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German Pages 530 [548] Year 1978
HERMANN KEES
Der Götterglaube im alten Ägypten
HERMANN KEES
Der Götterglaube im alten Ägypten Mit 14 Abbildungen im Text und 20 Abbildungen auf 10 Tafeln
Dritte, unveränderte
Auflage
AKADEMIE-VERLAG 1977
BERLIN
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © 1977 Akademie-Verlag Berlin Lizenznummer: 202 • 100/317/77 Schutzumschlag- und Einbandgestaltung: Hans Kurzhahn Offsetherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza, DDR Bestell-Nr.: 751 9184 (5186) • LSV 0705 Printed in GDR DDR 40,— M
Vorwort Der geistige Standort und Zweck meines Buches ist leicht zu umschreiben. Es setzt dort an, wo A. E r m a n s jüngste Schilderung der ägyptischen Religion (1934) sich bewußt versagt, bei der Erklärung des gedanklichen Aufbaues der ägyptischen Göttersysteme seit Beginn der geschichtlichen Zeit und der Darstellung des bunten Mosaiks der Ortskulte. So glänzend Ermans Erzählungskunst sich für alle äußeren Erscheinungen des religiösen Lebens bewährt, zu der ägyptischen Götterlehre „d£m trübsten Teile der ägyptischen Religion" fand er kein Verhältnis. Das sagt er selbst ganz offen. Das sind ihm „törichte Einfälle und Spekulationen einer übel angebrachten Gelehrsamkeit". „Für dieses Barbarentum sich zu erwärmen, kann man von niemandem verlangen." So mußte es eine dankbare Aufgabe sein, das herauszuarbeiten, was für ägyptisches artgemäßes Denken wertvoll und entscheidend war. Es galt wieder anzuknüpfen, wo H. B r u g s c h , der als einziger Ägyptologe den Versuch gewagt hatte, die T h e o l o g i e Ägyptens darzustellen, gescheitert war. Aus seiner zeitlichen Kenntnis heraus konnte ihm vor nunmehr über 50 Jahren nur eine Darstellung des Nachlebens der heliopolitanischen Lehren in den Göttersystemen der späten Tempel gelingen, und als solche bleibt sein Werk, trotzdem es alle Götter Ägyptens in die Zwangsjacke der heliopolitanischen Neunheit gepreßt hat, noch heute von Wert. Daneben mußte das herangezogen werden, was namentlich G. M a s p e r o im Gegensatz zu Brugsch sehr entschieden gefordert hatte: die örtliche Überlieferung und ihre kultgeschichtlichen Grundlagen. Für Brugschs Einstellung ist bezeichnend, wie er selbst in seinem letzten Werk „Die Ägyptologie" (Leipzig 1891) gegen Masperos Kritik und die „jüngere Schule der Ägyptologie" Stellung nimmt (S. 178f.): „Man beschäftigt sich mit kritischen Untersuchungen über die ältesten Formen der ägyptischen Mythen und geht von der Voraussetzung aus, als seien die einzelnen Kulte unabhängig voneinander an
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Vorwort
den verschiedensten Plätzen entstanden . . . Ich behaupte, daß wir über diese Anfänge niemals Zuversichtliches erfahren werden . . . Nicht wie es entstanden, sondern wie das Entstandene sich uns darstellt, das ist die Frage, welche die Gegenwart beschäftigt." Den praktischen Versuch, aus einer Analyse des ältesten Schrifttums ein geschichtliches Bild der ältesten Religion und gleichzeitig der Vorgeschichte aufzubauen, hat dann S e t h e (1930) unternommen. Das Geschichtsbild, das er entwirft, weicht, soweit es sich auf die ägyptische Vorzeit bis zur Reichsgründung bezieht, von demjenigen ab, das ich mir selbst aus langjähriger Beschäftigung mit der ägyptischen Religion ableitete und in meinen Vorlesungen zeichnete. Ich hatte mir zum Grundsatz gemacht, religiöse W a n d l u n g e n s t e t s dort e i n z u o r d n e n , wo sie in d a s g e s c h i c h t l i c h g r e i f b a r e G e s a m t b i l d Ä g y p t e n s ungezwungen h i n e i n p a ß t e n und vorgeschichtliche, rein hypothetische Formungen nur dort zu unterstellen, wo ein glaubhaftes Unterbringen innerhalb der geschichtlichen Zeit nicht möglich scheint. Ich sehe also viele Vorgänge als geschichtliche Formungen an, die Sethe weit in eine unbekannte Urzeit hinausschob, manches auch als eine sehr bewußte religiöse Propaganda, was Sethe als echte religionsgeschichtliche Tatsache hinnahm. Von solchen Grundfragen, vor allem der Einstufung der „heliopolitanischen Epoche", schrieb mir Sethe selbst 1929 kurz vor Erscheinen seiner „Urgeschichte und ältesten Religion", daß dies Dinge seien, „über die sich der Horus von Göttingen und der Seth von Berlin wohl nie einigen werden". Trotz dieser entschiedenen Abweichung möchte ich Sethes Versuch keinesfalls missen. Die Darstellung der Tatbestände zeigt alle Vorzüge dieses unübertrefflichen Meisters der Text analyse; eine zielstrebig ausgerichtete Auffassung ermöglicht die Entwirrung verwickelter Vorgänge, wobei mit der Sachlichkeit einer anatomischen Sektion oder einer geometrischen Lösung alle Schichten abgehoben werden, so daß die verschiedensten Einflußfelder klar erkennbar werden. Wenn wir nun daran gehen müssen, diese allzu schematisch hintereinander aufgebauten vorgeschichtlichen „Reiche" und ihre religiösen Strömungen in ein neues Ganze, das den geschichtlichen Möglichkeiten des ältesten Ägyptens näherkommt, zusammen zugießen, dann entsteht nicht wieder ein von spielerischen Zufällen beherrschtes Durcheinander wie zu Brugschs Zeiten, sondern die einzelnen Kraftströme behalten als
Vorwort
VII
Bildungskörper sozusagen ihre eigene Leuchtkraft und bleiben als verschiedenfarbige zweckgebundene Zellen im neuen Gesamtbild erkennbar. Das ist Sethes bleibendes Verdienst. Überdies hat er eine Fülle wichtigster Grundbestände der ägyptischen Kulte erarbeitet, so daß diese keine neuen ausführliehen Untersuchungen mehr verlangen. Auch mein Buch ist ein Versuch. Es packt die Eigenarten der ägyptischen Religion von einer anderen Seite an, als es bisher meist geschah. Es will auch keine Gesamtdarstellung der ägyptischen Religion sein, sondern beschränkt sich auf einen bestimmten Ausschnitt. Es kann keine erschöpfenden Einzeldarstellungen über ägyptische Götter ersetzen, noch alle Erscheinungen des religiösen Denkens oder gar alle die unzähligen Mythenfassungen beschreiben und erklären. I c h h a b e m i c h v i e l m e h r a b s i c h t l i c h b e m ü h t , auf Kosten einer verwirrenden Fülle von Einzelfällen die „ d o m i n a n t e n Z ü g e " d e r ä g y p t i s c h e n A u f f a s s u n g h e r a u s z u s c h ä l e n . Daher wurden auch die religiösen Bildungen am ausführlichsten behandelt, die sich innerhalb der Geschichte als die arteigensten und kräftigsten Schöpfungen auswiesen. So finden die konstruktiven Gedanken der Reichseinigungszeit, die Systeme von Heliopolis und Memphis bis zum thebanischen Amunkult eine ausführlichere Würdigung, als das Epigonentum des Neuen Reiches, oder gar die Reform Amenophis' IV., die in diesem Sinne als eine Episode der Auflösung erscheint. Mein Buch sollte aber auch die Eignung nicht verlieren, als e i n e E i n f ü h r u n g in d a s r e l i g i ö s e D e n k e n der Ä g y p t e r zu dienen, und darum habe ich es in den Anmerkungen von allzu schwerem Ballast an Einzelheiten und Nachweisen freizuhalten versucht. Um dem Anfänger, und auch dem, der ägyptische Denkweise nicht gewohnt ist, das Einfühlen in die wesentlichen Linien zu erleichtern, habe ich zwischen die knappe Schilderung der hauptsächlichsten Kulte und die des geschichtlichen Aufbaues der Systeme einen mehr theoretischen Abschnitt eingeschaltet, der einige Grundgesetze der Formung, die für das Verständnis ausschlaggebend sind, darlegen soll. Dabei waren einige Wiederholungen nicht ganz vermeidbar. Ich hoffe aber, daß es mit Maß geschah. Auf eine genauere Behandlung der äußeren Erscheinungen des religiösen Lebens, der Einzelheiten des Rituals, der Feste des Königs und der Götter, natürlich auch des Totenkultes habe
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Vorwort
ich verzichtet. So wertvoll diese sind, man kann weder mit der Mythenbildung, noch mit der Deutung der Rituale zuverlässig arbeiten, solange nicht die Grundvorstellungen des ägyptischen Grottesglaubens gefestigt sind. In diesem Sinne hoffe ich, daß mein Buch als Leitfaden auf einem Gebiet, dessen wissenschaftliche Behandlung in eine gefährliche Sackgasse geraten war, seine Dienste leistet. Bei der Verwertung religiöser Texte als Belege habe ich mich bemüht, möglichst auf solche Stücke zurückzugreifen, die in zuverlässigen Übersetzungen bequem zugänglich sind, vor allem Texte, die ich bereits in das „Religionsgeschichtliche Lesebuch" 2. Aufl., herausg. von A. Bertholet, Heft 10 „Ägypten" (Tübingen 1928) aufgenommen hatte. Zum Aufsuchen der zahlreichen antiken und heutigen Ortsnamen auf ägyptischem Boden verweise ich auf die meiner „Kulturgeschichte" im Handbuch der Altertumskunde (München 1933) beigegebene genaue Karte, die auch die alte Einteilung der „Gaue" enthält. Das Manuskript des Buches lag Anfang August 1939 im wesentlichen abgeschlossen vor. Bei der Reinschrift, die wieder meine Frau besorgte, konnte noch zu den Ergebnissen von Junkers Neubearbeitung der memphitischen Schöpfungslehre (Abh. Berl. Akad. 1939) Stellung genommen werden. Göttingen
1940/41 Hermann Kees
Ständige Abkürzungen Zeitschriften ÄZ = Zeitschrift f ü r ägyptische Sprache u n d Altertumskunde. Leipzig. Annal, du Serv. = Annales du Service des Antiquités de l'Égypte. Cairo. AO = Der alte Orient. Leipzig. Bull. inst. fr. = Bulletin de l'institut français d'archéologie orientale. Le Caire. DLZ = Deutsche Literaturzeitung. Berlin. GGA = Göttingische gelehrte Anzeigen. J E A = J o u r n a l of E g y p t i a n Archaeology. London. MVAeG = Mitteilungen der Vorderasiatischen (Vorderasiatisch-Aegyptischen) Gesellschaft. Leipzig. OLZ = Orientalistische Literaturzeitung. Leipzig. P S B A = Proceedings of t h e Society of Biblical Archaeology. London. Ree. de t r a v . = Recueil de t r a v a u x relatifs à la philologie et à l'archéologie égyptiennes et assyriennes. Paris. Einzelne Werke Äg. W b . = A. E r m a n u . H . G r a p o w , Wörterbuch der ägyptischen Sprache I—V. Leipzig 1926/31. v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum = Das Re-Heiligtum des Ne-WoserRe (Rathures) hreg. von F r . W. F r h . v. B i s s i n g I I — I I I . Leipzig 1923/28. B o n n e t , Bilderatlas = Bilderatlas zur Religionsgeschichte, hrsg. von H . H a a s . 2.—4. Lief.: Ägyptische Religion. Leipzig 1924. B o r c h a r d t , Neuserrê; Sahurê = Das Grabdenkmal des Königs Neuser-Re' bzw. S'aähu-Re'. Wiss.Veröffentl. der Deutschen Orient.Ges. Bd. 7 (1907), 14 (1910), 26 (1913). Brugsch, Thesaurus = Thesaurus inscriptionum aegyptiacarum. Leipzig 1883/91. d e B u c k , Coffintexts = The E g y p t i a n Coffintexts. Oriental I n s t i t u t e (Chicago) Publications. B d . 34. 49. Chicago 1934. 1938. Edfou = d e Rochemonteix-Chassinat, Le temple d ' E d f o u I — X I V . Mémoires publiés par les membres de la Mission archéologique française au Caire. Le Caire 1892/1934. H o p f n e r , Tierkult = Der Tierkult der alten Ägypter. Denkschr. Wiener Akad. phil.-hist. Klasse B d . 57, 2 (1913). J u n k e r , Onurislegende = Die Onurislegende. Denkschr. Wiener Akad. phil.-hist. Klasse B d . 59, 1—2 (1917).
X
Ständige A b k ü r z u n g e n
K e e s , Kulturgeschichte = H a n d b u c h der A l t e r t u m s k u n d e . K u l t u r geschichte des Alten Orients I I I . A b t . 1. A b s c h n i t t : Ägypten. München 1933. K e e s , Lesebuch = Religionsgeschichtliches Lesebuch. 2. Aufl. h r s g . v o n A. Bertholet. H e f t 10: Ä g y p t e n . Tübingen 1928. K e e s , Totenglauben = Totenglauben u n d Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter. Leipzig 1926. K l e b s , Reliefs A R ( M R , N R ) = Die Reliefs des Alten Reiches. Die Reliefs u n d Malereien des Mittleren Reiches. Die Reliefs u n d Malereien des Neuen Reiches I . A b h . Heidelberger Akademie. 1915. 1922. 1934. L a c a u T R = L a c a u , Textes religieux N r . 1—90 in Ree. de t r a v . B d . 26—37. Paris. L D = R . L e p s i u s , Denkmäler aus Ä g y p t e n u . Äthiopien. A b t . I — V I . Berlin 1849f. T e x t b ä n d e I—V-. Leipzig 1897 f. Ombos = Catalogue des m o n u m e n t s e t inscriptions de l ' f i g y p t e a n t i q u e . J . de M o r g a n pp., K o m Ombos I — I I . Wien 1895f. E . O t t o , Stierkulte = Beiträge zur Geschichte der Stierkulte in Ägypten. U n t e r s u c h u n g e n zur Geschichte u n d A l t e r t u m s k u n d e Ägyptens Bd. 13. Leipzig 1938. P a u l y - W i s s o w a R E = Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft 2. Aufl. S t u t t g a r t . P y r . = S e t h e , Die altägyptischen P y r a m i d e n t e x t e . Leipzig 1908f. P y r . K o m m e n t a r = S e t h e , Übersetzung u n d K o m m e n t a r zu den altägyptischen P y r a m i d e n t e x t e n I-—IV. Glückstadt o. J . S c h ä f e r - A n d r a e , Propyläen-Kunstgeschichte I I = H . S c h ä f e r u . W . A n d r a e , Die K u n s t des Alten Orients. Berlin (1. Aufl. 1925. 2. Aufl. 1930). S e t h e , A m u n = A m u n u n d die acht U r g ö t t e r von Hermopolis. A b h . Berl. A k a d . 1929. S e t h e , Dramatische Texte = Dramatische Texte zu altägyptischen Mysterienspielen. U n t e r s u c h u n g e n zur Geschichte u n d A l t e r t u m s k u n d e Ägyptens. B d . 10. Leipzig. 1928. S e t h e , Urgeschichte = Urgeschichte u n d älteste Religion der Ägypter. Beiheft zur Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesells c h a f t . Leipzig 1930. Tb. (Kap.) = T o t e n b u c h . K a p i t e l n a c h der Ausgabe v o n N a v i l l e , D a s ägyptische T o t e n b u c h der X V I I I . — X X . D y n a s t i e . Leipzig 1886. Urk. = U r k u n d e n des ägyptischen A l t e r t u m s hrsg. v o n G. S t e i n d o r f f . A b t . I — V I I . Leipzig.
Inhalt ERSTES KAPITEL
Die Kulte und Kultstätten 1. G r u n d s ä t z e d e r D a r s t e l l u n g 2. T i e r k u l t c Großtiere (Löwe, Wildstier, Krokodil, Nilpferd). Pavian . . Wildtiere der Wüste Antilope und Gazelle, Hase Caniden (wilde Hunde) Kleine Raubtiere (Ichneumon, Ginsterkatze, Ratte) . . . . Raubvögel (Geier, Falke, Weihe) Geier Falkenkulte Sumpf- und Wasservögel (Ibis, Reiher, Nilgans) Erdhausende Tiere (Schlange, Skorpion, Tausendfuß, Käfer) Wasserbewohner (Frosch, Fisch, Nilschildkröte) Gezähmte Tiere (Schwein, Rind, Schaf, Ziege, Katze) . . . Schwein Rind Widder Katze 3. P f l a n z e n k u l t e . Bäume Einzelne Pflanzen (Lotos, Papyrus, Lattich, Lauch, Zwiebel, Dill) 4. H e i l i g e G e g e n s t ä n d e Male, Erdhügel, Steine, Pfeiler Erdhügel Steine, Pfeiler, Male Szepter, Waffen, Herrschaftszeichen Unerklärbare Zeichen 5. G o t t h e i t e n in M e n s c h e n g e s t a l t Das Herrscherbild Anedjti — Osiris Vergöttlichte Menschen
1 4 4 21 25 26 32 36 36 39 45 52 61 70 70 72 78 82 83 83 89 93 93 93 95 98 106 109 109 110 115
XII
Inhalt ZWEITES KAPITEL
Grundsätze der Formung 1. D a s
Erbe
der
Vorzeit
119
2. A u s e i n a n d e r s e t z u n g Auslese u n d Vorherrschaft Anlehnungsformen Angleichung (Synkretismus)
125 127 137 141
3. A u s w e i t u n g 4. G ö t t e r k r e i s e .
143 148
5. E i n h e i t u n d V i e l h e i t U n b e s t i m m t e Vielheiten (Dreiheit, Neunheit) Einheit, Zweiheit, Vierheit, Achtheit Einheit u n d Zweiheit Vierheit u n d Achtheit als Ganzheitsbegriff 6. N a m e n g e b u n g 7. M y t h e n b i l d u n g
155 155 161 162 167 171 183
DRITTES KAPITEL
Die Göttersysteme der Aufbauzeit 1. R e i c h s e i n i g u n g s z e i t Die Urzeit im Geschichtsbewußtsein der Ägypter Die Gefolgsgötter des F a l k e n v o n Nechen U p u a u t , A n f ü h r e r u n d Vertreter der Horusgefolgsgötter . . Seth v o n Ombos u n d H o r u s v o n E d f u Min Der Ausgleich m i t den unterägyptischen Göttern 2. H e l i o p o l i s Atum Schu u n d T e f n u t D a s Weltbild. Geb u n d N u t Umgestaltungen des Systems: Der Sonnenkult in Heliopolis Rè Solare M y t h e n Seth u n d der Sonnengott Die Sagen von Sonne u n d Mond als Himmelsaugen. Horusauge u n d Königsdiadem I n n e r e Spannungen. Der Begriff der Richtigkeit . . . . H e r v o r h e b u n g des Schu Die Einbeziehung des Götterkreises von Busiris u n d die Auffüllung der Neunheit v o n Heliopolis Die Epagomenensage u n d die Blinder der N u t Die Auseinandersetzung zwischen R é u n d Osiris Der „große G o t t " des Alten Reiches
187 187 188 191 194 199 203 214 214 219 223 228 230 230 235 237 241 246 251 254 259 264 270
Inhalt Die mythologische Einordnung der Seelen von Neohen und Pe und der von Heliopolis 3. M e m p h i s
XIII 278 286
VIERTES KAPITEL
Die Feudalzeii 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
W i e d e r k e h r der o b e r ä g y p t i s c h e n O r t s g ö t t e r . . . . Dendera H e r m o p o l i s (Schmün) H e r a k l e o p o l i s (Ehnas) Assiüt Abydos Die t h e b a n i s c h e n V o r s t u f e n Koptos Hermonthis
300 303 305 315 324 329 338 338 340
FÜNFTES KAPITEL
Theben 1. Der A u f b a u des A m u n s y s t e m s Die politische Zielsetzung Amun Mut und Amaunet Chons Opet-Thoöris Die thebanischen Totengötter Sonderkulte Amun und Month 2. Die r e l i g i ö s e K r i s e der A m a r n a z e i t Vorspiel Die Episode des Echnaton
344 344 345 352 354 355 357 360 362 366 366 370
SECHSTES KAPITEL
Die Epigonen 1. 2. 3. 4. 5.
Neue S a m m l u n g 378 Der l e t z t e A u f s c h w u n g des A m u n 390 Der S i e g des Osiris 401 Das E n d e des S e t h 410 Götterlehren aus späten Tempeln 414 Der Horustempel von Edfu 418 Der Doppeltempel des Haroöris und Suchos von Kom Ombo 430 Chnum von Esne (Latonpolis) 436
XIV
Inhalt
Ausklang
444
Zeittafel
452
Verzeichnis der Text-Abbildungen
455
Verzeichnis der Tafel-Abbildungen
457
Stichwörter
459
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage 1955
481
ERSTES KAPITEL
Die Kulte und Kultstätten 1. Die Grundsätze der Darstellung Wenn man die Darstellungen der ägyptischen Religion verfolgt, kann man beobachten, daß die ältere Forschergeneration in ungleich stärkerem Maße als die jüngere zu einer systematischtheoretischen Richtung neigte, die meist entscheidend von bestimmten religionsgeschichtlichen Theorien innerhalb der Theologie abhängig war1. Das Ende dieser Gruppe, die in H. Brugschs Werk „Religion und Mythologie der alten Ägypter" (1884/88) gipfelt, fällt nicht zufällig mit derZeit zusammen, als die archäologische Aufschließung Ägyptens planmäßig einsetzte und A. Ermans „Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum" (1885/86) erschien. Nach der Jahrhundertwende hat dann, wesentlich angeregt durch die Schriften von Sir J. G. Frazer (The golden bough), eine ethnologische Methodik auf die ägyptische Religionsgeschichte Einfluß gewonnen. Damit mehrten sich die Versuche, die Anfangsformen der ägyptischen Gottesvorstellungen, insbesondere die Tierkulte nach den Beobachtungen bei „primitiven" Naturvölkern, namentlich Indianern, auf totemistischen Ursprung zurückzuführen. Als namhafte Vertreter dieser Richtung, die besonders in England und Frankreich Boden gewann, seien V. Loret, A. Moret und P. E. N e w b e r r y genannt2. 1 Kennzeichnend die zu ihrer Zeit berühmten „Vorlesungen über Ursprung und Entwicklung der ägyptischen Religion" von L e P a g e R e n o u f (deutsche Ausgabe 1882) oder V. v. S t r a u ß u. T o r n e y , Der altägypt. Götterglaube. 2 Bde. Heidelberg 1889/91, ein phantastisches Werk, gegen das G. M a s p e r o seine kritische Besprechung „Sur l'ennèade" (Ëtud. de Mythol. I I S. 337f.) schrieb. 2 Vgl. P. N e w b e r r y - V . L o r e t , L'Ëgypte au temps du Totémisme (1906). A. M o r e t , Mystères égyptiens (2. Aufl. 1922). G. D a v y A. M o r e t , Des clans aux Empires (1923); auch T. E. P e e t in CamE e e s , Götterglaube
1
2
Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
Dieser wiederum sehr theoretischen Methodik gegenüber haben die Althistoriker, soweit sie sich mit ägyptischer Religion beschäftigten, unter dem starken Eindruck der religionsgeschichtlichen Arbeiten von G. M a s p e r o , daneben auch durch Ausführungen von R. P i e t s c h m a n n , sich mehr der Quellenforschung zugewandt. Wenn man dort die naturhaften Ortskulte in eine der herkömmlichen religionsgeschichtlichen Gruppen einzureihen für nötig fand, neigte man'der „fetischistischen" Auffassung zu 1 . E d . Meyer setzte sich in der Einführung zu seiner Geschichte des Altertums eingehend mit der Theorie des Totemismus auseinander 2 , er betrachtete allerdings die Zeiten, wo man die ägyptische Religion als einheitliches theologisch-philosophisches Gebilde im Sinne von Le P a g e R e n o u f und B r u g s c h ansah, als glücklicherweise „endgültig vorüber", ebenso wie, leider zu optimistisch 8 , die, wo man die ägyptischen Götter möglichst aus der Fremde abzuleiten versuchte. Auch A. W i e d e m a n n , der sonst der ethnologischen Richtung nahestand, lehnte die Anwendung des Begriffes Totemismus für die ägyptischen Tierkulte ab: „Jedenfalls müßte man, um den ägyptischen Tierkult in den Totemismus einzufügen, diesen ohnehin allmählich recht unklar gewordenen Begriff aller der Eigenheiten entkleiden, welche ihm ursprünglich zukamen" 4 . S e t h e bekennt sich dann in seinem Werk „Urgeschichte und älteste Religion der Ägypter" (1930) unzweideutig zu der zuerst von Pietschmann scharf formulierten Anschauung 5 : „Die Ortsbridge Ane. History I (1923) S. 246. Eine kritische Übersicht zur ganzen Frage bietet G. D y k m a n s , Histoire économique et sociale de l'anc. Égypte I (1936) S. 157f. Sehr zurückhaltend äußert sich H. J u n k e r ( - D e l a p o r t e ) , Völker des antiken Orients S. 33f. 1 P i e t s c h m a n n , Der ägyptische Fetischdienst u. Götterglaube. Ztschr. f. Ethnologie 1878 S. 153f., von E d . M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2 3 § 182A ausdrücklich als „sehr wertvolle Skizze" anerkannt. 2 Gesch. d. Alt. I, 1 § 54f. 62. I, 2 3 § 183 u. a. 3 Daß sich Ed. Meyer hier täuschte, zeigen neuere Werke wie z. B. S. A. M e r c e r , Études sur les origines de la religion de l'Ëgypte (London 1929). 4 W i e d e m a n n , Der Tierkult der alten Ägypter (AO. 14, 1. 1912) S. 15. Bezeichnenderweise fehlt die klare Stellungnahme gegenüber der totemistischen Theorie noch in den älteren Arbeiten Wiedemanns über die Tierkulte in Le Muséon 8 (1889) S. 211f. 309f. -und N S 6 (1905) S. 113f. Dagegen findet sich eine ähnliche Warnung vor der Verwendung des Begriffes Totemismus für die altägypt. Religion Arch. f. Rel. 17 S. 211. 5 A. a. O. § 7.
1. Die Grundsätze der Darstellung
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gottheiten verraten sämtlich in ihrer Gestalt und ihrem Kult noch deutlich ihren Ursprung aus dem, was man am besten fetischistische Götterverehrung nennen kann, d. h. es sind alles Gottheiten, die ursprünglich in einem konkreten, sei es lebenden oder leblosen Gegenstand verkörpert gedacht waren, in denen sie wie die Seele in einem Körper wohnen sollten." A. Er man, der für die gedankliche Seite der ägyptischen Religion wenig Sinn besaß, hat die Ursprungsfrage nicht angerührt. Ihm war alle Theorie zuwider, und er vertrat mit gewissem Recht den Standpunkt, die ägyptische Religion hätte auf der Stufe, wo sie sich zuerst einigermaßen klar erkennen läßt, eine viel zu*lange Vorgeschichte hinter sich, um mit Religionstypen der „Naturvölker" verglichen werden zu können1. In der Tat ist es unzweifelhaft der beste Weg zur Erkenntnis des Ägyptertums, so weit als möglich dessen eigene Äußerungen über Gottesverehrung und Kultobjekte festzuhalten. Wir werden also z. B. bei den seit dem Altertum für alle Nichtägypter besonders eindrucksvollen Tierkulten nicht so sehr auf die Gründe hören, die uns die Antike, wenn auch aus angeblich ägyptischen Quellen, dafür angibt2, sondern uns an ältere Zeugnisse des religiösen Schrifttums halten. Dabei finden wir viel bessere und eindeutigere Äußerungen, als in den offiziellen Gebeten und Hymnen in den Vergleichen und bildlichen Ausdrücken der ägyptischen Sprache 8 und in manchen Totentexten, die dem Verstorbenen für das Jenseitsleben die Gestalt eines göttlichen Wesens aus Zweckmäßigkeitsgründen anzunehmen ermöglichen sollten. Diese zweckgebundenen Sprüche, insbesondere aus den sog. „Sargtexten", schildern das erstrebte Vorbild des göttlichen Tieres mitunter recht eindrucksvoll und unbeschwert von allen theologischen Rücksichten. Nach ägyptischem Glauben sind Götter und Menschen wie die ganze belebte Natur aus derselben göttlichen Urkraft hervorge1 Das rein Empirische stellte er besonders deutlich im Vorwort zur 2. Ausgabe seiner „Ägyptischen Religion" (1909) als Grundsatz gegen alle Theorien von „Fetischismus, Animismus oder Totemismus" heraus. Vorwiegend positivistisch ist auch die Darstellung von J. H. B r e a s t e d , Development of religion und thought in Anc. Egypt (1912). 2 Die antiken Zeugnisse behandelte Th. Hopfner., Der Tierkult der alten Ägypter. Denkschr. Wien. Akad. Bd. 57, 2 (1913). 3 Eine Fundgrube wichtigen Materials bietet H. G r a p o w , Die bildlichen Ausdrücke des Ägyptischen (1924). 1*
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Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
gangen. Äußerungen darüber gehen so weit zurück, wie sich überhaupt eine spekulativ gerichtete Systematik nachweisen läßt. Schon die alte pantheistische Lehre von Memphis, die ungefähr der Djoserzeit (3. Dyn.) angehört, verkündet über die Schöpfung 1 : „Es geschah, daß Herz und Zunge Macht erlangten über alle Glieder, indem sie lehrten, daß er (Ptah) in jedem Leibe sei (als Herz) und in jedem Munde (als Zunge) aller Götter, aller Menschen, alles Viehs, alles Gewürms und was sonst lebt." Diese Auffassung von der Natur als Gottes Geschöpf ist dem naturhaft denkenden Ägypter geläufig, seit er sich Gedanken über das Göttliche machte. Die tiefempfundenen Jahreszeitenbilder in den königlichen Tempeln der Blütezeit des AR. 2 , die alles Geschehen der Natur als Gabe des Sonnengottes schildern wollen, sind also keine ausschließlich dem Sonnenglauben von Heliopolis eigentümliche Auffassung, wenn dieser auch die innerliche Naturverbundenheit des Menschen besonders stark herausgearbeitet hat. So machen alle universalen Systeme der Folgezeit in gleicher Weise davon Gebrauch: Amun ist nach der thebanischen Lehre „bleibend in allen Dingen"3, also auch im scheinbar Unbelebten der Natur, und von Osiris lehrte eine alte Schrift der Tempelschule von Abydos, die Ramses IV. (20. Dyn.) einsah 4 : „An den Tagen, von denen man sagt, sie waren, als Nut noch nicht von deiner Schönheit schwanger war, da lebtest du (schon), [Du schiedest dich] in Götter, wie Menschen und ebenso Vierfüßler, Vögel und Fische." Diese allgemeinen Hinweise auf einige Grundsätze ägyptischer Grottesvorstellung seien aus der Darstellung der geschichtlichen Religionssysteme vorweggenommen, um die folgenden Erläuterungen über ägyptische Naturgottheiten leichter verständlich zu machen.
2. Tierkulte Großtiere (Löwe, Wildstier, Krokodil, Nilpferd) Unter den Tierkulten seien die Großtiere der Wildnis zu Lande und zu Wasser vorausgestellt. Ihre besondere Bedeutung 1 S e t h e , Dramatische Texte S. 55. Näheres zur Lehre u. S. 289f. 2 Neuerdings haben sich Jahreszeitenbilder, -wie sie bisher aus dem Sonnenheiligtum des Neuserre (6. Dyn.) bekannt waren, auch im Totentempel des Onnos gefunden. 8 S e t h e , Arnim § 217f.s.unten S.34öf. 4 Stele aus Abydos in Kairo. M a r i e t t e , Abydos H Taf. 54/55 = K e e s , Lesebuch S. 16, vgl. unten S. 336f.
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Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
gangen. Äußerungen darüber gehen so weit zurück, wie sich überhaupt eine spekulativ gerichtete Systematik nachweisen läßt. Schon die alte pantheistische Lehre von Memphis, die ungefähr der Djoserzeit (3. Dyn.) angehört, verkündet über die Schöpfung 1 : „Es geschah, daß Herz und Zunge Macht erlangten über alle Glieder, indem sie lehrten, daß er (Ptah) in jedem Leibe sei (als Herz) und in jedem Munde (als Zunge) aller Götter, aller Menschen, alles Viehs, alles Gewürms und was sonst lebt." Diese Auffassung von der Natur als Gottes Geschöpf ist dem naturhaft denkenden Ägypter geläufig, seit er sich Gedanken über das Göttliche machte. Die tiefempfundenen Jahreszeitenbilder in den königlichen Tempeln der Blütezeit des AR. 2 , die alles Geschehen der Natur als Gabe des Sonnengottes schildern wollen, sind also keine ausschließlich dem Sonnenglauben von Heliopolis eigentümliche Auffassung, wenn dieser auch die innerliche Naturverbundenheit des Menschen besonders stark herausgearbeitet hat. So machen alle universalen Systeme der Folgezeit in gleicher Weise davon Gebrauch: Amun ist nach der thebanischen Lehre „bleibend in allen Dingen"3, also auch im scheinbar Unbelebten der Natur, und von Osiris lehrte eine alte Schrift der Tempelschule von Abydos, die Ramses IV. (20. Dyn.) einsah 4 : „An den Tagen, von denen man sagt, sie waren, als Nut noch nicht von deiner Schönheit schwanger war, da lebtest du (schon), [Du schiedest dich] in Götter, wie Menschen und ebenso Vierfüßler, Vögel und Fische." Diese allgemeinen Hinweise auf einige Grundsätze ägyptischer Grottesvorstellung seien aus der Darstellung der geschichtlichen Religionssysteme vorweggenommen, um die folgenden Erläuterungen über ägyptische Naturgottheiten leichter verständlich zu machen.
2. Tierkulte Großtiere (Löwe, Wildstier, Krokodil, Nilpferd) Unter den Tierkulten seien die Großtiere der Wildnis zu Lande und zu Wasser vorausgestellt. Ihre besondere Bedeutung 1 S e t h e , Dramatische Texte S. 55. Näheres zur Lehre u. S. 289f. 2 Neuerdings haben sich Jahreszeitenbilder, -wie sie bisher aus dem Sonnenheiligtum des Neuserre (6. Dyn.) bekannt waren, auch im Totentempel des Onnos gefunden. 8 S e t h e , Arnim § 217f.s.unten S.34öf. 4 Stele aus Abydos in Kairo. M a r i e t t e , Abydos H Taf. 54/55 = K e e s , Lesebuch S. 16, vgl. unten S. 336f.
2. Tierkulte
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zeigt sich schon aus ihrer bevorzugten Stellung zum Königtum. Sodann läßt sich bei ihnen eine für die Deutung späterer Sagenmotive und Kulthandlungen aufschlußreiche Doppelstellung erkennen, die dem natürlichen Empfinden eines Volkes, das seine urzeitlichen Jagdinstinkte noch nicht ganz zugunsten der Anschauungen des seßhaften Bauernstandes aufgegeben hat, entspricht. Das gefährliche Großtier der Wildbahn ist erstrebte „königliche" Jagdbeute, und große Gottheit zugleich 1 . Allerdings verschwindet die Löwenjagd in ägyptischen Darstellungen bereits zu Beginn der geschichtlichen Zeit bis in die Amarnazeit, wo ihr Wiedererscheinen vielleicht durch asiatische Vorbilder angeregt sein mag 2 ; Erinnerungen lebten aber in Jägermythen fort, die sich besonders an die Löwin knüpften. Auch die Krokodiljagd erscheint seit dem AR niemals in ägyptischen Tempel- oder Grabdarstellungen3, dafür bildete der Wildstier das ständige Motiv des einzigen unter den Wüstenbewohnern, der sich den Waffen des Jägers mutig, selbst verwundet, entgegenstellt*. Im gemeinägyptischen Ritual gilt der Stier, der in der Freiheit mit dem Lasso eingefangen, ausgeschlachtet und zerlegt wird, als das eigentliche Festopfer großen Stils8. Die gefährliche Nilpferdjagd mit der Harpune bewertet man offenbar in alter Zeit als hohe Jagd, denn König Usaphais (1. Dyn.) ließ sich in goldenen Bildwerken als Bezwinger des Nilpferdes und als „Harpunierer" darstellen'. Alte Lieder führten diese Jagdart in den Gauen des mittleren und nördlichen Deltas um Sais auf das Vorbild des „Horus" zurück, dem die Waffengöttin Neith dabei 1 E s ist infolgedessen unrichtig, wenn F r a u L. K l e b s , Reliefs des MB. S. 95 meint: „Nilpferde und Krokodile waren nicht von jeher heilige Tiere, sondern wurden gejagt und getötet." 2 W r e s z i n s k i , Löwenjagd im alten Ägypten (Morgenland H . 23). S Zu Darstellungen von Krokodil- und Nilpferdjagden vgl. L. K l e b e , Reliefs AR S. 37. 69. MR S. 95. NR I S. 77. H . S c h ä f e r im Text zu W r e s z i n s k i , Atlas I I I Taf. 104/105 (Nilpferdjagd). 4 K e e s , Ägypt. Kunst S. 38. 62; Kulturgeschichte S. 54. 5 Zur Opferung des Stiers vgl. E. O t t o , Beiträge zur Geschichte der Stierkulte in Ägypten (Unters. 13) S. 5. K l e b s , Reliefs AR S. 121 f. u. a. 6 Siegelabdruck P e t r i e , Royal tombs I I Taf. 7, 5—6. Umzeichnung bei K e e s , Ägyptische Kunst S. 16u.o. Vgl. das Bild des Tutanchamun als Harpunierer C a r t e r , Tutenchamun I I I Taf. 58 (dort falsch als Krokodiljagd erklärt). „Schießen des Nilpferdes" als Armalennotiz auf dem Palermostein Ys. Z- 3 Nr. 8.
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Erstes Kapitel.
Die K u l t e u n d K u l t s t ä t t e n
Hilfe leistete 1 . Noch in den Festliedern, die uns im Horustempel von Edfu in späten Abschriften bewahrt sind, klingen die Jagdmotive vom Harpunieren des Nilpferdes in den Deltasümpfen auf 2 . Andererseits sind wenigstens die beiden Großtiere des Landes, W i l d s t i e r und Lö w e , bevorzugte Symbole des Königtums (vgl. Taf. VIII, b). Beide Tiere verkörpern auf berühmten Schmink paletten der Reichseinigungszeit aus Oberägypten eindringlich die göttliche Königsmacht über alle Feinde, die der Königslöwe reißt, der Königsstier zertrampelt 3 . Aber diese Anschauung, die in den Pyramidenterten ihren Widerhall fand in den Worten 4 : „Deine Väter sind keine Menschen, deine Mütter sind keine Menschen. Der große Wildstier ist dein Vater, das Mädchen 6 ist deine Mutter", blieb nicht auf die alten.Zeiten beschränkt. Gerade die 18. Dynastie, die Ägyptens „Neuzeit" einleitet, führte die Bezeichnung „starker Stier" in die amtliche Titulatur des Königs ein 6 . Im selben Sinne trug die ägyptische Königin im AR den bildhaft gemeinten Titel eines Priesters „des in seiner Art Männlichsten (Stieres)", d.h. der Verkörperung des göttlichen Königs 7 . 1 G a r d i n e r - D a v i e s , T o m b of A m e n e m h e t S. 29; v . B i s s i n g K e e s , R e - H e i l i g t u m I I I S. 30f. A u c h L a c a u T R 20 h e i ß t es v o m T o t e n „ d u sitzst i m Gottesschiff ,du erlegst d a s N i l p f e r d im g e w u n d e n e n Teich u n d jeder G o t t ist dein H a r p u n i e r e r " . D a s T b . K a p . 110 k e n n t einen See des „ w e i ß e n " Nilpferdweibchens im J e n s e i t s T b . ed. Naville I I S. 258 Ad. E i n H a r p u n i e r s p r u c h a u c h P y r . 235. 2 Zu E d f u als „ H a r p u n i e r s t ä t t e " (-ftMn)s. u n t e n S. 180. 212f. 419. 426. 3 Schlachtfeldpalette, Stierpalette u n d Narmerpalette: C a p a r t , P r i m i t i v e a r t in E g y p t A b b . 176, 179, 181/2, 184. S c h ä f e r - A n d r a e , P r o p y l . - K u n s t g e s c h i c h t e S. 181—183. D e r Löwe a u c h n e b e n F a l k e n , Skorpion u . a. auf d e r S t ä d t e z e r s t ö r u n g s p a l e t t e : T a f . VTII, b = C a p a r t a. a. O. A b b 176 vgl. S e t h e , ÄZ 52 S. 65f. 4 P y r . 809 u n d ö f t e r s ähnlich. 5 Die heliopolitanische H i m m e l s g ö t t i n (Nut) vgl. griech. x6gr] xäOjAOV. S e t h e i m K o m m e n t a r (Bd. I I S. 43) d e n k t in erster Linie a n die H i m m e l s g ö t t i n als „ j u n g e K u h " , vgl. die W i l d k u h v o n E l K a b als K ö n i g s m u t t e r P y r . 729a, 1566a, 2 0 0 3 a . d Vielleicht m i t R ü c k s i c h t auf d e n M o n t h s t i e r in H e r m o n t h i s ; bis A m e n o p h i s I V . üblich vgl. S e t h e , Arnim S. 9. E . O t t o , S t i e r k u l t e S. 2f., 47. 7 Äg. i l j sp.f O t t o a . a . O. S. 9. Ähnlich die B e z e i c h n u n g v o n Prinzessinnen als „ T o c h t e r des Mrhw-Stieres", O t t o a . a . O. S. 7/8. Die K ö n i g i n u m g e k e h r t als „ K u h , die d e n Stier g e b a r " P i a n c h i - I n schrift U r k . I I I 56 vgl. u n t e n S. 439.
2. Tierkulte
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L ö w e n k u l t o r t e finden sich sowohl in Ober- wie in Unterägypten ; auch die Griechenzeit kennt mehrere Orte des Namens Leontopolis. Der eine davon lag nordöstlich Heliopolis am Wüstenrand (Teil el Jehudije), wo ein Löwenpärchen verehrt wurde, das durch seine Verknüpfung mit den Urgöttern des heliopolitanischen Systems Schu und Tefnut berühmt wurde 1 . Ein anderes Leontopolis, der heutige Teil Mokdam, gehörte wohl zum Gebiet des 11. unterägyptischen Gaues. Dort war das Kulttier anscheinend ein männlicher Löwe 2 . Schon einer der wenigen bekannten Kultnamen des männlichen Tieres M i y s i s , der als Gott von Bubastis, aber auch als „Herr" des 10. oberägyptischen Gaues vorkommt 3 , kennzeichnet das „wildblickende" gefährliche Tier. Merkwürdigerweise herrschen in ganz Oberägypten die Kulte der L ö w i n vor. Sie finden sich besonders häufig an der Mündung von Wüstenwadis, also den Stellen, wo der vorzeitliche Jäger und der Karawanenführer das Machtbereich des wilden Tieres betrat und sich deswegen seiner Gnade empfehlen wollte. An solchen Kultstätten seien von Süden beginnend genannt: der Wüstentempel Amenophis' III. östlich El Kab, Meschech (Lepidotonpolis) im thinitischen Gau, Der el Gebrawi gegenüber Assiüt im 12. ober ägyptischen Gau, der sog. Speos Artemidos südlich Beni Hasan, Tehne (Akoris), alles Orte des landarmen Ostufers 4 ! Die Löwin heißt entweder einfach „Herrin der Mündung des Wüstentales", so anscheinend bei El Kab und bei Tehne (als ,,Hathor") 5 . Andere schildern das Tier deutlicher: In Esne und Her1 S. u. S. 221. 2 K e e s , Art. Leontopolis Nr. 7 in Pauly-Wissowa RE. 3 Zum Miysis S p i e g e l b e r g , Ree. de trav. 36 S. 175. Miysis als „Sohn der Bastet" in Bubastis S e t h e , Urgsaehichte § 16. „Miysis, Sohn der Bastet, gfoßer Gott, Herr des Aphroditopolites" als Vertreter des 10. oberägypt. Gaues im Aufzug der Schutzgötter der Osirisreliquien i m D e n d e r a t e m p e l D ü m i c h e n , Geogr. Inschr. I I I Taf. 56 = B r u g s c h , Thesaurus S. 619. 4 Die Löwin in Deir el Gebrawi wird in den dortigen Gräbern des AR Mltj.t genannt, die genaue Bedeutung des Namens ist unbekannt vgl. D a v i e s , Deir el Gebrawi I I S. 43. J u n k e r , Onurislegende S. 39 u. a. Auch der ebenfalls seit dem AR mehrfach bezeugte Name Mn.t für die Löwin ist unerklärt: Äg. Wb. I I S. 68. 6 Die Gottheit von Tehne erscheint bereits im A R stets vermenschlicht als „Hathor, Herrin der Mündung des Wüstentals" vgl. Urk. I 24f. Ihre Löwennatur ist also nicht erweisbar, vgl. zu der Hathor unten S. lOf. 134.
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Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
monthis hieß die Löwin „Schlächterin" (Mnbj.t), im Speos Artemidos Pachet „die Beißerin" (Abb. l,c). Man nannte sie auch „die Große, die die Wadis durchwandert, die inmitten der östlichen Wüste haust" 1 oder „die mit scharfen Augen und spitzen Krallen, die Löwin, die bei Nacht Nahrung erblickt und errafft" 2. In Memphis führt die Löwin jenen Kultnamen, der dank des Ruhmes ihrer Stadt der bekannteste geworden ist: S a c h m e t „die Mächtige", die „oben im Wüstental" hausen soll (Taf. IV, b) s . Der Löwin als Gebieterin der Wüste schrieb man ähnlich wie dem Sethtier die Herrschaft über die Unwetter und Regenfälle zu, die aus ihrem Bereich kommen 4 , ebenso die Sendung der „jährlichen Seuche", die mit den heißen Wüstenwinden im Sommer das Land überzieht6. Auf diese Weise trat insbesondere Sachmet in Beziehung zu den Heilkünstlern. Die ägyptischen Ärzte nannten sich gern „Spendepriester (Web) der Sachmet", um die unheilspendende Göttin zu begütigen 8 . Die Mythe von der Vernichtung des ersten Erdengeschlechtes läßt den Götterherrscher Re gerade die wilde Sachmet mit der Durchführung der Vertilgung beauftragen 7 . Die alte Raubtiernatur des Löwen scheint, ähnlich wie wir es bei der Behandlung der Uräusschlange des Königs im Ritual finden, auch im Kult sonst ganz vermenschlichter Göttinnen noch durch. So wie in dem eben genannten Mythus Sachmet von der völligen Austilgung des ersten Geschlechtes durch den erbarmenden Gott mit Hilfe eines Rauschtrankes abgehalten werden muß, wurde der „Hathor" von Den1 Urk. IV 386 vgl. meinen Art. Speos Artemidos in Pauly-Wissowa R E . 2 L a c a u TR 11. 8 Zum Kultort K e e s , Ree. de trav. 37 S. 72f.; zur Sachmet s. u. S. 287f. 4 „Die die Wege der Sättigung öffnet" Urk. IV 386 (Pachet). Ob die seit dem AR nachweisbare architektonische Verwendung des Löwenvorderteils als Zierat der Dachrinnen (nicht als „Wasserspeier"!) ägyptischer Tempel damit zusammenhängt T 5 Der Wüstenwind als „Bote der Sachmet" in dieser Rolle bes. deutlich in Beschwörungstexten auf der Rs. des med. Pap. Edw. Smith ed. B r e a s t e d S. 472f. 6 K e e s , Kulturgeschichte S. 244. 307. Der Hohepriester von Bubastis führte den Titel „Oberarzt" B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1368, offenbar, weil die Bastet als Heilgöttin galt s. u. S. 83. 7 E r m a n , Literatur der Ägypter S. 77f. Die Menschen fliehen aus Angst vor dem Gotteszom in die W ü s t e , wo sie Sachmet tötet.
2. Tierkulte
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dera am „Feste der Trunkenheit" ein blutroter Rauschtrank dargebracht man schlachtete ihr an den Festtagen Tiere der Wüste „zu ihrer Besänftigung" 2 . Es gab ein eigenes Ritual „die Sachmet zu befrieden," das sich auch in der Bibliothek des späten Horustempels von Edfu befand, und noch Josephus bezeichnet die heliopolitanische Löwin von Leontopolis im Gegensatz zur friedlichen Bastet von Bubustis als die „wilde Bastet" (Boißaang aygia)3. Wer ägyptische Götterbilder kennt, weiß, daß alle Löwenbilder, also vor allem auch die der großen Sachmet seit Beginn der geschichtlichen Zeit friedlich mit geschlossenem Rachen dastehen und sanfte Papyrusblüten als Szepter in der Hand halten (Taf, IV, b), was aus dem Hathorkult zu stammen scheint 4 . Hier liegt eine beabsichtigte B e f r i e d u n g des göttlichen Raubtieres vor, die sich ebenso in den Bildwerken wie in bestimmten Mythen widerspiegelt5. Man knüpft dabei an alte Jägersagen an, deren Spuren noch in Darstellungen von Helden, die wildes Wüstengetier, Löwe oder Fabeltiere, bändigen, in der Reichseinigungszeit nachweisbar sind 6 . Der Jägerheros aber bezwingt nicht nur das Tier, er führt es ins Niltal zu den Menschen, aus der Ferne zur Verehrung in den Tempeln. Dort läßt man es bei rauschender Musik und Tanz mit Rauschtränken seine Wildheit vergessen 7 : 1 Das Fest fand am 20. Thot statt vgl. B r u g s c h , Drei Festkalender S. 20. J u n k e r , ÄZ 43 S. 101 f. Ein Tanzlied aus dem Ritual dieses Festtages auch K e e s , Lesebuch S. 38. 2 J u n k e r , Unurislegende S. 129. 8 Josephus Ant. Jud. XIII 70 vgl. meinen Art. Leontopolis Nr. 8 in Pauly -Wissowa RE. 4 Das axrpnQOV nanvQOSideg der ägyptischen Göttinnen, Kanobos Urk. II 148/49. Zur Herkunft aus dem Hathorkult s. u. S. 90. 5 K e e s , Die Befriedung des Raubtieres ÄZ 67 S. 56f. 6 Als Löwenbändiger auf dem berühmten Messergriff vom Gebel el 'Arak B 6 n 6 d i t e , Mon. Piot. 22 S. l f . S c h ä f e r - A n d r a e , PropyläenKunstgeschichte II S. 179 und in dem vorgeschichtlichen gemalten Grab in Hierakonpolis Q u i b e l l , Hierakonpolis II Taf. 75 = C a p a r t , Primitive art Abb. 162. 165. S c h ä f e r - A n d r a e S. 178. Fabeltiere: Elfenbeinschnitzerei aus Hierakonpolis a. a. O. I Taf. 16, 2. 17 = C a p a r t a. a. O. Abb. 105; ähnlich auf der großen Narmerpalette. Zum Typus beachtenswert die Ähnlichkeit des Wortzeichnes für Kusae = kji „fesseln" G a r d i n e r , Egypt. Grammar S. 439 A 38. Äg. Wb. V S. 17. 7 J u n k e r , Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien (Abh. Berl. Akad. 1911) S. 84.
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Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
„Es spielen die Götter ihr (der Löwin als Hathor) das Sistrum, um ihren Grimm zu vertreiben." Mitunter geschah dann das Wunderbare, daß die tierische Göttin ihre Natur ablegte und sich als „die gute Schwester" ihres göttlichen Partners in eine m e n s c h e n h a f t e „hohe Frau" wandelte1. Kein Wunder, daß die einstige Löwin nunmehr gern den sanften, aber universalen Namen einer „Hathor" annahm vind damit den Vorzug gewann, als „Haus des Horus" die Mutter des ersten geschichtlichen Königsgottes „Horus" bedeuten zu können! Tatsächlich erscheinen demgemäß die alten Kulte der „Herrin des Wadieingangs" in El Kab und Tehne, solange wir von ihnen Zeugnisse besitzen, in Tehne also seit Anfang der 5. Dynastie, in El Kab erst weit später, ausschließlich unter dem Namen „Hathor". In Übereinstimmung mit der Häufigkeit der Löwinkultstätten am Ostrand des Niltales sollte nach der Sage die Löwin stets aus den fernen östlichen oder südöstlichen Wüstengegenden herkommen. Als Bringer des Tieres galt in Oberägypten besonders der kampfkräftige Ortsgott von Thinis, der danach Onuris „der die Ferne brachte" genannt wird2. Seit sich die ägyptische Götterwelt ins kosmische Bereich auszuweiten strebte, legte man dem Jägermythos noch eine höhere Deutung bei: Da die befriedete Göttin aus dem Osten kommt, faßte man dies als Gleichnis für die Wiedergewinnung des verlorenen oder die Befriedung eines „erzürnten" Himmelsauges, als Mond auf. So nennt man in Thinis die Löwin Mehjt „das (wieder) vollgemachte" (weibliche) Himmelsauge. Gerade diese Deutung lag im Sinne der heliopolitanischen Lehre und fand daher dort besondere Unterstützung3. Der ganze Sagenkomplex hat in Oberägypten einen nachhaltigen Erfolg erzielt und fand, wie J u n k e r im einzelnen nachweist4, in den mannigfaltigsten Stätten, bei den verschiedenartigsten 1 I m Westteil des Gaues von Achmim h^ißt die Göttin Bpj.t griech. Triphis, ein Wort, mit dem man stets die weiblichen menschlichen Standbilder bezeichnet, vgl. G a u t h i e r , Bull. inst. fr. 3 S. 166f. S p i e g e l b e r g , ÄZ 51 S. 70. J u n k e r , Onurislegende S. 86f. S e t h e , Zur altägypt. Sage v o m Sonnenauge, das in der Fremde war S. 37. 2 Onuris von Thinis -wird stets in Menschengestalt dargestellt. Er hält einen Speer in Stoßstellung ähnlich wie beim Harpunieren, vgl. unten S. 104 und Taf. I. 8 Zur Augensage im heliopolitanischen Bereich s. u. S. 241 f. 4 Die Onurislegende. Denkschr. Wien. Akad. 59, 1—2 (1917).
2. Tierkulte
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männlichen und weiblichen Partnern, Eingang. Auch in Dendera knüpfte die Feier des großen Stadtfestes, das vom 19. Tybi (1. Monat der Winterjahreszeit) bis zum 14. Mechir dauerte, an eine solche legendäre Erinnerung an 1 : „Als ihre Majestät (Hathor) aus Bugem kam 2 , damit sie den Nil Ägyptens sehe samt allen Kostbarkeiten von Ägypten (Timyris), damit sie Nubien den Rücken kehre. Es werden ihr Opfer an allen guten Dingen dargebracht, Ochsen, Gänse als Brandopfer 3 , Dendera ist mit Rauschtrank Übergossen, mit gutem Wein aus ihren Stätten." Dabei scheint die, Grundlage der „Hathor" von Dendera eher eine alte Kuhgottheit (Wildkuh 1), als eine Löwin zu bilden 4 . Vielleicht hängen mit diesen Befriedungsopfern an das wilde Tier auch Nachrichten über angebliche Menschenopfer zusammen, die in antiken Quellen für El Kab und Heliopolis genannt werden 8 . Die gerade bei Kulten der Löwin deutlich verfolgbare Linie der Befriedung des Raubtieres ist eine typisch ägyptische Erscheinung. Mit Rücksicht auf veränderte Kulturverhältnisse der Niltalbevölkerung, vor allem durch das Zurücktreten der in der vorgeschichtlichen Zeit Ägyptens so stark betonten Jagd gegenüber Ackerbau und Viehzucht der Bauernwirtschafit deutete man altüberkommenes Glaubensgut im Sinne der neuen Zeit um 6 . Welche Einflüsse sich geltend machen können, darüber entscheidet der Staat mit Hilfe der von ihm gelenkten Theologie. Veranschaulichung und Verbreitung übernahmen die Mythen. 1 J u n k e r a. a. O. S. 113. 2 Mythische Gegend i m SO; dieselbe in den K u l t s a g e n v o n K o m Ombo unten S. 433. Näheres bei J u n k e r , Onurislegende S. 73f. 8 Brandopfer gelten i m ägypt. Ritual als Symbol der Vernichtung der Götterfeinde, also nicht mehr als Speiseopfer, vgl. J u n k e r , ÄZ 48 S. 7 2 f . 4 Vgl. unten S. 73. 304. 5 E l K a b : Plutarch de Iside 73 unter Berufung auf Manetho, daß dort „typhonidche" also sethische Menschen geopfert würden. Menschenopfer für die Hera (Tefnut ?) in Heliopolis soll nach Porphyrius de abstin. I I 55 (aus Manetho) = H o p f n e r , F o n t e s hist. rel. aegypt. S. 73 erst Amasis (26. D y n . ) aufgehoben haben. Über Menschenopfer auf Piiilae Procop." de bello Pers. I 19, hierzu J u n k e r , ÄZ 48 S. 70. 6 Aufgabe der äußeren Form, wie v o n der Löwin zur menschlichen Rpj.t bleibt Ausnahme, vgl. unten S. 134f. Selbst die Triphis erscheint außerhalb v o n Athribis (bei Sohag) noch als Löwin z. B . in Esne L D I V 23, vgl. J u n k e r , Onurislegende S. 88.
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Erstes Kapitel.
Die Kulte u n d K u l t s t ä t t e n
Eine gleichartige Umstellung hatte zur Folge, daß wir über Kulte des wilden jagdbaren R i n d e s , gleichgültig ob des männlichen oder weiblichen Tieres, in ägyptischer Überlieferling nur andeutungsweise noch etwas nachweisen können1. Durch die Vorherrschaft der Viehzucht wurde das gezähmte Herdentier, Stier und Kuh, für die Niltalbewohner das Wesentliche. Der kulturelle Nützlichkeitsstandpunkt überdeckt das Bild der ungebändigtenKraft2. Gewiß stecken hinter manchem Stierkult Ägyptens ehemalige Wildstiere. Unverkennbar ist das z. B. bei dem Stiergott des 6: unterägyptischen Gaues mit seinem Kult des „Wüsten(stieres)"3. Vielleicht gilt dasselbe für den Stier des 11. unterägyptischen Gaues wegen seines Namens „der Zerteilte" (d. h. Geschlachtete)4, ^ y ü Alte religiöse Texte nennen auch eine „große Wildkuh" als göttliche Mutter und Amme des oberägyptischen Königs in Verbindung mit El Kab, dessen Tempel allerdings keine Spur mehr von ihr aufweisen6. Für N i l p f e r d und Krokodil gemeinsam als gewaltigste Wasserbewohner Ägyptens gilt das, was Plutarch de Iside 50 als Grund ihrer Verehrung angibt „von den wilden Tieren die grausamsten"6. Herodot (II 71) berichtet, daß die Flußpferde im Gau von Papremis (im Nordwestdelta)7 heilig waren, bei den anderen 1 Unzweifelhaft g a b der Wildstier Anlaß zur Bildung des p h a n t a stischen Doppelstieres als R i e g e l g o t t d e r T ü r e n ( g n i ) , also gleich d e m L ö w e n in dieser Rolle, v g l . P y r . 4 1 6 a . 1266. 1306a. S a k k . T R 10. 2 So d e u t e t e es D i o d . I 87 n a c h s p ä t ä g y p t i s c h e n Quellen. 8 ffiiw S e t h e , U r g e s c h i c h t e § 186. Vgl. E . O t t o , S t i e r k u l t e S. 6. 4 Hibw vgl. E . O t t o a. a . O. S. 7 ; zu seiner E i n w i r k u n g a u f die Osirissage s. u . S. 258. D e r X a n i c H£bw w i r d in ä l t e r e r Zeit m i t d e m F e u e r s t e i n m e s s e r d e s S c h l ä c h t e r s geschrieben (s. A b b . ) . 6 „ D i e große W i l d k u h , die in E l K a b z u G a s t e i s t " P y r . 7 2 9 a . 1 5 6 6 a . 2 0 0 3 a . S e t h e , U r g e s c h i c h t e S. 159 A n m . 3 f r a g t , o b vielleicht die /teyiortj feä Eftl&ii d e r I n s c h r i f t L D V I 82, 181 die W i l d k u h bezeichne. D a diese I n s c h r i f t a b e r a m p t o l . F e l s e n t e m p e l a m W a d i e i n g a n g , d e r d e r N e c h b e t v o n E l K a b u n d der H a t h o r - T e f n u t „ H e r r i n d e s W a d i e i n g a n g s " , also w o h l einer a l t e n L ö w i n , g e w e i h t w a r (vgl. L D T e x t I V S. 39), s t e h t , k ö n n t e S m i t h i s e b e n s o g u t ein s o n s t t i n b e k a n n t e s B e i w o r t d e r L ö w i n g ö t t i n sein. A n d e r e r s e i t s ist es n a t ü r l i c h n i c h t ausgeschlossen, d a ß die „ H a t h o r " a m W a d i e i n g a n g bei E l K a b v o n H a u s a u s eine Wildkuh u n d keine Löwin war. 6 Z u m N i l p f e r d vgl. H o p f n e r , T i e r k u l t S. 63f. 7 L a g e w a h r s c h e i n l i c h in d e r N a c h b a r s c h a f t v o n Sais. D e n G a u g o t t n e n n e n die Griechen Ares (ob Onuris T) vgl. H e r o d . I I 63 ( F e s t ) .
2. Tierkulte
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Ägyptern aber nicht. Offensichtlich wurden im Lande die Nilpferdkulte geschichtlicher Zeit immer seltener1. Im Gegensatz zu der auffälligen Beliebtheit des Nilpferdes in der vorgeschichtlichen Dekoration2, macht sich auch bei ihm die allmähliche Verdrängung der Großtiere der Urzeit mit fortschreitender Kultivierung des Niltales bemerkbar, also dasselbe, was wir beim Elefant, beim Mantelpavian und anderen Tieren bereits an der Schwelle der geschichtlichen Zeit feststellen können3. Außerhalb des Deltas erscheint das Nilpferd über die Spätzeit hinaus gelegentlich im Fajüm und sehr betont in Oxyrynchos4. Dort gab es in griechisch-römischer Zeit einen angesehenen Thoeristempel. Oxyrynchos galt nach Zeugnis der Gäulisten der ptol. Tempel im Horus-Osiriskreis der Spätzeit als eine kultisch verfemte (,,typhonische") Stadt. Die bedeutsamen thebanischen Nilpferdkulte der T h o « i s (Taf. X. a).. .der Großen ", hatHerodot übersehen6. Für das Alter der Nilpferdkulte und ihre religiöse Bedeutung ist die Feststellung wichtig, daß Nilpferdbilder, meist kleine Amulette in Gestalt der Thoeris, also als aufgerichtetes trächtiges Nilpferdweibchen, bis in v o r g e s c h i c h t l i c h e Zeit hinaufreichen6. 1 N a c h Plin. n . h. X X V I I I 121 bes. im Gau v o n Sais häufig.; n a c h A m m i a n . Marc. X X I I 15, 24 in Ä g y p t e n bereits f a s t ausgerottet, vgl. H o p f n e r a. a. O. S. 67. 2 P e t r i e , Praehistoric E g y p t Taf. 2, 12. 9, 28—31. 19, 71—72. 23, 1 —2 . v . B i s s i n g , A l t ä g y p t . N i l p f e r d s t a t u e t t e n Münchn. J b . f. bild. K u n s t 1909 S. 127f. S c h a r f f , H b . der Archaeologie (Ägypten) Taf. 52/53 u. a . 8 K e e s , Kulturgeschichte S. 53. D a s N a s h o r n erscheint auf einem vorgeschichtl. Felsbild Oberägyptens z u s a m m e n mit d e m E l e f a n t H . A. W i n k l e r , Rock-drawings of Southern U p p e r E g y p t I T a f . 20/21 (bei Gebel Silsile); sonst n u r genannt in einem Jahreszeitenbild des Sonnenheiligtums des Neuserre aus d e m W e s t d e l t a (Rückzugsgebiet), W r e s z i n s k i , Atlas I I I Taf. 60. I m N R n u r innerafrikanisch (abgebildet u n t e r Thutmosis I I I . in Hermonthis). 4 Nilpferd im F a j ü m : I m sog. F a j ü m p a p . aus ptol. Zeit erscheint ein „weißes" Nilpferd (kein rotes!) als F o r m der H a t h o r v o n A t f i h , also an Stelle der weißen K u h (Hsl.t) als G o t t e s m u t t e r des Horuskindes L a n z o n e , P a p . d u Lac Moeris Taf. 5 m i t t l . Reihe. I m F a j ü m besaß z. B. Kerkeosiris einen Thoeristempel vgl. P a p . T e b t . I 39. 88, ebenso Philadelphia. 5 Zu Thoeris-Opet ausführlich R o e d e r , A r t . Thueris in Roschers Lex. d. Mythol.; ferner mein A r t . Toeris in Pauly-Wissowa R E u n d u n t e n S. 355f. (Theben). 6 v . B i s s i n g , Probleme der ä g y p t . Vorgeschichte, Arch. f. Orientforschung 6 S. 8f. S e l i g m a n n in Anc. E g y p t . 1916 S. 59 ( K a m m m i t zwei Thoerisfiguren als Griff).
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Erstes Kapitel.
D i e Kulte und. Kultstätten
Später fertigte man solche Amulette gern aus rotem Karneol, also einer Farbe, die die offizielle ägyptische Lehre als unheilvoll, dann als spezifisch „sethisch" (typhonisch) erklärte. Das „rote" Nilpferd bildet deshalb die häufigste Form des Horusgegners Seth und seines Anhanges in der Horusmythe von Edfu (Harpuniersage) und erscheint insbesondere bei dem angeblichen Kampfe des Horus in der Gegend von Oxyrynchos1. Der Zwiespalt zwischen Verehrung des mächtigen Tieres, das sich zu einer beliebten Schutzgottheit der Mutterschaft entwickelt, und seiner jagdlichen Verfolgung wirkt beim Nilpferd besonders auffällig2. Im Gegensatz zum Krokodil entfaltete sich die negative Seite bei ihm entscheidender. Viel reichhaltiger ist das Bild der K r o k o d i l k u l t e 3. Allerdings wird dabei das göttliche Tier in geschichtlicher Zeit fast durchgehend mit „Suchos" (Sbkw), einem gewöhnlichen Krokodils: namen, bezeichnet. Dafür sagen die Texte aller Zeiten so viel über die Eigenschaften des Tieres aus, daß es erstaunlich ist, wie man über die Gründe der Verehrung dieses mächtigen Wasserbewohners bei den Ägyptern Zweifel hegen konnte4. Wieder mischt sich Furcht und Verehrung. Als Schriftbild bezeichnet das Krokodil stets unangenehme Eigenschaften, die die Lebensregeln des Menschen ausdrücklich ablehnen: gierig, gefräßig, unverschämt, wütend, angriffslustig. Aber in der Natur 1 N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 15 Z. l f . = C h a s s i n a t , E d f o u V I S. 118f. (Szene 8); die neueste Übersetzung F a i r m a n , J E A 21 S. 81. Weitere Sagen über Oxyrynchos a. a. O. Taf. 24 Z. 104f. (Seth wieder als rotes Nilpferd) = E d f o u V I S. 222 s." u. S. 321. Zur Horusmythe selbst s. u, S. 4 1 2 f . 426. 2 Dahin gehört es, daß „Nilpferd" i m A R als Frauennamen vorkommt, wohl i m gutmütigen Sinne als „Dicke" (db.t), z. B . Urk. I 161 (Tehne), vgl. G r a p o w , Bildliche Ausdrücke S. 84. Mit B e s zusammen bilden Thoerisfiguren i m N R beliebte Zierstücke der B e t t e n ! vgl. unten S. .356 u n d Taf. I X , a. I n den klassischen Darstellungen der Thoeris stützt sich die Göttin meist auf die „ Schutz"-Hieroglyphe z. B . S c h a f e r - A n d r a e , Propyläen-Kunstgesch. I I Taf. 22 (Kairo). 3 Ausführliche Artikel v o n R o e d e r , Sobk in Roschers L e x . d . M y t h o l . K e e s , Suchos in Pauly-Wissowa R E . 4 So schrieb noch in der 1926 erschienenen 4. Aufl. des bekannten Lehrbuchs der Religionsgeschichte (Chantepie de la Saussaye) H . O. L a n g e : „Die ursprüngliche Bedeutung des Krokodilgottes ist schwer zu erraten, u n d wir können nicht ersehen, warum die Bewohner v o n Ombos u n d die Fajumiten in einem Krokodil ihren höchsten Gott und Schirmherrn gesehen haben".
2. Tierkulte
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ist das Krokodil 1 „der Herr des Nils" „der die Teiche durchzieht, der scharfsichtige, der die Ufer durchzieht, dem das Gartenland für seine Fangjagd gegeben ist . . ., der von den größten WasSer-
Abb. la—d.
Altertümliche Bilder von Tiergottheiten
Hanptgott Im Fajüm. b) Die KnhgSttln Sechst Hör (Weatdelta). o) Die LOwin Fachet (Ben) Hasan), d) Die Skorplongöttin Selket als Schätzerin des Königs. » ) BnehoB,
bewohnern lebt, den die größten Flußbewohner fürchten" 2 . So wählt auch ein königlicher Totentext das Bild des unwidersteh1 Sakk. T B 22. 2 Als zoologischer Irrtum der Ägypter sei angemerkt, daß auf Bildern des AR ein Nilpferd mitunter ein Krokodil im Rachen zermalmt, z. B. S t e i n d o r f f , Grab des Ti Taf. 113.
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Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
liehen Tieres1: „König Onnos ist heute aus der Fülle der Wasserflut herausgekommen; er ist ein Suchos mit grüner Feder, wachem Gesicht, mit erhobener Stirn, aufbrausend, gekommen aus Bein und Schwanz der Großen, die im Lichtglanz ist. . . Onnos erscheint als Suchos, Sohn der Neith 2 , er ißt mit seinem Munde, er harnt und koitiert mit seinem Glied. Er ist ein Herr des Samens, der die Weiber ihren Gatten wegnimmt." Sonst vermeidet die Königssymbolik des geschichtlichen Ägyptens das Krokodil als Ebenbild des Königs heranzuziehen. Nur im Fajüm, wo Suchos immer die erste Stelle einnahm (Abb. l,a), verband man ihn gern mit Königskulten, so daß neben den „Suchos, Herrn von Schedet" (Krokodilopolis-Arsinoe) seit dem MR ein wesensgleicher „Horus zu Gast in Schedet" tritt 3 . Auch an anderen Orten sind Fälle, wo örtliche Krokodilkulte mit Rücksichten auf das geschichtliche Königtum den „Horus" Namen annahmen, bekannt: so das Krokodil Chentechtai im unterägyptischen Athribis und ein örtlicher Krokodilkult aus der Gegend von Sohag*-Athribis in Oberägypten4. Aber so erwünscht die Gestalt des Suchos für einen verklärten Toten sein konnte, so sehr fürchtete der Schiffer, der das aufgelaufene Boot von der Sandbank flottmachen mußte5, das Tier; ebenso der Hirt, der seine Herde bei der Heimkehr aus der Marsch des Deltas durch einen Kanal treiben soll6. Da gab es seit alters Beschwörungen, das Tier, dessen Namen man möglichst nicht beruft, abzuhalten und blind zu machen: „die schönen Sprüche zum Singen, die den Untergetauchten abwehren" nennt sie ein 1 Pyr. Spruch 317 (§ 507/10). S e t h e bemerkt dazu im Kommentar I I S. 355: „Der Tote als Krokodil gedacht, das wie die Sonne zwischen den Beinen der. Himmelskuh hervorkam am Morgen . . . " 2 Zu Suchos als Sohn der Neith vgl. Pyr. 489a. Art. Suchos Sp. 550. 556f. und unten S. 443 (Esne). 8 K e e s , Art. Suchos Sp. 547f. 551. 4 Als Hr imj Snt K e e s , ÄZ 64 S. 107f. Zum krokodilköpfigen Chentechtai L e f 6 b u r e , Sphinx 7 S. 41 f.; und mein Art. Suchos Sp. 550, unten S. 205. 5 Vgl. die Darstellung, wo ein Krokodil einem beim Schifferstechen ins Wasser gefallenen Mann ins Bein beißt A. V a r i l l e , La tombe de Ni-ankh-Pepi Taf. 6 (6. Dyn. Sauiet el Meitin). 6 S t e i n d o r f f , Grab des Ti Taf. 118. C a p a r t , Rue de tombeaux Taf. 27/30. W r e s z i n s k i , Atlas I I I Taf. 52. 59. 89. Die Beschwörungen E r m a n , Reden, Rufe und Lieder auf Grabbildern des A R (Abh. Berl. Akad. 1918) S. 29f.
2. Tierkulte
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Papyrus des NR 1 . Einen Grabschänder suchte man im AR mit dem Fluch zu schrecken2: „Das Krokodil gegen ihn im Wasser, die Schlange gegen ihn zu Lande, wer sich gegen dieses (Grab) vergehen sollte." Es ist aus der Natur des Landes verständlich, daß K r o k o d i l kulte mit Vorliebe an Örtlichkeiten auftreten, wo Inseln im Strom, Stromschnellen oder Steilabbrüche des Gebeis die Nilschiffahrt gefährlich machen, sonst in Marschgebieten mit Seen und Kanälen. Solche Stellen fanden sich durch das ganze Niltal 3 . Ich nenne für die Thebals im Süden die Stromschnellen am Gebel Silsile mit dem unfernen Kom Ombo 4 , die „Insel im Strom" vor Gebelen als Stelle des antiken Krokodilopolis bei Pathyris5, dann die schwierig zu befahrende Strombiegung bei Dendera und Chenoboskion (Gebel Tarif), wo der 6. Gau lag, der das Krokodil als altes Gauzeichen führte. Auch die spätere Griechenstadt Ptolemais Hermiu im thinitischen Gau heißt mit ägyptischem Namen Psoi „Haus des Krokodils" (Evtg). An der Schwelle nach Mittelägypten fürchtet der Schiffer noch heute wegen der Windwirbel die Steilwände des Gebel Abu Feda, in denen die Krokodilsgrotten von Maabde liegen. Dann häufen sich an dem durch die Wüstenabstürze eingeengten Ostufer die Kultorte: Tehne (Akoris), wo Suchos neben Amun steht, die Gegend von Surarije, und wieder ein Inselheiligtum des Suchos nicht weit davon entfernt, das Ramses III. beschenkte6, schließlich El Hibe im 18. oberägyptischen Gau. Mancher Schach scheint heute solche Stellen besetzt zu haben. Das „Seeland" des Fajüm steht ganz im Zeichen der Suchoskulte, und auch im Delta hat es deren nicht wenige gegeben. Es muß für diese Gegenden ein typisches Bild gewesen sein, das im Sonnenheiligtum des NeuserrS unter den Jahreszeitenbildern aus 1 Pap. mag. Harris vgl. H . O. L a n g e , Der magische Pap. Harris (Kopenhagen 1927). 2 Urk. I 23 ähnlich 226 (Brit. Mus. 1186). 3 Vgl. die Übersicht über alle bekannten Suchoskultorte Art. Suchos Sp. 543 f. 4 S. u. S. 430f. 5 KQoxodeüxov noXu; xifi&aa ro ihjQlov. Strabon X V I I 817 vgl. meinen Art. Krokodilopolis Nr. 3 in Pauly-Wissowa R E . Dort gab es auch eine UQA vfjoog rov Eovxov Arch. Pap. I 59; s. u. S. 343. 357. 6 Pap. Harris I Taf. 61b, 10; zur Lage (beim Schech H a s a n ? ) K e e s , ÄZ 58 S. 100. E e e b , Götterglaube 2
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Erstes Kapitel. Die Kulte und Kultstätten
der „westlichen Hälfte" des Deltas festgehalten ist 1 : eine von Nilarmen umflossene Insel mit einem Krokodilsheiligtum darauf (Tai. VI, c) ! Der „Westgau" Unterägyptens kennt einen Suchos neben einem „libyschen" Falkengott2, und im Ostdelta hat es bis ins AR einen eigenen „Krokodilsgau" gegeben, der später verschwand. Klärlich bildete also die Schiffer- und Fischerbevölkerang die gegebene Anhängerschaft des Wasserbeherrschers. In Horbeit im Ostdelta nannte man im NR einen Krokodilgott „den Frevler", als sei er der Mörder des Osiris3. Aber demgegenüber hatten die Suchosanhänger andere Sagenfassungen verbreitet, die das mächtige Wassertier als Helfer der Götter des Osiriskreises ausweisen sollten4. Danach hätte Suchos einst die Hände des Horus, die seine Mutter Isis ihm als Strafe für die Befleckung im Verkehr mit Seth abgeschlagen hatte, auf Befehl des RS aus der Tiefe des Wassers aufgefischt. Ebenso war im Delta die Sage verbreitet, daß Suchos den „Gottesleib" des ertränkten Osiris ans Land getragen und damit der Isis geholfen habe. In dieser Rolle wurde Suchos mit Horus als Sohn des Osiris identifiziert6. Auch in anderer Weise hat sich das urige Tier, ähnlich wie die Löwin, dem Zwange der fortschreitenden Kultivierung des Niltales anpassen müssen. Daraufhin wurden andere 1 W r e s z i n s k i , Atlas III Taf. 60. 2 Zu Suchos nöben dem libyschen Horus als Herr der Gauhauptstadt Jm?u>, vgl. v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum III S. 11. 30 z u B o r c h a r d t , Neuserre S. 93 Abb. 71 (Götterreihe). In der letztgenannten Götterliste handelt es sich wohl um den Suchos vom „Sykomorenhaus" (ht nh.t) im 7. unterägyptischen Gau (Harpunengau). Weitere Bfelege in meinem Artikel Suchos Sp. 550. 8 B o e d e r , ÄZ 61 S. 61. Zu p] '41 „der Frevler" vgl. die Bezeichnung der mythischen Mordstätte des Osiris Pyr. 1267c: • 'd] „(Stätte) des Frevels" 4 Tb. Kap. 113 (Göttinger Totenbuchstudien von 1919) vgl. dazu K e e s , Totenglauben S. 193. Art. Suchos Sp. 553 u. unten S. 285. Zwei krokodilköpfige Schutzgötter bei dem Osirisfetisch in Abydos C a l v e r l e y - G a r d i n e r , Temple of Seti I Vol. III Taf. 12 u. a. 5 Insbes. galt sie für den vorhin genannten „Suchos, Herrn von Im]w" im 3. unteräg. Gau (heute Kom el Hisn), vgl. J u n k e r , Götterdekret über das Abaton S. 41 f. 79 und unten S. 403. Wie die Erwähnung dieser Sagenform in den Osiristexten in Dendera (Choiakfestritual) und in Philae zeigt, war sie in den späten Osirismysterien kanonisiert.
2. Tierkulte
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Eigenschaften des Krokodils als die wesentlichen seiner Gottesnatur herausgestellt, abweichend von denen in der ältesten Zeit 1 . Schätzte man die Macht des „Suchos mit spitzen Zähnen" hoch ein, so begehrte der Mensch, der in seinem Bereich lebte und arbeiten muß, durch Verehrung den Gott gütig zu stimmen. Gleichzeitig rechnete man damit — das ist ein Gedanke, der bei der königlichen Uräusschlange besonders deutlich wird —, die gefährliche Kraft als Schutz gegen die F e i n d e einsetzen zu können. Suchos wird für seine Anhänger „Herr der Kraft, der die Feinde abwehrt"2. Man vermied daher eine planmäßige Verfolgung, ohne in die Überspanntheit späterer Zeiten zu verfallen, daß man, wie es antike Zeugnisse von den Leuten von Kom Ombo berichten, den Tod durch das Krokodil als ein heiliges Geschehen angesehen hätte 3. Im Gegenteil, nach einem bekannten Märchen ies Pap. Westcar verschlingt ein Krokodil, zur Strafe den Ehebrecher, und noch in Glossen des NR zum Totenbuch erscheinen die „Suchoskrokodile im Wasser" als Vernichter der Sünder und Ungerechten4, im selben Sinne, wie es jene Fluchformel des AR gegen Grabschänder meinte. War also das Krokodil für den Bösewicht ein Schrecken, so erwartete der Gläubige von ihm Gnade und begibt sich willig in seine starke Hut: „Suchos ist sein Schutz" (Sebekemsaf) und „Suchos ist gnädig" (Sebekhotep) sind zwei besonders auf thebanischem Gebiet im MR beliebte Namen8. Im Fajüm nannte man sogar den Krokodilgott mit Vorliebe Pnepheros „den mit gütigem Gesicht", wie sonst den memphitischen menschengestaltigen Ptah®! 1 Zum synkretistischen Suchos in Kom Ombo s. u. S. 434f. 2 Ombos I S. 202. Mythen linterstützen dasselbe Motiv s. u. S. 434 (Kom Ombo). 3 Aelian. nat. animal. X 21. Maxim. Tyr. Philosophum. I I 5 (Teubner) = H o p f n e r , Fontes hist. rel. aegypt. S. 361 vgl. Art. Suchos Sp. 543. Weitere Parallelen aus spätägyptischem Glauben u. S. 436f. 4 Glosse des NR zu Tb. Kap. 17 Z. 43 (Urk. V 42). Deshalb i hr Sfj.t vgl. K e e s , ÄZ 65 S. 71 (Tb. Kap. 175). Plutarch de Iside 37 gibt an, daß Harsaphes rd ¿vöqeiov „die Mannhaftigkeit" bedeute, vgl. unten S. 318. 322. 391. 4 L. D ü r r , (1938).
Die Wertung des göttlichen Wortes.
5 Tb. Kap. 175 vgl. K e e s , ÄZ 65 S. 65f.
MVAG 42, 1
6. N a m e n g e b i m g
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die man gern dem Re in den Mund legte 1 . Die ägyptische Logik gestattet eben, gewisse spekulative Grundvorstellungen, die für einen engen Rahmen berechnet waren und darin ihre sinnvolle Bedeutung hatten, daraus freizumachen und selbständig weiterwirkend sich ausdehnen zu lassen. Die scheinbare Zusammenhanglosigkeit des göttlichen Wortes mit dem ausgelösten schöpferischen Erfolg erschien den Mythenschreibern wohl als das eigentlich Wunderbare, also als das Wesentliche bei der Herkunft heiliger Dinge, die man damit dem Maßstab des Verstandes entziehen wollte. Bereits die Pyramidentexte benutzten die Verkettung des Namens mit einem mythischen Ereignis oder einer Eigenschaft des Namensträgers. Ganze Sprüche in Litaneiform, zusammengestellt offenbar zur propagandistischen Begründung eines erwünschten Geltungsanspruchs, beweisen die Zusammengehörigkeit von Gott und heiliger Stätte aus dem Namensanklang „in deinem Namen NN4."; z. B. „Isis und Nephthys waren dir zum Schutz da in der ,Wachenstadt', als ihrem Herrn, der du bist in deinem Namen: Herr von Siüt"2. Die Litaneiform mit langen Aufzählungen von heiligen Stätten und ehrenden Beinamen wird in Götterhymnen viel benutzt3. Er man kritisierte daran, besonders bei den Osirishymnen, das Unliterarische und angeblich Geistlose, ohne das starke Bekenntnis und die werbende Wirkung einer umfassenden Schilderung des Geltungsbereiches zu fühlen4. Selbst griechische Isishymnen verzichteten nicht auf dieses Mittel zur eindrucksvollen Veranschaulichung der vielgestaltigen und vielnamigen Göttin5. 1 Tb. Kap. 115 (Göttinger Totenbuchstudien von 1919). Solche Mythenbildungen scheinen f ü r die Herakleopolitenzeit kennzeichnend zu sein (vgl. auch Tb. Kap. 17). 2 Pyr. 630. Die Beziehung liegt im Anklang zwischen „Schützen" (s]w) und dem Namen von Siüt (Slw.t), der vielleicht wirklich „Wache" (vgl. (pvXaxri) bedeutete. Erreicht wurde die Gleichsetzung des Osiris mit dem Ortsgott U p u a u t ! 3 Die ältesten Beispiele gehören dem Osiriskreis in heliopolitanischer Aufmachung a n ; vgl. besonders Spruch 219 der Pyramidentexte, ähnlich der gleichfalls osirianische Spruch 366 (samt Varianten), dem das angeführte Beispiel entnommen ist. 4 A. E r m a n , Religion d. Ägypter S. 178 zu dem bekannten seit MR weitverbreiteten Osirishymnus K e e s , Lesebuch S. 15/16. 5 JVlan vergleiche den großen Isishymnus aus dem 2. J h . n. Chr. Pap. Oxyr. X I 1380.
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Zweites Kapitel.
Grundsätze der Formung
Auch O r t s n a m e n können vieldeutig sein. Der Name von Edfii (Etbo) bedeutete ursprünglich vielleicht „Schmuckstätte", was in dieselbe Richtung wie „Thronstätte" (Bl)d.t) weist 1 . Die Lehre des späten Horustempels deutete es daneben als „Ersatz" (für Pe in Unterägypten), oder als „Vergeltungsstätte" (Harpunierstätte des Gottesfeindes) 2 . Je vieldeutiger die sprachlichen Anklänge waren, um so wertvoller schien dies für die synkretistische Verwendung. Leider ist eine verschränkte Erklärung wie die folgende: „es (Edfu) ist der Ersatz des Herrn von Pe, die Harpunierstätte, an der er dem Feind seiner Majestät vergalt" (¿6; = ,bestrafen") 3 , kaum übersetzbar. Ein ähnlicher Gedanke kehrt in den späten Inschriften des Hathortempels von Dendera, dessen alter Name zu einer Anlehnung an Heliopolis geradezu herausforderte, wieder 4 . Dendera soll der Hathor „als Ersatz für Heliopolis gemacht sein", wobei man die Gleichheit der beiderseitigen „Hathoren", ja ihre gemeinsame Herkunft aus Heliopolis voraussetzte. * Anders als die heiligen Namen der Ägypter sind die antiken Bezeichnungen zu werten, die die Griechen den Orten beilegten. Neben solchen, in denen sich der alte ägyptische Name hielt, wie Memphis, Theben (aus Djeme), Abydos, Sais, Sebennytos, Mendes, Tentyra, Koptos u. a. erscheinen Namen, die auf Kultbestände zielen, aber im Ägyptischen keine Vorbilder haben, Latonpolis, Oxyrynchos, Leontopolis, Lepidotonpolis, Lykonpolis. Wir werden durch sie vielfach auf Kulte aufmerksam gemacht, die bis in die Spätzeit nicht hervortreten, also auf typisch „Volkstümliches". Hier hat das beobachtende Interesse des Fremden an dem Ungewöhnlichen eingewirkt, um einen anderen vielleicht schwer verständlichen Eigennamen zu ersetzen. 1 Vgl. die Bezeichnung Dbl.t „Schmuckstätte" für das königliche Ankleidezimmer neben dem „Morgenhaus", besonders im Titel des kgl. Ka oben S. 101. 2 S. u. S. 427. 8 Edfou II S. 9 vgl. K e e s , Horns u. Seth II S. 82. S e t h e , Urgeschichte § 148. 4 Heliopolis: Ivmw, Dendera: Iwn.t S e t h e , Urgeschichte § 144 unter Verweis auf M a r i e t t e , Denderah I I 17c, ähnlich 23 g. 27. Trotzdem Sethe sonst stark für den heliopolitanischen Kolonisationsgedanken eintritt, meint er hier: „In allen diesen Fällen kann aber die Namensähnlichkeit zufällig und nicht die Folge, sondern die Ursache der etwaigen Beziehung zu Heliopolis gewesen sein." Vgl. unten S. 303.
7. Mythenbildung
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7. Mythenbildung Was die Nainengebung programmatisch zusammenfaßt, das wird in den Mythen entwickelt und begründet 1 . Die Mythen erzählen und erklären, aber sie deuten nicht Kommendes voraus. Sie stehen also sinngemäß am Abschluß, nicht am Anfang eines Formungsvorganges. Die Aufgabenstellung der Göttergeschichten weist mit den lehrhaften Kultnamen viel Gemeinsames auf: Sie versuchen den Ruf ihres Ortes als heilige Stätte zu heben, erzählen über die Geburt des Götterkindes, von der Weltwerdung am „heiligen Platz des Urbeginns" unter Anknüpfung an alte Kultmale. Sie unterstreichen und begründen das Besitzrecht des Ortsgottes, sei es durch offenen Kampf unter Verdrängung älterer Kultbestände, oder in kultivierterer Form durch einen Recht-, spruch, wie es in der „Fürstenhalle" zu Heliopolis durch Geb geschah, als er über das Erbe des Osiris entschied. Sie berichten über Einwanderung von Gottheiten, die man dabei aus bevorzugten heiligen Gegenden z. B. dem „Gottesland" des Ostens, aus der unbekannten Ferne oder aus einem heiligen Orte alter Gcschichte, wie es namentlich Heliopolis für alle Späteren ist, herkommen läßt 2 . Mythen werden also eingesetzt, um K u l t v e r s c h i e b u n g e n zu begründen oder propagandistisch vorzubereiten. Sie erzählen, warum Buto (Pe) dem Horus gegeben wurde als Entschädigung für ein Unrecht 3 , warum die heilige Oryxantilope zum „Feind des Horusauges" wurde 4 , wie Atum das „ E r b e " in Heliopolis gewann 5 , und ebenso wie Horus von E d f u über ganz Ägypten hinweg ihm nicht genehme „feindliche" Kulte besiegt und beseitigte 6 und sein heiliges Symbol, die geflügelte Sonnenschoibe, allen Tempeln des Landes aufprägte. Daß die vielfach zu Unrecht als geschichtliche Erinnerung in Anspruch 1 Eine umfassende Sammlung und kritische Sichtung des meist nur in Bruchstücken überlieferten Materials fehlt. Ich verweise vorläufig auf die Textsammlungen in meinem Religionsgeschichtl. Lesebuch \md bei G. R o e d e r , Urk. zur Religion des alten Ägypten (1915). 2 Zum Einwanderungsmotiv s. u. S. 232. 347. 353. 407. 432f. 3 Zum Ersatzmotiv in Edfu, Dendera, Hermonthis u. a. s. o. S. 182; unten S. 303. 336. 339. 427. 4 Tb. Kap. 112 = K e e s , Lesebuch S. 33 vgl. oben S. 26. 131. 6 Tb. Kap. 115 = a. a. O. S. 22 „eine Geschichte, die an den Streit zwischen Athena und Poseidon um den Besitz Athens erinnert" (Sethe). Beide Tb. Kap. behandelt in den Göttinger Totenbuchstudien von 1919. 6 S. o. S. 6. 133; unten S. 212. 321. 413.
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Zweites Kapitel.
Grundsätze der Formung
genommene Horusmythe von Edfu religionspolitische Ziele hatte, geht unzweideutig aus der Auswahl der Kampf- und Siegesplätze des Horus hervor, die bereits M a s p e r o treffend als „forteresses theologiques" bezeichnete 1 . So sehr hierbei die Mythen im Dienste des theologischen Dogmas zu stehen scheinen und dessen Umstellungen folgten, so stark unterscheiden sie sich in der Wahl der Mittel von der Theologie. Die Mythen bevorzugen das Ungewöhliche, mitunter für unser Gefühl Scheußliche und Widernatürliche 2 . Auf sie paßt A. E r m a n s Wort 3 von der Vernünftigkeit der ägyptischen Kulte, vom Fehlen wilder Rachsucht, Mordgier und „blutdürstiger" Götter gar nicht. Seth zerriß den Osiris auf schauerliche Weise wie ein Schlachttier oder ertränkte ihn in der unseligsten Todesart, die Ägypten neben der Verbrennung kannte 4 . Geb vergewaltigt seine Mutter Tefnut, Atum seine eigenen Kinder, Min vergreift sich an seiner Mutter Isis, Horus schlägt der Isis den Kopf ab, Isis ihm beide Hände 6 . Besonders grauslich sind die Mondsagen 6 : Der Mondgott Thot entstammt einer Schwängerung des Seth durch Horus, dazu soll er aus dem „Knie" widernatürlich hervorgegangen sein. Dem Thot selbst, der sonst der weise Helfer bei allem Schaden im Götterreich ist, schiebt man geheimnisvoll raunend die Schuld an dem fehlenden Teile des verletzten Mondauges zu, wie ihm auch heimliche Verbindung mit Seth beim Morde des Osiris zuge1 K e e s , Kultlegende u. Urgeschichte (Gött. Nachr. 1930) gegenüber den abweichenden Anschauungen bes. von J u n k e r u. S e t h e . S e t h e , Urgeschichte § 97 glaubt sogar in den Osirisreliquien der berühmtesten Osiriskultstätten der Spätzeit „den Nachklang eines großen geschichtlichen Ereignisses zu hören, das in dem Zerfall des bereits geeinten Reiches in seine Bestandteile bestand". Zur kultgeschicht]ichen Begründung s. o. S. 6 unten S. 212. 2 Das fällt selbst in den im NR „literarisch" bearbeiteten Mythen vom Rechtsstreit des Horus und Seth (Pap. ehester Beatty I) oder der Novelle von den zwei Brüdern auf. 3 Religion der Ägypter S. 10. 4 S. o. S. 111. 5 K e e s , Lesebuch S. 23. 36; zum Atum vgl. K e e s , ÄZ 57 S. 110; zum Min als „Stier seiner Mutter" (Kamutef) unten S. 200. 6 Hierzu K e e s , Zu den ägyptischen Mondsagen ÄZ 60 S. l f , und Pap. ehester Beatty I 11, 5—13, 1. S p i e g e l , Die Erzählung vom Streite des Horus und Seth (Leipz. ägyptol. Studien 9) S. 57f.
7. Mythenbildung
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traut wird1. Sogar Anubis, der gemeiniglich als Balsamierer und Bestatter des Osiris erscheint, wird verdächtigt, wie ein wilder Wüstenhund den Körper des Osiris angefressen zu haben2. Den Seth soll seine Mutter (Nut) nicht natürlich geboren haben wie ihre sonstigen Kinder, sondern durch Erbrechen von sich gegeben3. Hier kommt ein bestimmter u n k a n o n i s c h e r Zug heraus, der nicht allein aus der Lust am Fabulieren entstanden ist. Offenbar versuchen die Mythen durch Steigerung ins Unnatürliche, ja Widernatürliche, dem Vermenschlichungsprozeß der Götter in gewissem Sinne entgegenwirken und eine allzu starke Ähnlichkeit mit alltäglichem Menschenschicksal zu vermeiden. Sie betonen ausdrücklich, daß es sich dabei um „Geheimes" handle, das nur der Eingeweihte wissen darf. Für die Bedeutung dieser Erscheinungen ist das aber unerheblich. Mitunter werden sie im Gegensatz zu der Idealisierung der Dogmatik zu echteren Abbildern altorientalischen Menschentums, insbesondere in den Sagen, die ihr Vorbild am Herrscherschicksal nehmen4: Dort herrscht der Neid des Thronprätendenten, der Streit der Brüder um das Erbe (Horus und Seth; Osiris und Seth), Mordtat und Gewalt; Unbotmäßigkeit gegen den Herrscher wird schon bei den „Kindern der Nut", dem ersten Geschlecht auf Erden, vorausgesetzt. Hier haben sich ungebändigte Instinkte aus der Urzeit entfaltet, die im Leben durch das Idealbild der Lehren vom leidenschaftslosen, vernünftig handelnden Menschen verschleiert wurden5. Die Göttergeschichten klingen daher am ersten an den herrisch-trotzigen Ton an, in dem weite Teile der Pyramidentexte gehalten sind. Sie stehen damit allerdings in krassem Widerspruch zu der Staatslehre von „Richtig1 T h o t als P a r t n e r des Seth u n d F e i n d des Osiris P y r . 163d. 173. 175; vgl. S e t h e im K o m m e n t a r dazu u. D r a m a t i s c h e T e x t e S. 111. Die Beschädigung des Auges a n g e d e u t e t im S a r g t e x t v o m „ K e n n e n der Seelen des N e u m o n d t a g e s " (Gött. Tb. Studien von 1919) — K e e s , Lesebuch S. 26; u n t e n S. 241 f. 2 I m gleichen v o r g e n a n n t e n S a r g t e x t a u s der Herakleopolitenzeit. 3 P y r . 206 vgl. S e t h e im K o m m e n t a r zur Stelle u n d Urgeschichte § 133, wo er auf P l u t a r c h de Iside 12 hinweist. 4 N i c h t zufällig finden sich ähnliche Züge in der d u r c h die Antike überlieferten Sesostrissage; vgl. S e t h e , Sesostris (Unters. I I , 1) u n d meinen A r t . Sesostris in Pauly-Wissowa R E . 6 Zu diesem staatspolitischen Ideal K e e s , Kulturgeschichte S. 172. 192 f. 268f.
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Zweites Kapitel.
Grundsätze der Formung
keit" und „Befriedung" des Einheitsstaates, oder gar der jüngeren pazifistischen Ausmalung der Urzeit der Götterherrschaft als einer Zeit selig paradiesischen Friedens, in der nicht einmal die Raubtiere jemand etwas zuleide taten 1 . Gewiß wird man, wenn einmal die Sammlung und Erforschung der zahllosen Mythenbruchstücke durchgeführt ist, unterscheiden lernen, welche Perioden bestimmte Mythenrichtungen bevorzugten. So ist es ganz gewiß kein Zufall, daß in der Zeit der bitteren Enttäuschung über den Zusammenbruch des AR, also in der Herakleopolitenzeit, die pessimistisch abgetönten Geschichten von der Vernichtung des Menschengeschlechtes, dem Untergang der Welt u. ä. auftauchen und literarische Geltung erlangten 2 . Dagegen wurden Jägersagen vom Helden, der in der Wüste das wilde Tier bezwang und gezähmt heimführte, mit Vorliebe zur Begründung einer „Befriedung" alter Raubtierkulte unter Anpassung an die vorgeschrittene Kultur des Niltales und eines Staates von Viehzüchtern und Ackerbauern benutzt 3 . Das sind Beobachtungen, die eine künftige kritische Analyse der ägyptischen Mythen auswerten und ausweiten muß. 1 K o o s a. a. O. S. 176; vgl. zur Bogriftsbildung von der „Richtigkeit" (Mivat) unten S. 248f. 2 Lesebuch S. 27 (Tb. Kap. 175); K e e s , Totenglauben S. 305f. 3 S. o. S. 8f. (Onurislegon.de). 132f.
DRITTES
KAPITEL
Die Göttersyteme der Aufbauzeit 1. Reichseinigungszeit Die Urzeit im G e s c h i c h t s b e w u ß t s e i n der Ä g y p t e r Gegenüber den immer erneuten Versuchen, aus ägyptischen Kultlegenden und Anspielungen religiöser Texte staatliche Formungsvorgänge fernster Vorzeiten zu erschließen, muß eindeutig festgelegt werden, welche geschichtlichen Zustände der Ägypter, wo er Geschichte aufzeichnen wollte und nicht kultische Vorrechte vertreten, als Endpunkt seiner Überlieferungen setzte, und welche religiösen Vorstellungen auf den ältesten geschichtlichen Denkmälern zum Ausdruck kommen. Keine geschichtliche Erinnerung Ägyptens greift über jene Vorstufe der Reichseinigungszeit zurück, die der Ägypter als die Zeit der getrennten „beiden Länder", Ober- und Unterägypten mit ihren Hauptstädten Hierakonpolis (Nechen)und Buto (Pe), kennzeichnete. Auch für die ältesten Annalenaufzeichnungen Ägyptens (aus dem AR) lag vor dieser Periode die Urzeit der Götterkönige. Selbstverständlich können mythische Erzählungen auf wirkliche geschichtliche Erfahrungen zurückgehen, aber man sollte sie, will man nicht ins Grundlose abgleiten, zuerst aus geschichtlich bekannten Tatsachen zu erklären versuchen und „Urgeschichte" nur in solchen Fällen unterstellen, wo kultgeschichtliche Tatbestände anders keine sinnvolle Erklärung finden können. Mit Sicherheit fehlerhaft wird ein solches Verfahren sein, wenn das Hinausschieben in eine unbekannte Vorzeit dazu führt, daß aus der geschichtlichen Zeit organische Glieder herausgerissen werden und sich Leer räume auftun, die nach dem gleichlaufenden Entwicklungsgang der Kunst, Sprache oder sonstigen kulturellen Erscheinungen nicht vorhanden sein dürfen. Wenn wir demgemäß die geteilten „Länder" als gegebene Ausgangsstellung der Betrachtung der geschichtlichen Göttersysteme wählen, brau-
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chen wir die Überlieferung über die Vorstufe der Reichseinigung nicht wörtlich im Sinne zweier gleichgeordneter vorzeitlicher Reiche anzunehmen. Es handelt sich bei ihr um eine leicht verständliche Absicht nach Vereinfachung. Wir werden sie bei der Formel von den „Horusdienern" wirksam finden. Ebensowenig wie die Reichseinigung das Werk eines Mannes und das Ergebnis eines Sieges gewesen sein kann, standen sich auf ober- und unterägyptischer Seite zwei gleichartige geschlossene Staaten unter dem Schutz eines Ortsgottes gegenüber. Wie die Überlieferung das Ergebnis einer langen Kampfperiode mit vielfach wechselndem Erfolge in die Tat des „Menes" zusammenzog, hat sie die staatliche Fügung einseitig den Führergestalten des Trägers der weißen Krone und seines Ortsgottes, des Falken von Nechen, zuerkannt. Die G e f o l g s g ö t t e r des F a l k e n v o n N e c h e n Den geschichtlichen Hergang verraten die Denkmäler aus Hierakonpolis dchon durch die Tatsache, daß auf Grund der dargestellten Siegestaten nicht weniger als drei Könige von Hierakonpolis — der „Skorpion", „Narmer" und „Horns, der Kämpfer" — Anspruch auf die überlieferte Tat des „Menes" machen könnten1. Auch die siegreiche oberägyptische Landeshälfte war damals noch nicht als Einheitsreich gefestigt, sondern befand sich im Übergangszustand eines Gauverbandes. Solche Gebilde tauchen später in Übergangszeiten, sowohl in der Herakleopolitenzeit, unter der Hyksosherrschaffc und in der Spätzeit wieder auf. Gemeinsame politische Ziele werden zu Beginn der geschichtlichen Zeit vordem eifersüchtige Nachbarn zusammengeführt haben, genau wie dies zur Hyksoszeit oder bei dem Koalitionskrieg der Unterägypter gegen die Äthiopenkönige der Fall war. Auf jenen Denkmälern der Reichseinigungszeit erscheinen als Helfer des Horuskönigs von Hierakonpolis folgende durch ihre Standarten vertretenen Götter Oberägyptens. Als Gaugötter sind ohne weiteres erkennbar2: der stehende Canide (Upuaut) 1 Ed. M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2 3 § 206/9. 2 Zu beachten ist, daß von der Reihe der auf dem Keulenkopf des „Skorpion" aus Hierakonpolis die „Untertanen" gefesselt haltenden Götter mehr als die Hälfte fehlt. Die Zahl der Gaugötter muß also größer gewesen sein! Q u i b e l l , Hierakonpolis I Taf. 26c = C a p a r t . Primitive art Abb. 188 u. a.
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von Assiüt, immer einer der nächsten Vorläufer des Königs, der gelegentlich auch durch ein gleichartiges Standartenpaar vertreten wird1, das S e t h t i e r , das z. B. auf dem Keulenkopf des Skorpion mehrfach erscheint, das Minsymbol als Gauzeichen von Achmim, und ein einzelner F a l k e 2 . Letzterer soll wohl eine Abkürzung für das Falkenpaar sein, das besonders auf den Sieges denkmälern des Narmer zum engeren Kreis der Königsgeleitsgötter gehört 3 . Da diese zwei Falken auf der Städtezerstörungspalette deutüch als Götterpaar gekennzeichnet sind, das gemeinsam eine Stadt zerstört (Taf. VIII, b) 4 , wird es allgemein auf das Gauzeichen von Koptos, die „beiden Herren", gedeutet8. Von Standartengöttern, die man nicht mit geschichtlich bekannten Gauzeichen Oberägyptens zusammenbringen kann, sind zu nennen: der Ibis 6 , ein Bergzeichen,
wohl als Zeichen
des Gottes der libyschen Wüste, der später gern als „Herr des Westens" bezeichnet wird?, und das Schriftzeichen für „Osten", das dem Skorpionkönig bei dem Fest des Erdhackens mit vorauszieht. Zur Erklärung des Ibisgottes scheidet wahrscheinlich das Gauzeichen des 15. unterägyptischen Gaues, auch der ge1 Doppelt z. B . auf dem Bruchstück der Stierpalette (Louvre) Cap a r t a. a. O. Abb. 181 = S c h ä f e r - A n d r a e , Propyläen-Kunstgesch. I I S. 182. 2 Einzeln: Stierpalette a. a. O. Oxforder Bruchstück der Schlachtfeldpalette C a p a r t a. a. O. Abb. 177 = S c h ä f e r - A n d r a e a. a. O. S. 181. 3 Keulenkopf des Narmer Q u i b e l l , Hierakonpolis I Taf. 26b = Cap a r t a. a. O. Abb. 187. Narmerpalette Q u i b e l l a. a. O. I Taf. 29 = C a p a r t a. a. O. Abb. 184. S c h ä f e r - A n d r a e S. 183. 4 C a p a r t a. a. O. Abb. 176 (Kairo). 5 v. B i s s i n g , Denkmäler äg. Sculptur Text zu Taf. 2. K e e s , Horns u. Seth I I S. 9f., S e t h e , Urgeschichte § 47. 6 Schlachtfeldpalette C a p a r t a. a. O. Abb. 177 = S c h ä f e r A n d r a e a. a. O. S. 181. Stierpalette a. a. O. Abb. 181 = S c h ä f e r A n d r a e S. 182. 7 Hl Pyr. 1013d bereits als „Horus" bezeichnet. Als Westlandsgott auf den Särgen des MB aus Assiüt genannt s. u. S. 326. In den Pyramidentexten sind ihm, anscheinend als Herrn der Wüste, wie den Kanopengöttern, die Bedürfhisse des Toten anvertraut; vgl. Pyr. 119 (W) „Onnos dürstet nicht, und er hungert nicht; das Herz des Onnos ist nicht elend, denn die Hände des Hl sind es, die seinen Hunger ver-. treiben". In den späten Tempellisten gilt er als Gaugott des 7. unteräg. „Harpunen" - Gaues.
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schichtliche Thot, der anscheinend aus dem Delta stammt, aus, obwohl spätere Zeiten die Ibisstandarte unter den Götter-Horusdienern als „Thot" bezeichneten1. Es müßte denn sein, daß sich die Ostdeltagaue zur Zeit des Skorpionkönigs bereits den Oberägyptern unterworfen hätten2. Das Ostzeichen ^ hat Sethe als ursprünglich nach Unterägypten gehöriges Zeichen, das eines Oetgaues als Gegenstück zum „Westgau" im Delta, angesprochen und betrachtete sein Auftreten als unvereinbar mit der Herleitung der „Horusgefolgsgötter" aus einer Koalition oberä g y p t i s c h e r Gottheiten3. Dieser Einwand ist nur scheinbar berechtigt. Das Ostzeichen gehörte offenbar bereits zu dem gemeinägyptischen Yorstellungsschatz der Reichseinigungszeit, ebenso wie andere Schriftbilder. Ob es aus dem Delta stammt, ist gänzlich unsicher4. Ich kann daher auch in dem Auftreten der Zeichen für Westen und Osten in Standartenform, die sich in den Händen von Jägern auf der bekannten „Löwenjagdpalette" befinden, keinen Beweis für die Deutung als Gemeinschaftsjagd beider Deltahälften erkennen6; ganz abgesehen davon, daß diese Palette damit als einzige aus der Reihe der ihr stilistisch und im Material verwandten Stücke nachweislich oberägyptischer Herkunft herausfiele. Der Falkenkönig von Nechen war, wie alle Denkmäler hervorheben, der anerkannte Führer im Endkampf gegen Unterägypten. Aber seine Helfer 6 , die einstigen „Gefolgsleute des Horus" verkörpert durch Orts- und Gaugötter, behielten doch so tfiel Eigen1 Zur s p ä t e n Bezeichnung der Standarte als Thot „Herr von Schmün, Herr der Gottesworte" vgl. Ombos I S. 342. 2 Hierzu unten S. 256. 3 S e t h e , Urgeschichte § 191 mit Anm. 2 vgl. § 78. 99. 4 Die von G. M ö l l e r und S e t h e vorgeschlagenen Deutungen sind äußerst problematisch; vgl. S e t h e , Die ägypt. Ausdrücke für rechts und links (Gött. Nachr. 1922); Urgeschichte § 78. Teilweiser Widerspruch auch bei J u n k e r , Entwicklung der vorgeschichtl. Kultur in Ägypten in Festschrift f. P. W . Schmidt S. 887. 5 So R a n k e , Alter und Herkunft der ägypt. Löwenjagdpalette (Sb. Heidelb. Akad. 1925); vgl. S c h a r f f i m H b . der Archaeologie (1938) S. 456 „Die Herkunft aus dem Delta hat Ranke mit großer Wahrscheinlichkeit nachgewiesen"! 6 Sie führen dem König die „Untertanen" (rhj.t) gefesselt vor; ihre Mithilfe kann der König also ebensowenig entbehren, wie ein König der Feudalzeit das Milizaufgebot der Gaufürsten des Landes.
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geltung, daß ihre Unterstützung durch bestimmte Konzessionen belohnt werden mußte. Die Mithilfe einzelner von ihnen war offenbar für den Ausgang so entscheidend, daß sie gegenüber der Masse der übrigen Gaugötter gewisse Vorrechte eingeräumt erhielten, die im Ritual der Erinnerungsfeiern an den Sieg festgelegt wurden. Darum verdienen neben den geschichtlichen Denkmälern aus der Reichseinigungszeit jene Rituale aus der Thinitenzeit als Quelle den Vorrang gegenüber allen Göttermythen der Folgezeit. Diese ursprünglich auf Oberägypten beschränkten Helfergötter nannte der Ägypter „ H o r u s g e f o l g s g ö t t e r " Unter ihnen sind zwei, denen nicht nur im Ritual der Königsfeste, besonders den dramatischen Vorführungen beim sog. Sedfest des Königs, einer periodischen Erinnerungsfeier an die Reichseinigung, Sonderrechte zugestanden wurden, sondern deren Ansprüche in ihren örtlichen Kulten klar betont und dem herrschenden Königshaus gegenüber energisch in Erinnerung gebracht wurden. Das ist Seth „der von Ombos" (Nubtj), verkörpert durch sein seltsames Tier und der „oberägyptische Schakal" Upuaut von Assiüt. Upuaut
Anführer und Vertreter der Horusgefolgsgötter Beim U p u a u t liegen die Verhältnisse klarer und eindeutiger, weil er nicht wie Seth durch mythologische oder politische Verflechtungen in widerstreitende Stellungen hineingezogen worden ist. Vielmehr gehört er und sein Gau, dessen handelnde Verkörperung er auf den ältesten geschichtlichen Denkmälern darstellt, zu jener Gruppe, die man als die vom politischen Schicksal weniger begünstigten Mächte bezeichnen kann. Assiüt war immer Grenze, nördliche Grenze der Thebais 2 , und noch heute land1 Die Standartengötter vor dem König werden im AR und auch später eindeutig als „ G ö t t e r " bezeichnet: n{rw Sm&w Hr „Horusgefolgsgötter" z. B. als Beischrift mehrfach bei den Aufzügen des Sedfestes des Königs Neuserre v. B i s s i n g - K e e s , Re^Heiligtum I I Bl. 18 vgl. Bl. 11. 13. K e e s , Zum Ursprung des sog. Horusdiener (Nachr. Gött. Ges. 1927). S e t h e , Urgeschichte Anm. zu § 191 will unter Vergleich mit Palermostein Rs. 1, 2 die Beischrift als „das Geleiten des Horus (durch die) Götter" erklären. Das Wesentliche, daß die Standarten „Götter" darstellen, bleibt dadurch unberührt. 2 „ubi montes ftniunt Thobaldem" sagt auch Plinius n. h. V 61 ; vgl. K e e s , Art. Lykonpolis in Pauly-Wissowa RE. S e t h e , Urgi -
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Drittes Kapitel.
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schaftlich als splche spürbar, aber deswegen auch Türöffnung und oft entscheidende Schlüsselstellung, niemals Anstoß zu einer Entscheidung. Selbst in der Zeit seiner Hauptblüte unter den Herakleopoliten bildete es zwar die wichtige Grenzwache gegen die „südlichen Gaue" (Thebais), deren Einnahme vielleicht die Dynastie des dahinter liegenden Herakleopolis mit sich riß, war aber niemals Königsresidenz. In der Reichseinigungszeit mag es ähnlichmit umgekehrtem Vorzeichengewesensein. Wahrscheinlich hatte damals der freiwillige oder erzwungene Anschluß des Gaues von Assiüt an die oberägyptische Koalition dem König von Hierakonpolis die Herrschaft über Mittelägypten bis Memphis hinab gesichert. Aber der wehrhafte „Wegeöffner" blieb auch im Götterstaat künftig der erste Gefolgsmann. Ihn, den seine Stadt mit Beiworten ehrte 1 „der oberägyptische Upuaut, Leiter der beiden Länder" „der mit scharfen Pfeilen, mächtiger als die Götter" und „Leiter der Götter" „der die beiden Länder im Sieg erobert hat" (Abb. 3), stufen die heliopolitanischen Pyramidentexte wie einen Verwaltungsbeamten der Zentralregierung ein: er der „Schakal" ( = Richter) heißt dort „Landrat der Bogen (Völker)"2, woraus eine jüngere Lesart „Landrat der großen Neunheit" machte3. Seinem Namen „Wegeöffner" entsprechend sehen wir ihn auf den Denkmälern der Könige von Hierakonpolis, z. B. dem Keulenkopf des Narmer, an der Spitze der Götterstandarten dem Königsthron nahen. Die Stellung als ,,Leiter" der Horusgefolgsgötter war im Ritual festgelegt. Daß er sie den Verdiensten um den Herrscher von Hierakonpolis verdankte, geht besonders deutlich aus der Bestimmung hervor, daß bei der „Übergabe des Feldes" durch viermaliges Umlaufen, dem Weiheakt des Tempellandes, das der König an jedem Regierungsjubiläum kraft des schichte § 58, der diese Schlüsselstellung des Gaugottes von Assiüt ebenfalls betont, Weist daraufhin, daß der Name S]w.t wirklich „Wache" (entsprechend cpvXaxri in der hellenistischen Zeit) bedeutete; vgl. das oben S. 181 angeführte Wortspiel Pyr. 630. 1 Siüt Grab 1 Z. 232 = Urk. V I I 55 Z. 7f. 2 Pyr. 804b: parallel „Anubis an der Spitze des reinen Landes" ( = der spätere unterägyptische Upuaut!). 3 Pyr. 1015c; Pyr. 1719d dann „Landrat der beiden Neunheiten" als jüngste Stufe. Vgl. ähnliche Beamtentitel von Göttern in den Pyramidentexten: z. B. 1713c „wie Thot, (oder) wie Anubis nämlich, der Minister (Praesident sr) des Gerichtshofes".
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Testamentes der Götter zu stiften pflegte, der „Diener (Priester) der Seelen (Götter) von Nechen" die Standarte des Upuaut dem König in der oberägyptischen Krone vorantragen mußte1. Das ist Auszeichnung aber auch Unterordnung! Dieses Vorrecht hat bewirkt, daß in Darstellungen die Vertreter der „Seelen von Nechen" vom Upuaut Schakalköpfe annahmen. Damit wurde ausgedrückt, daß jene ursprünglich auf Hierakonpolis beschränkten „Seelen", die die dortigen Ortsgottheiten verkörpern sollten, nunmehr zu Vertretern des gesamten Götterkreises der oberägyptischen Landeshälfte ausgewachsen waren. Die Heranziehung der „Schakale, der Leiber der Seelen von Nechen"2 in den Bereich der mit der weißen Krone des Horuskönigs verbundenen dynastischen Symbolik verrät dieselbe Linie des Ausgleichs ehemals widerstreitender Teilmächte, die wir in weit größerem Ausmaß nach der Niederwerfung Unterägyptens in der Religionspolitik des Thinitenhauses wiederfinden. Der ausgezeichneten Stellung hat der Upuaut seine frühe Annäherung an die führende Horusgestalt zu verdanken. Ansätze finden sich bereits im Denkmal memphitischer Theologie. Dort erklärt Geb den Ho rus zum Landesherrn unter Benutzung eines sinnvollen Wortspiels, weil er der „älteste (Sohn)" sei8. Der Regievermerk erläutert, daß der „oberägyptische Schakal" in dieser Rolle aufzutreten habe, d. h. Upuaut. Die Voraussetzung ist natürlich, daß er eine Gestalt des Horuskönigs war. 1 K e e s , Opfertanz S. 175f. v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum III S. 7. K e e s , Die Opfertanzdarstellung auf einem Siegel des Usaphais (Gött. Nachr. Altertumskunde III, 2 1938). Daher determinieren die Pyramidentexte die sog. „Horusdiener" (Snuhv Hr) geradezu mit dem Bild des Upuaut und seiner Waffentrabanten z. B. Pyr. 921a. 1245c. Bei dem unteragyptischen Parallelakt durfte der memphitische Apis die Führerrolle des Königs übernehmen, siehe meinen letztgenannten Aufsatz und unten S. 296f. 2 So in Assiüt Grab 1 Z. 173. 238 = TTrk. VII 66 vgl. S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens S. 8. Auch heliopolitanische Pyramidentexte sagen zum totfen König „Dir werden deine Verklärten gegeben, die S c h a k a l e , die dir E o r u s von Nechen gegeben h a t " Pyr. 201 Id. „Sethische (oberägyptische) Verklärte" heißen die „Schakale" Pyr. 2038c. 8 Sethe, Dramatische Texte S. 28; zur Deutung Kees, ÄZ 71 S. 154: wtw bedeutet sowohl „Schakal" wie. „ältester". Kees, O&tterglanba 13
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Aber selbst die spätere Einschaltung des Upuaut in die führenden Systeme hat die Züge des Gefolgsmannes1, die zudem trefflich zu der Natur des schweifenden Caniden paßte, niemals verwischt. Im Festkreise von Abydos erscheint der „erste Auszug" des Upuaut als Einleitung der großen Osirisfeste, die seinen Sieg nach königlichem Vorbild darstellten, „um seinen Vater (Osiris) zu rächen"2. In Edfu müssen die „Schakale von Nechen" dem Horus von Edfu „den Weg öffnen" zu seiner Kapelle 3 . In Heliopolis stellte man unter offensichtlicher Anlehnung an die Führerschaft des Upuaut unter den „Horusgefolgsgöttern" der Thinitenzeit den Upuaut „an die Spitze der Seelen von Heliopolis"4, was auf eine Ersetzung der älteren Seelen von Nechen durch die Seelen von Heliopolis hinauskommt6, eine typische Bildung der heliopolitanischen Systematik. Seth von Ombos und Horus von E d f u Wechselvoller und schwieriger zu übersehen ist die Stellung des Seth. Die Sethstandarte unter den Horusgefolgsgöttern könnte auch das Gauzeichen des 11. oberägyptischen Gaues, also des südlichen Nachbars des Upuaut von Assiüt darstellen. Aber in geschichtlicher Zeit tritt dieser Seth im thinitischen Ritual nicht hervor; und den Seth der Stadt Su in der Nähe von Herakleopolis am Fajümeingang berücksichtigen nur die Memphiten und dann die Herakleopoliten6. Die königlichen Rituale der Thiniten1 Beispiele, wo die vorausziehenden Standärten ausdrücklich als „Gefolgs- (Geleits-) Götter" bezeichnet sind, auch aus anderen Götterfesten: beim thebanischen Minfest heißen sie „Götter, die den Min geleiten an allen seinen F e s t e n " L D I I I 162. „Götter-Osirisgefolgsleute" nennt Pyr. 1803b. Min selbst als „Horusgefolgsmann" (ämi Hr) Kairo 20617. Re-Harachte „der die Götter geleitet" (als morgendlicher Gott) Annal. du Serv. 8 S. 220 (Hermopolis). 2 S c h ä f e r , Mysterien des Osiris in Abydos S. 21f.; K e e s , Totenglauben S. 349f. s. u. S. 335. 8 Edfou I S. 580 vgl. S e t h e , Urgeschichte § 156 Anm. 1. 4 Sinnfällig dargestellt N a v i l l e , Festival hall Taf. 9, 8 = unsere Abb. 8; als Titel Brit. Mus. Stele Nr. 893 vgl. Opfertanz S. 253. 5 Daher auch die im MR nicht seltene Bildung Upuaut-Re ÄZ 57 S. 136. 6 ¿w s. o. S. 23. Als Geburtsort des Seth im Denkmal memphitischer Theologie genannt ( S e t h e , Dramatische Texte S. 23. 25), wohl weil der Ort Memphis näher lag, als das entfernte Ombos. Seth „ a n der Spitze von S w " im Totentempel Phiops' II., also wieder in einem mem-
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zeit und ihrer Nachfahren stellen dagegen immer den Seth „von Ombos" als eigentlichen Vertreter heraus. Seth ist der einzige Provinzialgott Oberägyptens, der bei der Bildung des Königinnentitels „die den Horus/Seth schaut" in das offizielle Hofwesen der Thinitenzeit Eingang fand. Dies setzt die Gleichsetzung des Königs mit Horus und Seth voraus. In der dogmatischen Prägung „die beiden Herren" tritt sie als Königstitel zwar erst etwas später auf, wird aber in den Pyramidentexten überall vorausgesetzt 1 . Eine ehemalige Feindschaft beider Götter kann dahinter hegen, aber auf alle Fälle war dann die Absicht ihrer gemeinsamen Heranziehung als Verkörperung des Königtums nicht eine Verewigung des Streites oder gar der Niederlage des einen Partners (Seth), sondern genau wie bei der Vereinigung der roten Krone Unterägyptens mit der weißen von Oberägypten in dem ebenfalls in die Königstitulatur aufgenommenen Doppelnamen „die beiden Herrinnen" der Gedanke der z u s a m m e n f a s senden B e f r i e d u n g ehemals g e t r e n n t e r K r ä f t e 2 . Ganz sicher steht aber eine Geltungsrivalität des Seth zum Falkengott von Nechen dahinter, und es ist nicht verwunderlich, daß die späteren Ägypter die Nebeneinanderstellung in gleicher Weise erklärt haben, wie den Titel der „beiden Herrinnen", nämlich als Vertreter der „beiden Länder" Ober- und Unterägypten. Zahlreiche Mythen beschäftigen sich mit diesem Stoff und versuchen eine Begründung. Diese war recht schwierig, weil Seth, wie sein häufigster und gewiß phitischen Denkmal, dargestellt, J é q u i e r , Le monument funéraire de Pepi II T. II Taf. 47; vgl. sonst K e e s , Art. Seth in Pauly-Wissowa R E 3p. 1903; Horus und Seth I I S. 36. 46 f. 1 K e e s , Horus und Seth I S. 63f.; I I S. 29f. H. M ü l l e r , Die formale Entwicklung der Titulatur der ägypt. Könige S. 8f. 25f. 2 Aus diesem entscheidenden Grunde ist der zuerst bei B r u g s c h , Ägyptologie S. 202 auftauchende Gedanke, an dem S e t h e bis zuletzt (Urgeschichte § 129) festhielt, daß der seit Snefru vorhandene besondere Königstitel
bildhaft den siegreichen „Horus über dem Ombiten"
(Seth) darstellen soll, ausgeschlossen. Es handelt sich um den „ g o l d e n e n Horus", wie religiöse Texte oft den göttlichen Falken schildern (s. o. S. 41). So erklären den „Goldhorusnamen" z. B. M o r e t , Ree. de trav. 23 S. 23f. und G a r d i n e r , Egypt. Grammar S. 73. Die Bedeutung als àvrmdAœv éaégregoç ist eine Auslegung der den Seth herabsetzenden Spätzeit s. u. S. 412. 13*
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alter Beiname „an der Spitze von Oberägypten" oder gleichbedeutend „Herr von Oberägypten" zeigt, mit der oberägyptischen Landeshälfte engstens verbunden war1. Für „Horus" blieb dann bei schematischer Aufteilung nur die unterägyptische Landeshälfte übrig. Das widersprach dem geschichtlichen Geschehen der Reichseinigungszeit, die den Falkengott von Nechen zuerst an der Spitze der oberägyptischen Götter und nach der Reichseinigung als- Königsgott des neuen Einheitsstaates sah. Auf die Betonung des Vorrechts des „Horus", des Königsgottes, durfte kein thinitischer König verzichten2! Zwar konnte man der unterägyptischen Landeshälfte ein Gegenstück zum Falkengott von Nechen im Sinne des Ausgleichs zugestehen — bei dem reichen Bestand heimischer Horusfalke mit Königsdia3 dem (aus der Königstitula- Falkenkulte war das nicht schwer —, tion des Snefru) aber das berührte nicht die Stellung des Seth im Kreise der oberägyptischen Götter vor der Reichseinigung. Das Rivalitätsverhältnis des Seth zum Horus muß also aus dem beiderseitigen Anspruch als „Herr von Oberägypten" erwachsen sein: die als „die beiden Herren" v e r e i n i g t e n und v e r s ö h n t e n Götter waren in gleicher Weise o b e r ä g y p t i s c h e r Herkunft. Diese Lösung ist von mir wiederholt begründet worden4, hat aber Widerspruch erfahren, weil man im Sinne der späteren Königslehre in den beiden Göttern nichts anderes mehr sehen 1 Auch Pyr. 370b heißt es beispielsweise „hoch ist der Ombit (Seth) an der Spitze der (oberägyptischen) Reichskapelle (Ur.t)". 2 Der König Feribsen der 2. Dyn. hat als „Seth Peribsen" neben dem Horusnamen einen eigenen Sethnamen. Ed. M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2* § 213. S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte S. 30. H. Müll e r , Die formale Entwicklung der Titulatur der ägypt. Könige S. 25f. 8 S. u. S. 208f. 4 K e e s , Horus und Seth I/II (1923/24); v. B i s s i n g - K e e s , BeHeiligtum III S. 13. Zu den neuen Zoserreliefs aus Sakkara (Gött. Nachr. 1929) S. 58f. u. a.
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wollte, als urzeitliche Gegensätze der „beiden Länder" 1 . Dabei haben wir eine wegen ihrer Herkunft aus der Thinitenzeit sehr zuverlässige Quelle, die sich gegenüber ätiologischen Sagen stets als geschichtlich besser bewährt, das Ritual der großen königlichen Feste, die das Geschehen der Reichseinigung in den Mittelpunkt ihrer Handlung rücken. Beim Sedfest muß im Höhepunkt der Feier der König die sieghaften Pfeile nach den vier Himmelsrichtungen schießen, um alle Feinde symbolisch zu vernichten. Im o b e r ä g y p t i s c h e n Teil der Handlung reichen dem König ausdrücklich zwei Götter gemeinsam Pfeil und Bogen: der Horns von E d f u (Bhd.t) und der S e t h v o n Ombos 2 . Daß es sich dabei um eine rein oberägyptische Zeremonie handelt, ist durch die Kennzeichnung des oberägyptischen Kapellentyps bei beiden Göttern und durch die Beischriften völlig gesichert. Nur heraldisch-schematische Göttergruppierungen haben, darstellerisch nachweisbar seit dem MR, das alte klassische „Götterpaar" Oberägyptens als Vertreter der beiden Landeshälften benutzt, wobei zunächst dem Horus die Vertretung Unterägyptens zufiel, in der Ramessidenzeit umgekehrt dem Seth 3 . Hier liegt ein typisches Beispiel der Ausweitung des alten Königstitels „Horus-Seth" vor, der im Einheitsreich seinen alten beschränkteren Sinn verloren hatte 4 . Der H o r u s von E d f u (Bhd.t) wird in allen kultisch maßgebenden Darstellungen als oberägyptischer Gott gekennzeichnet. Als zusätzliches Zeugnis zu den alten Bildern des thinitischen Königsrituals kann man sich auf eine der Relieftafeln des D joser in Sakkara berufen, die ältesten Tempelreliefs im engeren Sinne, die noch dazu auf unterägyptischem Boden und in einer Zeit heliopolitanischer Führung entstanden. Dort wird das feierliche 1 Sehr kennzeichnend die Begründung des Widerspruchs S e t h e , Urgeschichte S. 77/78. 2 v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I Bl. 18/19 vgl. Horus und Seth I S. 20f. 3 K e e s , Horus und Seth I S. 8f. (nachweisbar seit 11. Dyn.). E d . M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2 3 § 199A beurteilte diese Verwendung ganz richtig: „Die weitverbreitete Meinung, daß in diesem Titel [Horus/Seth] jeder der beiden Götter der Repräsentant des einen der beiden Reiche wäre . . ., ist falsch. Sie ist zwar schon von den späteren Ägyptern ausgebildet . . . " Die Erfindung mag auf die heliopolitanische Zeit des AR (4.—5. Dyn.) zurückgehen. 4 A. a. O. I S. 14f.
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„Auftreten" des Königs, das ist im Ritual so etwas wie ein Staatsbesuch, in dem „Heiligtum des Horus von Edfu", das wieder im Sondertyp des oberägyptischen Reichsheiligtums gebildet ist, in der oberägyptischen Krone dargestellt1. Wenn somit das thinitische Königsdogma zunächst Horus und Seth als Vertreter Oberägyptens betrachtete, dann beabsichtigte man einen Kräfteausgleich, wie den zwischen dem Horus von Nechen und dem Upuaut von Assiüt, nur mit dem Unterschied, daß die „beiden Herren von Oberägypten"2 offenbar in ihrer oberägyptischen Vergangenheit bereits enger verbunden waren, als der Upuaut von Assiüt mit dem Horus von Nechen. Hier darf man zur Unterstützung auch die Mythenbildung heranziehen, die das Brüderpaar Horus und Seth als Musterbeispiel des in orientalischen Herrscherhäusern so häufigen Streites um das Erbrecht an der Krone benutzten, und zwar in einer Fassung, die zunächst ganz unabhängig von der Osirissage und ihrer heliopolitanischen Verarbeitung ist. Die Kulttopographie zeigt uns eine Möglichkeit, ohne alle geschichtlich verdächtigen Zweckkonstruktionen das Zusammentreffen beider Götter im engeren Raum Oberägyptens zu finden. Diese bietet sich nicht für den Seth von Ombos und den Horus von Nechen oder seinen Nachbar von Edfu, sondern allein auf dem Boden des K o p t o s g a u e s , dessen Westteil das Gebiet von Ombos umfaßte 3 . Der „Goldstadt" Ombos gegenüber auf dem Ostufer liegt das heutige Kus, dessen Falkengott (Nnum) wie Seth den anspruchsvollen Beinamen „Herr von Oberägypten" führt. Das Gauzeichen des 5. Gaues bilden zwei Falken, die der Theologe als „die beiden Herren" (Götter) unter Hinweis auf Horus und Seth erklärt4. Mag diese Auslegung der geschicht1 Q u i b e l l - F i r t h , Step pyramid Taf. 17 vgl. K e e s , Zu den neuen Zoserreliefs aus Sakkara (Gott. Nachr. 1929) S. 58f. Zum unterägyptischen Gegenstück s. u. S. 209. 2 Texte aus dem Königsritual bezeichnen Horus und Seth ganz richtig im Sinne der oberägyptischen Überlieferung als „die beiden Herren, die großen, an der Spitze von Oberägypten" ÄZ 47 S. 126; vgl. K e e s , Horus und Seth I S. 62. 3 K e e s a. a. O. I I S. 7ff. 4 Auch S e t h e , Urgeschichte § 47 erkennt die Erklärung des Gauzeichens von Koptos als „Gau der beiden Götter" an: „Dieses göttliche Brüderpaar wird man sich a priori im Streit miteinander vorzustellen haben wie Horus und Seth, die oft in gleicher Weise bezeichnet werden;
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liehen Zeit kaum die ursprüngliche Bedeutung des Falkenpaares treffen1, jedenfalls zeigt sie, daß ihr das Nebeneinander eines Falkengottes, den man seit der Reichseinigung gerne „Horus" nennen wird, und des Seth von Ombos als Kennzeichen des Gaues erschien. Eine solche Rivalität stellt sich bei der ägyptischen Sinnesart im Mythus stets als Kampf um die Herrschaft dar, und vielleicht bestand er zeitweise wirklich zwischen den Konkurrenten auf den Handelswegen des Ostens und Westens. Hier kamen also Horus und Seth, die beiden feindlichen Brüder, ins Streiten und mochten sich dann je nachdem friedlich teilend vertragen, oder sich aufs neue bekämpfen. Wir kennen zu wenig die Geschichte des vorgeschichtlichen Reiches von Hierakonpolis und wissen nicht, wie sich der Anschluß der Nachbargaue im einzelnen vollzog. Daß der Gau von Koptos aber in der oberägyptischen Gaukoalition des „Horusgefolges" eine wichtige Rolle gespielt hat, beweisen die Denkmäler der Reichseinigungszeit: Erscheint doch sein Gauzeichen, die beiden Falken, auf der Städtezerstörungspalette in der Reihe der den siegreichen König unmittelbar verkörpernden göttlichen Tiergestalten! (Taf. VIII, b.) Seth hat seinen Anspruch als „Herr von Oberägypten" auch später niemals fallen lassen, hatte ihn doch das Königsdogma als zweiten neben Horus anerkannt. Die Frage, wie sich damit die Ansprüche des Upuaut als Führer der Horusgefolsgötter vertrugen, ist für ägyptische Denkweise ebenso müßig, wie die andere, ob sich die Ansprüche des Horus von Edfu oder der anderen zahlreichen Falkengötter Oberägyptens mit denen des Königsgottes von Nechen vertrugen. Das Ritual des Königsfestes überließ jedem ein Teilgebiet, wie einen Schauspielakt, der die „Aristeia" eines bestimmten Gottes zur Darstellung brachte. Das Ganze aber war eingebunden in den alles überdeckenden Gedanken des geeinten Königtums in der Person des Horus, dem alle Götter Ägyptens, jeder an seinem geschichtlich erwachsenen Platz, helfen und dienen. Min Noch ein dritter Gott ist in diesem Zusammenhang zu nennen: Min, der geschichtliche Herr der beiden Gaustädte Koptos und und mit dem Gegensatz zwischen diesen beiden Göttern hat der Gauname auch augenscheinlich geradezu zu tun." 1 A . a . O . I I S. 11.
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Achmim1. Er bietet ein ausgezeichnetes Beispiel für die Anlehnung oberägyptischer Götter an den Königsgott Horus2. Besonders der „Herr von Ipu (Achmim)" erscheint bemerkenswert früh mit dem Beinamen „der starke Horus", als solcher wird er mit dem osirianischen Zusatz „der seinen Vater rächte" (Harendotes) nach Abydos als Gastgott übernommen3. Die Annäherung an den Horus des Osiriskreises ist sekundär und gewann erst mit der Ausgestaltung von Abydos als Osiriskultstätte wirkliche Bedeutung. In älterer Zeit war dagegen der Königsgott Horus das Machtziel des Min. „(Die Götter), sie sehen dich (wie) Min an der Spitze der beiden Reichsheiligtümer" sagt man in den Pyramidentexten zum König4. Eine gleichartige Stellung billigten die heliopolitanischen Bearbeiter sonst nur ihrem Sonnengott Re zu, denn sie kennzeichnet den Götterherrscher an der Spitze der beiden Landeshälften5. Eine solche Bevorzugung eines oberägyptischen Provinzialgottes kann nicht in Heliopolis ausgedacht sein, sondern setzt die vorausgehende Angleichung des Miri an Horus als „Herr Von Oberägypten" voraus®. Auf dem Boden des Einheitsstaates weitete sich das für beide folgerichtig auf den Besitz beider Reichsheiligtümer aus. Die Verbindung Min-Horus muß also aus der oberägyptischen Reichseinigungszeit stammen. Diese frühe Angleichung hatte zur Folge, daß auch Isis als „Grottesmutter" nach Koptos und Achmim eingeführt wurde. Da aber der Frtichtbarkeitsgott Min sein Selbsterzeuger ist, mythologisch mit dem Beinamen Kamutef „Stier seiner Mutter" umschrieben, vertrat Isis neben Min zugleich die Stelle der Gottesgemahlin, wie Hathor in Heliopolis beim Selbsterzeuger Atum7. So wird auch hier, wie es nach der 1 S. o. S. 106f. 2 Zum Folgenden K e e s , ÄZ 57 S. 128f. S e t h e , Urgeschichte § 202. 3 S. u. S. 335. 4 Pyr. 256a vgl. 1998a. Min wird dabei mit dem Falkenbild des allgemeinen „Götterdeterminativs", das als bes. Kennzeichen die Doppelfeder der oberägyptischen Götter trägt, geschrieben. 5 S e t h e , Urgeschichte § 202f. will daraus eine ,,oberägyptische Zwischenstufe zwischen den Reichen von Heliopolis und von Hierakonpolis" erschließen. 6 Kairo 20517 (MB) wird Min angerufen: „Gegrüßt seist du, Min, du H o r u s g e f o l g s m a n n (imi Hr), in Frieden". 7 In dem von H. O. L a n g e , Sb. Berl. Akad. 1927 S. 334 behandelten liturgischen Lied an Min heißt es „dein Herz verbindet sich mit dem
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Mythe des Tb. Kap. 112 in Buto geschah, ein Horus ( = Min) z u r G a t t i n der I s i s , wobei Osiris als unbrauchbar ausgeschaltet bleibt1. Wenn ihn die spätere Systematik trotzdem einzugliedern versuchte, geschah dies folgerichtig in der synkretistischen Osirisform eines Min-Harsi6sis, der Vater und Sohn zugleich ist: als Min dem Osiris, aber auch dem Horus gleich! Wir begegnen dieser Bildung in den abydenischen Tempeln des NR 2 . Die weitere Folgerung aus dieser Auffassung stellt die erst aus späten Quellen überlieferte Sage dar, daß Min (als Gemahl der Isis) in Wirklichkeit anstelle des toten Osiris die Zeugung des Horus vorgenommen habe. „Du hast über Min in seinem Ruhm gesagt8: >Das ist der Lohn für die Geburt des Horus'." Eine Ausdehnung des Herrschaftsbereiches des Min geht bereits auf die vorgeschichtliche Zeit zurück: Min wurde damals Schutzpatron der Karawanenwege zum Roten Meer, ähnlich wie Seth über die libyschen Oasen herrschte. Daher tragen die archaischen Minbilder aus Koptos Verzierungen mit Wüstengetier und Seetieren der Küste4. Ein Ausblick soll zeigen, daß die ägyptische Annalistik bis in späte Zeiten die vorzeitliche Formung nicht ganz vergessen hatte. Sethe wollte einmal die „Horusdiener" im kultischen Sinne als „Horusverehrer" erklären5. Diese Auslegung hielt sich an gewisse aus der älteren Religionsgeschichte überkommene Vorstellungen, die eine vorzeitliche Gemeinschaftsreligion des „Horusdienstes" König, wie das Herz des Horus (Min) sich mit seiner Mutter Isis verband, als er sie vergewaltigte und sein Herz ihr zuwendete . . . " Zu diesem Mythenmotiv s. o. S. 184. 1 Die für unser Gefühl fast paradoxe Bildung „Min, Horus der starke, Sohn des Osiris" kommt seit M B auf abydenischen Stelen und in Minhymnen auf: Kairo 20516. Louvre C 30, vgl. K e e s . Ä Z 57 S. 132. Kairo 20089 heißt es: „Gegrüßt seist du, Min, starker Horus, Herr der Kraft, hervorgegangen aus Chembis (Buto)!" 2 Z. B- C a l v e r l e y - G a r d i n e r , Temple of King Sethos I Vol. I H Taf. 14 vgl. K e e s , ÄZ 64 S. 104. 8 S c h o t t , Urk. VI 137, 11—12 (Sprüche gegen Seth) „Min in seinem Ruhm" ist eine Umschreibung für den ithyphallischen Gott. i P e t r i e , Koptos Taf. 3/4; vgl. S o h ä f e r - A n d r a e , PropyläenKunstgesch. I I S. 175. 5 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens (1905) S. 20: „Die Horusdiener (Smiw-gr), die uns als Vertreter der Urzeit und Vorgänger des Menes genannt werden, scheinen menschliche Wesen, die den Gott Horus im Kult verehrten, gewesen zu sein".
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etwa zur Zeit der zweiten Negadakultur (sog. Gerzean) voraussetzten1. Eine solche paßte scheinbar wundervoll zu dem in Kultsagen geschilderten Siegeszug eines „Horusverehrer"Volkes gegen die ältere Schicht der hamito-afrikanischen Sethanhänger2. Demgegenüber war die Feststellung um so wichtiger, daß gerade die ältesten Denkmälerreihen in Übereinstimmung mit dem thinitischen Ritual diese angeblichen , ,Horusverehrer " als streitbare Gefolgsleute im Sinne der oberägyptischen Gaukoalition des Königs von Hierakonpolis-Nechen auffassen3, aber nicht als religiöse Vorkämpfer einer in Ägypten niemals bodenständigen Einheitsreligion „des" Horus4. Die Annalisten der geschichtlichen Zeit behandeln diese „Götter-Horusgefolgschaftsleute" allerdings als die letzten vorgeschichtlichen Könige Ägyptens. Das spiegelt sich noch in der Manethonischen Bezeichnung véxveç rj/iideoi für die „verklärten Horusdiener" vor Menes im Turiner Königspapyrus5 wieder. Damit hatte der Ägypter die vor der Reichseinigung liegende Zeit der Gaustaaten und Gauverbände nicht schlecht charakterisiert. Die innerste Begründung ergab sich aus der Voraussetzung, daß jeder Herrscher die lebende Verkörperung seines Ortsgottes sei. Ein Anachronismus liegt lediglich in der Über1 Vgl. auch E d . M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2 3 § 181. 199 u. a. 2 Diese Gedanken beherrschen insbes. die Anhänger der totemistischen Clantheorie („peuple du Faucon") z. B . S. A. Mercer, Études sur les origines de la religion de l'Ëgypte; auch schon V. L o r e t , Les enseignes militaires Rev. égyptol. 10 (1902) S. 94f. und bes. 11 (1904) S. 69f., eine Abhandlung, in der an sich ein richtiger Kern steckt. Zur Kritik dieser Art Religionsgeschichte K e e s , Kultlegende und Urgeschichte (Gött. Nachr. 1930 S. 345f). 3 K e e s , Zum Ursprung der sog. Horusdiener (Gött. Nachr. 1927 S. 204f.). Eine ferne Erinnerung an die Gaustandarten wirkt in dem Bericht des Diod. I 86 über die tiergestaltigen Abzeichen des ägyptischen Heeres nach. 4 Die Hauptstütze der früheren Auffassung vom kultischen Charakter der „Horusdiener", die regelmäßige Nennung eines „Horusdienstes" (Smi Hr) in den Annalen der Thinitenzeit (Palermostein) hatte bereits B o r c h a r d t durch den Nachweis erschüttert, daß dieser „Horusdienst" kein Fest, sondern eine K ö n i g s s t e u e r ist! Annalen und Festlegung des Alten Reiches S. 32 Anm. 1 vgl. K e e s , Ursprung der sog. Horusdiener S. 206f. und Kulturgeschichte S. 46 zu Urk. I 214. 5 F a r i n a , H papiro dei Re restaurato (1938) S. 18. E d . M e y e r , Ägyptische Chronologie S. 118f., vgl. unten S. 279.
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tragung des Horusnamens aus dem geschichtlichen Königsdogma auf die Vorzeit. Der Ausgleich mit den unterägyptischen Göttern Die Grundsätze der Politik der siegreichen thinitischen Dynastie gegenüber dem unterlegenen Unterägypten lassen sich aus einigen richtungweisenden Maßnahmen ablesen. Die bedeutsamste war die Gründung von Memphis als Mittelpunkt der Königsmacht auf unterägyptischem Boden. Sein Name „die weiße Mauer" bezeichnet es als oberägyptische Zitadelle1. Aber gleichzeitig wird damit ein neues Blatt der Geschichte aufgeschlagen, der Übergang zur Landesresidenz ist vorgezeichnet. Gerade die Ergebnisse der letzten Ausgrabungen auf dem archaischen Friedhof bei Sakkara unterstreichen die Geltung, die die mit königlichem Aufwand bestatteten Statthalter für Unterägypten besaßen2. Mit der klugen Entscheidung für die Wahl eines neuen Verwaltungsmittelpunktes an der geopolitisch gegebenen Stelle des Landes sanken allerdings die vorgeschichtlichen Krönungsstädte in politische Bedeutungslosigkeit zurück, Hierakonpolis so gut wie Buto. Zweifellos milderte das die Enttäuschung des unterlegenen Teiles; Memphis lag ja auf unterägyptischem Boden. Und wenn der König hinfort die vereinigte Krone „beider Länder" trug (Taf. V, b), so konnte man mit der Zeit die durch Sieg und Niederlage erzwungene Entscheidung mindestens in eine freiwillige Vereinigung beider Teile umbiegen. Das thinitische Königtum tat offenbar alles, um Unterägypten und seine ansehnlichsten Gottheiten zu versöhnen. Den Vorrang Oberägyptens wollte man allerdings ebensowenig aufgeben, wie die Vormacht des Siegergottes Horus von Hierakonpolis3. Aber sonst ging man beim Ausgleich bis an die Grenze des Möglichen, ähnlich wie die Könige von Hierakonpolis innerhalb ihres oberägyptischen Bereichs gegenüber Upuaut, Seth oder Min verfahren waren. Die Theologie mußte eine neue Staatslehre begründen. Da das ägyptische Herrschertum grundsätzlich in der Göttlichkeit verankert ist, wäre ein E i n h e i t s s t a a t ohne Vereinheitlichung der Götterwelt a u s s i c h t s l o s gewesen. 1 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens S. 121f. 2 Das älteste gehört in die Zeit des „Horus 'h]", der entweder dem geschichtlichen Menes oder seinem Nachfolger Athothis (I.) entspricht. 3 Vgl. S e t h e , ÄZ 44 S. 15f.
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Welche ungeheuren Widerstände bei der kultischen Zersplitte rung des Landes zu überwinden waren, kann man kaum ahnen. Diese Zwangsläufigkeit des religiösen Ausgleichs wird namentlich von Religionshistorikern noch vielfach verkannt ; aber eine Eigengesetzlichkeit des kultischen Lebens abseits vom Königsgedanken konnte das alte Ägypten nicht zulassen. Wenn man seit dem NR Spuren solcher Bestrebungen findet, dann zeigt es, daß die Zeit des organischen Staates für Ägypten bereits vorüber war und sich Zerfallserscheinungen ankündigen1. Da dem ägyptischen Menschen die bedingungslose Verbindung zwischen Gottheit und Königtum ins Blut übergegangen war, darf man sich den Angleichungsvorgang nicht allzusehr im Sinne einer religiösen Missionstätigkeit vorstellen. Im Gegenteil das Land selbst, auch der unterworfene Teil kam aus Gründen, die wir als Formungsgesetze bereits kennen lernten, mit dem Wunsche der Anlehnung an die tatsächliche Macht, an die vom König vorgelebte neue Einheit entgegen. Das Ergebnis war die A u s b r e i t u n g des H o r u s g e d a n k e n s und des ,,Horus"-Namens. Wir sehen unter dem „Horas" im Sinne seiner geschichtlichen Herkunft immer den Falkengott; die Ägypter dieser Zeit taten es bald nicht mehr. Dem allmächtigen Horuskönig, der sich ebenso im Seth, im Löwen oder Wildstier verkörperte, konnten auch andere Erscheinungsformen eignen. Auf die Götterwelt bezogen heißt das, daß jeder „Herr" einer S t a d t a u c h als „Horus" g e l t e n k o n n t e ; man schrieb ja jetzt das Wort „Herr" mit dem Deutzeichen des Falkengottes 2 . In Heliopolis erfindet man sogar einen „Horus der Götter" als Götterkönig8. Es ist verständlich, daß zunächst die verschiedenartigen und verschiedennamigen Falkenkulte sich als „Horusformen" ausgaben und sich den Horusnamen zulegten4. 1 S. u. Kap. V. 2 v, ;
vgl. die Schreibung von nb.wj „die beidenHerren"Kees,
Horus und Seth I S. 62f.; I I S. 31 f. 3 Parallel zum „Horus der Lebenden" = König s. o. S. 114. 4 S e t h e , Urgeschichte § 122 „Eine Folge dieses beispiellosen Aufstieges des Gottes Horas war, daß alle Falkengötter, die es an den verschiedensten Stellen in Ober- und Unterägypten . . . gab, als eine Erscheinungsform des großen Falken Horus gelten wollten". Sethe verlegte allerdings diese Schicht in weite vorgeschichtliche Bäume seines heliopolitanischen Einheitsreiches.
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Man gewann damit die besondere Rücksicht des Hofes. Wie sich in Oberägypten der Falke von Edfu, der von Kus, der „Sohläger der Untertanen" im 16. Gau „Horas" 1 nannte, so erscheinen nunmehr auch in Unterägypten Horusgötter: der augenlose Gott von Letopolis ist „Horus von Letopolis" oder „Horus ohne Augen"2, sein heliopolitanisch.es Gegenüber „Horus vom Lichtland" (Harachte) oder „östlicher Horus", der Falkengott im 3. unterägyptischen Westgau „Horus von Libyen"3, der Gott von Pharbaithos im Ostdelta „Horus der beiden Augen"4, der Ortsgott der Hauptstadt des unteren Königskindgaues im Nordostdelta (Teil Nebescheh) „Horus, Herr von Imti, Sohn der Nordgöttin"6. Aber in der für ägyptische Formung kennzeichnenden Weise versuchten auch artfremde Kräfte sich am führenden Königsgott aufzurichten und unter dem schützenden Horusnamen die Gefahren der natürlichen Auslese zu vermeiden6. Damals entstanden als Tarnung Verschmelzungen wie die des Krokodilgottes Chentechtai von Athribis als „Horus-Chentechtai"7. Der Ortsgott von Saft el Henne im Ostdelta „der mit scharfen Zähnen" (Sopdu) nahm diese Wandlung so durchgreifend vor, daß ihn die Zeit seit dem AR nur in menschlicher Gestalt oder als Falkenbild kennt 8 ! Auch die berühmtesten Götterkreise Unterägyptens mußten zur Horusgestalt greifen: B u t o , der Osiriskult von Busiris und H e l i o p o l i s . An der Göttergeburtsstätte von Buto, der alten Königsstadt des Westdeltas, wird der Reihergott zum „Horus von Pe" ohne allerdings seine Urgestalt aufzugeben9. Aber dafür deckten sich dort an der empfindlichen Stelle vernichteter Königshoffnungen die „Seelen von Pe", die Zusammenfassung 1 „Horus von Hbnw." 2 Auch „Horus des Abendlandes" (Mlnw) vgl. unten S. 255. 8 S. u. S. 208. 4 Hr mrxtj. 5 Nach Priestertiteln des AB vgl. J u n k e r , Giza II S. 162. 6 Vgl. oben S. 140. Auch A. Er m a n , Religion der Ägypter S. 30 meint „Im ganzen kann man sagen, daß es nicht viele große G ö t t e r gegeben haben wird, die nicht die Ehre gehabt haben werden, einmal auch Horus zu heißen". 7 S. o. S. 16. 8 S. o. S. 44. 140. 9 S. o. S. 44. 50. 140.
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des örtlichen Götterkreises, ihrer Natur zuwider mit der neuen Gestalt des Falken zu; sie lassen sich f a l k e n k ö p f i g darstellen, versuchten also sich als Nestlinge zu geben, als sei ihr göttlicher Vater ein Falke, wie der oberägyptische Gott von HierakonpolisNechen 1 ! Auch in der Osirissage von Busiris soll der Sohn der Isis und des Osiris „Horus" heißen, und Heliopolis legt sich einen „Horus vom Lichtland" als Gott der Morgensonne zu. Beide Götter fanden keinen Bückhalt bei einem bodenständigen Falkenkult. Die mit allen Mitteln synkretistischer Denkweise erstrebte Vereinheitlichung auf das Vorbild des Horus und die Massengründung neuer Horusformen führte zu Widersprüchen und Gegensätzen, die erneuten Ausgleich oder Auseinandersetzung verlangten. Der Kampf um den Vorrang spielt sich nunmehr innerhalb der äußerlich gleichgerichteten und gleichberechtigten Horusgötter ab. Man folgerte nun: Wenn es soviele ,,Horus"-Götter gab, dann mußte gewiß auch ein „ältester Horus" vorhanden sein, der wie ein Urahne am Anfang der Göttergenerationen stand. Tatsächlich ist die ägyptische Theologie zwangsläufig auf diesen Ausweg gedrängt worden. Wir treffen zuerst in religiösen Texten der Herakleopolitenzeit einen als „ältesten Horus" bezeichneten Weltengott, der sich als Urgott an die Stelle des ReAtum von Heliopolis schiebt2. Weiterhin beansprucht ihn das Tb. Kap. 112 mythologisch als Gemahl der Isis und Vater der Horuskinder und durchbricht damit das von Heliopolis-Busiris aufgebaute System des Osiriskreises8. Der Grund dazu ist natürlich der, daß der „Horus von Pe" sich nicht zum Sohn des Osiris machen und dem Osiris nachordnen lassen will. Damit erweist sich dieser „älteste Horus" als eine der heliopolitanischen Dogmatik fremde Bildung, die ihn an die Stelle des Himmelsgottes und Weltenschöpfers setzen will4. Wie dieser Gedanke 1 K e e s , Horus und Seth I S. 70f. v. B i s s i n g - K e e s , Untersuchungen zu den Reliefs aus dem Re-Heiligtum (Abh. bayr. Akad. 1922) S. 30f. 2 K e e s , ÄZ 64 S. 104f. 3 S. u. S. 267. 260. 4 In sehr bezeichnender Weise identifiziert sich der „Horus von Letopolis" als Haroeris mit diesem „ältesten Horus", um seinen Vorrang auszuweisen. Dazu paßt, daß auch dem „ältesten Horus" z. B. im Zweiwegebuch besonders der Nachthimmel zugeteilt wird: ÄZ 64 S. 106.
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entstanden ist, läßt ein Pyramidentext ahnen, der den König (Horus) als Erbe des Atum und Gib bezeichnet und ihm verheißt „er hat den Atum beerbt, er ist auf dem Thron des Horus (als) der älteste (Sohn seines Vaters)"1. Die amtliche Stellung der unterägyptischen Götterwelt läßt sich aus erhaltenen Ritualen der großen Königsfeste samt ihren zugehörigen Darstellungen ablesen, voran dem von Sethe erklärten Krönungsfestspiel und den ältesten Sedfestdarstellungen. Diese Feierlichkeiten können ihren Grundzug als Siegesfeste des oberägyptischen Königtums nicht verleugnen, aber die Demütigung der Unterlegenen ist dahin gemildert, daß der Sieg zugleich der des „Königs von Unterägypten" sein soll. Schon Vorgänger des Menes haben diese Fiktion gewählt: Narmer trägt bei der Siegesfeier über die Unterägypter die rote Krone Unterägyptens2; die Gegner galten also nicht als auswärtige Feinde, sondern als aufrührerische Untertanen. Nunmehr zieht das Geleit der „Horusgefolgsgötter" unter Führung der Upuaut auch beim „Geleiten des unterägyptischen Königs" voran8. Die Dogmatik des Einheitsstaates hat das im einzelnen ausgedeutet: Die Zerlegung in zwei Upuautgötter, einen „oberägyptischen" und einen „unterägyptischen" (Abb. 8 und Taf. I), ist eine sinnvolle Folgerung unter geschickter Ausnutzung der alten Vorstellungen vom Götterverein4. Die Mythologie teilte dann der neuen „unterägyptischen" Form den Namen des Hundegottes Anubis zu und wies ihm, da der „oberägyptische Schakal" bereits „Leiter der beiden Länder" hieß, ein neues Herrschaftsbereich als „Leiter des Himmels" zu5, In weiterer Verfolgung dieses Ausgleiches erhielt die ehedem beschränkte Gruppe der „Horusgefolgsgötter" neuen Zuzug und 1 Pyr. 301b vgl. Sethe im Kommentar zur Stelle, wo er den „ältesten Horus" als eine gewiß relativ junge theologische Schöpfung anspricht. 2 Keulenkopf des Narmer. Quibell, Hierakonpolis I Taf. 26b = C a p a r t , Primitive art Abb. 187. 3 ämi bjtj; so ausdrücklich bezeichnet v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum II Bl. 15 und entsprechend Naville, Festival hall Taf. 9, 1. Die „beiden Upuaut" in Verbindung mit dem Göttergeleit bei der Krönung; Palermostein Rs. 1, 2 (4. Dyn.). 4 S. o. S. 160. 6 Kees, Opfertanz S. 176. 251f.ÄZ 71 S. 152f. E. O t t o , Analecta orientalia 17 (1938) S. 11 f., vgl. oben S. 161 Anm. 1.
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Drittes Kapitel. Die Göttersysteme der Aufbauzeit
weitet sich zur Vertretung der gesamten Götterwelt Ägyptens aus, so daß man in Sedfestdarstellungen des NR einen ganzen Standartenwald die Königsprozession geleiten sieht1. Auch sonst läßt sich aus dem Vergleich der Sedfestdarstellungen aus dem Sonnenheiligtum des Neuserre, die das thinitische Ritual wiedergeben, und denen das NR erkennen, daß die in der älteren Zeit noch streng beachteten Unterschiede in der Beteiligung der Landeshälften sich allmählich verwischten. Die Thinitenzeit kannte eine verschiedene Thronsänfte für jedeLandeshälffce, eine verschiedene Ausgestaltung des symbolischen Thronens mit der Herrschaftsverkündigung nach den vier Himmelsrichtungen2. Auch die Beteiligung der Götter hatte anfänglich eine individuellere Abtönung. Die oberägyptischen Favoriten wurden bereits genannt, aber auch die Auswahl der unterägyptischen Vertreter läßt wichtige Rückschlüsse auf ihre frühere Geltung im unterägyptischen Bereich zu. An der entscheidenden Stelle bei der großen Schlußprozession des Königs auf der Sänfte, wo im oberägyptischen Teil der Horas von Edfa und der Seth von Ombos dem König die sieghaften Pfeile reichen, steht in dem unterägyptischen Teil eine „Aristeia" des „Horus von Libyen" 8 . Er, den sein Beiname mit „erhobenem Arm" als Kampfgott kennzeichnete4, läßt dem unterägyptischen König das „Machtszepter" reichen —derselbe Gedanke in anderer Ausführung! Dieser libyscheHorus gehörte, wie Götterlisten lehren, ins einstige Westdeltareich, stammt aus der Nachbarschaft der Neith von Sais, die damals denselben Beinamen „von Libyen" trug 5 . Er ist gewiß dem 1 Übersicht bei v. B i s s i n g - K e e s , Untersuchungen zu den Reliefs aus dem Re-Heiligtum (Abh. bayr. Akad. 1922) S. 27 f. Unter Ramses III. werden einmal 6 Standarten, die vor dem König herziehen, als die „Götter und Göttinnen zum Schutze seines Leibes" bezeichnet. H. H. N e l s o n , Reliefs and inscriptions at Karnak (Chicago Oriental Institute Publ.) I I Taf. 101. 2 Vgl. die Erläuterungen im Text zu v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum i n ; zur Sänfte auch S e t h e , Urgeschichte § 150. 8 v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I Bl. 16/17. Erläuterung a. a.
o. m s. nf.
4 Voller Name auch aus Titeln des AR bekannt: Hr fhnw k5-' a. a. O. m S. 11. 5 A. a. O. n Bl. 7 Nr. 17.
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Falkengott des 3. unterägyptischen „West"gaues, dessen Standarte das Falkenbild ^jk» zeigt, gleichzusetzen1. Er stellte offenbar die ansehnlichste Göttergestalt dieses Bereiches dar, die sich als passendes Gegenstück zu den oberägyptischen Falkengöttern, besonders dem „Horus von Edfu", verwenden ließ 2. Von einem „unterägyptischen" Horus mit dem Beinamen Bhd.t aus Damanhur im Nordwestdelta wissen die thinitischen Rituale dagegen ebensowenig wie von einem echten „Horus von Pe" 3 ! Das war auch zu Beginn der memphitisch-heliopolitanischen Zeit, also unter Djoser, noch nicht anders. Ich erwähnte schon die sechs Reliefs aus den unterirdischen Räumen des Djoserbezirks, von denen einige das feierliche „Auftreten" des Königs in den wichtigsten Landesheiligtümern darstellen, — darunter als Staatsbesuch in Oberägypten das „Stehen im (oberägyptischen) Heiligtum des Horus von Edfu" (Bffd.t)i. A]s unterägyptisches Gegenstück wählte Djoser nicht das ferne Westdelta oder gar Damanhur, sondern das Memphis benachbarte Letopolis (ffmj), dessen Falkengott also hier die Ehre hat, Unterägypten zu vertreten 5 . Letopolis tritt auch in den Pyramidentexten neben Heliopolis stark hervor6. So wird das Abschwenken vom libyschen Horus zum Horus von Letopolis aus der Zeit verständlich. Keinesfalls darf man aber die zwingende Beweiskraft dieser Äußerungen aus der ältesten Königszeit, wie es Sethe tat, ab1 S. o. S. 44. 2 S e t h e , Urgeschichte § 67 nennt ihn „den eigentlichen Gau des Falkengottes Horus, von dem sich dessen Kult allmählich über ganz Ägypten verbreitet hat". 3 Es ist ein verzweifelter Ausweg, wenn die Verfechter des „Ursprungs" des Horus in Unterägypten dem von den Ägyptern so eindeutig als oberägyptischen Gott gekennzeichneten Horus von Edfu (Bbd.t) ein vorzeitliches Urbild gleichen Namens in Damanhur unterstellen, von dessen Existenz ganz junge Legenden des Horustempels in Edfu nach etwas gewußt hätten! Die beiden entscheidenden Voraussetzungen, unter denen sich Gardiner, JEA 5 S. 223 Anm. 1 der These angeschlossen hatte, sind beide nicht erfüllt. Weiteres s. u. S. 427f. Zuletzt hat auch A. E r m a n , Religion der Ägypter S. 29 auf Sethes Autorität hin diese Verkehrung des Tatbestandes übernommen. 4 S. oben S. 197. 6 Q u i b e l l - F i r t h , Step pyramid Taf. 41. Daneben ist der Besuch im oberägyptischen Reichsheiligtum dargestellt (Taf. 40). 6 S. u. S. 259f. K e e s , Götterglaube 14
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Drittes Kapitel. Die Göttersysteme der Aufbauzeit
weichenden Mythenfassungen aus viel jüngerer Zeit, die den „Horus von Edfu" aus Unterägypten herkommen lassen wollen1 zuliebe herabdrücken. Mythen sind in ihrer Gestaltung vielfachem Wandel unterworfen, aber im ä g y p t i s c h e n K ö n i g s ritual der T h i n i t e n z e i t s t e c k t erlebte Geschichte! Noch an anderen Stellen sehen wir, daß dies thinitische Ritual die Gottheiten des Westdeltareiches bevorzugte. Eine mütterliche K u h g ö t t i n , wiederum aus dem 3. unterägyptischen Gau, Sechat Hör „die sich des Horus erinnert" benannt 2 , also eine göttliche Amme des Königskindes, erhielt die Stellung als Schutzherrin der Viehherden des Königs; ihr altertümliches Bild wird bei der „Zählung" des Viehs und seiner Übergabe an die Festgötter vorangetragen3 (Abb. 1, b). Hier hat also eine unterägyptische Lokalgöttin ihre Anerkennung als Reichsgöttin durchgesetzt, eine gewisse Parallele zur Uräusschlange Uto als Diadem des Königs 4 . Zu der Schutzherrschaft der Sechat Hör bekennen sich später nach dem Vorbild des Königtums sogar die Feudalherren Oberägyptens und erwarten von ihr die Vermehrung ihrer Herden als Gnade5. Die Pyramidentexte nennen die Kuhgöttin als Amme des Königs in einem Spruch, der auch sonst ein ausgezeichnetes Beispiel für das Ausgleichsstreben der thinitischen Reichspolitik gegenüber unterägyptischen Gottheiten bietet6.„König NN. ist aus Pe hervorgegangen, er ist beschürzt als Horus, und geschmückt als die beiden Neunheiten (!), damit er erscheine als König (ndwt) und hoch sei als Upuaut, nachdem er die weiße und die grüne Krone (Uto) ergriffen hat Isis ist die Mutter des NN., Nephthys ist seine Amme. Sechat 1 S. u. S. 426. Zum Herkunftsmotiv s. o. S. 180f. 2 ¿hU Hr. Der merkwürdig theologisch klingende Name ist offenbar das Ergebnis einer Mythe vom Aufziehen des göttlichen Königskindes, ähnlich wie der Name Hathor „Haus des Horus" für mütterliche Kuhgöttinnen entstand; vgl. S e t h e , Urgeschichte § 67. 8 v. B i s s i n g - K e e s , Re-HeiligtumIIBl. 3. 6; III S. 6. Vgl. S e t h e , Urgeschichte § 11. 4 Die oberägyptische Nechbet stellte dafür ausgleichend die Geierhaube der Göttinnen und Königinnen vgl. Taf. II, b (Isis). Auch Uto führte bereits im AR als Kronengöttin den Titel „Herrin beider Länder" S e t h e bei B o r c h a r d t , Sahure II S. 128. J6quier> Le monument funöraire de Pepi II T. II Taf. 39. 5 v. B i s s i n g - K e e s a. a. O. III S. 6. 6 Pyr. 1373/137Ö.
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Hör ist's, die ihn gesäugt hat. Neith ist hinter ihm und Selket vor ihm." Hier erscheinen, abgesehen von Isis und Nephthys, zwei weitere Schutzgöttinnen des Königs, die aus dem Westdelta stammen: Neith und Selket. N e i t h v o n Sais, die bedeutendere von beiden, die stets die unterägyptische Krone trägt und ihre Heimat „Königshaus" nennen ließ, ist sehr früh von den Thiniten ins oberägyptische Bereich übernommen worden 1 . Ihre Vorzugsstellung als Ortsgöttin einer der Hauptstädte des alten Westdeltareiches führte wohl dazu, daß sie unter dem Beinamen „Wegeöffnerin", demselben, den Upuaut, der Führer der Horusgeleitsgötter trug, nach Memphis eingeführt wurde und dort eine eigene Kultstätte „nördlich der Mauer" erhielt 2 . Ihrem Kult dienten neben dem der heimischen „Hathor, Herrin der (südlichen) Sykomore" gern die Hofdamen des AR. Sogar zwei thinitische Königinnen nannten sich nach der Neith 3 , und ihr Pfeilsymbol erscheint auf thinitischen Denkmälern aus Abydos und dem benachbarten Naga ed Der 4 . Auch S e l k e t kam anscheinend aus dem Westdelta 5 . Die Magie und Heilkunst bildete wohl den Anstoß, daß sie eine gewisse amtliche Anerkennung als königliche Schutzgöttin erhielt. Jedenfalls folgte dem König bei seinen Auszügen ein altertümliches Skorpionenbild, das von einem Priester getragen wird, unter anderen Schutzsymbolen (Abb. 1, d) 6 . 1 S. o. S. 102f. In dem unterägyptischen heißt die Krone direkt ,,Neithkrone l i . Auch Sais . . . schon in vorgeschichtlicher Zeit größere politische Rolle als Hauptstadt eines gespielt haben wird" Urgeschichte § 81.
Krönungsspruch Pyr. 196 Sethe glaubt daher „daß irgendwann einmal eine unterägyptischen Reichcs
2 S. o. S. 174; unten S. 297; vgl. E. O t t o , Analecta orientalia 17 (1938) S. 19f. 3 Hetepneith und Meritneith, letztere Gemahlin des Usapbais. S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens S. 29f. Daß Hetepneith als Gemahlin des Menes aus Unterägypten (Sais) stammt, ist eine unbeweisbare Kombination von N e w b e r r y , P S B A 34 S. 298 vgl. E d . M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2 3 § 209. 4 K e i m e r , Annal. du Serv. 31 S. 152f. Darstellung eines Neithheiligtums P e t r i e , Royal tombs I I Taf. 10, 2 (Horus 'hl) = Taf. 3 a, 5. 5 S. o. S. 58. 6 Opfertanz S. 121f. konnte ich das Skorpionsymbol erst ab 17. Dyn. nachweisen. Jetzt ist es auf mehreren Djoserreliefs aus Sakkara bezeugt: Q u i b e l l - F i r t h , Step pyramid Taf. 17. 41. Von dort auf die 14»
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Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Zusammen mit dem Schwesternpaar des Osiriskreises Isis und Nephthys bildeten Neith und Selket eine Vierheit, deren Schutz der Thron des Königs, das Totenbett des Osiris, dann Sarg und Eingeweide der Toten anvertraut wurden. Auch hier steht das Königsritual in voller Übereinstimmung mit den Osirismystefien. Noch einseitiger als Neith und Selket ist eine weitere Göttin, die wie Neith aus dem saitischen Gau stammte 1 , in die gemeinägyptische Reichssymbolik aufgegangen: S e s c h a t (Abb. 10/11), die Schützerin aller Künste und Wissenschaften, „die Herrin der Baumeister" 2 , die dem König beim Abstecken des Bauplatzes für jedes Heiligtum hilft 3 . Sie ist die „Herrin des Hauses der Gottesworte", die die Annalen des Königs aufzeichnet und seine Jubiläen zusammen mit Thot auf den Blättern des heiligen Ischedbaumes in Heliopolis einträgt 4 . Daß eine unterägyptische Göttin aus dem Gebiet des butisch-saitischen Deltareiches diese ausgezeichnete Stellung erhielt, bedeutete eine versöhnende Geste der ober ägyptischen Dynastie, darf aber nicht etwa als Beweis für die überlegene Geisteskultur der Deltagaue in Anspruch genommen werden. Auch an anderen, oft unerwarteten Stellen begegnet man heiligem Brauchtum, das aus dem Delta stammt. Ich nenne als bekanntes Beispiel, das uns bereits mehrfach beschäftigte, einen festlichen Auftritt des Königs in der unterägyptischen Krone als Nilpferdharpunierer5 (Abb. 13). Ihm hat das Ritual archaistischen Reliefs aus Memphis übernommen P e t r i e , Palace of Apries (Memphis II) Taf. 3. 1 Zu ihrem Symbol und ihrer Herkunft s. o. S. 107 f. Seschat und Mafdet in einer Jahresnotiz auf dem Palerinostein zusammen genannt („Geburt" oder „Bilden" ?) Vs. Z. 3. Nr. 13. 2 Pyr. 616b. Weitere Titel s. S e t h e bei B o r c h a r d t , Sahure I I S. 76f. Als „Herrin des Schreibens im Lebenshaus" G a r d i n e r , J E A 24 S. 174. R o e d e r , Art. Seschat in Roschers Lex. der Mythol. 8 v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I Bl. 1 Nr. 2 und oft; vgl. K e e s , Lesebuch S. 39/40 (Ritualtexte). 4 Z. B. B o n n e t , Bilderatlas Abb. 65. Zum t&Z-Baum s. o. S. 87. Auf Särgen der Herakleopolitenzeit aus Assiüt erscheint Seschat auch als Schutzgottheit des Toten, C h a s s i n a t - P a l a n q u e , FouilleS d'Assiout, passim. & v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I I S. 30 mit Abb. einer Festdarstellung Thutmosis' III. aus Karnak; vgl. P e t r i e , Palace of Apries (Memphis II) Taf. 7 + Taf. 4 (links) nach altem Vorbild.
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des Horustempels von Edfu einen wichtigen Platz eingeräumt 1 . Ein weiterer sehr deutlicher Einfluß des Westdeltas auf das Ritual ist beim B e g r ä b n i s greifbar, und zwar kam er wohl auf dem Wege über das Königsritual. Dort treffen wir eine bestimmte Gruppe von Westdeltastädten an, meist Orte aus der Umgegend von Buto, so das nördliche und südliche Unu (Hermopolis) und die „Stadt des großen Stieres"" (Xols ?), oft erweitert durch Sais und Iseum, die Heimat der Isis bei Sebennytos. Zu ihnen soll der Tote eine heilige Wallfahrt unternehmen 2 , ähnlich wie dann unter dem Einfluß des Osirisglaubens nach Busiris und Abydos. Es ist kein Zufall, daß die Kerngruppe dieser Orte bereits in Pyramidentexten als Osiriskultorte in Anspruch genommen werden 3 . Diese Begräbnisvorschrift ist also im wesentlichen „ein Erbstück aus der butischen Königszeit" (Sethe), wurde von Nilpferdes dort ins thinitische Königsritual übernommen und später als allgemeingültiges „osirianisches" Begräbnis auf alle Toten übertragen. Schon aus dieser Entwicklungslinie ergibt sich, daß die Gestalt des Osiris ein Fremdkörper darin war. Allerdings predigen bereits Teile der 1 Dadurch, daß sich Edfu ziemlich früh als „Harpunierstätte'' (Min) bezeichnet, machte es sich zum bevorzugten Träger dieser Überlieferung, die alte Jägersagen des Deltas, vielleicht bes. aus Sais, benutzte. Das mir bekannte älteste Zeugnis des Namens Min in Verbindung mit Edfu stammt aus der 6. Dynastie vom Totentempel der Iput, Mutter des Phiops, F i r t h - G u n n , Teti pyramid cemeteries I S. 91 „Bhd.t, der große Gott, der buntfiedrige, Herr von Min", sonst aus der 11. Dynastie P e t r i e , Abydos II Taf. 24/25; vgl. K e e s , Horus und Seth I S. 9; I I S. 81. Weiteres s. u. S. 419. 426. 2 K e e s , Totenglauben S. 365f. S e t h e , Urgeschichte § 183/184 und im Kommentar zu Spruch 219 der Pyramidentexte. J u n k e r , Mitt. Dt. Inst. Kairo 9 (1940) S. l f . zu dem „butischen Begräbnis" im AR. 3 Pyr. 181—192. Die Bearbeitung ist unzweideutig heliopolitanisch; vgl. S e t h e , tfrgeschichte § 183.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Pyramidentexte, vor allem jene mehrfach genannten Litaneien, seine Ausbreitung über das altbutische Bereich. Aber Osiris selbst, dessen Mythe sowohl im Denkmal memphitischer Theologie als auch im Mundöffnungs- und Opferritual weitgehend zu theologischen Deutungen benutzt wird, ist erst auf Umwegen in das thinitische Dogma hineingekommen, über Heliopolis. Mit Isis und Osiris machen sich religiöse Einflüsse der einstigen „ ö s t l i c h e n Gaue" Unterägyptens in der gemeinägyptischen Götterwelt bemerkbar. Will man sich den Grundgedanken der thinitischen Religionspolitik klarmachen, dann mag man eine Bestimmung nennen, die gleichsam programmatische Bedeutung hatte: Bei den großen königlichen Feierlichkeiten versammelten sich künftig sämtliche Ortsgottheiten des Landes, begleitet von einem Priester ihres Tempels. Sie überbringen dem König ihre Segenswünsche und erhalten dafür Anteile an den Festopfern. Der Versammlung der „Großen von Ober- und Unterägypten" ging also die Götters y n o d e nebenher1. Eindringlich erweist sich damit der Königsgedanke als das Band, das alle Kräfte des Landes zu gemeinsamem Einsatz bringt. Kein Wunder, daß sich auch der Horusname als erste geschichtlich erkennbare Klammer einer allägyptischen Gottesvorstellung um die nunmehr in den „beiden Reichsheiligtümern" bildhaft vereinigten Ortsgottheiten legte und ihnen seine wesenhaften Züge aufprägte.
2. Heliopolis Atum Mannigfaltige Kulte füllten den Raum der Sonnenstadt Heliopolis. Wir finden dabei Gottheiten fast aller Arten. Tiergötter sind der schwarze Mnevisstier, das Löwenpärchen an einem Platze nordöstlich von Heliopolis, den die Griechen danach Leontopolis (Teil el Jehudije) nannten, der Benu-Vogel, den die jüngere Zeit als Reiher (Phoinix), die alte als eine bescheidenere Vogelart darstellte, endlich der Tausendfaß (Sepa) eines Heilig1 Die Priestersynode der späteren Zeit, die sich bei Staatsfeiern, z. B. zur Begrüßung des siegreich ^heimkehrenden Königs, in der Ptolemäerzeit am Geburtstag des Königs (an Stelle des alten Krönungsfestes ?), versammelte, ist aus dieser Grundidee der Reichseinigungszeit erwachsen; vgl. K e e s , Kulturgeschichte S. 258.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Pyramidentexte, vor allem jene mehrfach genannten Litaneien, seine Ausbreitung über das altbutische Bereich. Aber Osiris selbst, dessen Mythe sowohl im Denkmal memphitischer Theologie als auch im Mundöffnungs- und Opferritual weitgehend zu theologischen Deutungen benutzt wird, ist erst auf Umwegen in das thinitische Dogma hineingekommen, über Heliopolis. Mit Isis und Osiris machen sich religiöse Einflüsse der einstigen „ ö s t l i c h e n Gaue" Unterägyptens in der gemeinägyptischen Götterwelt bemerkbar. Will man sich den Grundgedanken der thinitischen Religionspolitik klarmachen, dann mag man eine Bestimmung nennen, die gleichsam programmatische Bedeutung hatte: Bei den großen königlichen Feierlichkeiten versammelten sich künftig sämtliche Ortsgottheiten des Landes, begleitet von einem Priester ihres Tempels. Sie überbringen dem König ihre Segenswünsche und erhalten dafür Anteile an den Festopfern. Der Versammlung der „Großen von Ober- und Unterägypten" ging also die Götters y n o d e nebenher1. Eindringlich erweist sich damit der Königsgedanke als das Band, das alle Kräfte des Landes zu gemeinsamem Einsatz bringt. Kein Wunder, daß sich auch der Horusname als erste geschichtlich erkennbare Klammer einer allägyptischen Gottesvorstellung um die nunmehr in den „beiden Reichsheiligtümern" bildhaft vereinigten Ortsgottheiten legte und ihnen seine wesenhaften Züge aufprägte.
2. Heliopolis Atum Mannigfaltige Kulte füllten den Raum der Sonnenstadt Heliopolis. Wir finden dabei Gottheiten fast aller Arten. Tiergötter sind der schwarze Mnevisstier, das Löwenpärchen an einem Platze nordöstlich von Heliopolis, den die Griechen danach Leontopolis (Teil el Jehudije) nannten, der Benu-Vogel, den die jüngere Zeit als Reiher (Phoinix), die alte als eine bescheidenere Vogelart darstellte, endlich der Tausendfaß (Sepa) eines Heilig1 Die Priestersynode der späteren Zeit, die sich bei Staatsfeiern, z. B. zur Begrüßung des siegreich ^heimkehrenden Königs, in der Ptolemäerzeit am Geburtstag des Königs (an Stelle des alten Krönungsfestes ?), versammelte, ist aus dieser Grundidee der Reichseinigungszeit erwachsen; vgl. K e e s , Kulturgeschichte S. 258.
2. Heliopolis
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tums beim heutigen Alt-Kairo nahe am Nilufer. Dann treffen wir allerlei Baumgottheiten, vor allem den heiligen Ischedbaum, der zum Annalenbaum der Könige wurde, eine Weide, die gelegentlich als Nistbaum mit dem Phoinix in Verbindung gebracht wurde,und wahrscheinlich noch andere,die sich unter allgemeinen Götternamen, z. B. dem der „Hathor", verstecken. Dazu kommen die alten Fetische (Abb. 8), der des heiligen obeliskenförmigen Benbensteins, des Iunu-Pfeilers, der der Stadt seinen Namen gab (6n); vor allem aber besaß Heliopolis einige Kulte erdhausender Kräfte, die in den Weltschöpfungsmythen hervortreten: A t u m , dessen Name „der noch nicht vorhandene" bedeutet, und den Erdgott Geb. Dem Atum „dem selbstentstandenen", den man, wie sonst den Nun „Vater der Götter" nannte 1 , wies man als Kultstätte einen E r d h ü g e l zu, den die älteste Götterlehre von Heliopolis als „Urhügel" deutete, d. h. als den ersten festen Platz des Weltbeginns, der sich aus dem chaotischen Urgewässer Nun absonderte: „Gruß dir, Atum, Gruß dir, Chepre, Selbstentstandener. Du bist hoch in diesem deinem Namen ,Hügel'. Du entstehst in diesem deinem Namen: Entstehender' (Chepre) 2 ." Die Vorstellung von der Urflut am Anbeginn der Dinge und vom Urhügel als erstem Zeichen der Weltordnung leitete sich naturgegeben aus dem jährlichen Geschehen der sommerlichen Nilüberschwemmung und dem „Herausgehen" der Erde aus der träge ruhenden Überschwemmungsflut ab. Sie kehrt deshalb in den meisten Schöpfungssagen Ägyptens wieder 3 . Insbesondere ist keines der großen Systeme der geschichtlichen Zeit, weder das heliopolitanische, noch das memphitische oder das hermopolitanische ohne Einbeziehung des Nun als „Vater der Götter" ausgekommen 4 . Als irdische Erscheinungsform des an sich gestaltlosen Atum galt der S k a r a b ä u s k ä f e r , der im Sandloch hauste, und den die Ägypter als geheimnisvoll erdverbundenes Wesen den „Werdenden" (Chepre) nannten 5 . Möglicherweise war sein Kult von 1 Pyr. 1521a. 1546a. 2 Pyr. 1587 = K e e s , Lesebuch S. 1. 8 d e B u c k , D e egyptische voorstellingen betreffende den. oerheuvel. (Diss. Leiden 1922.) 4 Memphis s. u. S. 290. Hermopolis s. u. S. 307. Herakleopolis s. u. S. 317. Theben s. u. S. 345f u. a. m. 5. S. o. S. 60.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Anfang an mit dem Urhügel inHeliopolis verbunden1; wir kennen jedenfalls keine eigene Kultstätte von ihm. Aber Name und Wesensart des Skarabäus heftete sich an alle Urgötter der Folgezeit, soweit sie den gleichen Anspruch erhoben „von selbst entstanden" zu sein. Auch das Theben des NR, das im Amonskult soviel altes Erbgut sammelte, kannte den Skarabäus als Erscheinungsform ihres Urgottes. Amenophis III. errichtete auf dem thebanischen Westufer ein riesiges Skarabäusbild des At'umCfiepre „der aus der Erde entstand"2. Sonst griff man auch zur Schlangengestalt3. Es gibt Mythen, die diese dem ägyptischen Landmann so vertraute Urgestalt bei Atum voraussetzen, ähnlich wie dies das thebanische System über die älteste Urform des Amun lehrte4. Eine einzigartige in einem Totentext der Herakleopolitenzeit erhaltene Mythe behandelt in einem Zwiegespräch des Atum mit Osiris, der über sein Los in der Unterwelt getröstet werden soll, die Absicht des Schöpfers Atum, wegen der Aufsässigkeit des ersten Götterges chlechtes, „der Kinder der Nut", die Welt untergehen zu lassen 5 : „Ich aber werde alles, was ich schuf, zerstören. Die Erde wird wieder alsUrozean (Nun) erscheinen (und) als Endlosigkeit (Huh), wie in ihrem Anfangszustand. Ich bin (dann) das, was übrig bleibt, zusammen mit Osiris, nachdem ich mich wieder in eine Schlange verwandelt habe, die kein Mensch kennt 6 ." Mit dem Abscheu über das verwerfliche Tun des menschenähnlichen Göttergeschlechts verbindet sich ein für ägyptische Sinnesart sehr kennzeichnender Rückgriff auf die t i e r i s c h e Form, die man wählt, um Atum aus der üblichen Gemeinschaft der Götter 1 Auch S e t h e , Urgeschichte S. 97 Anm. 1 meint: „Die Beziehung des Käfergottes zum Atum könnte schließlich so alt wie die Konzeption dieses Gottes, d. h. von vornherein bei der Aufstellung des Atum vorgesehen gewesen sein." 2 hpr m t] S p i e g e l b e r g , ÄZ 66 S. 44f. s. o. S. 61. 3 Auch Chepre wird gelegentlich als Schlange gedacht; s. o. S. 55. Zum Schlangendämon der Urzeit Nhb klw in Heliopolis vgl. Urk. VI 140/141 und oben S. 55 Anm. 4. 4 Als Schlange Km It.f s. u. S. 347. & Tb. Kap. 175 = K e e s , Lesebuch S. 27. 6 Als Parallele aus gleicher Zeit vgl. den Beinamen des Gaufürsten des Hermopolites, der sich als Sohn des Thot, geboren von den beiden Neunheiten „einzige in diesem Lande übriggebliebene Urschlange, während alle übrigen Menschen zu Staub wurden", nennt. A n t h e s , Hatnub Gr. 26.
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und Menschen wieder zu lösen 1 : Hier setzt eine skeptische Zeit ein Fragezeichen zu der Lehre von dem göttlichen Ursprung des Menschengeschlechtes. Atuxn selbst sollte ja nach einem anderen Mythus das „Erbe von Heliopolis" einem alten Schlangendämon abgewonnen haben 2 . Sonst wird Atum als m e n s c h e n g e s t a l t i g e r T y p geradezu führend hingestellt, wenigstens von heliopolitanischer Seite. Wenn ein Pyramidentext die Erscheinung des Königs im Jenseits, ausgestattet mit dem Hundekopf des Totengottes sonst in Menschengestalt schildern will, beschreibt man diese in Ägypten für Umformungen tierischer Götter klassische Art 3 : „Deine Hände sind die des Atum, deine Schultern sind die des Atum, dein Rücken ist der des Atum, dein Hinterteil ist das des Atum, deine Beine sind die des Atum, (aber) dein Gesicht ist das des Anubis"4. Wo wir Atum in ägyptischen Tempelbildern sehen, trägt er, wie der ägyptische König, die Doppelkrone und führt die Bezeichnung „Herr von Heliopolis", später sogar „Herr der beiden Länder (von) Heliopolis"5. In seiner Gestalt sollte sich also der Zusammenschluß der ägyptischen Götterwelt verkörpern. Außer dem Atum knüpfen auch andere heliopolitanische Kulte an den Urhügelgedanken an. Das geschah bei der Benennung des obeliskenartigen Steines als „Benben" und des heiligen Reihers als „Benu" (Phoinix)6. Beide Namen sind von einem Verbalstamm abgeleitet, der „emporsteigen" bedeutet7. Man 1 Die Gestaltung des A t u m als Ichneumon ist erst spät belegt s. o. S. 35. 2 Tb. Kap. 115 = K e e s , Lesebuch S. 22 s. o. S. 55. 3 S. o. S. 145. 4 Pyr. 134/135 vgl. S e t h e , Urgeschichte § 115 Anm. 5 Nach S e t h e a. a. O. läßt sich dieser Titel vorläufig erst seit dem N R belegen. I m A R hieß Atum bescheidener „Herr von Heliopolis", so z. B. noch auf dem Pfeiler Sesostris' I. in Karnak Annal. du Serv. 28 Taf. 4, 2; ebenso auf einem Architrav v o m Totentempel Amenemhets I. aus Lischt G a u t i e r - J 6 q u i e r , Fouilles de Licht S. 94 Abb. 108 und "Ork. IV 246 (Der el Bahri 18. Dyn.). 6 Derselbe Stamm auch im Namen des oder der beiden bntw-Affen, die als „die beiden Söhne des R e " bzw. „der älteste Sohn" (des Re) in Heliopolis galten; Pyr. 1437c. 608c. 7 D a ß griech. Phoinix aus einer Verballhornung des ägypt. Namens „boine" o. ä. entstanden ist, hat S e t h e , ÄZ 45 S. 84 gezeigt. Etymologisch konnte der Name bnw auch als „der feuerglänzende" (als Nominalbildung von wbn „aufgehen") erklärt werden.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
deutete also den konischen Stein als erste Stelle, die aus der Urflut hervorging, den Vogel als erstes Lebewesen, das sich auf dem Urplatz des Weltbeginns niederließ1. Solche Bilder sah der Ägypter oft genug am Ende der Überschwemmungsjahreszeit, das für ihn den Beginn seiner Lebenstätigkeit bedeutete. In demselben Sinne betrachtete man den Benbenstein, den Phoinix und wahrscheinlich auch den aufgerichteten Iunu-Pfeiler als Symbol des ersten „Auftretens" des Urgottes Atum. „AtumChepre, du warst hoch als Hügel, du warst erschienen als Benben im Benbenhaus in Heliopolis" sagt ein Pyramidentext2. Damit ist die Erde an die nächste Stelle der Schöpfung hinter dem Urgewässer gerückt3. Der Ägypter dachte sich die Erde, die männliches Geschlecht hat, als eine Scheibe, die inselartig wie die Hieroglyphe < = zeigt, auf der Urflut schwimmt4, und allezeit hat er an der Vorstellung festgehalten, daß die Nilüberschwemmung von unten aus einem oder mehreren Quellöchern des Nun heraufsteige6. Soviel er auch vom Nillauf nach Süden kennenlernte, er blieb bei dem Glauben, daß der Fluß an bestimmten Plätzen, wo Stromschnellen oder Wirbel unterirdische Quellen vermuten ließen, Zugänge zum Urgewässer habe, zwischen den Inseln des ersten Kataraktes von Assuan, wo die (beiden) eigentlichen Nilquellen liegen sollten, bei den Stromschnellen am Gebel Silsile in Oberägypten und an der Südspitze der heutigen Nilinsel Roda, Alt Kairo gegenüber, wo der alte Nilmesser von Heliopolis und Memphis lag, den wohl schon die Thiniten anlegten. Das sind die Stätten, wo man dankbar Nilopfer darbrachte, obwohl der Nil selbst wie alle Naturmächte 1 Urk. V 16 (Tb. Kap. 17) wird der Phoinix-Reiher genannt ,,der zum Revidieren dessen, was ist, bestimmte". Zur späteren Weiterentwicklung der Phoinix-Legende s. W i e d e m a n n , ÄZ 16 S. 89f. Weiteres s. o. S. 50. 96. 2 Pyr. 1652 = K e e s , Lesebuch S. 1. 3 Zum Folgenden vgl. K e e s , Totenglauben S. 89f. „Jenseitsland und Weltbild im Alten Reich"; S c h ä f e r , Weltgebäude der alten Ägypter (1928). H. G r a p o w , Die Welt vor der Schöpfung ÄZ 67 S. 34f. 4 Das Bild einer schwimmenden Insel hat auf die Urhügelsagen stark eingewirkt, vgl. die Beispiele S e t h e , Amun § 250/61 für Memphis, Esne, Theben. 5 Die rührende Geschichte v o n der Träne der u m Osiris trauernden Isis, die in den Nil fiel (Paus. X 32, 18), ist wohl verhältnismäßig jung vgl. im kopt. Kalender 11. Payni-Lelet en Nukfca „Nacht des Tropfens".
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keine Kultstätte besaß1. Scheinbar macht Heliopolis von dieser Regel eine Ausnahme, da heliopolitanische Texte besondere Kultplätze für den Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut nennen2: eine Stätte des „Erdhackens" für Geb und das „Haus des Verschlingens" für Nut 3 . Wir erfahren aber sonst so wenig von ihnen, daß es sich dabei um mythische Orte handeln kann. Im übrigen stellte die klassische heliopolitanische Lehre nicht Geb und Nut (Himmel und Erde) an den Anfang der Götterwelt, so wenig sie das Urgewässer Nun zum Ausgangspunkt der Schöpfung wählte. Man redete zwar gern von der „Scheidung des Himmels von der Erde" als erster Tat des „Allherrn" Atum4, aber die Heliopolitaner schalteten eine andere Vorstellung dazwischen, die eine Erklärung für die Trennung der Geschlechter geben sollte. Schu und T e f n u t Das ausschlaggebende Element dabei ist der Luftgott Schu, oder richtiger die Personifikation des freien Raumes zwischen Himmel und Erde, denn sein Name bedeutete „Leere" 5 . Ihm zuliebe läßt die älteste bezeugte heliopolitanische Schöpfungslehre den Urgott Atum, in dem alle Kräfte chaotisch ruhten, das erste Götterpaar Schu und Tefnut in derselben grobsinnlichen und irdischen Art zeugen, wie die archaischen Bilder des Min aus Koptos es darstellten6: „Atum, der zum Selbstbefriediger geworden ist in Heliopolis, er nahm seinen Phallus in seine Faust, 1 K e e s , Kulturgeschichte S. 28 (Nilopfer). 2 Zu den N a m e n Geb und N u t bemerkt S e t h e , Urgeschichte § 70: „Beide N a m e n sind gewiß nichts weiter, als ältere Bezeichnungen für die betreffenden Teile der W e l t . " 3 bl t] und h.t inj.t S e t h e , Urgeschichte § 126. D a s „Verschlingen" bezieht sich auf das Verschwinden der Gestirne im Munde der Nut s. u. S. 226. 4 Z. B . „bei der Scheidung des Himmels von der Erde, als auch die Götter zum Himmel aufstiegen " P y r . 1208c. „ I h r Urzeitlichen, seht die Trennung des Hammels von der E r d e als die T a t , die der Vater (Atum) f ü r ihn (Horns) hat geschehen l a s s e n " Sakk. T B 31; vgl. K e e s , Totenglauben S. 279 u. a. 5 S e t h e , Urgeschichte § 75 weist auf den „ a b s t r a k t e n C h a r a k t e r " seines Namens „der ihn als Produkt fortgeschrittener Spekulation erscheinen läßt". 6 C a p a r t , Primitive art Abb. 166 = S c h ä f e r * A n d r a e , Propyläen-Kunstgesch. I I S. 175. Vgl. oben S. 91.
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um damit Lust zu erregen. Ein Geschwisterpaar ward erzeugt, Schu und Tefnut 1 ." Andere Auslegungen lassen Atum unter Benutzung schöpferischer Wortspiele für die Namen Schu und Tefhut den nach der Selbstbegattung ausgeworfenen Samen aus dem Munde „ausspeien" und „aushusten", woraus die beiden Götter entstehen 2 . Die Ausmalung im einzelnen ist belanglos. Wesentlich erscheint,, daß die Tefhut neben der kosmischen Personifikation Schu eine leere Figur ist 3 . Bei Geb und Nut ist der Gegensatz aus ihrer Trennung begründet. Sonst verwendet die ägyptische Lehre stets weibliche namengleiche Komplementbildungen, wie solche das hermopolitanische System beherrschen. Diese Begriffe waren auch den heliopolitanischen Gelehrten bekannt: Die vom hermopolitanischen System benutzten Urgötterpaare N u n und N a u net (Urgewässer) und Amun und A m a u n e t (Verborgenheit) werden sogar neben „Atum und dem Löwenpaar" (Schu und Tefnut) in einem Pyramidentext genanijt4. Auch diese weiblichen Ergänzungen waren nur im Paar sinnvoll; verselbständigt gleiten sie ins Unbestimmbare ab. Das kann man bei der Naunet beobachten, später auch an Amaunet. Die N a u n e t erscheint in den alten religiösen Texten bald wie eine unterirdische Ergänzung zu Nut, dem Himmel, als G e g e n h i m m e l , den die Sonne bei Nacht durchzieht. Dann drängen sich wieder Vorstellungen des Gestirnhimmels dazwischen, so daß Naunet eine Art Nachthimmelim Gegensatz zur Nut als Tageshimmel wird5. Man merkt, daß der Ägypter selbst in der Anwendung des Begriffes unsicher ist. Wahrscheinlich hatte die heliopolitanische Lehre unter einer Anzahl urgöttlicher Personifikationen auch ein Paar Tefen und Tefenet gekannt, das aber nur wenigen Texten noch geläufig ist; 1 Pyr. 1248 = K e e s , Lesebuch S. 1. 2 Pyr. 1652 = ebda. S. 1 ; vgl. in der „Rede des Allherrn" im sog. Apophisbuch a. a. O. S. 25 und S e t h e , Urgeschichte § 117. 3 S e t h e , Urgeschichte § 117. 124 meint, daß Tefnut die Personifikation der „Feuchtigkeit", also ebenfalls eine Elementargottheit, sei. Der Ägypter macht aber von dieser Eigenschaft der Tefnut außer in dem Wortspiel der Schöpfungsmythe keinen Gebrauch. 4 Pyr. 446/47 vgl. S e t h e , Amun § 61. Auch Pyr. 1540b heißt es vom König, „daß er wie Osiris, Sohn des Geb, vom Throne des Amun herabsteige"; S e t h e , Amun § 144. 6 K e e s , Totenglauben S. 94f.
2. Heliopolis
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vielleicht sollte es das „vaterlose" Wesen bezeichnen1, gehörte also zu jenen Personifikationen negativer Vorweltszustände wie Schu als „Leere", Huh als „Endlosigkeit", Amun als das „Verborgene", Niu als das „Nichts". Dieser farblose Tefen hat dem eindrucksvollen kosmischen Begriff Schu Platz machen müssen, aber ihm seine Gefährtin Tefnut hinterlassen, weil zu deren Ersetzung durch ein kosmisch bestimmtes weibliches Wesen kein Anlaß bestand: Nut, der Himmel, war bereits mythisch als Partnerin an Geb, die Erde, gebunden. Andererseits war die Vorstellung von der „Trennung des Himmels von der Erde" aus der Schöpfungslehre des Atum nicht zu lösen; sie war wahrscheinlich älter2, jedenfalls natürlicher begründet, als die Geschichte von Schu und Tefnut. Man zeigte in Heliopolis heilige Stätten, die als Kultorte von Schu und Tefnut galten, die „obere" und die „untere Menset", nach der Namensbildung vielleicht ihre Erzeugungsstätten3. Aber das waren ebensowenig naturgewachsene Kulturorte wie die angeblichen Heiligtümer von Geb und Nut, vielleicht nur Beikulte des Atumtempels geschichtlicher Zeit. Tefnut gewinnt erst ein eigenes Wesen, als das Urgötterpaar von Heliopolis auf dem Wege des Analogieschlusses aus der Zweiheit Angleichung an ein heimisches Kultpaar fand, das Löwenpärchen von Leontopolis nördlich Heliopolis4, und auf demselben Wege in die vielwendige Sage von den beiden Gestirnaugen (Sonne und Mond) des Himmelsgottes eingeschaltet wurde8. Das heliopolitanische System hat auch dem Atum ein weibliches Komplement zugeordnet, indem man die „Hand" des Atum personifizierte6. Schon die Pyramidentexte kennen diese 1 Pyr. 317a vgl. Pyr. 288 ein Tefenet-Paar: S e t h e , Kommentar I S. 391 „Onnos hat als kleines Waisenkind mit der Schwester gerechtet" und Äg. Wb. V S. 299. Ein Skorpion namens Tefen in einem magischen Text auf der Metternichstele Z. 54/55. 2 So auch S e t h e , Urgeschichte § 71. 117. 3 Pyr. 1661/2. Schu als „Herr der oberen Mni.t in Heliopolis" auch Pyr. 1871'. S e t h e , Urgeschichte § 126. Zur möglichen Namensableitung K e e s , ÄZ 57 S. 111 und Äg. Wb. I I S. 88 (mnil). 4 Vgl. Pyr. 447 „Atum und das Löwenpaar" mit der Glosse: „Das ist Schu und Tefnut". 5 Tefnut als Mondauge, als eine der Sonnenbarken, als Uräusschlange (Uto) usw. s. u. S. 235f. 6 Auch das gewöhnliche Wort für Hand hat weibliches Geschlecht.
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Drittes Kapitel.
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Göttin unter der Umschreibung „(als) sie kam, war sie groß", einen Namen, den Plutarch als „ S a o s i s " wiedergibt 1 . Da sie „nördlich von Heliopolis" genannt wird, besaß sie dort, wo das Reheiligtum auf dem „hohen Sande" lag, eine Kultstätte, die wahrscheinlich als die Geburtsstätte der beiden Kinder des Atum, Schu und Tefnut, galt. Dort soll eine heilige Akazie gestanden haben, die „Tod und L e b e n " umschloß 2 . Diese Saosis ist entweder identisch oder- eine mythologische Dublette zu einer heliopolitanischen „ H a t h o r " , die den Beinamen „Herrin von H e t e p t " führte 3 . Die Schreibung beweist, daß es sich bei ihr wieder u m einen mythischen Ort handelt, denn das Wort bezeichnet den weiblichen Geschlechtsteil. Auch die heliopolitanische Hathor nahm dann, wie in Memphis die Göttin der „südlichen Sykomore", vielleicht ebenfalls unter Anknüpfung an einen heiligen Baum den Hathornamen an, u m als Mutter des Horus gelten zu können 4 . Ich erwähnte schon, daß die heliopolitanische Sage dem Atum die gleiche Schöpfungsart durch seine Hand zuweist, wie sie bei den vorgeschichtlichen Minbildern aus Koptos vorausgesetzt ist. Ob hier eine Beeinflussung vorliegt, ist nicht nachzuweisen, jedenfalls nicht undenkbar. Die Priorität der Erfindung wäre dabei eher dem Min zuzuerkennen, als dem Atum, dessen Gestalt rein spekulativer Herkunft ist. Zufolge einer seltsamen Verkettung der religiösen Vorstellungen ist dann die „Grotteshand", wie Erman gezeigt hat, aus dem heliopolitanischen Erbe in den Amonskult nach Theben übergegangen 5 . „Gotteshand" heißt in Theben, seit Anfang des N R nachweisbar, die theoretische 1 iwJ P y r . 1210. P l u t a r c h de Iside 15 n e n n t Saosis als N a m e der Königin von Byblos in der Osirissage (neben Astarte), er meint also „Hathor". 2 U r k . V I 20 (spät). 3 Die jüngeren T e x t e v e r b i n d e n beide weiblichen K o m p l e m e n t e des A t u m synkretistisch, was f ü r u n s die T r e n n i m g der K u l t b e s t ä n d e ers c h w e r t : Man n e n n t sie „die H a n d des A t u m " , „ H a t h o r von H e t e p , die Saosis . . . die G o t t e s h a n d , die Schu u n d T e f n u t g e b a r " E d f o u I S. 86. 100 u . a. vgl. A. E r m a n , Beiträge zur ä g y p t . Religion. Sb. Berl. A k a d . 1916 S. 1145f. 4 Zu der V e r b i n d u n g m i t einem B a u m k u l t s. o. S. 86 u. S. 286. 5 A. E r m a n a. a. O. S. 1147f. Die Göttin „seine H a n d " (drt.f) als Schutzgottheit auf Särgen der Herakleopolitenzeit aus Assiüt. C h a s s i n a t , Bullet, inst. f r . 10 S. 159. s. u . S. 326.
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Gottesgemahlin des Amun, seine von der rangältesten Prinzessin des Königshauses dargestellte Priesterin. D a s Weltbild. Geb und N u t Das Eindringen des Schu in eine entscheidende Stelle des Urgötterkreises zeigt, wie stark die heliopolitanische Lehre kosmische P e r s o n i f i k a t i o n e n bevorzugte. Die Heliopolitaner sind hierin in Ägypten richtungweisend vorangegangen. Selbständige Ansätze zur kosmischen Ausweitung der Lokalgottheiten waren an den verschiedensten Stellen des Landes gemacht worden1. Aber es ist mit Recht in den Darstellungen der ägyptischen Religion betont worden, daß H e l i o p o l i s das Verdienst zufällt, Naturmythen zu einem geschlossenen System ausgebaut zu haben. Damit erhielt sein Götter kreis eine ungeheure Weite anderen Kulten gegenüber. An die Stelle wirkungsbeschränkter Naturmythen rückte Heliopolis entscheidend die Weltenumspannung des Himmels und des Bereiches seiner Gestirne. Im ägyptischen Weltbild begegnet uns eine einfache sachliche Formel, daß der Himmel, so wie ihn das Schriftbild v = , darstellt, zwar „erhöht", aber als flache Decke, wie sie alle ägyptischen Monumentalbauten zeigen, gebildet ist (Abb. 6)a. Er ruht auf vier Himmelsstützen wie ein Baldachin; von ihm hängen die Gestirne rein gegenständlich empfunden herab. Dieser obere Himmelsabschluß konnte sein umgekehrtes Gegenstück (>—i
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8 Ed. M e y e r , Ägyptische Chronologie (Abh. Berl. Akad. 1904. 1907). S e t h e , Die Zeitrechnung der Ägypter. Gött. Nachr. 1919/20 u. a. Nach P. V. N e u g e b a u e r , Hilfstafeln z. astron. Chronol. zu Taf. 21 ist astronomisch richtiger zu setzen 2773, bzw. 4231 v.Chr.; vgl. O . N e u g e b a u e r , Acta orientalia 17 (1938) S. 175. 4 S e t h e , Gött. Nachr. 1919 S. 308 Anm. 3 weist daraufhin, daß bereits L e t r o n n e u n d L e p s i u s diese Erkenntnis vertraten; vgl. das Wort von L e p s i u s , Chronologie S. 179 „Eine Kalenderreform setzt ohne Zweifel einen kräftigen und geordneten Zustand des Reiches voraus, in welchem eine solche in alle Verhältnisse der Religion und des Lebens tief eingreifende Maßregel unter einer mächtigen Regierung zur Überlegung und Ausführung gelangen konnte"! 6 S e t h e , ÄZ 44 S. 26 hierzu K e e s , Kulturgeschichte S. 301.
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Junker wertete dann dies Datum 4236 v. Chr. unmittelbar als Gründungsjahr des heliopolitanischen Einheitsreiches1. Bei dieser kühnen Konstruktion lag die Gefahr nahe, denselben Fehler zu begehen, den Borchardt bei dem mißglückten Versuch machte, auch das Einigung^werk des Menes, die Reichsgründung, auf das Jahr 4236 v. Chr. hinaufzusetzen2. Alles was wir heute von vorgeschichtlichen Kulturen in Ägypten übersehen, widerspricht einem Einheitsstaat entschieden. Auch schwere sprachliche Bedenken gesellen sich zu den geschichtlichen. Sethe selbst hat in glänzenden Textanalysen gezeigt, daß der sprachliche Charakter großer Teile der Pyramidentexte, und zwar gerade nicht der allerjüngsten Sprüche, mit dem der „dramatischen Texte" des Königsfestspiels, des sog. Denkmals memphitischer Theologie und des Mundöffnungsrituals für die Statuen übereinstimmt8. Diese Werke aber bilden Teile des t h i n i t i s c h e n K ö n i g s r i t u a l s . Sollte nun die Sprache, welche die dramatischen Texte in den Götterreden getreu beizubehalten strebten, in über 1000 Jahren sich so wenig geändert haben, daß jene vorgeschichtliche Periode dem geschichtlichen Einheitsreich bereits die ganze Ausdrucksweise, aber auch die gesamte gedanklich-religiöse Begriffsbildung vorwegnehmen konnte ? Von Seiten der Religionsgeschichte ergeben sich überdies gegen die Verlagerung der entscheidendsten Formungen in die vorgeschichtliche Zeit dieselben grundsätzlichen Einwände, die seiner Zeit Ed. Meyer gegen die alten Vertreter der „langen Chronologie", die Menes und die Thiniten ins 5. Jahrtausend hinaufschoben, anmeldeten: Die heliopolitanische Religionspolitik von der Thinitenzeit bis zur Höhe des AR würde eine blasse Neuauflage vorzeitlicher Wirklichkeiten! Und das heißt, Leute wie Imhotep und andere geistige Führer dieser Zeit aus Heliopolis gewaltsam herabsetzen. Eigenes bliebe für sie kaum mehr übrig. 1 Festschrift für P. W. Schmidt S. 898; Völker des antiken Orients S. 17. 2 Annalen und zeitliche Festlegung des Alten Reiches (1917); dagegen E d . M e y e r , Die ältere Chronologie Babyloniens, Assyriens und Ägyptens (1925) S. 40f. T. E. P e e t , JEA 6 (1920) S. 149f. Diese Arbeit Borchardts verbirgt geschickt hinter scheinbarer mathematischer Gewissenhaftigkeit innere Unzuverlässigkeit; sogar S e t h e ließ sich zeitweise davon beeinflussen; vgl. S e t h e , Gött. Nachr. 1919 S. 308. 3 S e t h e , Dramatische Texte (Unters. 10) 1928.
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Überdies verstärken sich neuerdings die Bedenken gegen das Bestehen einer Sothisjahresrechnung vor dem AR. Die „fünf überzähligen Tage des Jahres" werden zuerst in Festkalendern des AR, also nach Djoser genannt 1 . Außerdem kommt die „Geburt der Götter" an den fünf zusätzlichen Tagen des Jahres in einem Pyramidentext vor, der sprachlich völlig auf der Stufe des AR steht und auch erst unter Phiops II. unter den königlichen Totentexten erscheint2. Alle darüber hinausgehenden Versuche von B o r c h a r d t , innerhalb der Thinitenzeit, also vor 2776 v. Chr., aus Jahresnotizen in den Königsannalen entscheidende Zeugnisse für Kenntnis des Sothisjahres zu 365 Tagen nachzuweisen3, sind fehlgeschlagen. Daraufhin ist der Gegenstoß nicht ausgeblieben. Ein führender Vorgeschichtsforscher wie S c h a r f f , daneben R. Weill und andere treten für die Einführung des Sothisjahres um 2776 v. Chr. (genauer 2773 y. Chr.) ein, d. h. zur Zeit des D j o s e r und Imhotep 4 . Diese Lösung hat den Vorzug, mit der überlieferten Geschichte am besten übereinzustimmen. Die Kalenderreform rückt an einen geschichtlich beglaubigten Höhepunkt des heliopolitanischen Einflusses, an dem auch die älteste bildliche Darstellung der „Neunheit" bezeugt ist 6 . Beides verweist wieder auf die überragende Persönlichkeit des Imhotep, des ersten namentlich bekannten „Größten der Schauenden" von Heliopolis. Neuerdings hat der IVfathematiker O. N e u g e b a u e r überhaupt die Möglichkeit bestritten, daß die heliopolitanischen Astronomen, wie dies Borchardt und Ed. Meyer voraussetzten, die notwendigen Kenntnisse zu solchen Berechnungen besaßen6. Er selbst sieht in der Wiederkehr der Nil1 Z. B. im Festkalender des Sonnenheiligtums des Neuserrê v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum III Bl. 28 Nr. 432. 2 Pyr. 1961c; hierzu S e t h e , Zeitrechnung der Ägypter. Gött. Nachr. 1919 S. 304 „Das Jahr". 8 Annalen und zeitliche Festlegung des Alten Reiches (1917) s. o. S. 261 Anm. 2. 4 S c h a r f f , . Grundzüge der ägypt. Vorgeschichte (1927) S. 54f. R. W e i l l , Bases, méthodes et résultats de la chronologie égyptienne. Compléments (Paris 1928). K e e s , Kulturgeschichte S. 301. H. E. S t i e r in der Neuauflage von Ed. M e y e r , Die ältere Chronologie Babyloniens, Assyriens und Ägyptens. 5 Von einem kleinen steinernen Schrein in Heliopolis mit Namen des Djoser (Turin) vgl. Urk. I 153. 6 O. N e u g e b a u e r , Acta orientalia 17 (1938) S. 175f. Seine scharfe und ironische Ablehnung der Annahme einer hochentwickelten Astro-
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schwelle und den jährlichen Aufzeichnungen darüber, die im Mittel zwangsläufig eine Art „Niljahr" von 365 Tagen ergaben, den Ausgangspunkt des ägyptischen Kalenders. Eine ungefähre Beobachtung über das Wiedersichtbarwerden der Sothis am Osthimmel vor Sonnenaufgang sei später dazugetreten, und man habe als eine Art Bauernregel diesen Stern zur Künderin der nahenden Überschwemmung und des Jahresbeginns gemacht. Immerhin bliebe es dem heliopolitanischen Gestirndienst vorbehalten, daß seine Beobachtungen eine gewisse Bedeutung für den Kalender erlangten, und sicherlich hat die erwähnte mythologische Erklärung der 5 Epagomenentage als „Geburt der Götter" als heliopolitanische Lehre allgemeine Geltung erlangt. Aber alles dies braucht nicht älter zu sein, als der Beginn des memphitischen Reiches und die Zeit des Djoser und Imhotep. Der äußerliche Einbau des Osiriskreises in die Mythen von Heliopolis war nicht schwierig. So wie man die Befriedung des Horus und Seth in die Halle des Geb nach Heliopolis verlegt hatte 1 , konnte dies auch bei dem Streitfall des Osiris gegen Seth geschehen. „Der Himmel zittert, die Erde bebt, wenn Horus kommt und Thot erscheint, damit sie Osiris von seiner Seite aufrichten und ihn vor den beiden (!) Neunheiten auftreten lassen (als Kläger). Bedenke, Seth, und nimm es dir zu Herzen, dies Wort, das Geb sprach, diesen Schuldspruch, den die Götter gegen dich richteten im Fürstenhause zu Heliopolis, weil du Osiris zu Boden strecktest." Genau wie bei dem staatlichen Gericht vor den Notabein erfolgte also der Spruch in Form eines „Schuldig" gegen Seth und eines „Spruches zugunsten des Gottesvaters (Osinomie angesichts des nachweisbaren kulturellen Standes der fraglichen Periode (ausgehende Negadazeit: Meädi) ist eine verständliche Reaktion auf ihre schrankenlose Überschätzung durch B o r c h a r d t , die sich hauptsächlich gegen dessen letztes Werk „Die Mittel zur zeitlichen Festlegung von Punkten der ägyptischen Geschichte und ihre Anwendung" (Kairo 1935) richtet. Auf die Frage der Herkunft der 5 Epagomenentage geht N. nicht ein, das ist der schwache Punkt seiner Beweisführung, die das Sothisjahr für die ganze ältere Zeit, also auch für 2773 v. Chr. als Grundlage der Jahresrechnung streichen will. Vgl. die zustimmende Stellungnahme v o n S c h a r f f , Historische Zeitschrift Bd. lftl (1939) S. l f . ; ablehnend J u n k e r , Giza I V S. 27. 1 S. o. S. 240.
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ris)". So schildern es schon die Pyramidentexte1. Osiris ist nun „der Erbe des Geb, der König der Götter . . . der König beider Länder", „dem Sieg verliehen ist vor Geb und der versammelten Neunheit", wie es ein im MR weitverbreiteter Hymnus auf Osiris ausdrückt2. Auf Veranlassung des uralten Atum, verkündet durch den Mund des Geb, soll dem Osiris die Weltherrschaft gegeben werden3: „Dir ist der Himmel gegeben, dir ist die Erde gegeben, das Binsengefilde, die horischen und die sethischen Stätten, dir sind die Orte gegeben, dir werden die Gaue vereinigt, sagte Atum. Der es befürwortete (beantragte), war Geb." Die A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n R6 und Osiris Die innere Auseinandersetzung, die die Einschaltung des Osiris in die heliopolitanische Lehre hervorrief, gehört zu den interessantesten Erscheinungen der älteren ägyptischen Religionsgeschichte4. Die Naturmythen, die sich schon in Busiris an die Herrschergestalt des toten Osiris bei seiner Ausweitung zu einem universalen Naturgott geheftet hatten5, waren der jüngsten Entwicklung der heliopolitanischen Lehre zum Sonnenglauben völlig entgegengesetzt. Der aus seinem Grabe Fruchtbarkeit spendende Gott Osiris konnte in Heliopolis wohl an Atum oder Geb anknüpfen, viel schwerer an Re, mit dem er vor allem auf dem Gebiet der Jenseitsvorstellungen in stärksten Widerspruch geriet. Allerdings verstand es die Theologie, auch Anknüpfungspunkte zu finden. Das urzeitliche Auftauchen der Sonne, ihre tägliche Neugeburt aus Nut konnte ein Gleichnis zur Auferstehung des toten Osiris, der nun auch zu den „Kindern der Nut" zählte, sein. Schließlich hatte die heliopolitanische Lehre bereits die nicht minder kühne Gleichung Re-Atum vollzogen. Trotzdem ist eine wirkliche Gleichsetzung des Osiris mit dem Sonnengott Re als Tagesgestirn kaum je, wenigstens in der älte1 Pyr. 956/57. Pyr. 959 enthält dann ein Wortspiel, das die Entstehung der Gleichsetzung des Osiris mit Orion (&]h) aus einer Aussage des Seth erklärt: „Er war es doch, der mich betreten (¿lh) hat." 2 E e e s , Lesebuch S. 16. 8 Pyr. 961. 4 B r e a s t e d , Development of religion and thought (1912) S. 142ff. K e e s , Totenglauben S. 226f. 5 S. o. S. 112f.
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ren Zeit nicht, versucht worden1. Zur Annäherung begnügte man sich, daß Osiris „eine Seele des Re und (auch) dessen Leib" sein soll2. Dagegen nehmen die Anknüpfungen des Osirisschicksals an die Mondphasen viel deutlichere Gestalt an, sie stärkten wiederum auf heliopolitanischem Boden die ältere Art des Gestirndienstes. Die Annäherung wird in einem Saigtext für das „Kennen der Seelen des Neumondtages", jenes altheliopolitanischen Hauptfeiertages, besonders unterstrichen3. Diese „Seelen" zu kennen erscheint gleichbedeutend mit dem Eintritt in das Haus des Osiris in Busiris und dem Erleben der dortigen Mysterien des Osirisgrabes. Die Herstellung des zerstückelten Osiris und die Arbeit in der Leichenhalle durch die Kunst des Bestattungspriesters wird ein Symbol der Herstellung des verletzten Mondauges4. Dabei findet sich der bei beiden Vorgängen typische Verdacht angedeutet von einem fehlenden Teil des Osiris, der in der Hand des Anubis als des Balsamierungspriesters blieb, und ebenso von einem solchen des verletzten Auges (anscheinend 3/10), der in der Hand des revidierenden Gottes (Thot) wäre5. Aus der Parallele zwischen Mondschicksal und Osiristod erklärt sich auch die nur in alten Texten angedeutete, später anscheinend völlig unterdrückte Vorstellung, daß Thot als Bruder des Osiris und Seth am Tode des Osiris mitschuldig sei und auf Seiten des Seth stand®. Deshalb verwahren sich die Totentexte des Königs, der selbst die gefährliche Sethnatur in sich barg, gegen diese Sünde: „König NN. hat das Auge des Horus nicht verschluckt (wie Seth), so daß die Menschen sagen könnten, er sterbe deswegen; er hat auch nicht ein Glied vom Osiris ver1 Allerdings kommen in pantheistischen Osirishymnen des N B auch Wendungen vor wie „Deine Majestät ist frühmorgens als Re da", z. B. Louvre C 218 = K e e s , Lesebuch S. 17. 2 So in dem berühmten Hymnus der Pariser Stele K e e s , Totenglauben S. 63 (wohl in der Herakleopolitenzeit verfaßt). 3 S e t h e , Göttinger Totenbuchstudien von 1910 S. 27f., vgl. K e e s , Totenglauben S. 322f. Der Text stammt aus der Herakleopolitenzeit. 4 S e t h e dachte an eine Sonnenfinsternis. 6 Zur Mathematik des Horusauges Möller und J u n k e r , ÄZ 48 S. 99 f. 6 Pyr. 163d. 173a. 176a. Hierzu S e t h e , Kommentar I S. 76f. Dramatische Texte S. 111. Vgl. K e e s , Totenglauben S. 168. 209f. 322f. und oben S. 49. 184. Sethe machte darauf aufmerksam, daß Thot als eins der 6 Kinder der Nut ursprünglich an Stelle des Haroeris gestanden haben könnte.
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schluckt, so daß die Götter sagen könnten, er sterbe deswegen1!" Die Voraussetzung wird dabei die gewesen sein, daß man beider Vergehen den Seth beschuldigen konnte. Von der k u l t i s c h e n Seite betrachtet erscheint die Verbindung des Osiris mit Heliopolis sehr locker; sie blieb viel theoretischer als in Memphis, wo Osiris im erdhausenden Sokar einen festen Anknüpfungspunkt fand. In Heliopolis kommen die Gleichsetzungen des Osiris mit Nebenkulten gegenüber der Sonnenlehre zunächst wenig zur Geltung. Osiris verband sich mit dem geheimnisvollen Tausendfuß Sepa, dessen Heiligtum unweit des heliopolitanischen Nilhafens bei Alt-Kairo lag2. Dort konnte Osiris als Bringer der Überschwemmung, insbesondere als Herr des „unterägyptischen Niles, der aus Heliopolis kommt", sich sinngemäß einfügen3 und als Osiris-Sepa sogar in der Spätzeit eine Stellung „an der Spitze der Seelen von Heliopolis" beanspruchen4. Weiter nannte man den Phoinixreiher „Seele des Osiris", wie vorher „Seele des Re" 5 . Vielleicht knüpft auch die beliebte Bezeichnung des Osiris als „Pfeiler" (Iun) gewollt an das heliopolitanische Mal an. Dabei benutzt man die beiderseitige Geltung als Mond, und diese blieb den Ägyptern das Wesentliche 6 . Die Spätzeit nennt für Heliopolis als Osirisreliquien7: „Heliopolis besitzt Szepter und Geißel, der 1 Pyr. 1460. Der fehlende Teil ist nach späterer Überlieferung meist der Phallus. Ihn soll der Phagrus und der Oxyrynchusfisch verschlungen haben: Plutarch de Iside 16. Der alte Sargtext beschuldigte offenbar den Totengott Anubis (Hund) selbst; vgl. oben S. 30. 185. 2 S. o. S. 60. K e e s , ÄZ 68 S. 85. S e t h e , Urgeschichte § 109. Als benachbart wird gelegentlich die Osiriskultstätte „der große Säger" (itf wr) genannt; vgl. Tinten S. 403 Anm. 3. 3 S e t h e , Urgeschichte § 109Tvgl. ÄZ 44 S. 17 (Gegenstück: „der oberägyptische Nil, der in Bige (Abaton) wohnt"; vgl. unten S. 408 (Abaton). 4 ÄZ 58 S. 87. Die Füllung des Sepa mit den Gottesgliedern soll nach der Erklärung des Rituals für die Choiakfeste (Dendera) gleichzeitig mit der Wiederkehr des Gottesleibes des zerstückelten Osiris ein Symbol der Wiederkehr des „vollen" Wassers der Überschwemmung sein. Ähnliches auf dem Abaton s. u. S. 409. 5 Tb. Kap. 17 (Urk. V 17). Glosse des NR zu „jener großen Phoinix, der in Heliopolis ist": „das ist Osiris"; zum Baikult des Osiris s. u. S. 321. 6S.O.S. 130.165; vgl. Edfou I S. 39 zum Horus von Edfu als Herr des 1. und 15. Monatstages: „er ist der Iunu, der in der Nacht aufgeht" u. a. 7 B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1366 = Edfou I S. 333; vgl. K e e s , ÄZ 58 S. 86.
2. Heliopolis
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heilige Sepa (Osirisleib) ist voll von seinen Dingen (Gottesglieder).'' Ich habe absichtlich zeitlich weit vorausgegriffen, um zu zeigen, daß Osiris sich ausschließlich an chthonische Nebenkulte im heliopolitanischen Gebiete anschloß, und somit vorerst unter der eindeutigen Vorherrschaft des heliopolitanischen Sonnenglaubens als Fremdkörper wirkte. Auch die Anknüpfung an Atum unterblieb; dort stand die solare Formung Re-Atum im Wege. Der Einzug des Osirisglaubens mußte gerade die Gedanken stützen, die der Sonnenkult mit aller Kraft zurückzudrängen versuchte. In der Tat hat der Osiriskult bei seiner Ausbreitung im Lande sich unverkennbar in diesem Sinne ausgewirkt. Er steht in der Folgezeit der Durchführung eines einheitlichen solaren Reichskultes in Ägypten hindernd im Wege. Innerhalb des heliopolitanischen Einflußgebietes des AR spürt man den Beginn der Auseinandersetzung um die Jenseitsvorstellungen. Der Osirisglaube hätte himmlisch gedeutet auf eine Verbindung des Toten mit Mond und Sternenwelt (Orion, der Sternenfürst, als Seele des Osiris) führen können. Totentexte, die solche Gedanken ausführen, finden sich unter den Pyramidentexten nicht selten 1 : ,,Du bist jener große Stern, der Gefährte des Orion, der den Himmel mit Orion durchfährt und die Dat (Unterwelt) mit Osiris durchreist. Du steigst auf der östlichen Seite des Himmels empor, indem du dich erneuerst zu deiner Zeit und dich verjüngst zu deiner Stunde. Nut hat dich zusammen mit Orion geboren und das Jahr hat dich mit Orion gekrönt", so spricht man zum göttlichen König 2 . Oder man zieht die Gleichung noch enger 3 : „Siehe er kommt als Orion, Osiris, der c.ls Orion wiedergekehrt ist, der Herr des Weins am Uagfeste . . . Dich empfängt der Himmel zusammen mit Orion, dich gebiert die Dämmerung zusammen mit Orion." Auch Orion gehörte zu den zahlreichen Kindern der Nut. Als ansehnlichstes Gestirn des Südhimmels bildete er mit seinem Trabanten Sothis das Gegenstück zum Sternbild des großen Bär am nördlichen Himmel, dem „Schenkel", der als Gestirn des Seth galt. So standen auch für den Astrologen Osiris-Orion und Seth am Himmel in Opposi1 K e e s , Totenglauben. S. 207f. und zum Orion S. 132f. 2 Pyr. 882/83. 8 Pyr. 819/20.
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tion 1 . Orion fand Aufnahme unter die „Seelen von Heliopolis" 2, aber seine Geburtsstunde ist die Dämmerung des Abends, sein Herrschaftsbereich der Nachthimmel. Immerhin konnte Osiris als „großer Gott, Herr des Westens", der nun zugleich zum „Herrn des H i m m e l s " erhoben wurde, aus dem Totenglauben heraus dem Sonnengott Re zum ernsten Nebenbuhler werden. Das spürt man an den Totengebeten der Privatgräber vom Ende der 5. Dynastie an 3 . Und doch, so sehr man sich bemühte, Osiris auch als „Herrn des Himmels" erscheinen zu lassen und damit sein unterirdisches Totenreich aufzuhellen, die Schatten dieses Reiches ließen sich nicht bannen. Selbst wenn man den Gottkönig im Jenseits den Thron des Osiris als „Stellvertreter des Herrn der Westlichen (Chontamenti)" einnehmen lassen will, stellen sich als seine Untertanen zwangsläufig „die mit geheimen Sitzen", d. h. „die Bewohner der Gräber" ein, die im Totenreich des Westens hausen4. Anders kann man sich die „Stätten des Osiris" gar nicht vorstellen6. Ihnen gegenüber bleibt der offene Protest der Himmelfahrt bestehen 6 : „Er (der König) hat eure Randberge geteilt, ihr Toten; er hat eure Grenzsteine umgestürzt, ihr, die ihr vor und bei Osiris seid. Er hat die Pfade des Seth besprochen und ist an den Boten des Osiris vorbeigegangen. Kein Gott kann ihn festhalten." Erlösung bringt ihm der Sonnengott Re 7 : „Er (der König) kommt zu dir, damit er von den (Mumien)-Binden gelöst und von den Wickeln ent1 B r u g s c h , Thesaurus S. 80f. 121f. W a i n w r i g h t in Studies presented to Griffith S. 373f.; JEA 22 S. 45f. 2 K e e s , Totenglauben S. 207 zu Tb. Kap. 23. 3 S. u. S. 270f. zum „großen Gott". 4 Pyr. 2021/22 bzw. 1641; vgl. K e e s , Totenglauben S, 206. 5 Pyr. 218. Der von R. W e i l l , Le champ des roseaux et le champ des offrandes (1936) unternommene Versuch, dem solaren „Binsengefilde" ein osirianisches „Opfergefilde" gegenüberzustellen ist, soweit es das Opfergefilde betrifft, nicht geglückt vgl. K e e s , Totenglauben S. 134 und die Besprechimg von B o n n e t , OLZ 1937 S. 91 f. 6 Pyr. 1236/1237a; vgl. K e e s , a a. O. S. 206. 7 Pyr. 349/60; ähnlich Pyr. 145b „Re-Atum hat dich nicht dem Osiris übergeben". S e t h e , Kommentar II S. 62 bemerkt richtig „Osiris ist hier also bereits als Totengott, Totenherrscher und -richter gedacht, und mit keinem Gedanken ist daran gedacht, daß der Tote mit ihm identisch sein könnte". Vgl. auch oben S. 246 zu Pyr. 308.
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bunden sei. So hat er auch (König) NN. von Cherti befreit 1 und ihn n i c h t dem Osiris überlassen. D e n n er ist nicht Todes g e s t o r b e n (wie Osiris), sondern im L i c h t land v e r k l ä r t und dauernd geworden an der Dauerstätte." Der Sonnenglaube hat auch sonst die Niederlage des Osiris gegenüber den feindlichen Mächten und deren Gleichsetzung mit Nacht und Dunkelheit benutzt, um seine Überlegenheit für das Leben herauszustreichen. Man vertraute dabei auf die im Volke verwurzelte Abneigung gegen die Geister der Nacht. Selbst der tote Osiris mußte in der Leichenhalle bei Nacht durch allerlei Schutzmaßnahmen vor den Anschlägen der Feinde geschützt werden. Man teilt ihm die „Stundenwachen" ein, zündete die Lampen zum Schutz an, wie man dies an hohen Feiertagen während der Nacht in Tempeln und Gräbern tat. Die brennende Lampe bedeutet das schützende Horusauge2 oder den Uräus: „Deine Kopfzier hält den Seth ab, das gütige Mädchen,, das für diesen Verklärten des Gazellenlandes (Osiris) wirksam ist3." Den Osiris aber läßt man bitten 4 : „Ihr, die ihr mich umgebt, die ihr mich seht, verteidigt die Türen für mich, damit nicht der, der mir Leid antat, mir nahekommt, wenn er mich von Dunkelheit umfangen sieht." Deutlich werden dabei unter dem Namen des Seth und seiner Bande alte Dunkelheitsdämonen erkennbar. Somit stellt sich ungezwungen die Wiederkehr des Lichtes mit Tagesanbruch als endgültiger Sieg des Osiris über seine Feinde dar;R§ s e l b s t w e c k t den Osiris aus dem T o d e s s c h l a f : „Der Große, der auf seine Seite gefallen war, der in Nedit regungslos daliegt, sein Kopf wird durch Re aufgerichtet, sein Abscheu ist Schlaf"5. Man grüßt dann Osiris und den königlichen Toten als Osiris wie im Leben mit einem Morgenlied: „Mögest du in Frieden erwachen, Osiris erwachte in Frieden," denn auch „Re erwachte in Frieden"8. Noch deutlicher klingt es aus Sargtexten des MR, die anscheinend das Ritual der Stundenwachen be1 Cherti, (Hrtj), Widdergott v o n Letopolis, also Westlandsgott s. o. S. 79. 2 L a c a u T R 89 = d e B u c k , Coffintexts I 2 1 6 f . (spell 49) „Teilt den Stundendienst ein, bis Horns aus Heliopolis zurückkehrt (als Harachte)"; K e e s , Totenglauben S. 400. 3 Pyr. 1487; vgl. K e e s , Totenglauben S. 229. 4 Tb. Kap. 78 (Harhotep Z. 347/55); K e e s , ÄZ 59 S. 70. 5 Pyr. 721/22. 6 Pyr. 1502. 1518; vgl. K e e s , Totenglauben S . 225.
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nutzen 1 : „Die Erde wird hell, erwache du, der regungslos in Nedit ruht, sogleich." So wurde schließlich auch das Königtum des Osiris ein Abglanz der einstigen Herrschaft des Re 2 : „Die beiden Länder waren erfreut darüber, daß er auf dem Thron seines Vaters (Geb) erschienen war, wie Re, wenn er am Horizont aufgeht und Licht spendet nach der Finsternis." Von dieser Einbettung in heliopolitanische Gedankengänge hat sich der Osirisglaube, soweit er sich als Kultform in der Folgezeit nach Oberägypten ausbreitete, nicht wieder freigemacht 3 . Sie bildeten später einen wichtigen Bestandteil seiner universalen* Gottesnatur. Osiris als Totenherrscher blieb aber eine Einschränkung für das Machtbereich des Sonnengottes. Wenn Heliopolis trotzdem die Osirislehre so weitgehend berücksichtigte, so gab wieder das Vorbild des Königtums den Ausschlag. In allen Ritualen, die wir mit einigem Recht als geistige Erzeugnisse der Thinitenzeit ansprechen können, herrscht die Deutung mit Gleichnissen der Osirissage, vom Schlachtritual für das Stieropfer angefangen bis zur Aufrichtung des busiritischen Djedpfeilers im Kreise der Königsfeste. Unzweifelhaft hatte der Osirisglaube unabhängig von der politischen Stellung seines Heimatgaues Busiris als Vorort des Ostdeltas eine ungewöhnlich starke Werbekraft. S e t h e spricht in diesem Sinne von einer „durchaus persönlich gearteten Bekennerreligion"4. Diese Macht hat Heliopolis selbst auf die Gefahr hin, seiner eigenen Entwicklungslinie zum reinen Sonnenkult untreu zu werden, aufzufangen gesucht, um sie für seinen Totalitätsanspruch einzusetzen. Genau wie es Heliopolis bei der Aufnahme von Horus und Seth getan hatte, nahm man lieber eine Zwiespältigkeit in Kauf, um vorsichtig auch scheinbar widerstreitende Machtgruppen an sich zu ziehen. Die Heliopolitaner bewähren sich darin als Schüler der thinitischen Staatslehre. D e r „große G o t t " d e s A l t e n R e i c h e s Wir sind dem Begriff des „ g r o ß e n G o t t e s " , d. h. nach ägyptischem Sprachgebrauch des „größten" und „ältesten" Gottes, im 1 L a c a u T R 11; vgl. K e e s , Totenglauben S. 401. 2 Aus dem sog. großen Lied auf der schon oben genannten Pariser Stele der 18. Dynastie = K e e s , Lesebuch S. 28. Die Abfassungszeit ist wahrscheinlich die Herakleopolitenzeit. 8 S. u. S. 319f. (Herakleopolis); 407. (Abaton). 4 S. o. S. 114.
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Bereich der heliopolitanischen Lehre wiederholt begegnet, je nach dem Zusammenhang gebraucht für den Gottkönig, für Re als Himmelsgott, schließlich auch in den Totengebeten am Ende des AR für Osiris als „Herrn des Westens". Abweichend von dieser ziemlich allgemein anerkannten Auffassung1 erklärt Junker den „großen Gott" als Grundvorstellung der gesamten ägyptischen Religion, die durch alle Zeiten in Ägypten nachweisbar sei 2 . Zuletzt hat er dieselbe auch in der altertümlichen Bezeichnung „der Große" (Wr), die der Urgott Atum von Heliopolis, dann auch Ptah von Memphis und andere Götter seines Ranges führen, wiederfinden wollen3. Junker greift dabei auf die bekannte Naturmythe vom Himmelsgott mit den beiden Gestirnaugen zurück, spricht aber die Gleichsetzung mit dem Falkengott „Ilorus", die die geschichtliche Zeit beherrscht, als ein Ergebnis der Reichseinigungszeit an, die den Königsgott an die Spitze schob. In dieser Wahl eines Mythenstoffes als Grundlage der ägyptischen Religion begegnet sich Junker mit Brugsch. In neuerer Zeit wird die Voraussetzung eines höchsten Wesens,, eines u n i v e r s a l e n H i m m e l s g o t t e s , der v o n allem A n f a n g an neben den L o k a l g o t t h e i t e n s t a n d , am entschiedensten vertreten durch die Mödlingej- ethnographische Schule des P a t e r W. Schmidt, die grundsätzlich überall bei „Urvölkern" einen Glauben an ein höchstes Wesen oder wenigstens starke Spuren eines solchen zu finden glaubte 4 . Man prägte dafür den Begriff,, Urmonotheismus". Auch darin näherte man sich Anschauungen, wie sie von Brugsch, der dabei ausdrücklich seine Abhängigkeit von de R o u g e bekannte5, auch von Mariette, P i e r r e t , überhaupt den meisten älteren Ägypto1 K e e s , Totenglauben S. 30f. 49. 154. G a r d i n e r - S e t h e , Egyptian letters to the Dead (1928) S. 11 f. 2 J u n k e r , Giza II (1934) S. 47f. 3 J u n k e r , Die Götterlehre von Memphis. Abh. Berl. Akad. 1939 Nr. 23 S. 25f. 4 P. W. S c h m i d t , Der Ursprung der Gottesidee, bes. Bd. IV: Synthese (1936). Gegen diese Betrachtungsart wendet sich auch H. B o n n e t , ÄZ 76 S. 49. 6 B r u g s c h , Ägyptologie (1891) S. 169: „Dieser ausgezeichnete Forscher muß als der eigentliche Entdecker der priesterlichen Lehre von der Einheit eines höchsten Gottes . . . angesehen werden, desselben Gottes, den Iamblichos als ,den Einen, von sich selbst Bestehenden, Ewigen und Schöpfer aller Dinge' geschildert hat.''
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logen, vertreten wurden. Allerdings erklärten de Rouge, Brugsch und später noch A. Erman die Entwicklung der Vielheit mit der „Emanationsidee" (de Rouge); man setzte also eine Atomisierung der einheitlichen Grottesvorstellung durch Spaltungserscheinungen voraus, die indessen den Einheitsgedanken niemals ganz aus dem Bewußtsein der Ägypter verdrängt hätten. Bei Brugsch zeigt sich eine gewisse naive Genugtuung, daß schon bei den alten Ägyptern trotz ihrer so fremdartigen Göttergestalten Ansätze zu einem „reineren" Glauben höherstehenden Religionen vorhanden waren, eine Einstellung, die bei dem ganz im Banne der Fortschrittsidee wertenden Erman ihre deutlichste Ausprägung gefunden hat 1 . Letzten Endes geht diese ganze Betrachtungsart auf die Antike zurück, besonders gewisse philosophierende Schichten des Hellenismus, die aus der geheimnisvollen Weisheit der Ägypter das Vorbild ihrer eigenen Vorstellungen von der göttlichen Weltordnung herauslesen wollten2. Brugsch erklärte3: „Die zahllosen Fälle, in welchen der Ägypter von Gott spricht oder sich an Gott wendet, erwecken den Glauben, als sei bereits in frühesten Zeiten der ägyptischen Geschichte der eine namenlose, unerfaßliche, ewige Gott in seiner höchsten Reinheit von den Bewohnern des Niltales bekannt und verehrt worden." Ich greife gerade diese Stelle heraus, weil Brugsch anschließend daran ebenso wie Junker die Weisheitslehren als Beweis für die stete Bewußtheit dieses reineren Glaubens im Ägyptertum heranzieht. Junker selbst hat seine Anschauung dahin zusammengegefaßt 4 : „Auf der einen Seite eine hohe Auffassung eines universalen Welt- und Himmelsgottes, auf der anderen, nach Gauen gesondert, ein tiefstehender Kult verschiedener Tiere. Nach einer uralten Vorstellung der Ägypter existierte ein Wesen, das die Welt erschaffen hat und erhält, ein Gott, dessen beide Augen Sonne und Mond sind . . . Diese Auffassung des Gottes bleibt bis 1 Hierzu meine Auseinandersetzung mit A. E r m a n : Grundsätzliches zur Aufgabenstellung der ägyptischen Religionsgeschichte. GGA 1936 S. 49f. 2 Für diese Fernwirkung beachtenswert Brugschs Berufung auf Iamblichus, ebenso jetzt die von J u n k e r , Giza II S. 48 auf Eusebius. 3 Religion und Mythologie S. 90 vgl. Ägyptologie S. 164. 4 Junker-(Delaporte), Völker des antiken Orients (1933) S. 31.
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zum Schlüsse der ägyptischen Religion bestehen. . . . Der Glaube an den Himmelsgott, dessen Augen, Sonne und Mond, Tag und Nacht über den Menschen wachen, geht in der Tat so weit hinauf, als uns die ägyptische Religion überhaupt erreichbar ist, ja er steht nachweisbar vor dem uns aus der Vorgeschichte bekannten Horusgott: selbst die ältesten uns überkommenen Mythen haben ihn zur Voraussetzung." Das Kernstück von Junkers Beweisführung bilden neben den Weisheitslehren die Anrufungen an den „großen Gott" in den Grabgebeten der 5./6. Dynastie. Meines Erachtens sagt die allgemeine Berufung der Weisheitslehren, angefangen bei Ptahhotep, auf „ G o t t " nichts im Sinne dieses besonderen Gottesglaubens aus. Da es sich um Literatur handelt, die Gemeingültigkeit beanspruchte, durfte der Sprecher keine in einem örtlichen System verankerten Ortsgott bemühen. „ G o t t " steht also einfach im Sinne von „ ( j e d e r ) G o t t " . Der Ausweg, auf den in ähnlichen Fällen die Grabformeln verfielen, wenn sie alle Ägypter gleich welchen Ortes binden wollten, den jeweiligen „Ortsgott" einzuschalten, war in der literarischen Hochsprache unmöglich. Überdies finden . sich in der ägyptischen Sprache Beispiele genug, besonders viele in Wortzusammensetzungen wie „Grottesland" ( = Morgenland) „das dem Gott gehörige Land" (Nekropole) u. a., wo man keinesfalls jenen anonymen höchsten Gott im Sinne hatte, aber unter Umständen Wert darauf legte, dem Hörer freizustellen, welchen bestimmten Namen er diesem „Gotte" unterlegen wollte. Alle diese Formeln sind zu einer Zeit geprägt, als die Einheitlichkeit der Erscheinungsform und des Namens nicht mehr zum Wesen eines Gottes gehörte. Natürlich konnte man in ähnlicher Absicht, wenn man etwas pedantischer die Voraussetzung der Göttervielheit zum Ausdruck bringen wollte, von „den G ö t t e r n " im Sinne von „ a l l e G ö t t e r " reden1. Kaum zufällig bezeichnen sich gerade im AR, also zur Blütezeit des heliopolitanischen Rßkultes als Staatskult, 1 In der „Geehrtenformel" der 6. Dyn. findet sich, wie J u n k e r , Giza I I S. 55 selbst anführt, gelegentlich die Variante „geehrt bei Osiris . . . geehrt beim K ö n i g . . . geehrt bei den (übrigen) Göttern" an Stelle der üblichen Formel „geehrt beim König und beim großen Gott", z. B. M a r i e t t e , Mastabas S. 396 (E 7). Keee,
Gatterglaube
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die Könige auf ihren Denkmälern als „geliebt von den Göttern" 1 . Hinzu kommt ein Bedenken, das sich gegen die Heranziehung der Grabformeln, insbesondere von Drohformeln gegen Grabschänder erhebt. Ich selbst hatte es als eine für das Verständnis dieser Formeln wesentliche Tatsache angesehen2, daß eine Anzahl ältere Beispiele sich mit der Nennung des anonymen „Gottes" begnügten, oder eine Erwähnung des strafenden Gottes unterlassen, weil man gerade nicht eine schattenhafte, außerhalb aller Göttersysteme stehende Gottheit aus dem kosmischen Mythenkreis brauchte, sondern das für den einfachen Verstand des Lesers Nächstliegende und Natürliche. Wenn man also sagte: „Jeder Mann aber, der etwas gegen dieses (Grab) tun sollte, das ich mir zu meiner Ehrung bei meinem Herrn geschaffen habe, mit dem werde ich rechten am Orte, wo (man) richtet" 3 , und ein anderer Grabinhaber droht „(der) Gott, er wird richten"4, dann dachte der Leser gewiß entweder an seinen Gott auf Erden, den K ö n i g , oder an den höchsten um Giza und Sakkara anerkannten Gott, also an R e - H a r a c h t e , den heliopolitanischen Himmelsgott, erst später von der 6. Dynastie an allenfalls auch an Osiris als „Herrn des Westens"5. Wir können nun feststellen, daß zur selben Zeit, wo man statt dessen klangvoller sagt8 „mit dem werde ich mich deswegen richten lassen durch den großen Gott", Wendungen in die Grabformeln eindringen, die ihre Herkunft in Wortschatz und Inhalt unzweideutig aus den königlichen Totentexten dieser Zeit (Pyramidentexte) verraten. Und gerade diese geben als Zielsetzung 1 Beispiele: Basaltzylinder des Mykerinos JEA 5 Taf. 27 Nr. 7 (daneben „geliebt von Hathor"). v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum III Nr. 399 S. 42 u. a. 2 Totenglauben S. 49. 3 Urk. I 35. 49. 68 (kaum älter als Mitte-Ende 5. Dynastie). 4 Urk. I 23. Die Inschrift gehört frühestens der 5. Dyn. an; vgl. S c h a r f f , Mitt. Dt. Inst. Kairo 8 S. 11 f. Beachtenswert auch die Eidesformel der Zeugen vor Gericht im A B „deine Gewalt gegen ihn, o G o t t . . . S e t h e , ÄZ 61 S. 76 (6. Dyn.). K Auch J. S p i e g e l , Die Idee vom Totengericht (Leipz. ägyptol. Stud. 2) hat das Zwingende dieser Überlegung empfunden. Er definiert deshalb den anonymen „großen Gott", auf den man sich als Hüter des Rechts berief, als „die reine Potenzierung der ägyptischen Idee vom Königtum" und erklärte daraus seine schillernde Unbestimmtheit. 6 Urk. I 51 (Mitte 5. Dyn.) u. a.
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des nunmehrigen himmlischen Jenseits für den „Geehrten beim großen Gott und dem König" 1 gleichfalls „den großen Gott" oder sogar „den großen Gott, Herrn des Himmels" an. Danach scheint mir der Schluß unabweisbar, daß Name und Art des anonymen „großen Gottes" in derselben Weise wie in jenen Totentexten bestimmt werden muß, d. h. aus der r e l i g i ö s e n Gesamt läge des AR h e r a u s , und zwar des AR von der zweiten Hälfte der 5. Dynastie an. Kein Totenpriester dieser Zeit wird aber eine Grabformel des Inhaltes 2 , „daß er aufsteige zum großen Gott, Herrn des Himmels, unter den Geehrten . . . daß er begraben werde und den Himmel überfahre und aufsteige zum großen Gott" oder „daß seine Hand empfangen werde vom großen Gott", demselben Gotte, zu dem man sich mitunter anstelle des üblichen „geehrt beim großen Gott" ausdrücklich bekannte als „wohlgeehrt bei Re, dem Herrn des Lichtlandes" 3, anders deuten, als daß der damals staatlich anerkannte höchste Gott Re-Harachte von Heliopolis gemeint sei. Erst mit dem Vordringen des Osiris in das Bereich des himmlischen Jenseits konnte ein Zweifel entstehen, wenn man in dem für den Totenglauben seit der 6. Dynastie so kennzeichnenden Schwanken zwischen Himmel und Erde (bzw. dem Westland) den „großen Gott, Herrn des Westens" zum Schutze des Toten anrief oder sogar „den großen Gott, Herrn des Westens, Herrn der reinen Stätten (der Nekropole)"4. Das haben Sethe und Gardiner bei Behandlung dieser Frage in ihrer Ausgabe der „Letters to the Dead" richtig herausgefühlt und ausgesprochen5. 1 An den König wird z. B. jeder unvoreingenommene Leser denken, wenn der Tote seine guten Werke rühmt „der tut, was sein Gott lobt", denn daneben steht oft parallel „sein Herr", z. B. M a r i e t t e , Mastabas S. 160. 2 Zu dem Eindringen ties Ideengutes der Pyramidentexte in die Grabformeln vgl. K e e s , Totenglauben S. 161f.; zahlreiche Beispiele bei J u n k e r , Giza I I S. 57f. 8 K e e s , Totenglauben S. 31 nach M a r i e t t e , Mastabas S. 225 (D 18 wohl 5. Dyn.). 4 M a r i e t t e , Mastabas S. 412. C a p a r t , Rue de tombeaux Taf. 11 (6. Dyn.); so auch in dem Grabe eines Ppj-n-'nh aus der Zeit Phiops' I. bei der Onnospyramide: „mit dem werde ich mich verhören lassen in jenem heiligen bewährten Gericht des großen Gottes, Herrn des Westens" (also Osiris). Vgl. dagegen die gewöhnliche Formel ohne die Ortsbestimmung des Westens Urk. I 174. 202. 5 S e t h e - G a r d i n e r a. a. O. S. 12; hierzu J u n k e r a. a. O. S. 57. 18«
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Drittes Kapitel. Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Jeder theologisch geschulte Priester der 5./6. Dynastie würde sich bei den Totenwünschen nach dem Himmelsaufstieg zum großen Gott, genau wie heute jeder Kenner der ägyptischen Totenliteratur, sofort an bestimmte Stellen der königlichen Pyramidentexte erinnert fühlen, die diese Himmelfahrt ins Reich des Sonnengottes in den Mittelpunkt ihrer Lehre stellen. Selbstverständlich wissen wir, daß in den Totensprüchen Älteres Gut steckt, das auch Vorstellungen enthielt, die dem heliopolitanischen Sonnenglauben des AR widersprechen. Aber wenn wir z. B. in einem Totentext aus der Onnospyramide den toten König als „einen großen Gott" vor den Göttern der hier rein himmlisch aufgefaßten Dat auftreten sehen 1 „Erhebt eure Gesichter, Götter in der Dat, Onnos ist gekommen, daß ihr ihn seht zu (einem) großen Gott geworden" oder den Osiris samt seinem Sohn HoruB zum Himmel aufsteigen finden, „daß er (Osiris) ihn aufziehe und er ihn erscheinen lasse als großen Gott im Himmel" 2, so kommt es nicht darauf an, was der Textkritiker über den Ursprung im einzelnen sagt, sondern was der Zeitgenosse des AR dabei glaubte, denn diese übernahmen das Motiv des Himmelsaufstiegs zum „großen Gott" in die Grabtexte der Prinzen und Vornehmen! Kein Zeitgenosse König Phiops' I. aber wird eine Fürbitte 3 ,,o Re, gib deine Hand diesem Phiops, großer Gott, gib deine Stütze diesem Phiops" anders verstanden haben, als daß damit beide Male Re, der Himmelsgott gemeint war. Derselbe König nannte sich ja auf seinem Sarg selbst „großer G o t t , Herr des L i c h t l a n d e s " und deutlicher noch „ H a r a c h t e , Herr des Lichtlandes"4. Anders zu denken, wäre für einen Priester dieser Zeit Irrlehre gewesen, obwohl es Überlieferungen gab, die einmal andere Vorstellungen vom größten Gott des Urbeginns hatten. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob etwas öffentlich auf allen Scheintüren der Gräber aufgeschrieben wird und damit kano1 Pyr. 272. S e t h e , Kommentar I S. 283 bemerkt ausdrücklich „Ein einheitlicher Text, der die Ankunft des toten Königs im Himmel betrifft, wo er als König in dem Reich des Re' herrschen s o l l . . . " Zur späteren Verwendung des Textes im Begrfibnisritual des nichtköniglichen Toten K e e s , Totenglauben S. 368. 2 gbhw Pyr. 466. S e t h e a. a. O. II S. 270 zu Pyr. 467c „Der neuankommende König wird als Mitregent des Horus eingetragen". 3 Pyr. 1471c. 4 J u n k e r a. a. O. S. 55.
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nische Bindung verrät, oder ob etwas aus dem Bereich deutender Mythen herausklingt. Wenn die Könige der 4. Dynastie seit dem großen Snefru bis in die 5. Dynastie (Neuserre) sich schon zu Lebzeiten „großer Gott" nannten1, dann hat das ihre Zeit nicht als eine geheime Mysterienlehre und eine Anspielung auf einen universalen Weltengott, an den man neben Re-Atum glaubte, angesehen, ebensowenig wie man zu dieser Zeit darin eine innere Beziehung zu dem einstigen Horusgott von Hierakonpolis vermutete, oder etwa auf Seth, oder irgendeinen anderen Königsgott der Vergangenheit deuten mochte. Da der König selbst sich seit Chephren mit Betonung als „Sohn des Re" bezeichnete, hat man selbstverständlich auch da an das Nächstliegende gedacht; und darauf war der Titel offenbar berechnet. Selbstverständlich kann altes Herkommen in der Anlage des Grabes, so die Nordrichtung aller Grabausgänge sowohl bei den Pyramiden wie den Mastabas (Treppen-Gräber), noch von älterem Seelenglauben und dem Aufstieg als Schopfibis oder Bai zum Nordhimmel zeugen2, aber der Unterschied ist eben, daß solcher alte Volksglaube in der „heliopolitanischen Zeit" des AR völlig aus dem amtlichen Bereich verschwindet, ebenso wie manche äußere Form des alten Totenwesens, und erst nach dem Untergang des AR in den Sargtexten wieder zu Worte kommt 3 . Auch der Jenseitsrichter „der Herr der Richtigkeit" (Maat), von dem man Vergeltung im Jenseits erwartete, kann nach zeitlichem Glauben nur der anerkannte Himmelsgott sein4, ebenso wie der „Gott" der alten Weisheitslehren des Kagemni und Ptahhotep selbstverständlich nur der König selbst oder sein göttlicher Vater, mit dem er als „großer Gott" eins war, ist. 1 Snefru, Cheops Urk. I 8. Chephren E d . M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2 3 § 250A. Könige der 5. Dynastie Urk. I 32. 54. J u n k e r a. a. O. S. 54. Cheops nebeneinander als „großer Gott", Goldhorus und „guter Gott, Herr der beiden Länder" auf dem Siegel Ree. de trav. 36 Taf. 5 Nr. 1 (S. 84). 2 K e e s , Totenglauben S. 64f. 131 f . ; Himmelsreise im ägyptischen Totenglauben S. 3. J u n k e r , Giza I I S. 56. 3 Bei der Vorstellung v o m Bai ist das besonders auffällig K e e s a. a. O. S. 61 f. und oben S. 46f. 145. 4 Für das m e m p h i t i s c h e Gebiet (Sakkara) ist namentlich für die Zeit der 6. Dyn. eine gewisse Einschränkung der Herrschaft des Re als „Herr der Ml'.t" zugunsten des Ptah nötig s. \i. S. 294.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Was darüber hinausgeht, gehört ins mythische Reich, das jedwede Abweichung von der göttlichen „Richtigkeit" zuläßt 1 . Im Grunde genommen liegt der Irrtum, dem schon B r u g s c h verfiel, darin, daß man den Ägyptern eine Art „höheren" Glauben an einen einigen, namenlosen Gott zuerkennen wollte, den nur der Hochgebildete richtig verstand, während sich der Durchschnittsmensch unter demselben „großen Gott" seine gewöhnlichen Lokalgötter vorstellen mochte. Brugsch meinte ja 2 : „Es ist gewiß nicht zufällig, daß die Anwendung des allgemeinen Gottesnamens am häufigsten in solchen Schriften wiederkehrt, deren Inhalt mit den höheren Anschauungen über die wahre, dem Menschen angeborene Religion zusammenhängt, während die Denkmälersprache es vorzieht, die Gedanken an das Göttliche mit einem mythischen Schleier zu verhüllen, und eine Unzahl göttlicher Namen und Formen zu verschwenden, hinter denen sich dennoch im letzten Grunde eine reinere Gottesvorstellung verbirgt". Aber in Wirklichkeit verhält es sich hier so, wie es während der ganzen Dauer der ägyptischen Religion geblieben ist: Man sprach wohl von einem „Einherrn", „Allherrn" oder „Allschöpfer", aber wie Maspero sehr richtig sagt 3 : ,,L'Egypte connut autant de dieux uniques qu'elle avait de grandes cités." Darüber hinaus die Frage nach einem urzeitlichen gemeinsamen Gottesgedanken zu stellen, ist ebenso aussichtslos wie die nach dem Grunde der als älteste staatliche Lebensform des Niltales erkennbaren Aufsplitterung in Gaue und nach Bestehen noch älterer ehemaliger „Stammesgebiete". Sie l i e g t außerhalb des B e r e i c h s z u v e r l ä s s i g e r E r k e n n t n i s . Die m y t h o l o g i s c h e E i n o r d n u n g der S e e l e n v o n N e c h e n , v o n Pe und der v o n H e l i o p o l i s Wir haben wiederholt mit den anonymen Gruppen der sog. „Seelen" verschiedener Städte als Vertreter des örtlichen Götterkreises zu tun gehabt4. Im Gegensatz zu solcher Auffassung der Seelen steht eine vor Jahren gegebene Erklärung von Sethe 6 . 1 S. o. S- 185. 2 Religion und Mythologie S. 91. 3 Études de Mythologie II S. 390 (Sur l'ennèade). 4 S. bes. oben S. 156f. 6 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens (Unters. III) S. 1 f.
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Sethe hatte aus Beobachtungen über die frühzeitige Verquickung der „Seelen" der alten vorgeschichtlichen Hauptstädte Hierakonpolis (Nechen) und Buto (Pe) mit den sog. „Horusdienern" 1 geschlossen, daß jene Seelen ursprünglich die vergöttlichten Könige dieser Orte darstellten, und daß insbesondere die „Seelen von Heliopolis" das Urbild der später dazu erfundenen Seelen der beiden geteilten Reiche von Oberund Unterägypten wären 2 . Seelen verstorbener Könige scheint tatsächlich die Bezeichnung der letzten mythischen Götterdynastie vor Menes durch Manetho als vexveg iq/xifieoi vorauszusetzen, was, wie Sethe nachweist, eine Übersetzung der „verklärten Horusdiener" ist, die an entsprechender Stelle im Turiner Königspapyrus als Abschluß der Götterzeit erscheinen 3 . Wahrscheinlich hat man im N R tatsächlich die verschiedenen mythischen Gruppen von „Verklärten", die der Turiner Königspapyrus nennt, mit allerlei geschichtlichen oder mythischen „Dynastien" zusammengebracht 4 . Das paßt ausgezeichnet in die Gedankenwelt der Theologie, die stets den Beweis der „ersten Urzeit" für die führenden Städte des Landes erstrebte. Andererseits liegt es im dynastiemäßigen Aufbau der Götter zeit, wie er im Turiner Königspapyrus und danach bei Manetho angefangen von den großen Gottheiten der Neunheit hinab zu „Horus", der Verkörperung des geschichtlichen Königtums, durchgeführt ist, daß am Ende der Götterzeit die in Sammelbegriffen zusammengefaßten Götter des Landes berücksichtigt werden. Genau im gleichen Sinne geschah dies bereits in einem heliopolitanischen Schlachtritual aus den Py1 Hierzu oben S. 193. 205f. 2 S e t h e , Urgeschichte § 165 u. a. 8 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte S. 8f. Zum Turiner Königspapyrus vgl. F a r i n a , II papiro dei Re r estaurato S. 1 8 u n d o b e n S. 202. Die, wie S e t h e a. a. O. S. 5f. gezeigt hat, seit dem ME nachweisbare Deutung der „Horusgefolgsgötter" der Vorzeit als die seligen göttergleichen Ahnen der Vorzeit war ohne weiteres aus der Grundidee des Gottkönigtums abzuleiten. K e e s , Zum Ursprung der sog. Horusdiener Gött. Nachr. 1927 S. 196f. 4 Die Annalenaufzeichnungen des AR scheinen nach den erhaltenen Resten (Palermostein und Kairo Fragm.) den Ausgang der vorgeschichtlichen Zeit anders ausgestaltet zu haben; vgl. B r e a s t e d , Bullet, inst, fr. 30 S. 709f. (unter dem irreführenden Titel „The predynastic union of Egypt").
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
ramideiitexten1. Dort werden zuerst die besten Stücke des geschlachteten Stieres den führenden Göttern zugeteilt, angefangen bei Chepre und Atum „dem Vater der Götter" über Schu und Tefnut, Geb und Nut, Isis und Nephthys 2 zu den Gottheiten der Umgegend, dem (Horus) ohne Augen und dem Widdergott Cherti von Letopolis, Neith, Selket und Sachmet von Memphis, bis hinab zu den vier Horuskindern, dem Anubis „auf dem Berg" und Osiris-Chontamenti als den Totengöttern. Dann heißt es: „Was die Götter von ihm übriglassen, gehöre den Seelen von Nechen und den Seelen von Pe." Das bedeutet eine gewollte Abstufung im Rang, aber doch im Sinne des Hausherrn, der patriarchalisch die Anteile des Mahles in der Familie verteilt, zuletzt dem Anhang und dem Gesinde. Den letzten Rest bekommen immerhin noch die übrigen Götter des Landes. Das erforderte die Gastpflicht. Keinesfalls sind damit aber die Könige der Vorzeit gemeint, denn s o n s t d ü r f t e doch ein H e l i o p o l i t a n e r seine „Seelen v o n H e l i o p o l i s " , w e n n diese d a m a l s die v e r s t o r b e n e n K ö n i g e b e d e u t e t e n , n i c h t übergehen! In derselben Rolle als Vertreter der gesamten Götter einer Landeshälfte, oder wenn man den Ausdruck des thinitischen Rituals gebrauchen will, „der oberägyptischen und unterägyptischen Reichskapelle" (itr.t) werden die Seelen von Nechen und Pe sowohl in den Pyramidentexten als auch in Ritualen und Opferdarstellungen aufgeführt. Z. B. werden nach Darstellungen im Sonnenheiligtum des Neuserre in Verbindung mit den genannten Reichskapellen den Seelen von Nechen und Pe Sammelopfer dargebracht, klärlich als den Vertretern der Götterversammlung des ganzen Landes beim Sedfest, die in jüngeren Darstellungen an entsprechender Stelle im einzelnen abgebildet wird3. 1 Pyr. 1543/49 = K e e s , Lesebuch S. 37. 2 Aus der Neunheit fehlt Seth, der das Schlachttier darstellen muß. Osiris steht als Totengott hier bezeichnenderweise mit Anubis zusammen weit hinter Isis und Nephthys. 8 Vgl. v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I I S. 14 zu den Reliefs Nr. 44 und 50 (vgl. Nr. 289). Die Mitwirkimg des „Propheten der Seelen von Nechen (bzw. Pe)" ist entscheidend für die Erklärung. Als sinngemäße Parallele vgl. auch die Festopfer „an jedem Jahresbeginn", die nach Darstellung im Totentempel Phiops' II. den im einzelnen dargestellten Reihen der Gottheiten der oberägyptischen und unter-
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Während somit über die Bedeutung der Seelen von Nechen und Pe in älterer Zeit kein Zweifel bestehen kann, ist die Rolle der „Seelen v o n H e l i o p o l i s " bereits in den Pyramidentexten auffallend unklar. Daß sie in Konkurrenz zu den durch die Idee der „beiden Länder" Ägyptens organisch verbundenen Seelengruppen der beiden vorgeschichtlichen Hauptstädte stehen, ist unverkennbar, aber statt als Zusammenfassung, also als geschichtlich jüngere Bildung, sah sie Sethe als Vorbild der Seelen von Nechen und Pe an. Meines Erachtens kann man aber gerade aus Stellen der PyTamidentexte, wo die Seelen von Heliopolis als Einheit den beiden anderen Gruppen gegenüberstehen, herausfühlen, daß sie als drittes Glied hinzugefügt sind. Die Zeit, die aus heliopolitanischem Geltungsdrang heraus ihre Nennung als Verkörperung des gesamtägyptischen Einheitsgedankens erzwang, muß also jünger sein als die thinitische Reichseinigung unter Menes, weil die Heliopolitaner deren dogmatische Prägungen benutzten und umbogen. Wegen der grundsätzlichen Wichtigkeit der Frage, wann dieser heliopolitanische Machtanspruch durchgesetzt wurde, seien einige Beispiele angeführt. Dabei können wir die „östlichen Seelen" gleich einbeziehen, da auch diese in der Zeit des AR eine entscheidende Festlegung auf Heliopolis erfahren hatten. Wenn in einem heliopolitanischen Himmelfahrtstext nebeneinander die „Seelen von Pe" und die „östlichen Seelen" mit der Herstellung des Götterschiffs beauftragt werden, so kann man das als eine logische Ergänzung unter Beschränkung auf Unterägypten bezeichnen. Die „Seelen von Pe" vertreten dabei die „westlichen Seelen"1. In einem anderen Spruch begrüßen den im Himmel erscheinenden „Sohn des Re" gemeinsam die „Seelen von Heliopolis" und die „Seelen von Pe" 2 . 'Oberägypten ist auch dabei ausgeschaltet, der für die Heliopolitaner unbequeme Gedanke der Reichseinigung unter ägyptischen Landeshälfte (itr.t) vom König dargebracht werden. J 6 q u i e r , Le monument funöraire de Pepi II T. II. Le temple Taf. 50 f. 58 f. 1 Pyr. 1209b. In Sargtexten werden gelegentlich die „Seelen von Heliopolis" den „westlichen Seelen" gegenübergestellt, z. B. Kairo 28028/29; vgl. K e e s , Horas und Seth I S. 55. 2 Pyr. 1495c.
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Drittes Kapitel.
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oberägyptischer Führung umgangen1. Die Zweiteilung ist auf die Ost/West-Achse umgelegt2. Dann aber liest man auch3: „Du bist seelisch, (wie) die Seelen von Heliopolis nämlich. Du bist seelisch, (wie) die Seelen von Nechen nämlich, du bist seelisch, wie die Seelen von Pe nämlich." Hier merkt man, daß die Seelen von Heliopolis den beiden anderen Gruppen als eine zusammenfassende Spitze auf die Nase gesetzt sind. Diese Erklärung läßt sich auch durch die Tempeldarstellungen aus jüngerer Zeit stützen: Im Königssanktuar des Sethostempels von Abydos sind die „Seelen von Nechen und P e " als Träger des Königs in der Sänfte dargestellt4, wie dies das thinitische Königsritual für die „Wachdiensthabenden von Nechen und P e " vorschrieb5. Die zugehörige Götterrede des Month und Atum, also des Vertreters des oberägyptischen und unterägyptischen Heliopolis, beschreibt das mit den Worten „die Seelen von Heliopolis machen dir den Weg" 6 . Auch in der Anordnung innerhalb der schon in der Herakleopolitenzeit unter den Sargtexten als geschlossene Gruppe auftretenden Sprüche für das Kennen der Seelen bestimmter Kultorte steht Heliopolis abseits der Gruppe der Seelen von Nechen und Pe. Der Primatanspruch von Heliopolis tritt aber klar zutage in der Folge der Seelengruppen7: Heliopolis — Neumondfest — Hermopolis. Pe — Nechen. Osten — Westen8. 1 Auch Pyr. 1090 sind die „Seelen von P e " und die „Seelen von Heliopolis" nebeneinander beteiligt. 2 Ähnliche Fälle der Gegenüberstellung Osten/Westen in heliopolitanischen Texten s. o. S. 254f. 8 Pyr. 909. 4 C a l v e r l e y - G a r d i n e r , Temple of King Sethos I Vol. I I Taf. 36 = M a r i e t t e , Abydos I 29. 5 ivrijw s. u. S. 284. 6 K e e s , Opfertanz S. 69. Der Text ist unzweideutig heliopolitanischer Herkunft. Zur Paarbildung Month/Atum s. K e e s , Hjorus und Seth I S. 30. 7 Sethe, Göttinger Totenbuchstudien von 1919 S. 4. 8 Die an sich denkbare Gegenüberstellung von Hermopolis als Westuferstadt (wie Letopolis) gegenüber Heliopolis ist anscheinend nicht ausgenutzt. Sie erscheint in heliopolitanischer Zeit in der Gegenüberstellung des Thot zu Horus (als Harachte) vgl. K e e s , Horns und Seth I S. 68, vielleicht auch in dem gemeinsamen Auftreten des „Heliopolitaners" und des „Hermopolitaners" (Wnw) bei den Huldigungsaufzügen des alten Sedfestes, v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I Bl. 11 (III S. 8).
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Der Voranstellung von Heliopolis geht parallel die Anordnung von Pe vor Nechen, und die des Ostens vor dem Westen. Auch das ist heliopolitanisches Erbe, aber keineswegs aus einer weit zurückliegenden vorgeschichtlichen Epoche vor der Zeit der „Horusdiener", wie es S e t h e sah. Vielmehr kann man als Maßstab für die zeitliche Einstufung solcher Ansprüche die eigene Feststellung Sethes verwenden, daß bei der gemeinsamen Nennung von Ober- und Unterägypten auf den Denkmälern in der 4. und 5. D y n a s t i e U n t e r ä g y p t e n den Vorrang h a t , vorher in der T h i n i t e n z e i t bis zur 3. D y n a s t i e und dann wieder r e g e l m ä ß i g v o n der 6. D y n a s t i e an O b e r ä g y p t e n 1 . Die Zeit der Abweichung von der sonst festen Ordnung ist also offenbar die Zeit des Höhepunktes des heliopolitanischen Einflusses auf die Staatslehre. Man versteht danach, warum die „Seelen von Heliopolis" so wenig wie die erst in der Herakleopolitenzeit zu Worte kommenden „Seelen von Hermopolis" in das amtliche Schema des Dualismus der beiden Reichshälften eingespannt wurden. Das Wirkungsfeld beider Städte liegt erst in der geschichtlichen Zeit, als die Formung der Reichseinigungszeit bereits abgeschlossen war. Aus diesem Grunde haben auch die „Seelen von Heliopolis" ebensowenig wie die von Hermopolis Eingang in die darstellende Symbolik des Königsrituals der großen Reichsfeste gefanden 2 : Diesen Platz hielten die Seelen von Nechen und Pe besetzt. Die Vorgänge, die die zunächst überraschende Darstellungsart der Seelen von Nechen schakalköpfig (wie Upuaut von Assiüt) und der Seelen von Pe falkenköpfig (wie der zum „Horus" erhobene Gott von Pe) be1 S e t h e , ÄZ 44 S. 15; hierzu K e e s , Horns und Seth I S. 56. 2 Einige abweichende Versuche erweisen stets die Unverträglichkeit mit den überkommenen Tatbeständen. In Dfer el Bahri ( N a v i l l e III 59/60 = Urk. IV 253) erscheinen die Seelen von Heliopolis m e n s c h e n k ö p f i g neben den beiden traditionellen Seelengruppen. Der Versuch zur Bildung einer Dreiheit einschl. der Seelen von Heliopolis auch G a y e t , Louxor Taf. 15 flg. 215. Im Vorraum einer Seitenkapelle in Medinet Habu habe ich mir eine Krugweiheszene vor Amun-Min notiert. Dabei werden die schakalköpflgen Seelen als „Seelen vonPe" bezeichnet, die anderen (falkenköpflgen ?) als „Seelen von Heliopolis". Es ist verständlich, daß man in Theben Interesse an Heliopolis als Vertreter Unterägyptens hatte, das zeigt auch die dort beliebte Paarung MonthAtum als Vertreter beider Landeshälften.
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wirkten, haben wir als Folgen der Reichseinigungspolitik der Thiniten bereits früher klargestellt 1 . Wesentlich mitspielen mochte insbesondere bei der Behandlung der „Seelen von P e " als Horusgötter die im Königsritual verankerte Vorstellung, daß es Vorrecht dieser Landesvertreter war, den Horuskönig im Festzug auf der Sänfte zu tragen 2 . Das sehen wir häufig in Tempelbildern dargestellt, die Träger führen dabei in älterer Zeit gerne die Bezeichnung die „Wachdiensthabenden (wrsjw) von Nechen bzw. Pe" 3 . „Horus hat dir seine Kinder gegeben, daß sie dich tragen", sägt schon ein Pyramidentext 4 . Dieser Hilfsdienst überträgt sich auch auf die Himmelfahrt: die Seelen von Nechen und Pe dürfen dem König die Leiter zum Himmelsanstieg aufrichten oder ihn auf den Armen emportragen 5. Ursprünglich geht das auf die patriarchalische Ordnung in der Königsfamilie zurück. Tatsächlich erscheinen, sofern man die Dinge aus dem Bereich des Dogmas in die irdische Hofordnung überträgt, stets die Königssöhne selbst als Träger der königlichen Sänfte bei den großen Festen 6 . Aber wenn der göttliche Vater „Horus" war, wurden die Söhne als Träger von selbst zu den mythologischen Horuskindern. Damit ergab sich zugleich für die anfänglich unterlegenen „Seelen von P e " eine ansehnliche Formung als Falken. Weiter ergab sich für die Theologie die dankbare Aufgabe, durch Mythen nachzuweisen: „warum Pe (Buto) dem Horus gegeben wurde" 7 , und außerdem durch Zuteilung passender Namen, die den ursprünglich nicht als begrenzte Vielheit aufgefaßten „Horuskindern" 8 aufgepaßt wurden, eine Anknüpfung an die aus ganz anderen Voraussetzungen entstandenen Begriffe der „Seelen von Nechen und P e " zu finden. Das Ergebnis dieser theologischen Bemühungen liegt in der uns zuerst in der Herakleopolitenzeit entgegentretenden Fassung 1 S. o. S. 193. 205f. 2 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte S. 16f., s. o. S. 282. 8 v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I .Nr. 44d; vgl. K e e s , Opfertanz S. 184 und Pyr. 796. 1013. 1946c. 1947a. 4 Pyr. 619. 5 Pyr. 478. 1253. 6 So z. B. bei den Darstellungen des thebanischen Minfestes im Ramesseum und im Tempel von Medinet Habu. 7 Vgl. oben S. 183. 8 Vgl. oben S. 170.
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der Totenbuchkapitel 112 und 113 vor 1 . Man verwies die beiden Kanopengötter Amset und Hapi als Horuskinder zum „Horus" nach Pe, die beiden anderen Duamutef und Kebehsnuf zum Horus vonNechen nachHierakonpolis2. Im letzten Falle kam dabei anscheinend die Möglichkeit zu Hilfe, an einen echten Kultbestand anzuknüpfen, eine Doppelreliquie, die der Mythograph als die „beiden Hände" des Horus erklärte. Isis hatte sie zur Strafe für die Befleckung im geschlechtlichen Verkehr mit Seth abgeschlagen3, Suchos aber holte sie auf Befehl des R6 aus der Tiefe des Wassers wieder. In Buto ließ sich offenbar nichts Geeignetes auffinden. So blieb es bei der kultgeschichtlich zutreffenden Erklärung^ daß H o r u s mit zwei seiner Söhne nach B u t o v e r s e t z t worden sei. Dies deuten auch gelegentlich die Pyramidentexte an 4 : „Res gibt ihm (Horus) seine verklärte Gestalt unter den Wachdiensthabenden (wrsjw) von Pe, er adelt ihn als Gott unter den Wachdiensthabenden von Nechen." Im einzelnen hat die in der ersten Königszeit Ägyptens geschaffene Lehre von den Seelen von Nechen und Pe und ihrer Gleichsetzung mit den „Horusgefolgsgöttern" (Horusdienern) und den Horuskindern in späterer Zeit noch gelegentliche Ausgestaltungen und Umdeutungen erfahren, die entweder örtlichen Anforderungen Rechnung tragen sollten oder rein spekulativer Natur sind. Als Beispiel der ersteren Art nenne ich eine Darstellung Ramses' II. in Karnak5. Dort tragen, diesmal bei der Amonsprozession (des Opetfestes ?), die der König als Hoherpriester des Amun selbst geleitet, Seelengruppen die Festbarke. Vorn marschieren in 1 Göttinger Totenbuchstudien von 1919, Übersetzungen auch K e e s , Lesebuch S. 33. 35. 2 Dabei ist im Tb. Kap. 112 der „älteste Horus" der Vater der Horuskinder, Isis ihre Mutter, also eine Genealogie, die von der Osirissage abweicht, s. oben S. 206. 257. 3 Die Begründung ergibt sich aus dem Bericht Pap. Chester Beatty I col. 11, 5f.; vgl. J. S p i e g e l , Die Erzählung vom Streite des Horus und Seth S. 59. 136. 4 Pyr. 795. Bekanntlich stehen die 4 Horuskinder als „Wachhabende", so wie sie die Eingeweide des Toten (Osiris) als Kanopengötter hüten, auch als Sterne am Nachthimmel hinter dem Sethgestirn des großen Bären (Schenkel); vgl. S e t h e , Zur Geschichte der Einbalsamierung S. 10 (Sb. Berl. Akad. 1934) und oben S. 170 Anm. 1. 6 Abgebildet bei L e g r a i n , Les temples de Karnak S. 221 Abb. 131.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
drei Gliedern 15 falkenköpfige Träger bezeichnet als „die große Neunheit, die Seelen von Pe", hinten ebenfalls in drei Gliedern 13 schakalköpfige „die kleine Neunheit, die Seelen von Nechen"; Die „beiden Neunheiten", jenes ominöse Gebilde der heliopolitanischen Dogmatik, feiern hier dem Gotte Amun zuliebe böse Urstände! Als Beispiel einer rein spekulativen Auslegung verweise ich auf die von Sethe im Kommentar zu Pyr. 478 beigebrachte Erklärung eines spätägyptischen religiösen Lexikons1. Darin erscheinen die Seelen von Pe als drei zum Himmel fliegende Raubvögel2, die Seelen von Nechen als drei erdbetretende Tiere: Ibis, Apis, Mnevis3! Der einstige Ausgangspunkt der Bildung der Seelenverbände, die gemeinsame Ortsansässigkeit, ist dabei völlig vergessen. Man sieht, wieweit das Eigengewicht der gelehrten Deutungsmöglichkeiten mit ihren Analogieschlüssen die Dinge abtreiben kann.
3. Memphis Das kultische Bild des alten Memphis war nicht minder bunt, als das von Heliopolis. Wir finden im Gebiet der Stadt und ihrer engeren Nachbarschaft beheimatet: an Tiergottheiten den schwarzen Stier Apis, die Löwin Sachmet „oben im Wüstental", den Widder „vor seiner Mauer, vor seiner Sykomore", anscheinend auch einen Krokodilkult und mindestens in der weiteren Umgebung einen Kult des W ü s t e n h u n d e s Anubis, weiter mehrere B a u m g o t t h e i t e n , am bekanntesten der Kult der „(Hathor), Herrin der südlichen Sykomore", aber auch männliche wie „den unter seinem Ölbaum (Moringa)"4 und den Gott des Wohlgeruchs die L o t o s b l ü t e Nefertem („der ganz Schöne"); dann kommen e r d h a u s e n d e Wesen, voran der Herr des memphitischen Urhügels „der an der Spitze der erhobenen Stätte" (hntj Tnn.t) und der am Wüstenrand wohnende Fruchtbarkeitsgott Sokar von Rosetau („Mündung der Gänge"). Dazu 1 Pap. Berl. 7809 (unpubl.). 2 bjk = Falke, dr.t = Weihe, nr.t = Geier. 3 Ähnliche Spekulationen mit Dreiheiten habe ich Horus und Seth I S. 36f. behandelt; insbes. ist die Dreiheit geflügelter Götterboten in Edfu, die sonst meist als die vier Horuskinder erklärt wurden, zu vergleichen. 4 Vielleicht in Wirklichkeit ein alter Tierkult unter einem Baum s. o. S. 86. 174.
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Drittes Kapitel.
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drei Gliedern 15 falkenköpfige Träger bezeichnet als „die große Neunheit, die Seelen von Pe", hinten ebenfalls in drei Gliedern 13 schakalköpfige „die kleine Neunheit, die Seelen von Nechen"; Die „beiden Neunheiten", jenes ominöse Gebilde der heliopolitanischen Dogmatik, feiern hier dem Gotte Amun zuliebe böse Urstände! Als Beispiel einer rein spekulativen Auslegung verweise ich auf die von Sethe im Kommentar zu Pyr. 478 beigebrachte Erklärung eines spätägyptischen religiösen Lexikons1. Darin erscheinen die Seelen von Pe als drei zum Himmel fliegende Raubvögel2, die Seelen von Nechen als drei erdbetretende Tiere: Ibis, Apis, Mnevis3! Der einstige Ausgangspunkt der Bildung der Seelenverbände, die gemeinsame Ortsansässigkeit, ist dabei völlig vergessen. Man sieht, wieweit das Eigengewicht der gelehrten Deutungsmöglichkeiten mit ihren Analogieschlüssen die Dinge abtreiben kann.
3. Memphis Das kultische Bild des alten Memphis war nicht minder bunt, als das von Heliopolis. Wir finden im Gebiet der Stadt und ihrer engeren Nachbarschaft beheimatet: an Tiergottheiten den schwarzen Stier Apis, die Löwin Sachmet „oben im Wüstental", den Widder „vor seiner Mauer, vor seiner Sykomore", anscheinend auch einen Krokodilkult und mindestens in der weiteren Umgebung einen Kult des W ü s t e n h u n d e s Anubis, weiter mehrere B a u m g o t t h e i t e n , am bekanntesten der Kult der „(Hathor), Herrin der südlichen Sykomore", aber auch männliche wie „den unter seinem Ölbaum (Moringa)"4 und den Gott des Wohlgeruchs die L o t o s b l ü t e Nefertem („der ganz Schöne"); dann kommen e r d h a u s e n d e Wesen, voran der Herr des memphitischen Urhügels „der an der Spitze der erhobenen Stätte" (hntj Tnn.t) und der am Wüstenrand wohnende Fruchtbarkeitsgott Sokar von Rosetau („Mündung der Gänge"). Dazu 1 Pap. Berl. 7809 (unpubl.). 2 bjk = Falke, dr.t = Weihe, nr.t = Geier. 3 Ähnliche Spekulationen mit Dreiheiten habe ich Horus und Seth I S. 36f. behandelt; insbes. ist die Dreiheit geflügelter Götterboten in Edfu, die sonst meist als die vier Horuskinder erklärt wurden, zu vergleichen. 4 Vielleicht in Wirklichkeit ein alter Tierkult unter einem Baum s. o. S. 86. 174.
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treten eine ganze Reihe, deren eigentliche Gestalt wir kaum umschreiben können, weil sie uns nur aus Priestertiteln oder den Aufzählungen in Opferlisten jüngerer Tempel bekannt sind, wobei sie nach den üblichen Formungsgesetzen längst zu Sonderformen der führenden Ortsgötter, voran des Ptah, geworden sind 1 . An der Spitze des memphitischen Götterkreises der geschichtlichen Zeit steht P t a h 2 (Taf. IV, a), ein Gott menschengestaltiger Bildung, darin dem Atum, Osiris und Chons gleich, vielleicht wie sein Gegenstück Atum von Heliopolis eine rein gedankliche Schöpfung als Bild der schaffenden Urkraft 3 . Seine Stellung als Ortsgott von Memphis geht sicher nicht höher hinauf als die Stadtgründung der „weißen Mauern" unter Menes als oberägyptische Zitadelle nahe der Deltaspitze und als Amtssitz der künftigen Statthalter von Unterägypten. Die älteste Darstellung des Ptah findet sich in der üblichen Form als ein Mann mit archaisch ungetrennten Beinen, der in einer offenen Kapelle steht und ein Szepter hält, auf einem Steingefäß aus Tarchan, das der 1. Dynastie angehört4. Als kanonische Triade galt im NR allgemein P t a h , S a c h met und N e f e r t e m . Wann diese Bildung erfolgte, ist nicht unmittelbar festzustellen, da Tempelbauten vor dem NR in Memphis nicht erhalten sind. Die Löwin Sachmet (Taf. IV, b) tritt bereits in den Darstellungen der kgl. Totentempel des AR bei Sakkara so stark hervor, daß ihre schließliche Bevorzugung gegenüber „Hathor", die der R§kult des AR begünstigte, ver1 Vgl. die von mir Ree. de trav. 37 S. 57f. behandelte memphitische Götterliste von 51 Namen aus dem Sethostempel in Abydos darunter am Anfang 8 lokale Ptahformen. Der hntj i]wt.f (Nr. 8 und 25) auch Palermostein B s . 3, 31 = Urk. I 244 unter Sahure (5. Dyn.) bereits als Ptahform determiniert! 2 Zum Namen s. o. S. 173. 3 Man könnte daran denken, daß Ptah selbst eine jüngere Namengebung für den vorher anonymen Gott „an der Spitze der erhobenen Stätte" (hntj Tnn.t) war. Die Priestertitel des A B , unsere älteste Quelle, behandeln allerdings diesen als eine von Ptah getrennte Lokalgottheit; vgl. die Belege Bec. de trav. 37 S. 58f. Zu „Unendlichkeit" (Nhj) als Deckname des Ptah Pyr. 449a vgl. S e t h e , Dramatische Texte S. 76. „Ptah, Stellvertreter der Unendlichkeit (iitj nhh)" P e t r i e , Memphis I Taf. 24 (19. Dyn.); ähnliche Beiworte bei S t o l k , Ptah (Diss. Leipzig 1911) S. 21. 4 P e t r i e , Tarkhan I Taf. 3, 1.
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ständlich erscheint. Überdies könnten sich synkretistisch beide Göttinnen über die Gleichsetzung der Löwin Sachmet mit der heliopolitanischen Löwin von Leontopolis ( = Tefnut) als „Horusauge", und der Hathor als „Auge des Re" (Sonnenauge) mit dem Uräusdiadem (Uto) treffen und ergänzen1. Davon hat die memphitische Theologie frühzeitig Gebrauch gemacht, wenigstens läßt sich die Gleichsetzung der Sachmet mit der Bastet von Bubastis und der Ostdeltagöttin Schesemtet bis in die Zeit der 5. Dynastie zurückverfolgen2. Merkwürdig ist das Hervortreten des N e f e r t e m als drittes Glied, also als „Kind" des ungleichen Götterpaares Ptah-Sachmet. Was dabei mitgewirkt hat, läßt sich nur ahnen. Die Pyramidentexte bezeichnen ihn als „die Lotosblume an der Nase des Re", also als Gottheit des Wohlgeruchs3. Aber ein bereits früher genannter Tert betrachtet ihn schon als eine Residenzgottheit und als eine Art irdischer Statthalter des Götterkönigs Re im Sinne des heliopolitanischen Herrschaftsanspruchs, „als Rß über die beiden Neunheiten (in Heliopolis) herrschte, Nefertem aber über das Menschenvolk (in Memphis)"4. Dieser Text, der der Zeit des höchsten heliopolitanischen Einflusses, also etwa der 4./5. Dynastie angehören muß, zeigt eine bemerkenswerte Anerkennung des bescheidenen Pflanzengottes, die uns verständlich wird, wenn Nefertem vielleicht der Gott des königlichen Hofparfüms war, mit dem der König die Amtseinsetzungen vollzog®. Sein häufiger Beiname „Horas (Herr) der Lobpreis(-Salbe)"8 würde 1 S. o. S. 241ff. Zu Sachmet allgemein G. B o e d e r , Art. Sechmet in Roschers Lex. der Mythol. Sachmet trägt seit N R als Kopfschmuck die Sonnenscheibe mit Uräus (also wie Re-Harachte!) s. Taf. IV, b. 2 In dieser Stellung führte Bastet-Sachmet den anspruchsvollen Titel „Herrin vonAnchtaui" (Memphis)und „Herrin der beiden Länder" S e t h e bei B o r c h a r d t , Sahurö I I S. 113. 8 Pyr. 266 a vgl. oben S. 90. 4 Pyr. 483 vgl. oben S. 251. S e t h e bemerkt im Kommentar Bd. I I S. 313 „Übrigens waren Re' und Nefertem nach memphitischer Theologie beide Söhne des Ptah". 5 Daher „angenehm an der Nase der Götter, mit Salbe gefüllt, vereinigt mit Lieblichkeit" in einem Nefertemhymnus M a r i e t t e , Abydos I 39 b. 6 Hr hknw im N R , namentlich ramessidisch häufig, auch als selbständiger Gottesname vgl. Äg. Wb. I I I S. 179/180; z. B. in der großen Götterliste M a r i e t t e , Abydos I Taf. 44/46.
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so erst recht inhaltsreich. Daraus leitete sich dann der anspruchsvolle Beiname „Schützer der beiden Länder" ab 1 . Auch jenes Dokument, das uns die memphitische Götterlehre überliefert, das sog. „Denkmal der memphitischen Theologie", führt den „Nefertem [an der] Nase des R6 alle Tage" als achten und letzten der acht Götter, „die in Ptah Gestalt gewonnen haben" 2 an, stellt ihn also den Urgöttern gleich, was sonst nur mit dem chthonischen Gotte des Urhügels geschieht. Allerdings ließ sich Nefertem gedanklich leicht mit dem Urhügel verbinden, war er doch selbst „die große Lotosblume", die aus dem Urgewässer des Allvaters Nun als erste Gottheit der neuen Welt emporstieg. Also gab er den Urhügelgedanken in anderer Form wieder und konnte je nachdem als jugendlicher Horusgott oder als Re selbst erscheinen. „Du jener Größte, der aus der Erde hervorging, der sich aus dem Nun löste, der aus Nut hervorging, große Macht, dem Geb geboren", so redet in einem altmemphitischen Hymnus seine Mutter Isis ihn, als Horus aufgefaßt, an. Der Text selbst ist nach Sprachstil und Orthographie ein Zeitgenosse der Pyramidentexte, mag also aus dem frühen AR (Dyn. 3/5) stammen3. Demnach ist der Aufstieg des Nerfertem im System des Ptah gerade für die Zeit des AR gut denkbar. Memphis selbst war gegenüber den alten Gaustädten und Fürstensitzen im Land, wie Hierakonpolis, Ombos, Koptos, Assiüt, Sais, Buto, Busiris eine junge Stadt ohne Tradition. Aber genau wie Heliopolis verstand es Memphis durch Heranziehung zugkräftiger Götterlehren aus seiner Umgegend und unter dem Schatten der Residenz des königlichen Statthalters ein theologisches System aufzubauen, das e i n d e u t i g seine P r i o r i t ä t b e w e i s e n sollte. Man benutzte dazu Gedankengänge aus Hermopolis über die Urgötter in Gestalt einer „Achtheit", und solche aus Heliopolis über Atum und seine „Neunheit". Dazu übertrug man in der uns aus Heliopolis bekannten Art allerlei Mythen, 1 Nefertem führt sonst im NR noch den Beinamen „Steuermann der Götter" {hp.tj nirw), den er damals mit Ptah-Sokar teilte. 2 S e t h e , Dramatische Texte S. 47. 50. Daher wird Nefertem z. B. in dem oben genannten Hymnus auch als „Ebenbild des Ptah" bezeichnet. 3 K e e s , ÄZ 57 S. 96 „der . . . unmittelbar auf das Alte Reich zurückgreift, also ein Zeitgenosse der Pyramidentexte, ja sogar ihrer älteren Fassungen ist". E e e a , Götterglaube
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die für den göttlichen Königsgedanken wichtig schienen. Die so entstandene Lehre ist uns in einer Abschrift der Äthiopenzeit (25. Dyn.) erhalten1. Nach dem Sprachcharakter handelt es sich um einen Zeitgenossen der Pyramidentexte. Sethe setzte den Text unmittelbar in die Gründungszeit von Memphis, also sehr hoch hinauf. Seiner Geisteshaltung und Zielsetzung nach paßt er besser an den entscheidenden Wendepunkt der ägyptischen Geschichte, als das Königtum aus Oberägypten seine Residenz für dauernd nach Memphis verlegte, also in die Zeit nach Chasechemui und Djoser 2. Für die Geltung von Memphis als göttliche Königsresidenz schuf das theologische Werk die dogmatische Begründung. Die Beweisführung beginnt mit einer Aufstellung von acht „Göttern, die in Ptah Gestalt gewonnen haben", darunter an erster Stelle „Ptah auf dem großen Thron", wahrscheinlich als Gott desUrhügels; dann folgen ,,Ptah-Nun, der Vater, der Atum erzeugte" und „Ptah-Naunet, die Mutter, die Atum gebar"3, und entscheidend „Ptah, der Große, das ist Herz und Zunge der Neunheit". Diese acht Einzelformen nehmen dieselbe Stellung ein, wie die später vom thebanischen System erdachten vorweltlichen Formungen seines Urgottes Amun. Damit war also Ptah als der „größte" und älteste Gott zum „Vater der Götter" gemacht, wie sonst Nun. Die Achtzahl berücksichtigt das hermopolitische Urgöttersystem und nimmt gleichzeitig Heliopolis das Heft aus der Hand, indem Ptah als die vereinigte Kraft von Nun und Naunet erklärt wird, aus denen Atum hervorging. Damit rückt Heliopolis und seine Neunheit in eine jüngere Generation. Aber man beließ es nicht bei diesem einfachen Beweis, sondern übernahm auch die jünfrerheliopolitanische Lehre vom „Ausspruch" und „Erkennen" (Hu und Sia), die als Urkräfte in Atum 1 Nach Bearbeitungen von B r e a s t e d und E r m a n eingehend analysiert von S e t h e , Dramatische Texte (Unters. 10. 1929). Der Teil über die Schöpfungslehre neu bearbeitet von J u n k e r , Die Götterlehre von Memphis. (Abh. Berl. Akad. 1939 Nr. 23.) 2 Vorsichtig und wohl richtig bei A. E r m a n , Religion der Ägypter (1934) S. 91 „es wird im Anfang des alten Reiches gewesen sein". Jetzt hat J ' u n k e r a. a. O. S. 6f. die Datierung der Komposition ins AR gegenüber Sethes zu hohem Ansatz mit religionsgeschichtlichen Gründen überzeugend gestützt. 3 Zur Nennung von N i m und N a u n e t in den Pyramidentexten s. o. S. 220.
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wirkten1. Man behauptete, daß P t a h durch H e r z und Zunge w i r k t e , die ihrerseits Sinnbilder des Atum seien, und man baute gleichzeitig eine weitere Verschlüsselung ein: im Herzen ist Horas, in der Zunge ist Thot „zu Ptah geworden"2, d. h. wirksam geworden. Herz (Verstand) und Zunge aber lehren, daß Ptah als Herz in jedem Leibe und als Zunge im Munde aller Götter sei und „aller Menschen und alles Viehs, alles Gewürms, und was sonst lebt, indem er (als Herz) d e n k t , und indem er (als Zunge) b e f i e h l t alle Dinge, die er will 3 ". Dann hat Ptah aber auch die Ka und IJemsut, die ihrerseits allen göttlichen Wesen (vor allem auch dem König) ihre ewigen Kräfte leihen4, geschaffen. Und weiter unterschied Ptah die einzelnen Götter nach ihrer Eigenart („Farbe"), und ihm ist daher die Aufteilung des Landes in die Vielheit der Gaue und Orte, also das geschichtliche Erbe der Vorzeit, zu verdanken5. Vorsichtshalber erfand man auch noch eine Verbindung mit der älteren Schöpfungsmythe von Heliopolis über die Erzeugung von Schu und Tefnut. Same und Hände des Atum sind die Zähne (masc.) und die Lippen (fem.) am Munde des Ptah, der die schöpferischen Werte spricht, sozusagen als Werkzeuge oder Zeugen der wortschöpferischen Zunge. Zähne und Lippen als Verkörperung des Zusammenwirkens männlicher und weiblicher Elemente stellen die Neunheit des Ptah dar6. Auch die sonderbar 1 S. o. S. 228f. 2 Sonst hat der Ägypter meist Thot mit dem „Erkennen" (Sia) im Herzen gleichgestellt; s. P. B o y l a n , Thoth S. 103f. Junker a. a. O. S. 45f. 8 Der spätere Synkretismus nutzt diese Konstruktion weitgehend aus: Im Mondgemach des Horustempels von Edfu heißt das Mondsymbol: „Chons . . ., H e r z des Re, das alle Dinge kennt, Zunge des Tenen (Ptah), die das Bestehende verkündet" Edfou I S. 273; ebendort wird eine Falken- und eine Ibisstandarte erklärt „der eine Obelisk (thri) in seinem Namen Sia-Falke" und „Herz des Re als Ibis (thn)" ebd. I S. 270. In einem von Sethe abgeschriebenen späten Text in Karnak (Sethe, 4, 103. 104) heißt Chons „Berechner der Zeit zusammen mit dem „Zähler" (Thot) in ihrem Namen „Doppelseele", Herz und Zunge der „geheimen Seele" (Re). . ., die sein (des Re) Herz erdacht und sein Mund erbrochen hat . . . " Junker a. a. O. S. 46. 4 S. o. S. 103f. 164. 5 S. o. S. 124. 6 Sethe, Dramatische Texte S. 57 „Die Neunheit des Ptah ist in Gestalt seiner Zähne und Lippen Zeuge oder Beisitzer der Zunge"; vgl. Urgeschichte § 221. 19*
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materialistische Vorstellung, daß der Götterkreis, die sog. Neunheit, des schöpferischen Gottes in der Art Hilfsdienst leistet, daß sie in eine männliche und eine weibliche Gruppe getrennt, die Männer als Zähne, die Frauen als Lippen des Gottes mitwirken, um die Schöpfungsworte des „Ausspruchs" zu formen, war der heliopolitanischen Theologie nicht fremd, ist sogar vermutlich ebenfalls von dort entlehnt. Nur auf Grund einer derartigen mysteriösen Voraussetzung konnte ein künstelnder heliopolitanischer Redaktor der Pyramidentexte dazu kommen, daß er in Ritualtexten die bei der heiligen Handlung notwendigen Körperteile „Zähne" und „Lippen" z. B. beiMundreinigungstexten durch das Deckwort „die beiden Neunheiten" ersetzte1! Wer nicht den Schlüssel dazu kennt, müßte allerdings am Verständnis derartiger in „mythische Sprache" umgesetzter Texte verzweifeln! Auch das memphitische System verlangte allgemeine Geltung: „Und so wurde gefunden und verstanden, daß seine (des Ptah) Kraft größer sei, als die der (anderen) Götter." An diese Gedanken knüpft ein pantheistischer Ptahhymnus, der uns aus dem NR erhalten ist, an2. Darin wird Ptah mit folgenden Worten verherrlicht „Du hast keinen Vater, der dich erzeugt hat, als du entstandest; du hast keine Mutter, die dich geboren hat, du dein eigner Bildner (Chnum) . . . Du tratest auf das Land (als Herrscher)3, als es gestaltlos (überschwemmt) dalag . . ., indem du in deiner Gestalt des .Erhobenen' (Tenen als Urhügel) dawarst, in deinem Wesen eines Zusammenfügers der beiden Länder. Was dein Mund und deine Hände geschaffen haben, du hast es aus dem Nun herausgenommen." Dies Werk ist vor allem sein Sohn, der Sonnengott, dessen segensreiches Wirken man also dem Ptah verdankt: „Du hast die Dunkelheit und Finsternis vertrieben durch die Strahlen seines Augenpaares, seine 1 S. S c h o t t , Die beiden Neunheiten als Ausdruck für Zähne und Lippen ÄZ 74 S. 94f. 2 Hierat. Pap. Berl. 3048 col. 2—12 aus Dyn. 22; übersetzt und behandelt von W. W o l f , ÄZ 64 S. 17f. Wolf betont dabei (S. 44) richtig, daß als Quelle ein Text des AB in Frage kommt, mindestens für die wesentlichsten Gedanken. Ein Teil auch übersetzt bei Kees, Lesebuch S. 11/13. 3 Vgl. die Parallele Pyr. 199a in einem heliopolitanischen Königstext: „Tritt auf es, dieses Land, das aus A t u m hervorging"; vgl. oben S. 215. Das „Auftreten" (Stehen) ist ein fester Ausdruck für eine bestimmte Zeremonie des Herrschaftsantritts.
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beiden Barken, sie fahren auf dem Himmel", und nun wird Ptahauch demHimmelsgotte gleich: „ D e i n e beiden Augen, sie wandeln Tag und Nacht, dein rechtes Auge ist die Sonne, dein linkes Auge ist der Mond1, deine Abbilder sind (auch) die Unermüdlichen (Fixsterne)". Man sieht schon aus diesem einen Zeugnis, daß die memphitische Lehre aus dem Anfang des AR sich aufrechterhielt trotz der heliopolitanischen Gegenwirkung, trotz Osiris und später Amun. Abgesehen von diesen gedanklichen Konstruktionen verwieg der memphitische Theologe auf weitere Beweise, die an Mythen anknüpften. Memphis als Aufenthalt das Ptah ist der „Gotteskornspeicher", aus dem der Lebensunterhalt der beiden Länder besorgt wird, sicherlich ein Hinweis auf die staatlichen Zentralspeicher in Memphis an der gegebenen Umschlagstelle zwischen Ober- und Unterägypten. Ein wichtiges Viertel von Memphis führte ja den Namen „Leben der beiden Länder" (Anchtaui)2. Aber das irdische Bild wird durch religiöse Analogien ausgeweitet : Memphis ist die Kornkammer, weil dort Osiris aus dem Wasser ans Land gezogen wurde und sich in der Nekropole von Memphis „zu den Göttern des Tatenen" (des mit Ptah gleichgesetzten Urhügels), also der Unterwelt gesellte. Sicher enthält das eine Anspielung auf S o k a r , mit dem Osiris bereits in den Pyramidentexten gleichgesetzt wird3. So wurde also Osiris in Memphis „im Königshaus in der nördlichen Hälfte dieses Landes" bestattet 4 . Horus aber, sein Sohn, erschien dort als König der beiden Länder. Die Mythenstücke berichten dazu erläuternd, daß Horus und Seth im Ptahtempel zu Memphis ihren Streit beendeten6, also dasselbe, was Heliopolis bei seinem Gericht in der „Fürstenhalle" für Heliopolis behauptete! Deshalb führte Memphis den Namen „Waage der beiden Länder". Der Ort aber, wo Horus als erster König Gesamtägyptens „auftrat", das ist die Stätte des (Ptah)-Tatenen, der mem1 S. o. S. 235 zu Schu und Tefnut als die beiden Gestirnaugen. 2 Anscheinend insbes. die Gegend am Bande der Wüste; zur Topographie s. meinen ausführlichen Art. Memphis in Pauly-Wissowa R E . 3 Die Beisetzung des Osiris erfolgte tatsächlich nach der vorausgehenden Mythenfassung in Memphis „im Hause des S o k a r " ; S e t h e , Dramatische Texte S. 37. 4 S e t h e , Dramatische Texte S. 40. 5 A. a. O. S. 36.
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phitische Urhügel, seine „erhobene Stätte" (Tnn.t)1. Als Herr dieses Ausgleichs im Sinne der thinitischen Staatslehre wird nun auch Ptah wie RS zum „Herrn der R i c h t i g k e i t " (Maat) als Hüter und Verkörperer jener inneren Gesetzmäßigkeit, auf die Staat und Welt in gleicher Weise aufgebaut war. Ja, das Beiwort „Herr der Wahrheit" 2 wird in der Folgezeit das für Ptah eigentlich kennzeichnende, auf das man jedenfalls den größten Wert legte. Auch dafür gab der alte Theologe schon die Begründung : Als eine Folge der Schöpfung wird die unterscheidende Bestimmung der Ka- und Hemsut-Götter betrachtet, und das Vorhandensein dieser schicksalbestimmenden Mächte ermöglicht die Scheidung zwischen Recht und Unrecht8: „Und so wird Leben gegeben dem Friedfertigen, Tod gegeben dem Verbrecher." Wenn sich also am Ende des AR hohe Beamte und hohe memphitische Priester, die in Sakkara begraben liegen, der Gnade des „großen Gottes, des Herrn der R i c h t i g k e i t " empfehlen, so konnte wohl ein neuer Zweifel aufkommen, ob an Stelle des heliopolitanischenRe nicht vielmehr der memphitische Ptah, der ja bereits dem Sokar, und dieser wieder dem Totenherrscher Osiris gleichgesetzt war, gemeint sei4. Gerade in Gräbern der Hohenpriester des Ptah, die gleichzeitig Priester für Sokar waren, wendet sich seit Beginn der 6. Dynastie das übliche Totengebet um ein schönes Begräbnis immer eindeutiger an Osiris als den j,großen Gott" 5 : ,-,Ein Opfer, das der König gibt, ein Opfer, das Osiris gibt, der große Gott, der Herr der Richtigkeit, daß er ein sehr schönes hohes Alter erlebe auf seinem Platze als Geehrter vor Ptah und danach begraben werde in der Wüste des sehr schönen Westens." Sehr bezeichnend für die Einschätzung der Götter als Schützer des Totenkultes ist die Reihenfolge in der Schlußformel eines Stiftungserlasses für den Totendienst eines Vezirs aus der Zeit des Onnos (Ende 5. Dyn.) 6 : „Einer, den der 1 A. a. O. S. 32. 2 So wenn S e t h e Recht hat, schon Pyr. 1520a. s. u. S. 296 Anm. 3. Zum Sonnengott als „Herrn der Richtigkeit" s. o. S. 248f. 3 Siehe die Bemerkungen von S e t h e , Dramatische Texte S. 64f. 4 S. o. S. 277 und unten S. 327. 6 K e e s , Totenglauben S. 232 nach M a r i e t t e , Mastabas S. 130 (C9). 375 (El). 377 (E2); die beiden letzteren datiert in die Zeit des Teti. 6 Sakkara, Grab des Vezirs Nb-k)w-Hr bei .der Onnospyramide.
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K ö n i g l i e b t . . e i n e r , den Osiris liebt . . . einer, den Anubis liebt . . . einer, den C h o n t a m e n t i liebt, ist jeder usw." Die Anknüpfung an das Erbe von Busiris ist in Memphis enger, als in Heliopolis, wo sich die widerstreitenden Ansprüche des Reglaubens in den Weg stellten. Gemeinsam mit dem Königtum zog Memphis aus Busiris den Djedpfeiler nach Memphis und fügte ihn, sicher bereits vor der Blütezeit des AR, seinem Götterkreis ein 1 . Die Hohenpriester des Ptah nennen sich am Anfang der 6. Dynastie nicht nur „Propheten des Sokar" und anderer Lokalgötter, sondern auch „Propheten des heiligen Djedpfeilers", der unmittelbar als Idol des Ptah, dann des Ptah-SokarOsiris galt 2 . Die feierliche Aufrichtung des Djedpfeilers bildete einen Akt des thinitischen Krönungsfestspiels3. Sie wurde in Memphis festgelegt als Abschluß des großen Sokarfestes (26. Choiak) auf den 30. Tag des 3. Monats der Überschwemmungsjahreszeit (Choiak) „am Vortage des Sedfestes" (1. Tybi)4. Das Jahreszeitenfest des 1. Tybi als Beginn der Winterjahreszeit (Aussaat) stand unter dem Schutze des auch in Heliopolis bekannten Urdämons in Schlangengestalt „der die Eigenschaften bestimmt" (Nhb k]w)5 und sollte gleichzeitig als mythischer Thronbesteigungstag des Horus und als Beginn der bestehenden Weltordnung gelten. Die Einschaltung des Osiris, die in Heliopolis rein theologisch bleibt, gelang in Memphis dank der Anziehungskraft des erdhausenden Fruchtbarkeitsgottes Sokar „des Herrn des Erdbodens". Sokar-Osiris bedeutete für Memphis einen gewaltigen Geltungszuwachs, der sehr wohl dem heliopolitanischen Sonnenglauben ein Gregengewicht bieten konnte. Memphis war ja West1 S e t h e , Dramatische Texte S. 156 meint umgekehrt, daß die Verbindung des Djedpfeilers mit Busiris „dem AR noch unbekannt gewesen zu sein scheint". Aber der Name des Djedpfeilers hängt doch engstens mit dem von Busiris (Ddw) zusammen! 2 Zum Djedpfeiler unter den memphitischen Göttern vgl. K e e s , Ree. de trav. 37 S. 69. Zu den Priestertiteln S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte S. 138. K e e s , Kulturgeschichte S. 245. 8 S e t h e , Dramatische Texte S. 155f. Zur Deutung des Djedpfeilers als geköpfter Seth s. o. S. 98. 129. 4 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte S. 13öf. In den Opfergebetsformeln der memphitischen Gräber erscheint das Sokarfest unter anderen •Festen erst im späteren AR J u n k e r , Giza II S. 61; IV S. 21. 5 S. o. S. 55 Anm. 4. S. 59 Anm. 4, unten S. 318.
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Drittes Kapitel. Die Göttersysteme der Aufbauzeit
uferstadt wie Letopolis, und am Rande seines Stadtgebietes begannen die Friedhöfe, auf denen die ersten Würdenträger der Reichsgewalt, von der 3. Dynastie an auch die Könige selbst, sich bestatten ließen. Die alten vorgeschichtlichen Städte sollten ihre überragende Stellung einbüßen und der neuen Einheit dienen, darin waren sich Heliopolis und Memphis einig. ,,Du gehst nach Pe (Buto) und findest deinen Widersacher dort, du kommst nach Nechen (Hierakonpolis) und findest deinen Widersacher dort", oder ,,Pe fährt zu dir stromauf, Nechen fährt zu dir stromab", das sind typische Äußerungen im Geiste des Alten Reiches aus den Pyramidentexten 1 . Aber Memphis besaß Heliopolis gegenüber den Vorzug, daß es seit der Reichseinigung in die Rolle der eigentlichen Landeshauptstadt hineinwuchs. Memphis knüpfte die Erinnerung an das geschichtliche Siegesfest des Menes über Unterägypten an, das vielleicht wirklich am dortigen Platze unter Teilnahme der Großen des Landes stattfand. Von da an blieben die Hauptfeste des Gottkönigtums mit Memphis verbunden. Und memphitische Götterfeste wurden in sie eingebaut. Der „Umzug um die Mauern", ein alter Brauch des Sokarfestes, wird wesentlicher Bestandteil der Krönungsfeierlichkeiten, die in ihrer amtlichen Bezeichnung „Vereinigung der beiden Länder" ihr geschichtliches Kennzeichen trugen 2 . Krönungstag und das 30jährige Regierungsjubiläum, das sog. Sedfest, erhalten den Charakter von Reichsgründungsfeiern, an denen alle Götter und alle Großen des Landes teilnahmen. Auch beim Sedfest wurde der „Umzug um die Mauern" wiederholt, und gewiß haben nicht erst die Ramessiden dies Fest besonders unter den Schutz des Ptah-Tenen gestellt. Vielleicht führt Ptah als Herr dieses epochalen Festtages (1. Tybi) den Beinamen „Herr des Jahres" 3 . Auch der altmemphitische Brauch des „Auslaufs des Apis", einst wohl eine Feier der Fruchtbarmachung der Fluren durch den Herrn der Her1 Pyr. 624. 725 d. 2 S e t h e , Beiträge zur ältesten Geschichte S. 133f. K e e s , Opfertanz S. 152f. S e t h e , Urgeschichte § 219. Zum Sokar s. o. S. 94f. 3 S e t h e , Dramatische Texte S. 76. Sethe deutet dort die Stelle Pyi. 1520a „hoch ist der Herr der Richtigkeit am Jahresanfangsfest (1. Tybi), er der Herr des Jahres" auf P t a h : „Der Titel wird mit der Rolle, die der Gott bei dem am 1. Tybi gefeierten Jubiläumsfest der ägyptischen Könige (hb-id) spielte, zusammenhängen."
3. Memphis
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den1, fand Anschluß an das königliche Festritual der Thiniten. Apis begleitet im „eilenden Lauf" den König beim viermaligen Umlauf des Feldes, der als Weiheakt bei der Schenkung von Tempelland an einen Gott im Mittelpunkt jedes Sedfestes stand, allerdings in der typisch ausgleichenden Art der Thinitenzeit nur bei der unterägyptischen Hälfte dieser Zeremonie2. Memphis war auch sonst darauf bedacht, zur Ausweitung seines örtlichen Götterkreises ansehnliche Gottheiten „zu Gast" einzuführen. Den im AR häufig genannten Kult der saïtischen „ N e i t h , der Wegeöffnerin, nördlich der Mauer" (von Memphis) nannte ich bereits bei Besprechung des Ausgleichs mit dem ehemaligen Westdeltareich3. Aus Oberägypten war mit dem Königtum Min, frühzeitig als „starker Horas" dem Königsgott angeglichen4, nach Memphis mitgekommen. „Der Auszug des Min" gehört im AR unter die Reihe der großen Feste, an denen auch der Tote besonders teilzuhaben wünschte6, neben den großen Jahreszeitenfesten des Neujahrs, den Mondmonatsfesten, dem Uagfest, dem Thot- und Sokarfest6. Vielleicht war dies Minfest, wie es spätere Festkalender andeuten, bereits damals unter die kanonischen Feiertage des heliopolitanischen Mondmonats (am Monatsende) eingeschaltet7. Auch ein anderes zu Ehren des Min, wohl als dem Herrn der Wüstenstraßen gefeiertes Fest, bei dem man ein Klettergerüst aufrichtete, das federtragende Wüstensöhne besteigen mußten, wird bereits in königlichen Totentempeln des AR dargestellt8, galt also ebenfalls als Staatsfeier. Später hat Min wieder auf dem heimischen oberägyptischen 1 S. o. S. 74. 2 Beim oberägyptischen Teil dient der Upuaut von Assiût als Vorläufer des Königs s. o. S. 192. 3 S. o. S. 211. 4 S. o. S. 200f. 5 Die ältesten Beispiele nach J u n k e r , Gîza I I S. 60f. in Gräbern aus dem Ende der 4. und Anfang der 5. Dynastie (Merjeb, Debehni, Ensedjerkai). 6 Auch im Opferkalender des Sonnenheiligtums des Neuserrê aufgeführt v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I I Nr. 482 (S. 52). 7 Ob es sich bei dem „Auszug des Min" u m ein Geburtsfest des Min handelt, ist unklar; vgl. die ausführlichen, wenn auch ergebnislosen Erörterungen von G a u t h i e r , Les fêtes du dieu Min S. 15f. Als Fest des 30. Monatstages B r u g s c h , Thesaurus S. 300f. 8 J é q u i e r , Le monument funéraire de Pepi I I T. I I Taf. 12/16; zum Fest vgl. G a u t h i e r a. a. O. S. 147f.
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Drittes Kapitel.
Die Göttersysteme der Aufbauzeit
Boden besonders enge Beziehungen zum Königtum gewonnen1. Selbstverständlich fanden auch, genau wie dies später anderenorts z. B. in Theben geschah, die großen kosmischen Gottheiten der Neunheit und die des Osiriskreises als Gastgötter Aufnahme in Memphis. So nennt z. B. die öfters erwähnte Liste in den Sokargemächern des Osiristempels Sethos' I. in Abydos, die durch ihre topographischen Angaben wertvoll ist 2 , den Schu, verschiedene Osirisformen, Isis, Nephthys, die 4 Horuskinder, Anubis-Imiut und andere. Demgegenüber mag es merkwürdig erscheinen, daß Ptah in den Pyramidentexten eine so nebensächliche Rolle spielt, mindestens sein eigentlicher Name nur selten genannt wird. So wird einmal Rè angerufen, er möge dem toten König einem „Groß an Verehrung" genannten Gott anbefehlen, der „Geliebter des Ptah und Sohn des Ptah" genannt wird, also als eine Art Hofbeamter des memphitischen Götterkreises erscheint3. Der Grund liegt wohl in der Einseitigkeit der heliopolitanischen Redaktion dieser Texte, daneben in ihrer Bestimmung als Totensprüche. Wo wegen der Lage des Königsgrabes auf dem Westufer die Beteiligung memphitischer Gottheiten erwünscht war, tritt Sokar, der bereits den Osiris an sich gezogen hatte 4 , und seine heiligen Stätten, R o s é t a u „die Mündung der Gänge" (Nekropole) und der „Ausgespannte" (Teich), hervor. Ptah als derUrhügel des „erhobenen Landes" (Tenen) machte dagegen dem heliopolitanischen Urgott Atum zu offensichtlich Konkurrenz. Wo Atum herrschen soll, unterblieb daher eine Erwähnung des Ptah. Das ist für die Denkrichtung dieser Texte bezeichnend. Andererseits war es wohl dem Einfluß der Lehre von Memphis zusammen mit den sich allmählich verstärkenden Einflüssen der oberägyptischen Provinz auf das Königshaus zuzuschreiben, daß die Könige seit Asosi, dem vorletzten König der 5. Dynastie, es 1 S. unten S. 338f. 2 Ree. de trav. 37 S. 74f. 8 Pyr. 1482. Sonst erscheint der ebenfalls dem Hofzeremoniell des AR nachgebildete Titel „O . . Mundschenk des Horus, Leiter der Speisehalle des Rè, Küchenältester des Ptah, gib dem NN. ordentlich" Pyr. 660 vgl. 666. 4 Wie die Grabformeln zeigen, wurde bereits am Anfang der 6. Dynastie Ptah seinerseits als Ptah-Sokar dem letzteren gleichgesetzt, so E. B. M a r i e t t e , Mastabas S. 377. (E2. Zeit des Teti) und in der Mastaba des Memphiten Isj in Edfu (Zeit Phiops' I.) Bullet, inst. fr. 37 S. 95.
3. Memphis
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aufgaben, dem Re-Harachte von Heliopolis bei ihrer Residenz auf dem Westufer besondere Sonnenheiligtümer zu errichten, wie dies mit Userkaf verpflichtende Sitte geworden war 1 . Die Bestrebungen des Sonnenkultes, sich zum bevorrechteten Staatskult aufzuschwingen, erlitten damit einen ersten sichtbaren Rückschlag. Der Höhepunkt des geistigen Einflusses von Heliopolis, die eigentliche „heliopolitanische Zeit" war mit dem Übergang zur 6. Dynastie vorüber. Die kommende Zeit des Feudalismus ist auch auf religiösem Gebiet einem Unitarismus jedweder Art abgeneigt. Die alte Vielfältigkeit Ägyptens beginnt durch die verblassende Deckschicht, die sich seit der Reichseinigung darüber gebreitet hatte, wieder für uns sichtbar zu werden. 1 E d . M e y e r , Gesch. d. Alt. I, 2» § 250.
VIERTES KAPITEL
Die Feudalzeit 1. Wiederkehr der oberägyptischen Ortsgötter Der Antritt der 6. Dynastie, die das AR beschließt, ist mehr als ein genealogischer Einschnitt in der Geschichte. Wenn auch in der äußeren Form des Staatsaufbaus, der Lage der Residenz, der Herkunft des Königshauses sich diese Zeit als eine Fortsetzung des memphitischen Reiches darstellt, so kommen doch nunmehr Erscheinungen zur Auswirkung, die eine Zeitenwende ankündigen. Die Frage der Machtverteilung zwischen Königshaus und Zentralregierung in Memphis einerseits, den landansässig gewordenen Familien der Gaufürsten in Oberägypten andererseits — unter der 5. Dynastie noch eine Auseinandersetzung zwischen der Zentralregierung und den zu Großgrundbesitzern gewordenen Beamtenfamilien des Landes —, ist zur Frage nach der Zukunft der Dynastie selbst geworden1. Von Phiops I. an suchte das Königshaus seinerseits eine Stütze an einflußreichen Dynastenfamilien Oberägyptens, vor allem beim thinitischen Gaufürstenhaus2; gleichzeitig eroberte der Feudaladel die entscheidenden Staatsämter. Seit der 6. Dynastie nimmt in amtlichen Nennungen beider Länder Oberägypten wieder seinen geschichtlichen Vorrang vor Unterägypten ein, wie es seit der Reichseinigung bis zum Beginn der 4. Dynastie üblich war3. Die auf Heliopolis und Memphis gestützte unterägyptische Politik ist nunmehr bis zur Nachamarnazeit vorüber. Da das Delta infolge seiner andersartigen Verwaltungsformen keinen Boden für die Neubildung eines Feudaladels bot, kam die 1 K e e s , Beiträge zur altägyptischen Provinzialverwaltung und der Geschichte des Feudalismus I. Oberägypten. (Gött. Nachr. 1932 Altertumswiss. I, 12). 2 Woher Ipwt, die Gemahlin des Teti, Mutter Phiops' I. stammte, wissen wir leider nicht. 8 S e t h e , ÄZ 44 S. 15 s. o. S. 283.
1. Wiederkehr der oberägyptischen Ortsgötter
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politische Entwicklung einseitig den o b e r ä g y p t i s c h e n Gauen und Ortsgöttern zugute. Von vielen Ortsgöttern hören wir in den Gräbern der Gaufürsten erstmalig etwas. Alte Ansprüche und Erinnerungen aus der oberägyptischen Vorzeit wurden neu erweckt. Ujid wieder bewährte sich die ureigene Verbindung des Herrschertums in Ägypten mit Orts- und Gaugott. Je mehr die Gaufürstenfamilien zu selbständigen Dynasten erstarkten, um so deutlicher hob sich die Stellung des Ortsgottes gegenüber den Staatsgöttern der memphitischen Zeit. Der grundbesitzende Beamte, den der König als ,, Graf-Prophetenvorsteher zum Tempelkurator des Ortsgottes ernannte und nun ein „Geehrter bei dem Gotte NN" war, entwickelte sich zwangsläufig zum praktisch unabhängigen Gaufürsten, der sich als Sohn seines Ortsgottes bezeichnete und damit Königsrechte antastete 1 . Wenn sich z. B. einer der bekanntesten Dynasten aus der Zeit um 2060 v. Chr., der Herrscher des Hermopolites Neheri, als Sohn des Thot nennt 2 „sein (des Thot) eigener Sohn in Wahrheit, geschaffen von dem, aus welchem er hervorgegangen ist, geboren von den beiden Neunheiten des RS3, einzig in diesem Lande übriggebliebene Urschlange, während alle anderen Menschen zu Staub wurden"4, so ist das keine unerhörte Anmaßung eines Menschen, sondern ein Wiederaufleben der alten Zersplitterung der Herrschergewalt, die auch in der Vorzeit stets mit dem heimischen Gott als wesensgleich verbunden war. Daher die betonten Adelsprädikate „Erbfürst der ersten Urzeit" oder „urzeitlicher Vorfahr"5. Zu Beginn der 12. Dynastie nannte sich auch Hapdjefa, Gaufürst von Assiüt, selbstherrlich8: „Sohn des U p u a u t , den der große Säger (Osiris) erzeugte", betrachtete sich also wie der König als Abbild des Horus. Der Horuskönig, der zeitweise nur noch dem Namen nach über Gesamtägypten gebot, war wieder wie einst Gott unter Göttern geworden, nicht wie im AR ein „großer Gott" über 1 K e e s , Kulturgeschichte S. 201f. 2 A n t h e s , Hatnub S. 61 (Gr. 26) Jahr 8 des Gaufürsten Nhrj I. 3 Das bedeutete in heliopolitanischer Mythensprache „Zähne und Lippen" des Re-Atum s. o. S. 292. 4 Zur chthonischen Urschlange s. o. S. 55. 216. 5 Z. B. Gaufürst Antef von Hermonthis (11. Dyn.) ÄZ 34 S. 28. 33. Gaufürst des Hypselites (11. Gau) G r i f f i t h , Siüt Taf. 4 Z. 4. 8. (Rife Grab 1). 6 Urk. VII.64.
302
Viertes Kapitel. Die Feudalzeit
Untertanen und Beamte. Das gilt grundsätzlich für ganz Oberägypten. Allerdings gestatten unsere Quellen nur einzelne Orte herauszugreifen, die sich als Mittelpunkte neugebildeter Macht erweisen. Über den Erfolg des neueinsetzenden Ringens um den Vorrang entschied wiederum das politische Geschick der einzelnen Gaustaaten und ihrer „Häuser", wie die Ägypter selbst diese Herrscherfamilien bezeichneten. Mancher Provinzgott fand unter der 6. Dynastie bereits Erwähnung in den Beamtengräbern der Residenz, abgesehen von dem Sonderfall des abydenischen Chontamenti ( = Osiris). Ein Güterdirektor („Ortsvorsteher"), der bei der Pyramide Phiops' II. begraben ist, empfiehlt sich als „geehrt bei dem Horus von Hebenu", also des Hauptortes des 16. oberägyptischen Gaues (Sauiet el Meitin)1. Das ist eine deutliche Umwertung des Geltungsbereiches. Früher begleiteten die memphitischen Götter die Großen ins Land hinaus, jetzt beanspruchten Provinzgötter Geltung im Residenzbereich. Äußerlich läßt sich das Ansehen der einzelnen Gaue an der Größe der Felsgräber ihrer Fürsten und ihrer Ausstattung, die Macht ihrer Besitzei aus der Fülle der Titel, meist auch schon die Geltung ihres Ortsgottes an Tempelstiftungen des Königshauses ablesen. Das Haus des Phiops spielt im bescheideneren Rahmen der Zeit dieselbe Rolle, wie später Thutmosis III. und Ramses II. im Reichtum des NR. Mancher Tempel Oberägyptens führt seine Baugeschichte über die genannten Könige auf einen Phiops zurück. Bei einigen erweisen Funde die Richtigkeit, so beim Chontamentitempel in Abydos, bei anderen, wie beim Hathortempel von Dendera, meldet es die schriftliche Überlieferung2. Selbst das ferne Hierakonpolis, die vorgeschichtliche Hauptstadt Oberägyptens, erlebt unter der 6. Dynastie eine Nachblüte. In einer Anzahl von Gaustädten besaß das Königshaus eigene Stiftungen, die wie üblich in kultischer und wirtschaftlicher Beziehung an die großen Ortstempel angeschlossen waren. So hören wir in der Familie des Phiops zuerst von einem „Ka-Haus", d. h. einer Kapelle mit Statue, für die Königsmutter Phiops' I. Iput, die Gemahlin des Teti, in Koptos 8 , dann von 1 J 6 q u i e r , Tombeaux de particuliers contempor. de Pepi II S. 104 = Urk. I 262 vgl. LD II 111c (Sauiet el Meitin). 2 D ü m i c h e n , Baugeschichte des Denderatempels Taf. 4 (Krypten). 3 Urk. I 214 (Schutzdekret Phiops* I.).
2. Dendera
303
anderen Ka-Häusern des Königs und seiner Angehörigen aus Inschriften in Sauiet el Meitin (16. Gau Hbnw), Achmim, Abydos und wieder Koptos 1 . Wahrscheinlich waren sie damals überall dort zu finden, wo der König selbst oder seine Verwandten in Königs Namen Tempelbauten errichteten2. Denn das Königshaus mußte gegenüber den Feudalherren im Lande Wert dar.auf legen, als Beisasse des Ortsgottes in Erscheinung zu treten!
2. Dendera Besonders nachdrücklich knüpfte das Königshaus der 6. Dynastie an H a t h o r von D e n d e r a an. Phiops I. nennt sich anstatt „Sohn des Re" mehrfach „Sohn der Hathor von Dendera", gelegentlich in sehr bezeichnender Parallele „Sohn des Atum, Herrn von Heliopolis (Ivmw)" und „Sohn der Hathor, Herrin von Dendera" (Ium.t)"3. Bei dem vorgeschrittenen Synkretismus und der Vieldeutigkeit der Hathor-Gestalt, deren Name „Haus des Horns" auf ihre alte Verbindung mit dem Gott der Reichseinigungszeit hinweist, hat diese Prägung für das Ende des AR nichts Auffallendes. Immerhin zeigt die Hervorhebung der oberägyptischen Hathorstadt gegenüber ihren bisher bevorzugten Sitzen Heliopolis und Memphis dieselbe Loslösung vom zentralistischen Gedanken auf kultischem Gebiet, der die Staatsauffassung dieser Zeit beherrschte. Zur Unterstützung berief sich Dendera wohl damals schon auf die Beweise, die uns vollentwickelt der späte Denderatempel bietet, die Ähnlichkeit des Namens mit Heliopolis gleichsam als „weiblichemHeliopolis". Dendera will vollwertiger „Ersatz" für die Stadt des R6-Atum 1 Sauiet el Meitin: LD II 111k = LD Text II S. 68. LD II HOn = LD Text II S. 63. Achmim: Grab Nr. 9 = Urk. I 264. Koptos: Urk. I 302. 303. 306. Zu einer solchen Königskapelle gehörte wohl auch die große Kupferstatue des Königs Phiops I. und seines Sohnes aus Hierakonpolis (Kairo). 2 Daß Phiops I. auch in Unterägypten sich „Ka-Häuser" errichten ließ, berichtet die Inschrift des Oberbaumeisters NKbw für die „Westhälfte" des Deltas von Chembis (Buto) bis Memphis. Urk. I 219/20 = D u n h a m , JEA 24 Taf. 2 (verbesserter Text). 3 Vgl. H. M ü l l e r , Die formale Entwicklung der Titulatur der ägyptischen Könige S. 71 f. Aus familienrechtlichen Gründen kehrt das in der thebanischen 11. Dynastie bei Menthuhotep III. wieder, Gaut h i e r , Livre des rois I S. 218 und unten S. 305.
2. Dendera
303
anderen Ka-Häusern des Königs und seiner Angehörigen aus Inschriften in Sauiet el Meitin (16. Gau Hbnw), Achmim, Abydos und wieder Koptos 1 . Wahrscheinlich waren sie damals überall dort zu finden, wo der König selbst oder seine Verwandten in Königs Namen Tempelbauten errichteten2. Denn das Königshaus mußte gegenüber den Feudalherren im Lande Wert dar.auf legen, als Beisasse des Ortsgottes in Erscheinung zu treten!
2. Dendera Besonders nachdrücklich knüpfte das Königshaus der 6. Dynastie an H a t h o r von D e n d e r a an. Phiops I. nennt sich anstatt „Sohn des Re" mehrfach „Sohn der Hathor von Dendera", gelegentlich in sehr bezeichnender Parallele „Sohn des Atum, Herrn von Heliopolis (Ivmw)" und „Sohn der Hathor, Herrin von Dendera" (Ium.t)"3. Bei dem vorgeschrittenen Synkretismus und der Vieldeutigkeit der Hathor-Gestalt, deren Name „Haus des Horns" auf ihre alte Verbindung mit dem Gott der Reichseinigungszeit hinweist, hat diese Prägung für das Ende des AR nichts Auffallendes. Immerhin zeigt die Hervorhebung der oberägyptischen Hathorstadt gegenüber ihren bisher bevorzugten Sitzen Heliopolis und Memphis dieselbe Loslösung vom zentralistischen Gedanken auf kultischem Gebiet, der die Staatsauffassung dieser Zeit beherrschte. Zur Unterstützung berief sich Dendera wohl damals schon auf die Beweise, die uns vollentwickelt der späte Denderatempel bietet, die Ähnlichkeit des Namens mit Heliopolis gleichsam als „weiblichemHeliopolis". Dendera will vollwertiger „Ersatz" für die Stadt des R6-Atum 1 Sauiet el Meitin: LD II 111k = LD Text II S. 68. LD II HOn = LD Text II S. 63. Achmim: Grab Nr. 9 = Urk. I 264. Koptos: Urk. I 302. 303. 306. Zu einer solchen Königskapelle gehörte wohl auch die große Kupferstatue des Königs Phiops I. und seines Sohnes aus Hierakonpolis (Kairo). 2 Daß Phiops I. auch in Unterägypten sich „Ka-Häuser" errichten ließ, berichtet die Inschrift des Oberbaumeisters NKbw für die „Westhälfte" des Deltas von Chembis (Buto) bis Memphis. Urk. I 219/20 = D u n h a m , JEA 24 Taf. 2 (verbesserter Text). 3 Vgl. H. M ü l l e r , Die formale Entwicklung der Titulatur der ägyptischen Könige S. 71 f. Aus familienrechtlichen Gründen kehrt das in der thebanischen 11. Dynastie bei Menthuhotep III. wieder, Gaut h i e r , Livre des rois I S. 218 und unten S. 305.
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Viertes Kapitel.
Die Feudalzeit
sein1, Hathor selbst universale Himmelsherrin und Allmutter, ihr Kind der junge Sistrumspieler I h j 2 oder der „Horus" aus der Nachbarstadt { # l d j ) mit dem vielsagenden Beinamen „Vereiniger der beiden Länder" (Harsomtus) wesensgleich dem Urgott und Sonnenkind. Gerade den Harsomtus stellen die späten Tempelbilder gern als Urschlange oder als Lotosblume, die wie Nefertem aus dem Urozean des Nun aufsteigt, dar (Taf. IX, b) 8 . Andererseits war das Sistrum „die weibliche Seele mit ihren zwei Gesichtern" (Abb. 9, c), das Menschengesicht mit Kuhohren und Kuhhörnern, eigentlich der alte Gaufetisch des Nachbargaues (7. oberägyptischer) von Diospolis parva (Hü; „Haus der Sistren" genannt)4 gewesen, in Dendera aber längst vom Götterbild zum Kultgerät herabgesunken, mit dem man der Hathor diente5. Damit ist allerdings das eigentliche Wesen der Ortsgöttin von Dendera so überschattet, daß ihre Bildungselemente sich kaum mehr mit Sicherheit auseinanderhalten lassen6. Die anscheinend am Ende der Feudalzeit neugeschaffene oder mindestens neuorganisierte Kultverbindung mit dem Horus von Edfu als dessen Gemahlin7 hat dann das Übrige getan, jenes vielseitig schillernde Bild der großen Göttin hervorzuzaubern, auf das jedes theologische System Wert legte. Besonders bedeutungsvoll wurde für Dendera, daß das Gaufürstengeschlecht von Hermonthis durch Heirat mit der Königstochter Nefrukait 1 Ein. Prophet der Hathor von Dendera und „Prophet des S o m t u s " zugleich Totenpriester des Mykerinos schon S e l i m H a s s a n , Giza 1930/31 S. 169. Zum Ersatzmotiv s. o. S. 182 unten S. 336. 339. 427. 2 Die Figur des Ihj erscheint auch im memphitischen Hathorkult des A B vgl. die-Notiz über Weihung eines goldenen /^'-Bildes in ein Hathorheiligtum bei Medum ( I ) Palermostein B s . 4, 25 = Urk. I 247 (unter Neferirkere 6. Dyn.). 3 B r u g s c h , Beligion u. Mythologie S. 373f. K e e s , ÄZ 57 S. 133 (als Urschlange und Nefertem). S e t h e , Urgeschichte S. 121 Anm. 1. f f l d j als heilige Stätte (Vorort) von Dendera, Stätte der beiden dortigen heiligen B ä u m e , in der kulttopographischen Liste des Edfutempels B r u g s c h , Dict. göogr. S. 1362 = E d f o u I S. 339. 4 Pyr. 1096 vgl. S e t h e , Urgeschichte § 50 und oben S. 73f. 145. 5 Die Personifikation des 7. Gaues wird im A B als F r a u dargestellt: B e i s n e r , Mycerinus Taf. 46. Auch in der Gauliste aus der Weltkammer des Sonnenheiligtums des Neuserre (unpubl.). 6 S. o. S. i o f . 86f. 145. 7 S. u. S. 429.
3. Hermopolis (Schmün)
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„der Urschlange an der Spitze von Oberägypten" 1 aus dem Fürstenhaus von Dendera, die wohl die Gemahlin des Königs Antef I. der 11. Dynastie wurde, Herrscherrechte über die gesamte Thebais bis zum 10. Gau nach Norden gewann. Mit dieser Herkunft seines Machtanspruchs hängt es zusammen, daß sich dann König Menthuhotep III. der schließliche „Vereiniger der beiden Länder" in Anknüpfung an die Sitte der 6. Dynastie im Königsnamen als „Sohn der Hathor von Dendera" bezeichnet 2 . Dogmatisch hatte man in der Bezugnahme auf die heiligen Stätten der Vergangenheit, insbesondere Heliopolis, eine offene Absage an die Staatskulte des AR vermieden, in der wirtschaftlichen Stellung der Tempel und ihrer Stiftungen brachte dagegen die Religionspolitik der Feudalzeit eine tiefgreifende Verschiebung mit sich, die die einstigen Nutznießer der Zentralregierung hart genug gespürt haben müssen.
3. Hermopolis (Schmün) Die Geschichte kennt Hermopolis magna in Mittelägypten unter dem Namen „die ( S t a d t der) A c h t " (ffmnw), heute Aschmunen, und als die Stadt des Thot, des Mondgottes, Reglers der Zeit und Hüters der Weisheit. Aber das scheint nicht der ursprüngliche Kultbestand zu sein. Der ältere Name des Ortes als Gauhauptstadt des 15. oberägyptischen Gaues lautete Unu (Www), ähnlich dem Gaunamen, der sich auf eine früh zurückgedrängte Hasengöttin, die Unut, bezog 3 . Ob eines der beiden in geschichtlicher Zeit mit dem Thot verbundenen Tiere, Ibis und Pavian, vor Einzug des Thot in Hermopolis einen Kult besaß, ist nicht mehr erkennbar. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht dabei für den P a v i a n , dessen hohes Ansehen unter dem Namen „der große Weiße" in Verbindung mit der „weißen Kapelle" Oberägyptens zu Beginn der Thinitenzeit durch frühgeschichtliche Affenbilder aus Oberägypten bezeugt ist 4 . Der Ibis ist dagegen wohl aus dem Delta übernommen, wo er die Gaugott1 Grabstein ihres Amtmannes aus Dendera Kairo 20543 = P e t r i e , Dendereh Taf. 15. Zur Genealogie zuletzt N e w b e r r y , ÄZ 72 S. 119f. 2 Auf Blöcken aus einem Tempel in Gebelen, errichtet vor seiner Namensänderung in „Horns, Vereiniger der beiden Länder" G a u t h i e r , Livre des rois I S. 218. 3 S e t h e , Urgeschichte § 32. 60; Amun § 68f. vgl. oben. S. 130. 4 S. o. S. 20f. S e i l , Götterglaube
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3. Hermopolis (Schmün)
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„der Urschlange an der Spitze von Oberägypten" 1 aus dem Fürstenhaus von Dendera, die wohl die Gemahlin des Königs Antef I. der 11. Dynastie wurde, Herrscherrechte über die gesamte Thebais bis zum 10. Gau nach Norden gewann. Mit dieser Herkunft seines Machtanspruchs hängt es zusammen, daß sich dann König Menthuhotep III. der schließliche „Vereiniger der beiden Länder" in Anknüpfung an die Sitte der 6. Dynastie im Königsnamen als „Sohn der Hathor von Dendera" bezeichnet 2 . Dogmatisch hatte man in der Bezugnahme auf die heiligen Stätten der Vergangenheit, insbesondere Heliopolis, eine offene Absage an die Staatskulte des AR vermieden, in der wirtschaftlichen Stellung der Tempel und ihrer Stiftungen brachte dagegen die Religionspolitik der Feudalzeit eine tiefgreifende Verschiebung mit sich, die die einstigen Nutznießer der Zentralregierung hart genug gespürt haben müssen.
3. Hermopolis (Schmün) Die Geschichte kennt Hermopolis magna in Mittelägypten unter dem Namen „die ( S t a d t der) A c h t " (ffmnw), heute Aschmunen, und als die Stadt des Thot, des Mondgottes, Reglers der Zeit und Hüters der Weisheit. Aber das scheint nicht der ursprüngliche Kultbestand zu sein. Der ältere Name des Ortes als Gauhauptstadt des 15. oberägyptischen Gaues lautete Unu (Www), ähnlich dem Gaunamen, der sich auf eine früh zurückgedrängte Hasengöttin, die Unut, bezog 3 . Ob eines der beiden in geschichtlicher Zeit mit dem Thot verbundenen Tiere, Ibis und Pavian, vor Einzug des Thot in Hermopolis einen Kult besaß, ist nicht mehr erkennbar. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht dabei für den P a v i a n , dessen hohes Ansehen unter dem Namen „der große Weiße" in Verbindung mit der „weißen Kapelle" Oberägyptens zu Beginn der Thinitenzeit durch frühgeschichtliche Affenbilder aus Oberägypten bezeugt ist 4 . Der Ibis ist dagegen wohl aus dem Delta übernommen, wo er die Gaugott1 Grabstein ihres Amtmannes aus Dendera Kairo 20543 = P e t r i e , Dendereh Taf. 15. Zur Genealogie zuletzt N e w b e r r y , ÄZ 72 S. 119f. 2 Auf Blöcken aus einem Tempel in Gebelen, errichtet vor seiner Namensänderung in „Horns, Vereiniger der beiden Länder" G a u t h i e r , Livre des rois I S. 218. 3 S e t h e , Urgeschichte § 32. 60; Amun § 68f. vgl. oben. S. 130. 4 S. o. S. 20f. S e i l , Götterglaube
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Viertes Kapitel. Die Feudalzeit
heit des 15. unterägyptischen Gaues mit der Hauptstadt Hermopolis bei Mendes, heute Baqlieh, stellte1. Unsicherheit besteht auch über Herkunft und Bedeutung des Namens Thot, der sprachlich wie die Ableitung von einem Ortsnamen aussieht, den man aber topographisch vergeblich sucht2. Vielleicht handelt es sich um eine mythische Stätte, wie bei den Orten der Osirissage. Thot erscheint bereits in unserer ältesten Überlieferung, den Pyramidentexten, als Mondgott, also in der bekannten kosmischen Ausweitung eines beschränkteren Tierkultes. Sein altes Wortzeichen ist der Ibis. Die Verbindung mit dem oberägyptischen Paviangott wird also eine nachträgliche Bereicherung seiner Erscheinungsform sein, die vielleicht bei der Übertragung des „Thot" nach dem mittelägyptischen Hermopolis erfolgte, allerdings in den Pyramidentexten, mindestens an einer Stelle, bereits vorausgesetzt wird3. Eine Beurteilung der Grundfragen des hermopolitanischen Kultbestandes ist deshalb so schwierig, weil Zeugnisse im wesentlichen erst mit den Sargtexten der Herakleopolitenzeit einsetzen. Die Ungunst der politischen Verhältnisse ließ Mittelägypten erst nach Zusammenbruch des memphitischen Reiches und mit Entstehung der neuen Feudalstaaten zu Worte kommen. Damals konnte man die Vergangenheit, das memphitische Reich ebensowenig wie die religiösen Lehren von Heliopolis, auslöschen. Vielmehr bemühte man sich als gelehriger Schüler das dort vorbildlich Geschaffene und Erdachte zu übernehmen und möglichst den heimischen Gottheiten aufzupassen. So bleibt stets die Frage, was von den uns aus „hermopolitanischen" Quellen überlieferten Dingen wirklich bodenständig war. Wenn also in den uns bekannten Mythen vom Weltursprung der Mondgott Thot über1 Allerdings erscheint bereits unter den „Horusgefolgsgöttern" des oberägyptischen Königs aus der Reichseinigungszeit eine Ibisstandarte s. o. S. 189. Zum Ibisgott oben S. 48. 2 P. B o y l a n , Thoth S. 6. S e t h e , Urgeschichte § 13 „Sein Name scheint eine anonyme Herkunftsbezeichnung zu sein („der von Dhw.t") . . . das sind Bezeichnungen, die ursprünglich ebensogut ganz anders gestalteten Göttern geeignet haben können". Der einzige ernsthafte Anhalt zu einer abweichenden Erklärung als Eigenschaftsname könnte Pyr. 490a („der Drescher?") sein. 8 Pyr. 1724/25; zur Erklärung K e e s , Zu den neuen Zoser-Reliefs aus Sakkara. Gött. Nachr. 1929 S. 62; Die Opfertanzdarstellung auf einem Siegel des Königs Usaphais (Gött. Nachr. Altertumswiss. I I I , 2 1938) S. 27.
3. Hermopolis (Schmün)
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raschend wenig hervortritt, dagegen der Urgott unverkennbar solare Züge trägt, so wird es sich dabei ähnlich verhalten wie in Heliopolis, wo wir aus bestimmten Kultgebräuchen und Festen ein ältere Vorzugsstellung des Mondes erschließen konnten 1 . Für Hermopolis fehlen aber solche Hinweise infolge der Lückenhaftigkeit unserer Überlieferung. Selbst späte Tempel, die uns sonst in Oberägypten als Bewahrer der letzten Entwicklung des Synkretismus wertvoll sind, haben sich in Hermopolis leider nicht erhalten. Es bleibt im wesentlichen das, was man als geeignet für Totentexte hielt, und das ist eine sehr einseitige Auslese, die uns viel Entscheidendes vorenthält. Am bekanntesten ist die W e l t s c h ö p f u n g s l e h r e mit ihrer Achtheit von Urgöttern geworden, die Hermopolis den Namen Schmün „die (Stadt der) Acht(heit)" gegeben hat. Die Welt entstand nach dieser Lehre aus vier Urgötterpaaren, deren männliche Glieder als froschköpfige, die weiblichen als schlangenköpfige Wesen dargestellt wurden. Man wählte also nicht wie in Heliopolis für die Neunheit den menschenhaften Personifikationstyp, sondern knüpfte an naturmythische Gestalten an. Die des Frosches ist dabei die eigenartigere. Man erinnert sich, daß sie im gleichen Gau bei der bekannten Urgöttin Ileket „der Herrscherin" von Antinoe (äg. Hr wr) wiederkehrt 3 und offenbar aus altem Volksglauben, der den aus dem Überschwemmungswasser entschlüpfenden Fröschen eine unmittelbare Entstehung. „aus der E r d e " oder aus dem Urwasser zuschrieb, entspringt. Dies Zusammentreffen ist kaum zufällig. Die vier Urgötterpaare führten Namen aus dem Kreise der Personifikationen, die ersten drei stimmen dabei in fast allen Quellen überein 3 : N u n und N a u n e t das TJrgewässer, H u h und H a u h e t die Endlosigkeit im Raum 4 , K u k und K a u k e t die Dunkelheit vor Erschaffung der Gestirne. Als viertes Glied erscheint entweder A m u n und A m a u n e t , die unsichtbare Verborgenheit, 1 S. o. S. 225. 2 S. o. S. 62. Nach dem Bericht des Petosiris gab es im Norden von Hermopolis ein Heiligtum der Heket, das zu seiner Zeit (4. Jh. v. Chr.) verfallen war und von ihm neu aufgebaut wurde. L e f e b v r e , Tombeau de Petosiris Nr. 81 Z. 70ff. vgl. E r m a n , Religion der Ägypter S. 341. 3 Zum folgenden ausführlich S e t h e , Amun § 126f. 4 D. h. nicht nur die Endlosigkeit der Wasserflut, die z. B. im Weltuntergangsmythus des Tb. Kap. 176 mit demselben Ausdruck (hhw) umschrieben wird, vgl. dazu S e t h e , Arnim § 128. 148. 20*
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die das thebanische System dann zu so hohen Ehren erhob, oder die Personifikation des „Nichts"; einmal auch ein schwer übersetzbarer Name (Tnmw), der gleichfalls das „Verschwinden, Abirren" kennzeichnete1. Ihnen allen gemeinsam ist der Ausdruck des N e g a t i v e n ; es handelt sich also um Versuche, den Zustand der Welt vor jeder schöpferischen Formung zu bezeichnen. Damit treten sie in Parallele zu den heliapolitanischen Bildungen Atum, der Personifikation des „noch nicht Vorhandenseins",'und Schu als Personifikation des leeren Baumes. Das hermopolitanische Urgöttersystem steht also gedanklich auf der gleichen Stufe, wie die im Anschluß an Atum entwickelte heliopolitanische Schöpfungslehre, mit dem Unterschied allerdings, daß Heliopolis die Vielheit (Neunheit) aus dem „Einherrn" und „Allschöpfer" ableitete, Hermopolis dagegen die Vielheit (2 x 4) an den Anfang setzte und zwar in einer zahlenmäßigen Abmessung, die uns als Umschreibung eines Gesamtumfanges (der Welt) bekannt ist 2 . Solche zunächst anonymen Göttervielheiten scheinen gerade in Hermopolis mehrfach aufzutreten. Außer der Achtheit der Urgötter kennen wir einen hermopolitanischen „Größten der Fünf", als Haupt einer wohl artgleichen Fünfheit bezeichnet8. Diese Gestalt, offenbar synkretistisch mit dem Mondgott Thot gleichgesetzt, war so wichtig, daß der Hohepriester von Hermopolis nach ihr den Titel „Größter der Fünf im Hause des Thot" trug 4 . Möglicherweise wurde dann diese Fünfheit, eine in Ägypten seltene Zahl, mit den 5 Epagomenengöttern Osiris, Haroeris, Seth, Isis, Nephthys, zusammengebracht, an deren Geburt ja nach der Sage Thot als Mondgott und Berechner der Zeit (Monate) hilfreich beteiligt war6. 1 S e t h e , Amun § 143. 2 S. o. S. 167f. Gelegentlich unterstellte man der Achtheit sogar Wesen von ursprünglich verschiedener „ F a r b e " zur Betonung 'ihrer Individualität S e t h e , Amun § 174 und oben S. 136. 8 S e t h e , Amun § 73f. 4 Als Name des Hohenpriesters neben „Leiter der beiden Throne" auch in der kulttopographischen Liste des Edfutempels B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1361 = Edfou I S. 341. Das Amt bekleideten im älteren A B ausschließlich Prinzen, so Kanufer und Nefermaat, beides älteste Königssöhne des Snefru, später Hemiun, Enkel des Nefermaat, Prinz Iunmin u. a. Hermopolis zählte also neben Heliopolis zu den wichtigsten religiösen Mittelpunkten. 6 S. o. S. 259 und S e t h e , Amun § 75.
3. Hermopolis (Schmün)
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Jedenfalls besaß Thot als „Größter der F ü n f " nach Kultlisten eine besondere Kultstätte in Hermopolis „die Spitze des Feldes" (tp ¿h.t) genannt 1 . Das läßt auf eine Naturgottheit schließen. Das „ F e l d " , also nicht das angebaute Ackerland, ist das Gebiet der Herden und des Vogelfanges im Sumpfdickicht. Daran knüpft auch die uns als Name eines Thotheiligtums in Hermopolis überlieferte Bezeichnung „Haus der Vogelfalle" an 2 . Hier bewegen wir uns auf dem Boden alter Naturmythen. Es paßt dazu, wenn uns allerdings erst nach späten Quellen die Entstehung des Sonnengottes in Hermopolis in der Art eines Sumpfvogels aus den beiden Hälften eines Eies, das im Schilfversteck lag, berichtet wird 3 . Dieser Urgott ist „der große Schnatterer", den man als eine Nilgans schilderte und der in dieser Gestalt in Verbindung mit dem thebanischen Amun wiederkehrt 4 . Natürlich paßte eine solche Sagenform auch zum Ibis, "aber sie begegnet in Ägypten an so verschiedenen Orten und in so vielerlei Verbindungen, daß man sie nur mit starkem Vorbehalt als eigentlich hermopolitanisch ansprechen kann. Auch die Art, wie die Achtheit den ersten Gott der Welt erschuf, wird in unseren Quellen widerspruchsvoll geschildert. Der Platz des Urgottes ist die „ F e u e r i n s e l " in Hermopolis 5 . Sie bildet die dortige Fassung des Urhügelmotivs als ältestes Land, aber ihr Name erscheint auch im s o l a r e n Be1 D ü m i c h e n , Geogr. Inschrift. I I 52 = M a r i e t t e , AbydosI 44/45 entspr. auf dem Turiner Altar mit Namen Phiops' I. B r u g s c h , Dict. geogr. S. 935. B o y l a n , Thoth S. 164. Sethe, Amun § 74. Zu Thot und der Fünfheit vgl. die Nachricht, daß die Pflanze pentedactylus dem „Hermes" (Thot) heilig war: Anon. de herbis, H o p f n e r , Fontes hist. rel. aegypt. S. 535. 2 B o y l a n , Thoth S. 152f. 3 Pyr. 1271c, dazu K e e s , ÄZ 60 S. 14. Zwei Eihälften wurden auch in der Spätzeit als Reliquie in Hermopolis gezeigt L e f e b v r e , Tombeau de Petosiris I I S. 57 Text Nr. 62 = K e e s , Lesebuch S. 3. 4 Tb. Nav. Kap. 54 Z. 2; 56 Z. 5. „jenes Ei des großen Schnatterers"; sonst auch von Amun vgl. Äg. W b . I I S. 350, 14. 5 de B u c k , J)e egyptische voorstellingen betr. den oerheuvel S. 40f. Die kulttopographischen Listen der späten Tempel führen die „Feuerinsel" als heilige Stätte von Hermopolis an, wo auch der heilige Baum „die Akazie mit reinen Gliedern in der Feuerinsel" steht. B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1362 = Edfou I S. 341. Sethe, Amun § 95. B o y l a n , Thoth S. 154f.
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reich des Re in den PyTamidentexten 1 . Darum taucht auch in HermopoJis im Zusammenhang mit der „Feuerinsel" der Sonnengott RS auf. Die Feuerinsel ist in Hermopolis der Ort, „wo Re entstand bei Urbeginn, als die Erde noch vom Nun umgeben war" 2. Dort wuchs Re von der Urkuh (Methyer) gesäugt auf, und als Himmelskuh erhob sie den Sonnengott mit sich aus der Flut 3 . Hier sind bereits vielerlei Sagen verflochten, vor allem tragen Urhügel und Urgott solare Züge. Übrigens behauptete Hermopolis neben dieser „Feuerinsel" als Urstätte auch noch wie Heliopolis und Memphis einen wirklichen „ H ü g e l " zu besitzen, den der Sonnengott als ersten Daseinsplatz wählte 4 . Alles, was wir hierüber, meist übrigens auf dem Umweg über das von Hermopolis abhängige thebanische System, erfahren, erweist Verwertung h e l i o p o l i t a n i s c h e r L e h r e n . Das ist bei einem System, das seine Blütezeit unter den Herakleopoliten erlebte, nicht erstaunlich. Aber was wird davon älter als das AR sein ? Die Pyramidentexte, also im wesentlichen Heliopolis, kennen, wie wir bereits feststellten, einzelne der hermopolitanischen Urgötterpaare: Nun und Naunet, Amun und Amaunet 5 . Das Paar Nun und Naunet nimmt als Ptah-Nun und PtahNaunet im memphitischen System sogar eine Schlüsselstellung vor der Neunheit des Atum ein®, Diese begrifflichen Bestimmungen gehörten also damals bereits zum Allgemeingut des- religiösen Denkens. Auch der Wechsel in der Bezeichnung des vierten Götterpaares zeigt, daß man diese Namen aus einem größeren Vorrat von Personifikationen chaotischer Urkräfte auswählte. Natürlich beanspruchte die hermopolitanische Lehre selbst unbedingt den Vorrang für sich und legte die offensichtlichen Beziehungen zu Memphis und Heliopolis in diesem Sinne 1 S. o. S. 244. 249 zu Pyr. 265. 2 L e f e b v r e , Tombeau de Petosiris I I S. 56 Nr. 61 = K e e s , Lesebuch S. 2/3. 3 Das uns aus den Königsgräbern überlieferte sog. Kuhbuch geht auf eine hermopolitanische Fassung zurück. Übersetzung bei G. R o e d e r, Urkunden zur Religion des alten Ägypten S. 142 f. Zur Methyer auch B r u g s c h , Religion und Mythologie S. 469f. 4 d e B u c k a. a. O. S. 37f. S e t h e , Amun § 96. Er ist erwähnt auf dem Torbau der 12. Dynastie in Hermopolis Mitteil. Dt. Inst. Kairo 3 S. 32. & S. o. S. 220. 6 S. o. S. 290.
3. Hermopolis (Schmün)
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aus 1 : Die Achtheit sei aus Hermopolis n a c h M e m p h i s gekommen, habe dort als P t a h „den Mund geöffnet", um die Sonne zu gebären, eine Anspielung auf die memphitische Schöpfungslehre durch Herz und Zunge des Ptah, sie sei aber auch n a c h H e l i o p o l i s gegangen, um dort den Atum zu schaffen! Man benutzte also wieder das erprobte Mittel, das dann Theben weiter ausbaute 2 , vor die berühmten Urgötter von Heliopolis und Memphis eine noch ältere vorweltliche Stufe einzuschalten, mit der Hermopolis zur ältesten Urstätte Ägyptens wurde. Gelegentlich versuchte man der Achtheit selbst eine weitere Generation voranzurücken und damit die Vielheit als Ausgangspunkt doch wieder auf eine ältere Einheit zurückzuführen. Das geschah mit Rücksicht auf einen alten Ortsgott von Hermopolis, der ursprünglich einfach „der Verehrte" (äpi) hieß 3 . Dargestellt wird er als menschengestaltiger Sonnengott 4 . Als „Herr von Hermopolis (Schmün)" wird er dem Thot gleichgestellt, daneben galt er als Vater der Achtheit 5 . Noch auf anderem Wege führte man die Achtheit in eine einstige Einheit zurück. Eine bestimmte Gruppe hermopolitanischer Sargtexte, die einen Ausgleich zwischen dem heliopolitanischen Weltbild und der Achtheit erstrebten, bringt die Achtheit zusammen mit einer artgleichen Achtheit von Hah-Göttern 6 . Letztere sind nach ihrem alten Schriftbild Sinnvarianten der E n d l o s i g k e i t s v o r s t e l l u n g des Raumes 7 . Sie nehmen also im Weltbild dieselbe Stellung ein, die nach heliopolitanischer Lehre Schu ausfüllte. Dabei sind sie Verkörperungen der sonst rein materialistisch gedachten vier Himmelsstützen, 1 S e t h e , Amun § 101. 2 Die Thebaner ließen dann die Achtheit nach Theben gelangen, wie sie in Djeme (Medinet Habu) als „Seelen" ruhen S e t h e , Amun § 102 f. unten S. 347. 3 S e t h e , Amun § 97. 4 So auf dem Propylon des Merenptah in Hermopolis Annal. du SerT. 8 S. 220. 5 Thot selbst sagt von sich in einem Sargtext für „Verwandlung in Thot": „Ich bin d e r S o h n d e s R e , der Herr der Achtheit" (als Herr von Schmün) Annal. du Serv. 5 S. 236 aus Beni Hasan. 6 d e B u c k , Coffintexts I I spell 76f. vgl. S e t h e , Amun § 143. 200f. 7 Dasselbe Schriftbild ^ dient seit alters zur Schreibung des Zahlwortes der größten Vielheit („Million").
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die ihre ursprüngliche Vierzahl der Achtheit zuliebe verdoppelt haben1. In diesen Texten gelten sie als leibliche E m a n a tionen des L u f t g o t t e s Schu, den sie ablösen, nachdem er müde geworden war. Und wiederum sollen jene 8 Hah-Götter den alten 8 Urgöttern gleichen, wobei man wohl bemerkte, daß eine Gestalt dieser Achtheit Huh einen mit jener Gruppe von 8 Himmelsträgern (Hah) fast gleichlautenden Namen führte! Um das zu begründen, verweist man auf eine besondere Fassung der Augensage: Das „einzelne" Auge des Himmelsgottes Re-Atum sollte das Zwillingspaar Schu/Tefnut, das sich als Sonne und Mond „entfernt" hatte, suchen (hh)2. Es fand dabei den .Schu in seiner Gestalt als, Hah, was man wohl namendeutend als „den Gesuchten" (hhw) erklärte. Dieser in seinen Ausführungen sonst recht krause Text legt dabei dem Schu, genauer der „Seele" (Bai) des Schu, eine Eigenschaft bei, die seine alte passive Rolle als leerer Raum im Weltbild völlig umkehrt, er ist der „ L u f t h a u c h des Lebens" und „Leben ist sein Name". Aus gleichem Grunde lehnt der Text die altheliopolitanische Fassung von der Erzeugungsart des Schu aus dem Samenerguß des Atum, den er in den Mund nahm, ab. Schu, der Lufthauch, entströmte vielmehr in geistiger Form dem Munde des Atum3. Hier wird also im Gegensatz zu den trägen Kräften der Urwelt Schu als die eigentliche Quelle des Naturlebens hingestellt, dem die Führerstellung im Weltall zukommt. Schon der heliopolitanische Sonnenkult schob Schu als „Sohn des R S " gegenüber Geb in den Vordergrund4. Hier in Hermopolis erfolgte ein weiterer Schritt zu seiner Aktivierung, als Luftgott wurde er Inbegriff des Lebens6. Aber Schu selbst 1 S. o. S. 171. 226. 2 S. o. S. 245. 3 In dieselbe Richtung geht die Deutung, die ein anderer Sargtext hermopolitanischer Herkunft „von der Seele des Schu" vertritt: „ E r (Atum) hat mich aus seinem Herzen erschaffen, er hat mich aus seiner Verklärtheit gemacht . . . ich bin aus seinen Händen entstanden, ich bin aus seinem Körper entschwebt (Swj) . . . Nicht hat er mich aus seinem Munde erzeugt, nicht empfing er mich in seiner Faust, sondern er a t m e t e m i c h a u s s e i n e r N a s e (als Lebenshauch)" de B u c k , Coffintexts I spell 75 vgl. K e e s , Totenglauben S. 298. 300. 4 S. o. S. 251f. 5 Dieser bedeutungsvolle Schritt ist also nicht erst in der thebanischen Arminlehre getan, wie es S e t h e , Amun § 187f. noch annahm, sondern wie das neue Material ergibt, bereits in Hermopolis vorbereitet.
3. Hermopolis (Schmün)
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rückte wiederum als Bringer des fernen Auges, Besänftiger des erzürnten Horusauges, der seine Glut stillt, als ständiger Genosse des Mondauges (Tefnut), in volle Parallele zum Thot, der als Mondgott die gleichen Schäden des „Horusauges" heilen kann Und Bringer des „heilen Auges" ist1. Sowohl Schu als Thot fanden sich überdies in ihrer gleichen Einordnung als „Sohn des R§"2.
Man sieht auch hierbei, wie die durch den Sonnenglauben mächtig angeregten Gedanken sich immer stärker auf die für das Leben wichtigen Kräfte der Welt richten. Das gesunde Empfinden des Bauernvolkes läßt die Schöpfung der Welt in der entscheidenden Tat des Emporsteigens des Lichtes und der Sonne gipfeln. Demgegenüber sinken die künstlich erdachten Urgöttergestalten der chaotischen Vorwelt in schemenhafte Unwirksamkeit zurück. Was wir außerhalb dieser Weltschöpfungslehren aus Hermopolis erfahren, sind Mythen, die entsprechend dem unheimlichen Charakter des Mondgottes vorwiegend dunkle und oft widernatürliche Züge tragen. Das Totenbuchkapitel für das „Kennen der Seelen von Hermopolis" (Kap. 114) geheimnist von einer „Feder an der Schulter des Osiris", die verletzt war, und von der blutroten Krone Unterägyptens, beides offenbar Anspielungen auf das beschädigte Mondauge als Horusauge8. Aber eigentlich Hermopolitanisches ist nicht darin. Die Pyramidentexte erwähnen, daß es dem Fingernagel des Atum gelang „den Aufruhr in Hermopolis (Wnw) zu beenden"4. Das spielt auf eine alte Kampfsage an, die mit der Befriedung des Streites endete5, wie der Streit des Horas und Seth, den Thot als Schiedsrichter beilegte. Ich möchte diese Sage nicht, wie es Sethe vorschlug, als 1 S. o. S. 48. 241f. B o y l a n , Thoth S. 68f. 2 Thot als „Sohn des RS" Pap. Turin 126 (NR); Edfou I S. 266 vgl. B o y l a n , Thoth S. 194. 3 S e t h e , Göttinger Totenbuchstudien von 1919 S. 35f. Zum Verletzungsmotiv : Arm = Flügel des Thot = verletztes Mondauge vgl. Pyr. 636c „Bote des T h o t . . . ist NN., der ihm seinen Arm wiedergeholt hat". Nach einer Inschrift Ramses' IV. in Abydos wurde die „Schalter des Thot" zur Heilung „bespien" wie sonst das Horusauge vgl. K e e s , ÄZ 60 S. 7f. 4 Pyr. 229c, dazu S e t h e , Urgeschichte § 167. 5 Vgl. Pyr. 311c „Onnos wacht und schläft, er befriedet die beiden Krallen in Wnw".
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eine Erinnerung an eine wirkliche Empörung der Hermopoliten gegen Heliopolis in der vorgeschichtlichen Zeit in Anspruch nehmen 1 . Eher denkt man wieder an den Bereich der Augensagen, wo das eine Auge „weggenommen war an jenem Tage der Empörung" 2 . Überdies ist das Empörungsmotiv in den Göttersagen weit verbreitet. Für den Gau von Hermopolis selbst kann man darauf verweisen, daß der bekannte, propagandistische Osirishymnus aus der Herakleopolitenzeit Osiris in diesem Gau nennt 3 „dem ein Gemetzel gemacht wurde in der Halle zu Antinoe", natürlich wieder unter Götterfeinden irgendwelcher Axt. Die K u l t l i e d e r preisen dagegen den Thot als gütigen Mondgott 4 , „der das Morgen verkündet, auf die Zukunft schaut, ohne in seiner Art zu fehlen" 5 , den Ordner der Zeit und des Geschickes, Herrn des Verstandes (Sia), als „Zunge des R e " und sein Sohn und Stellvertreter, auch als Befrieder des Streites zwischen Horus und Seth, der die Wunden der Kämpfer heilte, Helfer des Osiris beim Gericht gegen Seth, der das Horusauge (Mondauge) wiederbringt und füllt. Vielleicht deutete man auch das schon genannte „Vogelfallenhaus" des T h o t 6 im Sinne der Mondsagen als eine Mondreliquie. Es würde sich dann um eine der von Jägermotiven durchsetzten Fassungen der Onurislegende handeln, wobei das Einholen des fernen Auges wie auf einer primitiven Jagd mit 1 B o y l a n , Thoth S. 39f. sieht darin eine Anspielung auf Befriedung des Streites zwischen Horus und Seth in Hermopolis, also eine Mythenübertragung nach dem Muster von Heliopolis und Memphis. 2 Eine Verquickung des Zornmotivs des Auges mit der Entwendung des Horusauges durch Seth L a c a u TR 52 vgl. K e e s , ÄZ 60 S. 6. S K e e s , Lesebuch S. 16. Die Gauliste auf dem Barkentempel Sesostris' I. in Karnak nennt beim 15. Gau einen Gott „der Kämpfer
CK)".
4 Thothymnus ÄZ 33 S. 123f. (Berlin 2293). Leiden Stele V 1 B o y l a n , Thoth, passim. 5 Tb. Nav. Kap. 182 Z. 10. 6 Die oft genannte kulttopographische Liste im Edfutempel B r u g s c h , Dict. géogr. S. 1360 = Edfou I S. 341 bemerkt zu Hermopolis: „Das Herz des Rè ist dort als Thot, gefeiert an der Spitze des Vogelfallenhauses". B o y l a n , Thoth S. 153 und G r d s e l o f f , ÄZ 74 S. 136 verweisen auf Anspielungen auf Einfangen des Seth als Gottesfeind im Fangnetz, offenbar als mythologische Anwendung der seltsamen Opfersymbolik, die das Opfergeflügel zu Abbildern der Götterfeinde machte.
4. Herakleopolis
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Hilfe eines „Netzes" oder einer Falle gedacht ist 1 . Wahrscheinlich rankte sich auch um den aus einfachen Naturmythen erwachsenen Namen des Thotheiligtums ein bunter Sagenkranz, der sehr vielseitige Deutungen zuließ. Über den weiteren Götterkreis des Thot in Hermopolis, seine Gastgötter usw., sind wir schlecht unterrichtet. In Hermopolis heimisch scheint eine Göttin zu sein, die häufig als Gefährtin des Thot auftritt und „die R e t t e r i n des B e r a u b t e n " genannt wird2. Da sie in den uns einzig bekannten späten Darstellungen ein Sistrum auf dem Kopf als Attribut trägt, scheint es sich bei ihr wie bei der Gaugöttin des 7. oberägyptischen Gaues um eine Vermenschlichung eines alten Fetischs zu handeln. Auch der Nachbargau von Kusae kannte einen ähnlichen, dort allerdings männlichen Lokalgott namens Uch („Pflanzensäule")8. Der Name der hermopolitanischen Göttin weist auf eine Schutzgottheit. Im späten Synkretismus galt sie als Hathorform, heißt „Auge des Re", „Tochter des Re" u. ä. 4 . Dagegen ist die Göttin der Schreibkunst S e s c h a t , sofern sie dem Thot von Hermopolis zugesellt wird, eine Zutat von außen. Bereits die Thinitenkönige hatten sie als Schutzherrin der Staatsarchive aus ihrer Heimat Sais zu gemeinägyptischer Geltung erhoben5.
4. Herakleopolis Herakleopolis magna, heute Ehnäs, war in alter Zeit Hauptort eines großen Gaugebietes (20. + 21. oberägyptischer Gau), das sich nördlich bis an die Grenze des memphitischen Gaues erstreckte und auch das „Seeland" (Fajüm) mit einschloß. Unweit vom Eingang ins Fajüm am Josefsarm des Nil, der das Fajüm bewässert,gelegen, bietet es eine verkehrspolitisch wichtige Schlüsselstellung im mittelägyptischen Raum. Neben den südlicher gelegenen Städten Hermopolis und dem die Schwelle zur 1 Eine Anspielung hierauf vielleicht L a c a u TR 49. Auch von Min wird erzählt, daß er als Jäger auf diese Weise das ferne Auge (Triphis) aus der Wüste des Ostens holte, J u n k e r , Onurislegende S. 151f. vgl. B o y l a n , Thoth S. 154. 2 Nhm.t 'wlj B o y l a n , Thoth S. 208f. S e t h e , Urgeschichte § 19. 28. 33. 3 S. o. S. 98. 4 B r u g s c h , Religion und Mythologie S. 471 f. 5 S. o. S. 212. B o y l a n , Thoth S. 210f.
4. Herakleopolis
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Hilfe eines „Netzes" oder einer Falle gedacht ist 1 . Wahrscheinlich rankte sich auch um den aus einfachen Naturmythen erwachsenen Namen des Thotheiligtums ein bunter Sagenkranz, der sehr vielseitige Deutungen zuließ. Über den weiteren Götterkreis des Thot in Hermopolis, seine Gastgötter usw., sind wir schlecht unterrichtet. In Hermopolis heimisch scheint eine Göttin zu sein, die häufig als Gefährtin des Thot auftritt und „die R e t t e r i n des B e r a u b t e n " genannt wird2. Da sie in den uns einzig bekannten späten Darstellungen ein Sistrum auf dem Kopf als Attribut trägt, scheint es sich bei ihr wie bei der Gaugöttin des 7. oberägyptischen Gaues um eine Vermenschlichung eines alten Fetischs zu handeln. Auch der Nachbargau von Kusae kannte einen ähnlichen, dort allerdings männlichen Lokalgott namens Uch („Pflanzensäule")8. Der Name der hermopolitanischen Göttin weist auf eine Schutzgottheit. Im späten Synkretismus galt sie als Hathorform, heißt „Auge des Re", „Tochter des Re" u. ä. 4 . Dagegen ist die Göttin der Schreibkunst S e s c h a t , sofern sie dem Thot von Hermopolis zugesellt wird, eine Zutat von außen. Bereits die Thinitenkönige hatten sie als Schutzherrin der Staatsarchive aus ihrer Heimat Sais zu gemeinägyptischer Geltung erhoben5.
4. Herakleopolis Herakleopolis magna, heute Ehnäs, war in alter Zeit Hauptort eines großen Gaugebietes (20. + 21. oberägyptischer Gau), das sich nördlich bis an die Grenze des memphitischen Gaues erstreckte und auch das „Seeland" (Fajüm) mit einschloß. Unweit vom Eingang ins Fajüm am Josefsarm des Nil, der das Fajüm bewässert,gelegen, bietet es eine verkehrspolitisch wichtige Schlüsselstellung im mittelägyptischen Raum. Neben den südlicher gelegenen Städten Hermopolis und dem die Schwelle zur 1 Eine Anspielung hierauf vielleicht L a c a u TR 49. Auch von Min wird erzählt, daß er als Jäger auf diese Weise das ferne Auge (Triphis) aus der Wüste des Ostens holte, J u n k e r , Onurislegende S. 151f. vgl. B o y l a n , Thoth S. 154. 2 Nhm.t 'wlj B o y l a n , Thoth S. 208f. S e t h e , Urgeschichte § 19. 28. 33. 3 S. o. S. 98. 4 B r u g s c h , Religion und Mythologie S. 471 f. 5 S. o. S. 212. B o y l a n , Thoth S. 210f.
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Thebaxs hütenden Assiüt war Herakleopolis die wichtigste Stadt Mittelägyptens. In geschichtlicher Zeit trat es zweimal führend hervor, zunächst als Königssitz der 9./10. Dynastie und damit als letzter Stützpunkt eines gemeinägyptischen' Königtums, das die Tradition des zerbrochenen memphitischen Reiches den auseinanderstrebenden Tendenzen der oberägyptischen Gaufürsten gegenüber aufrechtzuerhalten versuchte. Allerdings unterlag es um 2060 v. Chr. im Endkampf gegen die Thebaner, die eine neue Verbindung „südlicher Gaue" (von Elephantine bis Aphroditopolis, 1.—10. oberägyptischer Gau) anführten. Dann bot sich Herakleopolis noch einmal eine Führungsmöglichkeit, als nach dem Zusammenbruch der Ramessidenherrschaft Herakleopolis der Sitz eines geistlichen Fürstentums unter libyschen Herren wurde. Auch damals mußte es naturgemäß politisch gegen die Thebais, d. h. den damaligen Gottesstaat des Amun, der das Gebiet bis Hermopolis im Norden umfaßte, eingestellt sein. Von dem heiligen Oleanderbaum (n'r.t), der das Gauzeichen des ehemals geschlossenen Gaugebietes abgab, berichten uns Texte der geschichtlichen Zeit nichts mehr. Ortsgott von Herakleopolis war nunmehr der W i d d e r H a r s a p h e s , ,der über seinem Teich"1; die. Stadt selbst führte den anspruchsvollen Namen „(Stadt) des Königskindes" (Hnäs), und ihr Hoherpriester nannte sich, allerdings erst nach jungen Zeugnissen „König von Oberägypten" 2 . Der Name von Herakleopolis findet sich zuerst in den Annalen auf dem Palermostein, anscheinend aus dem Anfang der 2. Dynastie, wobei die Zeremonie des „Auftretens" (Stehens) des Königs im Widdertempel zu Ehnäs, also eine Art Staatsbesuch, verzeichnet wurde3. Der Ehrenname „(Stadt) des K ö n i g s k i n d e s " weist sicherlich auf einen in die Vorgeschichte Oberägyptens zurückgreifenden Anspruch hin, als Wiege des Königtums zu gelten 4 . Ob die geschichtliche Bezeichnung des 1 S. o. S. 78. Zum folgenden vgl. meine Zusammenfassung ÄZ 66 S. 66f. 2 B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1377 (Dendera). In der kulttopographischen Liste im Edfutempel führt der Hohepriester von Herakleopolis den aus dem Osirisritual bekannten Titel „sein geliebter Sohn" (Horus). 8 Vs. 3, 9. Zur Zeremonie des „Stehens" in bestimmten Heiligtümern s. S. 198. 209. 4 S. o. S. 178.
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oberägyptischen Königs „der zur Binse gehörige" (nisut) wirklich aus Herakleopolis stammt, wie man gelegentlich unter Hinweis auf den erwähnten Priestertitel vermutet hat 1 , also einem dortigen vorzeitlichen Gaustaat zugehörte, ist nicht erweisbar, jedoch möglich. Allerdings könnte umgekehrt der Priestertitel nach Lage der Dinge auch eine Hinterlassenschaft der Herakleopolitenzeit sein. Der Harsaphes selbst ging denselben Weg folgerichtiger Ausweitung zu einem umfassenden Fruchtbarkeits- und Weltgott, den wir auch bei seinen Artgenossen, dem Widder von Mendes und dem Chnum von Elephantine und von Esne, beobachten können2. Wie jene will er „König der Götter" sein, „der das Vorhandene baute und erzeugte" 3 und „wenn er aufgeht, wird die Erde hell, sein rechtes Auge ist die Sonne, sein linkes der Mond, seine Seele (Bai) ist die Lichthelle ($m>!), er, aus dessen Nase der Luflhauch hervorgeht, um alles zu beleben"4. Konnte sich der Chnum von Elephantine auf die Beherrschung der Nilquellen berufen, so benutzte man in Herakleopolis die Lage am Josefskanal, dem großen Wasserspender des Fajüm. Man deutete wohl bereits früh, wie es uns in einem ganz späten mythologischen Text überliefert ist, den Kanal und den großen Fajümsee, den er speiste, als Abbild des Urgewässers Nun, aus dem Re zuerst entstand und in dem die berühmte Achtheit der Urgötter von Hermopolis verborgen lag 5 . Wenn die jährliche Überschwemmung im Sommer nahte und ihre Wasser den See füllten, dann vollzog sich die Wiederkehr der Weltwerdung jedesmal neu: „Sein (des Re) Leib verjüngt sich in der Zeit der 12 Monate." Ehnäs ist der Ort, wo der Urgott zuerst Land unter die Füße bekam, wo also 1 Z. B. N e w b e r r y in Cambridge Anc. History I S. 266 Anm. 1 (H. R. Hall). Der Gedanke stammt anscheinend von Le P a g e R e n o u f , Life Work II S. 345f. vgl. A. W i e d e m a n n , Das alte Ägypten S. 53. 2 Zum synkretistischen Harsaphes vgl. B r u g s c h , Religion und Mythologie S. 303f. 3 Harsapheshymnus des NR M a r i e t t e , Mon. divers Taf. 21 a = Kairo 563 (Cat. g6n. B o r c h a r d t , Statuen). 4 Urk. II 2—3 (Neapler Stele des Fürsten Somtutefnachte. 4. Jh. v. Chr.). 5 L a n z o n e , Pap. du Lac Moeris aus ptol. Zeit (Bulak 2). Eine kurze Analyse in meinem Art. Suchos bei Pauly-Wissowa RE Sp. 555f.
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Viertes Kapitel.
Die Feudalzeit
die urweltliche Überschwemmung endete 1 , — dasselbe was Heliopolis, Memphis, Hermopolis, bald auch Theben von sich behaupteten ! Als Hauptfeier galt in Herakleopolis das „Erdhacken", das zunächst wohl den feierlich vom König selbst eingeleiteten Beginn der Aussaat bedeutete 2 . Tatsächlich wird auch in den späten kulttopographischen Listen bei Herakleopolis der 1. Tag des 1. Monats der Winterjahreszeit (1. Tybi) als Hauptfeiertag verzeichnet 3 , derselbe Tag, den man in Memphis als Thronbesteigungstag des Horus nach vorausgehender Bestattung des Osiris-Sokar feierte 4 , den der thebanische Kalender dann als „Schwellen des Spelzes" bezeichnete, und der sonst als Fest des alten (heliopolitanischen ?) schlangengestaltigen Urdämons, „der die Eigenschaften bestimmt" (Nhb k]w), galt 5 . Mit dem fortschreitenden Synkretismus und dem Zuzug führender Göttergestalten, besonders des Osiris, hat man auch die heilige Handlung des „Erdhackens" zu einem Mysterium des Osiris erklärt. Sie bedeutete die Beerdigung des toten Gottes, der mit seinem Körper die Erde befruchtete, aus der dann die neue Saat sprießt 6 . In der Herakleopolitenzeit finden wir in Ehnäs nebeneinander Einflüsse d e s ß e u n d d e s O s i r i s . Das waren die beiden entscheidenden, wenn auch gegensätzlich gerichteten Kräfte des vergangenen AR. Der Anschluß an den heliopolitanischen Sonnenkult erfolgte wie überall in der Form, daß der Widder Harsaphes als feine Verkörperung, also eine „Seele" (Bai), des Rts erklärt wurde. Widder und Seele (Bai) lauteten in der ägyptischen Sprache ähnlich. Die Auslegung Harsaphes-Re beschränkte sich auf die dogmatische Seite, indem beide die natürlichen Förderer der Fruchtbarkeit sind. Sie brachte Harsaphes ehrende Beinamen ein, wie „König der Götter", oder „König des 1 Dieselbe Anschauung für Amun als Harsaphes ausgewertet im Amonshymnus von Hibis (Charge) s. u. S. 391. 2 Tb. Kap. 1 „Ich bin es, der die Hacke nimmt am Tage des Erdhackens in Herakleopolis". Darstellung auf dem Keulenkopf des Skorpion aus Hierakonpolis Q u i b e l l , HierakonpolisITaf. 26c = C a p a r t Primitive art Abb. 189. 3 B r u g s c h , Dict. göogr. S. 1363 = Edfou I S. 343. 4 S. o. S. 295. 5 G a r d i n e r , ÄZ 43 S. 139; Tomb of Amenemhet S. 97. Zum Nhb klw s. o. S. 55 Anm. 4 S. 59 Anm. 4. 6 K e e s , ÄZ 65 S. 69. 73.
4. Herakleopolis
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Himmels, Pfeiler der Sterne" sogar „große Macht, die die Seelen von Heliopolis versorgen"1. Aber genau wie es in Mendes geschah, im K u l t e überwog die Angleichung an Osiris. Neben den naturmythischen Zügen war es wohl der Königsgedanke des Osirisglaubens, der sich für Herakleopolis besonders wertvoll erwies, seitdem es eine wirkliche Königsdynastie beherbergte. Nach Auffassung der Herakleopoliten war das Königtum, auf das ihre Stadt seit der Vorzeit Anspruch erhob, nun an seine richtige Stelle zurückgekehrt. Man sieht, wie wichtig alte Erinnerungen sein konnten, sobald eine wirkliche Macht sich dahinterstellte. An sich bestand das „Haus des Achtoi", wie die Ägypter diese Dynastie nannten, auch nur aus hochgekommenen Gaufürsten, nicht anders, als die von Hermopolis oder Koptos. Aber der jüngere Feudalismus hatte den altägyptischen Grundsatz aus der vorgeschichtlichen Gaustaatenzeit von der Gleichsetzung des weltlichen Herrn mit dem Stadtgott wieder aufgenommen, sobald kein „großer Gott" als König das mehr verhindern konnte. Aus den altüberkommenen Hohenpriestertiteln der oberägyptischen Gaumetropolen blickt mancher Königsanspruch, auch Streben nach Angleichung an einen berühmten Ortsgott heraus. In Ehnäs aber stand wirklich ein „König" als gleichzeitiger Hoherpriester des Harsaphes da; und der Ortsgott konnte nun mit gleichem Recht, wie vorher Rß-Atum von Heliopolis oder Ptah in Memphis sich als „König der G ö t t e r " und „Herrscher beider L ä n d e r " bezeichnen2. Die erklärende Sage stellt die Sachlage so dar 8 : In Herakleopolis ist „Osiris erschienen als Re, nachdem er seinen (des Re) Thron geerbt hat, daß er beide Landeshälften beherrsche. Die Neunheit war zufrieden damit, aber Seth war in großer Trauer". Auch Seth mußte dem Osiris huldigen, „als er gesehen hatte, 1 Harsapheshymnus des NR M a r i e t t e , Mon. divers Taf. 21 a = Kairo 563 (Cat. g6n. B o r c h a r d t , Statuen). In Verbindung mit dem schaffenden „Ausspruch" (Hw) stehen „Millionen an K a ' s " der Zeugungskraft des Harsaphes zur Verfügung vgl. die ÄZ 65 S. 79f. erläuterte Stelle des Tb. Kap. 175. 2 S e t h e , Urgeschichte § 11. 3 Tb. Kap. 175 3. Stück, erläutert K e e s , ÄZ 65 S. 65ff. vgl. die Einleitung eines Sargtextes derselben Zeit L a c a u T R 86: „Nun herrscht Zittern im östlichen Horizont und die Wege in der Pracht verkünden: Osiris ist erschienen als Re".
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Viertes Kapitel. Die Feudalzeit
was Re für Osiris getan hatte", und bei der Verneigung stieß er sich auf der Erde die Nase blutig 1 . Die Auseinandersetzung mit Seth war für Herakleopolis wichtiger als für Heliopolis, denn nahe bei Herakleopolis, wohl am Fajümeingang, wo die Handelswege zu den libyschen Oasen einmündeten, lag der alte Sethkultort Su (Sw), der bei den Memphiten sogar im Vorrang gegen das ferne Ombos als Geburtsort des Seth galt 2 ! Um so notwendiger, die Unterwerfung des Seth in der Lehre zu verankern. Vielleicht erklärt sich auch auf diese Weise die Nachricht im Kuhbuch, daß die Sachmet als Auge des R6 die Feinde des R6 gerade in Herakleopolis überwältigt habe 3 . In literarischen Zeugnissen aus der Herakleopolitenzeit, z. B. der Bauerngeschichte, erscheint Elinas durchaus als Stadt des Osiris, und der beliebte in dieser Zeit verfaßte Osirishymnus, der die Ausbreitung des Gottes an den berühmtesten Kultstätten des Landes feiert, beginnt mit vielfachen wortweisenden Anspielungen auf Kennzeichen des Widdergottes Harsaphes 4 : „Gegrüßt seist du, Osiris, Erster der Westlichen (Chontamenti), an diesem Festtage, an dem du erschienen bist, Herr der beiden Hörner, hoch an Atefdiadem, Herr der Furcht, groß an Ansehen (¿fj.t), dem das Doppelfederdiadem in Herakleopolis gegeben wurde, dem Re seine Furcht, Atum seine Achtung in das Herz der Menschen, Götter, Untertanen, Toten gesetzt hat, dem seine Seele (Bai) in Mendes, sein Ansehen (Sßfj.t) in Herakleopolis gegeben ist." Der O s i r i s k u l t knüpfte, wie in Memphis und Abydos, an eine heilige Stätte außerhalb der Stadt an, die wohl am Wüstenrand lag 5 , und wo nach den späten Gaulisten auch der in Herakleopolis heilige Baum stand 8 , also offenbar einen heiligen Hain. Ob es vielleicht die Stätte war, wo der alte Kult des Oleanders, der das Gauzeichen gestellt hatte, beheimatet war, ist leider nicht erkennbar, da die geschichtliche Zeit von ihm nichts mehr 1 Eine besondere Bosheit: das Sethtier (Abb. 2) hatte eine lange rüsselartige Nase! Die Sage will die Entstehung des „Erdhackens" aus dem Vergraben des Blutes durch Bö erklären. 2 So im Denkmal memphitischer Theologie, vgl. oben S. 23. 194. 8 R o e d e r , Urk. zur Religion des alten Ägypten S. 143. 4 K e e s , Lesebuch S. 15 vgl. K e e s , Totenglauben S. 346f. 5 Hierzu ausführlich K e e s , ÄZ 66 S. 70. 6 Das sollte eine „Akazie" sein B r u g s c h , Dict. geogr. S. 1362 = Edfou I S. 343.
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überliefert1. Man nannte die Stätte nach einer Sage „er wird nicht gefesselt" (Naref). Sie galt nun als Osirisgr a b ; dort sollten auch die unentbehrlich werdenden Osirisreliquien aufbewahrt liegen: Schenkel, Kopf, die beiden Flanken und die beiden Beine des Osiris2. Zu diesen Reliquien berichtet die Horusmythe von Edfu, daß Horas dem Seth, der ihm bei Oxyrynchos' (Sethkultort!) als „rotes" Tier entgegentrat, einen „Schenkel" abschlug, diesen nach Herakleopolis brachte und dem dortigen Priesterkollegium (Horoskopen) übergab3, eine Anspielung auf das Sethgestirn des großen Bären, das der Ägypter als einen „Stierschenkel" sah. Allerlei Ortsheilige hausten an der Stätte des nunmehrigen Osirisgrabes: eine Schlange4 und ein in Form der oberägyptischen Königskrone dargestellter Fetisch namens Babai 6 . Vielleicht gehört auch ein heiliger Reiher als „Herr des Vogelfangs" in diesen Hain, wo er nun passend die Stelle der „Seele" (Bai) des OsirisHarsaphes einnehmen konnte, wie der Phoinix in Heliopolis und später auf dem Abaton bei Philae 6 . Ein später mythologischer Text bemerkt über diese Stätte 7 „Dieser Platz, Pyramidenland ist sein Name, er ist die Balsamierungsstätte des Harsaphes, Herrn von Ehnäs; der ,Herr des Vogelfangs' (Reiher) ist an seiner Seite beim Ischedbaum". 1 S e t h e , Urgeschichte § 59 „Man wird sich den Ort, an dem einst der göttliche n'r.i-Baum stand, der dem Gau den Namen gegeben hat, wohl in nächster Nähe der späteren Stadt Herakleopolis zu denken haben". 2 Tb. Kap. 18. Glosse des N B (Urk. V 131). Nach der öfters erwähnten kulttopographischen Liste im Edfutempel sollte die Osirisreliquie in Herakleopolis nur „das rechte Bein" sein. 8 N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 24 Z. 104f. = Edfou VI S. 222; hierzu K e e s , ÄZ 65 S. 70. E s handelt sich bei dem Abschlagen des Schenkels des Nilpferdes offenbar um ein altes Schlachtritual, wie wir es auch für das Binderopfer kennen, s. o. S. 280 u. S. 332. 408. 426. 4 Hnb vgl. G r i f f i t h , Catal. demot. Bylands pap. I I I S. 250. Louvre A 88. B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1364 = Edfou I S. 343. 5 ÄZ 65 S. 70. 6 B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1363 = Edfou I S. 343. Zur Übertragung der Phoinixvorstellung nach Herakleopolis wichtig Tb. Kap. 125 Einl. Z. 21. „Meine Beinheit ist (wie) dieBeinheit dieses großen Beihers (bnw), der in Herakleopolis ist". 7 L a n z o n e , Pap. du Lac Moeris Taf. 1 mit Abbildung des Beihers neben dem heiligen t&J-Baume. Auch der tid-Baum ist wohl eine Nachahmung von Heliopolis!
Keei, Gätterglaube
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Viertes Kapitel.
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Obwohl das Götterkind in Herakleopolis die zeitgemäßen Züge des Sonnengottes trug, knüpfte Herakleopolis als Westuferstadt wie Letopolis, Hermonthis, Edfu, vor allem aber auch das „Seeland" (Fajüm), gern an die Gestalt des heliopolitanischen Atum an, der allmählich unter Scheidung vom Re-Harachte die Eigenschaften des abendlichen Sonnengottes annahm1. Nicht zufällig wird der Sonnengott auf seiner Unterweltsfahrt in den wohl wesentlich in dieser Zeit zusammengestellten Büchern (Amduat, Pfortenbuch) mit Vorliebe widderköpfig dargestellt2. Im späten Herakleopolis zeigte man auch ähnlich wie in Djöme (Medinet Habu) eine Tötenstätte der Götterahnen als Grabstätte des Atum in Gestalt einer Höhle3. Wie Heliopolis, Memphis und Hermopolis ihren Urhügel vorwiesen, so zeigte Herakleopolis seinen Tempelteich. Das waren eine oder zwei Lachen, also Sumpfteiche, in deren Schilf die Vögel brüteten4. Dies naturgeschichtliche Lebensbild diente als Gleichnis der Entstehung des Urgottes im Versteck des „Feldes" aus einem Urei. Selbst im Kreise des universalen Sonnenglaubens in Heliopolis hatte sich das Motiv des Nestes mit den „beiden Nestlingen" des RS ( = Schu und Tefnut) gehalten (Abb. 5). Im Sumpfgestrüpp brütende Vögel, darunter solche heiliger Arten, Falken und Weihen, gehören, besonders in den Sonnenheiligtümern des AR, zu den beliebtesten Motiven in Bildern des jahreszeitlichen Gedeihens der Erde und ihrer Lebewesen, ergänzend zu dem Gebären der Säugetiere in der Wüste6. Die beiden, vielleicht erst sekundär verdoppelten „Lachen" sind wohl der Tempelteich des Harsaphestempels, nach dem der Gott selbst „der über seinem Teich" hieß8. AlsUrstätte der Welt und wirkliche Königsstadt nennt sich Herakleopolis pomphaft „die Herrin des Landes", „es ist die Insel dea 1 S. o. S. 255. 2 S. o. S. 81. 8 Louvre A 88. Urk. I I 5, 16 vgl. K e e s , ÄZ 65 S. 77. 4 Hierzu ÄZ 65 S. 71 f. 5 Weltkammer des Sonnenheiligtums des Neuserre W r e s z i n s k i , Atlas I I I Taf. 84. Gleichartige Bilder aus dem Totentempel des Onnos. Als Schauplatz sind „ H ä l f t e n " des Deltas angegeben. 6 Die Umdeutung des Namens in „ S c h a f s g e s i c h t " = ansehnliches Gesicht ist bereits durch die Mythe wortschöpferisch vorbereitet: sie entstand wegen des geschwollenen Gesichtes des Osiris, das durch die Hitze des Diadems des R e erkrankte, K e e s . Ä Z 65 S. 71 vgl. oben S. 180.
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Herrschers, wie ihresgleichen noch nicht dawar", vor deren „Ansehen" sich die Untertanen fürchten: denn wie einst das flammende Horusauge, der königliche Uräus, fährt sie als Feuer unter ihre Gegner1. Im ganzen verfuhr Herakleopolis recht vorsichtig beim Aufbau einer Götterlehre, die allgemeine Verbindlichkeit in Ägypten beanspruchte. Auf Schritt und Tritt spürt man das Epigonentum des AR, die Anlehnung an die heliopolitanische Lehre und den Osirisglauben. Das eigentlich Heimische erscheint nur als leichte Abtönung, die Sonderzüge mehr für den eigenen Raum vorbehält. Dieser Grundzug beherrscht die g e s a m t e religiöse L i t e r a t u r der Z e i t , die Sargtexte und die wesentlichen Teile des Totenbuches des MR 2 . Die berühmtesten Totenbuchkapitel, Kap. 17 und 125 das „negative Sündenbekenntnis", können ihre herakleopolitanische Herkunft nicht verleugnen®. Auch sie stellen kaum örtliche Sonderheiten heraus; ihr wesentliches Anliegen ist vielmehr die innere Verbindung des heliopolitanischen Sonnenglaubens mit der Osirislehre. Denn Osiris hatte in dieser Zeit seine entscheidende Anerkennung an vielen wichtigen Kultstätten Oberägyptens, auch gerade im Machtbereich der Herakleopolitenkönige, in Ehnâs selbst bei Harsaphes, in Assiût bei Anubis und Upuaut, in Antinoë bei Chnum, erreicht. Solche Auseinandersetzungen geben den theologischen Äußerungen der Zeit oft den Anschein innerer Zwiespältigkeit, besonders wenn man sich, wie im Falle des Tb. Kap. 17, bemühte, überlieferte Prägungen im neuen Sinne auszulegen. Aber man fühlt auch aus der Auseinandersetzung mit diesen für. das Jenseitsleben des Toten berechneten Texten, wie dringlich die Zeit 1 G r i f f i t h , Siût Gr. 4 Z. 14/15. „Das Land ist eine Flamme in ihrem Feuerhauch". 2 Zu den Sargtexten vgl. K e e s , Totenglauben S. 265ff. 3 Auf das Herakleopolitanische im Tb. Kap. 17 hat S e t h e wiederholt hingewiesen. Daß R ê zuerst in Herakleopolis, nicht in Hermopolis, erschien, behauptet erst der Kommentar der Spätzeit zu den Eingangsworten „ich bin Rê bei seinem ersten Erscheinen" (Urk. V 7), aber dafür heißt es dann bereits in der ältesten Fassung „ich habe mich gereinigt in jenen zwei sehr großen Lachen, die in Herakleopolis sind" Urk. V 23. Zu Tb. Kap. 126 siehe vorläufig J. S p i e g e l , Die Idee v o m Totengericht in der ägypt. Religion (1935) und meine Bemerkungen GGA 1938 S. 361f. zu Ch. M a y s t r e , Les déclarations d'innocence (Livre des Morts chap. 125). 21*
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die Aufgabe ansah, die G e g e n s ä t z l i c h k e i t des irdischen Lebens, das die Sonne beherrschte, und des Bereichs der erdhausenden Kräfte, die sich mit jenen der Unterwelt und des Totenreiches im Westen berührten, zum Ausgleich zu bringen. Man rätselte an der für menschliches Denken fast unlösbaren Aufgabe vom Begriff des Ewigen und Unvergänglichen im Leben, die Heliopolis in seiner Götterlehre umgangen hatte. Hier eine wirklich überzeugende Lösung zu erreichen, wurde durch die inneren Zustände des. Reiches nicht erleichtert1. Der Zusammenbruch des memphitischen Einheitsstaates hatte die einigende Kraft des Sonnenglaubens als Staatskult geschwächt, der immer auf seinen Vorteil bedachte Feudalismus hatte alle widerstrebenden Richtungen der örtlichen Kulte zu neuer Bewußtheit erweckt. Es war immerhin ein Glück für Ägypten, daß von dieser Seite her das Bestreben nach Angleichung an die Lehren der großen religiösen Mittelpunkte die auflösenden Kräfte überwog, so daß ein Rückfall in die völlige Zerrissenheit der Kulte, soweit ihre theologische Deutung in Frage stand, ausgeschlossen blieb. Der Einschmelzungsprozeß eines vollen Jahrtausends ließ sich durch die beschränkten Eigenkräfte der Feudalstaaten nicht rückgängig machen. Ohne Z u h i l f e n a h m e h e l i o p o l i t a n i s c h e r Lehren kam bis ans Ende des ä g y p t i s c h e n N a t i o n a l s t a a t e s kein Götters y s t e m mehr aus. Wie die gewaltige Schöpferkraft der großen Herrscher des AR in ihren Bauten der Zukunft den Weg wies, hatte die alte Zeit die Grundlegung eines einheitlichen Gottesglaubens in so einleuchtender Gestaltung hinterlassen, daß die folgenden Jahrhunderte, wie in einen magischen Kreis gebannt; diese starken Gedanken niemals entbehren mochten.
5. Assiüt In diesem Zusammenhang genügt ein Seitenblick auf Assiüt, wo ein tatkräftiges Gaufürstengeschlecht unter den Herakleo1 Es ist kein Zufall, daß dabei auch jene von inneren Zweifeln aufgewühlten Werke entstehen, die aus dem Rahmen der alten religiösen Literatur völlig herausfallen und eine Form des philosophischen Streitgespräches versuchen. Dabei soll die Dogmatik gegen die. ketzerischen Zweifel an der Vortrefflichkeit und „Richtigkeit" des Weltbildes, des Jenseits und des menschlichen Bemühens darum verteidigt werden; vgl. K e e s , Totenglauben S. 306f. 331f. 414f.
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Viertes Kapitel. Die Feudalzeit
die Aufgabe ansah, die G e g e n s ä t z l i c h k e i t des irdischen Lebens, das die Sonne beherrschte, und des Bereichs der erdhausenden Kräfte, die sich mit jenen der Unterwelt und des Totenreiches im Westen berührten, zum Ausgleich zu bringen. Man rätselte an der für menschliches Denken fast unlösbaren Aufgabe vom Begriff des Ewigen und Unvergänglichen im Leben, die Heliopolis in seiner Götterlehre umgangen hatte. Hier eine wirklich überzeugende Lösung zu erreichen, wurde durch die inneren Zustände des. Reiches nicht erleichtert1. Der Zusammenbruch des memphitischen Einheitsstaates hatte die einigende Kraft des Sonnenglaubens als Staatskult geschwächt, der immer auf seinen Vorteil bedachte Feudalismus hatte alle widerstrebenden Richtungen der örtlichen Kulte zu neuer Bewußtheit erweckt. Es war immerhin ein Glück für Ägypten, daß von dieser Seite her das Bestreben nach Angleichung an die Lehren der großen religiösen Mittelpunkte die auflösenden Kräfte überwog, so daß ein Rückfall in die völlige Zerrissenheit der Kulte, soweit ihre theologische Deutung in Frage stand, ausgeschlossen blieb. Der Einschmelzungsprozeß eines vollen Jahrtausends ließ sich durch die beschränkten Eigenkräfte der Feudalstaaten nicht rückgängig machen. Ohne Z u h i l f e n a h m e h e l i o p o l i t a n i s c h e r Lehren kam bis ans Ende des ä g y p t i s c h e n N a t i o n a l s t a a t e s kein Götters y s t e m mehr aus. Wie die gewaltige Schöpferkraft der großen Herrscher des AR in ihren Bauten der Zukunft den Weg wies, hatte die alte Zeit die Grundlegung eines einheitlichen Gottesglaubens in so einleuchtender Gestaltung hinterlassen, daß die folgenden Jahrhunderte, wie in einen magischen Kreis gebannt; diese starken Gedanken niemals entbehren mochten.
5. Assiüt In diesem Zusammenhang genügt ein Seitenblick auf Assiüt, wo ein tatkräftiges Gaufürstengeschlecht unter den Herakleo1 Es ist kein Zufall, daß dabei auch jene von inneren Zweifeln aufgewühlten Werke entstehen, die aus dem Rahmen der alten religiösen Literatur völlig herausfallen und eine Form des philosophischen Streitgespräches versuchen. Dabei soll die Dogmatik gegen die. ketzerischen Zweifel an der Vortrefflichkeit und „Richtigkeit" des Weltbildes, des Jenseits und des menschlichen Bemühens darum verteidigt werden; vgl. K e e s , Totenglauben S. 306f. 331f. 414f.
5. Assiüt
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politen die südlichen Grenzgaue gegen die Thebais bewachte und behauptete. Von der Rolle des Stadtgottes U p u a u t als Anführer der „Horusgefolgsgötter" der Reichseinigungszeit sprachen wir schon früher1. Daneben bestand in Assiüt eine zweite Canidenkultstätte, die des Anubisunter dem Namen „Herr der Höhlenöffnung", offenbar eine Felshöhle im Gebel der Nekropolengegend um Assiüt. Ob dieser Anubiskult dem Nachbarort Rife zugehört, worauf gewisse Anzeichen deuten, ist nicht nachweisbar. Wesentlich ist dabei, daß diese Kultstätte mit der Ausbreitung des Osirisglaubens als O s i r i s s t ä t t e und zwar wiederum als sein Grab, gelten sollte2, ähnlich wie das Sokarheiligtum in Memphis. Vorbild war dabei wohl schon Abydos, dessen hundegestaltiger Totengott Chontamenti bereits in Pyramidentexten als dem Osiris gleich hingestellt wurde8. Theologisch spricht man von einer „geheimen Seele (Bai) des Herrn der Höhlenöffnung", also einer Seele des Osiris, die die Gestalt des Anubis angenommen habe4, so wie auch Sokar, Harsaphes, der Widder von Mendes oder der Apisstier „Seelen" des Osiris darstellten. Deshalb nennt sich der Gaufürst Hapdjefa der 12. Dynastie6 einen, „der den Gott geleitet zu seinem Platze in seinem Grabe, das in der Höhlenöffnung {R-brr.t) ist, dem heiligen Land im Besitz des Anubis, dem verborgenen Geheimnis des Osiris, dem heiligen Tal des Lebensherrn, dem Mysterium des Herrn von Abydos". Außerdem besaß Osiris bereits einen eigenen Tempel, dessen Graf-Prophetenvorsteher wie damals üblich der Gaufürst war. Dort tritt die Königsgestalt des Osiris stärker in Erscheinung, er heißt4 „die größte der Mächte, der große Gott, Herr der Großen (Krone), dem die Seelen der Götter nahen, zu 1 S. o. S. 191f. 2 Urk. V I I 66 nennt sich der Gaufürst Hapdjefa „der rechtfertigt den Osiris an seinen Stätten von R-krr.t, der heiligen (Stätte) in Assiüt". 8 Unter- Ausnutzung eines Wortspiels heißt es bereits Pyr. 630b von Osiris: „Isis und Nephthys schützen dich in Slw.t ( = Schutzort, Wache) als ihren Herrn nämlich, in deinem Namen „Herr von Assiüt (Upuaut)" s. o. S. 181. Derselbe Text bezeichnet Pyr. 627b Osiris „in deinem Kamen: großes Land (Thinis)"! 4 So in einem Hymnus auf einer Pariser Stele des N R , E r m a n , Literatur der Ägypter S. 188. 5 Urk. V I I 57. 6 Urk. V I I 65/66.
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Viertes K a p i t e l .
Die Feudalzeit
dem alles, was ist und nicht ist, kommt, Erbe des Geb, sein geliebter, König von Ober- und Unterägypten Wennofre, der selige". So wenig wir mangels aller Tempelreste in Assiüt über die Kulte im einzelnen wissen, schon diese Andeutungen erweisen in Assiüt dieselben Einflüsse wirksam, die wir in Herakleopolis zur selben Zeit vorfanden. Vielleicht überwiegt in Assiüt aus der Naturanlage seiner Canidenkulte heraus der osirianische Einfluß noch einseitiger. Neben allerlei auswärtigen Gastgöttern wird auf den zahlreichen Särgen aus Assiüt, neben dem „Anubis, Herrn der Höhlenöffnung" oft eine örtliche Hathor als Herrin eines unbekannten Nachbarortes (äg. Mddn, vielleicht Dronke ?) angerufen, die auch spätere Hathorenlisten anführen 1 . Vielleicht ist sie das Urbild jener Isis, die uns in Darstellungen von Upuautaufzügen des NR und später als „Gottesmutter von Assiüt" und regelmäßige Begleiterin des Upuaut entgegentritt, also dort vermutlich mit Osiris eingezogen war 2 . Aber auch der Sonnenglauben von Heliopolis hat Spuren hinterlassen. Wenn Upuaut selbst gelegentlich als Upuaut-Re bezeichnet wird, so mag das in die Herakleopolitenzeit zurückgehen, wenn auch unmittelbare Zeugnisse erst aus dem MR vorliegen3. Vor allem die Leitformeln der Särge verraten den heliopolitanischen Einfluß. Wie sollten sonst gerade die Priester in Assiüt darauf kommen, in den Totengebeten „Rg-Atum samt seiner Hand" als Schutzgottheit anzurufen 4 , was doch anderswo in dieser Form nirgends geschah ? Aber auch die Götter der Neunheit, Schu und Tefnut, Geb und Nut, der augenlose Gott von Letopolis samt seinen Kindern (Horuskindern!) werden darin genannt 6 . Re selbst soll zum Schutz des Toten außerdem Sopdu, den Herrn des Ostens (aus dem Ostdelta), und 5 a , den 1 ,-,Hathor, Herrin von Mddn" C h a s s i n a t - P a l a n q u e , Fouilles d'Assiout S. 27. 127. 189 u. a. Louvre A 118. Cairo Catal. g6n. 575 (nach Tanis verschleppt, mit Aufschrift R a m s e s ' II.). Hathorenliste in K a r n a k Annal. du Serv. 15 S. 277. 281. Als „ T e f n u t " N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 9, 3. vgl. G a u t h i e r , Dict. göogr. I I I S. 26. 2 Sedfestbilder in Soleb und B u b a s t i s vgl. v. B i s s i n g - K e e s , B e Heiligtum I I I S. 19. 3 Die von mir ÄZ 57 S. 136 genannten Stelen des MR Kairo 20089. 20394 sowie Brit. Mus. Stelae I V 25 Nr. 281 (17. Dyn. ?). Zu U p u a u t in Verbindung mit Heliopolis s. o. S. 194. 4 C h a s s i n a t , Bullet, inst. fr. 10 S. 159. 5 K e e s , Totenglauben S. 267f.
5. Assi&t
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„Herrn des Westens", als Gott der libyschen Wüste hier ganz passend1, an seine Seite setzen. Überdies feierte man im Assiüt des MR nach heliopolitanischem Vorbild die beiden Haupttage des Mondmonats Monatsbeginn und Halbmonat (Vollmond) als große Feste 2 , dazu wie im Memphis des AR das Uag- und das Thotfest. im 1. Monat des Jahres, zwei Feste, die wohl schon im AR gemeinägyptische Geltung erlangt hatten. Das Heranholen der heliopolitanischen Götter ist nicht auf Assiüt beschränkt, sondern läßt sich in wechselndem Ausmaß durch die ganze 12. Dynastie hindurch auch in Totenformeln anderer mittelägyptischer Gaustädte, in Bersche, Meir bis Kau el Kebir im 10. oberägyptischen Gau an der damaligen Grenze zur Thebais nachweisen, erstreckte sich sogar wie eine Welle über ganz Oberägypten3. Die Verlegung der Residenz unter Amenemhet I. aus Theben nach Lischt südlich Memphis stärkte erneut die memphitische Überlieferung. So herrschen in den Grabtexten der späteren 12. Dynastie in Kau neben dem Ortsgott Anti „dem Bekrallten" Ptah-Sokar von Memphis, Atum, Herr von Heliopolis; Osiris heißt „Herr von Busiris", ja „Herr von Heliopolis"4! Sogar memphitische Lokalgötter wie „der unter seinem Ölbaum (Moringa)" und der Urhügelgott „der an der Spitze der erhobenen Stätte" werden genannt. Hier verleugnete der oberägyptische Feudalismus seine geistige, z. T. auch seine genealogische Abkunft aus Memphis keineswegs. Auch die Totenlehre der Herakleopolitenzeit blieb äußerlich vom Gedanken des himmlischen Jenseits beherrscht. Man wünschte dem Toten, „daß ihn seine Kas zu den reinen Sitzen im Himmel geleiten, daß er lande und den „Fernen" überquere, daß ihm die Bergwand ihre Hände reiche" u. ä.8. Gelegentlich klingen allerdings gerade in den älteren aus dem Assiüt der Herakleopolitenzeit überlieferten Sargtexten auch 1 Hl wird dabei gelegentlich auch als „Herrscher der Verklärten" also als westlicher Totengott bezeichnet z. B. Annal. du Serv. 16 S. 72 u. a. vgl. K e e s , Totenglauben S. 28f. u. oben S. 189. 2 „Der den Priestern Vorschriften erteilt beim Leiten des Monatsbeginns und des Halbmonatsfestes" Urk. VII 56, 14. 8 K e e s , Totenglauben S. 268f. 4 S t e c k e w e h - S t e i n d o r f f , Die Felsgräber von Qàw; zu den Göttern K e e s , GGA 1936 S. 335. 5 K e e s , Totenglauben S. 266 nach C h a s s i n a t - P a l a n q u e , Fouilles d'Assiout S. 79 vgl. auch K e e s a. a. O. S. 268f.
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Viertes Kapitel.
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die skeptischen Töne der Zeit auf mit ihren Zweifeln an der „Richtigkeit" des himmlischen Jenseits heliopolitanischer Prägung. Eigenartige Gedanken vom Jenseitsgericht kommen zutage 1 : Da behauptet ein „menschlicher Leib", daß er „unzuf r i e d e n aus der (solaren) Feuerinsel" komme. Dafür begehrt er Einlaß zum Gerichtshof „im Hause des Chontamenti", also im Totenland des Westens und erhofft dort den rechten Spruch, der ihm seinen Feind ausliefert. Persönliche Rache ist also die Triebfeder, und ihre Befriedigung erhofft man nicht in der himmlischen Heimat des Sonnengottes, „der Feuerinsel" im Osten, sondern im Totenreich des Westens. Man verzichtete also auf R£ als „Herrn der Richtigkeit" und verschreibt sich lieber dem Reich der Magie und der dunklen Mysterien des Osiris in der Unterwelt. Man hört die Zweifelsfrage heraus, die im Streitgespräch die „Seele" als Wortführer des irdischen Denkens ausspricht2: „Nie gehst du wieder heraus (aus dem Grab), daß du das Sonnenlicht schaust." Was soll also das Hoffen auf das Tagesgestirn für das Jenseits nützen ? Noch kündete das Dogma die himmlische Verheißung: „Wer dort ist, der wird im Sonnenschiff stehen und wird das Erlesenste in die Tempel austeilen lassen. Wer dort ist, der wird ein Weiser sein, der nicht gehindert werden kann, Re anzuflehen, so oft er redet." Aber die sichere Ruhe der alten Zeit, die solchen hohen Verheißungen glaubte, war vergangen. Andere Mächte drängten aus dem Volksboden herauf. Und wenn man sich jetzt eifrig bemühte, seine S ü n d l o s i g k e i t von allen Fehlern vor allerlei Jenseitsrichtern zu schildern und sich zu der von den Weisheitslehren vorgezeichneten Lebenshaltung zu bekennen3, so dringt aus dieser krampfhaften Bewußtheit die Erkenntnis von den Lastern und Fehlern der Menschen durch4. Dieselbe Zeit hat sie in den pessimistischen Legenden von der Bestrafung der ersten Geschlechter durch Sachmet, oder sogar 1 K e e s , Totenglauben S. 327f. nach Saygtexten aus Assiüt, C h a s s i n a t - P a l a n q u e S. 46. 61. 101 = de B u c k , Coffintexts I I spell 149. Ähnliches K e e s a. a. O. S. 416f. 2 K e e s , Totenglauben S. 414. Zu dem Gespräch vgl. die neue Bearbeitung von S c h a r f f , Der Bericht über das Streitgespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele. Sb. bayr. Akad. 1937, 8 und die Bemerkungen von A. H e r m a n n , OLZ 1939 S. 345f. 3 Hierzu J. S p i e g e l , Die Idee vom Totengericht (Leipz. ägyptol. Stud. H. 2). K e e s , Totenglauben S. 420f. 4 K e e s a. a. O. S. 305f. 331 f.
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von der Absicht des Atum, die Welt seiner eigenen Schöpfung wieder zu vernichten, ausgemalt1. „Ach, erkennte er doch ihr Wesen in dem ersten Geschlecht, so würde er es verdammen, er würde den Arm dagegen ausstrecken und den Samen daraus und seine Erben zerstören", so klagt ein Weiser dieser Zeit2 über das Menschengeschlecht, „das Vieh Gottes", das doch seine Abbilder sein sollten8. Die innere Zerrissenheit und Enttäuschung einer friedlosen, von jahrzehntelangen Wirren und Kämpfen geschüttelten Zeit kann kaum ergreifender zum Ausdruck kommen. 6. Abydos Abydos im thinitischen Gau erlebte in der Feudalzeit einen unvergleichlichen Aufschwung zur heiligsten Wallfahrtsstätte Ägyptens, an dem begraben zu liegen der höchste Wunsch jedes Gläubigen war. Abydos hatte auf eine glanzvolle Vergangenheit hinzuweisen. Dort lagen die Könige' der Thinitenzeit bis Chasechemui im Bezirk des „heiligen Landes", über das als Herrscher ein Canidengott mit dem Namen „der an der Spitze der Westlichen" (Chontamenti), ein Artgenosse des Anubis, gebot. Dieser Ortsgott von Abydos war vom Königtum gehoben bereits im AR neben Anubis zum allgemeinen Totengott emporgewachsen, und er wird in den Pyramidentexten wiederholt als dem Osiris von Busiris wesensgleich hingestellt4. Wesentlich zurückhaltender als die Theologie der königlichen Totentexte verhielten sich dieser Gleichsetzung gegenüber die Tempelinschriften in Abydos selbst und auch die Totengebete der memphitischen Beamtengräber des AR. Der alte Ortstempel von Abydos wurde bis ins MR amtlich ausschließlich als Tempel des Chontamenti bezeichnet, nicht des Osiris6. 1 Tb. Kap. 175, Stück 1 und 2 = K e e s , Lesebuch S. 2 7 ; Totenglaüben S. 307. Die Geschichte von Sachmet ausführlich im sog. Kuhbuch B o e d e r , Urk. zur Religion des alten Ägypten S. 142f. 2 G a r d i n e r , Admonitions of an egyptian sage 12, 2—3. 3 Aus der Lehre für den Herakleopolitenkönig Merikere (Pap. Petersburg 1116 A) = K e e s , Lesebuch S. 44. 4 Als Gott von Abydos hat den Chontamenti E d . M e y e r , ÄZ 41 S. 97 f. erwiesen und von Osiris und Anubis geschieden. Allerdings faßte er den Chontamenti damals als einen allgemeinägyptischen Totengott auf. 5 So erst unter Sesostris I. P e t r i e , Abydos I I Taf. 26.
6. Abydos
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von der Absicht des Atum, die Welt seiner eigenen Schöpfung wieder zu vernichten, ausgemalt1. „Ach, erkennte er doch ihr Wesen in dem ersten Geschlecht, so würde er es verdammen, er würde den Arm dagegen ausstrecken und den Samen daraus und seine Erben zerstören", so klagt ein Weiser dieser Zeit2 über das Menschengeschlecht, „das Vieh Gottes", das doch seine Abbilder sein sollten8. Die innere Zerrissenheit und Enttäuschung einer friedlosen, von jahrzehntelangen Wirren und Kämpfen geschüttelten Zeit kann kaum ergreifender zum Ausdruck kommen. 6. Abydos Abydos im thinitischen Gau erlebte in der Feudalzeit einen unvergleichlichen Aufschwung zur heiligsten Wallfahrtsstätte Ägyptens, an dem begraben zu liegen der höchste Wunsch jedes Gläubigen war. Abydos hatte auf eine glanzvolle Vergangenheit hinzuweisen. Dort lagen die Könige' der Thinitenzeit bis Chasechemui im Bezirk des „heiligen Landes", über das als Herrscher ein Canidengott mit dem Namen „der an der Spitze der Westlichen" (Chontamenti), ein Artgenosse des Anubis, gebot. Dieser Ortsgott von Abydos war vom Königtum gehoben bereits im AR neben Anubis zum allgemeinen Totengott emporgewachsen, und er wird in den Pyramidentexten wiederholt als dem Osiris von Busiris wesensgleich hingestellt4. Wesentlich zurückhaltender als die Theologie der königlichen Totentexte verhielten sich dieser Gleichsetzung gegenüber die Tempelinschriften in Abydos selbst und auch die Totengebete der memphitischen Beamtengräber des AR. Der alte Ortstempel von Abydos wurde bis ins MR amtlich ausschließlich als Tempel des Chontamenti bezeichnet, nicht des Osiris6. 1 Tb. Kap. 175, Stück 1 und 2 = K e e s , Lesebuch S. 2 7 ; Totenglaüben S. 307. Die Geschichte von Sachmet ausführlich im sog. Kuhbuch B o e d e r , Urk. zur Religion des alten Ägypten S. 142f. 2 G a r d i n e r , Admonitions of an egyptian sage 12, 2—3. 3 Aus der Lehre für den Herakleopolitenkönig Merikere (Pap. Petersburg 1116 A) = K e e s , Lesebuch S. 44. 4 Als Gott von Abydos hat den Chontamenti E d . M e y e r , ÄZ 41 S. 97 f. erwiesen und von Osiris und Anubis geschieden. Allerdings faßte er den Chontamenti damals als einen allgemeinägyptischen Totengott auf. 5 So erst unter Sesostris I. P e t r i e , Abydos I I Taf. 26.
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In den Totengebeten werden zwar in der Blütezeit des AR „Osiris, Herr von Busiris" und „Chontamenti, Herr von Abydos" nebeneinandergestellt, aber doch zunächst deutlich als selbständige Ortsgottheiten voneinander abgehoben1. Allerdings merkt man dabei die Absicht, dem unterägyptischen Herrn von Busiris im Chontamenti von Abydos ein oberägyptisches Gegenstück an die Seite zu stellen, dessen innere Wesensähnlichkeit die Theologie bereits dargelegt hatte 2 . Wie in Memphis Sokar von Rosetau so bildete in Abydos Chontamenti als Beherrscher der alten Königsnekropole den gegebenen Anknüpfungspunkt für die Übernahme des Osiris3. Besonders entscheidend setzte man die beiden heiligen Stätten Busiris für Unterägypten, Abydos für Oberägypten als Zielpunkte der T o t e n fahrt ein. Zu Beginn der 5. Dynastie verlegte man unter dem beherrschenden Einfluß des heliopolitanischen Sonnenglaubens das erstebte Ende der Totenfahrt in das imaginäre „Opfergefilde" des Sonnengottes4; mitunter vermeinte man es irdisch in Heliopolis erreichen zu können5, jedenfalls im Osten in der Nähe des Sonnengottes. Junker hat sicher mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Wallfahrten des Toten zu Schiff in Angleichung an Vorstellungen vom königlichen Jenseits entstanden sind6. Die Überfahrt über den Himmel zur Ostseite und dann weiter mit der Sonnenbarke selbst bildet eins 1 Chontamenti, Herr von Abydos, neben Osiris von Busiris Mar i e t t e , Mastabas S. 130 (C 9 Hoherpriester des Ptah 5. Dyn.), S. 259 (D 28), S. 368 (D 69). Osiris als Herr von Abydos (an Stelle des Chontamenti) ebda. S. 149 (C 18 Vezir und Hoherpriester von Heliopolis 6. Dyn.), S. 341 (D 60) u. a. m. vgl. Ed. M e y e r , a. a. O. S. 102. „OsirisChontamenti, Herr von Abydos" oder „Osiris-Chontamenti an allen seinen Sitzen" in Grabformeln der 6. Dyn. in Abydos nicht selten z. B. Kairó Cat. gén. ( B o r c h a r d t ) 1434/35. 1467. 1507. 2 Vgl. die Parallele Pyr. 220 c „wie Anubis nämlich an der Spitze der Westlichen (Chontamenti), wie Anedjti nämlich an der Spitze der östlichen Gaue". 3 Zu dem erst im N B erwähnten „Abydosfisch" als Symbol des Toten (Osiris) und Führer des Sonnenschiffes s. o. S. 65. 4 K e e s , Totenglauben S. 162f. 178. 5 Giza, Mastaba des K\-n-néwt „Kommen aus Buto nach dem Opfergefilde, sehr schön" (Segelfahrt stromauf) „Fahren nach Heliopolis" (Papyrusboot ohne Segel). 6 J u n k e r , Giza II S. 66 f. Diese Erklärung ist meiner älteren Deutung Totenglauben S. 163 vorzuziehen!
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der Hauptthemen der Pyramidentexte1. Aber die besondere heliopolitanische Zielsetzung für die Totenfahrt verblaßte bereits in den Gräbern der Blütezeit des AR in Sakkara, denn daneben stand, wie Darstellungen in Gräbern vom Ende der 5. Dynastie an lehren, eine andere, wahrscheinlich ältere Tradition: die W a l l f a h r t des Toten zu altheiligen S t ä t t e n Unterägyptens, voran Buto und Sais, die im Bestattungsritual verankert war 2 . Darum verbleibt es in den Totengebeten der S./6. Dynastie bei einer zweideutigen Bestimmung des Himmelsaufstiegs zum „großen Gott", der Überfahrt über den „Ehernen" (Himmel) und einem Wandern auf den schönen Wegen des Westens, das mit der zeremoniellen „Überfahrt über den See" oder dem „Sand" der Nekropole bei der Bestattung verschwimmt3. Einer eindeutigen himmlischen Ausrichtung stellten sich offenbar die am Ende des AR anwachsenden Einflüsse des Osiris hindernd in den Weg. Auch die älteste Festsetzung des Osiris in Abydos läßt sich aus den Pyramidentexten ablesen4. Da wird der tote König, der dabei auch dem Wüstengott „Horas Ha" und dem Min*, also sozusagen den westlichen und östlichen Nachbarn von Abydos gleichgesetzt ist, überdies dem memphitischen Sokar, angeredet: „Dich grüßt der große Landepflock wie einen, der dasteht, ohne daß er ermüden kann, zu Gaste in Abydos"5. Deshalb soll er „stromauffahren nach dem thinitischen Gau und Abydos durchwandern in dieser deiner verklärten Gestalt, die dir die Götter zu sein anbefahlen"6. Aber Osiris ist nicht nur Gastgott, sondern wird „Macht im Gau von Thinis" genannt, vielleicht unter Anspielung auf das alte Gauzeichen, und der königliche Tote soll „versehen sein mit der Gestalt des Osiris auf dem Thron des Chontamenti"7. Auch seltsame Anspielungen auf Reliquien aus der Osirissage erscheinen bereits: „Dein (dir zustehender) Schenkel ist im thinitischen, sein Bein im nubischen Gau"8. 1 2 8 4 6 6 7 war, 8
K e e s , Totenglauben S. 108f. J u n k e r , Mitt. Dt. Inst. Kairo 9 (1940) S. l f . s. o. S. 213 u. S. 402f. K e e s , Totenglauben S. 161f. K e e s a. a. O. S. 196. 231 f. Pyr. 794 c/d. 1012d; ähnlich 1711d. Pyr. 1716 vgl. 798. Pyr. 754c: „es kommt dieser Verklärte, der in Nedit (Busiris) (nun) eine Macht in Thinis". 759. Pyr. 1876a.
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Dies bezieht sich niciht im Sinne der späteren Reliquiendeutung auf Teile des zerstückelten Osiris, davon würde man nicht so offen reden, sondern es ergibt sich aus der vorausgehenden Worten, daß damit Anteile von dem geschlachteten Stieropfer, das den Seth darstellt, gemeint sind1. Das Schenkelstück sollte dem Ortsgott von Thinis Onuris, das Beinstück dem Chnum von Elephantine zufallen2. Erst jüngere Zeiten haben alle diese Dinge schematisch auf „Glieder" des Osirisleibes umgedeutet. Abydos besaß als heiliges Mal den bienenkorbähnlichen ^Fetisch auf einer Stange, „das große Land", das als Gauzeichen galt (Taf. I) und nach seinem Namen als Symbol des Urhügels verehrt wurde8. Später, nach Durchsetzung des Osirisglaubens, wurde das alte Mal als Kopfreliquiar des Osiris erklärt4. Wie in Memphis, Herakleopolis, und Assiüt mußte aber der Osirisglauben als Mittelpunkt des Kultes eine G r a b s t ä t t e des Gottes zeigen. War dies in Memphis das Sokarheiligtum, bei Assiüt die Höhle des Anubis, bei Herakleopolis ein Hain, so erschien in Abydos als das gegebene die Grabstätte der thinitischen Könige auf dem Hügel von Umm el Gaab, wo sich ebenfalls ein Hain befand. Im Kult nannte man sie den Bezirk Poker5. In der Spätzeit erklärte man ein bestimmtes Grab, das des Königs Djer-Athothis, als Osirisgrab und stattete es entsprechend aus. Wahrscheinlich geht diese Ansetzung mindestens auf das MB zurück. Jedoch halte ich es nach den Aussagen unserer Überlieferung für völlig ausgeschlossen, daß, wie S e t h e es ansah®, umgekehrt die thinitischen 1 So ist die Stelle richtig von J u n k e r , Onurislegende S. 56 aufgefaßt, wahrend ich sie Totenglauben S. 192 fälschlich für die Osirisreliquien in Anspruch nahm. Junker verweist auf die Angabe der Horusmythe von Edfu über die Zerstückelung des Nilpferdes als Seth: „sein Schenkel bleibt in Thinis für deinen großen Vater Onuris" N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 9 = Edfou VI S. 85 Z. 11/12. Eine Mythenvariante mit unterägyptischen Gottheiten N a v i l l e Taf. 11 = Edfou VI S. 89 Z. 18f. s. unten S. 426. 2 Zum „Chnum, dem Schenkel" im Kult des Abaton bei Philae 8. u. S. 408. Eine ähnliche Verteilung der Schlachtstücke im Ritual s. o. S. 280. 8 S. o. S. 96. 4 S. o. S. 129. 5 Zur Stätte und dem Hain S c h ä f e r , Ä Z 41 S. 107f.; Die Mysterien des Osiris in Abydos S. 27f. vgl. K e e s , Totenglauben S. 363f. 6 S e t h e , Urgeschichte § 99f. Sethe ist sogar geneigt, Abydos als die h i s t o r i s c h e Stätte des Osiristodes anzusehen, wo er von den Anhängern des Seth von Ombos erschlagen wurde!
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Könige mit Rücksieht auf Osiris ihre Gräber bei Abydos angelegt hätten, daß also der Osiriskult bereits in vorgeschichtlicher Zeit dort ansässig geworden wäre! Dagegen sprechen alle Zeugnisse auf das Entschiedenste. Den entscheidenden Aufschwung erlebte Abydos, als Phiops I. aus innerpolitischen Gründen zwei Töchter aus dem Gaufürstengeschlecht von Thinis heiratete und damit ihrer Familie größten Einfluß bei Hofe verschaffte. Die Freibriefe für den Chontamentitempel, die bis in die 5. Dynastie zurückreichen,1 dann weitere aus der 6. Dynastie für Totenkapellen, Statuen und religiöse Stiftungen der Fürstenfamilie, auch Reste von Tempelbauten Phiops' II. sind wichtige Zeugen 2. Schon unter Merenre, dem Sohne Phiops' I., ließ sich der höchste Vertreter der Regierung in Oberägypten, „der Vorsteher von Oberägypten" Uni, der anscheinend nicht dem Feudaladel angehörte, in Abydos bestatten, nicht mehr wie üblich auf dem Königsfriedhof in Sakkara. Abydos verstand es unter dem Schutze der königlichen Privilegien, sich zur bevorzugten Wallfahrtsstätte zu machen, als neues Ziel der Totenfahrt, die nun s t r o m a u f nach A b y d o s , s t r o m a b n a c h B u s i r i s gehen sollte®. Dort hoffte man die gleichen großen Feste des Osiris mit ihren Schauspielen erleben zu dürfen, ein Vorzug, der im Leben nur wenigen Auserwählten aus königlicher Gnade zuteil wurde. Man erfand den Ausweg, daß man „an der Treppe" des Gottes, also an der Prozessionsstraße zum Tempel im heiligen Bezirk, ein Kenotaph oder wenigstens eine Stele mit Opferstein davor aufstellen konnte 4 . Die sollte die Anwesenheit des Stifters ewiglich sichern. Man erwartete so, „daß ihm Opfergaben dargebracht werden an den Festen der Nekropole, daß er mit dem Gott (Osiris) wandle bei 1 Schutzdekret (Privileg) f ü r die Priester von. Neferirkerö Urk. I 170f. = P e t r i e , Abydos I I Taf. 14. 18. E i n weiteres unter Teti (6. Dyn.) erlassen Urk. I 207 f. = Brit. Mus. Stelae I 38. 2 Erlaß Phiops' I I . f ü r den K u l t vor Familienstatuen im „Gotteshaus des Chontamenti" Urk. I 278f. = P e t r i e , Abydos I I Taf. 19. 21. Tempelreste mit Namen Phiops* I I . ebda. Taf. 19/20. S K e e s , Totenglauben S. 342f. 4 F ü r d a s eigentliche „heilige (vorbehaltene) L a n d " (i? dir), also vielleicht das Gebiet u m die Königsgräber, bestand im M B ein Beerdigungsverbot bzw. Ausnahmebedingungen vgl. d a s Dekret des Königs Neferhotep I . der 13. Dynastie M a c i v e r , E l Amrah and Abydos Taf. 29 = K e e s , Totenglauben S. 46.
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der Überfahrt nach Poker, daß ihm die Hand aus der Neschmetbarke (des Osiris) gereicht werde (zur Mitfahrt) auf den Wegen des Westens, daß er die Ruder in der Abendbarke rühre und in der Morgenbarke fahre, daß ihm „Willkommen in Frieden" seitens der Großen von Abydos entboten werde, daß er den Jubel aus dem Munde des thinitischen Gaues höre am Teste Haker und in der Nacht der Nachtwache, daß er an Opfern und Speisen Überfluß habe, wie man sie dem Osiris am Uagfest, äm Thotfest, am Fest des Brandes, am ersten Tag des Jahres, dem großen Fest, dem großen Ausgang und allen anderen Festtagen darbringt, die man dem großen Gott begeht"1. Für die abydenische Lehre ist die geschickte Verknüpfung mit bekanntem Gut des AR kennzeichnend: bis auf wenige besondere Feste erscheinen die großen Feiertage, die bereits seit dem AR gemeinägyptische Geltung besaßen und die uns beispielsweise auch in Assiüt begegneten, so das Uag- und Thotfest im Monat „Thot" des thebanischen Kalenders (1. Monat des Jahres)2. Ferner ist die vom Himmelsglauben übernommene Mitfahrt in den beiden Sonnenbarken mit der Begleitung der Osirisbarke in den abydenischen Festspielen gleichgeordnet. Auf jene erst in der Blütezeit des AR dem königlichen Jenseits entlehnten Vorrechte der Himmelfahrt verzichtete also die abydenische Totenlehre keineswegs. Im Gregenteil, obwohl Osiris in seiner Geltung als Mondgott höchstens die Nachtbarke beanspruchen konnte, wurden beide Sonnenschiffe ins Gefolge des Osiris aufgenommen, so schwer man die Folgerungen durchdenken konnte3. Dafür waren es Mysterien, deren Anziehungskraft die schillernde Vieldeutigkeit der Auslegung noch erhöhte. Auch der Aufbau des abydenischen Götterkreises verrät die ägyptische Großzügigkeit in der Übertragung fremder Gottheiten und Mythen an die neue Stätte. Niemals kommt in Ägypten ein hoher Gastgott allein, stets brachte er sein gesamtes geschichtlich gewordenes und geheiligtes Zubehör mit. So verschiedenartig zusammengesetzt uns der Götterkreis, die „Neunheit" des Osiristempels, in den folgenden Epochen geschildert 1 K e e s , Totenglauben S. 341 nach Kairo 20024 (Abydosformel) u.o. 2 S. o. S. 327. 3 Die konsequente Einbeziehung beider SonnenschifEe sieht man dann in späten Tempeln, z. B. den Texten und Darstellungen der Osirisgemächer im Denderatempel M a r i e t t e , Dendörah IV 64f.
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wird1, er verleugnet nie das oberste Ziel, außer dem natürlichen Anhang des Osiris angesehene Gottheiten aus der näheren und weiteren Umgebung an sich zu ziehen2. Im MR treffen wir als G a s t g ö t t e r in Abydos das Urgötterpaar aus Antinoe Chnum und H e k e t , die sollen Abydos verhelfen, seinen Anspruch als älteste Stätte des Urbeginns zu verteidigen3. Gleich Schu und Tefnut in Heliopolis heißen sie die „einst auf der Geburtsstätte von Abydos entstandenen Vorfahren, die aus dem Munde des Re (Atum) selbst hervorgegangen sind". Als Verkörperungen von Schu und Tefnut galten auch der Ortsgott von Thinis selbst, der Jägerheros Onuris „der die Ferne bringt" und seine Gefährtin die Löwin Mehjt (Tefnut), zugleich das „gefüllte" Auge. Außerdem hatte sich Onuris durch seine Gleichsetzung mit „Schu, Sohn des Re" zu einem universalen Gott solarer Abstimmung ausgeweitet 4 . Aus Assiüt kam U p u a u t , in seiner Heimat Kultnachbar des Anubis, beide als Caniden Artgenossen des Chontamenti, also unschwer untereinander als wesensgleich zu erklären. Wie beim Horuskönig wurde er als „Wegeöffner" der Anführer der großen Piozession beim „ersten Auszug" zur Suche des toten Osiris und Besieger aller Feinde des Gottes5. Aus dem gegenüberliegenden Achmim kommt Min, dort schon seit der Horuszeit Oberägyptens Abbild des „starken Horus", nunmehr als Helfer des Osiris in der Rolle des „Horus, der seinen Vater rächt" (Haxendotes)6. Auch die übrigen Gottheiten der heliopolitanischen Neunheit, 1 Einzelne Beispiele aus dem N B oben S. 150 f. Ein Bruchstück Menthuhoteps III. nennt Upuaut (Anubis ?), Horus, Chnum, Thot, Onuris. P e t r i e , Abydos I I Taf. 24. 2 K e e s , Totenglauben S. 347; Kulturgeschichte S. 328f. 3 Louvre C 3;Brit. Mus. Stelae I I 5 Nr. 567 vgl. K e e s , T o t e n g l a u b e n S. 347 f. Heket im Abydostempel Sethos' I. als „Herrin beider Länder" s. o. S. 176 Anm. 5. i Vgl. die Kennzeichnung des Onuris Urk. I V 517 (18. Dyn.) = K e e s , Lesebuch S. 15. Über die Bedeutung des Schu für die oberägyptischen Provinzgötter s. o. S. 252f. 5 S c h ä f e r , Mysterien des Osiris in Abydos S. 21f. K e e s , Totenglauben S. 349f. Die Inschrift des Königs Neferhotep (13. Dyn.) P i e p e r , MVAG 32, 2 sagt ausdrücklich „Da ließ S. M. diesen Gott (Osiris) erscheinen, indem seine gesamte Neunheit ihm folgte, und Upuaut war vor ihm, indem er die Wege [von seinen Feinden] öffnete" (Z. 18/19) vgl. oben S. 194 und Taf. I. 6 S. o. S. 200.
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Re selbst, P t a h als Residenzgott des AR, dazu die in Oberägypten so verbreitete H a t hör, seit dem thebanischen Sieg unter der 11. Dynastie auch der neue Staatsgott Amun wurden berücksichtigt1. Auf altem Heimatboden stand der Gott I n m u t e f „der Pfeiler seiner Mutter", synkretistisch bald mit Horus, bald mit Geb gleichgesetzt, im Kult Vorbild des amtierenden Königspriesters, den das Ritual Sem nennt. Unter den Ramessiden, die Memphis bevorzugten, erhielten im Osiristempel auch Sokar, N e f e r t e m eigene Kapellen, die zugleich zahlreichen kleineren memphitischen Lokalgöttern Gastrecht gewährten2. Im Sethostempel zu Abydos sieht man auch in den Hinterräumen der Osiriskapelle eine Unmenge von Gottheiten „zu Gast im Sethostempel", darunter Seltenheiten, denen wir sonst höchstens in ptolemäischen Tempeln wiederbegegnen, abgebildet3. So nach allen Richtungen verbunden konnte Abydos bereits im MR den Anspruch erheben, „der heilige Platz seit der Zeit des Osiris, den Horus für die Väter gegründet hat, dem die Sterne des Himmels dienen, die Herrin der Untertanen, zu dem die Großen aus Busiris kommen, das z w e i t e H e l i o p o l i s an H e i l i g k e i t 4 , mit dem der Allherr zufrieden ist" 5 zu sein. Osiris aber wuchs in Abydos weit über einen Totenherrscher und Fruchtbarkeitsgott der Erde hinaus. Er, „zu dem die oberägyptische und die unterägyptische Reichshälfte in Verneigung kommt, weil die Furcht vor ihm so groß ist . . . Er ist Osiris, der Erbe des Geb, der König der Götter, die Macht des Himmels, der Herrscher der Lebenden, der König der beiden Länder . . . dem die Untertanen in Heliopolis zujubeln"6. Mit den geheimnisvollsten Mächten des Naturlebens, dem Mond, dem Nil und den Kräften des Erdbodens 1 Eine Liste abydenischer Gastgötter erscheint auf Stelen des frühen MR z. B. Louvre C 15. München Nr. 3 ( D y r o f f - P ö r t n e r , Ägypt. Grabsteine II Taf. 2). Turin 21. 2 Dort die öfters erwähnte Liste memphitischer Lokalgottheiten Ree. de trav. 37 S. 57f. 8 Jetzt vollständig veröffentlicht b e i C a l v e r l e y - G a r d i n e r , Temple of King Sethos I Vol. III. Darunter auch eine de rwenigen vorhandenen Darstellungen des alten Osiris-Anedjti a. a. O. Taf. 15 (s. Taf. II, b). 4 Also wieder der Gedanke eines neuen Heliopolis als Ersatz des alten vgl. oben S. 183 und S. 303 (Dendera). 5 Brit. Mus. Stelae II 23 Nr. 581 = K e e s , Totenglauben S. 348. 6 Aus dem oft erwähnten und viel verbreiteten Osirishymnus des MR K e e s , Lesebuch S. 16.
6. Abydos
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eng verbunden, wurde er in der abydenischen Götterlehre zum universalen Gottesbegrifl. Wohl schon wesentlich ältere Zeiten haben in ihm das erkannt, was sich Ramses IV. Jahrhunderte später im Tempelarchiv von Abydos über sein Wesen berichten ließ 1 : „Ich fand, daß [deine Majestät ausgezeichnet] unter der ganzen Neunheit, und dein ganzes Wesen geheimnisvoller ist, als sie. Nämlich an den Tagen, von denen man sagt, sie waren, als Nut noch nicht mit deiner Schönheit schwanger war, da lebtest du (schon)". Er ist zugleich der Mond, der sich zu seiner Zeit verjüngt, der N i l zur Überschwemmungszeit, der die Felder befruchtet, der K ö n i g der Unterwelt, der über die Toten gebietet. Re, der Sonnengott, und Osiris, an deren Seite als weise Ratgeber Thot und die beiden urzeitlichen Geburtshelferinnen (mShn.t) stehen, bilden wie in der Lehre von Mendes 2 eine, .vereinte Seele". Die beiden scheinbaren Gegensätze sind also in Wahrheit ein Ganzes. So ist Osiris wirklich ein „König der Grötter". Auch das ist nicht ohne Gunst der Zeiten erreicht worden. Abydos fand in entscheidender Stunde nach dem Sieg des Hauses der Menthuhotep von Hermonthis Förderung bei dieser (11.) Dynastie, die offenbar damit das Ansehen der Thebals heben wollte 8 . Die beabsichtigte Ablenkung des Osirisglaubens von den heiligen Stätten Unterägyptens ist Abydos im Verlaufe des MR in überzeugender Weise gelungen. Die alte Heimat Busiris sinkt völlig in die Rolle einer fast sagenhaft gewordenen Stätte der Urzeit zurück, die übrigen berühmten Deltastätten, an denen sich Osiris festgesetzt hatte, sind vollends schattenhaft. Was Heliopolis und Memphis bei Übernahme des Osiriskreises angebahnt hatten, vollendete das oberägyptische Abydos. Es hielt seinen Ruhm als heiligste Stätte bis in die Spätzeit, wo es durch eine noch jüngere Kultstätte des Osiris abgelöst wurde: die Katarakteninsel Philae mit dem benachbarten Abaton auf Bige 4 . 1 Stele aus Abydos in Kairo M a r i e t t e , Abydos II Taf. 64/55 = K e e s , Lesebuch S. 16. Der Text ist neuägyptisch abgefaßt, also nicht älter als die Ramessidenzeit. 2 Tb. Kap. 17, vgl. hierzu oben S. 165. 8 Beste von Tempelreliefs von Menthuhotep III. und MenthuhotepSanchkard P e t r i e , Abydos II Taf. 23/24. Wie unangenehm auch der Gegenseite, den Herakleopoliten, die Entweihung der Totenstadt durch die Grenzkämpfe bei Thinis gegen die Thebaner unter Antef I. gewesen war, zeigt die Königslehre für Merikere Z. 69/70. 4 S. u. S. 406f.
Keei, GStterglaube
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Viertes Kapitel.
Die Feudalzeit
7. Die thebanischen Vorstufen Koptos Wir wissen heute, daß auf dem Boden der „südlichen Gaue", um mit den Herakleopoliten zu reden, der Gau von Koptos der erste war, dessen Gaufürstengeschlecht sich nach dem Zusammenbruch der 6. Dynastie den Königstitel beilegte, und damit den machtlosen Epigonen in Memphis (8. Dynastie) eine oberägyptische Dynastie entgegenstellte, die ihrerseits die Anerkennung im ganzen Lande beanspruchte1. Dies Ereignis bewirkte, daß der Ortsgott Min von Koptos sich auf seine alten Ansprüche besann. Man erklärte ihn jetzt ganz offen zum „Oberhaupt der Götter". Da man sich schon in den Pyramidentexten daran gewöhnt hatte, den Min gleich dem Horuskönig an die Spitze der beiden Reichsheiligtümer zu stellen 2 — ,,zu dir kommen die beiden Neunheiten in Verneigung, du befiehlst den Menschen wie Min, der in seinem Hause ist, wie Horus von Buto (Db'w.t)" —, konnte die Anknüpfung für die neue Koptosdynastie nicht schwer sein. Sie brauchte nur zu ihrem bisherigen Gaufürstentitel und dem damit verbundenen Hohenpriesteramt des Min die alten Herrschaftsansprüche des oberägyptischen Horus (als Min) auszuwerten. Min, dessen großes Fest „der Auszug des Min" schon im Memphis des AR als gemeinägyptisches Fest anerkannt war3, hatte damit seine Beziehungen zum Königtum neu geknüpft, ohne daß es einer künstlichen Fiktion bedurfte, wie dies in Heliopolis und anderswo nötig war. Min konnte sich darauf berufen, als Gaugott von Koptos das vereinigte Erbe der beiden alten „Herren von Oberägypten", Horus und Seth, der Götter von Kus und von Ombos in seinem Gau zu vertreten. Damit schien der König als Verkörperung der „beiden Herren" in seine wirkliche Heimat zurückgekehrt. Zu derselben Zeit haben sich in Koptos starke Einflüsse des Osirisglaubens geltend gemacht. Sie führten wie in Achmim und ähnlich in Assiüt die große I s i s als „Gottes1 Näheres K e e s , Beiträge zur altägypt. Provinzialverwaltung und der Geschichte des Feudalismus I. Oberägypten (Gött. Nachr. Alter tumswiss. I, 12. 1932) S. 108f. Die Dekrete dieser Dynastie Urk. I 293f. 2 Pyr. 1993a/c s. o. S. 200. S e t h e , Urgeschichte § 202 verweist auf die Beliebtheit theophorer Minnamen im Königshaus der 4. D y n . (Söhne des Cheops). 3 S. o. S. 297.
7. Die thebanischen Vorstufen
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mutter" des Min ( = Horus) nach Koptos, und sie steht fortan dort neben Min an erster Stelle des Systems. Koptos nannte sich daraufhin das „oberägyptische Iseum" ,wies also absichtlich auf eine altberühmte unterägyptische Stadt1. Das taten zur gleichen Zeit Dendera und Hermonthis, sonst auch Esne und Edfu, indem sie sich entweder als eine „Filiale" in Oberägypten oder als echten „Ersatz" für eine ehemalige unterägyptische Heimat der Gottheit, mit Vorliebe Heliopolis, hinstellten2. Solche Lehren braucht man nicht mit Sethe in weite vorgeschichtliche Zeit zu verlagern, sie können besser innerhalb des geschichtlichen Raumes ihren richtigen Platz in einer Zeit finden, in der die irdische Vorherrschaft der unterägyptischen Reichshälfte keine Giltigkeit mehr besaß, man aber um so bereitwilliger sich als ihr berechtigter Erbe, auch auf kultischem Gebiet, ausweisen wollte. Ebenso war man in Abydos gegenüber Busiris als Osiriskultstätte verfahren. Das entsprach völlig dem Geiste der Feudalzeit, entsprach auch ihrem Hang nach urzeitlichen Adelsbeinamen, die man gern mit heliopolitanischer Dogmatik verbrämte z. B. als „Erbfürst über die weiße Kapelle des Geb" 3 , „geboren von den beiden Neunheiten des R ê " u. ä. Die Koptosdynastie hat anscheinend nicht lange bestanden, ihre Nachfolger waren die Gaufürsten von Hermonthis, die infolge der Verbindung mit einer Erbtochter aus Dendera das ganze Gebiet von Elephantine bis zum 10. Gau nach Norden unter ihrer Herrschaft vereinigten4. Aber sie übernahmen nicht nur das Land, sondern gleichzeitig die für ägyptisches Denken damit unlösbar verbundenen Erbansprüche der Ortsgötter. Ohne das Vorspiel von Koptos wären sehr entscheidende Züge des Amun in Theben unerklärbar. Als Besitzer des Koptosgaues 1 Ntrj Sm'j vgl. oben S. 180. S e t h e , Urgeschichte § 142. In der Hammamâtinschrift des Vezirs Amenemhet (11. Dyn.) wird der Horuskönig genannt „den Isis, die göttliche, die Mutter des Min, die Zauberreiche, aufzog zum Königtum der beiden Landeshälften". C o u y a t M o n t e t , Inscr. hiéroglyph. du Ouâdi Hammâmât Nr. 192. 2 Vgl. oben S. 182. 303. 336, unten S. 340f. 346. 407. 427. S e t h e , a. a. O. § 142f. 3 Zum Auftreten und der Bedeutimg des Titels in der Feudalzeit K e e s , Opfertanz S. 181; Kulturgeschichte S. 187 zu N e w b e r r y , Béni Hasan I 35; Ichernofretstele S c h ä f e r , Mysterien des Osiris in Abydos S. 36. Variante Brit. Mus. Stelae I I 22 Nr. 572: „der Verhör abhält in der weißen Kapelle des Geb" (als Richter) u. a. 4 S. o. S. 304. 22*
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Viertes Kapitel. Die Feudalzeit
konnten die thebanischen Könige der 11. Dynastie ihre Königsansprüche über Min auf die „beiden Herren Oberägyptens" Horus und Seth unmittelbar zurückführen. Als sie die Nachfolgeschaft der Koptosdynastie angetreten hatten, lag es für sie nahe, nun den Herakleopoliten den Königstitel des Gesamtreiches streitig zu machen. Hermonthis Über die Kultverhältnisse des thebanischen (4.) Gaues vor der Zeit der 11. Dynastie wissen wir wenig. Gaugott war der in der Hauptstadt Hermonthis, in El Tôd (Tuphium), Medamûd und wohl auch bereits in Karnak verehrte Falkengott Month 1 „der Herr von Theben (Waset)", der als Mensch mit Falkenkopf dargestellt wird. Auf dem Haupt trägt er das Doppelfederdiadem der oberägyptischen Götter (wie auch Min) und die von einem Doppeluräus bewehrte Sonnenscheibe (Taf. VII, a)2. Er wurde also bereits in der Feudalzeit als Sonnengott und „thebanischer Horus" 3 aufgefaßt auf Grund einer kosmischen Ausweitung zum Himmelsgott, die besonders dem Falken als königlichem Flieger und Räuber im Blute lag. Er folgte damit einem Entwicklungsgang, den alle „Horusgötter" Oberägyptens einschlugen. So zeigte Month als Hausgott des Geschlechts der Antef und Menthuhotep Gestalt und Wesenszüge, die ihn ohne weiteres als Gegenstück zum Rê-Harachte von Heliopolis als „großer Gott, Herr des Himmels" aufzutreten erlaubten. Wieder begegnet uns die für die ägyptische Feudalzeit kennzeichnende Bezugnahme auf Heliopolis4. Hermonthis führte ähnlich wie Dendera und Esne einen Namen, der nach ägyptischer Auffassung über die wesenhafte Bedeutsamkeit sprachlicher Anklänge aus ihrer Herkunft durch Gotteswort auf H e l i o p o l i s verwies5. Selbst S e t h e , der 1 Gelegentlich bereits in den Pyramidentexten erwähnt z. B. Pvr. 1081 b. S e t h e , Urgeschichte §46.224. Unter oberägyptischen Gottheiten abgebildet J é q u i e r , Le monument funéraire de Pepi II T. II Taf. 47. 2 Derartige Darstellungen von thebanischem Boden seit der 11. Dyn. bezeugt aus Hermonthis und El Tôd (Kairo Mus.) vgl. Fouilles de l'institut français XVII. Tôd (1934 à 1936). 3 S e t h e , Amun § 4. 4 S. o. S. 182. 303. 318. 326. unten S. 346f. 407. 421. 426f. 5 Heliopolis: Ivmw. Dendera: Iwn.t (fem.). Hermonthis: Iwnj (masc.). Esne: Iwnj.t (fem.). S e t h e Urgeschichte § 142/144.
7. Die thebanischen Vorstufen
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im Sinne seiner Idee von einem vorgeschichtlichen heliopolitanischen Einheitsreich gern die oberägyptischen Kultbestände auf eine Missionstätigkeit des Horusdienstes und auf Heliopolis zurückführte, sieht in der Namensähnlichkeit dieser Städte nicht die Folge, sondern die Ursache der Beziehungen zu Heliopolis. Das ist gewiß richtig. Jedenfalls erklärte sich Hermonthis amtlich als „das o b e r ä g y p t i s c h e H e l i o p o l i s " , um den Ruf der alten Sonnenstadt auszunutzen 1 . Das setzt voraus, daß man in Hermonthis den Gott als Month-Re gleich dem Rg-Harachte auffaßte, ähnlich wie dies auch Edfu mit seinem „Horas" tat. In der Tat wissen wir aus Quellen des NR, daß man damals den Hohenpriester des Month mit dem Titel des heliopolitanischen Oberpriesters „Größter der Schauenden (des R§-Atum in Theben o. ä.)" bezeichnete und das Heiligtum als „Fürstenhaus", ebenfalls wie in Heliopolis 2 . Wie alt diese unmittelbaren Entlehnungen sind, ist leider ungewiß. Derselbe Hohepriestertitel findet sich im NR auch bei dem Hohenpriester des Onuris von Thinis 3 . Mit der Entwicklung der Lehre von Thinis hatte Hermonthis das gemein, daß auf Month neben Re selbst die Gestalt des „Schu, des Sohnes des R e " stark einwirkte 4 . Neben Month standen in Hermonthis zwei Göttinnen, die ihn als Gastgottheiten auch in die übrigen thebanischen Heiligtümer begleiteten, und mit ihm eine ähnlich zusammengesetzte Triade bildeten, wie Sätet und Anuket mit Chnum von Elephantine 5 . Die eine hieß einfach „die Hermonthitische" (Iwnj.t) eine typische Stadtgöttin, die andere die „Erhabene" (Tnn.t). Wie Nechbet von El Kab tragen sie in den Darstellungen die Geierhaube der ägyptischen Königinnen und Göttinnen, die „Erhabene" eine besondere spiralartig eingedrehte Doppelfeder 1 Nach S e t h e , Amun § 5 bezeugt seit Thutmosis I. „infolge einer falschen Etymologie". Die Gegenüberstellung Month/Atum findet sich aber bereits in Tempelreliefs unter Amenemhet I. in Lischt (Totentempel) vgl. K e e s , Horus und Seth I S. 30f. 2 H.t ¿r hierzu K e e s , ÄZ 53 S. 81. A n t h e s , Ä Z 6 7 S . 2 f . , v g l . K e e s , Kulturgeschichte S. 254. 8 K e e s , ÄZ 53 S. 82; 73 S. 89. 4 Zu Month als Schu J u n k e r , Onurislegende S. 32. E. O t t o , Stierkulte S. 50. 5 S e t h e , Amun § 41.
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Viertes Kapitel.
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ähnlich wie der Anedjti von Busiris1. Beide galten wohl als Gemahlin des Month, und sie sind infolge der engen Verbindung mit Month als thebanische Verteter in die neue thebanische „Neunheit" von Karnak aufgenommen worden. In den meist recht jungen Quellen, aus denen wir etwas über sie erfahren2, erscheinen sie völlig synkretistisch als Hathor- oder Isisformen und Mütter des solaren Horuskindes3. Die Anlehnung an Heliopolis kommt darin zum Ausdruck, daß sich die ,,Erhabene ' auch „weibliche Sonne der beiden Länder" (ß'.t t\.wj) nennen läßt, an sich eine ungewöhnliche Bildung4. Auch sie bedeutete wie Isis beim Min-Kamutef in Koptos. Amaunet oder Mut beim Amun, Neith bei Chnum von Esne, zugleich Gattin des Month und Mutter der jungen Sonne (Horus)5, sowie die Mutter des Month, der auch das jugendliche Sonnenkind selbst war6. Die seltene Bildung „weibliche Sonne" zeigt den Einfluß des spekulativen Denkens mit kosmischen Personifikationen, wie sie die Systeme von Heliopolis und Hermopolis beherrschten; ihr Beiname „der beiden Länder" Sollte ihre Herrscherrolle als Sonnenauge über ganz Ägypten anmelden, ähnlich wie die Theologen des Horustempels von Edfu die beidseitig ausgebreiteten Schwingen der Sonnenscheibe des dortigen Himmelgottes auffaßten7. Hermonthis behauptete, wie Heliopolis, „der Horizont 1 S e t h e , Urgeschichte § 19. 33 hält dieses Zeichen für ihr eigentliches altes Idol, das später zum Attribut der Göttin wurde. 2 I m wesentlichen die heute verlorenen Reste des spätptol. Tempels in Hermonthis L D IV 60/65. Text I V S. l f . Ältere Reste aus neueren Grabungen in Hermonthis unpubl. 3 L D I I I 34a (Karnak, Thutmosis III.) ist die Tnn.t mit Month bei der Symbol. Krönung des Königs gepaart, parallel Nephthys und Seth. 4 Sie taucht in den fast durchwegs späten Überlieferungen über die Lehre von der Hathor von Dendera wieder auf. Zur B'.t t).wj-Hathor (von Dendera) als Uräus (Uto) und solares Himmelsauge s. den Ritualtext des N R M o r e t , Le rituel du culte divin journalier S. 234. 5 I m späten Hermonthis ist dies Götterkind „Horus, die Sonne" (Hr p-R') L D IV 60b vgl. S e t h e , Amun § 6. 196 „Als süßer Hauch des Nordwindes" . . . soll „Amun der Ältere" als eine Form des Montu ( § 6 ) auch zu der Göttin R\t-t\.wj kommen, wenn sie sich alljährlich in das Geburtshaus von Hermonthis begibt, u m dort mit einem Kinde des Gottes, dem kleinen Har-p-re' niederzukommen (LD IV 60b)". 6 Deshalb erscheint im Denderatempel „Isis-Iunit, die Große, die Gottesmutter in Koptos" als Form der Hathor B r u g s c h , Religion und Mythologie S. 316 (Hathorenliste). S e t h e , Arnim § 173. 7 S. u. S. 418f.
7. Die thebanischen Vorstufen
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(Heimat) des Re beim Urbeginn, das Quelloch des Nun des Alten, der Erdboden, der sich aus dem Nun erhöhte (Urhügel), das Ei, das im Anfang entstand, das Samenkorn der großen Seele" zu sein 1 . Auch einen S t i e r k u l t besaß Hermonthis, wie Heliopolis und Memphis. Die Spätzeit bezeichnete ihn als B u c h i s ; wir wissen nicht, was der Name bedeutet. Jedenfalls begleitete er, besonders eng mit dem Monthkult verbunden, diesen Gott auch in seine Ostufertempel von Medamüd und El Tod 2 . Im theologischen Aufbau der Götterlehre tritt der Stier ebensowenig hervor, wie etwa die lokalen Krokodilkulte, die besonders in der Gegend um Gebelen (Krokodilopolis bei Pathyris) verbreitet waren, und ihre Spuren auch in Hermonthis hinterlassen haben 3 . Um so größer war anscheinend die Bedeutung des Stieres im Kult, Dort gewann Buchis, ähnlich wie Apis in Memphis und Mnevis in Heliopolis, bis zur Spätzeit ständig an Ansehen und überflügelte als beliebter Orakelgott wenigstens im Volksglauben den Month. Als Beisasse des Month wurde auch der Stier in den kosmischen Kreis des Sonnengottes eingeschaltet 4 . Seine Mutter ist die Himmelsgöttin in Kuhgestalt, „die Re gebar" 5 , gleichbedeutend mit der hermonthitischen „weiblichen Sonne beider Länder". Wie E. O t t o gezeigt hat, erscheint der Stier im späten Synkretismus unter der heliopolifanischen Namensform „lebende Seele des Re ! f , und wenn er starb, geht „seine Seele zum Himmel des Re' f , wie einst der Osiris-König. Ich habe bei der kurzen Schilderung des gedanklichen Aufbaus des hermonthitischen Götterkreises absichtlich weit vorausgegriffen, um nicht Dinge, die zum Verständnis der Entwicklung auf thebanischem Boden notwendig sind, später wiederholen zu müssen. 1 S e t h e , Amun § 252 aus Medinet Habu vgl. Urk. IV 164 zum Urhügelanspruch von Hermonthis „das oberägyptische Heliopolis, sein lichtes Auge (Sonnenauge) in diesem Lande". „Samenkorn" als Name des Chonsheiligtums in Karnak s. u. S. 355. 2 Zur Lehre v o m Buchis s. E. O t t o , Stierkulte S. 49f. Zum Stier als Verkörperung der 4 männlichen Wesen der Achtheit im thebanischen Glauben S e t h e , Amun § 116. 173 und oben S. 136. 3 K e e s , Art. Suchos in Pauly-Wissowa R E Sp. 544. 557. 4 E. O t t o a. a. O. S. 50f. 5 Vgl. die Gestalt der Methyer in der Lehre von Hermopolis oben S. 310.
FÜNFTES KAPITEL
Theben 1. Der Aufbau des Amunsystems1 Die p o l i t i s c h e Z i e l s e t z u n g Der Name des Amun taucht, wie Sethe gezeigt hat, unter der 11. Dynastie in Theben auf und zwar kaum zufällig an dem Zeitpunkt, als die hermonthitische Dynastie unter König Anteil, den Sieg über die Herakleopoliten errungen hatte und der König Menthuhotep III. sich dann mit Recht „Vereiniger der beiden Länder" nennen konnte2. Die Aufgabe, einen neuen Staat anstelle der Feudalherrschaften und nicht ohne ihre Unterstützung aufzubauen, erforderte neben der äußeren Macht genau wie einst bei der ersten Reichsgründung und bei der Formung des AR den vollen Einsatz der religiösen Kräfte, die im Volksboden verankert lagen. Aber weder Re-Harachte noch Ptah konnten den neuen Staatsgedanken und das göttliche Königtum der Thebaner stützen, erst recht nicht Osiris, der Totenherrscher. An den Gräbern hochseliger Vorfahren konnte man kein neues Reichsheiligtum errichten, das die lebenden Geschlechter verpflichtete. So ging man einen typisch ägyptischen Weg, der in manchem an das Verfahren der Thiniten nach der Reichseinigung erinnert. Man band die bisher gegnerische Seite, indem man dortige Kultbestände an sich zog und zu Reichskulten erhob. Für die neue thebanische Lehre galt es die berühmten Systeme von Heliopolis und Memphis aufzufangen. Gewiß führten bereits aus Hermonthis ausbaufähige Verbindungen nach Heliopolis, aber der Weitblick der Thebaner zeigt sich darin, daß sie das neue Göttersystem nicht einfach an ihren Month von Hermonthis an1 Hierzu grundlegend S e t h e , Amun und die acht Urgötter von Hermopolis. Abh. Berl. Akad. 1929. Eine kurze Zusammenfassung K e e s , Kulturgeschichte S. 329f. 2 S e t h e , Amun § 9. 54. (Grabstein des Königs A n t e f l . sog. Hundestele Kairo 20512).
1. Der Aufbau des Amunsystems
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schlössen, sondern ihm eine neue Stätte auf dem thebanischen Ostufer schufen, den Reichstempel von K a r n a k , der den stolzen Namen „Zählerin der Stätten" d. h. ihr Sammelpunkt erhielt Dort lag wahrscheinlich schon ein Tempel des Month; aber völlig getrennt von ihm entstand der neue des Amun als des „Oberhauptes der Götter". Amun Amun ist uns als Glied der hermopolitanischen Achtheit, Amun — Amaunet, bekannt2. Theben entlieh also aus dem dortigen System ein Glied, und zwar nicht das bekannteste, etwa das Urgewässer Nun (und Naunet), das doch als „Vater der Götter" sowohl in der heliopolitanischen wie der memphitischen Theologie eine bedeutsame Stellung einnahm, sondern eigentlich das am seltensten genannte. Immerhin griff man bewußt etwas aus der religiösen Welt des ehemaligen Herakleopolitenreiches heraus. Amun sollte durchaus mit der Achtheit von Hermopolis verbunden bleiben, der man in Theben eine neue Heimat gab, aber zugleich löste man ihn aus dem alten Verband heraus, um ihn freier mit der heliopolitanischen und memphitischen Lehre verflechten zu können. Man erklärte den Amun als wesensgleich mit dem memphitischen Urgott Tatenen (älter Tnri) bzw. Ptah-Tatenen3. In seiner Gestalt soll er vor Weltbeginn die „Achtheit" erschaffen haben 4 : „Man nennt ihn auch Tenen, den Amun, der aus dem Nun hervorging, daß er die Menschen leite. Die Acht sind eine andere Gestalt von ihm, dem Erzeuger der Urzeitlichen, der den Re geboren werden ließ, daß er sich vollende als Atum, eines Körpers mit ihm." Gleichzeitig aber schloß man Amun eng mit dem heliopolitanischen Re-Harachte bzw. Re-Atum als Urgott und Himmelsherrn zusammen. Gerade diese Formung tritt im Kult von Karnak als „Amun-R§, der Götterkönig" (Amonrasonter) so ent1 ip.liSw.t zum Namen und seiner Bedeutung S e t h e , Amun § 16/20. 2 S. o. S. 220. 307. 3 Zu den Varianten hntj Tnn.t, 1*nn und T](nn a. S e t h e , Dramatische Texte S. 32f. und oben S. 286f. S e t h e hält Tatenen („das erhobene L a n d " ) für die älteste Form. 4 Aus einem Amonshymnenbuch (Leiden) G a r d i n e r , ÄZ 42 S. 33 = K e e s , Lesebuch S. 4 vgl. S e t h e , Amun § 79 und bes. § 108f.
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Fünftes Kapitel.
Theben
schieden hervor, daß die großen Amonslieder des N R wie Sonnenhymnen klingen. Man legte also genau wie in Hermonthis be sonderen Wert darauf, a l s e i n n e u e s H e l i o p o l i s z u ers c h e i n e n . Den Amun rief man mit den Worten a n 1 : „ 0 Re, der in Karnak angebetet wird, groß an Erscheinungen im Obeliskenhaus 2 , Heliopolitaner, Herr des Neumondtages, dem man (auch) den 6. und 7. Monatstag begeht, König und Herr aller Götter, Falke 3 , der im Lichtland wohnt ( = Harachte) und auch Oberhaupt der Menschen, der seinen Namen gegenüber seinen Kindern verbirgt in diesem seinem Namen: A m u n / ' Hier benutzte man geschickt die Tatsache als Verbindungsglied, daß der allgegenwärtige Himmelsgott gern mit anonymen Decknamen umschrieben wurde, ohne seinen wahren Namen zu enthüllen. Dabei bezeichnete man ihn seit alters häufig als „den mit verborgenem Namen" 4 , was man nun auf den Amun der hermopolitanischen Urgötterlehre bezog 5 . Wie Amun aber als Glied der Achtheit zugleich die übrige Achtheit nach Theben zog, so brachte die Gleichsetzung mit Re die gesamte Neunheit von Heliopolis nach Karnak. Die neue Neunheit des Karnaktempels „die große Neunheit, zu Gast in K a r n a k " , wie sie amtlich heißt, die für alle anderen thebanischen Tempel des Reichskultes maßgebend wurde, schloß also die ganze heliopolitanische Neunheit ein, aber Amun selbst blieb ihr fern. Vielmehr erscheint als ihr Spitzengott Month (-Re), das hermonthitisclie Abbild des Re 6 . Um den Vorrang des Amun als „urzeitlichsten der beiden Länder" 7 unverkennbar zu machen, ersann man eine neue Konstruktion. Man legte eine Schicht noch vor Amun, der in Gestalt des 1 Anfang des großen Amonshymnus des Pap. Bulak 17 (Kairo) = K e e s , Lesebuch S. 4f. 2 h.t bnbn Name des Allerheiligsten des Re-Heiligtums in Heliopolis s. o. S. 231. 3 gmhäw der bes. Name für alte Falkenidole (wie in Edfu) vgl. oben S. 40 Anm. 1. 4 imn m.f s. o. S. 171. vgl. S e t h e , Amun § 182. 5 „Man stürzt auf der Stelle in einem gewaltsamen Tod hin, wenn man seinen geheimen Namen anruft, den man nicht kennen darf. Es gibt keinen Gott, der ihn damit anruft, den Gewaltigen mit dem verborgenen Namen, so geheim ist er." Aus dem Leidener Amonshymnenbuch G a r d i n e r , ÄZ 42 S. 33 = K e e s , Lesebuch S. 4. 6 S e t h e , Amun § 41. 7 pl.wtj t\.wj vgl. S e t h e , Amun § 14.
1. Der Aufbau des Amunsystems
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Tatenen die Achtheit geschaffen hatte: diese allerälteste Göttergestalt der Vorwelt, in der das Wesen des Amun bereits wirksam war, sollte eine U r s c h l a n g e sein, deren Name der Antike als Kneph noch bekannt war 1 . An sich ist das ein Rückgriff auf altes naturmythisches Denken, wie wir es ähnlich auch in heliopolitanischen Mythen von Atum-Chepre antreffen 2 . Um alle diese Götterahnen an thebanische Kultstätten zu binden, erfand man die Legende, daß die Achtheit zwar in Theben entstanden sei, daß sie dann aber wie das Überschwemmungswasser nilab „nach ihrer Heimat, der Feuerinsel, geschwemmt wurde", also von Theben aus nach Hermopolis kam. Auch in Memphis und in Heliopolis sollte sie „ihre Zeit vollendet haben", nachdem sie dort als Tatenen (Ptah) den Atum geschaffen hatte 3 . Schließlich aber, und hier kommt das eigentliche Geheimnis, war sie nach Theben zurückgekehrt und fand „ihre Unterwelt" im westlichen Theben in Djeme, der thebanischen Totenstadt, wo sie im Tempel von Medinet Habu als Göttervorfahren eine Art Totenkult genoss4.. So konnte Theben von sich behaupten 6 : „Theben war eher vorhanden als jeder andere Ort. Wasser und Land waren in ihm am Uranfang". Als dann die Erde sich als Hügel erhob, erstanden auch die ersten Lebewesen, die alle anderen Orte besiedelten. Deshalb nennt man Theben einfach „die S t a d t " . Hier hatte man also im Gegensatz zur Feudalzeit, die die oberägyptischen Ortskulte als Kolonien aus Unterägypten, besonders aus Heliopolis, hinzustellen liebte, einen Götterumzug umgekehrter Richtung erfunden, der Theben unbedingt das Altersvorrecht sichern sollte. 1 Äg. km It.f „der seine Zeit vollendete" S e t h e , Amun § 38/40. Kvr\
eij.lL näv ro yeyovog xai ov xal ioö/ievov Plutarch de Iside 9. 3 I m Horustempel von Edfu werden an den Architraven des ersten Saales 362 Lokalformen der Hathor (in 12 Gruppen) aufgezählt! Edfou I I I S. 292f. vgl. topographische Opferlitaneien für Hathor von Dendera „in allen ihren Namen" D ü m i c h e n , Geogr. Inschr. I I Taf. 34/36 oder die Aufzählung der Hathorformen in allen 42 Gauen Ägyptens B r u g s c h , Dict. geogr. S. 1391/92 (Dendera). 4 J u n k e r , Wiener Ztschr. f. Kunde des Morgenlandes 26 S. 42f. zu Strabon X V I I 818. S p i e g e l b e r g , Arch. f. Pap. 8 S. 187f., vgl. K e e s , Art. Philai in Pauly-Wissowa R E Sp. 2111. 5 Zum Motiv der Herkunft aus dem Gottesland des Ostens s. oben S. 10. 183. 232f. unten S. 428 (Horus von Edfu). K e e s , Kultlegende und Urgeschichte. Gött. Nachr. Altertumswiss. I, 3 (1930) S. 353f.
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weit hinaus in das römische Reich1. Auch dabei war es, wie die griechischen Hymnen ganz im ägyptischen Sinn verkünden, die „vielgestaltige" (noXvftoQtpos) Gottheit mit ihren unzähligen Beinamen (fivQicövvfios), die ihren Zauber auf die Fremden ausübte2. Das ist im Grunde nichts anderes, als jener entwickelte Synkretismus, wie man ihn früher schon über das Wesen der Hathor von Dendera, der Mut in Theben oder der Neith von Sais lehrte3. Aber als besonderes Kennzeichen für ägyptisches Denken muß auch betont werden, daß auf Philae neben der Isis ein tierischer Kult, der eines „äthiopischen" F a l k e n , dessen Inthronisierung man auf Philae unter besonderen Zeremonien beging, bis ans Ende des Heidentums gepflegt wurde4. Theologisch wurde auch dieser Falkengott ähnlich wie der Bai des Osiris auf dem Abaton als eine „Seele des Re" erklärt, die als „göttlicher Falke" aus dem Gottesland des Ostens (Punt) gekommen sei5. Daneben galt er zwecks Verbindung mit dem Osiriskreis als Osirissohn Harendotes („Horus, der seinem Vater hilft").
4. Das Ende des Seth Gleichzeitig mit dem Aufschwung des Osiris verfiel S e t h der allgemeinen Verfemung. Durch Jahrhunderte hatte er seine Stellung als machtreicher und gefürchteter Gott behauptet, so 1 Hierzu R o e d e r , Art. Isis in Pauly-Wissowa RE. A. E r m a n , Religion der Ägypter S. 390f. 419f. Die Isis von Philae ist auch die Nachfolgerin des Chnum von Elephantine als Herrin des sog. Dodekaschoinos (Unternubien). 2 Vgl. die berühmte angebliche Inschrift des Isisbildes von Sais iyd> eij.lL näv ro yeyovog xai ov xal ioö/ievov Plutarch de Iside 9. 3 I m Horustempel von Edfu werden an den Architraven des ersten Saales 362 Lokalformen der Hathor (in 12 Gruppen) aufgezählt! Edfou I I I S. 292f. vgl. topographische Opferlitaneien für Hathor von Dendera „in allen ihren Namen" D ü m i c h e n , Geogr. Inschr. I I Taf. 34/36 oder die Aufzählung der Hathorformen in allen 42 Gauen Ägyptens B r u g s c h , Dict. geogr. S. 1391/92 (Dendera). 4 J u n k e r , Wiener Ztschr. f. Kunde des Morgenlandes 26 S. 42f. zu Strabon X V I I 818. S p i e g e l b e r g , Arch. f. Pap. 8 S. 187f., vgl. K e e s , Art. Philai in Pauly-Wissowa R E Sp. 2111. 5 Zum Motiv der Herkunft aus dem Gottesland des Ostens s. oben S. 10. 183. 232f. unten S. 428 (Horus von Edfu). K e e s , Kultlegende und Urgeschichte. Gött. Nachr. Altertumswiss. I, 3 (1930) S. 353f.
4. E n d e des Seth
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schwer auch die Vorwürfe waren, mit denen er seit der Zeit des Sieges des Horuskönigs und infolge seiner Einschaltung in die Osirissage in den Mythen überhäuft wurde. Die Ramessiden hatten ihn, der als Herr der libyschen Oasen und ihrer Zugangswege von alters her ein bevorzugter Auslandsgott gewesen war1, sogar wieder hochgeehrt und gleichsam zum Schutzgott des in Syrien siegreich kämpfenden Königtums gemacht. Nicht zufällig ist die Sagenfassung, daß in dem Erbstreit zwischen „den beiden Herren" Horus und Seth dem Seth als Entschädigung das Ausland überlassen wird, während Horus die Herrschaft über ganz Ägypten erhielt, seit dem NR nachweisbar2. In der Spätzeit bekam Seth aber die Folgen des politischen Rückschlages zu spüren. Wie einst in den Tagen der Hyksoskämpfe setzte die Amunlehre zum Stoß gegen den verhaßten Nebenbuhler in Tanis an, zugleich gegen die unheilvolle Asienpolitik. Seth wurde immer einseitiger zum Eindringling in Ägypten gestempelt, in seiner Gestalt versuchte man alles Fremdartige zu treffen. Einen endgültigen Erfolg erzielte der thebanische Gottesstaat noch nicht3, dazu saßen die alten Ortskulte in Oberägypten selbst zu fest, in Ombos, im 10. und 11. oberägyptischen Gau, in Oxyrynchos, besonders natürlich in der großen Oase4. Noch zur Zeit der Bubastiden, die offenbar als Libyer aller orthodoxen Überspannung abgeneigt waren, mußte Seth als Hausgott der Oase Dachle durch Orakel Streitigkeiten über Brunnen1 Art. Seth in Pauly-Wissowa R E Sp. 1905f. 2 K e e s , Horus und Seth I I S. 36f.; Kultlegende und Urgeschichte S. 356f. S Die auf L e p s i u s ' Beobachtungen über Austilgung der Sethfiguren in Theben beruhenden Angaben bei E r m a n , Religion der Ägypter S. 317f. sind danach zu berichtigen; vgl. auch die Nachweise in meinem Art. Seth Sp. 1919. 4 F ü r den Schlußbestand der Sethkulte sehr aufschlußreich die Aufzählung der Stätten, an denen nach der Verfluchung des Seth Trauer herrschen soll: ,,Sie sehen Seth, wie er hingestürzt ist, des L a n d e s beraubt a n a l l e n s e i n e n S t ä t t e n : S w (bei Herakleopolis) jammert, WnS (bei Oxyrynchos ?) ist in Trauer, Wehklage durchzieht den Gau von Oxyrynchos, die Oase Charge und Dachle r u f t wehe . . . HSb (11. unteräg. Gau) klagt, es hat keinen Herrn in seinem Bereich; Wld (10. oberäg. Gau) ist eine öde Stätte, Ombos ist niedergerissen." Urk. V I 15/17. Ähnlich die Aufzählung der Orte, in die d a s B l u t des Seth nach seiner Vernichtung fiel, im P a p . Salt 826 = K e e s , Lesebuch S. 34.
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rechte entscheiden1, ebenso blühte damals noch im Gebiet des Fürstentums Herakleopolis der alte Kult des Seth ,,H e r r n von Su (Sw)" weiter, trotz des Ärgernisses, das die benachbarten Osirisstätten daran nahmen2. Scheinbar verhalfen erst die traurigen Erfahrungen der Assyrer- und Perserherrschaft, also neue Bedrückung durch Asiaten, der von den Horus- und Osiriskulten ausgehenden Bewegung gegen Seth zum Sieg. Nun geschah etwas, was in der geschichtlichen Zeit Ägyptens einzig dasteht. Seth wurde zum allgemeinem Staatsfeind Ägyptens erklärt und bildhaft ins Fremdland hinausgestoßen, weil er von dort Unheil über Ägypten gebracht hätte. Jetzt ist er nicht mehr allein Mörder des Osiris und Gegenspieler des Horus, was ihn früher nicht hinderte, daneben der mächtige Helfer des Rê im Sonnenschiff zu sein, sondern „der G ö t t e r feind". N u n erst konnte auch jene polemische Tendenz in den Königstitel des „goldenen Horus" (Abb. 12) hineingelegt werden, die dem alten Staatsgedanken der Reichsgründung im Sinne eines Ausgleichs und einer Befriedung widerstreitender Kräfte so völlig widersprach, die Deutung als „Horus über dem (niedergeworfenen) Ombiten (Seth)"3, der Verkörperung aller Götterfeinde. Die Kultlegende von Edfu, die den siegreichen Kampf des Horus auf Geheiß des Rê gegen „Seth und seine Bande" durch ganz Ägypten schilderte, wurde kanonisiert. Schon Maspero hatte mit aller Deutlichkeit ausgesprochen, daß diese Legendensammlung „une version à tendances locales" sei, also nicht etwa Erinnerungen an vorgeschichtliche Stammeskämpfe weitertrage, weiter daß die Kampfplätze „forteresses théologiques" seien: „les chocs d'armées ont lieu partout où le dieu Sit possède des partisans et un sanctuaire"4. Mit der Geg1 Dachlestele, zuletzt bearbeitet von G a r d i n e r , JEA 19 S. 9f. 2 Ein „Priester des Seth, Herrn von éw" genannt auf einer Stele der 22. Dyn. aus Herakleopolis D a r e s s y , Bec. de trav. 31 S. 34; 35 S. 134. 3 Der Goldhorustitel wird in der Rosettana Urk. I I 170 (Gr. 2) mit àvxutdXwv thréçregoç übersetzt. Zu S e t h e s abweichender Auffassung s. o. S. 195 Anm. 2. Im Gegensatz zu Sethe spricht jetzt auch H. Müller, Die formale Entwicklung der Titulatur der ägyptischen Könige S. 56 aus, daß der Titel „erst von der spekulativen Theologie der Ptolemäer diese Deutung erfahren hat". 4 M a s p e r o , Les forgerons d'Horus et la légende de l'Horus d'Edfou, Étud. de Mythol. II bes. S. 328 und 326. Ich habe in meinem
4. Ende des Seth
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nerschaft zu Seth verquickte die Lehre von Edfu sehr wirksam einen allgemeinen Angriff auf die verhaßten Kulte der Krokodile und Nilpferde1. Einzelne besonders empfindliche Spitzen gegen Seth hatte die Kampfsage erst in der Perserzeit erhalten, so z. B. das Motiv, das nach der Edfumythe den Endkampf auslöst, daß Seth den Horus mit dem in der Perserzeit üblich gewordenen Fremdwort für „Soldat" (Matoi eigentl. „Meder") anredete, und ihn damit als Fremdling beleidigte2. Als Ganzes atmet die Horusmythe von Edfu bereits jene hartnäckige Unduldsamkeit gegen Nachbarkulte, die der Antike, besonders zur Römerzeit so kennzeichnend für das religiöse Empfinden des Landes erschien3. In der letzten Zeit des ägyptischen Nationalstaates taucht ein Ritualbuch mit V e r f l u c h u n g e n des S e t h auf, das nach seinem Einführungsvermerk nicht nur für den Gebrauch im Osiristempel von Abydos, sondern in allen Tempeln Ägyptens bestimmt war 4 : „Sie vertreiben dich, du Schlechtgesinnter, und werfen dich in deiner Schlechtigkeit ins Land der Asiaten. Ägypten, dem Horus ergeben, veranstaltet dein Gemetzel . . ., man übergibt dich der Fressenden (Uräusschlange des Königs)" B. Nach solchen Verfluchungen des Seth, dessen erneute Rückkehr nach Ägypten Raub und Zerstörung aller heiligen Stätten gebracht hätte, — man denkt unwillkürlich an die Assyrerzeit und die Taten des Kambyses —, klingt das Buch mit Schutzzaubern für Ägypten und den Sieg des Königs über seine Feinde aus 6. Unter der im Bild des Seth verfluchten Fremdherrschaft mußte jeder Ägypter die Unterdrückung, die mit den Hyksos, den Assyrern und Persern aus Asien gekommen war, verstehen. Die Ptolemäerkönige werden es nicht versäumt haben, diese Aufsatz „Kultlegende und Urgeschichte" (S. 345f.) versucht, die wachsende Neigung der Forschung, im Horusmythus wirkliche Urgeschichte zu finden, und ihre Gründe aufzuzeigen. Vgl. auch S. 212f. 418f. 1 S. o. S. 14. 133. 183; weiteres unten S. 426. 2 Vgl. meinen genannten Aufsatz S. 346f. 8 S. u. S. 445f. 4 Herausgegeben und übersetzt v o n S. S c h o t t , Urk. VI. Der Anfangsvermerk, „ebenso in allen (anderen) Tempeln" fehlt in der aus der 30. D y n . stammenden Fassung des Pap. Brit. Mus. 10262 und tritt esst in dem ptol. Pap. Louvre 3129 hinzu. 5 Urk. VI 12/13. 6 Urk. VI 34. 40f.
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Stimmung des ägyptischen Nationalismus gegen ihre politischen Gegner in Asien, die Seleukiden, auszunutzen, allerdings nur mit teilweisem Erfolg. Ganz tot war Seth trotz allem nicht ; das ist bezeichnend für die Festigkeit altererbter Kulte. Er mußte aber seine verhaßte Tiergestalt aufgeben und sich mit zeitgemäßen Formen tarnen. Der Name des Gottes „Seth" dagegen hielt sich vielfach und erscheint sogar in Götterverzeichnissen sethfeindlicher Tempel wie z. B. im Horustempel von Edfu 1 . Eine Darstellung in Hibis, dem Hauptort der Oase Charge, aus der Perserzeit zeigt den „Seth" als falkengestaltigen Kämpfer gegen den Schlangenfeind des Rè2 ! Es ist fast, als lebten alte Zeiten wieder auf, wo man unter den Thiniten auch schon einmal einen „Herrn von Libyen" wechselnd in Horusgestalt falkenköpfig, oder in Sethgestalt bildete3. Der ägyptische Glaube an die Wandelbarkeit der Gestalt der großen Götter feiert neue Erfolge. Dies Schicksal des Seth gewährt uns Einblick in eine neue Seite des spätägyptischen Empfindens, die uns bei der Beurteilung der letzten Entwicklung der Tierkulte aufschlußreich sein wird, eine Neigung zum engen Fanatismus. Im älteren Ägypten kam sie wenigstens in der offiziellen Lehre nicht zu Worte. Hier brechen mit dem Wegfall des einigenden Bandes des nationalen Gottkönigtums urzeitliche Anlagen wieder hervor, die viele Jährhunderte erfolgreich zurückgedämmt waren.
5. Götterlehren aus späten Tempeln Die Tempelbauten des ptolemäischen und römischen Ägyptens unterscheiden sich bereits äußerlich kennbar von allen älteren durch die massenhaften Inschriften, mit denen sie jeden Besucher überschütten. Die früheren Tempel waren in den Beischriften zu den Bildern je älter um so wortkarger. Was man 1 Nachweise in meinem Art. Seth Sp. 1920f. vgl. Edfou I I S. 62 (Sethkultorte). 2 Bullet. Metropol. Mus. of Art, New York. Febr. 1928 Part I I fig. 15. Zum Sethkult in den Oasen auch S t e i n d o r f f , ÄZ 69 S. 22. 3 K e e s , Horus und Seth I I S. 18/19: auch der Falkengott des 10. oberägyptischen Gaues als „Herr des Ostens" im MR in Sethgestalt I Zum Seth im 10. oberägyptischen Gau vgl. Pap. Chester Beatty I X ed. Gardiner Vol. I S. 108/109 „Seth, der im (Gau) W\d ist" (Vs. B. 9, 1) und Urk. VI 17, 1 (wo S. S c h o t t eine Verderbnis aus „Hypsele" annehmen möchte), s. o. S. 411 Anm. 4.
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Stimmung des ägyptischen Nationalismus gegen ihre politischen Gegner in Asien, die Seleukiden, auszunutzen, allerdings nur mit teilweisem Erfolg. Ganz tot war Seth trotz allem nicht ; das ist bezeichnend für die Festigkeit altererbter Kulte. Er mußte aber seine verhaßte Tiergestalt aufgeben und sich mit zeitgemäßen Formen tarnen. Der Name des Gottes „Seth" dagegen hielt sich vielfach und erscheint sogar in Götterverzeichnissen sethfeindlicher Tempel wie z. B. im Horustempel von Edfu 1 . Eine Darstellung in Hibis, dem Hauptort der Oase Charge, aus der Perserzeit zeigt den „Seth" als falkengestaltigen Kämpfer gegen den Schlangenfeind des Rè2 ! Es ist fast, als lebten alte Zeiten wieder auf, wo man unter den Thiniten auch schon einmal einen „Herrn von Libyen" wechselnd in Horusgestalt falkenköpfig, oder in Sethgestalt bildete3. Der ägyptische Glaube an die Wandelbarkeit der Gestalt der großen Götter feiert neue Erfolge. Dies Schicksal des Seth gewährt uns Einblick in eine neue Seite des spätägyptischen Empfindens, die uns bei der Beurteilung der letzten Entwicklung der Tierkulte aufschlußreich sein wird, eine Neigung zum engen Fanatismus. Im älteren Ägypten kam sie wenigstens in der offiziellen Lehre nicht zu Worte. Hier brechen mit dem Wegfall des einigenden Bandes des nationalen Gottkönigtums urzeitliche Anlagen wieder hervor, die viele Jährhunderte erfolgreich zurückgedämmt waren.
5. Götterlehren aus späten Tempeln Die Tempelbauten des ptolemäischen und römischen Ägyptens unterscheiden sich bereits äußerlich kennbar von allen älteren durch die massenhaften Inschriften, mit denen sie jeden Besucher überschütten. Die früheren Tempel waren in den Beischriften zu den Bildern je älter um so wortkarger. Was man 1 Nachweise in meinem Art. Seth Sp. 1920f. vgl. Edfou I I S. 62 (Sethkultorte). 2 Bullet. Metropol. Mus. of Art, New York. Febr. 1928 Part I I fig. 15. Zum Sethkult in den Oasen auch S t e i n d o r f f , ÄZ 69 S. 22. 3 K e e s , Horus und Seth I I S. 18/19: auch der Falkengott des 10. oberägyptischen Gaues als „Herr des Ostens" im MR in Sethgestalt I Zum Seth im 10. oberägyptischen Gau vgl. Pap. Chester Beatty I X ed. Gardiner Vol. I S. 108/109 „Seth, der im (Gau) W\d ist" (Vs. B. 9, 1) und Urk. VI 17, 1 (wo S. S c h o t t eine Verderbnis aus „Hypsele" annehmen möchte), s. o. S. 411 Anm. 4.
5. Götterlehren aus späten Tempeln
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über die Gottheit lehrte, das verwahrte man streng gehütet vor den Blicken des Uneingeweihten in den Schriften der Tempelbibliothek. Die S p ä t z e i t aber w i r d redselig. Nicht daß man damit rechnete, daß das früher so geheim gehaltene Wissen vom Wesen der Götter nun vor aller Augen ausgebreitet würde 1 . Im Gegenteil, viele Inschriften verwenden absichtlich die sog. änigmatische Schrift, die selbst ein Schriftkundiger nicht ohne weiteres verstehen konnte. Zudem standen viele Texte, die heilige Mysterien erklärten, so z. B. die Inschriften mit dem Ritual der Choiakfeste des Osiris im Tempel von Dendera, in Räumen aufgezeichnet, die nur ein geweihter Priester betreten durfte. Der Grund ist wohl mehr psychologischer Art, vergleichbar dem, der bei Beginn der 6. Dynastie die memphitischen Könige veranlaßte, die königlichen Totentexte in den unterirdischen Grabkammern der Pyramide aufschreiben zu lassen, und ähnlichen Erscheinungen bei der Totenliteratur der Privatleute (Sargtexte) 2 . Damals wollte man dem Toten eine Selbsthilfe im Jenseitsleben sichern aus einem gewissen M i ß t r a u e n gegen die vergänglichen Ritualbücher in der Bibliothek und die Unzuverlässigkeit der mit dem ewigen Totendienst beauftragten Menschen im besonderen. Auch das späte Ägypten scheint von dieser Angst des Vergessens erfaßt, man begann das alte Gut planmäßig zu sammeln, schreibt alte Schriften lieber in Stein auf. Ansätze dazu beginnen bereits in der Ramessidenzeit. Ramses IV. veröffentlichte auf einem Denkstein, was er an geheimen Offenbarungen über Gestalt und Wesen des Osiris aus einer Schrift der Tempelbibliothek von Abydos erfahren hatte 3 . Der Äthiopenkönig Schabako ließ 1 Eine gewisse Sonderstellung nimmt hierbei die wohl absichtlich auf den Außenwänden des Edfutempels aufgezeichnete und mit Bildern verzierte Mythe von den Siegestaten des Horus von Edfu ein. An diesem Platz, den im NR mit Vorliebe historische Darstellungen (Schlachtenbilder) einnehmen, sollte das Ganze zugleich als Schutz gegen alle Feinde wirken, ähnlich wie das Kolossalbild des alle Feinde niederschlagenden Königs an der Vorderseite des Pylons. Hierüber bestanden bestimmte Vorschriften vgl. D ü m i c h e n , Baugeschichte des Denderatempels S. 12. 2 Hierzu S e t h e , Die Totenliteratur der alten Ägypter, die Geschichte einer Sitte. Sb. Berl. Akad. 1931 S. 620f. 8 Die Stele M a r i e t t e , Abydos II 54/55 (Kairo). Übersetzung von Teilen K e e s , Lesebuch S. 16f. 42.
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jene alte Schrift aus dem frühen AR über die Lehre von Memphis ebenfalls auf eine Stele aufzeichnen, zum Glück für uns! Allerdings benutzten die Priester solche Verkündigungen als Schutzwaffe für die alten Privilegien ihrer Tempel. Seit Echnaton hatten Zeiten der Kriegsnot oder Fremdherrschaft allzuoft Eingriffe in das exemte Tempelgut gebracht1. Da mußte man die Flucht in die Öffentlichkeit antreten; dem Fremden gegenüber prahlte man sogar bewußt mit der uralten Weisheit der ägyptischen Götter. Im Kampf um Ansehen und Wohlstand fälschte man wohl auch alte Schutzerlasse oder erfand fromme Geschichten von der Hilfe der Götter für Stiftungen an die Tempel. So beriefen sich die Chnumpriester auf Elephantine in der Ptolemäerzeit zur Verteidigung ihrer Besitzrechte auf das „Zwölfmeilenland" in Unternubien gegenüber den jungen Ansprüchen des Isistempels von Philae auf einen Erlaß des alten Königs Djoser und eine Weissagung des göttlichen Jmhotep (sog. Hungersnotstele)2. In den meisten Fällen kann man dabei feststellen, daß das geschichtliche Recht auf seiten der „Fälscher" stand, daß aber wahrscheinlich die alten Urkunden verloren gegangen waren, und man die Gelegenheit benutzte, als Ersatz eine legendenhaft auf den Zeitgeschmack zugeschnittene Geschichte an Stelle eines trockenen juristischen Dokumentes zu setzen3. An geschichtlichen Zeitwenden beginnen die Völker mit Vorliebe Sammelwerke anzulegen. Die Sorge um den Verlust ererbten Gutes überwiegt das schöpferische Gestalten. So ist in Ägypten die schaffensfreudigste Periode auch im Geistigen, das Alte Reich, die schreibkargste Zeit gewesen. Erst die Epigonen begannen seine geistige Hinterlassenschaft zusammenzustellen und festzulegen. Auch die späten Tempel wollen durch die Masse 1 Kees, Kulturgeschichte S. 257f. 2 Ein anderes berühmtes Beispiel ist die Stele über die Heilung der Prinzessin Bentresch durch Chons-Neferhotep (angeblich aus der Zeit Ramses' II.) Übersetzung bei R o e d e r , Urk. zur Religion des alten Ägypten S. 169f. 3 So war wohl, wie bereits Sethe, Dodekaschoinos (Unters. II, 3) S. 26f unter Hinweis auf ramessidische Dekretreste ( G r i f f i t h , JEA 13 S. 207f.) betonte, die Lage bez. der sog. Hungersnotstele auf Sehel. Das früher ebenfalls als Fälschung geltende Stiftvingsdekret für den Totentempel des Amenophis, Sohn des Hapu, hat sich als eine spätere hieratische Kopie einer echten Urkunde erwiesen, vgl. A. V a r i l l e , Le temple du scribe royal Amenhotep, fils de Hapou I S. 16f. Zur Sache auch K e e s , Kulturgeschichte S. 259.
5. Götterlehren aus späten Tempeln
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ihres Wissens wirken. Diese Aufzeichnungen über das Ritual, die Festordnungen, die Götter selbst erfolgten in gelehrter Art. Man bevorzugte eine künstliche Orthographie mit ungewöhnlichen Zeichen und Lesungen, die sich in den einzelnen Tempeln zu eigenen Schriftsystemen auswuchs. Überdies befleißigten sich die späten Theologen einer zunehmend verschlüsselten m y t h i s c h e n S p r a c h e , bei der Worte mit möglichst vielfältigen Anspielungen und inneren Deutungsmöglichkeiten gewählt werden. Nur dem mit Mythen und Symbolistik des Synkretismus Vertrauten waren solche Texte verständlich, infolge ihrer schillernden Vieldeutigkeit trotzen sie aber eigentlich jeder Übersetzung. Überladen mit allegorischen Wendungen, dazu in einer Kunstsprache mit vielen altertümlichen Wendungen abgefaßt, waren ihre Worte dem damaligen Volk völlig dunkel. Priesterlehre und religiöses Glaubensleben des Volkes haben sich weit getrennt. Schon die ältere theologische Systematik wurde von dem Wunsch geleitet, den Ortsgott und seinen Götterkreis möglichst umfassend auszugestalten. In dieser Beziehung war man im alten Heliopolis, in Memphis oder dann in Theben gewiß nicht zurückhaltend gewesen, aber was man in die Tempel des ausgehenden Ägyptertums hineinhäufte, übersteigt alles bisherige. Provinzgötter, wie der Horus von Edfu oder Suchos, luden alle G o t t h e i t e n des L a n d e s samt ihren Mythenkreisen zu Gast in ihren Tempel, dessen Wände wie ein Zentralarchiv der Lehre vom Kosmos wirken. Diese geistige Welt bildete die Grundlage für H. B r u g s c h s Darstellung der ägyptischen Religion und Mythologie. Es ist verständlich, daß der neuzeitliche Leser in der Anhäufung scheinbar widersprechendster Deutungen und Namen den Faden verlor, und ihm nur ein achtungsvoller Schauder vor der Abgründigkeit und Fremdheit dieses Wissens blieb. Der Antike ist es bei ihren unzulänglichen Bemühungen um Verständnis der ägyptischen Religion nicht anders ergangen. Wenn wir demgegenüber versuchen, aus der Masse der Einzelheiten Gedanken und Verbindungslinien herauszuholen, die in der Geschichte der ägyptischen Gottesauffassung sich als w e s e n t l i c h und aufschlußreich für ägyptisches Denken erweisen, so ist diese Aufgabe nicht ganz leicht. Daß unter den gewählten Beispielen die oberägyptischen Kulte vorherrschen, ist wesentlich durch den Zufall der Erhaltung bedingt. Der Fülle der Texte in den Tempeln von K e e a, Qöttorglaube
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Die Epigonen
Edfu, Kom Ombo, Dendera und Philae hat Unterägypten nichts Entsprechendes an die Seite zu stellen. Der H o r u s t e m p e l von E d f u Um die anspruchsvolle Haltung des Falkengottes der „Thronstätte" (Bhd.t) in Edfu richtig zu verstehen, müssen wir uns erinnern, daß dieser sich bereits in der ersten Königszeit eine Vorzugsstellung verschafft hatte 1 , so daß sein Bild, der schwebende Falke, neben dem „weißen" Geierweibchen von El Kab (Nechbet) als bevorzugter Schutzgott des Königs galt (Taf. V, c) 2 . Von dieser Zeit an, wie sein Nachbar der Falke von Nechen, allgemein „ H o r u s " genannt, fand er besonders auf dem Wege über das ihm zugeordnete kosmische Symbol, die g e f l ü g e l t e S o n n e n s c h e i b e , die in der Zeit des memphitischen Königtums des AR so naheliegende Verbindung mit der heliopolitanischen „Horusform", dem Re-Harachte, auf die im System von Edfu fortan großer Wert gelegt wurde. Die geflügelte Scheibe (Abb. 14) heißt „der von Edfu (Bhd.t), der große Gott, der buntfiedrige, der aus dem Lichtland hervorgeht, der Herr des Himmels" 3 .
Dieser Horus konnte schon frühzeitig, ganz im Sinne des ägyptischen Königsgedankens, a u s d e m D e l t a von dortigen artverwandten Falkenkulten allerlei Mythenmotive und Eigen1 S. o. S. 197f. 2 Der schwebende Falke, aber ohne Beischrift, bereits auf den Reliefs des Djoser in Sakkara. Mit Bezeichnung Bhd.t wohl zuerst unter Cheops in Hatnub M ö l l e r , Sb. Berl. Akad. 1908 S. 681 Abb. 1 = A n t h e s , Hatnub Taf. 4 Insehr. 1. Cheops trägt sogar für seine Zeit bezeichnend die unterägyptische Krone (heliopolitanische Zeit!). 3 Das ganz heliopolitanische Beiwort „der aus dem Lichtland hervorgeht" (pr m Ifc.t) kenne ich als Beischrift zur geflügelten Sonnenscheibe erst seit Sesostris I. (Karnak). E s fehlt jedenfalls in den mir bekannten Beispielen aus der 11. Dynastie in Abydos P e t r i e , Abydos I I 23/25 (Menthuhotep III./V.) und aus El T6d (Menthuhotep III.). Aus dem AR ist es nur durch eine leichtfertige Bemerkung von B o r c h a r d t , Neuserrß S. 96 zu Abb. 76 bezeugt.
5. Götterlehren aus späten Tempeln
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heiten an sich ziehen, die sein Ansehen vermehren und seine Universalität als Reichsgott erweisen sollten. Als „Herr der Harpunier(stätte)"1 benutzt er Sagen vom königlichen Jägerheros, der das Nilpferd mit der Harpune erlegt, wie sie im Delta, anscheinend besonders im Umkreis der saitischen Neith zu Hause waren2. Auch sonst verrät der Horus von Edfu eine starke Neigung zur Aufnahme von Beinamen falkengestaltiger Ortsgötter und drängt zur Gleichsetzung mit ihnen3. Das Ziel dieser bewußten Ausbreitung seines Bereiches verkörpert sich sinnfällig in der Verwendungsart und den Beischriften zu seinem Abbild als geflügelte Sonnenscheibe. Dieses Symbol, das seine beiden Flügel wie ein Himmelsdach über „beide Länder" spannt (vgl. Abb. 4), erwies sich als besonders geeignet, eine Art R e i c h s s y m b o l des Königtums des vereinigten Ägyptens zu werden4. Mit dieser Schöpfung hat die Lehre von Edfu wirklich auch dem benachbarten Königsgott von Nechen den Rang abgelaufen! Unter dem Bild der geflügelten Sonnenscheibe galt Horus von Edfu in seinen beiden Hälften als der „an der Spitze des oberägyptischen Reichsheiligtums (itr.t)" bzw. „des unterägyptischen Reichsheiligtums"5. Als Schutzgott beider Reichshälften benutzt Horus von Edfu die für das Königtum geschaffene Symbolik. Gerade im AR führt er die königlichen Beinamen „der gute Gott, Herr der beiden Länder", gibt sich also als I n k o r p o r a t i o n des Horuekönigs 8 . Wie dem Re-Harachte in den heliopolitanischen Augensagen steht ihm daher, das zeigen ebenfalls be1 „Bhd.t, der große Gott, der buntfiedrige, Herr von Min" bereits aus der 6. Dyn. F i r t h - G u n n , Teti pyramid oemeteries I S. 91, dann seit 11. Dyn. mehrfach belegt s. o. S. 213 Anm. 1. 2 S. o. S. 6. 212. 3 Beispiele der Gleichsetzimg mit dem Falkengott von Hbnw (16. oberägypt. Gau), aber auch von Verbindungen mit unterägyptischen Ost-Orten wie dem Bezirk 'Ajan und Sile (seit N R ) bei K e e s , Horus und Seth I S. 16f. 4 S e t h e , Urgeschichte § 156 „sie ist ganz offenbar für das aus der Vereinigling der beiden Länder Ober- und Unterägypten hervorgegangene Einheitsreich als eine Art Wappen geschaffen, indem die beiden Flügel ebenso auf diese beiden Bestandteile des Reiches Bezug nehmen, wie die beiden Köpfe des alten „Doppeladlers" der deutschrömischen Kaiser auf das Ost- und Weströmische Reich". 5 K e e s , Horus und Seth I S. 10f. 6 S e t h e , Urgeschichte § 157 vgl. G a r d i n e r - P e e t , Inscriptions of Sinai I Taf. 6 (Neuserre 5. Dyn.) vgl. Taf. 8 (6. Dyn.). 21*
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reits Darstellungen des AB, der doppelte Königsuräus als dem „Herrn beider Länder" (Abb. 14) zu 1 . Die Tempellehre von Edfu, die nach Vorlagen der Bamessidenzeit am ptolemäischen Tempel aufgezeichnet ist, erklärt die Doppelseitigkeit folgendermaßen 2 : Die bessere „rechte Seite" des Symbols „das ist Horas von Edfu, der die Nechbet als Uräusschlange zu sich genommen hat", die „linke Seite" aber „da« ist Horas von Edfu, der die Uto als Schlange zu sich genommen hat". Der geschichtliche Vorrang von Oberägypten ist also dabei genau wie in der Königstitulatur gewahrt. F o l g e r i c h t i g n e h m e n d a h e r alle a l t e n K ö n i g s r i t u a l e den „ H o r u s v o n E d f u " n e b e n d e m S e t h v o n O m b o s als b e v o r z u g t e n V e r t r e t e r d e r o b e r ä g y p t i s c h e n G ö t t e r in A n s p r u c h 3 . Wenn man dann in einer in Ägypten üblichen Weise die feste Paarung Horas/Seth in heraldisch-symbolischen Darstellungen als Vertreter der beiden Landeshälften benutzte und dabei nachweisbar seit dem MB, zunächst aus Bücksicht auf Seth von Ombos, den „Horas von E d f u " als Vertreter für U n t e r ä g y p t e n einstellte, so i s t d i e s e n e u e F e s t l e g u n g u n g e s c h i c h t l i c h 4 und nicht anders zu bewerten wie die gleiche Symbolik ausgedrückt durch das ebenfalls rein oberägyptische Paar M o n t h - A m u n 5 , oder die umgekehrte ebenso einseitige Lösung, die dann die Bamessidenzeit beliebt, den „Horus von E d f u " zwar wieder im alten Sinne als Vertreter von Oberägypten zu verwenden, dafür aber den „Seth von Ombos" (!) zum Vertreter von Unterägyten, offenbar Tanis zuliebe, zu machen 6 ! Zeitgemäß „beweisbar" war dem Theologen aus der universalen Natur des Horus von Edfu jede gewählte Lösung. Aber das Wesentliche bleibt die Hervorhebung des allumfassenden Machtbereiches, genau wie beim geschichtlichen Königtum. Die geflügelte 1 B o r c h a r d t , Sahure I I Taf. 9; Neuserre S. 96 (beides 6. Dyn.). 2 N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 19, 2—3 = Edfou VI S. 129/130 vgl. Edfou I S. 308/9, wo Nechbet als Kronengöttin „das rechte (Auge) des R6", Uto als Uräus „das linke (Auge) des Atum" genannt wird. 8 S. o. S. 177. 197 f. 4: K e e s , Horus und Seth I S. 8f. (nachweisbar seit Sesostris I.); zu dieser Systematik oben S. 177. 5 ÄZ 71 S. 152f. als Variante zu Month-Atum; Zu letzterer Paarung K e e s , Horus und Seth I S. 30f. 6 K e e s a. a. O. I S. 14.
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Sonnenscheibe ist 1 „der heilige Apikäfer, in dessen Schatten (Schutz) die weite Erde ist, der Herrscher der beiden Länder, unter dessen Flügeln der Umkreis des Himmels ist, der Falke (gmhäw), der mit seinen beiden Augen strahlt". Mitunter weist man noch deutlicher auf die Königsparallele als Reichseiniger2: runter dessen Flügeln der Umkreis des Himmels ist, die b e i d e n H ä l f t e n v e r e i n i g e n d , die g e t r e n n t w a r e n " . Darum benutzt man bei der Feier des großen Stadtfestes von Edfu im Monat Epiphi die Königssymbolik: Es findet eine förmliche Krönung des Gottes mit anschließender Herrschaftsverkündigung als „Sohn des R e " durch vier Götterboten, die Horuskinder, nach den vier Himmelsrichtungen statt, genau wie wir es aus dem thinitischen Königsritual kennen3. Natürlich soll nach der Lehre Horns von Efdu dem ReHarachte von Heliopolis wesensgleich sein. Man nannte deshalb Edfu sogar den „Gau des Re am Urbeginn, als er die Kinder der Empörer niederwarf" 4 . Dort wurde „ R e erhoben in seiner Gestalt des heiligen Falken" 8 ; oder man bezeichnet Edfu dem beliebten Dualitätsgedanken zuliebe als „Heiligtum der beiden Falken, nämlich RS (als Hafachte) und Horns" 6 . Die Tempellehre von Edfu erzählte über die Einführung des Symbols der doppeltgeflügelten Sonnenscheibe folgende Legende 7 : Nach der Vernichtung der Götterfeinde an allen Orten8, die Re seinem Ebenbild und Erben Horus von Edfu übertrug9, befahl der Götterherr Rß-Harachte dem Thot: „Mache diese Flügelsonne an jedem Platze, wo ich mich niedergelassen habe, auch an den 1 C h a s s i n a t , Mammisi d'Edfou S. 158; ähnliche Texte aus Edfu bei J u n k e r , Giza I I S. 49f. 2 Edfou I S. 450. 3 B r u g s c h , Drei Festkalender (Edfu) unter Nr. I I I . Eine anschauliche Schilderung E r m a n , Religion der Ägypter S. 375f. Zur vierfachen Herrschaftsverkündigung K e e s , Horus und Seth I S. 35f. 4 Edfou I I S. 11: Anspielung auf die Sage von der Vernichtung des „ersten Geschlechtes" auf Befehl des B6. 5 Edfou I S. 283. 6 J u n k e r , Onurislegende S. 23. Dort auch über die Angleichung des Horus von Edfu an die Bolle des Schu als „Sohn des Bö". 7 N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 19 Z. 1/2 = Edfou V I S. 129. 8 Dasselbe beliebte Motiv taucht auch in Kom Ombo auf s. u. S. 432f. 9 Hierin setzen sich die Lokalmythen ab, weil natürlich jedes System seinem Hausgott den Hauptänteil zuerkennt. Für die verbreitete Sagenfassung der Vernichtung durch Sachmet als „Auge des B ß " s. o. S. 8.
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Plätzen der Götter in Oberägypten und den Plätzen der Götter in Unterägypten . . . Da machte Thot dieses Bild an jedem Gottessitz an jedem Ort, wo sie gewesen waren, und wo Götter und Göttinnen sind bis zum heutigen Tage". Die Flügelsonne war also ein Schutz- und Siegeszeichen des solaren Horusgedankens geworden, gleich bedeutungsvoll für König und Gott. Die Denkmäler beweisen, daß die Priester von Edfu nichts Falsches behaupteten. Die älteste Form dieses Symbols geht bis in die Thinitenzeit zurück (Abb. 4), ob schon als geflügelte Sonne aufgefaßt oder nur als Flügelpaar, das als Bild des Himmels die Welt überdeckt, ist umstritten1. Auf alle Fälle zeigt aber die gerade in Edfu auftretende Variante des emporschwebenden Käfers (Api) an Stelle der Sonnenscheibe, daß das Wesentliche die beiden ausgespannten Flügel, weniger die Gestalt ihres Trägers, waren2. Schon bei der Behandlung der heliopolitanischen Lehre konnten wir beobachten, daß trotz der allgemeinen Bevorzugung einer Zweiteilung in eine Süd- und Nordhälfte in Analogie zu dem geschichtlichen Werden der „beiden Länder" gerade H e l i o p o l i s mit Rücksicht auf seine Lage als Oststadt gern die Teilung nach der zweiten Weltachse Osten/Westen in die religiöse Symbolik hineinspielte, was die Westuferstadt Letopolis in ihrem Sinne bereitwillig aufgriff3. Die beiden alten Gegensätze des heliopolitanischen Göttersystems, der chthonische Atum und der solare Re-Harachte erhielten damit eine Sonderabstimmung als Vertreter des Westlandes (Atum) und des morgendlichen Ostens (Harachte). Im Gefolge von Letopolis bemächtigten sich dann, offenbar in der Feudalzeit, o b e r ä g y p t i s c h e W e s t u f e r s t ä d t e der Deutung des Atum als Sonne am Abend, so Herakleopolis und anscheinend auch Edfu 4 . Deshalb tritt Atum, als Abendsonne aufgefaßt, in Edfu besonders in dem „Thron des Re" genannten Raum auf. Der Himmelsgott sollte sich am Abend auf den Tempel von Edfu herabsenken, „um darin zu schlafen bis zum Morgen"5. Das paßt natürlich besser zur West1 Darstellung auf einem Elfenbeinkamm mit Namen des Königs Djet-Athothis s. o. S. 43. 2 Vgl. hierzu oben S. 61. 3 S. o. S. 264f. 4 S. o. S. 255. 322. 5 Edfou I S. 35 vgl. S e t h e , Urgeschichte § 159.
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Jage des Heiligtums, als der ganz heliopolitanische Beiname „der a u s d e m L i c h t l a n d hervorgeht", den die Flügelsonne von Re-Harachte geerbt hatte 1 . Aber die Leute von Edfu müßten keine echten Ägypter sein, wenn sie nicht auch bei den solaren Zügen das Wesen des universalen Himmelsgottes herausgearbeitet hätten: „Horus von Edfu geht auf und geht unter, R6 nennt man S. M. wenn er im Osten aufgeht, A t u m , wenn er im Westen zur Ruhe geht 2 ". So wie man den Tageslauf der Sonne spekulativ unter drei alte Wesen des heliopolitanischen Systems aufgeteilt hatte „Chepre am Morgen, RS am Mittag, Atum am Abend" 8 , nannte man den Horus von Edfu als Sonne 4 „den Alten als Kind, Greis, der (wieder) zum Knaben wird, der in den Mund (der Nut am Abend) eintritt, und herausgeht zwischen ihren Schenkeln (am Morgen), A t u m , der Ehrwürdige in Edfu" (vgl. Taf. III, b). Aber mit dieser solaren Besitznahme der östlichen und westlichen Weltgegenden durch Horus von Edfu gab man sich nicht zufrieden. Sie sollte durch möglichst vielseitige Deutungen gestützt werden. Deshalb bedeutete nach der Lehre von Edfu die doppeltgeflügelte Sonnenscheibe zugleich 5 „den M o r g e n s t e r n im Osten des Himmels", der ja auch im alten Heliopolis nach Andeutungen der Pyramidentexte als „morgendlicher Gott" eine Rolle spielte 6 : er ist, „der die beiden Länder mit den Strahlen seiner beiden Augen (!) erleuchtet", also wieder universal aufgefaßt; daneben ist Horus von Edfu der Stern „im Westen von Punt, d e r a m A b e n d e r s c h e i n t im W e s t e n des Himmels . . . der einzige Stern, bei dessen Schönheit man sehen kann". 1 Darauf weist S e t h e a. a. O. § 159 mit Recht hin. 2 Edfou I 8. 157. 3 S. o. S. 255. Die älteste Andeutung auf diese im N R übliche Dreiteilung scheint bereits, worauf E r m a n , Religion der Ägypter S. 18 verweist, Pyr. 1695 angebahnt: „Sie (die Götter) lassen dich entstehen wie R e in seinem Namen C h e p r e , du steigst auf zu ihnen wie Re, du wendest dich wieder ab von ihren Gesichtern wie R e in seinem Namen A t u m " . 4 Edfou I S. 295. 5 N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 19 Z. 6/7 = Edfou V I S. 130. 6 I m gegenüberliegenden Letopolis auf dem Westufer identifizierte sich der Horus von Letopolis als Westlandsgott mit dem ersten Dekanstern Knumis s. o. S. 255.
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Da Horns von Edfu aber als „großer Gott, Herr des Himmels" beide Gestirnaugen beanspruchte, Sonne und Mond, nutzte sein System auch die reiche Symbolik des linken Mondauges aus. Sie vermochte den Gott mit einem Schleier von geheimnisvollen Naturmythen zu umkleiden: „Horus von Edfu, Vollmond am 15. Monatstag, der den Leuchtenden in der Nacht vertritt, er ist ein Zweiter des Ewigen; Auge des Re, wie es keinen zweiten unter den Göttern gibt 1 ". Die besonderen Mond Verbindungen des Gottes darzustellen und zu pflegen, war einem auf der „linken" Seite des Mittelraumes hinter dem Allerheiligsten gelegenen Tempelgemach vorbehalten2. Es führt den nur aus der allegorischen Mythensprache verständlichen Namen „Haus des Beines {äbk)". Dieses „Bein" (Knie) ist ein Symbol der gekrümmten Mondsichel und damit des beschädigten „Horusauges", das „wiederhellgemacht" werden muß3. Dazu ersannen bereits alte Zeiten einen Mythus, daß der Mondgott Thot „aus dem Bein hervorkam"4. Gerade dem Mondgott erfand man einen möglichst ungewöhnlichen, widernatürlichen Ursprung. In seiner Auffassung als Mondgott ist Horus von Edfu natürlich auch dem thebanischen Mondgott Chons wesensgleich. Daraus erklärt sich das Hervortreten des Chons im Tempel von Edfu. Dieser bildet gelegentlich zusammen mit dem Tempelherrn und der Hathor von Dendera eine Triade. Seltsame Reliquien wurden in jenem Tempelraum aufbewahrt. Ein Obelisk diente als Schrein des beinförmigen Mondsymbols, jenes „linken Auges in seiner Gestalt des Chons". Es ist „Chons in Edfu, der sein geheimes Bild in seinem Obelisken verbirgt"6. Neben den uns auch aus Heliopolis bekannten Pavianen 6 erscheint als besondere Hüterin dieser Heiligtümer I s i s „die ihren Bruder schirmt". Das linke Bein war nämlich nicht nur Mondsymbol, sondern man dachte daran, daß es auf dem Abaton bei Philae als heiligste Osirisreliquie des zerstückelten „Gottesleibes" galt, und aus ihm der Nil entströme, der mit 1 Edfou I S. 88. 2 Hierzu K e e s , ÄZ 60 S. 12f. 3 Sbk „ B e i n " , ib',k „glänzend machen", sbk „klug, verständig", Sbk „kurz, klein" vgl. Äg. Wb. IV S. 93/94. *4 Pyr. 1963 vgl. K e e s , a. a. O. S. l l f . 5 Edfou I S. 309; I I S. 113. 6 S. o. S. 21. 217 Anm. 6.
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den Ausflüssen des Osiris das Land überflutet und befruchtet1. Darum spricht der Priester bei der Wasserspende: „Ich spende dir das Naß, das aus dem Bein kommt, um deinen Acker mit seinen Speisungen zu überfluten."2 In der mythischen Sprache der Zeit galten diese Worte dem „Chons in Edfu, König der Götter, göttlichem Falken, der das verstümmelte (Auge) schützt, der empfängt, was aus dem Bein (oder „dem wiederhellgemachten" Auge) hervorgeht, als sein Sohn". In diesem Symbol hat also Horus von Edfu auch die K r a f t des Osiris miterfaßt, was bei der steigenden Bedeutung des Osiriskultes im Lande um so wertvoller war. Die äußerliche Anknüpfung des Horas von Edfu an den Osiriskreis ist offenbar weit älter. Sie benutzte den naturgegebenen Weg des Horusnamens zur Gleichsetzung mit „Horas, Sohn der Isis" (Harsiese). In Inschriften ausgesprochen finden wir dies zuerst am Ende des MR auf Denksteinen von Priestern des Horustempels, wobei der Ortsgott „Horas von Edfu, Sohn der Isis" genannt wird3. Auch die Horusmythe von den Siegen des Horas von Edfu, die im wesentlichen auf Vorlagen der Ramessidenzeit zurückgreift, schaltete die Gestalt des Harsißse ein. Der große Himmelsgott Horas von Edfu sollte danach als geflügelte Sonnenscheibe auf Bitten der Isis ihrem und des Osiris Sohn in seinem Kampf gegen Seth gehplfen haben, indem er Seth durch das ganze Land verfolgte und endlich über die Nordostgrenze Ägyptens nach Syrien hinausjagte. Natürlich sind dabei die beiden Horas als wesensgleich gedacht: Harsißse stellt sozusagen die jüngste Gestaltung des universalen „Horas" dar. Ähnliche Spaltungserscheinungen hatten schon früh zur Schaffung eines „ältesten Horas" geführt4, und gleiche Gedankengänge begegneten uns in der Lehre von 1 S. o. S. 408. 2 Edfou I I S. 268. Für „Bein" ist wieder ein doppelsinniges Wort Slltj gebraucht, das etymologisch auch das „beschädigte" (Auge) heißen kann vgl. K e e s , ÄZ 60 S. 13. 8 Z. B. Stele Annal. du Serv. 22 S. 175 (Zeit 13./17. Dyn.). Bei dem Falkennachbarn des Horus von Edfu, dem Horus von Nechen, trat die gleiche Formung ein: In der 18. D y n . wurde er als „Horus von Nechen, H o r u s B ä c h e r s e i n e s V a t e r s (Harendotes), Erbe des Geb. festgesetzt auf dem Thron des Atum" und als „ S o h n d e r I s i s , zu Gaste in Nechen" bezeichnet, Urk. IV 134. 4 S. o. S. 206.
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den verschiedenen zeitlichen Gestaltungen des Amun von der Urschlange Kneph bis zum Götterherrscher in Karnak. Die Ausmalung der Kämpfe gegen Seth und seinen Anhang benutzte Motive verschiedenen Alters und verschiedener Herkunft. Der H a r p u n i e r g e d a n k e entstammt unzweifelhaft einem Jagdmythus aus dem Delta von der königlichen J a g d a u f d a s N i l p f e r d , das nach einem ebenfalls an den Wänden des Horustempels aufgezeichneten Ritual wie in alter Vorzeit getötet und als Jagdbeute geschlachtet werden sollte1. Dieser Mythus ist aber für kultische Auseinandersetzungen auf dem Boden Oberägyptens eingespannt, die den klaren Zweck hatten, bestimmte den Horustempeln unerwünschte Tierkulte verfolgen und mindestens bildhaft austilgen zu können, vor allem Nilpferd- und Krokodilkulte, wohl auch die als unrein geltenden Fische, die man symbolisch beim großen Stadtfest von Edfu als Verkörperung der Feinde des Gottes zertrampelte 2 ! Nun hat S e t h e , und die meisten Forscher sind ihm gefolgt, im Sinne seines Bildes von der ägyptischen Urgeschichte angenommen, daß alle die unzweifelhaften unterägyptischen Beziehungen in der Lehre des Edfutempels echte geschichtliche Erinnerungen an eine weitgreifende v o r g e s c h i c h t l i c h e Kultwanderung enthielten 3 . Eine solche Entlehnung sei insbesondere an Namen erkennbar, z. B. wenn sich Edfu als „Thronsitz (Pe) des R6" bezeichne 4 , und man dies unter Anspielung auf den 1 Aus den darin genannten Göttern und örtlichkeiten ist U n t e r ä g y p t e n als Schauplatz noch völlig deutlich N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 1—11 = Edfou VI S. 60f., vgl. die Zitate K e e s , Kultlegende u. Urgeschichte. Gött. Nachr. Altertumswiss. I, 3 (1930) S. 360. Eine brauchbare Übersetzung fehlt bisher. Nach späten Gaulisten wurde der Harpuniermythus auch mit dem „Harpunen"-Gau im Nordwesten des Deltas (7. unterägyptischer) verbunden. Vom dortigen „Sykomorenhaus" heißt es: „dein Sohn Horus ist (dort) als Stier beim Niedertreten deiner Gegner, der mit schlagendem Arm, tapfer im Kampf, in dessen Fesseln das Nilpferd fällt" und „indem sein [Feind] mit seinem Eisenspieß verletzt wird; s e i n S c h e n k e l w i r d d i r n a c h B u s i r i s g e b r a c h t " . D ü m i c h e n , Geogr. Inschr. I I I Taf. 19 (Dendera); Taf. 33 (Philae). Zum Schenkelmotiv s. o. S. 129. 321. 332. 402. 2 B r u g s c h , Drei Festkalender I I I Z. 29f. Zu dieser Opfersymbolik J u n k e r , ÄZ 48 S. 69f. 3 Vgl. insbes. S e t h e , Urgeschichte § 151. 161 u. a. m. 4 Edfou I S. 283 (in dem eigens „Thron des R6" genannten Tempelraum).
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Namen von Edfu (Etbo) als „Ersatz" für die wirkliche Heimat in Unterägypten erklärte 1 . Nach allen unseren bisherigen Erfahrungen muß man einem solchen Beweisgang entgegenhalten, daß sich dieselbe Form der Anlehnung insbesondere an H e Ii op o l i s auch in der Lehre von Dendera bei Hathor, in Hermonthis bei Month-Re, in Esne bei Chnum, auf Philae beim Baikult des Osiris2 und ähnlich, nur mit Bezugnahme auf L e t o p o I i s , bei Haroeris in Kom Ombo und Kus nachweisen läßt 3 . Sie g i b t s i c h g e s c h i c h t l i c h als e i n e n a t ü r l i c h e A u s s t r a h l u n g des h e l i o p o l i t a n i s c h e n E i n f l u s s e s in d e r F e u d a l z e i t zu e r k e n n e n . Verlangt man aber vollends, wie Sethe es will, —und was nicht einmal die Lehre von Edfu behauptet —, daß auch der alte Name von Edfu',,Thronstätte" (Bbd.t) aus Unterägypten entlehnt sei, und zwar von dem heutigen Orte D a m a n h u r , für dessen Gebiet ausschließlich späte Tempellisten die gleiche Bezeichnung „Thronstätte" (Bfyd.t) verzeichnen 4 , so stehen dem sämtliche alten Zeugnisse eindeutig entgegen: „Horas von Bhd.t" ist ihnen ein typisch o b e r ä g y p t i s c h e r G o t t , selbst zu einer Zeit, als das Königsdogma der memphitischen Könige (3./5. Dynastie) sonst Unterägypten in jeder Weise bevorzugte 5 . Daß der Name „Thronstätte" in Ägypten mehrfach auftritt, ist nicht wunderbar. Es ist aber geschichtlich richtiger, solche erst spät auftretende Duplikate als Ergebnisse des Einflusses von Edfu aufzufassen. Auf demselben Wege ist auch die Entstehung eines „östlichen Bhd.t" auf dem thinitischen Ostufer (Meschech)6 und eines „unterägyptischen Bhd.t" als Name der Grenzfestung Sile zu erklären. Deren Horusgott übernahm übrigens in An1 S. o. S. 182. 2 Als Ersatzmotiv oder als Wanderungssage vgl. oben S. 303. 336. 341. 401. 3 S. u. S. 431 f. 4 Nachweise bei K e e s , Horas und Seth I I S. 76 f. 5 S. o. S. 197f. S e t h e wurde zu seiner These v o m unterägyptischen Ursprung des Hr Bhd.t zuerst angeregt durch eine Darstellung im Totentempel des Sahure B o r c h a r d t , Sahurß I I Taf. 19, wo der Hr Bhd.t hinter Seschat in einer Reihe u n t e r ägyptischer Götter vorkommen soll, vgl. im Text I I S. 97. Leider fehlt die zugehörige Darstellung und die Beischrift ist halb zerstört. 6 Zum Ort, dem späteren Lepidotonpolis, seit der 19. Dyn. nachweisbar, wo der Ortstempel von Ramses II. restauriert wurde, K e e s , Horus und Seth I I S. 72f. und ÄZ 73 S. 77f.
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lehnung an den Horus von Edfu ebenfalls den Beinamen „Herr der Harpunierstätte" (nb Min)1, wahrscheinlich, weil man dort an der Grenze die Wacht gegen die Bückkehr des Seth aus Asien zu halten meinte. Während aber die beiden eben genannten Plätze dementsprechend in der Horusmythe von Edfu eine Bolle als Kampfstätten gegen Seth spielen, wird Damanhur, überhaupt das ganze Nordwestdelta, in dem Horusmythus als unwesentlich übergangen. Auch als Heimat des Horus kann es auf Grund einer angeblichen Geschichtlichkeit der Horusmythe nicht in Anspruch genommen werden: Im Gegenteil verlegt die Legende die Besidenz des Horus vor seinem Entscheidungskampf gegen Seth nach Memphis 2 , also in die geschichtliche Hauptstadt des geeinten Beiches! Noch ein weiteres läßt die unterägyptischen Anlehnungen als bewußte kultpolitische Stützen deutlich werden. Wer den „Horus" aus Unterägypten einwandern lassen will, verschweigt meistens, daß dieselbe Götterlehre des Edfutempels auch die umgekehrte Verbindung im Sinne ihres Universalitätsgedankens aufsucht und demnach den Falken aus den fernen Weiten der s ü d ö s t l i c h e n Länder, also aus den Wüstengebieten Nubiens oder gar aus Punt herkommen läßt 3 , z. B. als „Horus von Edfu, heiliger Falke, der aus Uten kam, um sich mit Edfu zu vereinigen als Herr des Thrones"4. Man könnte auch daraus Urgeschichte herauslesen wollen, und namentlich frühere Ägyptologen haben das auch getan, ehe Unterägypten in der Beligionsgeschichte Mode wurde. Aber es handelt sich um ein vielfältig auftretendes Mythenmotiv, das die oberägyptischen Jägersagen von der Heimführung des Baubtieres verwenden, dasselbe, das Heliopolis in seiner Phoinixsage und in seinem ganzen Gestirnkult aufgriff, und das seit der Feudalzeit wieder nachweisbar, bei der 1 G a r d i n e r , JEA 5 S. 242f. K e e s , Horus und Seth II S. 81. S e t h e , Urgeschichte § 162. 2 N a v i l l e , Mythe d'Horus Tai. 24 Z. 91/92 = Edfou VI S. 221 Z. 22. Übersetzung K e e s , Lesebuch S. 34 vgl. K e e s , Kultlegende und Urgeschichte S. 359. Als Besidenz des Seth scheint nach dem Zusammenhang Hypsele (Schashotep), die Hauptstadt des (11.) „Seth"Gaues, angenommen-zu sein (zerstört), nicht, wie ich a. a. O. ergänzte, das übliche Ombos. 3 Hierzu K e e s , Kultlegende und Urgeschichte S. 353f. 4 Edfou I S. 248.
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Hathor von Dendera, beim Min von Koptos, selbst beim Monthstier in Hermonthis und El T6d, vor allem auch beim heiligen Falken von Philae, beim Bai des Osiris auf dem Abaton, beim Haroeris in Kom Ombo u. a. benutzt wurde1. Nicht umsonst bemächtigte sich doch selbst das solare Symbol des Horas von Edfu, die geflügelte Sonnenscheibe, mit Vorliebe der ganz „heliopolitanisch" klingenden Bezeichnung „der aus dem Lichtland hervorgeht", als Morgensonne wie Harachte! Einer besonderen Kultverbindung des Horus von Edfu sei zum Abschluß gedacht, der mit der Hathor von Dendera, in Form der beliebten Familienbildung, die hier sogar über mehrere Gaue hinweggriff. Ihre kultische Ausprägung in Gestalt alljährlich an bestimmten Festtagen stattfindender gegenseitiger Besuche zu Schiff hat sie nach Angaben später Festkalender unter Amenemhet I. und Sesostris I., also zu Beginn des MR gleichzeitig mit dem Neuaufbau des thebanischen Staates, erfahren2. Horus von Edfu besaß in Dendera einen eigenen Tempel neben dem der Hathor. Wie Junker in seiner „Onurislegende" gezeigt hat, schmückte die Theologie auch die Fahrte^ der Hathor zum Horas von Edfu mit allen den Deutungen aus, die sich als Anwendungen der Augensage (Hathor als Auge des Re) unter Verbindung mit den Sagen von der Heimkehr der besänftigten Göttin aus dem Ostland gewinnen ließen3. So erhielten die Festfahrten zur heiligen Hochzeit ihre Mysterien. Gleichzeitig fassen wir in den besonderen Riten dieser Verbindung zwischen Edfu und Dendera einen partikularistischen Zug gegenüber dem universalistischen Streben des Horusmythus. Wenn wir uns dazu den wirklichen Geltungsbereich seiner Lehren 1 Vgl. die entsprechenden Mythenmotive oben S. 11. 183. 232. Zu Hermonthis und El T6d vgl. E. O t t o , Stierkulte S. 40f. (bereits unter der 11. Dyn. nachweisbar) u. a. m. 2 B r u g s c h , Drei Festkalender (Edfu) I Z. 27 zum 27. Epiphi wird eine Prozession der Hathor von Dendera und ihres Sohnes Harsomtus, die am 16. Epiphi in Edfu eintreffen, zu einem als „Lusthaus des Sesostris" bezeichneten Tempelteil des Horus von Edfu angeführt; ebd. Z. 23 n i m m t , der Festkalender auf eine Vorschrift des Königs Amenemhet Bezug. Wegen dieser kultischen Verbindung mit Dendera führt der Horus von Edfu auf einem Pfeiler Sesostris' I. aus Karnak (Kairo) geradezu den Beinamen „ H e r r von D e n d e r a " ! Zum Tempel des Horus von Edfu in Dendera vgl. C h a s s i n a t , Revue de 1'lSgypte anc. I S. 298f. 8 J u n k e r , Onurislegende S. 116f.
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die viele an anderen Orten Ägyptens hochheilige Kultformen ablehnten und verfemen wollten, vor Augen halten, so ergibt sich im Gesamtbild gerade aus diesem unduldsamen Eingreifen in fremde Machtbereiche eine Hinneigung zur Verengung. Man vermochte die alte Vielfältigkeit und scheinbare Gegensätzlichkeit der Kultformen geistig nicht mehr zu überspannen. Jedenfalls war das, was der große Mythus vom Siegeszug des Horus behauptete, selbst in der Griechenzeit nicht allgemeiner Glaube eines nationalen Ägyptens. Der D o p p e l t e m p e l des Haroeris und Suchos von Kom Ombo Südlich der Nilenge am Gebel Silsile, an der Grenze des nubischen Volksbodens, hegt auf dem Gebiet des 1. oberägyptischen Gaues am Ostufer des Nils der ptolemäische Tempel des Haroeris und Suchos, schon äußerlich in seiner Anlage als Doppeltempel eine Ausnahme. Seine Planung zeigt, daß hier ein Ausgleich zwischen zwei verschiedenen Ortsgöttern getroffen werden sollte. Das ist um so wichtiger, als die beiden Teilhaber, Falkengott und Sjichoskrokodil, das die nahen Stromschnellen von Silsile beherrschte1, im benachbarten Edfu als grimmigste Feinde hingestellt wurden. In Kom Ombo hat sich demgegenüber, anders auch als z. B. in Dendera, aber übereinstimmend mit der religiösen Entwicklung im Fajüm und einigen Deltagegenden, der Krokodilkult behauptet2. Die dortige Götterlehre vermochte auch die theologische Begründung für eine friedliche Nachbarschaft beider zu finden. Der Tempel war in der Weise geteilt, daß dem Haroeris die nördliche, also vom Blickpunkt des Allerheiligsten aus gesehen, die bessere „rechte" Seite gehörte. Diese Zweiteilung bot dem geschulten Dogmatiker sehr erwünschte und weitgreifende Auslegungsmöglichkeiten. Die beiden göttlichen Partner galten im Sinne des alten Mythus vom Himmelsgott mit zwei Gestirnaugen als zwei zwar in ihrer irdischen Erscheinungsform unterschiedene Wesen, die aber im Sinne des universalen Gottesge1 Im NR wird der Tempel von Kom Ombo einfach als „Haus des Suchos" bezeichnet Urk. IV 382 = LD III 28, 1. Zum Suchoskult bei Silsile vgl. K e e s , Art. Suchos in Pauly-Wissowa R E Sp. 543. 2 Vgl. oben S. 16f. 133f.
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dankens Ausdruck eines und desselben göttlichen Wesens waren x. Wollte man bei ihnen Sonderzüge hervorheben, so entfiel auf H a r o e r i s kraft der Anwendung der Augensage die sieghafte Rolle des heliopolitanischen Schu, des Sohnes des RS, mit allen seinen kämpferischen Eigenschaften, die sich dem kosmischen Gott aus seiner frühen Gleichstellung mit Horas als „Sohn des R e " angeheftet hatten2. Dem Suchos verblieb die etwas bescheidenere, aber um so geheimnisvollere Stellung als linkes Mondauge, das hier also, unbeschwert von der heliopolitanischen Festlegung auf das weibliche Komplement (Tefnut,Hathor oder die Schlange Uto), eine männliche Verkörperung fand. Aber wie die Sonne (Re) wird im ägyptischen Sprachgebrauch der „Mond" als männlich betrachtet3. Demgemäß sind auch die Mondgottheiten Thot und Chons männliche Gestalten. Außerdem ist nach ägyptischen Anschauungen allen großen Gottheiten, gleichgültig welche Gestalt sie wählen, grundsätzlich die Schöpfungskraft beider Geschlechter eigen. Die Kennzeichnung des Haroeris von Ombos hat Junker in seiner Onurislegende gegeben. Er hebt dabei mit Recht hervor, daß die Grundauffassung und auch das Kernstück seines Mythenkreises in weitem Ausmaß aus L e t o p o l i s vom dortigen augenlosen „Horus", vielleicht durch Vermittlung des Haroeriskultes von Kus im koptitischen Gau übernommen ist4. Gleich dem letztgenannten Falkengott nennt sich zwar der Gott in Kom Ombo „Herr von Oberägypten" und trägt dabei die oberägyptische Krone 5 , die Texte machen aber keinerlei Hehl daraus, daß alles sonst Wesentliche aus Letopolis entlehnt ist; im Gregenteil, sie legen in der aus Edfu und anderen Orten nunmehr wohlvertrauten Sinnesart Wert darauf, als ein Filialkult des altberühmten Letopolis zu gelten. Dessen Wertschätzung hatte sich dank der archaisierenden Neigung der Spätzeit, wie Inschriften aus Memphis, besonders die Titulaturen von dortigen Priestern beweisen, stark gehoben6. In Ombos 1 K e e s , Horus und Seth I S. 57f.; oben S. 235f. 2 S. o. S. 251 f. 8 Äg. i'h. 4 Über das System von Kus selbst liegen leider nur sehr wenige Zeugnisse vor vgl. J u n k e r , Onurislegende S. 33/36. 5 J u n k e r a. a. O. S. 24. 6 B r u g s e h , Thesaurus S. 886f.
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feierte man am 2. Tag des 2. Monats der Überschwemmungsjahreszeit (Paophi des thebanischen Kalenders) sogar ein Fest des Haroeris als „Fest des Einzugs in seine Stadt, nachdem er in Unterägypten gewesen war" 1 . Da Letopolis eine Westuferstadt war, hatte es schon früh im Gegensatz zum Harachte von Heliopolis seinem Falkengott die Sonderzüge eines „Horus des Abendlandes" (M\nw) und eines abendlichen Sonnengottes beigelegt2. Auch darin folgte ihm seltsamerweise Kom Ombo, obwohl es selbst, wie übrigens auch' Kus, auf dem Ostufer lag! Also eine ähnliche Sachlage wie in Bdfu mit dem heliopolitanischen Gedankengut, nur mit umgekehrtem Vorzeichen! Der eigenartige Falkengptt, der keine körperlichen Augen besitzt, aber sonst mitunter besonders gewalttätig gezeichnet wird, ist in Kom Ombo wie in Letopolis der kunstfertige Arzt, der dem Re „seine Krankheit seiner Götteraugen heilte", „der gute Arzt seines Erzeugers, der die Krankheit seines Schöpfers heilte, der seine Augen bildete an diesem Orte"3. Aus Letopolis ist ferner eine eigenartige Fassung des Mythus vom Kampf des Himmeisauges gegen die Aufrührer nach Kom Ombo gekommen: Das kämpfende Auge tritt dabei in Gestalt eines „Schilfmessers" ( jj ij.t) auf, das synkretistisch natürlich als Uto, als Mondauge oder auch schon als zauberkundige Isis erklärt wurde4. So findet in Kom Ombo nicht nur die bekannte oberägyptische Jägersage von der Heimführung der befriedeten Löwin Aufnahme, sondern es will auch als Statte gelten, wo allerlei Götterfeinde und Empörer auf Befehl des Re durch die neuzuziehenden Götter vernichtet wurden. Wir wissen aus dem benachbarten Edfu, welchen Wert die damaligen Tempel auf ihre Rolle als Vorkämpfer einer Reinigung von angeblich gottesfeincUichen Kulten legten. Solche Behauptungen gehörten wohl zum eisernen Bestand jeder Tempellehre, und wir müssen uns hüten, darunter überall Erinnerungen an tiefgreifende 1 J u n k e r a. a. O. S. 25 nach Ombos II S. 52. 2 S. o. S. 254f. 3 J u n k e r a. a. O. S. 29. nach Ombos I S. 147 und 193. Der Horus von Letopolis als „Oberarzt im Hause des Re" Pap. Turin 124, 6 (NR) vgl. auch Gardiner, Art. Magic in Hastings Encycl. of Religion and Ethics S. 268 Nr. 10. J u n k e r , ÄZ 67 S. 54 u. a. 4 J u n k e r a. a. O. S. 28. 41f. 150f., vgl. auch ÄZ 60 S. 9 zu den Mondmythen und oben S. 34.
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Kultverschiebungen zu suchen. Im wesentlichen wurde der vorhandene Bestand umgedeutet und ausgeweitet. Man kann überdies die Kultlegende von Kom Ombo geradezu als das Musterbeispiel der Fernwirkung des heliopolitanischen Systems auf eine oberägyptische Kultstätte bezeichnen. Sie lautete in ihrer vollständigsten Fassung im Tempel1: „Die Stätte (Ombos) war die Stätte des Schu am Uranfang. Sein Vater Rß kam zu ihr und verbarg sich (dort) vor seinen Feinden, als die Bösen kamen, ihn zu suchen2. Da nahm Schu die Gestalt des Horus an, des mit schlagendem Arm, der seinen Speer hält (wie Onuris!); er tötete sie sofort in diesem Gau. Das Herz des Rö war froh über das, was sein Sohn Schu für ihn getan hatte, er wurde dadurch groß über alle Götter und gewaltig über die Neunheit: „Falke" nennt man darum den Schu mit Namen in dieser Stadt. Da kam Nenwen (der Falkengott von Kus), der ohne die beiden Augen (also Haroeris von Letopolis) zu diesem Gau als Löwe, groß an Kraft, um wieder seinen Vater RS zu schützen3. Man nennt ihn den „Sieger"4. Auch Tefnut kam zu dieser Stätte mit ihrem Bruder Schu, als sie aus Bugem (im Südosten) heimkehrte5. Sie ließ sich nieder an dieser Stätte, indem RS bei ihr und Thot hinter ihr war, um sie zusammen mit ihrem Brudefr (Schu) zu besänftigen. Da sprach Thot zu dieser Göttin: „Du wirst es gut haben an dieser Stätte." (Darum) nennt man die Tefnut an diesem Ort „die gütige Schwester". In seiner Eigenschaft als Schu eignen dem Haroeris alle lebenspendenden Kräfte, die insbesondere das hermopolitanische System bei ihm ausgestaltet hatte 8 : „In seiner wahren Gestalt als Lufthauch zwischen Himmel und Erde . . . er ist es, der allen 1 J u n k e r , Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien (Abh. Berl. Akad. 1911) S. 56f. nach Ombos I I S. 67 (Nr. 613) = K e e s , Lesebuch S. 18f. 2 Wohl Anspielung auf die Sage von der Empörung der „Kinder der Nut", des ersten Göttergeschlechtes auf Erden. 3 Also wie Schu als Löwe von Leontopolis; aber auch beim Horus von Letopolis begegnet das Bild des Löwen J u n k e r , Onurislegende S. 41 f. 4 Äg. dwn.tj eigentlich wohl „der Spießende" vgl. Äg. Wb. V S. 431. 5 Zu diesem Ortsnamen siehe J u n k e r a. a. O. S. 71 f. und oben S. 11 (Dendera). 6 Haroörishymnus aus Kom Ombo J u n k e r , ÄZ 67 S. 53. Eees, Göttergianbe 28
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Göttern und Göttinnen Leben zuweist, . . . der den Nil bringt, um den Acker bewachsen zu lassen, der die Kräuter leben macht, indem er Luft aus seiner Hand sich erheben läßt." Man merkt aus dem geringen Anteil heimischer Überlieferung1, daß der Tempel von Kom Ombo wohl erst verhältnismäßig spät Bedeutung erlangt hatte, in älterer Zeit aber entlegenste Provinz hart an der nubischen Grenze war! Etwas originellere Züge weist der Suchos auf, wenn er auch durch seine Gleichsetzung als Suchos-Re ein solares Überkleid angelegt bekam. Sehr anschaulich schildert ein Hymnus im Tempel das weitgreifende Wirken dieses Gottes, dessen Wesen man dem seines Tempelgenossen Haroeris möglichst ähnlich umschreiben will. Für den Kenner treten aber bei Suchos naturgemäß die chthonischen Züge des Allschöpfers und Fruchtbarkeitsbringers stärker hervor, während bei Haroeris das Schwergewicht auf seiner Ähnlichkeit mit dem Luftgott Schu als Lebensquell lag. Der Hymnus grüßt den Suchos als „göttlichen Ka des Großen" und fährt fort 2 : „Seine große Gestalt ist die des Erdschöpfers, er hat den Urozean geschaffen zu seiner Zeit, der große Gott, aus dessen Augen die beiden Gestirne (Sonne und Mond) hervorkommen, dessen rechtes Auge am Tage erglänzt, sein linkes bei Nacht . . . Es kommt der Wind aus seinem Mund, der Nordwind aus seiner Nase, es fließt der Nil als sein lebender Schweiß und befruchtet die Äcker . . . Er erschreckt die Feinde in seiner Gestalt in seinem Namen Suchos-Re, der in seinem See ist." Als Bekämpfer der Feinde dürfen auch die alten natürlichen Eigenschaften des grimmigen Wasserbeherrschers hervortreten. Dann wird „Wutmaul gegen die Feinde" zum Ehrennamen8. Vorwiegend aber legt man Gewicht auf seine Erscheinung als Urgott und Schöpfer. Als solcher heißt er wie Atum oder Nun „Vater der Götter, Herrscher der Neunheit, der gemacht hat, was ist, und geschaffen, was besteht 4 "; oder „Vater der Götter, der aus dem Ozean kam, der Verborgene, dessen Gestalt man 1 Ombos I S. 313 werden als Gottheiten von Ombos genannt: Haroeris, Suchos, Schu der Sohn der RS, Tefnut die schöne Schwester, Geb, Nut und Hathor. 2 Veröffentlicht von J u n k e r , ÄZ 67 S. 54f., vgl. auch den Abschnitt „der synkretistische Suchos" in meinem Art. Suchos in Pauly-Wissowa R E Sp. 554f., dem die meisten der folgenden Zitate entnommen sind. 3 Ombos I S. 9. 4 Ombos I S. 195.
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nicht kennt"1. Er ist „der Herr des Feldes, Herrscher der Pflanzen, aus dessen Leib die Speisen hervorquellen2". In dieser Auffassung rückt Suchos vom Wassergott aus auch dem Erdgott nahe, und tatsächlich wird er in Ombos gerne dem heliopolitanischen Geb (griech. Kronos) gleichgesetzt3. Die Annäherung ist bereits weit früher angebahnt. Schon ein Sargtext der Herakleopolitenzeit nennt den Suchos hervorgegangen „aus dem geheimen Innern des Geb"4. .Andererseits kennzeichnen die Pyramidentexte den Suchos, Sohn der Neith, als „gekommen aus Bein und Schwanz der Großen, die im Lichtglanz ist" 6 . Nach S e t h e s wohl richtiger Erklärung deutet das auf die Himmelsgöttin in Kuhgestalt (Methyer), zwischen deren Hinterbeinen das Krokodil wie ein neugeborenes Kind aus dem Urwasser hervorkriecht. Wird Suchos als Erdgott Geb aufgefaßt, dann ist folgerichtig unter Benutzung des heliopolitanischen Systems seine Gemahlin HathorNut „die die Götter des Himmels gebar"6. Auch inj Fajüm hat sich Suchos als Landschaftsgott in ähnlicher Weise entwickelt, dort im „Seeland" konnte man ja die urgöttliche Wirksamkeit des Wasserbeherrschers als Träger der Nilüberschwemmung und damit der allgemeinen Fruchtbarkeit besonders handgreiflich herausarbeiten7. Nach Nachrichten der Antike, die durchaus glaubhaft erscheinen, gingen die Ombiten, nicht zu verwechseln mit den Bewohnern des sethischen Ombos im Koptosgau, in ihrer Krokodilverehrung so weit, daß sie einen vom Krokodil verschlungenen Menschen wegen dieses Endes selig priesen, „weil er ein Geschenk an den heimischen Gott geworden sei"8. Es ist derselbe Gedanke, 1 Ombos I S. 285. Also wie Amun! 2 Ombos I S. 356. 3 Schon B r u g s c h kennzeichnete den Suchos von K o m Ombo als „verkappten Erdgott Qeb" Religion und Mythol. S. 592 vgl. S. 590f. Sobnebtynis-Kronos in Arsinoe und Tebtynis im Fajüm R o e d e r , Art. Sobk in Roschers Lex. d. Mythol. Sp. 1101. 4 Excavations at Saqqara II. Texte rel. 23 vgl. K e e s , Art. Suchos in Pauly-Wissowa R E Sp. 555, 19f. 6 Pyr. 507c; vgl. S e t h e im Kommentar Bd. I I S. 355. 6 Ombos I S. 42. Als Kind beider erscheint in der Triade von Ombos meist der thebanische Mondgott Chons. 7 Vgl. meine Zusammenfassung Art. Suchos Sp. 555/56 aus dem ptol. Fajümpapyrus ( L a n z o n e , Pap. du Lac Moeris). 8 Diese Begründimg bei Maxim. Tyr. Philosophum. I I 5 = H o p f n e r , Fontes hist. rel. aegypt. S. 351; sonst zuerst bei Herod. I I 90. Aelian. nat. animal. X 21 vgl. oben S. 19. 28*
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der einen im Nil Ertrunkenen wegen seines dem Osiris ähnlichen Todes als zur Gottheit entrückt und „selig" geworden sogar zu göttlicher Verehrung erhob1. Beides ist eine widernatürliche Überspanntheit, die dem gesunden Lebensempfinden der älteren Zeiten völlig fremd ist 2 . Zeugen dafür sind die Verfluchungen gegen Grabschänder des AR, die den Bösewicht bedrohen „das Krokodil gegen ihn im Waäser, die Schlange gegen ihn zu Lande" 3 , das Ende der ehebrecherischen Frau im Märchen des Pap. Westcar, die zur Strafe einem Krokodil vorgeworfen wird, bis hin zur Ausmalung des Totengerichtes im Totenbuch des NR, wonach die nicht recht befundenen Menschen dem Krokodilsrachen der „Fresserin" überantwortet werden sollen4. Ein seliges Ende sollte alles das in keinem Falle bedeuten! Auch der Wassertod des Osiris war in der ursprünglichen Sage als Gipfel aller Niedertracht des Feindes erdacht, wenn auch eine höhere Deutung diesen Tod im Überschwemmungswasser bald zum Mysterium der Neugeburt erhob. Chnum von Esne (Latonpolis) Die Lehre des Chnumtempels von Esne im 3. oberägyptischen Gau, baulich des jüngsten unter den drei hier als Beispiele gewählten6, enthält trotz aller universalen Zutaten mehr Eigengut, als die des Tempels von Kom Ombo. Man spürt in Esne das Fortwirken einer alten Überlieferung, deren Systematik nach allen Anzeichen auf die Feudalzeit zurückgehen dürfte. Die schönen in kunstvoll bildnerischer Sprache gehaltenen Götterhymnen freilich, die der späte Tempelbau uns bewahrt hat6, erinnern in 1 G r i f f i t h , ÄZ 46 S. 132f. S p i e g e l b e r g , ÄZ 53 S. 124. 2 K e e s , Apotheosis by drowning in Studies present. to Fr. LI. Griffith S. 402f. 3 Urk. I 23. 226 s. o. S. 17. 4 Auch nach einer Glosse aus dem N R zu Tb K a p . 17 Z. 43 (Urk. V 42) sollen die „Suchoskrokodile im Wasser" die Sünder vernichten, vgl. meinen Art. Suchos. Sp. 558 und oben S. 19. 5 Vollendet wurde nur die fast ganz aus der röm. Kaiserzeit stammende Vorhalle des Tempels; das innere Portal ißt von Ptol. VT. Philometor. 6 Zuerst gesammelt bei B r u g s c h , Thesaurus S. 625f. 651. 754. D a r e s s y , Ree. de trav. 27 S. 83f. Übersetzung eines Hauptstückes (A.Z. 32/64) bei K e e s , Lesebuch S. 19f.; ein anderes Stück ( = B r u g s c h a. a. O. S. 627) bei A. B a d a w i , Der Gott Chnum (Berl. Diss. 1937) S. 38.
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ihren Gedanken und in ihrer Ausdrucksweise unmittelbar an die berühmten Sonnenlieder des NR. Aber wie diese Dichtungen in gleicher Weise an Amun-Re oder an Ptah gerichtet waren, konnten ihre Bilder und Allegorien auch beim Chnum Anwendung finden: auch er ist der Schöpfer und Bildner aller Wesen, wie Ptah, auch er ist Allerhalter der Welt und aller Lebewesen auf Erden bis hinab zu den bescheidensten Schöpfungen unter den Tieren und Pflanzen, wie man es im NR vom Sonnengott pries. Selbst vom Sokar-Osiris, dem Totengott von Memphis, rühmte man, daß er, „die Mumie mit langem Phallus", als „Herr des Erdbodens" die gleichen Wohltaten für die lebende Natur hervorbringe1. Verschieden sind jeweils mythologische Beinamen und Anspielungen, auch einzelne Sonderzüge, bei deren Nennung nur ein kultgeschichtlich geschulter Hörer altheimische Eigenheiten des Ortsgottes noch erkennen konnte und sollte. Auch die Hymnen auf Chnum von Esne stammen in ihrer vorliegenden Fassung sicherlich aus der Periode des NR, und wenn wir entsprechende Zeugnisse für die Kulte des großen Chnum von Elephantine, des Chnum von Antinoe und Hypsele oder des Widders von Mendes im Delta besäßen, würden sie in wesentlichen genau so lauten. Auf diese artverwandten Widderkulte nimmt die Lehre von Esne ständig Bezug. Man benutzte den Umstand, daß die ägyptischen Worte für „Seele" (Bai) und „Widder" konsonantengleich waren, um eine Vierheit bekannter Widderkulte als allumfassende Kräfte zu kennzeichnen, die in ihrer Vierheit die Welt und ihre führenden kosmischen Götter in sich schließen2: Chnum als Herr von Elephantine sei der Bai des R§, Chnum von Esne der Bai des Schu, als Herr von Schashotep (Hypsele) der Bai des Osiris, der an der Spitze von Antinoe aber sei der Bai des Geb3. Aus der Vereinigung dieser vier „lebenden" Widder ergibt sich das wirkliche Wesen des Chnum als eines Widders von „ehrfurchtgebietendem Aussehen". Der Widder von Mendes ist auf oberägyptischem Boden aus der Vierheit der Chnume ausgelassen. Aber in Mendes selbst 1 Hymnus auf Ostrakon der Ramessidenzeit aus Theben E r m a n , ÄZ 38 S. 30f. = K e e s , Lesebuch S. 14. 2 Zum Vierheitsbegriff s. o. S. 167f. 3 K e e s , Lesebuch S. 19 (Hymnus A. Z. 46f.) vgl. B r u g s c h , Thesaurus S. 736f. B a d a w i , Chnum S. 34.
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wird bei der Beschreibung eines neuinthronisierten Widders die gleiche Form der Vierheitslehre benutzt1. Der heilige Widder besteht aus dem Wesen der vier Einzelbildungen: „Widder, Leben des Re, Widder, Leben des Schu, Widder, Leben des Geb, Widder, Leben des Osiris"2. Inhaltlich ist das eine Erweiterung der alten uns bereits aus dem Tb. Kap. 17 bezeugten Erklärung des Widders von Mendes als vereinigte Seele aus RS 3 und Osiris unter Hinzunahme der beiden nächstältesten Glieder der heliopolitanischen Neunheit, Schu und Geb. Man deutete damit an, daß Chnum in seinem vierfachen Wesen H i m m e l (RS), Erde (Geb), L u f t r a u m (Schu) und U n t e r w e l t (Osiris) zugleich umfasse 4 . Trotzdem man im Tempel von Mendes unter natürlichem Zwang in der Spätzeit als heiliges Tier an Stelle eines echten Widders alter Art einen Ziegenbock (rQdyog) halten mußte5, setzt die Lehre von Esne ihren Chnumwidder gleichmäßig dem Harsaphes von Herakleopolis wie dem „Widder" von Mendes gleich: „dem heiligen Widder an der Spitze des Naret-Gaues (Herakleopolis) (und) dem Begatter in Anep (Mendes), dem Besamer im mendesischen Gau, er, Chnum, der die Götter und Menschen zeugte"6. Dem Chnum von Esne, ähnlich auch Chum in Antinoe, wurde besonders eine Schöpfertätigkeit als Töpfer zuerkannt, die auch in der alten Legende von der göttlichen Erzeugung des Königskindes eingeflochten ist und dementsprechend in den Bilderreihen von der göttlichen Geburt der Hatschepsut und 1 Urk. I I 31 vgl. S e t h e , Amun § 36. Zur Mendesstele des Ptol. Philadelphos vgl. meinen Artikel Mendes in Pauly-Wissowa R E Sp. 782. A. E r m a n , Religion der Ägypter S. 363f. 2 Urk. I I 33 wird der Gott deswegen als Gott mit 4 Gesichtern bezeichnet. Sonst erfand man auch gelegentlich eine Siebenzahl von Chnumgöttern vgl. Edfou VI S. 173 = B r u g s c h , Dict. g6ogr. S. 1397. A. B a d a w i , Chnum S. 50f. Ähnlich hatte man auch eine Liste der 7 bekanntesten Lokalkulte der Hathor der anonymen Vielheit der 7 Hathoren zuliebe zusammengestellt vgl. B r u g s c h , Thesaurus S. 799f. 3 S. o. S. 166. 4 Vgl. hierzu auch B r u g s c h , Thesaurus S. 734f., der die innere Deutung dieser Vierheit im ganzen richtig erkannte. Urk. I I 51 (Mendesstele) heißt der Widder von Mendes sinngemäß „Seele j e d e s Gottes". 5 S. o. S. 80. 6 Aus dem großen Hymnus A. Z. 48/49.
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Amenophis' III. dargestellt wird1. Für das Alter dieser Vorstellung und damit zugleich der Geltung des Chnum beim Königtum des AR ist aufschlußreich, daß schon in den Pyramidentexten der König einmal „Sohn des Chnum" genannt wird2. In demselben Sinne erklärten sich dann sowohl der Widder von Mendes, als auch der memphitische Apisstier als göttliche Erzeuger des Königs. Sie bestritten damit den heliopolitanischen Anspruch des AR, daß der König allein „Sohn des Re" sei und griffen dabei auf sehr alte Vorstellungen zurück, die sich in wesentlichen Zügen bis in die Anfänge der ägyptischen Königszeit zurückverfolgen lassen. Wenn auf der Mendesstele des Ptolemaios Philadelphos sich der neuinthronisierte Widder nicht nur in Konkurrenz zu Apis als „König der (heiligen) Tiere Ägyptens", sondern der König sich „seinen ältesten Sohn" und „göttlichen Samen des begattenden Widders" nennt3, so ist damit gewiß ein altes Vorrecht des Ortsgottes anerkannt, das auf der grundsätzlichen Wesensgleichheit zwischen Herrscher und Gott fußt. Auch neben den neueren Dogmen des göttlichen Ursprungs aus R6 oder Amun-Re konnte es das Königtum nicht verleugnen. So läßt Ramses II. den Ptah von Memphis sprechen4: „Ich nahm die Gestalt des Widders von Mendes an, und wohnte deiner herrlichen Mutter bei, um dein Wesen zu schaffen". Selbst die im Sinne der Reichspolitik der 18. Dynastie ganz auf Amun-Re abgestellte Passung der Geburtslegende der Hatschepsut erkennt die Mitwirkung des Widdergottes damit an, daß die Königin Ahmes bei der Geburtsverkündigung feierlich genannt wird5 „die den Horus sieht, die den Seth sieht, die g e l i e b t e des Widders, Oberpriesterin des Widders usw.". In ähnlichem Sinne be1 N a v i l l e , Deir el-Bahari I I 48 = Urk. IV 223. Chnum führt dabei den Beinamen „Herr von Antinoe (Hr wr)". Seine Genossin ist dabei Heket. 2 Pyr. 1238. Parallelen des N R bei B a d a w i , Chnum S. 57. Die Bedeutung des Chnum im A R spiegelt sich in theophoren Namen der Königsfamilie des Cheops, die mit Chnum gebildet sind, deutlich wieder: Cheops heißt „Chnum, er schützt mich" vgl. auch H. S c h ä f e r , OLZ 29 (1926) Sp. 723f. (Widderstatue aus der Zeit des Cheops). 3 Urk. I I 34. 4 Rede des Ptah-Tenen an Ramses I I . (Abu Simbel) vgl. zum Text W. F. E d g e r t o n u. J. A. W i l s o n , Historie, records of Ramses I I I translated (Orient. Institute Studies 12) S. 119f. 5 Urk. IV 224. Chnum von Antinoe formt tatsächlich nach den Bildern das Königskind s. o. und Urk. IV 223. 225.
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zeichneten sich die Königinnen des AR als priesterliche Dienerinnen des Stieres, als einer Verkörperung des Gottkönigs1. Chnum von Esne verband sich als göttliche Gemahlin die Neith aus S a i s , die neben Chnum schon auf Darstellungen der 11. Dynastie aus dem Tempel von El Tod nachweisbar ist 2 . Als große Urgöttin steht sie in Esne an derselben Stelle, wie die froschgestaltige Heket beim Chnum von Antinoe und die ebenfalls aus dem Delta zugezogene Isis beim Min in Koptos und Achmim. Ihre ursprünglich wie bei allen Urgottheiten doppelgeschlechtliche Zeugungskraft wird dabei mit Rücksicht auf den männlichen Ortsgott verwischt. Neith ist in Esne 3 „die Gottesmutter, die zuerst aufzog . . . alle anderen Wesen entstanden erst, nachdem sie entstanden war . . . Der als Chnum (,Bildner') bildete, schuf zuerst Neith, die Mutter, bei Beginn des Schaffens: Die Töpferscheibe stand vor ihm und das Geburtshaus diente ihm dazu, die Erben, die sie begehrten, zu fertigen. Er ist- der Herr des Geschickes und sie die Herrin des Aufziehens, bei der Leben und Tod stehen 4 . .. Sie sind die ganz großen helfenden Götter, die das Vorhandene hervorbrachten. Ihre Lebensdauer ist die Ewigkeit." Neben der saitischen Neith erscheinen in Esne noch andere Göttinnen als Genossinnen des Chnum, die man synkretistisch untereinander weitgehend gleichsetzte6. Da ist eine „Herrin der Feldmark", 6 die eine lokale Bildung sein könnte, da sie für Esne eigentümlich zu sein scheint, außerdem zum Chnum als „Herrn des Feldes" sehr gut paßt. Chnum als Herr des Feldes, der sich wiederum mit dem Thot von Hermopolis als Vogelfänger begegnet, wird in Tempelbildern seit dem NR gern als Helfer des Königs beim Vogelfang mit dem Schlagnetz dargestellt7. 1 Er heißt dabei tlj sp.f „der in seiner Art männlichste" also zeugungskräftigste vgl. oben S. 6 mit Anm. Weiteres siehe E . O t t o , Stierkulte S. 9. 2 Kairo 66329 (Menthuhotep III.). Auf dem zugehörigen Block 66336 kommt Chnum „an der Spitze des Lebenshauses" vor. 3 Hymnus A. Z. 56f. = K e e s , Lesebuch S. 20. Zur synkretistischen Neith vgl. B r u g s c h , Religion und 'Mythol. S. 347f. 4 Anspielung auf die abwehrenden Pfeile, die Neith verkörpert, vgl. die entspr. Bolle der Pfeilgöttinnen Hemäut als Schicksalsmächte o. S. 103. 5 Vgl. auch B a d a w i , Chnum S. 32f. 6 Nb.t ww vgl. B r u g s c h , Thesaurus S. 809 u. a. Zur Bedeutung Äg. Wb. I I S. 232. 7 B a d a w i , Chnum S. 27f. 34 vgl. zum Thot oben S. 309.
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Außerdem wird in Esne eine Löwin „die Geifernde" oder „Schlächterin" genannt1, die den Anlaß zur Herbei2iehung der über ganz Oberägypten verbreiteten Onurislegende bot. Ihrem männlichen Partner Chnum fiel damit die Rolle des Schu zu. Tatäschlich können wir feststellen, daß man in Esne ebenso wie beim Chnum von Elephantine entscheidendsten Wert auf die Gleichsetzung mit „Schu, dem Sohn des Re" legte 2 . B r u g s c h , der seine Schilderung der ägyptischen Götterwelt auf den Texten der späten Tempel aufbaute, kennzeichnete zwar Chnum von Elephantine, Harsaphes von Herakleopolis und den Widder von Mendes als „landschaftliche Formen" des Atum-Re, dagegen den Chnum von Esne ausdrücklich als „latopolitischen Schu"3! Die Esnetexte drücken das folgendermaßen aus 4 : „Der als Sonne aufgeht und als Mond leuchtet, der als Wind kommt, der als Nil emporsteigt, wie es ihm gefällt. Der den Himmel auf seinen Stützen aufhing, er hat ihn als Schu getragen, er der die Nut (Himmel) emporhob, indem er sich als großer Pfeiler unter sie stellte. Deswegen wurde Esne seine Stadt: „Schu, der den Himmel trägt," nennt man seine Majestät, es gibt keinen anderen außer ihm seines Namens." So wie man es bereits in der Herakleopolitenzeit vom Gott des endlosen Luftraumes Hah in Hermopolis und dann vom Amun in Theben lehrte, ist Chnum als Schu der Lufthauch, der alles Leben schafft 5 : „Er hat die Vierfüßler aus dem Hauch seines Mundes gebildet, er hat die Blumen . . . auf die Weide gehaucht, er schuf die Stiere, um die Kühe zu beschlagen, er belebte die Flur mit Herden . . . Er ließ die Vögel entstehen, daß sie am Himmel schweben oder auf der Erde wandern . . ., er hat die Fische tief ins Urgewässer untergetaucht, und (trotz1 Mnhj.t vgl. Äg. Wb. I I S. 84. 2 Für Chnum von Elephantine als Schu vgl. die Worte der sog. Hungersnotstele über die Nilquelle bei Elephantine: „Chnum ist dort als Chnum-Re . . . er ist dort (auch) als Schu ,der auf seinem Gestade ist am Ufer' wird er mit seinem Namen genannt". K e e s , Lesebuch S. 21 vgl. J u n k e r , Onurislegende S. 16f. B a d a w i , Chnum S. 2 8 f . 3 Religion u. Mythol. S. 502 „ I n den Tempeln der Stadt Latopolis . . . und der benachbarten Ortschaften . . . fand der widderköpfige Chnum Hauptstätten seines Kultus in seiner ober ägyptischen Auffassung als lokaler Schu mit allen Eigenschaften, welche v o n der Person und dem Wesen desselben unzertrennlich waren". 4 Hymnus A. Z. 60f. = K e e s , Lesebuch S. 20. 5 Hymnus A. Z. 32f. = K e e s , a. a. O. S. 19.
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Sechstes Kapitel. Die Epigonen
dem) ihren Nasenlöchern Leben (d. h. Luft) gegeben. Auch hat er die Schlangen in ihren Höhlen geschaffen . . . Menschen, Kleinvieh, Vögel, Fische, Schlangen und Skorpione, alle sind das Werk seiner Hände." Das ist dieselbe intim alle Einzelheiten der Schöpfung betrachtende Art, die ihre höchste Steigerung in dem Atonhymnus Amenophis' IV. fand. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, daß literarische Werke der Herakleopolitenzeit hierbei als Vorbilder dienen konnten, die jenen viel jüngeren Sonnenliedern des NR an Gefühlswärme und Innerlichkeit nicht nachstehen1. „Versorgt sind die Menschen, die Herde Gottes. Er hat Himmel und Erde nach ihrem Wunsche gemacht, er hat die Gier nach Wasser beseitigt, er hat die Luft gemacht, damit ihre Nasen leben. Sie sind seine Abbilder, die aus seinen Gliedern hervorgingen. Er geht am Himmel auf nach ihrem Wunsch, er hat die Kräuter für sie geschaffen, Kleinvieh, Vögel und Fische, sie zu ernähren . . . Er gibt Licht nach ihrem Wunsch und er gibt Schlaf, bis man es wiedersieht." So heißt es in einem herrlichen in der Lehre für den Herakleopolitenkönig Merikere überlieferten Spruch. Er nannte absichtlich keinen bestimmten Gott, wenn auch das Vorbild unverkennbar der Sonnengott in der heliopolitanischen Auffassung des AR ist. Aber man wollte das Wesen jedes Gottes damit zeichnen2. Das ist als zeitlicher Markstein für die gedankliche Durchbildung einer universalen Gottesfassung wichtig. Weiterhin bezeichnet auch das sog. „Kuhbuch", eine Mythensammlung, die nach Inhalt und Abstimmung gewissen Sargtexten aus Hermopolis ähnelt, also ebenfalls in die Herakleopolitenzeit zurückreichen dürfte, den Chnum als „Seele (Bai) des Schu" 3 . Anscheinend war also auch für die Durchbildung der Tempellehre von Esne die Feudalzeit entscheidend. Diese Beobachtung stimmt mit unseren früheren Feststellungen über führende Göttersysteme in der oberägyptischen Provinz überein. Mit einigen Worten sei noch des dritten Gliedes des Götterkreises von Esne gedacht. Als Band des Chnum und einer der Göttinnen erscheint kein Lokalgött, sondern IJike „der Zau1 Lehre für Merikere (Pap. Petersburg 1116 A ed. G o l e n i s c h e f f ) Z. 130f. = K e e s , Lesebuch S. 44. 2 S. o. S. 273. 8 S. o. S. 160.
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ber" 1 , also ein Gott des Personifikationstyps, den wir allerdings im NR im memphitisch-heliopolitanischen Bereich z. B. auf der Sphinxstele Thutmosis' IV. ebenfalls als Lokalgottheit auftreten sehen2. Vielleicht ist der latopolitische IJike neben der ebenfalls unterägyptischen Neith aus dem memphitischen Kreis übernommen worden. Auch dieses Götterkind tritt in Esne in einer synkretistischen Vielgestaltigkeit auf, die der Allmacht des „Zaubers" alle Ehre macht. Mit Rücksicht auf die in der ganzen Nachbarschaft von Esne, vor allem in Gebelen (Krokodilopolis-Pathyris) altheimischen Krokodilkulte nimmt das Götterkind mitunter K r o k o d i l g e s t a l t an. Das schien um so passender, als aus den kulttopographischen Gegebenheiten des mittleren und westlichen Deltas heraus die Neith schon in den Pyramidentexten als Mutter des Suchos galt 3 . Um die von den benachbarten Horuskultorten, vor allem von Edfu, gewünschte Verfemung der Krokodilkulte hat man sich also in Esne ebensowenig gekümmert wie in Kom Ombo! Wie Suchos-Re in Kom Ombo erscheint das Götterkind in Esne als neugeborene Sonne, oder es erhielt nach Vorbild des heliopolitanischen Schu von Leontopolis und ähnlich dem Haroeris in Kom Ombo die Gestalt eines Löwen, was wiederum zur Löwin Menhjt in Esne gut paßte 4. Will man aus der synkretistischen Lehre vom Chnum in Esne einen Unterschied gegenüber der Lehre über seine Artgenossen Harsaphes von Herakleopolis, Chnum von Hypsele und den Widder von Mendes herauslesen, so könnte man ihn darin erkennen, daß die drei anderen Systeme den Widdergott neben der einheitlichen solaren Übermalung seit der Feudalzeit, in Mendes wohl sogar noch früher, auf die konkurrierende Gestalt des Osiris als erdhaften Fruchtbarkeitsgott ausrichteten. Demgegenüber blieb dei Einfluß des Osiris in der ganzen oberen Thebais, also auch in Esne, bis in recht späte Zeiten hinab im Verhältnis zu den Einflüssen der heliopolitanischen und hermopolitanischen Lehren auffallend gering. 1 B r u g s c h , Religion u. Mythol. S. 351f. B a d a w i , Chnum S. 33. 2 K e e s , ÄZ 65 S. 83f. S. o. S. 229. 8 Suchos, Sohn der Neith, Pyr. 489. 510. Zur Verbindung SuchosNeith, die auch im Fajüm auftritt, vgl. meinen Art. Suchos Sp. 556/7. Auch Sachmet heißt in Karnak im N B gelegentlich als Sachmet-Neith „Sachmet, die erste der weiblichen Krokodile" a. a. O. Sp. 557 Abs. 3. 4 Er heißt in Esne Twtw, die Bedeutung ist unklar vgl. Äg. Wb. V S. 260.
Ausklang Es könnte bei Beobachtung der bisher gezeichneten Entwicklungslinie des ägyptischen Gottesglaubens in der Spätzeit den Anschein gewinnen, als hätte er so an innerer Einheitlichkeit gewonnen, daß es nur eine Frage der Zeit war, wann unter der Führung des Osirisglaubens eine neue allägyptische Gemeinsamkeit entstehen würde. Aber wir haben hier nur den Weg des gelehrten Denkens des priesterlichen Standes vor uns. Dem steht eine religiöse Bewegung mit völlig anderen Zielen gegenüber. Was Osiris und Isis einten, drohte die steigende Hervorhebung der Volkskulte insbesondere der Tierkulte im Land zu trennen, und zwar in einer während der geschichtlichen Zeit Ägyptens unerhörten Schärfe. Petosiris, der kluge Thotpriester aus Hermopolis, bemerkt über das Elend im Lande zur Zeit der makedonischen Eroberung1: „Das Land war in Verwirrung und der Norden in Aufruhr; die Menschen gingen in Parteien auseinander." Das klingt wie eine Schilderung der Zustände bei Zusammenbruch des Alten Reiches! Dieser schwindende Gemeinschaftsgeist wird nicht auf das Politische allein beschränkt geblieben sein. Die Rückwendung des Volkes zu den alten Tierkulten erscheint in den heutigen Darstellungen der Religion dieser Zeit, ebenso wie das gleichzeitige bewußte Archaisieren, in sehr ungünstigem Lichte. Wer allerdings, wie E r man, völlig in dem Geschichtsbild eines ständigen Fortschritts der Menschheit zu höherer Gesittung und wahrer Humanität lebte, konnte in dieser eigenwilligen „Renaissance" des Ägyptertums „nur da« gewollte Zurückkehren zu einer längst überholten Stufe der Bildung" sehen und sie als „eine traurige Erscheinung" werten2. Aber 1 L e f e b v r e , Tombeau de Petosiris Text Nr. 81 Z. 31 = Annal, du Serv. 21 S. 227. Wörtlich bildhaft: „jeder den Kopf in entgegengesetzter Richtung" (hni, geschrieben mit dem Bild des Doppelstiers s. o. S. 22 Anm. 3). 2 E r m a n , Religion der Ägypter S. 321.
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auch die meisten Geschichtsschreiber Ägyptens, am ausgesprochensten vielleicht H. R. Hall, heben nur die dunklen Seiten der Spätzeit heraus1. Trotzdem mußte Erman zugeben: „Aus dieser Rückkehr zu dem alten Ägyptertum gewinnt auch die Religion neue Kraft und sie durchdringt das Leben des Volkes in einer Weise wie nie zuvor." Auch rein geschichtlich betrachtet, war die ägyptische Spätzeit, soweit nicht ihre Leistung von auswärtigen Mächten, hauptsächlich den Persern, gehindert wurde, eine Periode voll glänzender Leistungen. Der Einsatz der neuen Kräfte muß sich also gelohnt haben! Bei dem neuen Aufstieg der Tiergottheiten muß man überdies berücksichtigen, daß keine der großen Universalgottheiten Ägyptens, selbst das System des Amun nicht, auf die Veranschaulichung des Gottes in einer Tiergestalt verzichtet hatte, sowenig die ägyptische Schrift die Hilfe figürlicher Wortzeichen entbehren wollte. Deshalb verteidigt die in einer Handschrift aus der 22. Dynastie erhaltene Weisheitslehre des Ani den Bilderkult mit den Worten „Er (Gott) zeigt seine Kraft in unzähligen Gestalten . . . Der Gott dieses Landes ist (zwar) die Sonne am Horizont, aber seine Abbilder sind auf Erden"2. Gleichwohl kann nicht geleugnet werden, daß das Endergebnis der religiösen Entwicklung, das insbesondere zur Römerzeit den fremden Herren als unerfreuliche Erscheinung des Volkscharakters auffiel, erbitterte Streitigkeiten und „ewiger Haß" (Juvenal) zwischen Nachbarn infolge abweichender Kultvorschriften waren. Die Steigerung des Tierkultes zu allgemeiner Heilighaltung einer ganzen Tiergattung, die die Griechen zur unterscheidenden Benennung einer großen Anzahl Städte als Lykonpolis, Latonpolis, Oxyrynchos u. ä. veranlaßte, säte dauernden Unfrieden ins Land3. Ein listiger Grieche konnte angesichts solcher Beobachtungen die Frage aufwerfen, ob nicht ein schlauer ägyptischer König die Verschiedenheit der Ortskulte dem Volke zugeteilt 1 H. R. H a l l , Anc. History of the Near East (5. Aufl. 1920) S. 518. 529; derselbe in Cambridge Anc. History I I I S. 307. 310 u. a. Gegen diese Übertreibung habe ich bereits G G A 1926 S. 425f. und in meiner Kulturgeschichte S. 336f. Stellung genommen. 2 Ani 7, 16, schon oben S. 387 Anm. 5 angeführt als Widerspruch gegen die Lehre vom körperlosen Aton der Amarnazeit. 8 Juvenal. Sat. X V 33/38 „quod numina vicinorum odit uterque locus, cum solos credat habendos esse deos, quos ipse colit".
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hätte, damit sich das uneinige Land leichter beherrschen ließe1. Der Erfolg habe ihm recht gegeben, „denn alle aneinander grenzenden Landschaften seien uneinig, weil jede Anstoß an der Verletzung ihrer vorerwähnten Gebräuche nähme." „So wurden die Menschen unvermerkt in die Feindschaft der Tiere hineingezogen2." Daß diese Schilderungen nicht übertrieben sind, zeigt die Tatsache, daß man zur Römerzeit mit Rücksicht auf bestimmte Fischkulte die Ältesten der Fischergilde zweier Fajümdörfer amtlich schwören ließ, keine idooÄa •decov o£vqvv%cov xal 3 astziölütojv zu fangen ! Man kann sich vorstellen, wie tief die Überspannung der Tierkulte bis in alltäglichste Handlungen hemmend und aufreizend eingriff, zumal sie örtlich so verschieden behandelt sein wollte. Unter Ptolemaios Auletes (um 59 v. Chr.) wurde in Ägypten sogar ein Römer vom Volk erschlagen, weil er versehentlich eine K a t z e getötet hatte4. Das sind die „unzähligen Gebräuche", deren Beachtung die Fremden im Lande staunend vermerkten6. Ganz gewiß mußte es einem Griechen „höchst auffallend" (Diodor) vorkommen, wenn, wie wir bereits bei der Lehre von Kom Ombo erwähnten, die Ombiten ihren Krokodilkult bis zur Seligpreisung der vom Krokodil Verschlungenen steigerten6, oder wenn ein wahrhaft frommer Manü nicht zufrieden mit den alten Haupttugenden, die durchaus auf das wirkliche Leben ausgerichtet waren, seine besondere Vortrefflichkeit darin sah7: „Ich überließ Brot dem Hungrigen, Wasser dem Durstigen, Kleider dem Nackten8; ich gab Speise für lebende I b i s s e , 1 Diod. I 89 nach Hekat. Abd. ebenso Plutarch de Iside 72. 2 Plutarch de Iside 72 gelegentlich der Erzählung von dem blutigen Zwist zwischen den Leuten von Kynopolis und Oxyrynchos, der entbrannte, weil die Kynopoliten den Oxyrynchosfisch aßen, und die Oxyrynchiten aus Rache dafür mehrere Hunde schlachteten. 8 P S J V I I I 901 (46 n. Chr.) vgl. zum Fischkult oben S. 67. 4 Diod. I 83. 5 So schon Herodot I I 37 für die Priester. 6 S. o. S. 435. Weitere anschauliche Tatsachen bei A. E r m a n , Religion der 'Ägypter S. 322f. 7 W r e s z i n s k i , Ägypt. Inschr. Wien. Hofmus. S. 87 vgl. K e e s , Kulturgeschichte S. 334. 8 Bis hierin entspricht die Aufzählung den seit AR als vorbildlich geltenden guten Taten.
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P a l k e n , K a t z e n und Hunde 1 ." Solcher Art waren die „weitaus frömmsten von allen Menschen", wie sie Herodo't zur Perserzeit in Ägypten erlebte2. Dabei gediehen auch die schwarzen Künste, die wilden Seitentriebe der Religion, Magie und A b e r g l a u b e n , und beeinflußten in einem früher unbekannten Ausmaß das gesamte Denken des Volkes. Die Vorbilder der Ägypter sind nicht mehr wie einst die großen Staatsmänner und Vezire, die in der Bewährung eines langen Lebens Erfahrungen gesammelt und ihre geistige Überlegenheit bewiesen hatten, sondern die Helden der späten Legenden sind große Zauberer und Beschwörer, dazu natürlich Heilkünstler. So schildert man jetzt Imhotep, so auch Chaemwäset, den Sohn Ramses- II. und Hohenpriester von Memphis, selbst ägyptische Könige der Spätzeit 3 ! Auf sie wurde dann mit Vorliebe die „hermetische" Literatur Ägyptens zurückgeführt. In den Häusern, und zum Nutzen der Vorübergehenden im.Nekropolengebiet oder sonst auf heiligem Boden, stellte man allerlei Stelen und kleine Götterbilder auf, die magische Heilsprüche gegen Krankheit und giftige Tiere trugen4. Seltsam zusammengesetzte Götterbilder wurden daraufgesetzt, je abstruser, desto besser; denn je mehr man göttliche Einzeige-stalten hineinpackte, um so machtvoller wirkt das Wesen6. Was man dabei auswählte und wie man es begründete, ist eigentlich kaum mehr wesentlich. Die Systematik des Synkretismus endet hier in Systemlosigkeit. Die Bevorzugung der Tierkulte ist nicht ausschließlich eine Wendung zum „Primitiven". Die Tiergötter enthielten genug Kräfte, mit denen sie der Synkretismus aus den Lehren der uni1 Rein literarisch zu bewerten sind ähnliche Anspielungen in der Grabinschrift eines Gaufürsten der Herakleopolitenzeit Urk. I 79 : „ich sättigte sogar die Wölfe des Giebels u n d die Weihen des Himmels." 2 Herod. I I 37. Über fromme Stiftungen für die heiligen Tiere Diod. I 83. 8 Vgl. S p i e g e l b e r g , Die demotische Literatur ZDMG 85 S. 147f. insbes. S. 158f. Eine griechische Lebensgeschichte von den Wundertaten des Imuthes-Asklepios aus dem 2. Jh. n. Chr. Pap. Oxyr. X I 1381, vgl. S c h u b a r t , Einführung in die Papyruskunde S. 167f. 4 L a c a u , Les statues guérisseuses Mon. Piot 26 (1922); vgl. D a r e s s y , Annal, du Serv. 18 S. 113f.; 19 S. 66f. (Statue eines „Teos, des Retters" aus Athribis u m 320 v. Chr.). 5 E r m a n , Religion der Ägypter S. 309/310 vgl. oben S. 159.
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versalen Götter ausgestattet hatte. Aber ihnen voraus besaßen sie echte Volkstümlichkeit. Was dies in Zeiten des Niedergangs der Staatsgewalt bedeutete, zeichnete sich schon in der Ramessidenzeit schicksalhaft ab 1 . Das Verhängnis der letzten Entwicklung des religiösen Lebens lag wohl darin, daß Theologie und Glaube getrennte Wege gehen mußten. Der ägyptische Staatsgedanke des geschichtlichen Einheitsreiches hatte als einigendes Band durch das Vorbild des Gottkönigtums den religiösen Synkretismus vorgeschrieben, um die urzeitliche Zersplitterung der Kulte zu überbrücken und auch vom Glaubensmäßigen her den Einheitsgedanken zu stärken. Diesen geschichtlichen Auftrag hatten die großen Systeme von Heliopolis bis zum thebanischen Amun in ihrer Weise erfüllt. Mit dem Untergang des Nationalstaates mußte diese Zielsetzung ihren tiefsten Sinn verlieren. Die prächtigen Tempel, die griechische und römische Fremdherrscher in ägyptischer Maske als Pharaonen errichteten, besaßen offenbar nicht mehr die innere Werbekraft ihrer älteren Vorbilder. Ihre „Gottesdiener" waren ein abgesonderter Stand geworden, den keine persönlichen Bande mehr mit dem Königshaus, mit den Beamten und dem Heer verknüpften. An Stelle alten geistlichen Ruhms war das rein fiskalische Prinzip einer Einteilung der Tempel in solche erster, zweiter und dritter Klasse, die ihre bestimmten Rechte besaßen, getreten2. Die pantheistische Lehre der örtlichen Systeme endete als gelehrtes Spiel, aus zweckgebundener Lebendigkeit der alten Ortsgötter wird ein leeres Philosophieren, ein zielloses Mühen um Begriffe als Selbstzweck. Der Glaube aber flüchtete zum Mystischen in Aberglauben und Magie. Hier bereitete sich der Boden für die Sektiererei und den verbohrten Fanatismus enttäuschter Geister. So fiel das führerlose Volk in die urzeitliche Zersplitterung auseinander: Gaue und Dörfer standen 1 S. o. S. 383f. 2 Tempel erster und zweiter Ordnung nennt das Dekret von Kanobos Urk. I I 147. Berufung auf Sonderrechte einzelner Tempel bereits im Prozeß des Peteöse aus der Saitenzeit, demot. Rylands Pap. Nr. 9. K e e s , Kulturgeschichte S. 258f. Die dort genannten „großen Häuser" entsprechen offenbar dem griechischen Begriff eines leQÖv Aoyi/iov vgl. auch W. O t t o , Priester und Tempel im heilenist. Ägypten I S. 12f. (mit Nachtrag).
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wieder gegeneinander 1 . Aber ein grundsätzlicher Unterschied fällt gerade bei dem Tierkult auf: Die alte Zeit stand dem Tier unbefangen gegenüber. Man jagte den Löwen, das Nilpferd, das Krokodil und den Wildstier, aber gleichzeitig verehrte man sie, weil man ihre Kräfte kannte. Die Spätzeit findet hier keinen Ausgleich mehr. An dieser Verengung sind wohl auch ernstgemeinte Versuche einzelner Ägypter hohen Ranges, mit den fremden Dynastien zu einem Ausgleich zu kommen, gescheitert. An solchen hat es nicht gefehlt2. Selbst unter der allgemein verhaßten Perserherrschaft versuchte ein Mann aus Sais Udjahorresnet, ermuntert durch den in Glaubenssachen toleranten König Darius, die ägyptische Gelehrsamkeit durch Neubegründung der berühmten Ärzteschule in Sais zu fördern3. Am Anfang der Ptolemäerzeit tritt uns in Hermopolis der schon genannte Petosiris entgegen, der in seinem berühmten Grab seine Lebensgrundsätze und sein Glaubensbekenntnis aufgezeichnet hat4, dann Manetho von Sebennytos, der mit dem Ptolemäerkönig den neuen Sarapiskult einführen sollte. Aber auch dieser letzte Versuch auf synkretistischer Grundlage und unter weitgehender Rücksichtnahme auf die Anhänglichkeit des Volkes an den memphitischen Apiskult schlug fehl bzw. blieb eine Angelegenheit, die bestenfalls einige Gebildete fesselte. Selbst für die Bevölkerung in der rassisch so gemischten Großstadt Memphis blieb der Apisstier, was er gewesen war: das heilige Tier, das Orakel gab und das die geheimnisvolle Kraft des Allgottes Osiris schon als „lebender Apis" besaß; Zu seiner Bestattung steuerte das ganze Land bei. Was die Griechen in Alexandria daraus machten, interessierte keinen Ägypter. Als später die ägyptischen Priester dem schwächer werdenden Königtum die Krönung im Ptahtempel durch den memphitischen Hohenpriester abgetrotzt hatten 6 , erlosch 1 Für die christlichen Jahrhunderte Ägyptens sind die zahllosen Sekten, die wir aus der christlichen Ketzergeschichte kennen, charakteristisch. 2 Vgl. zum folgenden K e e s , Kulturgeschichte S. 337f. 3 S c h ä f e r , ÄZ 37 S. 72f. vgl. K e e s a. a. O. S. 307. 4 Eine gute Zusammenfassung A. E r m a n , Religion der Ägypter S. 340f. 5 A m 1. Paophi des 6. Jahres des Ptol. IV. Philopator versammelten sich die ägyptischen Priester zum erstenmal in Memphis zum Empfang des aus Syrien siegreich heimkehrenden Königs (Dekrete von Pithom Kees, Götterglaube 29
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auf Seiten des Ägyptertums vollends jede Neigung zur Verständigung in religiösen Fragen. Die Römer machten gar nicht erst den Versuch dazu. Rom blieb dem Ägyptertum völlig fremd, es behandelte die religiösen Dinge einzig vom fiskalischen Standpunkt einer Ordnung nach den Erfordernissen des Reiches. Trotz ihres anscheinenden Rückfalles in das Denken längst überlebter Geschichtsperioden, trotz der „Primitivität" der Naturkulte, die nicht nur Tiere, sondern sogar den heilsamen Lauch und die Zwiebel als „heilig" verehrten, hat die ägyptische Religion auf die Fremden stark eingewirkt. Wohl spottete die Aufgeklärtheit über solch heilige Einfalt: „ 0 sanctas gentes, quibus haec nascuntur in hortis numina" (Juvenal. Sat. XV 30/31), und auch die christlichen Landprediger wetterten dagegen : „Manchmal haben sie sich nicht entblödet, die Bäume und die Laucharten und die Zwiebel anzubeten, ebenso wie die Blasen, die Winde des Bauches1." Aber gerade die scheinbar so paradoxe Vereinigung von äußerlich Primitivem mit dem geheimnisvollen Schleier der Mysterien, jener inneren Deutung der Theologie, wie wir sie kennengelernt haben, hat die Aufgeklärten dieser Zeit ergriffen. Im gleichen Sinne schildert W. Schubart den Einfluß des Apiskultes2: „Vielleicht wirkte auf die Hellenen, in deren Kreisen eine zweifelnde Weltlichkeit und eine naturwissenschaftlich kühle Denkrichtung sich weit ausbreiteten, gerade der äußerste Gegensatz, das Geheimnisvolle und Wunderbare in seiner rücksichtslosesten Ausprägung, denn hier kam alles Bedenken zum Schweigen vor der Gegenwart eines seltsam gezeichneten Stieres, den man glauben mußte, wenn man nicht den Mut fand, ihn für eine widerlich geschmacklose Gotteslästerung zu erklären. Menschen, die innerlich ihren Halt verloren haben und nirgends mehr einen festen Punkt finden, bringen am ehesten das völlige Opfer des Verstandes." Die Auseinandersetzung des ägyptischen Glaubens mit griechischem Geist darzustellen, liegt nicht im Bereich meiner Aufgabe. Aber ich habe das Wort hierher gesetzt, weil es in einem und Athribis).Ptol. V. Epiphanes wurde als erster Ptolemäer im 9. Jahre in Memphis im Ptahtempel gekrönt (Rosettana) vgl. meinen Art. Memphis in Pauly-Wissowa R E Sp. 666. 1 Z o é g a , Catal. cod. copt. 63 vgl. J a c o b y , Religio pelusiaca Ree. de trav. 34 S. 9f. und oben S. 92. 2 Ägypten von Alexander bis auf Mohammed S. 258.
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wesentlichen Punkt auch für das damalige Ägyptertum gilt. Auch dieses gehörte auf Grund der bitteren Enttäuschungen, die ihm sein „Aufklärungszeitalter", das weltaufgeschlossene NR, beschert hatte, zu den unsicher gewordenen Menschen. Man klammerte sich nun mit einer bis dahin unerhörten Inbrunst an das letzte nationale Erbe des Landes, die alten Götter der Heimat. Das unterdrückte und wirtschaftlich ausgepreßte Volk vertröstete man mit Betrachtungen über die Genügsamkeit: „Besser ist Armut in der Hand Gottes, als Reichtum im Speicher ; besser ist Brot, wenn das Herz vergnügt ist, als Reichtum mit Kummer 1 ." Das klingt noch halbwegs an alte Lebensweisheit an, aber eindeutiger wirkt dann das Auftreten des bekannten Gleichnisses vom reichen und armen Mann, der die Seligkeit erlangt, in der demotischen Literatur 2 . Zu solchem dem alten Ägyptertum ganz fernliegenden pessimistischen Asketentum paßt die Anekdote, die Plutarch unter dem Namen des Saitenkönigs Tefnachtos erfahren hat 3 : Als derselbe auf einem Feldzug nach Syrien das einfache Leben schätzen gelernt hatte, verfluchte er auf einem Denkstein öffentlich den König Menes4 („Meinis"), weil er die Ägypter von der einfachen Lebensweise abgebracht hätte! Wie peinlich sich das ägyptische Volkstum unter der jahrhundertelangen Bedrückung durch die Fremdherrschaft verengt und eingesponnen hatte, zeigt uns die Gedankenwelt des Koptentums mit grausamer Deutlichkeit5: Sprachform, Wortschatz, Geisteswelt, kulturelle Bedürfnisse, alles ist armselig und beschränkt geworden. 1 Amenemopet 9, 7—8; ähnlich 16, 11—14. 2 G r e ß m a n n , Vom reichen Mann und armen Lazarus. Abh. Berl. Akad..1918 vgl. S p i e g e l b e r g , ZDMG 85 S. 160. 3 Plutarch de Iside 8. 4 Also den Reichseiniger! 5 Ich verweise auch hier auf W. S c h u b a r t , Ägypten von Alexander dem Großen bis auf Mohammed S. 358f.; dort heißt es S. 362 „Die ungeheure Einseitigkeit, Beschränktheit und Verbohrtheit dieses koptischen Christentums stammt aus seiner Heimat, daher auch seine besinnungslose Stoßkraft und seine folgenreichste Wirkung . . . das Kloster".
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Zeittafel Vorgeschichtliche Zeit Vor 4000 v. Chr.: In Oberägypten Kulturschichten von Tasa, Badari. In Unterägypten die von Merimde (Westdelta). Etwa 1. Hälfte des 4. Jahrtausends: 1. N e g a d a z e i t in Oberägypten. Zentrum in der Thebais zwischen Ombos (Seth) und Abydos („Amratian"). Zeit der Gaustaaten und Gaugötter, die in Wechsel vollen Kämpfen um die Vorherrschaft ringen (Gauverbände). Um 3500 v . Chr.: Jüngere (2.) N e g a d a z e i t . Zentrum in Mittelägypten („Gerzean"). Kultureller Ausgleich von der Deltaspitze (Tura) bis zur nubischen Grenze. I m Bereich von Heliopolis die bäuerliche Meädikultur. In Oberägypten erhält der Horus-König von Hierakonpolis die Führung. In Unterägypten: Westdeltareich mit Sals (Neith) und Buto (Uto). Ostdeltareich unter dem Gaugott Anedjti von Busiris (Osiris).
Thinitenzeit Etwa 3158 v. Chr.: Reichseinigung. Endsieg des oberägyptischen Königtums von Hierakonpolis (weiße Krone) unter Narmer und Menes über das Westdeltareich von Buto (rote Krone). B e g i n n der
„Horuszeit"
Etwa 3158—2740 v. Chr.: 1. Dynastie. Menes-Athothis. Usaphais. Königsgräber bei Abydos (seit Athothis). Gründung von Memphis (Gott Ptah): Sitz des Statthalters von Unterägypten. 2. Dynastie. Innere Kämpfe. Erstarken des Nordens (Heliopolis und Memphis). Chasechemui.
Altes Reich Um 2740 v. Chr.: 3. Dynastie. Verlegung der Residenz unter Djoser nach Memphis. Imhotep, Hoherpriester von Heliopolis. Beginn der „heliopolitanischen Zeit". Die Neunheit von Heliopolis. Etwa 2684—2560 v. Chr.: 4. Dynastie. Die Pyramidenerbauer Snefru (Medum und Daschur)-Cheops. Chephren-Mykerinos (Gise). Ausbreitung des heliopolitanischen Rekultes (Harachte). Etwa 2560—2420 v. Chr.: 5. Dynastie, aus Heliopolis 1 Userkaf-SahureNeferirkere. Neuserre. Asosi. Staatskult des Rö-Harachte. Sonnenheiligtümer bei Memphis. •Etwa 2420—2270 v. Chr.: 6. Dynastie. Onnos-Teti-Phiops I . Aufzeichnung der Pyramidentexte. Erstarken der oberägyptischen Pro-
Zeittafel
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vinzstädte und ihrer Götter (Hathor von Dendera). Ausbreitung des Osiriskultes über Memphis (Sokar) nach Oberägypten (Abydos). Die lange Regierung Phiops' I I . endet im Zusammenbruch. Herakleopolitenzeit Etwa 2240—2060 v. Chr.: Innere Wirren (Gaustaaten). Blüte des Feudalismus (Hermopolis: Thot). Lokale Dynastien in Koptos (Min) und Memphis (8. Dynastie). 9.-—10. Dynastie: H e r a k l e o p o l i t e n (Ortsgott Harsaphes). Assiüt wichtiger Stützpunkt. Etwa 2060 v. Chr.: Einigung durch den Sieg des thebanischen Fürstengeschlechtes der Antef und Menthuhotep (11. Dynastie) aus Hermonthis (Ortsgott Month). Einführung des Amunkultes nach Karnak. Mittleres
Reich
1995—1788 v. Chr.: 12. Dynastie. Die Amenemhet und Sesostris. Residenz bei Lischt nördl. Memphis. Erschließung des Fajüm (Landschaftsgott Suchos). Ende der Feudalherrschaften in Oberägypten (Sesostris I I I . ) . Seit 1788 v. Chr.: 13. Dynastie. Allmählicher Verfall. Residenz zeitweilig Theben oder Memphis. Etwa 1730—1580 v. Chr.: Fremdherrschaft der asiatischen Hyksos vom Delta aus. Sethkult von Avaris (Tanis). Befreiung Ägyptens unter Führung der Thebais (17. Dynastie): Sekenenre. Kamose. Amun als Schutzgott des Königshauses. Neues
Reich
1580 bis etwa 1320 v. Chr.: 18. Dynastie. Ahmose, der Dynastiegründer. Seine Schwestergemahlin Ahmes-Nefretere, die Mutter Amenophis' I. Die künftige Königin als „Gottesgemahlin" des Amun. Residenz: Theben. Größte Ausdehnung des Weltreiches von Napata bis zum Euphrat unter Thutmosis I I I . — Amenophis I I . Memphis Hauptgarnison und Residenz des Kronprinzen. Verwaltungsreform (2 Vezirate). Uin 1410 v. Chr.: Unter Thutmosis IV. beginnende Spannungen mit der Amonspriesterschaft. Amenophis I I I . und Königin Teje: Aufkommen der Atonsekte (Hermonthis). 1370—1352 v. Chr.: Amenophis IV. (Echnaton): Atonreform, Verfolgung des Amun. Teil Amarna wird neue Hauptstadt. Um 1350 v. Chr.: Restitution unter Tutanchamun und dem Reichsverweser Haremheb (Sitz Memphis). 1319—1085 v. Chr.: 19.—20. Dynastie: R a m e s s i d e n (aus dem Delta). Hau^gott Seth. Blüte unter Sethos I.-—Ramses I I . Ausbau von Tanis als „Ramsesstadt" zur zweiten Hauptstadt. Neue Blüte von Memphis (Prinz Chaemwaset als Hoherpriester): Stadt der Sedfeste. Ramses I I I . (um 1180) der letzte große Tempelerbauer in Theben: Totentempel von Medinet Habu.
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Zeittafel
Übergang
zur
Spätzeit
1085—945 v. Chr.: 21. Dynastie. Zerfall Ägyptens: Thebals Gottesstaat unter Amonspriester (Herihor), selbständige Könige in Tanis (Delta). 945—718 v. Chr.: Ägypten unter der Herrschaft libyscher Stammesführer (Bubastiden. 22.—-23. Dynastie). Unterägypten wird Vormacht (Bubastis, Ortsgöttin Bastet). Herakleopolis magna (Ehnas) wichtiger Stützpunkt in Mittelägypten (geistliches Fürstentum).
Spätzeit Etwa 720—663 v. Chr.: Äthiopen von Napata ausgehend (25. Dynastie: Pianchi um 720) und Assyrer kämpfen um die Herrschaft in Ägypten. Amonsorthodoxie der Äthiopen. Als Gegner unterägyptische meist libysche Kleinkönige: Tefnachte. Bokchoris von Sai's (24. Dynastie). 663—525 v. Chr.: 26. Dynastie: S a i t e n . Renaissance und neue Blüte bes. der Deltastädte. Psametich I. Apries-Amasis. Memphis wieder Hauptstadt. Weiterer Aufschwung des Osirisglaubens. Perserzeit 525 v. Chr.: 27. Dynastie: Kambyses erobert Ägypten. Zerstörung der Tempel. Tolerante Politik Darras* I. 404—341 v. Chr.: 28.—-30. Dynastie. Unterägyptische Militärkönige. Ägypten zeitweise von der Perserherrschaft frei. Beginn der Tempelbauten auf Philae. Seth allgemeiner Götterfeind. 358—341 v. Chr.: Nechtarebes (Nektanebos II.) aus dem Gau von Sebennytos, der letzte nationale König, verliert seine Herrschaft an die Perser. 332 v. Chr.: Alexander d. Gr. erobert Ägypten. Petosiris, Hoherpriester von Hermopolis. Ptolemäerzeit 305—30 v. Chr.: Um 280 v. Chr. der Priester und Geschichtsschreiber Manetho aus Sebennytos an der Einführung des Sarapiskultes beteiligt. i i l v. Chr.: Baubeginn des Horustempels von Edfu. 197 v. Chr.: Ptolemaios V. Epiphanes wird als erster Ptolemäer im Ptahtempel zu Memphis als Pharao gekrönt.
Verzeichnis der Text-Abbildungen Seit«
1. Altertümliche Bilder v o n Tiergottheiten 15 a) Suchos, H a u p t g o t t i m F a j u m , a u s einem Tempelrelief der 12. D y n a s t i e . Berlin 16953 (A. E r m a n , Religion der Ägypt e r Abb. 35). b) Die K u h g ö t t i n Sechat H ö r (Westdelta) a u s einem Tempelrelief der 5. D y n a s t i e (v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I Bl. 6 N r . 13). c) Die Löwin P a c h e t (Beni H a s a n ) , Schriftzeichen der 12. Dynastie ( N e w b e r r y , Beni H a s a n I I I T a f . 5 N r . 75). d) Die Skorpiongöttin Selket als Schützerin des Königs, a u s einem Relief des Djoser. 3. D y n a s t i e ( Q u i b e l l - F i r t h , T h e s t e p p y r a m i d T a f . 17). 2. D a s Sethtier, Altes Reich ( S e t h e , Urgeschichte S. 72) . . 22 3. U p u a u t m i t Waffengcleit, a u s einem Tempelrelief der 5. Dynastie (v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I I Bl. 1 N r . 102a) 27 4. Die S o n n e n b a r k e auf den Himmelsflügeln ( d a r u n t e r der Königsn a m e ) . E l f e n b e i n k a m m m i t N a m e n des Königs D j e t - A t h o t h i s der 1. D y n a s t i e a u s Abydos ( P e t r i e , T o m b s of t h e Courtiers a n d O x y r y n k h o s [Brit. School of Archaeology in E g y p t . ] Taf. 12, 5) 43 5. Sumpfvögelnester als Götterbilder, R e l i e f b r u c h s t ü c k der 5. D y n a s t i e (v. B i s s i n g - K e e s , R e - H e i l i g t u m I I I Bl. 11 N r . 209) 47 6. Königsbesuch i m H e i l i g t u m v o n B u t o , archaistisches Relief der Spätzeit n a c h a l t e m Vorbild a u s Memphis ( P e t r i e , Memphis I I T a f . 6 [ j e t z t in Kopenhagen]) 51 7. Verschiedene Darstellungen des Osirisgrabes. P t o l e m ä e r / R ö merzeit (Ed. M e y e r , Ä g y p t e n zur Zeit der P y r a m i d e n e r b a u e r A b b 6. — A. E r m a n , Ä g y p t e n u n d ägyptisches Leben im A l t e r t u m 2 A b b . 139 auf S. 308) 88 8. Heliopolitanische Male ( d a r u n t e r J u n u u n d Benben). Aus einem Tempelrelief O s o r k o n s I I . (22. D y n a s t i e ) in B u b a s t i s ( N a r i l l e , F e s t i v a l hall of Osorkon I I . [ E g y p t E x p l o r a t i o n F u n d Memoir 10] T a f . 9, 7—10) 95 9. Altertümliche F e t i s c h e 102 a) Begleiter des Königs. Aus einem Relief des Djoser. 3. D y n a s t i e ( Q u i b e l l - F i r t h , T h e s t e p p y a m i d T a f . 17). b) I m i u t . Aus einem Tempelrelief der 5. D y n a s t i e (v. B i s s i n g - K e e s , R e - H e i l i g t u m I I Bl. 4 N r . I I a ) . c) H a t h o r als K u h . Schriftzeichen der 12. D y n a s t i e ( N e w b e r r y , B e n i H a s a n I I I . Taf. 5 N r . 81).
456
Verzeichnis der Text-Abbildungen
10. Fetisch und Schrein der Seschat von Sals. Aus einem Tempelrelief der 5. Dynastie (v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I Bl. 7 Nr. 17) 11. Seschat als Göttin der Wissenschaft. Aus einem Tempelrelief des Sahur&. 5. Dynastie (A. E r m a n , Religion der Ägypter Abb. 39 auf S. 57) . . . . 12. Der „goldene" Horusfalke mit Königsdiadem. (Aus der Königstitulatur des Snefru. Goldenes Schriftzeichen auf einem Baldachin der Mutter des Königs Cheops in Kairo. 4. Dynastie. Umzeichnung nach Bulletin of the Museum of Fine Arts (Boston). Special Number, Supplement to Vol. X X V [Mai 1927]. Titelseite) 13. Das Fest des weißen Nilpferdes. Relief Thutmosis' I I I . aus Karnak. 18. Dynastie (v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I I S. 30 (Abb. 2)nach P r i s s e d ' A v e n n e s , Monuments Taf. 16, 2) 14. Die geflügelte Sonnenscheibe (nach A. E r m a n , Religion der Ägypter S. 29 Abb. 14)
Seite
108 108
196 213 418
Verzeichnis der Tafelabbildungen I.
Abydosfetisch mit Trabanten. Aus dem Osiristempel Sethos' I . in Abydos. (Nach: M. Calverley-A. H. Gardiner, The Tempie of King Sethos I at Abydos, Bd. I, London 1933, Taf. 11.)
II.
a) Aufrichten des Djedpfeilers. Aus dem Osiristempel Sethos' I . in Abydos. (Nach: Calverley-Gardiner, a . a . O . , Bd. I I I , London 1938, Taf. 8.) b) Osiris-Anedjti und Isis. Aus dem Osiristempel Sethos' I . in Abydos. (Nach: Calverley-Gardiner, a . a . O . , Bd. I I I , Taf. 15.)
III.
a) Sykomorengottheit als Spenderin der Totenopfer. Thebanische Stele der Ramessidenzeit in Kairo. (Nach : Wreszinski, Bericht über die photographische Expedition von Kairo, bis Wadi Haifa, 1927, Taf. 73.) b) Das ägyptische Himmelsbild. Deckenbild im sogenannten Neujahrstempel von Dendera, römische Kaiserzeit. (Nach: Chassinat, Le tempie de Dendera, Bd. IV, Kairo 1935, Taf. 315.)
IV.
a) Statue des Gottes Ptah von Memphis, von Amenophis I I I . einem Heiligtum dieses Gottes in Theben geweiht. (Turin, Soprintendenza per le antichità egizie. Nach E . Scamuzzi, Museo egizio di Torino, Tav. X X X I I I . ) b) Statue der löwenköpfigen Göttin Sachmet, von Amenophis I I I . dem Mut-Tempel in Karnak geweiht. (Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum, Inv.-Nr. 35.) a) Amun-Rè, der thebanische Götterkönig, (z. Zt. Berlin-Charlottenburg, Ägyptisches Museum, Stiftung Preuß. Kulturbesitz) b) Amun-Min vor dem Lattichfeld. Relief am Barkenheiligtum Sesostris' I . in Karnak. (Nach: Annal. du Serv. 30, Taf. 2, fragment du pilier P 4.) c) Der Falke des Horus von Edfu und der Nechbetgeier (El Kab) beiderseits der uräenbewehrten Sonnenscheibe als Schutzgöttin des Königs. Aus einem Pfeilerrelief des Barkenheiligtums Sesostris' I. in Karnak. (Nach : Annal. du Serv 28, Taf. 5; Chevrier.)
V.
VI.
a) Die Göttin Mafdet mit dem Richtgerät. Von einem Alabastergefäß mit Namen des Usaphais, 1. Dynastie, aus Abydos. (Nach: Petrie, The Royal Tombs of the Earliest Dynasties, Teil I I , 1901, Taf. V I I , 7.) b) Oxyrynchusfisch mit Hathorkrone. Bronze der Spätzeit. (Karl-Marx-Universität Leipzig, Fachgruppe Ägyptologie Nr. 999.) c) Krokodilheiligtum auf Nilinsel im Delta. Kalksteinrelief aus der sogenannten Weltkammer im Sonnenheiligtum des
458
VII.
VIII.
IX.
X.
Neuserrê, 5. Dynastie. (Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum, Inv.-Nr. 20039. E . Edel-St. Wenig, Jahreszeitenrçliefs, Berlin 1974, Taf. 15.) a) Month, Gaugott von Theben. Relief der 11. Dynastie aus dem Month-Tempel von E l Tôd. (Sfach: Fouilles de l'Institut français, X V I I , Tôd, 1934/36, Taf. 20.) b) Die Sokarbarke, vom König gezogen. Relief Ramses' I I . im Osiristempel von Abydos. (Nach: J . Capart, Le temple de Séti 1er, Bruxelles, Rossignol & van den Bril, 1912, Taf. 49.) a) Die Schlangengöttin der westlichen Bergspitze. Theben, Denkstein der Ramessidenzeit aus Der el Medine. (Turin, Soprintendenza per le antichità egizie. Nach : Lanzone, Dizionario di mitologia egizia, Taf. 124, 2.) b) Königsgötter der Reichseinigungszeit, sogenannte Städtepalette. (Ägyptisches Museum Kairo. Nach : H. Asselberghs, Chaos en Beheersing, Leiden 1961, Taf. X C I I . ) a) Bes und Thoëria als Schutzgottheiten. Fußbrett von einem Bett, 18. Dynastie. (Ägyptisches Museum Kairo. Nach: J . E . Quibell, Tomb of Y u a a and Thuiu, Cat. gén., Kairo 1908, Taf. X L I . ) b) Harsomtus, als Urschlange emporsteigend. Tempel von Dendera, römische Kaiserzeit. (Nach: Chassinat, a. a. O., Bd. I I , Kairo 1934, Taf. 148.) Der thebanisohe Mondgott Chons. Statue aus Karnak, Zeit des Tutanchamun. (Ägyptisches Museum Kairo.)
Stichwörter (Abkürzungen: G. = Gott, Gn. = Göttin, 0 . = Ort, o. = oberägyptisch, u. = unterägyptisch) Abaton vgl. Bige 321, 337, 349 A. 1, 405, 406 f., 424. Abendland (M\nw), Horns (R6) vom 205 A. 2, 254/55, 432. Abendstern, als Horas von Edfu 147, 423. Abydos, O. im 8. o. Gau 29—31, 62, 96, 138f., 200, 211, 302/3, 325, 329ff., 381, 401/2, 406, 415. — das zweite Heliopolis 179, 336. — Totenfahrt nach 313, 333f., 359. Abydosfisch 65, 70. Achmini, O. im 9. o. Gau 10, 200, 303. — Gauzeichen 106f., 129. Achtheit, von Hermopolis 49, 55, 62, 136, 162, 167, 171, 289, 307f., 345f., 393. — Seelen der 349. Affen 20, 137, 162, 217 A. 6, 305, 424. Ahmes-Nefretere, Königin 117, 358. Akazie, als heiliger Baum 85 A. 3, 86, 88 A. 1, 222, 309 A. 5, 320 A. 6. Alt-Kairo (hrj 'hl) s. Babylon. Teil Amarnä (Achetaton) 231, 372, 374. Amaunet, Gn. 162, 163, 220, 307, 345, 352f. Amenapet, Amun von Luxor 348. — als Ptah-Tatenen 348. Amenophis I . , Kult 117, 358. — Gottesurteil durch 387. Amenophis I I I . , Kult 117 A. 1, 368. Amenophis, Sohn des Hapu, Kult 116, 358, 368, 416 A. 3.
Amonrasonter, Götterkönig 345, 348, 401 A. 5. Amset, Kanopengott, vgl. Dill 92, 167, 285. Amun, Beigötter 138, 346. — Gottesgemahlin des 223, 350, 358, 367. — Hoherpriester des 285, 361 A. 4 366f., 368, 381, 393 A. 3. — Kultorte 17, 345, 350, 391 f. — -Min 91. — Fest des Amun-Min 103, 382. — als Nilgans 361. — Personifikation 109, 150, 162, 307, 345f., 378, 420. — als politischer Gott 363f., 376, 397 f. — als Ptah-Tenen 345, 348, 354, 393. — des Bamses 379, 395. — als Schlange 55, 216, 347, 426. — Standarte 139 A. 1. — als Totengott 359/60, 401. — universaler Gott 4, 172, 396, 401. — Verfolgung unter Amenophis I V . 374. — als Widder 80, 351. — als Ziegenbock 81 A. 3. Anat, Gn. in Tanis 379. Anedjti, Gaugott im 9. u. Gau 110f., 175, 255 A. 7, 256, 336 A. 3, 342. Anti (Antaios) o. Falkengott 41, 165, 172, 327. Antilope vgl. Oryxantilope 25f. — vom Falken verfolgt 42, 183. — als Opfertier 73. Antinoe, O. im 15. o. Gau, Kulte 62, 152, 170, 307, 314, 323. 437—439.
460
Stichwörter
Anubis, G. 27f., 173, 192 A. 3, 207, 217, 246, 280, 286, 298, 325, 326, 357. — Sohn der Baatet 29 A. 5, 83. — Sohn des Osiris, des R e 29 A. 5, 168 A. 4. — Sohn der weißen Kuh 29, 136, 152. — Bestatter des Osiris 30, 112, 185, 265. — als Seele des Osiris 325. — Tochter des 56 A. 1. — Vierheit 168. Anuket, Gn. des Kataraktes 25, 151. Api (Käfer) 421, 422. Apis, Stier in Memphis 76, 77, 78, 136, 155, 193 A. 1, 286, 325, 409 A. 3, 439, 449/50. — Auslauf des (Fest) 74, 296/7. — Bestattung 387f., 449. Apophis, Urschlange 35, 54f., 65, 160, 232 A. 3, 237, 244, 247. Ärzte als Sachmetpriester 8. — als Leiter der Selket 58. — Horns als Arzt 432. Asch (;«), G. von Libyen 23. Ascheru, heiliger See in Karnak 37, 352, 353. Assiüt, O. im 13. o. Gau vgl. Upuaut 28, 152, 191 f., 301, 323. — Name 181, 191 A. 2, 324f. Assuan s. Syene. — Nilquellen bei 218, 317, 408f. 441 A. 2. Atfih, O. im 22. o. Gau 74, 76, 136, 152. Äthiopen, Einfluß auf die Religion 396, 399 f. Athribis, O. im 9. o. Gau 16. — im 10. u. Gau 16, 32 A. 4, 57, 76, 140, 205, 403, 404, 405. Aton, Sonnenscheibe 231, 245, 361, 368, 369, 370f., 383, 387 A. 5, 442. Attribute, göttliche 145.
Atum, Urgott von Heliopolis 61, 87 A. 3, 109, 144, 153, 171, 172, 176, 183, 184, 207, 214ff., 244, 250, 255, 264, 271, 280, 282, 290/1, 312, 326, 327, 329, 345, 348, 434. — als Apis 388. — von der Achtheit geschaffen 311, 347. — als Chepre 61 A. 1, 215f. — Grabstätte des 322. — als Hügel 93, 215f. — als Ichneumon 35. — als unterägyptischer König 176 A. 4. — Name 144, 215, 308. — als Schlange 65, 216, 347. — als untergehende Sonne 81, 236 A. 5, 255, 322, 388, 422/23. Aufstellen von Kultmalen 86, 96f., 270, 295. Augensage vgl. Horusauge, Mondauge, Sonnenauge 10, 34 A. 3, 38, 43, 226, 236f., 253, 265, 288, 292f., 312—314, 317, 335, 353, 419, 421, 429, 430f., 434. Ausland (Asien) als Herrschaftsgebiet des Seth 411, 425. Ausspruch (Hw), Personifikation 144, 163, 180, 228f., 290, 319. — als K a 103 A. 5, 228 A. 2. — als Stier 75. Avaris, O. im Delta 23, 364. Babai, G. 321. Babylon (Alt-Kairo) 20 A. 1, 59, 239, 266, 394, 403 A. 3, 409. Bachstelze 52 A. 1. Bai (Seele) 52, 46f., 85, 87, 89, 145, 157, 158, 159, 247, 277, 321, 407, 410, 437. Bär, großer, Sternbild 129 A. 1, 147, 170 A. 1, 267, 285 A. 4, 321. Baatet, Gn. von Bubastis 9, 29, 82, 135, 137, 147 A. 1, 288, 352, 353 A. 8, 400. — Mutter des Anubis 29.
Stichwörter B a t a , Stiergott in Kynopolis 73. B ä u m e , heilige als Gauzeichen 85, 316, 320. — Gottheiten u n t e r 87f., 139, 286. Bein, als Reliquie 321, 408, 424f., 435. Benben, heiliger Stein, vgl. Obelisk 96f., 130, 215, 2 1 7 f „ 231, 346, 355, 370. Benben, als P a a r 164 f. Bergspitze, westliche, als Gottheit 384. Bes, G. 356 A. 2, 385. Bhd.t s. E d f u 177, 197f., 209, 213 A. 1, 418, 427. Bige, Insel vgl. A b a t o n 266 A. 3, 337, 406. Binsengefilde, im J e n s e i t s 142, 247, 264, 268 A. 5. Bogen (und Pfeile) als Göttergeleit 28 (Abb. 3 auf S. 27), 102, 139. B r a n d o p f e r 11, 25, 72 A. 1. Brüder, Krokodilgötter 160, 170. B r u n n e n , als K u l t s t ä t t e n 84. Bubastis, O. im Ostdelta, F e s t e in 82, 402 A. 2. — Gau 179, 400. — Hoherpriester v o n 8 A. 6, 9, 83 A. 3. — Welse im Tempelteich 69. Buchis, Stier in H e r m o n t h i s vgl. Monthstier 78, 343. Busiris, O. im 9. u. Gau 213, 233, 270, 337, 402 A. 2, 405, 426 A. 1. — Gaugott 110f., 255f. — Osirisgrab bei 89, 258, 265, 406. — heiliger Pfeiler (Dd) 96f., 129f., 165, 295. — T o t e n f a h r t n a c h 330, 333. B u t o , K u l t e 50f. (Abb. 6), 53, 88, 205, 285, 394. — Orakel 386 A. 2. — vorgeschichtliche H a u p t s t a d t eines Westdeltareiches 119, 178, 187, 203, 210, 213, 239, 244, 254,256,284,296,331,402.
461
Chaemwäset, Hoherpriester in Memphis 379, 387, 447. Chembis, Chemmis, heilige S t ä t t e bei B u t o 50, 256, 303 A. 2. Chenoboskion, O. in O b e r ä g y p t e n 17. Chentechtai, K r o k o d i l g o t t aus Athribis, als H o r u s 16, 57, 140, 205, 404. — als Osiris 404. Chepre, U r g o t t , als K ä f e r 60 f., 170, 181, 215f., 252 A. 3, 255, 280, 423. — als Schlange 55, 216 A. 3. Cherti ( H r t j ) , W i d d e r g o t t von Letopolis 79, 269, 280. — als Löwe 79 A. 5, 137. gnä, Doppelstier 22 A. 3, 354 A. 1, 444 A. 1. C h n u m , W i d d e r g o t t von Antinoe 62, 78, 150, 152, 170, 335, 437 f. — Beinamen 176 A. 5. — v o n E l e p h a n t i n e 78, 150, 151, 170, 317, 332, 408, 416, 437, 441. — v o n E s n e 78, 170, 317, 436f. — v o n Hypsele 79, 132, 170, 437. — sonstige K u l t e 78f., 174. — N a m e 173. — als Seele des Geb 253, 437. — als Seele des Schu 160, 437, 442. — S t a b des 139 A. 1. C h o n s , ' t h e b a n i s c h e r Mondgott 102, 109, 138, 148, 291 A. 3, 352, 354f., 384, 416 A. 2, 424/25, 435 A. 6. — H e r z des R e 291 A. 3. Chontamenti, G. v o n Abydos 27, 28, 29, 175, 246, 302, 328, 329f. — als Osiris 142, 268, 280, 325, 329, 405. hrj b'Jc.f, memphitischer G. 86, 88," 172, 286, 327. — als T h o t 174.
462 Christusdorn, heiliger B a u m A. 1, 86, 88.
Stichwörter 86
Damanhur, O. im Nordwestdelta 143 A . 2, 209, 427/28. Dat, im Weltbild 224, 265, 267, 276. Dattelpalme 84, 86. Dedun, nubischer G. 45. Dekansterne s. auch Knumis 405 A . 4. Dendera 8—11, 381, 406, 407 A. 6, 429. — Ersatz für Heliopolis 182, 303, 340. — Gauzeichen (Krokodil) 133. Der el Gebrawi, O. im 12. o. Gau 7. Dill vgl. Amset 92. Dime, Tempel von 153 A. 1. Diospolis parva (Hù), O. im 7. o. Gau 74, 87, 304. — O. im 17. u. Gau 395, 405. Djed, heiliger Pfeiler 9 6 f . , 129, 138, 166, 270. — in Memphis 165, 295. Djème, thebanische Weststadt 322, 347, 349, 381. Doppelgeschlechtlichkeit bei Gottheiten 162fc, 256, 363, 4 3 1 , 4 4 0 . Dreizahl vgl. Triade 149f.. 283 A. 2, 286. Duamutef, Kanopengott 286. Dunkelheit vgl. K u k 144, 160, 224, 234, 247, 248, 292, 307, 373, — Dämonen 66, 103, 244, 269. E b e r (Schwein) 22, 72. Edfu, Horustempel, als Harpunierstätte des Nilpferdes 6, 64, 180, 182, 213, 253, 268 A. 4, 356, 413, 419, 426. — Kulte 59 A. 2, 152. — Namensdeutung 177f., 182, 426/27. — vertritt Oberägypten 198, 209. — Tempellehre 39, 61, 133, 149, 180, 182, 184, 210, 253, 321, 412f., 418ff.
E i , des Urvogels 48, 309, 322, 343, 351. Eileithya, vgl. Nechbet 38, 353. Einauge, Uräusschlange (s. d.) 245f., 312. Einherr (Allschöpfer) 144, 161, 229, 278, 308, 369 A. 2. Einwanderung von Göttern 2, 146, 149, 183, 231, 232, 347, 353, 385, 407, 428, 429, 432, 433. Elephantine, Insel, K u l t e 25 A. 6, 151, 170, 437, 441. E l K a b , O. im 3. o. Gau, Kulte 7, 10, 12 A. 5, 3 6 f . — Menschenopfer in 11. Endlosigkeit, Personifikation (Huh) 144, 160, 171, 216, 221, 307. Epagomenen 259f., 308. Erkennen (äjl), Personifikation 144, 163, 228f., 290. — als K a 103 A. 6, 228 A. 2. Ersatzmotiv (Kultsagen) 182,183, 303, 336, 339, 427. Esel, unheilig 70, 387. — Tier des Seth 72. Esne (Latonpolis), K u l t e 7, 11 A. 6, 170, 436f. Fabeltiere 9, 22, 23, 62, 356 A. 7, 384. F a j ü m , Landschaft, K u l t e 13, 16, 17f., 19, 56, 117, 162, 160, 316, 317f., 409 A. 1, 435. — Siedlungen 122f. Falke, vgl. Horus. — Amulett 122 A. 4. — als Gegner der Antilope 26, 31, 131, 183. — goldener 41, 42, 411. — als Gott von K u s 133, 176, 198, 431, 433. — als Himmelsgott 43, 225f., 231, 243, 271, 340, 346, 418f. — der König als 6 A. 3, 3£f., HO, 189f., 204, 419. — als Mondgott 291 A. 3, 425
Stichwörter Falke als Month 41, 340. — auf Philae 43, 407 f., 410. — Seth als 414. — Schriftzeichen f. Gott 45, 57, 204. — weiblicher 162. Falkengott des 18. o. Gaues 41, 166 A. 1, 172. Falkenpaar, Gauzeichen von Koptos 37, 16t 189, 198f. Farbe, verschiedene eines Gottes 124, 291. — Auslese nach 135 f. Feld, Gn. 90. — Spitze des, Thotheiligtum 309, 440. Feldmark, Herrin der (Nb.t ww) Gn. in Esne 440. Ferne (Sagen) vgl. Einwanderung 9, 10, 11, 25, 38, 43, 245f., 252, 314, 353, 428, 429, 433. Fetischismus (Theorie) 2. Feuerinsel 244, 249, 309/10, 328, 347. Fische, Begleiter der Sonnenbarke 65f., 137. — Kulte 64f., 446. — als Opfergabe 64. — verabscheut als unrein 63 f., 426. Frosch 61 f., 67 A. 1, 144, 167, 307, 440. Fünfheit im Kult 20, 259 A. 2, 308. Gans (Seret), Gn. 137. Gau, personifiziert 163, 164 A. 3, 304 A. 5, 405. Gaufürsten, göttlichen Ursprungs 301, 319. Gaugott 120f., 127f„ 175, 190, 255/56, 301 f. — Wechsel des 128. Gaustaaten 120f., 175, 179, 188, 202, 255/56, 278, 291, 301/2, 317, 319. Gazelle (Dorkas), heilig 26, 258 A. 2.
463
Gazelle, vom Falken verfolgt 42. — als Götterfeind 26, 59. Gazellenland, Tod des Osiris im 258. Geb, Erdgott in Heliopolis 93 A 1, 183, 184, 193, 215, 219f., 226f., 240, 244, 247, 253, 263/64, 280, 289, 326, 339, 380. — in Abydos 151, 336. — Kinder des 169. — Seele des 433. — Suchos als 253 A 5, 435. Gebel Abu Feda 17. Gebelßn (Pathyris) 28, 306 A. 2, 343, 354, 357, 443. Geburt der Götter s. Epagomenen 259f., 308. — des Königs 104, 240, 250, 261, 438f. Geburtshaus, Tempel 385, 440. Geburtshelfergöttin 158, 337, 353, 355, 439f. Geburtsstätte des Urgottes 60, 86 A. 7, 178, 183, 205, 221, 222, 256, 335, 355, 440. — als Vogelnest 47 f., 309, 322. Gefolge eines Gottes 137 f. Gegenhimmel s. Naunet 220, 223, 266 A. 1. Geier, verehrt 147. — als Nechbet 37 f. — als Mut 37, 362. Geierhaube 210 A. 4, 341. Ginsterkatze (Ginetta) 33 Gott, großer 137, 172, 260, 270£f., 294, 331, 418, 424. — der König 252, 277. Götterboten 139, 421. Götterkönige (Urzeit) 187, 248, 251, 279, 380. Göttersynode beim Sedfest 214. Gottesgericht 386f. Gottesland vgl. Punt 43, 148, 183, 232, 247, 273, 410. Gottesschatten 349. Gottesstaat des Amun 391 f., 396, 398, 400.
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Stichwörter
Grab als Kultplatz Verstorbener Höf. Grabstätten von Göttern vgl. Osirisgrab 322, 347, 349. Greif 22, 110. Große, der (Wr) als Göttername 172, 249 A. 5, 260, 269, 271, 289, 290, 434. Gynaikopolites, Gau im Westdelta 395. H\, Personifikation der libyschen Wüste (s. d.) 189, 326. Hacken der Erde 93 A. 1, 95, 318. Hah, Personifikation, als Himmelsträger 226, 311 f., 351, 441. Hand des Gottes, Personifikation 221 f., 326, 350. (RS)-Harachte vgl. Re 142, 150, 194 A. 1, 205, 233f., 245, 249, 255, 269 A. 2, 274f„ 299, 340, 345f., 360f., 370f., 375, 379, 389, 393, 418, 421, 422, 423, 429. — König als Hoherpriester des 370/71. Harim, für Tiergötter 155. — der südliche, Luxortempel 348. Hapi, Kanopengott 167, 285. Haroeris, in der Epagomenensage 259f. — von Kom Ombo 430f. Harpune (Jiinzack) 104f. Harpunengau, 7. u. 105, 189 A. 7, 426 A. 1. Harpunieren (Nilpferd) 5, 6, 10 A. 2, 14, 104, 180, 212, 253, 258, 332 A. 1, 356, 419, 426. Harsaphes, G. von Herakleopolis (Ehnäs) 78, 81, 172, 180, 316ff„ 325, 391, 405, 438, 441, 443. Harsomtus, G. in Dendera 55 A. 6, 151, 304, 429 A. 2, Hase (Häsin) im 15. o. Gau 26, 49, 130, 137, 305 H\.t mhj.t, Gaugöttin von Mendes 64 f., 131, 136.
Hathor, Gn. 7, 145, 151, 336. — von Atfih (22. o. Gau) 13 A. 4, 74. — als Baumgöttin 86f., 139, 211, 222, 286. — von Dendera 8, 73, 82, 86, 149, 151, 182, 302, 303f., 342 A. 4, 348, 406, 410, 429. — Falkin 37. — als Genossin des Sonnengottes 152, 287. — heliopolitanische vgl. Saosis 86, 200, 222. — in El Kab 12 A. 5, 38. — Kopfschmuck 34, 68, 75, 231 A. 1. — von Kusae 74, 85. — von Mddn 326. — Mutter des Horns 10, 37, 75, 210 A. 2, 226, 303, 409. — Papyrusrupfen für 90. — von Pathyris (Gebelen) 354, 357. — als thebanische Tote» öttin 357. — Vielheiten 158, 382, 410 A. 3, 438 A. 2. Hbriw, O. im 16. o. Gau 41, 205, 302/3, 419 A. 3. Hdd.t, Skorpiongöttin 58 A. 4, 59 A. 2. Heket, Froschgöttin von Antinoe 38 A. 2, 62, 152, 176 A. 5, 307, 335, 439 A. 1, 440. Heliopolis, O. im 13. u. Gau. — Ersatz für (Kultsagen) 182, 303, 336, 339, 340f„ 346, 407, 426/27. — Fürstenhalle in 179, 183, 227, 240, 263, 293, 341. — Gestirndienst 224, 242, 247, 265/66, 267/68, 428. — Kulte 35, 36 A. 1, 51, 59, 61, 76, 86f., 93 f., 96, 130, 169, 176, 212, 214f., 232, 266, 388, 393, 405. — Lehre 10, 93, 162, 218ff., 290, 292,310,323/24,345f., 422,433.
Stichwörter Heliopolis, Menschenopfer 11. — Hoherpriester von 87, 116, 224, 249, 262, 341, 361. — Sonnenkult 49, 230«., 324, 326, 361. — Tempelbauten im N R 366f. — Totenfahrt nach 330. — vorgeschichtliches Einheitsreich 124, 204 A. 4, 254 A. 3, 260f. — weiße Kapelle (des Geb) 20, 179, 227, 305, 339. Heliopolitaner 160 A. 4, 251, 282 A. 8, 346. Hemsut (hmäw.t), weibliche Schutzgeister 103f., 164, 291, 294. Herakleopolis magna (Ehnas), O. im 20. o. Gau. — Gauzeichen 85, 316. — Hoherpriester von 316, 391. — Kulte 35, 78, 81, 245, 255, 315f., 391 f., 405, 438. — Name 178, 316, 322/23, 392. — heiliger See 180, 229 A. 1, 322, 323 A. 3. Hermonthis, O. im 4. o. Gau 7, 41, 151, 163, 170, 255, 304, 339, 340f.,.363, 370. — als oberägyptisches Heliopolis 149, 179, 282, 341, 343 A. 1. — Hoherpriester von 341, 361, 368. Hermopolis (Baqlieh), O. im 15. u. Gau 48, 306, 405. — (Schmün) in Mittelägypten 21, 282, 301, 364, 449. — Hoherpriester von 308. — Kulte und Lehre vgl. Achtheit 48, 62f., 136, 144, 162, 167, 290, 306«., 323 A. 3, 347, 350, 391, 433, 443. — Seelen von 282, 313. Herz i{Q Dogma 144, 228. 290/91, 312 A. 3, 314 A. 6. E l Hibe, O. im 18. o. Gäu 17, 88 A. 1, 393. Eeei,
Götterglaube
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Hibis, O. in der Oase Charge 393f., 396, 414. Hierakonpolis, O. im 3. o. Gau, vorgeschichtliche Hauptstadt 119, 178, 187f., 192f„ 202, 203, 256, 285, 296, 302. Hike, Personifikation des Zaubers (s. d.) 229, 442f. Himmel als Flügelpaar 42, 225f., 419, 422. — als Kuh 75, 225, 231, 310, 343, 353, 435. Himmelsbild, ägyptisches 84, 219, 223f. Himmelsgott, universaler vgl. „Großer G o t t " 119, 143f., 271 f., 423. Himmelsleiter 97 A. 6, 242 A. 3. 243. Himmelsstütze 99, 168, 169, 171, 223, 226, 312, 351, 441. Kom el Hisn vgl. Westgau (3. u.) 18 A. 5, 86, 405. Hmn, G. von Asphynis 41. Horus vom Abendland (M\nw) 205 A. 2, 255, 432. — ältester vgl. Haroeris 206, 257, 259, 285 A. 2, 425. — -Chentechtai 16, 57, 140, 205, 404. — von Edfu 41 A. 3, 43, 103, 147, 152, 174, 180, 183, 194, 197 f., 205, 210, 213, 253, 304, 321, 412, 418«. — als Vertreter von Oberägypten 197 f., 209, 420, 427 f. Unter— als Vertreter von ägypten 39, 177, 196, 420. — als Falkengott 39f., 271, 410. — goldener 41 A. 3, 195 A. 2, 196, 412. — der Götter 127 A. 1, 204, 234. — Hände des H. (Sage) 111 A. 4, 184, 285. — von gbnw 41, 205, 302, 419 A. 3. 30
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Stichwörter
Horus vonHierakonpolis(Nechen) 39, 119, 174, 177, 188f., 193 A . 2, 196, 285, 418, 425 A . 3. — als Himmelsgott 41, 252, 271, 342, 418f. — und Isis 184, 201, 206, 285. — als Jäger 5, 104, 180, 419. — als Kind 50, 75, 342, 356. — als Königsgott 39f., 81, 110, 127, 154, 166, 193, 195f., 204, *?10, 214, 239, 243, 252, 256, 279, 284, 293, 295, 350, 371, 380, 419f. — von Kus (Haroeris) 133, 198, 205, 338, 431. — der Lebenden = König 114, 127 A . 1, 252. — von Letopolis 34, 42, 44, 107, 147, 150, 156, 174, 205, 209, 235, 246, 255, 280, 326, 431f., 423 A . 6, 433. — von Libyen (3 u. Gau) 18, 41. 44, 103, 205, 208, 209. — als Min (Harendotes) 200f., 297, 338. — als Morgenstern (vgl. Horus von Edfu) 166, 432. — Name 41, 173, 204f., 214, 250, 252. — östlicher 147 A . 1, 205, 234. — auf dem Papyrus 90. — im Palast, Name des Königs 110. — von Pe 44, 51, 90 A . 5, 132, 140, 143 A . 2, 183,205,206,338. — in Schedet (Fajüm) 16. — als Sia (Herz des Ptah) 291. — von Sile 419 A . 3, 428. — Sohn der Isis (Osiris) 39, 112, 201, 206, 257, 263, 276, 293, 380, 410, 425. — thebanischer vgl. Month S40.
249 A . 1, 265, 269, 288, 313/14, 323, 408, 424. Horusauge als Schilfmesser 34 A . 3, 432. Horusdienst, angebl. Fest 201 f. Horusgefolgsgötter 105, 138, 160 A.4, 174, 188f., 194, 199, 201 f., 207f., 279, 285. Horusgötter, falsche (Angleichung) 16, 44, 51, 94, 140, 175, 200, 204f. Horuskinder 92, 167, 168, 169, 170, 206, 257, 260, 280, 284, 298, 326, 350, 421. ' — als Sterne 170 A . 1, 285 A . 4. Horusmythus von Edfu vgl. Harpyniersage 14, 104, 180, 253, 332, 412, 419f., 425. Horusspeer s. Harpune 104. Horusstelen 26, 59, 447. Hpj, Personifikation der kgl. Schirme 100. Hs].t, weiße K u h in A t f i h 13 A . 4, 29 A . 4, 31 A . 4, 74, 78 A . 3, 225 A . 4. — Mutter des Mnevis 136, 152. Häbw „der Zerteilte", Stiergott im 11. u. Gau 12, 73, 258, 404, 411 A . 4. Hügel, im Kult vgl. Urhügel 93f., 215f., 310. Huh und Hauhet, Personifikation vgl. Endlosigkeit 162, 216, 221, 307. Hund, wilder vgl. Schakal 26f. 70, 185, 173, 446 A . 2, 447. — Jagdhund 31. Hündin, Gottheit in Kynopolis 31, 162. Hypsele, O. im 11. o. Gau 79, 132, 170, 437. — Residenz des Seth 428 A . 2.
— heilige Tiere des 32. — des Wohlgeruchs (Hr hknw) 83, 288.
I'Jki, Herr von Oberägypten 106, 176.
Horusauge 31, 38 A . 1 u. 5, 54, 82, 87, 132, 183, 239f., 241 f.,
I\hi, Toilettengott 100. Ibis vgl. Thot 21, 46f., 50, 189f.,
Stichwörter 277, 286, 291 A. 3, 305/6, 309, 446. Ibis, Name vergöttlichter Weiser 359. Ichneumon, Kult 32f., 138. Ihj, G. in Dendera 161, 304. Im\w (Kom el Hisn), Hauptort des 3. u. Gaues 18 A. 2, 19, 86. Imhotep, Hoherpriester vonHeliopolis 116, 249, 261/2, 358, 359, 416, 447. Imiut (imj wt), G. 29 A. 4, 31 f., 298. Inmutef, G. im 8. o. Gau 96 A. 3, 151, 336. Ischedbaum, im K u l t 36 A. 1. 84f., 87, 212,215,232,321, 380. Iidé, G. 152 A. 6. Iseum (Behbet el Hagar), O. im 12. u. Gau 101, 180, 213, 339, 405. Isi, vergöttlichter Vezir 116. Isis, in Assiùt 149, 152, 326. — Beinamen 49, 256. — Doppelgeschlechtlichkeit 163, 256, 353. — die Gazelle ihr heilig 25. — in Koptos 59 A. 2, 149, 152, 163, 179, 200f., 338, 350, 440. — in Memphis 298. — Mutter des Horas 18, 50, 111 A. 4, 112, 151, 210, 256f., 259, 280, 285, 289, 339 A. 1, 342, 409, 425. — Mutter der Horuskinder 256/57 285 A. 2. — als Opet 356. — auf Philae 406f., 409, 410 A. 1, 416. — als Raubvogel 45. — Schutzgöttin 168, 181, 212, 375 A. 3, 424. — als Skorpion 59, 138. — in Theben 356, 367 A. 3. — als Thermuthis 56 A. 4. — als Thronsitz 101, 146, 173, 256. — Träne der 218 A. 5.
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Iunit (Iwnj.t), Gn. von Hermonthis 341, 357. Iunu, heiliger Pfeiler 96, 130, 165, 215, 218, 266. Jägersagen 5, 9, 10, 25f., 31, 38, 43, 74, 134, 186, 213 A. 1, 246, 252, 258, 314, 353, 419, 426, 428, 432. Jahreszeiten (Bilder) 4, 17f., 40 A. 1, 46 A. 2, 234, 322. K a 47, 100f., 103f., 145, 158, 159, 163, 171, 228 A. 2, 291, 294, 319 A. 1. 327, 434. Kahaus 302/3, 333. Käfer vgl. Skarabäus 43 A. 2, 60f., 215f., 422. Kagemni v vergöttlichter Vezir 116, 358. Kalb im Kult 76, 78, 152 A. 6, 233 A. 3. — im Opfer 136 A. 4. Kämpfer, der, G. im 15. o. Gau 314 A. 3, 385. Kanopengötter 92, 167, 168, 285, 405 A. 4. Karnak, Amonstempel 345, 348, 362, 365, 379. — Kulte 340, 360f„ 362. Katze 381, 400, 446. — als Löwin 135. — Mut als 351. — als Schlangenfeind 35f., 82, 232. K a u el Kebir, O. im 10. o. Gau 327. gbhw.t, Schlangengöttin im 10. o. Gau 56. Kebehsnuf, Kanopengott 285. Kinder, von Gottheiten 156. — 9 Kinder des Re 158. Kinnbart, des Königs 100. Kneph, Ursehlange 347, 349, 426. Knumis, Dekanstern, als Horus von Letopolis 147, 423 A. 6. Komir, O. in Oberägypten, Kulte 25, 268 A. 2. König (vgl. Königsgötter). 30*
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Stichwörter
König als Harachte oder Re 142, 262, 276. — als Horas/Seth 110, 154, 166, 178 A. 1, 195f., 239, 243, 252, 264, 338. — als Jenseitsrichter 255 A. 1, 268, 274, 277. — als Nechbet/Uto (Kronen) 110, 164 A. 2, 166, 195. — als Priestertitel 317, 319. — als Sohn des Chnum 439. — als Sohn der Hathor von Dendera 303, 306. — als Sohn des R6 250, 262, 277, 281, 303, 371. — der Götter u. ä. als Beiname 175, 176, 192, 317, 318/19, 336, 337, 338, 425. Könige, als Sonderheilige 117f., 358, 376, 387. Königsgötter 5, 6, 16, 51, 58, 109f., 127f., 164, 176, 189, 195f., 200, 204, 213, 260, 262, 271, 284, 319, 338, 371, 412, 419f., 439, 440. Königsgeleitsgötter 138f., 207f., 282, 284. — als Horusdiener 202, 279. Königshaus, als Ortsname 178, 293, 394. Königskind, 18./19. u. Gau 179, 205. — Stadt des s. Herakleopolis. Königin, als Gotteshand 222, 350. — als Gottesgemahlin des Amun 350, 368, 367. — die den Horus/Seth schaut 195, 439. — als Priesterin des Chnum 439. — als Priesterin des Königsstiers 6, 440. — als Priesterin des Thot 60 A. 1. Koptos, O. im 5. o. Gau 24, 302/3. — Gauzeichen 37 f., 166, 198, 338. — Kulte 25, 59 A. 2, 133, 152, 163, 198, 199f., 338f„ 405. — Kultname 179, 339.
Korngott (Napre) 56, 112, 115 A. 3, 163. Krokodil unter Bäumen 88, 139. — als Fruchtbarkeitsspender 134, 403, 434f. — Gau (Ostdelta) 18. — als Helfer (Sagen) und Schutzgott 18, 19, 403. — Kulte 12f.j 26, 133, 160, 170, 286, 343, 364, 357, 375 A. 3, 403, 430, 443. — als Mörder des Osiris 18. — verfolgt 19, 26, 42, 59, 64, 133f., 413, 426. — als Vernichter der Sünder 19, 436. — Zauber 17, 436. Krokodiljagd 6, 449. Krokodilopolis-Arsinoe (Schedet) 16, 436 A 3. — bei Pathyris 17, 88 A. 1, 354, 357, 443. Kröte 62. Kuh, als Himmelsgöttin 16 A. 1, 76f., 78 A. 3, 225, 231, 304, 310, 343, 353, 435. — Mutter des Anubis und des Mnevis 29, 136, 162. — nicht gegessen 77. •— thebanische Hathor 357. — weiße (Atfih) vgl. auch Sechat Hör, Hathor 13 A. 4, 29, 74, 76, 136. Kuhantilope (Bubalis) 26. K u k und Kauket, Personifikation, vgl. Dunkelheit 162, 307. Kus, O. im 5. o. Gau. 41, 133, 198, 338, 431. Kusae, O. i m 14. o. Gau. — Gauzeichen 85. — G. Wfy 98, 137, 315. — Osiriskult 405. — Schriftzeichen 9 A. 6, 74. Kynopolis, O. in Oberägypten 27, 29, 30, 67, 73, 446 A. 2. Lampe, als Horusauge 269. Latonpolis vgl. Esne 67, 68, 43 6 f.
Stichwörter L a t t i c h , im K u l t 91, 140, 226 A. 4, 349. Lauch, i m K u l t 92, 450. Leben, L u f t h a u c h des 312, 350, 434. — Zeichen 97, 99. Lebensblumen 86f. Leontopolis 7, 9, 162, 214, 221, 231, 243, 288, 433 A. 3, 443. Lepidotonpolis (Meachech), O. im thinitischen Gau 7, 67, 68, 427 A. 6. Lepidotus, Fisch 63, 65f., 446. Letopolis, O. im 2. u. Gau, Gauzeichen 106f., 129. — K u l t e 34, 42, 44, 79, 205, 209, 233, 245f., 253, 254f., 259f., 405, 422, 431 f. — N a m e n 178 A. 5. Libyen, H o r n s v o n 18, 41, 44, 103, 205, 208, 209, 414. — N e i t h v o n 103, 208. Lischt, O. südl. Memphis, Königsresidenz 327, 360, 363. Lotos s. N e f e r t e m 83, 89f., 137, 247, 286f., 304. Löwe, Abwehr des 26, 59. — andere Götter als 90 A. 3, 98 A. 4, 137, 433, 443. — K ö n i g als 6, 110. — K u l t o r t e des 7 f., 214. Löwenbilder 9. L ö w e n j a g d 5, 190, 449. L ö w e n p a a r vgl. Schu-Tefnut 7, 154, 214, 220, 221. L ö w i n 5, 7, 8, 9, 10, 24, 38, 68, 82, 134, 243, 244, 246, 286f., 351, 400, 432, 441, 443. — H ä s i n als 130. — K a t z e als 82 f. Lykonpolis vgl. Assiüt 27, 73 A. 2. -— Gauzeichen 85. Maat, Personifikation, vgl. Richtigkeit 234 A. 1, 248f., 277, 294, 367, 380, 388. Macht, Szepter 32, 97, 98f., 208. Mafdet, Gn. 33 f.
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M a n e t h o von Sebennytos 202, 279, 449. Me&di, vorgeschichtliche Siedl u n g 123 A. 3, 153 A. 2, 262 A. 6. M e d a m ü d , O. im 4. o. G a u 170, 340, 343. Meder (Matoi), als Schimpfwort 413. Medinet Madi, O. im F a j ü m , K u l t e 152, 153 A. 1. M e h j t , Löwin v o n Thinis 10, 68, 141, 253, 335. Memphis, Zug der A c h t h e i t n a c h 311, 347, 393. — Götterlehre 4, 124, 228, 289f., 345f. — G r ü n d u n g 203, 287. — Hoherpriester v o n 82 A. 2, 94 A. 2', 154, 294, 296, 360, 368, 369, 380, 449. — K u l t e 8, 29, 76, 79, 86, 88, 89f., 93f., 98, 172, 211, 286f., 295, 297/8, 327, 405, 443. — K u l t e memphitischer Götter in O b e r ä g y p t e n 327, 360, 443. — zweite L a n d e s h a u p t s t a d t 365 f. 368, 379/80. — N a m e n 179, 203, 287, 293. — Residenz des H o r u s 428. — Residenz des Schu 227, 252 A 5. — Triade 139, 287 f. — U m z u g u m die Mauern 296. Mendes, O. im 16. u . G a u 402. — F i s c h g ö t t i n 64f., 130. — W i d d e r v o n 64, 78f., 130, 165, 317, 320, 325, 394, 400, 403, 437. Menes, K ö n i g 119, 188, 207, 211 A. 3, 260/1, 287, 296, 451. Menschen, E m p ö r u n g der ersten 185, 216, 421, 433 A. 2. gestalt der G. 10, 11, 217. — göttlichen U r s p r u n g s 4, 291, 329, 438, 442. — N e f e r t e m ihr Herrscher 251, 288.
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Stichwörter
Menschen, Sündhaftigkeit 328. — vergöttlichte 116f., 368f., 388. — Vernichtung der 8, 186, 216, 320, 328/9. Menschengestalt, bei Göttern (Vermenschlichung) 91, 100, 101, 107, 109f., 134, 144. Menschenopfer 11. Meretseger ,thebanische Schlangen göttin 57, 358. Merimde, vorgeschichtliche Siedlung im Westdelta 70, 122/23. Merimutef, Widdergott 79 A. 1. Meschech (Lepidotonpolis) 7, 427. Methide, Baum am Osirisgrab 89 A. 3, 407. Methyer, die Urflut als K u h 75f., 225 A. 4, 247, 310, 343 A. 5, 391, 435. Min, G. von Achmim'106f., 189, 200, 331. — G. von Koptos 106f., 109, 145, 173, 199f., 219, 222, 338f. — Beherrscher der östlichen Wüste 25, 201, 297. — Fest 76, 194 A. 1, 297, 338, 349f — als Fruchtbarkeitsgott 91. — als Amun-Min 348 f. — als Harendotes 138 A. 5, 150f., 200, 335. — als Jäger (Augensage) 315 A. 1. — Kamutef 184 A. 5, 200, 348. — Sohn der Isis 184, 339 A. 1. Miysis, G. von Bubastis 7, 90 A. 3. — Herr des Aphroditopolites (10. o. Gau) 7. — Sohn der Bas^et 83 A. 1. Mnevis, heiliger Stier in Heliopolis 76, 78, 136, 152, 155, 214, 232, 286, 388. Teil Mokdam (Leontopolis) 7. Mond, als Himmelsauge 10, 38 A. 1, 43, 48, 226, 235f., 241 f., 253, 265, 293, 312/13, 314, 317, 353, 421, 424f., 431, 432, 434.
Mond, als Osiris 112,115,265,336/7, 407, 424. Mondgott s. Chons, Thot. Mondkült 21, 48, 147, 225, 291 A. 3, 307, 364, 364. Mondmonat (Feste) 224f., 297, 327, 346, 349, 361 A. 3, 424. Mondphasen (Sagen) 48f., 184, 241f., 265, 408, 424/25. Month, Gaugo'tt von Theben 41, 151, 282, 340f., 345, 346, 356, 362f., 420. Monthstier 6 A. 6, 170, 343, 350. Morgendliche, der (Dw\w), G. 109. Morgenhaus, kgl. Ankleidezimmer 100, 182 A. 1. Morgenstern, als Gott 104, 152 A. 6. — als Horns von E d f u 147, 423. Mrhw, Stier 6 A. 7. Mund, Schwängerung durch den 226 A. 4, 423. Mut, thebanische Geiergöttin 37, 138, 163, 352f. — als Katze 351. — als Sachmet (Bastet) 353/4. Namen, geheimgehalten 171 f., 346. — Anklang (Synkretismus) 181. — Übernahme von 140. N a p a t a , O. 396, 399. Nashorn 13 A. 2. Naukratis, Amuntempel in 395. Naunet, Personifikation 162, 220, 223f., 307. — als P t a h 290. Nechbet, Gn. von El K a b 12 A. 5, 20, 36f., 110, 163, 210 A. 4, 341, 353, 418, 420. Nechen, vorgeschichtliche o. Hauptstadt vgl. Hierakonpolis 20, 178, 202. — der von Falkengott,vgl.Horus 172, 418. Nedit, Osirisgrab 89, 112, 254, 258, 269, 270, 331 A. 7. Neferhotep, Beiname des Chons 19 A. 5, 355, 384, 416 A. 2.
Stichwörter Nefertem, G. des Lotos 83, 89f., 139, 145, 251, 286f., 336. — als Löwe 90 A. 3, 137. — Sohn der Bastet 83. Negadazeit, vorgeschichtliche 122f., 145, 202. Neith von Sals, Pfeilgöttin 102f., 145, 162, 178, 211, 280, 353, 435, 443. — in Esne 68, 149, 163, 352, 440. — Helferin bei der Nilpferdjagd 5, 419. — von Libyen 103, 208. — in Memphis 174, 211, 297. — Schutzgöttin 58, 60, 103, 168, 211 f. Neithkrone 211 A. 1, 352. Nephthys, Gn. 45, 58, 151, 168, 170 A. 5, 181, 210, 258 A. 2, 259, 280, 298. Neschmet, Osirisbarke 334. Neugeburt (whm miw.t) 397f., 444. Neunheit, große (heliopolitanische) 117, 148, 153, 158, 192, 229, 238, 250, 259f., 289/90, 326, 346, 356, 380, 434. — als Seelen von Pe 286. — in Abydos 150f., 334/5, 382. — des P t a h 291 f. — thebanische 150, 342, 346, 356/7. — kleine 158, 250 A. 4. — als Seelen von Nechen 286. Neunheiten, die beiden 154, 158, 192 A. 3, 210, 250 A. 4, 251, 263, 288, 301, 339. — als Zähne und Lippen 290/92, 301 A. 3. Neunzahl 158. Nhb k]w, Urgott, Fest des (1. Tybi) 94 A. 5, 295, 318, 347 A. 2. — als Schlange 55 A. 4, 59 A. 4. Nhm.t 'w]j, Gn. von Hermopolis 315. Nichts, (Niu), Personifikation 144, 221, 308. Nil, Ertrunkene selig 436. — König als 64.
471
Nil, Krokodil als Bringer 134, 403, 434f. — -Opfer 218. — Osiris als 68, 112f., 266, 337, 409. — -Quellen 59, 218, 266, 317, 394, 408f., 424, 441 A 2. — -Überschwemmung 61, 65, 68, 109, 146, 215, 218, 307, 317, 425, 434/35, 441. Nilgans 47, 309, 351. Nil jähr 263. Nilpferd, Kulte 12f., 355f. — verfolgt vgl. Harpunieren 42, 64, 133, 180, 212, 253, 321, 332 A. 1, 355, 413, 419, 426. — weißes 6 A. 1, 13 A. 4, 213 (Abb.13). Nilpferdjagd 5, 6, 104, 180, 419, 426, 449. Nilschildkröte 63, 64, 69. Nnwn, G. von Kus 41, 198, 433. Nordhimmel (Sterne) 247, 267, 277. Nördliche, Gn. des 19. u. Gaues 179 A. 1, 205. Nsr, Fischgott 69 A. 3, 79 A. 5. Nubischer Gau 331, 408. Nun, das Urgewässer 75 A. 6, 147, 162, 215, 216, 218, 220, 240, 246, 254, 289, 292, 304, 307, 310, 317, 343, 345. 349, 394, 434. — als Amun 393. — als P t a h 290. — als Seele des Re 160. Nut, Himmelsgöttin 6 A. 5, 84f., 147 A. 1, 219f., 226f., 252, 280, 289, 326, 435. — Kinder der 185, 216, 230, 259, 267. — Mutter des Osiris 4, 337. — Mutter des Seth 238. — als Sau 72, 226 A. 4. Oase, große (Charge u. Dachle) 23, 201, 396, 411/2, 414. — des Amun (Siwa) 396.
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Stichwörter
Obelisk, im Kult 21, 97, 130, 165, 215, 231f., 346, 370. — als Mondsymbol 291 A. 3, 424. Oberägypten, Herr von 23, 24, 106, 176, 196, 198, 200, 338, 340, 431. — Personifikation 163. — Vorrang vor Unterägypten 283. 300, 420. Ölbaum (Moringa) 86, 88, 172, 286, 327. Oleander, als Gauzeichen 85, 316, 320. Kom Ombo, O. im 1. o. Gau, Falkenkult 44, 430f. — Krokodilkult 17, 19, 430 f., 446. — Kultlegende 253, 430f. Ombos, O. im 5. o. Gau, Stadt des Seth 23, 195, 198, 320, 411/2, 435. Onuris, G. von Thinis 10, 68, 104, 151, 246, 252, 332, 335, 433. — Hoherpriester des 341. Opet, Gn. in Theben vgl. Thoeris 355f. Opfergefilde, im Himmel 268 A. 5, 330. Opfertiere als Götterfeinde 11, 64, 72, 73, 351, 408, 426. Orakelgötter 343, 385 A. 6, 386f., 396, 449. Orion, Sternbild, als Osiris 112, 115, 264 A. 1. — Seele des Osiris 147, 160, 267, 407. Ortsgott 121, 127f., 273, 301, 319, 362, 383, 389, 439. Oryx-Antilope 22, 26. — im 16. o. Gau 26, 131. — geopfert 26 A. 3. — als Gottesfeind 26, 31, 131, 183. Osiris in Abydos vgl. Chontamenti 329f., 405. — als Abydosfisch 66. — Ausbreitung seiner Kulte 213, 256f., 267, 293, 318f., 323,
325f., 327, 338, 357, 394f., 401f„ 443. Osiris als Djedpfeiler 97. — Feste (Mysterien) 118, 170, 194, 224 A. 3, 266 A. 4, 318, 334/5, 359, 404f., 406, 409, 415. — Gleichsetzung mit Lokalgöttern 142, 323, 325, 403/4. — seine Glieder im Wasser 18, 67, 111, 403, 409. — als Harsaphes s. d. — als König 32, 110f., 117, 245, 254, 256, 325, 380. — als Korngott 112, 115, 318, 409. — als Min 201. — als Mond 112, 115, 265, 266, 334, 336/7, 407, 424. — Mörder des 18, 24, l l l f . , 256f. — Name 114, 173. — als Nil (Überschwemmung) 68, 112f., 266, 236/7, 403, 409, 436. — als Orion 112, 115, 264 A. 1, 267, 407. — als Ozean 113 A. 2. — Phallus des 67, 266 A. 1. — der große Säger 60 A. 1, 266, A. 2, 301, 403 A. 3. — Seele des 52, 87, 89, 165, 266, 320, 321, 325, 394, 407, 437. — als Seele des R e 265. — als Sepa (Tausendfuß) 60, 266. — als Sokar s. d. — als Stier vgl. Apis, Hibw 403/4, 449. — Todesort 258, 293, 332 A. 6, 405. — als Universalgott 4, 175, 336f. — als Upuaut 181. — in der Unterwelt (Totengott) 216, 246, 268f., 274f., 294, 328, 337, 373, 409. — als Widdergott 319, 403, 443. — zerstückelt (Sage) 49, 67, 111, 258, 265, 404, 409, 424. Osirisbetten 409 A. 4.
Stichwörter Osirisgrab 62, 87, 88, 89, 94, 112, 114f., 293, 320f., 325, 332, 349 A. 1, 406f. Osirisreliquien 21, 129f., 158, 184 A. 1, 266, 321, 332, 394 A. 3, 395 A. 4 , 4 0 5 , 4 0 8 , 424. OsiriBsage 50, U l f . , 155, 240, 256f.| 263f., 436. Osten, in Heliopolis bevorzugt 224, 233f., 242f. 247f., 254f., 282f., 422. — Herkunft aus dem 10, 38, 43, 90, 148, 232, 410, 428/29. — Herren des 90, 414. — Schriftzeichen 189f. — im Weltbild 84, 224, 328, 330. Oxyrynchos, O. im 19. o. Gau, Kampfplatz des Horas gegen Seth 14, 321. — Kulte 13, 67 f., 408 A. 3, 411. — verfemt 405. — -Fisch 67 f., 266 A. 1, 446. Ozean, personifiziert 163. — als Osiris 113 A. 2. Pachet, Löwin 8, 24, 135, 172, 400. Pachnamunis, O. im 17. u. Gau 395, 403 A. 1, 405. Papremis, O. im Delta 12, 402 A. 2. Papyrus, als Szepter 9, 90/91, 139f. — im Kult 90 f. Patäken, Krüppelzwerg 385f. Pavian 20, 424. — als Thot 49, 305/6, 375 A. 3, 383. Pe, O. s. Buto. Pelusion, O. im Ostdelta, Kulte 92 A. 4, 395, 450 A. 1. Personifikationen, Göttertyp 163. Petosiris, Hoherpriester von Hermopolis 444, 449. Pfeile, im K u l t 102f., 139, 145, 192, 197, 211, 440 A. 4. Pfeiler, heilige 96f., 129f., 441. Phagroriopolis, O. im Ostdelta 67 A. 1.
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Phagrus, Fisch 65f., 68, 266 A. 1. Pharba'ithos, O. im Ostdelta, Horas von 205. Philae, Insel 406f. Phoinix (Beiher) in Heliopolis 52, 86, 214, 217f., 232, 255, 266, 321, 407, 428. Phragonis, O. im nördl. Delta 403 A. 1. Pnepheros, Krokodilgott 19. Poker, heiliger Hain bei Abydos 332, 334. Pramarres (Amenemhet I I I . ) , K u l t 117. Priester, als Stand 389, 448. Prosopites, 4. u. Gau 394, 403, 405. Ptah, G. von Memphis 94, .97, 109, 124, 150, 172, 173, 250, 271, 287ff., 336, 379, 380, 388, 439. — von der Achtheit geschaffen 311. — Barke des 165. — K u l t in Theben 360. — als Nun und Naunet 162 A. 1, 290, 310. — Sohn des 288, 298, 385. — -Sokar, außerhalb von Memphis 327, 357, 382. — -Tenen 129, 172 A. 1, 174, 291 A. 3, 292/3, 296, 298, 345, 347/8, 380. Ptolemais Hermiu in Oberägypten (Psoi) 17. Punt, Gottesland im Osten 43, 410, 423, 428. B S , Sonnengott vgl. Haraohte 54, 65 f., 69, 84, 142, 147, 152 A. 6, 154, 159, 172, 194 A. 1, 230f., 247f., 255, 268f., 276, 310, 318, 323 A. 3, 328, 337, 371, 376, 412, 421, 423, 432. — Auge des, vgl. Himmelsaugen 244, 248, 288, 315, 353, 420 A. 2, 424, 432. — Aussprüche des 180 f. — Götterherrscher 8, 18, 53, 101,
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Stichwörter
159, 200, 270, 288, 319, 336, 380, 390, 421, 432, 433. Re, H e r z des 291 A. 3, 314 A. 6. — als K a t e r 36, 82, 232. — K i n d des (Seth) 237. — 9 K i n d e r des 158. — K ö n i g als 142, 252, 276. — in K ö n i g s n a m e n 234, 249. — Phallus des 228. — Seele des 52, 160, 165, 232, 265, 291 A. 3, 318, 337, 343, 394, 407, 416, 437/38. — Sohn des (der König) 250, 252, 277, 421. (Thot) 311 A. 5, 313, 314. — Söhne des (Affe) 21, 217 A. 6. — Tochter des (Maat) 248, 315. •— Vermittler des (Mnevis) 232, 388. Reichseinigung, Dogma der 166, 175, 179, 180, 187f., 193f., 203f., 240, 243, 249, 254, 256, 281, 296, 412, 419, 421, 448. Reiher vgl. Phoinix 50f., 86, 87, 140, 178, 205, 214, 321. — H i m m e l f a h r t als 47. — als Sternbild 52 A. 3. R e n e n u t e t (Thermuthis), Schlangengöttin 56f., 59, 152, 229, 244. R i c h t g e r ä t (smS) 33, 105 f. Richtigkeit vgl. Maat 246f., 277, 294, 328, 367, 388, 397. Riegelgott 22. R i n d e r k o p f , als A m u l e t t 78, 100 A. 3, 122 A. 4. R o d a , Insel (Alt-Kairo) 218. R o h r d o m m e l 52. R o s e t a u , Nekropole bei Memphis 286, 298. R o t , als S e t h f a r b e 14, 321. Sachmet, Löwin 8, 82, 147 A. 1, 172, 229, 280, 286f., 320, 328, 351, 389. — Besänftigen der 9, 91, 353, 433. — als weibliches K r o k o d i l 443 A. 3.
S a c h m e t , M u t t e r des Königs 142. — W ü s t e n w i n d als Bote der 8 A. 5, 24. S a f t el H e n n e , O. im Ostdelta 86, 88, 140, 175. Säger, der große, G. d e m Osiris gleichgesetzt 60 A. 1, 266 A. 2, 301, 403, A. 3. Sa'is, O. im 5. u. Gau 5, 13 A. 1, 102, 106, 213, 239, 331, 402, 403, 404, 405, 449. — Isisbild 410 A. 2. — als Königshaus (Residenz) 178, 211, 394. Samenkorn, Chonstempel in K a r n a k 343, 355. Saosis, Gn. in Heliopolis 86, 222, 232, 251. Sarapis, G. 449. S ä t e t , Gn. v o n Sehel 25, 151. Säule (Wh) als G. von K u s a e 98, 137, 315. Schaf s. Widder 73, 80, 81, 136. Schakal, oberägyptischer = U p u a u t 27, 142, 174, 176, 192, 193, 207, — vgl. H u n d (wilder) 28, 52. — als R i c h t e r t i t e l 28, 192. Schechgräber 115, 116. Schedet (Krokodilopolis), O. im F a j ü m 16. Schenkel des Seth, abgeschlagen 426 A. 1. — als großer B ä r 129, 321, 332. — C h n u m , der Schenkel 408. Schesemtet (äsmt.t) Gn. 142, 288. Schesmu (Ssmw), Salben- u n d K e l t e r g o t t 89 A. 5, 137. Schicksal 57, 294, 440. Schilfmesser (Letopolis) 34, 432. Schlange, K u l t e vgl. U r ä u s , U t o 53f., 160, 167, 321, 358. Schlange, als feindlich b e k ä m p f t 33, 34, 253, 385. — als Schutz 53, 57, 97, 409. — als U r f e i n d vgl. Apophis 36, 54f., 237, 247.
Stichwörter Schlange, als U r g o t t 55f., 216, 301, 306, 318. Schlangenzauber 33, 53 A. 1. Schu, G. 298, 380, 433, 445. — als A t o n (Sonne) 370, 376. — als L u f t g o t t 171, 219f., 226f., 312, 350, 433. — als M o n t h 341. — als Onuris 252f., 335, 341, 433. — Seele des 437/38. — Sohn des R e u n d Sonnenauge 251 f., 313, 351, 355, 431, 441. Suhu u n d T e f n u t , U r g ö t t e r p a a r 153, 164, 165, 169, 176 A. 4, 219f., 228, 236 A. 5, 280, 322, 326, 348. — in Abydos 62, 335. — in Chembis geboren 256. — als H i m m e l s a u g e n 235f., 245f., 251, 312. — als L ö w e n p a a r 7, 154, 220. Schwalbe 384. Schwarz, als F a r b e heiliger Tiere 27, 48, 76, 135f., 403. Schwein, i m K u l t v e r a b s c h e u t 70f., 356 A. 3. — N u t oder Isis als 72, 131. — als Opfertier 70. Sebennytos, O. i m 12. u . Gau 76, 78, 256, 402, 405, 449. Sechat H ö r , K u h g ö t t i n a u s d e m 3. u. Gau 75f., 210. Sechem-Szepter 99. Sedfest, Amenophis' I V 372. — Darstellungen 32, 50 A. 5, 160, A. 4, 208, 210. — bes. R i t e n 103, 191, 197, 207, 214, 280, 296/7, 380. — T a g des 94 A. 5, 295, 296. Seele der Götter, Ziegenbock 79 A. 2, 81 A. 3, 438. Seele v o n G ö t t e r n (Synkretismus)) 160, 170, 253, 291 A. 3, 312, 317, 318, 321, 337, 343, 351, 394, 407, 410, 437/38. — des Menschen 328.
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Seele, östliche = R e - H a r a c h t i 147 A. 1, 234. — weibliche = H a t h o r 78, 304. Seelen, G ö t t e r g r u p p e n 46, 138, 153, 156f., 278f. —• v o n Heliopolis 153, 154, 156f., 169 A. 4, 194, 250 A 1, 254, 266, 268, 279, 319. — v o n Hermopolis 282/3, 313. — a m H i m m e l 46f., 147, 226, 247, 267, 407. — von Nechen (Hierakonpolis) 156, 161, 193, 279 f. — des N e u m o n d f e s t e s 152 A. 6, 185 A. 1, 265, 282. — östliche 78 A. 3, 152 A. 6, 247, 281. — v o n P e (Buto) 156, 205f., 254, 257 A. 1, 279f. — -Vögel vgl. B a i 46f., 145, 247, 277, 321, 407, 410. — westliche 281. Selket, Skorpiongöttin 56 A. 2, 58f., 145, 168, 211 f., 280, 402. Seschat, Gn. a u s Sais 87, 107f., 145, 212, 315, 427 A. 5. S e t h , als G o t t des Auslandes v e r f e m t 400, 411 f., 425. — v o n Avaris 24, 364, 411. — B e i n a m e n des 24, 49, 176, 242. — als kopfloser Djedpfeiler 98, 129. — in F a l k e n g e s t a l t 414. — G e b u r t des 185, 238. — Gegner des H o r u s 39, 195f., 226 A. 4, 238, 242f., 249 A. 1, 257 f., 285, 293, 321, 356, 411, 425. — H a u s g o t t der R a m e s s i d e n 237, 379, 411. — Helfer des RS 65f., 237f., 412. — in Herakleopolis 319f., 412. — K ö n i g s g o t t 164, 195f., 238, 265, 338. — als K ö n i g s n a m e 196 A. 2. — K u l t o r t e des 23f., 132, 194, 320, 411/2.
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Stichwörter
S e t h , Mörder des Osiris 24, U l f . , 184, 237, 266, 267f., 269, 412. — als (rotes) Nilpferd 14, 321, 426 A. 1. — v o n Ombos, als Vertreter einer Landeshälfte 177, 195f., 420. — Schandtaten des 66 A. 4, 86, 413. — Schenkel des, = großer Bär 129 A. 1, 147, 267, 285 A . 3, 321, 331 f. — als Schlachttier (Stier) 280 A. 2, 321 A. 3, 332. — als Sehwein (Eber) 72. — Sohn der N u t 238, 2 5 9 f . , 380. — Tier des 22 Abb. 2, 189, 320 A . 1. — Thoeris, sein K e b s w e i b 356. — Beherrscher der W ü s t e 8, 23, 237, 258, 411. Sethroe, O. i m D e l t a 24 A 1. Siebenzahl 150, 153 A. 1, 158f., 170 A. 6, 405, 438 A . 2. Sile, O. i m Nordostdelta 419 A . 3, 427. (Gebel) Silsile, Stromschnellen in Oberägypten 17, 218, 430. Sistrum 10, 145, 304, 315. Skarabäus, Käfer 59f., 2 1 5 f . Skorpion, Begleiter der Isis 58, 138. — als feindliches W e s e n abgewehrt 26, 36, 53, 58 f., 375 A. 3, 385. — als Gottheit vgl. Selket 58f., 221 A. 1. — der K ö n i g als 6 A. 3, 58, 110. Smithis, Gn. v o n E l K a b 12 A. 5. Sokar, G. v o n Memphis 94, 115> 246, 248, A. 5, 286, 294, 336— F e s t des 71, 92, 94, 118, 296, 297, 318, 259, 381/2. — Heiligtum 90 A. 5, 94, 293 A. 3, 298, 406. — als Osiris 142, 266, 293, 294, 295f., 298, 325, 331, 405, 437. — Priester des 154, 294, 295.
Sonne, weibliche der beiden Länder (B'.t t\.wj) 163, 342, 357. Sonnenauge (Sagen) 43, 54, 226, 235f., 241 f., 288, 299, 312, 317, 343 A . 1, 353, 434. Sonnenglauben (von Heliopolis) 4, 49, 125, 230ff., 299, 313, 323, 326, 330, 350f., 368f., 375, 390, 394, 402. Sonnengott (allgemein) 21, 54, 61, 109, 230ff., 292, 309, 328, 340, 342, 348, 370f., 442, 445. — als K a l b 78, 233 A . 3. — widderköpfig 81, 322. Sonnenheiligtum vgl. Re-Harachte 130, 157 A . 5, 222, 231, 233f., 250, 299, 361, 365/6, 370, 377. Sonnenscheibe, geflügelte vgl. Horus v o n E d f u 43, 183, 342, 418f. Sonnenschiff 65, 97 A. 6, 105, 235f. 247, 248 A. 5, 293, 328, 330, 334, 412. Sopdu, G. des Ostdeltas 23 A. 4, 30, 44, 88, 90, 140, 175, 205, 326. Sothis, Stern 225, 267. kalender 124 A. 1, 225, 2 6 0 f . — Seele der Isis 147. Speos Artemidos bei Beni H a s a n 7, 8, 400. Sphinx, als H a r a c h t e 389. Spitzmaus 32, 34. Statuen, als Mittler 388f. Steinbock 80, 81 A . 3. Sterne, Götter als 90 A. 5, 224, 293, 407, 423. — als Seelen 4 6 f . , 147, 247. — Sterngottheiten 169, 170 A. 1, 236, 336. Stier vgl. Wildstier. — als Bringer der Fruchtbarkeit 74f., 296, 409 A . 3. — Doppelstier (¡ffnä) 22 A. 3. — des Lichtglanzes (Sonnengott) 233.
Stichwörter Stier, als Opfertier 5, 77, 78, 258, 321 A. 3, 351, 408. — rituelle Tötung 77. — schwarzer 136, 403. — Stadt des großen St. = Xoi's 213, 403. — starker = König 6, 440. — weißer 76, 350. Storch (Jabiru) vgl. Bai 46. Stundenwachen, Ritual 168, 170, 26», 406. Su (¿w), Geburtsort des Seth 23, 194, 320, 411 A. 4, 412. Suchos, Krokodilgott 14, 16f., 56, 88, 117, 134, 152, 160, 285, 354, 357, 394 A. 3, 403, 409 A. 3, 430f., 439f. — als Geb 253 A. 5, 435. — König als 16. — Sohn der Neith 16, 152 A. 4, 435, 443. — weiblicher 162, 443 A. 3. Surarije, O. 17. Syene (Assuan), O. im 1. o. Gau 68. Sykomore, im K u l t 79, 84f., 172, 286. — südliche vgl. Hathor 86, 211, 286. Sykomorenhaus, im 7. u. Gau 18 A. 2, 88 A. 1, 426 A. 1. Szepter, als Osirisreliquie 266. Szepterstäbe, als Göttertrabanten 99 f., 129, 138f. T)j.t Gewandgöttin 101 A. 1. Tal, Der el Bahri 357, 362 A. 2. — Fest des (Payni) 358, 381/2, 390. Tanis, O. im 19. u. Gau 364, 378/9, 395, 398, 411, 420. Tausendfuß (Sepa) 59f., 115, 214, 266, 394, 403 A. 3, 409. Tefen, G. 162, 220. Tefnut, Gn. in Abydos 151, 253. — als Löwin 82, 162, 221, 243, 253, 288, 353, 433. — im heliopolitanischen System 162, 184, 220f., 227, 243, 248.
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Tehne (Akoris), O., Kulte 7, 10, 17, 393. Tempelland, Weihung von 74, 168, 192, 297. Terenuthis, Ort im Westdelta 56 A. 2, 59. Teuzoi, O. s. El Hibe. Thebaüs, nördliche Grenze der 191, 398. Theben, Gauzeichen (Wäset) 99, 129. — Name vgl. Djeme 340, 347, 365. — Osirisrelique 408 A. 3. Thinis, O. im 8. o. Gau 10, 331, 334, 408. — Gauzeichen „das große L a n d " 96, 129, 331/2. Thoeris, Nilpferdgöttin 13, 14 A. 2, 355f., 375 A. 3, 385. Thot, G. 87, 192 A. 3, 380, 433. — Fest des 297, 327, 334. — Geburt des 226 A. 4, 238, 424. — Größter der Fünf 20, 259 A. 2, 308/9. — Helfer des Osiris 112, 240, 263, 314. — Herr der Fre'mdländer 49. — Herr von Schmüij (Hermopolis) 21, 49, 150, 311, 446. — als Ibis 21, 48, 138 A. 5, 190, 291 A. 3, 306f. — Kinder des 156 A. 1. — als Mondgott 48f., 147, 154, 184, 241 f., 259 A. 2, 265, 291 A. 3, 306, 313/4, 337, 354, 424. — Name des 173, 306. — als Pavian 20, 306, 375 A. 3, 383. — Schutzgott der Beamten 49f. — Sohn des (Gaufürst) 301. — Sohn des RS 311 A. 5, 313/4. — Szepter des 138 A. 5, 139, 150. — Verbindung mit Seth 184f., 265. — als Zunge 291. Thronsitz, Isis als 101, 145.
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Stichwörter
Thronkissen ( ? ) 101, 109. Tierkopf, bei Gottheiten 145, 217. Tnn.t, „erhobene S t ä t t e " in Memphis 93f., 172, 286, 287 A. 3, 294, 327. — Gn. in Hermonthis 341 f. Toilettengötter, königliche lOOf., 109. Totemismus 1, 2 , t 7 7 , 107 A. 3, 126, 174, 202 A. 2. Totengericht 19 A. 4, 158, 240 A. 1, 249, 255 A. 1, 268 A. 7, 277, 328, 373, 390, 401, 436. Totengötter 29, 30, 147, 175, 246, 268f., 280, 294, 298, 326/7, 329f., 357f. Totentempel des Königs 152, 358/9, 381, 389. Triphis (Rpj.t), Gn. von Achmim 10 A. 1, 11 A. 6. Triade 149f. — memphitische 149, 287f., 354. —Reichstriade, ramessidische 150, 379. — thebanische 149, 352, 354. Triaden, sonstige 151 f., 424, 435 A. 6, 442. Trunkenheit, Fest der 9. Tuphium (EJ Töd), O. in Oberägypten 170, 340, 343, 429 A. 1, 440. Tura (Memphis-Ost), Kulte 29. Uagfest 267, 297, 327, 334. Uneg, G. als Himmelsträger 226 A. 6, 252. Unendlichkeit (Nhj), als Name des Ptah 287 A. 3. Universale Gottheiten 4, 110, 383, 442, 445. Unterägypten, personifiziert 163. Unterwelt 55, 61, 112, 158, 224, 234, 237, 246, 251, 255, 267, 293, 322, 324, 328, 347, 360, 401, 409, 438. — Dämonen 130, 385. Unu (Wnw), Hermopolis bei Buto, O. im 6. u. Gau 213, 403,
Unwetter (Sturm) 8, 24, 55, 147, 237. Upuaut, G. von Assiüt 27f., 103, 139, 160, 174, 176f, 188f., 191 f., 207, 210, 325. — in Abydos 116, 138 A. 5, 150, 194, 335. — als Horus 193. — als R 6 194 A. 5, 326. — Sohn des (Gaufürst) 301. — unterägyptischer 30, 138 A. 5, 150, 160 A. 3, 161, 207. Uräusschlange (Uto) 8, 53f., 158, 180, 210, 233, 340, 413, 420. — Befrieden der 53, 134. — als Horusauge 239, 242f., 248, 269, 288, 323, 420. — als Schriftbild f. Göttin 57. Urhügel 93f., 146, 172, 215, 217f., 231 f., 286, 289f„ 292, 310, 322, 327, 332, 343, 347, 391. Urmonotheismus 271. Urozean s. Nun. Urzeit (Weltbeginn) 52, 53 A. 1, 61, 86, 96f., 161, 186, 187, 215f., 229, 231 f., 240, 248f., 289f., 301, 307, 336, 349, 355, 421, 433. Urzeitliche Götter 42, 144, 161, 219 A. 4, 228 f. 289, 301, 304, 307f., 317f., 322, 335, 343, 345, 346. Uto (Leto), Gn. im 19. u. Gau 179 A. 1. — als Horusauge (Tefnut) s. d. 83, 239, 242 f., 420 A. 2, 432. — das Ichneumon ihr heilig 32 f. — Kronengöttin 110, 210, 244. — auf dem Papyrus 90. Verborgenheit, Personifikation 144, 307, 346. Verehrte, der (ipi), G. in Hermopolis 311. Vierzahl 167f„ 437/38. Viper 67 f. Vogelfalle, Haus der, Thotheiligtum 309, 314, 440.
Stichwörter Wachdiensthabende (wräjw) vgl. Seelen von Nechen und Pe 282, 284. Waffenplatz (hrj %]) vgl. Babylon 239. Wahrheit vgl. Richtigkeit (Maat), unter Amenophis IV. 367, 369, 370, 375. Weide, im Kult 86f., 215. Weihe, Raubvogel 45, 447 A. 1. Weiß, als o. Farbe 20, 28, 210, 305. — als Farbe heiliger Tiere 26, 29, 76, 136, 305. — weiße Kapelle 20, 179, 305, 339. •— Weiße von Nechen (Nechbet) 20, 36, 418. Wels, im Kult 68f. Weltreligion unter Amenophis IV. 373. Weltschöpfung (Sagen) vgl. Urzeit 120, 124, 306f., 309, 322, 343, 349, 351, 355, 391. Weltuntergang 329. Wennofre, Name des Osiris 114, 326. Westen 55, 84, 235 f., 237, 251, 268, 282, 294, 328, 331, 357, 422, 423. — Herr des 175, 189, 268, 271, 274, 275, 327. Westgau (3. u.) 18, 44, 86, 190, 208f., 254, 403, 405. Widder, Amonswidder 80, 351, 391. — Kulte vgl. Chnum, Harsaphes 62, 75, 78f., 159, 170, 172, 286, 316f., 392/3, 395.
479
Widder, von Mendes 64, 78f., 155, 160, 165, 317, 320, 325, 394, 400, 403, 437f. — schwarzer 136. Wildkuh, Hathor als 11, 12, 73f. — in El Kab 12, 37. Wildstier 5, 12, 73, 449. — König als 6, 110, 136. Wind, vgl. Schu (Luftgott) 42. 434, 441. — Seth als Herr des 24, 237. — Vierheit 168. Wolf (Wölfin) 28 A. 1, 161, 447 A. 1. Wort, Schöpfung durch das vgl. Ausspruch 180 f. Wüste 8, 10, 21 f., 24, 25, 39, 84, 237, 246, 258, 428. Wüste, libysche, personifiziert (H\) 169, 175 A. 1, 189, 326, 331. Wüstenstier (P'Jw) im 6. u. Gau 12, 73. Xols, O. im 6. u. Gau 213, 395. Zauber (Hike), als Gott 103 A. 5, 144, 229, 442f. Zauberreich, als Beiwort 24, 49, 54, 239, 242, 244, 256, 339 A. 1. Ziege, als Opfertier 73, 81. — Bock im Kult 73, 79 A. 2, 80f„ 438. Zunge, des Schöpfergottes, als Thot 49 A. 3, 291, 314. — im memphitischen System 144, 291. Zwerge, als Götter 385 f. Zwiebel 92, 450.
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage 1955 ERSTES Seite 2
KAPITEL
Z u m Totemismus vgl. v. d. L e e u w , Phänomenologie der Religion (1933) Seite 62/3 „ d a ß die alten Ägypter Totemisten gewesen . . . ist aber nicht unsinnig, wenn bloß die Anschauung v o n der Wesensverwandtschaft mit dem Tiere u n d der Möglichkeit v o n der Macht dieses Tieres zu zehren, gemeint ist". I n Anmerkimg 3 ist z u z u f ü g e n : S. A. M e r c e r , T h e religion of Anc. E g y p t (London 1949).
Seite 5/6
Zur Nilpferdjagd als königlicher J a g d s. T. S ä v e S ö d e r b e r g h , On E g y p t . representations of hippot a m u s h u n t i n g as a religious m o t i v e = H o r a e Soederblomianae I I I (1953).
Seite 6
Absatz 2: E s ist auch kein Zufall, d a ß als urzeitliche Vorform des K a m p f m y t h u s v o n den beiden u m die H e r r s c h a f t streitenden Königsgöttern H o r u s u n d Seth zwei sich zerfleischende Königstiere e r k e n n b a r sind, der Falke u n d der Wildstier. Beide verlieren dabei ihre wertvollsten Körperteile: der F a l k e sein scharfes Auge, der Stier seine Hoden. P y r . 418a s. S. S c h o t t , M y t h e u n d Mythenbildung (Unters. 15) S. 70.
Seite 11
A n m e r k u n g 6: Triphis wird im s p ä t e n Tempel von Athribis stets wie Sachmet dargestellt u n d ihr synkretistisch gleichgesetzt, P e t r i e , Athribis Taf. 16, 27/28.
Seite 12
. . . eine „große W i l d k u h " als göttliche Mutter u n d A m m e des oberägyptischen Königs in V e r b i n d u n g mit der weißen K r o n e Oberägyptens u n d der S t a d t E l Kab . . . A n m e r k u n g 5 : . . . die W i l d k u h bezeichne. Die Inschrift steht a m ptol. Felsentempel a m Wadieingang, der der Nechbet von E l K a b u n d der H a t h o r - T e f n u t
31
Kees, Götterglaube
482
Nachträge u n d Verbesserungen zur Neuauflage als „Herrin des Wadieingangs" geweiht war (LD Text IV S. 39). Die alte Verbindung der Wildkuh mit der „Weißen von Nechen" spricht d a f ü r , daß jene H a t h o r ursprünglich eher eine Wildkuh als eine Löwin w a r ; vgl. K e e s , Farbensymbolik in ägypt. rel. Texten. Gött. Nachr. phil.-hist. Kl. 1943 S. 439.
Seite 14
. . . bei den angeblichen K ä m p f e n des Horus in der Gegend von Herakleopolis u n d Oxyrynchos 1 . . .
Seite 18
oben: Der 7. unterägyptische Gau, Nachbar des „Westgaus", den der „libysche H o r u s " beherrscht, k e n n t einen Suchos . . . Zu Anm. 4 „Du bist Thot, der in der weißen Kapelle" P y r . Neit Z. 660 = N. 719 + 21 (Spruch 665).
Seite 24
Anmerkung 1: •t ist eine Verlesung f ü r das alte ¿t-t „Asien". Zu Anm. 3 „Wind, der aus den beiden Nasenlöchern des Seth herausging" P y r . Neit Z. 653/4.
Seite 26
Oryxantilope als „weißer L ö w e " ; wohl richtiger „ d a s weiße Wild (m]j)".
Seite 29
Anubis als „ H e r r der Höhlenöffnung" wird in den Gräbern von Rife nicht genannt, daher k a u m dortiger Ortsgott, sondern Nachbar des U p u a u t in Assiüt (vgl. S. 325).
Seite 36
oben: Andererseits ist in Herakleopolis die Himmelsgöttin „die den Apophis schlachtete in ihrer Gestalt einer K a t z e " D ü m i c h e n , Geogr. Inschr. I I I 98 (Var. Neith M a r i e t t e , Dendörah I I 28) vgl. J u n k e r , Onurislegende S. 38. 164f.
Seite 41
Der Beiname Nnwn des Haroeris von K u s wird von J u n k e r , Der sehende u n d blinde Gott S. 59f als „ d a s was ist (das All)" erklärt.
Seite 46
Anmerkung 3: B a i : E b . O t t o , Die beiden vogelgestaltigen Seelenvorstellungen der Ägypter ÄZ 77 S. 78f.
1 Herakleopolis: N a v i l l e , Mythe d'Horus Taf. 17 Z. 3 = C h a s s i n a t , Edfou V I S. 123 „Horus von E d f u ist ein kraftvoller Mann mit dem Gesicht eines Falken . . ., sein Arm ist stark, den Speer haltend f ü r das Töten des Nilpferdes aus Karneol, das auf dem L a n d mit ihm zusammen ist". Oxyrynchos: a. a. Taf. 24 Z. 104f. = E d f o u V I S. 222 s. u . S. 321. Das rote Nilpferd als Sethgestalt auch N a v i l l e , Taf. 22 Z. 32, 56. Zur H o r u s m y t h e s. u . S. 412f., 426.
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage
483
Seite 50
Thot alg Ibis: Daß der Ibis eine spezielle Königskraft verkörperte s. u. S. 189 (Standarte).
Seite 59
Nilmesser: E t . D r i o t ' o n , Les origines pharaoniques du nilometre de Rodah, Bullet, inst. d'Egypte 34 (1950/51) S. 291 f. zeigt, daß der alte Nilometer nicht auf Roda stand, sondern dieser erst in arabischer Zeit als Ersatz f ü r den verfallenen Nilometer bei Heluan, Memphis gegenüber, gebaut wurde. Er vermutet demgemäß auch das „Nilhaus" nahe Heluan, nicht bei Atar en-Nabi.
Seite 62
Hr-wr ist nach G a r d i n e r , Anc. Egyptian Onomastica I I S. 84 zu Nr. 379 nicht Antinoé (Schech Abade), sondern das heutige Dorf H ù r auf dem Westufer.
Seite 69
. . . die Schildkröte wurde, als ausgesprochener Widerpart des Sonnengottes Rè behandelt, die sogar den segenspendenden Nil ausschlürfe, ähnlich wie es die Schlange Apophis mit dem Himmelsgewässer vor der Sonnenbarke t a t 8 .
Seite 73
Zum Ziegenopfer J u n k e r , Giza V S. 96f.; Miscell. Gregor. (1941) S. 117. K e e s , Gött. Nachr. phil.-hist. Kl. 1942 S. 71 f.
Seite 79
Die angebliche Tarnung des Widdergottes Cherti als Löwe (LD I I I 277a) beruht auf einem Mißverständnis von L e f ä b u r e : das Det. ist das archaische Widderbild. Noch im ptol. Fajumpap. erscheint „Horus, Herr von Letopolis" als Widdersphinx B r u g s c h , Thesaurus S. 747.
Seite 81
Abbildungen von Ziegenböcken als heilige Tiere sind äußerst selten. Wo solche erscheinen, handelt es sich fast immer um Darstellungen des Amonstieres aus der thebanischen Weststadt, wobei den Zeichnern offenbar verschiedene Tiertypen vorschwebten 3 .
8 Urk. VI 123 (spät); zur Parallele mit Apophis vgl. Tb. Kap. 108 (NR). S Beispielsweise sieht das Brit. Mus. Egypt. Stelae V 42 (Nr. 356) als „Seele der Götter" bezeichnete Tier einem Steinbock am ähnlichsten (aus Der el Medine). Auf gleichaltrigen Zeichnungen dorther, etwa dem Ostrakon Annal. du Serv. 40 Taf. 58, ebenso auf der Leipziger Stele B o n n e t , Bilderatlas Abb. 49 („heilige Seele des Amonre") entspricht die Hörnerform der des ägypt. Mähnenschafes (frdl. Mitteilung von L. K e i m e r ) , »l*
484
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage
Seite 97
Zum Djedpfeiler siehe die archaischeil Bündelformen Z a k i S a a d , Royal excavations a t Saqqara a n d Helwan 1941—1945 Taf. 14, b (Elfenbein).
Seite 100
Anmerkung 4: Zu den Insigniengottheiten s. K e e s , ÄZ 77 S. 24f., dazu Coffintexts I 140 u n d speziell als Vertreter der Nördgötter Coffintexts IV 90.
Seite 102
Waffen der Vorzeit (Stäbe, H a r p u n e , Schlagkeulen) werden als Erinnerungen a n mythische K ä m p f e noch in Kultlisten des N R a u f g e f ü h r t . Das Schriftzeichen f ü r Osten 'jf ist wohl eine archaische Lanze. Anmerkung: „ I m Zeughaus" M a r i e t t e , Abydos I 44/45 Nr. 46 (oben), ebenso „Waffen im Zeughaus" auf dem Turiner Altar mit N a m e n Phiops' I . S. 3 Nr. 13.
Seite 110
Anmerkung 1: Die eigenwillige Darstellung von H . F r a n k f o r t , Kingship a n d the Gods (1948) vernachlässigt b e t o n t Geschichte u n d Kulttopographie.
Seite 114
Anmerkung 1: Zum Beinamen Wennofre s. G a r d i n e r , Miscell. Acad. Berol. (1950) I I , 2 S. 44f.
Seite 115
Schluß des l . A b s . : Man m u ß immer bedenken, daß m a n dem ägyptischen König als „großem G o t t " mit derselben Selbstverständlichkeit die f ü r den ägyptischen Menschen, der ein Ackerbauer war, vordringlichsten Mächtigkeiten z u t r a u t e : dem Erdboden F r u c h t b a r keit u n d E r n t e , dazu die unentbehrliche Nilüberschwemmung zu verschaffen, wie dies primitive Afrikaner noch von ihrem „Regenmacher" erwarten 5 .
Seite 116
Zum Heroenkult E b . O t t o , ÄZ 78 S. 28f.
ZWEITES KAPITEL Seite 121
Vorgeschichte: Die reichhaltigste Übersicht jetzt J . V a n d i e r , Manuel d'archéol. égypt. I (1952) L a préhistoire.
5 I n diesem Sinne ist die Formulierung von F r a n k f o r t , Kingship a n d the Gods S. 211 „All understanding of this most E g y p t i a n of t h e gods is made impossible, if one starts an inquiry whether the concept of Osiris as a dead king or as a cosmic god is original. They . . . never have been distinct . . . the king is a god . . . whose beneficial powér is felt from beyond the grave" annehmbar.
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage
485
Seite 129
A n m e r k u n g 3: Daher das R ü c k g r a t (pM) des Osiris als Reliquie im Gau von Busiris D ü m i c h e n . Geogr. Inschr. I I I 1 (Dendera).
Seite 136
A n m e r k u n g 4 Farbenauslese: K e e s , Farbensymbolik in ägypt. rel. Texten. Gött. Nachr. phil.-hist. Kl. 194-3 S. 413f. Zum Sachmetpriester als Rindersiegler vgl. „Vorsteher der Web der Sachmet, Vorsteher der Zauberer, Oberarzt des K ö n i g s " A n t h e s , H a t n u b Gr. 15. „Deine Rinderabgabe ist in Massen gesiegelt durch die E r f a h r u n g des Web der S a c h m e t " L e f e b v r e , Tomb e a u de Petosiris Text NR 58 C.
Seite 137
Der Widdergott Cherti ist zu streichen vgl. zu S. 79.
Seite 145
Falls die D e u t u n g auf eine vorgeschichtliche F r u c h t barkeitsgöttin richtig ist, wäre a u c h das anthropomorphe „ H a t h o r b i l d " m i t K u h o h r e n auf einer Vase a u s Negada ( V a n d i e r , Manuel d'archeol. egypt. I S. 288f. mit fig. 195) zu nennen.
Seite 149
An Stelle des Schlußsatzes von Abs. 1: D e n n durchaus nicht immer v e r l ä u f t der Bildungsvorgang so, d a ß die politisch erfolgreiche L a n d s c h a f t ihre f ü h r e n d e n Gottheiten der unterlegenen aufnötigt, im Gegenteil bietet die ägyptische Geschichte Beispiele, z. B. im Verfahren der thinitischen Könige oder der Thebaner bei E i n f ü h r u n g des Amonskultes, d a ß der Sieger absichtlich zugkräftige Gestalten oder Myt h e n aus dem anderen Landesteil ü b e r n a h m .
Seite 159
70 Tage weilen die D e k a n e (einschl. Sothis) in der Unterwelt „Gebs H a u s " , das ist ihr Aufenthalt zu ihrer Reinigung in ihrer „ B a l s a m i e r u n g s s t ä t t e " H . O. L a n g e - O . N e u g e b a u e r , P a p . Carlsberg I S. 48f. 59 f.
Seite 171
Auch die Zahl 16 (4 x 4) k o m m t v o r : 16 L e u t e ziehen bei der Sokarisprozession dje Barke, wobei ein Spruch 16mal zu rezitieren ist (Med. H a b u ) vgl. L ü d d e c k e n s , Mitt. D t . I n s t . Kairo I I S . 167.
Seite 176
R e - H a r a c h t e , der heliopolitanische H i m m e l s g o t t des AR, ist „ H e r r der Richtigkeit, H e r r der beiden Länder, a n der Spitze der Götter" 3 ®, A t u m stellte sich ihm als
8 a v. B i s s i n g - K e e s , Re-Heiligtum I I I N r . 352 (S. 41) u n t e n S. 234 A n m . 1.
486
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage „Herr der beiden Länder (von) Heliopolis" 1 an die Seite. Andere Günstlinge der Geschichte nennen sich „König der beiden Länder" (Ptah, Osiris, Harsaphes, Month) . . .
Seite 177
Schluß des 1. Abs.: Entsprechend beanspruchten schon im AR die alte Kronengöttin Uto und die memphitische Residenzgöttin Bastet-Sachmet den Königinnentitel „Herrin der beiden Länder" s. u. S. 210 Anm. 4; 288 Anm. 2.
Seite 180
Zu Anmerkung 4: „Wer Worte spricht, setzt Mächte in Bewegung" v. d. L e e u w , Phänomenologie der Religion S. 381. Zu Wortspielen als mythenbildendes Element S c h o t t , Mythe u. Mythenbildung (Unters. 15) S. 59f.
Seite 184
Absatz 2: Wie S. S c h o t t zeigt, setzte die Mythenbildung in Ägypten die Vermenschlichung der vorzeitlichen Mächte voraus. Aber um sich wiederum von allzu menschlichem Wesen abzusetzen, bevorzugten die Mythen das Ungewöhnliche, mitunter f ü r unser Gefühl Scheußliche und Widernatürliche 2 , Anmerkung 1: K e e s , Kultlegende und Urgeschichte (Gött. Nachr. 1930). Während S e t h e , Urgeschichte § 97 sogar in den Osirisreliquien der berühmten Osirisstätten der Spätzeit glaubte „den Nachklang eines großen geschichtlichen Ereignisses zu hören, das in dem Zerfall des bereits geeinten Reiches in seine Bestandteile bestand" urteilt S c h o t t , S. 58 „Die Mythe vermittelt mit ihren Orten keine .mythische' Kunde verschollener Geschichte, sondern dringt in alte Kulte dadurch ein, daß sie den mythischen Schauplatz an ihre Stätten verlegt".
Seite 186
So ist es gewiß kein Zufall, daß aus der Reichseinigungszeit wichtige Züge des Mythenkreises um das Horusauge herauswuchsen (S. 241 f.), daß wir in der Zeit der bitteren Enttäuschung . . . DRITTES KAPITEL
Seite 188
2. Absatz: Gemeinsame Ziele vor allem zur Durchsetzung wirtschaftlicher Notwendigkeiten werden zu Beginn der geschichtlichen Zeit vordem eifersüchtige Nachbarn zusammengeführt haben, wie dies zur Hyksoszeit oder bei dem Koalitionskrieg gegen die Äthiopenkönige der Fall war. Auf jenen Denkmälern
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage
487
der Reichseinigungszeit erscheinen als Helfer des Horuskönigs von Hierakonpolis göttliche Mächte, die sich wesentlich aus zwei Gruppen zusammensetzen 1 , einmal W a f f e n , z. T. hocharchaischer Form, andererseits T i e r g o t t h e i t e n . Beide stellen als königliche Trabanten Verkörperungen göttlicher Sonderkräfte dar, die nach Charakter und Herkunft f ü r Herrscher über jagende und viehzüchtende, wesentlich noch nomadisierende Stämme paßten. Schutzmächte aus beiden Gruppen sind auch als Gottheiten oberägyptischer Gaue bekannt, und wohl damals schon als ihre speziellen Vertreter betrachtet worden. Seite 189
(Fortsetzung) Da ist der stehende C a n i d e (Upuaut) von Assiüt, immer einer der nächsten Begleiter des Königs, der gelegentlich durch ein gleichartiges Standartenpaar vertreten wird 1 , dann das S e t h t i e r , das z. B. auf dem Keulenkopf mehrfach erscheint, und ein einzelner F a l k e 2 . Auch dieser wird bereits auf den Siegesdenkmälern des Narmer gern in ein Paar gedoppelt, das zum engsten Kreis der Königsgeleitsgötter gehört'. Da diese zwei Falken auf der Städtezerstörungspalette als Götterpaar gekennzeichnet sind, das gemeinsam eine Stadt zerstört (Taf. V I I I , b) 4 , hat man hier bereits eine politische Anspielung auf das gleichartige Gauzeichen von Koptos, die „beiden Herren", unterstellt 5 . Der anderen Gruppe gehört anscheinend das als Gauzeichen von Achmim bekannte sog. M i n s y m b o l an, in dem Helck eine Harpune, also eine königliche Jagdwaffe vermutet. Von Standartengöttern, die man nicht mit Gauzeichen zusammenbringen kann, bleiben übrig: der I b i s " , ein zwei- oder dreizackiges bergähnliches Zeichen iy und das Schriftzeichen f ü r „ O s t e n " , ferner das schon besprochene Zeichen des kgl. T h r o n k i s s e n s ' j . Von ihnen gehörten wohl sicher das Ostzeichen | , eine archaische Lanze, vielleicht auch das bergähnliche Zeichen (ein alter Dreizack?) zu den königlichen Waffen und Jagdgeräten 8 . Sie nahmen keinerlei landschaftliche Bindungen an.
1 H . W. H e l c k , Das Horusgeleit. Archiv orientAlni 18 (1950) S. 120 f. Zu beachten ist, daß von der Reihe der auf dem Keulenkopf des „Skorpions" aus Hierakonpolis die „Untertanen" gefesselt haltenden Götter mehr als die Hälfte fehlt! Q u i b e l l , Hierakonpolis I Taf. 26c = V a n d i e r , Manuel d'archäol. ögypt. I fig. 393. 7 s. o. S. 101 f. 8 s. H e l c k a. a. O.
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N a c h t r ä g e u n d Verbesserungen zur Neuauflage
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(Fortsetzung) Insbesondere ist eine solche zwischen dem Ostzeichen u n d dem Delta, das im Kreise oberägyptischer Königsmächte ein F r e m d k ö r p e r w ä r e 1 , abzulehnen. Auch h a t das Gauzeichen des 15. u n t e r ägyptischen Gaues zur E r k l ä r u n g des Ibiszeichens auszuscheiden; doch k ö n n t e die Tatsache, d a ß s p ä t e r e Zeiten die I b i s s t a n d a r t e u n t e r den Götter-Horusdienern als „ T h o t " bezeichnen 2 , einen Hinweis geben. Die „ F i n d i g k e i t " , die d e m „ s u c h e n d e n " Ibisvogel n a c h ägyptischem Glauben sonderlich eignete u n d im S t a a t des A B speziell auf das A m t des Vezirs als S t a t t h a l t e r s des Königs ü b e r t r a g e n wurde®, war vielleicht schon hier in d e m oberägyptischen Kräftereigen d e m Ibis als königlichem Tier zugedacht. Hier lag also f ü r den geschichtlichen Thot auf oberägyptischem Boden ein guter A n s a t z p u n k t , insbesondere a u c h f ü r die aus den P y r a m i d e n t e x t e n bezeugte Nebeneinanderordnung des Ibis (Thot) u n d des Horusfalkens. Wie alle diese Denkmäler hervorheben, war der Falkenkönig v o n Nechen der a n e r k a n n t e F ü h r e r im E n d k a m p f gegen U n t e r ä g y p t e n , speziell die nordwestlichen Deltateile.
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(Fortsetzung) Aber seine H e l f e r 1 a behielten soviel Eigengeltung, d a ß ihre U n t e r s t ü t z u n g durch Konzessionen belohnt wurde. Die Mithilfe einzelner v o n ihnen war vielleicht gerade wegen ihrer V e r b i n d u n g zu einem Gaugebiet in Oberägypten f ü r den Ausgang der geschichtlichen Reichseinigung so entscheidend, d a ß sie gegenüber der Masse der Ortsgötter gewisse Vorrechte eingeräumt erhielten, die im R i t u a l der königlichen Erinnerungsfeiern festgelegt w u r d e n . D a r u m verdienen n e b e n den geschichtlichen D e n k m ä l e r n aus jener Zeit thinitische Rituale als Quellen gegenüber allen Göttergeschichten der Folgezeit den Vorzug. J e n e einst a u s den L e b e n s u m s t ä n d e n oberägyptischer S t a m mesführer' zusammengewachsenen Schutz- u n d Helfergottheiten des Königs n a n n t e der Ägypter „Horusgeleits oder H o r u s g e f o l g s g ö t t e r " 1 . . .
1 So S e t h e , Urgeschichte § 191 mit A n m . 2 vgl. § 78. 99. 2 So z. B. Ombos I S. 342 (ptol.) als Thot „ H e r r v o n Schmun, H e r r der Gottesworte". 8 S. o. S. 48 u n d H e l c k a. a. O. S. l ^ l f . Ob m a n schon die Mondsymbolik heranziehen darf, m a g fraglich sein (Dualität Falke-Ibis). l a Sie f ü h r e n d e m König die „ U n t e r t a n e n " (rhj-t) gefesselt v o r ; ihre Mithilfe k a n n der König ebensowenig entbehren, wie ein K ö n i g der Feudalzeit das Aufgebot der G a u f ü r s t e n im Lande.
Nachträge und Verbesserungen zur Neuauflage
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unten: . . . daß bei dem viermaligen Umlaufen des Feldes, das der (oberägyptische) König an jedem Regierungsjubiläum (Sedfest) als Symbol der Besitzergreifung der Welt kraft des Testamentes der Götter vorzunehmen hatte, der „Diener der Seelen (Gotter) von Nechen" die Standarte des Upuaut voranzutragen und in das Feld aufzupflanzen hatte.
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Schluß des 2. Abs.: . . . oberägyptischer Herkunft und beide wesentliche Verkörperungen gottköniglicher Kräfte.
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(Mitte) Nur heraldisch-schematische Göttergruppen haben, darstellerisch nachweisbar seit MR, aber zweifellos beeinflußt von memphitisch-heliopolitanischen Mythenbildungen über die Aufteilung der „beiden Länder" Ägyptens auf Horus und Seth . . . Zu Anmerkung 3 (Schlußsatz): Die Erfindung mag nach der Fassung der Teilungssage, wie sie uns zuerst im Denkmal memphitischer Theologie vorliegt (S. 293), auf die Zeit der 4./5. Dynastie zurückgehen, vgl. S c h o t t , Mythenbildung S. 72.
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2. Absatz: . . . im engeren Raum Oberägyptens zu finden und damit den Ursprung einer Mythe, die die Gegensätzlichkeit, j a Feindschaft, der beiden verschiedenartigen, sich aber in ihrer Geltung als Königsmächte begegnenden Göttertiere voraussetzte, zu erklären.
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3. Absatz: . . . ist für ägyptische Denkweise ebenso müßig, wie die andere, welche spezielle Kraft dem Wüstenjäger am wertvollsten war, ob die Schnelligkeit und Stärke seiner Hunde, das scharfe Auge des Jagdfalken, der schnellende Bogen mit dem Pfeil, oder sein Spieß! Eine Gesamtheit von Kräften ist dem Ägypter stets sicherer gewesen, als Verlaß auf eine einzelne überlegene Kraft. Das Ritual der Königsfeste überließ dementsprechend vielerlei Königsgöttern ein Teilgebiet.
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Anmerkung 3 statt N e w b e r r y , P S B A 34 S. 298 lies: P S B A 28 (1906) S. 69.
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Anmerkung 5: Eine ähnliche Darstellung ist jetzt auf einem Reliefblock aus dem Totentempel des Cheops nachweisbar: L a u e r , Annal. du Serv. 49 Taf. 1/2. Zur Erklärung s. den im Nachtrag zu S. 5/6 zitierten Aufsatz von S ö d e r b e r g h .
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2. A b s a t z : . . . ist vielleicht weniger „ein E r b s t ü c k a u s der butischen Königszeit" ( S e t h e ) als eine pseudohistorische Mythisierung der Vorzeit, die die memphitisch-heliopolitanische Theologie im Königsritual v e r a n k e r n wollte. 4 Sie wurde später als „osirianisches" Begräbnis auf alle bevorrechteten Toten ü b e r n o m m e n .
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A n m e r k u n g 3: Rein spekulativ wird Schu als „Ewigk e i t " (Nhh), seine Schwester T e f n u t als D-t, d. h. als Masculinum u n d F e m i n i n u m des Ewigkeitsbegriffes erklärt Coffintexts I I 28 vgl. I I 23.
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(oben) Eine gedankliche Parallele bildet die Vorstellung v o n der E r d e als das „ausgebreitete" A r m p a a r des E r d g o t t e s (Pyr. 604). . . . (Nut) „die F e r n e " u n d „ G r o ß e " bildet die H i m melsbrücke f ü r die Gestirne, als deren M u t t e r sie „die mit t a u s e n d Seelen (Gestirne)" heißt. (unten) die H a h - G ö t t e r „die den H i m m e l umgeben m i t ihren A r m e n " (Coffintexts I I 27 spell 80).
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A n m e r k u n g 2: S e t h e , Dramatische Texte S. 184; daher die Vorschrift der s p ä t e n kulttopographischen Liste im E d f u t e m p e l , d a ß in Letopolis „jeder Kopf m i t seinem Auge d a r a n " verabscheut sei. B r u g s c h , Dict. g