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German Pages 376 Year 2019
Matthias Witt
Der Fondo de Inversión Social
Göttinger Studien zur Entwicklungsökonomik de Desarrollo Económico in Development Economics Herausgegeben von Hermann Sautter
6
Göttinger Studien zur Entwicklungsökonomik
Der Fondo de Inversion Social Ein effizientes entwicklungspolitisches Instrument zur Bekämpfung der Armut in Bolivien?
Matthias Witt
Vervuert Verlag • 1998
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Witt, Matthias: Der «Fondo de Inversión Social» : ein effizientes entwicklungspolitisches Instrument zur Bekämpfung der Armut in Bolivien? / Matthias Witt. - Frankfurt am Main : Vervuert, 1998 (Göttinger Studien zur Entwicklungsökonomik, de desarrollo económico, in development economics ; 6) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-89354-176-4
© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1998 Alle Rechte vorbehalten Gedruckt auf säure- und chlorfrei gebleichtem, alterungsbeständigen Papier Printed in Germany
5
Danksagung Obzwar ich alle in der Arbeit verbliebenen Fehler und Ungenauigkeiten natürlich allein verantworte, möchte ich einer ganzen Reihe von Personen, die mich bei der Erarbeitung unterstützt haben, hiermit herzlich danken. An erster Stelle ist Prof. Dr. Hermann Sautter zu nennen. Ich verdanke ihm nicht allein unzählige Anregungen und fachliche Kommentare zu meiner Arbeit, sondern darüber hinaus hat er mir weitreichende Freiräume gewährt, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, diese Untersuchung durchzuführen. Ein weiterer Dank gebührt Dr. Rolf Schinke, der mir durch außerordentlich viele kritische und hilfreiche Kommentare bei der Strukturierung meiner Gedanken geholfen hat, sowie Prof. Dr. Peter Rühmann für nützliche Anmerkungen zu einer früheren Version. Für Informationen und Einschätzungen aus der Sicht deutscher entwicklungspolitischer Institutionen danke ich den Herren Dr. Jörg Freiberg-Strauß (GTZ), Dr. Volker Kasch (EZE), Dieter Neuhaus (KFW) und Wolfgang Wipplinger (KFW). Wertvolle Informationen habe ich in Bolivien von Dr. Roland Steurer (GTZ), Rolando Cadima (Fis), Carlos Torranzo Roca, Dr. Marc Meinardus (beide
ILDIS),
Antje Buitkamp und
Hugo Damian Teileria erhalten. Prof. Dr. Carmelo Mesa-Lago half mir bei der Einordnung der Sozialfonds in den Themenbereich Soziale Sicherung. Aber: Was wäre aus dieser Arbeit geworden, wenn mir nicht Kollegen und Freunde stets mit Rat und Ansporn zur Seite gestanden, mich bei der Bearbeitung unterstützt oder meine Seltsamkeiten entschuldigt hätten? Stellvertretend seien meine Kollegen am Lehrstuhl VWL V, speziell Moritz Kraemer und Christoph Serries, die Teilnehmer des Doktorandenkolloquiums sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ibero-Amerika Institutes erwähnt; insbesondere Susanne Hesselbarth unterstützte mich bei der Endfassung des Manuskripts. Besonders bedanke ich mich bei Christian und Karin Schade für ihr unermüdliches Korrekturlesen, Annette Maunzel Rudolph, Holger Buch und Ralf Meier für ihre vielfältige positive Kritik, Jens Sander und Nico Lüttke für die Zusammenarbeit in Bolivien, Jörg Hartmann, Bernd Moses Krückeberg, Katrin Mensching, Axel Hennighausen und Dietrich Müller-Falke für ihre tatkräftige Mitarbeit bei der anstrengenden Endredaktion sowie Ann Katrin Terlaak, die mir nicht nur bei der Textarbeit entscheidend weiterhalf, sondern mir auch bei den - offenbar unvermeidlichen - Endzeitkrisen immer wieder den Rücken stärkte. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, die mir Rückhalt gegeben und mich stets auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben.
7
Vorwort Seit Mitte der 80er Jahre wurden in vielen Entwicklungsländern sogenannte Sozialfonds geschaffen. Ursprünglich zur politischen Absicherung von Strukturanpassungsprogrammen gedacht, wurde ihnen später die primäre Aufgabe der Armutsbekämpfung zugewiesen. Einer der ersten Fonds dieser Art entstand in Bolivien. Andere Länder orientierten sich bei der Gründung eigener Sozialfonds an den bolivianischen Erfahrungen. Es ist deshalb nicht nur für Bolivien von Interesse, ob der "Fondo de Inversion Social" (Fis) sein Ziel erreicht hat. Auf diese Frage sucht Herr Witt eine Antwort, indem er die regionale Ausgabenstruktur des Fis untersucht und seine Tätigkeit einer institutionenökonomischen Analyse unterzieht. Dies geschieht auf der Grundlage einer sorgfältigen Darstellung der Armutssituation des Landes und der Entstehung, Zielsetzung und Tätigkeit des Fis. Ein wesentliches Ergebnis der Arbeit lautet, daß die Treffsicherheit der vom Fis geförderten Projekte gering war. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Mittel vorwiegend dahin geflossen seien, wo der größte Beitrag zur Armutsminderung zu erwarten gewesen wäre. Der institutionenökonomische Teil der Arbeit gibt eine Antwort auf die Frage, was die Ursachen für dieses unbefriedigende "targeting" waren. Unter Verwendung eines "principal-agent'-Ansatzes kommt Herr Witt zu dem Ergebnis, daß diese Ursachen im institutionellen Arrangement des Fis zu suchen sind. Die zu fördernden Zielgruppen und die externen Geberorganisationen, denen im Vergleich zu anderen "Auftraggebern" ein großes Interesse an "Armutsminderung" attestiert werden kann, hatten wenig Einfluß auf die Tätigkeit des Fonds; inländische Ministerien, für die "Armutsminderung" kein vorrangiges Ziel war, konnten sich dagegen umso besser durchsetzen. Die Arbeit gibt einen guten Einblick in die Arbeitsweise eines der am längsten tätigen Sozialfonds in Entwicklungsländern, sie informiert über seine Erfolge und Mißerfolge und sie untersucht die Ursachen für seinen geringen Zielerreichungsgrad. Die Ergebnisse sind nicht nur für diejenigen von Interesse, die sich mit Bolivien beschäftigen, sondern auch für alle, die eine Antwort nach den institutionellen Möglichkeiten einer Armutsbekämpfung suchen.
Göttingen, April 1998
Hermann Sautter
9
Übersicht
Inhaltsverzeichnis
11
Verzeichnis der Abkürzungen
15
Verzeichnis der Abbildungen im Text
19
Verzeichnis der Tabellen im Text
20
1.Einleitung
23
2. Armut und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern
29
3. Armut und Armutsbekämpfung in Bolivien
65
4. Der Fondo de Inversión Social - Ausgestaltung und Performance
137
5. Die mangelnde Leistungsfähigkeit des Fis - ein institutionelles
221
Problem? 6. Schlußbetrachtung
299
Verzeichnis der Anhänge
307
Anhänge
309
Verzeichnis der Interviewpartner
355
Literaturverzeichnis
357
11
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
23
1.1.Hintergrund
23
1.2. Problemstellung und Ziel der Untersuchung
25
1.3. Aufbau der Arbeit
27
2. Armut und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern
29
2.1. Vorbemerkung
29
2.2. Armut und Armutsmessung
29
2.2.1. Alternative Konzepte zur Identifikation der Armen
29
2.2.2. Ansatzpunkte zur Messung von Armut
32
2.2.3. Merkmale der Armen: das Grundbedürfniskonzept
36
2.2.4. Zur Auswahl geeigneter Armutsindikatoren
37
2.2.4.1. Anforderungen an Armutsindikatoren und Typen sozialer Indikatoren
37
2.2.4.2. In der Untersuchung verwendete Armutsindikatoren
39
2.3. Armutsorientierte Wirtschaftspolitik in Entwicklungsländern
46
2.3.1. Armutsbekämpfung als Ziel der Wirtschaftspolitik
46
2.3.2. Strategien zur Bekämpfung der Armut
50
2.3.3. Träger der Politik zur Armutsbekämpfung
55
2.3.4. Das wirtschaftspolitische Instrumentarium zur Bekämpfung der Armut
59
3. Armut und Armutsbekämpfung in Bolivien
65
3.1. Vorbemerkung
65
3.2. Länderprofil Boliviens
65
3.2.1. Staatsaufbau und grundlegende geographische und demographische Kennzeichen
65
3.2.2. Politische Machtstrukturen und die Bedeutung der Armutsbekämpfung seit der Revolution
68
3.2.3. Die Entwicklung der Wirtschaft
72
3.2.4. Wirtschaftliche und politische Reformen seit 1993 und ihre Bedeutung für die Armutsbekämpfung
79
3.3. Armut in Bolivien
83
12
3.3.1. Zur Datenlage über die Armutssituation
83
3.3.2. Ausmaß der Armut und Problemlagen der Armen in Bolivien
85
3.3.3. Merkmale der Armen
87
3.3.4. Ursachen der Armut
96
3.4. Traditionelle Institutionen und neue Ansätze zur Armutsbekämpfung in Bolivien vor der Gründung des Fondo de Inversión Social (Fis)
106
3.4.1. Traditionelle Institutionen der Sozialpolitik und ihre Schwächen
106
3.4.2. Bekämpfung der "Neuen Armut": Das Konzept des Fondo Social de Emergencia (FSE) und seine Umsetzung
113
3.4.2.1. Vorgeschichte der Entstehung des FSE
113
3.4.2.2. Gesetzlicher Rahmen
115
3.4.2.3. Finanzierung des FSE
118
3.4.2.4. Organisationsmerkmale des FSE
120
3.4.2.5. Erreichung der formalen Ziele
127
3.4.2.6. Institution Building: Anmerkungen zur Trägerfähigkeit des FSE
129
3.4.3. Abschließende Einschätzung der Arbeit des FSE 3.5. Zusammenfassung 4. Der Fondo de Inversión Social - Ausgestaltung und Performance
131 134 137
4.1. Vorbemerkung
137
4.2. Entstehung des Fis
138
4.2.1. Aufarbeitung der Erfahrungen mit dem FSE als Motiv für die Gründung des Fis
138
4.2.2. Die Genese der Rechtsgrundlagen
139
4.2.3. Vergleichende Betrachtung der Konzeptionen von FSE und Fis 4.3. Konzeption der Projekte 4.3.1. Abgrenzung der Arbeitsfelder und Programmkomponenten
142 144 144
4.3.2. Förderungswürdige Komponenten eines Projekts
146
4.3.3. Das Gesundheitsprogramm
148
4.3.4. Das Basissanitärversorgungsprogramm
151
4.3.5. Das Bildungsprogramm
152
4.3.6. Das Programm "Andere Projekte"
156
4.3.7. Anmerkungen zur Konzeption der Programme
158
4.4. Einnahmenstruktur und Ausgabenverhalten des Fis
160
13
4.4.1. Struktur der Einnahmen
160
4.4.2. Das Ausgabenverhalten des Fis
164
4.4.2.1. Kostenstruktur und Vergabetätigkeit
164
4.4.2.2. Größe und Finanzierungsstruktur der Fis-Projekte
167
4.4.3. Strategien für das targeting der Ausgaben
170
4.4.3.1. Identifikation der Zielgruppen anhand geographischer Armutskriterien
170
4.4.3.2. Kritische Würdigung des fargef/'ng-Mechanismus
174
4.5. Zielerreichung und Wirkungen des Fis
176
4.5.1. Vorgehensweise bei der Wirkungsanalyse
176
4.5.2. Einzel- und gesamtwirtschaftliche Wirkungen
179
4.5.2.1. Breitenwirkung
179
4.5.2.2. Kostenbelastung für die Zielgruppe
183
4.5.2.3. Nachfrage nach der Arbeitskraft der Armen
190
4.5.2.4. Wirkungen auf Investitionen, Leistungsbilanz und Verschuldung
194
4.5.3. Zur Wirksamkeit des regionalen targeting der Ausgaben des Fis: eine einfache statistische Untersuchung
199
4.5.3.1. Vorgehensweise und Indikatoren der targeting-Analyse
199
4.5:3.2. Die Armutssituation der provincias als Bestimmungsgrund für die Projektausgaben des Fis
205
4.5.3.3. Sektorale Versorgungsdefizite in den provincias als Bestimmungsgründe für Projektausgaben des Fis
211
4.5.3.4. Die Bevölkerungszahl der provincias als Erklärung für das Ausgabenverhalten
213
4.5.3.5. Kritische Würdigung des targeting des Fis
215
4.6. Zusammenfassung: Der Fis und seine Wirksamkeit für die Armutsbekämpfung in Bolivien 5. Die mangelnde Leistungsfähigkeit des Fis - ein institutionelles Problem?
216 221
5.1. Vorbemerkung
221
5.2. Das Beziehungsgefüge des Fis im Überblick
223
5.3. Agency-Probleme des Fis
228
5.3.1. Die Beziehungen des Fis zu seinen Prinzipalen
228
5.3.2. Die internen Anreiz- und Kontrollstrukturen des Fis
236
14
5.3.2.1. Verteilung der internen Entscheidungskompetenzen
236
5.3.2.2. Interne Anreizsysteme und Kontrollverfahren
243
5.3.3. Agenten des Fis: Die Projektträger und ihre Motive
250
5.3.4. Zur Gestaltung der Projektvorbereitung
260
5.3.4.1. Mechanismen zur Auswahl geeigneter Agenten und Projekte
260
5.3.4.2. Kritische Würdigung der Auswahlverfahren
266
5.3.5. Zum Monitoring der Projektdurchführung
271
5.3.5.1. Vertragsgestaltung und Überwachungsmechanismen
271
5.3.5.2. Kritische Würdigung der Monitoring-Verfahren
277
5.3.6. Zusammenfassung 5.4. Handlungsempfehlungen für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit 6. Schlußbetrachtung
282 286 299
15
Verzeichnis der Abkürzungen
$b
Bolivianische Pesos bzw. Bolivianos
AAH
Anteil armer Haushalte
ADE
Administración Departamental de Educación
ADN
Acción Democrática Nacionalista
AP
Acuerdo Patriótico
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
BID
Banco Interamericano de Desarrollo
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BMZ
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Bs.
Bolivianos
BSP
Bruttosozialprodukt
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
CEMEI
Centro de Multiservicios Educativos e Interculturales
cif
cost, insurance, freight
COB
Central Obrero Boliviana
COMIBOL
Corporación Minera Boliviana
CONAPSO
Consejo Nacional de la Política Social
CONDEPA
Conciencia de la Patria
CONES
Consejo Nacional de Edificaciones Escolares
CORDE
Corporación Regional de Desarrollo
c.p.
ceteris paribus
D.S.
Decreto Supremo
d.s.
das sind
eds.
editors
EIH
Encuesta Integrada de Hogares
16
EPNV
Encuesta Nacional de Población y Vivienda
ESF
Emergency Social Fund (entspricht FSE)
etc.
et cetera
Ez
Entwicklungspolitische Zusammenarbeit
f.
folgende
FAO
Food and Agricultural Organization
FDC
Fondo de Desarrollo Campesino
ff.
fortfolgende
FHIS
Fondo Hondureño de Inversión Social
Fis
Fondo de Inversión Social
Fn.
Fußnote
FNDR
Fondo Nacional de Desarrollo Rural
fob
free on board
FONVI
Fondo Nacional de Vivienda
FSE
Fondo Social de Emergencia
Fz
Finanzielle Zusammenarbeit
GTZ
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH
ha.
Hektar
HDI
Human Development Index
HIPC
Highly Indebted Poor Country
Hrsg.
Herausgeber
hrsg.
herausgegeben
IBRD
International Bank for Reconstruction and Development
IBSS
Instituto Boliviano de Seguridad Social
IDA
International Development Agency
IDB
Inter-American Development Bank
i.d.R.
in der Regel
ILO
International Labor Organization
INE
Instituto Nacional Estadística
Jg.
Jahrgang
17
KFW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
It.
laut
m. a. W. mit anderen Worten MBL
Movimiento Bolivia Libre
MDE
Ministerio de Desarrollo Económico
MDH
Ministerio de Desarrollo Humano
MDP
Mapa de la Pobreza
MEC
Ministerio de Educación y Cultura
Mio.
Millionen
MIR
Movimiento de la Izquierda Revolucionaria
MNR
Movimiento Nacionalista Revolucionario
MPC
Ministerio de Planeamiento y Coordinación
MPSSP
Ministerio de Previsión Social y Salud Público
Mrd.
Milliarden
MRTKL
Movimiento Revolucionario Tupac Katari de Liberación
NGO
Non-governmental Organization
no.
número
Nzz
Neue Zürcher Zeitung
ODA
Official Development Assistance
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
o.J.
ohne Angabe des Erscheinungsjahres
ONAMFA
Organismo Nacional del Menor, Mujer y Familia
ONG
organisación no gubernamental
o.O.
ohne Angabe des Ortes
OTB
Organisación Territorial de Base
o.V.
ohne Angabe des Verfassers
p.a.
per annum
PEM
Programa de Empleo Mínimo
PNCV
Programa Nacional de Control de Vectores
PPP
Purchasing Power Parity
18
PROISS
Programa Integral de Servicios en Salud
S.
Seite
SENALEP
Servicio Nacional de Alfabetisación y Educación Popular
SENET
Servicio Nacional de Educación Técnica
SlMIC
Severely Indebted Middle Income Country
SNE
Servicio Nacional de Educación
Std.
Stunde(n)
TGN
Tesoro General de la Nación
Tsd.
Tausend
Tz
Technische Zusammenarbeit
üb.
überarbeitete
Ucs
Union Cívica Solidaridad
UOAPE
Unidad de Análisis de Políticas Económicas
UDAPSO
Unidad de Análisis de Políticas Sociales
UNDP
United Nations Development Programme
UNO
United Nations Organization
UPP
Unidad de Políticas de Población
US$
United States Dollar
USAID
United States Agency for International Development
vgl.
vergleiche
vol.
volume
v.
vom
YPFB
Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos
z.B.
zum Beispiel
ZAH
Zahl armer Haushalte
zit.
zitiert
z.T.
zum Teil
19
Verzeichnis der Abbildungen im Text
2.1:
Grundbedürfnishierarchie und Güterversorgung
2.2:
Träger einer Politik zur Armutsbekämpfung
37 56
2.3:
Die Grundzüge einer Strategie zur Armutsbekämpfung
63
3.1:
Zentrale Problembereiche der Armen 1992
87
3.2:
Ursachen der Armut in Bolivien
106
3.3:
Das Gesundheitssystem nach der Regionalisierung 1993
109
4.1:
Unterprogramme des Gesundheitsprogramms bis 1994
148
4.2:
Unterprogramme des Bildungsprogramms 1991-95
153
4.3:
Ausgaben des Fis je Projekt 1991-95
168
5.1:
Das Beziehungsgefüge des Fondo de Inversion Social
225
5.2:
Organigramm des Fondo de Inversion Social 1994
237
5.3:
Typischer Ablauf eines Fis-Projekts
263
20
Verzeichnis der Tabellen im Text 2.1:
Qualitative Armutsgrenzen des Grundbedürfnisindikators "Armutstiefe"
43
2.2:
Ausprägungen der Variable "Dachbedeckung"
44
3.1:
Bevölkerungsverteilung nach departamentos 1992
67
3.2:
Ethnische Zusammensetzung der bolivianischen Bevölkerung 1991
67
3.3:
Politische Entwicklung Boliviens seit 1952
69
3.4:
Politische Schwerpunkte der Regierungen seit 1982
71
3.5:
Maßnahmen der Nueva Politica Econömica 1985
75
3.6:
Ausmaß der Armut nach Regionen 1992
86
3.7:
Armutsindikatoren nach departamentos 1992
88
3.8:
Beschäftigung nach Armut und Wirtschaftszweigen 1992
89
3.9:
Berufstätigkeit nach Armut und Berufsgruppen 1992
91
3.10:
Sprachbeherrschung der armen Bevölkerung 1992
92
3.11:
Alphabetisierung nach Geschlecht 1976 -1996
93
3.12:
Armutsgruppen nach Geschlecht 1992
94
3.13:
Altersverteilung der armen Bevölkerung 1992
95
3.14:
Durchschnittliche Haushaltsgröße 1992
95
3.15:
Charakteristika der Armut in Bolivien
96
3.16:
Einkommensperzentile nach Sektoren 1981
98
3.17:
Bildungssituation der bolivianischen Bevölkerung 1992
100
3.18:
Gesundheitssituation der bolivianischen Bevölkerung 1997
101
3.19:
Staatliche Gesundheitsausgaben 1979 -1989
107
3.20:
Das bolivianische Schulsystem 1990
110
3.21:
Entwicklung des Rechtsrahmens des Fse 1985 -1990
115
3.22:
Finanzierung des FSE nach Finanzierungstyp 1987-89
118
3.23:
Finanzierung des FSE nach Art der Bereitstellung 1987-91
118
3.24:
Die Finanziers des FSE und ihre Beiträge 1987-91
119
3.25:
Anzahl der Projekte und Fördermittel des FSE nach Förderbereichen 1987-91
122
3.26:
Direkte Nutznießer nach Förderbereichen 1987-91
124
3.27:
Projektträger des FSE nach Mittelvolumen und Anzahl an Projekten 1987-91
126
3.28:
Mittelverteilung des FSE nach Förderbereichen 1987-90
129
21
4.1:
Entwicklung des Fis-Konzepts 1990-1991
140
4.2:
Programme vor und nach der Organisationsreform 1993
145
4.3:
Projektanzahl und Ausgaben nach Programmen 1991-95
146
4.4:
Gesundheitsausgaben nach Unterprogrammen 1991-95
150
4.5:
Sanitärversorgungsausgaben nach Unterprogrammen 1991-95
151
4.6:
Bildungsausgaben nach Unterprogrammen 1991-95
156
4.7:
Ausgaben im Programm "Andere Projekte" 1991-95
157
4.8:
Finanzierung des Fis nach Finanzierungsquellen 1991-98
162
4.9:
Laufende Verhandlungen über Zuflüsse an den Fis 1994
163
4.10:
Ausgabenstruktur des Fis 1991-94
165
4.11:
Zahl der neu vergebenen Projekte des Fis je Monat 1991 -95
166
4.12:
Finanzierungsstruktur der Fis-Projekte 1991-95
169
4.13:
Ausnahmen bei der Projektfinanzierung 1991-95
170
4.14:
Städtische Zielgruppen des Fis nach Prioritätsstufen 1991
172
4.15:
Versorgungsdefizite der städtischen Zielgruppen des Fis 1991
173
4.16:
Potentielle Nutznießer von Fis-Projekten nach Programmen 1991-95
180
4.17:
Zielgruppen des Fis nach Grundbedürfnisdefiziten 1995
181
4.18:
Potentielle Nutznießer nach departamentos 1991-95
182
4.19:
Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Gesundheitsprojekten des Fis in den größten Städten Boliviens 1992
188
4.20:
Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Bildungsprojekten des Fis in den größten Städten Boliviens 1992
189
4.21:
Externe Zuflüsse an FSE und Fis 1987-94
196
4.22:
Zufluß von Krediten und Zuschüssen an
4.23:
Finanzmittel des Fis nach Konditionen 1991-94
198
4.24:
Korrelation: Ausgaben der Fis-Projekte 1991-95 und ZAH je provincia
206
4.25:
Korrelation: Ausgaben der Fis-Projekte 1991 -95 und AAH je provincia
207
4.26:
Der AAH als Einflußfaktor für die Projektvergabe nach provincias 1991-95
208
4.27:
Regression: ZAH je provincia als Einflußfaktor für die Ausgaben des Fis je provincia 1991 -95
209
4.28:
Regression: AAH je provincia als Einflußfaktor für die Ausgaben des Fis je provincia 1991 -95
210
4.29: 4.30:
FSE/FIS
1987-93
Regression: Defizite der Gesundheitsversorgung als Bestimmungsgrund für die Gesundheitsausgaben des Fis 1991 -95 Regression: Defizite der Bildungsversorgung als Bestimmungsgrund für die Bildungsausgaben des Fis 1991-95
196
211 212
22
4.31: 4.32:
Regression: Defizite der Sanitärversorgung als Bestimmungsgrund für die Sanitärausgaben des Fis 1991 -95
213
Regression: ZAH und Zahl der Haushalte einer provincia als Bestimmungsgründe für das Ausgabenverhalten des Fis 1991 -95
214
5.1:
Projektträger des Fis nach Sektoren 1991 -95
251
5.2:
Staatliche Organisationen als Projektträger des Fis 1991-95
252
5.3:
Nicht-staatliche Projektträger des Fis 1991 -95
253
5.4:
Lizensierungsvorschriften für Fis-Projekte 1992
264
5.5:
Beteiligung der Fis-Mitarbeiter, der Antragsteller und der Zielgruppe an den Etappen der Projektvorbereitung
267
5.6:
Vergabevorschriften für Infrastrukturarbeiten 1992
273
5.7:
Wichtige Rechte und Pflichten der an der Projektdurchführung beteiligten Parteien
278
Überblick: Mitwirkungsrechte der externen Interessengruppen
284
5.8:
23
1. Einleitung
1.1. Hintergrund Die Armut eines großen Teils der Weltbevölkerung ist eines der grundlegenden Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist. Es wird heute weitgehend akzeptiert, daß die Bewältigung dieses Problems moralisch geboten ist. Doch die spontane Entrüstung angesichts der Lebensverhältnisse, denen die Armen ausgesetzt sind, greift zu kurz, wenn sie nicht in konkrete Schritte zur Verbesserung dieser Lebensverhältnisse mündet. Dazu bedarf es einer Analyse der sozio-ökonomischen und politischen Faktoren, die für die Bekämpfung der Armut wesentlich sind. Armut tritt in einer Vielzahl von Erscheinungsformen auf. Grundsätzlich sind zwei Definitionskriterien zu unterscheiden: Diese sind erstens die Ressourcen, die den Betroffenen zur Verfügung stehen und zweitens deren Fähigkeit, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Die Ressourcendefinition stellt darauf ab, daß Arme nur über geringe Einkommen bzw. Vermögensbestände verfügen. Nach der Grundbedürfnisdefinition werden Personen als arm bezeichnet, die nicht in der Lage sind, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Beide Definitionen schließen einander nicht aus. Im Gegenteil ergänzen sich die Ressourcendefinition und das Grundbedürfniskonzept in zweierlei Hinsicht. Zum einen weisen die Personengruppen, die aufgrund jeweils eines der beiden Konzepte als arm erkannt werden, eine hohe Überschneidung auf.1 Zum anderen erlaubt erst die gemeinsame Würdigung beider Ansätze einen umfassenden Blick auf die Armen und ihre Probleme. Für die Betroffenen hat Armut vielfältige wirtschaftliche und soziale Folgen. In ökonomischer Hinsicht kann dadurch die Entscheidung zwischen Konsum und Sparen beeinflußt werden. So wird die Fähigkeit der Individuen vermindert, in ihren Humanoder Sachkapitalbestand zu investieren. Dies kann sich beispielsweise in einem niedrigen Bildungsniveau, einer hohen Anfälligkeit für Erkrankungen oder einer geringen Verfügbarkeit von Komplementärfaktoren ausdrücken, ohne die die Arbeit unproduktiv bleiben muß. Armut kann die Existenz des Individuums bedrohen, wenn daraus Hunger und Krankheit resultieren. In sozialer Hinsicht kann Armut negative Wirkungen auf den psycho-sozialen Habitus haben, wenn Betroffene beispielsweise nicht mehr in der Lage sind, gesellschaftlichen Konventionen zu genügen und sie deswegen aus ihrer sozialen Umgebung ausgegrenzt werden. Diese wirtschaftlichen '
Vgl. Harrison (1982): S. 338.
24
und sozialen Folgen führen dazu, daß der Armut die Tendenz innewohnt, sich zu perpetuieren. Aber die hohe Priorität des Armutsproblems wird erst deutlich, wenn man sich neben den hier geschilderten individuellen Folgen das schiere Ausmaß des Problems vergegenwärtigt. Trotz bemerkenswerter Erfolge der Entwicklungspolitik in den letzten vierzig Jahren müssen noch immer 1,3 Milliarden Menschen mit einem geringeren Einkommen als einem Dollar pro Tag leben, immer noch sterben acht Millionen Kinder jährlich an vermeidbaren Erkrankungen, immer noch leiden 50 Millionen Kinder an den Folgen von Unter- und Fehlernährung und immer noch haben 130 Millionen Kinder keine Chance, eine Schule zu besuchen.2 Für die Bevölkerung Lateinamerikas stellt Armut ein akutes Problem dar. Für 1990 schätzte die
WELTBANK,
daß rund 9,5% aller armen Einwohner von Entwicklungslän-
dern in Lateinamerika lebten.3 Zudem gibt es Hinweise darauf, daß sich die Gesamtzahl der Armen, ungeachtet eines leichten Rückgangs der Armutsquote, in den nächsten Jahren eher vergrößern als verringern wird.4 Da die Mehrzahl der Entwicklungsländer aus eigener Kraft nicht zu einer raschen Lösung des Problems in der Lage ist, stehen die nationalen und internationalen Geberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit vor einer großen Herausforderung: Nicht zuletzt durch ihre Tätigkeit gilt es, die weitere Verarmung großer Bevölkerungsgruppen zu verhindern. Daher haben Strategien zur Armutsbekämpfung für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen. Ein Auslöser für diese Neuorientierung der Entwicklungspolitik war die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Entwicklungsländern zum Ende der 70er und Beginn der 80er Jahre. In diesem Zeitraum tauchten vielfach Symptome für eine zunehmende Instabilität der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf, die in Entwicklungsländern besonders stark spürbar waren.5 Die krisenhafte Entwicklung förderte vielfältige strukturelle wirtschaftliche Probleme in den Entwicklungsländern zutage. Ihre Lösung erforderte einschneidende wirtschaftpolitische Reformen. 2
Vgl. W o r l d Bank ( 1 9 9 6 a ) : S. 4.
3
Vgl. W o r l d Bank ( 1 9 9 2 d ) : S. 30. Als Armutsgrenze wurde ein jährliches E i n k o m m e n in H ö h e von U S $ 4 2 0 (ausgedrückt in Kaufkraftparitäten von 1 9 8 5 ) verwendet.
4
Vgl. W o r l d B a n k (1992d); Sangmeister ( 1 9 9 3 a ) .
5
KILLICK ( 1 9 9 5 ) nennt als wichtigste Auslöser dieser Krise die W i r k u n g e n d e s zweiten Ölpreisschocks, die sich daran anschließende Rezession in den OECO-Ländern, die "Schuldenkrise" mit ihren negativen Konsequenzen für die Kreditvergabe an Entwicklungsländer sowie die mit der Einführung nicht-tarifärer Handelsbeschränkungen verbundene R ü c k n a h m e früherer Handelsliberalisierungen. Vgl. Killick (1995): S. 3 0 5 .
25
Der Zusammenhang zwischen Armut und wirtschaftlichen Reformen blieb zu Beginn der 80er Jahre zunächst unberücksichtigt. Dies verstärkte die negativen Folgen der Anpassungsmaßnahmen für die arme Bevölkerung zusätzlich. Erste Erfahrungen mit den Reformprogrammen der achtziger Jahre zeigten, daß die Ergebnisse bestenfalls mäßig waren und die Anpassungsperioden erheblich länger dauern würden als die zunächst erwarteten fünf bis zehn Jahre.6 Zudem offenbarten Auswertungen, daß einzelne Maßnahmen erhebliche negative Wirkungen für die arme Bevölkerung nach sich zogen.7 Aufgrund dieser Erkenntnisse wird der "sozialen Abfederung" der Wirtschaftsreformen etwa seit 1985 stärkere Beachtung geschenkt. Als erstes Anpassungsprogramm wurde dasjenige Boliviens um eine Maßnahme zur sozialen Absicherung ergänzt, als 1986 der Soziale Nothilfefonds (Fondo Social de Emergencia - FSE) eingerichtet und mit Finanzmitteln der entwicklungspolitischen Zuammenarbeit ausgestattet wurde.
1.2. Problemstellung und Zielsetzung der Untersuchung Der Soziale Nothilfefonds zeigte aus Sicht der Geber sehr positive Ergebnisse. Aufgrund dieser Erfahrung wurden ähnliche Organisationsformen entwickelt, die auch anderen Zwecken als der kurzfristigen Linderung der Folgen von Stabilisierungsmaßnahmen dienen können.8 Mittlerweile herrscht bei den internationalen Geberorganisationen weitgehend Einigkeit darüber, daß derartige Institutionen auch zu langfristiger Armutsbekämpfung beitragen können.9 Die Gesamtheit dieser Institutionen wird von den internationalen Organisationen unter dem Begriff der "Social Safety Nets" zusammengefaßt.10 Die gestiegene Bedeutung von Social Safety Nets und insbesondere Sozialfonds wird aus der Vielzahl in jüngerer Zeit erschienener Publikationen zu diesem Thema deutlich.11 Diesen Untersuchungen ist gemeinsam, daß sowohl institutionelle als 6
Vgl. Killick ( 1 9 9 5 ) : S . 3 0 6 .
7
Vgl. Cornia; Jolly; Stewart (eds.) ( 1 9 8 7 ) sowie C o m i a ; Jolly; Stewart (eds.) ( 1 9 8 8 ) .
8
Einen Überblick über Ausgestaltung und Ziele lateinamerikanischer S o z i a l f o n d s enthält O l s c h e w s ki; W i t t ( 1 9 9 4 ) : insbesondere S . 1 9 - 2 4 .
9
Vgl. H u s a i n ( 1 9 9 7 ) : S. V .
10
Unter Social Safety Nets w e r d e n einerseits Sozialfonds und andererseits S o z i a l e Aktionsprogramm e v e r s t a n d e n . Sozialfonds sind üblicherweise neue Einrichtungen, die w e i t g e h e n d u n a b h ä n g i g v o n d e r staatlichen Linienbürokratie agieren. [Vgl. C a r v a l h o ( 1 9 9 4 ) : 1], D e m g e g e n ü b e r sind S o z i a le A k t i o n s p r o g r a m m e besondere armenorientierte Investitionsprogramme, die durch die b e s t e h e n d e n regulären staatlichen Einrichtungen durchgeführt w e r d e n [Vgl. M a r c ; G r a h a m ; S c h a c t e r ; S c h m i d t ( 1 9 9 5 ) : S . 1],
"
Beispielsweise gibt VMAN ( 1 9 9 4 ) einen kritischen Überblick über d e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n A n p a s s u n g s m a ß n a h m e n und Social Safety Nets. Eine e i n g e h e n d e Diskussion a u s g e w ä h l t e r Fallstudien a u s politikwissenschaftlicher Sicht findet sich bei GRAHAM ( 1 9 9 4 ) . WURGAFT ( 1 9 9 3 ) diskutiert a u s g e w ä h l t e lateinamerikanische A n s ä t z e und MARC; GRAHAM; SCHACTER; SCHMIDT ( 1 9 9 5 ) enthält e i n e
26
auch politökonomische Aspekte dieser Einrichtungen diskutiert werden. Die Analysen verbleiben jedoch aufgrund mangelnder empirischer Daten zumeist an der Oberfläche; die Frage, inwieweit Sozialfonds zur Armutsbekämpfung geeignet sind, ist deshalb bislang nur unbefriedigend beantwortet worden. In der Literatur werden allgemein die positiven Ergebnisse der Sozialfonds hervorgehoben. Sie können thesenartig folgendermaßen zusammengefaßt werden: • Erstens ist vielfach beobachtet worden, daß der finanzpolitische Handlungsspielraum der jeweiligen Regierung im Bereich der Sozialpolitik durch entwicklungspolitische Transfers entscheidend erweitert wurde.12 • Zweitens ist festzustellen, daß unter Mitwirkung der internationalen Organisationen leistungsfähige Trägerstrukturen im öffentlichen Dienst entstanden, die nicht nur als Ansatzpunkte für zukünftige Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit fungieren können, sondern darüber hinaus auch in der Lage sind, inländische Vorhaben effizienter abzuwickeln.13 • Ein drittes Ergebnis vieler Studien, die sich mit Sozialfonds beschäftigt haben, besteht darin, daß von diesen Trägern entscheidende spill-overs auf andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung erwartet werden, so daß die Effizienz des öffentlichen Dienstes insgesamt steigt.14 • Viertens wird herausgestellt, daß Sozialfonds als einheimische Institutionen besser an die Umstände im jeweiligen Entwicklungsland angepaßt sind als eine ausländische Organisation; ein derartiges institutionelles Arrangement ermöglicht eine gute Identifikation der Zielgruppen und erlaubt daher einen effizienteren Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel.15 • Fünftens wird konstatiert, daß ein Sozialfonds eher als ein Ministerium oder eine internationale Organisation in der Lage ist, Organisationen, die den Zielgruppen nahestehen, zu knüpfen und Durchführung von Einzelmaßnahmen einzubinden.16 Zu denken wäre Selbsthilfegruppen oder Kooperativen von Kleinproduzenten.
traditionelles Kontakte zu diese in die hier an NGO,
Die vorliegende Untersuchung baut auf diesen Ergebnissen insofern auf, als die genannten Ergebnisse Arbeitshypothesen für die Analyse des Fis darstellen. Im folgenden soll versucht werden, die Wirkungen und institutionellen Entwicklungen eines Sozialfonds nachzuzeichnen. Ziel ist es, aus der Sicht der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit
mögliche
institutionelle
Defizite zu verorten
Zusammenstellung der Erfahrungen der Weltbank in Afrika südlich der Sahara. 12
Vgl. Kasch; Freiberg-Strauß (1997): S. 146.
13
Vgl. Marc; Graham; Schacter; Schmidt (1995): S. 2.
" Vgl. Jorgensen; Grosh; Schacter (1992): S. 1ff. Carvalho (1994): S. 1. 15
Vgl. Graham (1994): S. 14; Carvalho (1994): S.2.
,s
Vgl. Jorgensen; Grosh; Schacter (1992): S. 71ff.
und
Lösungs-
27
möglichkeiten für zukünftige armutsorientierte Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit zu entwickeln. Die Untersuchung konzentriert sich auf den bolivianischen Fondo de Inversión Social (Fis). Dieser Fonds wurde 1990 als Nachfolgeinstitution des bereits erwähnten Sozialen Nothilfefonds FSE mit dem Auftrag gegründet, die Armut in Bolivien zu lindern. Der bolivianische Fis eignet sich aus drei Gründen besonders gut für eine institutionenökonomische Analyse der Armutswirkungen von Sozialfonds. Erstens liegt zur Armutssituation in Bolivien - nicht zuletzt aufgrund eines 1992 durchgeführten Zensus - vergleichsweise detailliertes Datenmaterial vor. Zweitens wurde der Fis bereits 1990 ins Leben gerufen. Obschon er seine Projekttätigkeit erst 1991 aufnahm und der Zeitraum der vorliegenden Untersuchung 1995 endete, liegen dennoch Daten über eine Zeitspanne von vier Jahren vor. Dieser Zeitraum kann als lang genug erachtet werden, um grundlegende Aussagen über die Wirksamkeit dieses institutionellen Arrangements zu treffen. Drittens bietet sich in Bolivien die einmalige Möglichkeit, die Ergebnisse der Tätigkeit eines kurzfristig orientierten Nothilfefonds mit denen eines auf langfristige Entwicklung ausgerichteten Investitionsfonds zu vergleichen.
1.3. Aufbau der Arbeit Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in sechs Kapitel. Auf die Einleitung folgt im zweiten Kapitel eine Zusammenstellung der relevanten Grundbegriffe der Armutstheorie und eine Einführung in die Konzipierung und wirtschaftspolitische Umsetzung von Ansätzen zur Armutsbekämpfung. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den politischen, sozio-kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer der Fis agiert. Dabei stellen die Kenntnis der Bevölkerungsstruktur, der wirtschaftspolitischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit und der aktuellen wirtschaftspolitischen Reformvorhaben die Grundvoraussetzungen für das Verständnis der Tätigkeit des Fis dar. Zentral sind dabei die armutsrelevanten Rahmenbedingungen. Daher wird in diesem Kapitel auf das Ausmaß und die Struktur der Armut in Bolivien eingegangen. Zudem werden diejenigen Institutionen vorgestellt, zu deren Aufgabe die Bekämpfung der Armut in Bolivien zählte, bevor der Fis gegründet wurde. Das Kapitel enthält daher eine kritische Untersuchung des FSE und seiner Wirkungen.
28
Das vierte Kapitel besteht aus einer eingehenden Beschreibung des Fis und seiner Ergebnisse. Zunächst wird anhand der relevanten Gesetzestexte der Gründungsprozeß nachgezeichnet, in dessen Verlauf die Zielsetzung des Fis mehrfach weiterentwickelt wurde. Danach werden die Verfahrensweisen bei der Projektabwicklung ausführlich dargestellt. Von besonderem Interesse für die Wirksamkeit des Fis ist seine finanzielle Stabilität. Mit dieser Frage befaßt sich ein eigener Abschnitt. Abschließend werden die Wirkungen des Fonds für die bolivianische Wirtschaft diskutiert. Das Kapitel fünf beschäftigt sich mit der institutionellen Ausgestaltung des Fis sowie den Beziehungen des Fis mit seinen externen stakeholders. Dazu wird zunächst ein Überblick über die relevanten institutionellen Beziehungen gegeben. Im Anschluß daran werden diese Relationen im einzelnen vor dem Hintergrund institutionenökonomischer Erklärungsansätze diskutiert und auf ihre Wirksamkeit für die Armutsbekämpfung hin überprüft. Im letzten Abschnitt des Kapitels werden Vorschläge entwickelt, wie einzelne Institutionen verändert werden könnten, um die Wirkungen des Fis zu steigern. Das sechste Kapitel enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein kritisches Resümee der entwickungspolitischen Konsequenzen der Untersuchung.
29
2. Armut und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern
2.1. Vorbemerkung Die Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern ist ein langwieriger Prozeß. Da sich die Ursachen und Auswirkungen der jeweiligen Armutssituation von Land zu Land unterscheiden, existiert bisher keine allgemein gültige kohärente Strategie zur Bekämpfung der Armut. Die Möglichkeit, eine derartige "Blaupause" für Armutsbekämpfung zu erstellen, stößt angesichts sehr spezifischer wirtschaftlicher und sozialer Voraussetzungen einzelner Regionen und Länder an Grenzen. Aus diesem Grund kann es nicht das Anliegen dieses Abschnitts sein, eine derartige theoretische Konzeption neu zu entwerfen. Vielmehr werden die vorhandenen theoretischen Konzepte und empirisch beobachtbaren Wirkungszusammenhänge dargestellt, die als Elemente einer wirtschaftspolitischen Strategie zur Armutsbekämpfung dienen können. Damit wird der Boden bereitet für die Einordnung des Sozialfonds in den Gesamtkontext der Armutsbekämpfung, die in den nachfolgenden Kapiteln vorgenommen wird. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Im zweiten Abschnitt werden die für die spätere Untersuchung relevanten theoretischen Konzepte zur Identifikation der Armen eingeführt und Methoden vorgestellt, mit deren Hilfe das gesellschaftliche Ausmaß der Armut gemessen werden kann. Der darauffolgende Abschnitt 2.3 beschäftigt sich mit der Konzeption einer armutsorientierten Wirtschaftspolitik. Zunächst werden Teilziele der Armutsbekämpfung identifiziert. Danach wird untersucht, in welcher Weise diese Teilziele zum einen in die nationale Wirtschaftspolitik der Entwicklungsländer eingehen und zum anderen die Grundlage für armutsorientierte Konzeptionen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bilden. Damit ist die empirische Untersuchung der Armutssituation in Bolivien vorbereitet, die sich in Kapitel 3 anschließt.
2.2. Armut und Armutsmessung
2.2.1. Alternative Konzepte zur Identifikation der Armen Die Erstellung eines Armutsprofils erfordert zunächst eine genaue Abgrenzung derjenigen Personengruppen, die als arm erkannt werden. Darauf aufbauend muß in einem zweiten Schritt ein allgemeines Maß für die Armut gefunden werden, um das
30
gesellschaftliche Ausmaß der vorher als relevant identifizierten Armutstatbestände abbilden zu können.1 In einem ökonomischen Sinne wird Armut grundsätzlich verstanden als eine Situation, in der ein Mindest-Lebensstandard nicht erreicht ist.2 Für den Untersuchenden steht zunächst die Frage im Mittelpunkt, nach welchen Kriterien sich die Festsetzung des Mindest-Lebensstandards richtet. Zwei Grundkonzepte können anhand des jeweils gewählten Maßstabs unterschieden werden. Das Konzept der absoluten Armut ist dadurch gekennzeichnet, daß der Lebensstandard des Individuums anhand seines Existenzminimums gemessen wird. Zunächst wird ein Güterbündel definiert, das als lebensnotwendig erachtet wird. Als absolut arm werden alle Personen bezeichnet, denen nicht alle Güter dieses lebensnotwendigen Güterbündels zur Verfügung stehen. Der Begriff "absolut" bedeutet in diesem Zusammenhang, daß anhand des verwendeten Maßstabs ein Individuum unabhängig von der Situation anderer Individuen als arm identifiziert wird. Absolute Armut bedeutet für die Betroffenen häufig ein Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen, das durch Krankheit, Analphabetentum, Unterernährung und Verwahrlosung charakterisiert ist.3 Über den Umfang dessen, was als "lebensnotwendiges Güterbündel" verstanden wird, existieren wiederum zwei Auffassungen. Entweder kann darunter die Gütermenge verstanden werden, die das rein physische Überleben des betrachteten Individuums sichert, oder diejenige, die darüber hinaus noch sozio-kulturelle Mindeststandards abdeckt. Im ersten Falle spricht man von absoluter Armut im engeren Sinn.4 Nach diesem Verständnis werden die als Existenzminimum verstandenen Gütermengen ausschließlich von anthropometrischen Größen - Grundumsatz, Alter etc. - bestimmt. Diese Größen variieren je nach klimatischer Situation, verändern sich aber nur wenig im Zeitablauf. Im zweiten Fall handelt es sich um absolute Armut im weiteren Sinn. Im Gegensatz zu der Entwicklung des physischen Existenzminimums ist bei der Berücksichtigung des sozio-kulturellen Mindeststandards zu erwarten, daß sich das Existenzminimum ändert, weil sich Präferenzen im Entwicklungsprozeß wandeln.5 Soweit sozio-kulturelle Normen vom Lebensstandard der Gesamtbevölkerung abhängen, impliziert die Anwendung dieses weiter gefaßten Konzepts ein 1
Vgl. Sen (1992): S. 102.
2
Vgl. World Bank (1990b): S. 26.
3
Vgl. McNamara (1973): S. 1.
4
Vgl. Hauser; Neumann (1992): S. 245.
5
Vgl. Sen (1983): S. 155.
31
relatives Element.1 Die Identifikation absoluter Armut setzt aber in jedem Fall voraus, daß ein Existenzminimum vorab definiert wird. Das Gegenstück hierzu bildet das Konzept der relativen Armut. Mit diesem Konzept wird die Stellung von Personen bzw. Personengruppen in Relation zu dem durchschnittlichen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft untersucht. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht also die ökonomische Ungleichheit der Bevölkerung. Relative Armut ist demnach ein spezielles Verteilungskonzept, ihr Ausmaß kann mit Hilfe der Instrumente der Verteilungstheorie gemessen werden. Definitionsgemäß ist relative Armut nur dann völlig elimiert, wenn eine vollständige Gleichverteilung in der Gesellschaft vorliegt. Aus diesem Grunde kann relative Armut - im Gegensatz zu absoluter Armut - praktisch nicht vollständig eliminiert werden. Da auch absolute Armut ein relatives Element enthalten kann, ist die Abgrenzung zwischen dem Konzept der relativen Armut und der weiten Begriffsauffassung von absoluter Armut nur in Ausnahmefällen völlig trennscharf. Welches der beiden Konzepte in einer Untersuchung zur Anwendung kommt, richtet sich nach dem Untersuchungsgegenstand. Das Konzept relativer Armut trägt vor allem zum Verständnis von Armut in Industrieländern bei.2 In diesen Ländern stehen auch armen Personen genügend Ressourcen zur Verfügung um zu überleben. Daher ist Armut dort in erster Linie ein Verteilungsproblem. Für die Untersuchung von Armut in Entwicklungsländern hingegen besitzt die relative Armut nur untergeordnete Bedeutung. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die absolut armen Gruppen der Bevölkerung. Für eine Analyse der Armut ist nicht nur die Definition des absoluten Lebensniveaus von Interesse, sondern auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle. Aus der Sicht des armen Individuums ist die Dauer der Armut unter Umständen (lebens-)entscheidend. Aus diesem Grund wird zwischen transitorischer und chronischer bzw. struktureller Armut unterschieden. Transitorische Armut betrifft Individuen, die nur vorübergehend arm sind. Diese Armutssituation kann verschiedene Gründe haben. Beispielsweise fallen Zeitperioden, die für Aus- und Weiterbildung genutzt werden, für den Einkommenserwerb aus.3 In diesen Ausbildungsperioden werden allerdings Investitionen in das eigene Humankapital vorgenommen. Die während der Ausbildung entstehenden Einnahmeausfälle werden in der Erwartung hingenommen, sie später mit Hilfe der erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten kompensieren zu können. Unter Umständen kann transitorische Armut existenzgefährdende Ausmaße annehmen. '
Vgl. Sautter; Serries (1993): S. 10.
2
Sen (1992): S. 9.
3
Vgl. Gustafsson (1995): S. 374f.
32
Beispiele dafür sind Mißernten oder gesundheitliche Probleme wie z.B. Krankheit, (Arbeitsanfälle etc.1 Von dieser transitorischen Armut ist chronische Armut abzugrenzen. Darunter wird verstanden, daß die Armutssituation mittel- bis langfristig anhält. Die Ursachen hierfür können darin bestehen, daß die betroffenen Individuen keine Möglichkeiten haben, sich aus dem Zustand zu befreien, oder aber darin, daß Arme die prinzipiell vorhandenen Möglichkeiten für eine solche Befreiung nicht wahrnehmen können. Transitorische Armut unterscheidet sich von chronischer somit allein durch den vom Untersuchenden gewählten Zeitrahmen. Je länger c.p. der Zeitraum ist, der als vorübergehend angesehen wird, desto geringer wird der Anteil chronisch armer Individuen in der Gesellschaft. Die folgende Untersuchung konzentriert sich auf absolute Armut. In Bezug auf den Zeithorizont werden sowohl chronisch Arme als auch Personen, die nur vorübergehend arm sind, in die Untersuchung einbezogen. 2.2.2. Ansatzpunkte zur Messung von Armut Die Messung von Armut setzt eine Vorentscheidung über die Erhebungseinheit und über die Meßmethode voraus. Die Frage nach der optimalen Erhebungseinheit erfordert eine Entscheidung, ob als kleinste Untersuchungseinheit das Individuum, das Erwachsenenäquivalent oder der Haushalt angesehen wird. Der entscheidende Vorteil einer Armutsanalyse, die das Individuum als kleinste Erhebungseinheit betrachtet, besteht in der Detailgenauigkeit der Daten. Ein Nachteil von Erhebungen auf der Ebene des Individuums besteht darin, daß die Ressourcenausstattung möglicherweise ungenau wiedergegeben wird. Jedes Individuum agiert in einem spezifischen sozialen Kontext. Seinen wichtigsten sozialen Rahmen bildet die Familie bzw. der Haushalt als "Quasi-Familie". Das Individuum partizipiert an den familiären Ressourcen. Insofern ist die Lebenssituation des Individuums nicht unverbunden mit der seiner näheren Umgebung, und die Untersuchung der Haushaltsebene liefert ein besseres Bild von der Armut der in ihm zusammengefaßten Individuen als eine isolierte Betrachtung der einzelnen Mitglieder.2 Aus der Detailgenauigkeit des Datenmaterials kann allerdings auch ein Nachteil der Erhebung für einzelne Personen folgen. Mit den unterschiedlichen Merkmalen der Individuen gehen nämlich wahrscheinlich auch unterschiedliche Bedürfnisse einher. 1
Für eine detaillierte Darstellung des Problems vgl. Lipton; Ravallion (1995): S. 2 6 2 0 - 2 6 2 2 ; spezielle Probleme im ländlichen R a u m untersuchen Hazell; Haggblade (1993): S. 202f.
2
Vgl. Boltvinik (1994): S. 58.
33
Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, Merkmalsausprägungen verschiedener Personengruppen, z.B. von Kindern und Erwachsenen oder von Männern und Frauen oder von Arbeitenden und Nicht-Arbeitenden, zu aggregieren. Auf der Haushaltsebene erweist sich die Vergleichbarkeit unterschiedlich strukturierter Haushalte als noch größeres Problem. Haushalte weisen über die Merkmalsunterschiede der Individuen hinaus noch Unterschiede in Bezug auf ihre Struktur, beispielsweise hinsichtlich der Zahl der Mitglieder und der altersmäßigen oder geschlechtsmäßigen Zusammensetzung, auf. Dadurch unterscheiden sich die Bedürfnisse unterschiedlicher Haushalte stärker noch als die Bedürfnisse der Einzelpersonen; ein einfacher Vergleich der mengenmäßigen Güterversorgung würde die Lebensumstände nur mit erheblichen Ungenauigkeiten widerspiegeln. Dem Aggregationsproblem kann grundsätzlich durch die Anwendung von Äquivalenzskalen Rechnung getragen werden. Diese Methode besteht darin, die Zahl der Haushaltsmitglieder auf ein "Erwachsenenäquivalent" umzurechnen und danach mit dem Bedarf pro Erwachsenenäquivalent zu multiplizieren, um die Bedürfnisse des Haushalts abzubilden. Der wichtigste Vorteil der Erhebung auf der Grundlage des Erwachsenenäquivalents besteht darin, daß Kommensurabilität gesichert ist: Es bestehen optimale Vergleichsmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Erhebungseinheiten. Die Anwendung einer derartigen Äquivalenzskala ist beispielsweise eine geeignete Methode, um Haushalte mit unterschiedlicher Altersstruktur vergleichbar zu machen. Allerdings liegt einer solchen Skala eine Norm bezüglich der "typischen" Merkmale verschiedener Individuen zugrunde, zu deren Festlegung keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse herangezogen werden können und die daher willkürlich bleibt.1 Immerhin kann die Betrachtung der Armutssituation auf der "adult-equivalent basis" einen Referenzmaßstab für die Qualität anderer eingesetzter Armutsmaße bilden.2 Ein anderes gewichtiges Problem bei Haushaltserhebungen betrifft die Verteilung der Ressourcen innerhalb des Haushalts. Implizit wird bei einer Untersuchung auf der Haushaltsebene eine egalitäre Verteilung der Güter innerhalb des Haushalts angenommen. Diese Verteilung muß jedoch in der Realität nicht gegeben sein. Es kann angenommen werden, daß ein Teil der Haushaltsressourcen aus unteilbaren Gütern besteht, die allen Haushaltsmitgliedern zur Verfügung stehen; dazu zählen bspw. sanitäre Anlagen und Wohngebäude.3 Andere Güter stehen hingegen '
Vgl. Fields (1994): S. 5.
2
Ravallion (1992): S. 17.
3
Die Ressourcen erhalten somit den Charakter von Clubgütern, die allen Haushaltsmitgliedern in gleicher W e i s e zur Verfügung stehen.
34
exklusiv bestimmten Haushaltsmitgliedern zur Verfügung; das gilt z.B. für Nahrung, Kleidung etc. Insgesamt erscheint unter Abwägung der genannten Argumente das "Einkommen je Erwachsenenäquivalent" als der methodisch am besten geeignete Ansatz. Diesem Indikator am nächsten kommen Vergleiche auf der Basis des Haushaltseinkommens. Das
persönliche
Einkommen
ist
offenbar
der
schlechteste
Indikator
für
Einkommensvergleiche.1 Bei der Wahl des methodischen Ansatzes sieht sich der Untersuchende zwei Alternativen gegenüber. Die indirekte Methode versteht Armut als primär monetäres Problem. Im Mittelpunkt dieser Betrachtungsweise stehen entweder das laufende Einkommen oder der laufende Verbrauch, gemessen an den Ausgaben. Ausgehend von einem Mindest-Lebensstandard wird ein Standard-Warenkorb definiert, der diejenigen Güter und Dienstleistungen enthält, die zur Befriedigung der Grundbedürfnisse notwendig sind ("Satisfier"). Die geschätzten Kosten dieses Bündels von Satisfiern ergeben die Armutsgrenze. Alle Erhebungseinheiten - seien es Individuen, Haushalte oder Erwachsenenäquivalente -, deren Einkommen oder Ausgaben diese Grenze unterschreiten, gelten als arm.2 Die Unterscheidung zwischen Einkommensoder Ausgabengrößen spielt in diesem Konzept nur eine untergeordnete Rolle, da Daten über den Verbrauch von Waren und Dienstleistungen den materiellen Lebensstandard
nicht
besser
und
nicht
schlechter
widerspiegeln
als
Einkommensgrößen.3 Die Messung von Armut in monetären Größen hat den Vorteil, daß die Armutssituation eines Landes bzw. einer Region in einer hoch aggregierten Form abgebildet werden kann. Den Vorteilen stehen jedoch offenbar schwerwiegende forschungspraktische Nachteile gegenüber.4 Ein gravierender inhaltlicher Nachteil besteht darin, daß die genannte indirekte Methode eine einheitliche Preisstruktur im Untersuchungsgebiet unterstellt. In vielen Entwicklungsländern sind aber die Güter- und Faktormärkte nur unvollständig integriert. Oftmals existieren Zugangsbarrieren in Form von Transportkosten oder Informationskosten, die zur Ausbildung regional segmentierter Märkte führen. Daraus. 1
Vgl. Streeten (1990): S. 2.
2
Vgl. Boltvinik(1994): S. 58
3
Vgl. Sangmeister (1993a): S. 10. Beispielsweise konnte für Sri Lanka nachgewiesen werden, daß sowohl anhand von "[...] Verbrauchs- als auch Einkommensindikatoren im großen und ganzen die gleichen Menschen als arm [...]" identifiziert wurden. World Bank (1990a): S. 32.
4
SANGMEISTER weist darauf hin, daß sowohl die Erhebung der relevanten Daten als auch die spätere Verarbeitung bei der Anwendung des Budgetverfahrens sowie von Einkommens- und Verbrauchsstichproben sehr zeit- und kostenintensiv sind. Vgl. Sangmeister (1993a): S. 10.
35
resultieren Preisdifferenzen, die den Aussagewert monetärer Indikatoren stark einschränken.1 Regionale Preisdifferenzen führen dazu, daß die Lebenshaltungskosten in ländlichen Gebieten allgemein niedriger liegen als in Städten. Der gewichtigste Nachteil des monetären Ansatzes für die vorliegende Untersuchung besteht aber darin, daß nicht-monetäre Transaktionen nur indirekt erfaßt werden können. Unter nicht-monetären Transaktionen sind auf der Einkommmensseite der Armen v.a. Subsistenzeinkommen, Realtransfers und Gewinne aus Realtauschtransaktionen zu verstehen; auch auf der Ausgabenseite kann die Entlohnung für in Anspruch genommene Güter und Dienstleistungen in Sachwerten oder Arbeitsleistungen erfolgen. Die Bewertung dieser nicht-monetären Transaktionen stellt eine erhebliche Schwierigkeit bei der Einkommensermittlung dar. Dieser Einwand spielt für Industrieländer nur eine geringe Rolle. Zwar verfügen arme Bevölkerungsgruppen auch hier über nicht-monetäre Einkommen in Form von Sachtransfers etc., der überwiegende Teil ihres Einkommens besteht jedoch in Geld oder geldnahen Leistungen, z.B. in Form von Sozialtransfers oder ermäßigten Tarifen für staatliche Dienste. In Entwicklungsländern mit einer weniger stark monetarisierten Wirtschaft und einem weniger gut ausgebildeten Sozialsystem kann hingegen davon ausgegangen werden, daß ein großer Teil des Einkommens aus nicht-monetären Größen besteht. Aufgrund dieser Bewertungsprobleme haben die Ergebnisse der indirekten Methode der Armutsmessung nur eine stark eingeschränkte Aussagekraft. Daher kann die indirekte Methode der Messung zwar einen relativ einfach interpretierbaren Beitrag zur Erfassung des Armutsproblems leisten, die Ergebnisse lassen jedoch keine exakten Aussagen, sondern allenfalls Tendenzaussagen über das Ausmaß der Armut in einem Land zu. Die direkte Methode der Armutsmessung besteht darin, zielgruppenspezifische Defizite in der Befriedigung elementarer Bedürfnisse aufzuzeigen. Sie beruht ebenfalls auf der Überlegung, daß bestimmte Grundbedürfnisse unbedingt befriedigt werden müssen. Im Gegensatz zur indirekten Methode wird jedoch die Versorgung mit den notwendigen Gütern und Dienstleistungen anhand von Indikatoren gemessen, die für jedes Grundbedürfnis und jeden zugehörigen Satisfier das Niveau der Bedürfnisbefriedigung widerspiegeln. Für jeden Indikator wird ein Mindestniveau vorgegeben, unterhalb dessen das entsprechende Grundbedürfnis als unvollständig befriedigt gilt. Nach dieser Methode liegt Armut dann vor, wenn ein oder mehrere Grundbedürfnisse nicht ausreichend Vgl. Streeten (1981): S. 29f.
36
befriedigt werden.1 Die Festlegung der Armutsgrenze kann entweder auf empirischen Erkenntnissen beruhen (z.B. kann bei Anwendung des Konzepts der relativen Armut ein bestimmter Prozentsatz des besten erreichten Wertes als Armutsgrenze festgelegt werden) oder bestimmte Zielsetzungen widerspiegeln (z.B. kann für die Messung der absoluten Armut ein wissenschaftlich gesicherter Sollwert als Armutsgrenze festgesetzt werden). Die Defizite in der Befriedigung der Grundbedürfnisse werden anhand sozialer Indikatoren dargestellt.2 Da die direkte Methode zur Messung der Armut von besonderer Bedeutung für die spätere quantitative Analyse ist, wird auf das Grundbedürfniskonzept vertieft eingegangen. 2.2.3. Merkmate der Armen: das Grundbedürfniskonzept Im vorigen Abschnitt wurde als zentrales Kriterium zur Identifikation von Armut das Nicht-Erreichen eines Mindest-Lebensstandards erkannt. Der Mindest-Lebensstandard wird durch die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen bestimmt. Die Grundbedürfnisstrategie besagt, daß die Versorgung mit bestimmten Gütern und Diensten in angemessener Quantität wie auch Qualität für alle Menschen dauerhaft gesichert werden muß. Das Konzept fußt auf einer detaillierten Definition menschlicher Bedürfnisse hinsichtlich Ernährung, Gesundheit, Erziehung, Wasser, Unterbringung, Transport, einfacher Handelswaren (Nadeln, Schrauben etc.) und auch nichtmaterieller Güter, wie beispielsweise Partizipation, kultureller Identität und des Gefühls eines erfüllten Lebens und sinnvoller Arbeit, die eng mit den materiellen Bedürfnissen verzahnt sind.3 Arme Bevölkerungsgruppen sind dadurch charakterisiert, daß eines oder mehrere Grundbedürfnisse nicht dauerhaft gesichert sind. Nicht alle Grundbedürfnisse sind gleichrangig. Aus den Folgen, die die Nichterfüllung bestimmter Bedürfnisse für das Individuum hat, kann eine Hierarchie der grundlegenden Bedürfnisse abgeleitet werden (vgl. Abbildung 2.1). Zur kurzfristigen Sicherung des bloßen Überlebens ist die ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser unerläßlich. Notwendige Maßnahmen zur mittelfristigen Sicherung des Überlebens betreffen die Bereitstellung präventiver bzw. kurativer Gesundheitsleistungen, die das Todesfallrisiko senken, und akzeptable Wohnverhältnisse. 1
Vgl. Boltvinik (1994): S. 58.
2
Vgl. Sangmeister (1993a): S. 11.
3
Vgl. Straeten (1979): S. 28f.
37
Abbildung 2.1 Grundbedürfnishierarchie und Güterversorgung Komponenten eines grundbedürfnisorientierten Güterbündels
Hierarchie elementarer Lebensziele
Überleben bei Befriedigung materieller und immaterieller Grundbedürfnisse
Produktives Überleben Fortdauerndes
ii
Güter, die die Teilhabe an "durchschnittlichen" Konsumgewohnheiten ermöglichen Partizipation an Entscheidungen, die die eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen betreffen Zugang zu Produktionsmitteln Funktionale Basiserziehung Zusätzliche Nahrungsmittel Schutz gegen schwächende Krankheiten Hinreichende Wohnung
Überleben Bloßes Überleben
Schutz gegen tödliche Krankheiten Nahrungsmittel, Trinkwasser (physiologischer Minimalinput)
Quelle: Sangmeister (1993b).
Eine aktive Beteiligung am Arbeitsmarkt verlangt nach umfassenderem Schutz gegen Krankheiten und zusätzlichen Lebensmitteln zur Erhaltung der Arbeitskraft sowie Zugang zu elementaren Produktionsmitteln. Darüber hinaus verlangt die produktive Nutzung der eigenen Arbeitskraft nach einem Mindestmaß an Ausbildung. Eine gesicherte Existenz ist dann erreicht, wenn über die Befriedigung der genannten materiellen Grundbedürfnisse hinaus ein durchschnittlicher Konsumstandard gehalten werden kann und auch alle immateriellen Grundbedürfnisse, vor allem nach kultureller und politischer Partizipation, erfüllt werden. Die Umsetzung des Grundbedürfniskonzepts verlangt nach einer Definition der Mindeststandards in den einzelnen Sektoren. Diese Definition ist in hohem Maße von der umgebenden Situation abhängig und kann daher international nicht völlig vereinheitlicht werden.
2.2.4. Zur Auswahl geeigneter Armutsindikatoren 2.2.4.1. Anforderungen an Armutsindikatoren und Typen sozialer Indikatoren Die Messung des Niveaus der Grundbedürfnisbefriedigung erfolgt anhand von Armutsindikatoren. Diese Kennzahlen sollen die tatsächliche Situation des betrachteten Haushalts möglichst genau abbilden. Da jeder Indikator nur einen begrenzten
38
Ausschnitt aus der tatsächlich sehr komplizierten Situation bietet, setzt dieser Anspruch voraus, daß zentrale Grundbedürfnisse ausgewählt werden und für jedes dieser Bedürfnisse ein Indikator als Meßgröße bestimmt wird. Zwischen einer Zielvariablen (bspw. Armut) und der jeweiligen Meßgröße (bspw. Nahrungsversorgung) wird ein Zusammenhang vermutet. In der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion über die Messung des Lebensstandards herrscht in weiten Teilen Konsens über die Abbildbarkeit der einzelnen Grundbedürfnisbereiche durch Armutsindikatoren. In Bereichen, in denen die zugeordneten Indikatoren mit kulturspezifischen oder gruppenspezifischen Normen behaftet sind, herrscht jedoch zum Teil Uneinigkeit.
SANGMEISTER
(1993a) führt als
Beispiel das Grundbedürfnis "Wohnen" an, für das ein Minimalstandard nur unter Berücksichtigung der gegebenen klimatischen, kulturellen und sozio-ökonomischen Umgebung festgelegt werden kann.1 Zwei Kriterien zur Differenzierung sozialer Indikatoren sind für die folgende Untersuchung relevant. Erstens wird zwischen deskriptiven und normativen Indikatoren unterschieden. Deskriptive Indikatoren beschreiben einen Zustand, ohne implizite Wertungen zu enthalten (bspw. "verfügbare Kalorienmenge pro Tag" als Indikator für die Ernährungssituation), wohingegen normativen Indikatoren vorgegebene Werte zugrundeliegen (ein dem vorigen Indikator entsprechendes Beispiel wäre "Prozent der benötigten Kalorienmenge"). Allerdings kann das Werturteilsproblem der Armutsmessung nicht dadurch gelöst werden, daß ausschließlich deskriptive Indikatoren betrachtet werden, weil bereits die Auswahl der beobachteten Indikatoren ein Werturteil impliziert. Die zugrunde liegenden Normen sollten durch den Untersuchenden explizit ausgewiesen werden. Zweitens werden Input- und Outputindikatoren voneinander unterschieden. Inputindikatoren messen die Einsätze an Gütern und Faktoren, die zur Herstellung eines angestrebten Zustandes sozialer Leistungen notwendig sind. Ein Beispiel ist die Relation "Einwohner je Arzt". Sie erlaubt einen Rückschluß auf die Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen. Eine angemessene Versorgung ist notwendig, um den Gesundheitsstand der Bevölkerung zu sichern. Demgegenüber erfassen output-orientierte Indikatoren unmittelbar den betrachteten Zustand.2 Ein Beispiel wäre der "Bevölkerungsanteil kranker Personen". Das letzte grundsätzliche Problem der Messung von Armut besteht in der Aggregation der Daten. Hier besteht ein trade-off zwischen der Genauigkeit, mit der die '
Vgl. Sangmeister (1993a): S. 13.
2
Vgl. Sangmeister (1993a): S. 12.
39
Lebenssituation nachgezeichnet wird, und der Übersichtlichkeit der Darstellung. Aus den Ausführungen zur Hierarchie der Grundbedürfnisse ging hervor, daß Armut ein sehr komplexes Phänomen ist. Eine umfassende Armutsanalyse müßte daher eine Vielzahl
unterschiedlicher
Lebensbereiche
einbeziehen,
die
sowohl
durch
Vermögens- und Einkommenskennziffern als auch durch nicht-monetäre Armutsindikatoren abgebildet werden müssen. Dazu kann eine ganze Reihe von Indikatoren herangezogen werden. In den siebziger Jahren versuchte man das Problem dadurch zu lösen, daß komplexe Indikatorsysteme entworfen wurden, die alle armutsrelevanten Bereiche abdecken sollten; ein derartiges System aus mehr als 70 Indikatoren wurde durch das
UNDP
entwickelt. Die Erfahrung zeigte jedoch, daß der Aussagewert
eines derartigen Indikatorsystems aufgrund der Unübersichtlichkeit der Beziehungen zwischen den einzelnen Indikatoren mit steigender Zahl der Einzelindikatoren abnahm. Außerdem kommt einzelnen Teilaspekten nur ein geringer Erkenntniswert zu. In anderen Ansätzen wurden mehrere Einzelindikatoren zu einer einzigen Kennziffer zusammengefaßt. Die bekanntesten Beispiele sind der Physical Quality of Life Index (PQLI)1
und der Human Development Index (HDI)2. Derartige Indikatoren wurden für
internationale Vergleiche von Lebensverhältnissen entwickelt. Sie weisen das Problem auf, daß sich die einzelnen Teilbereiche, aus denen der Indikator zusammengesetzt ist, gegenseitig kompensieren können. Zudem ist die Gewichtung der einzelnen Teilindikatoren zueinander willkürlich.3 2.2.4.2. In der Untersuchung verwendete Armutsindikatoren Ein einfaches Verfahren für internationale Armutsvergleiche besteht darin, eine Armutsgrenze zu definieren und die Zahl der Individuen zu erfassen, die diese Armutsgrenze nicht erreichen. Als universellen Armutsindikator benutzt die
WELTBANK
den
durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch der Bevölkerung." Anhand dieses Indikators werden Individuen in Einkommensklassen eingeteilt. Als alternativer Indikator zum Pro-Kopf-Verbrauch kann das Bruttosozialprodukt pro Kopf herangezogen werden.5 Allerdings gilt für beide Indikatoren, daß der Mindestverbrauch zwischen
1
Vgl. Morris ( 1 9 7 9 ) : S. 4f.
2
D e r HDI wurde 1 9 9 0 erstmals präsentiert in UNDP (1990) und seitdem mehrfach reformuliert. Kritische Auseinandersetzungen finden sich bei KLINGEBIEL ( 1 9 9 2 ) sowie bei ANAND; SEN ( 1 9 9 4 ) .
3
Vgl. Lipton ( 1 9 8 8 ) : S. 8.
4
In WORLD BANK (1990A) k o m m e n zwei Armutsgrenzen zur Anwendung. Als e x t r e m a r m w e r d e n Individuen mit e i n e m jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von weniger als 2 7 5 U S $ PPP 1 9 8 5 eingestuft; nicht-arme Individuen haben einen jährlichen Pro-Kopf Verbrauch von m e h r als 3 7 0 U S $ PPP 1 9 8 5 . Vgl. W o r l d Bank ( 1 9 9 0 a ) : S. 29.
5
Vgl. Fields (1994): S. 9.
40
Ländern mit unterschiedlichen Lebensstandards schwankt und daher eine universelle Armutsgrenze nur ein sehr tentatives Maß für Armut ist. In einzelnen Länderstudien wurden vergleichbare Maße verwendet. So definierte die ILO am Beispiel Indiens zwei Armutsgrenzen: Sehr arm sind Personen, die über nicht mehr als den Durchschnittsverdienst eines ungelernten Arbeiters in einem Großbetrieb der verarbeitenden Industrie verfügen; als völlig verarmt werden Personen bezeichnet, die eine Rupie oder weniger am Tag verdienen.1 Ist die Armutsgrenze einmal definiert, so ist der Headcount, die absolute Zahl der in Armut lebenden Personen, der einfachste Armutsindikator. Auf der Haushaltsebene entspricht dem Headcount die Zahl armer Haushalte (ZAH). Der Aussagegehalt dieser Indikatoren ist allerdings begrenzt. Headcount und ZAH sind aussagekräftige Indikatoren für Armutsvergleiche in Ländern mit hinreichend stabiler Bevölkerungsbzw. Haushaltszahl. Sie sind jedoch weder als Grundlage für internationale Vergleiche einsetzbar, weil der Bezug zur Grundgesamtheit fehlt, noch kann eine Aussage über die Entwicklung der Armut innerhalb eines Landes getroffen werden, wenn sich die Bevölkerungszahl oder die Gesamtzahl der Haushalte verändert.2 Das Problem der internationalen Vergleichbarkeit wird durch die Benutzung des Headcount-Index umgangen; die deutsche Entsprechung lautet Armutsquote.3 Die Armutsquote ist der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung. Auf der Haushaltsebene wird der Anteil armer Haushalte (AAH) betrachtet. Am Beispiel der Armutsquote können Definition und Anwendbarkeit dieser Indikatoren gezeigt werden; die Ausführungen gelten sinngemäß auch für die AAH. Die Bestimmung der Armutsquote setzt voraus, daß zunächst ein Indikator und eine Armutsgrenze definiert werden. Danach ist die Zahl der Personen zu bestimmen, die diesen Standard nicht erfüllen.4 Sie findet Anwendung als Maß für die Prävalenz von Armut.5 Die Formel für die Armutsquote lautet somit:
1
Vgl. Nohlen (1993): S. 59.
2
Vgl. für den Headcount Fields (1994): S. 9.
3
Vgl. Sautter; Serries (1993): S. 67.
" Vgl. Lipton; Ravallion (1995): S. 2579. 5
Vgl. Ravallion (1992): S. 35.
41
Dabei bedeuten H
den Headcount-Index
q
die Anzahl der Armen
und n
die Anzahl der Personen in der Gesamtbevölkerung.
Der Vorteil des Indikators besteht darin, daß er leicht verständlich und daher einfach zu interpretieren ist. Allerdings hat die Armutsquote einen gravierenden Nachteil, der sich insbesondere auf die Analyse spezifischer Armutsbekämpfungsstrategien auswirkt. Er besteht darin, daß die Armutsquote nicht auf Veränderungen innerhalb der Gruppe der Armen, wie z.B. Transfers innerhalb der Armen, reagiert.1 Ein anderer Ansatz besteht darin, die Differenz zwischen dem aktuellen Lebensstandard armer Haushalte und dem vorab definierten Mindest-Lebensstandard zu messen. Diese Differenz wird häufig in Einkommensgrößen gemessen, d.h. es wird berechnet, welche Geldsumme im Durchschnitt zur Befriedigung der in monetären Größen ausgedrückten Grundbedürfnisse fehlt. Diese Differenz wird absolute Armutstiefe genannt und folgendermaßen gebildet: atj =
Der Ausdruck gilt für alle
y
z-y,
n.v.
48,1
11
Bevölkerungsanteil
2)
Anteil an der Gesamtzahl der Haushalte
31
Dazu zählen die Hauptstädte der departamentos sowie El Alto
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
Die Tabelle macht deutlich, daß Armut in Bolivien vorrangig ein Problem der ländlichen Gebiete ist. Das unterstreicht auch die Tatsache, daß der überwiegende Teil der Armen (56,8 % der armen Bevölkerung) auf dem Land lebt.2 Bei einer differenzierteren Betrachtung der Entwicklung der Armut seit 1976 zeigt sich, daß der bereits erwähnte Rückgang der Armutsquote vorrangig städtische Regionen betrifft. Trotz einer relativ starken Landflucht sank der Anteil der armen Haushalte in ländlichen Regionen nur um 4,0 Prozentpunkte, während die Vergleichszahl für die Städte um 16,3 Prozentpunkte zurückging.3 Auch der Bevölkerungsanteil, der in extremer Armut lebt, ist in ländlichen Regionen wesentlich höher als in städtischen. In extremer Armut leben 5,1 % der Gesamtbevölkerung. Während nur 0,5 % der städtischen Haushalte in extremer Armut leben, beläuft sich der Anteil extrem armer Haushalte auf dem Land auf 11,1 % der ländlichen Haushalte (vgl. Abbildung 3.1).
1
Vgl. Abschnitt 3.2.3.
2
Vgl. Ministerio de Desarrollo Humano (1993): Tabelle 1.7; eigene Berechnungen.
3
Vgl. Ministerio de Desarrollo Humano (1993): Tabelle 11.4 sowie Anhang A, Tabelle 7.
87
Abbildung 3.1 Zentrale Problembereiche der Armen 1992 - Anteile in Prozent -
Quelle: eigene Darstellung auf der Grundlage von Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
Abbildung 3.1 zeigt, daß die Landbevölkerung bei allen betrachteten Grundbedürfnissen deutlich höhere Defizite als die Stadtbevölkerung aufweist.1 Besonders gravierende Unterschiede bestehen bei der Energieversorgung (21,0% der städtischen und 93,5 % der ländlichen Haushalte sind unterversorgt), der Qualität der Wohngebäude (21,9% der Wohngebäude städtischer Familien und 83,8% der ländlichen Wohngebäude sind baufällig) und der Sanitärversorgung (58,5% der städtischen Haushalte und 93,7% der ländlichen Haushalte weisen Defizite auf). 3.3.3. Merkmale der Armen Nachdem im vorhergehenden Abschnitt das Ausmaß der Armut erläutert wurde, konzentriert sich die Darstellung in diesem Abschnitt auf die wichtigsten soziodemographischen Merkmale der Armen in Bolivien. Zu diesen Merkmalen zählen die regionale Verteilung, die Charakteristika ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten, die Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen, die Altersstruktur, die Geschlechterverteilung und die Familiengröße.
1
Die zugrundeliegenden Daten sind in Anhang A, Tabelle 6 enthalten.
88
Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse zum Ausmaß der Armut in Bolivien ist bezüglich der regionalen Verteilung der armen Bevölkerung zu vermuten, daß sich die Armut in ländlich geprägten Regionen konzentriert. Einen ersten Anhaltspunkt über die Verteilung nach geographischen Regionen gibt die Armutskarte Boliviens. 1 Der Karte ist zu entnehmen, daß die Armutsquote im zentralen Hochland sowie in den äußersten nordwestlichen Grenzgebieten der Yungas und des Tieflandes, mithin sehr entlegenen Gebieten, besonders hoch ist; in der letztgenannten Region liegt auch die provincia mit der höchsten Armutsquote.2 Demgegenüber ist die Armutsquote in denjenigen provincias besonders niedrig, in denen die Departmentshaupstädte liegen. Über die Verteilung der Armen nach departamentos gibt Tabelle 3.7 Aufschluß. Tabelle 3.7 Armutsindikatoren nach departamentos 1992 departamento
Anzahl armer Armutsquote Personen (in 1.000) (in Prozent) 1.347,6
70,9
Sta. Cruz
815,9
Cochabamba
784,9
La Paz
Anzahl armer Anteil armer Haushalte Haushalte (in 1.000) (in Prozent) 327,9
70,5
59,8
158,2
58,0
70,7
179,0
70,8
Potosí
518,0
80,2
123,9
80,0
Chuquisaca
361,2
79,6
75,4
76,8
Oruro
237,7
69,9
58,9
70,3
Beni
222,6
80,6
37,7
77,4
Tarija
200,5
68,8
40,6
66,3
Pando
31,8
83,5
5,9
80,6
4.526,7
70,5
1.008,5
69,8
Bolivien gesamt
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
Tabelle 3.7 zeigt, daß die Armutsquote 1992 in den departamentos Pando, Beni und Potosí am höchsten war; allerdings ist die Bevölkerungszahl der beiden erstgenannten relativ niedrig.3 Die meisten Armen (65,1%) lebten in ländlichen Regionen der departamentos Cochabamba, La Paz und Santa Cruz.
'
Vgl. Anhang B.
2
Dies ist die provincia
3
Vgl. Tabelle 3.1.
Abunä im departamento
Pando (Armutsquote 1992: 9 7 , 9 % der Bevölkerung).
89
In ökonomischer Hinsicht ist von besonderem Interesse, aus welchen wirtschaftlichen Aktivitäten die arme Bevölkerung Einkommen bezieht. Anhand der Ergebnisse der Volkszählung können Aussagen über die Beschäftigung der Armen nach Wirtschaftszweigen sowie über Berufsgruppen mit besonders hohem Anteil armer Personen getroffen werden. Ein wichtiges Merkmal der Armen ist ihre Konzentration auf bestimmte Wirtschaftszweige. In der Mapa de Pobreza werden sechs Sektoren unterschieden. Die Erkenntnisse über die Beschäftigung der Armen in diesen Wirtschaftszweigen sind in Tabelle 3.8 zusammengefaßt.1 Tabelle 3.8 Beschäftigung nach Armut und Wirtschaftszweigen 1992 - Anteile in Prozent -
Nicht-Arme Individuen
Arme Individuen
Extrem Arme Individuen
100
100
100
4,6
32,0
80,7
Bergbau
2,7
3,2
1,4
Bauindustrie
4,6
9,8
3,8
GESAMT davon tätig in: Landwirtschaft
Sonstige Industrie
13,0
14,6
5,5
Handel/Transport
24,5
22,9
5,0
Sonstige Dienstl.
50,5
17,5
3,7
nachrichtlich: Anteil an allen ökonomisch Tätigen
28,2
65,3
6,4
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
Aus der Tabelle geht hervor, daß etwa ein Drittel der armen Einwohner Boliviens 1992 in der Landwirtschaft tätig waren. Außerdem waren relativ viele Arme im Handel beschäftigt oder verrichteten andere Dienstleistungen. Für die extrem arme Bevölkerung ist der landwirtschaftliche Sektor noch von weitaus größerer Bedeutung: In diesem Sektor waren 1992 mehr als 80% der extrem armen Bevölkerung tätig. Demgegenüber arbeiteten insgesamt rund 95% der Nicht-Armen in anderen Sektoren. Rund drei Viertel der nicht-armen Beschäftigten erstellten Dienstleistungen.
Als Maßstab für Armut wird die Armutstiefe (vgl. Anhang C) herangezogen. Personen, die bei der Volkszählung 1992 angaben, keine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, wurden nicht erfaßt.
90
Betrachtet man die Armutsquote je Sektor, so zeigt sich, daß 1992 insgesamt 97% der in der Landwirtschaft Tätigen unter der Armutsgrenze lebten; 13% zählten zu den extrem Armen.1 Von den Personen, die 1992 in der Bauindustrie tätig waren, wurden 78% als arm erkannt. Die Tatsache, daß von dieser Personengruppe nur 2,5% als extrem arm eingestuft wurden, deutet darauf hin, daß das Lebensniveau der in der Bauindustrie Beschäftigten nur knapp unter der Armutsgrenze lag. Verglichen mit diesen hohen Armutsquoten in der Landwirtschaft und der Bauindustrie zeigt sich für den Sektor der Sonstigen Dienstleistungen eine deutlich geringere Armutsquote: Nur knapp jeder Dritte der Beschäftigten wurde als arm eingestuft. Das zweite Merkmal der wirtschaftlichen Aktivität der Armen ist die Zugehörigkeit zu ausgewählten aufgeschlüsselt.
Berufsgruppen.
Dieser
Zusammenhang
ist
in
Tabelle
3.9
2
Auch Tabelle 3.9 unterstreicht indirekt nochmals die Erkenntnis, daß Armut in Bolivien vor allem ein Problem der ländlichen Regionen ist. Dies wird daraus deutlich, daß rund 50% der Berufstätigen, die zu den Armen zählen, und mehr als 80% der extrem armen Berufstätigen in landwirtschaftlichen Berufen arbeiteten. Der hohe Anteil der Selbständigen im Agrarsektor innerhalb der armen und extrem armen Bevölkerung deutet darauf hin, daß diese Gruppe vor allem aus Kleinbauern besteht. Der ebenfalls relativ hohe Anteil der armen und extrem armen Beschäftigten, die unentgeltlich im landwirtschaftlichen Familienbetrieb mitarbeiten, ist ein Anhaltspunkt dafür, daß eine Vielzahl kleiner Parzellen in Subsistenzproduktion bewirtschaftet werden. Der hohe Anteil indigener Einwohner an der bolivianischen Bevölkerung3 macht deutlich, daß der Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe und Armut von Relevanz sein kann. Für die Untersuchung dieses Zusammenhangs werden vier ethnische Gruppen unterschieden, wobei die Sprachen, die die jeweiligen Gruppen beherrschen, als differenzierendes Kriterium herangezogen werden.
' Vgl. Anhang A, Tabelle 8. 2
Als Armutsmaßstab wurde wiederum die Armutstiefe (vgl. Anhang C) verwendet. Nicht erfaßt wurden Arbeitssuchende sowie Berufstätige, die keine Angaben über ihre Tätigkeit machten bzw. andere als die angegebenen Berufe ausübten. Das erklärt auch die Abweichungen zu Tabelle 3.8.
3
Vgl. Tabelle 3.2.
91
Tabelle 3.9 Berufstätigkeit nach Armut und Berufsgruppen 1992 - Anteile in Prozent -
NichtArme
Arme
Extrem Arme
100
100
100
- Selbständige im Agrarsektor
2,6
36,6
60,0
- Angestellte im Agrarsektor
0,8
3,7
3,9
- Unentgeltliche Mitarbeit im landw. Familienbetrieb
0,3
9,0
18,0 3,0
Berufstätige insgesamt davon tätig als:
- Selbständige in Bergbau, Handwerk, Industrie
7,1
7,0
- Angestellte in Bergbau, Handwerk, Industrie
8,9
8,4
1,3
44,0
29,0
13,4
- Selbständige im Dienstleistungssektor gesamt davon beschäftigt mit: - Transport
3,4
1,5
0,1
- Tätigkeiten als Tagelöhner, Haushaltshilfen
16,2
6,6
2,1
- Sonst, qualifizierten Dienstleistungen
10,2
5,7
0,6
- Ambulantem Handel und sonst, nichtqualifizierten Dienstleistungen
14,2
15,2
10,6
36,5
6,2
0,5
- Angestellte im Dienstleistungssektor gesamt davon beschäftigt als: - Lehrer/technische Angestellte
19,0
1,6
0,1
- Büroangestellte
11,9
1,4
0,1
- Angestellte im Transportgewerbe
5,6
3,2
0,3
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
Anhand der EPNV 1988 wurde nachgewiesen, daß Haushalte, deren Mitglieder ausschließlich Spanisch sprachen, in höherem Maße mit sozialen Dienstleistungen versorgt wurden als andere Haushalte.1 Dieses Ergebnis wird auch durch die Volkszählung 1992 gestützt (vgl. Tabelle 3.10). Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß die Bevölkerungsgruppen, die ausschließlich indigene Sprachen beherrschen, nahezu vollständig zu den Armen bzw. den extrem Armen zählen. Auch in den Bevölkerungsgruppen, die neben indigenen Sprachen auch Spanisch beherrschen, ist der Anteil der Armen und extrem Armen relativ groß.
1
Vgl. Anhang A, Tabelle 5.
92
Tabelle 3.10 Sprachbeherrschung der armen Bevölkerung 1992 - Anteile in Prozent -
Bevölkerungsgruppe Nichtbeherrschte Sprache(n) Arme
Arme
Extrem Arme
Gesamt
44,5
53,9
1,6
100
Ausschließlich indigene Sprache(n)
1,4
79,6
19,0
100
Spanisch und indigene Sprache(n)
23,4
72,9
3,7
100
Andere Sprache(n)
72,6
25,7
1,7
100
Ausschließlich Spanisch
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß indigene Bevölkerungsgruppen stärker von Armut betroffen sind als die spanisch- bzw. europäischstämmigen Einwohner; diese These wird auch durch eine Untersuchung von
WOOD
und
PATRINOS
gestützt.1
Im Gegensatz zur indigenen Bevölkerung ist der Anteil der Armen und der extrem Armen an der ausschließlich Spanisch sprechenden Bevölkerung besonders niedrig. Dieselbe Tendenz zeigt sich auch für die Bevölkerung, die ausschließlich andere Sprachen, d.h. weder Spanisch noch indigene Idiome, beherrscht. Eine Erklärung dafür könnte darin bestehen, daß in Bolivien Einwanderergruppen aus Europa, Nordamerika und Asien in nennenswerter Größe leben, die weiterhin ihre Heimatsprache benutzen. Wie die anderen bisher genannten Kriterien unterscheidet sich auch die Sprachbeherrschung der Bevölkerung zwischen städtischen und ländlichen Regionen.2 Hier zeigt sich, daß rund 94% der Stadtbevölkerung, aber nur 71% der ländlichen Bevölkerung Spanisch sprechen. In beiden Lebensräumen sind diejenigen Einwohner, die ausschließlich indigene Sprachen beherrschen, in höherem Maße von Armut betroffen als die spanischsprachige Bevölkerung. Nimmt man also das Kriterium Sprachbeherrschung als Indiz für die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, so sprechen alle Anzeichen dafür, daß der Anteil der Armen an der indigenen Bevölkerung weitaus größer ist als an der spanischstämmigen Bevölkerung. Bezogen auf die Geschlechterverteilung in der armen Bevölkerung konstatierten die Autoren des Poverty Report, daß Armut vornehmlich ein Problem der weiblichen 1
Die Autoren untersuchen den Zusammenhang zwischen Merkmalen für die Zugehörigkeit zur indigenen Bevölkerung und Armut aufgrund von Daten der Encuesta Integrada de Hogares von 1991. Vgl. Wood; Patrinos (1994): S. 56ff.
2
Vgl. Anhang A, Tabellen 9a, 9b, 9c.
93
Bevölkerung sei.1 Obzwar keine direkten Zahlenangaben über den Zusammenhang zwischen Armut und Geschlecht ermittelt wurden, enthält der Bericht eine Reihe von Hinweisen darauf, daß Frauen stärker von Armut betroffen sind als Männer. Als Anhaltspunkt wird beispielsweise die Tatsache angeführt, daß die weibliche Bevölkerung niedrigere Alphabetisierungsraten aufweist als die männliche; diese Erkenntnis wird auch durch den Weltentwicklungsbericht gestützt (vgl. Tabelle 3.11). Tabelle 3.11 Alphabetisierung nach Geschlecht 1976 -1996 - Anteile in Prozent -
Jahr
1976
1988
1996
Gesamtbevölkerung
n.v.
n.v.
17
weiblichen Bevölkerung
44
25
24
männlichen Bevölkerung
21
14
Analphabetenrate der...
Quellen: für 1976: Volkszählung 1976, zit. nach World Bank (1992d); für 1988: zit. nach World Bank (1990d); für 1996: World Bank (1996d).
10 ENPV
(1988),
Tabelle 3.11 deutet darauf hin, daß sich die Analphabetenrate für Männer und Frauen erheblich unterscheiden. Alle zur Verfügung stehenden Daten lassen darauf schließen, daß der Anteil der weiblichen Bevölkerung, die nicht über eine funktionale Lese- und Schreibfähigkeit verfügt, weitaus größer ist als der vergleichbare Anteil an der männlichen Bevölkerung. Im Zeitvergleich wird deutlich, daß offenbar zwischen 1976 und 1996 der Anteil der Analphabeten an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich abgenommen hat. Als weitere Anzeichen dafür, daß Frauen stärker als Männer von Armut betroffen waren, werden niedrigere Lohnsätze und geringere Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, eine auf kulturellen Normen basierende Diskriminierung der weiblichen Bevölkerung sowie eine große Zahl alleinerziehender Mütter als Folge der Krise des Bergbausektors genannt.2 Über diese Beobachtung hinaus stellen die Autoren des Poverty Report fest, daß der Zugang zu Krediten für Frauen offenbar stärker eingeschränkt war als für Männer: 1990 hatten 95% der bolivianischen Frauen keinen Zugang zu Krediten, verglichen mit 60% der Männer.3
1
Vgl. zum folgenden World Bank (1990d): S. 18.
2
Als spezielles Problem in den Bergbauregionen wurde angeführt, daß nach der Schließung der staatlichen Minengesellschaft COMIBOL bisherige Minenarbeiter sich selbständig machten und wegen der damit verbundenen räumlichen Verlagerung der Erzgewinnung ihre Familien verließen. Vgl. World Bank (1990d): S. 19.
3
Vgl. Webb (1990) zit. nach World Bank (1990d): S. 18
94
Die von den Autoren des Poverty Report vertretene These, daß die weibliche Bevölkerung weitaus stärker von Armut betroffen sei als die männliche, kann anhand der Mapa de la Pobreza nicht eindeutig bestätigt werden. Im Jahre 1992 waren 24,3% aller Haushaltsvorstände weiblich. Die Armutsquote der Haushalte mit weiblichem Vorstand lag mit 68,9% etwas niedriger als diejenige bei Haushalten mit männlicher Bevölkerung (70,1%). Während 4,9% der Haushalte mit weiblichem Vorstand als extrem arm eingestuft wurden, lag der vergleichbare Prozentsatz für Haushalte mit männlichem Vorstand bei 5,2%. Daraus könnte geschlossen werden, daß Armut für die weibliche Bevölkerung kein überproportional großes Problem darstellt. Dies scheint auch eine Analyse der Armutsgruppen nach ihrer Geschlechterverteilung zu bestätigen (vgl. Tabelle 3.12). Tabelle 3.12 Armutsgruppen nach Geschlecht 1992 - Anteile in Prozent -
Nicht-arme Arme Gesamtbevölkerung Bevölkerung Bevölkerung
Extrem arme Bevölkerung
Anteil Frauen
51,2
52,9
50,4
51,8
Anteil Männer
48,8
47,1
49,6
48,2
Gesamt
100
100
100
100
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
Aus Tabelle 3.12 wird sichtbar, daß der Anteil der Frauen an der nicht-armen Bevölkerung im Vergleich mit dem Anteil an der Gesamtbevölkerung leicht überdurchschnittlich ist. Im Gegensatz dazu liegt der Anteil Frauen an der armen Bevölkerung leicht unter dem Durchschnitt der Bevölkerung. Zwar ist der Anteil der weiblichen Bevölkerung an den extrem Armen wiederum leicht überproportional, aber diese Tatsache fällt aufgrund des geringen Bevölkerungsanteils der extrem Armen nicht sonderlich ins Gewicht.1 Letztlich deuten diese Ergebnisse nicht darauf hin, daß die weibliche Bevölkerung in Bolivien überdurchschnittlich von Armut betroffen ist. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß eine Diskriminierung bezüglich des Kreditzugangs, wie er beispielsweise von
WEBB
(1990) konstatiert wurde, als armutsre-
levantes Problem aufgefaßt werden kann, von dem die weibliche Bevölkerung in besonderem Maße betroffen ist. Dieses Charakteristikum wird jedoch durch die Untersuchungen der Mapa de la Pobreza nicht abgedeckt.
1
Der Anteil der extrem Armen an der Gesamtbevölkerung beträgt 4,9%. Vgl. Ministerio de Desarrollo Humano (1993): Tabelle 1.7.
95
Bei der Betrachtung der Altersstruktur der bolivianischen Bevölkerung fällt zunächst auf, daß die Einwohner des Landes im Durchschnitt relativ jung sind (vgl. Tabelle 3.13). Tabelle 3.13 Altersverteilung der armen Bevölkerung 1992 - Anteile in Prozent der Bevölkerung -
GesamtNicht- Arme Extrem bevölkerung Arme Arme Gesamt
100,0
100,0
100,0
100,0
Bevölkerung unter 16 Jahren
44,1
37,7
46,9
44,4
Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren
52,1
58,6
49,3
48,7
Bevölkerung über 65 Jahren
3,8
3,6
3,7
6,9
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
Tabelle 3.13 zeigt, daß der Anteil der Jugendlichen an der armen und, in geringerem Maße, auch der Anteil an der extrem armen Bevölkerung, überproportional hoch ist. Demgegenüber ist der Anteil der 16- bis 65jährigen Einwohner an der nicht-armen Bevölkerung relativ hoch. Er liegt in den armen Bevölkerungsgruppen deutlich niedriger. Der Anteil der Alten ist in der Gruppe der extrem Armen besonders hoch. Zwischen der Armut und der Größe der Familie wird in der Regel ein Zusammenhang vermutet: Die Haushalte mit den geringsten Einkommen sind tendenziell größer als Haushalte mit höheren Einkommen.1 Dieser Zusammenhang ist für Bolivien nicht ohne weiteres nachweisbar (vgl. Tabelle 3.14). Tabelle 3.14 Durchschnittliche Haushaltsgröße 1992 - Angaben in Personen je Haushalt -
GesamtNicht-arme Arme bevölkerung Bevölkerung Bevölkerung Zahl der Haushaltsmitglieder
4,37
4,27
4,43
Extrem arme Bevölkerung 4,14
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
Tabelle 3.14 gibt Auskunft darüber, daß zwar arme Haushalte in Bolivien im Durchschnitt eine größere Zahl von Mitgliedern aufweisen als nicht-arme. Jedoch haben extrem arme Haushalte eine geringere Mitgliederzahl als der Durchschnitt über die Vgl. World Bank (1990a): S. 30.
96
Gesamtbevölkerung. Dieses Teilergebnis entspricht nicht der eingangs formulierten Hypothese und kann nicht erklärt werden. Faßt man die Armutssituation in Bolivien zusammen, so ergibt sich folgendes Bild (Tabelle 3.15). Tabelle 3.15 Charakteristika der Armut in Bolivien Merkmal
Ausprägung
Regionale Verteilung
- Armut betrifft die Bewohner ländlicher Regionen relativ stärker als die Stadtbewohner. - Der Bevölkerungsanteil der Armen ist in entlegenen ländlichen Gebieten besonders hoch. - Die absolute Zahl der Armen ist im zentralen Hochland sowie in Santa Cruz besonders groß.
Wirtschaftliche - Arme sind in erster Linie in der Landwirtschaft tätig. - Der weitaus überwiegende Teil der Armen ist selbständig. Aktivität Ethnische Gruppen
- Indigene Einwohner sind häufiger von Armut betroffen als nicht-indigene.
Geschlecht
- Es bestehen Hinweise auf Diskriminierungen der weiblichen Bevölkerung. - Allerdings lassen sich keine gesicherten Anhaltspunkte dafür finden, daß Frauen überdurchschnittlich von Armut betroffen sind.
Alter
- Jugendliche und Alte sind überproportional von Armut betroffen.
Haushaltsgröße - Zwischen Haushaltsgröße und Armut läßt sich kein eindeutiger Zusammenhang feststellen. Quelle: eigene Darstellung.
In Tabelle 3.15 sind die wichtigsten Ergebnisse der Armutsanalyse zusammengefaßt. Im folgenden Abschnitt werden nun Erklärungsansätze für das hohe Ausmaß und die hier erarbeiteten Strukturmerkmale der Armut dargestellt.
3.3.4. Ursachen der Armut In den vorangegangenen Abschnitten wurde deutlich, daß der überwiegende Teil der Bevölkerung Boliviens nicht in der Lage ist, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. In diesem Abschnitt werden mögliche Ursachen dieser Situation diskutiert. Als wichtigste Ursachen werden die Verteilung der Einkommen und Vermögen, die Wirtschaftsentwicklung zwischen 1956 und 1990, die Humankapitalausstattung,
97
jeweils besondere strukturelle Hemmnisse für die städtische und die ländliche Produktion sowie die Diskriminierung der indigenen Einwohner diskutiert. Zwar existieren keine konsistenten Daten über die Verteilung der Einkommen und Vermögen in Bolivien, jedoch gibt es Anhaltspunkte für eine traditionell sehr ungleiche Verteilungssituation. Mißt man Armut anhand der Ressourcendefinition, so ist allein eine sehr ungleiche Vermögenverteilung eine potentielle Ursache für absolute Armut. Mißt man Armut hingegen - wie im vorliegenden Fall - anhand der Grundbedürfnissituation, so kann auch eine sehr ungleiche Einkommensverteilung als Armutsursache angesehen werden, weil in diesem Falle ein sehr niedriges Einkommen dazu führen kann, daß der betrachtete Haushalt seine Grundbedürfnisse nicht angemessen befriedigen kann.1 Vor der bolivianischen Revolution waren Landwirtschaft und Minenindustrie die wichtigsten Wirtschaftssektoren. Innerhalb dieser beiden Sektoren war eine sehr hohe Einkommenskonzentration zu beobachten.2 Obschon im Zuge der Agrarreformen die Vermögenskonzentration in der Landwirtschaft gemindert wurde, deuten die zur Verfügung stehenden Daten darauf hin, daß die Einkommen in den meisten anderen Sektoren sehr ungleich verteilt sind. Wie aus der folgenden Tabelle 3.16 hervorgeht, war die Einkommenskonzentration 1981 in den Sektoren Banken, Transport und Kommunikation, Staat und Bergbau bzw. Erdölförderung besonders hoch, wohingegen sich die Einkommen in den Sektoren Handel und Landwirtschaft auf eine große Personenzahl verteilten.3 Zur Verteilung der städtischen Einkommen und ihre Entwicklung zwischen 1982 und 1988 bemerkt die WELTBANK, daß sich die Einkommensverteilung zwischen 1982 und 1985 offenbar zugunsten der ärmsten 50% änderte: Ihr Anteil stieg von 18% auf 22% der städtischen Einkommen. Gleichzeitig verdoppelte sich der Einkommensanteil der reichsten 5%. Zwischen 1985 und 1988 veränderte sich der Anteil der ärmsten 50% nicht nennenswert; die ärmsten 30% hingegen gewannen leicht dazu, wohingegen die reichsten 5% - die durch die Hyperinflation im Vergleich mit den übrigen
Einkommensgruppen
hinzugewonnen
hatten
-
leichte
Einbußen
ihres
1
Betrachtet man Einkommensarmut, so ist eine sehr ungleiche Verteilungssituation keine Ursache, sondern der Ausdruck von Armut.
2
Die Minenindustrie wurde von drei Familien (Patiño, Hochschild und Aramayo) beherrscht, die offenbar zeitweise aus ihrem persönlichen Vermögen nennenswerte Beträge z u m Ausgleich der Staatsverschuldung bereitstellten. Vgl. Lopez (1940): 355ff. Die hohe Vermögenskonzentration in der Landwirtschaft wird daraus deutlich, d a ß 1950 Kleinbetriebe mit einer Anbaufläche von bis zu 100 ha. 8 6 % der Betriebe ausmachten, jedoch nur 1,6% der landwirtschaftlich genutzten Flächen Boliviens bebauten. Demgegenüber bewirtschafteten Latifundien mit mehr als 1.000 ha Anbaufläche insgesamt 9 2 % des gesamten Ackerlands. Vgl. Eckstein (1976), zit. nach Nohlen; Mayorga (1992): S. 199.
3
Die Tabelle ist so zu verstehen, daß bei einer Gleichverteilung der Bevölkerungsanteil in den einzelnen Sektoren den Einkommensperzentilen entsprechen würde.
98
Einkommensanteils hinnehmen mußten. Zusammenfassend stellen die Autoren fest, daß sich die Einkommensverteilung in den Städten zwischen 1982 und 1985 nur sehr geringfügig geändert hat und diese geringen Veränderungen in erster Linie der armen Bevölkerung und der Mittelklasse zugute kamen.1 Tabelle 3.16 Einkommensperzentile nach Sektoren 1981 - Angaben in Prozent -
Sektor
Niedrigste 40% Mittlere 40% Höchste 20% der Einkommen der Einkommen der Einkommen
Landwirtschaft
59
38
3
Bergbau/Erdöl
6
20
74
Industrie
25
51
24
Baugewerbe
15
37
48
Handel
9
81
10
Transport/ Kommunikation
0
3
97
Banken
0
0
100
Öffentlicher Dienst
0
3
97
Quelle: Minkner (1981), zit. nach Nohlen; Mayorga (1992): S. 205.
Die zweite wichtige Ursache für Armut in Bolivien ist in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zwischen 1952 und 1990 zu sehen. Dabei müssen jedoch die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik zwischen 1952 und 1986 und die Folgen der Reformmaßnahmen zwischen 1985 und 1990 getrennt betrachtet werden. Zwischen 1952 und 1985 war die bolivianische Wirtschaft durch direkte staatliche Beteiligungen an Unternehmen bis hin zur Verstaatlichung sowie durch Investitionsund Außenwirtschaftsbestimmungen weitgehend staatlich reguliert.2 Zudem traten zwei Hochinflationsphasen (1954-56 und 1982-85) auf. Auf den Zusammenhang zwischen Inflation und Armut wurde bereits an anderer Stelle eingegangen.3 Im Vergleich damit sind die Wirkungen von Regulierungen für die Armen weniger eindeutig." Die Regulierung der bolivianischen Wirtschaft zwischen 1952 und 1986 1
Vgl. World Bank (1990d):S.9f.
2
Vgl. Krempin (1989): S. 7.
3
Vgl. Abschnitt 3.2.3.
4
Durch Regulierungen wird der struktureller Wandel behindert. Dies kann sich zeitweise positiv auf die Armen auswirken, wenn durch die Regulierung eine Reduktion der Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften in Sektoren, in denen viele Arme beschäftigt sind, verzögert wird. Langfristig wird durch Regulierung jedoch tendenziell der Aufbau wettbewerbsfähiger Wirtschaftszweige behindert mit der Folge, daß weniger neue Arbeitsplätze entstehen. Zudem entstehen den Individuen und dem Staat Regulierungskosten: Für Individuen steigen tendenziell die Preise der regulierten Güter, für den Staat sind Regulierungen mit - bürokratischen - Kontrollerfordernissen
99
ist insoweit als Armutsursache zu betrachten, als dadurch die verfügbaren Einkommen der Einwohner Boliviens gesenkt wurden und dadurch Teile der Bevölkerung unter die Armutsgrenze fielen. Außerdem kann argumentiert werden, daß verzögerte Strukturreformen stärkere rezessive Wirkungen nach sich ziehen. Insofern, als die Regulierung der Auslöser der Strukturanpassung war, wurden dadurch möglicherweise die Folgen der Reformmaßnahmen für die Armen verstärkt. Eine klare Trennung nach Ursache und Wirkung erscheint in dieser Frage jedoch nicht möglich. Deshalb beschränkt sich die Darstellung auf die unmittelbaren Folgen der Reformmaßnahmen für die Armen. Die wichtigste unmittelbare Folge der wirtschaftlichen Reformmaßnahmen war die Entlassung von Staatsbediensteten.1 Wenn auch die Bediensteten selbst nicht zu den Armen zählten, ging mit den Anpassungsmaßnahmen eine Ausweitung des Arbeitsangebots in unterschiedlichen Segmenten des Arbeitsmarktes einher. Insofern rührten von der Reform des öffentlichen Sektors Verdrängungseffekte auf den formellen Arbeitmärkten her. Armutsrelevant wurde die Reform des staatlichen Sektors dadurch, daß die Entlassenen die Stellen anderer Arbeitnehmer einnahmen, Arbeitnehmer an der Armutsgrenze Lohneinbußen hinnehmen mußten und dadurch arm wurden. Der Verdrängungseffekt im formellen Arbeitsmarkt konnte offenbar teilweise durch Tätigkeiten im informellen Sektor kompensiert werden.2 Mit der Erholung der Einkünfte zwischen 1986 und 1988 ging nämlich ein beschleunigtes Wachstum des informellen Sektors einher. Der Anteil der informell Beschäftigten an den Erwerbspersonen stieg von 1980 bis 1988 von 54% auf 64%. Im Bergbausektor, der von der Reform des staatlichen Sektors und insbesondere der Schließung unrentabler Minen überproportional betroffen war, wuchs die Zahl der informell Beschäftigten überdurchschnittlich. Hier stieg der Anteil der informell Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung zwischen 1980 und 1986 von 16% auf 20% an. Die Wirtschaftsreformen sind also insofern eine Armutsursache, als damit Verdrängungseffekte auf den formellen Arbeitsmärkten und Einkommenssenkungen in bisher regulierten Bereichen verbunden waren. Da die Reformmaßnahmen jedoch eine Voraussetzung für Wirtschaftswachstum sind und das Wirtschaftswachstum wiederum zur Bekämpfung der Armut beiträgt, sind diese Folgen der Reformmaßnahmen als unerläßliches Übel zu verstehen und hinzunehmen. verbunden. ' Vgl. Anhang A, Tabelle 2. 2
Vgl. World Bank (1990d): S. 8.
100
Eine weitere Ursache der Armut sind strukturelle Hemmnisse, die zur Stagnation der Einkommen führten. Dazu zählen die geringe Humankapitalausstattung der bolivianischen Bevölkerung sowie besondere Faktoren, die die städtische und die ländliche Produktion beeinträchtigen. Auf die geringe Ausstattung der bolivianischen Bevölkerung mit Humankapital wurde bereits an anderer Stelle implizit hingewiesen.1 Eine eingehende Betrachtung macht die Defizite in der Humankapitalausstattung noch deutlicher. Bei der Betrachtung der Bildungsindikatoren fällt auf, daß ein Großteil der bolivianischen Bevölkerung über ein niedriges bis sehr niedriges Bildungsniveau verfügt (vgl. Tabelle 3.17). Tabelle 3.17 Bildungssituation der bolivianischen Bevölkerung 1992 - Anteile in Prozent -
Ohne Schul- Grundschul- Mittelschul- Weiterführende Keine bildung besuch besuch11 Ausbildung2* Angabe Gesamtbevölkerung
14,5
37,8
32,8
9,1
1)
Darunter wurden die Schulstufen "Intermedio" und "Medio" zusammengefaßt.
21
Darunter fallen Hochschulausbildung, spezielle technische Ausbildungsgänge u.a.
5,8
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993): Tabelle 1.9; eig. Berechnungen.
Aus der Tabelle geht hervor, daß mehr als die Hälfte der Einwohner Boliviens nicht die Mittelschule besucht und nur 9% eine weiterführende Ausbildungsinrichtung absolviert haben. Daraus ist zu ersehen, daß die Einwohner Boliviens im Durchschnitt einen niedrigen Bildungsstand aufweisen. Dabei ist das Bildungsniveau der Landbevölkerung deutlich niedriger als das der Stadtbevölkerung.2 Zwischen dem Bildungsbzw. Ausbildungsniveau und Armut wird ein Zusammenhang vermutet: Ländervergleiche zeigen, daß Länder mit einem niedrigen Bildungsniveau tendenziell ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen aufweisen als Länder mit hohem Bildungsniveau.3 Es ist zu vermuten, daß auf Haushaltsebene ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Armut existiert. Anhand der vorliegenden Daten kann dieser Zusammenhang für Bolivien nicht analysiert werden." ' Vgl. Tabelle 3.11. 2
Vgl. Anhang A, TabellelO.
3
Vgl. bspw. World Bank (1990a): S. 32f.; Asian Development Bank (1994): S. 30f.
4
Wie in Abschnitt 2.2.4.2 gezeigt wurde, geht Bildung als Determinante der Armut in den Grundbedürfnisindikator Armutstiefe (R) ein. Somit besteht zwischen diesem Indikator und der Armut eine starke Autokorrelation.
101
Neben dem geschilderten unzureichenden Bildungsstand weist auch die Gesundheitsversorgung der bolivianischen Bevölkerung Defizite auf (vgl. Tabelle 3.18). Tabelle 3.18 Gesundheitssituation der bolivianischen Bevölkerung 1997 Bolivien
Durchschnitt der Länder mit mittlerem Einkommen
Kindersterblichkeit11 (1994)
71
46
Kein Zugang zu Gesundheitsdiensten21 (1990-95)
33
13
Kein Zugang zu sauberem Trinkwasser3' (1990-95)
34
31
Unterernährung bei Kindern4'(1989-95)
13
n.v.
I n d i k a t o r (in Klammem: Beobachtungszeitraum)
1)
Kinder unter fünf Jahren; Todesfälle je 1.000 Lebendgeburten. Vgl. UNDP(1997): S. 166.
21
Prozentsatz der Bevölkerung, die geeignete Gesundheitseinrichtungen innerhalb einer Stunde zu Fuß oder mit lokalen Beförderungsmitteln nicht erreichen kann. Vgl. UNDP (1997): S. 54.
3)
Prozentsatz der Bevölkerung, der ohne besondere Anstrengung keinen Zugang zu behandeltem oder unbehandeltem, aber nicht kontaminiertem Wasser hat. Vgl. UNDP (1997): S. 54.
4)
In Prozent der Kinder unter fünf Jahren. Vgl. World Bank (1997): S. 224.
Q u e l l e n : UNDP ( 1 9 9 7 ) ; W o r l d Bank ( 1 9 9 7 ) .
Aus Tabelle 3.18 ist zu ersehen, daß die Gesundheitsindikatoren der bolivianischen Bevölkerung unter dem Durchschnitt der Ländergruppe mit mittlerem Einkommen liegen. Das läßt darauf schließen, daß auch die Gesundheitsversorgung in Bolivien sehr unzureichend ist. Sowohl die Bildungsindikatoren als auch die Gesundheitsindikatoren deuten auf eine vergleichsweise geringe Qualität des Humankapitals der bolivianischen Bevölkerung hin. Diese geringe Humankapitalaustattung ist insofern eine Ursache für Armut, als dadurch die Möglichkeiten für wirtschaftliche Aktivität dauerhaft - beispielsweise durch einen niedrigen Bildungsstand - oder vorübergehend z.B. durch verzögerte Behandlung von Krankheiten - reduziert werden. Während die Qualität des Humankapitals sowohl für die Stadtbewohner als auch für die Landbevölkerung in Bolivien eine strukturelle Ursache für Armut sein kann, existieren besondere regionalspezifische Faktoren, die jeweils in den Städten oder in den ländlichen Regionen eine Zunahme der Einkommen beschränken. Wie bereits erwähnt wurde, ist Armut in den Städten ein geringeres Problem als auf dem Land. 1 Als zentrales strukturelles Problem der armen Stadtbewohner erkennt
LARRAZABAL
die mangelhafte Kapitalausstattung städtischer Betriebe. Die
' Vgl. beispielsweise Tabelle 3.2.
102
Einkommen in den Städten entstehen zumeist aus der Beschäftigung in Klein- und Kleinstunternehmen. Selbst bei erfolgreicher Betätigung am Markt kann die Produktion häufig nicht gesteigert werden, da nicht in ausreichendem Maße Investitionen getätigt werden können.1 Städtische Armut kann jedoch in erster Linie als transitorisches Problem angesehen werden, das aus der Landflucht armer Landbewohner resultiert. Diese These wird unter anderem dadurch gestützt, daß etwa 60 % derjenigen Einwohner Boliviens, die 1992 in den Städten lebten, vor 1980 noch nicht zur Stadtbevölkerung zählten. Offenbar migrierten in diesem Zeitraum vor allem jüngere und relativ gut ausgebildete arme Landbewohner in die Städte.2 Ein zweiter Anhaltspunkt für die These, daß Armut in den Städten in erster Linie durch Migration entsteht, ist die Tatsache, daß sich die arme Bevölkerung in den Städten in Randregionen konzentriert. Diese Randregionen sind sind das bevorzugte Zuzugsgebiet für die arbeitssuchende Landbevölkerung. Besonders augenfällig ist diese Situation in El Alto, wo sich neue Stadtviertel wie Ringe einer Zwiebel um mehrere kleinere Zentren legen. Während die Bevölkerung in den äußersten Randregionen auf ummauerten Arealen teilweise in Zelten oder in Bretterbuden haust, nehmen Qualität und Größe der Häuser zum Kern hin stetig zu. Die Armut der Bevölkerung in den Urbanen Randregionen drückt sich vor allem darin aus, daß die neu entstandenen Wohngebiete nur mit erheblicher mehrjähriger Verzögerung an die städtische Infrastruktur angeschlossen werden und dadurch das Angebot grundlegender Güter und Dienstleistungen zeitweise zu gering ist. Insofern ist die mangelhafte Befähigung der Stadtbevölkerung zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse auch auf temporale Defizite der städtischen Institutionen zurückzuführen. Im Gegensatz zur Situation in den Städten, wo Armut in erster Linie ein transitorisches Problem darstellt, hat ländliche Armut eher dauerhaften Charakter, weil sie strukturell bedingt ist. Die wichtigste Ursache der Armut der ländlichen Bevölkerung ist offenbar die geringe Produktivität der Minifundien.3 Die Folgen der Inflation waren hingegen aufgrund des hohen Anteils der
Subsistenzproduktion
1
Vgl. Larrazabal (1990): S. 15.
2
Über das Ausmaß der Migration liegen keine gesicherten Daten vor. Zwischen 1980 und 1990 wuchs jedoch die Zahl der Einwohner Boliviens mit einer Jahresrate von 2,0% und zwischen 1990 und 1994 um jährlich 2,4%. Die Zahl der Stadtbewohner nahm im Zeitraum von 1980-90 um 4,2% und 1990-94 um jährlich 3,2% zu [Vgl. World Bank (1996d): S. 238], Zudem ist der Bevölkerungsanteil der 15-65jährigen in den Städten deutlich höher als auf dem Land [Vgl Ministerio de Desarollo Humano (1993): Tabellen 1.9, 1.10 und 1.11], Daraus folgt, daß das Wachstum der Städte nicht allein auf eine höhere Geburtenrate der Stadtbevölkerung zurückgeführt werden kann, sondern daß auch eine erhebliche Landflucht stattgefunden hat.
3
Vgl. den hohen Anteil der Selbständigen im Agrarsektor an den extrem Armen in Tabelle 3.9.
103
wahrscheinlich für die ländliche Bevölkerung weniger spürbar als für Stadtbewohner, weil davon nur die Preise von Gütern betroffen waren, die aus den Städten importiert wurden.1 Bezüglich der Einkommen der Landbevölkerung zeigen Schätzungen des INE, daß die Wertschöpfung in der Landwirtschaft im Zeitraum zwischen 1980 und 1987 mit einer durchschnittlichen Jahresrate von real 3,7% stieg.2 Allerdings kam dieser Anstieg den Armen offenbar nicht zugute. Darauf deutet die Tatsache hin, daß die landwirtschaftliche Wertschöpfung nahezu ausschließlich auf Produktionssteigerungen der landwirtschaftlichen Exportindustrie zurückzuführen ist: Zwischen 1985 und 1990 stieg der Wert landwirtschaftlicher Exportprodukte um durchschnittlich 38,5% pro Jahr.3 Exportfähige Produkte zeichnen sich durch besondere Qualitätsanforderungen aus, die den Einsatz kapitalintensiver Technologien bedingen. Daher eignen sich die Produkte der Armen in der Regel nicht für den Export. Mit der gestiegenen Exportproduktion ging somit in erster Linie eine stärkere Konzentration der ländlichen Einkommen und nur ein sehr beschränkter Rückgang der ländlichen Armut einher. Die These, daß die Armen von dem Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion nur wenig profitierten, wird auch dadurch gestützt, daß eine zweijährige Dürreperiode im Hochland und gleichzeitige Überschwemmungen von Tieflandregionen in den Jahren 1982 und 1983 zu einem absoluten Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion führten.4 Zudem ist zu davon auszugehen, daß sich nicht-arme Bauern in den Tieflandregionen am ehesten, z.B. durch den Bau von Dämmen, gegen Überschwemmungen absichern konnten. Obwohl keine Angaben darüber vorliegen, ist somit dennoch wahrscheinlich, daß von negativen klimatischen Bedingungen die arme Bevölkerung tendenziell stärker betroffen ist. Auch wenn von der klimatischen Situation abgesehen wird, ist das Produktionsvolumen der armen Bevölkerung in vielfältiger Weise limitiert; wichtige und z.T. miteinander
verbundene
limitierende
Faktoren
sind
kleine
Anbauflächen,
geringe
1
Vgl. den relativ hohen Anteil der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Familienbetrieb In Tabelle 3.9.
2
Nach einer Schätzung von INE stieg die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zwischen 1980 und 1987 um 28,6%. Zugrundegelegt wurden Daten über die Entwicklung des landwirtschaftlichen Produktionswerts In Bolivianos zu Preisen von 1980. Vgl. World Bank (1990d): S. 10.
3
1985 exportierte Bolivien landwirtschaftliche Produkte im Wert von US$ 29,1 Mio.; dieser Wert bel i e f s i c h 1 9 9 0 a u f U S $ 2 0 5 , 4 M i o . V g l . FAO ( 1 9 9 0 ) : S . 3 4 5 .
4
Eine Studie der UNICEF schätzte das Ausmaß der betroffenen Flächen auf ca. 33% der gesamten kultivierten Flächen; 27% der Bevölkerung erlitten massive Einkommensverluste. Die Verluste wurden insgesamt mit US$ 466 Mio. beziffert. Vgl. Morales (1984): S. 31. Im Hochland herrscht kleinbäuerliche Subsistenzproduktion vor. Weil dort seit 1982 der Grundwasserspiegel gesunken ist, erreichen die durchschnittlichen Hektarerträge offenbar nicht mehr die frühere Höhe. Rocha (1994): Persönliches Interview.
104
Kapitalausstattung, geringe Verfügbarkeit von staatlichen Komplementärleistungen und unzureichende Vermarktungsstrukturen. Erstens verfügt der Großteil der Armen nur über kleine Anbauflächen,1 die häufig in Familienarbeit mit traditionellen Technologien bewirtschaftet werden. Zweitens steht den Armen zur Steigerung der landwirtschaftlichen Einkommen nur in geringem Maße Kapital zur Verfügung. Die Einführung neuer Technologien ist verglichen mit der traditionellen Wirtschaftsweise relativ human- und sachkapitalintensiv. Wie der niedrige Bildungsstand der ländlichen Bevölkerung zeigt, steht nur geringes Humankapital zur Verfügung. Auch die Verfügbarkeit von Sachkapital ist aufgrund der geringen Einkommen nur sehr begrenzt gegeben. Das Problem wird dadurch verschärft, daß die Versorgung der ländlichen Regionen mit Krediten nicht zuletzt seit der Auflösung des Banco Agricola de facto nicht mehr gegeben ist. Eine Alternative in Form der Departamentalbanken befindet sich derzeit erst im Aufbau.2 Abgesehen von der Kapitalausstattung erweist sich auch das Bodenrechtssystem oftmals als Hindernis für Investitionen in die Landwirtschaft im Hochland.3 Das Hauptproblem besteht darin, daß das traditionelle Landrecht der Hochlandbewohner Boden als Allmendegut auffaßt und ein Teil der indigenen Bewohner die im Zuge der Bodenrechtsreform 1952 vergebenen Besitztitel nicht anerkennt. Darüber hinaus werden Produktion und Vermarktung in ländlichen Gebieten auch durch eine mangelnde öffentliche Infrastruktur behindert. Hier erwachsen die gravierendsten
Probleme
aus
dem
Straßennetz,
der
Stromversorgung
und
dem
Telefonnetz. Das ländliche Straßennetz ist völlig unzureichend entwickelt.4 Der weitaus überwiegende Teil der regionalen und lokalen Verkehrswege besteht aus unbefestigten Pisten, die während der Regenzeit nicht passierbar sind. Wegen dieser Probleme wird der Warentransport erheblich beeinträchtigt. Daraus resultieren relativ hohe Transportkosten für ländliche Produkte,5 die die Belieferung überregionaler Märkte verhindern können. Das Problem wird dadurch verschärft, daß in ländlichen Regionen
'
ECKSTEIN stellt dar, daß auch nach der Agrarreform 15% der landwirtschaftlichen Betriebe eine Anbaufläche von 5 ha. und weniger bewirtschafteten; die durchschnittliche Anbaufläche betrug in dies e m Segment 1,4 ha. Vgl. Eckstein (1976), zit. nach Nohlen; Mayorga (1992): S. 199.
2
Vgl. H a n n i g e t al. (1993): S. 2 8 f.
3
Vgl. World Bank (1990c): S. 5.
4
Das Straßennetz umfaßte 1984 insgesamt 40.987 km Überlandstraßen, von denen nur 1.538 km geteert waren. Neuere Daten sind nicht verfügbar. Vgl. Statistisches Bundesamt (1991): S. 7 6
5
Für Entfernungen von 50 km können Transportkosten für ländliche Produkte von bis zu 12 % des Absatzpreises entstehen. Vgl. Lüttke; Witt (1995): S. 52ff.
105
offenbar nur geringe Kapazitäten zur Weiterverarbeitung der lokalen Produkte existieren. Dadurch sind die Absatzmöglichkeiten lokal eng begrenzt.1 Neben dem Verkehrswesen sind auch Strom- und Telefonnetze sowie die Wasserversorgung Voraussetzungen für die Herstellung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Die geringe Verfügbarkeit der entsprechenden Infrastruktur in ländlichen Gebieten hat zwei Gründe. Zum einen wurden von staatlichen Einrichtungen in der Vergangenheit am Bedarf der ländlichen Bevölkerung gemessen nur geringe Investitionen in die ländliche Infrastruktur vorgenommen. Diese geringen Investitionen gingen zwischen 1980 und 1985 nochmals zurück.2 Zweitens ist das schlechte ländliche Straßennetz eine Ursache für die unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit anderen Infrastrukturleistungen, weil die verkehrsmäßige Erschließung einer Region offenbar eine wichtige Voraussetzung für Investitionen in andere Infrastrukturbereiche und für die Bereitstellung sozialer Dienste darstellt.3 Darüber hinaus wird die Vermarktung tendenziell auch durch traditionelle Tauschgewohnheiten und die hohe Dollarisierung behindert. Ein nicht unerheblicher Teil der Transaktionen auf lokalen und regionalen Märkten wird im Wege von Naturaltausch vorgenommen. Diese traditionelle Wirtschaftsweise ist ein Hemmnis für die Steigerung des Handelsvolumens und behindert die Einführung neuer Produkte auf den ländlichen Märkten. Zudem ist seit der Hochinflationsphase der US-Dollar in einigen Regionen das einzige akzeptierte Zahlungsmittel. Diese "Dollarisierung" steigert die Vermarktungskosten, weil Wirtschaftssubjekte gezwungen sind, für unterschiedliche Märkte unterschiedliche Währungen vorzuhalten.4 Es zeigt sich, daß in Bolivien eine Vielzahl struktureller Hemmnisse existieren, die eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion behindern. Diese Hindernisse sind insofern als Ursache der Armut zu betrachten, als die arme Bevölkerung aufgrund dieser Hindernisse nicht in der Lage ist, sich aus eigener Anstrengung aus der Armut zu befreien. Über die direkten Produktionshemmnisse hinaus ist auch eine Benachteiligung der indigenen Bevölkerung eine mögliche Ursache von Armut in Bolivien. Auf einen derartigen Zusammenhang deutet die enge Verknüpfung zwischen Sprachbeherrschung und Armut.5 Allerdings ist nicht zu klären, ob diese Benachteiligung auf eine bewußte Diskriminierung der indigenen Bevölkerung durch staatliche Einrichtungen 1
Rocha (1994): Persönliches Interview.
2
Vgl. World Bank (1990d): S. 35.
3
Vgl. Lüttke; Witt (1995): S. 55.
4
Rocha (1994): Persönliches Interview.
5
Vgl. Tabelle 3.10.
106
zurückgeht oder ob nicht vielmehr die Behörden nicht in der Lage sind, die Bedürfnisse der indigenen Einwohner zu erfassen. Abschließend sind die zentralen Ursachen für die Armut der bolivianischen Bevölkerung in Abbildung 3.2 noch einmal zusammengefaßt. Abbildung 3.2 Ursachen der Armut in Bolivien Ursachen für Armut in Bolivien -Wirtschaftsentwicklung 1952-1986 -Wirtschaftsreformen 1985-1990 - Humankapitalausstattung der Bevölkerung - Enkommenskonzentration Besondere Ursachen für stadtische Armut - Inflation - Institutionelle Probleme - geringe Kapitalausstattung der Kleinbetriebe
Besondere Ursachen für ländliche Armut - geringe landwirtschaftliche Produktivität - Kleine Anbauflächen - Geringe Ausstattung mit Sach- und Humankapital - Fehlende Komplementärfaktoren (Strom, Wasser) - Kein Zugang zu sozialen Dienstleistungen - Vermarktungsprobleme - Straßennetz - Telefonanschluß
Quelle: eigene Zusammenstellung.
Über die in Abbildung 3.2 dargestellten zentralen Auslöser der Armut hinaus muß im folgenden analysiert werden, inwieweit die sozialpolitischen Institutionen armutsgerecht ausgestaltet sind. Diese Institutionen sind zwar keine Ursache für die Verarmung der Bevölkerung, beeinflussen jedoch die Persistenz der Armut. Es ist zu fragen, ob die sozialpolitischen Institutionen so konzipiert sind, daß sie zur Linderung und Bekämpfung der Armut beitragen können. Dieser Frage geht der folgende Abschnitt nach.
3.4. Traditionelle Institutionen und neue Ansätze zur Armutsbekämpfung in Bolivien vor der Gründung des Fondo de Inversión Social (Fis)
3.4.1. Traditionelle Institutionen der Sozialpolitik und ihre Schwächen Wie bereits erwähnt, wurde nach der bolivianischen Revolution versäumt, eine kohärente armutsorientierte Sozialpolitik zu entwickeln. Zwar wurde eine ganze Reihe
107
sozialpolitischer Maßnahmen in den Bereichen der Gesundheitspolitik, der Sozialen Sicherung und der Bildungspolitik ergriffen, die zur Linderung der Folgen der Armut hätten beitragen können. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wurde jedoch durch die Schwäche der staatlichen Institutionen behindert. Dadurch stand eine ganze Reihe von Einrichtungen den Armen nicht offen, sondern es profitierten in erster Linie gut organisierte nicht-arme Bevölkerungsgruppen. Kennzeichnend für die institutionelle Ausgestaltung der Sozialpolitik in Bolivien war, daß bis 1993 kein eigenes Ministerium für Sozialpolitik existierte. Die sozialpolitischen Maßnahmen lagen in der Verantwortung des Ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung, des Bildungsministeriums, des Arbeitsministeriums und des Ministeriums für Sozialen Wohnungsbau. Die beiden letztgenannten Bereiche sind für die spätere Untersuchung des Fis nicht von Bedeutung; deshalb konzentriert sich die Darstellung auf die Institutionen der Gesundheits- und der Bildungspolitik. Die Bereitstellung einer grundlegenden Gesundheitsversorgung ist ein elementares sozialpolitisches Instrument zur Bekämpfung der Armut. Zwar war es ein Ziel der bolivianischen Revolution gewesen, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdiensten sicherzustellen. Diesem wurde in den 60er und 70er Jahren jedoch keine Beachtung mehr geschenkt. Das zeigt sich daran, daß während dieser Zeit der größte Teil der Investitionen in das Gesundheitswesen in die Errichtung und Ausstattung städtischer Krankenhäuser und Spezialkliniken floß, zu denen die Armen keinen Zugang besaßen.1 Zwischen 1987 und 1991 wurden die Prioritäten zwar zugunsten der Grundversorgung verändert, die Unterhaltung der Kliniken absorbierte jedoch weiterhin einen großen Teil des Budgets des staatlichen Gesundheitswesens.2 Zudem gingen die Gesundheitsausgaben im Zuge des Reformprogramms überproportional zurück (vgl. Tabelle 3.19). Tabelle 3.19 Staatliche Gesundheitsausgaben 1979 -1989 Anteil in Prozent der öffentlichen Ausgaben -
Jahr Gesundheitsausgaben
1979
1980
1985
1989
8,6
12,1
1,5
6,6
Quelle: Miranda (1994).
Der in der Tabelle dargestellte Rückgang der Gesundheitsausgaben bedeutete im Verein mit steigenden Kapitalkosten und weitgehend unveränderbaren Ausgaben für ' Vgl. World Bank (1992c): S. 90. 2
Außerdem stieg der Anteil der Kapitalkosten an den Gesamtausgaben des Gesundheitsministeriums von US$ 7,0 Mio. (1987) auf US$ 14,0 Mio. (1991). Vgl. World Bank (1992c): S. 89.
108
die Erhaltung bestehender Einrichtungen, daß für armutsorientierte Gesundheitsmaßnahmen nur ein sehr geringer Betrag aus dem Staatshaushalt zur Verfügung stand. Für den Zeitraum zwischen
1987
und
1991
gibt
W O R L D BANK ( 1 9 9 2 C )
an, daß
die staatlichen Ausgaben durchschnittlich 56% der gesamten Gesundheitsausgaben ausmachten; 24% wurden aus privaten bolivianischen Quellen - insbesondere durch die Erhebung von Nutzergebühren - und 21% durch externe Geber bereitgestellt.1 Die wichtigste staatliche Institution auf dem Gebiet des Gesundheitswesens war das Ministerio de Previsión Social y Salud Público
(MPSSP).
Zuständig für die Belange der
Armen waren die Staatssekretariate für Salud Público und Seguridad Social. Das Staatssekretariat für Öffentliche Gesundheitsversorgung war für die Bereitstellung einer Basisgesundheitsversorgung zuständig. Zu diesem Zweck war Bolivien in elf Bezirke eingeteilt, in denen jeweils eine Unidad Sanitaria tätig war. Insgesamt wurden im Jahre 1990 etwa 30% der Bevölkerung durch das staatliche Gesundheitssystem versorgt.2 Das System wies erhebliche Versorgungslücken für die ländliche Bevölkerung auf.3 Aus diesem Grund verfügte die Regierung Paz Zamora eine weitergehende Regionalisierung des Gesundheitswesens durch die Einrichtung kleinerer regionaler und sektoraler Einheiten für ländliche Gebiete. Die Regionalisierung hat den Zweck, den bereits bestehenden Gesundheitsdistrikten, die unterhalb der Gesundheitsbezirke angesiedelt sind, eindeutige Kompetenzen zuzuweisen. Die angestrebte Struktur für das ländliche Gesundheitswesen ist in Abbildung 3.3 dargestellt. Die Unidades Sanitarias wurden aufgeteilt, so daß nunmehr jeder Distrikt über ein eigenständiges Sistema Local de Organisación de Salud
(SILOS)
verfügt. Die Ge-
sundheitseinheiten sind für die Versorgung der 93 Gesundheitsdistrikte, d.h. für die Betreuung der bestehenden Einrichtungen und die Förderung neuer Gesundheitsprojekte, zuständig. Die lokalen Einrichtungen werden je nach ihrer Reichweite in Distrikthospitale, Gesundheitszentren ("Centros de Salud de àrea") und Gesundheitsposten ("Centros de Salud de sector") eingeteilt. Die unterste Ebene umfaßte 1992 insgesamt 451 Gesundheitsposten." 1
Zu Beginn der 80er Jahre hatte der Anteil der staatlichen Ausgaben an den Gesundheitsausgaben 92% betragen, Nutzergebühren hatten 6% beigetragen und externe Geber 2%. Vgl. World Bank (1992c): S. 91.
2
Weitere 20% wurden durch nicht-staatliche Gesundheitsdienste versorgt, die z.T. durch das Gesundheitsministerium reguliert sind. Vgl. World Bank (1990d): S. 60.
3
Es liegen keine disaggregierten Daten über den Deckungsgrad des Gesundheitssystems, getrennt nach staatlichen und nicht-staatlichen Anbietern sowie nach städtischen und ländlichen Regionen vor. Der gesamte Gesundheitssektor deckt jedoch 77% der Stadtbevölkerung und 52% der ländlic h e n B e v ö l k e r u n g . Vgl. UNDP ( 1 9 9 5 ) : S. 166.
4
Vgl. Presidencia de la República (1992): S. 12; World Bank (1990d): S. 60.
109
Abbildung 3.3 Das Gesundheitssystem nach der Regionalisierung 1993 (Distrito Sanitario) ( i h i d a d Sanitaria)
(HD [steter] [steter]
[acter]
[steter]
[sacter]
[sectcr]
Quelle: Fondo de Inversión Social (1992b).
Das Staatssekretariat für Soziale Sicherung hatte die Aufgabe, den Rechtsrahmen für Kranken- und Rentenversicherungsleistungen zu erarbeiten. Dem Staatssekretariat unterstand das Instituto Boliviano de Seguridad Social
(IBSS),
das mit der Ausar-
beitung von Strategien und der Verwaltung der Beiträge betraut war und die Zahlungsvorgänge zu überwachen hatte, die von den verschiedenen Rentenfonds und Rentenkassen abgewickelt wurden.1 Die Wirkungen der Sozialen Sicherung für die arme Bevölkerung war allerdings sehr gering. Zum einen war die Gruppe der Versicherten von vornherein relativ klein2 und ging zwischen 1980 und 1985 weiter zurück: der Anteil der Krankenversicherten an der ökonomisch aktiven Bevölkerung sank von 25,4% auf 21,4%.3 Zum anderen stand die Versicherung nur wenigen (formellen) Berufszweigen offen.4 Selbständige Kleinunternehmer jedoch hatten (und haben) keinen Zugang zum System der Sozialen Sicherung. Im Zuge der Reforma del Poder Ejecutivo wurde 1993 die institutionelle Struktur im Gesundheitsbereich geändert. Das
MPSSP
wurde als Staatssekretariat für Soziale Si-
cherheit und öffentliche Gesundheitsfürsorge dem Ministerio de Desarrollo Humano zugeordnet. Zudem wurden den Unidades Sanitarias weitergehende Kompetenzen zugestanden, die dem bolivianischen Gesundheitssystem eine dezentralere Struktur geben. Gleichzeitig begann eine Diskussion über eine Reform des Systems der
1
Vgl. Mercado Lora (1992): S. 38.
2
1980 waren 25,4% der ökonomisch aktiven Bevölkerung krankenversichert und 18,4% fielen unter die Rentenversicherung. Vgl. Mesa-Lago (1989): S. 10f.
3
Vgl. Mesa-Lago (1991): S. 186f.
4
39,1% der Versicherten waren 1989 Angehörige der öffentlichen Verwaltungen, 41,0% Mitarbeiter staatlicher oder ehemals staatlicher Betriebe. Die restlichen 19,9% arbeiteten bei privaten Banken, Handelsunternehmen oder Industrieunternehmen. Die Berechnungen basieren auf Mercado Lora (1992): S. 73, Tabelle 6.
110
Sozialen Sicherheit, die 1994 zur Verabschiedung des geschilderten Grundrentenmodells führten.1 Das zweite elementare sozialpolitische Instrument ist die Bereitstellung einer Grundbildung für die gesamte Bevölkerung. Diesem Anspruch trug bereits die erste Reform des bolivianischen Bildungswesens Rechnung, die 1954 im Zuge der Revolution durchgesetzt wurde. Mit dieser Reform wurde die Schulpflicht bis zum 8. Schuljahr eingeführt und der Aufbau des Schulwesens reformiert. Die Stufen des Schulsystems sind in Tabelle 3.20 dargestellt. Tabelle 3.20 Das bolivianische Schulsystem 1990 Schulstufe
Besuchsdauer
pre-escuela ("kinder")
1 Jahr
primaria
8 Jahre
davon: - escuela básica
5 Jahre
- escuela intermedia
3 Jahre
secundaria
4 Jahre
Quelle: World Bank (1993b).
Das reguläre Schulsystem umfaßt die Vorschule ("kinder"), eine achtstufige Grundschule und eine vierstufige Mittelschule. Seit 1954 ist die Primarschule in ländlichen Regionen nochmals in eine fünfstufige Kernschule ("núcleo") und eine dreistufige Sektionsschule unterteilt.2 An die Sekundärschule schließt sich als weiterführende Schule das dreistufige colegio an.3 In der Primar- und der Sekundarstufe besteht Schulpflicht. Die Bereitstellung einer Grundbildung ist in Bolivien Aufgabe des Staates. Die Verantwortung für die Bildungspolitik oblag dem Ministerío de Educación (MEC).4 Das MEC begriff als seine vordringlichste Aufgabe offenbar die sehr intensive Kontrolle der öffentlichen und privaten Schulen.5 Für das öffentliche Schulwesen bestand diese Kontrolle in der Erarbeitung der Curricula und der Schulverwaltung (Planung, Instandhaltung der Schulgebäude, Entlohnung der Lehrer etc.).
'
Vgl. Abschnitt 3.2.5.
2
Vgl. World Bank (1993b): S. 7.
3
Vgl. World Bank (1992c): S. 77.
4
Das MEC ist mittlerweile als Staatssekretariat im MDH aufgegangen; allerdings hat sich an der inhaltlichen Ausgestaltung nichts entscheidend geändert.
5
Vgl. World Bank (1992c): S. 78.
111
Das MEC gliederte sich in drei Bereiche. Der Servicio Nacional de Alfabetisación y Educación Popular
(SENALEP)
wurde 1983 ins Leben gerufen, um bis zum Jahre 2000
allen Bürgern eine Grundbildung zu ermöglichen. Anfangs mit gut ausgearbeiteten Programmen gestartet, wurden dem
SENALEP
seit Ende der 80er Jahre keine Mittel
mehr bereitgestellt. Der Servicio Nacional de Educación Técnica
(SENET)
wurde 1978
gegründet, um die Qualität der industriellen, landwirtschaftlichen und handelswirtschaftlichen Ausbildung zu verbessern. 1990 betrieb
SENET
14 Erziehungseinrichtun-
gen, die teilweise aus Haushaltsmitteln finanziert wurden. Der Consejo Nacional de Edificaciones Escolares
(CONES)
war für die Unterhaltung der Schulinfrastruktur zu-
ständig. Er wurde bis 1987 über Kopfsteuern finanziert und ist seitdem von Zuschüssen des
FSE/FIS
abhängig. Die Vorgaben des
MEC
wurden für jedes departamento
durch eine eigenständige Administración Departamental de Educación (ADE) umgesetzt. Diese Verwaltungsbehörden bestehen jeweils aus getrennten Ausschüssen für städtische und ländliche Schulen.1 Das bolivianische Schulwesen war durch erhebliche institutionelle Schwächen charakterisiert. Die Bildungsindikatoren zeigen eine deutliche Unterversorgung sowie Ineffizienz des Bildungssystems.
Diese Defizite sind auf mehrere
Ursachen
zurückzuführen:2 • Unangemessene Curricula. Die Lerninhalte entsprachen nicht den Bedürfnisse der Bevölkerung, was in hohen Abbrecherraten resultierte. • Unzureichende Qualifikation der Lehrer. Insgesamt 58% der Lehrer verfügten nach Angaben des MEC (ab 1993 SNE) nicht über eine spezielle Ausbildung. • Schlechte Verwaltung des Erziehungssystems. Zum einen übte ein Teil der angestellten Lehrer den Beruf nicht (mehr) aus, wurde aber weiterhin durch das Erziehungsministerium entlohnt. Zum anderen wurde Universitätsbildung gegenüber der Primarschulbildung finanziell bevorzugt. • Permanentes Defizit an Unterrichtsmaterialien. Nur ca. 50-60% der Schüler in den Städten und ca. 10% in ländlichen Gebieten verfügten über Materialien. Im Zuge der Reforma del Poder Ejecutivo setzte die Regierung Sánchez de Lozada nach 1993 auch im Bildungssektor weitreichende Reformen durch. Zunächst wurde das Bildungsministerium als Servicio Nacional de Educación (SNE) dem MDH unterstellt. Einen tiefergehenden Einschnitt als diese organisatorische Umgestaltung stellte das ebenfalls 1994 verabschiedete Gesetz zur Bildungsreform dar. Das Gesetz enthält drei zentrale Maßnahmen: die Dezentralisierung des Bildungwesens, die Einführung alternativer Curricula und die Reform des Lehrwesens.3 1
Vgl. World Bank (1992c): S. 78.
2
Vgl. World Bank (1990d): S. 77, sowie World Bank (1993b): S. V ff.
112
Die Dezentralisierung des Bildungssystems besteht darin, daß Kompetenzen zur Auswahl der Lehrinhalte und zur Überwachung der lokalen Bildungseinrichtungen von der Zentralregierung an lokale und regionale Gremien übertragen wurden.2 Dadurch soll die Beteiligung der Zielgruppe an der inhaltlichen Planung gesteigert werden, um die Ausbildungsinhalte stärker an den Bedürfnissen der Schüler zu orientieren. Außerdem wird erwartet, daß die lokalen Gremien eine intensivere Kontrolle ausüben als die Zentralregierung bisher. Der zweite Maßnahmenbereich ist die Genehmigung alternativer Ausbildungsinhalte.3 Darunter ist im wesentlichen die Einführung zweisprachiger Unterrichtsformen zu verstehen, mit der der Tatsache Rechnung getragen wurde, daß ein großer Teil insbesondere der ländlichen Bevölkerung indigene Sprachen spricht und diese Gruppen bei der Unterrichtung ausschließlich in Spanisch benachteiligt waren. Auch dieser Teil der Reformen soll dazu beitragen, daß die Ausbildungsinhalte stärker an dem Bedarf der Zielgruppe orientiert sind. Die Maßnahmen zur Neuordnung des Lehrwesens betreffen vor allem die Ausbildung der Lehrer und ihre Entlohnung.4 Vor der Reform wurde allen Absolventen eines sogenannten "normalen Instituts" ungeachtet ihrer tatsächlichen pädagogischen Fähigkeiten ein Arbeitsplatz garantiert. Jedem Lehrer wurde unabhängig von seiner tatsächlichen Anwesenheit qua Verfassung Unkündbarkeit sowie ein - wenn auch niedriges - Gehalt zugesichert. Lehrtätigkeit in städtischen Regionen wurde höher entlohnt als Lehrtätigkeit in ländlichen Regionen. Diese Mechanismen sorgten dafür, daß in ländlichen Schulen ein permanenter Lehrermangel herrschte, der durch Rückgriff auf nicht ausreichend qualifiziertes Personal behoben wurde. Die Reformmaßnahmen sehen vor, daß Lehrer künftig nachweisen müssen, daß sie ein höheres pädagogisches Institut oder eine Hochschule mit Erfolg besucht haben. Zudem muß eine Eignungsprüfung absolviert werden. Außerdem wurden die Schulverwaltung und die Lehrerentlohnung vereinheitlicht mit der Folge, daß die Lohndiskriminierung der ländlichen Lehrer künftig entfällt.5 Die Regierung versteht diese Bildungsreform als Anstoß für einen dringend notwendigen gesellschaftlichen Wandel des Landes.6 Die Maßnahmen sollen 1
Vgl. Abschnitt 3.2.5.
2
Vgl. Ley de Reforma Educativa, Art. 5 - 8.
3
Vgl. Ley de Reforma Educativa, Art. 9.
4
Vgl. zu diesem Absatz o.V. (1995b): S. 8.
5
Vgl. Ley de Reforma Educativa, Art. 32 und 34.
6
Der Stellenwert, den die Regierung der Reform beimißt, wird aus der Wortwahl deutlich, mit der die Reform belegt wird. Die Kampagne, mit der die Regierung mit hohem Aufwand in den Medien für eine höhere Akzeptanz der Bildungsreform bei der Bevölkerung wirbt, steht unter dem Motto "Con
113
garantieren, daß weniger Schüler die Schule vorzeitig verlassen, daß das erworbene Wissen im Einklang mit den im Berufsleben der Region geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten steht und daß die fachliche Qualifikation des Lehrpersonals einen Mindeststandard erreicht. Die jüngsten Reformansätze der bolivianischen Regierung im Gesundheits- und im Bildungssektor zeigen deutlich den Willen der Regierung, die Probleme der armen Bevölkerung stärker als bisher in die Gestaltung der Sozialpolitik einzubeziehen. In dieser Hinsicht sind die Reformmaßnahmen vielversprechend konzipiert.1 Die Wirkungen dieser Reformen sind jedoch derzeit noch nicht absehbar. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, daß sich die Defizite in der Armutsorientierung der Sozialpolitik über einen sehr langen Zeitraum kumuliert haben. Zum anderen können von institutionellen Reformen generell keine kurzfristig nachweisbaren Wirkungen erwartet werden. Langfristig betrachtet zeigen die Reformansätze zwar Perspektiven für eine bessere Armutsorientierung der Sozialpolitik auf. Die Erfolgsaussichten derartig weitreichender Reformen werden aber nicht zuletzt davon bestimmt, ob die Reformen auch weiterhin konsequent verfolgt werden.
3.4.2. Bekämpfung der "Neuen Armut": Das Konzept des Fondo Social de Emergencia (FSE) und seine Umsetzung
3.4.2.1. Vorgeschichte der Entstehung des FSE Die vorhergehenden Betrachtungen zeigten, daß Armutsbekämpfung in der bolivianischen Politik vor 1985 nur eine sehr rudimentäre Rolle spielte. 1985 wurden, wie in Abschnitt 3.2 gezeigt, Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft eingeleitet. Wenn auch stabile wirtschaftliche Bedingungen eine wichtige Voraussetzung für eine mittel- und langfristig erfolgreiche Armutsbekämpfung darstellen, haben die kontraktiven Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft jedoch auf kurze Frist per Saldo negative Folgen für die Armen. Zwar sank die Inflationsrate relativ rasch mit der Folge, daß die Inflationssteuer drastisch zurückging. Dieser positive Effekt wurde jedoch vor allem durch zwei Effekte überkompensiert: Erstens ging das verfügbare Realeinkommen dadurch zurück, daß mit den durch das Stabilisierungsprogramm verfügten Reformen tendenziell eine la reforma educativa Bolivia cambia", das Grundsatzprogramm firmiert unter dem Namen "Plan de Emergencia hacia la refomia educativa". 1
Zudem wurde insbesondere bei der Umsetzung der Bildungsreform deutlich, daß die Regierung Sanchez de Lozada nicht vor politischen Widerständen zurückschreckte.
114
Lohnsenkung verbunden war. Zudem stiegen durch die schrittweise Aufhebung der Preisregulierungen für Grundnahrungsmittel die Lebensmittelpreise an, und zusätzlich wurden die Sozialausgaben des Staates gesenkt mit der Folge, daß die Benutzergebühren für bisher staatlich finanzierte Dienste stiegen.1 Zweitens schrumpfte der formelle Arbeitsmarkt durch Streichung von Stellen im öffentlichen Sektor,2 was eine verschärfte Konkurrenz um Arbeitsstellen durch die Entlassung einer Vielzahl von Staatsbediensteten zur Folge hatte. Als diese Situation zusätzlich noch dadurch verschärft wurde, daß der Zinnpreis 1986 drastisch sank und weitere staatliche Minen stillgelegt werden sollten, kam es zu vermehrten Protesten gegen die Stabilisierungspläne der Regierung Victor Paz Estenssoro, die in einem Generalstreikaufruf der COB sowie einem Marsch der entlassenen Bergleute nach La Paz mündeten.3 Die im Minensektor Beschäftigten besaßen aufgrund der Abhängigkeit der bolivianischen Wirtschaft von dessen Erzeugnissen eine traditionell starke politische Stellung. Daher ist nicht verwunderlich, daß gerade die Proteste der Bergleute die bolivianische Regierung und internationale Organisationen zu der Einsicht zwangen, daß das Gelingen der Stabilisierungsanstrengungen mit der Einrichtung sozialpolitischer Programme eng verknüpft war. In Zusammenarbeit mit dem
UNDP
wurde unter Federführung des bis dahin nicht poli-
tisch tätigen Unternehmers Fernando "Negrito" Romero Moreno die Idee eines aus externen Quellen gespeisten Fonds erarbeitet, der zunächst durch die rasche Schaffung von Arbeitsplätzen und damit von Einkommen zu einer politischen Stabilisierung beitragen sollte. Die Abwicklung dieser Aufgabe mittels eines Fonds, der nur wenige Berührungspunkte mit den hergebrachten Institutionen des politischen Systems - Ministerien, Verwaltungsstellen etc. - besaß und zudem direkt der Aufsicht des Präsidenten unterstellt wurde, sollte einen gewissen Schutz gegen politischen Mißbrauch durch die mittlere Verwaltungsebene bieten und der Zentralregierung gleichzeitig Einflußmöglichkeiten auf die Vergabepolitik des FSE sichern." Die bolivianische Regierung verband drei Erwartungen mit einem derartigen Fonds. Erstens sollte durch die Einrichtung des FSE der Reformwillen der Regierung glaubhaft gemacht werden.5 Zweitens sollte sich dadurch der Zugang zu Mitteln der 1
Z u m letztgenannten Argument vgl. Tabelle 3.19.
2
Vgl. Anhang A, T a b e l l e 2.
3
Vgl. Krempin ( 1 9 8 9 ) : S. 103.
4
Diese Idee geht zurück auf Vorbilder aus den 70er Jahren. Beispielsweise richtete die chilenische Regierung 1 9 7 5 mit d e m Programa de Empleo Minimo (PEM) und d e m Programa Orientado a Jefes de Hogares (POJH) P r o g r a m m e zur Linderung der Wirkungen der Anpassungspolitik ein; a n d e r e Beispiele finden sich in Peru sowie in Brasilien. Vgl. Wurgaft (1992): S. 36. KASCH ( 1 9 9 3 ) weist zud e m auf einen Sozialentwicklungs- und Familienförderungsfonds in Costa Rica hin. Vgl. Kasch ( 1 9 9 3 ) : S. 91.
115
Entwicklungszusammenarbeit wieder öffnen. Auf der Suche nach Finanzquellen wurde die Weltbank eingeschaltet, die fortan an der Entwicklung der organisatorischen Struktur des Fonds maßgeblich beteiligt war. Drittens sollte der FSE im Hinblick auf die bolivianische Bevölkerung ein Signal dafür darstellen, daß eine Linderung der Folgen der Strukturanpassung in Angriff genommen wurde. Diese Intention traf ebenfalls auf Interesse bei der Weltbank. Proteste gegen die Strukturanpassungsmaßnahmen in Lateinamerika sind kein neues Phänomen; sie können die Wirksamkeit der Strukturanpassungen gefährden.2 Von daher lag der Versuch zur politischen Absicherung des Anpassungsprozesses durch die Anwendung neuer Organisationsformen auch im Interesse der Weltbank. 3.4.2.2. Gesetzlicher Rahmen Der Prozeß der Einrichtung des Fondo Social de Emergencia (FSE) nahm fast ein Jahr in Anspruch. Währenddessen wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen ständig weiterentwickelt (vgl. Tabelle 3.21). Tabelle 3.21 Entwicklung des Rechtsrahmens des FSE 1985 -1990 Vorschrift
Datum
Inhalt
Dekret No. 21.137 30.11.1985 Gründung des FSE Dekret No. 21.316 07.07.1986 Neudefinition der Zielsetzungen und Identifikation der Zielgruppen Dekret No. 21.456 28.11.1986 Bestimmungen zur finanziellen Ausstattung und zur internen Organisation Dekret No. 22.407 11.01.1990 Verlängerung der Laufzeit des FSE Dekret No. 22.452 08.03.1990 Übertragung des Förderbereichs "Wohnungsbau" an den Fondo Nacional de Vivienda Gesetz No. 1.172 04.07.1990 Übergang der Vermögenstitel auf den Fondo de Inversion Social (Fis) Quelle: eigene Zusammenstellung.
Zunächst wurde am 30. November 1985, also drei Monate nach der Verkündung des Stabilisierungsprogrammes, per Dekret 21.137 die Gründung des FSE verkündet. Das Ziel dieser Maßnahme bestand darin, finanzielle Ressourcen einzuwerben, um damit
die
wirtschaftliche
Entwicklung
zu fördern
und
Arbeitsbeschaffungs-
'
Vgl. Schiesser-Gachnang (1993): S. 200.
2
Derartige Proteste können den Erfolg der Wirtschaftsreformen gefährden, wenn die Regierung aufgrund dieser Proteste Kompensalionsmaßnahmen durchführt, die den Anpassungsmaßnahmen zuwider laufen. Beispiele für derartiges Verhalten der argentinischen und der brasilianischen Regierung finden sich bei Pfennig (1992): S. 93f. u. 97f.
116
maßnahmen für diejenigen Personen zu finanzieren, die aufgrund der Wirtschaftskrise beschäftigungslos geworden waren.1 Die Zielsetzung wurde im Juli 1986 reformuliert. Durch das Dekret 21.316 wurde das nationale Komittee für Beschäftigung gegründet, das für die Durchführung von Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik zuständig sein sollte; besondere Berücksichtigung sollte den entlassenen Minenarbeiter der
COMIBOL
zuteil werden.2 Die Finanzierung
dieser beschäftigungspolitischen Maßnahmen sollte der FSE übernehmen.3 Damit wurden die ehemaligen Mitarbeiter der
COMIBOL
zur wichtigsten Zielgruppe des
FSE.
Im weiteren Verlauf des Gründungsprozesses wurde noch deutlicher, daß der Zugang zu Entwicklungshilfe für die bolivianische Regierung eine wichtige Intention bei der Gründung des FSE war.4 Bei der Präsentation dieses Vorhabens in Paris im Dezember 1986 vor Vertretern bilateraler und multilateraler Geber wurde das Ziel des FSE durch die bolivianische Regierung damit beschrieben, daß der FSE zur Linderung der Auswirkungen der Strukturanpassung auf die am meisten betroffenen Sektoren der Bevölkerung beitragen solle.5 Der FSE war somit in erster Linie dafür geschaffen, die wirtschaftlichen Reformen politisch abzusichern. Im Dekret 21.456 wurde am 28.11.1986 der endgültige institutionelle Rahmen festgelegt. Der FSE wurde in die Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts überführt und in administrativer Hinsicht dem Präsidialamt unterstellt.6 Die interne Organisation wurde dahingehend konkretisiert, daß Gremien geschaffen und deren Aufgaben festgesetzt wurden.7 Diese Gremien und ihre Aufgaben werden in Abschnitt 3.4.2.4 eingehend dargestellt. Darüber hinaus wurden auch die Zielsetzungen neu formuliert. Der Auftrag des FSE bestand nunmehr darin, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchzuführen, die gleichzeitig auch einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheits-, Bildungs- und Ernährungssituation der Bevölkerung beziehungsweise zur Verbesserung der produktiven Infrastruktur leisten sollten.8 1
Vgl. D.S. No. 21.137, Art. 1.
2
Vgl. D.S. No. 21.316, Art. 5-7.
3
Vgl. D.S. No. 21.316, Art. 8.
4
Darauf deutet die Tatsache hin, daß das Dekret 21.456, mit dem die institutionelle Ausgestaltung des FSE geregelt wurde, an dem Abend durch den Präsidenten unterzeichnet wurde, bevor eine Regierungsdelegation zur Präsentation des Vortiabens vor einer "Consuttative Group" des "Pariser Klubs" nach Paris abreiste. Vgl. Marshall (1993): S. 27.
5
Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 7.
6
Vgl. D.S. 21.456, Art. 1.
7
Vgl. D.S. 21.456, Art. 3-7.
8
Vgl. D.S. 21.456, Art. 8-11.
117
Die Laufzeit des Fonds wurde auf drei Jahre begrenzt. Der FSE hatte zum 31. Dezember 1989 seine Projektvergabe einzustellen. Bis zum 30. Juni 1990 sollten die noch vorhandenen Vermögensgegenstände auf noch zu bestimmende zuständige staatliche Stellen übertragen und für den Rechnungshof eine Schlußbilanz aufgestellt werden.1 Nach der geschilderten Präsentation des Vorhabens in Paris übernahm die IDA, eine Unterorganisation der Weltbank, die führende Rolle bei der Realisierung des Vorhabens und insbesondere bei der Erschließung von Finanzquellen.2 Mitarbeiter der Bank waren bereits ab September 1986 in die Planungen der Regierung involviert gewesen. Die Weltbank nahm somit von einem sehr frühen Planungsstadium bereits Einfluß auf die Konzeption des FSE. Der FSE nahm zum 1. Januar 1987 seine Tätigkeit auf. Im Dekret 21.456 war seine Ausstattung mit ordentlichen Etatmitteln für das Haushaltsjahr 1987 betragsmäßig festgelegt; diese waren vom bolivianischen Schatzamt (TGN) bereitzustellen. Dieser Regierungsbeitrag bildete jedoch nur einen Grundstein für die Finanzierung des FSE. In weitaus stärkerem Maße wurde er durch die Einwerbung ausländischer Mittel getragen.3 In der Gründungsphase war die Begrenzung der Lebensdauer des Fonds eine zentrale Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung der Tätigkeit des FSE durch seine externen Geber gewesen. Dies wurde damit begründet, daß der FSE ein neues Instrument der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit darstellte, dessen Wirkungen nicht abschätzbar waren. Zudem wurde erhofft, daß nach drei Jahren die Folgen der Wirtschaftsreformen überwunden seien. Diese optimistische Erwartung wurde jedoch nicht erfüllt. Die direkte Folge für den FSE bestand darin, daß seine Lebensdauer am 11. Januar 1990 per Dekret No. 22.407 um neun Monate verlängert wurde.4 Mit diesem Dekret begann die Auflösung des FSE. In dieser Endphase wurde durch Dekret 22.452 vom 8. März 1990 zunächst der Förderbereich Wohnungsbau an den eigens zu diesem Zweck geschaffenen Fondo Nacional de Vivienda überanwortet. Schließlich wurde per Gesetz No. 1.172 am 4. Juli 1990 bestimmt, daß der FSE die aktive Tätigkeit zum 31. März 1991 einzustellen habe und bis spätestens 30. September 1991 alle Vermögensgegenstände, Rechte und Pflichten auf den am 11. Januar 1990 gegründeten Fondo de Inversion Social (Fis) übertragen müsse. 1
Vgl. D.S. 21.456, Art 12.
2
Vgl. World Bank (1993a): S. 2.
3
Auf die Mittelausstattung wird in Abschnitt 3.4.2.3 näher eingegangen.
4
Vgl. D.S. 22.407, Art. 75.
118
3.4.2.3. Finanzierung des FSE Der Auftrag des FSE bestand darin, finanzielle Ressourcen einzuwerben und zu verwalten; diese Ressourcen sollten zur Finanzierung von Projekten "mit hoher sozialer Rentabilität und maximaler Nutzung von Arbeitskraft"1 genutzt werden.2 Als finanzielle Ressourcen wurden Kredite und Zuschüsse eingeworben (vgl Tabelle 3.22).3 Tabelle 3.22 Finanzierung des FSE nach Finanzierungstyp 1987-89 Finanzierungsanteil (in %)
Finanzierungstyp GESAMT
100
Zuschüsse (nicht rückzahlbar)
52,3
davon: 11,2
- einheimische Mittel
41,1
- Zuschüsse von externen Gebern
47,7
Kredite (ausschließlich von externen Gebern) Quelle: Avila; Campero; Patlño (1992).
Den Grundstock bildete der Eigenanteil der bolivianischen Regierung. Die externen Geber trugen zumeist im Kreditweg zur Finanzierung des FSE bei. Die Ressourcen wurden entweder als Barmittel oder als Sachmittel bereitgestellt (vgl. Tabelle 3.23). Tabelle 3.23 Finanzierung des FSE nach Art der Bereitstellung 1987-91 - Angaben in Mio. US$ -
Finanzierungsart GESAMT
Zugesagte Abgerufene Beiträge Beiträge 237,7
198,1
195,3
177,9
davon: - Barmittel darunter: - Eigenbeitrag der bolivianischen Regierung - Beiträge ausländischer Geber - Konvertible Sachtransfers externer Geber - Nicht konvertible Sachtransfers externer Geber
25,4
25,0
169,9
152,9
33,8
11,8
8,6
8,4
Quelle: World Bank (1992a). '
D.S. 21.456, Art. 8.
2
Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 7.
3
Die Angaben wurden 1991 auf der Grundlage eines Zusagevolumens von U S $ 210 Mio berechnet. Vgl. Avila Seifert et al. (1992): S. 91ff.
119
Die aufgeführten Sachmittel wurden zum Teil im Auftrag des FSE verkauft, um dadurch Barmittel zur Finanzierung der Projekte zu erhalten.1 Letztlich überwog jedoch der Anteil der Barmittel. Die Ressourcen stammten zum weitaus überwiegenden Teil von internationalen Gebern. Die Verteilung der Mittel nach Gebern ist in Tabelle 3.24 aufgeschlüsselt. Tabelle 3.24 Die Finanziers des FSE und ihre Beiträge 1987-91 - Angaben in Prozent der abgerufenen Mittel -
GEBER
Finanzierungsanteil
Bolivianische Regierung
12,6
Weltbankgruppe
19,4
Inter-Amerikanische Entwicklungsbank
19,1
Schweiz
13,5
Niederlande
8,5
Deutschland (Durchführung: KFW)
7,6
U S A (USAID)
4,8
Kanada
3,3
Italien
2,7
Schweden
2,0
Japan
1,9
Belgien
1,8
OPEC E n t w i c k l u n g s f o n d s
1,5
Vereinigtes Königreich
0,7
UNDP
0,6
Quelle: World Bank (1992a).
Die Gebergemeinschaft umfaßte sowohl weltweit als auch regional tätige multinationale Organisationen sowie Partnerländer der bilateralen Zusammenarbeit. Insgesamt beliefen sich die Finanzierungszusagen der Geber von 1986 bis 1991 auf US$ 237,6 Mio. Von diesem Betrag wurden US$ 198,1 Mio. tatsächlich durch den FSE abgerufen. Dadurch, daß nicht alle von externen Gebern zugesagten Mittel abgerufen wurden, belief sich der Eigenanteil der bolivianischen Regierung an den abgerufenen Mitteln auf 12,6% der Gesamtausgaben (gegenüber 10,7% der Zusagen). Für 1
Die Übertragung k o n v e r t i e r Sachmittel ist ein interessantes Detail der Finanzierung des FSE. Darunter befanden sich bspw. Getreidelieferungen der kanadischen Regierung, die auf den internationalen Getreidemärkten auf Rechnung des FSE verkauft wurden und sogar ein Flugzeug, aus dessen Verkauf ebenfalls Barzuflüsse resultierten. Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 19.
120
die Finanzierung der Projekte war der Eigenbeitrag in dieser Höhe nur von untergeordneter Bedeutung. Er diente offenbar vor allem dazu, das Interesse der bolivianischen Regierung an der Tätigkeit des FSE ZU unterstreichen. Den Hauptanteil am Finanzierungsvolumen trugen die multinationalen Entwicklungsbanken: Weltbank und IDB finanzierten jeweils mehr als 19% des Gesamtvolumens. Die wichtigsten bilateralen Geber waren die Schweiz, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland. 3.4.2.4. Organisationsmerkmale des FSE Ein Anliegen der Regierung und der externen Geber bei der Gründung des FSE bestand darin, eine möglichst transparente und gleichzeitig eigenständige Organisation zu konzipieren. Zu diesem Zweck wurde die Amtshoheit über den Fonds direkt beim Präsidialamt der Republik Bolivien angesiedelt. Das höchste interne Aufsichtsgremium war der Verwaltungsrat ("Consejo de Administración"). Er setzte sich aus dem Exekutivdirektor des FSE, dem bolivianischen Staatspräsidenten sowie drei externen Verwaltungsräten zusammen und hatte die Aufgabe, Projektanträge letztinstanzlich zu genehmigen sowie Strategien für die künftige Tätigkeit zu erarbeiten. Die wichtigste operative Instanz war der Exekutivdirektor. Ihm wurden weitgehende Entscheidungsrechte zugebilligt: Er besaß nicht nur Sitz und Stimme im Verwaltungsrat, sondern fungierte auch als Vorsitzender des Vorstands ("Consejo Técnico"J.1 Der Vorstand war das operative Leitungsgremium des FSE. Ihm gehörten neben dem Exekutivdirektor die fünf Abteilungsdirektoren und der Leiter der Rechtsstelle (sowie später zusätzlich der Subdirector ejecutivo) an. Vertreter anderer öffentlicher Institutionen (Ministerien, Durchführungseinrichtungen oder Zentralbank) waren in die interne Entscheidungsfindung nicht einbezogen. Der FSE besaß durch seine besondere Finanzierungssituation in haushaltsrechtlicher Sicht und durch die besondere Eingliederung in den öffentlichen Sektor auch in administrativer Sicht eine besondere Stellung.2 Um zu vermeiden, daß diese Sonderstellung zur Umgehung der ordentlichen Verwaltungsabläufe ausgenutzt werden könnte, wurde per Dekret 21.456 festgesetzt, daß das Gesamtbudget des FSE nicht höher sein dürfe als 1% der für die jeweilige Periode verfügbaren ordentlichen 1
Zum ersten Exekutivdirektor des FSE wurde im Dezember 1986 Fernando Romero berufen.
2
Die haushaltsrechtliche Ausnahmestellung wurde dadurch noch verstärkt, daß der FSE ausdrücklich von den Vorschriften des öffentlichen Dienstes zur Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen ausgenommen wurde. Vgl. D.S. 21.456, Art. 11.
121
Haushaltsmittel der Zentralregierung.1 Diese Beschränkung wurde später insofern aufgeweicht, als fortan die externen Mittel nicht mehr in diese Beschränkung eingerechnet wurden. Die Zahl der Beschäftigten betrug im Durchschnitt der mehr als vierjährigen Existenz des FSE insgesamt 107 Personen und erreichte ihren Höchststand zur Jahresmitte 1990 mit insgesamt 163 Mitarbeitern. Im Durchschnitt waren über die Hälfte der Mitarbeiter (57%) mit der Prüfung und Betreuung von Projekten betraut. Es handelte sich dabei um hochqualifiziertes Fachpersonal, in erster Linie Ingenieure, Architekten und Ökonomen.2 Zur Projektfindung wurde ein Antragsverfahren entworfen. Den Mitarbeitern des FSE war untersagt, eigene Projekte zu entwerfen und aus FsE-Mitteln finanzieren zu lassen. Die Anträge mußten von externen Organisationen oder Personen vorgelegt werden, sich einem der festgelegten Förderbereiche zuordnen lassen und hohe Qualitätsanforderungen erfüllen. Für eine rasche Belebung der bolivianischen Wirtschaft bei gleichzeitiger Verringerung der negativen Folgen der Anpassungsmaßnahmen identifizierte die bolivianische Regierung in Zuammenarbeit mit den ausländischen Geberorganisationen vier wichtige Voraussetzungen. Erstens war zur Intensivierung der Wirtschaftstätigkeit der Bevölkerung der Ausbau produktionsunterstützender Maßnahmen geboten; diesem Erfordernis wurde durch die
Einrichtung
des
Förderbereichs
"Wirtschaftliche
Infrastruktur"
Rechnung
getragen. Zweitens wurde für notwendig erachtet, daß der Bevölkerung zur Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse geeignete Gesundheits-, Bildungs- und kulturelle Einrichtungen zur Verfügung stehen sollten; die Verbesserung dieser Einrichtungen wurde als Förderbereich "Soziale Infrastruktur" bezeichnet. Allerdings erschienen Infrastrukturinvestitionen nicht als ausreichendes Instrument für eine sehr rasche Änderung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. Aus diesem Grund waren durch den FSE auch Dienstleistungen zu finanzieren; diese Dienstleistungen sollten wiederum der Unterstützung der Produktion dienen beziehungsweise sicherstellen, daß die Bevölkerung in der Lage sei, ihre Grundbedürfnisse zu decken. Aus diesen Gründen wurde als dritter Förderbereich die "Förderung der Produktion" und als vierter die Finanzierung von Maßnahmen zur "Sozialen Unterstützung" in das Programm des FSE integriert. Aus Tabelle 3.25 können die Verteilung des FSEMittel auf die vier Förderbereiche und ihre Unterprogramme entnommen werden. '
Vgl. D . S . 2 1 . 4 5 6 , Art. 5d.
2
Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 16.
122
Tabelle 3.25 Anzahl der Projekte und Fördermittel des FSE nach Förderbereichen 1987-91 Fördermittel
Projekte Förderbereich Wirtschaftliche Infrastruktur
Anzahl
Anteil in %
in Mio. U S $
Anteil in %
1.196
36.6
81.8
42.9
Verbesserung der städt. Infrastruktur
360
23,5
Straßenbaumaßnahmen
282
26,9
Bewässerungsanlagen
100
6,7
Entwässerungssysteme
82
6,0
Produktive Infrastruktur
55
1,4 15,0
Erosionskontrolle und Aufforstung
258
2,3
59
Andere Soziale Infrastruktur
1.695
51.8
85.4
Trinkwasser- und Abwassersysteme
351
26,6
Wohnungsbau
145
19,4
Bau von Gesundheitszentren
144
6,4
Schulbau
519
18,5
Kulturelle Projekte
44
1,7
Andere
492
Produktionsförderunq
63
12,8 1J>
6j7
Rotationsfonds
23
3,2
Materialbereitstellung
33
3,2
7
0,3
Andere Soziale Unterstützuna
317
Ernährungsprogramme
118
6,1
Gesundheitsversorgung
36
2,4
Weiterbildung und Lehrmaterial
139
6,8
Andere
24
1,7
11
GESAMT 11
3.271
44.7
9J
100
17.0
190,9
3J>
8,9
100
In der Tabelle sind Projekte nicht enthalten, die bei der Schließung des FSE nicht beendet waren und an den Fis übertragen wurden. Dies erklärt den Differenzbetrag zu Tabelle 3.23.
Quelle: World Bank (1992a).
Im Förderbereich Wirtschaftliche Infrastruktur wurden Infrastrukturmaßnahmen finanziert, die sehr eng mit der Herstellung bzw. dem Transport von Gütern und Dienstleistungen verbunden sind.1 Den größten Anteil in diesem Förderbereich '
Die folgenden Angaben entstammen Wipplinger (1995): Persönliches Interview.
123
hatten Maßnahmen zur Verbesserung der städtischen Infrastruktur wie z.B. die Pflasterung von 5.680 Straßenblöcken, der Bau von Grundstücksmauern etc. Im Straßenbau wurden vorrangig arbeitsintensive Instandsetzungs- und Erhaltungsarbeiten an 8.816 km Straßen gefördert. Die Wasserbaumaßnahmen betrafen kleine Dämme und Kanäle zur Drainage von Ackerland bzw. zu dessen Bewässerung, und die Maßnahmen zur Verbesserung der produktiven Infrastruktur umfaßten vor allem den Bau von Marktplätzen. Außerdem fielen auch Aufforstungsmaßnahmen für insgesamt 2.300 ha Wald in die Kategorie "Wirtschaftliche Infrastruktur". Durch den Förderbereich soziale Infrastruktur wurden Maßnahmen in den Bereichen Wasser- und Sanitärversorgung, Wohnungsbau sowie Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur finanziert. Der Verbesserung der Trinkwasserversorgung diente die Konstruktion von Trinkwassergewinnungsanlagen einschließlich Rohrleitungen und Zapfstellen; die Sanitärversorgung wurde durch die Finanzierung von Einrichtungen zur Sammlung und Beseitigung von Fäkalien gefördert. Zur Steigerung der Wohnqualität wurden Baumaterialien und Flächen für die Errichtung von insgesamt 9.974 Ein- oder Zwei-Raum Häusern bereitgestellt. Der dritte Teilbereich umfaßte die Konstruktion und Renovierung von 417 Gesundheitszentren, von 2.001 Schulgebäuden bzw. Klassenzimmern und trug zur Finanzierung von 375 Kulturveranstaltungen bei. Zur Produktionsförderung wurden Rotationsfonds1 eingerichtet und Rohmaterialien und Betriebsausstattungen für Kleinbetriebe bereitgestellt. Aus den Rotationsfonds wurden Kredite für 6.690 Projekte vergeben. 33 Unternehmungen profitierten von der Bereitstellung von Rohmaterial und Betriebsausstattungsgegenständen. Im Bereich soziale Unterstützung wurde die Bereitstellung von 20.130 Mahlzeiten für Kindergärten, Schulen und Volksküchen gefördert. Die Förderung schloß teilweise auch Infrastrukturmaßnahmen, z.B. die Ausstattung von Großküchen, mit ein. Im Zuge von Gesundheitsfürsorgemaßnahmen wurden 2,6 Mio. Impfungen finanziert, im Bildungsbereich 117.430 Schultische und 1.340.000 Schulbücher verteilt sowie 127.333 Trainees als Ersthelfer, Gesundheitsberater etc. weitergebildet. Aus Tabelle 3.25 geht hervor, daß der Fis seine Priorität eindeutig in der Bereitstellung von Infrastrukturmaßnahmen sah: 87,6% der Fördermittel wurden zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten benutzt. Dabei waren die Ausgaben für wirtschaftliche und soziale Infrastruktur in etwa gleich hoch.
1
Das sind Fonds, aus denen Kleinkredite vergeben werden. Die Idee der Rotationsfonds ist, daß sie einmal durch einen Zuschuß finanziert werden und sich ihre Tätigkeit in der Folgezeit aus den Gebühren und Tilgungszahlungen der Kreditnehmer selbst trägt. Vgl. Holtmann; Mommartz (1996): S. 2ff.; Sticker (1989): S. 152f.
124
Ein deutliche Diskrepanz zwischen beiden Bereichen erschließt sich aus der Betrachtung der Zahl der direkten (potentiellen) Nutznießer. Diese Zahl umfaßt alle Personen, die in der Reichweite eines Projektes lebten. Die Zahl der direkten Nutznießer je Förderbereich geht aus Tabelle 3.26 hervor. Tabelle 3.26 Direkte Nutznießernach Förderbereichen 1987-91 -Angaben in 1.000 Personen -
Förderbereich Wirtschaftliche Infrastruktur Soziale Infrastruktur
"
Direkte Nutznießer1* 340,0 1.133,8
Soziale Unterstützung
229,7
Produktionsförderung
33,6
Die Angaben beruhen auf den Erhebungen des FSE für die jeweilige Projektevaluierung.
Quelle: World Bank (1992a).
Aus Tabelle 3.26 ist ersichtlich, daß von den Maßnahmen zur Verbesserung der Sozialen Infrastruktur mit Abstand die meisten Personen profitierten. Unter Berücksichtigung der Mittelverteilung auf Förderbereiche (Tabelle 3.25) wird offenbar, daß die Kosten je Nutzer in den Projekten zur Sozialen Unterstützung und zur Sozialen Infrastruktur besonders niedrig lagen.1 Die Arbeit des FSE bestand in der Prüfung, Implementierung und Kontrolle von Projekten, die von NGO, Basisgruppen, Ministerialabteilungen oder privaten Unternehmen vorgeschlagen werden konnten. Die Projektvergabe wurde stark standardisiert. Zu diesem Zweck wurden die Art der Projekte, die gefördert werden konnten, und auch die Höhe der Fördermittel je Projekt eng eingegrenzt. Die Eingrenzung nach der Art der Projekte sah vor, daß ausschließlich für solche Vorhaben finanzielle Unterstützung gewährt wurde, die einem Unterprogramm eines Förderbereichs zugeordnet werden konnten. Finanziell bestand eine Restriktion für Projektvorschläge darin, daß für jeden Projekttyp eine Kostenobergrenze definiert wurde. Diese war einem Einheitskostenschema zu entnehmen, in dem die Kosten für einzelne Einheiten (z.B. pro qm2 umbauten Raumes bei Schulgebäuden oder pro km Straße) enthalten waren. Die Kosten für ein Gesamtprojekt richteten sich danach, wieviele der jeweiligen Einheiten für die Durchführung 1
Die Projekte zur sozialen Unterstützung verursachten Kosten je Nutzer in Höhe von US$ 74,00; aus Projekten zur sozialen Infrastruktur entstanden Kosten in Höhe von US$ 75,32 je Nutzer. Zum Vergleich: im Förderbereich wirtschaftliche Infrastruktur betrug dieser Wert US$ 240,59 und im Förderbereich Produktionsförderung US$ 199,40.
125
des Projekts notwendig waren. Für einen Projektantrag bestand somit sektoral und finanziell nur ein geringer Spielraum. Dadurch wurde der Prüfungsaufwand je Projektantrag stark reduziert. Da sich die Leistungen des FSE an bestimmte Zielgruppen richteten, wurde nach Verfahren gesucht, wie die Bedürftigkeit der Nutznießer eines Projektes erkannt werden könne. Zunächst wurde ein Mechanismus zum "Selbsttargeting" der Projekte angewendet: Der FSE gab den Projektträgem einen Lohnsatz vor, der geringfügig unter dem Marktlohn lag. Hierdurch sollte sichergestellt werden, daß nur solche Bedürftigen in Projekten des FSE beschäftigt wurden, die keine andere Arbeit fanden.1 Dieses Selbsttargeting erwies sich jedoch wegen der ständigen Notwendigkeit zur Regulierung des Lohnsatzes als relativ verwaltungsaufwendig. Deshalb wurde zum Ende der Laufzeit des FSE ein Alternativverfahren für das targeting der Ausgaben entwickelt. Da dieser Targetingmechanismus jedoch erst bei der Gründung des Fis zur Anwendungsreife gelangt war und auch dann erst der Evaluierung zugrunde gelegt wurde, wird dieser Mechanismus in Kapitel 4.2.3.2 eingehend erläutert. Das weitgehend standardisierte Antragsverfahren hatte den Vorteil, daß für den FSE nur geringe Kosten für Evaluierungen entstanden und sich die Mitarbeiter auf Finanzkontrolle und Projektmonitoring spezialisieren konnten; außerdem wurde diese Art der Projektfindung als Weg zur Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bevölkerung interpretiert ("demand-based approach"). Durch die hohen Anforderung an die Qualität von Projektanträgen wurde allerdings die Vergabe von Projekten an staatliche Einrichtungen begünstigt. Insbesondere Ministerien und ihre Durchführungsorganisationen verfügten offenbar über bereits ausgearbeitete Schubladenprojekte, die nunmehr beim FSE zur Finanzierung eingereicht wurden. Dies zeigt sich auch an der Struktur der Projektträger in Tabelle 3.27. Der Tabelle kannn entnommen werden, daß 71% der Mittel des FSE zur Finanzierung von Anträgen von Organisationen des öffentlichen Sektors verausgabt wurden. Unter ihnen hatten die Ministerien und Durchführungsorganisationen der Zentralregierung einen Anteil von 28,7% an den Gesamtmitteln. An dieser Übersicht ist bemerkenswert, daß NGO und Basisgruppen zusammengenommen trotz ihrer Benachteiligung gegenüber den Organisationen des öffentlichen Sektors immerhin 904 Vorhaben mit einem Finanzierungsvolumen von US$ 32,3 Mio. einreichten und einen Anteil von rund 17% der Mittel des FSE verausgabten.
1
Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 12. Dies kann zwar prinzipiell auch durch andere Targetingmechanismen, bspw. bestimmte Zugangskriterien, sichergestellt werden. "Selbsttargeting" zeichnet sich vor anderen Targetingmechanismen dadurch aus, daß keine Überprüfung der Begünstigten notwendig ist.
126
Tabelle 3.27 Projektträger des FSE nach Mittelvolumen und Anzahl an Projekten 1987-91 Antragstellende Organisation
Anteil FSE Anzahl Förderung FSE (% d. Förderbetrags) (Mio. US$) Projekte
PROJEKTE GESAMT
3.449
193.7
Öffentliche Einrichtunaen
2.263
136.6
71
694
55,5
29
Ministerien und Durchführungsorganisationen der Zentralregierung
100
davon: - Wohnungsbau/FoNvi
115
13,6
- Erziehung/CoNEs
143
6,8
- Straßenbau (SNC)
130
15,4
- andere Ministerien
306
19,7
Kommunalverwaltungen/ Präfekturen
948
42,9
22
Entwicklungsgesellschaften
519
33,8
17
(CORDES)
Wasserversorgungsbetriebe
102
7,4
4
NGO
671
21.8
12
Basisoraanisationen
233
10.5
5
Genossenschaften
87
42
2
Schulen. Kliniken und Sonstiae
195
20.6
11
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); Wipplinger (1996): Persönliches Interview.
Die Tätigkeit des FSE wurde von den kooperierenden NGO vor allem aus drei Gründen kritisch beurteilt.1 Erstens stellte die starke Standardisierung ein Hemmnis für die Zusammenarbeit dar. Die detaillierten Antrags- und Abrechnungsmodalitäten konnten insbesondere von kleineren NGO häufig nicht erfüllt werden. Die inflexible Haltung des FSE wurde von den NGO als Gängelung verstanden, die viele NGO von einer Zusammenarbeit Abstand nehmen ließ. Zweitens wurde kritisiert, daß offenbar ein erheblicher Teil der Projektanträge auf die Initiative gewinnorientierter Ingenieurbüros zurückging. Diese formulierten Blaupausen für Projektanträge und legten diese gegen die Zusicherung, daß das Büro an der späteren Realisierung des Projekts beteiligt würde, Gemeindevertretern zur Unterzeichnung vor.2 Ein derartiges Verhalten stand im Gegensatz zu den Intentionen des FSE.
'
Vgl. zum folgenden Peres (1993).
2
Vgl. Buxell;Finot(1991):S. 10.
127
Der dritte Kritikpunkt der NGO bestand darin, daß der FSE die Arbeitsbeschaffung als seine Errungenschaft reklamierte, daß aber die Arbeitsmöglichkeiten in den FSEProjekten qualitativ schlecht waren. Insbesondere wurde kritisiert, daß die Arbeitsbeschaffung durch den FSE ausschließlich kurzfristige, ungesicherte und gering entlohnte Arbeitsmöglichkeiten beträfe, deren Entlohnung nicht zur Ernährung einer Familie ausreichte. 1 Diese Kritik war jedoch insofern unberechtigt, als a priori nicht vorgesehen gewesen war, mit den finanziellen Ressourcen des FSE in nennenswertem Maße Arbeitsstellen im formellen Sektor zu finanzieren; vielmehr bestand das Ziel des FSE darin, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch andere Organisationen indirekt zu fördern. 3.4.2.5. Erreichung der formalen Ziele Wie in Abschnitt 3.4.2.2 dargestellt wurde, waren dem FSE bei seiner Gründung drei Zielrichtungen vorgegeben worden: dies waren Arbeitsbeschaffung, die Anwerbung externer Mittel für Bolivien und die Durchführung von Projekten in den vier Förderbereichen. Bezüglich des Ziels Arbeitsbeschaffung wurde bei der Einrichtung des FSE keine quantitative Zielvorgabe vorgenommen. Dennoch wurde die Arbeit des FSE nach dem Ende seiner Laufzeit von den Gebern als erfolgreich beurteilt.2 Im Durchschnitt der Jahre 1987 bis 1990 entstand eine zusätzliche direkte Beschäftigung in Höhe von 14.706 Mannmonaten pro Jahr für Arbeitnehmer, die in FsE-finanzierten Projekten beschäftigt waren. Für die indirekten Beschäftigungsimpulse wurde ein Multiplikator von 1,13 berechnet.3 Diese indirekten Wirkungen gehen vor allem auf backward linkages (Zulieferung, Versorgung etc.) zurück. Die zusätzliche Gesamtbeschäftigung aus einem FsE-Projekt, in dem 100 Personen arbeiteten, kann somit auf 213 Mannmonate pro Monat beziffert werden. Der Arbeitsbeschaffungseffekt wurde durch eine Studie des INE (1988) empirisch belegt.4 Im Rahmen einer Haushaltsbefragung wurde ermittelt, daß in den FSEfinanzierten Projekten in den größten Städten Boliviens insgesamt 3.051 Personen beschäftigt waren. Diese Zahl entsprach 0,3% der ökonomisch aktiven Bevölkerung oder 2,7% der Zahl der Arbeitslosen in den größten Städten. Diese Zahlen machen deutlich, daß der FSE meßbare Wirkungen am Arbeitsmarkt ausübte. 1
Vgl. Peres (1993).
2
"ESFmetits targets for emergency employment creation [...]". World Bank (1992a): S. 17.
3
Als ein Mannmonat wurden 160 Arbeitsstunden (8 Stunden pro Tag an 20 Tagen pro Monat) gerechnet [vgl. Newman; Jorgensen: Pradhan (1991): S. 24]; zur Berechnung der Beschäftigungswirkungen vgl. UDAPE (1989).
4
Vgl. dazu Newman; Jorgensen; Pradhan (1991): S. 8.
128
Per Dekret umfaßte die Zielgruppe des FSE diejenige Bevölkerung, die aufgrund der Wirtschaftskrise ihre Beschäftigung verloren hatte, und darunter speziell die entlassenen Minenarbeiter. Als die wichtigsten Merkmale dieser Gruppe wurden angesehen, daß sie in Stadtrandgebieten lebte und keiner Beschäftigung nachging.1 Diese Zielgruppe wurden mit dem Instrumentarium des FSE jedoch aus drei Gründen nur in geringem Umfang erreicht. Erstens existierten bei der Einrichtung des FSE praktisch keine geeigneten nicht-staatlichen Organisationen für die Abwicklung von Projekten; die staatlichen Einrichtungen hingegen hatten sich in den Augen der Zielgruppe diskreditiert. Zweitens war auch das Instrumentarium des FSE nicht für den Aufbau derartiger nicht-staatlicher Trägerstrukturen angelegt. Dies hätte eine langfristig angelegte Zusammenarbeit mit potentiellen nicht-staatlichen Projektträgern erfordert,2 die zum Zeitpunkt der Gründung des FSE als nicht notwendig erachtet wurde. Drittens zeigte sich, daß die ursprüngliche Zielgruppe der entlassenen Bergleute gar nicht auf die Unterstützung des FSE angewiesen war.3 Viele Minenarbeiter konnten offenbar aufgrund ihrer hohen Qualifikation rasch in andere gewerbliche Bereiche integriert werden, beuteten in kleinen privaten Kooperativen die vorhandenen Minen weiter aus oder schlössen sich dem informellen Bergbau an. Aufgrund dieser Erfahrungen nahm der FSE von der Definition von Zielgruppen Abstand und ging dazu über, allein auf der Grundlage von Projektanträgen über die Förderung von Einzelmaßnahmen zu entscheiden.4 Für das Ziel Kapitalanwerbung hatte sich die Regierungsdelegation bei der Präsentation des Vorhabens in Paris ein hohes Ziel gesteckt:5 Der FSE sollte zwischen 1987 und 1990 insgesamt US$ 323,8 Mio. einwerben. Rein formal wurde diese Zielsetzung trotz der mehrmaligen Verlängerung um rund 27% verfehlt: Bis zu seiner Schließung waren US$ 237,7 Mio. eingeworben worden.6 Dieser Mittelzufluß wirkte sich auf die bolivianische Zahlungsbilanz aus. In den Jahren 1988 und 1989 machten die Nettokapitalzuflüsse an den FSE immerhin 15,4% bzw. 16,8% der gesamten Nettokapitalzuflüsse Boliviens aus.7 Auch für ein weiteres Teilziel des FSE, die Durchführung von Projekten, waren bei der Gründung Zielwerte festgelegt worden. Diese Zielwerte betrafen die Verteilung '
Vgl. CEPAL(1992): S. 6.
2
Zu den Erfordernissen einer Strategie zur Stärkung der Institutionen vgl. Israel (1990): S. 113ff.
3
Vgl. World Bank (1992a): S. 7; Newman; Jorgensen; Pradhan (1992): S. 62.
4
Wipplinger (1996): Persönliches Interview.
5
Vgl. zum folgenden Buxell; Finot (1991): S. 57.
6
Vgl. Tabelle 3.23.
7
Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 72.
129
der Mittel auf die Förderbereiche des FSE; die Gewichtung der Teilbereiche zueinander läßt erkennen, welche Priorität die einzelnen Teilziele - Verbesserung der wirtschaftlichen bzw. der sozialen Infrastruktur, soziale Unterstützung und Förderung der Produktion - genossen. Es ist zu vermuten, daß das Interesse der externen Geber darin bestand, durch die Festlegung der Prioritäten den Anteil konsumtiver Ausgaben - zu denen vor allem die Ausgaben im Bereich "soziale Unterstützung" zählen - an den Gesamtausgaben möglichst niedrig zu halten. Tabelle 3.28 zeigt jedoch, daß erstens die anfangs festgelegten Prioritäten nicht erreicht wurden und daß sich zweitens die Prioritäten bei der Projektvergabe während der Laufzeit änderten. Die größten Diskrepanzen zwischen Zielwert und Ergebnis zeigten sich bei den Förderbereichen Soziale Infrastruktur, wo der Zielwert um 8,7 Prozentpunkte überschritten wurde, und der Produktionsförderung, deren Ergebnisse um 5,5 Prozentpunkte hinter dem Zielwert zurück blieb. Tabelle 3.28 Mittelverteilung des FSE nach Förderbereichen 1987-90 - Angaben in Prozent der Ausgaben p.a. -
Förderbereich
Plan 1988 1989 1990 Ist 1987 1987-90 realisiert realisiert realisiert realisiert 1987-90
Wirtschaftl. Infrastruktur
45
50
34
40
61
42,8
Soziale Infrastruktur
36
41
54
45
29
44,7
Soziale Unterstützung
10
3
8
13
4
8,9
Produktionsförderung Gesamt
9
6
4
2
5
3,5
100
100
100
100
100
100
Quelle: Buxell; Finot(1991).
Wenn auch diese Mittelverteilung ex post erheblich von den Planungen abwich, so zeigten Erfahrungen aus anderen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit jedoch, daß Abweichungen dieser Größenordnung nicht untypisch sind und als tolerierbar einzustufen sind.1 Daher wurde der FSE trotz dieser Abweichungen als erfolgreiche Organisation eingeschätzt.2 3.4.2.6. Institution Building: Anmerkungen zur Trägerfähigkeit des FSE Über die Erfüllung der formalen Zielsetzungen hinaus hatten die bolivianische Regierung und auch die externen Geber ein Interesse daran, eine leistungsfähige ' Wipplinger (1996): Persönliches Interview; Newman (1995): Persönliches Inteview. 2
Ein Beispiel für diese positive Einschätzung findet sich im Abschlußbericht der Weltbank. Dort wird
festgestellt, daß der FSE "[...] exceeded most of its targets[..J". World Bank (1992a): S. I.
130
Trägerorganisation
für
die
Abwicklung
entwicklungspolitischer
Vorhaben
zu
schaffen. Für die bolivianische Regierung stand vor dem Hintergrund langsamer und ineffizienter Verwaltungsverfahren in der bolivianischen Bürokratie die Frage im Mittelpunkt, ob ein "autonomer" Fonds, d.h. eine Einrichtung, die keinem Fachministerium unterstellt war und auch darüber hinaus von den administrativen Entscheidungswegen des öffentlichen Sektors weitgehend unabhängig agierte, zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors beitragen könne. Diese Frage wurde ex post positiv beantwortet. Der FSE präsentierte sich als eine Organisation, die lernfähig war und die gestellten Anforderungen relativ gut erfüllte. Als Anzeichen für die Leistungsfähigkeit der Institution FSE wurde die Bearbeitungszeit der Projektanträge verwendet. Die Bearbeitungszeit der Projektanträge umfaßt die Zeitspanne zwischen dem Eingang des ausformulierten Antrags und der Unterzeichnung der Projektverträge. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Projektantrags geht aus Anhang A, Tabelle 11 hervor. Im Bezug auf dieses Kriterium zeigte sich, daß die Bearbeitungszeit von 1987 auf 1988 um 50% kürzer wurde. Sie stieg zwar zwischen 1988 und 1990 wieder an, per Saldo ergibt sich aber zwischen 1987 und 1990 eine Zeitersparnis je Projektantrag von durchschnittlich 27,5%. Diese Zeitersparnis deutet zunächst einmal darauf hin, daß der FSE seine Kapazität zur Bearbeitung von Projektanträgen rechnerisch vergrößerte. Über die Ursachen, die zu dieser Verringerung der Bearbeitungszeit führten, lassen sich indes nur Vermutungen anstellen. Sowohl interne Lerneffekte als auch eine weniger sorgfältige Bearbeitung der Projektanträge könnten als Erklärung in Frage kommen. Gegen die letztgenannte Erklärung spricht, daß der FSE ZU Beginn seiner Existenz besonders intensiv durch die Geber begleitet wurde.1 Dadurch wurden die Möglichkeiten der FsE-Mitarbeiter, bei der Antragsprüfung eigene Interessen zu verfolgen (und beispielsweise Projektanträge aus Bequemlichkeit weniger sorgfältig zu bearbeiten) relativ stark eingeschränkt. Demgegenüber erscheint es plausibel, daß die Mitarbeiter einer neugegründeten Organisation, die vorwiegend mit relativ jungem und daher häufig auch unerfahrenem Personal arbeitet, zunächst eigene Verfahren entwickeln und danach bei der Anwendung dieser Verfahren Routine gewinnen. Wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß in einzelnen Fällen die Bestimmungen zur Antragstellung großzügig ausgelegt wurden, so dürfte die Verkürzung
'
Insbesondere mit der Weltbank wurde in der Anfangsphase sehr eng zusammengearbeitet. Cadima (1994): Persönliches Interview.
131
der Bearbeitungszeit der Projektanträge doch in der Hauptsache organisationsinterne Lerneffekte widerspiegeln. Die konstatierten Lerneffekte stellten sich ein, obwohl der FSE in einem ansonsten umständlichen und bürokratischen Bereich agierte. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Zeitersparnis in dem genannten Ausmaß nur deshalb möglich war, weil der FSE als weitgehend von anderen Einrichtungen unabhängige Institution des öffentlichen Sektors agierte. Außerdem ist bei der Würdigung dieser Lerneffekte zu berücksichtigen, daß es sich bei den Projekten um kurzfristig zu implementierende Maßnahmen handelte. Somit waren in der Regel keine langwierigen Prüfungsverfahren für die mittel- und langfristigen Wirkungen der Maßnahmen erforderlich. Die Weltbank verfolgte mit der Gründung des FSE zwei Ziele. Erstens sollte eine Trägerorganisation geschaffen werden, die zur Abwicklung komplexer Programme imstande war. Zweitens sollten die Reformmaßnahmen politisch abgesichert werden. 1 In dieser Hinsicht waren die Erfahrungen, die die Weltbank mit der Institution FSE machte, nach deren eigener Aussage sehr bedeutsam. Als wichtigste Lehre aus der Zusammenarbeit wurde erkannt, daß mit einer Organisation wie dem FSE langfristig wirksame Maßnahmen nur bedingt durchgeführt werden konnten.2 Aus der Sicht der Weltbank zeigte sich ein trade-off zwischen dem Ziel schnellstmöglicher Arbeitsbeschaffung, das zur Verminderung des Widerstands gegen die Reformmaßnahmen unerläßlich schien, und dem Ziel der langfristigen Verbesserung der Infrastruktur. Es wurde erkannt, daß eine langfristige Verbesserung der Infrastruktur nur dann eintritt, wenn die technische Ausführung der Projekte auf eine dauerhafte Nutzung ausgelegt ist. Hier konstatierte die Weltbank selbstkritisch, daß zwar die bereitgestellten Mittel schnell abgerufen wurden, daß aber das Streben nach einem zügigen Mittelabfluß eine Überwachung der langfristigen Projektwirkungen unmöglich machte und darunter die Qualität der Infrastruktureinrichtungen litt.
3.4.3. Abschließende Einschätzung der Arbeit des FSE Trotz der Kritik wird der FSE sowohl von seinen internationalen Gebern als auch von der bolivianischen Regierung als eine erfolgreiche Organisation dargestellt. Die positive Einschätzung der internationalen Geber beruhte darauf, daß sich das 1
Vorangegangen waren Weltbank-interne Diskussionen über die Rolle sozialer Komponenten bei der Implementierung von Strukturanpassungsprogrammen. Befürworterstellten die Möglichkeit der Überwindung der sozialen Kosten der Strukturanpassung in den Mittelpunkt, Gegner befürchteten einen Fehlschlag des Projekts aufgrund der Konzentration auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Vgl. Schacter; Grosh; Jorgensen (1992): S. 6, sowie Marshall (1992): S. 26f.
2
Vgl. zu folgenden World Bank (1992a): S. 7f. sowie Buxell; Finot (1991): S. 8.
132
institutionelle Arrangement über die gesamte Laufzeit als überaus wirkungsvoll für die Abwicklung entwicklungspolitischer Transfers nach Bolivien erwiesen hatte. In der Beurteilung der Geber fällt selbst die Tatsache, daß von den zugesagten Beträgen insgesamt US$ 39,5 Mio. (16,6% der gesamten Zusagen) nicht abgerufen wurden, nicht weiter ins Gewicht. Aus der Sicht der bolivianischen Regierung bestand die wichtigste Wirkung des FSE darin, daß Bolivien durch die Einrichtung des FSE nach mehr als fünfjähriger Kreditsperre wieder Zugang zu den Mitteln der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gefunden hatte und auf eine intensivere Zusammenarbeit hoffen durfte. Mit der Einrichtung des FSE war nicht zuletzt versucht worden, die Wirtschaftsreformen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen politisch abzusichern. Im Ergebnis kann festgestellt werden, daß der Handlungsspielraum der Regierung nach der Einrichtung des FSE durch Protestaktionen nicht weiter eingeschränkt wurde. Inwieweit die relative Beruhigung der politischen Lage in Bolivien auf die Einrichtung des FSE zurückgeführt werden kann, kann zwar nicht eindeutig geklärt werden. Einerseits gingen von den Projekten, wie oben geschildert wurde, spürbare positive Effekte auf den Arbeitsmarkt aus. Andererseits wurde dieser Effekt von der Bevölkerung kaum wahrgenommen;
GRAHAM ( 1 9 9 2 )
weist darauf hin, daß nur
29%
der Beschäftigten in
FsE-finanzierten Projekten die Organisation FSE kannten.1 Das starke Engagement der entwicklungspolitischen Geber barg für die Organisation Risiken. Ein Risiko erwuchs allein schon daraus, daß der FSE ein bisher neues und somit nicht erprobtes Instrument der Entwicklungszusammenarbeit darstellte. Für dieses Modell mußten auch auf Seiten der Geber neue Richtlinien für die Zusammenarbeit entwickelt werden. Die weitgehend unbürokratische Zusammenarbeit von FSE und Weltbank setzte sowohl bei den Mitarbeitern der Weltbank als auch bei denen des FSE eine große Flexibilität voraus. Infolgedessen wurde zunächst zwischen beiden Organisationen sehr eng kooperiert. Nach zwei Jahren allerdings wechselten die Zuständigkeiten innerhalb der Weltbank mit negativen Auswirkungen für die Zusammenarbeit zwischen beiden Organisationen.2 Diese Einschränkung der Kontaktmöglichkeiten bedeutete für den FSE eine erhebliche Steigerung der organisationsinternen Transaktionskosten, weil oftmals Arbeiten verzögert wurden, die ohne entsprechende Auskünfte der Geber von den Mitarbeitern des FSE nicht bearbeitet werden konnten. Hier liegt im übrigen ein möglicher Erklärungsansatz für den temporären Anstieg der durchschnittlichen Projektbearbeitungszeit nach 1988.3 1
Vgl. Graham (1992): S. 1235.
2
Ein leitender Mitarbeiter schilderte in einem Interview, daß 1987 technische Anfragen der Mitarbeiter des FSE an Weltbankmitarbeiter innerhalb von zwei bis drei Tagen beantwortet wurden. Nach 1988 stieg diese Zeitspanne auf zwei bis vier Wochen. Cadima (1994): Persönliches Interview.
133
Ähnlich gelagert, jedoch mit weiter reichenden Konsequenzen als diejenigen, die mit der organisatorischen Abhängigkeit verbunden waren, ist das Problem der finanziellen Abhängigkeit des FSE von seinen externen Gebern. Immerhin entfielen auf ausländische Quellen rund 90% der gesamten Finanzmittel des Fonds. Dieser große Anteil an der Finanzierung führte dazu, daß die Einflußmöglichkeiten der bolivianischen Regierung auf den FSE von Seiten der externen Geber begrenzt wurden; bspw. baten sich die Geber bei Neueinstellungen von Personal ein Einspruchsrecht aus. Das latente Problem, das für jedes entwicklungspolitische Vorhaben aus einer solchen Aufgabenverteilung resultiert, besteht darin, daß hier externe Geber von Entwicklungshilfe die nationale Wirtschaftspolitik beeinflussen, die Verantwortung für diese Politik aber bei der Regierung verbleibt. Darüber hinaus kann sogar der Fortbestand der Organisation von der Homogenität der Interessen der beteiligten Geber abhängen: In dem Falle, daß zwischen den Gebern Interessenunterschiede, z.B. unterschiedliche Vorstellungen über die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen und ihr Gewicht für die Entwicklungsstrategie des Landes, auftreten, kann die Existenz der Organisation - unabhängig von der Qualität ihrer Tätigkeit - in Frage gestellt sein. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob der bolivianischen Regierung überhaupt Alternativen zur verstärkten Finanzierung sozialer Maßnahmen aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit offenstanden. Insgesamt hat sich gezeigt, daß mit fortschreitender Anpassungspolitik das Ziel der Armutsbekämpfung bedeutsamer wird. In dieser Hinsicht konnten potentielle "Nachahmer" dieses Fondsansatzes aus den Erfahrungen mit dem FSE gelernt haben, denn dieses Ziel spielte für den FSE keine Rolle, sondern hier stand das Ziel der kurzfristigen Arbeitsbeschaffung im Vordergrund. Damit war erstens ein Einkommenstransfer an arme Bevölkerungsgruppen verbunden. Der Transferbetrag pro Kopf war für den einzelnen Empfänger jedoch relativ gering, weil die Tätigkeit in FSEProjekten niedrig entlohnt wurde. Bei einer höheren Entlohnung hätte auch für nicht arme Bevölkerungsgruppen ein Anreiz für die Mitarbeit in FsE-Projekten bestanden; der Selbsttargetingmechanismus hätte in diesem Falle nicht gewirkt. Zweitens erwarben die beteiligten Bevölkerungsgruppen durch die Beschäftigung in FsE-Projekten, die sich häufig in Handlangerdiensten erschöpfte, keine zusätzlichen, am Arbeitsmarkt verwertbaren Fähigkeiten. Zudem waren die Beschäftigten in FsE-finanzierten Projekten zeitlich so stark in Anspruch genommen, daß die Suche nach besser entlohnten Arbeitsstellen zurückgestellt werden mußte.2 1
Vgl. Anhang A . T a b e l l e 11.
2
Beschäftigte in FsE-Projekten arbeiteten mit durchschnittlich 50 Std. pro W o c h e signifikant länger als Arbeitnehmer in nicht FsE-geförderten Tätigkeiten. Letztere arbeiteten durchschnittlich 29 Std. wöchentlich. Vgl. Newman; Jorgensen; Pradhan (1991): S. 11 und S. 15.
134
Langfristige, armutsreduzierende Wirkungen sind allenfalls von den Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur zu erwarten gewesen. Dem stand jedoch die Qualität der Projekte entgegen. Zwar wurden bis auf wenige Ausnahmen, bei denen die Antragsteller wichtige Vorleistungen nicht rechtzeitig ausführten, alle Projekte in Betrieb genommen. Der langfristige Betrieb dieser Einrichtungen war jedoch nicht gesichert, da die Antragsteller keinen Nachweis über ihre Trägerfähigkeit erbringen mußten. Häufig handelte es sich bei der Verbesserung der Infrastruktur um einmalige, isolierte Maßnahmen, die die Lebensverhältnisse ihrer potentiellen oder tatsächlichen Nutznießer - wenn überhaupt - nur marginal verbesserten.1
3.5. Zusammenfassung Weite Teile der bolivianischen Bevölkerung, insbesondere der Einwohner ländlicher Regionen, waren 1992 nicht in der Lage, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Die wichtigste Armutsursache ist darin zu suchen, daß mit der kleinbäuerlichen, auf Subsistenzproduktion angelegten Produktionsstruktur nur niedrige Einkommen erwirtschaftet wurden. Die bolivianische Wirtschafts- und Sozialpolitik trug nur in geringem Maße zur Minderung des Armutsproblems bei. Vor 1952 war Armutsbekämpfung kein wichtiges politisches Ziel gewesen. Im Zuge der Revolution wurden zwar armenorientierte Reformen - vor allem in den Bereichen Landrecht und Bildungswesen - eingeleitet; diese verliefen jedoch in der nachrevolutionären Epoche im Sande, weil die politischen Entscheidungsträger vor allem das Ziel verfolgten, die eigene Machtbasis zu sichern. Von den binnen- und außenwirtschaftlichen Problemen Boliviens in den 70er und 80er Jahren waren die Armen stärker betroffen als die nicht-arme Bevölkerungsteile. Den traditionellen sozialpolitischen Institutionen fehlte ein kohärentes Konzept für eine wirksame armutsorientierte Sozialpolitik; positive Ansätze wurden nur unzureichend umgesetzt.
'
Möglicherweise wurde dieser Effekt von Seiten des FSE und seiner Geber bewußt in Kauf genommen, um den Mittelabfluß zu sichern. Damit ging jedoch für den FSE ein Verlust an Glaubwürdigkeit bei der jeweiligen Zielgruppe einher; dies steigert in keinem Fall das Vertrauen In die polltischen Institutionen des Landes. Das kann am Beispiel eines Grundschulprojekts des FSE in Huaylloco, departamento Oruro, provincia Nor Carangas, verdeutlicht werden. Das FsE-Pojekt bestand darin, Ausrüstungsgegenstände (Schulbänke und -tische, Lehrmaterial) für die einklassige Dorfschule bereitzustellen. Diese Materialien waren jedoch bereits nach einem Jahr nicht mehr gebrauchsfähig. Außerdem wurde eine Folgeinvestition versprochen, jedoch nicht realisiert [Cisneros (1994): Persönliches Interview], Somit trat keine grundlegende Verbesserung in bezug auf die Qualität des Schulunterrichts, den Bildungsstand der aktuellen Schüler oder die Bildungschancen zukünftiger Schüler ein.
135
Nach 1985 hatten die Maßnahmen zur Stabilisierung und Strukturanpassung kurzfristig negative Auswirkungen für die Armen. Auch die in diesem Zusammenhang eingeleiteten Reformen der Sozialsysteme konnten die Situation der Armen - wenn überhaupt - nur langfristig verbessern. Um die Wirtschaftsreformen politisch abzusichern, richtete die bolivianische Regierung 1986/87 den FSE ein, der in erster Linie für Arbeitsbeschaffung und für die Beschaffung ausländischer Mittel der Entwicklungszusammenarbeit sorgen sollte. Beide Ziele wurden weitgehend erfüllt. Darüber hinaus intensivierte sich seit der Einrichtung des FSE die entwicklungspolitische Zusammenarbeit der bolivianischen Regierung mit ausländischen Gebern insgesamt. Daher gilt der FSE im großen und ganzen als eine erfolgreiche Organisation. Trotz bestimmter Merkmale, die unerläßliche Bestandteile einer Wirtschaftspolitik zur Armutsbekämpfung sind - so insbesondere seine Zielgruppenausrichtung und die Orientierung an den Grundbedürfnissen der Armen - wies dieser Fonds jedoch einen gravierenden Mangel auf: Seine Zielsetzungen waren ausschließlich kurzfristiger Natur, langfristige Wirkungen der FsE-Projekte waren daher nicht zu erwarten. Aber gerade eine Organisation, die das Ziel verfolgt, Armut wirksam zu bekämpfen, sollte ein stärkeres Gewicht auf die langfristigen Wirkungen ihrer Maßnahmen legen. Diese Erkenntnis floß in die Konzeption des Fis ein. Dessen Ausgestaltung und Performance ist Gegenstand des folgenden Kapitels.
137
4. Der Fondo de Inversión Social - Ausgestaltung und Performance
4.1. Vorbemerkung Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln der Rahmen für eine Wirtschaftspolitik zur Armutsbekämpfung entworfen und danach die bolivianischen Rahmenbedingungen und Ansätze zur Armutsbekämpfung dargestellt wurden, beschäftigt sich das vierte Kapitel mit dem Fondo de Inversión Social (Fis) als einem wichtigen, wenn nicht dem wichtigsten Träger armutsbekämpfender Maßnahmen in Bolivien. Dieser Träger wird ausführlich beschrieben und seine Performance kritisch beleuchtet. Das Kapitel ist in sechs Abschnitte eingeteilt. Im folgenden Abschnitt 4.2 wird anhand der einzelnen Dekrete und Verordnungen der Gründungsprozeß nachgezeichnet und gezeigt, wie sich das Zielsystem des Fis im Verlaufe dieses Gründungsprozesses entwickelte. Zudem wird in diesem Abschnitt der Frage nachgegangen, inwieweit sich die Konzeption von FSE und Fis voneinander unterscheiden. Dieser Vergleich ist aus dem Grunde interessant, weil der Fis organisatorisch seinem Vorgänger FSE ähnelt, jedoch eine andere Zielsetzung verfolgt. Der dritte Abschnitt des Kapitels beschäftigt sich mit den Inhalten der einzelnen Programme und der Verfahrensweise bei der Abwicklung eines Projektes. Dabei wird deutlich, welche Arbeitsschwerpunkte der Fis setzt und wie versucht wird, durch Standardisierung der Projektbestandteile die Kosten der Projektbearbeitung für den Fis möglichst gering zu halten. Abschnitt 4.4 ist den Einnahmen und Ausgaben des Fis gewidmet. Der Fis finanziert sich vor allem aus Zuschüssen und Darlehen externer Geber. Diese Einnahmen werden zum überwiegenden Teil für die Finanzierung einzelner Projekte verwendet, wobei die einzelnen Projekte im Regelfall auch von Projektträgern und Nutzern mitfinanziert werden. Desweiteren erfolgt eine Betrachtung der Regeln des Fis für das targeting seiner Ausgaben nach Regionen. Im fünften Abschnitt wird untersucht, inwieweit von der Tätigkeit des Fis positive Wirkungen für die Bekämpfung der Armut zu erwarten sind. Dafür werden die Breitenwirksamkeit der Projekte, die Kostenbelastung der Nutzer, die Arbeitsmarkteffekte, die Wirkungen auf Investitionen, Leistungsbilanz und Verschuldung sowie das targeting der Ausgaben des Fis kritisch beleuchtet. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
138
4.2. Entstehung des Fis
4.2.1. Aufarbeitung der Erfahrungen mit dem FSE ais Motiv für die Gründung des Fis In Abschnitt 3.4.2.2 wurde dargestellt, daß die Laufzeit des FSE auf Drängen der externen Geber bei dessen Gründung per Dekret 21.456 auf drei Jahre begrenzt worden war. Aufgrund der generell positiven Ergebnisse des FSE wurden vor Ende dieser gesetzlichen Laufzeit verschiedene Optionen zur Nutzung der Erfahrungen aus dem FSE erörtert. Vier Varianten kristallisierten sich heraus:1 •
Beibehaltung des FSE ohne Änderungen an der Konzeption
•
Umwandlung Zielsetzung
•
Auflösung des FSE und Weiterbeschäftigung seiner leitenden Mitarbeiter in neuen Funktionen
•
Schließung des FSE ohne Nachfolgeinstitution
in
eine zeitlich
nicht
limitierte
Organisation
mit
ähnlicher
Für eine unveränderte Beibehaltung des FSE sprachen seine aus Sicht der Regierung erfolgreiche Tätigkeit in der Abwicklung entwicklungspolitischer Zusammenarbeit und die Befürchtung, daß bei einer Schließung der Organisation ihr gewachsener Erfahrungsschatz nicht mehr nutzbar sein würde. Eine Restriktion stellte allerdings die Finanzierung dar. Der FSE war in erheblichem Maße von Zuweisungen der externen Geber abhängig. Eine Weiterfinanzierung der Organisation ohne tiefgreifende konzeptionelle Änderungen kam für die externen Geber aufgrund der aus ihrer Sicht zu geringen langfristigen Wirkungen der FsE-Projekte jedoch nicht in Betracht. Die nächstliegende Alternative zur unveränderten Beibehaltung des FSE bestand darin, die Konzeption dieses Fonds zu verändern, um die langfristigen Wirkungen seiner Projekte zu steigern. Dies sollte durch eine Überführung in eine zeitlich nicht limitierte Organisation möglich werden. Deren Aufgabe sollte darin bestehen, andere Institutionen des öffentlichen Sektors bei der Abwicklung von Sozialprogrammen zu beraten, um dadurch die Effizienz der öffentlichen Verwaltung zu steigern. Erst in wenigen Bereichen existierten bereits staatliche Einrichtungen, die aus der Tätigkeit des FSE gelernt hatten und in der Lage waren, vergleichbare Projekte zu implementieren. Zudem sollte mit dieser Lösung ein dauerhaftes "Bypassing" der Sektorministerien verhindert werden, da hierdurch der Druck auf die Sektorministerien zur Durchführung interner Restrukturierungsmaßnahmen gemindert worden wäre. 1
Vgl. z u m folgenden Abschnitt Barton (1992): S. 95f.
139
Die Gegner des FsE-Konzepts forderten, daß der Fonds aufgelöst werden müsse, weil er für die Probleme Boliviens nicht das richtige Instrument sei. Im Hinblick auf die zweifellos vorhandene hohe Qualifikation der leitenden Mitarbeiter des FSE wurde diskutiert, sie als eigenständige Gruppe in das Planungsministerium zu integrieren, wo sie gleichzeitig als think tank und Kontrollgremium für künftige Politikplanungen agieren sollten. Diese Variante wurde verworfen, weil Ressentiments der regulären Mitarbeiter des Ministeriums zu befürchten waren. Zunächst plädierten die externen Geber für eine ersatzlose Schließung. Zum einen fürchteten sie, bei einer Weiterführung des FSE, in welcher Form auch immer, an Glaubwürdigkeit zu verlieren; eine Weiterführung verstieß gegen den bei der Gründung des FSE formulierten Grundsatz, die Organisation nach drei Jahren Laufzeit zu schließen. Zum anderen waren während der Laufzeit des FSE die erwarteten Effizienzgewinne in der öffentlichen Verwaltung nicht eingetreten. Dies war darauf zurückzuführen, daß sich die Ministerien auf die Durchführungskapazität des Fonds verlassen und keine internen Reformen eingeleitet hatten. Außerdem verhinderte die mit Dauer und Erfolg der Organisation zunehmende politische Einflußnahme weitere Verbesserungen des FSE. Letztlich überwogen jedoch auch für die externen Geber die positiven Erfahrungen. Aus diesem Grund entschieden sich Regierung und Geber für die Einrichtung eines neuen Sozialfonds, der auf einem überarbeiteten Konzept des FSE fußen sollte. Diesem neuen Fonds wurden die physischen Vermögensgegenstände sowie auch grundlegende Konzepte und Arbeitsrichtlinien des FSE übertragen. Außerdem wurde auch der Personalstamm des FSE übernommen. Neu war die Zielsetzung "Soziale Investition", auf die bereits der Name hinwies: Fondo de Inversión Social (Fis). 4.2.2 Die Genese der Rechtsgrundlagen Die Entwicklung des Rahmens für den Fis nahm mehrere Monate in Anspruch und schlug sich in einer Reihe von gesetzlichen Bestimmungen nieder. Bei Betrachtung der Inhalte dieser Gesetze wird deutlich, wie sich die Zielsetzungen und die Ausgestaltung der Organisation im Verlauf des Gründungsprozesses veränderten. Die Eckdaten dieser Entwicklung sind in Tabelle 4.1 dargestellt.
140
Tabelle 4.1 Entwicklung des Fis-Konzepts 1990/91 Datum
Inhalt
Dekret No. 22.407 11.01.1990 Gründung des Fis Dekret No. 22.452 08.03.1990 Modifikation der Zielsetzungen des Fis Gesetz 1.172
04.07.1990 Regelung zum Übergang der Vermögenstitel des FSE auf den Fondo de Inversion Social (FIS)
Dekret No. 22.542 20.07.1990 Detaillierte Richtlinien für die interne Organisation und die Funktionen de Fis 01.01.1991 Arbeitsbeginn des Fis 31.03.1991 Endgültiges Ende der Existenz des FSE Quelle: eigene Zusammenstellung.
Am 11. Januar 1990 wurde der Fondo de Inversión Social (Fis) als Körperschaft öffentlichen Rechts durch das Dekret 22.407 ins Leben gerufen. Er wurde als technisch und administrativ unabhängige Organisation dem Präsidialamt der Republik Bolivien unterstellt.1 Die Aufgabe der neuen Organisation sollte zunächst darin bestehen, finanzielle Zuwendungen der bolivianischen Regierung und von ausländischen Gebern einzuwerben und diese Mittel dazu zu verwenden, Projekte und Programme mit sozialpolitischer Zielrichtung, vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung, zu fördern. Die Sektorpolitik in beiden Bereichen wurde unter die Oberaufsicht des Nationalen Rates für Sozialpolitik
(CONAPSO)
gestellt.2 Außerdem wurden durch dieses Dekret
die Grundzüge der internen Organisation festgelegt und ein Leitungsgremium berufen, das die Aufgabe hatte, die Bestimmungen innerhalb von 30 Tagen zu präzisieren.3 Die explizite Nennung des Gesundheits- und des Bildungssektors ließ darauf schließen, daß die Programme des FSE zur "ökonomischen Infrastruktur" in Zukunft nicht zu den Aufgaben des Fis gehören sollten; deshalb wurde der Förderbereich "Straßenbau" des FSE auf den Fondo de Desarrollo Campesino (FDC) übertragen. Außerdem ließ die fehlende Erwähnung des Begriffs "Arbeitsbeschaffung" darauf schließen, daß dies kein unmittelbares Ziel des Fis sein solle; damit wurde ein entscheidender Unterschied zur Konzeption des FSE sichtbar.4 '
Vgl. D.S. 22.407, Art. 71.
2
Vgl. D.S. 22.407, Art. 71, Abs. a) - c).
3
Vgl. D.S. 22.407, Art. 72-74.
1
Vgl. Seifert et al. (1992): S. 60.
141
Durch das Dekret 22.452 vom 8. März 1990 wurde eine erste Modifikation der Zielsetzungen des Fis vorgenommen. Das neue Arbeitsziel lautete, die eingeworbenen Mittel zur Finanzierung von Programmen zu verwenden, mit denen die Gesundheitsund Bildungsindikatoren verbessert werden könnten. Außerdem wurde nunmehr die Bevölkerung mit den geringsten Einkommen als Zielgruppe des Fis definiert.1 Damit sind weitere wesentliche Änderungen im Vergleich zum Konzept des FSE ZU konstatieren: Erstens standen die Zielgruppe und das Arbeitsziel des Fis in deutlichem Kontrast zu Arbeitsweise und Zielsetzung des FSE. Zweitens wurden die jeweiligen Fachministerien vorbehaltlich der Genehmigung durch den
CONAPSO
mit der
Ausformulierung einer Strategie für den Fis beauftragt. Dazu wurden ihnen breite Entscheidungsspielräume bei der Auswahl geeigneter Indikatoren und der zu ergreifenden Maßnahmen eingeräumt. Drittens wurde der Förderbereich "Wohnungsbau" des
FSE
an den Fondo Nacionalde Vivienda (FONVI) übertragen.2
Die endgültige Zieldefinition und die Festlegung der Organisationsstruktur erfolgten am 20. Juli 1990 mit der Verabschiedung des Dekrets 22.542. Die endgültige Zielsetzung entsprach derjenigen in Dekret 22.452: Der Fis sollte zur Verbesserung der Gesundheits- und Bildungsindikatoren der armen Bevölkerung beitragen (Art. 15). Zu diesem Zweck erhielt der Fonds das Recht, finanzielle Ressourcen und technische Unterstützung aus dem In- und Ausland einzuwerben (Art. 12), um diese zur Finanzierung von Infrastruktur- und Dienstleistungsprojekten in den sozialen Sektoren zu verwenden (Art. 15). Die wichtigsten Vorschriften für die interne Organisation bestanden in der Einrichtung eines Verwaltungsrates und eines Direktoriums. Im Außenverhältnis wurde der Zwang zur Koordination der Sozialpolitik mit staatlichen Organisationen im Rahmen des
CONAPSO
aufrechterhalten und weiterhin festgelegt, daß nicht-staatliche Organi-
sationen Zugang zu den Projektmitteln des Fis erhalten sollten. Der Fis wurde ohne zeitliche Begrenzung eingerichtet. Mit der Verabschiedung des Dekrets 22.542 war der rechtliche Rahmen des Fis endgültig abgesteckt. Der neue Fonds nahm am 1. Januar 1991 seine Tätigkeit auf. Bis zum 31. März 1991 existierten beide Organisationen parallel; zu diesem Datum erlosch die Rechtspersönlichkeit des FSE.
'
Vgl. D.S. 22.452, Art. 1.
2
Vgl. D.S. 22.452, Art. 1.
142
4.2.3 Vergleichende Betrachtung der Konzeptionen von FSE und Fis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß die Ausgestaltung des Fis maßgeblich auf den Erfahrungen, die mit dem FSE gemacht worden waren, gegründet war. Äußere Anzeichen bestätigen dies: Die institutionelle Anbindung an das Präsidialamt sowie Teile der rechtlichen Ausgestaltung sind bei beiden Organisationen identisch. Die wichtigsten organisationsinternen Kontinuitäten zwischen FSE und Fis ergeben sich aus der Weiternutzung der Infrastruktur des FSE1 und der Übernahme sowohl des Personals als auch einiger Programme des FSE durch den Fis. Auch die Rechtsform des Fis war mit der des FSE identisch: beide Organisationen erhielten den Rechtsstatus einer unabhängigen juristischen Person. Während die Forderung nach organisatorischer Unabhängigkeit für den FSE jedoch darin resultiert hatte, daß dieser ohne formelle Anbindung an andere Institutionen des öffentlichen Sektors agierte und ausschließlich kurzfristig orientierte und isolierte Projekte abwikkelte, wurden bei der Gründung des Fis entscheidende Neuerungen hinsichtlich seiner Ausgestaltung als Organisation ohne Befristung der Existenz und hinsichtlich der weitergehenden Integration in den öffentlichen Sektor vorgenommen. Der Verzicht auf eine Befristung des Fis wurde als Voraussetzung für eine langfristig orientierte Tätigkeit angesehen, da nun eine kontinuierliche Betreuung der Projekte und ein institutioneller Lernprozeß möglich wurden. Die stärkere Integration in den öffentlichen Sektor hatte den Zweck, Spill-over-Effekte auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes zu fördern. Dieser Zweck wurde vor allem mit der Vorgabe verfolgt, daß sich der Fis mit den Fachministehen und Durchführungsorganisationen des sozialen Sektors im Rahmen des
CONAPSO
abzustimmen hatte.
Wie oben bereits angedeutet, verschob sich mit der Einrichtung des Fis das Zielsystem der Organisation. Die drei Hauptziele des FSE waren die kurzfristige Arbeitsbeschaffung, die Bereitstellung von sozialen Dienstleistungen und die Einwerbung ausländischer Ressourcen gewesen, die als Voraussetzung für die politische Durchsetzbarkeit der makroökonomischen Stabilisierung angesehen worden waren. Bei der Einrichtung des Fis spielte kurzfristige Arbeitsbeschaffung als Organisationsziel keine Rolle mehr; das Hauptziel war nunmehr langfristig orientiert und bestand in der Finanzierung von Projekten zur Bereitstellung sozialer Dienstleistungen. Hatte die Einwerbung von Fremdmitteln, wie geschildert, für den FSE den Charakter eines Organisationsziels eingenommen, so besaß diese Finanzierungsmöglichkeit für den Fis zwar ebenfalls einen hohen Stellenwert, ihr wurde jedoch kein 1
Sogar der Briefkopf des Fis wurde noch 1993 vom Schriftzug des FSE geziert.
143
Zielcharakter mehr beigemessen. Dies geht aus dem Abschnitt "Sonstige Vorschriften" des Dekrets 22.452 hervor, in dem festgelegt wurde, daß "[d]er Fondo de Inversión Social der Republik Bolivien [...] technische Unterstützung und jedwede Form finanzieller Ressourcen, lokale und externe, zu Lasten und auf Kosten der Einrichtungen der technischen Zusammenarbeit und anderer Finanziers einwerben, verwalten und annehmen [darf], Daß die Einwerbung ausländischer Ressourcen für den Fis einen hohen Stellenwert als Finanzierungsmöglichkeit besaß, zeigt die Tatsache, daß die finanziellen Verhältnisse überhaupt per Dekret detailliert geregelt und dem Fis dabei ein relativ großer Spielraum eingeräumt wurde. Aus der Stellung im Dekret und aus dem Text des zitierten Artikels wird aber deutlich, daß die Aquisition ausländischer Finanzmittel per se nicht mehr als unmittelbares Organisationsziel aufgefaßt wurde. Faßt man die Ergebnisse der Gründungsphase des Fis zusammen, so zeigt sich trotz der angeführten Unterschiede ein hoher Grad an Kontinuität zwischen FSE und Fis. Daher ist zu fragen, ob aus institutionenökonomischer Sicht im Falle des Fis überhaupt von einer neugegründeten Organisation gesprochen werden kann.2 Da sich das Regelwerk des Fis in weiten Teilen nicht von dem des FSE unterschied und auch der Mitarbeiterstamm weitgehend unverändert blieb, ist der Fis keine grundlegend neue Organisation. Vielmehr kann der Fis als ein weitgehend reformierter FSE verstanden werden; die Reform wiederum ist als Reaktion der Regierung und der ausländischen Geber auf veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und auf die seit der Gründung des FSE gemachten Erfahrungen zu begreifen. Als wichtigster Unterschied ist die im Vergleich zum FSE veränderte und längerfristig angelegte Zielsetzung des Fis festzuhalten. In den nächsten Abschnitten wird die Frage zu klären sein, ob sich diese Änderung des Regelwerks des Sozialfonds dem angesprochenen hohen Grad an Kontinuität zum Trotz - auf die Arbeitsweise der Organisation auswirkte und damit zu einer Änderung der Ergebnisse führte.
'
D.S. 2 2 . 5 4 2 , Art. 12; Übersetzung des Verfassers.
2
Als "Organisation" wird die Verbindung eines spezifischen Regelwerks, des institutionellen Rahmens, mit den Personen, die dieses Regelwerk anwenden, verstanden. Vgl. North (1990): S. 5.
144
4.3. Konzeption der Projekte
4.3.1. Abgrenzung der Arbeitsfelder und Programmkomponenten Die Strategie des Fis wurde in Dekret 22.542 folgendermaßen formuliert: Das Ziel, "die Gesundheits- und Bildungsindikatoren der ärmsten Bevölkerung"1 zu verbessern, sollte durch die Bereitstellung von Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte erreicht werden. Diese Projekte sollten Infrastruktur und Dienstleistungen in den Bereichen Basisgesundheitsversorgung, grundlegende Sanitärversorgung, Ernährung, Grundbildung und technische Fortbildung umfassen. Zu diesem Zweck hatte der Fis Kriterien für die Förderungswürdigkeit von Projekten zu entwickeln, die mit dem CoNAPSO
und den Fachministerien, namentlich dem Planungsministerium
(MPC),
dem Er-
ziehungsministerium (MEC) und dem Ministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (MPSSP), abzustimmen waren.2 Förderungswürdige Projekte und Programme sollten außerdem möglichst schnell implementiert werden, den Bedürfnissen der Zielgruppe gerecht werden und über das Fis-Engagement hinaus weiter funktionieren.3 Der Fis wurde den gesetzlichen Auflagen dadurch gerecht, daß Richtlinien zur Förderung von Projekten entwickelt wurden. Diese Richtlinien sehen vor, daß sich förderungswürdige Vorhaben in vorgegebene Programme einordnen lassen sollen. Für jedes Programm existieren mehrere Standardtypen von Projekten; Vorhaben, die von diesen Standards abweichen, werden nur in (seltenen) Ausnahmefällen gefördert. Diese enge Festlegung förderungwürdiger Projekte hat den Zweck, die Transparenz der Auswahlverfahren zu erhöhen. Dadurch wird die Prüfung der Projektanträge durch die Mitarbeiter des Fis erleichtert. Außerdem liegt eine derartige Reglementierung im Interesse der externen Geber, weil dadurch auch deren Aufwand zur Prüfung der Funktionsfähigkeit des Fis erleichtert wird: Da die Projektförderung auf standardisierte Vorhaben beschränkt ist, kann die Wirksamkeit des Fis dadurch festgestellt werden, daß erstens die Standards auf ihre theoretische Wirksamkeit geprüft werden und zweitens die Einhaltung der Reglements durch den Fis stichprobenartig überwacht wird.
' 2 3
D.S. 22.542, Art. 15. Vgl. D.S. 22.542, Art. 15. Vgl. D.S. 22.542, Art. 16 , Abs. a) - d).
145
Die Standardprojekte waren anfangs in die drei Programme Gesundheit, Bildung und Förderung von Institutionen zusammengefaßt. Nach dem Amtsantritt von Präsident Sanchez de Lozada wurde der Programmkatalog 1993/94 reformiert, indem das Gesundheitsprogramm in die Bereiche Gesundheitsversorgung und Basissanitärversorgung aufgespalten wurde. Das Angebot wird seitdem ergänzt durch das Programm Andere Projekte, in das das bisherige Programm zur Förderung von Institutionen, ergänzt um das Unterprogramm "Komplementäre Maßnahmen", einging. Die Inhalte dieser Reform sind in Tabelle 4.2 zusammengefaßt. Tabelle 4.2 Programme vor und nach der Organisationsreform 1993 Programmkatalog 1992/93
Programmkatalog 1994 Gesundheitsversorgung
Gesundheit Basissanitärversorgung Bildung
Bildung
Förderung von Institutionen
Andere Projekte - Komplementäre Maßnahmen - Institutionelle Förderung
Quellen: Presidencia de la República (1992; 1993); República de Bolivia (1994).
Im Untersuchungszeitraum von der Gründung des Fis am 1. Januar 1990 bis zum 1. März 1995 wurden insgesamt 1.629 Projekte mit einem Gesamtvolumen von US$ 131,5 Mio. zur Finanzierung freigegeben. Zu diesem Gesamtvolumen der Projekte trug der Fis US$ 104,8 Mio. bei; die restlichen Ausgaben der Projekte in Höhe von US$ 26,7 Mio. wurden von den Antragstellern bzw. der Zielgruppe beigetragen.1 Aus der folgenden Tabelle 4.3 ist die Aufteilung der Projekte und der zugehörigen Mittel auf die einzelnen Programme ersichtlich. Der Tabelle ist zu entnehmen, daß das Bildungsprogramm an der Projekttätigkeit des Fis - sowohl gemessen an der Zahl der Projekte als auch an der Höhe der Gesamtausgaben - den größten Anteil hatte. Den nächstgrößeren Anteil nahmen Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Anspruch, gefolgt von dem Basissanitärversorgungsprogramm; das Programm "Andere Projekte" spielte sowohl hinsichtlich der Anzahl der Projekte als auch hinsichtlich des Finanzierungsanteils des Fis nur eine untergeordnete Rolle.
1
Die Struktur der Projektfinanzierung wird in Abschnitt 4.4.2.2 eingehend dargestellt.
146
Tabelle 4.3 Projektanzahl und Ausgaben nach Programmen 1991-95 Programm
Anzahl Gesamtes Finanzierungs- Zuschuß Fis Projekte volumen (Mio. US$) (Mio. U S $ ) 807
50,3
Gesundheitsversorgung
503
41,7
34,5
Basissanitärversorgung
312
37,3
28,7
Bildung
Andere Projekte Gesamt
40,8
7
2,2
0,8
1.629
131,5
104,8
Quelle: Fondo d e Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Aufschluß über die Größe der Projekte in den unterschiedlichen Programmen erhält man, indem man das gesamte Finanzierungsvolumen auf die Anzahl der Projekte bezieht. Als Ergebnis zeigt sich, daß das durchschnittliche Finanzierungsvolumen je Projekt im letztgenannten Programm mit US$ 314 Tsd. weitaus höher lag als in den Programmen "Basissanitärversorgung" (US$ 119 Tsd.), "Gesundheitsversorgung" (US$ 82 Tsd.) und "Bildung" (US$ 62 Tsd.).
4.3.2 Förderungswürdige Komponenten eines Projekts In speziellen Richtlinien ist für jedes Unterprogramm vorgeschrieben, welche Projektbestandteile durch den Fis finanziert werden können.1 Der Förderungsbetrag, den der Fis zu einem bestimmten Projekt gewährt, wird nicht pauschal festgesetzt, sondern für jedes Projekt speziell berechnet. Dieser Beitrag richtet sich nach den für die Ausführung eines Projekts nötigen Leistungen, die nach dem "Baukastenprinzip" aus einem Katalog standardisierter Projektelemente ausgewählt werden. Die standardisierten Elemente werden "Projektkomponenten" genannt und sind jeweils einer Projektphase zugeordnet. Als Projektphasen werden die ("preinicio"),
die
Durchführungsphase
("inversión')
und
Vorbereitungsphase die
Nutzungsphase
("operación") unterschieden. Die Förderung der Vorbereitungsphase hat den Zweck, die Qualität der Projektanträge zu erhöhen. In dieser Phase werden Consultantaufträge für die Vorbereitung von Projektanträgen als "Komponente
PREINVERSION"
finanziert; darunterfallen techni-
sche Vorstudien und Kostenpläne, deren Anfertigung die Antragsteller überfordern würde.
'
Der Ablauf der Projektprüfung wird in Abschnitt 5.3.4.1 erläutert.
147
Während der Durchführungsphase werden die Kosten für Baumaßnahmen, Ausstattung, Fortbildungsveranstaltungen für Projektträger und die Überwachung der Arbeiten getragen. Die mit einem Projekt verbundenen Baumaßnahmen gehen als "Komponente
INFRASTRUKTUR"
in die jeweilige Projektfinanzierung ein. Darin sind, je
nach Projekttyp, Kosten für Neubau, Erweiterung und Umbau von Gebäuden, Anlagen und Wegen, enthalten. Die spätere Nutzung eines Projekts durch die Zielgruppe setzt eine angemessene sachliche und personelle Ausstattung der Einrichtung voraus. Die Grundausstattung mit Sachmitteln wird als Teil der Durchführungsphase begriffen und umfaßt z.B. einen Bestand an Medikamenten, Schulbüchern oder Ausbildungsmaterialien. Diese Grundausstattung wird als "Projektkomponente
AUSRÜSTUNG"
bezeichnet; der finan-
zierungsfähige Personalaufwand hingegen wird der Nutzungsphase zugerechnet. Zur Sicherung des termin- und sachgerechten Fortgangs von Infrastrukturarbeiten in der Durchführungsphase wird für jedes Projekt ein unabhängiger Gutachter kontrahiert.1 Die Kosten dafür gehen als "Komponente
SUPERVISIÓN"
in die Projektfinanzie-
rung des Fis ein. In der Nutzungsphase trägt der Fis als "Komponente
LIEFERUNGEN UND LEISTUNGEN"
die
laufenden Kosten für Verbrauchsstoffe, Rohstoffe und Vorleistungen. Für diese Komponente gelten sehr restriktive Bedingungen. Entweder wird die Förderung als einmaliger Pauschalbetrag gewährt oder zeitlich befristet. Zudem wird erwartet, daß der Projektträger aus Nutzergebühren bereits in der Anlaufphase des Betriebs Einnahmen erwirtschaftet, um den Betrieb des Projekts auf mittlere Sicht zu sichern.2 Die "Komponente
LAUFENDE GEHÄLTER"
ist generell zeitlich befristet. Der Titel kann nur
in Anspruch genommen werden, wenn das Projekt nicht in die Zuständigkeit der Fachministerien fällt. Die "Komponente
SCHULUNGSMA&NAHMEN FÜR GEMEINDEN (CAPACITACIÓN C O M U N A L ) "
wird
als vertrauensbildende Maßnahme verstanden und soll die Akzeptanz des Projektes bei der Zielgruppe fördern. Das geht aus der folgenden Beschreibung des Zwecks der Maßnahmen hervor: "Diese Komponente bezieht sich auf den Prozeß der Erziehung und Unterrichtung der gesamten Gemeinde mit dem Ziel, ein Bewußtsein für die Pflichten und Rechte zu schaffen, die mit den Leistungen eines Projektes einhergehen:"3
1
Z u r Funktion d e s Supervisors vgl. Abschnitt 5.3.5.
2
Presidencia d e la República (1993): S. 16.
3
República d e Bolivia ( 1 9 9 4 ) : S. 2 1 ; Übersetzung des Verfassers.
148
4.3.3 Das Gesundheitsprogramm Das Gesundheitsprogramm sollte zum Aufbau des öffentlichen Gesundheitswesens beitragen. Das Programm bestand ursprünglich aus den Unterprogrammen öffentliche Gesundheitsversorgung und Nahrungsversorgung, die wiederum in jeweils zwei Programmkomponenten untergliedert waren. Die Programmbestandteile sind in Abbildung 4.1 dargestellt. Abbildung 4.1 Unterprogramme des Gesundheitsprogramms bis 1994 Entwicklung der Öffentliche
Gesundheitsdienste
Gesundheitsversorgung Impfprogramm ( 1 9 9 3 gestrichen)
GESUNDHEIT
Ernährungszentren für Kleinkinder Nahrungsversorgung (1993 gestrichen)
Schwangerschaftsvorund -nachsorgezentren
Basissanitärversorgung (seit 1993 eigenes Programm)
Quelle: Fondo de Inversión Social (1992a); Ergänzungen des Verfassers.
Im Rahmen des Unterprogramms Entwicklung der Gesundheitsdienste werden Neubauten und die Renovierung bzw. Ausstattung von Gesundheitseinrichtungen, vorwiegend im ländlichen Raum, finanziert sowie ein zeitlich begrenzter, gestaffelter Beitrag zu den Anlaufkosten des Betriebs gewährt. Dieses Unterprogramm weist einige verwaltungsmäßige und auch finanzierungstechnische Sonderregelungen auf. Die verwaltungsmäßige Besonderheit besteht in der besonders starken Regulierung durch das Staatssekretariat für Gesundheit, das ehemalige Gesundheitsministerium. Diese Regulierung äußert sich darin, daß ein großer Teil der Fis-Projekte durch das System der lokalen Gesundheitseinrichtungen (SILOS)
getragen wird.
SILOS
ist eine Organisationseinheit des ehemaligen Gesund-
heitsministeriums. Bestimmte Gesundheitsdienste können auch von NGO oder privaten Organisationen angeboten werden. In diesen Fällen muß der Antragsteller eine
149
Lizenz des Gesundheitsministeriums vorweisen und eine Kooperationsvereinbarung mit der zuständigen Unidad Sanitaria abschließen.1 Die finanzierungstechnische
Besonderheit liegt darin, daß Teile des
Unter-
programms aus Mitteln des "Integrierten Projekts zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung"
(PROISS)
finanziert wurden. Das
PROISS
ist ein Projekt der boliviani-
schen Regierung, das mit einem von der Finanzierung des Fis unabhängigen Kredit der Weltbankgruppe finanziert wird,2 dessen Abwicklung jedoch teilweise in den Händen des Fis liegt. In den aus PRoiss-Mitteln finanzierten Einzelprojekten werden - im Gegensatz zu den sonstigen Regelungen des Fis - grundsätzlich keine Eigenbeiträge der Zielgruppe erhoben.3 Der zweite Teilbereich bestand aus einem Impfprogramm, das in das Programa Nacionai de Control de Vectores
(PNCV)
eingegliedert war. Das
PNCV
wurde zur Be-
kämpfung diverser Erreger (Chagas'sehe Krankheit, Malaria, Gelbfieber, Denguefieber, Cholera, Leishmaniasis etc.) aufgelegt und sah Vorsorgemaßnahmen, die Behandlung konkreter Krankheitsfälle und die Kontrolle von Epidemien vor. 1993 wurde das Impfprogramm wieder aus dem Rahmen des Fis gestrichen. Ebenfalls nur bis 1993 war die Verbesserung der Nahrungsversorgung ein Unterprogramm des Fis. Ziel war die Verringerung der Unter- und Fehlernährungsrate bei Müttern und Kindern. Ein erwünschter Nebeneffekt der Bereitstellung von Nahrungsmitteln lag darin, in diesen Verpflegungseinrichtungen auch den Zugang zur weiblichen ländlichen Bevölkerung zu erleichtern und diese mit Maßnahmen zur vorgeburtlichen Gesundheitskontrolle, Impfungen und anderen präventiven Maßnahmen versorgen zu können.4 Zu diesem Zweck wurden neben Nahrungsmittelstationen auch spezielle Schwangerschaftsvor- und -nachsorgeeinrichtungen finanziert. Im Zuge der Neuordnung des Fis wurde das Nahrungsmittelversorgungsprogramm ab 1993
von dem staatlichen Organismo Nacionai del Menor, Mujer y Familia
(ONAMFA)
weitergeführt.5 Auf die Konzeption des ehemals dritten Unterprogramms Basissanitärversorgung wird in Abschnitt 4.3.4 eingegangen. Die folgende Tabelle 4.4 zeigt die Verteilung
'
Auf die Regulierung von Fis-Projekten durch andere öffentliche Einrichtungen wird in Abschnitt 5.3.4 eingegangen.
2
Das Projekt soll die Verfügbarkeit von Ressourcen im Gesundheitssektor steigern und die Nutzung der Ressourcen verbessern. Geplant war ein Gesamtvolumen von US$ 20 Mio. [Vgl. World Bank (1989b): S. VII], Von den bewilligten Projektmitteln des LOA-Kredits No. 2.092 werden U S $ 5,4 Mio. über den Fis abgewickelt. Vgl. Fis (1994).
3
Wipplinger (1995): Persönliches Interview. Vgl. Presidencia de la República (1992): S. 15.
' 5
Vgl. Presidencia de la República (1992, 1993): S. 13; República de Bolivia (1994): S. 13; Ministerio de Desarrollo Humano (1994a): S. 3.
150
der
Projekte
und
der
Projektausgaben
des
Gesundheitsprogramms
nach
Unterprogrammen. Tabelle 4.4 Gesundheitsausgaben nach Unterprogrammen 1991-95 Projekte Anzahl Anteil
- Entwicklung der Gesundheitsdienste
453
Anteil
Beitrag Fis zu Gesamtausgaben Summe Anteil
(% der Gesamtsumme)
(Mio. US$)
(% d. Gesamtsumme)
90,1
29,9
71,8
24,1
80,5
438
87,1
23,9
57,4
20,0
83,8
15
3,0
6,0
14,4
4,1
67,5
9,9
11,7
28,2
10,4
- Impfprogramm Nahrungsmittelversorgung davon:
Summe11
(% d. Gesamtzahl) (Mio. US$)
Programm/ Komponente Öffentliche Gesundheitsversorgung davon:
Gesamtausgaben1
50
89,0
- Nahrungsmittelstationen
21
4,2
1,5
3,6
1,1
73,5
- Schwangerschaftsvor- und -nachsorge
29
5,8
10,2
24,6
9,3
91,3
100
41,6
100
34,5
82,9
Gesundheitsprogramm gesamt 1)
503
Die Gesamtsumme der Ausgaben umfaßt die finanziellen Beiträge des Fis, der Projektträger und der Nutznießer. Zur Bedeutung der drei Parteien für die Projektfinanzierung vgl. 4.4.2.2.
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die weitaus meisten Projekte des Gesundheitsprogramms des Fis betrafen die Verbesserung des öffentlichen Gesundheitswesens. Das Nahrungsprogramm bestand demgegenüber aus relativ wenigen Projekten, was sich auch aus der 1993 erfolgten Streichung erklärt. Es fällt auf, daß die Projekte dieses Unterprogramms zu einem verhältnismäßig großen Teil durch den Fis finanziert wurden: Der finanzielle Beitrag des Fis belief sich auf durchschnittlich 89% der Gesamtausgaben des Projekts, verglichen mit 80,5% im Programm öffentliche Gesundheitsversorgung. Nach der Streichung des Unterprogramms Nahrungsversorgung sind die Überschneidungen der Zuständigkeiten und Aufgaben des Fis mit denen des Gesundheitsministeriums noch größer geworden.
151
4.3.4 Das Basissanitärversorgungsprogramm Mit dem Programm zur Basissanitärversorgung wurde dem Ziel Rechnung getragen, die hygienischen Verhältnisse für die Bevölkerung zu verbessern. Das Programm besteht aus Maßnahmen zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung und zur Abwasserentsorgung.
Ursprünglich als Unterprogramm des
Gesundheits-
programms konzipiert, erfuhr der Bereich durch die Reform der Aufgaben des Fis eine inhaltliche und organisatorische Aufwertung, da er seit 1993 als eigenständiges Programm geführt wird. Das Programm Basissanitärversorgung richtet sich an die Bevölkerung ländlicher Regionen und von Stadtrandgebieten. Dabei konzentriert sich die Arbeit des Fis in 80 Provinzen, die durch das MPSSP als prioritäre Provinzen für die Gesundheits- und die Sanitärversorgung definiert wurden. Im Jahr 1994 wurde im Rahmen der Neuordnung der Kompetenzen der Ausführungsorgane des Ministerio de Desarrollo Humano eine Eingrenzung des Verantwortungsbereiches des Fis vorgenommen. Bis dahin hatte neben dem Fis auch der Fondo Nacional de Desarrollo Regional (FNDR), eine nahezu identische Organisation, denselben Auftrag verfolgt. Nunmehr ist durch eine interinstitutionelle Vereinbarung festgelegt, daß der Fis innerhalb der prioritären Provinzen alle Projekte mit einem Einzugsbereich von weniger als 5.000 Personen finanziert, während der FNDR alle Projekte betreut, die in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern durchgeführt werden. Projekte für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl zwischen 5.000 und 10.000 sollen in Absprache von einem der beiden Fonds übernommen werden.1 Tabelle 4.5 schlüsselt nun die Sanitärversorgungsausgaben nach Unterprogrammen auf. Tabelle 4.5 Sanitärversorgungsausgaben nach Unterprogrammen 1991-95 Projekte Programm/ Komponente Basissanitärversorgung ges. - Trinkwasser - Abwasser 1)
Anzahl 312
Gesamtausgaben1
Anteil
Betrag1'
Anteil
(% d. Gesamtzahl)
(Mio. US$)
(% der Gesamtsumme)
(Mio. US$)
(% der Gesamtsumme)
100
37,3
100
28,7
76,9
239
76,6
28,3
75,9
21,6
76,3
73
23,4
8,9
24,1
7,1
79,8
Die Gesamtsumme der Ausgaben umfaßt die finanziellen Beiträge des Fis, der Projektträger und der Nutznießer. Zur Bedeutung der drei Parteien für die Projektfinanzierung vgl. 4.4.2.2.
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen. 1
Beitrag Fis zu Gesamtausgaben Anteil Betrag
Vgl. República de Bolivia (1994): S. 7.
152
Aus der Tabelle geht hervor, daß im Untersuchungszeitraum der größte Teil der Mittel für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung verausgabt wurde; die Finanzierung von Vorhaben zur Abwasserentsorgung umfaßte hingegen weniger als 25% der Ausgaben des Fis im Sanitärversorgungsprogramm.
4.3.5 Das Bildungsprogramm Mit dem Bildungsprogramm wird das Ziel verfolgt, den Bildungsstand der bolivianischen Bevölkerung zu erhöhen. Im Gegensatz zum Gesundheitsprogramm war das Bildungsprogramm von der Reform des Fis im Jahre 1993 nicht betroffen. Seit dem Amtsantritt der Regierung Sánchez de Lozada kam dem Bildungsprogramm jedoch eine gesteigerte politische Bedeutung zu, weil vom Fis entwickelte Maßnahmen einen maßgeblichen Bestandteil der umstrittenen Reform des
Bildungswesens
bildeten.1 Die Schwerpunkte des Bildungsprogramms des Fis liegen in den Bereichen Grundbildung und berufsorientierte Aus- und Weiterbildung von Frauen.2 Dabei werden zwei Strategien verfolgt: Zum einen wird versucht, die Qualität des Unterrichts zu verbessern, zum anderen soll breiteren Bevölkerungsschichten ein Zugang zum Bildungswesen eröffnet werden. Als spezifische Ziele des Programms werden die Finanzierung von Bildungsinfrastruktur, von Einrichtungsgegenständen und Personal sowie in bestimmten Fällen auch von notwendigen Unterrichtsmaterialien genannt.3 Das Bildungsprogramm besteht aus den Unterprogrammen Educación Formal und Educación No-formal (vgl. Abbildung 4.2). Die Komponente formelle Ausbildung des Unterprogramms Educación Formal hat das Ziel, den Deckungsgrad des Grundschulsystems zu erhöhen. Insbesondere in ländlichen Regionen und Stadtrandgebieten fehlen Schulen für schulpflichtige Kinder. Aus diesem Grund finanziert der Fis durch dieses Programm vorrangig Grundschulen
in
ländlichen
Gegenden.
Diese
Schulen
gehören
zum
formellen
1
Seit der Verkündung der Gesetze zur Erziehungsreform und zur Volksbeteiligung stieg die Streikbereitschaft der bolivianischen Arbeitnehmer. Der Grund hierfür ist offenbar, daß verschiedene Gewerkschaften - darunter auch die Lehrergewerkschaft - eine gemeinsame Strategie zur Durchsetzung ihrer Interessen entwickelt haben. Die Regierung reagierte im April 1995 mit der Ausrufung eines neunzigtägigen Ausnahmezustandes, der mit der Deportation führender Gewerkschaftsfunktionäre in entlegene Regionen des Landes verbunden war [Vgl. Kamofsky (1995)]. Der Stellenwert der Reformen wird daraus deutlich, daß der sehr populäre stellvertretende Staatspräsident Victor Hugo Cárdenas sein politisches Schicksal mehrfach mit dem Gelingen der Bildungsreform verknüpfte.
2
Vgl. Presidencia de la República (1992): S 17.
3
República de Bolivia (1994): S. 13.
153
Erziehungswesen. Als Zielgruppe werden Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 13 Jahren angesprochen. Abbildung 4.2 Unterprogramme des Bildungsprogramms 1991-95 System mehrstufiger ländlicher Grundschulen |
Formelle Bildung
Neubau, Renovierung, Erweiterung und Ausstattung staatlicher Schulen Multiedukative Interkulturelle Schulzentren (CEMEIs)
AUS-UND WEITERBILDUNG
|
Weiterbildung von Frauen
|
Berufliche Weiterbildung Ländliche Internate
Nicht-formelle Ausund Weiterbildung
Fortbildung für Lehrer und kommunale Angestellte I
Gesundheitsweiterbilduncj
I
Spezielle Projekte |
Quelle: Fondo de Inversión Social (1992a).
Die Programmkomponente System mehrstufiger ländlicher Grundschulen sieht die Errichtung von Primarschulen auf dem Land vor. Diese Schulgebäude haben in der Regel ein Klassenzimmer, in dem Schüler mehrerer Altersstufen von einem oder zwei Lehrern gleichzeitig unterrichtet werden. Die Programmkomponente Neubau, Renovierung, Erweiterung und Ausstattung staatlicher Schulen im Primarschulbereich hat das Ziel, das Leistungsangebot der bestehenden Grundschulen zu verbessern. Die Multiedukativen Interkulturellen Schulzentren (CEMEIS) sind ehrgeizige Pilotprojekte, die im Kontext der Erziehungsreform zu sehen sind und deren hohen Anspruch nochmals unterstreichen. 1 Die Zielgruppe umfaßt Schüler der Primarstufe, '
Ein CEMEI umfaßt Bibliothek, Videothek, Computerzentrum, Kindertagesstätte, Werkstätten, Hörsaal und Sportfelder. Die Bibliothek umfaßt vorrangig Nachschlagewerke und Schulbücher und besteht aus einem Lesesaal und mehreren Räumen, in denen Schüler unter Aufsicht und Anleitung
154
die in stadtnahen Gebieten mit mehr als 3.000 Schulpflichtigen leben.1 Die Leistungen des Fis bestehen aus der Finanzierung der Infrastruktur, der Ausrüstung, eines Teils der Personalkosten und der Ausbildung des pädagogischen Personals. Der Antragsteller und spätere Projektträger muß sich bei Vertragsabschluß mit dem Fis zur Instandhaltung der Gebäude und Anlagen verpflichten und anhand eines Finanzierungsplans sicherstellen, daß die Aktivitäten nach Rückzug des Fis fortgeführt werden.2 Das Unterprogramm zur nicht-formellen Aus- und Weiterbildung besteht aus einem Bündel von Maßnahmen, die nicht oder nur indirekt mit der staatlichen Schulausbildung in Verbindung stehen. Das Ziel besteht in der Herausbildung praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten für das Erwerbsleben. In den Programmbeschreibungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß keine höhere Bildung angestrebt wird, sondern daß die Ausbildungsschwerpunkte in der Vermittlung der elementaren Fähigkeiten Lesen, Rechnen und Schreiben bestehen.3 Das Unterprogramm zur nicht-formalen Ausbildung hat sechs Komponenten (vgl. Abbildung 4.2). Die Programmkomponente Aus- und Weiterbildung von Frauen hat das Ziel, den Bildungsstand der weiblichen Bevölkerung zu steigern, um eine Voraussetzung für eine selbständige Teilnahme am Berufsleben zu schaffen. Die wichtigsten Maßnahmen umfassen Alphabetisierungslehrgänge, Sexualausbildung und Hygienekurse für die ländliche weibliche Bevölkerung sowie die institutionelle Unterstützung von Basisorganisationen für Frauen. Auch die Komponente berufliche Weiterbildung verfolgt das Ziel, vor allem Frauen die Teilnahme am Berufsleben zu ermöglichen. Dazu werden in ländlichen Regionen landwirtschaftliche Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt. In städtischen Randgebieten hingegen haben die Maßnahmen eher eine handwerkliche Ausrichtung; es werden aber auch Kurse in Organisation, Verwaltung und Kreditbewirtschaftung für informelle Geschäftsbetriebe angeboten. Die Fördermaßnahmen umfassen die Finanzierung von Infrastruktur, Ausrüstung und Betriebskosten." von Lehrern ihre Hausaufgaben anfertigen können. Die Videothek enthält eine Grundausstattung an Lehrfilmen. Das Computerzentrum soll den Schülern die Möglichkeit geben, sich mit Informatik zu befassen, da a m Arbeitsmarkt in zunehmendem M a ß e Computerkenntnisse vorausgesetzt werden. Die Werkstätten sollen der handwerklichen - Keramik, Holzbearbeitung etc. - und der hauswirtschaftlichen Ausbildung - Kochkurse, Gebrauch elektrischer Geräte etc. - der Schülerinnen und Schüler dienen. 1
Vgl. Presidencia de la República (1993): S. 18; in der Präsentation des Jahres 1994 wird bestimmt, d a ß mindestens 5 . 0 0 0 Schüler im Einzugsbereich eines CEMEIS leben müssen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, d a ß ein enger Zusammenhang zwischen der Einrichtung der CEMEIS und der Erziehungsreform besteht und daher das Konzept der CEMEIS nur vorläufig festgelegt ist. Vgl. República de Bolivia (1994): S. 15.
2
Vgl. Presidencia de la República (1993): S. 19.
3
República de Bolivia (1994): S. 17.
155
Das Unterprogramm ländliche Internate ist eine komplementäre Maßnahme zum staatlichen Schulsystem und richtet sich an Kinder im schulpflichtigen Alter in ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte, in denen keine staatliche Schule existiert. In diesen entlegenen Gebieten wird mit dem Unterprogramm zur Finanzierung von Internaten versucht, örtliche Basisorganisationen zur Einrichtung zentral gelegener Unterkunfts- und Bildungsstätten anzuregen. Diese sollen Schülern aus Gemeinden ohne Schule einen geregelten Schulbesuch ermöglichen bzw. Kindern im Grundschulalter eine Alternative zum staatlichen Bildungssystem bieten, mit der eine einfache Grundbildung erlangt werden kann.2 Die ländlichen Internate unterscheiden sich vom staatlichen Schulsystem nicht nur in organisatorischer Hinsicht sondern auch bezüglich ihrer Ausbildungsinhalte. Während das Curriculum der öffentlichen Schulen bisher monokulturell aufgebaut war und bilingualer Unterricht nur langsam eingeführt wird, liegen die Schwerpunkte des Erziehungsprogramms ländlicher Internate auf landwirtschaftlicher Ausbildung und zweisprachigem Unterricht.3 Diese Schwerpunkte sind im Erziehungskonzept Yachay WasZ4 festgehalten. Drei kleinere Programmkomponenten umfassen die "Fortbildung für Lehrer und Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen", die "Gesundheitsweiterbildung" sowie "Spezielle Projekte". Die Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer haben den Zweck, angehende oder bereits tätige Lehrer für ihren Unterrichtseinsatz weiterzubilden. Im Rahmen dieser Fortbildungen können sie die Zertifikate erwerben, die nach der Verabschiedung der Bildungsreform eine zwingend notwendige Voraussetzung für Lehrtätigkeit darstellen. Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen sind notwendig zur Umsetzung des Gesetzes zur Volksbeteiligung und den darin enthaltenen Dezentralisierungsmaßnahmen. Mit dem Unterprogramm Gesundheitsweiterbildung werden sowohl Kurse für Notfallhelfer und Sanitätspersonal als auch Hygienekurse für die Bevölkerung finanziert. Für das Unterprogramm Spezielle Projekte existiert keine eindeutige Abgrenzung. Es umfaßt Projekte, die andere Bildungsprojekte ergänzen sollen. Die folgende Tabelle 4.6 zeigt die Verteilung der Bildungsausgaben auf die Unterprogramme.
1 2 3
4
República de Bolivia (1994): S. 17. Wipplinger (1996): Persönliches Interview. Vgl. Presidencia de la República (1992): S. 18; Presidencia de la República (1993): S. 18; sowie ARFA/Fis (1993): S. 39 ff. Zur Organisationsstmktur eines Yachay Wasi vgl. ebenda S. 201ff. Yachay (quetchua) = lernen; Wasi (quechua) = Haus.
156
Tabelle 4.6 Bildungsausgaben nach Unterprogrammen 1991-95 Projekte
Programm/ Komponente Formelle Bildung - System mehrstufiger ländl. Grundschulen - Neubau, Erweiterung staatlicher Schulen - Multiedukative interkulturelle Schulzentren Nicht-formelle Aus- und Weiterbildung - Weiterbildung von Frauen - Berufliche Weiterbildung - Ländliche Internate - Fortbildung für Lehrer und kommunale Angestellte - Gesundheitsweiterbildung - Spezielle Projekte Aus- und Weiterbildung ges.
Anzahl
Anteil (% der Gesamtzahl)
GesamtBeitrag Fis zu ausgaben1 Gesamtausgaben Anteil Betrag Anteil Be(Mio. (% d. (% der trag1» (Mio. US$)
Gesamtsumme)
US$)
Gesamtsumme)
684 365
84,8 45,2
32,2 9,9
64,0 19,7
28,0 8,2
87,0 82,8
312
38,7
20,1
40,0
17,9
89,1
7
0,8
2,3
4,6
1,9
82,6
123
15,2
18,2
36,2
12,8
70,3
28 62 21 1
3,5 7,7 2,6 0,1
n.v. n.v. n.v. 0,23
0,5
3,1 0,17
7 4 807
0,8 0,5 100
0,9 0,42 50,3
1,8 0,8 100
0,7 0,38 40,8
-
4,1 4,4
-
77,8 90,5 81,1
11
Die Gesamtsumme der Ausgaben umfaßt die finanziellen Beiträge des Fis, der Projektträger und der Nutznießer. Zur Bedeutung der drei Parteien für die Projektfinanzierung vgl. 4.4.2.2. Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Der Schwerpunkt der Ausgaben des Fis lag zwischen 1991 und 1995 in der Förderung des formellen Schulwesens. Weniger als ein Drittel der Bildungsausgaben wurden für die Förderung nicht-formeller Bildungsveranstaltungen aufgewendet; nach dem Gesetz zur Bildungsreform sind zudem auch ländliche Internate ein Teil des formellen Bildungswesens. Auch hier zeigt sich eine enge Verflechtung der Tätigkeit des Fis mit den Aufgaben des zuständigen Fachministeriums. 4.3.6 Das Programm "Andere Projekte" Der Fis finanziert bereits seit seiner Gründung Maßnahmen zur Stärkung von potentiellen Projektträgern. Aus dem Unterprogramm "Institutionelle Unterstützung" ging
157
1994 das Programm Andere Projekte hervor, in das alle Projekte eingehen, die weder dem Gesundheits- noch dem Bildungssektor direkt zuzurechnen sind, aber dennoch als unerläßlich für das Funktionieren der Arbeit des Fis angesehen werden. Das Programm hat zwei Unterprogramme: institutionelle Unterstützung und komplementäre Maßnahmen. Über das Unterprogramm institutionelle Förderung werden Beratungsleistungen
für
kleine,
nicht
gewinnorientierte
Organisationen
im
Gesundheits- oder Bildungsbereich finanziert. Das Angebot richtet sich an öffentliche oder private Organisationen insbesondere in Gebieten, aus denen den Fis nur wenige Projektvorschläge erreichen. Die Leistungen bestehen in der Finanzierung von Fortbildungsveranstaltungen für potentielle Antragsteller, in denen die Grundzüge der Antragstellung erlernt und Ziele und Funktionsweise des Fis erklärt werden, sowie aus speziellen Beratungstätigkeiten bei der Vorbereitung eines konkreten Projektantrages.1 Das Unterprogramm komplementäre Projekte wurde 1994 eingerichtet. In diesem Unterprogramm sollen Ergänzungen zu anderen Projekten gefördert werden, die sich keinem anderen Programm zuordnen lassen, aber für die Wirksamkeit der Projekte notwendig sind - z.B. Zufahrtsstraßen, Wege etc. Im Untersuchungszeitraum wurde allerdings kein Projekt in diesem Unterprogramm beantragt (vgl. Tabelle 4.7). Tabelle 4.7 Ausgaben im Programm "Andere Projekte" 1991-95 Projekte Programm/Komponente
Anzahl
Andere Projekte Gesamt
7
Anteil
GesamtBeitrag Fis zu ausgaben Gesamtausgaben Betrag Anteil Betrag Anteil
(% d. (% der Gesamt- (Tsd. US$) Gesamtsumme) zahl)
100
2.229,6
100
(Tsd.
US$)
(% d. Gesamtsumme)
779,4
35
- Komplementäre Projekte
0
0
0
0
0
0
- Institutionelle Förderung: Gesundheitsorganisationen
1
14
122,4
5,5
99,2
81
- Institutionelle Förderung: Bildungsorganisationen
6
86
2.107,2
94,5
680,2
32
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Angesichts der geringen Zahl der Projekte dieses Programms und des relativ geringen Beitrags des Fis erübrigt sich eine weitere Analyse der Finanzierung der Projekte. 1
Allerdings
ist
das
Unterprogramm
República de Bolivia (1994): S. 19.
"Institutionelle
Förderung:
Bildungs-
158
Organisationen" des Fis von erheblicher politischer Bedeutung für die bolivianische Regierung: Im Rahmen dieser Programmkomponente wurden nach 1995 Projekte zur Unterstützung der Dezentralisierungsmaßnahmen der öffentlichen Verwaltung finanziert.1 Der Grund hierfür war, daß sich die mangelnde Erfahrung und Ausbildung der lokalen Funktionsträger in den Bereichen "Mittelverwaltung" und "Projektabwicklung" als ein entscheidendes Hindernis für das Gelingen der im Gesetz zur Volksbeteiligung festgelegten Dezentralisierungsmaßnahmen erwies.2 Aus diesem Grund werden neben einer intensiven Werbekampagne auch Fortbildungsmaßnahmen für lokale Entscheidungsträger - Bürgermeister, Vorsteher indigener Gemeinden und Bürgerräte - durchgeführt, in deren Finanzierung und Organisation auch die Sozialfonds Fondo de Desarrollo Campesino (FDC) und Fis eingebunden waren. Der Beitrag des Fis zur Dezentralisierung bestand konkret in der Finanzierung von Projekten zur Implementierung partizipativer Planungsvorgänge. Die Vorhaben richteten sich an Funktionsträger der lokalen Verwaltung, die im Bereich der Möglichkeiten und Grenzen der praktischen Umsetzung der Volksbeteiligung weitergebildet wurden. Zu diesem Zweck wurden nach 1995 insgesamt 11 Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von US$ 0,42 Mio. zur Weiterbildung lokaler Funktionsträger beantragt; ein Eigenbeitrag der Antragsteller oder der Zielgruppe war nicht vorgesehen. Da die Genehmigung zum Zeitpunkt der Untersuchung noch ausstand, sind diese Projekte nicht in der Tabelle 4.7 enthalten und gehen auch nicht in die Untersuchung der Projektwirkungen des Fis ein. 4.3.7 Anmerkungen zur Konzeption der Programme Wie schon bei der Analyse der gesetzlichen Rahmenbedingungen zeigt sich auch bei der Betrachtung der Programme, daß der Übergang vom FSE zum Fis ein langwieriger Vorgang war. Mit dem Übergang war die Bereinigung des Programmkatalogs durch die Streichung des Straßenbau- und des Wohnungsbauprogramms verbunden. Außerdem wurde das Gesundheitsprogramm durch die Streichung der Unterprogramme Impfungen und Nahrungsmittelversorgung reformiert. Kritisch ist anzumerken, daß im Bildungsprogramm und dem Programm Andere Projekte einige Komponenten existieren, die nur unzureichend genutzt werden. So wurden in den Unterprogrammen Lehrerfortbildung und Förderung von Gesundheitsorganisationen zwischen 1991 und 1995 nur jeweils ein Projekt finanziert, in vier weiteren Unterprogrammen ebenfalls jeweils weniger als 10 Projekte. Für eine derart 1
Zur Ausgestaltung der Dezentralisierung vgl. Abschnitt 3.2.5.
2
Vgl. o.V. (1995b): S. 9f.
159
geringe Anzahl von Projekten ist die Formulierung eigener Richtlinien für die Projektkonzeption nicht sinnvoll; eine weitergehende Bereinigung, vor allem des Bildungsprogramms, wäre wünschenswert, weil sich der Fis noch stärker auf bestimmte Projekttypen spezialisieren könnte und aufgrund von Lerneffekten die Transaktionskosten weiter sinken könnten. Der mit der veränderten Zielsetzung einhergegangene Wandel der Organisation drückte sich nicht nur in der Änderung der Programmpalette aus, sondern schlug sich auch in den Richtlinien zur Projektfinanzierung nieder. In ihnen wird die stärkere Armutsorientierung des Fis gegenüber dem FSE deutlich. Die hohe Zielgruppenorientierung der Programme und die verstärkte Bereitstellung einer Basisversorgung mit sozialen Dienstleistungen für die Bevölkerung lassen demgemäß eine Einordnung der Projekte in die Kategorie der mittelbar wirksamen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu. Als Zielgruppe der Maßnahmen werden generell die arme Bevölkerung Boliviens oder Teile davon angesprochen. Von dieser Regel gibt es drei Ausnahmen: Diese sind die Unterprogramme "Multiedukative Schulzentren", "Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer und Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen" und "Förderung von Bildungseinrichtungen". Wie bereits angesprochen, richtet sich die Komponente Multiedukative Bildungseinrichtungen an die Bevölkerung von Stadtrandgebieten, wobei eine Besonderheit darin besteht, daß die Armutssituation des Einzugsgebietes der Schule für die Genehmigung eines Projekts und seine Finanzierung durch den Fis keine Rolle spielt, Die zweite Besonderheit der
CEMEIS
ist die Ausstattung der Einrichtungen. Die Be-
reitstellung von Computerzentren, Bibliotheken, Kindertagesstätten und Videotheken geht deutlich über eine reine Grundversorgung hinaus. Offenbar soll mit dieser Komponente ein Signal für die künftige Bildungspolitik gesetzt werden. Aufgrund der Besonderheiten bei der Identifikation der Zielgruppe und der Ausstattung der Einrichtungen erscheint es fraglich, ob die Finanzierung dieses Projekttyps im Einklang mit den Zielsetzungen des Fis steht und ob dieser somit die richtige Organisation für ihre Abwicklung ist. Die zweite Ausnahme bezüglich der Zielgruppenorientierung sind die Fortbildung von Lehrern und kommunalen Angestellten sowie die in Zukunft als Institutionelle Förderung von Bildungorganisationen eingestuften Fortbildungen für die Umsetzung der Volksbeteiligung. Von diesen Maßnahmen sind die Armen in ländlichen Regionen allerdings insofern mittelbar betroffen, als die Qualität des Schulunterrichts bzw. die Kapazität der kommunalen Verwaltung verbessert werden. Daher sind beide Komponenten als sinnvolle Ergänzungen des Fortbildungsprogramms zu sehen.
160
Neben der Bereinigung der Programmpalette sind auch Fortschritte bezüglich der Abgrenzung der Tätigkeit des Fis von anderen Organisationen erkennbar. Die regionale Abgrenzung resultiert aus der Eingrenzung der Aktivitäten auf ländliche Regionen und auf Stadtrandgebiete. Bezüglich der Zielgruppenabgrenzung ergaben sich in der Vergangenheit insofern Probleme, als Überschneidungen mit Programmen anderer Einrichtungen bestanden, da sich diese an dieselben Zielgruppen richteten. Insbesondere
FDC
und
FNDR
führten zeitweise Projekte mit ähnlicher Ausrichtung für
dieselben Zielgruppen in denselben Regionen durch. Wie am Beispiel des Trinkwasserprogramms gezeigt werden konnte, wurden diese Überschneidungen durch informelle Absprachen sukzessive reduziert. Unter diesem Gesichtspunkt war die Programmformulierung des FIS ein großer Fortschritt gegenüber der des FSE, wie auch von den externen Gebern festgestellt wurde.1
4.4. Einnahmenstruktur und Ausgabenverhalten des Fis
4.4.1. Struktur der Einnahmen Wie in Abschnitt 4.2.1 dargestellt wurde, war die Ankündigung der Geber, nach 1990 keine weiteren Mittel für die Finanzierung des FSE zur Verfügung zu stellen, der Anstoß für die Einrichtung des Fis gewesen.2 Die Aquisition ausländischer Mittel behielt auch für den Fis eine große Bedeutung für die Finanzierung der Projekte. Um die Zusammenarbeit mit den Gebern zu vereinfachen, wurde dem Fis das Recht zugestanden, eigenverantwortlich Mittel einzuwerben und zu verwalten.3 Bereits während des Gründungsprozesses konnten Geber überzeugt werden, der bolivianischen Regierung Mittel für die Finanzierung des Fis zur Verfügung zu stellen. Spätestens nachdem die Weltbank wiederum die Bereitschaft signalisiert hatte, hinsichtlich der Finanzierung des Fis eine Führungsrolle zu übernehmen, waren auch andere Geber zu einer finanziellen Zusammenarbeit bereit. Im Zeitraum von 1991 bis 1994 erhielt der Fis von internationalen Geberorganisationen und der bolivianischen Regierung Darlehen und Zuschüsse in Höhe von insgesamt US$ 137,7 Mio." '
Vgl. World Bank (1993a): S. 3.
2
Vgl. Barton (1992): S. 97.
3
Vgl. Abschnitt 3.2.5.
4
Vgl. zu diesem Abschnitt Anhang A, Tabelle 17. Die Darlehen wurden generell zu IDA-Konditionen bereitgestellt [vgl. Abschnitt 5.3.1.].
161
Der Beitrag der bolivianischen Regierung belief sich auf US$ 6,8 Mio. Der wichtigste ausländische Geber, gemessen am Mittelvolumen, war die Weltbankgruppe. Sie stellte im Untersuchungszeitraum einen Gesamtbetrag von US$ 70 Mio. (51% der gesamten Mittel), in drei Kredite aufgeteilt, zur Verfügung. Über diese eigenen finanziellen Beiträge hinaus fungiert die Weltbankgruppe als Treuhänder für einige kleinere Geber wie bspw. Dänemark und Schweden.1 Der zweitwichtigste Geber war die Bundesrepublik Deutschland, die über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) für rund 11% der Gesamtmittel verantwortlich zeichnete. Von dem Gesamtbetrag in Höhe von US$ 14,9 Mio. wurden dem Fis US$ 13,1 Mio. als nicht rückzahlbare Zuschüsse zur Verfügung gestellt; US$ 1,8 Mio. betrafen Restmittel eines Darlehens, das ursprünglich an den FSE vergeben worden war. Zwischen KFW und Fis wurde - in Abweichung von den üblichen Verfahren zur Mittelakquisition des Fis - vereinbart, daß die Kn/v-Mittel "im Interesse einer optimalen Wirksamkeit der Einzelmaßnahmen"2 ausschließlich für die Durchführung von Projekten in der Chaco-Region im Südosten Boliviens zu benutzen seien. Derartige Ausschließlichkeitsregelungen sind in den Akquisitionsregelungen nicht vorgesehen, weil auf seiten des Fis die Befürchtung besteht, daß sich Geber "Claims" abstecken, die aufgrund ihrer speziellen regionalen Vorbedingungen besonders gute Erfolgsaussichten für Armutsbekämpfung erwarten lassen. Die realisierten Erfolge könnte dann der jeweilige Geber für sich reklamieren, was zu Motivationsverlusten bei anderen Gebern und dadurch zu einem geringeren Zufluß neuer Mittel an den Fis führen könnte. Aus der Sicht der jeweiligen Geberorganisation kann ein derartiges "Claiming" aber sinnvoll sein, weil dadurch die Kontrolle der Projektfortschritte und Wirksamkeitsanalyse der durch sie finanzierten Projekte erleichtert wird. Die weiteren bilateralen Geber stellten jeweils weniger als 10% der Gesamtmittel bereit. Kanadas Beitrag belief sich insgesamt auf einen Wert von US$ 8,6 Mio. bzw. 6,2% der Gesamtmittel und wurde dem bolivianischen Staat in Form von Getreide und anderen Sachmitteln zur Verfügung gestellt. Die Verkaufserlöse sollten dem Fis zugute kommen. Mit diesem Verfahren war auch bereits der FSE unterstützt worden. Aus dem Entwicklungshilfefonds der
OPEC
wurden zwei Darlehen über einen Ge-
samtbetrag von US$ 7,96 Mio. oder 5,8% der Gesamtmittel bereitgestellt. Das Vereinigte Königreich stellte insgesamt US$ 7,3 Mio. (5,3%) als Zuschüsse zur Verfügung. Die schwedische Regierung stellte insgesamt US$ 6,8 Mio. (4,9%) bereit. Der schweizerische Beitrag belief sich auf insgesamt US$ 6,1 Mio. (4,4%). Die dänische Regierung stellte Mittel in Höhe von rd. US$ 5 Mio. zur Verfügung (3,6%). Der 1
C a d i m a (1995): Persönliches Interview.
2
Wipplinger (1996): Persönliches Interview.
162
holländische Beitrag umfaßte drei Zuschüsse in einer Gesamthöhe von US$ 4,5 Mio. (3,4%). Im Juni 1995 wurde zu den bereits genannten Mitteln ein Darlehen der InterAmerikanischen Entwicklungsbank (IDB) in Höhe von US$ 60 Mio. zugesagt, das größtenteils als Unterstützung der Regierungsprogramme zur Renovierung und zum Neubau sozialer Infrastruktur ausgelegt war und zu einem kleineren Teil zur Dekkung der laufenden Kosten des Fis dienen sollte.1 Insgesamt trugen die ausländischen Geberorganisationen mehr als 95% zu den zugesagten Mitteln bei. Dagegen stammten nur knapp 5% der Zusagen an den Fis aus heimischen Mitteln. Der hohe Anteil externer Mittel an der Finanzierung der Aktivitäten des Fis verdeutlicht dessen Abhängigkeit von seinen internationalen und bilateralen Geldgebern. Für die laufende Arbeit des Fis ist ein kontinuierlicher Zufluß von Ressourcen unerläßlich. Zwischen 1991 und 1995 wurde dieser Zufluß gewährleistet; er scheint auch bis 1998 gesichert, wie Tabelle 4.8 zeigt. Tabelle 4.8 Finanzierung des Fis nach Finanzierungsquellen 1991-98 1 2 2) 2) 19911) 1992 » 1993 1994 1995 1996 » 1997 1998 Gesamt Gesamt 1993-98=) 1993-98
(Mio. US$)
(in %)
Externe Geber
n.v.
n.v.
27,6 24,8 32,1
31,1
23,3
19,1
158,0
90,1
Bolivien
n.v.
n.v.
2,4
9,2
9,2
8,9
5,1
17,3
9,9
Gesamt
2,8
17,96 30,0 28,1 41,3
40,3
32,2
24,2
175,3
100
3,3
(Mio. US$) 11
Für 1991 und 1992 liegen keine Daten über die Finanzierung der Ausgaben des Fis vor.
2)
Zugesagte Mittel Juli 1995.
31
Diese Periode umfaßt ausschließlich den Zeitraum, für den Daten über die Aufteilung der Ausgaben zwischen den externen Gebern und der bolivianischen Regierung vorliegen. Der Gesamtbetrag der geplanten Ausgaben 1991-98 beläuft sich auf US$ 196,06 Mio.
Quellen: Fondo de Inversión Social (1994); Inter-American Development Bank (1995).
Die Tabelle 4.8 läßt erkennen, daß der bolivianische Eigenanteil, der sich im Jahre 1993 auf weniger als 10% der Gesamtmittel belief, bis 1996 kontinuierlich gesteigert werden soll. Dies ist einem Finanzplan aus dem Jahr 1993 zu entnehmen, der für den Zeitraum 1993-98 erstellt wurde. Er sieht vor, daß die ausländischen Geber durchschnittlich 90,1% der gesamten jährlichen Kosten des Fis tragen sollen. Dieser '
Inter-American Development Bank (1995): S. 1.
163
Anteil erscheint jedoch eher zu niedrig als zu hoch angesetzt, wenn man bedenkt, daß über weitere externe Mittel verhandelt und der Beitrag der bolivianischen Regierung als nicht steigerungsfähig angesehen wurde. Aufgrund der erfolgversprechenden Verhandlungen konnte die Finanzierung des Fis bis 1998 gesichert werden (vgl. Tabelle 4.9).1 Tabelle 4.9 Laufende Verhandlungen über Zuflüsse an den Fis1994 (Mio U S $ )
Vergabekondition
Stand der Verhandlungen
Schweiz, COF II
3,5
Zuschuß
Vorbereitung der Vertragsunterzeichnung
IDB
40
Darlehen
in Aussicht1'
20 ***2)
Zuschuß
in Aussicht
Zuschuß
in Aussicht
Geber
Japan Niederlande
Betrag
,J
A m 2 8 . 7 . 1 9 9 5 wurde ein Kredit in Höhe von U S $ 6 0 Mio. vergeben.
21
Betrag bis August 1 9 9 4 nicht fixiert.
Quellen: Fondo de Inversión Social (1994); Inter-American D e v e l o p m e n t B a n k ( 1 9 9 5 ) .
Der hohe Anteil ausländischer Mittel an der Finanzierung muß aus mehreren Gründen kritisch betrachtet werden. Erstens kann der Finanzierungsanteil eines Gebers ein Indikator für seinen Einfluß auf die Organisation sein. In diesem Falle wäre die Mittelstruktur ein Ausdruck dafür, daß die bolivianische Regierung selbst nur einen sehr geringen Einfluß auf den Fis nehmen kann. Zweitens ist aber dieser geringe Anteil der bolivianischen Regierung auch in gewissem Maße ein Ausdruck der politischen Prioritäten. Die Regierung könnte unter Verzicht auf andere Ausgaben einen höheren Beitrag zum Fis leisten. Insofern als bewußt auf einen stärkeren Einfluß auf den Fis verzichtet wird, ist die Finanzierungsstruktur des Fis auch ein Ausdruck der mangelnden Neigung bzw. der fehlenden Fähigkeit der bolivianischen Regierung, in das Gesundheits- und das Bildungswesen zu investieren. Drittens wäre angesichts möglicher Änderungen von Prioritäten auf Seiten der Geber zu wünschen, daß der Eigenbeitrag der bolivianischen Regierung gesteigert wird. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, daß der niedrige finanzielle Stellenwert des Fis auch dadurch herausgefordert wird, daß die ausländischen Geberorganisationen bereitwillig Finanzmittel in nennenswertem Umfang zur Verfügung stellen und damit eventuell bereits
'
A u s A n h a n g A, T a b e l l e 17 geht hervor, d a ß bis 1994 U S $ 1 3 7 , 7 Mio. an d e n Fis zugesagt waren. Rechnet m a n hierzu die It. Tabelle 4 . 9 zugesagten U S $ 6 3 , 5 Mio. hinzu, so wird deutlich, d a ß d a s V o l u m e n der zugesagten Zuflüsse bereits höher ist als die S u m m e der in T a b e l l e 4 . 8 geplanten A u s g a b e n v o n insgesamt U S $ 1 9 6 , 0 6 Mio. zwischen 1991 und 1998.
164
die Absorptionsfähigkeit der geförderten Sektoren bzw. die Umsetzungsfähigkeit des Fis erschöpft wird.
4.4.2. Das Ausgabenverhalten des Fis
4.4.2.1. Kostenstruktur und Vergabetätigkeit Von den dem Fis im Untersuchungszeitraum zugesagten Mitteln wurden von seiner Gründung bis 1994 insgesamt US$ 95 Mio. verausgabt.1 Für die Analyse des Ausgabenverhaltens des Fis sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Zum einen erlaubt die Verwendung der Mittel Rückschlüsse auf die Effizienz der Organisation. Zum anderen gibt die Aufteilung der Projektausgaben auf einzelne Projekte Aufschluß über die Größe der finanzierten Projekte. Die Gesamtausgaben des Fis setzen sich aus den Ausgaben für Projekte und den Verwaltungsausgaben zusammen. Der Anteil der Verwaltungsausgaben an den Gesamtausgaben wird häufig als Indikator für die Effizienz einer Organisation betrachtet, so auch im Falle von Sozialfonds. 2 Für den Fis war in Dekret 22.542 festgelegt worden, daß nicht mehr als 5% der gesamten für ein Haushaltsjahr verfügbaren Ausgaben für Verwaltungskosten verausgabt werden sollten. 3 Diese Vorgabe erwies sich zumindest in den ersten Jahren als wenig realistisch. Der Anteil der Verwaltungsausgaben an den Gesamtausgaben lag im Untersuchungszeitraum bei durchschnittlich 13,7% (vgl. Tabelle 4.10). Die Betrachtung der Ausgabenstruktur zeigt, daß der Verwaltungskostenanteil zwar 1991-93 deutlich über 5% der Gesamtausgaben lag; indes ist auch zu erkennen, daß sich der Anteil der Verwaltungskosten an den Gesamtausgaben in diesem Zeitraum auf den angestrebten Zielwert hin entwickelte. Im Gründungsjahr lag die Haupttätigkeit der Mitarbeiter des Fis darin, Projekte zu akquirieren und zur Genehmigung vorzubereiten; nur bei relativ wenigen Projekten konnte bereits innerhalb des ersten Jahres mit Auszahlungen begonnen werden. Von 1991 bis 1994 stieg der Mittelabfluß um das Sechsfache an. Gleichzeitig erhöhten sich die Verwaltungsausgaben nur um 63,2%. Insofern spiegelt der zunächst hohe Verwaltungskostenanteil die Anlaufkosten des Fis wider. Im Vergleich dazu hatten die Verwaltungsausgaben des FSE im Durchschnitt über dessen gesamte Laufzeit 9,5% betragen.4 1 2 3
Vgl. Tabelle 4.10. Vgl. Schacter; Grosh; Jorgensen (1992): S. 11. Vgl. D.S. 22.542, Art. 11.
165
Tabelle 4.10 Ausgabenstruktur des Fis 1991-94 Jahr
Ausgaben Verwaltungsfür Projekte kosten
Gesamtausgaben
Verwaltungskostenanteil
(Mio. US$)
(Mio. US$)
(Mio. U S $ )
(in % )
1991
0,7
2,1
2,8
74,7
1992
14,3
3,6
18
20,1
1993
26,3
3,9
30,1
12,9
1994 *
40,6
3,4
44,1
7,8
Gesamt 1991-93
81,9
13,0
95,0
13,7
Quelle: Diese Tabelle stellt einen Auszug aus Anhang A, Tabelle 17 dar.
Die Zahlen scheinen zu belegen, daß der Verwaltungsaufwand des Fis dem des FSE durchaus vergleichbar war. Kritisch ist zu prüfen, ob die dreijährige Anlaufzeit gerechtfertigt ist. Der Fis konnte auf den Erfahrungen des FSE aufbauen und verfügte bereits über eine eingespielte Organisation. Zur Rechtfertigung der relativ langen Anlaufzeit ist anzuführen, daß der FSE für Projekte geschaffen war, die einen geringeren Prüfaufwand erforderten und daher geringere Verwaltungskosten verursachten. Das Ziel des Fis hingegen, langfristig wirksame Einrichtungen für die Bekämpfung der Armut zu schaffen, verlangt nach einer intensiveren Betreuung der Projekte. Hier offenbart sich ein grundsätzliches Problem, das mit der Benutzung des Indikators "Verwaltungskostenanteil" zur Messung der Effizienz einer Organisation zusammenhängt. Der Indikator ist zwar ein Anhaltspunkt für die Verwaltungsintensität der Projektarbeit, es ist jedoch nicht möglich, diese Verwaltungstätigkeit in einen direkten Zusammenhang mit den Zielsetzungen der Organisation zu setzen. Die Effizienz des Sozialfonds wird vielmehr von dem Ausmaß bestimmt, in dem die zur Verfügung stehenden Mittel für sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut der Zielgruppe eingesetzt werden. Ein ungenaues targeting der Ausgaben verursacht Kosten in Form von Effizienzverlusten, die durch eine genauere Prüfung der Projekte vermieden werden könnten. Daher ist der Verwaltungskostenanteil nur eine Seite des Problems. Das Effizienzkalkül des Fonds muß darin bestehen, Grenzerträge und Grenzkosten einer zusätzlichen Prüfung auszugleichen, und darf sich nicht auf eine Minimierung der Verwaltungskosten beschränken.2 Die Minimierung der Verwaltungskosten kann auch dadurch erreicht werden, daß weniger Projekte 1
Vgl. Anhang A . T a b e l l e 18.
2
Diesen Z u s a m m e n h a n g untersucht bspw. GROSH für gezielte Sozialprogramme. Vgl. Grosh (1994): insbesondere S. 35ff.
166
freigegeben werden oder dadurch, daß Projekte weniger genau geprüft werden. Mit anderen Worten: es ist davon auszugehen, daß ein optimales Niveau von Verwaltungsaufwand existiert, das nicht unbedingt gleich dem minimalen Verwaltungsaufwand ist. Dieser optimale Verwaltungsaufwand ist nicht unabhängig vom Output der Organisation; vielmehr steigt er mit zunehmendem Tätigkeitsniveau der Organisation an. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis ist es notwendig, die Verwaltungskosten dem Tätigkeitsniveau des Fis gegenüberzustellen. In dem Falle, daß die Reduzierung des Verwaltungskostenanteils auf Lernprozesse (und damit auf eine Effizienzsteigerung) zurückgeführt werden kann, wäre die Effizienzsteigerung auch an der Entwicklung der Vergabeaktivität ablesbar. Als Indikator für das Tätigkeitsniveau wird die Zahl der durchschnittlich pro Monat zur Durchführung freigegebenen Projekte betrachtet (vgl. Tabelle 4.11). Tabelle 4.11 Zahl der neu vergebenen Projekte des Fis je Monat 1991-95 Durchschnittliche Anzahl Neuprojekte pro Monat 11
1991
1992
1993
1994
19951)
26,5
72,25
24,83
2,92
56,5
nur Januar und Februar
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Tabelle weist darauf hin, daß offenbar auch andere Faktoren auf die Verwaltungskosten einwirkten als die gestiegene Effizienz der Mitarbeiter. Nach der Anlaufzeit im Jahr 1991 erreichte der Fis den Höhepunkt seiner Vergabeaktivität im Jahr 1992; in diesem Jahr wurden durchschnittlich 72,25 Projekte je Monat freigegeben. In den folgenden beiden Jahren ging die Vergabeaktivität stark zurück. Bei der Beurteilung der Zahl der freigegebenen Projekte ist zu bedenken, daß diese Projekte bereits alle internen Evaluationsstufen absolviert haben; die Freigabe folgt auf die letzte Prüfung durch den Verwaltungsrat. Die Zahl der freigegebenen Projekte gibt also mit einer Zeitverzögerung, die aus den internen Prüfungen resultiert, die Arbeitsbelastung der Instanzen des Fis wieder. Bei der Gegenüberstellung der Entwicklung der Verwaltungskosten und der Projektvergabetätigkeit zeigt sich, daß die Verringerung des Verwaltungskostenanteils in den Jahren 1993 und 1994 (vgl. Tabelle 4.10) mit einer verminderten Vergabetätigkeit für Neuprojekte einhergeht; die Senkung der Verwaltungskosten in diesem Zeitraum geht offenbar darauf zurück, daß nur in relativ geringem Maße neue Projekte geprüft wurden und sich die
167
Tätigkeit der Fis-Mitarbeiter darauf beschränkte, bereits in Ausführung befindliche Projekte zu überwachen. Der dafür notwendige Aufwand wird als vergleichsweise gering eingeschätzt. Aus den Daten läßt sich jedoch nicht ohne weiteres auf eine negative Effizienzentwicklung schließen. Offenbar hängt die Entwicklung damit zusammen, daß die ausländischen Geber während des Präsidentschaftwahlkampfes 1993 keine Vergabe von Neuprojekten zuließen, um einen parteipolitischen Mißbrauch der Vergabeentscheidungen auszuschließen.1 Aus diesem Grund kann anhand des Verwaltungskostenanteils und des Tätigkeitsniveaus allein keine Aussage über die Effizienz des Fis getroffen werden. 4.4.2.2. Größe und Finanzierungsstruktur der Fis-Projekte Neben der organisationsinternen Aufteilung der Kosten interessieren die Projektausgaben auch hinsichtlich des Förderbetrags je Projekt. Zur Berechnung des maximalen Förderbetrags je Projektvorschlag wurden durch den Fis Richtlinien entwickelt. Diese Kostenrichtlinien basierten auf den Richtlinien über mögliche Projektkomponenten (vgl. Abschnitt 4.3.2). Für jede Einheit einer Projektkomponente wurde ein Standardpreis festgesetzt. Aufgrund der Standardpreise und der für ein Projekt benötigten Mengeneinheiten jeder Komponente ermittelten die Mitarbeiter des Fis einen Höchstbetrag für die Förderung durch den Fis. Dies Verfahren wird als das "Einheitskostenverfahren" des Fis bezeichnet.2 Der endgültig realisierte Förderbetrag je Projekt ist in Abbildung 4.3 abgebildet. Für die Darstellung wurden die Projekte des Fis anhand ihres jeweiligen Finanzierungsvolumens in Größenklassen eingeteilt und die Anzahl Projekte je Größenklasse wiedergegeben.3 Auf der Abszisse sind die einzelnen Größenklassen abgetragen, auf der Ordinate die Anzahl an Projekten je Größenklasse.
1
C a d i m a (1995): Persönliches Interview. Dieses Vorgehen ist offenbar in Bolivien üblich und wurde auch bei anderen Fonds beobachtet. Steurer (1995): Persönliches Interview.
2
Vgl. Schacter; Grosh; Jorgensen (1992).
3
Die Schrittweite der Größenklassen variiert aus Gründen der besseren Darstellbarkeit. Bis zu einem Ausgabenvolumen von U S $ 120.000 beträgt die Schrittweite U S $ 5.000; von U S $ 1 2 0 . 0 0 0 bis 2 0 0 . 0 0 0 wurde die Schrittweite auf U S $ 10.000 erhöht, von U S $ 2 0 0 . 0 0 0 bis 3 0 0 . 0 0 0 wird in 5 0 . 0 0 0 e r Schritten vorgegangen, von 300 - 5 0 0 . 0 0 0 in 100.000er Schritten.
168
Abbildung 4.3 Ausgaben des Fisje Projekt 1991-95
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Abbildung zeigt, daß der weitaus größte Teil der Maßnahmen (1.284 Projekte bzw. 79% der Gesamtzahl) für ein Finanzierungsvolumen
von weniger
als
US$ 100.000 ausgelegt war. Für 951 Projekte (58% der Vorhaben) war das Finanzierungsvolumen geringer als US$ 50.000. Demgegenüber überstieg das Finanzierungsvolumen nur in zwei Fällen den Betrag von US$ 1,0 Mio.1 Das durchschnittliche Finanzierungsvolumen aller im gesamten Zeitraum 1991-95 freigegebenen Projekte lag bei US$ 80.711 bei einem Medianwert von US$ 43.275.2 Die Ergebnisse machen deutlich, daß der Fis im Untersuchungszeitraum in erster Linie relativ kleine Projekte förderte. Das durchschnittliche Ausgabevolumen des Fis je Quartal schwankte zwischen US$ 40.000 und US$ 100.000; ein Trend für die Entwicklung dieser Größe 1991-95 läßt sich nicht erkennen. 1
2
Es handelt sich hierbei um die Erweiterung eines Krankenhauses in La Paz und um den Aufbau einer Junta Nacional de Solidaridad y Desarrollo Social. Das Maximum betrug US$ 1,68 Mio.; für das gemessen an den Ausgaben kleinste Projekt entstand ein Ausgabevolumen von US$ 507. Eigene Berechnungen auf der Basis von Fondo de Inversión Social (1995).
169
Das gesamte Finanzierungsvolumen eines Projekts wird im Regelfall nicht durch den Fis allein aufgebracht. Vielmehr müssen sowohl der Projektträger als auch die Zielgruppe einen finanziellen Beitrag leisten (vgl. Tabelle 4.12). Tabelle 4.12 Finanzierungsstruktur der Fis-Projekte 1991-95 Durchschnittlicher Durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag Finanzierungsanteil (in US$)
(in %)
80.713
100
-Fis
64.316
79,7
- Projektträger
12.049
14,9
4.346
5,4
Gesamtbetrag davon:
- Nutznießer
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Aus Tabelle 4.12 geht die Höhe der durchschnittlichen Beiträge der an der Finanzierung eines Projektes beteiligten Parteien hervor. Im Durchschnitt über alle Projekte trägt der Fis den weitaus größten Teil der Projektfinanzierung. Allerdings ist der Finanzierungsbeitrag des Fis in vielen Fällen niedriger als der in der Tabelle angegebene Mittelwert.1 Die Finanzierungsbeiträge des Projektträgers unterscheiden sich je nach Region, Projekttyp und antragstellender Organisation. Der durchschnittliche Beitrag des Projektträgers beläuft sich auf rd. 15% der gesamten Ausgaben eines Projekts; der Medianwert liegt jedoch deutlich über diesem Mittelwert,2 was darauf hinweist, daß der jeweilige Projektträger zu den meisten Vorhaben einen höheren Beitrag leisten muß. Die Nutznießer hingegen erbringen zu den meisten Projekten einen geringeren Beitrag als den in der Tabelle enthaltenen Durchschnittswert.3 Von der allgemeinen Regel einer Drei-Parteien-Finanzierung (Fis, Projektträger, Nutznießer) wurde im Untersuchungszeitraum in mehr als einem Drittel der Projekte abgewichen (vgl. Tabelle 4.13).
'
Darauf weist die Tatsache hin, daß der Medianwert mit US$ 37.495 deutlich geringer ist als der Mittelwert.
2
Der Median beträgt US$ 38.365.
3
Der Median für den Beitrag der Zielgruppe beläuft sich auf US$ 710.
170
Tabelle 4.13 Ausnahmen bei der Projektfinanzierung 1991-95 Anzahl Projekte
Anteil an der Gesamtzahl Projekte (in % )
595
36,5
Projekte ohne Beitrag der Antragsteller
296
18,2
Projekte ohne Beitrag der Zielgruppe
345
21,2
Ausschließlich durch den Fis finanzierte Projekte
46
2,8
1.629
100
Projekte mit besonderen Finanzierungsbedingungen davon:
Projekte insgesamt
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Der Tabelle 4.13 kann entnommen werden, daß die Ausnahmeregelungen offensichtlich für die einzelnen, an der Finanzierung beteiligten Gruppen unterschiedlich strikt gehandhabt wurden. Bei der Genehmigung eines Projektes wurde offenbar eher auf den Eigenbeitrag der Zielgruppe als auf den Eigenbeitrag des Projektträgers bzw. Antragstellers verzichtet. In nur 46 Projekten trug der Fis die alleinige finanzielle Verantwortung. Diese Beobachtung zeigt, daß bei der Finanzierung eines Projekts Spielräume bestanden. Sie kann möglicherweise mit der unterschiedlichen Funktion der Beiträge der beiden Gruppen erklärt werden.' Es wird im folgenden zu klären sein, ob diese Spielräume zielentsprechend zur Reduzierung der Armut ausgenutzt wurden.
4.4.3. Strategien für das targeting der Ausgaben 4.4.3.1. Identifikation der Zielgruppen anhand geographischer Armutskriterien Bei der Gründung des Fis war die Bevölkerung mit den geringsten Einkommen als Zielgruppe seiner Projekte definiert worden. Zur Identifikation dieser Zielgruppen wurde ein geographischer fargef/'ng-Mechanismus entwickelt, der auf Zensusdaten aus dem Jahre 1976 basierte. Anhand von Sozialindikatoren wurden die departamentos 1
in vier Armutsstufen eingeordnet und die Ergebnisse kartographisch
Die Funktion des Eigenbeitrags des Projektträgers wird in Abschnitt 5.3.5.1 eingehend diskutiert.
171
festgehalten. Für die Identifikation der Zielgruppen in ländlichen und städtischen Regionen wurden jeweils unterschiedliche Sozialindikatoren verwendet. Das targeting für Projekte in ländlichen Regionen wurde anhand der Kindersterblichkeit und der Analphabetenrate der Bevölkerung vorgenommen. Die Sterblichkeitsrate von Kindern, deren Mütter zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, ist die zentrale Variable für das targeting der Gesundheitsprojekte. Die Analphabetenrate der Bevölkerung über 15 Jahre fungiert als Indikator für Bildungsprojekte. Als ländliche Bevölkerung definierte der Fis Bewohner von Siedlungen mit weniger als 10.000 Einwohnern. Die kleinste politisch-administrative Planungseinheit in ländlichen Regionen, für die Sozialindikatoren zur Verfügung stehen, ist das cantón,1 Allerdings ist die Vorgehensweise, die Projektplanung für ländliche Regionen auf Kantonsebene vorzunehmen, seit ihrer Einführung umstritten; das gleiche gilt im übrigen auch für die weiter unten beschriebene Abgrenzung der städtischen Regionen. Das Hauptargument gegen die Abgrenzung bestand in der Tatsache, daß die Fachministerien bzw. Staatssekretariate ihre Planungsregionen nach anderen, auch untereinander unterschiedlichen Kriterien abgrenzten. Aus diesem Grund war eine Konzertierung der Aktionen auf Kantonsebene gar nicht und auf höheren Ebenen nur unter Schwierigkeiten möglich.2 Da jedoch keine einheitliche Datengrundlage existierte, die als Basis für ein alternatives Planungsverfahren hätte dienen können, wurden die Gebietsabgrenzungen der einzelnen Fachministerien für einzelne Programme übernommen. Die ländlichen cantones jedes departamentos wurden anhand der beiden Sozialindikatoren absteigend geordnet und ihre Bevölkerung aggregiert. Diejenigen cantones, in denen die 25% der Bevölkerung mit der höchsten Kindersterblichkeit lebten, erhielten für den Gesundheitssektor den Prioritätsrang 1, die nächsten den Rang 2 usw. In gleicher Weise wurde für den Bildungssektor verfahren.3 Die Aktivitäten des Fis beschränkten sich auf Regionen mit der Priorität 1 oder 2; dadurch wurde die Zielgruppe auf rund 50 % der ländlichen Bevölkerung eingegrenzt.4 Das targeting für Projekte in städtischen Regionen wurde auf der Grundlage von Indikatoren für die Versorgung mit sanitären Dienstleistungen, die Stromversorgung und die Bevölkerungsdichte vorgenommen. Diese Indikatoren wurden unterschiedlich gewichtet: In das Ranking der städtischen Zonen ging der Deckungsgrad der 1
Vgl. Fondo de Inversión Social (1991b): S. 1.
2
Vgl. CEPAL(1992): S. 13.
3
Vgl. Fondo de Inversión Social (1991b): S. 3ff. Als Zielgruppe des Fis für Interventionen auf dem Gesundheitssektor wurden 1,59 Mio. Personen (50% der Landbevölkerung) erkannt, die in 610 cantones (55% der Gesamtzahl) lebten. Im Bildungsbereich umfaßt die Zielgruppe 1,62 Mio. Personen (51% der Landbevölkerung) in 584 cantones (53% der Gesamtzahl). Vgl. Fondo de Inversión Social (1991b): S. 3ff.
'
172
Trinkwasserversorgung mit einem Gewicht von 40% in die Bewertung ein, der Bevölkerungsanteil mit Abwasseranschluß wurde mit 30% gewichtet. Demgegenüber hatten der Anteil der Bevölkerung mit Stromanschluß sowie die Bevölkerungsdichte mit 20% respektive 10% ein geringeres Gewicht. Die Zuweisung der Rangziffern erfolgte analog zu der Vorgehensweise in ländlichen Regionen.1 Diese fargef/'ng-Kriterien wurden für Siedlungen mit mehr als 10.000 Einwohnern angewendet; nach dieser Abgrenzung existieren 29 Städte in Bolivien.2 Innerhalb der Städte wurde nach "Zonas Censales" differenziert. Diese Zonen waren als Erhebungseinheiten für die Volkszählung 1976 abgegrenzt worden, weil in Bolivien kein einheitliches städtisches Verwaltungssystem existiert. In einigen Städten sind die Zensuszonen weiter unterteilt; dort existieren kleinere Verwaltungsbezirke - barrios municipales, distritos, unidades vecinales etc. In diesen Fällen wurden die auf der Ebene der Zensuszonen erhaltenen Ergebnisse nachträglich für die einzelnen Bezirke weiter disaggregiert.3 In Tabelle 4.14 sind die Ergebnisse der Identifikation der städtischen Zielgruppen dargestellt. Tabelle 4.14 Städtische Zielgruppen des Fis nach Prioritätsstufen 1991 Städtische Bevölkerung gesamt
Bevölkerungsanteil der einzelnen Prioritätsstufen
Prioritätsstufe
(1.000 Pers.)
(in % der städtischen Bevölkerung)
1
780
24,2
2
964
30,0
3
394
12,2
4
1.080
33,6
Gesamt
3.218
100
Quelle: Fondo de Inversión Social (1991a).
Tabelle 4.14 ist zu entnehmen, daß insgesamt 54,2% der städtischen Bevölkerung den Prioritätsstufen 1 und 2 (den Zielgruppen des Fis) zugerechnet wurden. Für die nach Prioritätsstufen differenzierten Bevölkerungsgruppen wurde die Qualität der Versorgung mit sozialen Diensten ermittelt. Die Ergebnisse dieser Analyse sind in Tabelle 4.15 enthalten.
1
Vgl. Fondo de Inversión Social (1991a): S. 5.
2
Vgl. Fondo de Inversión Social (1991a): S. 6.
3
Vgl. Fondo de Inversión Social (1991a): S. 3.
173
Tabelle 4.15 Versorgungsdefizite der städtischen Zielgruppen des Fis 1991 - Anteile in Prozent -
Priorität 1
Bevölkerungsanteil Bevölkerungsanteil je Bevöl kerungsantei 1 je Prioritätsstufe mit Prioritätsstufe mit je Prioritätsstufe Trinkwasserzugang Abwasseranschluß mit Stromanschluß 16,3
6,0
68,9
2
55,2
16,5
74,7
3
79,4
51,6
82,5
98,1
97,2
97,3
63,2
45,4
81,8
4 Gesamt
Quelle: Fondo de Inversión Social (1991a).
Aus der Tabelle geht hervor, daß in städtischen Regionen der größte Teil der Bevölkerung (81,8%) an das Stromnetz angeschlossen ist. Demgegenüber ist eine grundlegende Sanitärversorgung offenbar nicht gewährleistet; darauf läßt die Tatsache schließen, daß 54,6% der Stadtbevölkerung nicht an ein Abwasserentsorgungssystem angeschlossen sind. Mit Hilfe dieser geographischen fargef/ng-Mechanismen wurde die Zielgruppe des Fis letztlich auf 50% der Landbevölkerung und 54,2% der Stadtbevölkerung eingegrenzt. Diese Eingrenzung war der Ausgangspunkt für das targeting der Ausgaben nach Projektregionen. Hierbei wurden eine passive und eine aktive targetingStrategie unterschieden. Die passive targeting-Strategie sah vor, Anträge auf Finanzierung von Projekten von potentiellen Trägerinstitutionen lediglich anzunehmen und diese Anträge auf ihre Übereinstimmung mit den sektoralen Strategien sowie auf die Zugehörigkeit der Projektregion zu den prioritären Regionen des Fis zu überprüfen. Die aktive "Promotions"-Strategie bestand darin, in den als prioritär erkannten Zielregionen potentielle Projektträger ausfindig zu machen, gezielt anzusprechen und ihnen konkrete Projektideen vorzuschlagen. Diese Strategie war für den Fis mit erheblichen (Verwaltungs-)Kosten verbunden und verlangte von den Fis-Mitarbeitern ein erhebliches Maß an Mehrarbeit gegenüber den FsE-Mitarbeitern: "Die Promotionstätigkeit [...] erfordert von den Promotoren des Fis [...] die zusätzliche Erfassung und Verifizierung einschlägiger örtlicher Armuts- und Bedarfskriterien sowie intensive Kontakte zu Basisorganisationen und anderen potentiellen Antragstellern, die der Fis bei der Erarbeitung evaluierbarer Projektvorschläge unterstützt."1
174
4.4.3.2. Kritische Würdigung der fa/gef/ng-Mechanismen Die fargef/7?g-Mechanismen spielen in der Diskussion um die Effizienz von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung eine wichtige Rolle. Für die Beurteilung geographischer fargef/ng-Mechanismen werden in der theoretischen Diskussion drei Kriterien genannt: Erstens müssen die Kosten der Identifikation der Zielgruppe in einem angemessenen Verhältnis zu den Gesamtkosten stehen, zweitens muß eine geeignete Abgrenzung der Zielregionen vorgenommen werden und drittens muß der Armutsindikator auf das Ziel der Interventionen abgestimmt sein. Diese Kriterien werden im folgenden kurz vorgestellt und danach auf das targeting des Fis angewendet. Die Höhe der Kosten des fargef/'ng-Mechanismus sollte sich nach der Höhe der Verluste durch Transfers an "falsche" Zielgruppen, dem sogenannten "E-Fehler"1, richten. Mit Hilfe eines funktionierenden fargef/'ng-Mechanimus können arme Zielgruppen identifiziert werden. Den Kosten des targeting2 steht die Vermeidung von Kosten für fehlgeleitete Transfers, d.h. Maßnahmen, von denen nicht-arme Bevölkerungsgruppen profitieren, gegenüber, die dann entstehen, wenn targeting unterlassen wird. Die Verwaltungskosten können beispielsweise dadurch reduziert werden, daß die Zielgruppe nicht durch eine Einzelfallprüfung, sondern anhand von Armutsindikatoren identifiziert wird.3 Bei Verwendung geographischer Daten als Indikatoren für das targeting werden alle Einwohner einer Region gleich behandelt. Ein geographisches targeting verlangt daher nach einer sorgfältigen Abgrenzung der Gebiete: die Wahl der Gebietsgrenzen kann Einfluß auf die Ergebnisse der Armutsanalyse ausüben. Die Kosten des Fehltargetings können dadurch gemindert werden, daß Regionen so abgegrenzt werden, daß ihre jeweilige Bevölkerung hinsichtlich ihrer Bedürfnisse möglichst homogen ist. Allerdings sollte darüber hinaus der Anteil der Armen an den Nutznießern der Ausgaben mindestens so hoch sein wie der Anteil der Armen an der Bevölkerung der Region. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, verbessern die Maßnahmen tendenziell eher die Lebensverhältnisse der nicht-armen Bevölkerung. Die Wahl eines geeigneten Armutsindikators für das targeting hängt ab von dem Ziel, für dessen Erreichung das Ausmaß der Armut festgestellt wird. Beispielsweise weist
KANBUR
darauf hin, daß für Maßnahmen zur Reduzierung der Armutslücke das
Ausmaß der Armut anhand der Armutsquote gemessen werden sollte.4 ' 2
3 4
Vgl. Cornia; Stewart (1995): S. 350. Die Gesamtkosten eines fargef/nfif-Mechanismus können aufgeschlüsselt werden in Verwaltungskosten, Verteilungskosten, Transfers an die Zielgruppe und fehlgeleitete Transfers, d.h. Transfers, die anderen Gruppen als den Zielgruppen zugute kommen. Vgl. World Bank (1986): S. 7. Vgl. Besley; Kanbur (1993): S. 75. KANBUR (1986) weist anhand von Indikatoren der Foster-Greer-Thorbecke Klasse (P„) allgemein
175
Anhand dieser theoretischen Kriterien ist der targeting-Mechanismus des Fis positiv zu beurteilen. Erstens verursacht die Identifikation armer Regionen anhand von Sozialindikatoren nur relativ geringe Verwaltungskosten, weil die Einzelfallprüfung der Bedürftigkeit der Zielgruppe entfällt. Zweitens wurde mit dem cantón die kleinstmögliche Verwaltungseinheit als Zielregion gewählt; ein genaueres regionales targeting ist nicht möglich. Für das targeting der Maßnahmen innerhalb der Zielregionen wurde allerdings kein spezieller Mechanismus entwickelt. Offenbar wird von Seiten des Fis darauf vertraut, daß die Bereitstellung einer Grundversorgung mit sozialen Diensten einen Selbstfargef/ng-Effekt besitzt, daß also die Leistungen des Fis von nicht-armen Bevölkerungsgruppen kaum nachgefragt werden.1 Auch dem dritten Kriterium wird der Fis gerecht, weil die Wahl der Sozialindikatoren im Einklang mit der Zielsetzung des Fonds steht, die Defizite der ärmsten - verstanden als die "bedürftigste" - Bevölkerung zu reduzieren. Das targeting des bolivianischen Fis wird auch im empirischen Vergleich mit targeting-Verfahren, die von Sozialfonds in anderen lateinamerikanischen Ländern eingesetzt werden, als relativ zweckmäßiges Instrument zur Identifikation der Zielgruppen angesehen.2 Allerdings erwies sich die mangelnde Kompatibilität mit den Planungsverfahren anderer Organisationen des öffentlichen Sektors als Nachteil für eine koordinierte Zusammenarbeit. Durch die Sektorministerien wurden dem Fis offenbar teilweise Provinzen als Zielregionen vorgegeben, die anhand der fargef/ng-Verfahren keinen Anspruch auf Projekte gehabt hätten. Der Fis akzeptierte in Zweifelsfällen die Prioritäten der Ministerien und nahm deren Zielprovinzen in seine Vergabeverfahren auf;3 so wurde z.B. bei der Festlegung der Zielprovinzen des Basissanitärversorgungsprogramms verfahren, die durch das Gesundheitsministerium festgelegt wurden (vgl. Abschnitt 4.3.3).
1
Dadurch wurde das an sich geeignete
targeting-\Jerfahren
nach, daß für eine Maßnahme zur Reduzierung von P, der geeignete Indikator P den Index a-1 trägt. Vgl. Kanbur (1986): S. 8f. Für eine Maßnahme zur Reduzierung der Armutslücke (P, 2 ) ist daher die Armutsquote (PJ der geeignete Planungsindikator. Dieses Selbst targeting setzt voraus, daß arme Individuen andere Leistungen nachfragen als nichtarme. Es ist denkbar, daß nicht-arme Individuen eine soziale Dienstleistung (bspw. eine Zahnextraktion) nur im Zusammenhang mit anderen Leistungen nachfragen (im angeführten Fall bspw. eine örtliche Betäubung), das vom Fis geförderte Gesundheitszentrum Betäubungen aber nicht anbietet.
2
Das targeting der zentralamerikanischen Sozialfonds beruht beispielsweise darauf, Projekte in Regionen durchzuführen, in denen der Durchschnittslohn der ländlichen Bevölkerung besonders niedrig ist. H E R E D I A stellt dazu lapidar fest: "[...] Ohne Zweifel wurde dieser Indikator niemals zu Rate gezogen." [Vgl. Heredia (1994): S. 27; Übersetzung des Verfassers], Die Anwendung von Sozialindikatoren für das targeting, die die Einkommenssituation allenfalls indirekt widerspiegeln, ist zwar möglicherweise eine weniger genaue, dafür aber offenbar praktikablere Methode zur Identifikation der Zielgruppe.
3
Cadima (1994): Persönliches Interview.
176
verwässert. Da sich diese Vereinbarungen mit Ministerien jedoch nur auf relativ wenige Projekte des Fis auswirkten, ist nicht davon auszugehen, daß dadurch die Wirksamkeit des fargefeg-Mechanismus entscheidend eingeschränkt wurde.
4.5. Zielerreichung und Wirkungen des Fis
4.5.1. Vorgehensweise bei der Wirkungsanalyse Das gesetzliche Ziel des Fis besteht darin, die Gesundheits- und Bildungsindikatoren der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen durch die Finanzierung von Projekten in verschiedenen sozialen Bereichen zu verbessern.1 Eine direkte empirische Überprüfung der Wirkungen des Fis hinsichtlich dieses Zieles ist aus folgenden Gründen nicht möglich: Erstens treten zwischen der Finanzierung eines Projekts und der Reaktion der Sozialindikatoren teilweise erhebliche Zeitverzögerungen auf. Dies wird deutlich, wenn man z.B. den konkreten Fall eines Schulneubaus betrachtet. Eine derartige Infrastrukturinvestition ist eine wichtige Voraussetzung für einen geregelten Unterricht und damit ein Beitrag zur Reduzierung der Analphabetenrate - einem zentralen Indikator für den Bildungsstand der Bevölkerung. Die Analphabetenrate kann sich jedoch erst dann verändern, wenn der durch den Fis finanzierte Schulbau abgeschlossen ist und der Unterricht eine gewisse Zeit lang stattgefunden hat. Zweitens existiert keine hinreichend aktuelle und genaue Datengrundlage für die Nachprüfung der Wirkungen. Beispielsweise sind keine Zeitreihen oder Querschnittsdaten für die Sozialindikatoren der Nutzer von FisProjekten verfügbar. Aus diesen Gründen können die Wirkungen der Fis-Projekte nicht direkt nachgewiesen werden. Vielmehr wird in diesem Abschnitt anhand von fünf Kriterien geprüft, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, daß die Projekte des Fis zur Bekämpfung der Armut in Bolivien beitragen. Die Kriterien lauten im einzelnen: (1) Hohe Breitenwirkung: Die Armutsanalyse in Abschnitt 3.3.2 hat gezeigt, daß der überwiegende Teil der Einwohner Boliviens (79,5% der Bevölkerung) nicht in der Lage ist, seine grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Zur Bekämpfung der Armut sind grundsätzlich zwei Strategien denkbar: Erstens kann das Ziel verfolgt werden, das Überleben derjenigen Bevölkerungsgruppen zu sichern, die am stärksten gefährdet sind. Eine derartige Strategie würde darin bestehen, die Vorhaben auf einen kleinen 1
Kreis
Bedürftiger zu konzentrieren und für diese
Vgl. D.S. 22.542, Art. 15.
Zielgruppen
17 7
Nothilfeprogramme zu entwickeln. Diese Strategie wird vom Fis jedoch nicht verfolgt; das zeigt sich schon daran, daß sich seine Maßnahmen an mehr als 50% der Einwohner Boliviens richten.1 Die zweite denkbare - und tatsächlich vom Fis verfolgte - Strategie besteht darin, eine möglichst hohe Breitenwirkung innerhalb der Gruppe der Armen zu erzielen. Eine Untersuchung der Fragestellung, wie hoch die Breitenwirkung in der armen Bevölkerung ist, ist aufgrund des unzureichenden Datenmaterials nur indirekt möglich. Dabei wird in zwei Schritten vorgegangen: zuerst wird untersucht, ob der Fis mit seinen Projekten eine große Zahl an Nutznießern erreicht; hierauf bezieht sich das Kriterium Breitenwirkung. Insofern ist die so definierte Breitenwirkung als notwendige Nebenbedingung für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung anzusehen. Eine hohe Breitenwirkung ist jedoch nur dann positiv einzuschätzen, wenn auch die hinreichende Bedingung erfüllt ist, die besagt, daß die Gruppe der Nutznießer in der Mehrzahl zu der armen Bevölkerung Boliviens zählen muß; diese Bedingung überprüft das Kriterium 5. Das Kriterium der Breitenwirkung ist aus vor allem zwei Gründen problematisch. Erstens kann gegen das Kriterium Breitenwirkung eingewendet werden, daß es auch dann als erfüllt gilt, wenn wenige Großprojekte für eine große Zahl potentieller Nutzer durchgeführt werden. In diesen Fällen kann die hohe Breitenwirkung allerdings zu Überfüllungsproblemen führen, die sich etwa in Wartezeiten für ärztliche Behandlungen äußern können; dies Argument betrifft beispielsweise ein Krankenhausprojekt in La Paz, das für 742.000 potentielle Nutzer ausgelegt ist. Bezüglich dieses Einwands ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die Mehrzahl der Projekte vom Fördervolumen her betrachtet relativ klein waren.2 Zum anderen stellt sich die Frage, ob z.B. Operationen oder andere stationäre Behandlungen grundsätzlich in anderer Form bereitgestellt werden können. Ist dies nicht der Fall, so besteht die Alternative zur Förderung eines Hospitals einschließlich der damit verbundenen Wartezeiten für die Nutzer in der NichtVersorgung bestimmter Krankheiten. Zweitens ist fraglich, ob die zugrundeliegenden Daten glaubwürdig sind. Da das Kriterium anhand der in den Projektanträgen des Fis enthaltenen Zahlen überprüft wird und sowohl die Antragsteller als auch der Fis ein Interesse daran haben, daß eine möglichst große Zahl Personen von den Fis-Projekten profitiert, wird die Zahl der potentiellen Nutzer tendenziell überschätzt. Eine genauere Analyse dieser Frage ist mangels alternativer Daten jedoch nicht möglich. 1 2
Vgl. Abschnitt 4.4.3.1. Vgl. Abschnitt 4.4.2.2.
178
Die Diskussion macht deutlich, daß eine abschließende Beurteilung der Wirkungen des Fis anhand des Kriteriums Breitenwirkung nicht möglich ist. In Anbetracht der verfügbaren Daten ist jedoch begründbar, daß die Breitenwirkung für Tendenzaussagen herangezogen wird; diese Aussagen müssen jedoch durch Quervergleiche mit den anderen Kriterien untermauert werden. (2) Tragbare Kostenbelastung für die Nutznießer: Zu den Leistungen des Fis sollen vorrangig die armen Einwohner Boliviens Zugang haben. Diese Zielgruppen weisen eine geringe Zahlungsfähigkeit auf. Damit der Fis seine Zielgruppen erreicht, dürfen die Kosten, die den Armen durch Fis-Projekte entstehen, nicht prohibitiv hoch sein. (3) Steigerung der Arbeitsnachfrage: Obzwar die Steigerung der Arbeitsnachfrage im Gegensatz zum FSE für den Fis kein unmittelbares Ziel darstellt, werden von der Tätigkeit des Fis Arbeitsmarktwirkungen erhofft: Die Bereitstellung von Gesundheitsund Bildungsleistungen dient dazu, die Produktivität der Zielgruppen zu fördern; der angestrebte Haupteffekt der Tätigkeit des Fis liegt somit in der Verbesserung der Qualität des Arbeitsangebots. Ein erwünschter Nebeneffekt der Maßnahmen des Fis besteht darin, für die Armen Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu schaffen. Der Fis könnte das fördern, indem arbeitsintensive Vorleistungen nachgefragt werden und damit der wichtigste Produktionsfaktor seiner Zielgruppen in besonderer Weise genutzt wird. Dies könnte dazu führen, daß die Nachfrage nach Arbeitsleistungen der Armen steigt. (4) Gleichgerichtete gesamtwirtschaftliche Wirkungen: Eine Nebenbedingung für die Wirksamkeit des Fis besteht darin, daß die Wirkungen, die der Fis auf die bolivianische Volkswirtschaft ausübt, den direkten Wirkungen der Fis-Projekte für die Zielgruppen nicht zuwider laufen; zumindest müssen die direkten positiven Armutswirkungen deutlich größer sein als potentielle negative gesamtwirtschaftliche Effekte. Hier sind in erster Linie die Effekte auf die Leistungsbilanz, Investitionen und die Verschuldungssituation zu nennen. (5) targeting der Ausgaben in arme Regionen: Die Leistungen des Fis können nur zur Bekämpfung der Armut beitragen, wenn die durch den Fis geschaffenen Einrichtungen in Reichweite der armen Bevölkerung liegen.1 Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn in der Umgebung der Projekte Personen leben, deren Lebensstandard unterhalb der Armutsgrenze liegt. Ein funktionierendes targeting der Ausgaben in 1
Die "Reichweite" der Bevölkerung umfaßt nach der Abgrenzung des UNDP eine Entfernung, die innerhalb einer Stunde zu Fuß oder mit einem lokalen Verkehrsmittel zurückgelegt werden kann. Dort wird die "Bevölkerung ohne Zugang zu Gesundheitsdiensten" definiert als "Personen, die nicht innerhalb einer Stunde zu Fuß eine angemessene Gesundheitsversorgung erreichen können." Vgl. UNDP (1997): S. 222.
179
arme Regionen ist daher ein Indikator dafür, daß die Ausgaben des Fis die gewünschten Zielgruppen erreichen. Auf dieser Überlegung beruhte das in Abschnitt 4.4.3.1 dargestellte Vorgehen des Fis, seine Ausgaben anhand geographischer Kriterien vorzunehmen. Nur wenn diese fünf Bedingungen erfüllt sind, können die Fis-Projekte mittelfristig zur Bekämpfung der Armut in Bolivien beitragen. Der folgende Abschnitt ist der Untersuchung dieser Voraussetzungen gewidmet. 4.5.2. Einzel- und gesamtwirtschaftliche Wirkungen
4.5.2.1. Breitenwirkung Das operative Ziel des Fis besteht darin, das Angebot an öffentlichen Dienstleistungen in den Sektoren Gesundheit, Bildung und Sanitärversorgung auszuweiten. Die Breitenwirkung der Fis-Projekte zeigt sich daran, daß die Zahl der potentiellen Nutznießer der Fis-Projekte einen spürbaren Anteil an den Einwohnern Boliviens ausmacht, die in dem jeweils betrachteten Leistungsbereich Defizite aufweisen.1 Dem Ansatz, die potentiellen Nutzer als Grundlage für die Bestimmung der Mengenwirkung anzusehen, liegt die Annahme zugrunde, daß allen Einwohnern des Einzugsgebietes eines Projektes ein Nutzen aus der Bereitstellung der Maßnahme entsteht; der Nutzen aus der tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtung - die Benutzung einer Krankenstation im Krankheitsfalle oder die Straßenbenutzung zur Vermarktung - wird demgegenüber vernachlässigt. Eine Korrektur dieser Meßgröße wäre dann notwendig, wenn in einem Bezirk mehrere gleiche Projekte unternommen, d.h. mehrere Gesundheitsposten errichtet oder mehrere kleine Schulen ausgestattet, würden. Insgesamt profitierten von den Leistungen des Fis im Untersuchungszeitraum nahezu 5,6 Mio. Einwohner Boliviens; das entspricht einem Anteil von rund 87% der gesamten Bevölkerung das Landes.2 In dieser Zahl sind jedoch Mehrfachzählungen enthalten, weil Teile der Bevölkerung mehrere Fis-Projekte nutzen können; dies ist z.B. der Fall, wenn in einer Region sowohl die Trinkwasserversorgung verbessert als ' Als Datengrundlage dienen die Evaluationsunterlagen des Fis: In jedem Antrag für eine Projektfinanzierung ist anzugeben, wievielen Personen aus den Leistungen des Fis Nutzen erwachsen ("nümero beneficiarios"). Eine besondere Methodik ist nicht vorgegeben. Üblicherweise werden die Einwohner des jeweiligen Verwaltungsgebiets (cantön, zona censal etc.) als Nutznießer erfaßt. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Daten eher großzügig geschätzt werden. 2 Dieser Prozentsatz wurde errechnet, indem die Planungsgrundlage des Fis zur Nutzerzahl der Projekte auf die Zahl der Bewohner Boliviens bezogen wurde.
180
auch ein Schulgebäude errichtet wurde. Daher kann diese Zahl als Obergrenze für die Zahl der Nutznießer interpretiert werden. Mehrfachzählungen können weitgehend vermieden werden, indem die Nutznießer nach Programmen getrennt betrachtet werden. In diesem Falle werden nur solche Personen mehrfach erfaßt, die beispielsweise nacheinander an mehreren Bildungsmaßnahmen teilnahmen oder Zugang zu mehreren unterschiedlichen Gesundheitsprojekten erhielten.1 In Tabelle 4.16 ist die Zahl der potentiellen Nutznießer von FisProjekten nach Programmen aufgeschlüsselt. Tabelle 4.16 Potentielle Nutznießer von Fis-Projekten nach Programmen 1991-95 Potentielle Nutznießer Potentielle Nutznießer (Mio. Personen)
(% der Bevölkerung)
Personen insgesamt
5,6
86,6
- Gesundheitsprojekte
4,1
64,3
- Sanitärprojekte
0,6
9,2
- Bildungsprojekte
0,8
13,1
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Tabelle zeigt, daß die Mengenwirkungen zwischen den Programmen stark differieren. Der Bevölkerungsanteil der Nutznießer von Bildungsprojekten ist allerdings mit den Daten der beiden anderen Programme nicht uneingeschränkt vergleichbar, da die Gruppe der Nutzer beispielsweise bei Schulprojekten auf die Bevölkerung im schulpflichtigen Alter beschränkt wird, während als Nutznießer von Gesundheitsbzw. Sanitärversorgungsprojekten die gesamte im Einzugsbereich des Projekts lebende Bevölkerung gilt. Die Bedeutung des Fis für die bolivianische Bevölkerung läßt sich besser einschätzen, indem die Zahl der Nutznießer in einen Kontext mit den relevanten Sozialindikatoren Boliviens gestellt wird. Tabelle 4.17 gibt ausgewählte Sozialindikatoren für die Bereiche Gesundheitsversorgung, Bildungssituation und Versorgung mit sanitären Diensten wieder.
1
Innerhalb des Gesundheitsprogramms liegt die Quote der Mehrfachzählungen bei etwa 10% aller potentiellen Nutznießer. Diese relativ hohe Quote erklärt sich daraus, daß die Projekte des Fis unterschiedliche Stufen des Gesundheitssystems abdeckten. Neben der Erstversorgung wurde über das PROISS auch die kurative Versorgung durch Investitionen in Hospitäler verbessert. Im Bildungsprogramm liegt die Quote der Mehrfachzählungen dagegen unter 5 % der Nutznießer und im Prog r a m m "Basissanitärversorgung" hatten nach Angaben des Fis 1.185 von insgesamt rund 6 0 0 . 0 0 0 Nutznießern (d.s. 0 , 2 % der Begünstigten) Zugang zu zwei oder mehr Projekten [Vgl. Fondo de Inversion Social (1995)]; aufgrund dieses insgesamt geringen Ausmaßes werden Mehrfachnennungen im folgenden weitgehend vernachlässigt.
181
Tabelle 4.17 Zielgruppen des Fis nach Grundbedürfnisdefiziten 1995 - in Mio. Personen -
Personenzahl Erwachsene Analphabeten"
0,7
Einwohner ohne Zugang zu lokalen Gesundheitsdiensten21
2,3
Einwohner ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser
3,2
Einwohner ohne Zugang zu einer geeigneten Einrichtung zur Abwasserentsorgung
3,9
11
Bevölkerung über 15 Jahre.
21
Einwohner, die mit höchstens einer Stunde Fußweg eine angemessene Gesundheitseinr i c h t u n g e r r e i c h e n k ö n n e n . UNDP (1995): S . 222.
Q u e l l e : UNDP ( 1 9 9 5 ) ; e i g e n e B e r e c h n u n g e n .
Wie Tabelle 4.17 zeigt, waren 1995 im Bereich der Versorgung der bolivianischen Bevölkerung mit den genannten sozialen Dienstleistungen deutliche Defizite zu verzeichnen.1 Diese unzureichend versorgten Bevölkerungsgruppen gehörten zu den Zielgruppen des Fis, die - bei wirksamem targeting der Projekte - nach der Realisierung von Projekten die der Tabelle zugrunde liegenden Standards überschreiten sollten. Über die Frage, ob die potentiellen Nutznießer der Fis-Projekte tatsächlich zu den in Tabelle 4.16 dargestellten Personenkreisen mit Grundbedürfnisdefiziten zählten, kann an dieser Stelle keine Aussage getroffen werden; mit diesem Problem befaßt sich Abschnitt 4.5.3. Bei rechnerischem Vergleich der Defizite in der Versorgung der Bevölkerung mit den Leistungen des Fis wird deutlich, daß der Deckungsgrad der armen Bevölkerung durch Fis-Projekte, gemessen an der Zahl der Personen mit Versorgungsdefiziten, im Gesundheitsbereich am höchsten war: 4,1 Mio. potentiellen Nutznießern standen 2,3 Mio. Personen gegenüber, die bis dahin keinen Zugang zum Gesundheitssystem besaßen. Auch im Bildungsbereich ist der Vergleich eindrucksvoll: 841.000 potentiellen Nutzern von Maßnahmen des Fis, mit denen vor allem die Alphabetisierung der Bevölkerung verfolgt wird, standen 700.000 erwachsene Analphabeten gegenüber. Allerdings gilt auch hier wieder die Einschränkung, daß potentielle Nutzer anders abgegrenzt sind als erwachsenen Analphabeten: die Zahl der potentiellen Nutznießer der Bildungsprojekte umfaßt erwachsene Kursteilnehmer in speziellen Weiterbildungsveranstaltungen 1
ebenso wie Schüler
im schulpflichtigen
Alter,
In dieser Tabelle wurden somit Sozialindikatoren verwendet, die - in weitaus detaillierterer Form in den für die targeting-Analyse verwendeten Indikator "Armutstiefe" [vgl. Anhang C] eingehen.
182
während sich die Angaben von UNDP (1955) über Analphabeten ausschließlich auf die erwachsene Bevölkerung Boliviens beziehen.1 Demgegenüber waren die Mengeneffekte der Verbesserung der sanitären Infrastruktur weitaus geringer. In der Tabelle 4.17 wurden Nutznießer von Sanitär- und von Trinkwasserprojekten des Fis zusammengefaßt; daher steht dieser Zahl keine vergleichbare Angabe im HDR gegenüber. Die Zahl der Nutznießer von Sanitärprojekten entspricht 18,5% aller Personen, die über keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser verfügten bzw. 15,1% derjenigen Einwohner Boliviens, deren Abwässer nur unzureichend oder gar nicht behandelt wurden. Wie verteilen sich die Mengenwirkungen auf die einzelnen departamentos des Landes? Es ist nicht anzunehmen, daß die Defizite in der Sozialversorgung in allen Teilen Boliviens gleich groß sind. Daher müßte man damit rechnen, daß auch der Anteil der Nutznießer von Fis-Projekten an der Gesamtbevölkerung nicht in allen departamentos gleich hoch ist. Tabelle 4.18 gibt Aufschluß über die regionale Verteilung der Nutznießer der Leistungen des Fis nach departamentos. Tabelle 4.18 Potentielle Nutznießer nach departamentos 1991-95 departamento
Bevölkerung (Tsd. Personen)
Potentielle Nutznießer Potentielle Nutznievon Fis-Projekten ßer von Fis-Projekten (Tsd. Personen)
(% der Bevölkerung)
La Paz
1.901
2.580
136
Santa Cruz
1.364
557
41
Cochabamba
1.110
920
83
Potosí
646
352
55
Chuquisaca
454
225
50
Oruro
340
121
36
Tarija
291
161
55
Beni
276
292
106
38
47
123
6.421
5.255
82
Pando Gesamt1' 11
Es wurden ausschließlich Projekte betrachtet, die sich genau einem departamento zurechnen ließen. Zur Gesamtzahl der Nutznießer in der Tabelle sind 305 Tsd. Personen hinzuzurechnen, die von cfepartamenfo-übergreifenden Projekten profitierten.
Quellen: República de Bolivia (1993); Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Aus Tabelle 4.18 geht hervor, daß die Dichte der Leistungen des Fis zwischen den departamentos stark variiert. In der Tabelle wurden die beiden departamentos mit 1
Erwachsene Bevölkerung: 15 Jahre und älter; UNDP (1995): S. 160.
183
dem höchsten und mit dem niedrigsten rechnerischen Deckungsgrad hervorgehoben. Es zeigt sich, daß die Bevölkerung der departamentos La Paz, Pando und Beni im Durchschnitt von mehr als einem Projekt profitiert, während in den departamentos Santa Cruz, Chuquisaca und Oruro rechnerisch weniger als die Hälfte der Einwohner durch den Fis Leistungen erhält. Um das Problem der Mehrfachzählungen zu umgehen, werden die Mengenwirkungen der Fis-Projekte je departamento wiederum getrennt nach Programmen betrachtet.1 Für alle Programme zeigt sich eine starke regionale Variation der Wirkungen. In La Paz belief sich die Kapazität der Gesundheitsprojekte rechnerisch auf 121% der Bevölkerung, in Tarija hingegen nur auf 23%.2 Demgegenüber waren die Bevölkerungsanteile, die Zugang zu Bildungs- oder Sanitärversorgungsprojekten des Fis hatten, deutlich kleiner. Als Fazit der Untersuchung der Breitenwirkung ist festzuhalten, daß rechnerisch die Mehrzahl der Einwohner Boliviens von Fis-Projekten profitiert. Die Nutzen sind regional und sektoral konzentriert, weshalb zu vermuten ist, daß insgesamt weniger als die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu den Projekten hat. Dennoch ist festzuhalten, daß der Fis - gemessen an den Defiziten der Bevölkerung - eine erhebliche Breitenwirkung erzielte; diese Voraussetzung für eine wirksame Armutsbekämpfung ist somit erfüllt. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß aufgrund der bekannten positiven externen Effekte der Inanspruchnahme von Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen die Breitenwirkung bei entsprechend weiter Interpretation noch größer ist. 4.5.2.2. Kostenbelastung für die Zielgruppe Aus den Projekten des Fis ergeben sich für die Nutznießer Kostenbelastungen. Die Gesamtkosten, die der Zielgruppe aus der Bereitstellung der Dienstleistungen des Fis entstehen, setzen sich aus laufenden Benutzergebühren und einer einmaligen Eigenleistung der potentiellen Nutzer als Beitrag zur Durchführung des Fis-Projektes zusammen.3
'
Vgl. A n h a n g A, Tabellen 12 a-c.
2
Die besonders hohe Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsprojekten d e s Fis in La P a z ist darauf zurückzuführen, d a ß aus Mitteln des PROISS (vgl. Anbschnitt 4 . 3 . 3 ) im Stadtgebiet v o n La P a z m e h r e r e Hospitäler gefördert wurden. D a s größte Hospital allein w a r für 7 4 2 . 0 0 0 potentielle N u t z n i e ß e r angelegt.
3
Auch der - steuerfinanzierte - Eigenbeitrag der bolivianischen Regierung zur Finanzierung d e s Fis sowie die Eigenbeiträge staatlicher Antragsteller steigern letztlich die Kostenbelastung der Nutzer. Diese Kostenbelastung kann jedoch an dieser Stelle nicht untersucht werden, weil kein D a t e n m a t e rial über die Inzidenz d e s bolivianischen Steuersystems vorhanden ist.
184
Die laufenden Benutzergebühren - beispielhaft seien Medikamentengebühren und Beiträge zu den Untersuchungskosten im Gesundheitsbereich sowie Mautgebühren bei Straßenbenutzung genannt - werden nur bei Inanspruchnahme der Leistung fällig. Sie werden von dem Betreiber des jeweiligen Projekts erhoben und gehen in die mittelfristige Finanzplanung des Betreibers ein. Die Gebühren für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Projekts sollen so kalkuliert werden, daß das Projekt mittelfristig ohne Zuschüsse des Fis kostendeckend wirtschaftet. Eine exemplarische Berechnung der laufenden Benutzergebühren ist an dieser Stelle nicht möglich, weil weder die Kalkulationsgrundlage der Antragsteller noch die Einforderung der Gebühren nach Abschluß der Fis-Aktivitäten durch den Fonds überprüft werden. Daher können zum Einfluß der Fis-Projekte auf die laufenden Kosten für soziale Dienstleistungen nur Plausibilitätsüberlegungen angestellt werden. Der Einfluß eines Fis-Projekts auf die Veränderung der laufenden Kosten der Nutzer für ihre Gesundheit oder Bildung ist abhängig von der Situation der Nutznießer vor der Bereitstellung einer Fis-Maßnahme. Jeder Einwohner Boliviens nutzt im Bedarfsfall irgendeine Form der Gesundheitsberatung, Bildungs-oder Wasserversorgung. Die existierenden Daten zur Versorgung der bolivianischen Bevölkerung mit sozialen Dienstleistungen beziehen sich ausschließlich auf eine angemessene formelle Versorgung. Ein Großteil der Bevölkerung hat jedoch ausschließlich Zugang zu traditionellen, informellen oder unzureichenden formellen Systemen.1 Die Mehrzahl der Einwohner muß auf Gesundheitseinrichtungen zurückgreifen, die nur geringe oder unsichere Heilwirkungen entfalten, und auf traditionelle oder informelle Bildungseinrichtungen, die "modernen" Anforderungen (bspw. Lesen, Rechnen, Schreiben) nur sehr bedingt genügen. Zudem muß der Trinkwasserbedarf häufig aus Wasservorkommen gedeckt werden, die gesundheitliche Risiken bergen. Selbst diese ungenügenden Leistungen sind in der Regel nicht kostenlos. Daher müssen die Kosten der bisherigen Versorgung den Kosten eines Fis-Projekts gegenübergestellt werden. Eine typische Form der traditionellen Gesundheitsversorgung in Bolivien ist Kräuterheilkunde, die vorwiegend in ländlichen Regionen angewendet wird. Der überwiegende Teil der städtischen Bevölkerung wird hingegen von Einrichtungen des formellen Gesundheitssystems versorgt. Diejenigen Stadtbewohner, die keine formelle Gesundheitseinrichtung in Anspruch nehmen können, sind zumeist auch von '
Als "traditionell" werden Systeme bezeichnet, die über mehrere Generationen gewachsen sind und innerhalb einer Gesellschaft überliefert werden. Traditionelle Systeme setzen somit eine stabile Zusammensetzung der Population voraus. Demgegenüber beinhaltet der Begriff "informell" Systeme, die innerhalb der letzten Generation entstanden sind und sich auch spontan entwickeln können. Ein Beispiel für ein informelles System ist Nachbarschaftshilfe in stadtischen Barrios, die vorrangig von Zugereisten bewohnt werden. Vgl. Ahmad (1991): S. 111 ff.
185
traditionellen Systemen ausgeschlossen und müssen auf informelle Institutionen vertrauen. Weder die traditionelle Heilkunde auf dem Land noch informelle städtische Gesundheitseinrichtungen geben ihre Leistungen kostenlos ab. Da für die ländliche Bevölkerung mit einem Arztbesuch oftmals eine längere Anreise verbunden ist, sind zu den Behandlungs- auch die Reisekosten hinzuzurechnen. Durch die Errichtung neuer ländlicher Gesundheitsstationen durch den Fis werden die Reisekosten für die lokale Bevölkerung verringert. In den Städten fallen Transportkosten aufgrund der geringeren Entfernungen nicht so stark ins Gewicht. Unabhängig von der Region, in die investiert wird, führt die Rehabilitierung bestehender Einrichtungen zu einer qualitativen Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Durch die verbesserte Ausstattung eines Gesundheitspostens können die Behandlungserfolge gesteigert und dadurch auch die Kosten der Behandlung für den Patienten verringert werden, zumal in den meisten Einrichtungen nicht zahlungsfähige Patienten kostenlos behandelt werden. Mit der Durchführung eines Gesundheitsprojekts des Fis geht somit tendenziell eine Senkung der laufenden Kosten der Zielgruppe für soziale Dienstleistungen einher. Auch die private Vermittlung von Bildung ist nicht kostenlos. Kinder in ländlichen Regionen ohne formelle Bildungseinrichtung werden üblicherweise ausschließlich von ihren Eltern unterrichtet. Dabei entstehen den Eltern, sobald sie häusliche Bildungsleistungen anbieten, Opportunitätskosten in Form entgangener Arbeitsentgelte. Der Erfolg dieses häuslichen Unterrichts wird in entlegenen Regionen häufig dadurch gemindert, daß auch die erwachsene Bevölkerung selbst weder des Lesens noch des Schreibens mächtig ist und daher nur eine sehr rudimentäre Grundbildung weitergeben kann. In ländlichen Regionen, die über eine formelle Grundschule verfügen, sind die Bildungsmöglichkeiten für schulpflichtige Kinder grundsätzlich größer. Allerdings wirken sich in diesen Einrichtungen die Probleme des bolivianischen Bildungswesens - unangemessene Curricula, mangelnde Überwachung der Anwesenheit und Qualifikation der Lehrer1 - besonders stark aus und führen dazu, daß Bildungseinrichtungen nicht genutzt werden. In städtischen Regionen hingegen ist die Möglichkeit zum Besuch einer formellen Schule in der Regel gegeben. Laufende Kosten für Unterrichtsmaterial und den Transport zur Schule entstehen den Eltern unabhängig von der Qualität der Bildungsleistungen. Weil das Netz der Bildungseinrichtungen in ländlichen Regionen aufgrund der Fis-Projekte dichter geknüpft wird, sinkt tendenziell die Entfernung zwischen dem jeweiligen Wohnort der '
Vgl. die Darstellung der Bildungsinstitutionen in Abschnitt 3.4.1.
186
Schüler und ihrer Bildungsstätte; damit geht auch eine Senkung der Transportkosten einher. Außerdem gehen die Opportunitätskosten der Eltern tendenziell zurück, wenn sie weniger Zeit für die häusliche Unterrichtung der Kinder aufwenden müssen; demgegenüber leisten die Kinder, solange sie die Schule besuchen, keinen Beitrag mehr zum häuslichen Verdienst. Die Ausgaben der Schüler für Unterrichtsmaterialien bleiben hingegen weitgehend gleich, weil auch in Bildungsstätten, die durch den Fis gefördert werden, in der Regel keine Lehrmittel gestellt werden. Die Betrachtung der Kostenwirkungen von Sanitärversorgungsprojekten muß nach Trinkwasser- und Abwasserprojekten unterscheiden. Ein Großteil des Trinkwasserbedarfs der ländlichen Bevölkerung wird mit Wasservorkommen gedeckt, die nicht vorbehandelt werden. Viele Gemeinden verfügen über einen Brunnen. Da jedoch seit etwa 1983 der Grundwasserspiegel im relativ dicht besiedelten Hochland stetig absinkt, muß zunehmend Oberflächenwasser zur Deckung des Wasserbedarfs herangezogen werden. In manchen Gemeinden besteht eine Alternative darin, einen bestehenden Brunnen zu vertiefen. Den Nutzern entstehen einmalige Kosten für den Bau und laufende Kosten für den Betrieb des Brunnens. Die Nutzung von Oberflächenwasser verursacht Folgekosten durch den Genuß kontaminierten Wassers. Aus beiden Formen der Trinkwassergewinnung entstehen außerdem Opportunitätskosten in Form des Zeitaufwandes für das Wasserholen. Die Verbesserungsmaßnahmen des Fis reduzieren zwar nicht unbedingt die laufenden Kosten der Zielgruppe für den Betrieb der Brunnen, sie tragen aber zur Reduzierung der Opportunitätskosten und der Folgekosten bei. Etwas anders stellt sich die Situation für die Entsorgung von Abwässern dar. Traditionellerweise werden häusliche Exkremente in Sickergruben gesammelt oder, wenn Fließgewässer vorhanden sind, dort hineingeleitet. Die Betriebskosten solcher Maßnahmen sind generell gering. Insbesondere die Einleitung ungeklärter Fäkalien in Oberflächengewässer hat jedoch erhebliche negative Effekte auf andere Nutzer des Gewässers, beispielsweise flußabwärts lebende Anrainer. Die Finanzierung von Abwasserprojekten durch den Fis trägt dazu bei, daß diese externen Effekte gemildert werden. Allerdings entstehen den Nutzern laufend Instandhaltungskosten. Aus der bisherigen Darstellung ist deutlich geworden, daß die Durchführung eines Fis-Projekts tendenziell zur Senkung der laufenden Kosten der Zielgruppen für soziale Dienstleistungen beiträgt. Zudem geht mit der Durchführung eines Fis-Projekts auch eine erhebliche Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen einher, die zusätzlich zu dieser Senkung der laufenden Kosten auch tendenziell zur Reduzierung der Opportunitätskosten sowie der externen Kosten führt. Im Kalkül der armen Nutzer
spielen
diese
geringen
Änderungen
der
Kosten
zukünftiger
sozialer
187
Dienstleistungen, die aus der Durchführung von Fis-Projekten resultieren, wahrscheinlich nur eine geringe Rolle. Von größerer Bedeutung sind die einmaligen Beiträge, die als Eigenleistungen von den Nutzern erhoben werden.1 Im Gegensatz zur Belastung mit laufenden Kosten liegen über die einmaligen Beiträge der Zielgruppe zu den Fis-Projekten konkrete Angaben vor. Diese Beiträge fallen in Form von Arbeitseinsätzen, Materiallieferungen und Geldbeiträgen in der Erstellungsphase des Projektes an. Sie werden von den potentiellen Nutzern der Maßnahmen, d.h. allen Einwohnern im Einzugsbereich des Gesundheitszentrums, an den Fis geleistet und gehen als Eigenleistung der Zielgruppe in den Projekthaushalt ein. Die folgende beispielhafte Analyse der Eigenbeiträge bezieht sich nur auf die Programme Gesundheit und Bildung; das Basissanitärversorgungsprogramm wurde aufgrund fehlender Vergleichsdaten ausgeklammert. Außerdem bezieht sich diese Untersuchung ausschließlich auf diejenigen Projekte, die in den vier größten Städten Boliviens durchgeführt wurden, weil nur für diese Regionen Daten zur finanziellen Situation der Haushalte vorliegen. Die im folgenden untersuchte Frage lautet, welcher Prozentsatz des durchschnittlichen Haushaltseinkommens für die Bereitstellung eines Fis-Projekts aufgewendet wird, wenn ein Haushaltsmitglied einen Eigenbeitrag zum Fis-Projekt leisten muß.2 Zu diesem Zweck werden die einmaligen Beiträge der Nutznießer von Fis-Projekten nacheinander auf die durchschnittlichen Haushaltsausgaben der Bevölkerung für Bildung und für Gesundheit bezogen (vgl. Tabelle 4.19).3 Tabelle 4.19 gibt Auskunft darüber, wie hoch im Jahr 1992 der Anteil der Gesundheitsausgaben war, der dem durchschnittlichen Eigenbeitrag zu einem Fis-Projekt in den vier größten Städten Boliviens entsprach. Zur Ermittlung des durchschnittlichen Eigenbeitrags wurden die Projektdaten des Fis derart ausgewertet, daß die gesamten Eigenleistungen der potentiellen Nutzer eines Projektes durch die Zahl der potentiellen Nutzer dividiert wurden.4
'
Aus der Sicht der Armen nimmt bereits ein - absolut gesehen - niedriger einmaliger finanzieller Eigenbeitrag einen großen Teil des verfügbaren Haushaltseinkommens in Anspruch und beeinträchtigt die Liquidität relativ stark.
2
Im Normalfall müssen mehrere Familienmitglieder jeweils denselben Beitrag leisten.
3
Zur Berechnung der Gesundheitsausgaben vgl. Anhang A, Tabelle 14a.
4
Da nicht in j e d e m Jahr Neuprojekte des Fis begannen, für die Eigenbeiträge ertioben worden wären, werden hier die Eigenbeiträge im Durchschnitt der Jahre 1991-93 angegeben. Die Daten des Fis sind in U S $ berechnet; zur Umrechnung wurde der durchschnittliche Wechselkurs für das Jahr 1992 nach der Berechnung der ECONOMIST INTELLIGENCE UNIT (1995a) verwendet, der sich auf 3,90 Bolivianos pro U S $ beläuft.
188
Tabelle 4.19 Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Gesundheitsprojekten des Fis in den größten Städten Boliviens 1992 Stadt
Durchschnittl. Ausgaben Davon: jährl. Durchschnittl. Eipro Jahr je Gesundheits- genbeitrag der Nut- Eigenbeitrag Haushalt ausgaben je zer zu Gesundheits- (% d. Gesundheitsausgaben) projekten des Fis Haushalt (Bolivianos) (Bolivianos)
(Bolivianos)
La Paz
1068,00
46,99
0,00
Santa Cruz
1090,00
45,78
0,61
1,33
Cochabamba
1095,00
53,66
0,25
0,47
537,00
10,74
0,00
0,00
El Alto
0,00
Quellen: República de Bolivia (1992c); Fondo de Inversión Social (1995); Economist Inteliigence Unit (1995a); eigene Berechnungen.
Bezieht man den durchschnittlichen Eigenbeitrag eines Nutznießers von FisProjekten auf die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben eines Haushalts, so zeigt sich, daß die Eigenbeiträge nur einem geringen Prozentsatz der Gesundheitsausgaben der städtischen Bevölkerung pro Jahr entsprechen. Für diese marginale Kostenbelastung sind zwei Erklärungen denkbar. Erstens verzichtete der Fis im Untersuchungszeitraum in den genannten Städten zumeist darauf, einen Eigenbeitrag von den Nutznießern einzufordern.1 Beispielsweise wurde in La Paz bis 1995 für kein Gesundheitsprojekt ein Eigenbeitrag eingefordert; in 92% aller Gesundheitsprojekte in den vier größten Städten wurde auf einen Eigenbeitrag der jeweiligen Zielgruppe verzichtet. Zweitens handelt es sich in Tabelle 4.19 um eine Durchschnittsbetrachtung der städtischen Bevölkerung; die Aussagen der Tabelle treffen daher nur sehr bedingt für die Armen zu.2 Bei Betrachtung der Eigenbeiträge der Nutznießer zu Bildungsprojekten ergibt sich ein anderes Bild (vgl. Tabelle 4.20). Aus Tabelle 4.20 ist ersichtlich, daß der Eigenbeitrag zu Bildungsprojekten eine erheblich höhere Belastung für die Nutzer nach sich zog als Gesundheitsprojekte. Insbesondere die Nutzer von Projekten in El Alto mußten einen Eigenbeitrag erbringen, der einem nennenswerten Anteil ihrer Haushaltsausgaben für Bildung entsprach (20%). Es ist zu vermuten, daß die relativ hohe Belastung der Haushalte mit Eigenbeiträgen vor allem in El Alto und in La Paz die potentiellen Zielgruppen maßgeblich dahingehend beeinflusste, weniger Projekte beim Fis zu beantragen.
'
Vgl. Anhang A, Tabelle 14b.
2
Z u m einen ist die Stadtbevölkerung nicht besonders arm, zum anderen ist das durchschnittliche Einkommen per definitionem höher als das Einkommen der Armen.
189
Tabelle 4.20 Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Bildungsprojekten des Fis in den größten Städten Boliviens 1992 Stadt
Ausgaben Davon: jährl. Durchschnittl. Ei- Durchschnittl. pro Jahr je Bildungs- genbeitrag der Nut- Eigenbeitrag (% der BildungsHaushalt ausgaben je zer zu Bildungsausgaben) projekten des Fis Haushalt (Bolivianos) (Bolivianos)
(Bolivianos)
La Paz
1068,00
51,26
5,62
11,0
Santa Cruz
1090,00
57,77
0,32
0,6
Cochabamba
1095,00
60,23
3,88
6,0
537,00
13,96
2,74
20,0
El Alto
Quelle: República de Bolivia (1992c).
Bei Bildungsprojekten wurde offensichtlich weitaus seltener auf die Erhebung eines Eigenbeitrags der Zielgruppe verzichtet als bei Gesundheitsprojekten.1 In jeder der vier Städte lag der Anteil der Projekte, zu deren Durchführung die Nutznießer keinen Eigenbeitrag leisten mußten, im Bildungsbereich niedriger als im Gesundheitsbereich. Diese Beobachtung ist aufgrund der Vergaberegeln des Fis nicht zu erklären. Es ist allerdings zu vermuten, daß die in der Praxis schwierige Einforderung und Durchsetzung von Eigenbeiträgen um so eher gelingt, je direkter die Nutzer dem Projekt zugeordnet werden können. Die Erhebung eines Eigenbeitrags zu einem Bildungsprojekt von Familien mit schulpflichtigen Kindern ist wohl leichter als die Erhebung eines Beitrags zu einem Gesundheitsprojekt von allen Haushalten in einem Stadtgebiet. Die Ergebnisse scheinen darauf hinzudeuten, daß die Bildungsprojekte des Fis für potentielle Nutznießer eine - gemessen an den Bildungsausgaben der Haushalte relativ hohe Kostenbelastung darstellten, die als Beschränkung des Zugangs armer Personen zu Bildungsprojekten des Fis interpretiert werden könnte. Aus der Betrachtung der absoluten Höhe der Eigenbeiträge und ihres Anteils an den Gesamtausgaben der Haushalte ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Setzt man die Beiträge der Nutznießer mit den durchschnittlichen Haushaltsausgaben in Beziehung, so zeigt sich, daß die Eigenbeiträge den Wert von 0,6% des Haushaltsausgaben nicht überschritten.2 Diese Belastung lag zwar oberhalb der Fühlbarkeitsschwelle
der
'
Vgl. Anhang A, Tabelle 14d.
2
Vgl. Anhang A, Tabelle 14c. Der Wert von 0 , 6 % ergibt sich, wenn man den Anteil der Gesundheitsausgaben an den Gesamtausgaben mit d e m Eigenbeitrag der Nutznießer multipliziert. In La P a z ergibt sich ein Wert von 0 , 5 3 % der Gesamtausgaben.
190
Nutznießer, eine Beitragsleistung in dieser Höhe bedeutet aber selbst für arme Zielgruppen keine entscheidende Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Möglicherweise wäre sogar die Anhebung der Eigenbeiträge aus der Sicht der Zielgruppe sinnvoll, wenn dadurch eine weitere Verbesserung der Qualität der sozialen Dienstleistungen erreicht werden könnte. In jedem Falle wird bei Betrachtung der Kosten, die der Zielgruppe aus der Beantragung eines Fis-Projekts entstanden, deutlich, daß die absolute Höhe der Eigenbeiträge in den größeren Städten für arme Bevölkerungsgruppen wahrscheinlich kein Ausschlußkriterium für die Teilnahme an einem Fis-Projekt bedeutete. Zumindest im Bildungsbereich ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die erforderlichen Eigenbeiträge arme Bevölkerungsgruppen davon abhielten, Antragsteller bei der Beantragung von Fis-Projekten zu unterstützen. Aufgrund der geringen absoluten Höhe der Eigenbeiträge kann nicht darauf geschlossen werden, daß der Durchschnitt der Bevölkerung aufgrund der zu hohen Eigenbeiträge von der Nutzung von Fis-Maßnahmen ausgeschlossen wurde. Eine Aussage über die Situation der ärmsten Segmente der Bevölkerung insbesondere im ländlichen Bereich ist allerdings aufgrund der Daten nicht möglich. 4.5.2.3. Nachfrage nach der Arbeitskraft der Armen Der Fis kann das Einkommen der armen Bevölkerung Boliviens dadurch beeinflussen, daß er Leistungen und Produkte der Armen bei der Durchführung seiner Projekte einsetzt und somit die Nachfrage nach deren Produktionsfaktoren steigert. Der wichtigste Produktionsfaktor der Armen ist ihre Arbeitskraft. Aus diesem Grund beschränkt sich die Untersuchung der Wirkungen des Fis in diesem Abschnitt auf die Arbeitsmärkte. Die Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt resultieren daraus, daß die Nachfrage nach Arbeitskräften gesteigert wird. Diese Nachfragesteigerung kann entweder durch die Kontrahierung von Angestellten und Consultants für den Fis erfolgen, sie kann sich aus der Nachfrage der Projektträger nach Arbeitskräften ergeben oder indirekt durch Multiplikatoreffekte entstehen. Die Kontraktierung von Angestellten durch den Fis hatte aus zwei Gründen praktisch keine Wirkung für die Nachfrage nach armen Arbeitskräften und kann daher vernachlässigt werden. Erstens war die Zahl der Mitarbeiter des Fis im Vergleich zum städtischen Arbeitsmarkt sehr gering.1 Zweitens sind die Fis-Mitarbeiter zumeist hochqualifiziert und selbst das gering qualifizierte Servicepersonal rekrutiert sich nicht aus der Gruppe der Armen. Vgl. Anhang A, Tabelle 15.
191
Der Fis beansprucht den Arbeitsmarkt jedoch nicht ausschließlich für die Kontrahierung hauptamtlicher Mitarbeiter. Ein zahlenmäßig größerer Effekt entsteht durch die Vergabe des Projektmonitoring an Fremdfirmen, weil für jedes Projekt ein externer Gutachter als Supervisor für die Überwachung des Projektfortschritts engagiert werden muß. Dieser Effekt kann grob anhand der Zahl der durchgeführten Projekte abgeschätzt werden; legt man die Annahme zugrunde, daß jeder Supervisor im Durchschnitt drei Projekte betreute, waren ca. 600 Personen mit Supervisionstätigkeiten beschäftigt. Dieser Effekt erscheint - verglichen mit der Zahl der Arbeitslosen in Bolivien - relativ klein. Außerdem ist davon nur ein spezielles Segment des Arbeitsmarktes betroffen, dessen Teilnehmer typischerweise nicht zu den Armen zählen. Die Fremdaufträge werden erst nach genauer Prüfung der empfangenden Organisation vergeben. Jeder Auftragnehmer muß seine Fähigkeit zur Erfüllung der gestellten Anforderungen nachweisen. Dieser Mechanismus stellt sicher, daß der Projektprüfungs- und -monitoringprozeß eine angemessene Qualität erreicht. Die erforderlichen Sach- und Fachkenntnisse sind anhand einer speziellen Ausbildung nachzuweisen. Daher werden zur Durchführung der Studien ausschließlich Ingenieurbüros und sozialwissenschaftliche Forschungsinstitute herangezogen. Wer über eine derart spezialisierte Ausbildung verfügt, daß er für Projektstudien für den Fis herangezogen wird, zählt nicht zur armen Bevölkerung Boliviens. Wenn auch dieser Effekt die Nachfrage nach armen Arbeitskräften nicht beeinflußt, ist er dennoch positiv für die langfristige Entwicklung Boliviens, weil dadurch spezifisches Wissen im privaten Sektor aufgebaut wird, das auch für andere Projekte nutzbar ist. Zudem gehen von der mon/toring-Tätigkeit möglicherweise geringe nachfragesteigernde Effekte auf die ländlichen Gütermärkte aus, die indirekt die Arbeitsnachfrage beeinflussen. Auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure ist auch ein indirekter und unerwünschter Effekt zu beobachten. Dieser Effekt entsteht daraus, daß der Fis für jedes Projekt eine Vorstudie (Preinversiön) verlangt. In den Bestimmungen ist festgelegt, daß Gemeinden, die eine Projektfinanzierung beantragen, eine derartige Vorstudie bei einem qualifizierten Ingenieurbüro in Auftrag geben und sich die Kosten durch den Fis erstatten lassen. Es gibt Indizien dafür, daß der Impuls zur Durchführung eines Projektes nicht immer von den Gemeinden ausgeht, sondern daß einige Ingenieurbüros Standardprojekte entwerfen und diese den Gemeindevorstehern anbieten. Für die Gemeindevorsteher resultieren aus der Projektbeantragung und -durchführung politische Vorteile, die sie zu einer Beantragung bei den Gremien des Fis veranlaßt. Das Motiv des Ingenieurbüros ist darin zu suchen, daß der Mehraufwand einer zusätzlichen Projektstudie mit
192
der Zahl der Projektstudien sinkt. Aus einem Projektantrag folgt oftmals eine längere Geschäftsverbindung zwischen der Gemeinde und dem Ingenieurbüro: Der Ideengeber wird nach der Genehmigung des Projekts durch den Fis in der Regel von der Gemeinde zur Durchführung der Projektstudien kontraktiert. Für den Fis ist diese Praktik zwar bisher noch nicht beschrieben; für den
FSE
weisen
BUXELL
und
FINOT
auf In-
terviews mit einem Jefe de Zona hin, der den Anteil derartiger Projekte in Cochabamba auf nahezu 50% schätzte.1 Auch aus anderen Einrichtungen mit ähnlichen Evaluierungsvorschriften ist das Phänomen bekannt.2 Auf diese Weise wird das Nachfrageverhalten der Gemeinden nach Infrastrukturmaßnahmen verzerrt. Die Transaktionskosten der Gemeindevertreter bei der Projektbeantragung werden durch die Präsentation fertiger Blaupausen für Finanzierungsanträge erheblich gesenkt. Dadurch werden erstens Gemeinden bevorzugt, die in Kontakt mit freien Ingenieuren stehen. Diese Voraussetzung ist für solche Gemeinden nicht erfüllt, die nicht an ein ganzjährig transitables Straßennetz angebunden sind. Die Anbindung an das ländliche Straßensystem ist aber eine Determinante für den Kontakt mit externen Ingenieurfirmen.3 Daher sind entlegene, verkehrsmäßig unerschlossene Regionen gegenüber gut erreichbaren Regionen benachteiligt. Zweitens verhindert die Umgehung der vorgesehenen Beantragungsmechanismen Lernprozesse bei den Gemeinden. Ein erwünschter Nebeneffekt des Antragsverfahrens des Fis besteht darin, innerhalb einer Gemeinde einen Diskussionsprozeß anzustoßen, in dessen Verlauf die Präferenzen der Gemeindemitglieder erkannt und eine Hierarchie gewünschter kommunaler Projekte erarbeitet wird. Durch diese Diskussion entstehen den Gemeinden zwar Transaktionskosten; sie rühren vor allem aus dem Meinungsbildungsprozeß innerhalb der Gemeinde bei der Feststellung der regionalen Entwicklungsprioritäten, aus der Kontaktierung der zuständigen Stellen und aus der Beschäftigung mit dem Antragswesen des Fis her. Den Transaktionskosten stehen aber Lerneffekte durch Fortbildung der Gemeindevertreter gegenüber. Die Gemeindevertreter lernen dadurch, kommunale Angelegenheiten zunächst mit der Bevölkerung zu klären und danach gegenüber der staatlichen Bürokratie zu vertreten. Die Kenntnis dieser Abläufe ist eine elementare Voraussetzung für eine funktionsfähige kommunale Verwaltung, die auch für künftige, nicht unbedingt mit dem Fis verbundene, Verwaltungsakte genutzt werden kann. Diese Nutzen entfallen, 1
Vgl. Buxell; Finot (1991): S. 29.
2
Auch Mitarbeiter d e s bolivianischen FDC berichteten Überdieselbe Interessenkoalition von G e m e i n devertretern und freien Ingenieuren. Vgl. Treviño (1994): persönliches Interview. Für d e n honduranichen Sozialinvestitionsfonds FHIS wurden die gleichen Erfahrungen bekannt. Vgl. V a s q u e z ( 1 9 9 6 ) : S. 2 0 .
3
Die Hypothese, d a ß die verkehrsmäßige Erschließung einer Region eine wichtige D e t e r m i n a n t e für die Zuteilung v o n Projektmitteln darstellt, wurde durch empirische Untersuchungen bestätigt. Vgl. Lüttke; Witt ( 1 9 9 4 ) : insbesondere S. 57ff.
193
wenn ein Projekt nur deshalb beantragt wird, weil dazu eine Vorstudie existiert. Zudem betrifft dieser direkte Arbeitsmarkteffekt wiederum weitgehend nicht-arme Arbeitnehmer. Die Durchführung von Fis-Projekten zieht erwünschte indirekte Wirkungen auf den Arbeitsmärkten nach sich, weil eine Nachfrage nach Arbeitskräften bei den Projektträgem entsteht. Damit ist gemeint, daß aufgrund der Vorhaben des Fis Beschäftigungsverhältnisse in privaten Unternehmen, öffentlichen Institutionen und im NGo-Sektor entstehen, die zum Teil über die Laufzeit eines Projekts hinausgehen. Der Beschäftigungseffekt im Unternehmenssektor betrifft Unternehmen, die einzelne Leistungen für Fis-finanzierten Projekte bereitstellen. Der wichtigste Sektor, der von der Vergabe von Fis-Projekten profitiert, ist die Baubranche. Baumaßnahmen im Hochbau, die nicht von der Zielgruppe in Eigenregie ausgeführt werden können, werden üblicherweise an private Bauunternehmen vergeben; Straßenbaumaßnahmen werden auch durch die Entwicklungsgesellschaften (CORDES)
der
departamentos
erbracht. Über die Arbeitsnachfrage, die bei Unternehmen der Bauindustrie
durch die Vorhaben des Fis entsteht, liegen zwar keine gesicherten Daten vor; in diesem Industriezweig ist jedoch zu erwarten, daß auch gering qualifizierte Arbeitskräfte zeitweise eine Anstellung finden. Somit wird durch die Bautätigkeit des Fis die Nachfrage nach armen Arbeitskräften stimuliert; zudem zieht auch dieser Effekt in bestimmtem Umfang Multiplikatoreffekte durch die Steigerung der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die von armen Arbeitnehmern erstellt werden können, nach sich. Aus dem Betrieb fertiggestellter Fis-Projekte entstehen Arbeitsplätze für Gesundheitspersonal und für Lehrer in öffentlichen Institutionen. Dieser Beschäftigungseffekt ist erheblich; während Arbeitsstellen in Einrichtungen, die von einem Ministerium betrieben werden, oftmals wegen fehlender Mittel unbesetzt bleiben, trägt der Fis bis zu drei Jahre lang die Personalkosten für den Betrieb seiner Projekte und sorgt auch für eine Besetzung der Stellen. Die personelle Ausstattung eines Gesundheitszentrums besteht in einer Pflegekraft und einem Arzt; allerdings kann ein Arzt auch zwei Gesundheitszentren betreuen. Die Gesundheitsposten werden von Pflegekräften mit Ersthelferqualifikation betrieben. Bei Bedarf finden tageweise auch Behandlungen durch Ärzte statt. In den mit Unterstützung des Fis errichteten Grundschulen wird in der Regel jeweils ein Lehrer beschäftigt. In einigen Fällen reicht eine Lehrkraft für die Schülerzahl nicht aus, so daß bis zu drei Lehrer an einer Schule unterrichten. Zudem entstehen durch die Tätigkeit des Fis zeitlich befristete Arbeitsplätze für Lehrkräfte zur Durchführung der
194
Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen des Fis. Allen diesen Arbeitsplätzen ist jedoch gemeinsam, daß auch sie den Armen nicht offenstehen. Auch im NGo-Sektor entstehen in der Regel befristete Arbeitsplätze. Im Zuge der Beteiligung von NGO an der Projektvorbereitung und -durchführung wächst die Beschäftigung durch Neugründungen von Organisationen und durch Personalaufstockungen bestehender NGO. Dieser Effekt kann zwar einen nennenswerten Umfang erreichen, betrifft jedoch vor allem qualifiziertes Personal zur Antragstellung und Projektbegleitung, die nicht als arm zu bezeichnen sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß von der Tätigkeit des Fis ein direkter Effekt auf den Arbeitsmarkt auszugehen scheint. Die durch die Fis-Tätigkeit entstehenden Arbeitsplätze erfordern allerdings in vielen Fällen berufliche Qualifikationen, über die die Armen nicht verfügen. Es werden jedoch auch gering qualifizierte Arbeitskräfte zum einen direkt beschäftigt, zum anderen kann die zusätzliche Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften durch den Fis auch einen Sogeffekt auslösen. Ein derartiger Sogeffekt entsteht, wenn die Schaffung von Arbeitsplätzen für hoch qualifizierte Arbeitnehmer zu einer generellen Ausweitung des formellen Arbeitsmarktes führt und dadurch Arbeitnehmer, die bisher informell beschäftigt waren, die Möglichkeit erhalten, formell beschäftigt zu werden.1 4.5.2.4. Wirkungen auf Investitionen, Leistungsbilanz und Verschuldung Die wichtigsten makroökonomischen Wirkungen des Fis bestehen in seinem Einfluß auf die Investitions- und Ausgabentätigkeit in Bolivien, auf die Leistungsbilanz sowie auf die Schuldenposition des Landes. Die wichtigste Wirkung des Fis für die Investitionstätigkeit in Bolivien betrifft ein Segment der öffentlichen Investitionen: Die Ausgaben des Fis zur Verbesserung der Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur sind zu den Humankapitalinvestitionen des bolivianischen Staates zu rechnen. Sie spielen eine zunehmende Rolle für die Finanzierung der Sektorpolitiken: im Jahre 1991 entsprachen die Projektausgaben des Fis 0,5% der gesamten Ausgaben der Zentralregierung für Gesundheit und Bildung; 1994 war dieser Anteil auf 11,5% angewachsen.2 Gemessen an den Ausgaben für das primäre Bildungs- bzw. Gesundheitswesen wird diese Entwicklung noch deutlicher. 1991 entsprachen die Projektausgaben des Fis einem Anteil von 0,7% des Budgets der Zentralregierung für grundlegende Bildungseinrichtungen und Basisgesundheitsversorgung; 1994 belief sich dieser 1
Das Argument wird zumeist bemüht, um den umgekehrten Fall, die Entwicklung auf den Arbeitsmärkten während Strukturanpassungsmaßnahmen, zu erklären. Diese Überlegung macht deutlich, d a ß das W a c h s t u m der Arbeitsnachfrage tendenziell keine negativen Folgen für die Armen hat, sondern eher positiv wirkt.
2
Vgl. Anhang A, Tabelle 13
195
Anteil auf 20%. Verglichen mit dem FSE hat der Fis jedoch bezüglich seines Anteils an den Gesundheits- und Bildungsausgaben des Staates an Bedeutung verloren. Zum Zeitpunkt der höchsten Ausgabentätigkeit des FSE im Jahre 1990 entsprachen seine Ausgaben 38% der gesamten Ausgaben für Gesundheit und Bildung beziehungsweise
62%
aller
Ausgaben
des
Staates
für
Grundbildung
und
Basisgesundheitsversorgung. Diese Leistungen wurden praktisch ausschließlich extern finanziert. Ein Großteil dieser Mittel hätte der bolivianischen Regierung ohne die Einrichtung des Fis möglicherweise nicht zur Verfügung gestanden. Mit Blick auf die kurz- bzw. mittelfristige Bekämpfung der Armut ist dies positiv zu beurteilen. Betrachtet man die Finanzierung des Fis langfristig, so muß die Wirkung der Zuflüsse an den Fis auf die außenwirtschaftliche Position Boliviens berücksichtigt werden. An dieser Stelle spielen drei Effekte eine Rolle. Diese sind der Leistungsbilanzeffekt, der Wechselkurseffekt und der Verschuldungseffekt. Die Finanzierung durch ausländische Mittel des Fis hat Wirkungen für die Zahlungsbilanz. Zum einen könnte der Kapitalimport dazu führen, daß das BIP steigt und sich dadurch die Importnachfrage erhöht. Dieser Effekt ist jedoch im vorliegenden Fall wegen seines geringen Ausmaßes vernachlässigbar. Von ihrem Umfang her bedeutender waren dagegen die monetären Wirkungen, die von den Kapitalzuflüssen an den Fis bzw. an den FSE ausgingen. Die externen Zuflüsse tragen zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten bei und mindern so den Druck auf die Regierung, Maßnahmen zur Beschränkung des Leistungsbilanzdefizits durchzuführen. Als Anhaltspunkt für das Ausmaß dieses Effekts ist die Relation zwischen Zuflüssen an und dem Leistungsbilanzdefizit Boliviens in der Tabelle 4.21 enthalten.
FSE/FIS
1
Es zeigt sich, daß die Zuflüsse an den FSE im Jahre 1990 30,4% des Leistungsbilanzdefizits entsprachen. Mit der Einrichtung des Fis nahm das Gewicht der Kapitalzuflüsse bezogen auf das Leistungsbilanzdefizit ab. Immerhin entsprachen die Zuflüsse an den Fis 1991 (ohne FSE) trotzdem einem Anteil von 7,8% des Leistungsbilanzdefizits und im Jahre 1994 11,4%. Dieser Effekt ist bedenklich, wenn man die Wirkungen des Sozialfonds auf die Entwicklung der nominalen und der realen Wechselkurse betrachtet.
D e r Indikator wird zur Messung der Bedeutung von E Z für W a c h s t u m s p r o z e s s e eingesetzt. Allerdings w e r d e n g e g e n die Verwendung auch Einwände vorgebracht. Vgl. C a s s e n ( 1 9 9 0 ) : S. 65f.
196
Tabelle 4.21 Externe Zuflüsse an FSE und Fis 1987-94 Zeitraum 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 Zufluß pro Jahr Externe Zuflüsse FSE (Mio. US$)
6,5
45,6 49,7 60,9
6,5
45,6 49,7 60,9 28,9 17,8 27,6 24,8
1,5
15,0 18,4 30,4 11,0
20,4 17,8 27,6 24,8
Externe Zuflüsse Fis (Mio. us$) Externe Zuflüsse an gesamt (Mio. us$)
FSE/FIS
Externe Zuflüsse an FSE/FIS gesamt (% d. Leistungsbilanzdefizits)
8,5
3,3
5,5
11,4
Quellen: World Bank (1992a); World Bank (1994b); Fondo de Inversión Social (1995); American Development Bank (1995); eigene Berechnungen.
Inter-
Der nominale Wechselkurs wird dadurch beeinflußt, daß die Zuflüsse an den Sozialfonds Nettokapitalimporte Boliviens darstellen. Der damit verbundene Zufluß von ausländischer Währung zur Verwendung im Inland steigert kurzfristig die Nachfrage nach inländischer Währung. Daraus folgt eine Aufwertungstendenz für die heimische Währung, die c.p. exporthemmend wirkt. Als Anhaltspunkt für eine mögliche Beeinflussung des Wechselkurses ist in Tabelle 4.22 die Relation zwischen Kapitalzuflüssen an den
FSE/FIS
und den Nettokapitalimporten Boliviens dargestellt.
Tabelle 4.22 Zufluß von Krediten und Zuschüssen an
FSE/FIS
1987-93
- in Prozent der Nettokapitalimporte Boliviens p.a. -
Jahr 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 Zufluß an FSE und FIS
1,6
20,1
56,9
22,5
7,9
2,9
6,3
Quellen: World Bank (1994b); World Bank (1992a); Fondo de Inversión Social (1995); InterAmerican Development Bank (1995); eigene Berechnungen.
Aus Tabelle 4.22 ist zu ersehen, daß die Kapitalzuflüsse an den FSE im Zeitraum von 1988 bis 1990 einen maßgeblichen Anteil an den gesamten Kapitalimporten Boliviens hatten; verglichen damit war der Anteil der Zuflüsse an den Fis an den Kapitalimporten seit 1991 relativ gering. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Zuflüsse an den Fis in nennenswertem Maße zu einer Aufwertung der bolivianischen Währung beitrugen und daß sich dadurch die Exporte Boliviens bemerkenswert verteuert hätten, zumal der Boliviano gegenüber dem US-Dollar zwischen 1990 und 1994 um 31,4% abgewertet wurde.1 Allerdings ist zu vermuten, daß die Abwertung ohne die Zuflüsse an den Fis höher ausgefallen wäre. '
Der Wechselkurs der bolivianischen Währung in US-Dollar stieg von Bs. 3 , 1 7 pro U S $ im Jahresdurchschnitt 1990 auf Bs. 4,62 im Jahre 1994. Vgl. World Bank (1996c): S. I.
197
Wichtiger als dieser nominale Effekt erscheint die Wirkung der Zuflüsse auf die realen Wechselkurse. Definiert man den realen Wechselkurs als das Verhältnis der zum nominalen Wechselkurs bewerteten Preise für handelbare Güter und der nichthandelbaren Güter,1 so bedeutet ein Nettokapitalimport, daß der Preis nichthandelbarer Güter relativ steigt. Diese Preissteigerung stellt einen Anreiz für die Ausdehnung der Produktion nicht-handelbarer Güter dar. Wenn hingegen als realer Wechselkurs das Verhältnis des zum nominalen Wechselkurs bewerteten Weltmarktpreisniveaus zum Inlandspreisniveau betrachtet wird,2 bedeutet ein nicht durch die Zentralbank neutralisierter Nettokapitalzufluß eine Erweiterung der Geldbasis. Dieser Effekt zieht entweder einen Anstieg des inländischen Preisniveaus oder eine Senkung des nominalen Wechselkurses nach sich. Beide Effekte können die Wettbewerbsfähigkeit Boliviens negativ beeinflussen. Wenn die Wirkungen des Kapitalimports auf die monetäre Basis langfristig nicht neutralisiert werden, kann dies zu einer Senkung des heimischen Zinsniveaus und in der Folge zu Abwertungstendenzen des nominalen Wechselkurses führen, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessert würde. Der dritte Einflußfaktor der außenwirtschaftlichen Position, der für Bolivien diskutiert werden soll, ist der Schuldenstand des Landes. Wie oben gezeigt wurde, wurde der Fis durch die Aufnahme von Darlehen sowie durch Zuschüsse finanziert. Beide Finanzierungsbestandteile unterscheiden sich hinsichtlich ihrer langfristigen Wirkungen. Während der Zufluß von Zuschüssen nur einen einmaligen positiven "Schock" auslöst, erhöht der Zufluß von Darlehen auch den Schuldenstand des Landes. Die Finanzierungsstruktur des Fis läßt erkennen, daß seine Einrichtung zur Erhöhung der Auslandsverschuldung beitrug (vgl. Tabelle 4.23). Insgesamt flössen von 1991 bis 1993 Zuschüsse aus dem Ausland in Höhe von US$ 1,5 Mrd. nach Bolivien. Die Finanzierungszusagen externer Geber für den Fis beliefen sich auf rund US$ 131 Mio.; davon wurden bis 1994 rd. US$ 90 Mio. verausgabt. Zuschüsse und Darlehen wirken nicht in dem Moment auf die Leistungsbilanz oder die Schuldenposition, in dem sie einem Land zugesagt werden, sondern erst dann, wenn sie abgerufen werden. Der jeweilige Zeitpunkt der Abrufung der Mittel an den Fis ist jedoch nicht bekannt und kann nur näherungsweise berechnet werden. 1
Es gilt dann e = (E * P ^ / P " 1 wobei e den realen Wechselkurs, E den nominalen Wechselkurs, P T die Preise handelbarer Güter und P m die Preise nicht-handelbarer Güter darstellen. Vgl. Edwards (1989): S. 268f.
2
In diesem Falle gilt e = (E * P^/P', mit e als realem und E als nominalem Wechselkurs sowie P A als Weltmarktpreis und P r als Inlandspreis. Vgl. dazu Jarchow; Rühmann (1993): S. 261 f.
198
Tabelle 4.23 Finanzmittel des Fisnach Konditionen 1991-94 Art der finanziellen Mittel
Finanzielle Mittel
Finanzielle Mittel
(Mio. U S $ )
(% der Zusagen)
- Externe Zuflüsse - Darlehen - Zuschüsse - Eigenbeitrag Bolivien Zusagen 1991-94 gesamt
130,9
95,1
79,4
57,7
51,5
37,4
6,8
4,9
137,7
100
-Ausgaben 1991-93
50,9
37,0
- Ausgaben 1994
44,1
32,0
Ausgaben 1991-94 gesamt
95,0
69,0
Quellen: Ministerio de Desarrollo Humano (1994a); Fondo de Inversión Social (1994); eigene Berechnungen.
Um zu ermitteln, welche Wirkungen die Finanzierung des Fis auf die Schuldenposition hatte, müssen die abgerufenen Darlehen an den Fis auf die gesamten Kapitalimporte Boliviens bezogen werden. Die dafür notwendigen Daten über den Mittelabruf liegen jedoch nur für den Zeitraum 1991-93 vor. In diesem Zeitabschnitt rief der Fis 39% seiner gesamten zugesagten Mittel ab. Unter der Annahme, daß Zuschüsse und Darlehen in einem gleichbleibenden Verhältnis abgerufen wurden, beliefen sich die 1991-93 abgerufenen Zuschüsse auf insgesamt US$ 19,6 Mio., das waren 1,3% aller an Bolivien vergebenen Zuschüsse. Aufgrund dieses relativ geringen Gewichts ist die Wirkung der Zuschüsse als unerheblich einzustufen. Anders verhält es sich mit der Kreditaufnahme der bolivianischen Regierung für den Fis. Die abgerufenen Darlehen beliefen sich im Untersuchungszeitraum unter denselben Annahmen wie oben auf US$ 37 Mio. Sie wurden zu IDA-Konditionen vergeben und trugen im Zeitraum 1991-93 zur langfristigen Bruttoneuverschuldung Boliviens 3,75% und zur langfristigen Nettoneuverschuldung des Landes 10,1% (ca. 3,2% p.a.) bei.1 Dieser Zufluß von ausländischem Kapital kann unter bestimmten Bedingungen zur Senkung der Armut beitragen.2 Wie in Kapitel 3.2.4 dargelegt wurde, gehört Bolivien zur Gruppe der sehr hoch verschuldeten Länder mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen. Diese relativ hohe Verschuldung kann ein Hindernis für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung bedeuten. Zum einen wird durch der finanzpolitische Spielraum stark eingeschränkt, wenn der 1
Vgl. Anhang A . T a b e l l e 16.
2
SCHINKE verweist darauf, daß durch die mit dem Kapitalimport verbundene Änderung der relativen Preise letztlich die Armutssituation verbessert wird. Vgl. Schinke (1995): S. 39.
199
Schuldendienst einen großen Teil der Staatsausgaben einnimmt. Zum anderen kann die Geldwertstabilität aufgrund von Abwertungserwartungen der Individuen negativ beeinflußt werden, was sich auf die Investitionstätigkeit auswirken kann. Insofern, als die zur Finanzierung des Fis gewährten Darlehen zur Verstärkung der Schuldenprobleme Boliviens beitrugen, stellt der große Anteil ausländischer Kredite an der Finanzierung des Fis ein potentielles Hindernis für die langfristige Entwicklung der bolivianischen Wirtschaft dar. Inwieweit dies der Fall war, müßte anhand der Verwendung der Mittel für Konsum- bzw. Investitionszwecke und anhand der Erträge der finanzierten Investitionen betrachtet werden. Dieser Fragestellung kann jedoch an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden.
4.5.3. Zur Wirksamkeit des regionalen targeting der Ausgaben des Fis: eine einfache statistische Untersuchung
4.5.3.1 Vorgehensweise und Indikatoren der targeting-Analyse Die Zielgruppe des Fis ist die "Bevölkerung mit den niedrigsten Einkommen". 1 Diese Zielgruppe wurde anhand geographischer Kriterien identifiziert.
Durch diesen
fargef/'ng-Mechanismus, dem die Ergebnisse der Volkszählung von 1976 zugrunde lagen, wurde die Vergabe von Projekten an die Sozialindikatoren der potentiellen Nutznießer geknüpft (vgl. Abschnitt 4.4.3.1). In den folgenden Unterabschnitten wird überprüft, ob der
targeting-Mechanismus
des Fis seine Funktion erfüllte, d.h., ob die Projekte des Fis tatsächlich in den Regionen durchgeführt werden, die aufgrund des fargef/ng-Mechanismus als Zielregionen hätten erkannt werden sollen. Dazu werden die Ausgaben des Fis in einen Zusammenhang mit den Armutsindikatoren gestellt, die aus der Volkszählung 1992 resultierten. Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der Armutssituation einer provincia und den Ausgaben des Fis werden im folgenden statistische Tests durchgeführt. Die Überprüfung eines in sich konsistenten ökonometrischen Modells ist hingegen aufgrund der geringen Datenverfügbarkeit auf der Ebene der provincia nicht möglich. Die Datengrundlage der statistischen Tests dieses Abschnitts sind zum die Projektdaten des Fis und zum anderen die Ergebnisse der Volkszählung 1992. Die Projektdaten des Fis beziehen sich auf die Projekte, die zwischen dem 1. Januar 1991 und dem 1. März 1995 zur Finanzierung freigegeben wurden. Dies waren insgesamt 1
Vgl. Dekret 22.542, Art. 15.
200
1.629 Projekte. 28 dieser Projekte wurden jedoch von der Untersuchung ausgeklammert: 13 Vorhaben konnten durch den Fis keiner einzelnen provincia zugerechnet werden; unter diese Kategorie fallen bspw. der Druck von Schulbüchern, der zentral vorgenommen und durch den Fis finanziert wurde, sowie Fortbildungsmaßnahmen für Gesundheitsfachleute. Außerdem wurde das gesamte Impfprogramm von der Untersuchung ausgenommen; dies betrifft 15 Projekte. Der Grund dafür ist, daß Impfmaßnahmen sowohl von der Notwendigkeit ihrer Anwendung her wie auch bezüglich der Verteilung der resultierenden Nutzen eine Besonderheit sind.1 Gegenstand der Untersuchung sind somit 1.601 Projekte, die im Untersuchungszeitraum freigegeben wurden, jeweils einer provincia zugerechnet werden können und nach Armutskriterien hätten vergeben werden sollen. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf der Fragestellung, ob das Armutsniveau der Bevölkerung einer provincia, gemessen anhand des bekannten Grundbedürfnisindikators,2 einen Einfluß auf die Projektvergabe in diese provincia hatte; dieser Frage sind die Hypothesen 1 bis 3 gewidmet. In einem zweiten Schritt (Hypothese 4) wird untersucht, ob die Projektvergabe des Fis in einem Bezug zu Versorgungsdefiziten der Bevölkerung stand. Der dritte Schritt (Hypothese 5) analysiert, ob ein Zusammenhang zwischen der Bevölkerungszahl einer provincia und der Projektvergabe des Fis besteht. Wenn sich ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen Bevölkerungszahl und Projektvergabe zeigen ließe, zwischen den Armutsindikatoren und der Projekttätigkeit jedoch kein Zusammenhang bestünde, würde dies darauf hinweisen, daß die Projektvergabe des Fis nicht primär an der Armutssituation bzw. der Bedürftigkeit der Bevölkerung orientiert war, sondern daß damit eher eine möglichst große Zahl an Einwohnern versorgt werden sollte. Die Ergebnisse der Volkszählung von 1992 gehen als Armutsindikatoren der provincias in die Untersuchung ein. Dabei werden die Armutstiefe, die Armutsquote3, sowie die Gesundheits-, Bildungs- und Sanitärindikatoren der einzelnen provincias herangezogen.4 Bolivien war 1992 in 112 provincias eingeteilt (vgl. 3.2.1). In 94 dieser 1
W ä h r e n d die Leistungen in den anderen Unterprogrammen des Fis nach Armutsgesichtspunkten vergeben werden, ist die Notwendigkeit eines Impfprogramms weniger von der Armutssituation der Bevölkerung abhängig als vielmehr von der klimatischen Situation bzw. endemisch auftretenden Krankheitsherden. Ein Impfprogramm lohnt sich nur in Regionen, in denen die Erreger der Krankheiten vorkommen, gegen die die M a ß n a h m e schützen soll. Insofern kommt Impfprojekten eher der Charakter von Soforthilfemaßnahmen zu als der von langfristiger Armutsbekämpfung. Außerd e m dienen Impfmaßnahmen nicht nur dem Schutz des Geimpften, sondern sollen auch die Verbreitung der Krankheit verhindern, gegen die geimpft wurde. Insbesondere vorbeugende Impfungen werden nicht primär aufgrund der Armut der zu Impfenden, sondern wegen der starken positiven externen Effekte der Impfmaßnahmen durchgeführt.
2
Vgl. Abschnitt 2 . 2 . 4 . 2 sowie Anhang C.
3
Anteil der Bevölkerung, dessen Armutstiefe größer als eins ist (vgl. Tabelle 2.1).
4
Zur Armutstiefe und den Teilindikatoren vgl. Tabelle 2.1. sowie Anhang C.
201
provincias finanzierte der Fis ein oder mehrere Projekte. Über 111 provincias liegen Daten auf der Haushaltsebene zur jeweiligen Lebenssituation der Bevölkerung vor. Als Indikatoren für die Armutssituation werden der Anteil der armen Haushalte an der Gesamtzahl der Haushalte (AAH) als Entsprechung zur Armutsquote der Individuen und die absolute Anzahl armer Haushalte einer provincia (ZAH) als Pendant des Headcount der Individuen betrachtet. Als Indikator für die Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Diensten wird der Anteil der Haushalte mit Versorgungsdefiziten an der Gesamtzahl der Haushalte einer provincia verwendet. Der Indikator für die Bevölkerungszahl ist die Gesamtzahl der Haushalte einer provincia. Die Vergabetätigkeit des Fis wird an den Ausgaben der Fis-Projekte gemessen. Die beiden wichtigsten Indikatoren sind die absolute Höhe der Projektausgaben je provincia sowie die Höhe der Projektausgaben des Fis je Haushalt einer provincia. Außerdem kommen noch die Indikatoren Zuschuß externer Institutionen je provincia und der Zuschuß externer Institutionen je Haushalt zur Anwendung.1 In den nachfolgenden Abschnitten werden fünf Hypothesen überprüft. Hypothese 1: Die Indikatoren für die Ausgaben des Fis in einer provincia sind mit den Indikatoren für die Armutssituation dieser provincia
positiv
korreliert. Diese Hypothese wird mittels einer Korrelationsanalyse getestet. Zwischen den einzelnen oben genannten Ausgabenindikatoren und den einzelnen Armutsindikatoren werden der multiple Korrelationskoeffizient onskoeffizient nach PEARSONS
SPEARMAN ("SPEARMANS
("PEARSONS
KK")
R") sowie der Rangkorrelati-
berechnet. Mit der Berechnung von
R kann eine lineare Beziehung zwischen zwei Variablen nachgewiesen
2
werden. Mit der Berechnung von
S P E A R M A N S KK
kann eine Beziehung zwischen ordi-
nalen Daten aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck werden die Provinzen Boliviens anhand ihrer Armutsindikatoren aufsteigend geordnet. Für die Berechnung des Rangkorrelationskoeffizienten werden den provincias Rangzahlen zugewiesen. Die Provinz mit der höchsten Armutsquote erhält die Rangziffer "1". Das gleiche Verfahren wird bezüglich der Ausgaben des Fis angewendet, d.h. die provincia, in die der geringste Mittelbetrag vergeben wurde, erhält die Rangziffer "1".3 '
Als Zuschüsse externer Institutionen werden alle Finanzierungsbeiträge zusammengefaßt, die nicht von der Zielgruppe aufgebracht werden müssen. Dabei handelt es sich um die Summe der Finanzierungsbeiträge der Antragsteller und des Fis.
2
Der Wert des PEARSONSCHEN R variiert zwischen - 1 für einen perfekten negativen Zusammenhang und +1 für einen perfekten positiven Zusammenhang; ein Wert von 0 sagt aus, daß keine lineare Beziehung besteht.
3
Auch
SPEARMANS KK
variiert zwischen
-1
und
+1.
202
Die Korrelationsanalysen zeigen, ob zwischen jeweils zwei beobachteten Variablen ein Zusammenhang nachweisbar ist. Die Arbeitshypothese lautet: je höher die Armutsindikatoren einer provincia, desto höher sind auch die Ausgaben des Fis in dieser provincia. Die Korrelationskoeffizienten sollten in beiden Fällen gegen +1 streben. Hypothese 2: Die Wahrscheinlichkeit, daß in einer provincia ein Projekt des Fis durchgeführt wird, ist für eine provincia um so höher, je größer der Anteil armer Haushalte an der Gesamtzahl der Haushalte ist. Zu diesem Zweck wird ein Probit-Modell der folgenden Form angewendet: Probit (ProjektFIS) = a + ß * Pov dabei bedeuten Pov
die relevanten Armutsindikatoren
ProjektFIS a
den Indikator für die Projekttätigkeit des Fis die Konstante der Gleichung
und ß
den Vektor der Steigung der Geraden.
Die Variable ProjektRS ist als Dummyvariable der folgenden Art konfiguriert:
= 1 wenn Zahl der Projekte pro Provinz > 0 ProjektFIS = 0 sonst
ProjektFIS nimmt in 94 von 111 provincias den Wert eins an. Die Ergebnisse dieser Analyse sind folgendermaßen zu interpretieren: Geht man davon aus, daß a priori für jede provincia dieselbe Möglichkeit besteht, ein Projekt zu erhalten, so zeigt der Anteil der provincias mit Fis-Projekt an der Gesamtzahl der provincias die Wahrscheinlichkeit, daß in einer provincia ein Projekt durchgeführt wird. Wenn beispielsweise in jeder zweiten provincia ein Projekt finanziert wird, ist diese Wahrscheinlichkeit somit a priori gleich 0,5. Die Probitanalyse zeigt, ob sich die Wahrscheinlichkeit, daß ein Projekt durchgeführt wird, aufgrund der Armutsindikatoren der provincia ändert. Zu erwarten wäre, daß die Wahrscheinlichkeit für ärmere provincias größer ist als für reiche.
203
Hypothese 3: In den provincias, in denen mindestens ein Projekt durchgeführt wurde, steigen die Indikatoren für die Ausgaben des Fis mit zunehmenden Armutsindikatoren der provincias. In diesem dritten Schritt kommt ein einfaches lineares Regressionsmodell zur Anwendung. Als abhängige Variable werden wiederum die Gesamtausgaben der FisProjekte je provincia, die Ausgaben der Fis-Projekte je Haushalt, der Gesamtzuschuß je provincia und der Zuschuß je Haushalt untersucht. Als bestimmende Variablen werden die Armutsindikatoren ZAH und AAH analysiert: X
FIS =
f
(PovFis)
mit Indikatoren für die Ausgaben der Fis-Projekte Armutsindikatoren ZAH bzw. AAH für diejenigen provincias, in denen Fis-Projekte durchgeführt wurden. Für Hypothese 3 wird somit die Annahme aufgegeben, daß für alle provincias dieselbe Chance besteht, daß dort ein Fis-Projekt durchgeführt wird. Diese Annahme ist beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn aufgrund übergeordneter politischer Vorgaben andere Prioritäten gesetzt werden, die nicht mit dem Ziel der Armutsbekämpfung in Einklang stehen. Die Tatsache, daß in einer provincia ein Projekt durchgeführt wird, zeigt ex post, daß diese provincia offenbar alle - auch die von den targeting-Krtienen abweichenden, nicht öffentlich bekannten - Voraussetzungen für eine Projektvergabe erfüllte.1 Der Sample dieser Regressionsanalyse besteht also nur aus denjenigen Provinzen, in denen tatsächlich Projekte des Fis durchgeführt wurden. Die bisher dargestellten Hypothesen hatten den Zweck, den Zusammenhang zwischen den Ausgaben des Fis und der Armut der Bevölkerung zu beleuchten; sie bilden den Schwerpunkt der Untersuchung der Funktion des fargef/ng-Mechanismus des Fis. Im Anschluß werden zwei ergänzende Analysen vorgenommen: Hypothese 4 betrifft die Frage, ob die Ausgaben der einzelnen Programme des Fis in diejenigen provincias fließen, in denen die Versorgungsdefizite der Bevölkerung am größten sind. Zu diesem Zweck werden die Ausgaben des Gesundheits-, des Bildungs- und des Sanitärversorgungsprogramms des Fis analysiert und folgende Hypothesen getestet:
'
Durch d i e s e Hypothese wird die E i n f l u ß n a h m e der Fachministerien, die e i g e n e Z i e l p r o v i n z e n für die P r o j e k t v e r g a b e in bestimmten P r o g r a m m e n definierten (vgl. 4 . 4 . 3 ) , berücksichtigt.
204
Hypothese 4 (G): Für alle provincias, in denen durch den Fis mindestens ein Gesundheitsprojekt finanziert wird, gilt, daß die Gesundheitsausgaben in denjenigen provincias höher sind, in denen die Defizite der Bevölkerung in bezug auf die Gesundheitsversorgung am größten sind. Als Indikatoren für die Ausgaben des Fis werden die absoluten Ausgaben für Gesundheitsprojekte je provincia und die Ausgaben der Gesundheitsprojekte je Haushalt der provincia betrachtet. Als Indikator für Versorgungsdefizite der Bevölkerung wird der Anteil der Haushalte, die eine ungenügende Gesundheitsversorgung1 aufweisen, an der Gesamtzahl der Haushalte einer provincia untersucht. Analog zu den Ausgaben des Gesundheitsprogramms werden auch die Ausgaben des Bildungs- und des Sanitärversorgungsprogramms analysiert.2 Die jeweilige Hypothese lautet: Hypothese 4 (B): Für alle provincias, in denen durch den Fis mindestens ein Bildungsprojekt finanziert wird, gilt, daß die Ausgaben für Bildungsprojekte in denjenigen provincias höher sind, in denen die Defizite der Bevölkerung in bezug auf die Bildungsversorgung am größten sind. Hypothese 4 (S): Für alle provincias, in denen durch den Fis mindestens ein Sanitärversorgungsprojekt finanziert wird, gilt, daß die Ausgaben für Sanitärversorgungsprojekte in denjenigen provincias höher sind, in denen die Defizite der Bevölkerung in bezug auf die Sanitärversorgung am größten sind. Der letzte Schritt dient dazu, die Ergebnisse der Regression der Ausgaben des Fis mit Regressionsergebnissen auf die Zahl der armen Haushalte (ZAH) einer provincia zu vergleichen. Die ZAH steht insofern in einem Zusammenhang mit der Gesamtzahl der Haushalte einer provincia, als die Gesamtzahl der Haushalte die Obergrenze für die Zahl armer Haushalte bildet. Sollte die Regression auf die Gesamtzahl einen besseren Erklärungswert liefern als die Regression auf die ZAH, so sind die Mechanismen zur Projektevaluation so angelegt, daß sie größere Provinzen und nicht ärmere Provinzen begünstigen. Daher lautet
1
Als Indikator wird der "Mangelindex Gesundheit" als Teil des Grundbedürfnisindikators "Armutstiefe" verwendet; er ist in Anhang C erläutert.
2
Auch hierbei werden die Ausgabendaten des Fis in eine Beziehung mit den Grundbedürfnismangelindices "Bildung" und "Versorgung" gesetzt. Zur Definition der Mangelindices vgl. Anhang C.
205
Hypothese 5: Die Wahrscheinlichkeit, daß in einer provincia ein Projekt des Fis durchgeführt wird, ist für eine bevölkerungsreiche provincia größer als für eine bevölkerungsarme. Zwei Prämissen liegen den Untersuchungen zugrunde. Erstens wird unterstellt, daß jeder Bewohner einer provincia prinzipiell in den Genuß der Leistungen des Fis kommen kann. Diese Annahme vereinfacht die Realität, weil die Zielgruppe einer Maßnahme des Fis die Bevölkerung eines cantóns ist und eine provincia aus mehreren cantones besteht. Es ist möglich, daß die Armutsindikatoren der Bevölkerung innerhalb der provincias von cantón zu cantón variieren und daß der Fis diese Unterschiede bei der Planung seiner Ausgaben berücksichtigt. Über die Lebenssituation der Bevölkerung in einzelnen cantones liegen jedoch keine Daten vor. Die zweite Annahme der Untersuchung ist, daß die Bewohner einer provincia ausschließlich Fis-Projekte in ihrer eigenen provincia nutzen. Diese Annahme ist realitätsnäher als die erste. Die Einteilung der Verwaltungsbezirke des Schulwesens und auch des Bildungswesens folgt im großen und ganzen den Provinzgrenzen. In jeder provincia existieren selbständige Einrichtungen zur Versorgung der lokalen Bevölkerung. Daher ist der Besuch von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in anderen als der eigenen provincia relativ selten und es treten damit nur geringe Spill-overEffekte zwischen den provincias auf. In den nachfolgenden Tabellen über die Ergebnisse der statistischen Überprüfungen wurden Aussagen, die auf einem 99%-Niveau nicht signifikant sind, grau unterlegt. Ergebnisse, deren Vorzeichen von den erwarteten Vorzeichen abweichen, wurden kursiv wiedergegeben. 4.5.3.2. Die Armutssituation der provincias als Bestimmungsgrund für die Projektausgaben des Fis In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der statistischen Tests der Hypothesen 1 bis 3 wiedergegeben. Als erstes wurde Hypothese 1 anhand der Korrelation zwischen der ZAH der provincias und den Ausgabenkennziffern der Fis-Projekte für alle provincias überprüft. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.24 enthalten.
206
Tabelle 4.24 Korrelation: Ausgaben der Fis-Projekte 1991-95 und ZAH je provincia Korrelation zwi- Gesamtaus- Ausgaben je Gesamtzuschuß Zuschuß ext. Inext. Instit. je stit. je Haushalt schen ZAH und... gaben je Haushalt der provincia provincia provincia der provincia Pearsons R
0,8679
- 0,1068
0,8650
-0,1068
Spearmans KK
0,5954
-0,0306
0,5934
- 0,0272
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Tabelle zeigt, daß die Gesamtausgaben je provincia mit steigender ZAH signifikant zunehmen. Beide Korrelationskoeffizienten sind betragsmäßig relativ groß und mit dem a priori erwarteten Vorzeichen versehen. In gleicher Weise reagiert auch der Gesamtzuschuß externer Institutionen je provincia. Für die Beziehung zwischen ZAH und absoluten Ausgabengrößen kann die Hypothese daher nicht abgelehnt werden. Eine Einschränkung ergibt sich aus dem Vergleich der Koeffizienten des Gesamtzuschusses externer Institutionen und der Gesamtausgaben je provincia. Beide Koeffizienten sind für die Gesamtausgaben geringfügig größer als für den Gesamtzuschuß. Zwar ist der Unterschied bei beiden Koeffizienten nur sehr gering. Auch die Ausgabenindikatoren unterscheiden sich nicht stark: Gesamtausgaben und Gesamtzuschuß externer Institutionen je provincia differieren nur aufgrund des Beitrags der Zielgruppe, der in den Gesamtzuschuß nicht eingeht. Wenn davon ausgegangen wird, daß der betragsmäßige Unterschied zwischen beiden Korrelationskoeffizienten nicht zufällig auftritt, so kann er nur aus einer überdurchschnittlichen Belastung der Zielgruppe in armen provincias resultieren. Eine regressiv gestaffelte Belastung der Zielgruppe durch den Eigenbeitrag zu Projekten stünde dem Ziel der Armutsbekämpfung jedoch entgegen. Auf diese Vermutung wird in Abschnitt 4.5.3.4 zurückzukommen sein. Zwischen der absoluten Zahl armer Haushalte in einer provincia und den Ausgaben je Haushalt sollte im Sinne der Armutsbekämpfung folgender Zusammenhang bestehen: In provincias mit hoher ZAH sollte je Haushalt auch ein relativ hoher Finanzierungsbetrag verausgabt werden.1 Bei Betrachtung der Ergebnisse der Korrelationsanalyse zeigt sich ein anderes Bild. Die Korrelationskoeffizienten sind betragsmäßig klein und mit negativem Vorzeichen ausgestattet, zudem ist keine Korrelation signifikant. Die Hypothese, daß zwischen der ZAH in einer provincia und den Ausgaben je Haushalt 1
ein
Zusammenhang
besteht,
kann
daher
nicht
bestätigt
werden.
Dieser Hypothese liegt die Überlegung zugrunde, daß in einer provincia mit großer ZAH viele Haushalte von Leistungen des Fis profitieren sollen. Wenn der Betrag je einzelnem armen Haushalt in allen Regionen gleich hoch wäre, müßte der Betrag je Haushalt, berechnet über arme und nichtarme Haushalte, in einer armen provincia höher sein als in einer weniger armen.
207
Möglicherweise ist der Zusammenhang zwischen Armut und Haushaltsausgaben jedoch anhand des Anteils armer Haushalte besser nachweisbar (vgl. Tabelle 4.25). Tabelle 4.25 Korrelation: Ausgaben der Fis-Projekte 1991-95 und AAH je Korrelation zwischen AAH und ...
provincia
Zuschuß ext. GesamtzuGesamt- Ausgaben je ausgaben Haushalt d. schuß ext. Inst, Inst, je Haushalt d. provincia je provincia je provincia provincia
Pearsons R
- 0,5578
0.0213
- 0,5579
0,0219
Spearmans KK
- 0,4259
-0,1779'
- 0,4279
-0,1764»
''signifikant bei 93,5% Irrtumswahrscheinlichkeit Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Aus der Tabelle ist zu entnehmen, daß keiner der Korrelationskoeffizienten den erwarteten Wert annimmt. Der Zusammenhang zwischen AAH und Gesamtausgaben bzw. Gesamtzuschuß externer Institutionen je provincia ist zwar in jedem Falle signifikant, allerdings nicht mit dem zu erwartenden Vorzeichen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, daß die Ausgaben je provincia mit steigendem Anteil der Armen an der Bevölkerung einer provincia sinken. Die Hypothese 1 wird von diesen Ergebnissen nicht gestützt. Bei der Betrachtung der Ausgabenkennziffern je Haushalt ist das Bild uneinheitlich.1 Auf einem Signifikanzniveau von 99% zeigt keine Korrelation ein signifikantes Ergebnis.
PEARSONS
trag auf, die
R weist jeweils bei "richtigem" Vorzeichen einen sehr niedrigen Be-
SPEARMANS KK (SKK)
hingegen tragen für beide Zusammenhänge ein ne-
gatives Vorzeichen und sind betragsmäßig klein. Zudem ist sowohl der SKK für die Korrelation zwischen AAH und Ausgaben je Haushalt, als auch der SKK zwischen AAH und der Zuschuß je Haushalt auf einem Niveau von 93,5% signifikant. Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß zwischen der Armutssituation in einer provincia, gemessen an dem AAH, und den Ausgaben der Fis-Projekte mittels der Korrelationsanalysen kein stringenter Zusammenhang nachweisbar ist. Das Ergebnis ist ein Anhaltspunkt dafür, daß die fargei/ng-Mechanismen des Fis nicht zu einer Mittelverteilung führen, wie sie aufgrund der Zielformulierung zu erwarten gewesen wäre. Es kann allerdings noch keine valide Aussage darüber getroffen werden, ob die Ergebnisse auf eine "falsche" Vergabepolitik des Fis zurückzuführen sind. Eine falsche Vergabepolitik würde sich dadurch auszeichnen, daß von 1
Auch hier wäre zu erwarten, daß bei einem hohen AAH auch ein größerer Betrag je Haushalt verausgabt wird. Dies Ergebnis würde sich einstellen, wenn in allen provincias derselbe Betrag je armem Haushalt bereitgestellt würde.
208
vornherein die reicheren Provinzen bei der Projektvergabe gegenüber den ärmeren begünstigt werden. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, daß der angewendete Vergabemechanismus zwar zur Finanzierung von Projekten in den "richtigen" provincias führt, aber Variationen in der Projektgröße zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen. In diesem Falle wären die Ergebnisse dadurch zu erklären, daß in reicheren Provinzen höhere Ausgaben je Projekt getätigt werden. Um diesen Zusammenhang auszuschließen, wendet sich die Untersuchung nun der Frage zu, ob die Wahrscheinlichkeit, daß der Fis ein Projekt in einer provincia finanziert, mit steigendem AAH der provincia zunimmt. Diese Frage wurde als Hypothese 2 formuliert und mittels einer Probitanalyse überprüft (vgl. Tabelle 4.26). Tabelle 4.26 Der AAH als Einflußfaktor für die Projektvergabe nach provincias 1991-95 Zielvariable: PROJ_Fis Koeffizient Einflußfaktor: AAH Schnittpunkt mit X-Achse
t-Wert
0,20518
0,43024
-1,05011
- 2,56227
Freiheitsgrade: 109 P-Wert: 0,985 Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Probitanalyse liefert kein befriedigendes Ergebnis. Aus Tabelle 4.26 geht hervor, daß möglicherweise ein positiver Zusammenhang zwischen AAH und Projektvergabe besteht. Dieser Zusammenhang kann jedoch aufgrund des niedrigen t-Wertes und des hohen P-Wertes nicht als signifikant angesehen werden. Hypothese 2 wird von den vorliegenden Ergebnissen ebenfalls nicht gestützt. Auch für diese Ergebnisse könnte eine einleuchtende Erklärung gefunden werden. Wenn die Aktivitäten des Fis aus übergeordneten politischen Gründen auf bestimmte Provinzen beschränkt wurden, verhindert dieser Ausschlußmechanismus einen signifikanten Zusammenhang der Projektvergabe mit dem AAH einer Provinz. Daher wurde die Hypothese 3 überprüft, die besagt, daß in den provincias, in denen mindestens ein Fis-Projekt durchgeführt wurde, ein Zusammenhang zwischen Ausgabenkennziffern und Armutskennziffern erkennbar ist. Die Ergebnisse der Regression der ZAH auf die Ausgabenkennziffern gehen aus Tabelle 4.27 hervor.
209
Tabelle 4.27 Regression: ZAH je provincia als Einflußfaktor für die Ausgaben des Fis je provincia 1991-95 ZAH je provincia Koeffizient der Z A H Abhängige Variable:
Koeffizient der R 2 adj. Konstanten
Gesamtausgaben je provincia
129,345
32.491,847
0,750
Ausgaben pro Haushalt
-0,0016
152,189
0,016
Gesamtzuschuß je provincia
123,793
30.470,032
0,745
Zuschuß pro Haushalt
-0,0016
146,341
0,016
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Tabelle macht deutlich, daß die ZAH einen Beitrag zur Erklärung der Kennziffern für die Vergabe von Mitteln in den provincias leistet. Sowohl die Gesamtausgaben als auch der Gesamtzuschuß je provincia zeigen einen deutlich positiven Regressionskoeffizienten. Beide Regressionskoeffizienten sind signifikant auf einem Niveau von 99,9% und auch das Bestimmtheitsmaß zeigt einen guten Erklärungswert der Regressionsgeraden. Das adjustierte R2 sagt aus, daß 75,0% bzw. 74,5% der Abweichungen von den Regressionsgeraden erklärt werden. Auch in diesem Fall ist zu beobachten, daß der Koeffizient der Gesamtausgaben betragsmäßig größer ist als derjenige des Gesamtzuschusses. Das kann darauf hinweisen, daß nicht die Zahl der armen Haushalte, sondern die Gesamtzahl der Bevölkerung die Höhe der Ausgaben der Fis-Projekte in einer provincia bestimmt.1 Die Regressionskoeffizienten der ZAH auf Gesamtausgaben und Gesamtzuschuß externer Institutionen sind signifikant positiv. Das Ergebnis war zu erwarten, da ausschließlich provincias betrachtet wurden, in denen der Fis mindestens ein Projekt finanzierte. Im Gegensatz dazu weisen die Regressionskoeffizienten der ZAH sowohl für die Ausgaben je Haushalt als auch für den Zuschuß je Haushalt ein negatives Vorzeichen auf. In beiden Fällen ist weder der Regressionskoeffizient signifikant noch trägt die Regressionsgerade in nennenswertem Umfang zur Erklärung der Abweichungen bei; dies war nach den Ergebnissen der Korrelationsergebnisse (vgl. Tabelle 4.24) bereits zu vermuten. Aus diesen Ergebnissen folgt, daß allenfalls zwischen der Zahl der armen Haushalte in einer provincia und den Gesamtausgaben aller Fis-Projekte in einer provincia ein Zusammenhang besteht. Die Ausgaben je Haushalt werden hingegen von der ZAH nicht nennenswert und nicht in der gewünschten Wirkungsrichtung beeinflußt. 1
Vgl. dazu Abschnitt 4.5.3.4.
210
Die Untersuchung wendet sich nunmehr der Frage zu, ob der AAH einen Einfluß auf das Ausgabeverhalten des Fis ausübt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.28 enthalten. Tabelle 4.28 Regression: AAH je provincia als Einflußfaktor für die Ausgaben des Fisje provincia 1991-95 2 AAH je provincia Koeffizient des Koeffizient der R adj. Konstanten AAH Abhängige Variable:
Gesamtausgaben je provincia
-9.854.548,598
9.611.680,971
0,314
96,123
55,365
- 0,004
Ausgaben pro Haushalt Gesamtzuschuß je provincia Ausgaben pro Haushalt
-9.466.696,357
9.228.408,966
0,315
93,489
52,195
-0,004
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Tabelle zeigt, daß der AAH zur Erklärung der Ausgabenkennziffern beiträgt. Sowohl die Regression auf die Gesamtausgaben je provincia als auch auf den Gesamtzuschuß je provincia liefert ein signifikantes Ergebnis. Die Koeffizienten nehmen jeweils einen hohen Betrag an. Im - für den Fis - günstigsten Falle hätte die Regression gezeigt, daß mit steigendem Anteil der armen Haushalte an der Gesamtzahl der Haushalte die Ausgaben der Fis-Projekte zunehmen würden. Dies hätte sich in der Regressionsanalyse in einem positiven Zusammenhang zwischen AAH und Ausgaben niedergeschlagen. Dies ist nicht der Fall, wie bereits aufgrund der Ergebnisse der Korrelationsanalyse (vgl. Tabelle 4.25) zu vermuten gewesen war. Für die vorliegenden Regressionen sind die Vorzeichen der Koeffizienten negativ. Das vorliegende Ergebnis wäre somit dahingehend zu interpretieren, daß mit zunehmendem AAH wenigerMttel in eine provincia fließen. Jedoch erklären die Regressionsgeraden nur 31 % der Abweichungen. Daher ist die Regression auf die Gesamtausgabenkennziffern wenig aussagekräftig. Aus der Sicht der armen Haushalte ist der Zusammenhang zwischen den Ausgabenkennziffern je Haushalt und dem AAH wichtiger als der Bezug zu den Gesamtausgaben je provincia. Für beide Ausgabenkennziffern je Haushalt sind die Regressionskoeffizienten schwach positiv, haben also das erwartete Vorzeichen. Jedoch ist keines der Ergebnisse signifikant; außerdem erklären die Regressionsgeraden nur 0,4%
der
Abweichungen.
Anhand
der
Ergebnisse
der
Regression
der
211
Armutsindikatoren auf die Ausgabenkennziffern kann somit die Hypothese 3 nicht bestätigt werden. 4.5.3.3. Sektorale Versorgungsdefizite in den provincias als Bestimmungsgründe für Projektausgaben des Fis Durch die bisherigen Analysen konnte nicht schlüssig nachgewiesen werden, daß die Armutssituation der provincias tatsächlich den gewünschten Einfluß auf die Vergabe von Projekten ausübte. Dies Ergebnis kann möglicherweise darauf zurückgeführt werden, daß der Fis die Zielbevölkerung anhand bestimmter Sozialindikatoren identifizierte (vgl. 4.4.3) und die für die bisherigen Analysen verwendeten Armutsindikatoren die Bedürftigkeit der Bevölkerung mit speziellen Leistungen nicht hinreichend genau widerspiegeln. Daher wird in diesem Abschnitt untersucht, ob die Projektvergabekriterien der Versorgungssituation der Bevölkerung in den Sektoren Gesundheit, Bildung und Sanitärversorgung gerecht wurden. Als Indikatoren für die Versorgungssituation der Bevölkerung werden die Teilindikatoren des Grundbedürfnisindikators "Armutstiefe" verwendet. 1 Hypothese 4 (G) wird durch eine Regression der Versorgungsindikatoren auf die Gesundheitsausgaben überprüft (vgl. Tabelle 4.29). Tabelle 4.29 Regression: Defizite der Gesundheitsversorgung als Bestimmungsgrund für die Gesundheitsausgaben des Fis 1991-95 Gesundheitsausgaben je provincia
Gesundheitsausgaben pro Haushalt
Zahl armer Gesundheits- Zahl armer GesundheitsHaushalte indikator Haushalte indikator Regressionskoeffizient Konstante adjustiertes R
2
1)
signifikant bei 90,0 %
21
signifikant bei 95,0 %
53,3
- 15.052,5
- 0,04311
2,0982)
94.388,4
1.515.303,2
98,2
-26,5
0,736
0,015
0,043
0,107
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Die Tabelle zeigt, daß zwischen den Gesundheitsausgaben je provincia und der Zahl armer Haushalte ein Zusammenhang nachweisbar ist. Der Regressions1
Zur Definition der Teilindikatoren der Armutstiefe vgl. Anhang C.
212
koeffizient der ZAH weist wie erwartet ein positives Vorzeichen auf und die Regressionsgerade erklärt immerhin 74% der Abweichungen. Alle anderen Tests weisen nur ein sehr geringes Bestimmtheitsmaß auf und tragen daher nicht sonderlich zur Erklärung der Höhe der Gesundheitsausgaben bei. Auch für die Gesundheitsausgaben zeigt sich wiederum, daß die absolute Zahl armer Haushalte in einer provincia den größten Erklärungsbeitrag liefert. Analog dazu wurde als Hypothese 4 (B) der Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und Bildungsindikatoren der Bevölkerung getestet. Die Ergebnisse der Regression von ZAH und Bildungsindikator auf die Ausgabenindikatoren der FisProjekte sind in Tabelle 4.30 enthalten. Tabelle 4.30 Regression: Defizite der Bildungsversorgung als Bestimmungsgrund für die Bildungsausgaben des Fis 1991-95 Bildungsausgaben je provincia
Regressionskoeffizient Konstante adjustiertes R
2
Bildungsausgaben pro Haushalt Zahl armer BildungsHaushalte indikator
Zahl armer Haushalte
Bildungsindikator
17,7
-22.543,3
- 0,001
0,404
400.938,5
2.337.589,7
91,6
47,9
0,192
0,156
0,045
-0,010
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Wie die Tabelle zeigt, ließ sich zwischen der Bildungssituation der Bevölkerung und den Bildungsausgaben des Fis kein aussagekräftiger signifikanter Zusammenhang nachweisen. Die ZAH trägt zwar zur Erklärung der Bildungsausgaben je provincia bei, jedoch ist das Bestimmtheitsmaß der Geraden so gering, daß auch dieser Zusammenhang nicht aussagekräftig ist. Auch hier ergab die Verwendung der Indikatoren für den Zuschuß je provincia bzw. pro Haushalt keine neuen Erkenntnisse. Die dritte Fragestellung des sektoralen targeting betrifft die Sanitärausgaben. Die Ergebnisse der Regressionsanalyse der ZAH bzw. des Sanitärversorgungsindikators der Bevölkerung auf die Ausgaben der Projekte zur Verbesserung der Sanitärversorgung sind in Tabelle 4.31 abgebildet.
213
Tabelle 4.31 Regression: Defizite der Sanitärversorgung als Bestimmungsgrund für die Sanitärausgaben des Fis 1991-95 Sanitärausgaben je provincia
Regressionskoeffizient Konstante
Z A H je provincia
Sanitärindikator
57,050
-52.616,091
-89.534,142 5.060.057,094
adjustiertes R2
0,793
0,346
Sanitärausgaben pro Haushalt Z A H je provincia
Sanitärindikator
-3,481 (E-04)
-0,309
46,814
69,289
0,001
- 0,009
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Auch für die Verbesserung der Sanitärversorgung zeigt sich, daß einzig die ZAH einen signifikanten Beitrag zur Erklärung des Ausgabenverhaltens des Fis für die Verbesserung der Sanitärversorgung liefert. In diesem Falle werden die Sanitärausgaben je provincia ebenfalls durch die Zahl armer Haushalte am besten erklärt, bei einem Wert von 79% für das Bestimmtheitsmaß der Regressionsgeraden. Demgegenüber läßt sich der gewünschte Zusammenhang zwischen dem Indikator der Sanitärversorgung der Bevölkerung und den Ausgaben der Sanitärversorgungsprojekte pro Haushalt (bzw. den Sanitärausgaben je provincia) nicht nachweisen. Tatsächlich deutet die Regression des Sanitärversorgungsindikators auf die Ausgaben je provincia vielmehr sogar darauf hin, daß mit einem größeren Bevölkerungsanteil, der nicht an ein Sanitärversorgungssystem angeschlossen ist, die Ausgaben der Sanitärversorgungsprojekte des Fis sinken; allerdings weist diese Regressionsgerade nur ein Bestimmtheitsmaß von 34,6% auf und ist deshalb wenig aussagekräftig. 4.5.3.4. Die Bevölkerungszahl der provincias als Erklärung für das Ausgabenverhalten Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß weder der Anteil armer Haushalte an der Gesamtzahl der Haushalte einer provincia noch Defizite der regionalen Bevölkerung in der Versorgung mit sozialen Leistungen mit der Vergabe von FisProjekten in einem erkennbaren Zusammenhang stehen. Allenfalls die absolute Zahl armer Haushalte trug zur Erklärung einiger Ausgabenindikatoren bei. Der Vergleich der Korrelationsanalysen zwischen ZAH und Gesamtausgaben je provincia bzw. zwischen ZAH und Gesamtzuschuß je provincia wie auch die späteren
214
Regressionsschätzungen legen nahe, daß nicht die Zahl der armen Haushalte sondern die Gesamtzahl der Haushalte je provincia das Ausgabenverhalten des Fis erklärt. Zwischen beiden Indikatoren besteht insofern ein Zusammenhang, als die absolute Zahl der Haushalte die Obergrenze für die Zahl armer Haushalte einer provincia darstellt. Die ZAH erklärte zwar die Mittelvergabe in eine provincia relativ gut, trug aber nicht zur Erklärung der Ausgaben je Haushalt bei. Insbesondere das zweite Ergebnis stimmt nicht mit den Zielsetzungen des Fis überein. Daher soll nun am Beispiel der Gesamtausgaben je provincia exemplarisch untersucht werden, ob die ZAH oder die Zahl der Gesamtbevölkerung je provincia den besseren Beitrag zur Erklärung des Ausgabeverhaltens des Fis liefert (vgl. Tabelle 4.32). Tabelle 4.32 Regression: ZAH und Zahl der Haushalte einer provincia als Bestimmungsgründe für die Ausgaben des Fis 1991-95 Gesamtausgaben je provincia ZAH je provincia
Zahl der Haushalte einer provincia
128,748
69,713
t-Wert des Regressionskoeffizienten
16,323
18,752
Signifikanzniveau des Koeffizienten
99,9%
99,9%
100.609,250
356.120,572
t-Wert der Konstanten
0,704
2,940
Signifikanzniveau der Konstanten
51,7%
99,5%
0,736
0,787
Regressionskoeffizient
Konstante
adjustiertes R
2
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Aus der Tabelle geht hervor, daß die Gesamtzahl der Haushalte je provincia das Ausgabeverhalten des Fis besser erklärt als die ZAH. In beiden Gleichungen hat der Regressionskoeffizient dasselbe erwartete Vorzeichen. Mit steigender Zahl der (armen) Bevölkerung steigt auch die Höhe der in eine provincia vergebenen Mittel. Zwar ist die Konstante der ZAH signifikant, jedoch weist die Gesamtzahl der Haushalte höhere t-Werte für Regressionskoeffizienten und Konstante auf und auch das Bestimmtheitsmaß zeigt für die Regression der Gesamtzahl der Haushalte einen besseren Erklärungswert als für die ZAH. AUS der Regression der Gesamtausgaben des Fis je provincia auf die Armutsindikatoren einer provincia ergibt sich somit kein
215
Hinweis darauf, daß die Armutssituation einer provincia einen entscheidenden Einfluß auf die Vergabetätigkeit des Fis ausübt. Im Gegenteil läßt sich auch dies Ergebnis als Hinweis auf eine regressive Wirkung der Tätigkeit des Fis interpretieren. 4.5.3.5. Kritische Würdigung des targeting des Fis Zum Abschluß der Untersuchung des Ausgabenverhaltens seien die Ergebnisse an dieser Stelle noch einmal kurz zusammengefaßt. Das targeting der Ausgaben der Fis-Projekte wird auf der Grundlage geographischer Kriterien zur Identifikation der Zielgruppe vorgenommen. Der fargef/ng-Mechanismus war a priori als geeignetes Vorgehen für eine effiziente Mittelallokation zur Armutsbekämpfung eingeschätzt worden. Diese Überlegung hatte nahegelegt, daß zwischen den Armutsindikatoren der provincias und den Ausgaben des Fis ein Zusammenhang bestehen müßte. Anhand der Indikatoren "Gesamtzahl der armen Haushalte einer provincia" (ZAH) und "Anteil armer Haushalte an der Gesamtzahl der Haushalte einer provincia" (AAH) wurde geprüft, ob ein derartiger Zusammenhang nachweisbar ist. Es zeigte sich, daß die ZAH in einigen Fällen signifikante Ergebnisse für die Erklärung der Gesamtausgaben des Fis je provincia lieferte. Die Verteilung der Ausgaben je Haushalt ließ sich jedoch mit keinem der verwendeten Armutsindikatoren erklären. Auch die Überprüfung des targeting anhand von Indikatoren für den Gesundheitsstatus, die Bildungssituation und die Verfügbarkeit von sanitären Leistungen ergab keine signifikante Erklärung für das Ausgabenverhalten des Fis. Zudem mußte der Erklärungswert der ZAH für das Ausgabenverhalten angezweifelt werden, da die Bevölkerungszahl der provincias eine bessere Erklärung für das Ausgabenverhalten des Fis lieferte als die ZAH. Als Fazit ist festzuhalten, daß die Analysen nicht darauf schließen lassen, daß der Fis vorwiegend in ärmeren provincias Projekte finanziert. Die Wirksamkeit der verwendeten Mechanismen für das regionale targeting der Ausgaben muß daher stark in Zweifel gezogen werden. Allerdings wurden die Untersuchungen unter den Prämissen vorgenommen, daß erstens alle Bewohner einer provincia in den Genuß der Leistungen des Fis kommen und daß zweitens ausschließlich die Bevölkerung derjenigen provincia, in der das Projekt finanziert wurde, zu dessen Nutznießern zählt. Während die zweite Prämisse weitestgehend als erfüllt angesehen werden kann, ist eine generelle Einschätzung der Gültigkeit der ersten nicht möglich.
216
4.6. Zusammenfassung: Der Fis und seine Wirksamkeit für die Armutsbekämpfung in Bolivien Da die Erkenntnisse des vorangegangenen Kapitels eine große Bedeutung als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung haben, erscheint an dieser Stelle ein kurzes Zwischenfazit angebracht. Eingangs des Kapitels wurde gezeigt, daß sich die Zielsetzungen des Fis von denjenigen der Vorgängerorganisation grundlegend unterschieden. Mit der Ausrichtung auf Armutsbekämpfung wurde der auf kurzfristige Wirkungen und einen raschen Mittelabfluß ausgerichtete Ansatz des FSE durch ein langfristig orientiertes Instrument ersetzt. Dazu wurden jedoch die grundlegenden Organisationsmerkmale weitgehend beibehalten. Unter den Gebern fand das Fis-Konzept eine breite Unterstützung, die sich in einem stabilen Mittelzufluß niederschlug. Auch weil das Instrument in Bolivien durch die Erfahrungen mit dem FSE bestens eingeführt war, sagten ausländische Organisationen der bolivianischen Regierung binnen kurzer Zeit relativ hohe Beträge an Darlehen und Zuschüssen für die Finanzierung des Fis zu. Trotz der raschen und großzügigen Ausstattung mit Human- und Sachkapital und trotz des erfahrenen Mitarbeiterstabes benötigte der Fis eine Anlaufzeit von drei Jahren, bis der Vergaberhythmus des FSE wieder erreicht war. Allerdings gestaltete sich die Vergabepraxis des Fis weitaus verwaltungsintensiver als die des FSE, weil intensivere Prüfungsverfahren notwendig waren. Das zeigen u.a. die detaillierten Regeln zur Vergabe der Projekte in arme Regionen, die durch den FSE entwickelt worden waren, aber erst nach der Gründung des Fis voll zur Anwendung kamen. Trotzdem sanken die Verwaltungskosten des Fis in den ersten drei Jahren seiner Existenz erheblich. Über die Übertragung der Sachmittel und des Personalbestandes des FSE hinaus profitierte der Fis auch bezüglich der Arbeitsabläufe von seinem Vorgänger. Bei der Gründung des Fis stand bereits weitgehend fest, welcher Art die zu finanzierenden Projekte zu sein hätten. Der Fis übernahm wesentliche Bestandteile der Programmpalette des FSE. Die Zahl der Programme wurde zunächst von vier auf zwei reduziert, später jedoch wieder auf drei erweitert. Die Programme an sich sind deutlich gegeneinander abgegrenzt und ihre Konzeption weist einen hohen Grad an Übereinstimmung mit dem Ziel Armutsbekämpfung auf. Zu kritisieren ist, daß auch nach Bereinigung der Gesamtpalette weiterhin Programmkomponenten existieren, die praktisch nicht bzw. nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Angesichts der sehr detaillierten Vorschriften und komplizierten Mechanismen für die Beantragung von Projekten bedeutet die Festlegung von
217
Programmen eine Bindung von Ressourcen, die die Effizienz der Mittelvergabe einschränken kann. Von der so ausgestalteten Organisation gingen vielfältige Wirkungen auf die bolivianische Ökonomie aus. Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen diejenigen Wirkungen, die zur Reduzierung der Armut in Bolivien beitragen. Aus zwei Gründen sind diese Wirkungen nicht direkt meßbar. Erstens sind erhebliche Zeitverzögerungen zwischen der Durchführung einer Investition und dem Auftreten nachweisbarer Wirkungen zu erwarten, zweitens sind die vorliegenden Daten nicht exakt genug, um mögliche Wirkungen direkt nachzuweisen. Daher wurden fünf Bedingungen entwickelt, deren Erfüllung eine notwendige Voraussetzung dafür ist, daß ein Sozialfonds in Bolivien wie gewünscht zur Bekämpfung der Armut beiträgt. Diese fünf Voraussetzungen sind Breitenwirksamkeit, tragbare Kostenbelastung für die Zielgruppe, Steigerung der Arbeitsnachfrage, mindestens neutrale gesamtwirtschaftliche Wirkungen und ein funktionierendes targeting der Ausgaben in arme Regionen. Die Überprüfung der ersten drei Bedingungen kam zu einem weitgehend positiven Ergebnis. Im Untersuchungszeitraum konnte ein großer Teil der bolivianischen Bevölkerung von den Vorhaben des Fis Nutzen ziehen, die Kostenbelastung für potentielle Nutzer war derart gering, daß auch arme Nutznießer wahrscheinlich nicht von der Teilnahme an Fis-Projekten ausgeschlossen wurden, und die Tätigkeit des Fis führte zu einer Steigerung der Arbeitsnachfrage. Obwohl sich die aus der Tätigkeit des Fis resultierende Nachfrage nach Arbeitskräften auf höher qualifizierte - und damit nicht-arme - Segmente des Arbeitsmarktes konzentrierte, sind dennoch auch in denjenigen Segmenten des Arbeitsmarktes positive Wirkungen zu erwarten, die den armen Arbeitskräften offen stehen. Zum einen entfaltete sich im Zuge der FisProjekte eine gesteigerte Bautätigkeit, für die auch gering qualifizierte arme Arbeitskräfte nachgefragt werden. Zum anderen ist zu erhoffen, daß mit einer gesteigerten Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften ein Sogeffekt auf dem Arbeitsmarkt auftritt, der sukzessive auch zu einer Steigerung der Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften führt. Die beiden verbleibenden Bedingungen für einen Beitrag des Sozialfonds zur Reduzierung der Armut in Bolivien konnten hingegen nicht unbedingt als erfüllt erkannt werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Steigerung der Verschuldung Boliviens, die aus der Vergabe von Krediten internationaler Geber an den Fis resultiert, unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Bolivien bereits ohne diese Kredite eine sehr hohe Staatsverschuldung aufweist, als kritisch einzustufen. Wenn auch der Zufluß von externen Mitteln in einer Periode steigender Verschuldung aufgrund einer
218
relativen Verteuerung nicht-handelbarer im Vergleich zu handelbaren Güter zu einer Verbesserung der Einkommenssituation der Armen führen kann, kann ein hoher Schuldenstand langfristig zu einem Hindernis für die Bekämpfung der Armut werden. Vorausgesetzt, daß die Neuverschuldung nicht allein für den Schuldendienst gesteigert wird, bedeutet eine zukünftige Bedienung der Schulden einen Nettokapitalexport. Es ist zu erwarten, daß sich auch dadurch c.p. die Preisrelationen verändern, diesmal jedoch in Richtung einer Senkung der relativen
Preise der
nicht-
handelbaren Güter. Wenn es in der Zwischenzeit nicht gelungen ist, die Kapitalausstattung des Landes entscheidend zu steigern - m.a.W.: wenn die Kredite konsumtiv verwendet wurden oder die Investitionen sich noch nicht hinreichend amortisiert haben - und damit die Voraussetzungen für eine Produktion handelbarer Güter nicht in ausreichendem Maße erfüllt wurden1 oder wenn Produkte, die an sich als handelbar gelten, nicht abgesetzt werden können, kann der Schuldendienst möglicherweise zu einer Verarmung der Bevölkerung führen. Auch die Erfüllung der fünften und letzten Bedingung ist nicht gesichert. Die Analysen des targeting der Fis-Ausgaben erbrachten keinen schlüssigen Nachweis, daß die Auswahlmechanismen dazu geführt hätten, Ausgaben in den Regionen zu tätigen, in denen die Armut der Bevölkerung am größten war. Vielmehr deuten die Ergebnisse darauf hin, daß arme provincias im besten Falle die gleichen Chancen auf Zuteilung von Projektmitteln des Fis besaßen wie nicht-arme. Außerdem war auch kein Zusammenhang zwischen einer mangelhaften Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheits-, Bildungs- oder Sanitärversorgungseinrichtungen einerseits und entsprechenden Maßnahmen des Fis andererseits zu erkennen. Die Hypothese, daß der Fis in provincias mit höherer Bevölkerungszahl aktiver wurde als in solchen mit geringerer Bevölkerungszahl - was nicht im Einklang mit der Zielsetzung "Armutsbekämpfung" stehen würde - konnte nicht verworfen werden. Insbesondere das mangelhafte targeting der Ausgaben ist der Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen. Wenn auch jede der fünf notwendigen Bedingungen die Wirksamkeit des Fis für die Bekämpfung der Armut in Bolivien determiniert, so besitzt das targeting-Problem dennoch eine besondere Bedeutung als Indikator für die Erreichung der Zielgruppen. Aus den vorgestellten Ergebnissen ergibt sich die Frage, warum der Fis diejenigen Bevölkerungsgruppen, die unter theoretischen Gesichtspunkten die richtigen Zielgruppen für Maßnahmen zur Armutsbekämpfung sind und die auch dem Fis per Dekret als Zielgruppen vorgegeben waren, mit seinen Maßnahmen nicht erreicht.
'
Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind die Ausstattung der Arbeitskräfte mit Humankapital und die Sachkapitalausstattung der Arbeitsplätze.
219
Die Gründe hierfür können auf der Nachfrageseite oder auf der Angebotsseite für Fis-Projekte liegen. Der wichtigste potentielle nachfrageseitige Grund wurde bereits angeführt. Die Nachfrage der Zielgruppe wäre dann gering, wenn die Kostensteigerung für soziale Dienstleistungen größer wäre als der Nutzenzuwachs, den sich die arme Bevölkerung aus der Durchführung eines Fis-Projekts und dem damit verbundenen Verzicht auf alternative Verwendung ihres Einkommens verspricht. Diese Höherbewertung der Kosten gegenüber den Nutzen und die sich daraus ergebende mangelnde Nachfrage kann auf die Projektkonzeption oder aber auf das Vergabeverfahren zurückgeführt werden. Im ersten Falle tragen die Projekte nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung. In diesem Falle wäre das Problem durch eine Neuformulierung des Angebots zu lösen. Aus der Darstellung der Programme ergab sich jedoch kein Anhaltspunkt für eine derartige Fehlkonzeption. Im zweiten Falle könnten die Projekte des Fis Bedürfnisse betreffen, deren Existenz der armen Bevölkerung nicht völlig bewußt ist oder die sie negiert. In diesem Falle wäre die nachfrageseitige Störung auf den Charakter der Dienstleistungen als öffentliche beziehungsweise meritorische Güter zurückzuführen mit der Konsequenz, daß das Problem der Unterversorgung der armen Bevölkerung am besten durch staatliche Bereitstellung der Dienstleistungen gelöst würde. Ein Vergabeverfahren, das auf der Projektnachfrage durch die arme Bevölkerung basiert und deren Zahlungsbereitschaft abschöpfen soll, wäre in diesem Falle unangemessen konzipiert. Im Hinblick auf die nachfrageseitigen Störungen ist in der folgenden institutionenökonomischen Untersuchung ein Augenmerk darauf zu legen, inwieweit die Zielgruppe Mitwirkungsrechte bei der Konzeption der Vergabestrategie und der Programmformulierung durch den Fis besitzt. Angebotsseitige Störungen könnten darin bestehen, daß der Fis trotz guter Rahmenbedingungen nicht bereit ist, Projekte in armen Regionen durchzuführen. Unter diesem Aspekt sind die internen Anreiz- und Kontrollmechanismen daraufhin zu untersuchen, ob das hier konstatierte mangelhafte targeting der Projektausgaben auf interne institutionelle Defizite des Fis oder auf Kommunikationsdefizite mit seiner Umwelt - Antragstellern, Nutznießern oder Auftraggebern - zurückgeführt werden kann. Mit anderen Worten, es ist zu untersuchen, warum der Fis ein anscheinend vernünftiges Regelwerk entwickelt hat und nicht willens oder nicht in der Lage ist, dieses Regelwerk auch anzuwenden.
221
5. Die mangelnde Leistungsfähigkeit des Fis - ein institutionelles Problem?
5.1. Vorbemerkung Als Ziel des Fondo de Inversión Social war formuliert worden, den Lebensstandard der ärmsten Bevölkerungsschichten durch die Finanzierung von Projekten zu verbessern. Das Ergebnis der bisherigen Ausführungen ist jedoch, daß die Maßnahmen des Fis ZU einem großen Teil nicht den eigentlichen Zielgruppen zugute kamen. Die Analyse der Programme erwies, daß diese mangelnde Effizienz nicht auf deren Konzeption zurückgeführt werden kann; die Programme waren an sich an den Bedürfnissen der Armen - soweit bekannt - orientiert und wiesen keine auffälligen Zugangsbeschränkungen für arme Bevölkerungsgruppen auf. Trotzdem wurden die - an sich 'richtig konzipierten' - Projekte in den 'falschen', d.h. ebenso in den weniger armen wie in den armen Regionen Boliviens durchgeführt. Es ist zu prüfen, ob diese Tatsache mit dem institutionellen Kontext, innerhalb dessen der Fis agiert, zu begründen ist. In Kapitel 5 wird daher das institutionelle Umfeld des Fis und seine interne Struktur unter institutionenökonomischen Aspekten daraufhin untersucht, auf welche Faktoren das Versagen bei der zielgerichteten Projektvergabe zurückgeführt werden kann. Die theoretische Grundlage bilden die Neue Institutionenökonomie und hier insbesondere die Public Choice Theorie sowie die Theorie von Prinzipal und Agent. Eine Verbindung beider Ansätze stellt die Theorie der Bürokratie dar. Mittels der Public Choice Theorie werden - in Abgrenzung zur Analyse privater individueller Handlungen durch die konventionelle MikroÖkonomik - kollektive Entscheidungsprozesse untersucht. Ein wichtiges Feld der Public Choice Theorie ist die Erklärung politischer Wahlentscheidungen, die durch die Integration politikwissenschaftlicher Erkenntnisse in die ökonomische Theorie möglich wird.1 Dabei wird unterstellt, daß Individuen streng rational handeln und ihren eigenen maximieren.
Nutzen
2
Im vorliegenden Kapitel spielt in erster Linie die Frage eine Rolle, auf welche Weise staatliche Entscheidungen zustande kommen beziehungsweise wie diese Entscheidungen durch das Zusammenwirken verschiedener Akteure beeinflußt werden. Zu
1
2
Im deutschen Sprachraum werden die Ansätze der Public Choice Theorie in das Gebiet der Neuen Politischen Ökonomie eingereiht. Vgl. Frey (1979): S. 12. Vgl. Dunleavy (1991): S. 1.
222
ihrer Klärung wird insbesondere die ökonomische Theorie der Gruppen als Analyseinstrument herangezogen.1 Als zweiter wichtiger Theoriestrang wird die Prinzipal-Agent Theorie herangezogen. Mittels dieser Theorie werden Situationen untersucht, in denen eine Partei (der Auftraggeber oder Prinzipal) eine andere Partei (den Auftragnehmer oder Agenten) für eine Aktion verpflichtet und dafür eine Entlohnung in Aussicht stellt. Das Verhalten der Parteien während der vertraglichen Beziehung wird von unterschiedlichen individuellen Nutzenfunktionen bestimmt, aus denen ein Interessenkonflikt entstehen kann:2 • Der Prinzipal ist der kontrollierende Teil der Beziehung. Er hat Interesse daran, daß die gestellte Aufgabe bestmöglich gelöst wird. Sein Nutzen steigt mit dem Grad der Aufgabenerfüllung und sinkt mit steigendem Aufwand für die Kontrolle des Agenten. • Der Agent ist der produktive Teil der Beziehung. Seine Tätigkeit ist für ihn mit Aufwand verbunden. Sein Nutzen ist negativ mit dem zu leistenden Aufwand und positiv mit seinem Einkommen verbunden.3 Das Ergebnis der Tätigkeit des Agenten ist auch von Faktoren abhängig, die der Agent nicht beeinflussen kann. Zudem ist der Prinzipal nur unvollständig über die Tätigkeit des Agenten informiert." Die Überwachung der Aktionen des Agenten ist für den Prinzipal mit Kosten verbunden. Der Prinzipal überwacht daher das Ergebnis der Tätigkeit des Agenten, die Tätigkeit an sich jedoch nur unvollkommen. Aus dieser Konstellation können sich Informationsprobleme ergeben, die dazu führen, daß der Agent anders handelt oder das Ergebnis seiner Tätigkeit anders ausfällt als vom Prinzipal erwünscht.5 Der Prinzipal hat ein Interesse daran, seine aus der Informationsasymmetrie resultierenden Risiken zu minimieren. Er tut dies, indem er zum einen (z.B. durch eine geeignete Vertragsgestaltung) Anreize für den Agenten schafft, in seinem Sinne zu handeln, und zum anderen geeignete Mechanismen zur Überwachung des Agenten entwickelt und durchsetzt. Die Theorie der Bürokratie stellt insofern eine Verbindung beider Theorien dar, als sie die Erstellung von Dienstleistungen in erster Linie durch staatliche Büros 1
Vgl. Frey (1979): S. 22. Ausgangspunkt ist OLSONS Erkenntnis, daß Individuen sich nur dann zu Organisationen zusammenschließen, wenn sie kollektive Nutzen zu erwarten haben. Vgl. Olson (1985): S. 4-6; eine Weiterentwicklung findet sich bei Olson (1982): S. 17ff.
2
Vgl. Kiener (1989): insbesondere S. 63-119. Vgl. Tirole (1985): S. 6.
3 4
In einer Welt vollständiger Information und Abwesenheit von Transaktionskosten wären die Handlungsfolgen aus dem Vertrag für beide Partner vollständig definiert. Da diese Annahmen wenig realistisch sind, wird die Möglichkeit eines vollständigen Vertrags im folgenden außer Acht gelassen.
5
Vgl. Richter; Furubotn (1996): S. 165. Eine bekannte Darstellung dieses Problems bietet das Lemon-Market Beispiel von AKERLOF (1970).
223
untersucht.1 Als "Büros" werden Organisationen verstanden, die durch drei Merkmale charakterisiert sind: Erstens handeln Büros nicht gewinnorientiert.2 Zweitens finanzieren sich Büros zu einem überwiegenden Teil aus Zuweisungen übergeordneter kollektiver Organisationen.3 Das dritte Charakteristikum ist, daß die internen Abläufe sehr stark reglementiert sind (Prinzip der Aktenmäßigkeit der Verwaltung).4 Alle drei Charakteristika treffen auf den Fis zu, was die Anwendung der Bürokratietheorie für die vorliegende Untersuchung rechtfertigt. Die Theorie der Bürokratie beschäftigt sich zum einen mit den Außenbeziehungen von Büros. Diese hierarchischen Relationen zwischen Organisationen sind typisch für öffentliche Verwaltungen. Zum anderen erstrecken sich bürokratietheoretische Erkenntnisse auch auf den internen Prozeß der Leistungserstellung. Beide Anwendungsbereiche sind letztlich spezielle Prinzipal-Agent Relationen. Das Kapitel ist folgendermaßen aufgebaut. Zunächst werden in Abschnitt 5.2 die einzelnen Teilbereiche des Beziehungsgefüges des Fis dargestellt und kurz erläutert. Dabei können bei weitem nicht alle Beziehungen dargelegt werden, sondern die Darstellung wird sich auf solche Relationen beschränken, die einen Beitrag zur Erklärung des Fehlverhaltens des Fis leisten können. Zwar wird durch diese Beschränkung die Realität stark vereinfacht; dennoch werden daraus Hinweise auf mögliche Fehlkonfigurationen deutlich, so daß diese vereinfachte Darstellung dem Anliegen der Arbeit gerecht wird. Die ausgewählten Relationen werden anschließend in Abschnitt 5.3. analysiert, bevor in Abschnitt 5.4. schließlich Vorschläge entwickelt werden, wie die zuvor aufgedeckten Fehlkonstruktionen behoben werden könnten.
5.2. Das Beziehungsgefüge des Fis im Überblick Wie in Kapitel 4 deutlich wurde, handelt der Fondo de Inversion Social im Auftrag der Regierung und seiner externen Geber. Er agiert somit in einer typischen Prinzipal-Agent Situation. Das vorliegende Problem ist dadurch gekennzeichnet, daß nicht nur ein Prinzipal und ein Agent miteinander in Kontakt treten, sondern daß erstens mehrere Prinzipale und Agenten auf unterschiedlichen Ebenen Einfluß auf die Tätigkeit des Fis nehmen und zweitens einige Akteure gleichzeitig als Prinzipal und als Agent auftreten. 1
NISKANEN weist zwar darauf hin, daß prinzipiell auch einzelne Abteilungen privater, gewinnorientierter Unternehmen als Büros aufgefaßt werden können. Vgl. Niskanen (1979): S. 350, Fn. 2. Dieser Fall ist jedoch für die vorliegende Untersuchung nicht relevant.
2
Vgl. Niskanen (1979): S. 350.
3
Vgl. Niskanen (1979): S. 350.
4
Vgl. W e b e r (1976): S. 126.
224
Es handelt sich um ein mehrstufiges, in sich stark verschachteltes Prinzipal-Agent Problem. Die Grundzüge des Beziehungsgefüges des Fis sind in der Abbildung 5.1 dargestellt. Sie werden im folgenden kurz beschrieben. Dabei geht die Analyse partialanalytisch vor: Jede einzelne Beziehung wird in Abschnitt 5.3. unter der Annahme analysiert, daß alle jeweils nicht betrachteten Beziehungen optimal funktionieren. Zunächst ist auf die Beziehungen des Fondo de Inversión Social zur bolivianischen Regierung einzugehen; diese Beziehungen sind in Abbildung 5.1 mit den Nummern (1) bis (4) versehen. Als "Regierung" werden alle Einrichtungen der Zentralregierung Boliviens zusammengefaßt; neben dem Kabinett, den zugehörigen Behörden und dem Nationalen Rat für Sozialpolitik
(CONAPSO)
zählen u.a. auch die in
Abschnitt 4.3. bereits erwähnten anderen Fonds dazu. Eine besondere Vereinfachung besteht an dieser Stelle in der Zusammenfassung der staatlichen Einrichtungen zur Regierung. Sie resultiert daraus, daß Interessenkonflikte zwischen einzelnen Instanzen der Regierung keine weitere Beachtung finden.1 Die Regierung beauftragte den Fis qua Dekret mit der Durchführung von Projekten und Programmen zur Armutsbekämpfung (1) und stellt ihm zu diesem Zweck regelmäßig ein Budget zur Verfügung. Das Budget setzt sich zusammen aus dem Eigenbeitrag der bolivianischen Regierung (2) und den von der Regierung verwalteten (und deshalb in der Graphik 5.1 teilweise gestrichelten) Zuwendungen der Geber (4). Zudem installierte die Regierung eine Reihe von Überwachungsmaßnahmen, um ihr aus der Prinzipal-Agent Beziehung resultierendes Informationsdefizit über die Tätigkeit des Fis zu minimieren (3). Die Beziehungen des Fis zu den Geberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit stellen sich wie folgt dar: Die Organisationen fungieren zum einen als externe Financiers des Budgets des Fis und sind in dieser Hinsicht Prinzipale des Fis. Ihre Zuwendungen werden allerdings nicht direkt an den Fis transferiert. Gegenüber den Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit agiert vielmehr die bolivianische Regierung als Träger des "entwicklungspolitischen Vorhabens Fis".
1
Hier ist zum Beispiel an Fragen der Aufteilung des Budgets auf einzelne Ressorts zu denken.
225
Abbildung 5.1 Das Beziehungsgefüge des Fondo de Inversión Social
Geberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit
Finanzielle und technische Unterstützung (4)
Projektfortschrittskontrollen (5) Regierung der Republik Bolivien ÜberwaclFung Beau trades FIS gung des FIS (3) (1
c
Projektverfplgung
Eigenbi siitrag zu ' Finanzi îrung des FIS (2)
O
Fondo de Inversión Social: Interne Beziehungen (6) ProjeWfininiienjng
* und -Verfolgung Überwa(10) i Superv.sor)_^g '
Antragsverfahren W Lizensierung (8)
Organisatorische Identitäten (15)
Quelle: eigene Darstellung.
226
Die Regierung erhält finanzielle und technische Unterstützung zugewiesen, die sie dann an den Fis weiterreicht (4). Dadurch sind die Geberorganisationen auch Prinzipale der bolivianischen Regierung.1 Zum anderen unterhalten die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit jedoch über diese indirekten Finanzbeziehungen hinaus auch direkte Beziehungen zum Fis, indem sie in regelmäßigen Abständen Projektfortschrittskontrollen zur Überwachung der Tätigkeit des Fis durchführen (5). Damit soll sichergestellt werden, daß der Fis erfolgversprechende Maßnahmen zur Reduzierung der Armut im Sinne der entwicklungspolitischen
Organisationen
durchführt. Den Beziehungen (1) bis (5) ist gemeinsam, daß eine recht eindeutige Rollenverteilung eingehalten wird, wobei der Fis die Rolle des Agenten ausfüllt. Auf diese Beziehungen geht Abschnitt 5.3.1. ein. Mit (6) sind die internen Strukturen des Fis bezeichnet. Darunter fallen seine Organisationsstruktur, Anreizmechanismen und Kontrollsysteme. Diese Beziehungen zwischen den Mitarbeitern weisen insofern Prinzipal-Agent Merkmale auf, als höherrangige Mitarbeiter ihre Untergebenen mit der Lösung von Aufgaben beauftragen und die Durchführung zu überwachen versuchen. Diese Beziehungen werden in Abschnitt 5.3.2. genauer analysiert. In bezug auf die Projekttätigkeit agiert der Fis als Prinzipal, indem er andere Organisationen mit der Abwicklung von Projekten beauftragt und ihnen dafür ein Budget zur Verfügung stellt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Beziehungen während der Vorbereitung eines Projekts, die zur Antragstellung führen, und den Beziehungen während der Durchführung des Vorhabens. In Abbildung 5.1 wurde den unterschiedlichen Beziehungen dadurch Rechnung getragen, daß die Beziehungen während der Antragstellung gestrichelt gezeichnet wurden, diejenigen während der Durchführung hingegen mit durchgezogenen Linien. Die Beziehungen des Fis zu Antragstellern bzw. Projektträgern tragen die Nummern (7) und (10). Sie unterscheiden sich erheblich nach dem Fortschritt des beantragten Vorhabens. Während der Antragstellung zielt der Fis bei der Verfolgung der Strategie der aktiven Promotion2 darauf ab, potentielle Projektträger zu identifizieren und sie dazu zu bewegen, einen Antrag auf Förderung einzureichen; bei der
targeting-Strategie
1
Die speziellen Probleme, die aus einer solchen Konstellation erwachsen, interessieren an dieser Stelle nur in der Hinsicht, als davon die Leistungsfähigkeit des FIS beeinträchtigt werden könnte. Z u den grundsätzlichen institutionenökonomischen Problemen dieser Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit vgl. Gelbhaar (1997) sowie Bieta; Gelbhaar (1997).
2
Die Ausgabensteuerung anhand der Strategie der aktiven Promotion und der fargef/ng-Strategie wurde in Abschnitt 4.4.3.1 dargestellt.
227
hingegen geht der Impuls zur Durchführung eines Projekts nicht vom Fis aus. In diesem Stadium der Projektbearbeitung agieren die potentiellen Projektträger als Antragsteller (7). Sobald zwischen dem Fis und einem Antragsteller ein Projektvertrag abgeschlossen wird, ändert sich die Qualität ihrer Kontakte dahingehend, daß sich beide Parteien rechtsverbindlich auf die Einhaltung bestimmter Regeln geeinigt haben (10). Nunmehr besteht die Aufgabe des Fis vor allem darin, die Tätigkeit des Projektträgers zu überwachen. Die Beziehung (9) bildet das Verhältnis zwischen Antragstellern und Nutznießern ab und wurde wiederum gestrichelt eingezeichnet. Die Antragsteller sind noch weitgehend unabhängig vom Fis. Sie nehmen im Rahmen der Projektvorbereitung Kontakte zur Bevölkerung auf (9a und 9b) mit dem Ziel, später im Auftrag des Fis ein Projekt abzuwickeln. Mit der Nummer (11) ist die Beziehung des Projektträgers mit dem Auftragnehmer während der Projektdurchführung bezeichnet; der Auftragnehmer ist dabei diejenige Partei, die die physischen Arbeiten am Projekt ausführt. Dieser Kontakt resultiert in der Ausführung eines Projekts für die Nutznießer (11a) bzw. (11b). An dieser Stelle tritt der in Abschnitt 4.5.3. konstatierte Fehler des targeting der Ausgaben zutage: die Projektträger beziehungsweise ihre Auftragnehmer stehen nicht wie gewünscht überwiegend mit den armen Bevölkerungsgruppen Boliviens in Kontakt (11a). Vielmehr weisen die Ergebnisse des Abschnitts 4.5.3. darauf hin, daß die Nutznießer großenteils zu den nicht-armen Bevölkerungsgruppen zu rechnen sind (11b). In Abschnitt 5.3.3. werden mögliche Ursachen für diesen Sachverhalt dargestellt. Mit der ständigen Überwachung des Fortschritts eines Projekts, d.h. der Projektverfolgung, beauftragt der Fis einen Supervisor; er tritt als weitere Partei in den Fördervertrag zwischen Fis und Projektträger ein und erstattet dem Fis regelmäßig Bericht über das laufende Projekt (12). Dem Projektträger gegenüber fungiert der Supervisor somit als Instanz, die generell den Projektfortschritt überwacht (13). Eine spezielle Aufgabe des Supervisors besteht in der Überwachung des Auftragnehmers (17). Zudem hält der Supervisor Kontakt mit den Nutznießern (14). Auf die in Abbildung 5.1 mit (8) und (15) bezeichneten Beziehungen zwischen der Regierung und den Antragstellern bzw. Projektträgem kann der Fis nur bedingt Einfluß nehmen. Als Beziehung (8) ist der Vorgang gekennzeichnet, daß potentielle Projektträger als Voraussetzung für die Antragstellung Lizenzen von Regierungseinrichtungen beantragen müssen. Damit befinden sich die Antragsteller in zweifacher Hinsicht in Agentenrollen: Zum einen sind sie, wie oben erwähnt, Agenten des Fis in
228
Bezug auf die Bekämpfung der Armut. Zum anderen sind sie Agenten der Fachministerien, indem sie sich verpflichten, deren Qualitätsstandards einzuhalten. Beziehung (15) drückt aus, daß Regierungseinheiten direkt Anträge auf finanzielle Förderung von Projekten beim Fis einreichen können; in diesen Fällen sind die Projektträger mit Regierungseinrichtungen identisch. Eine weitere Prinzipal-Agent Beziehung, die durch den Fis nicht zu beeinflussen ist, die aber nichtsdestotrotz seine Handlungen indirekt mitbestimmt, ist die Tatsache, daß die Regierung durch die Bevölkerung im Wege einer Wahl beauftragt wird (16). In dieser Hinsicht sind die Wähler Prinzipale der Regierung. Die Wahlbevölkerung schließt auch die Nutznießer der Fis-Projekte ein, gleich ob sie zu den armen Bevölkerungsgruppen gehören oder zu den nicht-armen. Die bis hierhin beschriebenen Beziehungen werden in den folgenden Abschnitten im einzelnen auf die Handlungsmotive der jeweiligen Akteure analysiert, um danach zu Empfehlungen für die institutionelle Ausgestaltung armutsbekämpfender Organisationen zu gelangen.
5.3. Agency-Probleme des Fis
5.3.1. Die Beziehungen des Fis zu seinen Prinzipalen Wie aus Abbildung 5.1 hervorgeht, sind die bolivianische Regierung sowie die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit gleichzeitig Auftraggeber und Financiers des Fis. Ihre Interessen bestimmen im Idealfall die Tätigkeit des Agenten. Diese Beziehungen wurden in Abbildung 5.1 mit (1) bis (5) bezeichnet und sind Gegenstand des folgenden Abschnitts. Die Zusammenarbeit des Fis mit der bolivianischen Regierung betrifft die Beziehungen (1) bis (3). Da die bolivianische Regierung eine demokratisch legitimierte Instanz ist, kann ihr ein Interesse an einer Wiederwahl unterstellt werden. Um die eigenen Chancen für eine Wiederwahl zu sichern, muß sie zunächst eine Politik formulieren und anschließend zeigen, daß sie Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Politik ergreift. Aufgrund der weiten Verbreitung der Armut versprechen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung erheblichen politischen Erfolg, weil durch diese Maßnahmen ein Interesse an den Belangen der Bevölkerungsmehrheit signalisiert werden kann.1 1
In diesem Sinne ist auch die Kritik führender Vertreter der Regierung sowie der MNR ZU verstehen, d a ß im W a h l k a m p f 1989 die Erfolge des FSE nicht genügend für die W a h l k a m p a g n e des MNR eingesetzt worden seien. Vgl. Graham (1992): S. 1239, insbes. Fn. 37. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der von GRAHAM interviewte damalige Leiter der W a h l k a m p a g n e der MNR, Mauricio Balcazar, 1996 selbst z u m Exekutivdirektor des Fis avancierte. Wipplinger (1995): Persönli-
229
Diese Signalwirkung ist umso größer, je besser die Maßnahmen der Regierung von den Wählern wahrgenommen werden. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen steht die bolivianische Regierung vor zwei Alternativen: entweder der Erhebung bzw. Erhöhung von Steuern oder dem Rückgriff auf die entwicklungspolitische Zusammenarbeit.1 Wenn das Hauptmotiv der Regierung darin besteht, die eigenen Wiederwahlchancen zu erhöhen, ist die Finanzierung der Maßnahmen aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit einer Finanzierung aus Steuermitteln vorzuziehen. Während bei einer Steuerfinanzierung die Belastungen für die Wähler sofort spürbar werden, gehen von Gebermitteln keine sofortigen Belastungen für den Wähler aus, da selbst bei einer Darlehensfinanzierung die Rückzahlungspflicht frühestens nach dem Ende des nächsten Wahlzyklus' beginnt.2 Die über die Entwicklungszusammenarbeit eingeworbenen Mittel setzt die Regierung zur Maximierung ihrer Wiederwahlchancen ein. Dabei ist es für sie interessant, vor allem solche Projekte zu finanzieren, die besonders vielen Personen nutzen bzw. die für eine große Zahl potentieller Wähler sichtbar sind. Die Signalwirkung armutsbekämpfender Maßnahmen - und damit ihre Wirkung auf die Wiederwahlchancen der Regierung - ist hingegen nur zu einem geringen Teil davon abhängig, ob die Maßnahmen tatsächlich den Ärmsten nutzen. Dies hängt zum einen damit zusammen, daß die Wirkungen der durch den Fis finanzierten Projekte z.T. erst mit erheblicher Zeitverzögerung nachweisbar sind. Die Regierung kann also argumentieren, daß die Maßnahmen zwar langfristig den Armen zugute kommen, die Nutzen jedoch noch nicht nachgewiesen werden können. Zum anderen sind auch sehr arme Bevölkerungsgruppen als Wähler für die Regierung möglicherweise im Vergleich mit nicht-armen von geringerer Bedeutung. Zwar existieren keine empirischen Untersuchungen über das Wahlverhalten der ärmsten Bevölkerung Boliviens, für ihre geringe Bedeutung als Wähler sprechen aber folgende Gründe: Erstens können Politiker mit sehr armen Wählergruppen aufgrund deren sozialer Merkmale - mangelhafte Beherrschung der spanischen Sprache, eingeschränktes Lese- und Schreibvermögen - im Wahlkampf nur beschränkt kommunizieren. Außerdem hat die Armutsanalyse in Abschnitt 3.3 gezeigt, daß die arme Bevölkerung weitaus disperser lebt als weniger arme Bevölkerungsgruppen.3 Diese Merkmale zusammengenommen steigern die Kommunikationskosten der Politiker im ches Interview. 1
Die A u f n a h m e neuer Auslandskredite, die nicht entwicklungspolitisch motiviert sind, ist aufgrund der hohen Staatsverschuldung nur in begrenztem Umfang möglich.
2
Die Darlehen der W e l t b a n k an den Fis wurden beispielsweise nach IDA-Konditionen vergeben, d.h. mit 10 Freijahren und einer Laufzeit von 4 0 Jahren. Vgl. World Bank (1990b): S. V.
3
Dafür sprechen die geringe Bevölkerungsdichte in Verbindung mit d e m relativ hohen Urbanisierungsgrad der bolivianischen Bevölkerung und der hohen Armutsquote der Landbevölkerung.
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Wahlkampf. Zweitens sind die Armen aufgrund ihrer schwachen Organisationsfähigkeit nur in geringerem Maße als Nicht-Arme in der Lage, ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Sie bilden - wenn überhaupt - kleine Gruppen, die nur über eine geringe Durchsetzungsmacht gegenüber der Regierung verfügen. Dadurch ist der "politische Nutzen" der Strategie, die Interessen der Ärmsten zu verfolgen, für Politiker vergleichsweise gering. Drittens ist anzunehmen, daß die Wahlbeteiligung von armen Bewohnern entlegener ländlicher Regionen geringer ist als in Städten, wo die Registrierung der Wahlberechtigten einfacher ist und Wahllokale in erreichbarer Entfernung sind. Viertens werden sich die Armen nur in geringem Maße mit Politikern identifizieren können, mit denen sie nichts gemeinsam haben; viele Politiker sind Angestellte im gehobenen öffentlichen Dienst oder erfolgreiche private Unternehmer, entstammen alteingesessenen spanischstämmigen Familien und leben in den Städten. Ihre Lebenssituation unterscheidet sich erheblich von armen, indigenen Subsistenzbauern im Hochland.1 Unter der Annahme, daß die Maximierung der Wiederwahlchancen die zentrale kollektive Handlungsstrategie der Regierung ist, sprechen die genannten Sachverhalte dafür, daß es für die Regierung effektiver ist, wenn der Fis Projekte in relativ dicht besiedelten Gebieten tätigt. Diese Maßnahmen werden zwar mit dem Anspruch begründet, Armut reduzieren zu wollen, und steigern so die Akzeptanz der Regierung auch bei den Armen. In der Umgebung der Vorhaben lebt jedoch vor allem die nichtarme Bevölkerung. Diese relativ wichtige Wählergruppe hat damit den größten Nutzen aus den Fis-Projekten. Dadurch steigert die Regierung ihre Wiederwahlchancen. Diese Interessen läge der Regierung unterscheidet sich erheblich von der in Dekret 22.542 postulierten Zielsetzung. Dort wurde als wichtigstes Ziel des Fis genannt, die Lebensbedingungen der Bevölkerung mit den niedrigsten Einkünften zu verbessern. Der Fis als Agent sieht sich neben der Regierung noch einer zweiten Gruppe von Prinzipalen gegenüber. Diese Gruppe wird aus den bilateralen und multilateralen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit gebildet, die den Fis, wie in Abschnitt 4.4.1 dargestellt, technisch oder finanziell unterstützen.2 Diese Beziehungen sind in Abbildung 5.1 mit (4) und (5) gekennzeichnet.
1
D a ß dies Argument für Bolivien zutrifft, zeigt die Berufung von Victor Hugo Cárdenas z u m Vizepräsidenten. Cárdenas beruft sich gerne auf seine indigenen bäuerlichen Wurzeln. Dies trug zur Identifikation der bäuerlichen Landbevölkerung mit der Regierung und zu Stimmengewinnen bei, obwohl Cárdenas als Soziologieprofessor tätig und somit von den Problemen der Landbevölkerung weit entfernt ist. Vgl. Kapitel 3.2.2.
2
Die Geberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit sind z u m einen Prinzipale der Regierung, weil die Mittel offiziell an die Regierung vergeben werden. Diese Beziehung steht gleichsam im Hintergrund ihrer Zusammenarbeit mit dem Fis. Sie sind z u m anderen auch Prinzipale des Fis, weil die finanziellen Zuweisunen an die Regierung ausschließlich zweckgebunden vergeben werden und die Tätigkeit des Fis direkt kontrolliert wird.
231
Ein wichtiges Anliegen einer Geberorganisation - wie jeder Organisation - besteht letztlich darin, das eigene Weiterbestehen zu sichern. Gegenüber ihren Finanziers, den Regierungen in Industrieländern, legitimieren sich entwicklungspolitische Geberorganisationen in erster Linie dadurch, daß das Wohlfahrtsniveau in den Empfängerländern ein wichtiges Argument in den maßgeblichen Nutzenfunktionen der Wähler der Geberländer ist, dem sie durch Projektarbeit Rechnung tragen.1 Das Weiterbestehen einer entwicklungspolitischen Geberorganisation ist gegenüber ihren Kapitalgebern dann legitimiert, wenn durch die Gebertätigkeit das Wohlfahrtsniveau der armen Bevölkerung in Entwicklungsländern gehoben wird.2 In dieser Hinsicht stehen die Geberorganisationen unter dem Druck, gegenüber ihren Kapitalgebern Fortschritte nachzuweisen. Der Rechtfertigungsdruck erhöht sich für jeden Geber der Entwicklungszusammenarbeit c.p., wenn nachgewiesen werden kann, daß die von den Geberorganisationen vorgeschlagenen Programme nicht zielgerecht formuliert sind oder die Mittel nicht effizient eingesetzt werden.3 Daher erscheint plausibel, daß die entwicklungspolitischen Organisationen das Ziel verfolgen, mit ihren finanziellen Ressourcen der ärmsten Bevölkerung zu nutzen. Es zeigt sich somit, daß zwischen den Prinzipalen - der Regierung und den externen Gebern - ein latenter Interessenkonflikt herrscht, der aus einem unterschiedlichen Gewicht der Zielsetzung "Armutsbekämpfung" in den jeweiligen Zielfunktionen der Prinzipale resultiert: Während sich "Armutsbekämpfung" aus der Sicht der Regierung dem Ziel der Stimmenmaximierung unterordnen muß, ist es für die Geberorganisationen eine herausragende Legitimation ihrer Tätigkeit. Aus diesem Grund ist zu folgern, daß die Tätigkeit der Geber der Entwicklungszusammenarbeit tendenziell eher auf eine langfristige Armutsbekämpfung abzielt als die Tätigkeit der Regierung. Das zentrale kollektive Interesse des Fondo de Inversión Social an der Zusammenarbeit mit seinen Prinzipalen besteht darin, den Fortbestand der eigenen Organisation zu sichern. Ähnlich wie die Existenz der internationalen Geberorganisationen ist auch der Fortbestand des Fis nur solange gesichert, wie er gegenüber seinen Prinzipalen glaubhaft machen kann, daß er deren Zielvorgabe erfolgreich verfolgt.
1
Vgl. zu diesem Argument und dem folgenden Absatz Gelbhaar (1997): S. 7 6 sowie die dort angegebene Literatur.
2
An dieser Stelle findet keine Berücksichtigung, daß die Mitarbeiter der Geberorganisationen mit ihrer Tätigkeit eigene Interessen verfolgen, die von denen der Wähler im Geberland abweichen können.
3
Die "ceteris paribus"-Klausel sagt hier aus, daß der Rechtfertigungsdruck der Geberorganisationen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit im Ursprungsland beispielsweise auch dann steigt, wenn in den Geberländern intensivere Verteilungskämpfe stattfinden.
232
Zwei Sachverhalte ermöglichen dem Fis, eigene Interessen, die nicht unbedingt der Armutsbekämpfung dienen, zu verfolgen: Erstens ergeben sich für den Fis Interpretationsspielräume bei dem ihm vorgegebenen Ziel "Armutsbekämpfung", Diese resultieren aus einer unvollständigen bzw. nicht einheitlichen Zielvorgabe durch seine Prinzipale. Während die internationalen Geber die Verbesserung des Lebensstandards der Armen anstreben, hat die Regierung - wie dargelegt - ein Interesse an der Unterstützung nicht-armer Bevölkerungsgruppen, innerhalb derer mit der gleichen Projektzahl ungleich mehr potentielle Wähler angesprochen werden können. Um diese Interessenlagen zu einer Zielvorgabe für den Fis verschmelzen zu können, wird dessen Zielvorgabe vage formuliert.1 Zweitens verschafft die Prinzipal-Agent Situation dem Fis Handlungsspielräume, die aus seinem Informationsvorsprung gegenüber den Prinzipalen resultieren. Es ist fraglich, ob die Fis-Mitarbeiter diese Spielräume wahrnehmen, um die Wirksamkeit des Fis für die Armutsbekämpfung zu steigern. Vielmehr können sie diese Spielräume dazu ausnutzen, bis zu einem bestimmten Grad ihre eigenen Interessen zu verfolgen, ohne dadurch die Existenz des Fis zu gefährden. Nach der Bürokratietheorie haben Angehörige einer Institution unter anderem auch ein Interesse daran, sich die eigene Arbeit so angenehm wie möglich zu gestalten.2 Die Nutzeneinbuße, die aus einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Ärmsten entstünde, wäre für jeden einzelnen Mitarbeiter des Fis erheblich, da der unterschiedliche kulturelle Hintergrund, die mangelnde Infrastrukturverfügbarkeit und sprachliche Barrieren die Kommunikation erschweren.3 Ein Interesse der Fis-Mitarbeiter an erfolgreicher Armutsbekämpfung könnte aus einer Interdependenz ihrer Nutzenfunktionen mit denen der Armen resultieren. Es ist jedoch fraglich, ob diese mögliche Nutzeninterdependenz mit einer Personengruppe, die sich aufgrund ihres sozialen und kulturellen Hintergrunds stark von den Mitarbeitern des Fis unterscheidet, ausreicht, um die erheblichen Unannehmlichkeiten, die eine Kontaktaufnahme mit den Armen hervorruft, zu kompensieren. Es ist daher nicht zu erwarten, daß diese Mitarbeiter ein starkes eigenes Interesse an der 1
Zwar erscheint die Zielvorgabe des Dekrets 22.542 recht konkret: Als Ziel des Fis wurde bestimmt, daß er die Gesundheits- und Bildungsindikatoren der Bevölkerungsgruppen mit den niedrigsten Einkünften verbessern solle. Die Ungenauigkeit ergibt sich daraus, daß in Bolivien keine verläßliche Einkommensstatistik existiert und daher der Zielindikator "Einkommen" für die praktische Umsetzung bedeutungslos ist.
2
Vgl. Dunleavy (1991): S. 175; Niskanen (1979): S. 359; Downs (1966): S. 79 f. Die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der unzureichenden Ausstattung Boliviens mit Infrastruktur resultieren, werden daran deutlich, daß der Fis seinen Mitarbeitern für Projektbesuche in entlegenen Regionen Zelte zur Verfügung stellt. Außerdem dürfen entlegene Regionen nur im Konvoi besucht werden, um den Ausfall eines Fahrzeugs kompensieren zu können. Unter diesen Bedingungen bedeuten Projektbesuche in entlegenen Regionen ertiebliche Belastungen für die Mitarbeiter des Fis.
3
233
Bekämpfung der Armut hegen, zumal sie selbst nicht zur Gruppe der Armen zählen.1 Die Fis-Mitarbeiter werden demnach versuchen, ihre Pflichten zu erfüllen und dabei den nötigen Arbeitsaufwand zu minimieren, indem sie möglichst Projekte in relativ leicht zugänglichen Regionen mit guter Infrastrukturausstattung durchführen. Da die Prinzipale die Tätigkeit des Fis nur unvollständig beobachten können, ist ihnen auch dessen Strategie bezüglich der Armutsbekämpfung nicht bis in das letzte Detail bekannt. Die Regierung kann sich nicht sicher sein, daß der Fis dem Regierungsverständnis von Armutsbekämpfung folgt.2 Zum einen ist denkbar, daß die Mitarbeiter des Fis mit einer anderen Partei sympathisieren und daher kein Interesse an der Wiederwahl der Regierung haben. Zum anderen könnte die Strategie des Fis auch darin bestehen, dem Zielverständnis der ausländischen Prinzipale höhere Priorität einzuräumen, weil diese einen höheren Beitrag zur Finanzierung leisten und die Fis-Mitarbeiter durch eine Konzentration auf das Zielverständnis der Geberorganisationen die finanzielle Stabilität der Organisation sicherstellen können. In diesen Fällen könnten die Fis-Mittel aus Sicht der Regierung im Sinne der Steigerung der Wahlchancen ertragbringender eingesetzt werden. Für die externen Geberorganisationen hingegen besteht aufgrund der Interessendivergenzen mit der Regierung Unsicherheit darüber, ob der Fis oder die bolivianische Regierung versteckte Handlungen vornehmen, die nicht optimal im Sinne der Armutsbekämpfung sind. Beide Prinzipale werden daher versuchen, die Informationsasymmetrie zwischen sich und dem Fis zu begrenzen. Anhand bürokratietheoretischer Überlegungen lassen sich dafür geeignete Strategien entwickeln. Die Bürokratietheorie geht davon aus, daß zumindest einige Mitarbeiter eines Büros über einen diskretionären Spielraum verfügen, den sie für die Verfolgung eigener Interessen nutzen. Es herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, wer über diskretionäre Entscheidungsspielräume verfügt, wie diese genutzt werden und welche Folgen daraus für die Strategie des Büros resultieren.
WEBER
unterstellt in seiner Theorie der
rationalen Bürokratie, daß allein der Büroleiter über einen diskretionären Entscheidungsspielraum verfügt, daß er allein die Strategie des Büros bestimmt und daß er seinen Entscheidungsspielraum ausschließlich in einem übergeordneten Interesse (dem seines Prinzipals) nutzt.3 1
2
3
4
DOWNS
teilt zwar die ersten beiden Annahmen;4 er
Die Mitarbeiter des Fis sind die im Durchschnitt bestbezahlten Bediensteten des öffentlichen Sektors in Bolivien. Vgl. Abschnitt 5.3.2.2. Zudem wird die Dienstaufsicht der Regierung dadurch erschwert, daß der Fis im Laufe seiner Existenz zunächst dem Vizepräsidialamt, dann dem Ministerio de Desarrollo Humano und danach wieder dem Vizepräsidialamt zugeordnet wurde. Für die Tätigkeit des Fis hatten diese Wechsel jedoch keine spürbaren Folgen. Cadima (1997): persönliches Interview. Vgl. Weber, Max (1946): S. 199f. Aufgrund der hierarchischen internen Struktur des Büros ist die Zielfunktion des Büroleiters bestimmend für die Zielfunktion des Büros. Vgl. Downs (1966): S. 49.
234
unterstellt jedoch dem Büroleiter, daß er sich in seinen Handlungen von eigenen Interessen leiten läßt, die von denen des Prinzipals abweichen können.1 Demgegenüber nehmen
DUNLEAVY
und
NISKANEN
an, daß alle Mitarbeiter eines Büros über einen
Spielraum verfügen und auch alle Mitarbeiter - allerdings in unterschiedlicher Intensität - auf die Strategie des Büros Einfluß nehmen können. Auch hier kommen der Büroleitung allerdings die größten Einflußmöglichkeiten zu, die diese zur Verfolgung individueller oder kollektiver Strategien nutzt.2 Somit ist die Büroleitung für externe Prinzipale diejenige Personengruppe innerhalb eines Büros, deren Beeinflussung den höchsten Ertrag im Hinblick auf die Durchsetzung einer bestimmten Strategie verspricht. Aus dieser Erkenntnis kann eine optimale Strategie der Prinzipale zur Reduzierung der aus ihrem Informationsdefizit resultierenden Risiken deduziert werden: Da die internen Entscheidungsprozesse nicht vollständig überwacht werden können, besteht die optimale Strategie der Prinzipale darin, die Büroleitung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Dies kann durch ein besonderes Vertragssystem geschehen, durch das entweder der Entscheidungsspielraum der Büroleitung begrenzt wird oder besondere Anreize für die Büroleitung gesetzt werden, die mit den Interessen der Prinzipale kompatibel sind. Eine Möglichkeit zur wirksamen Begrenzung des Entscheidungsspielraums des Agenten ist dessen vertikale Integration durch den Prinzipal.3 Diese Strategie besteht darin, den Agenten in die Organisation des Prinzipals einzubinden. Diese Strategie verfolgte offenbar die bolivianische Regierung. Sie sicherte sich umfangreiche Mitwirkungsrechte bezüglich des Fis, indem dieser in mehrfacher Weise in die Regierung integriert wurde: Erstens behielt sich der Staatspräsident zunächst das alleinige Berufungsrecht für das Amt des Exekutivdirektors vor.4 Zweitens erhielt der Exekutivdirektor den Rang eines Kabinettsmitglieds5 und drittens wurde der Nationale Rat für Sozialpolitik
(CONAPSO)
ins Leben gerufen, mit dem alle Vorhaben des
Fis abzustimmen waren. Viertens wurde ein Verwaltungsrat einberufen, dessen Zusammensetzung von der Regierung bestimmt wurde.6 Fünftens gibt es Anzeichen
1
2 3
'
Er unterscheidet individuelle und kollektive Zielsetzungen. Der Büroleiter wird zumeist individuelle Ziele verfolgen und diese auf das gesamte Büro übertragen. Vgl. Downs (1966): S. 85 ff. Vgl. Dunleavy (1991): S. 178; Niskanen (1979): S. 360. Vgl. Williamson (1990): S. 96ff. Dieses Recht wurde 1993 insofern abgeschwächt, als der Kongreß nunmehr ein Bestätigungsrecht besitzt. Vgl. Abschnitt 5.3.2.1.
5
Diese M a ß n a h m e ist für den Exekutivdirektor gleichzeitig ein Anreiz dafür, durch seine Tätigkeit die Wiederwahlchancen der Regierung zu steigern.
6
Dieser Verwaltungsrat wurde mittlerweile zu einem Beirat mit ausschließlich beratender Funktion umgewandelt. Vgl. Abschnitt 5.3.2.1.
235
dafür, daß diese an sich schon engen formellen Beziehungen zwischen der Staatsführung und dem Fis durch informelle Beziehungen noch verstärkt wurden. 1 Eine vertikale Integration des Fis durch die Geberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit hingegen war im Untersuchungszeitraum nicht nachweisbar. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß eine vollständige formelle vertikale Integration einer Empfängerinstitution durch die Geberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit rechtlich nicht möglich ist; aber auch Spielräume für eine informelle Integration wurden mitunter nicht ausgenutzt. Die Geberorganisationen vertrauten demgegenüber im Untersuchungszeitraum ausschließlich auf externe Mitwirkungsrechte: Zunächt wurde die Regierung bei der Gründung des Fis beraten. Nach der Gründung bestand die Mitwirkung der Geberorganisationen darin, durch regelmäßige Besuche von Mitarbeitern vor Ort den Stand des Projekts zu kontrollieren. Bei diesen Projektfortschrittskontrollen wurde die Wirksamkeit der Projekte anhand der Dokumente des Fis und anhand von Interviews analysiert. Außerdem wurde festgelegt, daß die Rechnungslegung des Fis einmal jährlich durch eine externe Wirtschaftprüfungsgesellschaft zu überprüfen sei.2 Eine weitere wichtige Informationsquelle der Geberorganisationen waren die Mitarbeiter ihrer jeweiligen örtlichen Niederlassung. Allerdings unterhalten nicht alle Geberorganisationen lokale Dependancen.3 Mit dieser Strategie der externen Mitwirkung konnten die ausländischen Geber ihr Informationsdefizit und die daraus resultierenden Risiken für die Mittelverwendung durch den Fis und die Regierung nur teilweise verringern. Die nationalen Entscheidungsspielräume konnten durch diese Mechanismen offenbar nicht wirkungsvoll begrenzt werden. Im Gegensatz zur Regierungsstrategie war die Strategie der ausländischen Geber somit im Ergebnis suboptimal. Die Ergebnisse der Untersuchung des targeting der Ausgaben in Abschnitt 4.5.3 sind demzufolge so zu interpretieren, daß die Regierung ihre im Vergleich mit den Geberorganisationen größeren Einflußmöglichkeiten im eigenen Interesse nutzte und den Fis dahingehend beeinflußte, die Wiederwahlchancen der Regierung zu verbessern. Das Anliegen der Geberorganisationen, durch den Fis eine wirksame Armutsbekämpfung zu finanzieren, trat demgegenüber in den Hintergrund. 1
Dies zeigt sich an der Tatsache, daß zwei der Exekutivdirektoren in verwandschaftlicher Beziehung zu wichtigen Entscheidungsträgern der jeweiligen Regierung standen. Bei der Gründung des Fis war Luis Alberto Valle Ureña Exekutivdirektor. Er ist ein Schwiegersohn von Hugo Bánzer, der grauen Eminenz der damaligen Koalitionsregierung von Ap und MIR unter Präsident P a z Zamora. Nach mehrmaligem Wechsel in der Besetzung dieses Amtes wurde 1996 Mauricio Balcazar, der Schwiegersohn des damaligen Staatspräsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada, z u m Exekutivdirektor des Fis berufen. Wipplinger (1996): persönliches Interview.
2
Mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe wurde Price Waterhouse beauftragt. Vgl. Presidencia de la República (1993): Anexo.
3
Während die Weltbank und die GTZ in La Paz lokale Büros betreiben, entsendet beispielsweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau nur in wenige Länder eigene Mitarbeiter; darunter fällt Bolivien bisher nicht. Hartmann (1997): persönliches Interview.
236
5.3.2. Die internen Anreiz- und Kontrollstrukturen des Fis 5.3.2.1. Verteilung der Entscheidungskompetenzen Als interne Anreiz- und Kontrollstrukturen werden im folgenden alle Mechanismen aufgefaßt, mit denen sichergestellt werden soll, daß sich die Mitarbeiter dem Organisationsziel entsprechend verhalten. Darunter fallen die Organisationsstruktur, die Anreizsysteme und die internen Mechanismen zur Kontrolle des Arbeitsfortschritts.1 Die Gesamtheit dieser Strukturen ist in Abbildung 5.1 mit der Nummer (6) bezeichnet. Die Organisationsstruktur ist der Ausdruck der internen Kompetenzverteilung und gibt insofern Aufschluß über den formalisierten internen Informationsfluß. Sie wurde in ihren Grundzügen 1990 per Dekret 22.407 festgelegt und seitdem mehrfach reformiert. Organisatorisch ist der interne Entscheidungsprozeß des Fis in drei Rangstufen gegliedert; dies sind das Direktorium, die Exekutivdirektion und die Abteilungen. Die Organisationsstruktur des Fis im Jahre 1994 geht aus Abbildung 5.2 hervor. Das höchste operative Gremium des Fis ist das Direktorium. Dieses Gremium ist für die Koordination der Arbeit, d.h. für die Organisation der Prüfung von Projektanträgen und Überwachung der laufenden Projekte sowie für die Beaufsichtigung der Verwaltung verantwortlich. Zu seinem Aufgabenbereich gehört darüber hinaus die Genehmigung jedes einzelnen Projektantrages. Das Direktorium setzt sich zusammen aus dem Exekutivdirektor und den Direktoren der vier Abteilungen; zeitweilig gehörte dem Direktorium auch ein Assistent des Exekutivdirektors an. Die Berufung der Direktoren obliegt dem Minister für Soziale Entwicklung. Mit diesen Ämtern werden vorrangig Personen betraut, die bereits über Managementerfahrungen in privaten Unternehmen verfügen.2
'
2
A u ß e r d e m existieren organisationsexterne Handlungsnormen - beispielsweise Gesetze, Rechtsprechung sowie Machtkonstellationen zwischen d e m Fis und seinen Mitarbeitern -, deren Untersuchung jedoch den R a h m e n der vorliegenden Untersuchung übersteigen würde. Vgl. Inter-American Development Bank (1995): S. 26.
237
Abbildung 5.2 Organigramm des Fondo de Inversión Social 1994 Direktorium
Exekutivdirektion Rechtsabteilung
Beirat
Interne Revision
DIREKTION VERWALTUNG UND FINANZEN
Institutionelle Planung
Aquisition Finanzmittel
Auszahlungen
Projektprüfung
Kommunikation und Evaluation Region 1
Projektverfolgung Region 1
Organisation und Methoden Personal
Kommunikation und Evaluation Region 2 Kommunikation und Evaluation Region 3
Projektverfolgung Region 2 Projektverfolgung Region 3
Buchführung Finanzbuchhaltung Finanzplanung und -kontrolle Güter und Dienstleistungen
Forschung und Entwicklung
Quelle: República de Bolivia (1994).
Das Direktorium wird durch den Exekutivdirektor geleitet. Er wird dabei von den vier ständigen Mitarbeitern der Exekutivdirektion unterstützt, die nicht dem Direktorium angehören. Zu seinen Aufgaben zählen die Leitung der Organisation und die Vertretung des Fis nach außen, d.h. gegenüber der Regierung, den externen Gebern und der Öffentlichkeit. In der Organisation ist der Exekutivdirektor verantwortlich für die Umsetzung der Zielvorgaben und daher dessen wichtigste operative
238
Instanz. Das Außenverhältnis des Fis ist dadurch bestimmt, daß der Exekutivdirektor durch den Präsidenten der Republik Bolivien für eine fünfjährige Amtszeit vorgeschlagen und durch den Kongreß bestätigt wird.1 Der jeweilige Amtsinhaber ist Kabinettsmitglied. Bis 1993 hatte der Exekutivdirektor des Fis den Range eines Staatsministers inne.2 Seitdem ist er Unterstaatssekretär
im Ministerium für
Soziale
Entwicklung. Das Direktorium wird von einem Beirat unterstützt. Er nimmt Einfluß auf die Zielformulierung des Fis und setzt sich aus Vertretern der für die Arbeit des Fis wichtigen Ministerien, also aus Regierungsvertretern, zusammen. Bis 1993 fungierte der Beirat als Verwaltungsrat des Fis.3 Seither verlor das Gremium erheblich an Einfluß. Neben dem Beirat sind der Exekutivdirektion drei weitere Stabsabteilungen direkt zugeordnet. Während die Rechtsabteilung ausschließlich beratende Funktion hat, sind die Interne Revision und die Koordination der Planung wichtige Instrumente des Exekutivdirektors für die Überwachung der Organisation: die Interne Revision ist für die wirtschaftliche Kontrolle zuständig und die EDV verwaltet die Datenbank, die alle relevanten Daten über die Projekttätigkeit - Projektfortschritt, Auszahlungsstand, anstehende Prüfungen etc. - enthält. Die ausführende Ebene des Fis ist in vier Direktionen gegliedert. Diese Linienabteilungen befinden sich in einer Rolle, die dem eines Agenten vergleichbar ist: die Entscheidungen über Ziele und Instrumente des Fonds werden im Direktorium getroffen, die Exekutivdirektion quantifiziert diese Vorgaben, zergliedert sie in Teilvorgaben und beauftragt die Direktionen mit der Umsetzung. Von besonderer Bedeutung für die Projekttätigkeit sind die Direktionen Organisation, Kommunikation und Evaluation und Operative Tätigkeit. Für die langfristige Verfolgung des Zieles "Armutsbekämpfung" ist die Direktion Organisation von Interesse, weil deren Unterabteilungen ständig Ex-post-Evaluierungen abgeschlossener Projekte durchführen und auf der Basis dieser Evaluierungen neue Instrumente und Methoden entwickeln. Die Direktion Kommunikation und Evaluation ist für die 1
Bis 1993 hatte der Staatspräsident das alleinige Recht, den Exekutivdirektor des Fis wie jedes andere Kabinettsmitglied zu berufen. Vgl. Inter-American Development Bank (1995): S. 2 6 .
2
Vgl. Decreto Supremo 22.542, Art. 5.
3
Diese organisatorische Besonderheit geht zurück auf den FSE, für den, wie in Abschnitt 3.4.2.4 dargestellt, ebenfalls ein Verwaltungsrat berufen wurde. Bei der Gründung des Fis wurde diese Regel übernommen. Der Verwaltungsrat fungierte bis 1993 als wichtigste strategische Instanz des Fis und war vor allem für die Formulierung der Ziele des Fis zuständig. A u ß e r d e m mußte jeder einzelne Projektantrag, der an den Fis herangetragen wurde und die Prüfungsinstanzen passiert hat, d e m Verwaltungsrat zur Genehmigung vorgelegt werden. In Decreto Supremo 22.542, Art. 4 w a r vorgeschrieben, d a ß er wenigstens einmal wöchentlich zu tagen habe. Analog z u m FSE gehörten d e m G r e m i u m fünf Mitglieder an: der Exekutivdirektor des Fis, drei durch den Staatspräsidenten zu berufende Mitglieder sowie der für Sozialpolitik zuständige Unterstaatssekretär des Planungsministeriums (Vgl. Decreto Supremo 22.407, Art. 72). In Decreto Supremo 22.542, Art. 1 wurde bestimmt, daß der jeweilige Staatspräsident den Verwaltungsratsvorsitz qua Amt zu übernehmen habe.
239
Identifizierung geeigneter Projekte und Projektträger zuständig. Darunter fällt die Durchführung der Promotions- und der fargef/ng-Strategie zur Kontaktaufnahme und -pflege mit potentiellen Antragstellern des Fis. Im Verantwortungsbereich der Direktion Operative Tätigkeit liegt die Abwicklung der Projekte. Die beiden letztgenannten Abteilungen sind, wie aus Abbildung 5.2 zu ersehen, regional gegliedert. Bemerkenswert an der Direktionsebene ist deren Aufgliederung; sie wandelte sich im Laufe der Existenz des Fis von einer eher funktional zu einer regional orientierten Struktur: Bei der Gründung des Fis wurden sieben Abteilungen eingerichtet, die sich weitgehend nach ihren Funktionen unterschieden.1 Während das Dekret die organisatorische Gestaltung der Zentrale des Fis detailliert regelte, wurde dem Unterbau in den departamentos nur geringe Beachtung geschenkt.2 Organisatorisch waren die Regionalbüros der Abteilung Projektbetreuung zugeordnet. Vom Blickwinkel der Armutsbekämpfung her weist die Organisationsstruktur einige Stärken, aber auch erhebliche Schwächen auf. Im Hinblick auf diese Stärken und Schwächen der Organisationsstruktur sind im folgenden die Verteilung der Kompetenzen, die Regionalisierung der operativen Tätigkeiten, der Instanzenweg, die Besetzungsregeln für Direktorium und Beirat sowie Mitwirkungsrechte der Zielgruppen zu diskutieren. Aus der Organisationsstruktur des Fis ist eine klare Verteilung der Kompetenzen auf die einzelnen Gremien sichtbar. Dies ist eine Voraussetzung dafür, auch den einzelnen Stellen bzw. Stelleninhabern Aufgaben zuweisen zu können. Eine klare Kompetenzverteilung trägt daher zur Spezialisierung der Mitarbeiter bei und steigert die Möglichkeiten zur Kontrolle des Arbeitserfolgs. Allerdings ist die Regelung, daß das Direktorium auch die höchste Instanz bezüglich der Prüfung der Projektanträge darstellt, kritisch zu beurteilen. Damit wird der Grundsatz durchbrochen, daß die Mitglieder des Direktoriums ausschließlich für die Organisation und Überwachung des Leistungsprozesses des Fonds zuständig sind, also strategisch-dispositive Aufgaben wahrnehmen. Die Prüfung der Projektanträge ist demgegenüber eine operative Aufgabe. Wenn das Direktorium mit dieser Aufgabe betraut wird, bedeutet das, daß sich diese leitenden Mitarbeiter weniger intensiv mit strategisch-dispositiven Fragen beschäftigen
' 2
und
somit
weniger
stark
spezialisieren
können.
Mit
dieser
Per Dekret 22.407 wurden zwei Fachabteilungen (Gesundheit und Bildung) sowie fünf Stabsabteilungen (Projektbetreuung, Verwaltung und Finanzen, Organisationsentwicklung, Mitteleinwerbung sowie Auszahlungen und Verträge) eingerichtet. Vgl. Decreto Supremo 22.407, Art. 72. Der Fis übernahm die acht Regionalbüros, die durch den FSE in den einzelnen departamentos eingerichtet worden waren. Diese Regionalbüros hatten ausschließlich die Aufgabe, durch Kontaktpflege neue Antragsteller für Projekte zu gewinnen und laufende Projekte in der Region zu betreuen. Vgl. World Bank (1993a): S. 6.
240
Kompetenzverteilung geht also eine Steigerung der Organisationskosten einher, die aus organisatorischer Sicht nicht gerechtfertigt ist. Grundsätzlich ist fraglich, ob das Direktorium eine angemessene Prüfung des Projektantrages leisten kann. Dagegen spricht, daß jeder Projektantrag eine Vielzahl spezifischer Informationen enthält. Eine angemessene Prüfung dieser Informationen durch das Direktorium würde das Zeitbudget der Direktoren mit Sicherheit übersteigen. Wenn aber eine eingehende Prüfung nicht möglich ist, erhält die Endprüfung den Charakter einer reinen Formalität und ist für die Tätigkeit des Fonds weitgehend überflüssig. Außerdem steht die für die Projektprüfung aufgewendete Zeit nicht mehr für die Lösung strategischer Aufgaben zur Verfügung; die Regelung verursacht somit möglicherweise Opportunitätskosten in beträchtlicher Höhe. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die gewählte Kompetenzverteilung kritisch zu hinterfragen. Die Regionalisierung der operativen Tätigkeiten, die sich in der Aufgliederung der Direktionen Kommunikation und Evaluation sowie Operative Tätigkeit zeigt, ist aus der Sicht der Armutsbekämpfung positiv zu bewerten. Während sich die ursprüngliche, funktionale Gliederung der Abteilungen an dem internen Arbeitsablauf der Organisation orientierte, steht bei der dargestellten Regionalgliederung die Projekttätigkeit stärker im Vordergrund: Projekte werden nunmehr nach dem Abschluß des internen Genehmigungsprozesses über ihre gesamte Laufzeit von derselben Mitarbeitergruppe betreut. Dabei lernt jeder Mitarbeiter die von ihm betreuten Projekte besser kennen und kann eine spezifischere Betreuung leisten. Durch die Einrichtung einer eigenen Unterabteilung für jede Region erhalten zudem die Mitarbeiter der Regionalbüros einen direkteren Einfluß auf die für ihre Region relevanten Entscheidungen innerhalb des Fis. Damit geht insgesamt eine Aufwertung der dezentralen Projekttätigkeit gegenüber der zentralen Verwaltung des Fonds einher. Der interne Entscheidungsprozeß des Fis weist einen relativ kurzen Instanzenweg auf. Das zeigt sich daran, daß alle Entscheidungen letztlich durch das Direktorium getroffen werden, während die Aufgaben der übrigen Gremien darin bestehen, die Entscheidungen des Direktoriums vorzubereiten oder auszuführen: Die Entscheidungsvorbereitung ist Aufgabe der Stabsabteilungen, ihre Umsetzung liegt in den Händen der Direktionen. Dadurch ist die Organisation sehr flexibel und kann Vorgaben ihrer Prinzipale rasch umsetzen. Allerdings offenbart sich hier ein Kontrollproblem für die Prinzipale: Weder die Regierung noch die internationalen Geber können die Tätigkeit dieses Gremiums vollständig beobachten. Dabei verfügt das Direktorium - und hier in besonderer Weise der Exekutivdirektor - über einen erheblichen Entscheidungsspielraum.
Diesen Spielraum versuchten die Prinzipale, wie im
241
vorangegangenen Abschnitt 5.3.1 dargestellt, durch besondere externe Überwachungsmechanismen einzuengen. Aus der Sicht der Armutsbekämpfung sind die dargestellten Regeln zur Berufung der internen Gremien kritisch zu beurteilen. Die Entscheidungen des Direktoriums werden letztlich durch zwei Interessengruppen bestimmt: Diese sind erstens die bolivianische Regierung und zweitens die zu Direktoren berufenen ehemaligen leitenden Mitarbeiter privater Unternehmen. Dadurch, daß die Regierung das Recht zur Berufung der Direktoriumsmitglieder hat, fließt das Regierungsinteresse der Maximierung der Wiederwahlchancen indirekt in die Tätigkeit des Fis ein. Die Positionen werden i.d.R. mit Personen besetzt, die bereits in privaten Unternehmen Managementerfahrungen gesammelt haben. Das Motiv für diese Auswahl besteht offenbar darin, daß den ausländischen Gebern signalisiert werden soll, daß die Positionen im Fonds nicht als Einkommensquelle für verdiente Parteifreunde vergeben werden. Hier wirkt die Option der Geber, die finanziellen Zuwendungen an den Fis zu stoppen, wie eine Drohung der Geber gegenüber der Regierung. Diese Drohung veranlaßt die Regierung zwar nicht unbedingt dazu, die am besten geeigneten Bewerber zu berufen, es werden jedoch immerhin nur solche Personen für Direktoriumspositionen ausgewählt, die über eine Mindestqualifikation verfügen. Dadurch wird der Regierungseinfluß auf den Fis zumindest teilweise beschränkt. Wenn die Positionen besetzt sind, ist zu erwarten, daß die Entscheidungen der Unternehmer-Direktoren des Fis bis zu einem gewissen Maße von deren Erfahrungen in privatwirtschaftlichen Betrieben geleitet werden. Dies kann sich darin äußern, daß entweder Großprojekte favorisiert werden, weil dann economies of scale nutzbar werden,1 oder daß die Kosten jedes einzelnen Projekts gesenkt werden, um bei gegebenem Mittelvolumen des Fis eine größere Zahl von Projekten durchführen zu können. Während die erste Strategie dazu führen kann, daß noch weniger Projekte in dünn besiedelten Regionen durchgeführt werden - und sich damit die Zugangsmöglichkeiten für die Armen weiter verschlechtern - kann das Resultat der zweiten Strategie darin bestehen, daß Qualitätsstandards reduziert werden und aus den Projekten ein nur geringer Nutzen für die Armen erwächst. Mit der Einrichtung des Beirates bzw. ursprünglich des Verwaltungsrates verband die Regierung das Interesse, Einblick in die internen Abläufe zu erhalten und diese zu beeinflussen. Die Aufgaben des Verwaltungsrates waren denen des Aufsichtsrats 1
Dies zeigt auch die Tatsache, daß von Seiten der Weltbank zeitweise kritisiert wurde, d a ß die Projekte zu groß und zu kompliziert angelegt seien und daher unter anderem die Verwaltungskapazität nicht-staatlicher Antragsteller übersteigen würden. Faguet (1993): persönliches Interview.
242
von Kapitalgesellschaften vergleichbar. Die wichtigsten Funktionen sind die Trennung der strategischen von der operativen Leitung und die Verbesserung der internen Kontrolle. Eine derartige Aufgabentrennung ist gegenüber der streng hierarchischen Entscheidungsfindung in einer Linienbürokratie von Vorteil, weil sie eine stärkere Spezialisierung der leitenden Mitarbeiter und dadurch Effizienzgewinne für die Organisation erlaubt. Durch die Änderung der internen Entscheidungsprozesse, die daraus resultierte, daß der Verwaltungsrat mit Entscheidungsbefugnissen zugunsten eines ausschließlich beratenden Beirats abgeschafft wurde, wurde die Trennung der operativen von den strategischen Aufgaben gemildert. Insofern, als dadurch die Spezialisierungsmöglichkeiten der Mitarbeiter eingeschränkt wurden, war mit dieser Reorganisation ein Effizienzverlust verbunden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Verwaltungsrat - wie die Regeln zu seiner Besetzung zeigen - in erster Linie für die Wahrung der Interessen der Regierung zuständig war, ist die Reduzierung seiner Mitwirkungsrechte jedoch unter dem Gesichtspunkt der Armutsbekämpfung eher positiv zu werten. Die Veränderung der Mitwirkungsrechte des Beirats sind ein Ausdruck dafür, daß der Einfluß der Regierung auf die internen Entscheidungsprozesse zurückgegangen ist. Wie oben gezeigt wurde, haben Regierungsvertreter kein vordringliches Eigeninteresse an der Bekämpfung der Armut. Wenn aber dadurch die Interessen der ausländischen Geber ein relativ größeres Gewicht in der Entscheidungsfindung erhalten, ist von der Beschränkung der Zuständigkeiten eines überwiegend mit Regierungsvertretern besetzten Gremiums auf eine rein beratende Tätigkeit eine Steigerung der Armutswirksamkeit des Fonds zu erwarten. Bezüglich der Mitwirkungsrechte der Zielgruppen zeigt die Organisationsstruktur ein aus der Sicht der Armutsbekämpfung gewichtiges Manko des Fis: Die Strategie der Organisation wird nach wie vor in entscheidender Weise - trotz des gesunkenen Einflusses - von der Regierung bestimmt. Unter Umständen übt auch die Privatwirtschaft durch die Berufung der Direktoren einen Einfluß auf die Strategie aus. Bei beiden Gruppen ist wenig wahrscheinlich, daß sie ein eigenes Interesse an Maßnahmen zur Armutsbekämpfung haben. Im Gegensatz dazu verfügen die Zielgruppen über keinerlei Partizipationsrechte auf der Organisationsebene. Die Interessen der Zielgruppe finden somit keinen Niederschlag in der internen Organisation des Fis.
243
5.3.2.2. Interne Anreizsysteme und Kontrollverfahren Charakteristikum eines Büros ist, daß seine Tätigkeit nicht auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet ist. Außerdem kann sich üblicherweise kein Mitarbeiter eine etwa entstehende Differenz aus Einnahmen und Kosten als persönliches Eigentum aneignen.1 Diese Eigenart von Büros hat Auswirkungen auf das interne Anreizsystem. Da kein genuin pekuniärer Erfolgsmaßstab existiert, mit dem das Anreizsystem verknüpft werden könnte, ist die Formulierung kontingenter Arbeitsverträge2 nicht möglich. Aus diesem Grund beinhalten Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst nahezu ausschließlich leistungsunabhängige Entgeltanreize.3 Außerdem kommen in staatlichen Einrichtungen besondere Anreizmechanismen zur Anwendung." Arbeitgeber im öffentlichen Dienst vertrauen üblicherweise darauf, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes über intrinsische Motivation verfügen, die sie zur Verfolgung der Ziele ihrer Prinzipale bewegt. Ein relativ hohes Festgehalt ist dann ein ausreichender monetärer Leistungsanreiz für eine Tätigkeit im Sinne des Prinzipals. Der wichtigste monetäre Anreiz für die Mitarbeiter des Fis ist ein für bolivianische Verhältnisse hohes Festgehalt. Obwohl der Fis eine staatliche Einrichtung ist, sind seine Mitarbeiter von den normalen Besoldungsvorschriften des öffentlichen Dienstes ausgenommen.5 Sie sind die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Bolivien mit dem höchsten durchschnittlichen Monatsgehalt: Im Jahre 1994 belief sich das durchschnittliche Monatseinkommen der Fis-Mitarbeiter auf Bs. 4.608 (US$ 997).6 Demgegenüber wurden beispielsweise Lehrer 1994 mit durchschnittlich Bs. 616 (US$ 133) pro Monat entlohnt.7 1 2
3
4
5
6
7
Vgl. Niskanen (1979): S. 350. Kontingenz bedeutet die Aufteilung des Gewinns zwischen Prinzipal und Agent. In gewinnorientierten Unternehmen geschieht dies durch die Einbeziehung erfolgsabhängiger Lohnbestandteile in den Arbeitsvertrag des Agenten. Ein derartiger Vertrag wird als "kontingent" bezeichnet. Vgl. Steinberg (1986): S. 1. Die Probleme einer derartigen leistungsunabhängigen Entlohnung faßt LOHMAR folgendermaßen zusammen: "Die öffentlichen Verwaltungen haben weder ein leistungsbezogenes Prämiensystem [...] noch ein wirksames Sanktionssystem bei Leistungsunfähigkeit entwickelt. Das geltende Rechtsund Besoldungssystem ermuntert zum Überwintern." Lohmar (1978): S. 78. Offenbar ist bspw. eine hervorragende soziale Absicherung ein zusätzlicher Anreiz für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Dies äußert sich darin, daß viele lateinamerikanische Staaten für einflußreiche Gruppen besonders weitreichende Systeme zur sozialen Sicherung einrichteten. Vgl. Mesa-Lago (1978): 14 f. sowie 264 ff. Diese Ausnahmeregelung geht zurück auf den FSE. Zur Begründung für diese Regelung wurde angeführt, daß die für eine Tätigkeit beim FSE notwendigen Fachkenntnisse eine an internationalen Maßstäben angelehnte Entlohnung erforderten. Mittlerweile sind auch andere Entwicklungsfonds und auch einige öffentliche Unternehmen von den Besoldungsvorschriften des öffentlichen Dienstes befreit. Berechnet auf Basis des durchschnittlichen Wechselkurses von 1994 (4,6205 Bs./US$). Vgl. International Monetary Fund (1996): S. 93. Gehälter in ähnlicher Höhe ertiielten nur die Mitarbeiter der öffentlichen Unternehmen ENDE, deren Durchschnittseinkommen sich auf Bs. 4.150 belief, und YPFB (Durchschnittseinkommen Bs. 3.090). Demgegenüber verdienten Angestellte der Eisenbahngesellschaft ENFE durchschnittlich Bs. 854 im Monat. Vgl. o.V. (1994c) sowie o.V. (1994d). Allerdings besitzt dieser Vergleich nur eingeschränkte
244
Bezüglich der Anreizwirkung besitzt der betrachtete Indikator "durchschnittliches Monatsgehalt" allerdings nur eine beschränkte Aussagekraft, da die Struktur der Beschäftigten zwischen den öffentlichen Organisationen je nach deren Aufgabe stark variiert. Daher muß auch ein Blick auf die Anreizstruktur innerhalb des Fis geworfen werden. Das Gehaltsgefüge des Fis, d.h. Entlohnungsstufen und Einstufungskriterien für das Personal, wird von der bolivianischen Regierung in Zusammenarbeit mit den Geldgebern festgelegt.1 Die Prinzipale des Fis teilen sich auch die Entlohnungsverantwortung: Während das qualifizierte Personal vorrangig aus Zuwendungen der Weltbank entlohnt wird, liegt die Lohnverantwortung für den Großteil der niedriger eingruppierten Mitarbeiter bei der Regierung.2 Für eine differenzierte Analyse des Anreizystems muß zwischen vier Gruppen von Mitarbeitern unterschieden werden: dem Exekutivdirektor, dem Direktorium, dem mittleren Management und dem Verwaltungs- und Servicepersonal. Unter dem Begriff Verwaltungs- und Servicepersonal sind alle Mitarbeiter zusammengefaßt, die ausschließlich mit ausführenden Tätigkeiten betraut sind. Wie bereits dargestellt, ist das Amt des Exekutivdirektors eine politische Position: seine Stellung beinhaltet Repräsentationspflichten für den Fis. Zudem ist er Kabinettsmitglied und bildet in dieser Funktion eine Ausnahme bezüglich der Entlohnung, da er als einer der wenigen qualifizierten Mitarbeiter des Fis aus bolivianischen Mitteln entlohnt wird.3 Für ihn gelten besondere Incentives. Er zählt gehaltsmäßig zu den Spitzenbeamten des Landes. Neben seinem Gehalt sind auch Nebenabreden, so z.B. die Benutzung des Dienstfahrzeugs für Privatzwecke, Bestandteile seines Arbeitsvertrags. Mit diesen Anreizen sind allerdings auch besondere Pflichten verknüpft: Der Exekutivdirektor hat eine besondere Loyalitätspflicht gegenüber dem bolivianischen Staat und kann durch den Staatspräsidenten jederzeit abberufen werden. Das bedeutet, daß der Exekutivdirektor bei einem Regierungswechsel seine Stellung verlieren kann. Aus diesem Grund hat er qua Amt ein besonderes Eigeninteresse daran, daß diejenige Regierung im Amt bleibt, die ihn berufen hat. Die übrigen Mitglieder des Direktoriums sind als "Consultores" für den Fis tätig und mit unbefristeten Beraterverträgen ausgestattet. Während die Position des Exekutivdirektors ein politisches Amt ist, sind die Abteilungsdirektoren offiziell Angehörige des technischen Stabes." Daß allerdings auch die Vergabe der Direktorenposten in Aussagekraft, da zur Ermittlung dieser Durchschnittsgehälter lediglich die Lohnsumme der jeweiligen Organisation durch die Anzahl der Beschäftigten geteilt wurde. 1
Steurer (1995): persönliches Interview.
2
Vgl. Presidencia de la República (1992): S. 36.
3
Vgl. Presidencia de la República (1992): S. 36.
245
der Realität von politischen Überlegungen beeinflußt wird, läßt sich aus der Bürokratietheorie und aus empirischen Indizien ableiten. Die Abteilungsdirektoren sind als die engsten Mitarbeiter des Exekutivdirektors zu betrachten. Untersucht man diese Beziehung vor dem Hintergrund der Bürokratietheorie, so fällt auf, daß beide Parteien über unterschiedliche Informationen verfügen: Während der Exekutivdirektor im großem Umfang repräsentative Pflichten erfüllt und deshalb über die internen Vorgänge des Fis weniger detailliert informiert ist, verfügen die Direktoren über weitreichende Detailkenntnissse. Diese Informationen sind für den Exekutivdirektor in seiner Eigenschaft als höchste Instanz des Fis von Interesse, er kann sie jedoch nicht "kostenlos" erwerben. Um diese Informationskosten zu reduzieren, wird der Exekutivdirektor in seinem eigenen Interesse bei der Personalauswahl auf die Vertrauenswürdigkeit der Abteilungsdirektoren achten. Aufgrund der engen Verbindung des Exekutivdirektors zur Regierung ist zudem wahrscheinlich, daß in die Personalauswahl auch politische Erwägungen einfließen. Zwei empirische Indizien sprechen dafür, daß die Loyalität zur Regierung bei der Besetzung des Direktoriums berücksichtigt wurde: Erstens wechselte bei jedem Regierungswechsel auch das Direktorium des Fis. Diese Tatsache könnte mit turnusgemäßer Personalfluktuation erklärt werden. Aber zumindest in einem Fall kann nachgewiesen werden, daß ein Direktor anläßlich eines Regierungswechsels einen laufenden Vertrag kündigte.2 Das zweite Indiz besteht darin, daß staatliche Stellen in der Vergangenheit mehrfach die durch Personalberatungsunternehmen vorgenommene Personalauswahl massiv zu beeinflussen versuchten. In diesen Fällen wurde dem mit der Personalauswahl beauftragten Unternehmen deutlich gemacht, daß ein bestimmter Bewerber anderen trotz schlechterer Qualifikation vorzuziehen sei.3 Diese Indizien lassen vermuten, daß auch die Mitglieder des Direktoriums ein eigenes Interesse an der Wiederwahl der Regierung haben. Den genannten Problemen, die möglicherweise aus der Auswahl der Abteilungsdirektoren resultierten - Befürwortung relativ großer Projekte und Vertretung der Regierungsinteressen -, sind die Vorteile dieses Rekrutierungsmechanismus' gegenüberzustellen. Der hohe Anteil an Mitarbeitern mit Erfahrungen aus der Privatwirtschaft sollte für eine Steigerung der Effizienz der Arbeitsabläufe sorgen. Außerdem bestand für die Regierung angesichts der Bedeutung der externen Finanzmittel ein ' Trevifio (1995): persönliches Interview. Dir. Eduardo MacLean verließ den Fis nach der Wahlniederlage Jaime Paz Zamoras 1994. Trevifio (1995): persönliches Interview. 3 Steurer (1994): persönliches Interview. GRAHAM berichtet von massiven parteipolitisch motivierten Interventionen in die Personalpolitik des FSE. Vgl. Graham (1992): 1239.
2
246
Anreiz, den Mittelzufluß durch eine direkte Einflußnahme auf die Personalauswahl nicht zu gefährden. Das Risiko, daß die externen Geldgeber den Mittelzufluß einschränken könnten, wirkte offenbar als Hemmschwelle gegen die Kontrahierung offensichtlich ungeeigneter Bewerber. Wenn auch die interne Effizienz durch die gewählten Regelungen zur Besetzung der Direktorenposten nicht nennenswert beeinträchtigt wurde, sind die Regeln vom Blickwinkel der Armutsbekämpfung aufgrund des geringen
commitments
der
Direktoren lediglich
als zweitbeste
Lösung
anzusehen. Im Gegensatz zu den Mitgliedern des Direktoriums sind die Angehörigen des mittleren Managements mit Zeitverträgen ausgestattet. Die Beschäftigungsverhältnisse lauten in der Regel auf ein Jahr; in Ausnahmefällen werden auch zweijährige Verträge geschlossen. Das monetäre Entgelt dieser Gruppe setzt sich zusammen aus einem vertraglich garantierten Festgehalt und zusätzlichen Tagegeldern, die für Projektbesuche gewährt werden. Die Höhe des Festgehaltes übersteigt die Verdienstmöglichkeiten in anderen Bereichen des öffentlichen Sektors, im privaten Sektor oder bei internationalen Organisationen.1 Auch die Tagessätze, mit denen dienstliche Aufenthalte außerhalb von La Paz abgegolten werden, liegen auf einem selbst für in Bolivien tätige internationale Organisationen außergewöhnlich hohen Niveau.2 Zudem wird versucht, die Strapazen, die Dienstreisen in entlegene Regionen für die Mitarbeiter bedeuten, zu reduzieren. Auch das mittlere Management kommt darüber hinaus in den Genuß von Nebenabreden: Der Fis stellt den Angehörigen des mittleren Managements eine ganze Reihe von Dienstwagen zur Verfügung, die auf Antrag auch für Privatzwecke genutzt werden können.3 Für diese Gruppe von Mitarbeitern stehen außerdem prinzipiell Möglichkeiten zur Personalentwicklung4 offen. Obschon die Möglichkeiten für einen internen Aufstieg im Fis aufgrund der geringen Zahl von Hierarchieebenen beschränkt sind und die Aufstiegschancen als Personalentwicklungsanreiz daher vernachlässigt werden können, wurden Möglichkeiten für eine berufliche Weiterqualifizierung
der
Fis-
Mitarbeiter eingerichtet: Auf Vorschlag ihres unmittelbaren Vorgesetzten können Mitarbeiter bei außergewöhnlich guter Arbeit an internationalen Kongressen oder Seminaren teilnehmen. Allerdings wird die Möglichkeit für eine externe Fortbildung nur '
C a d i m a (1994): persönliches Interview.
2
Steurer (1995): persönliches Interview.
3
C a d i m a (1994): persönliches Interview.
4
Unter diesem Begriff werden in der Personalwirtschaftslehre alle M a ß n a h m e n zusammengefaßt, die das Ziel haben, die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu steigern. Vgl. Schanz (1994): S. 434. In der vorliegenden Untersuchung sind vor allem Aufstiegsanreize und Qualifizierungsmöglichkeiten relevant.
247
selten in Anspruch genommen und ist offenbar kein Anreiz für eine Tätigkeit für den Fis.1 Möglichkeiten für eine interne Fortbildung existieren derzeit nicht.2 Ein weiterer nicht-monetärer Anreiz für das mittlere Management könnte aus der Corporate Identity des Fis erwachsen. Da der Fis das Image des erfolgreichen FSE übernommen hat, der für einen Neuanfang im Sozialbereich stand und internationales Ansehen genoß, kann es für einen Teil der Mitarbeiter eine besondere Ehre sein, für den Fis zu arbeiten. Möglicherweise spielt auch das Gefühl, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Boliviens zu leisten, eine Rolle als Anreiz für die Mitarbeiter zur Erfüllung der Interessen der Prinzipale des Fis.3 Angesichts der vergleichsweise sehr guten Entlohnung ist allerdings fraglich, ob dieser Anreiz für die Mitarbeiter von Bedeutung ist. Die Mitarbeiter, die mit Verwaltungs- oder Servicetätigkeiten betraut sind, werden nach bolivianischem Dienstrecht entlohnt. Ihnen stehen die im Staatsdienst üblichen Gehälter zuzüglich vergleichsweise großzügiger Sozialleistungen (Alters-, Krankenund Arbeitslosenversicherungen) zu. Darüber hinaus erhalten sie keine nennenswerten geldwerten Leistungen. Zudem bestehen auch für diese Mitarbeitergruppe praktisch keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten im Fis. Ihr einziger Vorteil im Vergleich zu Angestellten anderer Verwaltungseinrichtungen besteht darin, daß sie ebenfalls für Dienstreisen besondere Tagegelder in Rechnung stellen dürfen. Wahrscheinlich ähnlich wichtig wie der monetäre Anreiz ist für diese Gruppe, daß sie trotz ihres vergleichsweise geringen Ausbildungsstands seit der Gründung des Fis über einen unbefristeten und recht sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst verfügen. Daher hat auch das Verwaltungs- und Servicepersonal ein Interesse am Fortbestehen des Fis. Aufgrund ihres geringen Einflusses auf die Tätigkeit des Fonds spielt diese Mitarbeitergruppe jedoch für die weitere Betrachtung keine Rolle. Es zeigt sich, daß der Exekutivdirektor anreizmäßig eine Sonderstellung einnimmt. Sein Anreiz sind die monetären und nicht-monetären Entlohnungsbestandteile. ' 2
3
Treviño (1995): persönliches Interview. Durch den ersten Exekutivdirektor des FSE, Fernando Romero, war ein innerbetriebliches Fortbildungswesen eingerichtet worden, das nach dem Prinzip des training-on-the-job funktionierte und eine Rotation der Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen vorsah. Obzwar dieser Mechanismus zur Steigerung der Motivation insbesondere bei den jüngeren Mitarbeitern beitrug, wurde die innerbetriebliche Weiterbildung bei der Gründung des Fis zugunsten der externen Fortbildungsmaßnahmen eingestellt. Claros (1993): persönliches Interview. Zur Bedeutung der Anreize für die Wirksamkeit des FSE vgl. auch Klitgaard (1997), insbes. S. 1967. Außerdem ist ein externer Anreiz zu bedenken. Pädagogen und Ärzte müssen nach Abschluß ihrer Ausbildung ein Anerkennungsjahr ableisten, bevor sie ihren endgültigen Arbeitsort wählen dürfen. Als Voraussetzung für ihre endgültige Lizensierung müssen die Kandidaten ein Jahr lang in ländlichen Provinzen außerhalb von La Paz arbeiten. Offenbar wird beiden Berufsgruppen eine Tätigkeit für den Fis auf das año de la provincia angerechnet, so daß sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Fis weiterhin in La Paz arbeiten können [Sejas (1996): persönliches Interview], Auch dieser Anreiz motiviert jedoch nicht zur Erfüllung der Erwartungen der Prinzipale.
248
Seine Entlohnung ist letztlich eng mit dem Machterhalt der Regierung verknüpft. Er hat somit in erster Linie ein Eigeninteresse daran, die Wiederwahlchancen des Staatspräsidenten zu steigern, der ihn berufen hat. Die Interessen der internationalen Geber sind für ihn dagegen Nebenbedingungen. Für alle übrigen Mitarbeitergruppen stellt offenbar das Festgehalt den größten Anreiz für eine Mitarbeit im Fis dar. Monetäre Nebenanreize und nicht-monetäre Anreize spielen demgegenüber eine eher untergeordnete Rolle. Die Arbeitsverträge sind nicht kontingent gestaltet: Das Anreizsystem ist nicht mit dem Organisationsziel "Armutsbekämpfung" verknüpft. Daraus folgt, daß die Mitarbeiter des Fonds von zwei Interessen geleitet werden: Erstens wünscht jeder Mitarbeiter, seinen Arbeitsplatz zu sichern. Zu diesem Zweck muß er seinem jeweiligen Prinzipal signalisieren, daß er seinen Aufgaben gewachsen ist. Zweitens wird er angesichts der geringen Möglichkeiten für einen internen Aufstieg versuchen, seinen Arbeitsplatz so angenehm wie möglich zu gestalten. Beide Handlungsmotive stehen allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung. Der Prinzipal kann sich jedoch das erste Handlungsmotiv der Mitarbeiter zunutze machen, indem er das Anreizsystem mit Kontrollmechanismen verknüpft, die sich an seinen Zielen orientieren. Zur Kontrolle der Tätigkeit der einzelnen Mitarbeiter des Fis existiert ein besonderes Mitarbeiter-Evaluationsystem. Von diesem Verfahren sind nur die Mitglieder des Direktoriums ausgenommen: Der Exekutivdirektor unterliegt als politischer Beamter der direkten Beurteilung durch die Staatsregierung, und die Erfüllung der Verträge der Abteilungsdirektoren wird in regelmäßigen Abständen durch den Exekutivdirektor überprüft. Alle anderen Mitarbeiter werden nach einem einheitlichen Verfahren beurteilt. Das System beruht auf einer sehr detaillierten Stellenbeschreibung für jeden Mitarbeiter, die ein Bestandteil seines Arbeitsvertrages ist. Nach Ablauf des üblicherweise einjährigen Vertragsverhältnisses findet eine Evaluierung der persönlichen Tätigkeit anhand dreier Kriterien statt. Erstens wird geprüft, ob die Vorgaben der Stellenbeschreibung erfüllt wurden ("rendimiento"). Zweites Kriterium ist die Qualität der geleisteten Arbeit. Drittens ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern ("relaciones en grupo") relevant. Die Evaluierung des Personals obliegt der jeweils übergeordneten Ebene.1 Die Evaluierungsergebnisse werden festgehalten und dienen als Entscheidungsgrundlage für die jährlichen Vertragsverhandlungen. Die bestehenden Beschäftigungsverhältnisse werden im Regelfall verlängert, eine Garantie besteht jedoch nicht.
1
Treviflo (1995): Persönliches Interview.
249
Der streng lineare Aufbau des Mitarbeiter-Evaluationssystems ist kritisch zu beurteilen. Da jeder Mitarbeiter durch seinen Vorgesetzten evaluiert wird, ist der Einfluß eines Mitarbeiters auf die Strategie des Fis stark rangabhängig: Durch das Mitarbeiter-Evaluationssystem wird der Spielraum eines Mitarbeiters umso kleiner, je niedriger sein Rang innerhalb der Bürokratie ist. Hier können die Erkenntnisse der Bürokratietheorie bezüglich der Einflußmöglichkeiten unterschiedlicher Rangstufen auf die internen Strukturen eines Büros auf den Fis angewendet werden.1 Da der Exekutivdirektor als oberste Instanz für das Personalkontrollsystem agiert, besitzt er auch für die Personalpolitik einen sehr großen Spielraum. Die Ziele des Exekutivdirektors beeinflussen somit maßgeblich die Zielfunktion des Fis. Es konnte gezeigt werden, daß das Interesse des Exekutivdirektors eng mit den Interessen der Regierung verknüpft ist; das Geberinteresse an einer sachgemäßen Durchführung von armutsbekämpfenden Maßnahmen findet demgegenüber - aufgrund unzureichender externer Kontrollen, die das Informationsdefizit der Geber nicht wettmachen können - nur als Nebenbedingung Eingang in die kollektive Zielfunktion des Fis. Zudem ist ein direktes Mitwirkungsrecht der Zielgruppe, das zur Berücksichtigung ihrer Interessen beitragen könnte, weder im Anreiz- noch im Kontrollsystem vorgesehen. Zusammenfassend ist folgendes Ergebnis der Betrachtung der internen Strukturen festzuhalten. Zwar besteht theoretisch die Möglichkeit, daß die Mitarbeiter des Fis im Sinne einer optimalen Armutsbekämpfung handeln. Diese Handlungsweise ist jedoch nur wenig wahrscheinlich, zumal der Zielgruppe keinerlei Einflußmöglichkeit zugestanden wird. Die dargestellten internen Anreiz- und Kontrollmechanismen einschließlich der Organisationsstruktur lassen eher erwarten, daß die kollektive Strategie des Fis darin besteht, in erster Linie Regierungsinteressen zu verfolgen. Gleichzeitig, quasi als Nebenbedingung für die Tätigkeit, muß den ausländischen Gebern durch die Projekttätigkeit signalisiert werden, daß der Fis eine geeignete Organisation zur Abwicklung von Programmen zur Armutsbekämpfung ist. Nur wenn dies gelingt, ist die Existenz des Fonds finanziell gesichert. Für die Projekttätigkeit des Fis bedeuten die dargestellten Strukturen und die abgeleitete kollektive Strategie, daß die Mitarbeiter vorhandene Möglichkeiten nutzen, um lediglich solche Projekte durchzuführen, die mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten verbunden sind, aber trotzdem Signalwirkung haben.2 Somit kann die 1 2
Vgl. Dunleavy (1991): S. 178f. Zwei Hinweise sprechen dafür, daß diese Strategie tatsächlich verfolgt wurde. Erstens wurde bereits erwähnt, daß die Weltbank kritisierte, daß die Projekte des Fis relativ groß konzipiert wurden. [Faguet (1993): persönliches Interview], Zweitens weist GRAHAM darauf hin, daß der FSE 1989 als Wahlkampfinstrument des MNR eingesetzt wurde. Die Tätigkeit des FSE wurde vor allem bei Einweihungen neuer Projekte (Signalwirkung!) und in Fernsehspots kommuniziert. Vgl. Graham (1992): S. 1239.
250
Betrachtung der internen Anreiz- und Kontrollstrukturen einen Beitrag zur Erklärung des mangelhaften targetings der Ausgaben des Fis leisten.
5.3.3. Agenten des Fis: Die Projektträger und ihre Motive Nachdem sich die vorangegangenen Abschnitte mit den Interessenlagen der Regierung und des Fis befaßte, ist nunmehr die Handlungsmotivation der Projektträger zu klären. Zu diesem Zweck ist es notwendig, zunächst die Struktur der Gruppe der Projektträger zu betrachten. Die Auswahl der Projektträger erfolgt aufgrund der Auswahlkriterien, die in Dekret 22.542 enthalten sind:1 •
Die Organisationsziele der antragstellenden Organisation müssen kompatibel mit den Zielsetzungen des Fis sein.
•
Es werden ausschließlich Anträge öffentlicher oder privater Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht finanziert.
Alle Organisationen, die beide Voraussetzungen erfüllen, haben die Möglichkeit, Anträge auf finanzielle Unterstützung beim Fis einzureichen. Qua legem bestehen also für nicht-staatliche Organisationen und öffentliche Einrichtungen dieselben Chancen, Projektanträge beim Fis zu plazieren. Die Betrachtung der Kooperationspartner des Fis in Tabelle 5.1 zeigt allerdings, daß im Untersuchungszeitraum weitaus mehr Anträge von öffentlichen Einrichtungen als von nicht-staatlichen Organisationen genehmigt wurden. Aus der Tabelle geht hervor, daß rund drei Viertel aller Projekte von Einrichtungen des öffentlichen Sektors getragen wurden. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung des Mittelvolumens: Die Organisationen des öffentlichen Sektors verausgabten 72,3% der Projektmittel des Fis, wohingegen nur 27,7% zur Finanzierung von Projekten nicht-staatlicher Organisationen bereitgestellt wurden.
Vgl. Decreto Supremo 22.542, Art. 15, Absätze b) und c).
251
Tabelle 5.1 Projektträger des FIS nach Sektoren 1991-95
Organisationen des öffentlichen Sektors Nicht-staatliche Organisationen Gesamt
Anzahl Projekte
Projektverteilung (Anteil in %)
Mittelvolumen (Mio.US$)
Aufteilung des Mittelvolumens (Anteil in %)
1.218
74,8
95,1
72,3
410
25,2
36,4
27,7
1.628
100
131,4
100
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Auswertung.
Bereits in den vorangegangenen Abschnitten wurde herausgearbeitet, daß die Beziehungen zur Regierung eine erhebliche Rolle für die Wirksamkeit des Fis spielen. Dabei bezog sich die Darstellung jedoch auf die Entscheidungsstrukturen im öffentlichen Sektor. An dieser Stelle zeigt sich nun, daß der Fis ungeachtet der Gründe für diese Beziehungen - sei es, daß nicht genügend nicht-staatliche Projektträger existieren, oder sei es, daß eine besondere Affinität zu staatlichen Organisationen besteht - auch bezüglich der Projektdurchführung eng mit Regierungseinrichtungen kooperiert. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, daß die Projektzusammenarbeit des Fis mit staatlichen Einrichtungen alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung einschloß (vgl. Tabelle 5.2). Insgesamt 351 Projekte wurden von Organisationen ausgeführt, die Teil der Zentralregierung sind oder dieser unmittelbar unterstehen; darunter fallen das Vizepräsidialamt, die Ministerien für Erziehung und Gesundheit und die den beiden Sektorministerien unmittelbar unterstellten Durchführungsorganisationen. Dabei ist zu beachten, daß auch das integrierte Gesundheitsprojekt
PROISS
direkt dem Ge-
sundheitsministerium untersteht; wie in Abschnitt 4.4.1. dargestellt, nimmt es im Programmkatalog des Fis eine Sonderstellung ein, die sich auch auf die Projektvergabe erstreckt. Für staatliche Einrichtungen auf der Departmentsebene finanzierte der Fis insgesamt 415 Projekte. Im Auftrag von Lokalverwaltungen wurden insgesamt 438 Projekte durchgeführt. Als Ausnahmeprojekte sind die 12 Vorhaben der Universitäten zu werten, die bspw. Impfkampagnen beinhalteten, und die beiden von Armeeinheiten getragenen Projekte.
252
Tabelle 5.2 Staatliche Organisationen als Projektträger des Fis 1991-95 Organisationstyp Projekte staatlicher Einrichtungen gesamt
Zahl der Projekte 1.218
davon:
- Vizepräsidialamt - Sektorministerien1* - Durchführungsorganisationen der Zentralregierung2> - PROISS3»
- Departmentverwaltungen
5 28 248
70 105
- Entwicklungsgesellschaften der departamentos (CORDES)
310
- Lokalverwaltungen
438
- Universitäten
12
- Armee
2
11
Gesundheits- und Bildungsministerium.
21
Unidades Sanitarias, Consejo Nacional de Edificación Escolar, Dirección Nacional de Infraestructura.
31
Integriertes Projekt der Weltbank zur institutionellen Stärkung des Gesundheitsministeriums.
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Während sich die staatlichen Projektträger bezüglich ihrer Organisationsformen als weitgehend homogene Gruppe darstellen, zeichnen sich die nicht-staatlichen Projektträger durch eine breite Vielfalt der Organisationsformen aus. Daher muß zunächst zwischen unterschiedlichen Organisaionsformen differenziert werden. Unter dem Oberbegriff der nicht-staatlichen Organisationen wird ein breites Spektrum von Organisationen zusammengefaßt, deren Gemeinsamkeit zunächst darin besteht, formal nicht der staatlichen Bürokratie anzugehören.1 Im folgenden werden die nicht-staatlichen Organisationen anhand von drei Kriterien gegliedert, die Rückschlüsse auf ihre jeweiligen Handlungsmotive zulassen.2 Diese Kriterien sind die Sektorzugehörigkeit, die Form der Marktbedienung und das Ziel der Organisation. Mit dem Kriterium "Sektorzugehörigkeit" wird zwischen privaten Unternehmen (an dieser Stelle sind als Rechtsformen Kooperativen und GmbHs relevant) und Voluntary Organizations, d.s. NGO, Stiftungen, Kirchengemeinden und Selbsthilfegruppen, '
2
Der Begriff "nicht-staatliche Organisation" ist von dem enger gefaßten Begriff "Non-Governmental Organization" (NGO) ZU trennen. Während der Begriff der "nicht-staatlichen Organisationen" ausnahmslos alle Organisationen einschließt, die formal nicht der staatlichen Bürokratie angehören, zählen zu den NGO ausschließlich nicht-staatliche Organisationen, die nicht gewinnorientiert arbeiten und Leistungen für einen anonymen Markt erstellen. Weitere Kriterien diskutiert bspw. Glagow (1992): S. 305ff.
253
differenziert. Anhand des Kriteriums "Form der Marktbedienung" wird unterschieden, ob die betrachtete Organisation ihre Leistungen hauptsächlich für eine anonyme Abnehmerschaft oder ausschließlich für die eigenen Mitglieder produziert.1 Anhand des Organisationsziels werden nicht-staatliche Organisationen in gewinnorientierte und nicht-gewinnorientierte Organisationen differenziert. Die Struktur der nicht-staatlichen Projektträger des Fis geht aus Tabelle 5.3 hervor. Tabelle 5.3 Nicht-staatliche Projektträger des Fis 1991-95 Organisationstyp Projekte nicht-staatlicher Einrichtungen gesamt
Zahl der Projekte 410
davon:
- Nicht kirchliche bolivianische NGO
204
- Kirchliche bolivianische NGO
52
- Vereinte Nationen und ihre Unterorganisationen
50
- Private Stiftungen
35
- Kirchengemeinden
21
- Selbsthilfegruppen
10
- Kooperativen
29
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung
9
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995): Banco de Datos; eig. Berechnungen.
Von den insgesamt 410 Projekten, die von nicht-staatlichen Trägerorganisationen abgewickelt wurden, lagen 372 Vorhaben in der Verantwortung von Voluntary Organizations;2 demgegenüber wurden insgesamt 38 Projekte von privaten Unternehmen abgewickelt. An den Voluntary Organizations hatten Non Governmental Organizations mit 306 Projekten den größten Anteil. Unter den NGO besaß die Gruppe der säkularen bolivianischen NGO mit 204 Projekten das größte Gewicht. Die Bedeutung der Organisationen unterscheidet sich nicht nur nach den Organisationsformen; vielmehr zeigt auch die Betrachtung der Zahl der Projekte je Organisation eine starke Variation innerhalb der einzelnen Gruppen.3 1
2
3
Aus der Wahl einer bestimmten Marktbedienung können sich Folgen für die Finanzierung der Organisation ergeben. Wenn bspw. Leistungen ausschließlich für Organisationsmitglieder erstellt werden, wird die Finanzierung durch Beiträge möglich. Vgl. Meier (1997): S. 77f. Die WELTBANK zählt diese gesamte Gruppe von Organisationen zu den N G O . Der Begriff "NGO" wird folgendermaßen definiert: "[...] private organizations that pursue activities to relieve suffering, promote the interests of the poor, protect the environment, provide basic social services, or undertake community development." Vgl. World Bank (1989a): S. II. Bspw. war UNICEF als N G O mit der größten Zahl Projekte allein für 48 Projekte verantwortlich. Auch einige kirchliche NGO erhielten jeweils für ungewöhnlich viele Projekte finanzielle Unterstützung durch den Fis; hier sind F6 y Aiegrla (17 Vorhaben) und die bolivianischen Caritasverbände (12 Vorhaben) an erster Stelle zu nennen. In der Gruppe der säkularen bolivianischen NGO wurden nur von einer Organisation mehr als 10 Vorhaben durch den Fis gefördert; dies war die NGO Promoto-
254
Das Kriterium "Marktbedienung" gibt Aufschluß darüber, in welcher Beziehung die Klienten zu der jeweiligen Organisation stehen. Anhand dieses Kriteriums können Stiftungen nicht zugeordnet werden, weil der Stiftungszweck sowohl darin bestehen kann, ausschließlich den eigenen Mitgliedern zu nutzen als auch darin, Leistungen für die Allgemeinheit zu erbringen. Daher können nur über die verbleibenden 375 Vorhaben Aussagen getroffen werden. Von diesen Projekten wurden 315 von Organisationen abgewickelt, die für eine anonyme Abnehmerschaft produzieren; diese Gruppe setzt sich zusammen aus den verschiedenen Formen der NGO sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Organisationen, die ausschließlich für ihre Mitglieder produzieren, führten insgesamt 60 Projekte mit finanzieller Unterstützung des Fis durch; dies waren Kirchengemeinden, Selbsthilfegruppen und Kooperativen. Von diesen Organisationen sind die Selbsthilfegrappen von besonderem Interesse für die Armutsbekämpfung. Diesem Organisationstyp wird im allgemeinen zugebilligt, daß seine Mitglieder über das größte Eigeninteresse an der Bekämpfung der Armut verfügen.1 Diese Annahme ist dann gerechtfertigt, wenn die Mitglieder zur armen Bevölkerung zählen und sich deshalb einen Teil der Nutzen einer Strategie zur Armutsbekämpfung aneignen können. Für die Tätigkeit des Fis wäre daher zu erwarten, daß er intensiv mit Selbsthilfegruppen der armen Bevölkerung kooperieren und diese auch in institutioneller Hinsicht fördern würde. Im Gegensatz dazu ergibt die Analyse der Projektträger, daß Selbsthilfegruppen insgesamt nur für 10 Projekte finanzielle Unterstützung durch den Fis erhielten. Noch dazu ist eine dieser Selbsthilfegruppen, die "Vereinigung der Gattinnen von Polizisten", offensichtlich sehr eng mit staatlichen Einrichtungen verknüpft und zudem zählen ihre Mitglieder wahrscheinlich nicht zu den Armen. Die Zusammenarbeit mit armen Selbsthilfegruppen ist also von ihrem Umfang her für den Fis bedeutungslos. Bei der Einteilung nach dem Kriterium "Organisationsziel" zeigt sich, daß der weitaus größte Teil (401 Vorhaben) von Non-Profit-Organisationen durchgeführt wurde. 9 Projekte hingegen lagen in der Hand von Gesellschaften mit beschränkter Haftung; dies ist eine bestimmte Rechtsform gewinnorientierter Unternehmen. Die Vergabe von Projekten an gewinnorientierte Unternehmen ist kritisch zu beurteilen. Bei diesem Organisationstyp hat jede von Gewinnerzielung abweichende Zielsetzung ausschließlich den Status eines Zwischenziels. Deshalb sind gewinnorientierte res Agropecuarios 1
(16 Projekte).
In diese Richtung argumentiert bspw. die WELTBANK, die Selbsthilfegruppen als Community based organizations bezeichnet und ihnen aufgrund ihrer Mitgliederorientierung eine besondere Rolle für die Armutsbekämpfung zuschreibt. Vgl. World Bank (1995c): S. 15. ESCOBAR bemerkt, daß Selbsthilfegruppen aufgrund ihres "lokalen Wissens" besondere Vorteile besitzen. Vql. Escobar (1992): S. 412.
255
Unternehmen die für Armutsbekämpfung am wenigsten geeignete Organisationsform. Mit diesen Projekten wurde außerdem eine zentrale Vergaberegel des Dekrets 22.542 verletzt, die besagte, daß nur Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht bei der Durchführung von Projekten unterstützt werden sollten. Die Vergabe von Projekten an gewinnorientierte Organisationen ist daher sowohl aus inhaltlichen als auch aus formalen Gründen abzulehnen. Hinsichtlich des Organisationsziels ist die Zuordnung der Stiftungen problematisch. Stiftungen gelten als gemeinnützige Organisationen und werden deshalb üblicherweise zur Gruppe der NGO gezählt. Das Zuordnungsproblem in dieser Untersuchung ergibt sich daraus, daß die Abwesenheit der Gewinnerzielungsabsicht für die geförderten Stiftungen in Zweifel gezogen werden muß. Bei Betrachtung der durch den Fis finanzierten Stiftungen fällt auf, daß zwei Stiftungen den Großteil der Projekte dieser Gruppe durchführten: 14 Projekte lagen in den Händen der fundación
Potosí,
12 wurden durch die fundación Infi Raymi durchgeführt. Während die erste Stiftung vermutlich gemeinnützig handelt, ist der Gemeinnutz der fundación Infi Raymi möglicherweise nur ein Zwischenziel für eine andere Zielsetzung der Organisation. 1 Zumindest diese Stiftung agiert somit möglicherweise in einer Grauzone zwischen NGO und Organisation mit Gewinnerzielungsabsicht, 2 weil ihre Gemeinnützigkeit zwar formell erfüllt sein kann, ihre Tätigkeit inhaltlich aber möglicherweise der Gewinnerzielung des Inti Raymi Konzerns dient. Die bisherige Diskussion der Zielsetzungen staatlicher und nicht-staatlicher Organisationen hatte den Zweck, zu klären, warum sich Gruppen von Personen zu den einzelnen Organisationsformen, mit denen der Fis kooperierte, zusammengeschlossen haben könnten. Als Grundmotiv für den Zusammenschluß von Individuen zu einer Organisation gilt, daß Individuen ein kollektives Interesse an der Existenz der Organisation haben. 3 Darüber hinaus verfolgt jede Organisation einen speziellen Zweck, der sich in ihrem Typus widerspiegelt. 4 1
Die fundación Inti Raymi ist mit dem Bergbauunternehmen Inti Raymi personell und institutionell eng verbunden und betreut Siedlungen der Arbeitnehmer von Inti Raymi. Aus Fis-Mitteln wurden v.a. Schulen und Marktplätze dieser Siedlungen renoviert. Diese Wohngelegenhelten können als Sozialleistungen des Inti Raymi Konzerns angesehen werden, die den Zweck haben, die Motivation der Arbeitnehmer zu fördern. Es ist wahrscheinlich, daß die Stiftung In diesem Fall d e m Unternehmen dient und verdeckt Gewinnerzielung verfolgt. Die mit der Projektvergabe verbundene Subventionierung dieser Stiftung durch den Fis ist daher kritisch zu beurteilen.
2
Angesichts der Kriterien für die Mittelvergabe des Fis ist denkbar, daß derartige Stiftungen nur eingerichtet werden, um Fördermittel aus öffentlichen Haushalten zu erlangen. Für die fundación Inti Raymi wäre dies Vorgehen besonders pikant, weil sich das dahinterstehende Unternehmen zu einem wesentlichen Teil im Eigentum von Gonzalo Sánchez de Lozada, des damaligen bolivianischen Staatspräsidenten, befindet.
3
Vgl. Olson (1985): S. 4f. Allerdings können sich die einzelnen Organisationsmitglieder bezüglich der Intensität, mit der sie sich mit den Organisationszielen identifizieren, voneinander stark unterscheiden.
4
Vgl. Olson (1985): S. 5.
256
Es wird davon ausgegangen, daß die Motivstruktur der einzelnen Organisationsformen auch Aufschluß darüber gibt, welchen Zweck unterschiedliche Projektträger mit einer Zusammenarbeit mit dem Fis verfolgten. Dieser Fragestellung wird im folgenden Abschnitt nachgegangen. Die Motive einer Organisation für eine Projektzusammenarbeit mit dem Fis erwachsen letztlich aus den Eigeninteressen der jeweiligen Organisationsmitglieder. Diesbezüglich sind staatliche und nicht-staatliche Projektträger zu unterscheiden. Folgende mögliche Motivationen staatlicher Organisationen sind zu diskutieren: Fortbestand der Organisation, Eigeninteresse der Mitglieder an der Armutsbekämpfung, Loyalität zur Regierung und Signalisierung eines bestimmten Aktivitätsniveaus; während für nicht-staatliche Organisationen auch das Ziel, Gewinn zu erzielen, eine Rolle spielen kann (und deshalb dort diskutiert wird), ist Gewinnerzielung für staatliche Organisationen keine relevante Zielsetzung. Wie oben erläutert, ist der Fortbestand der eigenen Organisation ein wichtiges Anliegen der Organisationsmitglieder. Dieses Interesse erwächst bei Mitarbeitern daraus, daß ihnen bei Schließung der Organisation zumindest vorübergehend Arbeitslosigkeit droht und die Suche nach einem neuen Arbeitgeber mit Kosten verbunden ist. Die Existenz einer staatlichen Einrichtung ist in dem Falle gesichert, daß sich die Einrichtung durch ihre Tätigkeit legitimiert und daß sie ihr finanzielles Gleichgewicht aufrecht erhalten kann. Die Mitglieder staatlicher Einrichtungen sind im Vergleich zu Mitarbeitern nicht-staatlicher Organisationen gut abgesichert: Erstens ist das finanzielle Gleichgewicht einer staatlichen Einrichtung in der Regel dadurch gesichert, daß sich die Regierung verpflichtet, ein Budget bereitzustellen. Allerdings wird die Organisation zur Sicherung dieser Zuwendungen ein "Mindestaktivitätsniveau" entfalten müssen. Zweitens sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zumeist relativ gut organisiert; deshalb treffen Entlassungen im öffentlichen Dienst selbst dann auf großen Widerstand, wenn die Notwendigkeit der betreffenden Einrichtung in Frage gestellt wird. Eine Regierung wird daher nur in Ausnahmefällen staatliche Bedienstete entlassen und eher versuchen, diese in anderen Verwendungen einzusetzen. Für die Mitglieder der jeweiligen Organisation bedeutet dies, daß ihnen ein Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst vergleichsweise sicher ist. Drittens haben Mitglieder des öffentlichen Dienstes bei etwaigen Entlassungen in der Regel Anspruch auf nennenswerte Entschädigung durch den Staat. Aus diesen Gründen nimmt die Sicherung des Fortbestands der Organisation im Kalkül der Mitglieder staatlicher Einrichtungen im Vergleich zu Mitgliedern nicht-staatlicher Organisationen zumeist einen geringeren Stellenwert ein.
257
Hinsichtlich des Eigeninteresses an Armutsbekämpfung gelten für die Mitglieder staatlicher Einrichtungen diejenigen Argumente, die in Abschnitt 5.3.2 bezüglich des Eigeninteresses der Regierung entwickelt wurden: Obwohl es denkbar ist, daß Organisationsmitglieder staatlicher Einrichtungen eine Nutzeninterdependenz mit den Armen aufweisen, ist es dennoch wenig wahrscheinlich, daß dieses Eigeninteresse ihr berufliches Handeln in entscheidendem Maße bestimmt. Die Projektzusammenarbeit einer staatlichen Organisation mit dem Fis kann aus Loyalität zur Regierung erwachsen und dadurch motiviert sein, deren Wiederwahlchancen durch die eigene Tätigkeit zu steigern. In diesem Falle kann die Einrichtung gegenüber dem Geldgeber ihre Legitimität nachweisen. Daß Loyalität ein kollektives Handlungsmotiv für die Mitglieder einer staatlichen Organisation darstellt, ist dann plausibel, wenn die betrachtete Einrichtung in sich strikt hierarchisch strukturiert ist und der Leiter ein besonderes Eigeninteresse an der Wiederwahl der Regierung besitzt. Im Falle von Projektträgern des Fis kann argumentiert werden, daß eine staatliche Einrichtung sich aus Eigeninteresse in das Regierungsprogramm zur "Armutsbekämpfung" einreiht und deswegen einen Finanzierungsantrag an den Fis stellt. In diesem Falle hat Armutsbekämpfung den Charakter eines Zwischenziels zur Verfolgung der Regierungsinteressen. Dies Zwischenziel kann durch die Zusammenarbeit mit dem Fis erreicht werden; es könnte auch dadurch erreicht werden, daß der Organisation durch die Regierung ein größeres Budget zugestanden wird, um die Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu finanzieren. Wenn somit eine staatliche Organisation zur Unterstützung der Regierungspolitik einen Projektantrag an den Fis stellt, hat die Organisation kein Eigeninteresse am Ergebnis der Projekte, sondern die vom Fis bereitgestellten Projektmittel interessieren letztlich in ihrer Eigenschaft als Ersatz für Haushaltsmittel. Ein Eigeninteresse an der Abwicklung eines Projekts aus Loyalität zur Regierung führt hingegen nicht zwangsläufig zur Antragstellung an den Fis; daher ist Loyalität zur Regierung an sich kein entscheidendes Motiv zur Kooperation mit dem Fis. Das kollektive Interesse einer staatlichen Einrichtung kann dadurch bestimmt sein, dem Prinzipal ein hohes Aktivitätsniveau zu signalisieren und dadurch die Zuwendungen des Prinzipals zu sichern bzw. zu steigern. Ein solches Verhalten kann daraus resultieren, daß der Geldgeber eines Büros dessen Tätigkeit und ihr Ergebnis nur unvollkommen überwachen kann und deshalb das Aktivitätsniveau des Büros beobachtet.1 Die Büromitglieder würden demnach rational handeln, wenn sie Vgl. Niskanen (1979): S. 352f.
258
dem Prinzipal gegenüber ein hohes Aktivitätsniveau vorspiegeln und dadurch die Existenz des Büros legitimieren würden. Dieses Argument gilt für Projektträger des Fis nur für den Fall, daß der Fortbestand der jeweiligen Organisation grundsätzlich nicht sichergestellt ist und die Mitarbeiterschaft versucht, ihre Unverzichtbarkeit durch die Beantragung von Fis-Projekten zu signalisieren. Allerdings besteht auch in diesem Falle nur dann eine zwingende Notwendigkeit zur Beschaffung externer Finanzquellen, wenn die Organisation ungenügend mit ordentlichen Haushaltsmitteln ausgestattet ist. Auch bei Einrichtungen, die sich grundsätzlich durch das Bestreben nach einem hohen Aktivitätsniveau leiten lassen, erwächst das Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Fis somit letztlich aus einer ungenügenden Ausstattung mit ordentlichen Haushaltsmitteln. Folgende Motive nicht-staatlicher Organisationen für eine Zusammenarbeit mit dem Fis sind zu überprüfen: Fortbestehen der Organisation, Eigeninteresse an der Bekämpfung der Armut und Gewinnerzielung. Im Vergleich mit Angehörigen des öffentlichen Dienstes hat das Bestreben, den Fortbestand der eigenen Organisation zu sichern, für Mitarbeiter nicht-staatlicher Organisationen eine weitaus stärkere Bedeutung. Zwar müssen sich nicht-staatliche Organisationen in der Regel nicht legitimieren, weil die Mehrzahl der Organisationen nicht durch externe Geldgeber finanziert wird.1 Jedoch bedeutet das auch, daß sich die Organisation nicht durch einen regelmäßigen Zuschuß finanzieren kann. Nichtstaatliche Organisationen sehen sich in stärkerem Maße als staatliche Einrichtungen einem Konkursrisiko ausgesetzt. Das Konkursrisiko ist insofern ein Motiv für die Projektzusammenarbeit, als mit der Durchführung von Fis-Projekten ein Beitrag zur Deckung der Fixkosten der Organisation - in der Regel vor allem die Gehälter der Mitarbeiter - erwirtschaftet werden kann. 2 Die Projektträger können versuchen, diesen Deckungsbeitrag zu steigern, indem sie die Kosten der Projektdurchführung so gering wie möglich halten. Diese Motivation ist bei gewinnorientierten Organisationen besonders stark ausgeprägt. Ein vergleichsweise hohes Eigeninteresse an der Bekämpfung der Armut entsteht bei Mitgliedern nicht-staatlicher Organisationen aus folgenden Beweggründen. Erstens verfügt wahrscheinlich eine größere Zahl von Mitgliedern nicht-staatlicher Organisationen über unmittelbare Erfahrungen mit Armut, sei es, daß beispielsweise 1
2
Eine besondere Legitimation ist nur dann notwendig, wenn die Organisationsmitglieder nicht gleichzeitig auch deren Eigentümer sind. Dies betrifft von den nicht-staatlichen Organisationen ausschließlich gewinnorientierte Kapitalgesellschaften. Die Erwirtschaftung eines Deckungsbeitrags ist nicht gleichbedeutend mit dem Organisationsziel "Gewinnerzielung".
259
Mitglieder von Selbsthilfegruppen der Armen selbst arm sind oder sei es, daß sie sich bereits aus der Armut gelöst haben: in beiden Fällen ist die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe der Armen von der individuellen Armutserfahrung motiviert. Zweitens ist die Interdependenz der eigenen Nutzenfunktion mit der Wohlfahrt der Armen oftmals ein wichtiges Motiv für die Mitarbeit in einer NGO; ein klassisches Beispiel hierfür sind die Angehörigen armenorientierter kirchlicher Organisationen. Aus diesen Gründen wird insbesondere den lokalen NGO ein hohes Eigeninteresse an den Ergebnissen von armutsorientierten Projekten zugesprochen.1 Dieses Interesse ist bei Mitgliedern nicht-staatlicher Organisationen tendenziell größer als bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Über diese Zielsetzungen hinaus kann auch Gewinnerzielung ein Motiv für eine Zusammenarbeit mit dem Fis sein. Dieses Interesse ist vor allem für zwei Arten von Organisationen relevant. Erstens gilt es für private, explizit gewinnorientierte Unternehmen. Zweitens sind davon aber auch andere Organisationen betroffen, die zwar nicht explizit das Ziel Gewinnerzielung verfolgen, deren Mitglieder sich aber einen Teil der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben aneignen können. Dies gilt beispielsweise für NGO, deren Mitarbeiter auf Honorarbasis tätig sind und erfolgsabhängig entlohnt werden. Für derartige Organisationen kann die Abwicklung eines Fis-Projekts, aus dem regelmäßig Mittel zufließen, dringend geboten sein, um das finanzielle Gleichgewicht sicherzustellen. Dies gilt besonders für Organisationen, die sich hauptsächlich über die Durchführung von Projekten im Auftrag anderer Organisationen finanzieren und denen deshalb nur unregelmäßig Mittel zufließen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß drei wichtige Eigeninteressen Projektträger zur Zusammenarbeit mit dem Fis motivieren können. Erstens kann ein Eigeninteresse an der Armutsbekämpfung bestehen, das in die Realisierung eines Projekts mündet. Dieses Eigeninteresse wird tendenziell in stärkerem Maße bei nicht-staatlichen Organisationen vermutet. Zweitens kann das Bestreben, das finanzielle Gleichgewicht der Organisation zu sichern, Projektträger zur Kooperation bewegen. Dieses Bestreben liegt deshalb im Eigeninteresse der Organisationsmitglieder, weil nur dadurch der Fortbestand der eigenen Organisation gesichert ist. Bei nicht-staatlichen Organisationen ist der Zwang, zur Finanzierung der eigenen Tätigkeit Mittel einzuwerben, offensichtlich. Jedoch beantragen auch staatliche Einrichtungen aus dem Grund Projekte beim Fis, weil das von der Regierung bereitgestellte Budget nicht zur Finanzierung der
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260
Tätigkeit ausreicht. Insofern trägt auch bei staatlichen Einrichtungen die Einwerbung von Fis-Projekten zur Deckung der Fixkosten der Organisation bei. Drittens kann der Projektträger versuchen, mit der Durchführung eines Fis-Projektes Gewinn zu erzielen. Dieses Motiv betraf offensichtlich einen Teil der nichtstaatlichen Organisationen im Untersuchungszeitraum und war von Seiten des Fis eigentlich ausgeschlossen worden. Dieser Ausschluß wurde jedoch offenbar nicht wirksam durchgesetzt. Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Erkenntnisse machen deutlich, daß die Strategie des Fis zur Armutsbekämpfung darin bestehen müßte, intensiv mit nicht-staatlichen und gleichzeitig nicht gewinnorientierten Organisationen zu kooperieren. Aus den zur Verfügung stehenden Daten ließ sich jedoch nicht entnehmen, daß diese Strategie auch tatsächlich umgesetzt wurde. Die Ursache dafür kann darin liegen, daß die "falschen" Organisationen identifiziert wurden, oder darin, daß in Bolivien nicht genügend Organisationen existieren, die sich einerseits aus Mitgliedern der Zielgruppe zusammensetzen und zielgruppenorientiert arbeiten und die andererseits auch willens und in der Lage sind, die Anforderungen des Fis zu erfüllen. Im folgenden Abschnitt wendet sich die Analyse den Verfahrensweisen zur Antragstellung und Projektabwicklung zu. Unter Vernachlässigung der bisher dargestellten Prinzipal-Agent Probleme wird im folgenden davon ausgegangen, daß der Fis das Ziel "Armutsbekämpfung" verfolgt. Allein dadurch ist es möglich, die verschiedenen Argumentationsebenen gedanklich voneinander zu trennen. Unter der Voraussetzung, daß eine effektive Armutsbekämpfung angestrebt wird, muß der Fis den hier herausgearbeiteten Motiven der Projektträger für eine Kooperation insofern Rechnung tragen, als dadurch Neigung und Fähigkeit eines Antragstellers zur Durchführung eines Projekts beeinflußt werden. Durch die Gestaltung geeigneter Anreize sowie Prüfungs- und Überwachungsmechanismen
in der
Beantragungs- und Durchführungsphase ist sicherzustellen, daß der Erfolg des Projekts im eigenen Interesse des Projektträgers liegt.
5.3.4. Zur Gestaltung der Projektvorbereitung 5.3.4.1. Mechanismen zur Auswahl geeigneter Agenten und Projekte Die Tätigkeit des Fis ist dadurch charakterisiert, daß er Mittel zur Finanzierung von Projekten bereitstellt, die von anderen Organisationen durchgeführt werden.1 Der 1
Vgl. Decreto Supremo 22.542, Art. 15 a) und b).
261
Ablauf dieser Projektfinanzierung ist Gegenstand dieses Abschnitts. Es ist zu klären, ob das Antragsverfahren des Fis die speziellen Erfordernisse armutsbekämpfender Vorhaben berücksichtigt und ob die Untersuchung einen Beitrag zur Erklärung der in Abschnitt 5.3.3 dargestellten Struktur der Projektträger leisten kann. Die Projektabwicklung gliedert sich in zwei Phasen, die Vorbereitungs- und die Durchführungsphase. Aus institutionenökonomischer Sicht unterscheiden sich beide Phasen in bezug auf die Qualität der Beziehungen zwischen den Beteiligten: In der Vorbereitungsphase finden weitgehend unverbindliche Kontakte statt, wohingegen in der Durchführungsphase Rechte und Pflichten der Akteure rechtsverbindlich geregelt sind. Die Analyse beschäftigt sich zunächst mit der Phase der Projektvorbereitung. Diese Phase umfaßt die Beziehungen (7), (8), (9) und (15) in Abbildung 5.1. Sie betreffen den Fis, die Antragsteller, die Regierung und die Zielgruppen. Aus der geringen Verbindlichkeit der Kontakte während der Vorbereitungsphase resultiert, daß der Austritt einer Partei aus dem Vorbereitungsprozeß jederzeit möglich ist und den Vertragsparteien bei einer vorzeitigen Beendigung der Beziehung vergleichsweise geringe versunkene Kosten entstanden sind: Zu Beginn der Projektvorbereitung hat keine Partei Investitionen in nennenswertem Ausmaß vorgenommen. Je weiter die Projektvorbereitung jedoch gediehen ist, desto größer sind auch diese - im Sinne
WILLIAMSONS
hochspezifischen1 - Investitionen des Fis und des potentiellen
Projektträgers. Bei einer vorzeitigen Beendigung der Beziehung ohne Zustandekommen eines Projekt sind diese Investitionen verloren. Aus der Sicht des Fis müssen in der Vorbereitungsphase drei Probleme gelöst werden. Erstens muß sichergestellt werden, daß die Vorhaben generell armutsorientiert sind. Diesem Erfordernis muß nicht durch Einzelfallprüfung Rechnung getragen werden, weil ausschließlich solche Vorhaben genehmigungsfähig sind, die sich einem Programm zuordnen lassen.2 Zweitens muß die Zielgruppenorientierung jedes Vorhabens gewährleistet sein. Das bedeutet, daß nur Vorhaben gefördert werden sollen, die im Sinne der Zielgruppe sinnvoll und notwendig sind und bei denen der langfristige Betrieb der mit Projektmitteln erstellten Einrichtung gesichert ist. Die Zielgruppenorientierung des Vorhabens kann dadurch gesteigert werden, daß die Zielgruppen selbst Mitwirkungsrechte bei der Projektvorbereitung erhalten. Drittens muß vor dem Hintergrund der in Abschnitt 5.3.3 dargestellten Motive der Antragsteller für eine Kooperation mit dem Fis die Kapazität des Antragstellers überprüft werden. 1
Vgl. W i l l i a m s o n (1990): S. 89.
2
Vgl. Abschnitt 4.3.3.
262
Zur Lösung dieser Probleme entwickelte der Fis ein standardisiertes Vorbereitungsverfahren. Aus der Sicht der Geber muß die Effizienz dieses Verfahrens sichergestellt sein. Zudem stellt sich angesichts der in Abschnitt 5.3.3. diskutierten Struktur der Gruppe der Projektträger die Frage, ob staatliche Organisationen auf dieses Antragsverfahren und insbesondere auf die Auswahl der Projektträger Einfluß nehmen konnten und ob dieser Einfluß zu der kritisierten verstärkten Vergabe von Projekten an staatliche Einrichtungen führte. Der typische Ablauf eines Projekts geht aus Abbildung 5.3. hervor. Die Abbildung zeigt, daß die Projektvorbereitung in mehrere Stadien unterteilt ist. Dies sind Information, Kontaktpflege, Evaluierung und Prüfung. Im Anschluß daran erfolgt die endgültige Genehmigung. Mit der Vorbereitung der Projektverträge und dem Vertragsabschluß wird dann die Durchführungsphase eingeleitet. Die Informationsetappe hat den Zweck, Vorschläge für Projekte zu sammeln. Dabei kann der Anstoß entweder von einem interessierten potentiellen Antragsteller ausgehen - dies wurde in Abschnitt 4.4.3.1. als targeting-Strategie bezeichnet -, oder aber der Fis ermuntert im Rahmen der Promotionsstrategie potentielle Antragsteller zur Entwicklung eines Vorschlags. In diesem Stadium wird kursorisch geprüft, ob das Projekt die Mindeststandards des Fis erfüllt und eine Weiterverfolgung lohnend erscheint. Vielversprechende Projektideen werden in die "Bank der Projektvorschläge" aufgenommen.1 Damit ist die Informationsetappe abgeschlossen. In der anschließenden Kontaktpflegeetappe wird das Projekt auf seine technische Machbarkeit, seinen institutionellen Rahmen und seine Einbindung in die lokalen sozialen Zusammenhänge überprüft.2 Bestandteil der Kontaktpflege ist unter anderem ein Besuch der Projektregion durch Mitarbeiter der Direktion "Kommunikation und Evaluation". Während dieses Ortstermins soll geprüft werden, ob das geplante Projekt den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Bevölkerung entspricht.3 Bei einem positiven Ergebnis der Kontaktpflege geht der Projektvorschlag in die Evaluierungsetappe über. Ziel dieser Etappe ist es, den endgültigen Projektantrag zu erarbeiten. Die Evaluierung besteht aus drei Elementen. Dies sind eine fachliche Prüfung des Antragstellers, der Untersuchung der sozialen und institutionellen Gegebenheiten vor Ort und der Wirtschaftlichkeitsanalyse des Projektantrags.
1
Diese Bank ist Teil einer Datenbank, die bereits zu Zeiten des FSE entwickelt wurde und die Grundlage eines gut funktionierenden Management-Informationssystem bildet. Vgl. Jorgensen et al. (1992): S. 15.
2
Wipplinger (1996): persönliches Interview.
3
Vgl. World Bank (1993a): S. 14.
263
Abbildung 5.3 Typischer Ablauf eines FIS-Projekts P r o m o t i o n / t a r g e t i n g
Projektvorschlag
Information
Ablehnung möglich | EDV ("Bank der Projektvorschläge") ] Ablehnung möglich
1 Direktion Kommunikation und Evaluation |
Ablehnung möglich Evaluierung Gesundheits- und Sanitär-" Versorgungsprogramm
Nötigenfalls
:
Evaluierung
Refomnuliemng
Kontaktpflege
Evaluierung
Bildungsprogramm
Ablehnung möglich Prüfung Rücksprache Gesundheitsministeriuni
Ablehnung möglich
Rücksprache Bildungsministerium
Genehmigung
Vertragsabschluß
I
Vertragsabschluß
I
Direktion Operative Tätigkeit/Regionalbüros I
Projekt ojektveirfolgung
N .
S o z i a l e W i r k u n g in d e r
Nutzungsphase
Quelle: Fondo de Inversión Social (1994).
Die fachliche Prüfung des Antragstellers wird durch die zuständigen Behörden, d.h. in erster Linie durch die Sektorministerien, vorgenommen.
264
Für diese Prüfungen wurden spezielle Lizensierungsvorschriften entwickelt, die in der folgenden Tabelle 5.4 zusammengefaßt sind. Tabelle 5.4 Lizensierungsvorschriften für Fis-Projekte 1992 Lizenz notwendig
• Gesundheitsstationen
ja
Gesundheitsministerium
Bescheinigung, daß die Infrastrukturprojekte von ihrer Anlage und Lokalität mit den Plänen und Programmen des Ministeriums übereinstimmen.
* Nahrungsmittelstationen
ja
Planungsministerium, Kommunalverwaltung
Planunqsministerium: Abnahme der technischen Ausführung. Kommunalverwaltuna: Genehmiauna der geographischen Lage.
• Abwasserentsorgung
ja
Wohnungs- Bescheinigung, daß die Größe und die technische Ausführung den gelbauministerium tenden Normen entsprechen.
ja
Planungs- Betreiberlizenz mit folgenden ministerium Inhalten: Ziele und Aufgaben. Rechtsform des Betreibers und Registriernummer beim Planungsministerium. Organisation der Projektausführung und Verwaltung.
• Trinkwasser • System mehrstufiger ländl. Grundschulen • Renovierung staatlicher Schulen
Lizenzgeber
Inhalt der Lizenzen
Unterprogramm
Kooperationsvereinbarungen mit anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. • Multiedukative Zentren • Ländliche Internate
nein ja
Planungs- Genehmigung der geographischen ministerium Lage, der Zielgruppenorientierung des Projekts und der technischen Auslegung der Gebäude
Quelle: Fondo de Inversión Social (1992a).
Die Überprüfung der sozialen und institutionellen Gegebenheiten vor Ort wird durch Mitarbeiter der Direktion "Operative Tätigkeit" und der Regionalbüros vorgenommen. Grundlage der Evaluierungsmaßnahmen sind gemeinsame Besuche der
265
Antragsteller und der lokalen Organisation der Zielgruppe.1 Sie dienen der Festlegung des Projektdesigns und der Überprüfung der organisatorischen Voraussetzungen für eine Kooperation zwischen der Zielgruppe, dem Antragsteller und dem Fis; falls im Zuge der Projektdurchführung Aufträge an private Unternehmen vergeben werden, werden auch diese Auftragnehmer besucht. Anhand der Untersuchungsergebnisse findet eine eingehende Evaluierung der sozialen, institutionellen und ökonomischen Implikationen des Vorhabens - wiederum auf der Grundlage der geographischen targeting-Kriterien - statt. Im Rahmen der sozialen Einschätzung des Einzelprojekts wird dessen Relevanz vor dem Hintergrund der Bedürfnisse der Zielgruppen überprüft, um Aussagen über die Zielgruppenakzeptanz und die vorgesehene Mitwirkung der Zielgruppen an der Durchführung treffen und die organisatorischen Fähigkeiten der Zielgruppengemeinschaft bei der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit dem Vorhaben beurteilen zu können. Durch eine institutionelle Prüfung wird die Kapazität des Antragstellers, das Projekt durchzuführen und den Betrieb der Einrichtung langfristig sicherzustellen, beurteilt. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsanalyse wird die technische Auslegung des Einzelvorhabens vor dem Hintergrund der für jeden Projekttyp entwickelten Kriterien (Mengengerüst, Einheitskosten) und den sich aus den jeweiligen regionalen Bedingungen ergebenden Anpassungsnotwendigkeiten geprüft.2 Dabei werden standardmäßig drei Kriterien betrachtet: Antragsteller müssen eine einfache Nutzen-KostenAnalyse vorweisen und die Indikatoren "Kosten des Projekts je Nutznießer" sowie "interner Zinssatz" berechnen. Für Sanitärversorgungsprojekte ist zudem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Wenn die Ergebnisse des Evaluierungsprozesses zeigen, daß die spezifischen Ziele des betreffenden Unterprogramms nicht erreicht werden, kann eine Änderung der Projektkonzeption verlangt oder das Projekt abgebrochen werden. Bei einem positiven Ergebnis der Evaluierungsetappe tritt der Projektantrag in die Prüfungsetappe ein. In dieser Etappe findet zunächst eine Rücksprache mit dem zuständigen Fachministerium statt. Danach wird der endgültige Projektantrag dem Direktorium des Fis zur Genehmigung vorgelegt. Nach der erfolgten Genehmigung ist die Vorbereitungsphase abgeschlossen.
'
Bei diesen Besuchen werden standardisierte semistrukturierte Interviews mit den Antragstellern und lokalen Nutzergruppen geführt.
2
Auch hierzu nutzt der Fis die ursprünglich vom FSE übernommene Datenbank. Sie enthält die Preise von Gütern und Leistungen, aufgeschlüsselt nach wirtschaftlichen Aktivitäten und Regionen, und erlaubt dadurch eine zuverlässige Überprüfung der Projektkosten. Die Datenbank wird laufend aktualisiert. Wipplinger (1996): persönliches Interview.
266
5.3.4.2. Kritische Würdigung der Auswahlverfahren Die Vorbereitungsphase ist im Hinblick auf drei Fragestellungen zu analysieren. Erstens wird untersucht, ob die Prüfungsverfahren die eingangs genannten Erfordernisse aus der Sicht des Fis erfüllen. Zweitens wird der Frage nachgegangen, ob die Vorbereitungsphase effizient gestaltet ist. Drittens ist zu prüfen, ob die Verfahren zur Projektvorbereitung staatliche Antragsteller begünstigen und dadurch die Struktur der Projektträger prädeterminiert wird. Wie eingangs des Abschnitts erläutert, sollen die Verfahren zur Vorbereitung eines Projekts aus der Sicht des Fis drei wichtige Anforderungen erfüllen: Erstens ist die Armutsorientierung des Vorhabens, zweitens dessen Zielgruppenrelevanz sicherzustellen. Drittens muß eine ausreichende Kapazität des jeweiligen Antragstellers - vor dem Hintergrund seiner jeweiligen Motive für eine Kooperation - gewährleistet werden. Die generelle Armutsorientierung eines Fis-Projekts soll durch die Anwendung der fargef/ng-Verfahren gesichert werden. Dabei ist zu beachten, daß darunter nicht allein die Strategien für das regionale targeting der Ausgaben zu verstehen sind (deren Funktionsfähigkeit durch die Ergebnisse des Abschnitts 4.5.3 in Zweifel gezogen wurde), sondern darüber hinaus auch der Selbsttargeting-Effekt, der durch die Konzeption der Programme entsteht. Es ist davon auszugehen, daß durch die Anwendung des Selbsttargeting-Mechanismus für sich genommen zwar noch keine Armutsorientierung garantiert wird, daß aber einmal identifizierte Projekte durch das Selbsttargeting eher von Armen benutzt werden als von Nicht-Armen. Wie oben erwähnt, kann die Zielgruppenrelevanz eines Vorhabens dadurch gesteigert werden, daß den Zielgruppen Mitwirkungsrechte bei der Projektvorbereitung eingeräumt werden. Zur Analyse der Mitwirkung wird zunächst ermittelt, welche Gruppen an den einzelnen Etappen des Vorbereitungsprozesses beteiligt sind; danach wird die Qualität der Mitwirkungsrechte insbesondere der Zielgruppen analysiert. Die Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme des Fis mit den Antragstellern und den Zielgruppen können Tabelle 5.5 entnommen werden. Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, findet der erste Kontakt des Fis mit seinen Zielgruppen in der Etappe "Kontaktpflege" statt. Dieser Kontakt ist allerdings nur oberflächlicher Natur; deshalb ist er in der Tabelle in Klammern gesetzt. Ein intensiver Kontakt zwischen Mitarbeitern des Fis und den Zielgruppen des jeweiligen Vorhabens ist ausschließlich im Rahmen der Evaluierungsetappe vorgesehen.
267
Tabelle 5.5 Beteiligung der Fis-Mitarbeiter, der Antragsteller und der Zielgruppe an den Etappen der Projektvorbereitung Teilnehmer Mitarbeiter der Mitarbeiter der Etappe FIS-Zentrale Regionalbüros Information
Antragsteller Zielgruppe
X
X
Kontaktpflege
X
X
X
(X)
Evaluierung
X
X
X
X
Prüfung
X
Quelle: eigene Zusammenstellung.
Die Qualität der Mitwirkungsrechte wird von zwei Faktoren beeinflußt. Zum einen unterscheiden sich verschiedene Mitwirkungsrechte nach der Intensität ihrer Wirkungen. Die Qualität eines Mitwirkungsrechts ist um so höher, je intensiver damit auf das jeweilige Projekt Einfluß genommen werden kann. Nach der Intensität der mit ihr verbundenen Einflußnahme können grundsätzlich drei Stufen differenziert werden. Die geringste Einflußnahme ist mit einem Anhörungsrecht verbunden. Weiterreichende Konsequenzen haben Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte. Zum anderen sinkt die Qualität jedes einzelnen Mitwirkungsrechtes mit zunehmendem Projektfortschritt; m.a.W. eine Mitwirkungsmöglichkeit ist umso wirkungsvoller, je früher sie auf das Projekt wirkt.1 Unter diesen Aspekten sind die Mitwirkungsrechte der Zielgruppe bei der Projektvorbereitung als gering einzustufen. Kontakte mit der Zielgruppe finden ausschließlich im Rahmen von Ortsterminen statt. Zudem fallen diese Ortstermine in Phasen, in denen die Konzeption des Projekts bereits weitgehend feststeht: Die Zielgruppen werden in der Etappe "Kontaktpflege" das erste Mal kurz besucht und erhalten einzig in der Evaluierungsetappe Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme zu dem geplanten Projekt. Mit dieser Stellungnahme ist jedoch nur insofern eine Einflußmöglichkeit verbunden, als die Vertreter der Zielgruppe ihr Einverständnis zur Durchführung eines Projekts verweigern können. Diese "take-it-or-leave-it"-Option ist jedoch keine wirksame Partizipation der Zielgruppe in der Projektvorbereitung. Es ist daher nicht zu erwarten, daß die Interessen und Fähigkeiten der Armen in besonderer Weise durch die Projektkonfiguration des Fis berücksichtigt werden. Zur Überprüfung der Kapazität der Antragsteller wurden vielfältige Mechanismen entwickelt. Zunächst hat die relativ intensive Betreuung der Antragsteller während 1
Diese Erkenntnis resultiert daraus, daß alle Akteure im Projektablauf hochspezifische Investitionen vornehmen. Diese Investitionen sind umso größer, je weiter das Projekt gediehen ist. Daher steigen auch die versunkenen Kosten, die bei einer Änderung der Projektkonzeption anfallen, mit zunehmendem Projektfortschritt an und der Spielraum für eine Revision wird kleiner.
268
der gesamten Projektvorbereitung den Nebeneffekt, daß der Fis die Trägerfähigkeit des Antragstellers kennenlernt. Einen Hinweis darauf gibt Tabelle 5.5; dort zeigt sich, daß der Fis in jeder Etappe der Projektvorbereitung mit dem Antragsteller in Kontakt steht. Der erste unverbindliche Kontakt zwischen dem Fis und dem potentiellen Antragsteller findet in der Informationsetappe statt. Danach intensivieren sich die Kontakte stetig und kulminieren in den Oberprüfungen im Rahmen der Evaluierungsetappe. Dadurch gewinnt der Fis Einblick in die Fähigkeit des Antragstellers, den Projektfortgang zu organisieren. Das entscheidende Kriterium zur Beurteilung der fachlichen Kapazität ist die Einschätzung der Fachministerien, die durch die Lizensierung während der Evaluierungsetappe und die zusätzliche Konsultation während der Prüfungsetappe in die Projektvorbereitung integriert wird. Die Motive der Antragsteller finden teilweise Eingang in die Projektvorbereitung. In Abschnitt 5.3.3. waren als Hauptmotive der Projektträger deren Eigeninteresse an Armutsbekämpfung, die Sicherung des finanziellen Gleichgewichts und Gewinnerzielung erkannt worden. Ein mögliches Eigeninteresse eines Antragstellers an Armutsbekämpfung wird insofern berücksichtigt, als der Antragsteller während der Projektvorbereitung intensiv betreut wird. Das erlaubt dem Fis, Organisationen, die zwar ein Interesse am Ergebnis des Projekts haben, aber nur über unzureichende organisatorische Fähigkeiten verfügen, bei der Projektvorbereitung zu unterstützen. Die wirtschaftliche Existenzfähigkeit des Antragstellers hingegen wird zwar während der Projektvorbereitung nicht überprüft, spielt jedoch bei der Durchführung eine Rolle. Dies wird im folgenden Abschnitt 5.3.5. erläutert. Den Bestrebungen von Antragstellern, einen möglichst hohen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften, begegnet der Fis durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Projektanträge und die Berechnung der Fördersumme anhand des Einheitskostenverfahrens. Zudem waren die Förderbeträge je Projekt im Untersuchungszeitraum relativ niedrig,1 so daß für gewinnorientierte Organisationen nur ein geringer Anreiz bestand, Projektanträge für den Fis auszuarbeiten und zu verfolgen. Als Zwischenfazit ist festzuhalten, daß der Fis spätere Träger während der Vorbereitung der Projekte sorgfältig auswählte. Die Auswahlkriterien sind dazu geeignet, die Kapazität des Antragstellers einschätzen zu können. Dagegen ist fraglich, ob die Mechanismen zur Sicherung der Armutsorientierung ihren Zweck erfüllten. Außerdem legt dieser Auswahlprozeß auf die Zielgruppenrelevanz eines Vorhabens nur geringes Gewicht.
'
Vgl. Abschnitt 4.4.2.1
269
Die Effizienz des Projektvorbereitungsprozesses wird an zwei Kriterien gemessen. Erstens wird untersucht, ob eine klare interne Aufgabenverteilung innerhalb des Fis, d.h. zwischen einzelnen Abteilungen sowie zwischen der Zentrale und den Regionalbüros, vorgenommen wurde. Zweitens wird die Struktur des Vorbereitungsprozesses analysiert. Bezüglich der internen Aufgabenverteilung wird aus der Abbildung 5.3 und den Erläuterungen dazu deutlich, daß die Aufgabenstellungen der einzelnen Direktionen und Unterabteilungen bei der Projektvorbereitung klar definiert sind. Dazu trägt die Gliederung in einzelne Etappen bei. Zudem sind für jede Etappe klare Vorgaben definiert. Im Hinblick auf die Aufgabenverteilung zwischen der Zentrale und den Regionalbüros ist zu bemerken, daß ein erheblicher Teil der Projektkontakte dezentral abläuft. Dies wird aus Tabelle 5.5 deutlich. Dort zeigt sich, daß die Mitarbeiter der Regionalbüros bis zur Endprüfung in jede Etappe eines Projektes involviert sind. Obschon die wichtigen Entscheidungskompentenzen letztlich in wenigen Händen konzentriert sind, deutet sich dennoch auch bezüglich der Entscheidungsvorbereitung, wie schon zuvor bezüglich der Organisationsstruktur, eine Tendenz zu stärkerer Dezentralisierung an.1 Der Entscheidungsprozeß bei der Projektvorbereitung ist in sich streng nach Etappen und nach Hierarchieebenen gegliedert: Der erste Kontakt zwischen potentiellen Antragstellern und dem Fis findet von Seiten des Fis auf der Sachbearbeiterebene statt, danach wird der Projektantrag innerhalb der Hierarchie systematisch nach oben gereicht. Die letzte Entscheidung über Annahme oder Ablehnung für jedes einzelne Projekt obliegt dem Direktorium. Durch die Etappengliederung werden die Informationen, die der Antragsteller an den Fis übermitteln muß, mit jeder Etappe spezifischer und in der Hierarchie zunehmend verdichtet. Dieser Mechanismus wurde gewählt, um eine Mindestqualität der finanzierten Projekte sicherzustellen: Dadurch, daß auf jeder Stufe eine gesonderte Sichtprüfung durch den jeweils verantwortlichen Fis-Mitarbeiter stattfindet, wird die Möglichkeit, daß das Projekt ausschließlich deswegen scheitert, weil der Projektantrag in sich nicht konsistent ist oder weil der Antragsteller nicht zur Durchführung des Projekts befähigt ist, weitgehend ausgeschlossen.2
' World Bank (1993a): S. 15. Dies meint W E B E R , indem er konstatiert, daß "[...] die bureaukratisch-monokratische aktenmäßige Verwaltung [...] nach allen Erfahrungen die an Präzision, Stetigkeit, Disziplin, Straffheit und Verläßlichkeit, also: Berechenbarkeit [...] formal rationalste Form der Herrschaftsausübung [...]" darstellt. Weber (1972): S. 128.: ähnlich Weber (1946): S. 244.
2
270
Diese hierarchische Projektvorbereitung verursacht der Organisation jedoch Kosten, die vor allem daraus entstehen, daß das Direktorium die Pflicht zur Begutachtung und Genehmigung jedes Projektantrags hat.1 Die Höhe dieser Kosten, die in die Beziehung mit einem speziellen Antragsteller investiert werden, kann der Fis dadurch kontrollieren, daß auf jeder Etappe geprüft wird, ob eine Weiterverfolgung des Projekts lohnend erscheint. Es findet also ein stufenweiser Vergleich der Kosten einer Beziehung mit ihren möglichen Erträgen statt. Dieser Mechanismus reduziert das Risiko des Fis, daß das Scheitern eines Projekts hohe versunkene Kosten nach sich zieht. Abschließend ist zu prüfen, ob die Verfahren zur Projektvorbereitung generell staatliche Antragsteller begünstigen und dadurch die in Abschnitt 5.3.3. dargestellte Struktur der Projektträger prädeterminiert wurde. Eine derartige Prädeterminierung kann dadurch entstehen, daß andere staatliche Stellen in die Projektvorbereitung eingreifen. Dieser Vorgang tritt während der Projektvorbereitung, wie oben geschildert, zweimal auf: erstens müssen Antragsteller Lizenzen vorweisen, zweitens ist der Fis verpflichtet, mit dem zuständigen Fachministerium abschließend Rücksprache über die Genehmigung eines Projekts zu halten. Dadurch trat in der Vergangenheit in einigen Fällen das Phänomen auf, daß sich der Antragsteller selbst lizensierte. Diese Selbstlizensierung trifft direkt für die Projektanträge des Gesundheits- und des Bildungsministeriums (28 Anträge) sowie auf einige Anträge der Lokalverwaltungen zu. Das Ausmaß der Selbstlizensierung von Lokalverwaltungen kann zwar aufgrund mangelnden Datenmaterials im einzelnen nicht ermittelt werden, es betrifft aber möglicherweise alle 438 Anträge, die von Lokalverwaltungen gestellt wurden. Indirekt sind auch diejenigen Projekte betroffen, die durch das Vizepräsidentialamt (5 Projekte) sowie von Durchführungsorganisationen der Fachministerien (248 Projekte) beantragt wurden: Das Vizepräsidialamt als höchste Behörde der bolivianischen Regierung hat gegenüber den Fachministerien Weisungsrecht und die Durchführungsorganisationen der Fachministerien sind zwar organisatorisch selbständig, fachlich aber dem jeweiligen Ministerium zuzurechnen. Obwohl die Lokalverwaltungen auf die abschließende Rücksprache des Fis mit den Fachministerien keinen Einfluß nehmen können, haben die anderen genannten Antragsteller auch hier einen Vorteil gegenüber allen nicht-staatlichen Organisationen. Es ist davon auszugehen, daß die staatlichen Einrichtungen versuchen, durch die Einwerbung von Drittmitteln die eigene Existenz zu sichern. Deshalb werden sie ihre Einflußmöglichkeiten auf das Projektvorbereitungsverfahren des Fis nutzen, um eigene Projektvorschläge zu befürworten. Diese Regelung bedeutet somit, daß die staatlichen Organisationen '
An dieser Stelle soll die Diskussion der Nachteile dieser Verteilung der Entscheidungskompetenzen nicht noch einmal aufgenommen werden. Vgl. hierzu Abschnitt 5.3.2.1.
271
tendenziell bei der Projektvergabe begünstigt waren. Insofern trägt die Analyse der Regeln zur Projektvorbereitung zur Erklärung der Struktur der Projektträger maßgeblich bei. Zusammenfassend sind folgende Erkenntnisse über die Projektvorbereitung durch den Fis festzuhalten. Aus der Sicht des Fis sind die Auswahlkriterien in der Projektvorbereitung vergleichsweise gut geeignet, die Kapazität des Antragstellers sicherzustellen; der Armutsbezug und die Zielgruppenorientierung des vorzubereitenden Projekts hingegen sind im Rahmen der Projektvorbereitung nicht unbedingt gewährleistet. Darüber hinaus macht der Katalog der Informationen, die der Fis in der Evaluierungsphase einfordert, deutlich, daß die wirtschaftliche und organisatorische Stabilität der Antragsteller im Mittelpunkt der in die Entscheidungsfindung einfließenden Erkenntnisse steht, seine Beziehungen zu den Zielgruppen hingegen von nachrangiger Bedeutung sind. Aus der Sicht des Fis ist das Vorbereitungsverfahren grundsätzlich effizient angelegt. Anhaltspunkte dafür sind die klare Aufgabenverteilung, die hierarchische Verdichtung der Informationen und die Etappengliederung des Verfahrens, die jeder Partei in verschiedenen Phasen der Projektvorbereitung Rücktrittsmöglichkeiten eröffnen. Dadurch können die jeweiligen versunkenen Kosten begrenzt werden. Die Vorschrift, daß jedes Projekt durch das Direktorium zu genehmigen ist, schränkt die Effizienz dieses Verfahrens allerdings etwas ein. Außerdem ist die überproportionale Vergabe von Projekten an öffentliche Einrichtungen zum Teil durch direkte Einflußnahme staatlicher Organisationen auf die Projektgenehmigung bedingt. In bezug auf das Ziel des Fis, Armut in Bolivien wirksam zu reduzieren, muß das Verfahren zur Projektvorbereitung kritisch beurteilt werden. Insbesondere die mangelnde Zielgruppenpartizipation kann insofern zur Erklärung des mangelhaften targetings der Ausgaben beitragen, als bei einem größeren Mitspracherecht der Zielgruppe in der Informationsetappe möglicherweise eine andere regionale Verteilung der Projekte zustande gekommen wäre.
5.3.5. Zum Monitoring der Projektdurchführung 5.3.5.1. Vertragsgestaltung und Überwachungsmechanismen Nach Abschluß der Vorbereitungsphase wird das Projekt in ein Vertragswerk umgesetzt; dieses Vertragswerk wird im folgenden vereinfachend als der Projektvertrag bezeichnet. Mit der vertraglichen Fixierung beginnt die Durchführungsphase eines
272
Projekts. Die Beziehungen zwischen den Akteuren während der Projektdurchführung sind in Abbildung 5.1 mit den Nummern (10) bis (17) gekennzeichnet. Zu Beginn der Durchführungsphase werden die einzelnen Vertragsparteien ausgewählt und ihre jeweiligen Rechte und Pflichten während der Projektabwicklung definiert.1 Nach dem Abschluß der Verträge beginnt deren Umsetzung. In dieser Phase müssen geeignete Mechanismen für die Überwachung der Umsetzung, das Monitoring, gefunden werden, mit denen die Vertragsinhalte durchgesetzt werden. Die Durchführungsphase endet schließlich mit der Übergabe der fertigen Maßnahme an den späteren Betreiber; dieser ist meist die Organisation, die das Projekt initiierte und gegenüber dem Fis als Projektträger aufgetreten ist. Durch die vertragliche Regelung ändert sich, wie bereits angedeutet, zu Beginn der Durchführungsphase die Verbindlichkeit der Beziehungen zwischen den Akteuren. Diese gesteigerte Verbindlichkeit kommt darin zum Ausdruck, daß der vormalige Antragsteller nunmehr in der Rolle des Projektträgers mit weitergehenden Rechten gegenüber dem Fis agiert. Außerdem treten zwei weitere Parteien in den Projektprozeß ein: An dem Vertragswerk zu jedem Projekt sind zusätzlich zu Projektträger und Fis ein Supervisor und ein Auftragnehmer beteiligt.2 Der Supervisor wird durch den Antragsteller vorgeschlagen und muß durch den Fis bestätigt werden. Er ist für die Überwachung des täglichen Arbeitsfortschritts zuständig. Der Auftragnehmer ist die Partei, die mit der Durchführung der mit dem Projekt verbundenen Arbeiten - zumeist Bauarbeiten - betraut wird. Dabei kann es sich um eine staatliche Einrichtung,3 ein privates Unternehmen oder eine Vereinigung der Nutznießer handeln. Er wird durch besondere Vergabeverfahren ausgewählt. Für die Beschaffung von Gütern und für die Erstellung von Infrastrukturarbeiten existieren spezielle Vergaberichtlinien mit unterschiedlich intensiven Kontrollmechanismen. Die Intensität dieser Kontrollen ist an den Auftragswert gekoppelt: Bei geringerwertigen Aufträgen werden einfachere Kontroll verfahren angewendet als bei höherwertigen. Hierbei wird zwischen mehreren Stufen unterschieden. Als Beispiel für die Auswahlverfahren für Auftragnehmer sind in der folgenden Tabelle 5.6 die Vergabevorschriften für Infrastrukturarbeiten zusammengefaßt. '
Die Förderungsrichtlinien des Fis sehen vor, d a ß nicht nur Projekte als G a n z e gefördert, sondern auch Ergänzungen in Form einzelner Leistungen gesondert beantragt werden können. Vgl. MacLean (1994): S. 11. Dadurch sind - im Gegensatz zu den Richtlinien des FSE - Nachvertiandlungen nach Beginn der Durchführungsphase möglich, die eine begrenzte nachträgliche Änderung der Rechte und Pflichten der Parteien erlauben.
2
Die Untersuchung bezieht einen Sonderfall nicht ein. Für Projektträger bestand grundsätzlich die Möglichkeit, eine andere Einrichtung - die eigene Interessen verfolgen kann - mit der Abwicklung des Projekts zu beauftragen. Diese Möglichkeit ist jedoch ausschließlich für Projekte nichtstaatlicher Träger relevant und wurde bis auf wenige Ausnahmen nicht angewendet.
3
Beispielsweise verfügen die regionalen Entwicklungskörperschaften (CORDES) teilweise über schweres Gerät und führen Bauarbeiten aus.
273
Tabelle 5.6 Vergabevorschriften für Infrastrukturarbeiten 1992 Verantwortlich für Vergabe
Regularien
Projektträger, Fis
Wenigstens drei unverbindliche Angebote von Unternehmen oder drei Gutachten fachkundigen Personals müssen eingeholt werden.
über US$ 20.000 landesweite bis US$ 40.000 Ausschreibung
Projektträger, Fis
Wenigstens ein verbindliches Angebot eines Bauunternehmens oder ein Gutachten einer fachkundigen Person muß eingeholt werden.
über US$ 40.000 landesweite bis US$ 100.000 Ausschreibung
Projektträger, Fis
Wenigstens ein verbindliches Angebot eines Bauunternehmens muß vorliegen; Ersatz durch ein Gutachten ist nicht möglich.
Auftragswert
Vergabemodalität
bis US$ 20.000
über US$ 100.000
"invitatio ad offerendum" (vereinfachte Vergabe)
Internationale Agenturen im Ausschreibung Auftrag von Projektträger und Fis
Durchführung durch international tätige Agenturen in Consultingfunktion (vgl. die folgenden Erläuterungen)
Quelle: República de Bolivia (1994).
Die Vorschriften für die Vergabe von Infrastrukturarbeiten sind in vier Stufen gegliedert. Bei einem Auftragswert von unter US$ 20.000 ist ein vereinfachtes Vergabeverfahren anzuwenden. Das Verfahren sieht vor, daß der Projektträger vor der Auftragsvergabe mindestens drei unabhängige Kalkulationen bzw. Angebote einholen muß. Zu diesem Zweck muß der Auftrag nicht öffentlich ausgeschrieben werden, sondern geeignete Unternehmen beziehungsweise Gutachter werden durch den Projektträger mit der Kalkulation beauftragt. Die Prüfung der Angebote sowie die Auswahl des Auftragnehmers obliegen den Mitarbeitern des Fis. Aufträge mit einem Volumen zwischen US$ 20.000 und US$ 100.000 müssen durch den jeweiligen Projektträger landesweit ausgeschrieben werden. Der Fis gibt für das Verfahren einen Höchstpreis vor, der sich aus dem Einheitskostenschema ergibt. Die Auftragsvergabe erfolgt, wenn mindestens ein verbindliches Angebot abgegeben wird. Bei einem Auftragsvolumen von bis zu US$ 40.000 kann das verbindliche Angebot auch durch die Kalkulation eines unabhängigen Gutachters ersetzt und der
274
Auftrag an eine öffentliche Durchführungsorganisation, beispielsweise die
CORDES
oder den Servicio Nacional de Caminos (SNE), vergeben werden. Die Vergabe von Aufträgen mit einem Volumen von mehr als US$ 100.000 erfolgt im Wege eines Ausschreibungsverfahrens ohne Teilnehmerbegrenzung. Die entsprechenden - zumeist technisch hochkomplexen - Leistungen werden international ausgeschrieben und an denjenigen Teilnehmer an dem Verfahren vergeben, der die Leistungen in der geforderten technischen Spezifikation zum geringsten Preis auszuführen anbietet. Mit der Abwicklung internationaler Auschreibungen muß der Fis in Bolivien ansässige, international tätige Agenturen beauftragen, die somit Consultingfunktionen für den Fis übernehmen. Diese Vorgehensweise ist eine "bolivianische Spezialität"1 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die für alle staatlichen Einrichtungen gilt. Allerdings nimmt der Fis auch hierbei eine Ausnahmestellung innerhalb des öffentlichen Sektors ein, indem für Ausschreibungen des Fis besondere Grenzwerte für die Auftragshöhe angewendet werden.2 Aus der Sicht des Fis und seiner Geber hat das Auschreibungsverfahren zwei Funktionen. Zum einen soll sichergestellt werden, daß die durchführende Organisation die technischen Spezialkenntnisse besitzt, um die Ausschreibung formulieren und Gebote einschätzen zu können. Zum anderen soll die internationale Ausschreibung dazu beitragen, daß das Verfahren transparent abläuft und Bieter davon absehen, auf einzelne Mitarbeiter des Fis Einfluß zu nehmen. Das Vertragswerk ist weitestgehend standardisiert. Die Standardverträge bestehen aus einer Beschreibung des Projektziels und -inhalts, einer detaillierten Auflistung der technischen Implikationen sowie einem Zeitplan. Der Projektträger verpflichtet sich, dem Fis eine Bürgschaft in Form einer Bankgarantie zu stellen. Diese Bankgarantie beläuft sich üblicherweise auf 30% des Auftragswertes (20% als Anzahlungsgarantie und 10% als Erfüllungsgarantie) und soll für die geplante Durchführungszeit des Vorhabens plus 60 Tage gültig sein.3 Im Gegenzug wird vereinbart, daß der Förderbetrag des Fis monatsweise in Teilbeträgen an den Projektträger ausgezahlt wird; es sind auch Zwischenzahlungen möglich. Die Höhe der Auszahlungen richtet sich '
Neuhaus (1996): persönliches Interview.
2
Die Ausnahmestellung des Fis im öffentlichen Dienst zeigt sich daran, daß die Grenzen der Vergabeverfahren deutlich höher liegen als für andere Organisationen. Die Grenzwerte für international auszuschreibende Aufträge sind zwar von der vergebenden Einrichtung abhängig, liegen jedoch zumeist bei etwa U S $ 50.000. Auch die Obergrenze für eine freie Vergabe ist vergleichsweise hoch. Eine freie Vergabe von Aufträgen, die ein Volumen von U S $ 5.000 überschreiten, ist in den ordentlichen Organisationen des öffentlichen Sektors in Bolivien nicht denkbar. Neuhaus (1996): Persönliches Interview. Auch im internationalen Vergleich mit anderen, ähnlich konzipierten Sozialfonds Ist diese Summe relativ hoch. Im Falle des honduranischen Fis beispielsweise liegt die Obergrenze für eine Auftragsvergabe im vereinfachten Vergabeverfahren bei U S $ 5.000. Vasquez (1996): persönliches Interview.
3
Wippllnger (1996): persönliches Interview.
275
nach dem Stand der geleisteten Arbeiten. Die Schlußzahlung erfolgt nach der endgültigen Abnahme der Arbeiten, die rund zwei Monate nach der vorläufigen Abnahme stattfinden soll. Als Sanktionsmechanismus für die nicht vertragsgemäße Ausführung von Arbeiten sehen die Musterverträge die Unterbrechung der Auszahlungen vor. Dieses Standardauszahlungsverfahren wird flexibel gehandhabt und kann etwaigen besonderen Umständen entsprechend angepaßt werden.1 Institutionenökonomisch hat der finanzielle Beitrag des Projektträgers die Funktion einer Kaution; dadurch, daß sich der Projektträger an der Finanzierung beteiligen muß, hat er ein eigenes Interesse am ordnungsgemäßen Abschluß des Projekts. In dem Falle, daß der Projektfortschritt von den vertraglichen Zusagen des Antragstellers abweicht, kann der Fis seine Zahlungen an den Projektträger stoppen. Da ein Teil der Projektausgaben aus der Kaution vorgelegt und die Kaution erst mit der letzten Zahlung durch den Fis erstattet wird, besteht für den Projektträger das Risiko, seinen finanziellen Beitrag zu verlieren. Die Durchführungsphase folgt einem festgelegten Schema. Nach Abschluß des Projektvertrags übernimmt der Projektträger die Verantwortung für den Projektfortgang. Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, die Arbeiten des Auftragnehmers zu koordinieren und diesen zu entlohnen. Wie bereits erwähnt besteht die Aufgabe des Supervisors darin, den täglichen Arbeitsfortschritt zu überwachen. Seine Entlohnung erfolgt durch den Fis. Auf Seiten des Fis liegt die Verantwortung für die Projektüberwachung bei den Regionalbüros.2 Jedes Projekt wird von einem Projektteam begleitet. Ein Projektteam besteht aus zwei Mitarbeitern, wobei der eine für den Bauteil und der andere (mit sozialwissenschaftlicher Ausbildung) für die übrigen Projektkomponenten zuständig ist. Ein solches Team soll für nicht mehr als 18 Einzelvorhaben verantwortlich sein.3 Die Projektteams begleiten jedes Projekt durch ein Kontrollsystem, das in regelmäßigen Abständen, d.h. grundsätzlich einmal pro Monat während der Durchführungsphase, eine Überprüfung des Projektfortschrittes durch projektbegleitende Evaluierungen ("Microevaluaciones") vorsieht. Bei diesen Microevaluaciones wird vor Ort ein Vergleich zwischen dem vertragsgemäß geplanten und dem tatsächlichen Stand der Arbeiten vorgenommen. Dieser Ortstermin dient der Früherkennung von Problemen bei der Ausführung der Arbeiten in verschiedenen Abschnitten der Durchführungs'
Wipplinger (1996): Persönliches Interview.
2
Die Erfahrungen des FSE hatten deutlich gemacht, daß durch die überwiegende Beschäftigung von Mitarbeitern mit technischer Ausbildung (Architekten, Ingenieure etc.) ein zu starkes Gewicht auf die technischen Aspekte der Projektprüfung und -betreuung während der Durchführungsphase gelegt worden war. Es wurde kritisiert, daß viele Projekte zwar technisch einwandfrei erstellt, aber aufgrund fehlender Bindung zu den Anwohnern nicht in gewünschtem A u s m a ß genutzt wurden. World Bank (1993a): S. 15.
3
Wipplinger (1996): persönliches Interview.
276
phase. Die Ergebnisse der Microevaluaciones sind die Grundlage für die weitere Auszahlung von Teilbeträgen des Fördervolumens. Neben dem Projektteam des zuständigen Regionalbüros und dem Supervisor sind folgende Parteien in die Projektfortschrittskontrolle involviert: Repräsentanten des Antragstellers, Vertreter der potentiellen Nutzer sowie der Auftragnehmer.1 Während die Evaluierungen in der Vorbereitungsphase früher ausschließlich von der Zentrale des Fis in La Paz geleistet und erst in jüngerer Zeit teilweise dezentralisiert wurde, liegt die Verantwortung für die Überwachung der Projekte in der Durchführungsphase schon seit Gründung des Fis bei den Regionalbüros. Die Tätigkeit der Regionalbüros wird allerdings durch die Zentrale überwacht: "The Supervision Department through nine (sic!) field offices is responsible for carrying out all supervision work. External supervisors are also hired to supervise day-to-day execution of civil works contracts. The Institutional Development Department would review periodically the work of the Supervision Department and of the (non-SIF) Supervisors and would be responsible for bringing to the Executive Director's attention problems arising in the supervision process, and make recommendations for improvements.1(2 Die Durchführungsphase endet mit der vorläufigen Abnahme ("recepción provisional") der Maßnahme durch den Fis. Im Anschluß an die Durchführungsphase wird das Projekt dem zukünftigen Betreiber, der zumeist identisch ist mit dem Projektträger, übergeben. Diese Übergabe ist durch die Annahmeerklärung aller beteiligten Gruppen zu bestätigen ("recepción definitiva"). In der anschließenden Nutzungsphase kann der Fis den Träger durch die vollständige oder teilweise Übernahme der Anlaufkosten weiterhin unterstützen. Dazu gehören Bereitstellungskosten wie auch laufende Kosten während des Betriebs der Projektmaßnahme. Für die laufenden Kosten wird eine Förderungshöchstdauer festgesetzt; nach Ablauf dieser Zeitspanne muß der Projektträger andere Finanzierungsquellen erschließen.3 Von Seiten des Fis wird zu diesem Zeitpunkt das Projekt abgeschlossen ("Cierre del Proyecto")4 Diese zeitweise Übernahme der laufenden Kosten ist untypisch für ein Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit. Üblicherweise werden allein Investitionskosten aus dem
Budget
der
unterstützenden
Organisation
getragen,
wohingegen
der
'
Wipplinger (1996): Persönliches Interview.
2
World Bank (1993a): S. 16. Es existieren allerdings nur 8 Regionalbüros, j e eines für jedes departamento mit Ausnahme des Pando. W e g e n der geringen Inzidenz von Fis-Projekten in diesem departamento werden die Interessen des Fis durch das Regionalbüro des Beni vertreten. Vgl. Treviño (1995): Persönliches Interview.
3
Wipplinger (1996): persönliches Interview.
4
Vgl. República de Bolivia (1994): S. 25.
277
Projektträger bzw. die Zielgruppe für laufende Kosten aufkommen muß. Ein derartiger Modus hat den Sinn, das Kostenbewußtsein der Nutznießer zu steigern und sie dadurch für ihre langfristigen Verpflichtungen zur Unterhaltung des Projektbetriebs zu sensibilisieren.1 Diese Anforderung wird jedoch durch das Auszahlungsverfahren des Fis nicht erfüllt. In diesem Sinne trägt die Subventionierung der Projekte während der Nutzungsphase nicht zur Verbesserung der langfristigen Nutzbarkeit der Projekte bei. 5.3.5.2. Kritische Würdigung der Monitoring-Verfahren Aus der Sicht des Fis haben die Monitoring-Verfahren den Zweck, die an einem Projekt in irgendeiner Weise beteiligten Gruppen - Antragsteller, Nutznießer, Auftragnehmer - sowie den externen Supervisor als "Schiedsrichter" in der Weise mit Rechten und Pflichten auszustatten, daß diese Gruppen sich in ihrem jeweiligen eigenen Interesse gegenseitig überwachen. Dem Fis kommt im Idealfall während der Projektdurchführung ausschließlich eine Koordinationsaufgabe zu. In Tabelle 5.7 sind die Rechte und Pflichten der beteiligten Gruppen nach Abschluß der Projektverträge zusammengefaßt. Diese Rechte und Pflichten der einzelnen Parteien wirken nicht isoliert von ihrer jeweiligen Organisationsform. Vielmehr ergeben sich in Verbindung mit deren eigenen Interessen bestimmte Motivationen für strategisches Handeln, die im folgenden zu berücksichtigen sind. Die zentrale Vertragspartei ist der Fondo de Inversión Social. Er verpflichtet sich zur Finanzierung eines Vorschlags des Antragstellers. Die Projektdurchführung wird auf der Grundlage eines dreiseitigen Vertrags überwacht. Dieser Mechanismus erscheint angesichts der Merkmale eines Projekts - einmalige beziehungsweise gelegentliche Zusammenarbeit des Fis mit dem Projektträger bei einer hochspezifischen Transaktion2 - durchaus angemessen. Dem Interesse der einzelnen Fis-Mitarbeiter, in der Projektdurchführung ausschließlich koordinierend zu wirken, trägt der gewählte Überwachungsmechanismus durch eine relativ weitgehende Delegierung der Kontrollpflichten Rechnung. Den Pflichten zur Finanzierung und Überwachung der Projekte stehen weitgehende Rechte zur Sanktionierung des Projektträgers gegenüber; dadurch ist gewährleistet, daß die Interessen des Fis während der Durchführungsphase durchgesetzt werden können. Zudem wurden Fis-interne Kontrollmechanismen eingebaut; diese sichern eine
1
Hartmann (1997): persönliches Interview.
2
Vgl. Williamson (1990): S. 84ff.
278
geeignete Arbeitsteilung zwischen Zentrale und Regionalbüros und schränken den Handlungsrahmen für strategisches Verhalten der einzelnen Mitarbeiter ein. Tabelle 5.7 Wichtige Rechte und Pflichten der an der Projektdurchführung beteiligten Parteien Partei
Pflichten
Rechte
Fis
• Leistung eines finanziellen • Auswahl des Supervisors Beitrags • Regelmäßige Projektevaluierung • Überwachung bzw. Leitung
Projektträger
• Bereitstellung einer Kaution • Leistung eines finanziellen Eigenbeitrags • Sicherstellung des Projektfortgangs • Kontrahierung der Auftragnehmer
Supervisor
• Ständige Überwachung der • Regelmäßige Entlohnung durch Arbeitsfortschritte den Fis
• Deckung der Gemeinkosten der Organisation • Empfang des etappenweise ausgezahlten Fis-Beitrags • Möglichkeit zur Nachverhandlung der Projektinhalte • Betrieb der durch das Projekt geschaffenen Einrichtung
Auftragnehmer • Ausführung der vertraglich • Entlohnung durch den zugesicherten Arbeiten Projektträger Nutznießer
• Leistung eines finanziellen • laufende Kontrolle des oder physischen Projektfortgangs Eigenbeitrags • Beschwerde bei Supervisor • Hinauszögern der endgültigen Abnahme • spätere Nutzung der Einrichtung
Quelle: eigene Zusammenstellung.
Wie in Abschnitt 5.3.3. dargestellt, hat der Projektträger ein grundlegendes Interesse an der Durchführung des Projekts. Die wirtschaftlichen Eigeninteressen allerdings könnten entweder dazu führen, daß der Projektträger seine Durchführungskosten zu minimieren sucht oder daß er versucht, sich während der Durchführung des Projektes einen Teil des Förderbetrages anzueignen. Die Kosten des Projektträgers für die Durchführung eines Vorhabens resultieren vor allem aus der Überwachung des Auftragnehmers. Eine Minimierung der Durchführungskosten ist somit nur dann möglich, wenn der Projektträger seinen Aufwand für die
Überwachung des Auftragnehmers reduziert.
Dieser
Intention wirkt
der
279
Mo/j/'foring-Mechanismus entgegen. Zum einen wirkt die Einbehaltung der Kaution bei Fehlverhalten als Drohung. Zum anderen werden die Inhalte des Projektvertrages auf der Basis der Microevaluaciones direkt mit der Auszahlung der Fortschrittszahlungen verknüpft. Beide Mechanismen führen dazu, daß der Projektträger ein Eigeninteresse an einem vertragsgemäßen Projektfortgang hat und deshalb die Projektdurchführung in geeigneter Weise überwacht. Der Projektträger kann versuchen, sich einen Teil des Förderbeitrags anzueignen, indem er die Kosten für Auftragnehmer einseitig reduziert. Dadurch sinken die Projektkosten und der Deckungsbeitrag des Projektträgers steigt. Der Fis muß diese Strategie abwehren, sobald die Projektqualität zu sinken droht. Als Mechanismus dazu dient die sehr detaillierte Spezifizierung der Vertragsinhalte. Da eine vollständige Spezifikation des Vertrags aber aufgrund der technischen Komplexität der Projekte oftmals nicht möglich ist, wurde zudem durch die Einbeziehung des Supervisors ein dreiseitiger Überwachungsmechanismus implementiert. Außerdem verfügen alle Vertragsparteien über eine Kontrollmöglichkeit, indem die endgültige Projektannahme verweigert bzw. hinausgezögert wird. Dies hat für den Projektträger im schlechtesten Fall zur Folge, daß seine Bankgarantie in Anspruch genommen wird und die Kaution verfällt. Letztendlich kann das Interesse des Projektträgers auch auf eine langfristige Kooperation mit dem Fis gerichtet sein. Dies ist der Fall, wenn der Projektträger auch der spätere Betreiber der Einrichtung ist oder die Intention verfolgt, bei der Realisierung weiterer Projekte durch den Fis unterstützt zu werden. In diesem Fall wird er versuchen, im Interesse seines Prinzipals zu handeln, um die spätere Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Mechanismen zur Überwachung der Projektträger durchaus als wirksam anzusehen sind. Die Spielräume des Projektträgers sind stark begrenzt; durch die Gestellung der Kaution hat er zudem einen Anreiz, im Sinne des Fis zu handeln und somit die technische Qualität der Projekte zu sichern. Der Supervisor ist im Regelfall eine gewinnorientierte Organisation. Oftmals werden Ingenieurfirmen oder freie Gutachter mit der Supervision der Projekte beauftragt. In Fällen, in denen der Projektträger eine staatliche Einrichtung ist, die über das nötige technische Wissen - qualifizierte Mitarbeiter oder eine technische Abteilung - verfügt, kann der Träger selbst auch die Supervision des Projekts übernehmen. Der Fis verzichtet in diesen Fällen auf eine Kontrolleinrichtung. Offenbar wird davon
280
ausgegangen, daß staatliche Projektträger keine von den Interessen des Fis abweichenden Eigeninteressen verfolgen. Der Supervisor muß dem Fis über seine Tätigkeit regelmäßig Bericht erstatten. Er fungiert im Standardvertragswerk als Schiedsrichter,1 der die notwendigen technischen Kenntnisse besitzt, um die erbrachten Leistungen laufend beurteilen zu können. Aufgrund seiner häufigen Ortstermine hat er zudem projektspezifisches Wissen und kann zur Beilegung von Streitigkeiten beitragen. Die Rolle des Supervisors ist jedoch insofern nicht vollständig geklärt, als er im Auftrag zweier Parteien agiert: er wird von dem Projektträger vorgeschlagen und durch den Fis unter Vertrag genommen. Das erste Charakteristikum läßt darauf schließen, daß bereits vor der Projektdurchführung Kontakte zum Projektträger bestehen, deren Qualität durch den Fis nur unvollständig beobachtet werden kann. Das zweite Merkmal seiner Rolle definiert ihn als Agenten des Fis. Diese Konstellation erlaubt dem Supervisor unter Umständen die Verfolgung eigener Interessen, die darin bestehen könnten, den Überwachungsaufwand zu senken. Allerdings ist diese Strategie dadurch begrenzt, daß auch die Projektteams des Fis über projektspezifisches Wissen verfügen und einmal monatlich mit allen Parteien einen Ortstermin vornehmen. Der Auftragnehmer ist letztlich der Agent des Projektträgers. Anhand der Klassifikation des Abschnitts 5.3.4.1. können vier Gruppen von Auftragnehmern gegeneinander abgegrenzt werden; diese sind Selbsthilfegruppen der Nutznießer, private Organisationen ohne Erwerbscharakter, staatliche Einrichtungen, und private, gewinnorientierte Unternehmen. Jede dieser Gruppen weist spezielle Eigeninteressen auf, die mögliches strategisches Handeln beeinflussen. Selbsthilfegruppen der Nutznießer haben ein vergleichsweise hohes Eigeninteresse an der Projektabwicklung. Derartige Organisationen erbringen den notwendigen Eigenbeitrag zur Durchführung des Projekts zumeist in Form von Arbeitsleistungen ihrer Mitglieder. Wenn eine Selbsthilfegruppe der Nutznießer als Auftragnehmer agiert, so ist zu erwarten, daß deren besonderes strategisches Verhalten allenfalls darauf zielt, den Nutzen des Projekts für die Armen zu vergrößern. Beispielsweise können dem Projektbudget Arbeiten angelastet werden, die im Projektvertrag ursprünglich nicht vorgesehen sind. Der Spielraum für derartiges Verhalten ist jedoch zum einen durch die besonderen Beschaffungs- bzw. Vergabevorschriften, zum anderen durch die vertragsmäßige Fixierung der Aufgabenstellung des Auftragnehmers begrenzt.
1
Vgl. Williamson (1990): S. 84.
281
Wenn es sich bei dem Auftragnehmer hingegen um eine staatliche Organisation handelt, steht wahrscheinlich deren wirtschaftliches Eigeninteresse im Vordergrund; bei gewinnorientierten privaten Auftragnehmern ist dies Interesse offensichtlich. In diesen Fällen werden Auftragnehmer versuchen, einen möglichst großen Beitrag zur Deckung der laufenden Kosten zu erwirtschaften. Das kann dazu führen, daß Arbeiten gar nicht oder nur unvollkommen ausgeführt werden. Auch diesem Interesse wirken die Spezifikation der Vertragsinhalte und die Einbeziehung des Supervisors entgegen. Jedoch kann der Auftragnehmer in Verhandlungen mit dem Projektträger versuchen, Nachbesserungen auszuhandeln. In diesen Verhandlungen hat er eine relativ starke Position, da der Projektträger die Kaution gestellt hat und deren Rückzahlung von der Ausführung der Arbeiten durch den Auftragnehmer abhängt; die Strategie des Antragstellers könnte in einer "Geiselnahme" bestehen, die sich daraus ergeben kann, daß Arbeiten begonnen werden, der Abschluß aber von Änderungen der Vertragsinhalte abhängig gemacht wird. Diesem Verhalten kann durch die weitgehende Spezifikation des Projektvertrags entgegengewirkt werden. Der Mechanismus wirkt jedoch nur dann, wenn keine Interpretationsspielräume für den Auftragnehmer bestehen und der Auftragnehmer außerdem ein Interesse an der Fortsetzung der Beziehungen mit dem Projektträger hat. Aus diesem Grund muß der Projektträger die Entlohnung des Auftragnehmers ebenfalls nur stufenweise auszahlen. Über das Verhalten privater, nicht gewinnorientierter Organisationen kann keine pauschale Aussage getroffen werden, weil diese Gruppe in sich sehr heterogen ist. In dem Fall, daß die Organisationsmitglieder ein Eigeninteresse an Armutsbekämpfung verfolgen, werden sie sich ähnlich wie Mitglieder einer Selbsthilfegruppe der Nutznießer verhalten. Dann ist das Risiko, daß der Projekterfolg durch strategisches Verhalten des Auftragnehmers gefährdet ist, geringer. Die Nutznießer eines Projektes sind in geringem Umfang an der Finanzierung eines Projekts beteiligt.1 Sie sind nur dann eine aktive Vertragspartei, wenn sie entweder selbst als Projektträger agieren oder als Auftragnehmer Teile des Projekts selbst herstellen. In diesen Fällen gelten für die Nutznießer die Mitwirkungsrechte der jeweiligen Vertragspartei. Diese Einflußnahme betrifft jedoch ausschließlich Projekte, die von Selbsthilfegruppen oder NGO getragen werden. In allen anderen Projekten besteht der Einfluß der Nutznießer auf die Projektdurchführung 1
in einem
Vgl. Tabelle 4.12.
Beschwerderecht
und einem allgemeinen Vetorecht.
Das
282
Beschwerderecht wird vor allem durch die Zusammensetzung der Projektteams des Fis ermöglicht. Der sozialwissenschaftlich ausgebildete Mitarbeiter hat die Funktion, den sozialen Kontext des Projekts einzuschätzen; dazu gehört auch, die Zufriedenheit der Nutzergruppe periodisch zu erfragen. Das Vetorecht besteht vor allem darin, die endgültige Abnahme hinauszuzögern oder zu verweigern. Dieses Verhalten hat die Konsequenz, daß der Projektträger einen Zinsverlust oder, im schlechtesten Fall, den Verlust seiner Kaution erleidet. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Fis ein Standardvertragssystem anwendet, das zur Abwicklung seiner Vorhaben grundsätzlich geeignet erscheint. Bei der Ausgestaltung der Projektverträge wird ein erheblicher Wert auf die Details der technischen Ausführung eines Projekts gelegt; außerdem sind Anreize und Kontrollrechte so verteilt, daß die Umsetzung dieser Vorgaben generell sichergestellt werden kann. Die weitestgehenden Kontrollrechte verbleiben auf Seiten des Fis. Obschon die technische Ausführung der Projekte problemgerecht organisiert ist, muß bezweifelt werden, ob das Vertragssystem den besonderen Anforderungen an eine armutsorientierte Projekttätigkeit genügt. Wie in Abschnitt 2.3.4. gezeigt wurde, besteht eine zentrale Anforderung an unmittelbar wirksame Maßnahmen zur Armutsbekämpfung darin, sicherzustellen, daß die Nutzen der Projekte überwiegend den Armen zugute kommen. Dieser Anforderung wird hinsichtlich der Vertragsgestaltung des Fis offenbar nicht Rechnung getragen. Das zeigt sich besonders deutlich an zwei Beobachtungen: Zum einen haben die in die Durchführung involvierten Vertragsparteien nur in Ausnahmefällen ein Eigeninteresse an der Bekämpfung der Armut, zum anderen verfügt die Zielgruppe nur über sehr geringe Einflußmöglichkeiten. Daraus ist zu schließen, daß die Nutzen der Projekte für die Zielgruppe durch eine Änderung der Vergabe- und Überwachungsregeln gesteigert werden könnte.
5.3.6. Zusammenfassung Die institutionenökonomische Analyse des fünften Kapitels hat bis hierher gezeigt, daß die Armutswirkungen des Fis von einer ganzen Reihe von Agency-Problemen beeinflußt wird. Diese Probleme betreffen zum einen die internen Entscheidungsstrukturen und zum anderen die Verteilung von Mitwirkungsrechten auf externe Interessengruppen. Das erstgenannte Problem resultiert daraus, daß einige interne Entscheidungsstrukturen suboptimal konfiguriert sind. Aus der Betrachtung wurde deutlich, daß die internen Kompetenzen im großen und ganzen angemessen ausgestaltet sind. Dies betrifft sowohl die interne hierarchische Gliederung als auch die Aufgabenverteilung
283
zwischen der Zentrale des Fis und seinen Regionalbüros. Allerdings wurde die Tatsache, daß die Tätigkeit der Organisation von den Interessen vor allem von der Regierung und diejenigen Mitarbeiter, die dem privaten Untenehmenssektor entstammen, beeinflußt werden, als Problem für die Armutsorientierung des Fis erkannt. Insbesondere die Regierung verfügt über vielfältige Einflußmöglichkeiten auf die Mitarbeiter des Fis, mit denen die Organisation in ihrem Sinne gesteuert werden kann; nicht zuletzt sind die internen Anreize derart strukturiert, daß wichtige Mitarbeiter ein Interesse an dem Machterhalt der Regierung haben. Demgegenüber haben die externen Geberorganisationen nur geringe Einflußmöglichkeiten. Die Effizienz der Tätigkeit des Fis wird in erster Linie durch die Gliederung des Arbeitsablaufs beeinträchtigt. Diesbezüglich ergab die Untersuchung, daß der Vorstand des Fis über weitgehende strategische und auch operative Handlungskompetenzen verfügt. Zum anderen hat die Untersuchung gezeigt, daß die Mitwirkungsrechte zwischen denjenigen Parteien, die in irgendeiner Weise an dem Fis oder seiner Tätigkeit interessiert und nicht unmittelbar Organisationsmitglieder sind, sehr ungleich verteilt sind. Zu diesen Personengruppen sind vor allem die Regierung, die internationalen Geber, die Zielgruppe und die Projektträger zu zählen; sie werden im folgenden unter dem Begriff "externe Interessengruppen des Fis" zusammengefaßt. Die Verteilung der Mitwirkungsrechte bestimmt letztlich die Gestaltung der Organisation sowie deren Ziel und wirkt dadurch auf die internen Entscheidungsprozesse; aus diesem Grund ist aus der Sicht der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der Verteilung der Mitwirkungsrechte besonderes Augenmerk zu schenken. Die wichtigsten Mitwirkungsrechte der für die Armutsbekämpfung relevanten externen Interessengruppen auf verschiedenen Ebenen der Projekttätigkeit sind in Tabelle 5.8 zusammengefaßt. Die externen Interessengruppen können holzschnittartig in Prinzipale und Klienten des Fis unterschieden werden. Zunächst werden die Mitwirkungsrechte der einzelnen Prinzipale verglichen, danach folgt eine Analyse der Mitwirkungsrechte der Klienten, d.h. der Projektträger und der Nutznießer. Die Einflußmöglichkeiten der Prinzipale des Fis - der Regierung und der Geberorganisationen - sind in Abbildung 5.1 als Pfeile (1) bis (5) dargestellt.
284
Tabelle 5.8 Überblick: Mitwirkungsrechte der externen Interessengruppen Mitwirkung
Bolivianische Internationale Geber Regierung
Zielgruppe
Antragsteller/ Projektträger
Beauftragung •gesetzlicher Auftraggeber des Fis
•Mitwirkung bei •(-) der Beauftragung
• H
Einflußnahme • laufende Konauf die interne trolle durch vertikale Organisation Integration
•regelmäßig wiederkehrende Kontrolle des Projektfortschritts •Vetorechte bzgl. Mittelverwendung
• H
Finanzierung
•
( - )
•geringer Ei•erheblicher Bei- •geringer Ei- •maßgeblicher genbeitrag zur trag zur Finanzie- genbeitrag Eigenbeitrag Finanzierung rung des Fis zur Finanzie- zur Finanziedes Fis rung des jew. rung des jew. Projekts Projekts
Gestaltung d. •Überwachung •Vetorecht durch Programme
• H
CONAPSO
Auswahl d. Antragsteller
•Lizensierung
• H
• z.T. durch Lizensierung
Gestaltung d. •Lizensierung Projekte
• Vetorecht
• Aushandlung mit Fis
Einflußnahme "fachliche Kontrolle auf den (Ministerien) Projektablauf
• Vetorecht
• Aushandlung mit Fis
• H
Quelle: eigene Zusammenstellung.
Die Zusammenstellung in Tabelle 5.8 zeigt, daß die bolivianische Regierung auf jeder der betrachteten Ebenen über Möglichkeiten zur Beeinflussung der Tätigkeit des Fis verfügt. Die Mitwirkungsrechte betreffen sowohl die organisatorische Gestaltung des FIS - die gesetzliche Auftragstellung, die Überwachung der internen Organisation und die Finanzierung durch einen finanziellen Eigenbeitrag - als auch dessen operative Tätigkeit; darunterfallen die Einflußnahme des
CONAPSO
auf die Gestaltung
der Programme, die Lizensierung der Projektträger, die Gestaltung der einzelnen Projekte
und
die
Projektvorbereitung.
Rücksprache
mit
den
Fachministerien
während
der
285
Demgegenüber beschränken sich die Mitwirkungsrechte der ausländischen Geberorganisationen auf die organisatorische Gestaltung des Fis; hier sind der erhebliche finanzielle Beitrag, die Mitwirkung bei der Formulierung des Organisationsziels und die regelmäßigen Projektfortschrittskontrollen zu nennen. Diese Mitwirkungsmöglichkeiten der Geberorganisationen sind weniger wirksam als diejenigen der Regierung. Die asymmetrische Verteilung der Mitwirkungsrechte zwischen den Prinzipalen an sich ist noch kein Problem für die Tätigkeit des Fis. Hinzu kommt aber, daß die Ergebnisse der Analyse darauf hindeuten, daß zwischen der Regierung und den ausländischen Geberorganisationen ein latenter Interessenkonflikt hinsichtlich der Bedeutung und Ausgestaltung von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung herrscht. Insofern könnten die Ergebnisse der Analyse des targeting der Ausgaben in Abschnitt 4.5.3 dahingehend interpretiert werden, daß die bolivianische Regierung ihre gegenüber den externen Gebern vergleichsweise weitreichenden Mitwirkungsrechte dazu nutzt, die Tätigkeit des Fonds in ihrem Sinne zu beeinflussen. Nicht nur zwischen den Prinzipalen, sondern auch zwischen den für die Projekttätigkeit wichtigsten Klientengruppen besteht eine asymmetrische Verteilung der Mitwirkungsrechte. Die Zielgruppe ist für die Armutsorientierung der Projekte des Fis die wohl wichtigste externe Interessengruppe. Wie aus Tabelle 5.8 hervorgeht, besitzt diese Zielgruppe jedoch ausschließlich indirekte Mitwirkungsrechte auf die operative Tätigkeit des Fis, und selbst diese sind außerordentlich schwach. Es hat den Anschein, als stünde die Zielgruppe ausschließlich vor der Entscheidung, ein Projekt anzunehmen oder abzulehnen; möglicherweise besitzt sie zudem einen Verhandlungsspielraum
bezüglich
der
Festsetzung
ihres
letztlich
sehr
geringen
Eigenbeitrags. Im Vergleich dazu verfügen die Projektträger über erheblich stärkeren Einfluß. Obzwar auch sie keine Möglichkeit besitzen, die organisatorische Gestaltung des Fis zu beeinflussen, geht ihre Mitwirkung bei der Durchführung von Projekten über die Mitsprache hinaus. In der Rolle des Antragstellers treffen sie letztlich die Entscheidung über den Standort und die Art des vorgeschlagenen Projekts. Zudem wirken die Projektträger bei der Ausgestaltung der Projektinhalte und der Organisation der Projektdurchführung mit; nicht zuletzt sind sie es, die den Supervisor vorschlagen und den Auftragnehmer unter Vertrag nehmen. Die Betrachtung macht deutlich, daß sowohl die Rechte zur Einflußnahme auf die Organisationsgestaltung als auch die Rechte zur Mitwirkung an Projekten sehr ungleich verteilt sind. Besonders weitreichende Mitwirkungsrechte besitzen die
286
Regierung und, allerdings in weitaus geringerem Maße, die Projektträger. Diese Verteilung der Mitwirkungsrechte wirkt sich in Verbindung mit den unterschiedlichen Interessen negativ auf die Tätigkeit des Fonds aus. Deshalb sind im folgenden Strategien zu entwickeln, mit denen die Mitwirkungsrechte der einzelnen stakeholders beeinflußt werden können.
5.4. Handlungsempfehlungen für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Im vorigen Abschnitt wurde herausgearbeitet, daß die Wirksamkeit des Fis für die Armutsbekämpfung dadurch verbessert werden könnte, daß die Mitwirkungsrechte der stakeholders geändert werden. Die relevanten stakeholders sind zum einen die externen Interessengruppen - Prinzipale, Projektträger, Auftragnehmer und Zielgruppen. Zum anderen könnte auch die Änderung der internen Anreiz- und Entscheidungsstrukturen zur Steigerung der Effektivität des Fis beitragen. Im folgenden Abschnitt sollen Ansatzpunkte und Maßnahmen aufgezeigt werden, wie die Mitwirkungsrechte im Sinne der Armutsbekämpfung umverteilt werden können. Im Verhältnis der Prinzipale stehen die Mitwirkungsrechte der ausländischen Geberorganisationen nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zu ihrem hohen finanziellen Engagement. Die schwachen Mitwirkungsrechte der Geber mögen zwar aus übergeordneten ordnungspolitischen oder entwicklungspolitischen Gründen gewollt sein. Vor dem Hintergrund der instutionenökonomischen Betrachtung zeigt sich jedoch die wichtige Rolle der externen Geber für die Armutsbekämpfung. Einzig die Geberorganisationen verfügen über geeignete Instrumente zur Umverteilung der Mitwirkungsrechte an der Projektdurchführung. Diese Umverteilung ist notwendig, damit die Interessen der armen Bevölkerung an den Projekten des Fis vertreten bzw. damit arme Zielgruppen stärker als bisher an den relevanten Entscheidungen beteiligt werden. Der große Umfang der Zahlungen der externen Geber an die Regierung zur Unterstützung des Sozialfonds ist zwar möglicherweise dadurch zu rechtfertigen, daß der finanzielle Handlungsspielraum der Regierung gering ist; trotzdem sollten die Geber stärker als bisher darauf dringen, daß auch inländische Reformen vorangetrieben werden. Wenn der Sozialfonds jedoch zu 95% aus externen Mitteln gespeist wird, ist der Anreiz für die Regierung, Reformen einzuleiten, außerordentlich gering. Im Verhältnis der Klienten zueinander verfügt die Zielgruppe im Vergleich mit den Projektträgern - und erst recht im Vergleich mit dem Fis - über sehr geringe Mitwirkungsrechte. Auch hier bieten sich Ansatzpunkte zur Verbesserung der Wirksamkeit
287
des Fonds. Unabhängig von der Beeinflussung der Mitwirkungsrechte der Prinzipale ist zudem wünschenswert, daß der Fis die Armutswirksamkeit seiner Projekttätigkeit steigert. Fünf Ansatzpunkte zur Erreichung eines "Gleichgewichts der Mitwirkungsrechte und -pflichten der Prinzipale" stehen den ausländischen Gebern offen: Erstens könnten sie darauf dringen, die eigenen Rechte für eine direkte Mitwirkung auszuweiten. Zweitens könnten die indirekten Mitwirkungsrechte ausgeweitet werden. Als dritte Strategie der Geber ist zu überdenken, in welchem Maße die Mitwirkungspflichten der nationalen Regierungen verstärkt werden können. Viertens könnte die Strategie der entwicklungspolitischen Geberorganisationen darin bestehen, die Mitwirkungsrechte der Regierung direkt zu verringern. Die fünfte Strategie könnte darin bestehen, die Mitwirkungsrechte der Regierung indirekt durch die Aufnahme einer internen Vergaberegel zu verringern. Eine Ausweitung der eigenen Mitwirkungsrechte könnten die ausländischen Geber dadurch erzielen, daß auch sie eine direkte Mitwirkung im Fis anstreben. Diese Mitwirkung könnte so gestaltet sein, daß ein Vertreter der Geber als ständiger Berater an den relevanten internen Entscheidungsprozessen beteiligt wird; zu diesem Zweck müßten die Mitwirkungsrechte dieses Beraters definiert werden. Eine derartige Konstellation würde den Gebern einerseits eine zeitnahe Steuerung ihres Projektes erlauben. Andererseits wäre damit auch erreicht, daß die Geberorganisationen eine Mitverantwortung für die Entscheidungen des Fis übernehmen und sich in der Organisation intensiver engagieren. Zudem wird behauptet, daß die Kosten der Projektüberwachung durch eine direkte Kontrolle steigen würden. Diese Argumente sind im folgenden eingehend zu prüfen. Wenn sich die Geber für eine intensive direkte Einflußnahme entscheiden würden, müßte dem Fis zunächst ein neuer Status zugebilligt werden: Der Fonds müßte in Kooperation mit der "Technischen Zusammenarbeit" betreut werden, weil die mit einer direkten Mitwirkung verbundene Trägerförderung die Möglichkeiten der "Finanziellen Zusammenarbeit" übersteigen würde. Diese Neueinstufung wäre aus der Sicht der Armutsbekämpfung sinnvoll, weil durch diese Stärkung der Institutionen auch deren Möglichkeiten zur Formulierung und Realisierung einer armutsorientierten Politik steigen würden. Ein derartiges institutionelles Arrangement wurde bereits bei anderen Organisationen gewählt, die ähnliche Ziele wie der Fis verfolgen und ebenfalls durch Mittel der Entwicklungszusammenarbeit finanziert werden. Ein Beispiel ist der bolivianische Fondo de Desarrollo Campesino (Foc). Die Aussagen von Mitarbeitern dieses Fonds deuten darauf hin, daß die Einbeziehung eines Langzeitexperten erheblich zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des FDC beitrug.1
288
Die Abordnung eines Vertreters der Geber als ständigen Berater des Fis könnte aus drei Gründen negativ bewertet werden. Erstens entstehen durch die direkte Überwachung Kosten, insbesondere Personal kosten, für den entsandten Mitarbeiter. Zweitens wird durch die Entsendung von Vertretern der Geber der Handlungsspielraum der Fis-Mitarbeiter eingeschränkt, was nicht nur positiv zu werten ist. Drittens macht die Entsendung eine stärkere Koordinierung der externen Geber notwendig. Die beiden ersten Einwände sind nicht zwingend und werden deshalb kurz diskutiert. Die Entsendung eines Vertreters steigert zwar die Personalausgaben der Geber, es steht aber zu erwarten, daß sich dadurch die Zielgenauigkeit der eingesetzten Projektmittel erhöht. Zudem sinkt der Aufwand der Geber für regelmäßige externe Kontrollbesuche. Aus diesen Gründen ist a priori nicht sicher, ob die vorgeschlagene Alternative tatsächlich höhere Kosten verursacht als die bisher praktizierte indirekte Kontrolle. Dem zweiten genannten Einwand gegen ein direktes Engagement der Geber in einem Sozialfonds liegt die Annahme zugrunde, daß durch die Entsendung eines Vertreters zwar kurzfristig die Effektivität der Mittelverwendung gesteigert werden könne. Langfristig würden jedoch die Möglichkeiten der stakeholders des Fis eingeschränkt, an die spezifischen Verhältnisse des Landes angepaßte Institutionen zu entwickeln. Das betrifft in erster Linie die bolivianische Regierung und die leitenden Mitarbeiter des Fis. Es kann sich aber auch auf die Klienten und hier insbesondere auf die armen Zielgruppen beziehen. Die Analyse der Kooperation des Fis mit den Projektträgern und den Zielgruppen verdeutlicht, wie wichtig die Ausgestaltung der Schnittstellen zwischen dem Fonds und seinen Klienten für die Projekttätigkeit ist. Die Entsendung eines Vertreters der Geber in den Fonds könnte dazu führen, daß für die Kommunikation mit den Klienten Regeln angewendet werden, die für die Zusammenarbeit der Geber mit ihren Klienten zweckmäßig sind, die Entwicklung eigener Regeln durch den Sozialfonds aber behindern. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, daß die Geber de facto bereits bisher über erhebliche - teilweise informell angelegte - Einflußmöglichkeiten verfügen. Diese werden dazu genutzt, einzelne wichtige Entscheidungen zu beeinflussen. Die Entsendung eines Vertreters in den Fonds würde also keine Änderung der Entscheidungsfindung ergeben. Die Beurteilung der Möglichkeit, Vertreter der Geber zu entsenden, hängt letztlich von deren beabsichtigter Rolle und ihren Kompetenzen ab. Ein Eingriff in operative 1
Vgl. Treviflo (1995): pers. Interview; Trevifio arbeitete von 1989 - 1993 für den Fis und ist seit 1993 Foc tätig. Dieselbe Meinung vertritt Steurer (1995): pers. Interview. Steurer war als Langzeitexperte der GTZ für den Foc zuständig.
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Entscheidungen kann durch eine entsprechende Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte verhindert werden: Der Vertreter der Geber sollte vor allem das Recht (und die Pflicht) haben, die Tätigkeit des Fis zu beobachten und die Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen zu beraten. Demgegenüber wären seine direkten Entscheidungsrechte möglichst gering zu halten. Als Alternative zu einer ständigen Mitarbeit eines Vertreters könnten die Geber ihre indirekten Mitwirkungsrechte intensivieren, indem sie die Ausgestaltung einzelner Projekte und ihre Wirkungen stichprobenartig untersuchen. Damit dieses Instrument die gewünschte Wirkung erzielt, muß die Auswahl der zu überprüfenden Projekte durch die Geber getroffen werden, und die Stichprobe darf den Mitarbeitern des Fis im vorhinein nicht bekannt sein. Mit einer stichprobenartigen Untersuchung müßten zudem besondere Anreize und Sanktionen verknüpft werden, um sicherzustellen, daß der Fis die Interessen der Geber verfolgt. Eine Möglichkeit wäre, die Auszahlung von Projektmitteln an den Fis stärker an das Ergebnis der Prüfung zu knüpfen. Es ist allerdings anzunehmen, daß auch bisher die Zusage weiterer Projektmittel informell mit den Erkenntnissen der regelmäßigen Prüfungen verknüpft wurde. Der Zusammenhang ist jedoch bisher für beide Seiten nicht klar definiert. Um die Ergebnisse der regelmäßigen Prüfungen auch offiziell als Entscheidungsgrundlage für eine weitere Mittelvergabe nutzen zu können, müßte erstens eine genügend große Stichprobe untersucht werden. Zweitens müßten die Geber Kriterien entwikkeln, die dem Fis die Anforderungen an den Erfolg eines Projekts verdeutlichen. Drittens müßten Sanktionen in Form meßbarer Strafen definiert werden. Denkbar wäre, daß die Geber bei einem negativen Ergebnis einer Projektprüfung das Volumen ihrer für die nächste Periode zugesagten Mittel reduzieren. Das Ausmaß dieser Kürzungen müßte im vorhinein - bspw. in Form eines bestimmten Prozentsatzes - definiert werden. Dieser Prozentsatz sollte so hoch liegen, daß die Kürzung für den Fonds einerseits spürbar ist, daß aber andererseits dessen Existenz bei einmaligem Fehlverhalten nicht bedroht ist. Durch ein derartiges Prüfungsverfahren könnten die Geber sicherstellen, daß ihre Interessen in die Projekttätigkeit des Fis einfließen. Allerdings sind auch diese Prüfungen relativ zeitaufwendig und teuer. Letztlich könnten sie eher als Ergänzung denn als Ersatz der bisherigen Überprüfungen der Mitarbeiter der Zentrale dienen. Eine Strategie zur Ausweitung der Mitwirkungspflichten der Regierung müßte darauf abzielen, den Eigenbeitrag, den die Regierung zu leisten hat, zu steigern. Für diese Strategie sprechen im wesentlichen vier Argumente.
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Erstens ist zu erwarten, daß eine Steigerung des eigenen Beitrags vor dem Hintergrund knapper Haushaltsmittel zu steigendem Interesse der Regierung für die Mittelverwendung durch den Fis führen würde. Dies würde letztlich zu einer Intensivierung der Kontrollen der Regierung führen. Zweitens würde das Problem der Abstimmung zwischen Ministerien und Sozialfonds stärker in den Blickpunkt der Regierung gerückt; eine teure Duplizierung von Aufgaben innerhalb der staatlichen Bürokratie würde für die Regierung spürbar. Es ist zu erwarten, daß bei steigendem Finanzbedarf des Sozialfonds seine Aufgaben stärker diskutiert würden und eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Ministerien und Fonds erleichtert würde. Gleiches gilt für das Problem der Umverteilung. Ein höherer Finanzbedarf des Sozialfonds würde - bei gleichbleibender Höhe der staatlichen Einnahmen - bedeuten, daß für andere Verwendungen weniger Mittel zur Verfügung stünden. Auf diesem Wege würde somit eine Diskussion innerhalb des Landes darüber angeregt, wieviel Umverteilung politisch gewünscht ist. Das vierte Argument bezieht sich auf die Folgen des Sozialfonds für die Staatsverschuldung und die langfristigen Wachstumsaussichten. Ein steigender Eigenbeitrag der Regierung würde - bei gleichbleibendem finanziellen Volumen des Fonds - zu einer Verminderung der Neuverschuldung führen. Diesen Vorteilen sind allerdings die Argumente entgegenzuhalten, die für einen hohen Anteil externer Transfers an den Fis angeführt werden. Insbesondere ist zu bedenken, wie hoch die Opportunitätskosten einer stärkeren inländischen Beteiligung an der Finanzierung des Sozialfonds - sowohl in wirtschaftlicher wie auch in politischer Hinsicht - sind. Zum einen ist hierbei zu fragen, welche Projekte durch die Regierung nicht mehr durchgeführt werden könnten und wie dies die Wachstumsaussichten des Landes beeinträchtigen würde. Zum anderen ist die Durchsetzungsfähigkeit der Regierung für Umverteilungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Wenn zu erwarten ist, daß durch starke Proteste der Gruppen, deren Projekte nicht mehr durchgeführt werden, die politische und wirtschaftliche Stabilität gefährdet ist, spräche dies für eine auch weiterhin starke Beteiligung der Geber an der Finanzierung. Eine Strategie, die darauf abzielt, die direkten Mitwirkungsrechte der Regierung zu verringern, müßte an den Regeln zur Projektvorbereitung ansetzen. Diese Regeln betreffen insofern das Verhältnis der Prinzipale zueinander, als Regierungseinrichtungen durch die Lizensierung potentieller Projektträger direkte Möglichkeiten zur Einflußnahme auf die Tätigkeit des Fis erhalten. Um die Mitwirkungsrechte der Prinzipale möglichst gleich zu verteilen, müßte das Lizensierungsverfahren entweder
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dahingehend geändert werden, daß Lizenzen ausschließlich durch den Fis erteilt werden oder aber dahingehend, daß lizensierende Organisationen keinen Antrag auf Projektförderung stellen dürfen. Beide Änderungen würden die Mitwirkungsrechte der Regierung reduzieren. Die vorgeschlagenen Strategien sind besonders wirksam, weil das Recht zur Lizensierung ein relativ starkes Mitwirkungsrecht darstellt. Allerdings sind beide Lösungen nicht unproblematisch. Durch die erste Lösung würde die Entscheidungskompetenz des Fis stark erweitert. Seine Tätigkeit erhielte den Charakter einer Qualitätsprüfung für soziale Projekte. Dies verlangt einen erheblichen Mehraufwand des Fis in der Projektvorbereitung, der nur durch tiefgehende Einschnitte in das organisatorische Gefüge des Fis geleistet werden könnte. Zudem ist diese Strategie nur in dem Falle wirksam, daß die Regierungseinrichtungen die Entscheidungen des Fis-Personals nicht informell beeinflussen können. Aufgrund der engen Verbindungen des Fis mit der Regierung ist eine derartige Einflußnahme jedoch nicht ausgeschlossen. Der zweite Fall wäre ohne weitgehende Umstrukturierung der internen Organisation zu verwirklichen. Als kritisch kann sich jedoch das Klientenpotential erweisen: Angesichts des bisher hohen Anteils staatlicher Organisationen an den Projektträgern ist zu prüfen, ob nach dem Wegfall der staatlichen Antragsteller noch genügend qualifizierte Organisationen, in erster Linie NGO, zur Beantragung von Projekten bereit stehen. Anderenfalls ist diese Strategie zu verwerfen. Eine Revidierung des Lizensierungsverfahrens ist auch aus einem anderen Grund zu fordern. Wie aus Abbildung 5.1 hervorgeht, stellt die mit Verbindung (15) bezeichnete Lizensierung der Antragsteller durch Regierungseinrichtungen, die selbst Projektträger sind (8), einen Rückkopplungsmechanismus dar. Aufgrund dieser Rückkopplung ist die Transparenz der Vergabeentscheidung erheblich eingeschränkt. Für die lizenzvergebende Instanz bestünde sogar die Möglichkeit, das von einer anderen Organisation vorgeschlagene Projekt durch die Verweigerung der Lizenz zunächst abzulehnen und danach in eigener Regie durchzuführen. Obwohl sich für ein derartiges Verhalten bei der Analyse der Projektvergabepraxis des Fis keine Anhaltspunkte ergaben, ist dennoch zu fordern, daß eine Identität von lizensierender Stelle und Projektträger ausgeschlossen wird. Dies kann dadurch geschehen, daß die Lizensierungsanforderungen an potentielle Projektträger insgesamt reduziert werden oder dadurch, daß auch die Lizensierung in die Hände des Fis gelegt wird. Eine weitere Möglichkeit zur indirekten Beschränkung des Regierungseinflusses könnte darin bestehen, daß die internen Vergaberichtlinien zugunsten nichtstaatlicher Antragsteller verändert würden. Die Analyse der Struktur der
292
Projektträger hat gezeigt, daß der Fis hauptsächlich mit staatlichen Einrichtungen kooperierte. Dieses Ergebnis war nicht wünschenswert, weil nicht-staatliche Organisationen tendenziell ein größeres Eigeninteresse an einer erfolgreichen Armutsbekämpfung haben. Offenbar waren jedoch nur wenige nicht-staatliche Organisationen in der Lage, die Anforderungen an eine Antragstellung zu erfüllen. Über die Gründe für diese Entwicklung kann hier keine Aussage getroffen werden. Drei Ursachen sind denkbar. Entweder existieren nur wenige nicht-staatliche Organisationen, oder ihre Zahl ist zwar groß, nur wenige von ihnen verfügen aber über ausreichende Informationen für eine Antragstellung. Außerdem wurden eventuell Projektanträge nichtstaatlicher Organisationen häufiger abgelehnt als solche staatlicher Einrichtungen. Obschon das Vergabeverhalten an dieser Stelle nicht weiter geklärt werden kann, ist dennoch zu konstatieren, daß die Mitarbeiter des Fis keinerlei Anreiz zur Kooperation mit nicht-staatlichen Organisationen hatten. Dies könnte dadurch geändert werden, daß nicht-staatliche Organisationen bei der Projektvergabe explizit begünstigt werden. Allerdings ist dieses Vorgehen mit einigen Risiken behaftet. Es ist denkbar, daß im Falle einer Begünstigung von nicht-staatlichen Organisationen durch den Fis die Zahl dieser Organisationen zwar zunimmt, daß die neuen Organisationen aber nicht die Merkmale aufweisen, die nicht-staatliche Organisationen im allgemeinen für Armutsbekämpfung prädestinieren. Beispielsweise ist zu beobachten, daß die verstärkte Vergabe von Projektmitteln zur Gründung von Organisationen durch staatliche Stellen führt. Derartige Organisationen werden als "Quasi-Nongovernmental Organizations" bezeichnet.1 Zudem ist wahrscheinlich, daß der Fonds zur Ermunterung der Antragstellung durch NGO neue Kooperationsformen entwickeln muß. Ein Angebot zur Zusammenarbeit mit staatlichen Einrichtungen erzeugt bei nicht-staatlichen Organisationen zunächst häufig Ablehnung, wie sich auch am Beispiel des Fiss in El Salvador gezeigt hat.2 Der Fis müßte daher zunächst um das Vertrauen der nicht-staatlichen Organisationen werben. Die Armutswirksamkeit der Projekttätigkeit des Fis könnte durch die Verbesserung der Schnittstellen mit seinen Zielgruppen verbessert werden. Die Beziehung zwischen dem Fis und seinen Zielgruppen war in Abschnitt 2.3.2. als ein wichtiges "Scharnier" der Armutsbekämpfung identifiziert worden. Die drei wichtigsten Anforderungen an Maßnahmen der armutsorientierten Entwicklungszusammenarbeit sind die Identifikation der richtigen Zielgruppen, die Orientierung der Vorhaben an deren Bedürfnissen und die Übertragung von Mitwirkungsrechten an die Zielgruppe. Aus '
Vgl. Glagow (1992): S. 309.
2
Vgl. Sollis (1993): S. 451.
293
den vorangegangenen Analysen haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Tätigkeit des Fis in erster Linie durch die Lösung des Identifikations- und des Mitwirkungsproblems verbessert werden kann. Das Identifikationsproblem hatte sich darin geäußert, daß Projekte in eher stadtnahen und dichter besiedelten Regionen durchgeführt werden, obwohl die arme Bevölkerung als eigentliche Zielgruppe des Fis tendenziell in Regionen mit sehr geringer Bevölkerungsdichte lebt. Als wichtigste Erklärungsansätze war zum einen die ungenaue Definition der Zielgruppen erkannt worden. Die bisherige Definition der Zielgruppen krankt daran, daß de jure ausschließlich das Einkommen als Indikator herangezogen wird. Eine Operationalisierung dieses Kriteriums gelingt offenbar nicht, weil erstens über die Einkommensverteilung in Bolivien keine verläßlichen Daten existieren und zweitens die fargef/ng-Mechanismen auf der Grundlage der ersatzweise
gewählten
Sozialindikatoren
nicht
zur
Identifizierung
geeigneter
Projektstandorte führen. Zum anderen war das Ergebnis der Untersuchung der internen Anreizmechanismen in Abschnitt 5.3.2.2., daß die Mitarbeiter des Fis keinen Anreiz haben, mit armen Bevölkerungsgruppen in Kontakt zu treten. Vielmehr ist zu vermuten, daß Projekte deshalb nicht in den ärmsten Regionen durchgeführt werden, weil Projektbesuche in entlegenen Gegenden - in denen ein Großteil der Armen lebt - mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden sind. Das Anreizsystem des Fis spiegelt diesen Sachverhalt jedoch nicht wider. Vielmehr werden vergleichsweise hohe Pauschalvergütungen für alle Dienstaufenthalte außerhalb von La Paz gewährt. Ausgehend von diesen Erkenntnissen können zwei Vorschläge zur Lösung des Identifikationsproblems gemacht werden. Erstens ist eine genauere Definition der Zielgruppen vorzunehmen. Zweitens sollte das Anreizsystem so umgestaltet werden, daß die Mitarbeiter einen stärkeren Anreiz für den Besuch armer Zielgruppen haben. Als Voraussetzung für eine bessere Eingrenzung der Zielgruppen sollten andere Definitionskriterien angewendet werden. Da der Indikator "Einkommen" weder präzise abgegrenzt - beispielsweise ist nicht klar, welche Einkommensbestandteile erfaßt werden sollen - noch operationalisiert wurde, sollte auf diesen Indikator verzichtet werden. Stattdessen ist zu wünschen, daß die Zielgruppe anhand möglichst eindeutiger beobachtbarer Indikatoren eingegrenzt wird. Zu diesem Zweck bieten sich soziale Merkmale potentieller Nutznießer an. Beispielsweise kann die Qualität des Wasserversorgungssystems einer Region als Indikator für Trinkwasserprojekte des Fis herangezogen werden. Für entspechende Projektanträge wäre vorzuschreiben, daß die Antragsteller feststellen, welcher Prozensatz der potentiellen Nutznießer über
einen
Hausanschluß
verfügt.
Diese Angaben
müßten durch den
Fis
294
stichprobenartig überprüft werden. Wie in Abschnitt 2.2.4.2. erläutert, stehen über derartige Indikatoren auch landesweit Informationen zur Verfügung, die für die Identifikation möglicher Zielgruppen genutzt werden könnten. Um die Projektvergabe stärker an den Bedürfnissen der Zielgruppen zu orientieren, wäre es wünschenswert, das Anreizsystem des Fis mit den charakteristischen Merkmalen der Armen zu verknüpfen. In dieser Hinsicht würde es sich anbieten, Tagessätze für Dienstreisen nach Regionen zu staffeln. Eine einfache Staffelung könnte nach zwei Zonen unterscheiden. Dienstreisen in die größeren Städte bzw. in städtische provincias müßten nach niedrigeren Tagessätzen entlohnt werden, Dienstreisen in ländliche provincias hingegen nach höheren Tagessätzen. Daraus würde den Mitarbeitern des Fis ein Anreiz erwachsen, Projekte in entlegeneren Regionen zu prüfen. Je nach Priorität und Wirksamkeit könnte diese Staffelung beliebig um mehrere Stufen erweitert werden. Das Mitwirkungsproblem besteht darin, daß der Fis seinen Zielgruppen nicht genügend Möglichkeiten zur Partizipation einräumt. Dieses Vorgehen steht im Gegensatz zu der Erkenntnis, daß die Armutsorientierung von entwicklungspolitischen Vorhaben dadurch gesichert werden kann, daß die Zielgruppe an der Konzeption und Umsetzung der Maßnahmen beteiligt wird. Im Falle des Fis drückt sich das Mitwirkungsproblem darin aus, daß sich die Zielgruppe einer "Vogel-friß-oder-stirb"-Taktik des Fis und des Projektträgers gegenüber sieht: Ihr entscheidendes Recht besteht darin, ein nahezu fertiges Projekt mit allen verbundenen Pflichten zu akzeptieren oder es abzulehnen. Die Zielgruppe hat zwar ein Interesse, bei der Entwicklung eines Vorhabens konstruktiv mitzuarbeiten, es werden ihr jedoch keine Möglichkeiten dazu gegeben. Das Problem könnte dadurch gelöst werden, daß die Mitwirkungsrechte der Zielgruppe gegenüber denen des Fis und denen der Projektträger erweitert und gestärkt werden. In der Untersuchung zeigten sich sowohl auf der Ebene der Organisation als auch bezüglich der Abwicklung von Projekten Ansatzpunkte für eine wirksame Steigerung der Mitwirkung der Zielgruppe. Auf der Ebene der Organisation hat die Mitwirkung der Zielgruppen den Zweck, sowohl die strategischen als auch die operativen Entscheidungen im Sinne der Armen zu beeinflussen. Zur Zeit wird die Mehrzahl dieser Entscheidungen von den Mitgliedern des Direktoriums getroffen. In strategischen Fragen wird dieses Gremium, wie in Abschnitt 5.3.3.1. dargestellt, durch den Beirat beraten. Der Beirat setzt sich aus Vertretern anderer Regierungsorganisationen zusammen. Aus der Sicht der Armutsbekämpfung ist zu fordern, daß zunächst die Regeln für seine Besetzung geändert werden und in einem zweiten Schritt die Qualität der Mitwirkungsrechte des Beirats gesteigert wird.
295
Durch eine Änderung der Zusammensetzung des Beirats könnte erreicht werden, daß interne und externe stakeholders Einfluß auf die Strategie des Fonds nehmen.1 Dabei ist sowohl an Vertreter der Mitarbeiter als auch an externe Interessengruppen, d.h. Projektträger, Antragsteller, Auftragnehmer, möglicherweise auch weiterhin an kooperierende staatliche Einrichtungen - zu denken.2 Bei der Änderung der Regeln für die Besetzung der Positionen muß ein Ausgleich der Interessen der einzelnen Gruppen angestrebt werden. Es ist darauf zu achten, daß keine Gruppe über eine stabile Mehrheit der Stimmen in diesem Gremium verfügt, weil diese Gruppe dann die Möglichkeit erhielte, die Strategie des Fonds im eigenen Interesse zu beeinflussen. Eine derartige Konstellation, in der der Beirat ausschließlich mit Mitgliedern von Regierungseinrichtungen besetzt war, ist möglicherweise mitbestimmend für die strategische Ausrichtung des Fis gewesen. Nicht nur die Besetzung des Beirates, sondern auch dessen Mitwirkungsrechte müßten erweitert werden, um ihm einen wirksamen Einfluß auf eine Neuformulierung der Strategie des Fis zu geben.3 Wie gezeigt wurde, hat die Zielgruppe auch in der Durchführungsphase nur sehr beschränkte Mitwirkungsrechte. Analog zur Gestaltung der internen Organisation bietet sich auch an dieser Stelle die Einbeziehung von Projektkommittees an, die sich ebenso wie der revidierte Beirat aus verschiedenen Interessengruppen zusammensetzen und mit Entscheidungsrechten bezüglich der Projektabwicklung ausgestattet sind. Zu diesen Rechten könnte die reine Überwachung der Projektdurchführung zählen. Unter dem Aspekt der Armutsbekämpfung ist es jedoch sinnvoller, derartige Gremien mit weitreichender Kompetenz zur Steuerung eines Projekts auszustatten. Die Projektsteuerung müßte dann bereits in der Vorbereitungsphase beginnen und über den gesamten Projektzyklus laufen. Zudem ist zu erwägen, ob den Nutznießern - unabhängig von einem Projektträger - in Zukunft ein eigenes Antragsrecht zugebilligt werden kann. Deren Vertreter könnten dann einen Antragsteller kontraktieren, der wiederum unter Aufsicht von Fis und Zielgruppe ein Projekt implementiert.
1
Dieser Überlegung liegt der Ansatz der "stakeholder-value"-Maximierung von Kapitalgesellschaften zugrunde. Dieser Ansatz besagt, daß Kapitalgesellschaften so geführt werden sollen, d a ß der Gesamterfolg aller Interessengruppen des Unternehmens ("stakeholders") maximiert wird. Dies geschieht dadurch, daß durch entsprechende Ausgestaltung der Überwachungsgremien eine Machtbalance zwischen den Interessengruppen angestrebt wird.
2
Vgl. World Bank (1996b): S. 6.
3
In gewissem Sinne ist dies eine Dezentralisierung der Arbeit der Prinzipale, die andere Agenten mit der Überwachung der von ihnen finanzierten Trägerorganisationen beauftragen und dabei gezielt solche Agenten auswählen, die ein Eigeninteresse an der Tätigkeit der zu kontrollierenden Organisation haben.
296
Eine andere Möglichkeit betrifft die Projektfinanzierung als das zweite derzeit garantierte Mitwirkungsrecht der Zielgruppe. Der Eigenbeitrag der Zielgruppe zu einem Projekt beläuft sich derzeit im Durchschnitt auf rd. 5% des Projektvolumens.1 Dieser geringe Beitrag wurde damit begründet, daß die Zahlungsfähigkeit der Zielgruppe nicht hoch ist und ein höherer Eigenbeitrag tendenziell zu einem Ausschluß armer Bevölkerungsgruppen von der Projektvergabe durch den Fis führte. Aus Sicht der Armutsbekämpfung ist diese Argumentation durchaus schlüssig. Dem Eigenbeitrag der Zielgruppe kann jedoch eine wichtige Funktion für die Mittelallokation des Fis zukommen. Da für soziale Dienstleistungen kein Marktpreis existiert, ist die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nach Fis-Projekten und damit auch die Nachfrage nicht bekannt. Der Eigenbeitrag könnte so ausgestaltet werden, daß er als Signal für die Nachfrager nach Projekten fungiert.2 Die Zahlungsbereitschaft könnte dadurch ermittelt werden, daß die Zielgruppe ein Projekt in einem Bietverfahren ersteigert. In diesem Falle fungierte der Eigenbeitrag als Ersatz für Marktpreise. Allerdings können die Eigenbeiträge der Zielgruppe die Präferenzen armer Bevölkerungsgruppen nur dann widerspiegeln, wenn sie deren Zahlungsfähigkeit nicht übersteigen. In der Realität findet ein derartiges Versteigerungsverfahren jedoch keine Anwendung, sondern der Eigenbeitrag der Zielgruppe wird in Verhandlungen zwischen dem Fis und den Antragstellern - also weitgehend ohne Berücksichtigung der Zielgruppe - ausgehandelt. Ein höherer Eigenbeitrag kann auch aus institutionenökonomischer Sicht sinnvoll sein, um die Interessen der Zielgruppe durchzusetzen. Diese Möglichkeit zur Einflußnahme ist jedoch von der Höhe des Eigenbeitrags abhängig: Wenn der Beitrag der Zielgruppe einen großen Anteil an der Projektfinanzierung einnimmt, ist damit ein Drohpotential gegenüber dem Projektträger, aber auch gegenüber dem Fis verbunden. Wenn die Einstellung der Zahlungen durch die Zielgruppe den Fortgang des Projekts gefährden würde und somit die Drohung implizierte, daß die spezifischen Investitionen der beiden anderen Gruppen an Wert verlören, müßten die Bedürfnisse der Zielgruppe bei der Projektkonfiguration stärkere Berücksichtigung finden. Durch eine geeignete Gestaltung des Auszahlungsmechanismus könnte diese Möglichkeit eher zu Lasten des Projektträgers oder eher zu Lasten des Fis gehen. Die Betrachtung der Eigenbeiträge relativ zum Haushaltseinkommen in Abschnitt 4.5.2.1. hat gezeigt, daß bei der derzeit praktizierten Projektfinanzierung durchaus ein Spielraum zur Erhöhung des Eigenbeitrags der Zielgruppe bestünde, ohne daß die Zahlungsfähigkeit der armen Bevölkerungsgruppen überstiegen würde. 1 2
Vgl. Tabelle 4.12. SALMEN bezeichnet dies als "voice'-Option für die Armen. Vgl. Salmen (1992): S. 13.
297
Abschließend sei noch auf das in Abschnitt 5.3.3. eingehend dargestellte Design der internen Entscheidungsprozesse eingegangen. Die Untersuchung hat gezeigt, daß sowohl die Entscheidungskompetenzen als auch Anreizmechanismen und Kontrollsysteme streng hierarchisch strukturiert sind und daß daraus ein erheblicher diskretionärer Entscheidungsspielraum für das Direktorium und insbesondere für den Exekutivdirektor entsteht. Von diesem Handlungsspielraum gehen möglicherweise negative Folgen für die Armutswirksamkeit des Fonds aus, die durch die Prinzipale nicht vollständig überwacht werden können. Insofern, als die Einrichtung eines Verwaltungsrates zur Überwachung der internen Entscheidungsfindung und dadurch zu einer Einschränkung des Handlungsspielraums des Direktoriums beiträgt, wäre die Einrichtung eines derartigen Gremiums auch in dieser Hinsicht zu begrüßen. Die Zuweisung von Entscheidungsrechten an ein derartiges Gremium kann sich in organisatorischer Hinsicht negativ auf die Tätigkeit des Fis auswirken. Es ist zu erwarten, daß den Entscheidungen des Verwaltungsrates Aushandlungsprozesse vorausgehen. Diese Verhandlungen können zum einen die Organisationskosten des Fis steigern. Zum anderen ist denkbar, daß die Interessen einzelner Gruppen zeitweise kollidieren und einzelne Gruppen versuchen werden, Entscheidungen zu verzögern. Dadurch kann die organisatorische Flexibilität einschränkt werden. Trotz dieser Einwände ist aufgrund der dargestellten Argumente von einem paritätisch besetzten Aufsichtsgremium ein Beitrag zur Durchsetzung der Interessen der Armen in einer armenorientierten Organisation zu erwarten. Nicht allein vor dem Hintergrund der Agency-Problematik, sondern auch unter Effizienzgesichtspunkten ist die Zuweisung weitreichender Kompetenzen an das Direktorium kritisch zu beurteilen. Die Konzentration aller Kompetenzen für wichtige interne Entscheidungen, sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene, in den Händen der Mitglieder des Direktoriums ist Ausdruck einer suboptimalen internen Arbeitsteilung. Berücksichtigt man, daß jedes Mitglied des Direktoriums nur über eine begrenzte Kapazität zur Aufnahme und Verarbeitung von Informationen verfügt, sind die Opportunitätskosten jedes Mitwirkungsrechts (bzw. in diesem Falle Entscheidungsrechts) genau zu prüfen. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung, daß das Direktorium das ausschließliche Entscheidungsrecht über die Freigabe jedes einzelnen Projektantrags innehat, von fragwürdigem Nutzen für die Tätigkeit des Fis, weil jedes Mitglied des Direktoriums für die Projektprüfung einen Teil seiner Ressourcen aufwendet, der nicht für andere Tätigkeiten zur Verfügung steht. Für diese Regelung spricht, daß dadurch das Direktorium die Verantwortung für jedes Projekt übernimmt. Verantwortung könnte jedoch auch durch indirekte Kontrollen
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ausgeübt werden, indem beispielsweise die Tätigkeit der Mitarbeiter im Vorbereitungsprozeß überwacht wird. Ein zweites Argument für ein zentrales Entscheidungsrecht der obersten Instanz lautet, daß nur dadurch der Projektantrag in seiner Gesamtheit überprüft wird. Jedoch ist nicht wahrscheinlich, daß es den Mitgliedern des Direktoriums möglich ist, jeden einzelnen Projektantrag intensiv zu prüfen. Dieser Endprüfung muß also eine genaue Vorbereitung vorausgehen, an deren Ende ebenso die Projektgenehmigung stehen könnte, ohne daß die oberste Instanz der Hierarchie mit den Details eines Antrags befrachtet wird. Aus dem Opportunitätskosten-Argument läßt sich ein Vorschlag für ein alternatives Genehmigungsverfahren ableiten. Ziel dieses Verfahrens muß sein, die Kompetenz für die Vergabeentscheidung so weit zu dezentralisieren, daß einerseits die Kapazitäten des Direktoriums nicht über Gebühr belastet werden; andererseits muß aber auch die Entscheidungssicherheit des Vergabeprozesses gewährleistet sein. Damit ist gemeint, daß die Vergabeentscheidung nach einheitlichen Kriterien erfolgt. Beide Anforderungen könnten durch eine Regelung erfüllt werden, bei der die Entscheidungsrechte unterschiedlicher Hierarchieebenen mit der Höhe des Projektvolumens verknüpft sind. Zu diesem Zweck müßten, analog zum System der Materialbeschaffung im öffentlichen Dienst,1 Grenzwerte für die Höhe des Fördervolumens definiert werden. Auf jeder Stufe könnte ein spezielles Vergabeverfahren zur Anwendung kommen. Beispielsweise ist denkbar, daß das Direktorium weiterhin das Recht - und die Pflicht - zur endgültigen Prüfung und Genehmigung großer und teurer Projekte behält. Eine Fehlentscheidung bei der Vergabe eines solchen Projektes würde für den Fis weitaus stärkere negative Folgen haben als eine Fehlentscheidung bei der Vergabe eines kleinen Projekts. Somit ist aus Opportunitätskostenerwägungen eine Staffelung der Entscheidungsbefugnis sinnvoll. Allerdings muß bei der Einführung eines derartigen Systems gleichzeitig ausgeschlossen werden, daß Antragsteller das Projektvolumen auf mehrere kleine Vorhaben aufteilen.
'
Vgl. Abschnitt 5.3.4.
299
6. Schlußbetrachtung Die Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Reformen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Länder der Dritten Welt Ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist, daß Armut ein gravierendes Problem für weite Teile der Bevölkerung darstellt. Zudem herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, daß Reformprogramme in der Anfangsphase dazu beitragen können, die Probleme der armen Bevölkerungsgruppen zu verstärken und daß die Reformen deshalb von besonderen armenorientierten Maßnahmen begleitet werden sollten. In der entwicklungspolitischen Diskussion wird insbesondere Sozialfonds die Fähigkeit zugeschrieben, zur Armutsbekämpfung einen wichtigen Beitrag leisten zu können. Mit diesem neuartigen organisatorischen Konzept wird versucht, die Abwicklung kleiner Projekte im jeweiligen Entwicklungsland - aus Sicht der externen Geber - indirekt zu fördern. Der indirekte Ansatz besteht darin, daß Fördermittel nicht direkt an diejenigen Organisationen übertragen werden, die mit der Durchführung der Maßnahmen zur Armutsbekämpfung betraut sind, sondern daß die Mittel an eine intermediäre Organisation fließen, die selbständig die Fähigkeit der Träger der Endprojekte überprüft. Dieser Ansatz wurde in der vorliegenden Untersuchung eingehend diskutiert. Dazu wurden eingangs des zweiten Kapitels die wichtigsten Grundbegriffe zum Verständnis armutsorientierter Wirtschaftspolitik erläutert und Indikatoren zur Messung der Armut vorgestellt. Desweiteren wurden die wirtschaftspolitischen Grundlagen einer Strategie zur Armutsbekämpfung behandelt. In Kapitel 3 wurde ein Länderprofil Boliviens dargestellt, Ausmaß und Ursachen der Armut in Bolivien erläutert und Institutionen zur Armutsbekämpfung untersucht. Es wurde deutlich, daß bis 1985 - als Maßnahmen zur Stabilisierung und Strukturanpassung als Antwort auf die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme Boliviens in den 70er und 80er Jahren ergriffen wurden - keine adäquate Sozialpolitik verwirklicht wurde. Die Maßnahmen zur Stabilisierung und Strukturanpassung verschlechterten die Situation der Armen zunächst weiter, weswegen die bolivianische Regierung neue Wege zur sozialen und politischen Absicherung der Maßnahmen suchte. Der FSE sollte in dieser Situation ein für die internationalen Geber - denen die Probleme der traditionellen sozialpolitischen Instrumente bekannt waren - akzeptables Instrument darstellen und so externe Mittel für die Armutsbekämpfung mobilisieren. Es gelang dem FSE, kurzfristig beträchtliche Mittel mit technisch einfachen und wenig betreuungsintensiven Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen umzusetzen. Allerdings wurde auf Seiten der Geber erkannt, daß zur wirksamen Armutsbekämpfung ein
300
stärkeres Gewicht auf Maßnahmen mit langfristigen Wirkungen zu legen war. Diese Erkenntnis floß in die Konzeption des Fis ein. Konzeption und Performance des Fis waren Betrachtungsgegenstand des Kapitels 4. Es wurde dargelegt, daß der Fis zwar wesentliche Bestandteile des FSE übernahm, so z.B. die Organisationsstruktur, die Infrastruktur und Teile der Programmpalette, jedoch unterscheidet er sich grundsätzlich in seiner Zielsetzung: Diese ist explizit auf die Verwirklichung langfristig wirksamer Maßnahmen zur Armutsbekämpfung ausgelegt. Da die von der Tätigkeit des Fis ausgehenden Wirkungen zum Zwecke einer Effektivitätsbeurteilung nicht direkt meßbar sind, wurde die potentielle Wirksamkeit des Fonds anhand der Erfüllung notwendiger Bedingungen geprüft. Dabei stellte sich heraus, daß die Projekte des Fis breitenwirksam sind, die Zielgruppe lediglich im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit Kosten belasten und zu einer Steigerung der Arbeitsnachfrage führen. Negativ war hingegen zu bemerken, daß die Finanzierung des Fis eine verstärkte Verschuldung Boliviens zur Folge hat und insbesondere das targeting der Fis-Ausgaben wenig zielgenau ist. Gründe für dieses mangelhafte targeting wurden primär in problematischen Fis-internen Anreiz- und Kontrollmechanismen sowie in Kommunikationsdefiziten des Fis mit seiner Umwelt, insbesondere den Zielgruppen, vermutet. Kapitel 5 widmete sich daher im Rahmen einer institutionenökonomischen Untersuchung diesen Schwachpunkten. Die Analyse des Beziehungsgefüges des Fis ergab, daß eine Reihe von Agency Problemen vorliegen. Diese Agency Probleme in Verbindung mit einer ungünstigen Organisationsstruktur führen dazu, daß die besonders stark am Ziel der Armutsbekämpfung orientierten Einflußgruppen - Geber und Zielgruppen - in einem zu geringen Maße an Entscheidungen über die Konzeption und Vergabe von Einzelprojekten beteiligt sind. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wurden Vorschläge für eine Reform der Anreiz- und Kontrollmechanismen gemacht, die eine höhere Effektivität im Sinne eines zielgenaueren Einsatzes der verfügbaren Mittel für die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Armen Boliviens ermöglichen könnten. Der mögliche Beitrag von Sozialfonds zur Armutsbekämpfung war eingangs anhand der folgenden Thesen zusammengefaßt worden: Er soll erstens darauf beruhen, daß der Handlungsspielraum der jeweiligen Regierung zur Finanzierung sozialpolitischer Maßnahmen durch externe Mittel erweitert wird. Zweitens wird von Sozialfonds eine gegenüber traditionellen Trägern, wie beispielsweise Fachministerien, effiziente Abwicklung von Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit sowie auch national finanzierter Vorhaben erwartet. Drittens könnten Sozialfonds ein Beispiel für die Verbesserung anderer institutioneller Strukturen im Entwicklungsland geben.
301
Viertens sollen Sozialfonds als Intermediäre - im Vergleich zu einer unmittelbaren Betreuung durch internationale Geber - durch eine bessere Verankerung im Land Vorteile bei der Identifikation und Durchführung von Einzelprojekten besitzen. Fünftens sollen Sozialfonds besonders gut in der Lage sein, Kontakte zu zielgruppennahen Organisationen zu knüpfen. Die Untersuchung hat gezeigt, daß für das bolivianische Beispiel die genannten Thesen nicht uneingeschränkt bestätigt werden konnten. Bezüglich der ersten These wurde zwar schnell deutlich, daß mit den Sozialfonds ein Modell gefunden war, das Regierungs- und Geberinteressen gleichermaßen entgegenkam und deswegen auch in anderen Ländern repliziert wurde. Die Interessen der Regierung lagen vor allem darin, sich in der politisch sensiblen Phase der Stabilisierung "den Rücken frei zu halten". Die Regierung sah die Gefahr, zwischen den Forderungen der internationalen Organisationen und der von schmerzhaften Anpassungsprozessen betroffenen Bevölkerungsgruppen zerrieben zu werden. In dieser Situation mußte der Regierung jede institutionelle Lösung für die Linderung sozialer Probleme, die die Zustimmung der Geber fand, willkommen erscheinen - unabhängig von der Effektivität als Instrument der dauerhaften Armutsbekämpfung. Durch die externe Unterstützung wurden schwierige gesellschaftliche Entscheidungsprozesse über die Verteilungspolitik zumindest verschoben. Auch die internationale Gebergemeinschaft reagierte wohlwollend auf das neue institutionelle Konzept. Es bot die Möglichkeit, die bald erkannten sozialen und politischen Probleme der Strukturanpassungsprogramme - die diese in einigen Ländern scheitern ließen - effektiv in den Griff zu bekommen, was mit den traditionellen Instrumenten nicht möglich gewesen war. Auf Dauer war jedoch für die Geber nicht zu rechtfertigen, an Stelle der bolivianischen Regierung die finanzielle Verantwortung für die Sozialpolitik zu übernehmen. Auf ihren Druck hin wurden deshalb mit der Umgründung des Sozialfonds seit 1990 die investiven Aspekte der Einzelprojekte stärker betont. Das grundlegende entwicklungspolitische Problem, den Umfang der Staatsaufgaben und damit die Verantwortung der Regierung für die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu definieren, ist mit den Sozialfonds nicht gelöst worden. Eine langfristige Finanzierung der sozialen Entwicklung Boliviens aus Mitteln der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unter Umgehung der gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse, mit denen politisch gewollte Änderungen der Einkommensverteilung verbunden sind, ist auch aus Sicht Boliviens nicht wünschenswert. Dieses Argument wird noch dadurch verstärkt, daß sich anhand der Ergebnisse der Analyse die Frage stellt, ob der erhebliche Finanzierungsbeitrag der externen Geber
302
zu dem Sozialfonds für die Regierung einen Anreiz darstellte, weniger Eigenmittel als bisher für soziale Belange zur Verfügung zu stellen. Zwar war es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich, diesen "crowding-out-Effekt" der Entwicklungszusammenarbeit zu verifizieren; dies nicht zuletzt deswegen, weil dies Problem weniger für den Fall Bolivien als für das entwicklungspolitische "Instrument Sozialfonds" von Interesse Ist. Diese Frage ist für eine Fallstudie nur von sehr begrenzter Bedeutung; hier offenbart sich jedoch weiterer Forschungsbedarf für zukünftige Untersuchungen. Eine Folge des großen Anteils ausländischer Mittel an der Finanzierung des Fis bestand darin, daß die externen Geber weitgehende Mitwirkungsrechte einforderten. Sie nahmen besonders starken Einfluß auf das Design des Fis und der von ihm durchgeführten Programme; ihr Einfluß auf die laufende Tätigkeit war jedoch tendenziell gering. Diese Rolle der Geber ist differenziert zu beurteilen. Positiv wirkte sich für den Fis aus, daß die Institution bei ihrer Gründung und in einem begrenzten Zeitraum danach von Erfahrungen der Geber in anderen Ländern profitieren konnte. Es läßt sich sogar argumentieren, daß eine noch stärkere Einflußnahme der Geber zur Überwindung innenpolitischer Widerstände gegen eine stärkere Armutsorientierung des Fis nützlich gewesen wäre. Im Hinblick auf die Wirkungen für die politische und ökonomische Entwicklung Boliviens ist allerdings auch eine starke Abhängigkeit von den Gebern zu befürchten. Die Einflußnahme insbesondere der internationalen Organisationen mit einer wenig effektiven finanzwirtschaftlichen und parlamentarischen Kontrolle auf die nationale Politikgestaltung in Entwicklungsländern wird häufig kritisiert.1 Dieses Arrangement ist dazu geeignet, Intransparenzen zu erzeugen oder bestehende Intransparenzen zu verstärken. Im besonderen Falle Boliviens muß zudem berücksichtigt werden, daß es sich um ein sehr hoch verschuldetes Land handelt. Der Sozialfonds hatte aus Sicht der bolivianischen Regierung offenbar den Nebenzweck, im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Zugang zu externen Ressourcen zu erhalten, die ohne die Gründung des Fonds nicht an das Land vergeben worden wären. Aufgrund dieser Finanzierungskonstruktion stieg die Auslandsverschuldung des bolivianischen Staates an. Sollte die Tätigkeit des Fis langfristig zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensverhältnisse führen und sich diese Verbesserung in einem höheren Steueraufkommen des bolivianischen Staates niederschlagen, ist die Zunahme der Auslandsverschuldung unerheblich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Wenn jedoch die zukünftigen Rückflüsse nicht ausreichen, um Zins- und 1
Als zusätzliches Problem weist GELBHAAR auf die mangelnde demokratische Legitimation der multinationalen Geberorganisationen hin. Vgl. Gelbhaar (1997): S. 83.
303
Tilgungszahlungen zu decken, kann der Sozialfonds - wenn auch nur in geringem Maße - zu einem neuerlichen Schuldenproblem beitragen. In bezug auf die zweite These hat die Untersuchung gezeigt, daß ein Sozialfonds durchaus eine geeignete Organisationsform für die Durchführung von Programmen und Projekten sein kann. Allerdings hängt die Leistungsfähigkeit des Fonds maßgeblich von seinem institutionellen Umfeld ab. Hier zeigte sich, daß die wenig leistungsfähige Ministerialbürokratie in Bolivien erheblichen Einfluß auf die Funktion des Fis besitzt. Dieser Einfluß kann durchaus die Wirksamkeit des Fonds schwächen. Er kann jedoch möglicherweise durch eine langfristige Einbindung der Organisation in den öffentlichen Sektor vermindert werden. Hinsichtlich der dritten These konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden, daß der Fis zu einer Effizienzsteigerung bei anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes geführt hätte. Zwar spielten zunächst der FSE und danach der Fis bezüglich der Entlohnungsvorschriften eine Vorreiterrolle. Die Vorgehensweise, die Mitarbeiter nicht nach den starren Regeln des öffentlichen Dienstes zu entlohnen, sondern ein eigenes Anreizsystem zu entwickeln, wurde später auch von anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes übernommen. Dadurch wird seitdem hochqualifizierten Mitarbeitern ein Anreiz zur Mitarbeit im öffentlichen Dienst geboten. In diesem Punkt hat der Fis offensichtlich eine institutionelle Wirkung auf den öffentlichen Sektor Boliviens ausgeübt. Bezüglich der Arbeitsabläufe hingegen ist die erhoffte Effizienzsteigerung durch die Einführung neuer Techniken jedoch nicht nachweisbar. Im Gegenteil war die wichtigste Funktion des Fis nicht die eines Vorbildes, sondern die eines Geldgebers für Projekte anderer Organisationen des öffentlichen Dienstes. Eine Übertragung von Instrumenten zur Projektidentifikation oder -durchführung an andere Organisationen des öffentlichen Dienstes fand kaum statt. Zudem wurden durch die Mittelvergabe des Fis möglicherweise Reformen anderer Institutionen verzögert. Für diese These spricht, daß die Mittel des Fis von anderen staatlichen Organisationen als Ersatz für reguläre Haushaltsmittel angesehen und auch dementsprechend genutzt wurden. Aus diesem Grunde muß in Zukunft gründlich untersucht werden, welche Prioritäten die Regierung abseits des Sozialfonds setzt. Im Falle des bolivianischen Fis konnte durch die Darstellung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik gezeigt werden, daß er in einem Umfeld agierte, das insgesamt positiv für die Armutsbekämpfung war. Gerade deshalb wurden institutionelle Schwächen der Sozialpolitik aber möglicherweise nicht erkannt. Die vierte These, daß Sozialfonds im Vergleich zu herkömmlichen Organisationen Vorteile bei der Projektdurchführung besitzen, wurde durch die Untersuchung
304
weitgehend bestätigt. Dafür spricht, daß innovative Instrumente zum targeting der Ausgaben entwickelt wurden und die Fis-Mitarbeiter flexibel auf Änderungen der politischen Rahmenbedingungen in Bolivien reagierten. Allerdings wurde die Umsetzung der Verfahren durch die institutionellen Rahmenbedingungen im öffentlichen Sektor, insbesondere durch den Einfluß der Ministerialbürokratie auf die Projekte des Fis behindert. Bezüglich der fünften These, daß Sozialfonds besonders gut in der Lage seien, Kontakte zu zielgruppennahen Organisationen zu knüpfen, ist festzustellen, daß der Fis nur in geringem Maße in direkten Kontakt mit seinen Zielgruppen trat. Vielmehr überwogen die indirekten Kontakte, die der Fis über die Antragsteller oder über Consultants mit der Zielgruppe aufnahm. Dies ist insofern kritisch zu sehen, als ein Großteil der Kooperationspartner des Fis staatliche Einrichtungen waren, die nicht für partizipative Planungs- und Durchführungsmethoden bekannt sind. Im Gegensatz dazu spielten die Kontakte mit NGO nur eine untergeordnete Rolle für die Projektzusammenarbeit des Fis. Auch in diesem Punkt erwies sich also die mangelhaft ausgebildete institutionelle Infrastruktur Boliviens, in diesem Fall im privaten Sektor, als wichtiges Hemmnis für eine stärkere Zielgruppenorientierung seiner Projekte. Es zeigte sich, daß aus Sicht des Fis nur eine geringe Zahl nicht-staatlicher Organisationen für fähig erachtet wurde, einzelne Vorhaben abzuwickeln. Diese sehr pessimistische Einschätzung der Trägerfähigkeit nicht-staatlicher Institutionen wurde durch die internen Anreizsysteme begünstigt. Diese Erkenntnisse machen deutlich, daß aus der Sicht der armutsorientierten Entwicklungszusammenarbeit mit einer ungeeigneten Gestaltung des Informationsflusses ein erheblicher Effizienzverlust bei den Trägerorganisationen einhergeht.1 Die in dieser Untersuchung geführte Diskussion hat gezeigt, daß der Ansatz der Sozialfonds grundsätzlich in der Lage ist, zur Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern beizutragen.2 Die gegenüber dem FSE und Fis vorgebrachte Kritik darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß alternative sozialpolitische Instrumente in Bolivien keine bessere Performance gezeigt haben, sondern daß gerade aus ihrem Versagen der Anstoß zur Entwicklung der Sozialfonds entstand. Insofern ist es positiv zu bewerten, daß unter kritischer Begleitung der Geber die Erfahrungen mit dem FSE zur Konzipierung eines verbesserten Fonds, nämlich des Fis, genutzt wurden. Auch die Erfahrungen mit dem Fis und anderen Sozialfonds in Entwicklungsländern sollten im
1 2
Dies zeigen auch die Erkenntnisse von GELBHAAR (1997). Zu einem ähnlichen Fazit kommt BLUM. Er argumentiert, daß Sozialfonds bei einer entsprechenden Konzeption das Kernelement einer langfristig angelegten Sozialpolitik bilden können. Vgl. Blum (1997): S. 217.
305
Sinne eines kontinuierlichen Lernprozesses zur weiteren Verbesserung der Instrumente der Armutsbekämpfung eingesetzt werden. Zunehmend wird deutlich, daß Armutsbekämpfung ein langwieriger und komplexer Prozeß ist. Die Förderung dieses Prozesses wurde schon in der Einführung als Querschnittsaufgabe der Entwicklungspolitik bezeichnet. Folglich kann von derartigen Fonds realistischerweise nicht erwartet werden, alle Teilprobleme zu lösen. Durch eine genauere Analyse der spezifischen Probleme der Armen und der institutionellen Rahmenbedingungen des Empfängerlandes vor Implementierung eines Sozialfonds-Vorhabens kann jedoch der Beitrag zur Problemlösung erhöht werden. Die Ergebnisse der Analyse sollten sich sowohl in den Prioritäten der Fonds als auch in ihrer institutionellen Struktur niederschlagen. Gerade zu dem letzteren Problemkreis könnte diese Untersuchung mit ihren Vorschlägen zur Verbesserung der Anreiz- und Kontrollmechanismen beitragen. Es ist zu hoffen, daß auch in Zukunft eine fruchtbare Diskussion zwischen Forschung und entwicklungspolitischer Praxis die Weiterentwicklung der Sozialfonds ermöglicht.
307
Verzeichnis der Anhänge
Anhang A Tabelle 1:
Inflationsrate und Defizit der öffentlichen Haushalte 1980-95
309
Tabelle 2:
Beschäftigtenzahl im öffentlichen Sektor 1980-87
310
Tabelle 3:
Wachstumsraten des
311
Tabelle 4:
Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen 1990 und 1995
Tabelle 5:
Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeit und Sozialindikatoren 1988
Tabelle 6:
Armut in Bolivien 1992
314
Tabelle 7:
Veränderung der Armutssituation 1976-92
315
Tabelle 8:
Ausmaß der Armut nach Sektorzugehörigkeit 1992
317
Tabelle 9a:
Ausmaß der Armut der bolivianischen Bevölkerung nach Sprachvermögen 1992
318
Ausmaß der Armut der Landbevölkerung Boliviens nach Sprachgruppen 1992
318
Tabelle 9b:
BIP 1 9 8 5 - 9 5
312
313
Tabelle 9c:
Ausmaß der Armut der Stadtbevölkerung Boliviens nach Sprachgruppen 1992 319
Tabelle 10:
Bildungsniveau der bolivianischen Bevölkerung 1992
320
Tabelle 11:
Durchschnittliche Bearbeitungszeit der Projektanträge 1987-90
321
Tabelle 12a: Nutznießer von Gesundheitsprojekten des Fis nach departamentos 1991-95 322 Tabelle 12b: Nutznießer von Bildungsprojekten des Fis nach departamentos 1991-95
322
Tabelle 12c: Nutznießer von Sanitärversorgungsprojekten des Fis nach departamentos 1991-95
323
Tabelle 13:
Der Beitrag von FSE und Fis zu den staatlichen Humankapitalinvestitionen in Bolivien 1987-94
Tabelle 14a: Durchschnittliche Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Gesundheitsprojekten des Fis in den vier größten Städten Boliviens 1992
324
325
Tabelle 14b: Gesundheitsprojekte in den vier größten Städten ohne Eigenbeitrag der Nutznießer 1991 -1995 325
308
Tabelle 14c: Durchschnittliche Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Bildungsprojekten des Fis in den größten Städten Boliviens 1992
326
Tabelle 14d: Bildungsprojekte in den vier größten Städten ohne Eigenbeitrag der Nutznießer 1991 -95
326
Tabelle 15:
Mitarbeiter des Fis in Relation zur offenen städtischen Arbeitslosigkeit 1992-95
Tabelle 16:
Die Wirkungen von FSE und Fis auf die Leistungsbilanz Boliviens 1986-94 328
Tabelle 17:
Finanzierungszusagen an den Fis 1991-94
329
Tabelle 18:
Jährliche Ausgaben von FSE und Fis 1986-94
330
327
A n h a n g B: Die Mapa de la Pobreza B o l i v i e n s Tabelle 1:
Rangfolge der provincias nach ihrer Armutsquote 1992
Abbildung 1: Die Armutskarte Boliviens 1992
331 332
A n h a n g C: Z u r F o r m u l i e r u n g der A r m u t s i n d i k a t o r e n der Mapa de la Pobreza
333
309
Anhang A. Tabelle 1 Inflationsrate und Defizit der öffentlichen Haushalte 1980-95 lnflationsrate1>
Defizit der öffentlichen Haushalte2*
(in %)
(in % des BSP)
1980
47,2
9,0
1981
32,2
7,8
1982
123,5
14,7
1983
275,6
19,1
1984
1.282,4
27,4
1985
11.857,1
9,1
1986
276,3
3,4
1987
14,6
7,7
1988
16
6,5
1989
15,2
4,8
1990
17,1
6,0
1991
21,4
4,6
1992
12,1
4,7
1993
8,5
6,4
1994
8,2
3,3
1995
7,5
4,4
Jahr
''Jährliche Preissteigerungsrate. 21
Ohne Sozialversicherungen.
Quellen: 1980-84: Morales (1988); 1985: Sachs (1986); 1986-93: World Bank (1994d); 1994 und 1995: Economist Intelligence Unit (1995a, 1996a).
310
Anhang A. Tabelle 2 Beschäftigtenzahl im öffentlichen Sektor 1980-87 1980 Beschäftigte im öffentlichen Sektor 1)
1981
1982
1983
193.118 199.962 204.016 224.435
vorläufige Angaben
Quelle: World Bank (1988b).
1984
1985
1986
19871)
235.922
245.579
220.793
212.443
311
A n h a n g A. Tabelle 3 W a c h s t u m s r a t e n d e s BIP 1 9 8 5 - 9 5 W a c h s t u m s r a t e n real in Prozent d e r V o r p e r i o d e 1985 1986 1987
Wachstum
-0,7
-3,2
2,6
1988 1989
3,8
2,9
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
5,2
4,6
1,6
4,3
4,6
4,4
3,9
d e s BIP Quellen: 1985-92: World Bank (1995d); 1992-96: Economist Intelligence Unit (1997c).
Anhang A. Tabelle 4 BIP zu Marktpreisen 1990 und 1995 B e r e c h n u n g z u Preisen v o n 1990; A n g a b e n in %
Jahr
1990
1995
Landwirtschaft
15,4
14,9
Industrie
30,3
30,6
Sektor
- Erdöl und Erdgasförderung
4,3
4,2
- Bergbau
5,9
6,0
16,9
16,8
3,1
3,5
- Verarbeitende Industrie - Bauindustrie Dienstleistungen
54,4
54,6
- Elektrizität, Gas- und Wasserversorgung
1,6
2,0
- Transport und Kommunikation
9,3
10,1
- Handel
8,9
9,0
- Andere Dienstleistungen
16,2
15,5
- öffentliche Verwaltung
10,1
9,1
8,3
8,9
- Importsteuern und -zolle Gesamt
100
Quellen: Economist Intelligence Unit (1995a, 1997a); eigene Berechnungen.
100
313
Anhang A. Tabelle 5 Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeit und Sozialindikatoren 1988 - Angaben in Prozent der Bevölkerung Sozialindikator Trinkwasser- Elektrizitätsanschluß versorgung beherrschte Sprache(n)
Bildungsniveau 0"
Bildungsniveau 1
Bildungs- Bildungsniveau 2 niveau 3
Ausschließlich Spanisch
69
70
10
34
15
39
Spanisch und indigene Sprache(n)
60
61
12
46
17
24
ausschließlich indigene Sprache(n)
21
16
96
3
0
0
1)
Bildungsniveau 0: Keine Bildungseinrichtung besucht; Bildungsniveau 1: auschließlich Grundschule absolviert; Bildungsniveau 2: Grund- und Mittelschule; Bildungsniveau 3: Besuch einer weiterführenden Bildungseinrichtung.
Quelle: EPNV(1988), zit. nach: World Bank (1990d).
314
Anhang A. Tabelle 6 Armut in Bolivien 1992 Angaben in Prozent der Bevölkerung
Gesamtbevölkerung
Land Stadt
Armutsquote
69,8
94,0
Extreme Armut
31,7
56,9
12,7
Bevölkerung in Wohnungen von inakzeptabler Qualität
48,9
83,8
22,1
Bevölkerung in Wohnungen von inakzeptabler Größe
69,2
71,3
68,0
Bevölkerungsanteil ohne adäquate Versorgung mit Energie
52,6
93,5
21,0
Bevölkerungsanteil ohne adäquate Versorgung mit Wasser
73,9
93,7
58,5
Bevölkerungsanteil ohne adäquate Bildung
65,7
84,7
51,0
Bevölkerungsanteil ohne adäquate Versorgung mit Gesundheitsdiensten
53,4
64,0
42,0
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
51,1
Anhang A. Tabelle 7 Veränderung der Armutssituation 1976-92 - in % der Gesamtzahl der Haushalte departamentolRegion
Anteil armer Haushalte 1976
Veränderung Anteil armer Haushalte 19921>
85,4
72,1
-13,3
- städtische Haushalte
65,8
49,5
-16,3
- ländliche Maushalte
98,2
94,2
-4,0
83,3
68,4
-14,9
64,9
50,8
-14,1
Bolivien gesamt
La Paz - städtische Haushalte - ländliche Haushalte
98,3
95,2
-3,1
- La Paz Stadt
60,9
39,0
-21,9
- El Alto
81,0
70,6
-10,4
84,9
70,2
-14,7 -15,7
Oruro - städtische Haushalte
69,9
54,2
- ländliche Haushalte
98,4
95,0
-3,4
- Oruro Stadt
65,2
50,2
-15,0
Potosí - städtische Haushalte - ländliche Haushalte - Potosí Stadt Cochabamba
92,7
82,5
-10,2
74,8
53,4
-21,4
99
96,0
-3,0
65,6
46,7
-18,9
85,5
69,5
-16,0 -15,8
- städtische Haushalte
61,7
45,9
- ländliche Haushalte
98,3
93,0
-5,3
- Cochabamba Stadt
55,3
40,3
-15,0
Chuquisaca
89,0
75,7
-13,3
52,9
36,0
-16,9
- ländliche Haushalte
99,2
96,1
-3,1
- Sucre Stadt
46,4
33,9
-12,5
- städtische Haushalte
Tarija
86,0
66,4
-19,6
- städtische Haushalte
67,7
46,7
-21,0
- ländliche Haushalte
97,8
91,6
-6,2
- Tarija Stadt
54,6
40,1
-14,5
11
Die Daten weichen von den im Text verwendeten geringfügig ab. Um die Datensätze von 1976 mit denen von 1992 vergleichen zu können, mußte die Methodik der Auswertung für 1992 an die Methodik des ersten Zensus angepaßt werden.
316
Anhang A. Tabelle 7 (Fortsetzung) Veränderung der Armutssituation 1976-92 - in % der Gesamtzahl der Haushalte departamentolRegion
Anteil armer Haushalte 1976
Anteil armer Veränderung Haushalte 19921)
78,8
56,9
-21,9
- städtische Haushalte
63,8
44,5
-19,3
- ländliche Haushalte
95,4
89,7
-5,7
- Santa Cruz Stadt
59,2
39,9
-19,3
Sta. Cruz
89,7
77,7
-12,0
- städtische Haushalte
Beni
81,1
68,0
-13,1
- ländliche Haushalte
98,0
96,3
-1,7
- Trinidad Stadt
73,7
56,3
-17,4
Pando
94,8
81,4
-13,4
67,4
46,3
-21,1
- städtische Haushalte - ländliche Haushalte
98,7
94,9
-3,8
- Cobija Stadt
67,4
46,3
-21,1
" Die Daten weichen von den im Text verwendeten geringfügig ab. Um die Datensätze von 1976 mit denen von 1992 vergleichen zu können, mußte die Methodik der Auswertung für 1992 an die Methodik des ersten Zensus angepaßt werden. Quelle: Ministeno de Desarrollo Humano (1993).
317
Anhang A. Tabelle 8 Ausmaß der Armut nach Sektorzugehörigkeit 1992 Armutsgruppe Beschäftigte davon: - nicht-arm je Sektor (1.000 Personen) (% d. Beschäftigten) Sektor/Status Alle Sektoren Landwirtschaft
- arm
- extrem arm
(% d. Besch.)
(% d.Besch.)
2.005
28,3
65,4
6,3
882
2,9
84,0
13,1
Bergbau
46
33,0
64,5
2,5
Bauindustrie
114
22,3
76,2
1,5
Sonstige Industrie
205
35,6
62,2
2,2
Handel/Transport
314
43,6
55,8
0,6
Sonstige Dienstleistungen
417
67,8
31,8
0,4
Erstmalig Arbeitssuchende
27
28,1
68,6
3,3
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
318
Anhang A. Tabelle 9a Ausmaß der Armut der bolivianischen Bevölkerung nach Sprachvermögen 1992 - in % d e r j e w e i l i g e n B e v ö l k e r u n g s g r u p p e -
Bevölkerungsgruppe Gesamte davon: Bevölke- - Nicht- - Arme - Extrem rung Arme beherrschte Sprache(n) Arme Ausschließlich Spanisch
41,9
59,9
35,1
14,2
Ausschließlich indigene Sprache(n)
12,5
0,5
15,4
50,8
Spanisch und indigene Sprache(n)
42,4
31,9
48,1
33,8
Andere Sprache(n)
3,3
7,6
1,3
1,2
Gesamt
100
100
100
100
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
Anhang A. Tabelle 9b Ausmaß der Armut der Landbevölkerung Boliviens nach Sprachgruppen 1992 - in % d e r j e w e i l i g e n B e v ö l k e r u n g s g r u p p e -
Bevölkerungsgruppe Landbevöl- davon: kerung • Nichtbeherrschte Sprache(n) gesamt Arme
- Arme - Extrem Arme
Ausschließlich Spanisch
23,3
40,8
23,6
13,0
Ausschließlich indigene Sprache(n)
27,8
2,2
26,2
53,0
Spanisch und indigene Sprache(n)
47,3
51,9
48,8
32,8
Andere Sprache(n)
1,5
5,1
1,4
1,2
Gesamt
100
100
100
100
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
319
Anhang A. Tabelle 9c Ausmaß der Armut der Stadtbevölkerung Boliviens nach Sprachgruppen 1992 - in % d e r j e w e i l i g e n B e v ö l k e r u n g s g r u p p e -
Bevölkerungsgruppe Stadtbevöl- davon: kerung - Nicht- - Arme - Extrem gesamt beherrschte Sprache(n) Arme Arme Ausschließlich Spanisch
54,8
61,3
48,6
34,1
Ausschließlich indigene Sprache(n)
1,7
0,4
2,8
15,0
Spanisch und indigene Sprache(n)
39,0
30,5
47,3
50,3
Andere Sprache(n)
4,5
7,8
1,3
0,6
Gesamt
100
100
100
100
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
320
Anhang A. Tabelle 10 Bildungsniveau der bolivianischen Bevölkerung 1992 -Anteile in % der jeweiligen Bevölkerungsgruppe -
Gesamtbevölkerung
Stadtbevölkerung
Landbevölkerung
- Ohne Schulbildung
15,4
8,3
25,8
- Grundschulbildung
40,2
32,4
51,5
- Mittelschulbildung
34,7
44,2
21,3
- Weiterführende Ausbildung
9,7
15,1
1,5
Gesamt
100
100
100
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993); eigene Berechnungen.
Anhang A. Tabelle 11 Durchschnittliche Bearbeitungszeit der Projektanträge 1987-90 - Angaben in Tagen -
Zeitspanne zwischen Genehmigung eines Projekts und Vertragsunterzeichnung
1987
1988
1990
120
60
87
Quellen: für 1987 und 1988: World Bank (1990e); für 1990: Garret (1990).
322
Anhang A. Tabelle 12a Nutznießer von Gesundheitsprojekten des Fis nach departamentos departamento
Nutznießer von Gesundheitsprojekten
Bevölkerungsanteil der Nutznießer von Gesundheitsprojekten
(Personenzahl)
(in % der Bevölkerung)
Beni
233.045
84,38
Chuquisaca
156.121
34,41
Cochabamba La Paz
694.283
63,54
2.147.941
113,00
Oruro
55.004
16,17
Pando
46.157
121,24
Potosí
289.182
44,77
Santa Cruz
435.832
31,94
Tarija
68.084
23,36
Varios
1.267
Bolivien gesamt 11
1991-95
1)
4.126.916
64,27
Die Begünstigten dieser Projekte verteilen sich über ganz Bolivien; daher ist Berechnung eines Bevölkerungsanteils nicht sinnvoll.
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
Anhang A, Tabelle 12b Nutznießer von Bildungsprojekten des Fis nach departamentos
1991-95
Nutznießer von Bildungsprojekten
Bevölkerungsanteil der Nutznießer von Bildungsprojekten
(Personenzahl)
(% der Bevölkerung)
23.418
8,5
Chuquisaca
42.014
9,3
Cochabamba
99.199
8,9
departamento Beni
La Paz
246.342
13,0
Oruro
37.052
10,9
Pando
831
2,2
Potosí
34.351
5,3
Santa Cruz
31.657
2,3 8,1
Tarija
23.572
Varios
303.217
Bolivien gesamt
841.653
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
—
13,1
323
Anhang A, Tabelle 12c Nutznießer von Sanitärversorgungsprojekten des Fis nach departamentos 1991-95 departamento
Beni
Nutznießer von Sanitärprojekten
Bevölkerungsanteil der Nutznießer von Sanitärprojekten
(Personenzahl)
(% der Bevölkerung)
35.329
12,8
Chuquisaca
26.770
5,9
Cochabamba
126.785
11,4
La Paz
185.578
9,8
Oruro
29.101
8,6
Pando
0
0,0
Potosí
28.826
4,5
Santa Cruz
89.329
6,6
Tanja
69.104
23,7
Varios
0
...
590.822
9,2
Boliven gesamt
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
324
Anhang A. Tabelle 13 Der Beitrag von FSE und Fis zu den staatlichen Humankapitalinvestitionen in Bolivien 1987-94 1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
Gesundheitsausgaben der 100,3 116,3 Zentralregierung gesamt (Mio. US$) n.v. n.v. davon Public Health, Research and Others (Mio. US$) 274,9 312,8 Bildungsausgaben der Zentralregierung gesamt (Mio. US$) n.v. 196,7 davon Vorschule, Primarund Sekundarstufe (Mio. US$) 375,2 429,1 Gesamt Zeilen 1 + 3
126,9
58,7
105,9
365,4
386
454
126,9
53,7
36,5
242,1
241,1
314,1
391,4
455,4
600,8
742,6
267,4
265,5
316
397,8
1987
Ausgaben in Mio. Bs
Gesamt Zeilen 2 + 4 Projektausgaben des FSE für Gesundheit und Bildung (Mio. US$) Projektausgaben des Fis (Mio. US$)
1.000,3 1.181,2
537,1
585,6
1.386,3 1.635,2
518,3
514,1
706,7
1.108
394,3
319,2
352,5
639,9
778,2
899,7
19,88 114,81 145,14
197,54
34,2
2,55
55,93
112,34
187,69
n.v.
—
Anteil an Gesamtausgaben für Gesundheit und Bildung (in %)
5,3
Anteil FSE/FIS an Zeilen 2 + 4 (in %)
...
n.v.
...
...
...
26,8
28,0
38,5
5,2
5,0
8,1
11,5
36,8
62,0
10,4
8,7
14,4
20,9
—
... ... ... Anteil Fis an Zeilen 2 + 4 0,7 8,7 14,4 20,9 — (in %) Quellen: International Monetary Fund (1993, 1995); Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
325
Anhang A. Tabelle 14a Durchschnittliche Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Gesundheitsprojekten des Fis in den vier größten Städten Boliviens 1992 GesundGesundAusgaJährl. Haushalts- ben pro heitsausga- heitsausgaben ben einkom- Haushalt (Bs) (% der (Bs) men (Bs) Gesamtausgaben)
Stadt
Durchschnittl. Eigenleistung eines Nutzers (Bs)"
Kosteneffekt d. Eigenleistung d. Gesundheitsprojekte (% d. Gesundheitsausgaben) 0,00
La Paz
1000,00
1068,00
4,4 %
46,99
0,00
Santa Cruz
1127,00
1090,00
4,2 %
45,78
0,61
1,33
Cochabamba
1045,00
1095,00
4,9 %
53,66
0,25
0,47
El Alto
466,00
537,00
2,0%
10,74
0,00
0,00
1)
Berechnungen auf der Grundlage von Fis (1995); Wechselkurs: 1 US$ = 3,90 Bs (1992)
Quellen: República de Bolivia (1992c); Fondo de Inversión Social (1995); Economist Intelligence Unit (1995a); República de Bolivia (1992c); eigene Berechnungen
Anhang A. Tabelle 14b Gesundheitsprojekte in den vier größten Städten ohne Eigenbeitrag der Nutznießer 1991-95 Stadt
La Paz
Projekte je Projekte ohne Eigenlei- Projekte ohne EigenleiStadt stung der Nutznießer stung der Nutznießer (Anzahl)
(Anzahl)
(Anteil in %)
9
9
100
Santa Cruz
40
36
90
Cochabamba
14
12
86
El Alto
25
24
96
Gesamt
88
81
92
Quelle; Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
326
A n h a n g A. T a b e l l e 1 4 c Durchschnittliche Kostenbelastung potentieller Nutznießer von Bildungsproj e k t e n d e s Fis in d e n vier g r ö ß t e n S t ä d t e n B o l i v i e n s 1 9 9 2 Stadt
Durchschnitt!. Ausgaben Anteil der pro Haus- BildungsJahresausgaben halt einkommen (% d. (Bs) (Bs) Gesamtausgaben)
La Paz
1000,00
Bildungs- Eigenbeitrag ausgaben der Nutzer von Bil(Bs) dungsprojekten des Fis (Bs)'
Eigenbeitrag der Nutzer (% d. Bildungsausgaben)
1068,00
4,8
51,26
5,62
11
5,3
57,77
0,32
0,6
Santa Cruz
1127,00
1090,00
Cochabamba
1045,00
1095,00
5,5
60,23
3,88
6
466,00
537,00
2,6
13,96
2,74
20
El Alto '
Eigene Berechnungen; Wechselkurs: 1 US$ = 3,90 $b (1992)
Quellen: República de Bolivia (1992c); Fondo de Inversión Social (1995); Economist Intelligence Unit (1995a); República de Bolivia (1992c); eigene Berechnungen
A n h a n g A. T a b e l l e 1 4 d B i l d u n g s p r o j e k t e in d e n v i e r g r ö ß t e n S t ä d t e n ohne Eigenbeitrag der Nutznießer 1991-95 Stadt
Gesamtzahl der
Anzahl ohne
Anteil Projekte
untersuchten
Eigenbeitrag
ohne Eigenbeitrag
Bildungsprojekte (Anzahl)
der Nutznießer (Anzahl)
der Nutznießer (Anteil in %)
La Paz
27
10
37,0
Santa Cruz
21
15
71,4
Cochabamba
19
6
31,6
El A l t o
28
20
71,4
Gesamt
85
41
48,2
Quelle: Fondo de Inversión Social (1995); eigene Berechnungen.
327
Anhang A. Tabelle 15 Mitarbeiter des Fis in Relation zur offenen städtischen Arbeitslosigkeit in Bolivien 1992-95 - Personenzahl -
Jahr Anzahl Mitarbeiter des Fis Anzahl Erwerbslose in städtischen Regionen (gerundet) '' geplant
1992
1993
1994
1995»
167
172
188
188
60.800
58.900
64.700
n.v.
Quellen: Inter-American Development Bank (1995); CEPAL(1993); eigene Berechnungen.
328
Anhang A. Tabelle 16 Die Wirkungen von FSE und Fis auf die Leistungsbilanz Boliviens 1986-94 Zeitraum 1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
6,5
45,6
49,7
60,9
8,5
20,4
17,8
27,6
24,8
28,9
17,8
27,6
24,8
Zufluß gesamte externe Zuflüsse an den FSE (Mio. US$) gesamte externe Zuflüsse an den Fis (Mio. US$) Externe Zuflüsse an FSE und Fis (Mio. US$) Bolivien: Leistungsbilanzdefizit (Mio. US$)
...
...
—
—
6,5
45,6
49,7
60,9
- 432,3 - 304,4 -270,1 -198,9 - 262,6 - 533,9 - 505,5 -218,4
Jährliche Änderung des Leistungsbilanzdefizits (Mio. US$)
...
...
- 127,9
-34,3
-71,2
+ 63,7 + 271,3 -28,4 - 287,1
Zuflüsse an FSE/FIS (% der Änderung des Leistungsbilanzdefizits)
...
...
35,7
144,9
85,5
45,4
6,6
97,2
8,6
Bolivien: Geschenkte Mittel ohne TZ
147
133
157
178
202
561
264
195
n.v.
Bolivien: Geschenkte Mittel (TZ)
59
80
85
93
115
163
179
170
n.v.
Bolivien: Bruttoneuverschuldung gesamt
463
257
425
440
331
318
443
307
n.v.
Bolivien: Bruttoneuverschuldung langfr.
329
257
333
382
300
287
391
307
n.v.
Bolivien: Nettokapitalimporte gesamt
382
341
288
380
334
762
595
324
n.v.
Bolivien: Nettoneuverschuldung langfristig
225
170
141
227
104
149
238
-21
n.v.
Quellen: Fondo de Inversión Social (1995); World Bank (1992a, 1995d); Inter-American Development Bank (1995); International Monetary Fund (1995); eigene Berechnungen.
329
Anhang A. Tabelle 17 Finanzierungszusagen an den Fis 1991-94 Geberorganisation
Zuflüsse insaesamt 1991-1994 Eiaenbeitraa Bolivien Darlehen aesamt
Anteil an Mittelvolumen Gesamtmitteln (in %) (Mio. US$) 137.7
Vergabekondition
100
6J3
4.94
79.43
57.68
22,19
16,11
Darlehen
5,88
4,27
Darlehen
41,58
30,20
Darlehen
davon: IDA credit # 2 1 2 7 IDA c r e d i t # 2 0 9 2 SDR (PROISS)
Weltbank credit # 2532 OPEC c r e d i t # 6 0 4 P
5,00
3,63
Darlehen
OPEC credit # 519P
2,96
2,15
Darlehen
KFW -Saldo FSE
1,82
1,32
Darlehen
51.47
37,38
Zuschüsse aesamt davon:
Zuschuß
KFW
13,08
9,50
Kanada ENTEL/YPFB
4,73
3,43
Zuschuß
Kanada ENTEL
2,30
1,67
Zuschuß
Kanada Nahrungsm. II
1,15
0,83
Zuschuß
Kanada Nahrungsm. III
0,37
0,27
Zuschuß
Großbritannien (Zahlungsbilanzhilfe)
6,27
4,55
Zuschuß
Großbritannien II
0,48
0,35
Zuschuß
Großbritannien III
0,58
0,42
Zuschuß
Schweden COF I
3,45
2,50
Zuschuß
Schweden COF II
3,32
2,41
Zuschuß
Schweiz COF
4,55
3,3
Zuschuß
Schweiz (Zahlungsbilanzhilfe)
1,56
1,14
Zuschuß
Dänemark
4,96
3,60
Zuschuß
Niederlande LAB
2,43
1,77
Zuschuß
Niederlande COF
2,04
1,48
Zuschuß
0,2
0,14
Zuschuß
130,9
95,1
Niederlande PROISS
nachrichtlich: Ausländische Mittel gesamt
Quelle: Fondo de Inversión Social (1994); eigene Berechnungen.
330
Anhang A. Tabelle 18 Jährliche Ausgaben von FSE und Fis 1986 - 94 - in US-Dollar -
Ausgaben für Projekte
Verwaltungsausgaben
Gesamtausgaben
Organisation
Jahr
FSE
1986
FSE
1987
9.673.204,00US$
1.147.977,69USS
10.821.181,69US$ 60.162.961,15US$
o.oouss
FSE
1988
48.856.638,58US$
11.306.322,57US$
FSE
1989
53.956.530,73US$
2.668.716,35US$
56.625.247,08US$
FSE
1990
62.316.313,70US$
3.060.506,07US$
65.376.819,77USS
FSE
1991
9.554.038,78US5
1.125.744,09USÎ
10.679.782,87USÎ
FSE
Gesamt 1987-91 FIS
1991
184.356.725,79US$ 712.594,44USS
19.309.266,77US$ 203.665.992,56US$ 2.099.494,20USÎ
2.812.088,64USÎ
FIS
1992
14.304.953,69US$
3.618.338,00USS
17.963.012,00USÎ
FIS
1993
26.247.685,25US$
3.884.663,57US5
30.132.348,82USÎ
41.304.953,69USS
9.602.495,77US$
50.907.449,46US$
40.635.066,00US$
3.426.813,00USÎ
44.051.879,00US$
FIS
Gesamt 1991-93 Fis 1)
1994 1>
Angaben vorläufig.
Quellen: 1986-93: Fondo de Inversión Social (1994); 1994: Ministerio de Desarollo Humano (1994).
331
Anhang B: Die Mapa de la Pobreza Boliviens Anhang B. Tabelle 1 Rangfolge der provincias nach ihrer Armutsquote prov.
dept.
prov.
dept.
prov.
1 Abuná
PDO
38 Inquisivi
LPZ
75 Velasco
dept. SCZ
2 Arque
CBA
39 O'Connor
TJA
76 Iténez
BEN
LPZ
3 Tapacarí
CBA
40 Omasuyos
77 Ichilo
SCZ
4 Charcas
PTS
41 Challapata o Avaroa ORU
78 Mamoré
BEN
5 Franz Tamayo
LPZ
42 Sebastián Pagador
ORU
79 Yacuma
BEN
6 Bolívar
CBA
43 Ladislao Cabrera
ORU
80 Tomás Barrón
ORU
7 Muñecas
LPZ
44 Madre de Dios
PDO
81 Rafael Bustillo
PTS
8 Chayanta
PTS
45 Sud Lipez
PTS
82 Vallegrande
SCZ
9 Alonso de Ibañez
PTS
46 Ñuflo de Chavez
SCZ
83 Florida
SCZ
10 Bautista Saavedra
LPZ
47 Campero
CBA
84 Antonio Quijarro
PTS
11 Azurduy
CHQ
48 José María Linares
PTS
85 Mejillones
ORU
12 Gral. Bilbao
PTS
49 Gral. F. Román
PDO
86 Daniel Campos
PTS
13 Camacho
LPZ
50 Avilez
TJA
87 Poopó
ORU
14 Zudañez
CHQ
51 Belisario Boeto
CHQ
88 Arce
TJA
15 Nor Cinti
CHQ
52 Tiraque
CBA
89 Cordillera
SCZ
16 Mizque
CBA
53 Mendez
TJA
90 Nicolás Suarez
PDO
17 San Pedro de Totora
ORU
54 Larecaja
LPZ
91 G. Jordán
CBA CBA
18 Pacajes
LPZ
55 Abel Iturralde
LPZ
92 Punata
19 Ayopaya
CBA
56 Ñor Yungas
LPZ
93 Vaca Diez
BEN
20 Loayza
LPZ
57 Manco Kapac
LPZ
94 Sarah
SCZ
21 Gualberto Villaroel
LPZ
58 Hernando Siles
CHQ
95 Modesto Omiste
PTS
22 Saucarí
ORU
59 Enrique Baldivieso
PTS
96 Warnes
SCZ TJA
23 Los Andes
LPZ
60 A. Sandóval
SCZ
97 Gran Chaco
24 Moxos
BEN
61 Luis Calvo
CHQ
98 Sud Chichas
PTS
25 Cornelio Saavdra
PTS
62 Guarajos
SCZ
99 Chiquitos
SCZ
26 Sud Cinti
CHQ
63 Ñor Chichas
PTS
100 Pantaleón Dalence ORU
27 Tomina
CHQ
64 Ingavi
LPZ
101 Quillacollo
28 Marbán
BEN
65 Sud Yungas
LPZ
102 O. Santiesteban
SCZ
29 Yamparez
CHQ
66 Ballivián
BEN
103 Tomás Frías
PTS
30 Nor Carangas
ORU
67 Atahuallpa
ORU
104 Oropeza
CHQ
31 Carangas
ORU
68 Esteban Arce
CBA
105 Cercado (BEN)
BEN
32 Manuripi
PDO
69 Ñor Lipez
PTS
106 Cercado (ORU)
ORU
33 Gral. José M. Pando
LPZ
70 Capinota
CBA
107 Germán Busch
SCZ
34 Carrasco
CBA
71 Arani
CBA
108 Murillo
LPZ
35 Sud Carangas
ORU
72 Litoral
ORU
109 Cercado (TJA)
TJA
36 Aroma
LPZ
73 Chapare
CBA
110 Cercado (CBA)
CBA
37 Sajama
ORU
74 M. Caballero
SCZ
111 Andrés Ibañez
SCZ
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
CBA
332
Anhang C. Abbildung 1 Die Armutskarte Boliviens
Grupo IO
Quelle: Ministerio de Desarrollo Humano (1993).
12.
333
Anhang C: Zur Formulierung der Armutsindikatoren der Mapa de la Pobreza
1. Vorbemerkung Die Mapa de la Pobreza beobachtet die Armutstiefe der Haushalte. Dabei wird die Armutstiefe anhand von 10 Teilindikatoren gemessen, für die jeweils eine normative Armutsgrenze festgelegt wird. Die Teilindikatoren werden zusammengefaßt in den vier Gruppen Wohnsituation, Versorgung, Ausbildung und Gesundheitsversorgung. Da es sich teils um private Güter, teils um Clubgüter handelt, wird die Anwendung von Äquivalenzskalen für einzelne Bereiche nötig, um die Vergleichbarkeit der Haushalte untereinander zu gewährleisten; insbesondere für das private Gut Humankapital, das durch den Bereich Ausbildungssituation abgebildet wird, ist eine Äquivalenzskala notwendig. Einige Variablen der Teilindikatoren sind quantitativer, andere qualitativer Art. Die Einbeziehung der quantitativen Beobachtungen in den Indikator ist wegen deren kardinaler Notierung relativ einfach. Zumeist sind dies Bezugszahlen, für deren Kalkulation zwei Beobachtungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Ein Beispiel ist der Indikator Raum pro Person, für dessen Quantifizierung die beobachtete Raumzahl der Wohnung auf die Personenzahl eines Haushaltes bezogen wird. Richtwert bzw. Armutsgrenze ist in diesem Fall mindestens 2 Schlafräume für 5 Personen bzw. 2,5 Personen pro Raum. Die Quantifizierung qualitativer Variablen geschieht derart, daß jeder möglichen Beobachtung ein Wert zugewiesen wird. Die möglichen Beobachtungen einer Variablen werden aufsteigend geordnet. Der Variablenwert der einzelnen Beobachtung kann direkt die ordinale Rangziffer sein. In diesem Fall haben zwei benachbarte Ausprägungen der Variablen immer denselben Abstand (Schrittweite = 1); ein Beispiel hierfür ist der Indikator "Fußbodenmaterial" (vgl. Tabelle C.3). In Fällen, in denen die Qualität zwischen mehreren benachbarten Ausprägungen unterschiedlich stark variiert, wurden von eins abweichende Schrittweiten gewählt; ein Beispiel für diesen Fall ist der Indikator "Trinkwasserversorgung" (vgl. Tabelle C.6).
334
2. Definition spezieller Indikatoren
2.1. Armutstiefe Für jeden Haushalt wird der Abstand des aktuellen Lebensniveaus zum MindestLebensniveau gemessen. Voraussetzung ist, daß für jeden Lebensbereich ein Mindestversorgungsniveau als Armutsgrenze festgelegt wird. Auf diese Armutsgrenze wird die aktuelle Beobachtung bezogen. Daraus erhält man den Index der relativen Bedürfnisbefriedigung des betrachteten Haushaltes: x
±
i v _ IW.J —
mit XXj
Index der relativen Bedürfnisbefriedigung von Bedürfnis x des Haushaltes j
X|
aktuelle Beobachtung für Bedürfnis x des Haushaltes j
und x*
Mindestniveau der Befriedigung für Bedürfnis x (Armutsgrenze).
Für den Bereich Bildungssituation wird diese Formel durch die Einbeziehung einer Äquivalenzskala modifiziert. Der Index der relativen Bedürfnisbefriedigung wird in einen Mangelindex transformiert, der die Abweichung der aktuellen Haushaltssituation von der Armutsgrenze direkt ausdrücken soll: \ i X j = \ -
Xxj
mit liXj
Mangelindex für Bedürfnis x des Haushaltes j
Dieser Mangelindex entspricht der Armutstiefe des Haushalts j in Lebensbereich x. Die Mangelindices können Werte zwischen 1 und -1 annehmen, wobei 1 eine Situation geringstmöglicher Bedürfnisbefriedigung (d.h. Armut), 0 die Armutsgrenze und -1 eine Situation bestmöglicher Bedürfnisbefriedigung darstellen. Jeder der 10 Mangelindices wird einer der vier Gruppen - Wohnsituation, Versorgung, Bildungssituation und Gesundheitsversorgung - zugeordnet. Innerhalb jeder Gruppe wird der Durchschnitt der zugehörigen Mangelindices gebildet, um den Mangelindex des betreffenden Lebensbereiches zu erhalten. Dabei fließen in die einzelnen Gruppen unterschiedlich viele Teilindices ein. Die Bereiche Wohnsituation und Versorgung mit Energie und sanitären Einrichtungen werden durch jeweils vier Teilindikatoren abgebildet; in den Bereichen Ausbildung und Gesundheitsversorgung hingegen wird jeweils nur ein Indikator beobachtet.
335
Die Mangelindices der Teilbereiche messen für jeden armutsrelevanten Bereich das Niveau der Nichtbefriedigung der Basisbedürfnisse eines Haushaltes in Relation zu den Normwerten. Der Index der Armutstiefe des Haushaltes AT(UBN) wurde im Text als "R" bezeichnet. Er ergibt sich als Durchschnitt der Mangelindices für die Wohnsituation, für die Versorgung mit sanitären Einrichtungen und Energie, für den Bildungsstand sowie für die Gesundheitsversorgung: A T{UBNj) = \(MWj +MVj +MBj
+MGj)
Hierbei stellen AT(UBN)
den Indikator Armutstiefe, gemessen als Grundbedürfnisindex
MWj
den Wert des Mangelindexes "Wohnsituation" für Haushalt j
MVj
den Wert des Mangelindexes "Versorgungssituation" für Haushalt j
MBj
den Wert des Mangelindexes "Bildungssituation" für Haushalt j
MGj
den Wert des Mangelindexes "Gesundheitsversorgung" für Haushalt j
dar. Tabelle C.1 gibt einen Überblick über die verwendeten Indikatoren für einzelne Lebensbereiche und zeigt ihre Gewichtung für den Gesamtindex Armutstiefe. Tabelle C.1 Armutstiefe - Gewichtung der Teilindikatoren Indikator/Teilindikator Armutstiefe: AT(UBN)
Gewicht im Gesamtindex
Gewicht in der betr. Gruppe
Gewicht in der Untergruppe
1
I. Wohnsituation
1/4
1
a) Baumaterial
1/8
1/2
- Wände
1/24
1/3
- Fußboden
1/24
1/3
- Dach
1/24
b) Anzahl Räume
1/8
1/2
II. Versorgung
1/4
1 1/2
a) Sanitärversorgung
1/8
- Wasserversorgung
1/16
- Behandlung der Exkremente
1/16
b) Energieversorgung
1/8
1
1/3 1 1 1/2 1/2 1/2
1
- Elektrizität
1/16
- Herdbefeuerung
1/16
III. Bildungssituation
1/4
1
1
IV. Qesundheitsversorgung
1/4
1
1
1/2 1/2
336
Die vier Gruppen gehen mit gleichem Anteil in den Gesamtindikator AT(UBN) ein. Die von Gruppe zu Gruppe unterschiedliche Zahl der einfließenden Variablen bewirkt jedoch, daß die Gewichtungen der einzelnen Teilindikatoren differieren. Während der Wert der Indikatoren zur Gesundheitsversorgung und zur Bildungssituation jeweils mit dem Faktor 1/4 in den Gesamtindikator eingehen, werden die Teilindikatoren Dachmaterial, Wandmaterial und Fußbodenmaterial in der Gruppe Baumaterial jeweils mit dem Faktor 1/24 gewichtet. Für die Armutstiefe gilt derselbe Wertebereich wie für die einzelnen Mangelindices: sie kann Werte zwischen -1 und 1 annehmen. Der Wert "1" sagt aus, daß alle Grundbedürfnisse unerfüllt bleiben. Liegt der Wert der Armutslücke zwischen 1 und 0, so ist der betreffende Haushalt zu den armen Haushalten zu rechnen. Die Armutsgrenze liegt bei einem Indikatorwert von Null. Nicht-arme Haushalte sind durch eine Armutstiefe kleiner als Null charakterisiert; ein Haushalt, der in der Lage ist, alle betrachteten Grundbedürfnisse nachhaltig zu befriedigen, erreicht eine Amutstiefe von minus eins. Innerhalb der armen Haushalte wird zwischen moderat armen Haushalten und extrem armen Haushalten unterschieden. Moderate Armut bedeutet, daß die Armutstiefe des Haushaltes einen Wert zwischen 0 und 0,7 annimmt. Extrem arme Haushalt sind durch eine Armutstiefe größer als 0,7 charakterisiert.
2.2. Armutsquote Die Armutsquote ist ein Headcount-Index über alle Haushalte der Stichprobe, deren Armutstiefe größer als Null ist. Die Armutsquote Qp (AT) ist der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung einer Provinz P :
Qp(AT) = l mit QP(AT)
Armutsquote der Provinz p als Funktion der Armutstiefe
qP
Gesamtzahl aller Mitglieder armer Haushalte in der Provinz p Gesamtzahl aller Haushaltsmitglieder der Provinz p.
337
2.3. Armutslücke Der Index "Armutslücke einer Provinz" setzt die Armutstiefe in Beziehung mit der Zahl der Mitglieder armer Haushalte an der Gesamtzahl der Bewohner einer Provinz. Die Armutslücke "[...] muestra, en relación a todos los hogares o población, el nivel promedio de insatisfacción de las necesidades básicas de los hogares o población pobre de una zona respecto a los niveles mínimos de vida (normas). Der Index der Armutslücke einer Provinz ALp ist die durchschnittliche Armutstiefe der in dieser Region lebenden armen Haushalte, gewichtet mit der Zahl der betroffenen Haushaltsmitglieder und ergibt sich als Produkt aus der durchschnittlichen Armutstiefe der Haushalte und der Armutsquote der Provinz: ALp = Qp(AT)» ATp mit Qp
Armutsquote der Provinz p
und ATP
Armutslücke der Provinz p.
Dieser Formulierung liegt ein "poverty-gap" Ansatz zugrunde. Setzt man in die angegebene Gleichung den Index der Armutsquote sowie den Index der Armutstiefe ein, so erhält man folgende Formel: ALP = ¿ írrijATj mit np
Gesamtzahl der Haushalte in der Provinz p
rrij
Zahl der Haushaltsmitglieder der Haushalte j bis r der Provinz p
und ATj
Armutstiefe der Haushalte j bis r der Provinz p
"El índice [...] refleja el nivel promedio de insatisfacción de las necesidades básicas de los hogares o población pobre de una zona en relación a los niveles mínimos de vida (normas). 2.4. Armutsrang Zur Ermittlung des Armutsranges werden die Provinzen anhand der Armutslücke aufsteigend geordnet. Jeder Provinz wird entsprechend ihrer Stellung in dieser
'
Ministerio de Desarrollo Humano (1993): S. 12.
2
Vgl. Ministerio de Desarrollo Humano (1993): S. 11.
338
Ordnung eine Rangziffer zugewiesen. Die ärmste Provinz erhält den Armutsrang 1 zugewiesen, die reichste Provinz den Rang 111 (vgl. Anhang B, Tabelle 1).
3. Zur Berechnung der Armutslücke
3.1. Wohnsituation Für die Angemessenheit der Wohnsituation sind qualitative und quantitative Faktoren ausschlaggebend. Sie wird anhand von vier Inputindikatoren abgebildet. Die qualitative Charakterisierung geschieht durch die Variable Baumaterial; die quantitativen Faktoren sind in dem Teilindikator verfügbarer Wohnraum zusammengefaßt. 3.1.1. Qualitative Variablen 3.1.1.1. Fußbodenmaterial Das Baumaterial wird nach Material für Fußboden, Wand und Dach unterschieden. Für jedes dieser Bauelemente werden unterschiedliche Materialien identifiziert. Die Materialien werden nach ihrer Qualität aufsteigend geordnet, wobei einige Materialien als gleichwertig angesehen werden. Jedem Material wird ein numerischer Wert zugewiesen. Der Abstand des Wertes eines Baumateriales von dem Wert des Materials, das als minimaler Standard angesehen wird, ergibt die Armutslücke. Die folgende Tabelle C.2 enthält die möglichen Ausprägungen der Variablen "Fußboden". Tabelle C.2 Ausprägungen der Variablen "Fußboden" Materialart
Bewertung
Mangelindex
Lehm und ähnliche Materialien
0
-1
Backstein, Zement
1*
0
Holz, Fliesen oder Mosaik
2
1
Als Mindestausstattung eines Hauses gilt ein fester Fußboden aus Zement oder Backsteinen. Die Abstände zwischen den einzelnen Alternativen werden als gleich groß erachtet.
339
3.1.1.2. Wandmaterial Mögliche Wandmaterialien und ihre Bewertungen sind der Tabelle C.3 zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, daß Reststoffe wie Plastikplanen, Kunststoffplatten oder ausrangierte Paletten vorwiegend in Stadtrandgebieten als Baumaterial eingesetzt werden, wohingegen in ländlichen Gebieten Feldmaterialien wie Lehm (in Form von Adobes oder als Wandbewurf), Steine oder Pflanzenbestandteile dominieren. Wände aus verputzten Adobes oder Holz wurden offenbar als qualitativ höherwertig eingeschätzt, wie sich an der jeweiligen Bewertung ablesen läßt. Allerdings sind die Vorteile dieser Materialien gegenüber den unverputzten natürlichen nicht übermäßig ausgeprägt, so daß ihr Beitrag zur Lebensqualität mit dem Faktor 1,5 bewertet wird. Tabelle C.3 zeigt mögliche Ausprägungen der Wandmaterialien, die zugehörigen Bewertungen und die daraus berechnete Armutslücke. Tabelle C.3 Ausprägungen der Variablen "Wandmaterial" Materialart Abfallstoffe (Kunststoffplatten etc.) Unverputzte Adobes, Lehmbewurf, Feldsteine, Palmwedel, Stroh, Zuckerrohr
Bewertung Mangelindex 0
1
0,5
0,5
Verputzte Adobes, Holz
1*
0
Gebrannte Ziegeln aus Ton oder Zement etc.
1,5
-0,5
Als arm wird ein Haushalt eingeschätzt, wenn seine Wohnung nicht mindestens mit Wänden aus verputzten Adobes oder Holz ausgestattet sind. 3.1.1.3. Dachbedeckung Die zur Dachbedeckung verwendeten Materialien sind im großen und ganzen den zur Wandkonstruktion benutzten vergleichbar. Die wichtigsten Unterschiede bestehen darin, daß Lehm, aber auch Holz und verputzte Adobes das Regenwasser nicht dauerhaft abzuweisen vermögen; an ihre Stelle tritt in "besseren" Wohnungen Wellblech zur Dachbedeckung. In Tabelle 2.2 des Fließtextes sind die einzelnen Materialien und ihre Bewertung dargestellt. Als Mindestausstattung für die Wohnung eines nicht-armen Haushaltes wurde offensichtlich festgesetzt, daß das Dach mit Wellblech gedeckt sein muß.
340
3.1.2. Verfügbarer Wohnraum als quantitativer Indikator Die Variable "Verfügbarer Wohnraum" ist ein zusammengesetzter Index. Hinsichtlich seiner Berechnung werden Mehrpersonen-Haushalte und Einpersonen-Haushalte unterschieden. Im Falle von Mehrpersonenhaushalten wird als Standard ein fünf-Personen-Haushalt genommen. Die Variable "Verfügbarer Wohnraum" setzt sich aus den Teilindikatoren "Zahl der Haushaltsangehörigen", "Zahl der Schlafräume", "Zahl der Wohnräume", "Anzahl Küchen" zusammen. Damit unterscheidet sich das gewählte Vorgehen von typischen quantitativen Studien zur Wohnsituation in Entwicklungsländern. Üblicherweise wird nur die Zahl der Haushaltsmitglieder auf die Zahl der (Schlaf-)Räume bezogen. Mit dieser Vorgehensweise wird unterstellt, daß die einzige gemeinsame Aktivität des Haushaltes in gemeinsamer Übernachtung besteht. Diese Beschränkung soll hier vermieden werden. Allerdings sind Kompensationen der Teilvariablen durch anderweitige Nutzung der einzelnen Räume an dieser Stelle eher erwünscht. Der Indikator "Verfügbarer Wohnraum" setzt sich somit folgendermaßen zusammen: WEm =
WZ+SZ+K
mit WEm
Verfügbarer Wohnraum des Haushaltes m
WZ
Variable Wohnzimmer
SZ
Variable Schlafzimmer
und K
Variable Küche.
Für jeden Teilindikator wird eine eigene Armutsgrenze definiert. Als Mindestmaß für die Zahl der Wohnzimmer (WZ*) gilt, daß ein Haushalt dann arm ist, wenn pro Wohnzimmer mehr als fünf Personen leben: wr
mit HW
= ff
Anzahl der Haushaltsmitglieder.
Als Mindeststandard für die Zahl der Schlafzimmer (SZ*) wird festgesetzt, daß ein Schlafzimmer mit nicht mehr als 2,5 Personen belegt ist: sFTm
Als Mindeststandard für die Zahl der Personen je Küche wird festgesetzt, daß jedem Standardhaushalt eine Küche zur Verfügung steht.
341
Die quantitative Armutsgrenze für die Wohnsituation eines Fünf-Personen Haushaltes sagt somit aus, daß ein solcher standardisierter Haushalt über zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und eine Küche verfügen sollte. Die folgende Tabelle C.4 enthält die Normwerte der Teilvariablen zum Indikator "Verfügbarer Wohnraum" für Haushaltsgrößen von 2 bis 6 Personen. Tabelle C.4 Normwerte der Variablen "Verfügbarer Wohnraum" Zahl der Haushaltsmitglieder
Schlafzimmer Wohnzimmer (SZ) (WZ)
2
0,8
0,4
Küche (K) 1
3
1,2
0,6
1
4
1,6
0,8
1
5
2,0
1,0
1
6
2,4
1,2
1
Die Teilvariablen werden zu dem Indikator "Wohneinheiten pro Haushalt" aggregiert, wobei ein Schlafzimmer als genau eine Wohneinheit und ein Wohnzimmer als 1,5 Wohneinheiten gerechnet werden. Eine Küche wird mit 0,5 Wohneinheiten gleichgesetzt. Tabelle C.5 enthält die Normwerte des Indikators "Wohneinheiten" für Haushalte mit 2 bis 6 Mitgliedern. Tabelle C.5 Normwerte der Variablen "Wohneinheiten" Zahl der Haushaltsmitglieder
Schlafzimmer (SZ)
Wohnzimmer (WZ)
2
0,8
0,6
Küche Verfügbarer (K) Wohnraum (WR) 0,5 1,9 0,5 2,6
3
1,2
0,9
4
1,6
1,2
0,5
3,3
5
2,0
1,5
0,5
4,0
6
2,4
1,8
0,5
4,7
Für Einpersonenhaushalte wird nicht zwischen Schlaf- und Wohnraum differenziert. Der Index der Wohneinheiten von Einpersonenhaushalten besteht in diesem Falle aus der Zahl der verfügbaren Räume und der Variablen Küche, die wiederum mit 0,5 gewichtet wird: WEe = Rj + 0,5 K
342
mit WE8
Wohneinheiten Einpersonenhaushalt
R|
Anzahl der verfügbaren Räume für Haushalt j
und K
Anzahl der Küchen.
Für die Variable "Wohneinheiten" wird der Index der Bedürfnisbefriedigung als Relation zwischen beobachtetem Wert und dem Normwert der betreffenden Haushaltsgröße berechnet. Neben der Wohnsituation wird das Wohlergehen der Mitglieder eines Haushaltes von ihrem Gesundheitsstatus bestimmt. Die wichtigsten Krankheitsquellen innerhalb des Haushalts sind unzureichende hygienische Verhältnisse und die Energiequellen, die zum Kochen und Heizen verwendet werden. Der Lebensbereich Sanitär- und Energieversorgung ist daher durch die Indikatoren Sanitärversorgung und Energieversorgung repräsentiert. 3.2. Versorgung 3.2.1. Sanitärversorgung 3.2.1.1. Wasserversorgung Diese Variable beobachtet die Trinkwassersituation. Diese Fragestellung umfaßt grundsätzlich quantitative wie qualitative Gesichtspunkte. Der quantitative Aspekt liegt darin, ob der Haushalt über trinkbares Wasser in ausreichender Menge verfügt. Das entscheidende Charakteristikum für die Haushaltsversorgung ist die Entfernung zur Wasserquelle bzw. zur nächsten Wasserentnahmestelle. Der qualitative Aspekt betrifft die Fragestellung, ob das verwendete Wasser minimalen Hygieneanforderungen entspricht; die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf den quantitativen Aspekt. Drei Elemente kennzeichnen die Zugangsmöglichkeiten des Haushalts zu Trinkwasser, nämlich die Wasserherkunft, die Entfernung zur Entnahmestelle und die Art der Überbrückung der Entfernung zwischen beiden Punkten. Die Wassergewinnung kann an der Bodenoberfläche oder durch Ausbeutung von Grundwasservorkommen erfolgen. Hier greifen qualitative Überlegungen. Der Rückgriff auf Grundwasservorkommen ist c.p. dem Konsum von Oberflächenwasser vorzuziehen, weil davon auszugehen ist, daß Grundwasser weniger stark mit Schadstoffen belastet ist. Während die Art der Wassergewinnung
ein Bestimmungsfaktor
für die Qualität
des
343
konsumierten Wassers ist, bestimmt die Entfernung zur Wasserentnahmestelle, charakterisiert durch Zuleitungssystem und Entnahmevorrichtung, die quantitativen Zugangsmöglichkeiten des untersuchten Haushalts. Unter Umständen kann aus der Wasserentnahmestelle auch auf die Wasserqualität geschlossen werden; dies ist der Fall, wenn Oberflächenwasser direkt entnommen wird. Die Tabelle C.6 zeigt mögliche Ausprägungen der Variablen "Trinkwasserversorgung", die jeweils zugehörige Bewertung und den Wert des Mangelindexes. Tabelle C.6 Ausprägungen der Variablen "Trinkwasserversorgung" Charakteristika des Trinkwasserversorgungssystems
Bewertung Mangelindex 0
1
Oberflächenwasser mit Zuleitung und Anschluß außerhalb des Grundstücks
0,5
0,83
Wasser aus Brunnen mit Schöpfrad, Zuleitung und Anschluß außerhalb des Grundstücks oder Oberflächenwasser mit Zuleitung und Anschluß innerhalb des Grundstücks
1
0,66
Wasser aus Brunnen mit Schöpfrad, Zuleitung und Anschluß außerhalb des Grundstücks
1,5
0,5
Wasser aus Brunnen mit Schöpfeinrichtung, Zuleitung und Anschluß außerhalb des Grundstücks oder Oberflächenwasser mit Zuleitung in die Wohnung
2
0,33
Wasser aus öffentlichem oder privatem Trinkwassernetz mit Anschluß außerhalb des Grundstücks
2,5
0,17
Wasser aus öffentlichem oder Trinkwassernetz mit Anschluß innerhalb des Grundstücks oder Brunnen mit Schöpfeinrichtung und Zuleitung in die Wohnung
3*
1
Wasser aus öffentlichem oder privatem Trinkwassernetz mit Zuleitung in die Wohnung
4
-0,25
Oberflächenwasser (aus Flüssen, Seen, Bewässerungsrinnen etc.) ohne Zuleitung
Wenn Wassergewinnung und -entnähme nicht am selben Ort erfolgen, wird die Distanz zwischen beiden Punkten durch ein Zuleitungssystem überwunden; mit dem Begriff Zuleitungssystem werden an dieser Stelle auch Einrichtungen zur Wassergewinnung und -einspeisung in das Versorgungsnetz verstanden. Die einfachste derartige Einrichtung ist eine mechanische Schöpfeinrichtung für Brunnen; kompliziertere Einrichtungen können motorbetriebene Pumpen, aber auch Aufbereitungsanlagen sein, die zur Wassergewinnung und Einspeisung in das öffentliche/private Trinkwassernetz dienen. In den Fällen, in denen ein Zuleitungssystem erforderlich ist, ist die
344
Entnahmeeinrichtung eine weitere entscheidende Determinante der Zugangsmöglichkeiten des Haushalts. Drei mögliche Ausprägungen der Entnahmeeinrichtung sind denkbar. Im ungünstigsten Fall muß der Haushalt das Trinkwasser außerhalb des eigenen Grundstücks entnehmen und zum Verwendungsort transportieren. Weniger ungünstig ist eine Situation, in der die Entnahmeeinrichtung auf dem eigenen Grundstück liegt, das Wasser aber innerhalb des Grundstücks transportiert werden muß. Im günstigsten Fall verfügt ein Haushalt über einen Hausanschluß für Trinkwasser. Für die Festsetzung der minimalen Anforderungen an das Wasserversorgungssystem eines nicht-armen Haushalts wird zwischen städtischen und ländlichen Regionen unterschieden. Während die Armutsgrenze für städtische Regionen die Versorgung aus einem privaten oder öffentlichen Netz mit Grundstücksanschluß vorsieht, gilt in ländlichen Regionen ein Haushalt als gerade nicht mehr arm, wenn das Versorgungssystem mindestens aus einem Brunnen mit Schöpfeinrichtung, Zuleitung und Hausanschluß besteht. 3.2.1.2. Entsorgung der Exkremente Das zweite Merkmal für die Qualität der Sanitärversorgung eines Haushalts betrifft die Entsorgung der Exkremente. Der zentrale quantitative Gesichtspunkt dieser Fragestellung betrifft die Verfügbarkeit einer Entsorgungseinrichtung. Wenn ja, äußern sich Unterschiede zwischen armen und nicht-armen Haushalten in der Art des Entsorgungssystems. Die Bewertungen für Entsorgungseinrichtungen wie auch die Mindeststandards wurden für ländliche und städtische Regionen differenziert, weil in Gebieten mit geringerer Bevölkerungsdichte die Umwelt stärker beansprucht werden kann, ohne negative Auswirkungen auf Nachbarn zu bewirken, und daher niedrigere Anforderungen an die Entsorgung gestellt werden können. Die Qualität eines Entsorgungssystems wird von seinen Konstruktionsmerkmalen und dem Nutzerkreis bestimmt. Zentrale Konstruktionsmerkmale sind Vorrichtungen zum Sammeln der Exkremente und deren Beseitigung. Im günstigsten Fall verfügt ein Haushalt über eine Toilette mit Abwassersystem; als gleichwertig werden geschlossene Hygienebehälter angesehen. Weniger günstig sind Sammeleinrichtungen wie Latrinen oder Plumpsklos; qualitätsmäßig niedrigerrangige Entsorgungseinrichtungen sind Wasserspülung mit Sickergrube, es folgen Konstruktionen, die nur über eines der beiden Elemente verfügen und zuletzt offene Gruben als einzige Behältnisse.
345
Auf der Seite der Nutzer wird die Qualität des Entsorgungssystems dadurch bestimmt, ob es allein dem betrachteten Haushalt zur Verfügung steht oder für mehrere Haushalte konstruiert ist. Allerdings stellt sich diese Frage praktisch nur in städtischen Regionen, weil die geringe Bevölkerungsdichte auf dem Land den gemeinsamen Gebrauch einer Toilette durch mehrere Haushalte nicht notwendig macht. Tabelle C.7 zeigt die möglichen Ausprägungen der Variablen "Sanitärentsorgung", Bewertungen für den ländlichen Raum und städtische Wohngebiete sowie den zugehörigen Mangelindex. Tabelle C.7 Ausprägungen der Variablen "Sanitärentsorgung" Charakteristika der Sanitäreinrichtungen Bewer- Mangel- Mangelindex index tung Stadt Land 1 1 Keine Entsorgungseinrichtungen vorhanden 0 Eine Toilette für mehrere Haushalte. Konstruktion: oberirdi0,71 0,33 1 sche Entsorgungsbehälter ohne sofortige Entleerung 0 0,57 Haushaltseigene Toilette. Konstruktion: oberirdische Entsor- 1,5*L gung in einen geschlossenen Behälter ohne sofortige Entleerung oder in einen Kanal Eine Toilette für mehrere Haushalte. Konstruktion: unterirdi3 0,14 -0,6 sche Entsorgung in einen Behälter ohne sofortige Entleerung Haushaltseigene Toilette; Konstruktion: unterirdische Ent3,5*s 0 -0,8 sorgung in einen Behälter ohne sofortige Entleerung oder Benutzung einer Toilette für mehrere Haushalte. Konstruktion: unterirdische Entsorgung mit sofortiger Beseitigung Haushaltseigene Toilette. Konstruktion: unterirdische Ent4 -0,14 -1 sorgung mit sofortiger Beseitigung Die Tabelle zeigt, daß die Mindestanforderungen an Entsorgungseinrichtungen in ruralen Gebieten deutlich niedriger sind als in städtischen Regionen. Auf dem Land spielt die Variante gemeinsam genutzter Toiletten keine Rolle, da die Bevölkerung nicht in größeren Siedlungen, sondern sehr dispers in Gehöften lebt. Der Mindeststandard sieht daher vor, daß ein nicht-armer ländlicher Haushalt über eine eigene Toilette verfügt. Diese muß an ein oberirdisches Entsorgungssystem angeschlossen sein, das entweder in einen geschlossenen Behälter oder in einen Ableitungskanal mündet. In städtischen Regionen ist als Mindeststandard eine haushaltseigene Toilette mit Sammelbehälter oder eine von mehreren Haushalten genutzte Einrichtung mit sofortiger Beseitigung der Exkremente vorgesehen.
346
3.2.2. Energieversorgung
3.2.2.1. Stromversorgung Die Versorgung mit Strom oder Gas ist eine wichtige Determinante des Wohnkomfort eines Haushaltes. Der Anschluß an das Stromnetz ist Voraussetzung oder wenigstens Erleichterung für den Betrieb elektrischer Geräte. Die Verfügbarkeit von Kommunikationseinrichtungen wie Funkgeräten, Radio oder Fernsehen kann in ländlichen Gebieten während der Regenzeit lebenswichtige Bedeutung erlangen. Zwar ist der Gebrauch dieser Geräte prinzipiell auch im Batteriebetrieb möglich, ein dauerhafter Einsatz ist in diesem Fall jedoch aufgrund finanzieller und technischer Limitationen nur selten möglich. Der Indikator Stromversorgung ist als DummyVariable formuliert (vgl. Tabelle C.8). Tabelle C.8 Ausprägungen der Variablen "Stromversorgung" Stromanschluß
Bewertung Mangelindex
vorhanden
1*
0
nicht vorhanden
0
1
Als Normwert für einen nicht-armen Haushalt wird festgelegt, daß ein Stromanschluß vorhanden sein muß. 3.2.2.2. Brennstoffe für den Herdbetrieb Das zweite Merkmal der Energieversorgung des Haushaltes sind die zum Kochen und, in geringerem Umfang, zum Heizen benutzten Brennstoffe. Vier Gruppen von Brennstoffen werden unterschieden. Die Qualität der einzelnen Brennstoffe wird anhand des Brennwertes, der gesundheitlichen Unbedenklichkeit und der Länge der Zeitverzögerung bis zur vollen Entwicklung der Wärmewirkung beurteilt. Die wichtigsten pflanzlichen Brennstoffe sind Guano, Zweigwerk, Holz, getrockneter Ziegen-, Kuh- oder Lamamist und ähnliche Stoffe. Sie entfalten einen relativ niedrigen Brennwert, sind bis auf die Rauchentwicklung gesundheitlich unbedenklich und entwickeln Wärme mit einer geringen Zeitverzögerung. Insbesondere der niedrige Brennwert führt dazu, daß pflanzliche Brennstoffe als qualitativ geringwertig eingeschätzt werden.
347
Eine bessere Alternative zu pflanzlichen Brennstoffen bietet der Einsatz von Benzinkochern. Im Vergleich mit den Alternativen Gas und Strom als Betriebsmittel für Kochstellen schneidet Benzin allerdings schlechter ab, weil der Brennwert von Benzin vergleichsweise niedrig ist, weil sich auch beim Betrieb von Benzinkochern Rauch entwickelt (wenn auch in geringerem Ausmaß als bei Feuerholz oder Zweigwerk) und weil Benzin bei Kontakt mit Schleimhäuten gesundheitliche Schäden hervorruft. Als beste Alternative werden daher elektrische oder gasbetriebene Kochstellen eingestuft (Vgl. Tabelle C.9). Tabelle C.9 Ausprägungen der Variablen "Brennstoffe für den Herdbetrieb" Brennstoff
Bewertung
Mangelindex
1
0,66
Benzin
2
0,33
Flüssiggas, Strom
3*
0
Zweigwerk, Holz, Guano, Viehmist u.ä.
1
Kein Herd vorhanden ' '' In diesem Fall wird dem Haushalt für den Indikator "Brennstoffe" der Wert des Indikators "Stromversorgung" zuerkannt.
Als Mindestanforderung für eine angemessene Brennstoffversorgung wird ein gasoder strombetriebener Herd angesehen. 3.3. Erziehungssituation Die Angemessenheit der Bildungssituation des Haushaltes wird anhand der beiden Inputindikatoren Schulbesuch und Schuljahre sowie anhand des Outputindikators Alphabetisierung beschrieben mit dem Zweck, den Bildungsstand aller Haushaltsmitglieder quantitativ zu erfassen. Während Alphabetisierung als funktionelle Variable von der Art, wie die Fähigkeit erworben wurde (also der Art der Erziehung) unabhängig ist, erfassen Schulbesuch und Schuljahre nur die Kontakte mit dem formellen Schulsystem. Für die beiden letztgenannten Indikatoren wurde je eine Dummyvariable formuliert, die für bestimmte Zeitspannen bei Erfüllung der Norm den Wert eins annimmt; anderenfalls wird sie gleich null gesetzt. Die folgende Tabelle C.10 zeigt die Einflußfaktoren der Bildungssituation des Haushaltes sowie die jeweiligen Normwerte für die drei beschriebenen Variablen in Abhängigkeit vom Lebensalter.
348
Tabelle C.10 Messung der Bildungssituation eines Haushaltes Alter (Jahre) 1 -6
Schulbesuch (SB) Alphabetisierung (AL) Schuljahre (SJ) ja
nein
0
7
ja
nein
0
8
ja
nein
1
9
ja
nein
2
10
ja
ja
3
11
ja
ja
4
12
ja
ja
5
13
ja ja
ja
6
ja
7 8
14 15
ja
ja
16
ja
9
17-29
ja nein
ja
10
30-44
nein
ja
8
45-98
nein
ja
5
Mit dem Indikator Schulbesuch (SB) wird der Tatsache Rechnung getragen, daß für Kinder und Jugendliche Schulpflicht besteht, deren Nichterfüllung ein Indiz für Armut ist. Für Kinder zwischen 7 und 16 Jahren wird als Norm gesetzt, daß sie eine Einrichtung des formellen Bildungswesens besuchen; die Variable nimmt somit in dieser Zeitspanne den Wert 1 an. Die Variable Alphabetisierung (AL) stellt darauf ab, daß Kinder und Jugendliche erst ab einem bestimmten Lebensalter Lesen und Schreiben können, unabhängig von der persönlichen Armutssituation. Als Norm wird festgesetzt, daß Personen über 10 Jahren lesen und schreiben können; im Normfall nimmt der Indikator für diese Altersgruppe der Wert 1 an. Der Indikator Schuljahre (SJ) hingegen ist als quantitative Variable definiert, die die Gesamtlänge des Schulbesuchs mißt. Die Mindestanforderungen für nicht-arme Haushalte variieren zwischen unterschiedlichen Altersstufen.1 Diese Variable ist durch die Anpassung der Auswertung an die Zensuserhebung leicht verzerrt. Für die Personen, die eine Ausbildung im Staatsdienst (in erster Linie Militär- oder Polizeidienst) oder eine formelle Berufsausbildung (v.a. für technische Berufe und Bürotätigkeiten) genossen bzw. eine kirchliche Laufbahn eingeschlagen haben, wurde für '
Diese unterschiedlichen Vorgaben haben ihren Grund darin, daß bis zur Revolution 1952 Kinder zwischen 5 und 10 Jahren als schulpflichtig galten. Seit diesem Datum wurde die Schulpflicht auf 8 Jahre angehoben. Eine weitere Erziehungsreform führte eine generelle Schulpflicht zwischen dem 7. und d e m 16. Lebensjahr ein.
349
den Indikator Schuljahre festgesetzt, daß der Berufsausbildung fünf Schuljahre vorausgingen. Zu diesen Schuljahren wurden die Ausbildungszeiten ohne weitere Anpassung hinzugerechnet. Die Angemessenheit der Bildungssituation des betrachteten Individuums wird nach folgender Formel bewertet:
mit ANBjj
Index der Angemessenheit der Bildungssituation des Individuums i des Haushaltes j,
SJy
Schuljahre des Individuums i Haushaltes j,
SB^
Schulbesuch des Individuums i Haushaltes j,
ALy
Alphabetisierungszustand des Individuums i Haushaltes j,
SJ*
Normwert für Schuljahre im entsprechenden Alter
und SB*
Normwert für Schulbesuch im entsprechenden Alter.
Aus diesem Index zur Angemessenheit der Bildungssituation des betrachteten Individuums wird der Mangelindex zur Bildungssituation in folgender Weise gewonnen: MB(j = 1 - ANBS mit MBy
Mangelindex zur Bildungssituation des Individuums i des Haushaltes j.
Dieser Indikator kann Werte kleiner als 1 annehmen. Theoretisch sind Werte kleiner als -1 möglich, jedoch wird in diesen Fällen MBij = -1 gesetzt, um den Wertebereich des Mangelindex zu normieren auf 1
>MB,j>-1
Der Mangelindex zur Bildungssituation des Haushaltes ergibt sich als Durchschnitt der individuellen Mangelindices: MB, = ±1. MB« J M 3.4. Gesundheitsversorgung Diese Variable mißt die Angemessenheit der Gesundheitsversorgung der beobachteten Haushalte. Damit stellt der empirische Teil der vorliegenden Untersuchung, im Gegensatz zu konventionellen Studien zur Gesundheitssituation, allein auf den Input
350
durch das bolivianische Gesundheitssystem ab; konventionelle Outputindikatoren wie die Müttersterblichkeit bei der Geburt, die Säuglings- oder die Kindersterblichkeitsrate fließen in die Charakterisierung nicht ein. Der Grund für diese Vorgehensweise liegt darin, daß die Indikatoren auf Zensusdaten beruhen, der Zensus aber die Zahl der gestorbenen Kindern pro Haushalt oder einen ähnlichen Indikator nicht erfragt hat. Die Vorstellung des Indikators zur Gesundheitsversorgung beschränkt sich an dieser Stelle auf die technischen Hintergründe der Indikatordefinition.1 Die Gesundheitsversorgung des Haushaltes kann entweder auf haushaltseigenen Kenntnissen beruhen oder auf speziell ausgebildete Personengruppen übertragen werden. In jedem Fall ist davon auszugehen, daß bestimmte Krankheiten nicht ohne eine besondere Behandlung heilbar sind. Die ungünstigste Ausprägung des Indikators Gesundheitsversorgung umfaßt daher Haushalte, die keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten besitzen. Nur wenig besser stellt sich eine Situation dar, in der ein Haushalt allein auf Grundkenntnisse der Haushaltsmitglieder über Selbstmedikation angewiesen ist. Aufgrund der geringen Reichweite des Gesundheitssystems einerseits und ausgeprägter Abneigung gegen staatliche Stellen andererseits hat die traditionelle Medikation insbesondere in abgelegenen ländlichen Regionen für die Bevölkerung einen hohen Stellenwert. Obgleich einige Behandlungsmethoden auch von der modernen Medizin als hochwirksam anerkannt sind, wird die Qualität der traditionellen Medizin von Vertretern der modernen Medizin und von staatlichen Stellen geringer eingeschätzt als die Qualität der Versorgung durch kirchliche oder private NichtRegierungsorganisationen. Die Mehrzahl dieser Organisationen leistet eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung und steht speziell armen Haushalten offen. Eine umfassende Gesundheitsversorgung wird von den formellen staatlichen Einrichtungen angeboten, die dem
MPSSP
unterstehen. Der Zugang zu diesen Einrich-
tungen ist nicht an spezielle Voraussetzungen gebunden, doch wirkt die Höhe der Gebühren im Einzelfall abschreckend. Die beste Versorgung leisten Krankenkassen und private Gesundheitseinrichtungen; allerdings beschränkt sich der Kreis der potentiellen Nutzer auf Beschäftigte des formellen Sektors mit überdurchschnittlich hohen Einkommen. Private Gesundheitseinrichtungen unterscheiden sich von den oben genannten NRO dadurch, daß sie unter Wettbewerbsbedingungen arbeiten und für ihre qualitativ hochwertigen Leistungen 1
U m die Aussagekraft des Indikators einschätzen zu können, sind Grundkenntnisse über Akteure und Funktionsweise des bolivianischen Gesundheitswesens vonnöten. Vgl. die Darstellung des Gesundheitssystems im Text, Abschnitt 3.4.1.
351
hohe Beiträge fordern. In Tabelle C.11 ist die Variable "Gesundheitsversorgung" dargestellt. Tabelle C.11 Ausprägungen der Variablen "Gesundheitsversorgung" Bewertung Keine Gesundheitsversorgung zugänglich
0
Selbstmedikation
0,5
traditionelle Medizin
1
Versorgung durch kirchliche oder private Einrichtungen oder durch NGo-Armendienste
1,5
Versorgung durch Einrichtungen des
2*
MPSSP
Krankenkassen und private Gesundheitsdienste - Zugang nur für formell Beschäftigte
3
Aus der Bewertung der Qualität der Gesundheitsversorgung wird der Index der relativen Befriedigung des Bedürfnisses nach Gesundheitsversorgung abgeleitet: x g
j = §="
mit >.Gj
Index der relativen Befriedigung des Bedürfnisses nach Gesundheitsversorgung des Haushaltes j
Gj
Qualität der Gesundheitsversorgung des Haushaltes j
G*
Normwert
Aus diesem Index wird der Mangelindex der Gesundheitsversorgung des Haushaltes j (liGj) wie folgt berechnet: MGj
= 1
-XGj
mit MGj
Mangelindex Gesundheitsvesorgung des Haushaltes j
Als Mindeststandard wird für den Bereich Gesundheitsversorgung festgesetzt, daß ein nicht-armer Haushalt über einen Zugang zum formellen Gesundheitssystem verfügen muß, d.h. ihm müssen die Leistungen des
MPSSP
offen stehen.
352
4. Gewichtung der einzelnen Indikatoren zueinander Die theoretisch möglichen Extremwerte des Indikators Armutstiefe werden zum einen davon bestimmt, wie die einzelnen Teilindikatoren konfiguriert sind, und zum anderen davon, mit welcher Gewichtung die Teilindikatoren in den Gesamtindikator "Armutstiefe" eingehen. Der Zusammenhang zwischen der Armutstiefe und den Teilindikatoren geht aus der folgende Tabelle C.12 hervor. Tabelle C.12 Extremwerte der Armutstiefe und ihrer Teilindikatoren Indikator/Teilindikator
Maximum
Minimum
0,98
-0,66 (Stadt)
1. Wohnung
1
-0,83
a) Baumaterial
1
-0,66
- Wände
1
-0,5
- Fußboden
1
-1
- Dach
1
-0,5
b) Anzahl Räume
1
-1
0,92
-0,31
a) Sanitärversorgung
1
-0,63
- Wasserversorgung
1
-0,25
- Behandlung der Exkremente
1
-1 (Stadt); -0,14 (Land)
0,83
0
1
0
0,66
0
III. Bildung
1
-1
IV. Soziale Sicherung
1
-0,5
Gesamtindex "Armutstiefe"
II. Versorgung
b) Energieversorgung - Elektrizität - Herdbefeuerung
In Tabelle C.12 sind die Extremwerte der einzelnen Teilindikatoren der Armutstiefe dargestellt. Gewichtet man diese Extremwerte mit den in Tabelle C.1 enthaltenen Gewichten der Teilindikatoren, so erhält man die Extremwerte des Gesamtindikators Armutstiefe. Aus der Tabelle geht hervor, daß die so errechneten Extremwerte betragsmäßig kleiner als 1 sind. Das bedeutet, daß ein Haushalt, der keines seiner elementaren Bedürfnisse befriedigen kann, eine Armutstiefe von 0,98 aufweist.
353
Demgegenüber erreicht ein Haushalt, der in der Lage ist, alle grundlegenden Bedürfnisse optimal zu befriedigen, eine Armutstiefe von -0,66. Dieser systematische Fehler führt dazu, daß das Ausmaß der Armutstiefe systematisch überschätzt wird. Dies kann an einem einfachen Zwei-Personen-Beispiel verdeutlicht werden. Man betrachte zwei Personen, von denen die eine in der Lage ist, alle grundlegenden Bedürfnisse zu erfüllen, und die andere keines der Grundbedürfnisse befriedigen kann. Bildet man nun den Durchschnitt über beide Armutsverhältnisse, so zeigt sich eine Armutstiefe von 0,16; bei richtiger Formulierung wäre eine Armutstiefe von 0 zu erwarten gewesen.
5. Konsequenzen für die empirische Untersuchung Die Überschätzung der Armutstiefe führt dazu, daß die Aussagekraft des Indikators eingeschränkt ist. Ein Bezug zwischen Armutstiefe und armutsbekämpfenden Maßnahmen wie sie RAVALLION (1992) für die monetäre Formulierung der Armutstiefe herstellt, wird - ungeachtet weiterer methodischer Probleme - aufgrund des vorliegenden Datenmaterials als nicht sinnvoll erachtet. Diese Tatsache hat für die Untersuchung die Konsequenz, daß anhand der Armutsquote, des Headcount sowie der entsprechenden Indikatoren für Haushaltsbetrachtungen argumentiert wird. Diese Vorgehensweise wird gewählt, weil der systematische Fehler der Armutstiefe in erster Linie dazu führt, daß eine Unterscheidung zwischen sehr reichen und reichen Haushalten nicht möglich wird; zwar besteht auch eine Differenz zwischen der tatsächlichen maximalen Armutstiefe der Mapa de la Pobreza (R wünschten maximalen Armutstiefe (R nachlässigbar angesehen.
MAX
MAPA MAX
= 0,98) und der ge-
= 1). Diese Differenz wird jedoch als ver-
355
Verzeichnis der Interviewpartner
1. Interviewpartner in Bolivien Rolando Cadima, Fiscal de Programas, Fondo de Inversión Social (Fis); La Paz, 19. September 1993, 20. August 1994 sowie per e-mail 1996, 1997. Victor Cisneros, Leiter einer durch den FSE geförderten Dorfschule im Department Oruro; Huaylloco, 23. August 1994. Renata Claros, Projektmitarbeiterin UNDP, vormals Mitarbeiterin des Fondo de Inversión Social; La Paz 20. September 1993. Jean Paul Faguet, Resident Representative der Weltbank; La Paz, 10. September 1993. Armando Ortuño Yañez, Unidad de Evaluación de Programas, Fondo de Inversión Social; La Paz per e-mail 1997. Tomas Rocha, Subprefecto der Provinz Nor Carangas, departamento Oruro; 25. August 1994. Dr. Roland Steurer, Regierungsberater der GTZ für den Fondo de Desarrollo Campesino (FDC); La Paz, 23. August 1994 sowie 20. April 1995. Jorge Trevifto, Director Infraestructura, Fondo de Inversión Social (Fis); La Paz, 14.09.1993. Jorge Treviño, Director Infraestructura, Fondo de Desarrollo Campesino (FDC); La Paz, 25. August 1994, 4. Mai 1995.
2. Interviewpartner in Deutschland Hugo Damian Teileria, parteiloses Mitglied des Departmentsparlaments von La Paz, 08. 08.1997. Dr. Jörg Hartmann, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW); Frankfurt, 13.04.1997. Ishrat Husain, World Bank, Director Social Policy; Bonn 22.02.1996. Werner Neuhaus, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), Auslandssekretariat, Frankfurt, 25.09.1996.
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