievertrag (§§ 311, 241 BGB), Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis (§§ 780 f. BGB), Bürgschaft (§ 765 BGB) oder Schuldbeitritt auf das positive Interesse des Gläubigers haften. Er hat dann die Leistung selbst so zu erbringen, wie sie sonst der Schuldner erbracht hätte. In diesem Sinne wurden beispielsweise731) folgende Erklärungen ausgelegt: x

Die Zahlung sei „durch das Insolvenzsonderkonto sichergestellt“.732)

x

Der Verwalter erklärt, dass er „für die Bezahlung garantiere.“733)

x

„Für die Bezahlung … komme ich … persönlich auf.“734)

x

Eine in der „Eigenschaft als vorl. Verwalter“ erteilte „Deckungszusage“.735)

455 Erteilt der Sachwalter hingegen eine verbindliche Auskunft, so kann er, wenn diese falsch ist, auf Ersatz des negativen Interesses haften. Er unterliegt dann gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB der Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss. Dadurch hat er die Gläubiger so zu stellen, wie ___________ 730) Hinkel/Flitsch, ZInsO 2007, 1018, 1019; Schmidt/Schröder/Frind, HmbKo-InsO, § 22 Rn. 224. 731) Vgl. auch Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 812 mit diesen und weiteren Beispielen. 732) OLG Celle NZI 2004, 89 (für den vorläufigen „schwachen“ Verwalter). 733) OLG Rostock ZIP 2005, 220 (für den vorläufigen, starken Verwalter). 734) OLG Celle ZInsO 2004, 865 (für den Insolvenzverwalter). 735) OLG Brandenburg ZIP 1999, 1979 (für den Sequester).

134

III. Der Sachwalter

sie stünden, wenn er die Erklärung nicht abgegeben hätte (negatives Interesse). Als Rechtsprechungsbeispiele736) dienen die folgenden Erklärungen: x

Kosten könnten „aus der Insolvenzmasse übernommen werden“.737)

x

Bestätigung, dass Kosten „aus der Masse … beglichen werden“.738)

Der Unterschied zur Übernahme einer Garantie besteht darin, dass die Er- 456 klärung sich ausdrücklich auf die Masse bezieht.739) Dies steht im Rahmen der Auslegung einem Verständnis eigener Schuldbegründung durch den Verwalter entgegen. (c) Handhabung in der Eigenverwaltung Der Sachwalter ist also gut beraten, die soeben beschriebenen Aussagen zu 457 unterlassen. Zur Haftungsvermeidung schlägt Henkel für die vorläufige Verwaltung im Regelinsolvenzverfahren eine persönliche Auskunft vor. Danach solle der vorläufige Verwalter darauf hinweisen, dass er nach seiner derzeitigen Einschätzung von einer Bezahlung der Bestellung aus der Masse ausgehe.740) Praktisch gesehen mag eine solche Aussage haftungsneutral sein. In der Sa- 458 che ist sie aber in der Eigenverwaltung nicht unbedingt geboten.741) Denn soweit den Gläubigern die Besonderheiten dieses Verfahrens erklärt werden, sind sie in aller Regel gewillt, einen Nicht-Widerspruch gem. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO anstelle einer Ihnen aus dem Regelinsolvenzverfahren bekannten Zahlungszusage zu akzeptieren. Eine darüber hinausgehende Erklärung wäre angesichts unklarer Auslegungs- 459 ergebnisse und bisher lediglich für das Regelinsolvenzverfahren bestehender Rechtsprechung in der Eigenverwaltung riskant. Denn hier führt der Sachwalter die Geschäfte nicht selbst, sondern überwacht lediglich den Schuldner, so dass er eine erheblich geringere Kontrolle über die spätere Bezahlung von Forderungen – zumal auch dies durch den Schuldner stattfindet – ausübt. Um Vertrauen bei den Gläubigern zu schaffen, kann sich daher lediglich eine 460 allgemein gehaltene Erklärung anbieten nach folgendem Beispiel: „Der Geschäftsbetrieb des Schuldners kann uneingeschränkt fortgesetzt werden. Die Geschäftsführung bleibt voll handlungsfähig. Gerne bestätige ich Ihnen, dass ___________ 736) Vgl. wiederum Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 812 mit diesen und weiteren Beispielen. 737) OLG Schleswig NZI 2004, 92 (für den vorläufigen „schwachen“ Verwalter bei anschließend eintretender Masseunzulänglichkeit). 738) OLG Frankfurt/Main ZInsO 2007, 548 (für den vorläufigen „schwachen“ Verwalter). 739) Vgl. nur Rattunde, jurisPR-InsR 21/2007 Anm. 3. 740) Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 813. 741) Ebenso Lau, DB 2014, 1417, 1420.

135

C. Aufgaben und Kompetenzen

ich der vertragsgemäßen Leistung durch den Schuldner auf Verbindlichkeiten Ihnen gegenüber, die nach Antragstellung begründet werden, gemäß § 275 Abs. 1 InsO nicht widersprochen habe und dies auch nicht tun werde.“ [Damit kann der Schuldner die laufenden und von ihm seit Antragstellung begründeten Verbindlichkeiten im Fortgang des Verfahrens nach meiner derzeitigen Einschätzung aus der Masse ordnungsgemäß erfüllen.] 461 Soweit es sich um ein Schutzschirmverfahren mit einem Beschluss gem. § 270b Abs. 3 InsO handelt oder in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO gerichtliche Einzelermächtigungen erteilt wurden, kann der in Klammern genannte Nachsatz angefügt werden – insbesondere dann, wenn durch Übernahme der Kassenführung (oben Rn. 388 ff.) eine gesteigerte Kontrolle der Ausgaben besteht. 462 Soweit kein Ermächtigungsbeschluss besteht, hat der Nachsatz zu unterbleiben. Entsprechende Forderungen stellen dann nämlich bloße Insolvenzforderungen dar742) und wären gerade nicht voll aus der Masse zu erfüllen. Der Sachwalter könnte daher wegen falscher Auskunft einer Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB ausgesetzt sein. (4) Problem der Anfechtbarkeit 463 Mit Zustimmung und Nicht-Widerspruch stehen dem Sachwalter Möglichkeiten zur Verfügung, auf das Zahlungsverhalten des Schuldners Einfluss zu nehmen. Soweit diese Möglichkeiten Außenwirkung haben, also entsprechende Erklärungen den Gläubigern bekannt werden, fragt sich, welche Auswirkung dies auf die Anfechtbarkeit der geleisteten Zahlungen hat. Es ist nämlich denkbar, dass mit dem Verhalten des Sachwalters im Eröffnungsverfahren743) Vertrauenstatbestände geschaffen werden, welche eine spätere Anfechtung nach Verfahrenseröffnung ausschließen. Dieses Problem ist bislang kaum diskutiert worden744) und noch nicht gerichtlich entschieden. (a) Entwicklung in der Rechtsprechung 464 Die Grundlage für die Beantwortung dieser Frage stellt eine ständige Rechtsprechung des BGH dar, welche bereits zur Konkursordnung entwickelt wurde:745) Danach konnte der frühere Konkursverwalter auch solche Rechtshandlungen anfechten, die er selbst in seiner Eigenschaft als Sequester vor___________ 742) Vgl. zu diesem Problem ausführlich Bork, ZIP 2003, 1421, 1423. 743) Für das eröffnete Verfahren stellt sich die Frage nicht, denn anfechtbar sind gem. §§ 129 ff. InsO nur Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Verfahrens stattgefunden haben. Im Übrigen begründen Rechtshandlungen des Schuldners hier auch bereits gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten, die voll zu begleichen sind. 744) Vgl. aber Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 138 ff.; Erwähnung auch bei Flöther, ZInsO 2014, 465, 568. 745) Vgl. auch die Darstellung bei Stiller, ZInsO 2005, 529, 530 f.

136

III. Der Sachwalter

genommen hatte.746) Man ging davon aus, dass Handlungen vor der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner zuzurechnen und grundsätzlich anfechtbar seien.747) Eine Ausnahme wurde gewährt, wenn der Gläubiger mit einem Entzug nach Treu und Glauben nicht rechnen musste.748) Nach Schaffung der Insolvenzordnung wurde diese Überlegung auf den schwa- 465 chen vorläufigen Verwalter übertragen: Stimme er Rechtshandlungen des Schuldners zu, so seien diese nach Eröffnung gleichwohl – vorbehaltlich eines Vertrauenstatbestandes – anfechtbar.749) Denn § 55 Abs. 2 InsO sei auf den schwachen vorläufigen Verwalter unanwendbar, so dass gerade keine voll aus der Masse zu leistenden, sondern nur anfechtbare Verbindlichkeiten entstünden.750) (b) Übertragung auf die Eigenverwaltung Wurde der Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch 466 Beschluss ermächtigt (oben Rn. 171 ff.), ist eine Anfechtung der so begründeten Verbindlichkeiten von vornherein ausgeschlossen: Dies begründet sich aus dem Vertrauensschutz für den Rechtsverkehr (dazu schon oben Rn. 178). Außerhalb derartiger Einzelermächtigungen wird die Frage indes akut. Denn 467 der Grundgedanke der skizzierten Rechtsprechung ist folgender: Der Verwalter kann im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht an Handlungen vor Eröffnung gebunden sein, zumal sich die Aufgabe des schwachen, vorläufigen Verwalters auf die Sicherung und Erhaltung der künftigen Masse beschränkt und die Massemehrung durch Anfechtung erst mit Eröffnung als Pflicht hinzutritt.751) Von dieser Überlegung ausgehend ist die Lage in der vorläufigen Eigenver- 468 waltung vergleichbar: Auch hier bleibt der Schuldner verfügungsbefugt und der Sachwalter ist in seinem Zustimmungsvorbehalt Funktionsäquivalent des im Regelinsolvenzverfahren auftretenden schwachen vorläufigen Verwalters.752) Im Interesse des Erfordernisses der Massemehrung ab Verfahrenseröffnung muss daher auch insofern die Anfechtung von früheren Handlungen weiter möglich sein.753) Erteilt also der Sachwalter Rechtshandlungen des Schuldners gem. § 275 469 Abs. 1 S. 1 InsO seine Zustimmung, so sind diese dennoch grundsätzlich ___________ 746) 747) 748) 749) 750) 751) 752) 753)

Vgl. nur BGH ZIP 1992, 1005, 1007 m. w. N. zur Rspr.-Historie. BGH ZIP 1992, 1008. BGH ZIP 1992, 1005, 108. BGH ZInsO 2014, 598; ZInsO 2013, 551; ZInsO 2005, 209; offen gelassen noch von BGH ZIP 2003, 810. BGH ZInsO 2013, 551. BGH ZInsO 2005, 209; ZIP 1992, 1005, 1008. Vgl. etwa Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 58. Für die Übertragung der Rspr.-Grundsätze des Regel-Eröffnungsverfahrens auf die Eigenverwaltung auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 140 ff.

137

C. Aufgaben und Kompetenzen

anfechtbar. Dies ist auch der Fall, wenn der Sachwalter gem. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO nicht widerspricht. Schließt nämlich schon die Zustimmung eine Anfechtung grundsätzlich nicht aus, muss dies erst recht für den schwächeren Nicht-Widerspruch gelten. 470 Übernimmt der Sachwalter gem. § 275 Abs. 2 InsO die Kassenführung und leistet selbst Zahlungen, sind diese ebenfalls grundsätzlich anfechtbar:754) Die §§ 129 ff. InsO differenzieren bei der Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht nach dem die Rechtshandlung vornehmenden Subjekt, erfassen also auch den vorläufigen Sachwalter. Zudem handelt er bei der Kassenführung als gesetzlicher Vertreter des Schuldners (oben Rn. 393), so dass es sich rechtlich weiter um schuldnerisches Verhalten vor Eröffnung handelt, was grundsätzlich kein Vertrauen der Gläubiger begründet. Praxistipp: Die Frage der Anfechtbarkeit von Handlungen, die der Sachwalter im Rahmen der Kassenführung vornimmt, ist gerichtlich bislang ungeklärt. Geht man davon aus, dass eine vorbehaltlose Zustimmung (unten Rn. 471) schon einen Vertrauenstatbestand für die Gläubiger schafft, welcher die Anfechtung ausschließt, ist es denkbar, eine direkte Zahlung durch den Sachwalter ähnlich zu beurteilen. Will man sichergehen, dass eine spätere Anfechtung möglich ist, bietet sich im Einzelfall eine Integration in die Information des konkreten Gläubigers über die veränderte Kassenführung in der folgenden Art an: „Die angezeigte Übernahme der Kassenführung durch mich ändert nichts daran, dass ich Zahlungen rechtlich für den Schuldner leiste. Auf sie sind die allgemeinen Regelungen des Insolvenzverfahrens anwendbar, was im Einzelfalle auch eine spätere Anfechtung nicht ausschließt.“ Allerdings muss diese Information unbedingt dem jeweiligen Vertragsverhältnis angepasst werden. Als pauschaler Hinweis an alle Gläubiger würde die Nachricht wahrscheinlich dazu führen, dass die Vertragspartner von einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung absehen. Dies würde eine Betriebsfortführung erheblich erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.

(c) Ausnahmen vom Grundsatz 471 Die Anfechtung von Handlungen vor Verfahrenseröffnung ist ausgeschlossen, wenn die Gläubiger auf den Bestand der Leistung schutzwürdiges Vertrauen entwickelt haben. Hierfür haben sich in der Rechtsprechung folgende Leitlinien entwickelt, die auch in der Eigenverwaltung relevant sein dürften: x

Leistet der vorläufige Verwalter seine Zustimmung im Zusammenhang mit einem neuen Vertragsschluss vorbehaltlos, so soll dies einen nicht mehr zerstörbaren Vertrauenstatbestand begründen.755) Der vorläufige Sachwalter könnte also seine Zustimmung unter dem Vorbehalt einer

___________ 754) Flöther, ZInsO 2014, 465, 567; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 143. 755) BGH ZInsO 2005, 209, 210; ZInsO 2005, 88; offen gelassen noch von BGH ZInsO 2003, 417, 418.

138

III. Der Sachwalter

späteren Rückforderung aussprechen.756) Einen Nicht-Widerspruch muss er hingegen – was freilich gerichtlich noch nicht entschieden ist – nicht unter Vorbehalt erklären, denn ein solcher kann von vornherein nicht dasselbe Maß an Vertrauen begründen wie eine Zustimmung. x

Muss der vorläufige Verwalter jedoch seinen Vorbehalt wegen der Marktmacht oder des Widerstandes des Gläubigers zurücknehmen oder erklärt er ihn aus diesen Gründen gar nicht erst, so schließt das eine Anfechtung nicht aus:757) Denn dem Gläubiger fehlt dann auch ohne einen gesonderten Hinweis schutzwürdiges Vertrauen, soweit er erkennen kann, dass eine vorbehaltlose Zustimmung nur wegen seines Einflusses auf das Verfahren zustande gekommen ist. Diese Konstellationen sind in der Eigenverwaltung genauso bedeutsam, wobei vorläufiger Verwalter ebenso wie Sachwalter hierfür die Darlegungs- und Beweislast tragen.

x

Ein Vorbehalt ist ebenfalls nicht erforderlich, wenn die Zahlung nicht zur Fortführung eines erhaltungswürdigen Unternehmens erfolgt und die übrigen Gläubiger unmittelbar benachteiligt. Denn dann kann der Gläubiger, der keine Leistungen mehr an den Schuldner erbringt, die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung sofort erkennen und kein Vertrauen entwickeln.758)

x

Erklärt der vorläufige Verwalter seine Zusage, nicht anzufechten, ist er daran nach Eröffnung gebunden – auch dann, wenn ein Wechsel in der Person des Verwalters stattfindet.759) Dies gilt genauso für den Sachwalter, weil das materiell-rechtliche Verbot des venire contra factum proprium für eine spätere Anfechtung desselben ebenso greift. In diesem Kontext sind auch Zahlungszusagen gefährlich und daher in ihrer Formulierung vor der Abgabe genau zu prüfen (dazu schon oben Rn. 451 ff.).

(5) Änderung der Geschäftsleitung Ist der Schuldner keine natürliche Person, so haben seine Organe in der In- 472 solvenz keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung, § 276a S. 1 InsO. Von diesem Grundsatz macht S. 2 der Norm für die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung eine Ausnahme,760) soweit der Sachwalter zustimmt. Diese Regelung ist im eröffneten Verfahren anwendbar, aufgrund der fehlen- 473 den Verweisung in den §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO aber nicht ___________ So auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 143. BGH ZInsO 2013, 551; ZInsO 2006, 208; ZInsO 2003, 417. BAG ZInsO 2005, 388, 389; angedeutet auch bei BGH ZInsO 2003, 417. BGH ZInsO 2013, 551, 552; keinen Vorbehalt für notwendig haltend hingegen mit guten Gründen Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2005, 324. 760) Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 50. 756) 757) 758) 759)

139

C. Aufgaben und Kompetenzen

im Eröffnungsverfahren.761) Darüber hilft auch nicht die Befürchtung hinweg, die Norm würde sonst „leer laufen“.762) Denn vor der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung fehlt die Legitimation, die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung zu verändern.763) (a) Begriff der Geschäftsleitung 474 Soweit die Norm auf die Geschäftsleitung abstellt, ist sie für Kapitalgesellschaften eindeutig formuliert: So betrifft ihr Regelungsgehalt bei der AG den Vorstand und bei der GmbH den Geschäftsführer. Die von der Norm benannte Abberufung oder Neubestellung der Mitglieder entspricht der Beendigung oder Zuweisung der organschaftlichen Stellung an die jeweiligen Personen; der regelmäßig mit abgeschlossene Dienstvertrag ist nicht erfasst.764) 475 Handelt es sich um eine „& Co.“-Gesellschaftsform, so ist „Mitglied“ im Sinne des § 276a InsO die geschäftsführende Gesellschaft. Hingegen erfasst die Norm schon nach ihrem Wortlaut nicht die Mitglieder des Mitgliedes, also die Organwalter der geschäftsführenden Gesellschaft.765) 476 Die insgesamt im Wortlaut zutage tretende organschaftliche Formulierung hat dazu geführt, dass bei Personengesellschaften bisweilen differenziert wird: Sei die Gefahr des missbräuchlichen Austauschs der Geschäftsführung wie etwa bei persönlich haftenden Gesellschaftern als Geschäftsführern gering, sei § 276a InsO nicht anwendbar.766) Die damit angesprochenen Überlegungen zum Schutzzweck der Norm erfordern aber keine teleologische Reduktion. Sie lassen sich vielmehr bei der Frage der Zustimmung verorten (unten Rn. 477 ff.). Daher ist § 276a InsO auf jeden Fall der Aufnahme neuer oder des Austritts alter Geschäftsführer bei Personengesellschaften anwendbar. (b) Zustimmung und Wirkung 477 Auch in der Insolvenz bleiben die fachrechtlichen Regelungen der Abberufung oder Bestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung weiter anwendbar. Mithin sind diese Akte nach Gesellschaftsrecht vorzunehmen,767) stehen aber unter einem „insolvenzrechtlichen Wirksamkeitsvorbehalt“.768) ___________ 761) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 276a Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 6; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 353 m. w. N. 762) So aber Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 274. 763) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 6; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 6. 764) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 276a Rn. 7; Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 50. 765) Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 55. 766) Vgl. im Einzelnen Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 51 ff. 767) Braun/Riggert, InsO, § 276a Rn. 3; Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 56; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5. 768) So plastisch Braun/Riggert, InsO, § 276a Rn. 3; vgl. auch Schmidt/Fiegbig, HmbKoInsO, § 276a Rn. 2: „insolvenzrechtliche Überlagerung“.

140

III. Der Sachwalter

Erst mit Zustimmung des Sachwalters werden sie wirksam, wobei die Zu- 478 stimmung sowohl im Voraus als auch nachträglich gegenüber dem zuständigen Organ769) erteilt werden kann.770) Aus der Regelung des § 276a S. 3 InsO folgt, dass der Sachwalter die Entscheidung als Prognose zu treffen hat:771) Führt die Änderung in der Zusammensetzung der Geschäftsleitung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit772) nicht zu Gläubigernachteilen, ist er zur Zustimmung verpflichtet. Umgekehrt zeigt die Norm, dass andere Gesichtspunkte als Gläubiger- 479 nachteile – wie etwa Arbeitsplatzerhalt – keine Rolle spielen,773) was sich nach hiesigem Verständnis bereits aus der Rechtskonstruktion der Schuldner-Sachwalter-Beziehung ergibt (oben Rn. 135 ff.). Im Falle eines nonliquet ist der Sachwalter wegen der Negativformulierung der Norm („wenn … nicht“) verpflichtet, zuzustimmen.774) Um dem Sachwalter die Entscheidung zu ermöglichen, sind die zuständigen 480 Organe gem. § 97 Abs. 2 InsO verpflichtet, ihn über die geplante Änderung und ihre Beweggründe für diese zu informieren.775) Dies umfasst auch Informationen über die jeweils von der Bestellung betroffene Person, weil nur mithilfe von Informationen über ihre Erfahrung und Kenntnisse eine Prognose über Gläubigernachteile getroffen werden kann.776) bb) Einvernehmen durch den Schuldner Die Normen der §§ 279 S. 2 i. V. m. 103 bis 128, 282 Abs. 2 InsO erfordern, 481 dass der Schuldner in diesen Bereichen im Regelfall (dazu allgemein oben Rn. 29) im Einvernehmen mit dem Sachwalter handelt. Dies hielt der Gesetzgeber wegen der – im Einzelnen nicht näher erläuterten – „Bedeutung dieser Rechte“ für angezeigt.777) Was das für den Sachwalter bedeutet, ist unklar, denn der Begriff des Einvernehmens ist bislang keiner Klärung zugeführt worden. ___________ 769) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 251. 770) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 276a Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 276a Rn. 10. 771) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5; dem folgend Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 58; anders Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 250: „Ermessen“. 772) Ähnlich Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 58: Nachteile „vernünftigerweise zu erwarten“ (Hervorhebung im Original). 773) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5; dem folgend Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 58; anders Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 33: „Gesamtinteressen aller Verfahrensbeteiligten“. 774) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5. 775) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 31 f. 776) Ebd. 777) BT-Drucks. 12/2443, S. 225; vgl. auch Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 279 Rn. 1: „[Es] konstituieren die Sätze 2 u. 3 ein gestuftes Gläubigerschutzssystem […]“.

141

C. Aufgaben und Kompetenzen

482 Gesichert ist nur die Erkenntnis, dass ein Einvernehmen mit dem Sachwalter mindestens die Information desselben durch den Schuldner voraussetzt.778) Darüber hinaus wird der Begriff lediglich mit „sich abstimmen“779) umschrieben oder erklärt, er schließe ein Handeln gegen den Willen des Sachwalters aus.780) 483 Sprachlich kann Einvernehmen zwar als „Einigkeit“ verstanden werden, aber auch als bloßes „das Vernehmen einholen“, also den Sachwalter befragen. Für Letzteres spricht die Systematik: Setzt beispielsweise § 279 S. 2 InsO ein Einvernehmen voraus, S. 3 der Norm aber die Zustimmung, meint Einvernehmen offenbar weniger als die Zustimmung.781) Kann Einvernehmen daher auch ohne Zustimmung vorliegen, zeigt sich: 484 Die §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO verpflichten den Schuldner, im Regelfall (oben Rn. 481) den Sachwalter zu Informieren und zuzuhören, was dieser zur geplanten Handlung zu sagen hat.782) Sie verpflichten ihn aber nicht, die (im Außenverhältnis ohnehin wirksame, vgl. oben Rn. 200) Handlung zu unterlassen, wenn der Sachwalter sie für nicht sinnvoll hält; Hierzu ist der Schuldner, soweit der Sachwalter Recht hat, vielmehr schon aufgrund der ihn treffenden originären insolvenzrechtlichen Bindungen verpflichtet (oben Rn. 143). 485 Der Sachwalter ist als Reflex daher lediglich dazu berechtigt, seine (wegen insolvenzrechtlicher Kenntnisse) qualifizierte Rechtsmeinung zu der Handlung abzugeben.783) Er kann dem Schuldner insofern erklären, was aus Gründen des Gläubigerschutzes richtig ist. Dies gilt freilich nur, soweit der Schuldner seiner vorgelagerten Informationsverpflichtung nachkommt. 486 Für den Sachwalter sind die §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO also vornehmlich eine Erkenntnisquelle, aus der er Informationen über das geplante schuldnerische Verhalten erlangt.784) Soweit sich daraus Anhaltspunkte ergeben, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, kann er den Schuldner zwar darauf hinweisen. Als praktisch wirksame Maßnahme steht ihm aber nur die Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO zur Verfügung.785)

___________ 778) Frege/Nicht, in: Kübler, HRI, § 4 Rn. 141; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 279 Rn. 4; Braun/Riggert, InsO, § 282 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 7. 779) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 4. 780) Braun/Riggert, InsO, § 282 Rn. 6; Schmidt/Fiebig/Streck, HmbKo-InsO, § 282 Rn. 5. 781) Anders Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 279 Überschriften Rn. 9 und 13. 782) Ähnlich Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 7: „Beteiligung des Sachwalters“. 783) Ähnlich Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 705. 784) So wohl auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 705: Einvernehmen als „Mittel zur Überwachung“. 785) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 7; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 20.

142

III. Der Sachwalter

cc) Beratung (1) Rechtliche Rahmenbedingungen In den §§ 270 ff. InsO verpflichtet den Sachwalter lediglich die Norm des 487 § 284 Abs. 1 S. 2 InsO zur Beratung des Schuldners im Falle von dessen Erstellung eines Insolvenzplanes (dazu oben Rn. 272 f.). Daneben gibt es lediglich mit den §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO Normen, die den Sachwalter zur Darlegung seiner Rechtsauffassung berechtigen. Diese punktuelle Regelung legt den Umkehrschluss nahe, dass er außerhalb dieser Fälle nicht zu einer generellen Beratung verpflichtet ist.786) Negativ eingegrenzt hat der Sachwalter gem. §§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1, 3 488 Nr. 2 InsO unabhängig zu sein. Nach der Vorstellung dieser Normen schließt allein eine „allgemeine“ Beratung im Vorfeld diese Unabhängigkeit nicht aus. Daraus wird bisweilen der Schluss gezogen, eine „spezielle“ Beratung sei dem Sachwalter verwehrt und er dürfe daher nicht als verfahrensbegleitender Berater des Schuldners tätig sein.787) Daran ist jedenfalls so viel richtig, als dass der Sachwalter seine Funktion im 489 Verfahren wahren muss. Er ist Organ zum Schutz von Gläubigerinteressen. Damit wäre es rechtlich nicht vereinbar, als Berater dem Schuldner bei der Durchsetzung seiner Interessen zu helfen, Spielräume auszunutzen. Allerdings ist damit nicht gesagt, dass der Sachwalter den Schuldner nicht beraten darf, wie dieser Gläubigerinteressen im Verfahren wahren soll.788) Eine solche Beratung ist auch gerade nicht durch die §§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 2 InsO ausgeschlossen: Ihrem Zweck nach schließen sie die Unabhängigkeit nämlich nur für eine vor Antragstellung erfolgte und vom Schuldner in seinem Interesse in Auftrag gegebene spezielle Beratung aus.789) Sie erlauben deswegen keinen Rückschluss auf die Unzulässigkeit einer gläubigerschützenden Beratung. Rechtlich steht dem Sachwalter also eine Spannbreite zur Verfügung. Diese 490 reicht von einer Beratung lediglich in dem gesetzlich vorgesehenen Fall bis hin zu einer konkreten Beratung, wie in der Eigenverwaltung und in zahlreichen Einzelentscheidungen Gläubigerinteressen zu berücksichtigen sind. (2) Entscheidung über den Beratungsumfang Die Handhabung innerhalb dieser Spannbreite ist einfach, soweit der Schuld- 491 ner idealtypisch handelt: Nach der Vorstellung der §§ 270 ff. InsO soll er ___________ 786) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1073 ff., bes. 1090, der jedoch aus dem Umstand, dass eine Beratung sinnvoll ist, unzulässigerweise schließt, dass der Sachwalter zu ihr auch verpflichtet sei. 787) Dazu Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 5; Flöther, ZInsO 2014, 465, 470. 788) So schon Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1085 f. 789) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 660.

143

C. Aufgaben und Kompetenzen

die Verwaltung übernehmen und der Sachwalter soll lediglich kontrollieren und in wenigen Einzelfällen eingreifen. Außerhalb dessen soll für den Sachwalter keine Veranlassung bestehen, zu handeln. Dies funktioniert praktisch immer dann, wenn der Schuldner mithilfe von externen Beratern790) oder Sanierungsgeschäftsführern die Betriebsfortführung und die allgemeine Masseverwaltung in der Insolvenzsituation im Griff hat. Praxistipp: Um die Finanzierung externer Kräfte zu sichern, bietet es sich praktisch an, die Beauftragung und Bezahlung über die Gesellschafter des Schuldners abzuwickeln. Diese sind erfahrungsgemäß häufig bereit, dadurch an der Sanierung mitzuwirken und das Problem der Begründung von Masseverbindlichkeiten bzw. der Anfechtbarkeit791) entfällt dadurch.792)

492 Das ist ein wünschenswertes Bild, aber nicht die Regel. Handelt der Schuldner ohne qualifiziertes Personal, wird er regelmäßig Fehler machen.793) Der Sachwalter muss dann entscheiden, wie er weiter vorgeht: x

Zeigt er die Gefahr von Gläubigernachteilen gem. § 274 Abs. 3 InsO an, ist er haftungsrechtlich abgesichert. Er wird allerdings damit im praktischen Ergebnis die Eigenverwaltung beenden und die angestrebte Sanierung zum Scheitern bringen.

x

Gibt er keine Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO ab, sorgt aber auch nicht auf andere Weise für eine Korrektur des falschen schuldnerischen Verhaltens, gerät er gegenüber den Gläubigern in eine Haftungsgefahr (unten Rn. 553). Auch kann, je nach Art des schuldnerischen Fehlverhaltens, das Sanierungsziel vereitelt werden.

x

Gibt er keine Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO ab, berät aber den Schuldner mit dem Ziel einer Verhaltenskorrektur, kann er für eine falsche Beratung haften. Denn zwar ist er zur Durchführung einer Beratung nicht verpflichtet, muss sie aber, wenn er sie vornimmt, korrekt ausführen. Auch ist ein Vergütungszuschlag für Beratung durch den Sachwalter jedenfalls nicht in der InsVV vorgesehen (vgl. aber unten Rn. 588). Allerdings wird er mit diesem Vorgehen vielfach die angestrebte Sanierung voranbringen können.

493 Die Wahl zwischen der ersten und letzten Variante ist rechtlich nicht determiniert. Über sie kann der Sachwalter daher autonom entscheiden. Steht für ihn lediglich die Vermeidung von Haftungsgefahren im Vordergrund, liegt eine Nachteilsanzeige nahe. Sie entspricht auch der Zielvorstellung des Gläu___________ 790) 791) 792) 793)

144

Vgl. dazu etwa Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1763 ff. Dazu ausführlich Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1772 ff. Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 65. Bierbach, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 13; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1079; Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 33.

III. Der Sachwalter

bigerbezuges gem. § 1 InsO. Allerdings ist eine solche Anzeige von vornherein ungeeignet, Ziele zu erreichen, die außerhalb der Insolvenzordnung bestehen und nur zum Teil rechtlich erfassbar sind: x

Der Unternehmenserhalt als eigener Wert außerhalb des Gläubigerbezuges in § 1 S. 1 Var. 2 InsO wird verfehlt. Dieser ist jedenfalls durch die Art. 12, 14 GG des Schuldners rechtlich anerkennenswert.

x

Es werden regelmäßig Arbeitsplätze beseitigt, was rechtlich dem in § 1 SGB III enthaltenen Gedanken einer Vermeidung von Arbeitslosigkeit widerspricht und volkswirtschaftlich nicht erstrebenswert ist.

x

Darüber hinaus wird dem Markt ein Akteur entzogen, was volkswirtschaftlich nachteilig sein kann: Einerseits fallen die vom Unternehmen angebotenen Güter oder Dienstleistungen für den Konsum weg und andererseits sinkt je nach der konkreten Marktsituation der Konkurrenzdruck auf die übrigen Marktteilnehmer.

x

Schließlich wird der Sachwalter das konkrete Verfahren nicht erfolgreich zum Abschluss bringen. Dies kann auf seine Bestellung in künftigen Verfahren Einfluss haben. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das konkrete Verhaltens des Sachwalters in den Augen des Schuldners und potentieller weiterer Schuldner eine Art Dolchstoßlegende entstehen lässt. Inwieweit hingegen Gläubiger in ihm umgekehrt fortan einen besonders harten und rigiden Kontrolleur erblicken werden, ist ebensowenig abzusehen.

Diese Ziele darf der Sachwalter zwar nicht über die Gläubigerinteressen 494 stellen, weil dies seiner Funktion im Verfahren widerspräche. Soweit er aber Gläubigerinteressen wahren und zugleich diese Ziele verwirklichen kann, steht dem rechtlich nichts im Wege. Handhabt er daher die Eigenverwaltung ohnehin schon nicht nach dem ge- 495 setzlich vorgesehenen Minimum, sondern verhält sich durch gesteigertes Engagement im Verfahren eher wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter, spricht viel dafür, dass er zur Wahrung und Förderung der Gläubigerinteressen auch beratend auf den Schuldner einwirken sollte. Denn praktisch kann eine Eigenverwaltung nur so erfolgreich sein. Das damit verbundene Haftungsrisiko für eine Falschberatung muss er zum Zwecke der Zielerreichung in Kauf nehmen. (3) Handhabung der Beratung Entscheidet sich der Sachwalter für eine Beratung im Verfahren, sollte damit 496 früh begonnen werden. Hierfür bietet es sich an, so schnell wie möglich nach der Bestellung einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Dieser sollte mindestens mit den Geschäftsführern stattfinden, jedoch kann auch die Einbindung sonstigen sachkundigen Personals des Schuldners – wie etwa der

145

C. Aufgaben und Kompetenzen

kaufmännischen Leitung – erforderlich sein. Der Termin kann Folgendes umfassen: x

Ein erstes Kennenlernen.

x

Einen Bericht des Schuldners über seinen Geschäftsbetrieb und seine Vorstellung über die Fortführung in der Insolvenzsituation.

x

Ein Besprechen der akuten Probleme zur kurzfristigen Fortführung des Betriebes, wobei zunächst vor einer Sanierung die Stabilisierung im Vordergrund steht.

x

Die Erklärung der betriebswirtschaftlichen und insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Fortführung, dabei insbesondere die Leistungsabgrenzung, die unzulässige Verrechnung mit Altforderungen, den Widerruf von Lastschriften und die Kündigung von Daueraufträgen, die Handhabung von Zessionen und der Umgang mit Eigentumsvorbehalten.

x

Die Abstimmung eines Prüf- und Kontrollkonzeptes, mit welchem der Sachwalter dem Schuldner Art, Umfang und Zeitintervalle der vorzulegenden Unterlagen vorgibt. Insofern kann auch die Klärung vorbereitet werden, inwieweit sich der Schuldner angesichts der Qualität der bisherigen Unterlagen externer Buchhalter oder Berater bedienen sollte.

x

Klärung, welche Geschäfte des Schuldners gem. § 275 Abs. 1 InsO dem Widerspruchs- bzw. Zustimmungsrecht des Sachwalters unterfallen794) und wer die Kasse bzw. Konten führt.795)

x

Die Aufteilung, welche Vertragspartner des Schuldners auf welche Weise von wem informiert werden. Dabei wird eine Information grundsätzlich dem Schuldner obliegen. Er muss Lieferanten, Dienstleister, Versorger und sonstige wesentliche Gläubiger über die Aufgabenverteilung in der Eigenverwaltung ebenso in Kenntnis setzen, wie über die Verfahrensweise bei Neubestellungen und ihre Bezahlung bzw. Sicherheiten im Eröffnungsverfahren und den Umgang mit Altforderungen.796) In dem Kontext kann auch eine konkret zu besprechende Öffentlichkeitsarbeit erforderlich sein.797)

Die Klärung, wie mit Arbeitnehmern zu verfahren ist, inwieweit also Insolvenzgeld vorzufinanzieren ist, welche Aufgaben in diesem Kontext der Sachwalter übernimmt (oben Rn. 181 f.) und wie eine Information der Arbeitnehmer zum Beispiel in einer Betriebsversammlung798) unter Anwesenheit des Sachwalters stattfinden sollte – letzteres wäre unbedingt verfahrensförderlich. ___________ x

794) 795) 796) 797) 798)

146

Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 453. Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 38. Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 520, 522. Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 526 f. Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 519.

III. Der Sachwalter Praxistipp: Im Rahmen der ersten Beratung kann auch geklärt werden, inwieweit Projektgruppen aus Personal des Schuldners bzw. externen Beratern den Verfahrensfortgang koordinieren sollen. Insbesondere in großen Verfahren kann es sich dabei anbieten, die Liquiditätssteuerung, arbeitsrechtliche Maßnahmen, Insolvenzplanerstellung, Öffentlichkeitsarbeit und Lieferantenbeziehungen auf derartige Gruppen aufzuteilen, um eine Spezialisierung beim Schuldner zu fördern und damit die Geschäftsführung zu entlasten.799) Denn die Geschäftsführung wird durch Vertragspartner und Sachwalter im Verfahren ohnehin weit über die normalen Maße hinaus in Anspruch genommen.

Auch jenseits des ersten Besprechungstermins wird im Verfahren regelmäßig 497 Beratungsbedarf auftreten. Dabei muss der Sachwalter berücksichtigen, dass der Schuldner die Entscheidungen trifft und zu verantworten hat. Beratungen sollten sich daher regelmäßig auf das Darstellen der Rechtsauffassung des Sachwalters hinsichtlich der Gläubigerinteressen beschränken und keine konkreten Handlungsanweisungen umfassen. Insbesondere wird der Schuldner strategische und unternehmerische Ange- 498 legenheiten,800) sowie Zweifelsfragen, die rechtlich nicht oder nur unzureichend geklärt sind, selbst entscheiden müssen. Diese Verantwortung obliegt ihm nach dem Konzept der §§ 270 ff. InsO und der Sachwalter kann ihm diesbezüglich lediglich die rechtlichen Probleme aufzeigen. Insofern hat er sich also gegenüber einer Stellung als Verwalter im Regelinsolvenzverfahren zurückzuhalten. Praxistipp: Der Sachwalter kann in Beratungsgesprächen inhaltlichen Druck aufbauen. Denn soweit schuldnerische Entscheidungen mit Gläubigerinteressen unvereinbar sind, kann er auf eine bei fehlender Verhaltensänderung notwendige Nachteilsanzeige hinweisen. Von dieser Möglichkeit sollte indes sparsam Gebrauch gemacht werden. Die Eigenverwaltung lebt von einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Sachwalter und Schuldner und wird gestört, wenn der Schuldner den Eindruck hat, dass der Sachwalter stets gegen ihn agiert.

3. Änderung der Aufgabenverteilung Die vorstehend dargestellte Aufteilung der Aufgaben zwischen Schuldner 499 und Sachwalter entspricht dem gesetzlichen Leitbild. Sie kann durch Anordnungen gem. § 277 InsO im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren abgewandelt werden (oben Rn. 434 ff.). Aber auch in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO und dem Unterfall des Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO können die Rechte der Beteiligten anders gestaltet sein.

___________ 799) Zum Ganzen ausführlich Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 49 ff. 800) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1087.

147

C. Aufgaben und Kompetenzen

a) Gerichtliche Änderung 500 Dies begründet sich daraus, dass dem Gericht insofern mit § 21 InsO Möglichkeiten zur Verfügung stehen, mit weiteren Sicherungsmaßnahmen die Kompetenzen von Schuldner und vorläufigem Sachwalter umzuverteilen.801) Die Norm ist, allerdings nicht in allen Varianten, auch in der vorläufigen Eigenverwaltung anwendbar. Im Einzelnen ergibt sich folgende Übersicht: x

Die offene Norm des § 21 Abs. 1 InsO erlaubt dem Gericht sowohl in der vorläufigen Eigenverwaltung802) gem. § 270a InsO als auch im Schutzschirmverfahren803) gem. § 270b InsO das Treffen von Anordnungen. Damit ist ein Eingriff in die Aufteilung der Befugnisse zwischen Sachwalter und Schuldner möglich.804) Soweit im Regel-Eröffnungsverfahren hierauf auch die Einräumung von Befugnissen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gestützt wird,805) ist dies auch im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung möglich (oben Rn. 171 ff.).

x

Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO) scheidet aus. § 270a Abs. 1 S. 2 InsO stellt eine den Rückgriff hierauf ausschließende Spezialvorschrift zugunsten der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters dar.806) Ausdrücklich geregelt ist dies für das Schutzschirmverfahren auch in § 270b Abs. 2 S. 3 InsO.807)

x

Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO) ist in der vorläufigen Eigenverwaltung möglich und im Falle des Pflichtausschusses gem. § 22a Abs. 1 InsO zwingend (zum Ganzen eingehend oben Rn. 81). Dies zeigt im Schutzschirmverfahren schon § 270b Abs. 2 S. 3 InsO. Die Einsetzung ist auch im Falle des Antragsausschusses gem. § 22a Abs. 2 InsO ratsam, um bei Abstimmung mit den Gläubigern außerhalb des Schutzschirmverfahrens gem. §§ 270a Abs. 1 S. 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 2 InsO Einfluss auf die Person des (vorläufigen) Sachwalters zu nehmen (dazu oben Rn. 83 ff.) und gem. § 270 Abs. 3 S. 2 InsO eine Nicht-Nachteiligkeit der Eigenverwaltung bei Zustimmung des vorigen Gläubigerausschusses zu fingieren.808)

___________ 801) Bei Eigenantrag in der Eigenverwaltung ist derlei jedoch nur „ausnahmsweise erforderlich“ nach LG Bonn ZInsO 2003, 806 – das gilt auch heute, wenngleich die Entscheidung vor Inkrafttreten der §§ 270a f. InsO erging. 802) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 27. 803) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 12 f.; Arens/Gehrlein/Ringstmeier/ Ringstmeier, FAK-InsO, § 270b Rn. 25. 804) Ausdrücklich Wimmer/Foltis, FK-InSO, § 270b Rn. 39. 805) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 14. 806) Vgl. nur Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 28; anders, soweit ersichtlich, nur Nöll, ZInsO 2013, 745. 807) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 12; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 28. 808) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 11.

148

III. Der Sachwalter

x

Ein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 1 InsO) ist in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO im Regelfall („soll“) unzulässig.809) Das schließt zwar seinen Erlass in atypischen Fällen nicht aus, was aber praktisch bedeutungslos ist:810) Dann böte sich bereits keine vorläufige Eigenverwaltung, sondern das Regelinsolvenzverfahren an. Im Schutzschirmverfahren ist ein allgemeines Verfügungsverbot bereits gem. § 270b Abs. 2 S. 3 InsO unzulässig.811)

x

Ein Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO) für bestimmte Geschäfte kommt in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO in Frage, wäre aber im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO rechtswidrig (oben Rn. 437).

x

Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO) kann das Gericht im Eröffnungsverfahren in jedem Falle untersagen,812) soweit nicht Immobilienvermögen betroffen ist.

x

Eine Postsperre (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 InsO) ist rechtlich in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO zwar denkbar; praktisch wäre, soweit sie tatsächlich nötig ist, aber eine Eigenverwaltung nicht opportun.813) Für das Schutzschirmverfahren erlaubt § 270b Abs. 2 S. 3 InsO eine solche Maßnahme ebenso ausdrücklich; allerdings gilt auch hier, dass ihre Notwendigkeit eher für eine Nachteiligkeit der Eigenverwaltung für die Gläubiger spräche. Sie wird allenfalls dort in Betracht kommen, wo sich ein Scheitern der Eigenverwaltung bereits abzeichnet und eine Aufhebung bevorsteht.814)

x

Ein Verwertungsverbot (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO) ist in der vorläufigen Eigenverwaltung815) gem. § 270a InsO ebenso möglich wie im Schutzschirmverfahren816) gem. § 270b InsO.

x

Eine zwangsweise Vorführung und Haft des Schuldners (§ 21 Abs. 3 InsO) ist zwar möglich, wird aber wegen des dadurch belegten Fehlens der Mitwirkungsbereitschaft eine Nachteiligkeit der Eigenverwaltung für

___________ 809) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6 und wohl auch Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 2 ff. 810) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 8: „nicht tunlich“. 811) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270b Rn. 12 f.; Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 98. 812) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 12; Nerlich/Römermann/ Riggert, InsO, § 270b Rn. 31 f. 813) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 12. 814) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 33. 815) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 10. 816) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 12; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 34.

149

C. Aufgaben und Kompetenzen

die Gläubiger indizieren.817) Daher wäre die Nachteilsanzeige des Sachwalters das zweckmäßigere Mittel. b) Änderung durch die Gläubiger 501 Die rechtlichen Möglichkeiten der Gläubiger, die Rechte und Pflichten des Schuldners oder Sachwalters zu regeln, sind begrenzt. Denn weder Gläubigerversammlung, noch (vorläufiger) Gläubigerausschuss besitzen ein allgemeines Weisungsrecht.818) Dieser schon im Regelinsolvenzverfahren bestehende Befund gilt auch in der Eigenverwaltung.819) Insbesondere ist es den Gläubigern damit verwehrt, über Weisungen Einfluss auf die Geschäftsführung durch den Schuldner zu nehmen.820) Weisungsbefugnisse bestehen vielmehr nur punktuell.821) Insbesondere können die Gläubiger: x

die Grundentscheidung über das Verfahrensziel gem. § 157 InsO treffen, also festlegen, ob Liquidation, Fortführung oder die Erstellung eines Insolvenzplans stattfinden sollen,

x

die Hinterlegung oder Anlage von Wertgegenständen gem. § 149 InsO regeln,

x

einen Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO beantragen oder

x

dem Schuldner oder Sachwalter Berichtspflichten (oben Rn. 225) auferlegen.

502 Darüber hinaus ist ihre Mitwirkung gem. §§ 276, 160 InsO vorgesehen, wenn der Schuldner besonders bedeutsame Rechtshandlungen vornimmt. In diesen Fällen hat er zuvor die Zustimmung der Gläubiger einzuholen (oben Rn. 218 f.). Praktisch kann es sich anbieten, dass Gläubigerausschüsse bereits im Voraus festlegen, was unter diese Norm fällt. Betrifft die Festlegung die Fälle, die ohnehin unter § 160 InsO zu subsumieren sind, ist dagegen nichts zu erinnern. Dann besteht für die Beteiligten vielmehr eine gesteigerte Klarheit der Aufgabenverteilung. 503 Definieren die Gläubiger aber Fälle als besonders bedeutsam, die nicht unter § 160 InsO fallen, nehmen sie für sich ein nicht bestehendes Weisungsrecht in Anspruch. Denn dann ist der Schuldner gem. §§ 276, 160 InsO gerade nicht verpflichtet, die Zustimmung der Gläubiger einzuholen und kann mangels Weisungsbefugnis derselben hierzu auch nicht durch eine Entscheidung der Gläubiger verpflichtet werden. ___________ 817) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6. 818) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 69 Rn. 12; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 69 Rn. 2; Uhlenbruck/ders., InsO, § 69 Rn. 10; Wimmer/Schmitt, FK-InsO, § 69 Rn. 4. 819) BT-Drucks. 12/2443, S. 224 a. E. 820) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1143 f. 821) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1147.

150

III. Der Sachwalter

Dies wäre vielmehr eine rechtswidrige Einflussnahme auf die Geschäftsfüh- 504 rung und Masseverwaltung des Schuldners. Ein Verstoß des Schuldners dagegen würde damit auch keine Pflicht des Sachwalters zur Nachteilsanzeige auslösen. Denn wären den Gläubigern solche Einflussnahmen schon im Regelinsolvenzverfahren verwehrt,822) kann eine Zuwiderhandlung des Schuldners für sie auch in der Eigenverwaltung kein geringeres Schutzniveau (dazu oben Rn. 360 f.), also einen Nachteil gem. § 274 Abs. 3 InsO, bedingen. Dieser rechtliche Befund sagt freilich nichts über die faktische Bindungs- 505 wirkung derartige Festlegungen der Gläubiger aus. Diese sind nämlich gem. § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO jederzeit mit der dort bezeichneten Mehrheit befugt, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen. Sie verfügen damit über ein enormes Sanktionspotential, das faktisch die Befolgung ihrer Festlegungen durch den Schuldner sicherstellt. 4. Nicht geregelte Fälle Die Aufgabenverteilung der §§ 270 ff. InsO ist nicht als abschließende Spe- 506 zialnormierung zu verstehen. Das zeigt schon der § 270 Abs. 1 S. 2 InsO. Doch auch der Gesetzgeber ging bei Schaffung der Insolvenzordnung ausdrücklich davon aus, dass ungeregelte Fälle am Leitbild der Eigenverwaltung auszurichten seien.823) Dieses Bild werde bestimmt durch den Umstand, dass der Schuldner die lau- 507 fenden Geschäfte führe und der Sachwalter einerseits diese Geschäftsführung kontrolliere und unterstütze, andererseits aber auch diejenigen Aufgaben wahrnehme, die dem Insolvenzverwalter in erster Linie im Gläubigerinteresse übertragen seien.824) Konkret zeigen die Kompetenzzuweisungen innerhalb der §§ 270 ff. InsO, wie mit ungeregelten Fällen zu verfahren ist. Diese lassen sich nämlich regelmäßig bestimmten Kompetenztiteln zuordnen. Dies zeigen folgende Beispiele: x

Nicht geregelt ist die Frage der Aufnahme unterbrochener Rechtsstreitigkeiten. Die §§ 270 Abs. 1 S. 1, 280 InsO zeigen aber, dass die Prozessführungsbefugnis grundsätzlich beim Schuldner verbleibt und nur im Ausnahmefall des § 280 InsO beim Sachwalter liegt. Dies erlaubt den Rückschluss, dass die Aufnahmebefugnis dem Schuldner selbst zusteht (so auch schon oben Rn. 214 f.).825)

x

Nicht geregelt ist auch die Geltendmachung der Rückschlagsperre gem. § 88 InsO. Hierbei handelt es sich nicht um eine Anfechtung, vielmehr

___________ 822) Vgl. nur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 69 Rn. 3 m. w. N. 823) BT-Drucks. 12/2443, S. 223; so auch Tetzlaff, MüKo-InsO, Vor §§ 270 – 285 Rn. 78. 824) Ebd. Vgl. auch Bierbach, in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 12: Der Schuldner als Aufgabenträger sei „Auffangtatbestand“. 825) So schon das Beispiel bei BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 862.

151

C. Aufgaben und Kompetenzen

tritt die Unwirksamkeit entsprechender Vollstreckungshandlungen ipso iure ein. Lediglich die Unwirksamkeit der öffentlich-rechtlichen Verstrickung muss vor Gericht geltend gemacht werden.826) Dies zeigt, dass auch dieser Fall im Rahmen der allgemeinen Regelungen der §§ 270 Abs. 1 S. 1, 280 InsO dem Schuldner obliegt.827) Auch die Frage, ob der Sachwalter gem. § 270 Abs. 1 S. 2, 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Einberufung der Gläubigerversammlung beantragen kann, ist ungeregelt. Es spricht angesichts des systematischen Kontextes mit § 276 InsO viel dafür, dass diese Kompetenz in der Eigenverwaltung beim Schuldner liegt:828) Denn er muss gem. §§ 276 S. 2, 160 Abs. 1 S. 2 InsO deren gegebenenfalls erforderliche Zustimmung (oben Rn. 217 ff.) auch praktisch einholen können. Dem Sachwalter bleibt daher insofern nur die Möglichkeit, gem. § 74 InsO die Einberufung beim Gericht anzuregen.

x

5. Tabellarische Übersicht 508 Im Überblick stellen sich damit die Aufgaben des vorläufigen Sachwalters und des endgültigen Sachwalters wie folgt dar: Vorl. Sachwalter

Endg. Sachwalter

Führen der Tabelle



ja

Masseunzulänglichkeit anzeigen



ja

Insolvenzplan ausarbeiten

ja (eingeschränkt)

ja

Insolvenzanfechtung



ja

Gesamtschäden geltend machen



ja

Kontrolle Masseverwaltung

ja

ja

Kontrolle Geschäftsführung

ja

ja

Kontrolle Masseentnahme

ja

ja

Prüfung wirtschaftliche Lage

ja

ja

Prüfung von Verzeichnissen



ja

Prüfung der Schlussrechnung



ja

Originäre Aufgaben

Schuldnerbezogene Aufgaben

___________ 826) Vgl. nur Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, § 88 Rn. 9. 827) So auch Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 280 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 8. 828) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 274 Rn. 13; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 840 ff.; Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 89.

152

III. Der Sachwalter

Anzeige Gläubigernachteile

Vorl. Sachwalter

Endg. Sachwalter

ja

ja 829)

Anzeige Zahlungsunfähigkeit

ja (§ 270b

)



(Zwischen-)Berichterstattung

ja

ja

Übernahme der Kassenführung

ja

ja

Zustimmung/Widerspruch, § 275

ja

ja

Zustimmung (auf Anordnung)

ja (§ 21)

ja (§ 277)

Änderung der Geschäftsleitung



ja

Beratung

ja

ja

___________ 829) Normen ohne Quellenangabe sind solche der Insolvenzordnung.

153

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten I. Grundlagen Die Haftung der am Eigenverwaltungsverfahren Beteiligten hat in den 509 §§ 270 ff. InsO nur eine punktuelle Regelung erfahren. Lediglich für den Sachwalter finden sich in den §§ 274 Abs. 1, 60 Abs. 1 InsO einerseits und §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO andererseits Anordnungen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass nur in diesen Fällen gehaftet würde, wäre indes verfehlt. Über den Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO sind vielmehr auch in anderen 510 Fällen Haftungsgefahren denkbar. Dabei bestehen auch für den Schuldner und – soweit er keine natürliche Person ist – für seine Organwalter innerhalb und außerhalb der Insolvenzordnung Anknüpfungspunkte für Schadensersatznormen. II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners 1. Schuldner als Haftungssubjekt Den Schuldner treffen in der vorläufigen wie auch eröffneten Eigenverwaltung 511 eine Reihe von spezifischen Pflichten: Seine privatautonome Handlungsfreiheit wird durch insolvenzrechtliche Entscheidungsmaßstäbe überlagert (oben Rn. 142 f.). Er ist daher verpflichtet, im Interesse der Gläubiger zu handeln.830) Der Schuldner verwaltet sich selbst und nimmt zahlreiche Funktionen wahr, die im Regelinsolvenzverfahren den Insolvenzverwalter treffen. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung haftet den Gläubigern im Regelinsol- 512 venzverfahren der Verwalter nach den §§ 60 f. InsO. In der Eigenverwaltung erklärt § 274 Abs. 1 InsO jedoch § 60 InsO für den Sachwalter für anwendbar. Eine vergleichbare Regelung für den Schuldner treffen die Normen aber nicht, was dafür spricht, dass eine Anwendung auch über den allgemeinen Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO wohl nicht intendiert ist.831) Man mag zwar erwägen, ob eine Haftung des Schuldners im Außenverhältnis 513 die Funktion hätte, massemehrende Freistellungsansprüche im Innenverhältnis des Schuldners zu seinen Organen zu begründen.832) Letztlich unterliegen diese aber selbst einer Haftung, worauf noch einzugehen sein wird. Vor diesem Hintergrund bleibt es dabei: Eine Haftung des Schuldners gem.

___________ 830) BGH ZInsO 2007, 100, 101; mit anderer dogmatischer Anknüpfung Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 33; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 151; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 6 Rn. 1265. 831) Zum Ganzen Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rn. 2 ff., bes. 5. 832) So mit beachtlichen Gründen Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1103 f.

155

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

§§ 60 f. InsO wäre nicht „zielführend“, weil das schuldnerische Vermögen ohnehin insgesamt als Haftungsmasse den Gläubigern zugeordnet wird.833) 514 Diese Konzeption führt zwar zu einer Verringerung des Schutzniveaus für die Gläubiger. Dies ist aber systemimmanent und alternativlos, möchte man eine Verwaltung des Schuldners durch sich selbst zulassen.834) Folglich sind Pflichtverletzungen mit dem System der §§ 272, 277 InsO, also über eine Aufhebung der Eigenverwaltung oder die Anordnung gerichtlicher Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Sachwalters, zu sanktionieren.835) 515 Die fehlende Haftung wird auch nicht etwa vollständig durch die Haftung des Sachwalters kompensiert. Denn dieser haftet für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten nur insoweit, als ihn Pflichten treffen – allerdings sind dies vielfach lediglich Überwachungspflichten. Deswegen ist pflichtwidriges Verhalten des Schuldners selbst haftungsrechtlich regelmäßig nur über eine Organwalterhaftung oder gegebenenfalls eine Haftung des Sachwalters wegen Verletzung seiner Überwachungspflicht kompensierbar. 2. Organwalter des Schuldners als Haftungssubjekt 516 Soweit der Schuldner keine natürliche Person ist, also nur durch seine Organe handlungsfähig ist, können die Organwalter selbst Adressaten von Haftungsnormen sein.836) Das insofern zu prüfende Haftungsregime lässt sich dabei in fünf Gruppen einteilen: a) Insolvenzrechtliche Haftung 517 Für die Organwalter des Schuldners gibt es in den §§ 270 ff. InsO keine direkte Haftungsanordnung.837) Sie lässt sich auch nicht über § 270 Abs. 1 S. 2 InsO konstruieren, denn die §§ 60 f. InsO adressieren den Verwalter. Sie sind im Falle der Eigenverwaltung folglich allenfalls auf den Schuldner anwendbar – nicht aber auf Organwalter desselben.838)

___________ 833) So plastisch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 483; Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rn. 2 ff.; Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 26; a. A. und damit eine Haftung nach §§ 60 f. InsO zulassend Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 167; Haas/Kahlert, in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 89 Rn. 12; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1103 f. 834) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 483. 835) Auf diese Möglichkeit auch hinweisend Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1103. 836) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 484. 837) Haas/Kahlert, in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 89 Rn. 12. 838) Anders aber wohl Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2244; Bilgery, ZInsO 2014, 1694, 1697.

156

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners

Auch eine analoge Anwendung der Normen scheidet aus.839) Eine Rege- 518 lungslücke ließe sich womöglich noch konstruieren: In den Materialien zur Insolvenzordnung finden sich nämlich keine Belege, dass der Gesetzgeber eine Haftung der Organwalter oder ihren Ausschluss bedacht hätte.840) Wohl aber fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage: Die §§ 60 f. 519 InsO erfassen nach ihrer Konzeption nämlich denjenigen, der erstens handelt und dabei zweitens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis innehat. Dies passt bei den Organwaltern des Schuldners in keiner Hinsicht. Erstens ist ihr Handeln rechtlich aufgrund der organschaftlichen Zurechnung kein eigenes, sondern Handeln des Schuldners. Zweitens sind nicht sie Träger der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, sondern der Schuldner. Die Fälle sind daher nicht vergleichbar. Man müsste die Interessenlage schon allgemein in Form eines Haftungsbe- 520 dürfnisses der Gläubiger841) oder einer Disziplinierung der Organwalter842) fassen, um eine Vergleichbarkeit zu begründen. Erstens greift das aber für eine Analogie zu weit und zweitens muss zur Befriedigung eines solchen Bedürfnisses nicht auf die §§ 60 f. InsO zurückgegriffen werden. Auch über die gesellschaftsrechtliche und deliktische Haftung sind jedenfalls in Teilen vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. b) Gesellschaftsrechtliche Haftung aa) Binnenhaftung für sorgfaltswidriges Verhalten Die Organwalter des Geschäftsführungsorgans des Schuldners sind diesem 521 gegenüber in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens beispielsweise gem. § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG zur Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verpflichtet. Diese Sorgfalt umfasst eine allgemeine Legalitätspflicht, welche die Einhaltung der die Gesellschaft treffenden Rechtspflichten fordert.843) Darüber transformieren diese Normen also die Einhaltung der den Schuldner treffenden insolvenzrechtlichen Bindungen (oben Rn. 142 f.) auf Ebene der konkret für den Schuldner handelnden Organwalter.844)

___________ 839) So auch Haas/Kahlert, in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 89 Rn. 12; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 485; a. A. aber Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rn. 25 ff.; Hill, ZInsO 2010, 1825, 1829; Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 179. 840) So auch Hill, ZInsO 2010, 1825, 1828. 841) So etwa Tetzlaff, MüKo-InsO, § 270 Rn. 179. 842) So etwa Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rn. 27. 843) Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 17; Fleischer, MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 30 f. – jew. m. w. N. 844) Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099.

157

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

522 Soweit Organwalter also durch schuldhafte845) Verletzung dieser Bindungen des Schuldners das Vermögen desselben schädigen und im Reflex den Gläubigern dadurch Masse entziehen, sind sie gegenüber dem Schuldner zum Ersatz verpflichtet. Die Geltendmachung dieser Ansprüche obliegt ab Verfahrenseröffnung dem Sachwalter (oben Rn. 295 ff.). Die Ausgleichsleistungen werden also zur Masse gezogen und schließlich an die Gläubiger verteilt. Beispiel: Der Schuldner führe den Betrieb fort, obgleich seine Liquiditätsplanung dies nicht rechtfertige. Dadurch komme Masse abhanden. Der Schuldner verletzt also seine Pflicht zur Wahrung von Gläubigerinteressen (oben Rn. 142 f.), was – vermittelt durch die allgemeine Legalitätspflicht – auch eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers des Schuldners beispielsweise gem. § 43 GmbHG darstellt. Dieser kann also insofern haften. Darüber hinaus kann der Sachwalter wegen Verletzung seiner Überwachungspflicht bzw. Pflicht zur Anzeige von Gläubigernachteilen haften, wenn er die Umstände schuldhaft verkannt hat (unten Rn. 553). bb) Binnenhaftung für Masseschmälerung 523 Die Organwalter sind gem. § 64 GmbHG, §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG gehalten, nach Eintritt der Insolvenzreife jegliche Zahlungen zu vermeiden, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes846) vereinbar sind. Andernfalls haben sie der Gesellschaft persönlich Ersatz zu leisten. 524 Sorgfaltsgemäß sind Zahlungen, die der Insolvenzsituation in der Eigenverwaltung Rechnung tragen: Hat der Schuldner bei seinen Handlungen in der Eigenverwaltung u. a. die Gläubigerinteressen zu wahren (oben Rn. 142 f.), transformieren die Haftungsnormen diesen Sorgfaltsmaßstab auf die Organwalter. Ist daher beispielweise eine Betriebsfortführung rechtmäßig (oben Rn. 157), sind auch die in diesem Rahmen geleisteten Zahlungen nicht sorgfaltswidrig.847) 525 Nicht haftungsbegründend sind damit auch Zahlungen, die auf Masseverbindlichkeiten geleistet werden. Denn diese hätte auch ein vorläufiger Verwalter beglichen.848) Sind für den Schuldner Gläubigerinteressen maßgeblich, so darf er auf die Interaktion mit deren Kontrollorgan, dem Sachwalter, vertrauen: Erteilt dieser Zahlungen gem. §§ 275 Abs. 1 S. 1, 277 InsO seine Zustimmung, so sind sie sorgfaltsgemäß. Erklärt er ausdrücklich, nicht gem. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO zu widersprechen, gilt dasselbe.849) ___________ 845) Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 8; Fleischer, MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 255. 846) Dazu Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1783 m. w. N.; vgl. auch zum Ganzen Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1409 ff. 847) H. F. Müller, MüKo-GmbHG, § 64 Rn. 140 m. w. N. 848) Beispiel bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 487. 849) Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1783.

158

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners

Beispiel: Begründet der Schuldner unnötige Masseverbindlichkeiten und schmälert dadurch die Masse, so haftet sein Geschäftsführer zwar nicht gem. § 64 GmbHG. Denn Zahlungen, die auf Masseverbindlichkeiten geleistet werden, unterliegen nicht der Masseschmälerungs-Haftung. Wohl aber verletzt der Schuldner auf der vorgelagerten Ebene der Begründung dieser Verbindlichkeit seine Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen (oben Rn. 142 f.). Dies stellt, vermittelt über die allgemeine Legalitätspflicht (oben Rn. 521), auch eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers des Schuldners dar, der daher beispielsweise gem. § 43 GmbHG haften kann. Die zeitliche Reichweite der Masseschmälerungshaftung umfasst jedenfalls 526 das Eröffnungsverfahren.850) Ob die Normen auch nach Verfahrenseröffnung greifen, ist zweifelhaft. Aus dem Schutzzweck des Masseerhaltes lässt sich zwar folgern, dass sie mit Eröffnung weiter Sinn haben.851) Gleichwohl mutet es merkwürdig an, dem Schuldner im eröffneten Verfahren für Verteilungszahlungen gem. § 283 Abs. 2 S. 1 InsO unter Rechtfertigungszwang beispielsweise gem. § 64 S. 2 InsO zu stellen.852) Praktisch stellt sich die Frage kaum. Soweit nämlich der Schuldner mit seinen Rechtshandlungen im eröffneten Verfahren Masseverbindlichkeiten begründet hat, sind auf diese geleistete Zahlungen stets sorgfaltsgemäß (oben Rn. 525). c) Steuerliche Haftung Neben der gesellschaftsrechtlichen Haftung trifft die Organwalter gem. §§ 34, 527 69 AO auch die steuerliche Haftung. Denn sie haben gem. § 34 AO für die Einhaltung der steuerlichen Pflichten ihrer Gesellschaft Sorge zu tragen, wozu sie gegenüber der Steuerverwaltung selbständig verpflichtet sind.853) Zwar haften die Organwalter gem. § 34 Abs. 1 S. 2 AO für ausbleibende 528 Steuerzahlungen nicht mit ihrem eigenen Vermögen.854) Allerdings haben sie gem. § 69 AO für eine schuldhafte Verletzung steuerlicher Pflichten einzustehen und unterliegen damit in Konsequenz doch einer persönlichen Haftung. Die Pflichten umfassen beispielsweise855) x

Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gem. §§ 140 f. AO,

x

Auskunfts- und Vorlagepflichten gem. §§ 93, 97 ff. AO,

___________ 850) Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 64 Rn. 67a; H. F. Müller, MüKo-GmbHG, § 64 Rn. 138; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1101. 851) Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 64 Rn. 67b; vgl. auch OLG Hamm ZIP 1980, 280. 852) Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1100. 853) Klein/Rüsken, AO, § 34 Rn. 2; Pahlke/Koenig/Koenig, AO, § 34 Rn. 1; zum Ganzen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 28. 854) Klein/Rüsken, AO, § 34 Rn. 1. 855) Beispiele nach Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 27 Rn. 2727.

159

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

x

Melde- und Anzeigepflichten gem. §§ 134 ff. AO,

x

Bilanz- und Erklärungspflichten gem. §§ 149 ff. AO und

x

die Steuerentrichtungspflicht gem. § 34 Abs. 1 S. 2 AO.

529 Insbesondere, wie sich die Pflicht zur Steuerentrichtung zum Insolvenzverfahren vor und nach der Eröffnung verhält, ist problematisch. Für einzelne Steuerarten wurde dies bereits oben dargestellt (Rn. 183 ff.). Soweit es sich nicht um Masseforderungen handelt, sind Steuerforderungen nach den allgemeinen Regeln des Insolvenzverfahrens geltend zu machen.856) 530 Soweit in der Literatur Überlegungen zu einem allgemeinen Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerrecht angestellt wurden,857) sind diese in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht hinreichend etabliert.858) Insbesondere soll nach der Rechtsprechung sogar unbeachtlich sein, ob die Steuern ohnehin durch eine spätere Anfechtung zurückgefordert würden.859) Ebenso erfasse das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG keine Steuerforderungen.860) 531 In der Praxis wird zur Haftungsvermeidung deswegen nur übrig bleiben, Steuerzahlungen im Eröffnungsverfahren anfechtbar zu leisten.861) Eine Zahlung sollte nur dann unterbleiben, wenn das Finanzamt nach § 89 AO eine verbindliche Auskunft erteilt, dass Steuerforderungen als Insolvenzforderungen nicht vorab zu leisten sind.862) Nach Verfahrenseröffnung sind Steuerforderungen grundsätzlich als Masseverbindlichkeiten ohnehin bei Fälligkeit zu entrichten (oben Rn. 183). 532 Die Annahme einer fortbestehenden Steuerzahlungspflicht auch im Eröffnungsverfahren schließt wegen der damit verbundenen Pflichtenkollision eine gesellschaftsrechtliche Haftung beispielsweise gem. § 64 GmbHG aus.863) d) Vertragliche Haftung 533 Einer vertraglichen Haftung können die Organwalter im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft unterliegen, soweit sie ihre Verpflichtungen aus ___________ 856) Pahlke/Koenig/Fritsch, AO, § 251 Rn. 17 m. w. N. 857) Vgl. etwa Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2549; Kahlert, ZIP 2012, 2089; Lau, DB 2014, 1417, 1421 f. dazu krit. Klusmeier, ZInsO 2014, 488, 490. 858) Vgl. aber BFH ZInsO 2010, 1652: Nicht pflichtwidrig handle der Geschäftsführer, wenn er nichts gegen einen den Widerruf einer Steuerzahlungs-Lastschrift durch den vorläufigen Verwalters unternehme. 859) BFH ZIP 2009, 122; zum Ganzen Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1818. 860) BFH ZInsO 2009, 151; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 43 m. w. N. 861) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 531; dies schließt eine steuerrechtliche Haftung aus, vgl. Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1412 f. 862) Lau, DB 2014, 1417, 1421 f. m. w. N. 863) BGH ZInsO 2011, 440 m. w. N.; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1818.

160

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners

dem Dienstvertrag verletzen.864) Das ist etwa in Fällen denkbar, in denen sie auch gem. § 43 GmbHG, § 92 AktG nach außen pflichtwidrig handeln. Ob der Vertrag solches Verhalten ebenfalls haftungsmäßig sanktioniert, ist eine Frage des Einzelfalles. Darüber hinaus wird eine vertragliche Haftung im Außenverhältnis kaum 534 vorkommen. Diese ist zwar gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Anforderungen, nach denen Vertreter, die selbst nicht am Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger beteiligt sind, gem. § 311 Abs. 3 BGB gleichwohl in ein eigenes, haftungsbegründendes Schuldverhältnis zum Gläubiger treten, hoch. Denkbar ist dies etwa bei erheblichem wirtschaftlichen Eigeninteresse oder der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens.865) e) Deliktische Haftung Während Schäden zu Lasten aller Gläubiger regelmäßig über die gesell- 535 schaftsrechtliche Binnenhaftung geltend gemacht werden können (oben Rn. 521 ff.), erfasst die Haftung nach den §§ 823 ff. BGB zum einen das Handeln zur Schädigung einzelner Gläubiger.866) So sind etwa bei der Verletzung von Eigentumsrechten, Aus- oder Absonde- 536 rungsrechten867) oder von Schutzgesetzen Haftungsansprüche denkbar. Solcherlei kann bei deliktischem Verhalten nämlich nach Maßgabe der „Baustoff“-Rechtsprechung des BGH eine Außenhaftung der Organwalter gegenüber dem konkret geschädigten Gläubiger begründen:868) Danach soll bei Handlungen einer juristischen Person nicht nur diese für Rechtsverletzungen haften, sondern auch den Geschäftsführer könne wegen seiner Stellung eine „Garantenstellung zum Schutz fremder Schutzgüter“ treffen, „die ihre Träger der Einflußsphäre der Gesellschaft anvertraut haben“.869) Diesbezüglich komme dann eine Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB in Frage. Allerdings scheint das Gericht zuletzt eher zu einer Begrenzung derartiger Ansprüche auf Fälle zu tendieren, in denen der Organwalter gerade gegenüber dem Geschädigten eine besondere Pflicht zur Wahrung von dessen Vermögensinteressen innehatte.870)

___________ 864) 865) 866) 867) 868) 869) 870)

Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 485. Jauernig/Stadler, BGB, § 311 Rn. 49, 64 m. w. N. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 485. Ausführlich Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rn. 12 f. BGH ZIP 1987, 509, 510; ZIP 1990, 35, 36; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099. BGH ZIP 1990, 35, 37. BGH ZInsO 2012, 1953; dazu Schirmer, NJW 2012, 3398; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099.

161

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

537 Zum anderen erfasst § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO die Insolvenzverschleppungshaftung.871) Den diesbezüglich relevanten Quotenschaden macht als Gesamtschaden der Sachwalter für die Masse geltend (oben Rn. 295 ff.). III. Haftung des Sachwalters 538 Das System der Haftung in der Eigenverwaltung trägt der Stellung des Sachwalters nur teilweise Rechnung. Zwar ist eine steuerrechtliche Haftung grundsätzlich nicht gegeben und für nicht (vollständig) erfüllbare Masseverbindlichkeiten muss der Sachwalter ebenfalls nur ausnahmsweise einstehen. 539 Allerdings birgt die Haftungsnorm der §§ 274 Abs. 1, 60 InsO vielfältige Haftungsgefahren: Insbesondere im Rahmen seiner Kontroll- und Aufsichtspflichten werden, wie noch zu zeigen sein wird, viele Risiken auf den Sachwalter überwälzt. Dies ist umso problematischer, als eine Beaufsichtigung vielfach mehr Aufwand begründet als eigener Vollzug von Handlungen durch den Sachwalter. 1. Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten gem. § 60 InsO 540 Den Sachwalter trifft gem. §§ 274 Abs. 1, 60 InsO eine Haftung für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten. Diese Regelung ist sowohl im eröffneten Verfahren anwendbar, als auch über den Verweis in §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO in jeder Variante der vorläufigen Eigenverwaltung. Soweit sich die Pflichten des Sachwalters in den unterschiedlichen Verfahrensstadien unterscheiden, spiegelt sich dies lediglich bei der Anwendung des Tatbestandes der Norm wieder, worauf im Folgenden einzugehen sein wird. a) Haftung nur gegenüber Beteiligten 541 Die durch § 60 InsO angeordnete Haftung besteht gegenüber den Beteiligten. Dieser Begriff ist schon im Regelinsolvenzverfahren bisweilen schwierig zu bestimmen.872) Jedenfalls kommt es hierfür nicht auf eine formale Verfahrensstellung an, sondern darauf, ob der Sachwalter den konkreten Personen gegenüber insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen hat.873) Daher umfasst er:874) x

den Schuldner,

x

die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans des Schuldners,

___________ 871) Dazu ausführlich Klöhn, MüKo-InsO, § 15a Rn. 140 ff. 872) Vgl. etwa Hintzen, MüKo-InsO, § 235 Rn. 6 m. w. N.; Uhlenbruck/ders., InsO, § 60 Rn. 9. 873) BGH NJW 1977, 147, 148 f.; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 12; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 11; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 18. 874) Beispiele von Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 50; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 11; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 19.

162

III. Haftung des Sachwalters

x

die in ihrer Haftung betroffenen Genossen in der Genossenschaftsinsolvenz,

x

die Insolvenzgläubiger, auch, soweit sie nicht bevorrechtigt sind,

x

die Aus- und Absonderungsberechtigten,

x

die Massegläubiger,

x

die als Hinterlegungsstelle bestimmte Bank,

x

den Nacherben gem. § 83 Abs. 2 InsO,

x

den Fiskus in Justizangelegenheiten,

x

die Bundesagentur für Arbeit,

x

die Mitglieder des Gläubigerausschusses und

x

die Dritten, gegenüber denen den Sachwalter vertragliche Pflichten treffen oder mit denen er in Vertragsverhandlungen steht.

Mit Blick auf die dargestellte Definition sind beispielsweise die folgenden 542 Rechtssubjekte nicht Beteiligte im haftungsrechtlichen Sinne: x

die Kommanditisten des Schuldners,

x

die Bürgen und

x

die Dritten bzw. Neugläubiger, die erst während des Verfahrens hinzutreten. Diesen gegenüber trifft den Sachwalter keine Pflicht, sie etwa vor der Insolvenzsituation und den sich daraus für ihr Vermögen ergebenden Gefahren zu warnen.875)

b) Pflichtenkonzeption und Verschulden Den Sachwalter muss zur Begründung einer Haftung Verschulden treffen, 543 § 60 Abs. 1 S. 1 InsO. Hierfür gilt zunächst die allgemeine Vorschrift des § 276 BGB, wonach für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen ist.876) Um aber der besonderen Situation der erst notwendigen Einarbeitung in die häufig schlecht dokumentierten Geschäfte eines Schuldners gerecht zu werden, präzisiert § 60 Abs. 1 S. 2 InsO den Haftungsmaßstab auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters und damit eines Durchschnitts-Sachwalters.877) Der Inhalt dieses Maßstabes ist besonders in der Eigenverwaltung erläute- 544 rungsbedürftig. Denn anders als im Regelinsolvenzverfahren hat der Sach___________ 875) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 51; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 7; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 12. 876) Graf-Schlicker/Kexel, InsO, § 60 Rn. 16; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 60 Rn. 36 f. 877) Ebd.

163

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

walter gerade nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis inne.878) Ihn treffen zwar mehrere originäre Pflichten (oben Rn. 137, 232 ff.), für die er nach dem klassischen Maßstab einzustehen hat.879) Die schuldnerbezogenen Pflichten (oben Rn. 137, 299 ff.) sind aber durch wesentlich geringere „Einblicks- und Reaktionsmöglichkeiten“880) als im Regelverfahren gekennzeichnet. Sie setzten regelmäßig ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen Schuldner und Sachwalter voraus, damit letzterer seine Aufsichts- und Mitwirkungspflichten wahrnehmen kann. 545 Aus dieser Verquickung schuldnerischer Pflichten mit denen des Sachwalters folgt zweierlei: x

Den Sachwalter trifft keine Haftung für eigene Pflichtverletzungen des Schuldners. Vielmehr ist er allein insoweit haftungsrechtlich verantwortlich, wie ihn im Kontext der fraglichen Handlung des Schuldners eigene Kontrollpflichten treffen.881)

x

Verweigert der Schuldner dem Sachwalter die gebotene Information, so dass dieser pflichtwidriges Verhalten des Schuldners nicht erkennen kann, trifft den Sachwalter kein eigener Verschuldensvorwurf. Soweit der Schuldner also hinter dem Rücken des Sachwalters Handlungen vornimmt, die er eigentlich vorher abzustimmen oder jedenfalls mitzuteilen verpflichtet wäre, verletzt der Sachwalter seine Kontrollpflichten nicht schuldhaft.882)

Beispiel 1:883) Der Schuldner nehme Verteilungshandlungen gem. § 283 Abs. 2 S. 1 InsO vor. Dabei handle er fehlerhaft, was aber weder bei der Prüfung des Verteilungsverzeichnisses durch den Sachwalter gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO, noch durch Stichproben erkennbar gewesen sei. Dadurch fehlt es für den Fehler wohl schon an einer eigenen Pflichtverletzung des Sachwalters, jedenfalls aber am Verschulden. Beispiel 2:884) Der Schuldner begründe, ohne dies dem Sachwalter mitzuteilen, Masseverbindlichkeiten in einer Höhe, die zur Masseunzulänglichkeit führt. Der Sachwalter ___________ 878) Dewegen auch auf die Notwendigkeit einer Modifikation des Maßstabes hinweisend Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 52 f.; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 70. 879) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 14. 880) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 11. 881) Grundlegend Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 13, 15; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 53; vgl. auch plastisch Flöther, ZInsO 2014, 465, 471: „mittelbare Verantwortlichkeit“ des Sachwalters. 882) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 15, 17; Schmidt/Fiebig, HmbKoInsO, § 274 Rn. 10. 883) Beispiel von Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 13. 884) Beispiel von Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 15.

164

III. Haftung des Sachwalters

ist zwar verpflichtet, die Unzulänglichkeit anzuzeigen (oben Rn. 251 ff.). Eine Verletzung dieser Pflicht ist aber nicht schuldhaft, wenn er nichts vom Eintritt der Masseunzulänglichkeit wissen kann. Bedient sich der Sachwalter zur Erfüllung seiner Pflichten Dritter, so ist zu 546 differenzieren: Für eigenes Personal des Sachwalters findet eine Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB statt. Er haftet für deren Verschulden also wie für eigenes.885) Für Personal des Schuldners wie beispielsweise den Buchhalter886), das im 547 Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit vom Sachwalter eingesetzt wird, haftet der Sachwalter nicht gem. § 278 BGB. Vielmehr regelt § 60 Abs. 2 InsO, dass er nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich ist. Freilich kann sich der Sachwalter durch den Einsatz von Schuldnerpersonal nicht von seinen Hauptpflichten gem. § 274 Abs. 2 InsO befreien und fortan nur noch das Personal überwachen. Denn nach Sinn und Zweck der Regelung kann sie nicht dazu dienen, die Hauptpflicht der Überwachung des Schuldners auf dessen eigenes Personal zu delegieren und fortan nur noch selbiges gem. § 60 Abs. 2 InsO überwachen zu müssen.887) c) Katalog insolvenzspezifischer Pflichten Die Aufgaben und Pflichten des Sachwalters wurden bereits in Kapitel C.III 548 (oben Rn. 229 ff.) ausführlich dargestellt. Im Rahmen des nachfolgenden Kataloges werden sie daher, der Reihenfolge obiger Gliederung folgend, ausschließlich auf ihren haftungsrechtlichen Gehalt hin beleuchtet. aa) Originäre Pflichten Die den Sachwalter treffenden originären Pflichten (oben Rn. 137, 232 ff.) 549 sind die zumeist haftungsrechtlich eindeutigsten. Soweit sie einen Ausschnitt der den Verwalter im Regelinsolvenzverfahren treffenden Pflichten darstellen und nicht von Mitwirkungen des Schuldners abhängen, sind Pflichteninhalt und Sorgfaltsmaßstab exakt bestimmbar. Insofern kann nämlich auf die auch außerhalb der Eigenverwaltung etablierte Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Die originären Pflichten sind wie folgt insolvenzspezifisch:

550

Das Führen der Tabelle (oben Rn. 232 ff.) ist im eröffneten Verfahren insolvenzspezifische Pflicht. Diese umfasst die dem Sachwalter aufgegebene Zustellung des Eröffnungsbeschlusses,888) das Forderungsanmeldungs-,889) ___________ x

885) Braun/Riggert, § 274 Rn. 7; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 70; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 23. 886) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 24. 887) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 25. 888) Kübler/Prütting/Bork/Prütting, InsO, § 8 Rn. 14. 889) Braun/Specovious, InsO, § 175 Rn. 10; Riedel, MüKo-InsO, § 175 Rn. 13.

165

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

Prüfungs- und Feststellungsverfahren,890) sowie die korrekte Erfüllung der Prüfungs- und Erklärungspflichten hinsichtlich des vom Schuldner erstellten Verteilungsverzeichnisses.891) x

Zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit (oben Rn. 251 ff.) ist der Sachwalter im eröffneten Verfahren ebenfalls insolvenzspezifisch verpflichtet.892) Da er zur Anzeige der Massearmut jedoch nicht verpflichtet ist (oben Rn. 258 ff.), kann er insofern auch keine haftungsbewehrte Pflicht verletzen.893)

x

Im Rahmen des Insolvenzplans (oben Rn. 262 ff.), ist der Sachwalter im eröffneten Verfahren auf Auftrag der Gläubigerversammlung zur Erstellung eines Insolvenzplans in angemessener Frist gem. §§ 284 Abs. 1 S. 1, 218 Abs. 2 InsO insolvenzspezifisch verpflichtet.894) Eine Haftung kommt insbesondere in Frage, wenn durch Nichterfüllung oder Verzögerung des Auftrages eine Sanierungschance vergeben wird.895) Die Frage, inwieweit die Beratungspflicht des § 284 Abs. 1 S. 2 InsO (oben Rn. 272 f.) insolvenzspezifisch ist, wird bislang nicht diskutiert. Angesichts des eindeutigen Wortlautes wird man sie aber wohl so zu verstehen haben, so dass der Sachwalter für fehlende oder falsche Beratung haftet. Die praktisch schwierige Frage wird sich damit in der Kausalität stellen, wobei freilich die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens eingreifen kann.896) Soweit der Sachwalter gem. § 284 Abs. 2 InsO die Planerfüllung zu überwachen hat, ist auch dies eine insolvenzspezifische Pflicht.897)

x

Hinsichtlich der Insolvenzanfechtung (oben Rn. 280 ff.) ist der Sachwalter im eröffneten Verfahren insolvenzspezifisch sowohl zur Ermittlung der für die Anfechtung notwendigen Informationen als auch zur Durchsetzung erfolgversprechender Anfechtungsansprüche verpflichtet.898) Zum Regelinsolvenzverfahren ergeben sich nur insofern Besonderheiten, als eine fehlende Mitwirkung des Schuldners bei der Ermittlung von an-

___________ 890) LG Osnabrück ZIP 1984, 91; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 176 Rn. 20; Schumacher, MüKo-InsO, § 178 Rn. 18. 891) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 27; ausdrücklich auch Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 283 Rn. 22. 892) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 285 Rn. 1 m. w. N.; Braun/Riggert, InsO, § 285 Rn. 1; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 9. 893) A. A. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 1, der eine Pflicht auch zur Anzeige der Massearmut annimmt. 894) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 218 Rn. 4. 895) Eidenmüller, MüKo-InsO, § 218 Rn. 23; Kreft/Flessner, HK-InsO, § 218 Rn. 13. 896) Vgl. zu der Vermutung die sehr instruktive Darstellung bei Schwab, NJW 2012, 3274. 897) Braun/Braun/Frank, InsO, § 261 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Braun, InsO, § 261 Rn. 6; Stephan, MüKo-InsO, § 261 Rn. 7. 898) Vgl. nur Grundlach, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 450 ff. m. w. N.; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 69.

166

III. Haftung des Sachwalters

fechtbaren Handlungen wohl bereits die Pflichtwidrigkeit, jedenfalls aber das Verschulden entfallen lässt (oben Rn. 544 ff.). x

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (analog) §§ 92 f. InsO (oben Rn. 287 ff.) ist im eröffneten Verfahren für den Sachwalter ebenfalls insolvenzspezifische Pflicht. Insofern gilt dasselbe wie für die Insolvenzanfechtung.899)

bb) Schuldnerbezogene Pflichten Die schuldnerbezogenen Pflichten sind bislang durch die veröffentlichte und 551 sonst vorliegende Rechtsprechung noch nicht auf ihren haftungsrechtlichen Gehalt hin überprüft worden.900) Dies birgt für den Sachwalter Risiken, die unter anderem für die bisherige Zurückhaltung im Umgang mit Eigenverwaltungsverfahren verantwortlich sind. Für die schuldnerbezogenen Pflichten gilt das oben bereits benannte Prinzip: 552 Verletzt der Schuldner selbst seine Informations- und Mitwirkungspflichten und macht damit eine wirksame Kontrolle und Aufsicht unmöglich, lässt dies mindestens ein Verschulden des Sachwalters für eine etwaige eigene Pflichtverletzung entfallen (oben Rn. 544 ff.). Die schuldnerbezogenen Pflichten sind wie folgt insolvenzspezifisch: x

553

Die beständige Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners (oben Rn. 327 ff.) ebenso wie die Kontrolle der Masseverwaltung (oben Rn. 311 ff.), der Geschäftsführung (oben Rn. 318 ff.) und der Ausgaben für die Lebensführung (oben Rn. 323 ff.) ist Hauptpflicht901) des Sachwalters und damit in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens insolvenzspezifisch.902) Der konkrete Umfang der jeweiligen Pflichten, die teils nur anlassbezogen bestehen und bisweilen durch Stichproben erfüllbar sind, wurde bereits oben dargelegt. Der Sachwalter ist insbesondere in diesem für die Gläubiger nicht immer sichtbaren Bereich zur Haftungsvermeidung gut beraten, die Erfüllung seiner Pflichten genau zu dokumentieren.903) Die Kausalität für einen Schaden wird indes regelmäßig weniger bezüglich dieser Pflichten gegeben sein als eher hinsichtlich einer in der Folge unterbliebenen Nachteilsanzeige.

___________ 899) Spliedt, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 387 ff. m. w. N.; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 69. 900) So auch der Befund zur Frage der Kausalität bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 494. 901) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 25; vgl. auch Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 6: „Kernbereich“. 902) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 8; Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 6; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 493; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 17; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 68; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 12. 903) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 18.

167

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

x

Die Prüfung von Verzeichnissen und Abgabe von Erklärungen (oben Rn. 345 ff.) ist insolvenzspezifische Verpflichtung des Sachwalters.904) Für die Frage nach der Kausalität einer falschen Auskunft des Sachwalters für einen Schaden wird man wohl die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens beachten müssen:905) Hätten die Gläubiger nach dieser Vermutung bei korrekter Erfüllung der Pflicht durch den Sachwalter eine schadensabwendende oder wenigstens schadensmindernde Entscheidung getroffen, liegt in Höhe der Schadensminderung Kausalität vor.

x

Die Prüfung der Notwendigkeit und gegebenenfalls die Vornahme einer Nachteilsanzeige (oben Rn. 356 ff.), ist ebenfalls in jeder Verfahrenslage insolvenzspezifische Pflicht des Sachwalters.906) Sie hat auf den ersten Blick große Bedeutung: Denn da der Sachwalter Nachteilsgefahren für die Gläubiger anzeigen soll, muss er das Verhalten des Schuldners auf die Einhaltung der insolvenzspezifischen Pflichten desselben gegenüber den Gläubigern überprüfen.907) Allerdings bezieht sich die Anzeigepflicht auf das Schutzniveau der Gläubigergesamtheit (oben Rn. 360 ff.), so dass der Sachwalter vielfach unter anderem durch eine beratende Einwirkung auf den Schuldner die Nachteilsgefahr wird ausschalten können (oben Rn. 371). Nach den praktischen Erfahrungen haben daher Haftungsfragen wegen unterbliebener Nachteilsanzeige kaum Relevanz. Soweit sie allerdings auftreten, werden sie im Zusammenhang mit der Verletzung der Prüfund Überwachungspflichten stehen, weil der Sachwalter die Notwendigkeit einer Anzeige mangels hinreichender Überwachung verkannt hat.908)

x

Die Stellungnahme im Berichtstermin909) (oben Rn. 382 f.) ist ebenso wie die – je nach Gläubigerauftrag – Berichterstattung910) (oben Rn. 384 ff.) insolvenzspezifisch. Letztere wird jedoch bei Ausbleiben des Berichtes kaum zum Schadensersatz führen, da die Gläubiger ein erhebliches Mitverschulden treffen dürfte, wenn sie ihre aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten911) zur Erzwingung der Berichterstattung nicht nutzen. Zur Frage fehlerhafter Stellungnahmen und Berichte vgl. schon oben die Prüfung von Verzeichnissen und Abgabe von Erklärungen.

___________ 904) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 16 und 283 Rn. 27; Tetzlaff/Kern, MüKoInsO, § 281 Rn. 19 und § 283 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 25. 905) Vgl. zu der Vermutung die sehr instruktive Darstellung bei Schwab, NJW 2012, 3274. 906) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 8; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 493; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 68; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 20. 907) Übersicht über dieselben etwa bei Schmidt/Weitzmann, HmbKo-InsO, § 60 Rn. 10 – 36. 908) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 19. 909) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 16; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 19. 910) Nerlich/Römermann/Rein, InsO, § 60 Rn. 62. 911) Vgl. nur Schmidt/Preß/Kuleisa, HmbKo-InsO, § 79 Rn. 10.

168

III. Haftung des Sachwalters

x

Hinsichtlich der Kassenführung (oben Rn. 388 ff.) scheidet in jeder Verfahrensphase eine insolvenzspezifische Pflicht zur Übernahme regelmäßig schon deswegen aus, weil der Sachwalter die Entscheidung zur Übernahme nach seinem Ermessen zu treffen hat. Soweit nicht – was praktisch kaum vorkommen wird (oben Rn. 392) – eine Ermessensreduktion vorliegt, besteht damit keine Haftungsgefahr. Übernimmt der Sachwalter aber die Kassenführung, so hat er sie mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen. Diese Pflicht ist sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber dem Schuldner912) insolvenzspezifisch und kann damit seine Haftung auslösen.913)

x

Macht der Sachwalter in einer beliebigen Verfahrensphase von seinen Zustimmungs- und Widerspruchsrechten gem. §§ 275 Abs. 1, 279 S. 3 (oben Rn. 407 ff. und Rn. 201) nicht im Interesse der Gläubiger Gebrauch, verletzt er diesen gegenüber eine insolvenzspezifische Pflicht.914) Ob Kausalität vorliegt, ist Einzelfallfrage. Man kann sie jedenfalls nicht deswegen pauschal verneinen, weil der Schuldner sich über einen Widerspruch hinwegsetzen kann.915) Allerdings sprechen auch keine gegenteilige Vermutung oder ein erster Anschein dafür, dass sich der Schuldner immer im Sinne des Sachwalters verhält. Die Gläubiger müssen also die Kausalität darlegen und beweisen.

x

Im Rahmen einer gerichtlichen Zustimmungsanordnung gem. § 277 InsO (oben Rn. 434 ff.) nach Verfahrenseröffnung ist zu differenzieren: Gegenüber den Gläubigern verletzt der Sachwalter die insolvenzspezifische Pflicht zum Masseerhalt, soweit er der Begründung einer Masseverbindlichkeit, die mit Blick auf Gläubigerinteressen nicht geboten ist, zustimmt. Hier besteht Kausalität, weil seine Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Gegenüber dem konkreten Neugläubiger haftet er gem. §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO (unten Rn. 556). Eine Haftung nach § 60 InsO scheidet insofern aus, weil der Sachwalter ihm gegenüber keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt: Das Zustimmungserfordernis dient nämlich dem Masseerhalt und nicht den subjektiven Interessen des Neugläubigers.

x

Die Entscheidung über die Zustimmung des Sachwalters zur Änderung der Geschäftsführung (oben Rn. 472 ff.) wird man angesichts des die Gläubigerinteressen referenzierenden klaren Wortlautes als insolvenzspezifisch anzusehen haben. Insbesondere die Kausalität kann aber prob-

___________ 912) K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 7. 913) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 21; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 12; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 24. 914) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 9; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 17; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 11; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 12 und § 277 Rn. 20. 915) So aber Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 21.

169

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

lematisch sein: Unterlässt der Sachwalter die Zustimmung, obwohl Gläubigerinteressen nicht dagegen sprachen, wird eine Kausalität für einen Schaden schwerlich belegbar sein. War hingegen in der Prognose ein konkreter Nachteil für die Gläubiger erkennbar und hat sich dieser durch die gleichwohl erfolgte Zustimmung realisiert, wird sich die Kausalität darlegen und beweisen lassen. x

Dass das Einvernehmen gem. §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO (oben Rn. 481 ff.) eine insolvenzspezifische Pflicht begründen soll,916) ist nur verständlich, wenn man es – anders als hier vertreten – als eine echte Pflicht zum Zusammenwirken zwischen Schuldner und Sachwalter versteht. Sieht man die Normen hingegen wie hier als Erkenntnisquelle des Sachwalters, kann insofern auch keine Pflicht verletzt werden. Lediglich, soweit der Sachwalter in diesem Kontext dem Schuldner falsche Auskünfte gibt, ist eine Haftung denkbar. Freilich würde man dann davon ausgehen müssen, dass die Auskunft gegenüber dem Schuldner gerade auch den Interessen der Gläubiger zu dienen bestimmt sein soll, was nicht zwingend ist.

x

Sind im Eröffnungsverfahren Zustimmungsvorbehalte gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO (oben Rn. 437) angeordnet, gilt Folgendes: Gegenüber den Gläubigern verletzt der Sachwalter die insolvenzspezifische Pflicht zum Masseerhalt, soweit er der Begründung einer Verbindlichkeit, die mit Blick auf Gläubigerinteressen nicht geboten ist, zustimmt. Da sein Handeln insofern Wirksamkeitsvoraussetzung ist, besteht Kausalität. Gegenüber dem konkreten Neugläubiger haftet er nicht gem. § 60 InsO, weil der Sachwalter ihm gegenüber keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt: Das Zustimmungserfordernis dient nämlich dem Masseerhalt und nicht den subjektiven Interessen des Neugläubigers. Ob stattdessen eine Haftung (analog) § 61 InsO in Frage kommt, wird noch zu klären sein (unten Rn. 566 f.).

d) Geltendmachen des Schadensersatzes 554 Steht eine Schadensersatzforderung gegen den Sachwalter in Rede, sind drei Varianten denkbar: Leistet dieser Ersatz an die Masse, ist die Sache erledigt. Ist dies nicht der Fall, kann das Gericht ihn im Rahmen seiner Aufsicht entlassen und einen neuen Sachwalter bestellen (oben Rn. 116 f.). Schließlich kann es aber stattdessen auch einen Sondersachwalter bestellen, dessen Aufgabe lediglich darin besteht, den Ersatzanspruch gegen den Sachwalter zu prüfen und gegebenenfalls für die Masse durchzusetzen.917)

___________ 916) Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 12. 917) Zu den Befugnissen desselben vgl. ausführlich Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 15.

170

III. Haftung des Sachwalters

Grundlage für die Bestellung eines Sondersachwalters ist die Rechtsprechung 555 des BGH zum Sonderverwalter.918) Sie ist auf die Eigenverwaltung übertragbar.919) Wollte man nämlich die Klärung eines etwaigen Ersatzanspruches und weitere Eignung für die Verfahrensleitung durch Entlassung des gegenwärtigen und Bestellung eines neuen Sachwalters vornehmen, würde man das Ergebnis praktisch vorwegnehmen.920) Als weniger rechtsbeeinträchtigendes Mittel ist das Gericht daher gehalten, stattdessen einen Sondersachwalter zu bestellen.921) 2. Nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten gem. § 61 InsO Sind durch eine Rechtshandlung des Verwalters begründete Masseverbind- 556 lichkeiten nicht voll erfüllbar, hat dieser dem Massegläubiger gem. § 61 InsO Ersatz zu leisten. Diese Vorschrift ist vom für den Sachwalter geltenden Verweis des § 274 Abs. 1 InsO nicht erfasst. Dies ist auch nachgerade zwingend, denn während im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter Masseverbindlichkeiten begründet, fällt in der Eigenverwaltung dem Schuldner diese Aufgabe zu (oben Rn. 159 ff.). Hierfür kann dem Sachwalter daher grundsätzlich keine Haftung aufgebür- 557 det werden.922) Gleichwohl sind auch in der Eigenverwaltung mehrere Fälle denkbar, in denen der Sachwalter einer Haftung nach § 61 InsO unterliegt. a) Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO Der einzige in den §§ 270 ff. InsO geregelte Fall der Anwendung des § 61 558 InsO auf den Sachwalter ist die Norm des § 277 Abs. 1 S. 3 InsO. Hat das Gericht also die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner in der eröffneten Eigenverwaltung von der Zustimmung des Sachwalters abhängig gemacht (oben Rn. 444 ff.) und stimmt dieser zu, haftet er im Falle der (teilweisen) Unerfüllbarkeit der Verbindlichkeit gem. § 61 InsO. Während die Anwendung der Norm insgesamt derjenigen im Regelinsol- 559 venzverfahren folgt, birgt die Exkulpation gem. § 61 S. 2 InsO in der Eigenverwaltung Schwierigkeiten. Danach trägt nämlich der Sachwalter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht erkennen konnte, dass die Masse zur Erfüllung der Verbindlichkeit nicht ausreichen würde. Nur in diesem Fall ___________ 918) Vgl. nur BGH ZIP 2007, 547 und Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 15 – jew. m. w. N. 919) Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 47 f.; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 10; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 15. 920) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 48. 921) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 48; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 280 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 15. 922) Darauf hinweisend etwa Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 72; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 15.

171

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

ist seine Haftung ausgeschlossen. Diese Darlegung setzt im Regelverfahren voraus, dass der Verwalter eine plausible Liquiditätsrechnung erstellt, stets überprüft und aktualisiert hat.923) 560 Eben dies ist aber in der Eigenverwaltung nicht seine Aufgabe, sondern die des Schuldners. Deswegen kann es nicht richtig sein, § 61 InsO wie im Regelinsolvenzverfahren anzuwenden.924) Die von § 277 Abs. 1 S. 3 InsO vorgesehene „entsprechende“ Anwendung muss vielmehr diesem Unterschied Rechnung tragen. Der Sachwalter kann sich daher exkulpieren, wenn er die schuldnerische Liquiditätsplanung im Rahmen seiner Prüfung der wirtschaftlichen Lage gem. § 274 Abs. 2 InsO auf Schlüssigkeit kontrolliert hat und diese eine hinreichende Masse vermuten ließ.925) b) Analoge Anwendung nach Eröffnung 561 Unter den Wortlaut des § 61 InsO fallen noch weitere Fälle der Eigenverwaltung: So werden etwa im Rahmen der Prozessführung durch den Sachwalter gem. § 280 InsO ebenfalls Masseverbindlichkeiten begründet. In diesen Fällen haftet der Sachwalter analog § 61 InsO.926) 562 Denn mangels Verweises in § 274 Abs. 1 InsO ist die Norm auf ihn – außer im Falle des § 277 InsO – nicht direkt anwendbar.927) Der Gesetzgeber hat die Frage einer Haftung im Falle etwa des § 280 InsO auch nicht diskutiert, so dass eine planwidrige Lücke besteht. Auch ist die Interessenlage vergleichbar, denn soweit der Sachwalter durch seine Handlung bei der Prozessführung beispielsweise Gerichtskosten als Masseverbindlichkeiten entstehen lässt, unterscheidet sich der Fall nicht vom Spezialfall seiner Zustimmung als Handlung im Rahmen des § 277 InsO. 563 Eine solche Analogie setzt freilich immer voraus, dass die Rechtshandlung des Sachwalters – sei es durch eigene Prozessführung oder durch Zustimmung – die Masseverbindlichkeit begründet hat. Nicht von ihr erfasst sind folglich die Fälle, in denen der Sachwalter lediglich im Kontext der vom Schuldner begründeten Masseverbindlichkeiten handelt. Deswegen haftet er ___________ 923) Vgl. nur BGH ZInsO 2012, 137 und Laws, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 4 Rn. 361 ff. – jew. m. w. N. 924) So ausdrücklich noch Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 22; und wohl auch Uhlenbruck/ders., InsO, § 277 Rn. 6; undifferenziert etwa Andres/Leithaus/ Andres, InsO, § 274 Rn. 6. 925) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 56 ff.; ihm folgend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 496; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 22; angedeutet auch bei Tetzlaff/ Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 38. 926) Vgl. nur Flöther, in: Kübler, HRI, § 17 Rn. 40; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 274 Rn. 7; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 73; Uhlenbruck/ders., InsO, § 274 Rn. 13; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 22. 927) Eine direkte Anwendbarkeit ergibt sich auch nicht aus § 280 InsO, weil dieser dem Sachwalter nur Aufgaben zuweist, ihn aber insofern nicht insgesamt in die Stellung eines Verwalters einrücken lässt; so aber Braun/Riggert, InsO, § 280 Rn. 4.

172

III. Haftung des Sachwalters

beispielsweise für seine bloß im Innenverhältnis wirkende Zustimmung oder nicht Nicht-Widerspruch gem. § 275 Abs. 1 InsO genauso wenig wie für seine Kassenführung.928) c) Analoge Anwendung vor Eröffnung Auch im Eröffnungsverfahren kann § 61 InsO den Sachwalter nur dort tref- 564 fen, wo seine Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten begründen. Aus der richtigen Überlegung, er könne insofern nicht selbst ermächtigt werden (oben Rn. 169), zu schließen, er hafte niemals nach § 61 InsO,929) greift aber zu kurz. Denn auch im Eröffnungsverfahren ist seine Beteiligung an entsprechenden Handlungen des Schuldners denkbar. Hat das Gericht den Schuldner nämlich ermächtigt, Masseverbindlichkeiten 565 zu begründen (oben Rn. 171 ff.), so kann der Sachwalter darin eingebunden sein. Wie schon im eröffneten Verfahren kann für eine Haftung analog § 61 InsO jedoch keine Einbindung genügen, die, wie im Falle des § 275 Abs. 1 InsO, allein im Innenverhältnis wirkt.930) Hat aber das Gericht im Rahmen der Einzelermächtigung zugleich auch einen 566 Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO angeordnet (oben Rn. 437931)), so ist die Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Rechtshandlung des Sachwalters ist damit, wie auch im Falle des § 277 InsO, mitbegründend für das Entstehen der Masseschuld. Wenn das so ist, spricht aber viel dafür, die Regelung des § 61 InsO analog anzuwenden. Denn auch insofern besteht eine planwidrige Lücke. Soweit man nämlich im 567 Regel-Eröffnungsverfahren von einer Unanwendbarkeit des § 61 InsO ausgeht,932) wird dort bei schwachen vorläufigen Verwaltern auch keine Masseschuld begründet. Die Frage stellt sich dort also ganz anders. Die Interessenlage im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung ist hingegen dieselbe wie bei § 277 InsO: Wenn der Sachwalter wie dort schon konstitutiv an der Begründung einer Masseverbindlichkeit mitwirkt, kann ihn auch eine Haftung treffen.933) ___________ 928) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 28; Uhlenbruck/ders., InsO, § 275 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 24. 929) So Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 25; Leonhardt/Smid/Zeuner/ Wehdeking, InsO, § 274 Rn. 9; vgl. ebenfalls ablehnend Hill, ZInsO 2010, 1825, 1828; Wimmer/Schmerbach, FK-InsO, § 21 Rn. 73a. 930) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 687 ff. 931) Dies gilt auch, soweit man hierfür eine Anordnung analog § 277 InsO als maßgeblich ansieht, Nachweise dazu oben unter derselben Randnummer. 932) Vgl. etwa BGH ZInsO 2007, 1228; ZInsO 2002, 819, 821 f. 933) So auch, wenngleich unter analoger Anwendung der §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO, Flöther, ZInsO 2014, 465, 471; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 78; Kern, MüKoInsO, § 270a Rn. 44 f.

173

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

3. Steuerliche Haftung 568 Während Schäden der Finanzverwaltung nach Maßgabe der §§ 60 f. InsO geltend gemacht werden können, unterliegt der Sachwalter auch einer eingeschränkten steuerlichen Haftung. Er unterfällt nämlich gem. § 69 AO nicht der Regelung des § 34 AO, kann aber gem. §§ 69, 35 AO haften. 569 Zwar ist er kein Vermögensverwalter gem. § 34 Abs. 3 AO. Denn schon dem Wortlaut nach müsste ihm dafür die Vermögensverwaltung obliegen, welche gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO in der Eigenverwaltung gerade beim Schuldner verbleibt. Ist bereits ein schwacher vorläufiger Verwalter im Regelinsolvenzverfahren kein Vermögensverwalter im steuerrechtlichen Sinne,934) gilt dies erst recht für den (vorläufigen) Sachwalter.935) 570 Wohl aber kann er im Falle einer Übernahme der Kassenführung gem. § 35 AO Adressat steuerlicher Pflichten sein und in diesem Zusammenhang gem. § 69 AO haften.936) Die Norm setzt nämlich lediglich eine Verfügungsberechtigung auch in fremdem Namen voraus. Eben jene hat der Sachwalter bei Übernahme der Kassenführung, weil er dabei als gesetzlicher Vertreter des Schuldners (oben Rn. 393) handelt. 571 Der hiergegen gerichtete Einwand, die Entgegennahme oder Ausführung von Zahlungen sei keine Verfügung, sondern lediglich Realakt,937) verfängt nicht. Er verkennt, dass der Sachwalter im Rahmen der Kassenführung für den Schuldner Buch- oder Sachrechte überträgt und insofern dessen Eigentum verändert. So genügt es auch in der Rechtsprechung des BFH bereits für die Anwendbarkeit des § 35 AO, wenn beispielsweise „Überweisungen … unterschrieben“ werden.938) 572 Soweit er die Kassenführung übernimmt, haftet der Sachwalter also gegenüber der Finanzverwaltung gem. §§ 69, 35 AO. Die Haftung geht allerdings spiegelbildlich nur so weit, wie seine Verfügungsbefugnis reicht.939) Da sich ___________ 934) BFH ZIP 2009, 2255; FG Schleswig-Holstein EFG 2004, 1023; Klein/Rüsken, AO, § 34 Rn. 23; Pahlke/Koenig/Koenig, AO, § 34 Rn. 26. 935) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 532, 536; Klusmeier, ZInsO 2014, 488, 490; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 12; K. Schmidt/ Schmittmann, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 16; König, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 36 Rn. 44; Krüger, ZInsO 2013, 578, 579. 936) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 532, 536; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 13; König, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 36 Rn. 44; Krüger, ZInsO 2013, 578, 579; Lau, DB 2014, 1417, 1420 f.; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1407 mit weiteren Überlegungen auch zur Kausalität und zum Verschulden. 937) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548 (und ihm folgend Klusmeier, ZInsO 2014, 488, 490) unter Verweis auf HessFG ZIP 1992, 687: Die Entscheidung behandelte indes nur die faktische Einziehungsberechtigung, nicht aber eine – wie gem. § 275 Abs. 2 InsO gegebene – rechtliche Vertretungs- und damit auch Verfügungsbefugnis. 938) BFH BStBl II 1991, 284; dazu und zu weiteren Beispielen Klein/Rüsken, AO, § 35 Rn. 12. 939) Pahlke/Koenig/Koenig, AO, § 35 Rn. 13.

174

III. Haftung des Sachwalters

diese von vornherein nur auf das Leisten und Entgegennehmen von Zahlungen beschränkt, kann der Sachwalter also gem. § 35 AO nicht zur Abgabe von (Steuer-)Erklärungen verpflichtet sein. Wohl aber muss er, soweit er die Kassenführung inne hat, Steuerzahlungen 573 bei Fälligkeit leisten, die Masseverbindlichkeiten sind. Hierunter fällt auch Umsatzsteuer auf nach Eröffnung angezogene Beträge nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH (oben Rn. 185). Insofern trifft ihn diejenige Zahlungsverpflichtung und damit Haftungsgefahr, die außerhalb der Kassenführung beim Schuldner liegt (oben Rn. 527 ff.). Praxistipp: Im Eröffnungsverfahren sollte der kassenführende Sachwalter zur Vermeidung einer Haftung seiner Organwalter Steuerzahlungen anfechtbar leisten. Insbesondere sollte er die Finanzbehörde daher über die angeordnete vorläufige Eigenverwaltung in Kenntnis setzen.

175

E. Vergütung des Sachwalters Die Vergütung der Tätigkeit des Sachwalters hat im Gesetz nur eine unzu- 574 reichende Regelung erfahren. Während für den Sachwalter im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren gem. § 65 InsO, § 12 InsVV eine eigene Normierung besteht, ist bei der Vergütung des vorläufigen Sachwalters bereits die Höhe des Regelsatzes nicht abschließend geklärt. Auch die Ermittlung der zutreffenden Berechnungsgrundlage und Inhalte möglicher Zuschläge sind nach wie vor Gegenstand von Diskussionen. I. Allgemeines Die zentrale Vorschrift für die Vergütung des Sachwalters findet sich in den 575 §§ 274 Abs. 1, 63 Abs. 1 InsO. Danach hat er Anspruch auf eine Vergütung für Tätigkeit und die Erstattung von Auslagen, welche jeweils im Einzelnen gem. § 64 Abs. 1 InsO durch das Insolvenzgericht festzusetzen sind. Gegen Festsetzungsbeschlüsse findet gem. § 64 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde statt.940) Die Höhe der Festsetzungen richtet sich aufgrund der Verordnungsermäch- 576 tigung des § 65 InsO nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV941)). Diese enthält in ihren §§ 10, 12 für den Sachwalter eine, worauf noch einzugehen sein wird, unvollständige Normierung. Die Vergütung und Auslagen des Sachwalters zählen gem. §§ 274 Abs. 1, 54 577 Nr. 2 InsO zu den Kosten des Verfahrens. Sie sind Masseverbindlichkeiten942) und im Falle der Masseunzulänglichkeit gem. § 209 Abs. 1 vor allen sonstigen Massekosten zu berichtigen.943) Die Verfahrenskosten müssen von der Masse gedeckt, vorgeschossen oder gem. § 4a InsO gestundet sein, um keine Abweisung des Eröffnungsantrages gem. § 26 Abs. 1 InsO zu bewirken. Sind sie gestundet, kann der Sachwalter gem. §§ 274 Abs. 1, 63 Abs. 2 InsO seine Vergütung und Auslagen von der Staatskasse ersetzt verlangen, soweit die Masse nicht ausreicht. Mithilfe der Regelung der §§ 10, 9 InsVV kann der Sachwalter mit Zustim- 578 mung des Gerichtes einen Vorschuss aus der Masse erhalten. Diesen kann er selbst entnehmen, wenn er die Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO übernommen hat. In allen anderen Fällen ist der Schuldner verpflichtet, den Vorschuss an den Sachwalter auszukehren.944) ___________ 940) 941) 942) 943) 944)

Vgl. dazu im Einzelnen etwa Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, § 64 Rn. 10 ff. Vom 19.08.1998 – BGBl I, 2205. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 30. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 60 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 65; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 17 m. w. N.

177

E. Vergütung des Sachwalters

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren 1. Regelsatz und seine Berechnungsgrundlage 579 Die Vergütung des Sachwalters orientiert sich gem. § 12 Abs. 1 InsVV an derjenigen des Insolvenzverwalters: Er erhält als Regelsatz 60 Prozent dessen, was ein Verwalter erhalten würde. Mit dieser Reduktion wollte der Verordnungsgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sachwalter vornehmlich nicht selbst handle, sondern Überwachungsfunktionen innehabe.945) Es ist also gem. § 2 InsVV der Regelsatz für den Insolvenzverwalter zu ermitteln und hiervon der benannte Bruchteil für den Sachwalter zu errechnen. 580 Die Berechnungsgrundlage für den Regelsatz ergibt sich aus §§ 10, 1 InsVV. Sie umfasst damit die Masse, für deren Wertbestimmung auf den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung abzustellen ist. Grundlage hierfür stellt die Schlussrechnung dar, welche der Schuldner gem. § 281 Abs. 3 S. 1 InsO zu erstellen und der Sachwalter zu prüfen hat (oben Rn. 345 ff.).946) Bei einer vorzeitigen Beendigung etwa durch Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO ist der Schätzwert der Masse zugrunde zu legen, § 1 Abs. 1 S. 2 InsVV.947) 581 Verwertetes Absonderungsgut gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV bleibt für die Berechnung außer Betracht, weil die Verwertung gem. § 282 Abs. 1 InsO dem Schuldner obliegt und keine Feststellungskosten anfallen.948) Jedoch werden die Verwertungskosten gem. § 282 Abs. 1 S. 3 InsO und die Umsatzsteuer berücksichtigt.949) Soweit der Sachwalter darüber hinaus erheblichen Aufwand betreiben muss, um schuldnerisches Verhalten im Rahmen des § 282 InsO zu kontrollieren, kann dem durch Zuschläge Rechnung getragen werden. 582 Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4a InsVV i. V. m. § 5 InsVV kann von der Masse eine Vergütung abzuziehen sein, soweit der Sachwalter selbst950) als Rechtsanwalt hierfür – etwa bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ___________ 945) Verordnungsbegründung zu § 12 InsVV, abgedruckt bei Haarmeyer/Mock, InsVV; zur Entstehung der Norm vgl. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 60. 946) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 5; Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 4; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 7. 947) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 5; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 5; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 7. 948) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 541; Kreft/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Kübler/ Prütting/Bork/Pape/Eickmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Schmidt/Büttner, HmbKoInsO, InsVV § 12 Rn. 4; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 6; Stephan, MüKoInsO, InsVV § 12 Rn. 7. 949) Kübler/Prütting/Bork/Pape/Eickmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 4. 950) Abzustellen ist auf die eigene Qualifikation: Der Sachwalter übernimmt also Aufgaben, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Sachwalter an einen externen Rechtsanwalt übergeben hätte, vgl. Kreft/Keller, HK-InsO, InsVV § 5 Rn. 1.

178

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren

gem. §§ 92 f. InsO – der Masse bereits gesondert Kosten in Rechnung gestellt hat.951) Bei der in der Eigenverwaltung regelmäßig stattfindenden Betriebsfortfüh- 583 rung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV der Einnahmeüberschuss für eine Erhöhung der Masse zugrunde zu legen.952) Damit hängt die Vergütung maßgeblich auch vom Erfolg der schuldnerischen Betriebsfortführung ab, welche der Sachwalter vornehmlich zu überwachen und nicht selbst zu steuern hat.953) Allerdings bleibt auch ein etwaig während dieser Zeit erlittener Verlust unberücksichtigt.954) 2. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) Überschreitet die Tätigkeit des Sachwalters wegen gerichtlicher Anordnungen 584 oder der konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten des Falles diejenige einer gedachten durchschnittlichen955) Sachwaltung, sind gem. §§ 10, 3 InsVV Vergütungszuschläge anzusetzen.956) Diese Möglichkeit wird auch nicht gem. § 12 Abs. 2 InsVV ausgeschlossen, weil der dort geregelte Zuschlag nur beispielhaft („insbesondere“) und nicht abschließend normiert ist.957) Zuschläge sind durch Erhöhung der Regelvergütung um Prozentpunkte ein- 585 zurechnen.958) Hierfür bieten die in der Kommentarliteratur für Insolvenzverwalter enthaltenen Tabellen959) einen Anhaltspunkt. Die dort enthaltenen Sätze sind für den Sachwalter nicht pauschal auf 60 Prozent zu kürzen.960) Vielmehr ist entscheidend, ob im vom Zuschlag erfassten Bereich Arbeitsaufwand, Haftungsgefahren und die Bereitstellung der sachlichen und persönlichen Mittel für den Sachwalter vergleichbar sind mit der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters. ___________ 951) Für die Anwendbarkeit der Norm auch Kreft/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 4; außer im Falle des § 275 Abs. 2 InsO ohne Begründung dagegen Schmidt/Büttner, HmbKoInsO, InsVV § 12 Rn. 4. 952) A. A. ohne jede Begründung Kreft/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 4; wie hier wohl Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 32. 953) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 32. 954) BGH ZInsO 2005, 760, 761. 955) Dazu Wimmer/Wimmer, FK-InsO, InsVV § 12 Rn. 7. 956) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kreft/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pape/Eickmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Madert, InsO, InsVV § 12 Rn. 8; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 8. 957) Graf-Schlicker/Kalkmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 75; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 33. 958) Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 12. 959) Vgl. nur Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rn. 77. 960) So aber Kübler/Prütting/Bork/Pape/Eickmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 8; Nerlich/ Römermann/Madert, InsO, InsVV § 12 Rn. 8.

179

E. Vergütung des Sachwalters

586 Soweit dies der Fall ist, rechtfertigt sich nämlich nach der Rechtsprechung des BGH auch keine prozentuale Kürzung bei Zuschlägen des vorläufigen Verwalters gegenüber dem endgültigen Insolvenzverwalter.961) Sind Aufwand und Gefahren also mit denen des Verwalters vergleichbar, sind die Zuschläge für den Sachwalter mit denselben Prozentpunkten anzusetzen; andernfalls sind sie zu kürzen.962) 587 Im Rahmen der Eigenverwaltung kommen damit die allgemeinen Zuschläge in Betracht, die auch im Regelinsolvenzverfahren anwendbar sind.963) Insofern ist auch ein Zuschlag von etwa 20 Prozent zum Ausgleich der Inflation von rund 24 Prozent seit Inkrafttreten der InsVV angemessen.964) 588 Daneben sind spezielle Zuschläge denkbar, welche an Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild der Aufgabenverteilung in den §§ 270 ff. InsO anknüpfen. Diese können beispielsweise gewährt werden für:965) x

die Übernahme der Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO,

x

Tätigkeiten im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten gem. § 277 InsO (§ 12 Abs. 2 InsVV), soweit diese einen tatsächlichen Mehraufwand verursacht haben,966)

x

die Ausarbeitung eines Insolvenzplans gem. § 284 Abs. 1 S. 1 InsO (vgl. § 3 Abs. 2 lit. e InsVV) oder Beratung des Schuldners967) bei der Ausarbeitung gem. § 284 Abs. 1 S. 2 InsO,

x

die Planüberwachung gem. § 284 Abs. 2 InsO, die aber wohl wegen der Spezialregelung der §§ 10, 6 Abs. 2 InsO gesondert vergütet wird, so dass kein Zuschlag anfällt,968) sowie

x

das quantitative oder qualitative Übersteigen des Aufwandes bei der Wahrnehmung der dem Sachwalter nach den §§ 270 ff. InsO zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben. Dies kann beispielsweise bei der besonders inten-

___________ 961) Vgl. nur BGH ZInsO 2013, 840, 841 Rn. 13; ZInsO 2010, 1855, 1856 Rn. 12; ZinsO 2004, 1350, 1351. 962) Graeber/Graeber, InsVV, § 12 Rn. 5; Nowak, MüKo-InsO, 2. Aufl. 2007, InsVV § 12 Rn. 9; differenzierend Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 37 f. 963) Vgl. nur statt vieler Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 542; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 61; instruktive tabellarische Übersicht bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rn. 77. 964) Kübler/Prütting/Bork/Stoffler, InsO, InsVV § 2 Rn. 40, 43; dem folgend Graeber/ Graeber, InsVV, § 3 Rn. 214b. 965) Vgl. die Beispiele bei Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 8 ff.; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 274 Rn. 63; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 9; Stephan/Riedel/ Stephan, InsVV, § 12 Rn. 9. 966) Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 8. 967) Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 5. 968) Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 11; a. A., aber ohne Begründung, Kübler/ Prütting/Bork/Pape/Eickmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 7.

180

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren

siven Überwachung der Betriebsfortführung (vgl. § 3 Abs. 2 lit. b InsVV), der überdurchschnittlich aufwendigen Geltendmachung von Haftungsund Anfechtungsansprüchen (§ 280 InsO) oder einer besonders komplexen Prüfung von Schuldnerberichten oder der Schlussrechnung der Fall sein. x

Angesichts der hier vertretenen Auffassung zur Beratung des Schuldners (oben Rn. 487 ff.) kann sich auch daraus ein überdurchschnittlicher Mehraufwand gegenüber dem gesetzlichen Leitbild ergeben.969)

Bei unterdurchschnittlich einfacher Bearbeitung bzw. geringer Arbeitsbelas- 589 tung kommt eine Kürzung der Vergütung über Abschläge in Betracht.970) Dies kann beispielsweise in den folgenden Konstellationen der Fall sein:971) x

vorzeitige Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO (vgl. § 3 Abs. 2 lit. c InsVV),972)

x

der Eigenverwaltung vorausgehende vorläufige (Eigen-)Verwaltung, im Rahmen derer der vorläufige Verwalter bzw. Sachwalter bereits arbeitsentlastende tatsächliche Feststellungen zu Haftungstatbeständen, Anfechtungsrechten oder weiteren Umständen getroffen hat,

x

besonders geringe Überwachungsnotwendigkeit, weil beispielsweise beim Schuldner kein nennenswerter Geschäftsanfall vorlag,

x

das sehr seltene Vorliegen von Mitwirkungs- und Zustimmungsfällen oder

x

eine besonders kurze Verfahrensdauer, soweit dadurch Aufwand für Zwischenberichte und Überwachungstätigkeiten eingespart wurde.

3. Auslagen Aufgrund der Regelung der §§ 10, 4 InsVV kann der Sachwalter die Erstat- 590 tung von Auslagen verlangen. Diese unterteilen sich gem. § 4 InsVV in drei Gruppen: Die zunächst erstattungsfähigen besonderen Kosten gem. § 4 Abs. 2 InsVV 591 unterscheiden sich von den mit der Vergütung gem. § 4 Abs. 1 S. 1 InsVV abgegoltenen allgemeinen Kosten dadurch, dass sie lediglich für das konkrete ___________ 969) So wohl auch angedeutet bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 552 a. E. 970) Vgl. nur Kreft/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 8; Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 8. 971) Vgl. die Beispiele bei Graeber/Graeber, InsVV, § 12 Rn. 7; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Eickmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 10; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 11; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 78. 972) Ebd.; krit. dazu Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 41, der eine Doppelvergütung des zunächst als Sachwalter und später als Verwalter Tätigen befürchtet. Allerdings besteht nicht notwendig Personenidentität und es können Korrekturen zur Vermeidung einer Doppelvergütung auch über Abschläge vorgenommen werden.

181

E. Vergütung des Sachwalters

Verfahren anfallen.973) Sie umfassen beispielsweise angemessene974) Reisekosten, Kosten für Veröffentlichungen nach § 188 InsO, Datensicherung, die Einrichtung eines Gläubigerinformationssystems und vieles mehr. Ebenso sind Kosten für Zustellungen (oben Rn. 234 f.) sowohl hinsichtlich der Sach-, als auch der gegebenenfalls zu schätzenden Personalkosten erstattungsfähig.975) 592 Darüber hinaus kann der Sachwalter gem. §§ 4 Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 2 InsVV Zahlungen für den Einsatz von Hilfskräften verlangen, die er mittels Werkoder Dienstvertrages im eigenen Namen beauftragt hat. Dies betrifft etwa die Inanspruchnahme externer Steuerberater, Buchhalter oder Gutachter.976) Dies hat in der Eigenverwaltung besondere Bedeutung, weil ihm der von § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV alternativ vorgesehene Weg, derartige Verträge zu Lasten der Masse abzuschließen, wegen der dem Schuldner vorbehaltenen Masseverwaltung verwehrt ist.977) 593 Schließlich kann der Sachwalter die Kosten einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung gem. § 4 Abs. 3 S. 2 InsVV geltend machen. Das setzt ein besonderes Haftungsrisiko voraus, dass angesichts der Darstellungen zur Haftung (oben Rn. 538 ff.) nicht pauschal auf Fälle des Zustimmungsvorbehaltes gem. § 277 InsO eingeschränkt werden kann.978) Vielmehr wird es auch bei einer Betriebsfortführung in größeren Verfahren regelmäßig gegeben sein.979) Die Inanspruchnahme entsprechender Policen sollte mit dem Gericht und dem Gläubigerausschuss abgesprochen werden, um eine spätere Bewertung als unangemessen gem. § 4 Abs. 3 S. 2 InsVV zu vermeiden.980) 594 Statt einer Einzelabrechnung kann der Sachwalter gem. §§ 12 Abs. 3, 10, 8 Abs. 3 InsVV eine Auslagenpauschale geltend machen. Sie ist, anders als die Einzelabrechnung, gegenüber dem Satz für den Verwalter reduziert und beträgt höchstens 125 Euro pro angefangenem Monat der Tätigkeit.

___________ 973) Vgl. dazu etwa Nerlich/Römermann/Madert, InsO, InsVV § 4 Rn. 1, 4 m. w. N. 974) Dazu etwa Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 4 Rn. 7 m. w. N. 975) BGH ZInsO 2013, 894 (mit Anm. Keller, EWiR 2013, 383 und Stoffler, NZI 2013, 488) unter Aufgabe der früheren Rspr. in BGH ZInsO 2007, 202. 976) Beispiele zulässiger Delegation bei Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 4 Rn. 4 ff.; allgemein dazu Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 23 ff. 977) Vgl. auch Riedel, MüKo-InsO, InsVV § 4 Rn. 2 ff. 978) So aber Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 13; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 14. 979) Vgl. zum Verwalter etwa BGH ZIP 1982, 326; Kübler/Prütting/Bork/Stoffler, InsO, InsVV § 4 Rn. 20; Riedel, MüKo-InsO, InsVV § 4 Rn. 27. 980) Kübler/Prütting/Bork/Stoffler, InsO, InsVV § 4 Rn. 20; Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 4 Rn. 30.

182

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren 1. Der Regelsatz Während der Regelsatz des endgültigen Sachwalters in § 12 Abs. 1 InsVV ge- 595 regelt ist, gibt es in den §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1, 63 ff. InsO gleichwie auch in der InsVV keine ausdrückliche Regelung für den vorläufigen Sachwalter.981) Dies hat dazu geführt, dass sich für die Vergütung desselben drei Auffassungen entwickelt haben: x

Eine Überlegung in Rechtsprechung und Literatur geht dahin, dem vorläufigen Sachwalter analog § 12 Abs. 1 InsVV eine Regelvergütung von 60 % derjenigen des Insolvenzverwalters zuzubilligen.982) Dies sei wegen des Aufgabenumfangs angemessen, der beim vorläufigen Sachwalter im Wesentlichen dem des endgültigen Sachwalters entspreche. Abweichungen seien über Zu- oder Abschläge zu würdigen.

x

Eine andere Überlegung, die ebenfalls in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird,983) stellt den vorläufigen Sachwalter zum endgültigen Sachwalter in dasselbe Verhältnis wie den vorläufigen zum endgültigen Verwalter. Werde in letzterer Konstellation im Eröffnungsverfahren eine Vergütung von 25 % derjenigen des eröffneten Verfahrens gewährt, müsse dies in der Eigenverwaltung ebenso gelten: Der vorläufige Sachwalter erhalte also 25 % dessen, was der endgültige erhalte, mithin 25 % von 60 %: Seine Tätigkeit werde also mit einem Regelsatz von 15 % vergütet.

x

Schließlich wird in der Literatur984) der vorläufige Sachwalter bisweilen vergütungsrechtlich wie der vorläufige Verwalter behandelt. Ihm stehe daher analog § 63 Abs. 3 S. 2 InsO eine Regelvergütung von 25 % derjenigen eines endgültigen Verwalters zu.

Die normative Grundlage für die Beantwortung dieser Frage liegt zwar in 596 dem Verweis der §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1 InsO auf ___________ 981) Vgl. diesen Befund etwa bei AG Göttingen ZInsO 2012, 2413, 2415; Budnik, NZI 2014, 247, 248; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1760. 982) AG Hamburg ZInsO 2014, 569; AG Bitburg, Beschl. v. 28. Januar 2014 – 9 IN 52/13, nicht veröffentlicht; AG Neu-Ulm, Beschl. v. 12. Juli 2013 – IN 28/13, nicht veröffentlicht; AG Göttingen ZInsO 2012, 2413; Braun/Riggert, InsO, § 270a Rn. 3; Budnik, NZI 2014, 247; Graeber/Graeber, InsVV, § 12 Rn. 13; Schmücker, jurisPR-InsR 5/2013 Anm. 5. 983) AG Essen ZInsO 2014, 464; LG Bonn ZInsO 2013, 2341; AG Köln ZInsO 2013, 741; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 9; Graf-Schlicker/ dies., InsO, § 270a Rn. 11; Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270a Rn. 15; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 26; Mock, ZInsO 2014, 67; Plathner, NZI 2014, 124; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 23; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 32. 984) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 549; ders., in: Kübler, HRI, § 6 Rn. 81; K. Schmidt/ Undritz, InsO, § 270a Rn. 4 a. E.; Lau, DB 2014, 1417, 1422; Schur, ZIP 2014, 757; Zimmer, ZInsO 2012, 1658.

183

E. Vergütung des Sachwalters

insbesondere § 63 InsO. Allerdings kann diese Vorschrift, auf die undifferenziert verwiesen wird, angesichts des Fehlens einer konkreten Anordnung in der InsVV jede Ergebnisvariante stützen: Geht man von Abs. 1 in Verbindung mit § 65 InsO, § 12 Abs. 1 InsVV aus, liegt eine Vergütung von 60 % nahe. Versteht man Abs. 3 S. 2 als maßgebliche Vorschrift, sind 25 % zutreffend, wobei aber offen bleibt, ob sie sich auf die 100 % des Verwalters oder die 60 % Regelvergütung des Sachwalters beziehen. Deswegen ist der eingangs erwähnte Befund richtig, dass eine klare gesetzliche Regelung fehlt.985) 597 Systematische Gründe sprechen zunächst gegen eine Anwendung von Abs. 1 der Vorschrift in Verbindung mit § 65 InsO, § 12 Abs. 1 InsVV. Denn soweit auf § 63 InsO insgesamt verwiesen wird, ist die in der Norm angelegte Vergütungs-Differenzierung nach Eröffnungsverfahren und eröffnetem Verfahren auch für die Eigenverwaltung maßgeblich.986) Ebenso überzeugt das Argument, in beiden Verfahrensabschnitten habe der Sachwalter nahezu dieselben Pflichten, so dass seine Tätigkeit auch gleich zu vergüten sei,987) nicht. Vielmehr ist der Pflichtenumfang bis zur Eröffnung geringer:988) 598 Erst nach Eröffnung hat der Sachwalter – bei dann auch regelmäßig längerer Verfahrensdauer als im Eröffnungsverfahren989) – die Tabelle zu führen (oben Rn. 232 ff.), Masseunzulänglichkeit anzuzeigen (oben Rn. 251 ff.), die Schlussrechnung zu prüfen (oben Rn. 345 ff.), kann erst dann einen Auftrag zur Ausarbeitung eines Insolvenzplanes erhalten (oben Rn. 270), Insolvenzanfechtung (oben Rn. 280 ff.) und besondere Schadensersatzansprüche (oben Rn. 287 ff.) geltend machen und ist an der Änderung der Geschäftsleitung (oben Rn. 472 ff.) beteiligt. Richtig ist zwar, dass im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO bis zur Eröffnung verstärkter Arbeitsanfall bestehen kann. Dies ist etwa denkbar, wenn alle wesentlichen Arbeiten zur Erstellung eines Insolvenzplanes bereits hier unter maßgeblicher Beteiligung des Sachwalters stattfinden.990) Allerdings kann diesem Umstand durch Zuschläge Rechnung getragen werden. Darüber hinaus kann man auch nicht aus der im Schutzschirmverfahren bestehenden Pflicht zur Anzeige der Zahlungsunfähigkeit einen grundsätzlich höheren Aufwand im vorläufigen Verfahren folgern.991) Tatsächlich ist die Anzeige nämlich regelmäßig erforderlich, weil Geschäftspartner und Banken ___________ 985) A. A. Schur, ZIP 2014, 757, 758, der Abs. 1 für maßgeblich erachtet und sich mit Abs. 3 S. 2 nur unzureichend auseinandersetzt. 986) Plathner, NZI 2014, 124, 125. 987) Vgl. etwa AG Göttingen ZInsO 2012, 2413, 2415; Budnik, NZI 2014, 247, 249; Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 3a; Schmücker, jurisPR-InsR 5/2013 Anm. 5. 988) Vgl. dazu auch Schur, ZIP 2014, 757, 758 f. 989) Mock, ZInsO 2014, 67, 68. 990) Darauf maßgeblich abstellend AG Hamburg ZInsO 2014, 569, 571; Budnik, NZI 2014, 247, 249. 991) So aber Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 3a; vgl. auch AG Göttingen ZInsO 2012, 2413, 2415.

184

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren

ihre Kredite kündigen und fällig stellen (oben Rn. 381 a. E.), so dass die Anzeige beinahe den Charakter einer bloßen Formalie gewinnt. Liegt damit systematisch die Anwendung von § 63 Abs. 3 S. 2 InsO auf die 599 vorläufige Eigenverwaltung nahe,992) stellt sich die Frage nach dem Bezugspunkt der Regelvergütung von 25 %. So erscheint es zunächst einsichtig, sie im Kontext zu § 63 Abs. 1 InsO auf diejenigen 60 % zu beziehen, die der endgültige Sachwalter erhält. Maßgeblich wären damit 25 % von 60 %, also 15 %. Allerdings ist die Prämisse dieser Überlegung zweifelhaft. Sie unterstellt 600 nämlich, dass sich der vorläufige zum endgültigen Sachwalter auf dieselbe Weise verhält wie der vorläufige zum endgültigen Verwalter. Eben dies ist aber kein rechnerischer Automatismus.993) Das Verhältnis von ¼ zum Ganzen hat sich seinerzeit in der Rechtsprechung unter Würdigung der konkreten Unterschiede im Pflichten- und Haftungsumfang zwischen vorläufiger und endgültiger Insolvenzverwaltung herausgebildet.994) Das dabei gefundene Ergebnis wurde in der Folge in § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV a. F.995) und nunmehr § 63 Abs. 3 S. 2 InsO normiert. Will man den Bezugspunkt der 25 %-Anordnung des § 63 Abs. 3 S. 2 InsO 601 für den vorläufigen Sachwalter klären, ist also ein konkreter Vergleich der Pflichten- und Haftungsregime erforderlich.996) Die richtige Frage lautet also, ob der vorläufige Sachwalter nur ¼ der Pflichten und des Risikos des endgültigen Sachwalters zu bewältigen hat oder deutlich mehr – in letzterem Fall läge es nahe, ihm ¼ der Vergütung eines endgültigen Verwalters zu gewähren und damit rechnerisch knapp 42 % der Vergütung des endgültigen Sachwalters. Betrachtet man die Beziehung zwischen endgültigem und vorläufigem 602 Sachwalter, so kann das Verhältnis ¼ zum Ganzen nicht richtig sein. Die rechnerischen 42 % werden der Realität viel eher gerecht. Denn zwar sind seine Pflichten nach dem oben Dargestellten geringer als die des endgültigen Sachwalters. Allerdings treffen ihn die zentralen Kontroll- und Prüfungspflichten (oben Rn. 305 ff.) in jeder Verfahrenslage. Das gilt auch für die Nachteilsanzeige (oben Rn. 356 ff.), die (Zwischen-)Berichterstattung (oben Rn. 384 ff.), die Übernahme der Kassenführung (oben Rn. 388 ff.), Zustimmungs- und Widerspruchsvorbehalte (oben Rn. 407 ff., 434 ff.) und die gerade im Eröffnungsverfahren regelmäßig besonders intensive Beratung (oben Rn. 487 ff.). Ebenso läuft die Haftung weitgehend gleich (oben Rn. 540, 549 ff.). ___________ 992) Vgl. Zimmer, ZInsO 2012, 1658, 1662: § 11 InsVV, also nunmehr die Regelung in § 63 Abs. 3 S. 2 InsO, sei „zentrale Vorschrift“ für das vorläufige Verfahren; ebenso Mock, ZInsO 2014, 67, 68; Plathner, NZI 2014, 124, 125. 993) Schur, ZIP 2014, 757, 760. 994) BGH ZInsO 2004, 265; ZInsO 2003, 791; ZInsO 2003, 748. 995) Vgl. die Begründung des Verordnungsgebers, abgedruckt in Stephan/Riedel, InsVV, Anh. II 3 B zu Nr. 4). 996) Budnik, NZI 2014, 247, 249; Schur, ZIP 2014, 757, 760.

185

E. Vergütung des Sachwalters

603 Stellt man als Kontrollüberlegung den vorläufigen Sachwalter und den vorläufigen Verwalter in Beziehung zueinander, ist es auch plausibel, dass sie denselben Regelsatz von 25 % erhalten. Die praktische Erfahrung zeigt, dass Dauer997) und Aufwand im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung nicht wesentlich von denen im Regelinsolvenzverfahren abweichen, zumal in der Eigenverwaltung gerade eine Betriebsfortführung die Regel ist.998) Im Regelinsolvenzverfahren hat der vorläufige Verwalter zwar eine Vermögenssicherungspflicht,999) deren Einhaltung durch den Schuldner aber auch der vorläufige Sachwalter zu kontrollieren hat. Gerade die schwache vorläufige Verwaltung kennt vergleichbare Überwachungspflichten wie jene des Sachwalters.1000) Schließlich muss der Sachwalter die Lage des Schuldners auch genauso gut kennen wie ein vorläufiger Verwalter (oben Rn. 332, 351). 604 Sind damit vorläufiger Sachwalter und vorläufiger Verwalter gleich, nämlich jeweils mit einem Regelsatz von 25 %, zu vergüten, bringt dies auch das Ziel des Gesetzgebers, die Eigenverwaltung zu stärken,1001) besser zum Ausdruck: Denn dann ist die Verfahrensart für die Vergütung des Sach- bzw. Verwalters kostenneutral, was zusätzlichen Anreiz für die Wahl dieses in der Vergangenheit vernachlässigten Institutes geben kann. 2. Die Berechnungsgrundlage 605 Im Eröffnungsverfahren ist die Berechnungsgrundlage gem. §§ 63 Abs. 3 S. 2, 65 InsO i. V. m. dem entsprechend anzuwendenden § 11 Abs. 1 S. 1 InsVV der Wert des Vermögens, auf das sich die Tätigkeit des Sachwalters erstreckte.1002) Dieses ist im Sinne des Aktivvermögens1003) weit zu fassen und umfasst das gesamte bekannte Vermögen,1004) weil eben dieses von der Aufsichtsfunktion des Sachwalters erfasst ist (oben Rn. 311). Es ist zeitraum-, nicht stichtagsbezogen zu ermitteln.1005) 606 Zur Wertermittlung können die Schlussrechnung (oben Rn. 197), das Verzeichnis der Massegegenstände (oben Rn. 198) oder eine Eröffnungsbilanz herangezogen werden, wobei letztere um dort nicht abgebildete Werte zu er___________ 997) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 9. 998) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 549; Schur, ZIP 2014, 757, 760 f.; a. A. AG Essen ZInsO 2014, 464: nur ein „Bruchteil“. 999) Budnik, NZI 2014, 247, 250. 1000) Schur, ZIP 2014, 757, 761, 762 f. 1001) BT-Drucks. 17/5712, S. 19. 1002) AG Hamburg ZInsO 2014, 569, 571; AG Köln ZInsO 2013, 741, 742; AG Göttingen ZInsO 2012, 2413, 2414; Graeber/Graeber, InsVV, § 12 Rn. 14 m. w. N. 1003) Mock, ZInsO 2014, 67, 69. 1004) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 557. 1005) Budnik, NZI 2014, 247; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 556; Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 4a.

186

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren

gänzen ist.1006) Soweit derartige Unterlagen mangels Eröffnung fehlen und auch kein Eröffnungsgutachten vorliegt, kann der Sachwalter die vom Schuldner vorgelegten Informationen heranziehen1007) und schließlich den Vermögenswert gem. § 1 Abs. 1 S. 2 InsVV schätzen.1008) Soweit noch keine Verwertung stattgefunden hat, handelt es sich bei der Wertermittlung notwendig um eine Prognose. Diese steht gem. dem entsprechend anwendbaren § 11 Abs. 2 InsVV einer nachträglichen Korrektur offen.1009) Zur Bestimmung des Vermögenswertes sind die Regelungen des § 1 Abs. 2 607 Nr. 1 bis 4 InsVV entsprechend heranzuziehen. Insofern gelten die Überlegungen zum endgültigen Sachwalter (oben Rn. 581) hier genauso. Daher sind beispielsweise Gegenstände, die nach Verfahrenseröffnung der Absonderung unterlägen, analog § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV grundsätzlich nicht werterhöhend. Allerdings regelt § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV als Spezialvorschrift eine Werterhö- 608 hung, wenn eine erhebliche Befassung mit Gegenständen stattfindet, die bei Verfahrenseröffnung wertausschöpfend mit Aus- oder Absonderungsrechten belastet wären. Die Vorschrift ist trotz der jüngeren gegenteiligen Einschätzung des BGH1010) wirksam. Soweit das Gericht nämlich davon ausging, die Norm sei mit der Verordnungsermächtigung unvereinbar und unwirksam, hat der Gesetzgeber eine gegenteilige Intention mittlerweile klargestellt.1011) Eine derartige spätere Klarstellung ist auch für die Beurteilung früherer Rechtszustände beachtlich.1012) Darüber hinaus wurde § 11 Abs. 1 InsVV mit Wirkung vom 19. Juli 2013 609 durch Gesetz neu gefasst,1013) wodurch auch insofern die Vereinbarkeit mit dem in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers außer Frage steht. Wird schließlich eine Rechtsverordnung durch Gesetz geändert, erlangt sie, soweit die Änderung reicht, nach richtiger Auffassung den Rang eines Gesetzes.1014) Denn dem Gesetzgeber stehen nur die im Grundgesetz vorgesehenen Handlungsformen zur Verfügung, so dass ___________ 1006) Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 4a. 1007) Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 25; Zimmer, ZInsO 2012, 1658, 1663. 1008) Budnik, NZI 2014, 251; Graeber/Graeber, InsbürO 2013, 6; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 5. 1009) Zimmer, ZInsO 2012, 1658, 1659. 1010) Zu § 11 Abs. 1 S. 4 InsVV a. F. = § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV n. F. vgl. BGH ZInsO 2013, 44, 45; ZInsO 2013, 100, 103; ZInsO 2013, 515, 516. 1011) Klarstellend, dass dies vielmehr gewollt war, nunmehr BT-Drucks. 17/13535, S. 31. 1012) OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. Februar 2014 – OVG 1 B 24.13 – juris, Rn. 64 f.; OVG Berlin VerkMitt 1988, 63. 1013) Art. 5 Nr. 3 a des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 – BGBl I, 2379. 1014) Vgl. nur Maunz/Dürig/Remmert, GG, Art. 80 Rn. 88 ff. m. w. N.; a. A. aber BVerfGE 114, 196, 238, jedoch mit ausführlicher berechtigter Kritik schon im Sondervotum der Richter Osterloh und Gerhardt (a. a. O., S. 250 ff.).

187

E. Vergütung des Sachwalters

die Schaffung von Verordnungsrecht der Exekutive vorbehalten ist.1015) Der BGH hat daher hinsichtlich des aktuellen § 11 Abs. 1 InsVV nach hiesigem Verständnis auch keine Verwerfungskompetenz mehr. 610 Damit kann sich die Berechnungsgrundlage also entsprechend § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV erhöhen, soweit eine erhebliche Befassung stattfindet. Zwar ist insofern zu berücksichtigen, dass diese gem. § 282 InsO grundsätzlich durch den Schuldner erfolgt.1016) Allerdings hat der Sachwalter sie zu überwachen (oben Rn. 149, 311) und muss daher schuldnerische Entscheidungen detailliert nachvollziehen, um sie zu kontrollieren.1017) Eben dies kann, wie auch beim schwachen vorläufigen Verwalter, ein erhebliches Befassen begründen.1018) Darüber hinaus ist auch denkbar, dass Schuldner und Sachwalter sich darauf einigen, dass der Sachwalter wegen überlegender Rechtskenntnisse das Gros der Bewertung und Rechtsprüfung übernimmt.1019) In diesem Fall ist eine erhebliche Befassung ohne weiteres anzunehmen. 3. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) 611 Auch die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ist durch Regelsatzabweichungen gem. §§ 10, 3 InsVV veränderbar.1020) Dies lässt sich angesichts der obigen Darstellungen (oben Rn. 229 ff., 508) auch nicht mit Blick auf einen angeblich „äußerst beschränkten Aufgabenkreis“ bezweifeln.1021) Vielmehr zeigt sich, dass der vorläufige Sachwalter eine Vielzahl von gleichen Pflichten hat, die insbesondere im Eröffnungsverfahren wegen der dort erstmalig gegebenen Notwendigkeit zur Ordnung des Verfahrensablaufs besonders aufwendig umzusetzen sein können. 612 Aus diesem Grund kommen wie beim endgültigen Sachwalter (vgl. oben Rn. 587 f.) auch in der vorläufigen Eigenverwaltung beispielsweise folgende Zuschläge in Frage:1022) x

aufwendige Überwachung der Unternehmensfortführung,1023)

___________ 1015) 1016) 1017) 1018)

1019) 1020) 1021) 1022) 1023)

188

Maunz/Dürig/Remmert, GG, Art. 80 Rn. 94 ff. m. w. N. Darauf abstellend Mock, ZInsO 2014, 67, 69. Dies verkennend Graeber/Graeber, InsbürO 2013, 6; dies., InsVV, § 12 Rn. 14. Schur, ZIP 2014, 757, 762 f.; Zimmer, ZInsO 2012, 1658, 1662 f.; wohl auch angesichts der nunmehr erfolgten gesetzlichen Regelung Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 558. Braun/Riggert, InsO, § 282 Rn. 7; Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 60. Vgl. nur AG Göttingen ZInsO 2012, 2431; AG Hamburg ZIP 2014, 237; Budnik, NZI 2014, 247, 250. So aber Mock, ZInsO 2014, 67, 69. Vgl. die Beispiele bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 552; Schur, ZIP 2014, 757, 763 ff. Dies setzt aber, vgl. insofern die im Ansatz berechtigte Kritik von Mock, ZInsO 2014, 67, 69 und LG Bonn ZInsO 2013, 2341, ein Übersteigen des Regelfalles voraus; so auch Budnik, NZI 2014, 247, 251.

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren

x

aufwendige Begleitung von Sanierungsbemühungen, beispielsweise auch durch die Vorbereitung einer übertragenden Sanierung,

x

Übernahme der Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO,

x

Arbeitszuwachs begründende Zustimmungsvorbehalte gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO oder analog § 277 InsO (dazu oben Rn. 437),

x

Übernahme von Tätigkeiten im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung oder

x

intensive Beratungstätigkeit (oben Rn. 487 ff.).

Wie auch bei der endgültigen Eigenverwaltung (oben Rn. 589) kommen Ab- 613 schläge in Betracht, wenn unterdurchschnittlich einfache Fälle bzw. geringe Arbeitsbelastung vorliegen. Das kann etwa bei besonders geringem Geschäftsanfall oder der zuverlässigen Mitwirkung durch gut qualifizierte externe Beratern oder Sanierungsgeschäftsführer der Fall sein.1024) 4. Auslagen Auch der vorläufige Sachwalter kann schließlich seine Auslagen nach §§ 10, 4 614 InsVV ersetzt verlangen.1025) Insofern ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber dem endgültigen Sachwalter (vgl. daher oben Rn. 590 ff.), insbesondere steht ihm analog § 12 Abs. 3 InsVV auch die Wahl der Auslagenpauschale offen.1026)

___________ 1024) Budnik, NZI 2014, 247, 251. 1025) AG Köln ZInsO 2013, 741, 742; Budnik, NZI 2014, 247, 252; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 20. 1026) AG Hamburg ZInsO 2014, 569, 571.

189

Stichwortverzeichnis

Absonderung

44, 105, 128, 132, 149, 291, 376, 536, 541, 581, 607 f. Abschläge 589, 613 Altverbindlichkeiten 175 f., 320 Amtsermittlung 107, 126 Anfechtung – bei Kassenführung 470 – bei Zustimmung/ Nicht-Widerspruch 463 ff. – Haftung 550 – Insolvenzplanregelung 286 – prozessuale Geltendmachung 273, 278, 280 ff. – Sozialversicherungsbeiträge 195 – Steuern 189 Anlagevermögen 329 Anordnung der Eigenverwaltung – anfängliche ~ 21 ff. – Anspruch 10 ff., 21, 26, 29, 35 – Antrag 22, 29 – Antragsrücknahme 30 – Gläubigerausschuss 23 – Gläubigerversammlung 26 – nachträgliche ~ 25 ff. – Rechtsmittel 24, 37 Antrag – Eigenverwaltung s. Anordnung der Eigenverwaltung – Eröffnung Insolvenzverfahren s. Insolvenzantrag Anzeigepflichten – Massearmut s. Massearmut – Masseunzulänglichkeit s. Masseunzulänglichkeit – Nachteile s. Nachteilsanzeige – Schuldner gegenüber Gericht 227 f. – Schuldner gegenüber Gläubigern 224 ff.

– Schuldner gegenüber Sachwalter 223, 335 ff. – Zahlungsunfähigkeit 228, 380 f., 598 Arbeitnehmer 105, 179 ff., 190 ff., 206 f., 418, 496 Aufsicht s. a. Kontrolle – Begriff 144, 299 ff. – der Gläubiger 118 ff., 387 – des Insolvenzgerichts 111 ff., 126, 227 f., 386, 554 – des Sachwalters 135 ff., 230, 299 ff. – Intensität 113, 302 – mehrfache ~ 110 – Verhältnis zu Kontrolle 300 ff. – Verhältnis zur Entscheidung 144, 300 f. – Zwangsmittel 116, 340, 343, 500 Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag 208 Ausgaben für die Lebensführung – Ausgaben 137, 151, 324 – Bescheidenheitsmaßstab 152 – Haftung 553 – Mittelentnahme 151 ff., 324 – Überwachung 323 ff. Auslagen 575, 590 ff., 614 Aussonderung 44, 362, 541, 608

Bargeschäft

160, 178, 196, 400, 408 f. Berater 16, 64, 491 Beratung 59 ff., 272 ff., 371, 374, 487 ff., 550, 588, 602, 612 Berichtstermin 122, 157, 224, 265, 345, 382, 553 Bescheinigung s. Schutzschirmverfahren Beschwerde 30, 86, 94, 133, 575

191

Stichwortverzeichnis

Besondere Bedeutung 216, 220, 502 f. Besprechungstermin 496 ff. Betriebsänderung 201 Betriebsfortführung – Einschränkung 157 – Regelfall 156, 172 Betriebsstilllegung 157 Betriebsvereinbarung 201 Buchführung 197 ff., 363, 366, 528

Chapter 11 U. S. Bankruptcy Code 3 Chief Restructuring Officer (CRO) 16, 491

Dauerschuldverhältnisse s. Gegenseitige Verträge Debtor in possession 3 Delikt 291, 412, 520, 535 ff., Drohende Zahlungsunfähigkeit 19, 30, 32

Eidesstattliche Versicherung

340, 354 f. Eigentumsvorbehalt 105, 320, 496 Eigenverwaltung – anfängliche ~ 21 ff. – Aufhebung 42, 70, 107, 127 ff., 132 f., 219, 228, 243, 250, 257, 286, 356, 368, 381, 425, 500, 505, 514, 580, 598 – Aussichtslosigkeit 28 f., 33 f. – Bedeutung 4 ff. – Eignung von Verfahren 17 ff. – nachträgliche ~ 25 ff. – Quote 5 – Schutzschirm s. Schutzschirmverfahren – Varianten 20 – Vorteile 7 ff. – vorläufige ~ s. Vorläufige Eigenverwaltung Einsichtnahme 339

192

Einvernehmen 200, 338, 481 ff. – Begriff 481 ff. – Funktion 486 – Haftung 553 Einwendungen 245 ff. 352 Einzelermächtigung – Anspruch 172 – Antrag 172 – Erteilung 171 f. – Haftung 566 – Notwendigkeit 164, 167, 170, 462 – Steuern 189 Entscheidung – Begriff 141 Ermessen 29, 35, 68, 74 f., 420, 428 Eröffnungsantrag s. Insolvenzantrag Eröffnungsbeschluss 21 f., 76, 234 f., 441, 550

Forderungsanmeldung 236 ff. Forderungsprüfung 239 ff. Freiberufler 14, 263 Freigabe 154 f. Garantieerklärung 182, 454 Gegenseitige Verträge 199 – Auftrag 208 – Dienstverträge 206 f. – Geschäftsbesorgungsvertrag 208 – Kontokorrentvertrag 209 – Mietverträge 204 f. – Wahlrecht 202 f. Gesamtschaden 290 ff., 537 Geschäftsbetrieb, gewöhnlicher 407, 413 ff. Geschäftsführung – durch Schuldner 112, 120, 156, 407, 501, 504, 507 – Haftung 553 – Kontrollintensität 321 – spezielle Regelung 306, 312, 318 ff. – Überwachung 318 ff., 422 f.

Stichwortverzeichnis

Geschäftsleitung – Begriff 474 ff. – Haftung 553 – Zustimmung zur Änderung 477 ff. Geschäftsräume 339 Gesellschafterhaftung 293 f. Gläubigerausschuss – Arten des ~ 81, 104 – Aufgabe 123, 125 – Aufhebungsantrag 127 – Berichte 125, 227, 376 – Beschlüsse 83 ff. – besondere Bedeutung 221 f. – mitgebrachter ~ 91, 101 ff. – vorläufiger ~ 23, 79 ff., 500 f. Gläubigerautonomie 26, 78 Gläubigerbefriedigung 275, 357, 363, 467, 520 Gläubigergleichbehandlung 143, 175 f., 194, 317, 332, 404 Gläubigerversammlung 26, 92 ff. – Abwahl des Sachwalters 92, 134 – Aufhebungsantrag 132 – Auskünfte und Berichte 120 ff., 224 f., 376 – Betriebsfortführung 157 – Einberufung 507 – Mehrheiten 26, 93 – Stimmrecht bei Streit 242 – Zustimmungsanordnung s. Zustimmung, gerichtliche Anordnung Gläubigerverzeichnis 198 Grundrechte – Autonomie des Schuldners 141 f., 151, 303, 323, 344 – Schutz durch Sachwalter 39 – Übermaßverbot 7, 29

Haftpflichtversicherung 593 Haftung der Gesellschafter – Kapitalaufbringung 295 – Kapitalerhaltung 296

Haftung der Organwalter 295, 516 ff. – deliktische ~ 535 ff. – gesellschaftsrechtliche ~ 521 ff. – insolvenzrechtliche ~ 517 ff. – Masseschmälerung 295, 523 ff. – steuerliche ~ 527 ff. – vertragliche ~ 533 ff. Haftung des Sachwalters – Beteiligten gegenüber 541 f. – Exkulpation 559 – fremdes Personal 546 f. – insolvenzspezifische Pflichten 548 ff. – Masseverbindlichkeiten 556 ff., 561 ff., 564 ff. – Sorgfaltsmaßstab 543 ff. – steuerliche ~ 568 ff. Haftung des Schuldners 511 ff. Handdarlehen 394, 410

Individualschäden 291 Insolvenzanfechtung s. Anfechtung Insolvenzantrag 8, 18, 22, 36 Insolvenzgeld 179 ff. Insolvenzgericht – Amtsermittlung 107, 126 – Amtshaftung 291 – Aufsicht 111 ff., 126, 227 f., 386, 554 – Auswahl des Sachwalters 31, 67 ff., 71 – Eröffnungsbeschluss 21 f., 76, 234 f., 441, 550 – Sicherungsmaßnahmen 172, 500 – Zustimmungsanordnung 277, 434 ff., 500 Insolvenzplan – Anfechtungsstreitigkeiten 286 – Auftrag 269 f. – Beispiele 263 – Beratung 272 ff. 193

Stichwortverzeichnis

– Haftung 550 – Im Schutzschirmverfahren 31, 262 – Planvorlage durch Sachwalter 268 f. – Planvorlage durch Schuldner 268 – Überwachung 276 f. Insolvenzverwalter 27, 56, 94, 129, 134, 135, 143 ff., 154, 162, 243, 314, 331, 359, 383 f., 435, 450, 495, 500

Kassenführung

320 f., 388 ff. – Anordnung 388 – Ausgestaltung und Ermessen 389 f., 391, 400 ff. – Haftung 553, 570 – Hilfsmaßnahmen 394, 461 – Verfügungsrecht 395 – Wirkung 393 ff., 398 f. Kontrolle s. a. Aufsicht – Anlassbezogenheit 309 – Begriff 300 – eingeschränkte ~ 302, 304 – Gegenstände s. Kontrollgegenstände – vollständige ~ 302 – Vorgangsbezogenheit 307 Kontrollgegenstände – Ausgaben für die Lebensführung s. Ausgaben für die Lebensführung – Generalklausel 305, 311 – Geschäftsführung s. Geschäftsführung – wirtschaftliche Lage s. Wirtschaftliche Lage Kosten – des Verfahrens 8, 16, 249 f., 577 – Feststellungs ~ 581 Kreditsicherheiten 150

194

Leistungsabgrenzung 320 Lieferanten 19, 160, 450, 496 Liquidation 13 Liquiditätsplanung 320 f., 329, 332, 522, 559 f. Massearmut – Anzeige 259 – Begriff 249 – Haftung 550 Masseschmälerungshaftung 295, 523 ff. Masseunzulänglichkeit – Anzeige durch Sachwalter 251 ff. – Anzeige durch Schuldner 254 ff. – Begriff 250 – Haftung 550 – Nachteilsanzeige 257 – Öffentliche Bekanntmachung 253 Masseverbindlichkeiten – Anfechtung 178, 466 – Einzelermächtigung s. Einzelermächtigung – Haftung 525 – in der vorläufigen Eigenverwaltung 162 ff., 500 – im eröffneten Verfahren 161 – im Schutzschirmverfahren 31, 161 – Sozialversicherungsbeiträge 190 ff. – Steuern s. Steuern – Verfahrenskosten 577 Masseverwaltung – Generalklausel 305, 311 – Haftung 553 – Kontrolle 305 ff. Missbrauch 255, 390, 476 Mitwirkungspflicht 336

Nachteilsanzeige – Adressaten 376

Stichwortverzeichnis

– als ultima ratio 356 – Begriff des Nachteils 359 ff. – bei Handeln gegen Widerspruch 425 – bei Handeln ohne Einvernehmen 342, 486 – bei Handeln ohne Zustimmung 342, 432, 445 – bei Masseunzulänglichkeit 257 – bei Notwendigkeit von Zwangsmitteln 341, 500 – bei Quotenverringerung 330, 357 f., 361, 364 f. – Beurteilungsperspektive 366 – Ermessen 373 – Fallgruppen 363 – Gläubigergesamtheit 362 – Haftung 553 – Inhalt der Anzeige 375 – Öffentliche Bekanntmachung 378 – Präventionsfunktion 367 f. – Prognose 369 ff., 374 – Verheimlichung durch Schuldner 366 Nichtgespräch 60

Obstruktion Postsperre

106

343, 500 Prokura s. Vollmachten Prozess – Aufnahme Aktivprozess 214, 507 – Aufnahme Passivprozess 215, 507 – Prozesskosten 283 – Unterbrechung 212 f. – Sperrwirkung 292 Prozessführung – Grundsatz 211 – Partei kraft Amtes 282, 287 Prüfung von Forderungen – Einwendungen s. Einwendungen

– gerichtliche Feststellung 241 – Widerspruch 240

Rechnungslegung

113, 197 f., 225, 328, 331, 397 Rechtspfleger 68, 442 Rückschlagsperre 507

Sachverständiger 198 Sachwalter – Abwahl 92, 107, 134 – Änderung der Geschäftsleitung 477 ff. – Anfechtung 280 ff. – Anforderungsprofil 85 – Aufsicht des Insolvenzgerichts 111 ff., 126, 227 f., 386, 554 – Aufsicht über Schuldner 135 ff., 230, 299 ff. – Auslandsbezug 48 f. – Auswahl 31, 67 ff., 71 – Büro 46 f. – Einwendungen 245 ff. 352 – Entlassung 117, 134, 554 – Erfahrung 55 f. – Forderungsanmeldung 236 ff. – Forderungsprüfung 239 ff. – Freigabe 154 f. – Funktion 135 ff. – Gesamtschäden 290 ff., 537 – Geschäftsführung, Überwachung der 318 ff., 422 f. – Geschäftskunde 41, 44 f. – Grundrechtsschutz 39 – Haftung s. Haftung des Sachwalters – Insolvenzgeldvorfinanzierung 179 ff. – Kassenführung s. Kassenführung – Lebensführung, Überwachung der 323 ff. – Masseunzulänglichkeit 251 ff. – Masseverteilung, Kontrolle der 244 ff. 195

Stichwortverzeichnis

– Masseverwaltung, Kontrolle der 305 ff. – Nachteilsanzeige 356 ff. – Neuwahl 88 – Nichtgespräch 60 – offensichtliche Nichteignung 97 f. – Ortsnähe 50 f. – Persönlichkeit 53 f. – Planerstellung, Beratung zur 272 ff. – Planinitiativrecht 268 f. – Planüberwachung 276 f. – Prozessführung 282, 287 – Prüfung der Schlussrechnung 345 ff. – Prüfung von Verzeichnissen 345 ff. – Rechtsmittel 77, 86, 94 – Sanktionen gegen den ~ 117, 126, 131 – Stellungnahme 274, 382 f., 385, 553 – Steuerungsfunktion 405 f. – Unabhängigkeit 57 f., 66, 488 – Vorauswahllisten 69 – Vorschlag 72 ff. – Zustellungen 215 Sanierung – Aussichtslosigkeit 33 f. – Berater 16, 491 – Bescheinigung 33 – Übertragende ~ 13 f. Schlussrechnung 197, 345, 385, 580, 588, 598, 606 Schuldner – Betriebsfortführung 156 ff. – Beziehungen zu Geschäftspartnern 8 – Bindung an Gläubigerinteressen 142 f., 145 – Buchführungspflichten 197 ff. – Geschäftsführung s. Geschäftsführung

196

– Grundrechte 7, 29, 39, 141, 303, 323 – Handlungen von besonderer Bedeutung 216 ff. – Insolvenzgeldvorfinanzierung 179 ff. – Know-how 8 – Lebensführung s. Ausgaben für Lebensführung – Masseverwertung 147 ff. – Mittelentnahme s. Ausgaben für Lebensführung – Pflichten gegenüber Gläubigern 224 ff. – Pflichten gegenüber Insolvenzgericht 227 f. – Pflichten gegenüber Sachwalter 335 ff. – Prozessführung 211 – Rechtsstellung 140 ff. Schutzschirmverfahren 31 ff. – Anspruch 35 – Antrag 36 – Aufhebung 127 ff. – Auswahl des Sachwalters 31 – Bescheinigung 33, 66 – Eingangsvoraussetzungen 32 f. – Insolvenzplan s. Insolvenzplan – Sonderfall 31 – Vorschlagsrecht 96 Schutzschrift 107, 129 Sonderkündigungsrecht – bei Dienstverträgen 206 ff. – bei Mietverträgen 204 ff. Sondersachwalter 288 Sozialversicherungsbeiträge – Anfechtung s. Anfechtung – Arbeitgeberanteil 190 – Arbeitnehmeranteil 190 – Gesamtsozialversicherungsbeitrag 194 – Insolvenzgeld s. Insolvenzgeld – Masseverbindlichkeit 192 Steuern – Anfechtung s. Anfechtung

Stichwortverzeichnis

– Einkommenssteuer 184, 187 – Einzelermächtigung 189 – Insolvenz- oder Masseforderung 183 ff. – Lohnsteuer 184, 187 – Umsatzsteuer 185 f., 187

Tabelle – Forderungsanmeldung 236 ff. – Forderungsprüfung 239 ff. – Haftung 550 – Niederlegung 238 – Vorprüfung 237 – Widerspruch s. Prüfung Treuhandmodell 178

Überschuldung 32 Umlagevermögen 329 Untersuchungsgrundsatz s. Amtsermittlung Verbraucherinsolvenz

12 Verfügungsverbot 213, 500 Vergleichsordnung 3 Vergütung des Sachwalters – Abschläge 589, 613 – Absonderungsgut 581, 608 – Auslagen 575, 590 ff., 614 – Berechnungsgrundlage 579, 605 ff. – Betriebsfortführung 583 – erhebliche Befassung 608 – Haftpflichtversicherung 593 – Hilfskräfte 592 – Inflationsausgleich 587 – Regelsatz 579 ff., 595 ff. – Vorschuss 578 – Zuschläge 584 ff., 588, 612 Vermögenssicherung 146 Vermögensübersicht 198 Vermögensverzeichnis 198, 345 Verteilung der Masse – Abschlagsverteilung 243

– Prüfung durch Sachwalter 244 ff. – Verteilungsverzeichnis 148, 243 Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 2, 140 Vollmachten 208, 210 Vollstreckungsschutz 31, 257 Vorkasse 160, 320 Vorläufige Eigenverwaltung 28 ff. – Rechtsanspruch 29 – Regelfall 28 – Antrag 30

Weisungsrecht 344, 501, 503 Wertansatz 348, 351 Widerspruch 419 ff., 553 Wirtschaftliche Lage – Einzelaspekte 307, 329 – Haftung 553 – Prognoseentscheidung 330 – Prüfung 306, 332 – Tatsachengrundlage 327 Zahlungsunfähigkeit

19, 32, 228, 380 f., 598 Zahlungszusagen 177, 450 ff. Zustimmung – Änderung der Geschäftsleitung s. Geschäftsleitung – besondere Bedeutung 217 ff., 433 – Betriebsänderung 201 – Betriebsvereinbarung 201 – gerichtliche Anordnung 277, 434 ff., 500 – gewöhnlicher Geschäftsbetrieb 407, 413 ff., 426 ff. – Gutglaubensschutz 447 f. – Haftung 553, 558 ff. – Kündigungsschutz 201 Zwangsvollstreckung 31, 500 Zwischenbericht 225, 598 Zwischenrechnung 197, 225, 384 f.

197