Der Entwurf eines Kriminalgesetzbuches von Karl Theodor von Dalberg aus dem Jahre 1792 [1 ed.]
 9783428460090, 9783428060092

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BERND REHBACH

Der Entwurf eines Kriminalgesetzbuches von Karl Theodor von Dalberg aus dem Jahre 1792

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 38

Der Entwurf eines Kriminalgesetzhuches von Karl Theodor von Dalherg aus dem Jahre 1792

Von

Dr. Bernd Rebbach

DUNCKER & BUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Rebbach, Bemd: Der Entwurf eines Kriminalgesetzbuches von Karl Theodor von Dalberg aus dem Jahre 1792 I von Bernd Rehbach. - Berlin: Duncker und Humblot, 1986. (Schriften zur Rechtsgeschichte; H. 38) ISBN 3-428-06009-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten &. Humblot GmbH, Berlin t1 Satz: Hermann Hagedorn, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlln 61 Printed In Germany

© 1986 Duncker

ISBN 3-428-06009-1

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1984/85 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Die Entstehung und erfolgreiche Beendigung der Arbeit verdanke ich meinem verehrten Lehrer Prof. Dr. Peter Landau, an dessen Lehrstuhl ich vom 1. 10. 1981 bis 28. 2. 1985 tätig war. Durch sein Vorbild habe ich die Faszination, die rechtshistorische Forschung ausüben kann, erfahren. Peter Landau hat die Arbeit mit großer Anteilnahme von Anfang an betreut und durch vielfältige Anregungen gefördert. Er hat die Bedeutung des bisher kaum beachteten Entwurfs eines Kriminalgesetzbuches von Karl Theodor von Dalberg erkannt. Das Bild Dalbergs in der Forschung konnte so um einen wesentlichen Aspekt - Dalberg als Strafrechtsreformer bereichert werden. Für die geleistete Unterstützung möchte ich mich auch bei Prof. Dr. FriedrichChristian Schroeder bedanken, der mir insbesondere im strafrechtlichen Teil wertvolle Hinweise gab, immer Zeit zu einem Gespräch mit mir fand und mit wohlwollendem Interesse den Fortgang der Arbeit verfolgte. Frau Judith Beer-Böhm hat den Text nach handschriftlicher Vorlage zu meiner vollsten Zufriedenheit geschrieben. Hemd Rehbach

Inhaltsverzeichnis Einleitung Kar) Theodor von Dalberg - sein Leben und seine Zeit Erster Teil

Die theoretische Grundlage des Entwurfs 1. Abschnitt Menschenbild und Staats theorie Da/bergs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

2. Abschnitt Straftheorie .........................................................

50

I. Die Überwindung der theokratischen Strafauffassung . . . . . . . . . . . . . . . .

50

11. Die Strafzwecke im Entwurf und die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . .

54

111. Die Abgrenzung zu anderen Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

3. Abschnitt Die Wirkungen der Aufklärung auf die Strafgesetzgebung und ihre Bedeutung im Entwurf. .. . ....... . .... ........... ... .......... . .. . .......... .. .....

60

I. Gesetzeslehre ..................................................

60

1. Anpassung der Gesetze an die gesellschaftlichen Verhältnisse . . . . . . .

60

2. Die Begrenzung richterlicher Willkür. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgeschichte.... .... .............. ... ............. .. ... . . b) Der Kodifikationsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwirklichung der Rechtssicherheit im Entwurf. . . . . . . . . .. . . . .

60 60 62 63

11. Die Strafe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

1. Die Humanisierung der Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgeschichte........... .. ........ . ... . .. .. ...... ... ... ... b) Die Entwicklung seit Montesquieu..... . .................... . c) Der Niederschlag des Humanisierungsgedankens im Entwurf. . . .

64 64 65 66

2. Die Natur der Sache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3. Veränderungen im Strafensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

4. Die Todesstrafe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

III. Das Bestätigungs- und Begnadigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

8

Inhaltsverzeichnis

4. Abschnitt Der Strafvollzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Dominanz der Freiheitsstrafe und die Kritik am herkömmlichen

73

Vollzug. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .

73

11. Das Konzept des Strafvollzugs bei Dalberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

5. Abschnitt Verbrechensverhütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Zweiter Teil

Das materielle Strafrecht im Entwurf 1. Abschnitt Der Allgemeine Teil des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

I. Dolus und culpa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

1. Die Entwicklung im gemeinen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Die Behandlung bei Dalberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

11. Die Teilnahme am Verbrechen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

1. Die Entwicklung im gemeinen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

2. Die Behandlung der Teilnahme im Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

111. Ausschluß der Strafbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

IV. Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

V. Verbrechenskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

2. Abschnitt Der Besondere Teil des Entwurfs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

I. Eingriffe in die persönlichen Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

1. "Vom Aberglauben und Zauberey" . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .

94 94 95 96

a) Der Verbrechenstatbestand und seine Entwicklung. . . . . . . . . . . . . b) Der Kampf gegen den Hexenwahn .......................... c) Die Auffassung Dalbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Meineid, Delikte gegen Religion, Sittlichkeit und Ehe ............. 96 a) Gemeinsamer Strafgrund dieser unterschiedlichen Deliktsgruppen 96 b) Die Entwicklung der Delikte bis zur Theresiana . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Der Einfluß der Aufklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Die Behandlung der Delikte im Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 101 3. Selbstmord.................................................. 103 a) Die Entwicklung des Delikts ................ ; . . . . . . . . . . . . . .. 103 b) Die Behandlung bei Dalberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 4. Beleidigung ................................................. 104 a) Der Tatbestand und seine Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104

Inhaltsverzeichnis

9

b) Die Ahndung des Delikts................................... 106 c) Die Behandlung des Delikts im Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 5. Mord und Totschlag. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. 108 a) Die Entwicklung der Delikte. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108 b) Die Behandlung der Delikte im Entwurf. . . . .. . . . . .. . . . .. . . . .. 110 6. Abtreibung und Kindestötung ................................. 111 a) Die Entwicklung der Delikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111 b) Die Behandlung der Delikte bei Dalberg ..................... 113 11. Verbrechen gegen das Vermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115 1. Raub .................................................... . .. a) Der Tatbestand und seine Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die Bestrafung des Raubes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Der Raubtatbestand im Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

115 115 116 117

2. Diebstahl ................................................... 118 a) Die Entwicklung des Delikts und seine Abgrenzung zu Untreue und Unterschlagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118 b) Die Behandlung des Diebstahls bei Dalberg. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 121 3. Fälschung und verwandte Delikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 123 a) Fälschung................................................ 123 b) Betrug................................................... 124 c) Die Auflösung des falsum und Abgrenzung zum Betrug. . . . .. .. 125 d) Münzflilschung ........................................... 126 e) Wucher.................................................. 126 f) Die Behandlung der Delikte im Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 126

4. Brandstiftung................................................ 128 a) Der Verbrechenstatbestand und seine Entwicklung. . . . . . . . . . . .. 128 b) Die Behandlung im Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 III. Verbrechen gegen die allgemeine Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 1. Das Gewaltdelikt ............................................ 130 a) Die Entwicklung des Delikts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 b) Die Behandlung im Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 132 2. Verräterei und Majestätsdelikt ........... ,'..................... 133 a) Die Entwicklung der Delikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133 b) Die Behandlung im Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 135

Dritter Teil Die Verfahrensvorschriften des Entwurfs

1. Abschnitt Vorgeschichte: Der Inquisitionsprozeß bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. . . . .. 138 I. General- und Spezialinquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 141

10

Inhaltsverzeichnis II. Die Verhaftung des Inquisiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 143 III. Das peinliche Verhör. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145 IV. Defensio - Appellatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147 V. Das Geständnis als Grundlage der Verurteilung. . . . . .. .. . .. . . . . . . . .. 149 VI. Der Schuld beweis durch Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 154 VII. Die Verurteilung zu ordentlicher Strafe und andere das Verfahren beendende Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155 VIII. Der endliche Rechtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 159

2. Abschnitt Veränderungen des Strafprozesses im Zuge der Aufklärung und der Standort des Entwurfs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 161

I. Die Abschaffung der Folter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 161 1. Die Entwicklung bis zur endgültigen Beseitigung der Tortur. . . . . . .. 161 2. Andere Zwangsmaßnahmen als Ersatz für die Folter. . . . . . . . . . . . .. 163 1I. Die prozessuale Situation nach Wegfall der Erzwingbarkeit eines Geständnisses durch die Folter .......................................... 165 1. Die Beweisführung nach Wegfall der Folter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 165 a) Darstellung der Rechtslage in den einzelnen Kodifikationen . . . .. 165 b) Die Beweisführung im Entwurf. . . . . . . .. . . . . . . . .. . .. . . . . . . . .. 167 2. Die Verdachtstrafe ........................................... 168 3. Die Instanzentbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170 4. Der Reinigungseid ........................................... 172 III. Die Stellung der am Verfahren Beteiligten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 173 1. Der Verteidiger ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 173 2. Der Inquisit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Inhaftnahme. . . . . . . . .. b) Die Zulassung eines Rechtsmittels nach Verurteilung. . . . . . . . . .. c) Entschädigung und weiterer Schutz für den Beschuldigten ......

175 175 176 177

3. Die Zeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 178 4. Der Fiskal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 180 5. Die Behandlung der Juden .................................... 181 IV. Die Aufhebung der Unterscheidung von General- und Spezialinquisition 182 V. Erste Ansätze zur Verwirklichung des Prinzips der Öffentlichkeit des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 184

Schlu8bemerkung ....................................................... 187 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189 Literaturverzeichnis ..................................................... 195

Abkürzungsverzeichnis Allgemeine Deutsche Biographie Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 AmrhKG Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte AUfr Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg CJBC Codex Juris Bavarici Criminalis von 1751 HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Josephina Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung Josephs 11. von 1787 NDB Neue Deutsche Biographie Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls v: (zit. auch Carolina) PGO Theresiana Constitutio Criminalis Theresiana von 1769 Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte ZbL ZgStrW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte ZRG ADB

ALR

Einleitung Karl Theodor von Dalberg - sein Leben und seine Zeit Karl Theodor Anton Maria von Dalberg lebte in einer für Deutschland ideengeschichtlich und politisch entscheidenden Epoche. Er selbst war Illuminat, in seine Zeit fiel die Gründung der Mainzer Republik durch die Jakobiner. Im kirchlichen Bereich gewann febronianistisches Gedankengut an Bedeutung. Der preußischösterreichische Dualismus und die napoleonische Machtpolitik führten zum Untergang des Heiligen Römischen Reichs. Nur mit diesem Hintergrund können seine Person und sein Werk richtig gewürdigt werden. l Dalberg wurde am 8. Februar 1744 in Mannheim geboren, nicht auf Schloß Herrnsheim, wie manchmal angenommen wird. 2 Dalbergs Eltern waren Franz I Die bisher einzige Biographie ist die von Kar! von Beaulieu-Marconnay: Karl Freiherr von Dalberg und seine Zeit, Weimar 1879. Vgl. zu Dalberg weiter: Georg Wilhelm Zapf, Karl, Großherzog von Frankfurt, Königliche Hoheit, Frankfurt/M. 1810; August Krämer, earl Theodor Reichsfreiherr von Dalberg. Eine dankbare Rückerinnerung und eine Blume auf sein Grab, Regensburg 1817; ders., earl Theodor Reichsfreiherr von Dalberg. Grundzüge zu einer Geschichte seines politischen Lebens, Leipzig 1821; Johann Weitzel, in: Das Staatslexikon. Enzyklopädie der sämtlichen Staatswissenschaften flir alle Stände, hrsg. v. Karl von Rotteck und Karl Welcker, 3. Aufl., Bd. 4, Leipzig 1860, S. 263-273; Louis-Gabriel Michaud, Biographie universelle ancienne et moderne, Bd. X, Paris 1854, photomech. Neudruck Graz 1966, S. 24-32; Jakob Müller, earl Theodor von Dalberg, der letzte deutsche Fürstbischof, Diss. Würzburg 1874; Alfred Overmann, Kar! Theodor Maria Freiherr von Dalberg, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, Bd. 3 Magdeburg 1928, S.175-194; Otto Vossler, earl von Dalberg, in: Geist und Geschichte. Von der Reformation bis zur Gegenwart. Gesammelte Aufsätze, München 1964, S. 130-148; vgl. auch ADB, Bd. 4, S. 703 ff. Die Privatkorrespondenz Dalbergs ist verschollen. (H. Huber, Der Nachlaß des Fürstprimas Karl von Dalberg. S. 275; Albert Friese, Ein Beitrag zur Geschichte des Dalberg-Archivs. Vernichtung und Wiederauffindung von Archivalien, Aschaffenburger Jahrbücher flir Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebiets, Bd. 2, 1955, S. 277-282.) Erhalten ist ein Teil der Korrespondenz des Koadjutor Dalberg mit Friedrich Kar! Joseph von Erthal (Haus-, Hofund Staatsarchiv Wien, Erzkanzlerarchiv, 136 b Fürstenkorrespondenz 1793-1797), mit dem Historiker Johannes von Müller (Stadtbibliothek Schaflhausen, Nachlaß Johannes von Müller, 105 a Korrespondenz J. v. Müller - K. Th. v. Dalberg) und mit Franz Josefvon Albini. (Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt/M., N 5, I Nachlaß Albini.) 2 K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd. 1, S. 5; A. Freyh, S.16. Herrnsheim war der Sitz des alten mittelrheinischen reichsritterschaftlichen Geschlechts der Dalbergs, das in seiner langen Geschichte hohe geistliche und weltliche Würden erlangt hat. Die bekanntesten Angehörigen der Familie sind Heribert von Dalberg, Kurfürst und Erzbischofvon Köln, gest. 1123, Johann von Dalberg, Bischofvon Worms (1445-1503), Wolfgang von Dalberg, Kurfürst-Erzbischof von Mainz (1582-1601), Philipp Franz Eberhard von Dalberg, Präsident des Reichskammergerichts, Kanzler der Unversität Heidelberg, gest. 1694, vgl. Ernst Heinrich Kneschke, Neues allgemeines deutsches Adelslexikon, 9 Bde., Leipzig 1929/30, Bd. 2, Artikel "Dalberg, Kämmerer von Worms, Freiherrn und Grafen", S.403-405; NDB, Bd.3, S. 488 ff. 1494 wurde der Familie wegen ihrer Verdienste von Kaiser Maximilian das Recht

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Einleitung

Heinrich Freiherr von Dalberg, kurmainzischer Geheimer Rat, weltlicher Statthalter zu Worms, Kämmerer von Worms, Burggraf zu Friedberg, Kaiserlicher Kammerherr, und Marie Sophie Anna Gräfin von Elz-Kempenich. Aus ihrer am 19. 3. 1743 geschlossenen Ehe gingen noch vier weitere Kinder hervor: Maria Anna Helena, 3 Wolfgang Heribert 4 Antoinette 5 und Johann Friedrich Hugo. 6 Der Unterricht, den Karl Theodor im Hause seines Vaters genoß, zielte auf eine universale Bildung. Schon früh erfuhr er von den Ideen der französischen Aufklärer. 7 Nach dem Willen seines Vaters sollte Karl Theodor die geistliche Laufbahn einschlagen. Der Zugang zu den angestrebten Ämtern war schon früh gesichert: Im Februar 1754 wurde Karl Domizellar in Würz burg, im April desselben Jahres in Mainz, im Juli 1758 in Worms. In den Jahren 1758 und 1759 hielt sich Dalberg zu Vorstudien zur Vorbereitung auf die Universität in Würzburg auf. 8 Am 28. November 1759 immatrikulierte er sich an der Universität Heidelberg 9 und belegte die Fächer Jurisprudenz und kanonisches Recht. Am 23. November 1761 beendete er erfolgreich seine Dissertation "De matre praeterita vel a legitima inique exclusa testamentum patris pupillariter substituentis per querelam inofficiosi expugnante."IO Gelegentlich wird auch berichtet, Dalberg habe noch an der Universität Göttingen studiert 11 und bei den Professoren S. eh. Hollmann und A. Weber Naturrecht gehört. 12 Dabei handelt es sich aber um eine Namensverwechslung mit seinen Brüdern. 13 verliehen, daß bei jeder Kaiserkrönung ein Mitglied der Familie Dalberg vor allen anderen Bewerbern zum Ritter geschlagen werde. J Ludwig Eid, Marianne von der Leyen, geb. v. Dalberg, die "Große Reichsgräfin" des Westrichs, Zweibrücken 1910. 4 Kurpfälzischer Geheimer Rat, Präsident des Oberappelationsgerichts, später badischer Staatsminister, NDB, Bd.3, S. 490 f. 5 Vgl. H. Huber, Der Nachlaß des Fürstenprimas Kar! von Dalberg, S.271. 6 NDB, Bd.3, S. 488 f. Er war Domherr zu Trier, Worrns und Speyer und Kurtrierscher Geheimer Rat; Johann Friedrich Hugo lebte zur Zeit der Statthalterschaft Karl Theodors in Erfurt. Der von ihm stammende Diaolog: Ariston, oder über die Wirksamkeit der peinlichen Strafgesetze, der 1782 in Erfurt erschien, enthält wesentliche Grundgedanken des Entwurfs eines Strafgesetzbuches in Kriminalsachen seines Bruders Kar! Theodor. 7 Ferdinand Koeppel, Karl von Dalbergs Wirken für das Hochstift Würzburg unter Franz Ludwig von Erthal, in: Zbl, 1954, Bd. 17, S. 254. Dalbergs Vater stellte zeitweise einen französischen Hauslehrer an. 8 K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd. 1, S. 8; A. Freyh, S. 34 f. 9 Die Universität Heidelberg war zur damaligen Zeit nicht sehr bedeutend, vgl. Johann Friedrich Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg, 2 Bde., Mannheim 1862/64, Bd. 2, S.227, 254 ff., 273. Bekannt war nur der Zivilrechtler Franz Alef durch seine Streitschrift gegen Justus Henning Böhmer in Halle über ein Problem aus dem Gewährleistungsrecht, ADB, Bd. 1, S. 332 f. Dalberg wohnte in Heidelberg bei dem Zivilrechtler Wilhelm Anton Dahmen, der zusammen mit dem Universitätssyndikus Friedrich Heiderich auch Immatrikulationszeuge war, Karl Kasimir Wundt, Vita et memoria viri amplissimi ac consultissimi Joannis Guilielmi Antonii Dahmen, Heidelberg 1773. 10 Ewald Reinhard, Karl von Dalberg als Schriftsteller, in: Historisches Jahrbuch, Bd. 58, 1938, S. 456. 11 1. Müller, S.4, der sich auf A. Krämer, S.8 beruft. 12 Bruno Masch, Karl von Dalbergs Philosophie des Universums, Diss. Bonn, 1929, S. 70.

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Dalberg ging dann auf die damals übliche Bildungsreise. Sie führte ihn nach Italien, Österreich, Frankreich, Niederlande, außerdem besuchte Dalberg mehrere kleine deutsche Höfe, darunter Weimar. 14 Nach seiner Rückkehr wurde er Mitarbeiter im Ministerium des Kurfürstentums Mainz. In Mainz regierte Kurfürst Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim, 15 der die Reforrnpolitik seines Vorgängers, des Kurfürsten Johann Friedrich von Ostein, für den federführend Minister Karl Friedrich von Stadion tätig war, fortsetzte 16 und die von Stadion ausgebildeten Minister Groschlag 17 und Bentzel 18 anstellte, unter deren Leitung Dalberg arbeitete. Stadion war ein Anhänger Voltaires. Als Befürworter der Aufklärung hatte sich Stadion auch mit den Enzyklopädisten d1\lembert, Diderot, mit den Lehren von Locke und Pope beschäftigt. 19 Die Zeit in Mainz hat Dalberg geprägt, auch seine Freundschaft mit der Familie Stadion. 2o Dalberg bewährte sich im Ministerium und bald begann seine geistliche und weltliche Karriere: 1768 wurde er Domkapitular von Mainz, 1770 von Worrns, 1779 von Würzburg, 1780 Domscholastikus in Würzburg. Im Jahre 1780 erhielt Dalberg auch die zu Würzburg gehörige Propstei von Wechterswinkel übertragen, von 1780-1784 war er Rektor der Universität Würzburg. Das wichtigste Ereignis im weiteren Werdegang Dalbergs war aber seine Ernennung zum Statthalter von Erfurt durch den Kurfürsten von Mainz am 5. April 1771. Die in seinem Regierungsprogramm festgelegten Vorhaben führte er erfolgreich durch. 21 Er betrieb 13 Genauer dazu A. Freyh, S. 39 f. 14 In Rom hatte Dalberg eine Audienz bei Clemens XIII., in Mailand war sein Gastgeber Karl Joseph Grafvon Firmian, vgl. Georg Wilhelm Zapf, Johann von Dalberg, Bischofvon Worms, Augsburg, 1796 S. 19 ff.; A. Freyh, S. 40-44. 15 Heribert Raab, Die Breidbach-Bürresheim in der Germania Sacra. Eine Skizze der Reichs-Kirchenpolitik des Mainzer Kurfürsten Emmerich Joseph und seines Bruders Karl Ernst, in: Mainzer Almanach 1962, S.91-106. 16 H. Rössler, Bd. 1, S. 45. Die Reformen betrafen insbesondere die Finanzpolitik, das Klosterwesen, den Schul- und Universitätsbereich. Der Nachfolger von Emmerich-Joseph, Friedrich Karl Joseph von Erthal, führte dann Reformen auch in der Verwaltung und im Justizwesen durch, siehe dazu A. Freyh, S. 47 f. mit weiteren Literaturhinweisen. Zur Tätigkeit Dalbergs in Mainz: A. Freyh, S. 44-52. Dalberg war auch beteiligt an der Diskussion um die Reform der Reichsverfassung nach dem Siebenjährigen Krieg. Sein Beitrag: Versuch einer Widerlegung des siebenden Stückes im dritten Theile der Vermischten Briefe, über die Verbesserung des Justizwesens am Kammergerichte in welchem einige Kurmaynzische Erzkanzlariats-Befugnisse in Ansehung der Kammergerichtskanzley angegriffen worden, Maynz und Frankfurt 1768. 17 Karin Jutta Krüger, Karl Friedrich Willibald von Groschlag (1729-1799). Ein Beitrag zur kurmainzischen Politik und zur Aufklärung im Rhein-Main-Gebiet, Diss. Köln 1970. 18 Horst-Wilhelm Jung, Anselm Franz von Bentzel im Dienste des Kurfürsten von Mainz, Wiesbaden 1966. 19 Gabriele von König-Warthausen, Friedrich Graf von Stadion, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken, Bd. 8, Stuttgart 1962, S. 114 f. 2°H. Rössler, Bd.l, S.68. 21 "So viel ich aus vorläufigen Begriffen urteilen kann, so werden die hauptsächlichen Gegenstände meiner Besorgnis sein, den Nahrungsstand derer Unterthanen zu verbessern; in die Justizpflege Beschleunigung und Ordnung zu bringen; die Universität in einen blühenden Stand zu versetzen und den bisherigen Gährungen und elenden Schwätzereien ein

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eine kluge Wirtschaftspolitik und konnte die in Erfurt seit 1770 andauernde Hungersnot beenden. 22 Erfolgreich war auch Dalbergs Sozial- und Schulpolitik. 23 Er nahm die Reform der Universität Erfurt in Angriff, die Akademie der nützlichen Wissenschaften wurde von Dalberg neu belebt. 24 Dalberg war als Statthalter zu Erfurt auch Mainzer Gesandter an den angrenzenden Fürstenhöfen. Er verkehrte deshalb mit Herzog Karl August von Weimar, lernte Goethe, Wie land, Herder, 25 Humboldt und Schiller kennen. 26 Während seiner Statthalterschaft in Erfurt trat Dalberg dem Illuminatenorden bei. Dazu veranlaßten ihn nach eigener Aussage auch politische Rücksichten,27 vor allem aber entsprachen die Ziele des Illuminatenordens - Beförderung der Aufklärung, Ausbreitung nützlicher Kenntnisse und guter Sitten, Verbesserung der Erziehungs- und Polizey-Anstalten28 - seinen Vorstellungen. Dalberg be kleiEnde zu machen; in dem Camerali Sparsamkeit und Ordnung einzuführen." Auszug aus der Note Dalbergs an den Kurflirsten anläßlich seiner Ernennung, die abgedruckt ist bei K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd.2, S.13-16. 22 Wilhelm Abel, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa, Hamburg und Berlin 1974, Teil 3: Die HungeIjahre 1771174, S.191-257; A. Freyh, S.282-292 mit Nachweis weiterer Literatur. Bemerkenswert ist die schon 1789 erfolgte teilweise Beseitigung der Fronen durch Dalberg. 23 Dalberg verbesserte die medizinische Versorgung der Bewohner von Erfurt. Bedürftige konnten ärztliche Hilfe auf öffentliche Kosten in Anspruch nehmen. Die Einrichtung einer Entbindungsanstalt mit kostenloser Betreuung führte zu einer Verminderung der Tötung nichtehelicher Kinder. Sein Sozialprogramm legte besonderen Wert auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß. Eine "Landesnothdurftskasse" gewährte finanzielle Unterstützung in Notlagen. Zur Sozialpolitik Dalbergs, vgl. A. Freyh, S. 293-298 mit Literaturangaben. Zu Dalbergs Schulpolitik, vgl. A. Freyh, S. 298-304 mit Literatur- und Quellenangaben. 24 Andreas Kraus, Vernunft und Geschichte. Die Bedeutung der deutschen Akademien für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft im späten 18. Jh., Freiburg, Basel, Wien 1963; Georg Oergel, Die Akademie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt von ihrer Wiederbelebung durch Dalberg bis zu ihrer endgültigen Anerkennung durch die Krone Preußen (1776-1816), in: Jahrb. d. Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, NF 30, S.139-224, Erfurt 1904; A. Freyh, S. 84-87, 305-318. Für die Reform der Universität Erfurt erstellte Dalberg ein Gutachten: Gutachten in Betref der Erfurter Universität, Erfurt, 16. Oct.1777, abgedruckt in: Wilhelm Stieda, Erfurter Universitätsreformpläne im 18. Jh. Sonderschriften der Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt, Nr. 5, 1934, S. 97-118. Das Gutachten zielte insbesondere auf eine Verbesserung der Lehrmethodik, die Forschung wies Dalberg der Erfurter Akademie der nützlichen Wissenschaften zu. Auch stellte er die Notwendigkeit einer Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Universität fest. 25Von und an Herder. Ungedruckte Briefe aus dem Nachlaß Herders, hrsg. von Heinrich Düntzer und Ferdinand Gottfried Herder, 3 Bde., Leipzig 1861/62, Bd.2 S. 245-262. 26K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd.l, S.39--62, 168-195; Alfred Overmann, Das Regierungsgebäude zu Erfurt, Der Bau, seine Geschichte, seine Bewohner. in: Mitteilungen d. Vereins f. d. Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Heft 33, S. 1-124. 27 Karl August von Weimar und Ernst 11. von Gotha waren Mitglieder des Geheimbundes, vgl. O. Andreasen und H. Mathy, Frederik Münters Reise nach Mainz (1791), S.62. 28 Gemeinschaftlicher Schluss des Areopagus über den Zweck, die Mittel und Einrichtung der Gesellschaft, 1781, in: R. van Dülmen, Dokumente I Nr.6, S.161-165. Dalberg selbst schreibt: "Dann werden Tugend und Weisheit siegen, und Wohl der Menschheit aufblühen; wenn alles aus Erfahrung überzeugt ist, daß Moral und Staatskunst im Grunde eins sind" (Verhältnisse zwischen Moral und Staatskunst, in: Acta Acad. Erf. ad ann.1786 et 1787, Erfurt 1788, S. 19).

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dete keinen hohen Rang, so hatte er auch keinen Einblick in die volle Ordensweisheit. 29 Die Entstehung des Illuminatenordens fiel in einen Zeitraum, wo sich neben fürstlichem Absolutismus und in dessen Dienst tätiger Kirche die von der politischen Macht ausgeschlossenen Beamten, Kleriker und Adelige eine gesellschaftliche Plattform suchten. Sie ist bezeichnend für die deutsche Spätaufklärung und allmähliche Emanzipierung eines deutschen Bürgertums, das in Opposition zum absolutistischen Stände system trat. 30 Typische Organisationsform war neben einer Vielzahl von Gesellschaften der Geheimbund. 31 Der Orden wurde 1776 von dem Universitätslehrer Adam Weishaupt in Ingolstadt gegründet. 32 29 R. van Dülmen, S.73. Dalberg mußte bei seinem Ordenseintritt Notata zu seinem Namenspatron Francis Bacon anfertigen, während ranghöheren Mitgliedern diese Pflicht nicht auferlegt wurde, R. van Dülmen, S. 124; J. Hansen, Bd. 1, Nr. 24, S. 49. Francis Bacon war ein Vorbild Dalbergs. Dies wird deutlich in seiner Schrift "Beyträge zur allgemeinen Naturlehre", die in Erfurt 1773 erschien: Gott habe dem Menschen die Kraft gegeben, seinen Verstand zu erleuchten und zu erweitern, und dadurch die Menschen fähig gemacht, ihr Glück zu vermehren und das Schlechte zu verringern. Zu dieser Erkenntnis habe ihm die Lektüre Francis Bacons verholfen. Er wolle nach dessen Vorbild alles nicht mit fremden Augen sehen, sondern mit seinen eigenen. Vgl. auch Commentatio, quibusnam rebus magis illustrari humanus intellectus ejusque fines magis amplificari promtissime et commodissime possunt? De illustratione et amplificatione humani intellectus. Continuatio, in: Acta Acad. Erf. ad anno 1776 et 1777, Erfurt 1777178. 30Vgl. Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. I, Bern-München 1969, S. 20 f. RudolfVierhaus, Ständewesen und Staatsverwaltung in Deutschland im späten 18. Jh., in: Festschrift für K. Raumer, München 1966, S.337-360; ders., Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, in: Der Staat6, 1967, S.175-196; R. van Dülmen, S.13, 16. 31 Peter Chr. Ludz, Ideologie, Intellegenz und Organisation. Bemerkungen über ihren Zusammenhang in der frühbürgerlichen Gesellschaft, in: Jb. f. Sozialwissenschaft 15, 1964, S. 82-114; ders. (Hrsg.), Geheime Gesellschaften (Wolfenbütteler Studien zur Aufkärung, Bd. V11), Heidelberg 1979; Marlies Prüsener, Lesegesellschaften im 18. Jh. Ein Beitrag zur Lesegeschichte, in: Arch. f. Gesch. d. Buchwesens 13, Frankfurt 1972; Thomas Nipperdey, Verein als soziale Struktur in Deutschland im späten 18. und frühen 19. Jh., in: Geschichtswissenschaft und Vereinswesen im 19. Jh., Göttingen 1972, S.I--44. 32 In Ingolstadt waren die Gegensätze zwischen den Jesuiten und den Aufklärern besonders deutlich hervorgetreten, vgl. R. van Dülmen, S. 24; Ludwig Hammermeyer, Die letzte Epoche der Universität Ingolstadt. Reformer, Jesuiten, lIIuminaten 1746-1800, in: Ingolstadt. Die Herzogsstadt - die Universitätsstadt - die Festung, Ingolstadt 1973, S. 264-316; Adam Weishaupt, Apologie der lIIuminaten, Frankfurt - Leipzig 1786, S. 202 f. Der Geheimbund sollte ein Gegengewicht zu den Jesuiten darstellen, die trotz der 1773 erfolgten Aufhebung des Ordens ihren Einfluß, vor allem auf das Erziehungswesen und die Regierung behielten, R. van DÜlmen, S. 24 f., 98; ders., Zum Strukturwandel der Aufklärung in Bayern, in: ZbL 36, 1973, S.662-679. Zur Charakteristik Weishaupts und der Beurteilung durch seine Zeitgenossen, R. van Dülmen, S. 25 f. Ein einseitig negatives Bild von Weishaupt und seinen Ideen zeichnet Franz Schweyer, Politische Geheimverbände, Freiburg 1925, S. 68 bis 82. Zum Gründungsstadium, R. van Dülmen, S. 27-29 mit genauem Nachweis der Quellen in den Anm., insbes.: A. Weishaupt, Pythagoras, S. 647 ff.; Einige Originalschriften des lIIuminatenordens, welche bei Zwack durch vorgenommene Hausvisitation zu Landshut den 11. und 12. Oct. 1786 vorgefunden wurden. Auf höchsten Befehl Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zum Druck befördert. München 1787; Nachtrag von weiteren Originalschriften, welche die lIIuminatensekte überhaupt, sonderbar aber den Stifter derselben Adam Weishaupt, betreffen, und bey der auf dem Baron Bassusischen Schloß zu Sandersdorf, 2 Rehbach

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Erst nach Beitritt des ehemaligen Schülers Weishaupts, Franz Xaver von Zwack, gewann der Geheimbund an Bedeutung, Adolf Frhr. v. Knigge und Joh. Joachim Christoph Bode sorgten für überregionale Verbreitung. 33 Damit verbunden war eine Umwandlung des Ordens von einer monarchistischen zu einer aristokratischen Struktur, die Zielsetzung des Ordens nahm konkrete Gestalt an, ebenso die innere Verfassung. 34 Die politische Bedeutung des Ordens wird meist überschätzt. 35 Schon 1783 setzte sein Zerfall ein,36 in mehreren Dekreten wurde der Orden in den Jahren 1784 und 1785 in Bayern verboten.J7 einem bekannten lIIuminaten-Neste, vorgenommenen Visitation entdeckt, sofort auf Churfürstlich höchsten Befehl gedruckt und zum geheimen Archiv genommen worden sind, um solche Jedermann auf Verlangen zur Einsicht vorlegen zu lassen. Abth. 1.2. München 1787. 1. Correspondenz. 2. Documenten. 33Von 1778-1781 verbreitete sich der Geheimbund in ganz Bayern, bedeutende Persönlichkeiten konnten als Mitglieder gewonnen werden: Joseph Socher, vgl. Eberhard Schmitt, Joseph Socher - Der bayerische AbM Sieyes? Ein Beitrag zur Frage der Kontinuität der ständisch-parlamentarischen Repräsentation in Deutschland, in: ZbL30, 1967, S. 264-297, Th. Freiherr v. Bassus, vgl. Wilhelm Volkert, Thomas von Bassus, in: Verh. d. Histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 101, 1961, S. 121-145, Ludwig Fronhofer, vgl. Ludwig MuggenthaIer, Fronhofer, ein bayerischer Schulmann und Akademiker des 18. Jh., in: Jb. f. Münchner Gesch.2, 1888, Baron von Montgelas, vgl. E. Weis, Montgelas, S.33-47. Außerhalb Bayerns gewann der lIIuminatenorden auch im Rheinland, in Württemberg, Baden, der Pfalz, Hessen, Norddeutschland und Sachsen Anhänger, wichtige Zentren waren neben München insbesondere Wetzlar, wo das Reichskammergericht ansässig war, und Mainz, vgl. Helmut Mathy, Gelehrte, literarische, okkulte und studentische Vereinigungen und Gesellschaften in Mainz am Ende des 18. Jh., in: Jb. Verein Freunde der Universität Mainz 18, 1969, S. 70-103; O. Andreasen und H. Mathy, Frederik Münters Reise nach Mainz (1791); Winfried Dotzauer, Mainzer Illuminaten und Freimaurer vom Ende der kurfürstlichen Zeit bis zu den Freiheitskriegen, in: Nass. Annalen 83,1972, S. 120-146. Zur Ausbreitung im Rheinland auch K. Julku, Bd. 1, S. 206 f. und allgemein R van Dülmen, S. 31 f., 53-70 mit Quellenangaben und weiterer Literatur. Zur Person Knigges, vgl. R van Dülmen, S. 43-45 und R le Forestier, S. 343 ff. v: Knigges Schriften machen seine demokratisch-liberale Gesinnung deutlich: Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien, Des seligen Herrn Etatsraths Samuel Conrad Schaafskopf hinterlassene Papiere, Joseph von Wurmbrands politisches Glaubensbekenntnis mit Hinsicht auf die Französische Revolution und Philo's (AdolfFrhr. v. Knigge) endliche Erklärung und Antwort auf verschiedene Anforderungen und Fragen, die an ihn ergangen, seine Verbindung mit dem Orden der lIIuminaten betreffend (Auszüge davon sind auch bei R. van Dülmen, Dokumente 11 Nr. 53 abgedruckt). 34 R van Dülmen, S. 33-37 mit Quellenangaben in den Anm. 35 Vgl. R van Dülmen, S. 72 f., 95, 98. Am wirksamsten war der Orden in München, wo ein hoher Anteil von Illuminaten im Zensurkollegium und Geistlichen Rat vertreten war, vgl. E. Weis, Montgelas, S. 16--33; Richard Bauer, Der kurfürstliche geistliche Rat und die bayerische Kirchenpolitik 1768-1802, München 1971, S. 218 ff. (Das "lIIuminatenkollegium" und die Hintergründe für den Sturz Häffelins). 36 R van Dülmen, S. 70-72, 83-94, zum Untergang des Ordens und der Verfolgung seiner Mitglieder, vgl. auch Rle Forestier, S. 497 ff. 37 In dem Schreiben der Loge St. Theodor zum Guten Rat an den Kurfürsten von Bayern, München, 24. Febr. 1785 werden die gegen die lIIuminaten gerichteten Vorwürfe zusammengefaßt, um dann darauf zu erwidern: Es verberge sich hinter den lIIuminaten ein gegen Religion und Staat gerichtetes System, das den Deismus lehre, sich durch "KabalIen" in die innere "Staatsgeschichte" und in auswärtige Geschäfte wie auch Justizangelegenheiten einmische. Der Orden solle Schriften über die innere Verfassung Bayerns aus den Archiven veröffentlicht, Schriften und Beleidigungen gegen den Kurfürsten gefördert haben, Gift herstellen und Selbstmord wie Sodomie verteidigen, vgl. R van Dülmen, Dokumente III Nr.5.

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Das Verbot ist Ausdruck einer wiedereinsetzenden reaktionär-konservativen Einstellung gegen die Aufklärung. 38 Der l11uminatenorden bezweckte die Überwindung des Absolutismus, die Wiederherstellung von Freiheit und Gleichheit und die Errichtung eines kosmopolitischen Republikanismus durch die aufgeklärte Vernunft. 39 Der absolutistische Willkür- und Privilegienstaat sollte durch einen Rechts- und Verfassungsstaat abgelöst werden,40 Aufklärung und Moral auch im Politischen verwirklicht werden. Nach der Ansicht der l11uminaten sind Aufklärung und Moral, Vernunft und Tugend untrennbar verbunden und werden letztlich aus der Lehre Jesu hergeleitet. 41 Diese neue Ordnung sollte erreicht werden auch durch die Institutionalisierung der Moral, nicht durch Gewalt. 42 Das im 38 Vgl. K. Epstein, The Genesis of German Conservatism, S. 109 ff. 39R. le Forestier, S. 557-612; Wolfgang Hofter, Das System des Illuminatenordens und seine soziologische Bedeutung, Diss. Heidelberg 1956, S. 126 ff. 40 R. van Dülmen, S.138. 41 »Aufklärung ist zu wissen, was ich seye, was andere seyn, was andere fordern, was ich fordere: zu wissen, daß ich mir nicht allein erklecklich bin, daß ich ohne Hilfe meiner Mitmenschen nichts bin, sie als einen wesentlichen Teil meiner Glückseligkeit betrachten, ihren Beyfall, Gunst zu suchen, zu wissen, daß ich solchen nicht erhalte, außer durch Ausübungen, die ihm nutzbar sind: zu wissen, daß, wenn ich nichts für sie leiste, sie auch entgegen nichts für mich übernehmen, seine Praetensionen zu mäßigen, nachgiebig gegen Fehler, tolerant gegen andere Meinungen und mit seinem Schicksal zufrieden zu leben, trauern mit dem Leid des anderen, ihm h~!fen, wo man kann, und sich freuen über ihre Freuden so wie über seine eigenen, seinen Uberfluß zum Nutzen anderer verwenden: dies allein verdient Aufklärung zu heißen." Aus: Anrede an die neu aufzunehmenden Illuminates dirigentes von A. Weishaupt, 1782, in: Nachtrag von weiteren Originalschriften, Abth. 2, S. 91, abgedruckt auch bei R. van Dülmen, Dokumente I Nr. 7, S. 183. »Die Moral ist die verkannte, vom Eigennutz mißbrauchte, mit so vielen Zusätzen vermehrte und in ihrem wahren Sinn nach bloß im Geheim fortgepflanzte und auf uns überlieferte Lehre Jesu und seiner Jünger. Moral ist die Kunst, welche Menschen lehrt, volljährig zu werden, die Vormundschaft los zu werden, in ihr männliches Alter zu treten, und die Fürsten zu entbehren," in: Nachtrag von weiteren Originalschriften, Abth. 2, S. 93, 98, abgedruckt auch bei R. van Dülmen, Dokumente I Nr.7, S. 184, 185. Die Lehre Christi sei weisheitsvoll, beruhigend und wohltätig und ihr liege ein großer Plan zum Grunde. Der Zweck des göttlichen Erlösers sei dahin gegangen: die Menschen zu ihrer ursprünglichen Würde wieder zu erheben; durch weise Aufklärung die Moralität auf den höchsten Grad zu bringen; ein allgemeines Sittenregiment einzuführen, also, daß Jeder ohne Zwang aus der inneren Uberzeugung, daß nur Tugend Glück gewähren könne, der Tugend treu bliebe; alle Menschen durch Ein Bruderband aneinander zu knüpfen; alle engeren Verhältnisse, welche Noth, Bedürfniß und Kampf gegen Verderbnisse und Immoralität erzeugt hätten, dadurch aufzuheben, daß er uns fahig machen wollte, uns selbst zu regieren, aus: Philo's endliche Erklärung, S. 110. 42 »Ihr (Bund der Aufklärer) Ziel ist es, konsequent und der Natur gemäß die menschlichen Rechte, die der Despotismus zerstört hatte, wiederherzustellen und durch Förderung von Aufklärung und Moral Schritt für Schritt jede Herrschaft Überflüssig zu machen, damit die Vernunft das alleinige Gesetzbuch des Menschen und das Menschengeschlecht wieder dereinst eine Familie und die Welt der Aufenthalt vernünftiger Menschen werde." Nachtrag von weiteren Originalschriften, Abth. 2, S. 80. »Sie (die Gewalt) mache die Sache nicht besser, solange die Menschen mit ihren Leidenschaften bleiben, wie sie sind und weil die Weisheit solchen Zwanges nicht bedarf." Vgl. Der ächte Illuminat, S. 205 f. ;;Ner alle Menschen freimachen will, der vermindre ihre unedlen Bedürfnisse, deren Befriedigung nicht in ihrer Gewalt ist: der mache sie aufgeklärt, mutig, und verschaffe ihnen strenge Sitten: der lehre sie Mäßigkeit, Nüchternheit und die Kunst vernünftig zu begehren. Wer den Menschen Mäßigkeit, Genügsamkeit und Zufriedenheit mit ihrem Stand predigt, ist den Thronen weit gefährlicher, als wenn er den Königsrnord predige", Nachtrag von weiteren Originalschriften, Abth. 2, S.90.



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Orden selbst verwirklichte Sittenregiment sollte nach außen getragen werden, durch Unterwanderung der politischen Entscheidungsgremien und wichtigen gesellschaftlichen Institutionen sollten diese in den Einflußbereich der Illuminaten geraten. 43 Damit der Orden diese Aufgabe erfüllen konnte, war er als Geheimbund organisiert, hierarchisch strukturiert, und galt das Prinzip strenger Subordination. 44 In einem genau abgestuften Gradsystem konnte das Mitglied aufsteigen und Einblick in die Ordensweisheit erhalten. 45 Die innere Struktur des Ordens war ähnlich der des Jesuitenordens, dessen Stelle die Illuminaten als Stütze einer neuen Ordnung einnehmen wollten. Das Gedankengut der Illuminaten entsprach den Ideen des Freimaurertums, es entstammt der Philosophie Holbachs, Helvetius' Mablys, des Engländers Steward, der Deutschen Lessing, Feder und Meiners. 46 Anders als die Freimaurer war der Illuminatenorden aber nicht eine bloße Lesegesellschaft, die sich damit begnügte, die Aufklärungsideen innerhalb der

43 "Der ganze Plan des Ordens beruht darauf, die Menschen zu bilden, aber nicht durch Dec\amationen, sondern durch Begünstigung und Belohnung der Tugend. Man muß denen Befördern unmerklich die Hände binden, sie regieren, ohne sie zu beherrschen. Mit einem Wort, man muß ein allgemeines Sittenregiment einfUhren, eine Regierungsform, die allgemein über die ganze Welt sich erstreckt, ohne die bürgerliche Bande aufzulösen, in welcher alle übrigen Regierungen ihren Gang fortgehen und alles thun können, nur nicht den großen Zweck vereiteln, das Gute wieder über das Böse siegend zu machen", aus: Der ächte Illuminat, S. 206 f. Nach Weishaupt bestand die Aufgabe des Illuminatenordens darin, bei der Vervollkommnung des Menschen Hilfe zu leisten, vgl. Adam Weishaupt, Das verbesserte System der Illuminaten mit allen seinen Einrichtungen und Graden, Frankfurt und Leipzig 1787, S. 26, und die Gesellschaft, die sich vom Naturzustand zum Despotismus entwickelt habe, zu einem Reich der Vernunft und Tugend zu befördern, vgl. R van Dülmen, S. 108 f. Als Beispiel für eine erfolgreiche Unterwanderung kann der Bericht aus dem kleinen rechtsrheinischen Hackenburg angesehen werden: "Der Grafist mit lauter Illuminaten umgeben. Geheimsekretär, Arzt, Seelsorger, Räte, alles gehört zu uns. Des Grafen Lieblinge sind unsere feurigsten Brüder, es ist also auch für die Zukunft gesorgt: Wenn sich die Brüder allenthalben so gesetzt hätten, so kommandierten wir die Welt", vgl. 1. Hansen, Bd.l, Nr. 24, S.51 Anm.2. 44R van Dülmen, S.115-119 mit Quellenangaben in den Anmerkungen. 45R. van Dülmen, S.1l9-125. 46 Zur Philosophie der I\luminaten: R van Dülmen, S. 107-112; Rle Forestier, S. 557 bis 580; Michael W Fischer, Die Aufklärung und ihr Gegenteil, Schriften zur Rechtstheorie, H.97, Berlin 1982, S. 215 Ir., 230 Ir.; Adolf Rossberg, Freil11aurerei und Politik, Berlin 1942, S. 39 Ir.; Franz Schweyer, Politische Geheimverbände, Freiburg 1925, S. 78 fT. Auch die Freimaurer waren elitäre Humanisten, in deren Reihen Stand, Religionszugehörigkeit, Nationalität keine Rolle spielten, auch diese streng gemeinschaftsbezogene solidarische Verbindung widmete sich in organisierter Form der Verbreitung der Aufklärung, vgl. K. Epstein, The Genesis of German Conservatism, S. 105. Dies gilt insbesondere für eine Richtung der Freimaurerei, den "Eklektischen Bund", der radikal die Gedanken der Aufklärung vertrat. Vgl. zu den Zielen der Freimaurer Reinhard Koselleck, Kritik und Krise. Freiburg-München 1969, S. 49 fT. Michel Dierickx, Freimaurerei - die große Unbekannte, Frankfurt-Hamburg 1968, S. 17 fT. Zum Verhältnis von Illuminatenorden und Freimaurerlogen, die auch organisatorisch dem I\luminatenbund zugeordnet waren, vgl. R van Dülmen, S. 125-128.

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Organisation zu verwirklichen, sondern hatte eine klare politische Zielsetzung und wollte die bestehende Gesellschaftsordnung verändern, nicht nur an der geistigen Auseinandersetzung teilnehmen. 47 Abzugrenzen ist der l11uminatenorden auch vom Jakobinismus. Wiederholt wurde versucht, die Französische Revolution dem direkten Einfluß der Geheimbünde zuzuschreiben. 48 Die Zielsetzung der Illuminaten entsprach aber nicht der des Jakobinismus, angestrebt war keine Volksherrschaft, sondern eine Aristokratie des Geistes, Demokratie bedeutete Herrschaft ohne Willkür und der Vernunft und des gleichen Rechts rur alle. 49 Die Änderung der Verhältnisse war nicht durch Mobilisierung des Volkes und gewaltsam, sondern durch Beeinflussung der Entscheidungen der politischen Machtträger angestrebt. 50 Weishaupt machte dies in einer Erklärung vom 22. April 1799 deutlich: "An Umwälzungen der Staaten war nie gedacht, der Plan war tief und auf ganze Generationen angelegt. Man wollte nichts anderes, als was jede Regierung, wenn sie gut und vernünftig ist, wollen muß, daß man der Moral ein neues Interesse geben und überhaupt auf die Verbesserung der künftigen Welt durch die Erziehung und eigene Vervollkommnung wirken, auf diesem Wege dem Mißbrauch von Grund aus steuern wollte."51 Dalbergs Wirken ist auch eng verknüpft mit dem Schicksal der Katholischen Kirche in Deutschland.

47 Vgl. Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770 bis 1815, München 1951, S. 229 ff.; Rle Forestier, S. 440 ff. 48 John Robison, Proofs of a conspiracy against all the religions and governments of Europe, carried on in the secret meetings offree masons, illuminati, and reading societies, London 1797. Abbe Barruel, Memoires pour servir 11 I'histoire dujacobinisme I-IV, Hambourg 1798. Deutsch: Augustin Barruel, Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus I-IV, Hannover 180D-1801;Abbe Barrueis Nachrichten zur Erörterung der Geschichte, der Fortschritte und Folgen der Jakobiner in und außer Frankreich, London 1802; Augustin Cochin, Les societes de pensee et la Revolution en Bretagne 1-11, Paris 1926; Bernard Fay, La Franc-Maconnerie et la Revolution intellectuelle du XVIII" siec1e, Paris 1961, insbes. S. 155 ff.; ders., Die große Revolution in Frankreich l7l5-1815, München 1960, S. 43,64 ff., 73 f. Zu dieser nicht haltbaren Verschwörungstheorie, vgl. R van Dülmen, S. 13, 94-96; K. Epstein, The Genesis of German Conservatism, S. 583; Jacques Droz, La legende du complot iIluministe et les origines du romantisme politique en Allemagne, in: Revue historique 226,1961, S. 313-338. Als Beweis wurde insbesondere angeführt, daß von den 50 Mitgliedern des Bundes in Mainz später 9 Mitglieder als Jakobiner bekannt wurden, vgl. Helmut Mathy, Anton Joseph Dorsch (1758-1819). Leben und Werk eines rheinischen Jakobiners, in: Mainzer Zs. 62, 1967, S. 5 ff.; ders., Gg. Wedekind, Die politische Gedankenwelt eines Mainzer Medizinalprofessors, in: Festschrift f. Petry, Wiesbaden 1968, S. 177 ff.; Hans Graßl, Aufbruch zur Romantik, München 1968, S. 232; Adolf Roßberg, Freimaurerei und Politik im Zeitalter der Französischen Revolution, Quellen und Darstellungen zur Freimaurerfrage 2, Berlin 1942, S.I72 f. 49 R van Dülmen, S. 95 f., no. 50 A. Weishaupt, Pythagoras, S. 381. Im l11uminatenorden blieben dementsprechend die obere Bildungsschicht und der Adel unter sich, Kleinbürgertum und Bauern fehlten, vgl. R van Dülmen, S. 54, 73, 133; Eugen Lennhoff, Politische Geheimbünde, München-Wien 1968, S. n ff. 51 R van Dülmen, Dokumente III Nr.22.

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Nach einem Wiederaufleben von episkopalistischen und nationalkirchlichen Bestrebungen führte die Säkularisation auch zum Untergang der Reichskirche. Der Trierer Weihbischof Nikolaus von Hon'theim hatte 1763 unter dem Pseudonym Justus Febronius die Schrift "De statu ecclesiae et legitima potestate Romani Pontificis liber singularis ad reuniendos dissidentes in religione Christianos compositus" herausgegeben. In dem Werk wird episkopalistisches Gedankengut und gallikanisch-jansenistischer Einfluß sichtbar. 52 Hontheim ordnet die oberste kirchliche Gewalt den Bischöfen zu 53 und vertritt die Superiorität des Konzils über den Papst. 54 Auch das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes lehnt er ab, unfehlbar sei nur die Kirche selbst. Der Primat des Papstes bestehe nur ehrenhalber und um der kirchlichen Einheit willen, 55 er sei nur ein Primat in der Kirche, nicht über die Kirche. Hontheim lehnt eine monarchische Stellung des Papstes mit absoluter Gewalt in Verwaltung, Gesetzgebung und Jurisdiktion ab. 56 Die Jurisdiktionsbefugnis der Bischöfe dürfte nicht durch die Nuntiaturgerichtsbarkeit beeinträchtigt werden. Den maßgebenden Einfluß der römischen Kurie hält Hontheim für schädlich, von einer Dezentralisierung der kirchlichen Macht verspricht er sich eine Stärkung der Kirche. Sein Ziel ist die Schaffung einer freien deutschen Nationalkirche,57 in der er eine Vereinigung der Konfessionen 52 Zur Geschichte des Episkopalismus, vgl. F. Stümper, S. 1-13; H. Raab, Handbuch der Kirchengeschichte V (1970), S. 481-487. H. Raab, Concordata; S.136, betont den kompilativen Charakter des Werks; ders., a. a. 0., S. 62-{j6 zum Einfluß von Gallikanismus und Jansenismus auf den deutschen Episkopalismus. Vgl. weiter Leo Just, Zur Entstehungsgeschichte des Febronius, in: Jb. für das Bistum Mainz, 5. Bd., 1950, S. 369-382; Heribert Raab, Damian Friedrich Dumaz und Kardinal Oddi. Zur Entdeckung des Febronius und zur Aufklärung im Erzstift Mainz und in der Reichsstadt Frankfurt, in: AmrhKG 10, 1958, S. 217-240. Zum folgenden vgl. O. Mejer, S. 18-32; Leo Just, Das Erzbistum Trier und die Luxemburger Kirchenpolitik von Philipp 11. bis Joseph II., Leipzig 1931, S.I-15; ders., Hontheim, in: AmrhKG 4 (1952), S. 204 fT., insbes. S.211-214; H. Conrad, Bd.2, S.186; H. Becher, Der Deutsche Primas, S. 25-28; H. Raab, Handbuch der Kirchengeschichte V (1970), S. 491 bis 496; ders., Evangelisches Staatslexikon, S. 663-{j65; K. O. v. Aretin, S. 40 fT. Die wichtigsten Gedanken des Febronianismus entwickelte Hontheim bereits beim Studium der Geschichte der Gravamina Nationis Germanicae contra Curiam Romanam anläßlich des Streits um Artikel XIV der Kaiserlichen Wahlkapitulation zur Wahl Karls VII. 1742, wo Kurtrier für die Beseitigung der päpstlichen Nuntiaturgerichtsbarkeit eintrat, vgl. Heribert Raab, Georg Christoph NeUer und Febronius, in: AmrhKG 11 (1959), S. 191, dort auch zum Einfluß der deutschen Kanonisten Barthel und NeUer aufHontheim, S. 193 f., 200 f.; siehe dazu auch Hubert Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte V (1970), S.488-491. 53 Zur SteUung der Bischöfe nach Febronius, F. Stümper, S.82-87, zur Einschränkung ihrer Rechte durch den Papst im Laufe der Geschichte, zu päpstlichen Reservationen und klösterlichen Exemtionen, F. Stümper, S. 87-105. 54 F. Stümper, S. 106-122, dort auch zum AppeUationsrecht des Papstes, zur Organisation des Konzils und Wirkung seiner Beschlüsse. 55 Der Papst als centrum unitatis, F. Stümper, S.38-42. 56F. Stümper, S. 20-35; zu den Befugnissen auf dem Gebiet der kirchlichen Verwaltung, S. 58-{j6, der Gesetzgebung, S.66-71, der Jurisdiktion, S.74-82. 57F. Stümper, S.122-128: wegen des wesentlichen Einflusses, der dem Kaiser und den Fürsten auf die deutsche Kirche zugestanden werden mußte, um die Unabhängigkeit von Rom zu erreichen, diente Hontheims Schrift auch als theoretische Grundlage des Staatskirchentums, F. Stümper, S. 133-138.

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rur möglich hält. Hontheim fordert die Beachtung der Baseler Reformdekrete, als Ideal erscheint ihm eine Erneuerung der vorpseudoisidorischen Kirchenverfassung. 58 Anlaß zu einer direkten Auseinandersetzung mit Rom gaben der Versuch des Vatikans, die Bistümer Regensburg und Freising unter Umgehung des dem Domkapitel zustehenden Wahlrechts 59 neu zu besetzen,60 sowie Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Kölner Erzbischof und dem päpstlichen Nuntius in Köln bei der Visitation des Weidenbacher Fraterhauses. 61 Die Koblenzer Gravamina von 1769, die von den Vertretern der Erzbischöfe von Köln, Trier und Mainz verfaßt wurden, setzen die febronianistische Theorie in die Praxis um. 62 Insbesondere wurde in Art. 29 eine Beseitigung der Nuntiaturen in Köln und Wien gefordert. Da Joseph 11. aber ein Eingreifen ablehnte und den Erzbischöfen empfahl, sich an die Bischöfe und nach Rom zu wenden, scheiterte das Vorhaben. 63 Auch Dalberg billigte diese reichskirchlichen Bestrebungen. 64 Febronianistische Ideen gewannen im Nuntiaturstreit erneut an Aktualität. Karl Theodor von Pfalz-Bayern ließ 1784 eine selbständige Nuntiatur Roms in München einrichten, um die erzbischöflichen Jurisdiktionsbefugnisse in seinem Land zu beseitigen und seinem Ziel der Loslösung Bayerns aus der Reichskirche näherzukommen. 65 Diese Maßnahme betraf besonders den Erzbischof von Köln, dessen Rechte bereits durch die in seiner Diözese bestehende Nuntiatur beeinträchtigt waren und der nun die Jurisdiktion in dem zu Bayern gehörigen JülichBerg verlor, sie stellte aber auch eine Herausforderung des ganzen deutschen Episkopats dar. Es ging um die Existenz der universalen Reichskirche oder deren Ablösung durch das territoriale Staatskirchentum, 66 nicht mehr nur um die Verbesserung der Stellung der Erzbischöfe gegenüber Rom. Gleichzeitig stellte der Streit um die Münchner Nuntiatur die letzte Auseinandersetzung des deutschen Episkopalismus mit Rom dar. Die Verhandlungen mit Rom blieben ergebnislos. 67 58H. Raab, Concordata, S.137. 59 H. Conrad, Bd.2, S. 180. 60 H. Raab, Concordata, S. 139 f. 61 K. O. v. Aretin, S.376. 62 Zum Inhalt, vgl. H. Raab, Concordata, S. 140 f; ders., Handbuch der Kirchengeschichte Y (1970), S. 496-503. Die Koblenzer Gravamina sind veröffentlicht bei M. Höhler, Heinrich Aloys Arnoldis Tagebuch über die zu Ems gehaltene Zusammenkunft der vier erzbischöflichen Herren Deputierten, S. 31-34. 63Ygl. K. O. v. Aretin, S. 378 f, insbesondere auch zu der zwischen den Bischöfen und Erzbischöfen bestehenden Rivalität; O. Mejer, S. 33-44. 64 K. O. v. Aretin, S.482 Anm. 136; A. Freyh, S.56. 65 Zur Rolle des Papstes im Dienste des bayerischen Territorialismus und dessen Entwicklung, K. O. v. Aretin, S. 379-384, 417-423, 429-431; zur Geschichte der Nuntien in Deutschland, H. Conrad, Bd.2, S. 186 f; ders., a. a. 0., S. 181 f zur Zusammensetzung der Reichskirche. 66K. O. v. Aretin, S. 385. 67 K. O. v. Aretin, S.384-389.

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Erst die Intervention beim Kaiser,68 der in einem Schreiben an die vier Erzbischöfe Hilfe im Nuntiaturstreit versprach, schien erfolgversprechend. 69 Daraufhin wurde in der Emser Punktation ein kirchenpolitisches Reformprogramm 70 aufgestellt, das ein neues Verhältnis zu Rom und zu den Territorialherren schaffen sollte 71 und auf den Koblenzer Artikeln aufbaute. 72 Dalberg reiste Ende September 1788 nach Berlin, um Preußen für den Standpunkt der rheinischen Erzbischöfe im Nuntiaturstreit zu gewinnen. 73 Die Erneuerung der Reichskirche gelang aber nicht. 74 Die Gründe sind vielfältig. Mainz konnte seinen Plan, mit Hilfe der geistlichen und evangelischen Fürsten im Reich im Fürstenbund eine grundsätzliche Regelung des Nuntiaturstreits zu erreichen, nicht verwirklichen. 75 Preußen war durch die unglückliche Mission Lucchesinis in der Kirchenfrage in die Abhängigkeit des Vatikans geraten. 76 Josephll., der dem Episkopalismus nahe stand, war nach dem Beitritt von Mainz zum Fürstenbund nicht mehr gewillt, als Schutzherr der Reichskirehe aufzutreten; 77 auch führte er selbst eine Diözesanreform durch. Die Suffraganbischöfe befürchteten eine stärkere Abhängigkeit von den Erzbischöfen als vom femen Rom. 78 Dem starken Druck gegen die Existenz der geistlichen Fürsten mußten die Erzbischöfe erliegen. An den innerdeutschen Verhältnissen scheiterten auch alle Versuche zur Erneuerung des Heiligen Römischen Reiches. Mit der Regierungsübernahme durch Maria Theresia79 in Österreich und Friedrich 11. in Preußen begann der Kampf um die Vorherrschaft im Reich. Der deutsche Dualismus zeigte sich im Österreichischen Erbfolgekrieg,80 nach Umgestaltung des europäischen Bündnissystems im Siebenjährigen Krieg,81 bei

68 Zur Rechtsstellung

184.

69 Zu

des Kaisers gegenüber der Reichskirche, H. Conrad, Bd. 2, S. 182 bis

den Gründen des Eintretens des Kaisers für die Erzbischöfe, K. O. v. Aretin, S. 389 f. bei M. Höhler, Heinrich Aloys Amoldis Tagebuch über die zu Ems gehaltene Zusammenkunft der vier erzbischöflichen Deputierten, S. 171-183. 71 K. O. v. Aretin, S. 390. 72 Zum Nuntiaturstreit und den Emser Beschlüssen, vgl. H. Raab, Handbuch der Kirchengeschichte V (1970), S. 503-507; H. Conrad, Bd. 2, S.185; O. Mejer, S.89-136. 73 K. O. v. Aretin, S. 410 ff.; Freyh, S. 358 f. 74 Vgl. H. Conrad, Bd.2, S. 185 f.; Gebhardt, Bd. 2 § 86, S. 345 f. 75 K. O. v. Aretin, S.394-399. 76 Lucchesini verpflichtete Preußen vertraglich zur Wahrung des Status quo in der Kirchenfrage, daflir sollte Pius VI. die Wahl Dalbergs zum Koadjutor des Kurflirsten von Mainz anerkennen. Das päpstliche Einverständnis konnte aber nach der Zustimmung des Kaisers zur Koadjutorwahl nach Reichsrecht nicht verweigert werden. Vgl. K. O. v. Aretin, S.395, 411-413. 77 K. O. v. Aretin, S. 402 f. 78 K. O. v. Aretin, S. 399-401. 79 1740-1780, ab 1765 unter Mitregentschaft von Josephll. 80 H. Conrad, Bd. 2, S.45-48. 81 H. Conrad, Bd. 2, S. 48 f. 70 Text

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der Ersten Polnischen Teilung. 82 Auch die Gründung des Fürstenbundes war eine Folge des preußisch-österreichischen Dualismus. 83 Friedrich dem Großen ging es um die Sicherung Preußens nach seinem Tode in einem möglichen preußischösterreichischen Konflikt, auch die Tauschpläne Österreichs stellten flir Preußen eine akute Bedrohung dar: 84 Schlesien war im Siebenjährigen Krieg an Preußen verloren gegangen, Joseph 11. wollte als Ausgleich daflir Teile Bayerns gewinnen. Der bayerische Kurfürst Max Joseph war am 30. 12. 1777 gestorben, mit ihm starben die bayerischen Wittelsbacher aus. Erbe des bayerischen Kurfürstentums war Kar! Theodor von der Pfalz, der zu einem Tausch Niederbayerns und der Oberpfalz gegen Vorderösterreich bereit war. Die Tauschpläne Österreichs wurden aber von Preußen vereitelt, das sich gegen diese Machterweiterung stellte und in Böhmen einmarschierte. Der Bayerische Erbfolgekrieg, bei dem es zu keinem Kampfgeschehen kam, wurde im Frieden von Teschen 1779 aufVerrnittlung von Rußland und Frankreich beendet. 1784 verhandelte Joseph 11. mit Karl Theodor erneut über einen Tausch von Teilen der österreichischen Niederlande gegen die bayerischen Gebiete. 85 Preußen ging es im Fürstenbund von Anfang an nicht um die von den kleinen Ständen erstrebte Reichsreforrn, sondern um die Schwächung des Konkurrenten Österreich. 86 Die Reichsstände sahen im Beitritt zum Fürstenbund eine Möglichkeit, der Abhängigkeit von den beiden deutschen Großmächten zu entgehen, das Reich und ihre Existenz zu retten. Dazu trat die traditionelle reichsständische Opposition gegen den Kaiser. Die antipreußische Gesinnung verblaßte, die kleinen Stände sahen die stärkere Bedrohung in der österreichischen Offensivpolitik nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg. Preußen stellte sich geschickt als Schutzmacht der Reichsverfassung dar und unter seiner Führung kam der Fürstenbund zustande, nachdem die Verhandlungen der kleinen und mittleren Stände über verschiedene Entwürfe nicht hinausgekommen waren. Es war nicht gelungen, neben den beiden Großmächten noch eine dritte starke Partei im Reich zu etablieren. 87 Ein anderes Interesse hatte wiederum Mainz am Beitritt zum Fürstenbund: Er richtete sich gegen die von Joseph 11. betriebene Unterwerfung der Kirche unter den Staat und die drohende Säkularisierung. Diese Frage war so wichtig, daß der Kanzler des Reichs in das Lager seiner Gegner wechselte. Der Kurfürst von Mainz, Friedrich Karl von Erthal erblickte eine gemeinsame Interessensbasis der katholischen geistlichen Fürsten und der protestantischen Fürsten in dem Bestre-

H. Conrad, Bd.2, S. 49 f. O. v. Aretin, S. 162. 84K. O. v. Aretin, S.176f. 85 H. Conrad, Bd. 2, S. 50. 86K. O. v. Aretin, S. 179-183. 87K. O. v. Aretin, S.I64-175.

82

83 K.

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ben, einen Machtzuwachs der katholischen weltlichen Fürsten zu verhindern. Er sah die Möglichkeit, daß sich aus diesem Zusammenschluß eine Vereinigung der Konfessionen in einer deutschen Kirche verwirklichen ließe, in der die Erneuerung des Reiches einen Anfang nehmen konnte. Die Voraussetzungen für die Verwirklichung dieses Konzepts waren aber nicht vorhanden, gemeinsam war den Beteiligten nur die Frontstellung gegen Österreich. 88 Um den Verbleib von Mainz im Fürstenbund auch nach dem Tode von Friedrich Karl von Erthal zu sichern, mußte auch sein Nachfolger dem Bündnis beitreten. Preußen und Österreich versuchten deshalb auf die Nachfolge Einfluß zu nehmen. Die Reichskanzlei in Wien favorisierte den Führer der kaiserlichen Partei im Mainzer Domkapitel, Georg Karl von Fechenbach, während Kaunitz sich für die Wahl Dalbergs einsetzte. Kaunitz ging davon aus, daß das Ansehen des Kaisers nur durch eine Reichsreform wiederhergestellt werden konnte, für deren Verwirklichung ihm Dalberg geeignet erschien. Dalberg war auch der Kandidat reichsfreundlicher Kreise in Berlin. 89 Für Dalberg war der Fürstenbund ein Mittel, um Kaiser und Reich zu einen. 9o Wegen des Mißtrauens, das Joseph 11. Dalberg nach dem Beitritt zum Fürstenbund 91 entgegenbrachte, waren die Bestrebungen des Koadjutors, eine Reichsjustizreform herbeizuführen, die der Auftakt zu einer allgemeinen Reichsreform gewesen wäre, aber zum Scheitern verurteilt. 92 Dalberg formulierte seine ,y-orschläge zum Besten des Deutschen Reiches"93 im August 1787. Zur Behebung der Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet des Zivilrechts schlug Dalberg die Einsetzung einer Kommission von Rechtsgelehrten aus allen Territorien vor. Ein von ihnen geschaffenes ius subsidiarium sollte beim Fehlen von Landesgesetzen gelten, es sollte aber auch mittelbar zu einer Verbesserung und Angleichung der iura statuaria führen. Wesentliche Themen der Gerichtsreform waren Verfahrensbeschleunigung, Verbesserung der Vollstreckbarkeit und die Kammergerichtsrevision. Dalberg betonte auch die Notwendigkeit einer Strafrechtsreform, einer Gewerberechtsreform sowie einer Neuordnung der Verhältnisse im Reich auf staatsrechtlichem Gebiet. Weiter fordert er die Aufhebung der Leibeigenschaft. Viele Gedanken, die er in seinem Entwurffür ein 88 K.

o. v. Aretin, S. 185-193.

O. v. Aretin widerlegt die Ansicht, Dalberg sei nur aufgrund preußischer Einflußnahme gewählt worden, vgl. Leopold von Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund, Leipzig 1872, S. 259-269; Ludwig Häusser, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes, Berlin 1854, Bd. 1, S. 277 f., 284 Ir. Zur Wahl, vgl. Karl Otmar von Aretin, Höhepunkt und Krise des deutschen Fürstenbundes. Die Wahl Dalbergs zum Koadjutor von Mainz, in: Historische Zeitschrift, Bd. 196, S. 36-73. 90 Vgl. den Aufsatz Dalbergs "Observations sur la Ligue", abgedruckt bei K. v. BeaulieuMarconnay, Bd. 1, S. 126-130. 91 K. O. v. Aretin, S. 202 f. 92 K. O. v. Aretin, S. 204. 93 Abgedruckt bei K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd. 1, S. 353 ff. 89 K.

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Kriminalrecht verarbeitete, sind bereits erwähnt: "Die Glückseligkeit und Würde der Nation erfordern, daß jeder Bürger sicher ist, nicht ohne rechtliche Veranlassung eingesperrt zu werden; nicht lange Zeit unverhört zu bleiben; nicht unschuldigerweise unter dem Vorwand von Verbrechen einer heimlichen CriminalUntersuchung ausgesetzt zu sein; nicht bei unschuldigen Gesinnungen das Opfer des Hasses, des Vorurtheils und der Verläumdung zu werden. Daß hierin rur die persönliche Sicherheit eines jeden Deutschen Vieles zu wünschen ist, wird niemand läugnen; und wenn Elend, Schande, Kerker und Martern keine Werkzeuge willkürlicher Ungerechtigkeiten werden sollen? so wird ein möglichst bestimmtes Criminal-Recht nöthig. Die Carolina ist in mancher Absicht unbrauchbar, weilen der accusatorische Prozeß abgekommen ist, und ihre Strafen zu scharf sind - Die Grundsätze der Criminalisten in Deutschland sind voller Widersprüche." Dalbergs Entwurf zu einem Kriminalgesetzbuch stellt die Ausarbeitung seiner Reichsreformpläne auf dem Gebiet des Strafrechts dar. Der Entwurf sollte in Erfurt als Strafgesetzbuch dienen.und Dalberg überreichte sein Werk dem Kurfürsten von Mainz unter Hinweis auf die beabsichtigte Verwendung. Der Kurfürst leitete den Entwurf seiner Landesregierung mit dem Auftrag zu, ein Gutachten darüber zu erstatten, das aber nie erstellt wurde. Im selben Jahr wurde der Entwurf auch publiziert. 94 Die reichische Partei der kleinen Stände unter Führung von Mainz konnte sich mit ihren Reformplänen nicht durchsetzen. Auch die Bemühungen des Kurfürsten Max Franz von Köln, anläßlich der Reichsexekution von 1789 gegen Lüttich in einer gemeinsamen Aktion der Reichsstände deren politische Bedeutung unter Beweis zu stellen und so eine Wiederbelebung des Reichsgedankens zu erreichen, blieben ergebnislos. 95 Anläßlich der Kaiserwahl von 1790 zerfiel der Fürstenbund vollständig. Schon 1788 mit dem Zustande kommen der preußisch-englischen Allianz war er rur Preußen ohne Interesse. Der Fürstenbund war nur das Kampffeid der beiden Großmächte und bot nie die Möglichkeit der Erneuerung der Reichsverfassung. Die Stände hatten vergeblich auf Preußen gesetzt, sie bewirkten nur eine Entfremdung des Kaisers vom Reich. Ihre Machtlosigkeit war offen-

94 Vgl. K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd. 2, S. 333. Allerdings ist die Behauptung, der Entwurf sei im Auftrag von Katharina H. von Rußland zustandegekommen (vgl. O. Krömer, S. 71 unter Berufung aufMichaud) letztlich nicht zu widerlegen. Mit ihr stand Dalberg in Briefwechsel (Joseph H. und Graf Ludwig Cobenzl. Ihr Briefwechsel, hrsg. v. A. Beer und J. v. Fiedler, Bd. 2, Wien 1901, S. 124 f.). Zur Behebung der Rechtsunsicherheit schlägt Dalberg die Schaffung eines neuen Reichsgesetzes zur Ablösung der Carolina mit subsidiärer Geltung vor. Zu den Reichsreformplänen Dalbergs, vgl. K. O. v. Aretin, S. 204-209 und die Schreiben Dalbxrgs vom 12. April 1788 an Karl August von Weimar und an Stein vom 17. Februar 1788: "Uber die militärische Verwertung des Fürstenbundvertrages zum Schutz der Reichsverfassung", (Politischer Briefwechstl des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar, hrsg. v. Willy Andreas und Hans Tümmler, 2 Bde. Stuttgart 1954/58, Bd. 1 Nr. 440, S.479; Bd.l, Nr. 398, S. 439 f.); Schreiben des Koadjutors an den kurbraunschweigischen Gesandten, Freiherm von Steinberg, in: K. v. Beaulieu-Marconnay, Bd.l, S. 363-366. 95 Zur Reichsexekution gegen Lüttich und die Reichspolitik des Kurfürsten Max Franz von Köln, K. O. v. Aretin, S. 218-229.

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sichtlich geworden und auch die Schwäche des Reichserzkanzlers. 96 Eine Aufteilung des Reiches nach polnischem Vorbild durch Preußen und Österreich wurde immer deutlicher als Gefahr empfunden. 97 Auch Dalberg hatte früh erkannt, daß eine Reichsreform im Fürstenbund nicht zu verwirklichen war. 98 Die weitere Entwicklung in Deutschland und das politische Schicksal Dalbergs wurden wesentlich durch die Französische Revolution bestimmt. Die Pillnitzer Deklaration vom 27. August 1791 99 und die Unterstützung der Kriegsvorbereitungen der französischen Emigranten durch die geistlichen Fürsten von Mainz, Trier und SpeyerlOOveranlaßten das revolutionäre Frankreich 1792, Preußen und Österreich den Krieg zu erklären, um der Gefahr von außen zuvorzukommen, aber auch um die zerrissene Nation zu einer Einheit zu schmieden. Damit begannen die Koalitionskriege. Der Kampf der Koalition diente auch der Verhinderung der Verbreitung revolutionärer Ideen in Deutschland. 101 Auch in Deutschland wirkten Jakobiner. 102 Sie forderten politische Gleichheit und Freiheit aller Bürger, unabhängig von deren Herkunft und sozialer Stellung, in einem demokratischen Staatswesen, in dem nach dem Gedanken der Volkssouveränität alle Bürger repräsentiert sind. 103 Gleichheit bedeutete bei den Jakobi96 K. O. v. Aretin, S.238-240. 97Vgl. den Briefwechsel zwischen Friedrich Karl Joseph von Erthal und Max Franz von Köln, abgedruckt bei 1. Hansen, Bd.l Nr. 261, S. 594 If., Nr. 265 S. 601 ff. 98 Er bewarb sich deshalb um die Reichsvizekanzlerstelle, nachdem Fürst Rudolf Joseph von Colloredo am 1. November 1788 gestorben war, um über diese Position seine Reformpläne in die Tat umzusetzen. Seine Bewerbung wurde aber abgelehnt. Vgl. Ernst August Runge, Die Politik Hannovers im deutschen Fürstenbund (1785-1790), in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd.8, 1931, S.45. 99 Willy Real, Von Potsdam nach Basel, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 70, Basel und Stuttgart 1958, S. 31. 100 K. O. v. Aretin, S.255. 101 Die Revolution wurde zunächst als interne französische Angelegenheit betrachtet, vgl. Paul Bensei, Niederrheinisches Geistesleben im Spiegel klevischer Zeitschriften des 18. Jh., Studien zur rheinischen Geschichte, Heft 1, Bonn 1912, S. 178. Die europäischen Mächte interessierte vornehmlich, wie Frankreich aus den inneren Kämpfen hervorging und die Auswirkungen auf das europäische Gleichgewicht, vgl. Leopold von Ranke, Ursprung und Beginn der Revolutionskriege 1791 und 1792. Sämtliche Werke 35, Leipzig 1879, S. 58. Für ihre Territorien sahen die Herrscher keine Gefahr, da sie den aufgeklärten Absolutismus schon verwirklicht hatten, K. Julku, Bd. 1, S. 222. Zu den typischen Reformen des aufgeklärten Absolutismus, die nie politischer Art waren, Fritz Hartung, Der aufgeklärte Absolutismus. Staatsbildende Kräfte der Neuzeit, Gesammelte Aufsätze, Berlin 1961, S. 166 ff. Die Revolution wurde aber, vor allem am Rhein sehr bald als Bedrohung empfunden, vgl. K. Julku, Bd. 1, S.277-280. 1021hr Tätigkeitszentrum war Mainz, wo sich die dort 1782 gegründete Lesegesellschaft zu einem politischen Klub entwickelt hatte, vgl. Hans Hainebach, Studien zum literarischen Leben der Aufklärungszeit in Mainz, Gießen 1936, S. 72. Ihre führenden Mitglieder gehörten dem 1784 aufgelösten Illuminatenorden an, W. Grab, Revolutionspropaganda, S. 80; Axel Kuhn, Jakobiner im Rheinland, Stuttgart 1976, S. 185; zu Organisation und AufgabensteIlung des Mainzer Klubs, W. Grab, Revolutionspropaganda, S. 81 f. IOJ W. Grab, Deutsche revolutionäre Demokraten, S. 47. Aufschlußreich ist die publizistische Kontroverse über die Menschenrechte zwischen dem Jakobiner Clauer und den Konservativen Möser und Gentz, vgl. H.-W. Engels, Karl Clauer, S. 170-175.

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nern nicht nur Gleichheit vor dem Gesetz, sondern politische Gleichberechtigung,104 Freiheit war für sie Attribut und Funktion dieser Gleichheit und setzte Unabhängigkeit vom Einfluß anderer, Befreiung von jeglicher Art politischer Vorrechte und sozialer Unterdrückung voraus (Walter Grab). Damit setzen sie sich in Gegensatz zu den Liberalen, die die Gewährung politischer Rechte vom Besitz abhängig machten und für die Freiheit wirtschaftliche Freiheit hieß, ohne Hemmung durch das ständische System. 105 Die Institution des bürgerlichen Eigentums wurde von der Mehrzahl der Jakobiner aufrechterhalten, nur keine Privilegierung politischer Art durfte daraus erwachsen. 106 Vom Materialismus französischer Aufklärer geprägt waren viele Jakobiner antiklerikal und betrachteten die Kirche als staatserhaltende Institution. 107 Ein wichtiger Wesenszug der Jakobiner war ihr Patriotismus, der die territoriale Zersplitterung Deutschlands, aber auch die aus den Besitz- und Standesunterschieden herrührenden Gegensätze überwinden sollte. Den vielen absolutistischen Kleinfürstentümern setzten sie den einheitlichen deutschen Nationalstaat entgegen. 108 Sie hofften, daß ein nationales Selbstbewußtsein die Empanzipation der Untertanen, die für ihren Staat Mitspracherechte fordern, bewirken könne und letztlich die Ablösung des Absolutismus durch die Demokratie. 109 Der ursprünglich ebenso bedeutsame aufgeklärte Kosmopolitismus trat hinter dieses bürgerliche Nationalbewußtsein zurück, als Frankreich unter dem Direktorium und danach unter dem Konsulat Napoleons immer mehr zur nationalen Unterdrückung überging. l1O

104 H. Reinalter, S. 9 f. 105 Eine gute Zusammenfassung der zeitgenössischen liberalen Anschauungen bietet Johann Albert Reimarus, Freiheit. Eine Volksschrift, Hamburg 1791. Dazu auch L. Koller, Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, S. 433. Zum Unterschied von Liberalismus und Jakobinismus der Revolutionsepoche: Ludwig Uhlig, Georg Forster, Einheit und Mannigfaltigkeit in seiner geistigen Welt, Tübingen 1965, S. 164 ff. Eine klare Abgrenzung ist aber nicht möglich, da nicht alle Jakobiner idealistisch-liberales Gedankengut verworfen hatten, vgl. W. Grab, Deutsche revolutionäre Demokraten, S. 55. 106 Allerdings war die von den Jakobinern angestrebte Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit durch Unterstützung Bedürftiger, Beseitigung des Bildungsprivilegs sowie staatlicher Beschränkung wirtschaftlicher Macht nur durch Eingriffe in die bürgerliche Freiheit möglich, wodurch auch die Verfligungsbefugnis über das Privateigentum betroffen war, vereinzelt wurde auch die Schaffung von gesellschaftlichem Gemeineigentum gefordert, vgl. W. Grab, Deutsche revolutionäre Demokraten, S. 59 f. 107H. Reinalter, S. 9; W. Grab, Deutsche revolutionäre Demokraten, S.58. 108 H. Scheel, Deutscher Jakobinismus und deutsche Nation, S. 34 f. 109w. Grab, Revolutionspropaganda, S. 86; ders., Deutsche revolutionäre Demokraten, S.57. 1IODie verfassungsgebende Nationalversammlung hatte noch in der Proklamation vom 22.5.1790 versprochen: "La nation franyaise renoncea entreprendre aucune guerre dans la vue de faire de conquetes, et n'emploierajamais ses forces contre la liberte d'aucun peuple", vgl. A Sorel, I.:Europe et la Revolution Francaise 11, 1903, S. 89. Im Dekret des Konvents vom 19.11.1792 ~ird allen Völkern Hilfe versprochen zur Erlangung der Freiheit, K. Julku, Bd. 2, S. 8. Den Ubergang zur reinen Machtpolitik bedeutete der Beschluß des Konvents vom 15.12.1792, daß die Revolutionsideologie jetzt ohne Rücksicht auf den Willen der Bevölke-

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Die theoretische Grundlage ihrer revolutionären Bestrebungen zur Verwirklichung der Prinzipien der Volkssouveränität und der nationalen Selbstbestimmung entnahmen die Jakobiner der Staatsphilosophie Jean Jacques Rousseaus: Die bestehende Despotie verletze die natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte, stelle einen Bruch des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages dar und begründe so ein Widerstandsrecht des Volkes. 111 Auch Thomas Paine spielte für die Theorie des Jakobinismus eine wichtige Rolle. Sein Werk "The Rights of Man" wurde in der jakobinischen Literatur ausdrücklich erwähnt. 112Die Überzeugung, daß eine evolutionäre Umwandlung der monarchisch-absolutistischen Staatsform in eine Republik undurchführbar sei, weil ein Despot noch nie freiwillig politische Rechte eingeräumt habe, unterschied die Jakobiner von den anderen deutschen Aufklärern. \13 Diese lehnten einen gewaltsamen Umsturz aus Furcht vor der Anarchie ab und forderten die Herrscher zu freiwilliger Machtbeschränkung im eigenen Interesse und Gewährung von Verfassungen auf. 114 Die Revolution sollte im Bewußtsein stattfinden - war erst durch Erziehungsarbeit, orientiert am Sittengesetz, eine moralische Besserung von Herrscher und Beherrschten erreicht, konnte der "weise Regent" schrittweise die gesellschaftliche Umgestaltung vorantreiben. Für Kant bedeutete gesellschaftlicher Fortschritt die Verwirklichung des kategorischen Imperativs, diese war aber nur durch Aufklärung und Erziehung über das Bewußtsein zu erreichen, nicht durch revolutionäre Ände-

rung durchgesetzt werden sollte, K. Julku, Bd.2, S. 86 f. Das Prinzip "Friede den Hütten, Krieg den Palästen" wurde am 15.9.1793 durch Dekret des Konvents abgelöst, Frankreich ging es jetzt nur noch um die eigene Existenzsicherung auf Kosten der eroberten Gebiete, vgl. W. Grab, Eroberung oder Befreiung, S. 35 f.; Georges Lefebvre, la revolution francaise, Paris 1963, S. 425; K. Julku, Bd. 2, S. 118. Die deutschen Demokraten erkannten, daß sie nur als Werkzeuge französischer Machtpolitik mißbraucht wurden, vgl. den Brief Georg Friedrich Rebmanns aus Paris an seine Altonaer Freunde vom Dez. 1796, W. Grab, Eroberung oder Befreiung, S. 41-46, 59 f. Rebmann setzte sich deshalb für eine selbständige cisrhenanische Republik ein, von der er sich eine positive Folgewirkung für ganz Deutschland versprach und lehnte eine Annexion des Rheinlandes durch Frankreich ab, W. Grab, Eroberung oder Befreiung, S. 64 f., 80-85. Mit dem Staatsstreich des 18. Fructidor V wurde aber die Frage der Annexion des Rheinlands, die auch im Direktorium umstritten war, zu Gunsten der Anhänger der natürlichen Grenze entschieden. W. Grab, Eroberung oder Befreiung, S. 47-49; vgl. dazu auch K. Julku, Bd.2, S. 155-171, A. Sorel, IV, 1905, S. 323 IT. Auf dem Rastatter Kongreß wurde die geänderte Einstellung Frankreichs deutlich, K. Julku, Bd. 2, S. 184-189; H. Scheel, Deutscher Jakobinismus und deutsche Nation, S. 37-39; ders., Deutsche Jakobiner, S.29. 111 H. Reinalter, S. 9; W. Grab, Deutsche revolutionäre Demokraten, S. 57; Jürgen Habermas, Naturrecht und Revolution in: Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien (Politica, Bd. 11, Abhandlungen und Texte zur philosophischen Wissenschaft. Hrsg. von W. Hennis und R. Schnur, Neuwied und Berlin 1963), S.52. 112 Thomas Paine erkennt nur die republikanische Staatsform mit einer gewählten Volksvertretung und konsequenten DurchfUhrung des Prinzips der Gewaltenteilung als rechtmäßig an. Wie Rousseau billigt er dem Volk ein Widerstandsrecht zu. Vgl. W. Grab, Demokratische Strömungen, S.103, 105, 109. 113 H. Scheel, Deutsche Jakobiner, S. 28; H. Reinalter, S.9. Zur Reaktion der deutschen Gelehrtenrepublik, K. Julku, Bd. 1, S.241-253, W. Grab, Revolutionspropaganda, S. 78 f. 114Vgl. H.-W. Engels, Karl Clauer, S. 167.

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rung des politischen Seins. 115 Für die Jakobiner galt, daß das politische Bewußtsein am wirksamsten durch Teilnahme am demokratischen Leben verändert werden könnte. Gerade Despotie und Hierarchie verhinderten die moralische Besserung des Volkes. 116 Die Jakobiner sprachen deshalb in ihren Publikationen gezielt die Unterschicht an, deren Revolutionsbereitschaft geweckt und gefördert werden sollte. ll7 Die Pläne der Jakobiner waren aber zum Scheitern verurteilt. Die überwiegende Zahl der Bevölkerung dachte nicht an einen organisierten gewaltsamen Umsturz, gelegentliche spontane Unruhen hatten meist konkrete Anlässe und verfolgten keine revolutionären Ziele. 118 Überwiegend wurde die Revolutionsideologie abgelehnt. 119 In Deutschland fehlte ein selbstbewußtes wirtschaftlich

115w: Grab, Eroberung oder Befreiung, S.21. 116Vgl. Georg Friedrich Rebmann, Schreiben an einen Freund, über das Bu.